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Full text of "Deutsche tropenmedizinische Monatsschrift; Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene"

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ARCHIV 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene, 

unter  besonderer  Berücksichtigung  der 

Pathologie  und  Therapie 

unter  Mitwirkung  von 


Prof.  Dr.  HA  ELZ,  Tokio,  Dr.  BELOW,  Berlin,  Dr.  KROHN,  Madeira, 
Dr.  BOMBARDA,  Lissabon,  Dr.  VAN  BRERO,  Buiteiuorg,  Dr.  DE  BRUN, 
Beirut,  Dr.  BRUNHOFF,  Kiel,  Prof.  Dr  H.  COHN,  Breslau,  Dr.  DAEUBLER, 
Berlin,  Dr.  DRYEPONDT,  Brüssel,  Prof.  Dr.  FIRKET,  Lüttich,  Dr.  FISCH, 
Aburi  (Goldküste),  Dr.  GLOGNER,  Samarang,  Dr.  GOLDSCHMIDT,  Paris- 
Madeira,  Dr.  HEY,  Oduntase  (Goldküste),  Dr.  MAX  JOSEPH,  Berlin, 
Dr.  LEHMANN,  Schlachtensec,  Prof.  Dr.  LEICHTENSTERN , Köln, 
Dr.  LIEBENDOERFER,  Kalikut  (Vorderindien),  Dr.  LIER,  Mexico,  Hofrat 
Dr.  MARTIN,  München,  Prof.Dr.  MONCORVO.  Rio  de  Janeiro,  Dr.  NOCHT, 
Hamburg,  Dr.  A.  PLEHN,  Kamerun,  Dr.  F.  PLEHN,  Tanga,  Prof.  Dr.  RENK, 
Dresden,  Dr.  RICHTER,  San  Francisco,  Prof.  Dr.  O.  ROSENBACH,  Berlin, 
Dr.  ROTHSCHUH,  Managua,  Dr.  RÜGE,  Kiel,  Dr.  RUMPEL,  Hamburg- 
Eppendorf,  Dr.  SANDER,  Windhoek,  Dr.  SCHEI.LONG,  -Königsberg, 
Sanitätsrat  Dr.  SCHEUBE,  Greiz,  Dr.  SCHOEN,  Berlin,  Dr.  SCHWALBE, 
Los  Angeles.  Dr.WITTENBERG,  Kayintschu (Süd-China),  Dr.  ZIEMANN,  Berlin, 

herausgc$cbcn  von 


Dr.  C.  Mense,  Cassel. 


1.  Band, 


. C ASSEI.  ; 

Verlag  von  Tu.  G.  Fisher  & Co. 
1897. 


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Zur  Einführung. 

Wenn  in  früheren  Jahren  der  junge  deutsche  Mediziner 
in  die  weite  Welt  hinauszog,  um,  dem  Wissensdurst  und  der 
Wanderlust  folgend,  auf  See  oder  in  den  Tropenländem  seine 
ärztliche  Thätigkeit  auszuüben,  so  war  er  für  die  eigenartigen 
Aufgaben  seines  Berufs  nur  mangelhaft  vorbereitet.  Von 
manchen  ihm  neu  entgegentretenden  Krankheiten  hatte  er 
kaum  den  Namen  gehört,  noch  viel  weniger  Fälle  derselben 
gesehen,  an  die  Besprechung  hygienischer  Fragen,  welche 
über  den  Rahmen  europäischer  Verhältnisse  hinausgingen, 
hatten  nur  wenige  seiner  Lehrer  gedacht.  In  wissenschaft- 
lichen Zeitschriften  zerstreut  fand  man  allerdings  Abhand- 
lungen über  einzelne  Tropenkrankheiten,  ihre  Verhütung  und 
Behandlung,  aber  dieselben  bekam  immer  nur  ein  beschränkter 
Leserkreis  zu  Gesicht.  Die  älteren  kolonisirenden  Nationen, 
besondere  Engländer,  Franzosen  und  Holländer,  hatten  da 
gegen  schon  um  die  Mitte  unseres  Jahrhunderts  auf  diesem 
Gebiete  eine  reiche  Litteratur  und  brauchbare  Lehrbücher. 
Das  erste  grosse  deutsche  Werk  auf  dem  Felde  der  Tropen- 
krankheiten und  von  Zone  zu  Zone  wandernden  Seuchen  ist 
die  historisch-geographische  Pathologie  von  Hirsch  welches 
1859  erschien  und  eine  Fülle  von  Belehrung  bot.  Leider 
fand  die  Therapie  in  derselben  fast  gar  keine  Berück- 
sichtigung. Durch  Fisch,  Däublcr  und  andere,  besondere 
kürzlich  durch  Scheube,  ist  in  den  letzten  Jahren  auch  für 
treffliche  therapeutische  Handbücher  gesorgt  worden.  Eine 
Zeitschrift  aber,  welche  fortlaufend  Berichte  aus  warmen 
Ländern  sammelt,  die  Aussprache  der  verschiedenen  Meinungen 
vermittelt,  Belehrung  bietet  und  zur  Beobachtung  anregt, 
war  bisher  nicht  vorhanden.  Unser  Archiv  will  versuchen, 


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diese  Aufgabe  zn  erfüllen  und  richtet  an  die  wissenschaftliche 
Welt  die  Bitte  um  Unterstützung.  Wenn  der  Unterzeichnete 
die  Redaktion  der  neuen  Zeitschrift  übernimmt,  so  geschieht 
cs  in  der  Hoffnung,  durch  langjährigen  Aufenthalt  in  den 
Tropen  und  auf  Reisen  in  den  Stand  gesetzt  zu  sein,  das 
eingehende  Material  zur  Zufriedenheit  der  Mitarbeiter  und 
Leser  ordnen  und  sichten  zu  können. 

Stoff  zur  Besprechung  wird  stets  reichlich  vorhanden 
sein,  denn  mit  dem  Anwachsen  des  überseeischen  Verkehrs 
und  der  Entwicklung  der  Kolonialpolitik  ist  die  Zahl  der 
auf  See  fahrenden  und  im  Ausland  auch  in  ungesunden 
Tropetdiindern  lebenden  Europäer  in  steter  Zunahme  begriffen. 

Noch  manches  Rätsel  aber  muss  aufgeklärt,  noch  manche 
wichtige  Streitfrage  entschieden  werden,  ehe  das  Ziel,  welches 
Hygiene  und  Medizin  gemeinsam  erstreben,  der  weissen  Rasse 
auch  in  den  Tropen  ein  Heim  zu  bereiten,  erreicht  ist,  che 
das  Schiff,  welches  die  unternehmenden  Reisenden  hinaus- 
trägt in  die  Ferne  und  die  von  klimatischen  Krankheiten 
Geschwächten  auf  den  Ozean  und  in  das  Vaterland  zurückbringt, 
ein  gesundes  schwimmendes  Haus  und  nie  mehr  ein  Träger 
gegenseitiger  Ansteckung  von  Erdteil  zu  Erdteil  sein  wird. 
Und  da  draussen  auf  dem  Meere  und  in  den  Koloniallainlcrn 
der  einzige  Arzt  oft  genug  auch  der  einzige  Hygieniker  ist, 
oder  doch  sein  sollte,  die  prophylaktische  Arbeit  aber  die 
therapeutische  nicht  selten  an  Bedeutung  überragt,  so  darf 
das  „Archiv“  sieh  keine  Trennung  beider  Wissenschaften 
erlauben. 

Mögen  unsere  Mitarbeiter  und  Leser  im  Kampfe  der 
Meinungen  bedenken,  dass  verschiedene  Pfade  durch  das 
hohe  .Savannengras  des  Unbekannten  nach  dem  Zukunftshause 
des  weissen  Mannes  in  den  Tropen  führen  können  und  dass 
für  das  Gebäude  selbst  aus  allen  Richtungen  Steine  licrbei- 
getragen  werden  dürfen,  wenn  es  nur  fertig  wird! 

M e n s e. 


Bitten  nnd  Vorschläge  an  Leser  und  Mitarbeiter. 

Um  unsere  Kenntnisse  über  die  Malariaparasiten  im 
Blut  zu  erweitern,  ist  es  nothwendig,  dass  Blutuntersuchungen 
in  den  Tropen  und  im  gemässigten  Klima  Hand  in  Hand 
gehen.  Wir  ersuchen  unsere  Leser  und  Mitarbeiter,  solche 
Studien  vorzunehmen,  wozu  die  Arbeit  von  A.  Plehn  und  das 
Referat  über  die  Arbeit  Ziemann’s  in  diesem  Helte  eine  treff- 
liche Anleitung  giebt.  Für  Berlin  und  Umgegend  ist  Herr 
Dr.  K.  Däubler,  Tegel,  Brunneustrasse,  zur  Vornahme  dieser 
Untersuchungen  bereit,  für  Cassel  der  Herausgeber  d.  Bl.  Um 
Zuweisung  geeigneter  Patienten  wird  gebeten.  Die  Beobach- 
tungen werden  im  „Archiv“  veröffentlicht  werden. 

Das  Archiv  ersucht  ferner  seine  Freunde  im  Auslände 
um  Einsendung  pathologischer  und  anatomischer  Präparate, 
deren  genaue  mikroskopische  Untersuchung  drausscn  oft  mit 
Schwierigkeiten  verbunden  ist.  Wenn  nicht  aus  besonderen 
Gründen  eine  andere  Conservirung  vorgezogen  wird,  so  mag 
folgende  erprobte  Vorschrift  benutzt  werden: 


1)  Sublimat-Essigsäure: 

Hydrarg.  bichlorat 5,0 

Acid.  acet.  glac 5,0 

Aq.  dest 100,0 

Natr.  ohiorat.  q.  s.  ut.  f.  solut.  . (0,5) 


Die  Gewebsteile  müssen  so  bald  wie  möglich  nach 
dem  Tode  der  Leiche  entnommen  werden.  Aus  dem  lebenden 
Körper  entfernte  Gewebsteile  müssen  in  1 eben  s warmem 
Zustaude  in  die  Konservierungstlüssigkeit,  welche  vor- 
her auf  eine  Temperatur  von  25 0 C.  zu  bringen  ist,  ein- 
gelegt werden.  (Um  ein  Ankleben  des  eingelegten  Stückchens 
an  dem  Boden  des  Gefässes  zu  vermeiden,  muss  derselbe  mit 
einem  Stückchen  entfetteter  Watte  bedeckt  werden.) 

Die  Grösse  der  einzulegenden  Stücke  darf  bei  dichten 
Geweben  bei  1 Q cm  Fläche  0,5  cm  Dicke  nicht  übersteigen. 
Viel  loses  Bindegewebe  enthaltende  Stücke  dürfen  eine  Dicke 
von  1 cm  haben.  Im  Allgemeinen  empfiehlt  es  sieh,  die 
Stückchen  so  klein  wie  möglich  cinzulegcn. 


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fl 

Die  Stücke  verbleiben  6 — 12  Stunden,  je  nach  der 
Grösse  in  der  Sublimat-Essigsäure  und  werden  dann  in  ein 
möglichst  grosses  Gefiiss  (mindestens  'Is  Liter)  mit  reinem 
Brunnenwasser  übertragen,  oder  besser  unter  der  Wasser- 
leitung in  einem  Gefäss  überspült  (2  -3  Stunden). 

Darauf  folgt  eine  allmähliche  Härtung  in  Alkohol  von 
steigender  Concentration,  welche  sich  über  mehrere  Tage 
hinziehen  kann.  (Alkohol  30°'0  2 Tage,  Alkohol  60  °/#  1 Tag.) 
Zum  Schluss  werden  sie  in  Alkohol  von  80°/0  übertragen. 

Diese  Konservierungsmetbode  eignet  sich  nur  für  Stücke 
von  der  angegebenen  Grösse  und  für  ganz  frisches  Material 
(aus  Leichen  nicht  über  24  Stunden  nach  dem  Tode). 

Grössere  Stücke  oder  Teile  aus  älteren  Leichen  werden 
am  Besten  entweder 

2)  in  Alkohol  von  90 — 96  °/0  oder 

3)  in  7#,'0  Formollösung  oder 

4)  in  Müller’scher  Flüssigkeit  (Kal.  bichrom.  2,0,  Natr. 
sulfuric.  1,0,  Aq.  dest.  100,0)  konserviert  und  können  in 
diesen  Flüssigkeiten  mehrere  Monate  lang  aufbewahrt  und 
versandt  werden. 

Jedes  Gefäss  muss  mit  einem  Zettel  versehen  sein, 
welcher  enthält : 

a.  Bezeichnung  des  Leichenteils,  der  konserviert  wurde. 

b.  „ der  Krankheit  und  Notizen  über  den 

Verlauf. 

c.  „ der  Konservierungsflüssigkeit,  in  der 

sich  das  Stück  bei  der  Versendung  befindet  (z.  B. 
für  1)  Alkohol)  und  der  Art  der  Konservierung 

(z.  B.  für  1)  Sublimat- Essigsäure). 

d.  Angaben  über  den  Zustand  der  Leiche  bei  der 
Sektion  und  wie  lange  nach  dem  Tode  die  Sektion 
stattfand. 

Manches  interessante  Objekt  verdirbt  unbenutzt,  dessen 
Versand  hiernach  leicht  bewerkstelligt  werden  könnte.  Zur 
Vervollständigung  einer  Beobachtungsreihe  wären  uns  z.  B. 
Stücke  von  dysenterischem  Darm  u.  s.  w.  aus  den  verschiedenen 
Ländern  sehr  erwünscht. 


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I.  OriginalabbandJungen. 

Oie  Blutuntersuchung 

in  tropischen  Fiebergegenden  und  ihre  practische 
Bedeutung 

von  Dr.  Albert  Plehn, 

Kaiser!.  Deutschem  Regierungsarzt  in  Kamerun 

Eine  regelmässige  Blutuntersuehung  zu  diagnostischen 
und  klinischen  Zwecken  wurde  bis  jetzt  im  tropischen 
Ausland  wohl  ausschliesslich  in  einigen  besonders  gut 
ausgestatteten  Krankenhäusern,  namentlich  in  Holländisch- 
Indien  und  in  Kamerun  geübt,  und  das  auch  erst  seit 
wenigen  Jahren.  — Wunderbar  wird  das  dem  nicht  er- 
scheinen, welcher  die  ausserordentlichen  Schwierigkeiten 
systematischer  wissenschaftlicher  Arbeit  für  den  durch  eigene 
Krankheit  überall  unterbrochenen  und  behinderten,  und  durch 
die  Erfordernisse  des  praktischen  Dienstes  immer  wieder  ab- 
gerufenen Arzt  in  jenen  heissen  pesthauehenden  Himmels- 
strichen aus  eigener  Erfahrung  kennt. 

Die  praktischen  Resultate  meiner  Versuche,  solche 
Arbeiten  trotz  aller  Schwierigkeiten  in  dem  zum  Kameruner 
Regierungskrankenhaus  gehörigen  Laboratorium  durchzu- 
iühien,  sollen  in  Folgendem  gebracht  werden,  um  dem 
jungen  Tropenarzt,  der  im  Wesentlichen  doch  immer  wird 
Praktiker  sein  müssen,  als  Richtschnur  zu  dienen,  bis  er 
umfangreichere  eigene  Erfahrung  gesammelt  hat. 

Erhebliche  klinische  Bedeutung  kommt  vorläufig  wohl 
nur  der  mikroskopischen  Blutuntersuchung  auf  Parasiten  und 
der  quantitativen  Hämoglobinbestimmung,  eventuell  combinirt 
mit  Blutkörperzählung,  zu. 

Eine  zuweilen  beobachtete  leichte  Leukocytose  oder 
auffallende  Verringerung  der  weissen  Blutkörperchen,  waren 
ebenso,  wie  das  Auftreten  kernhaltiger  rother  Blutscheiben 
nicht  constant  genug,  um  klinisch  verwerthet  werden  zu  können. 
Die  betreffenden  Arbeiten  sind  noch  nicht  abgeschlossen. 

Mit  der  Würdigung  des  Malariaplasmodium  in  seiner 
ätiologischen  und  klinischen  Bedeutung  ging  es  — oder  geht 


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cs  vielmehr  häutig  noch  — wie  früher  mit  «lern  Tuberkel- 
biicillus:  Der  „alte  Praktiker“  lächelte  bei  dem  Gedanken, 
dass  er  dureh’s  Mikroskop  sehen  sollte,  uni  seine  Schwind- 
sucht zu  erkennen.  Natürlich  bedarf  cs  auch  hei  der  Malaria 
in  der  überwiegenden  Mehrzahl,  resp.  bei  allen  typischen 
Fällen,  des  Mikroskops  zur  Diagnose  nicht.  Aber  in  den 
Tropen  giebt  es  eben  eine  sehr  grosse  Anzahl  nicht 
typischer  Fälle,  welche  namentlich  da,  wo  andere  fieberhafte 
Krankheiten  häufig  sind,  eine  rasche  und  sichere  Diagnose, 
ohne  Blutuntersuehung  gaDZ  unmöglich  machen.  In  Kamerun 
kam  in  der  Hinsicht  in  Betracht:  1)  das  typhoide  Fieber 
2)  Dysenterie  im  ersten  Beginn,  3)  Hepatitis.  Beim  Neger 
ausserdem  noch  die  so  häufige  Pneumonie  und  einmal  Cere- 
brospinalmeningitis. 

Nun  würde  in  vielen  fraglichen  Fällen  sich  die  Diagnose 
vielleicht  nach  einer  Beobachtungszeit  von  wenigen  Tagen 
stellen  lassen,  ohne  das  Mikroskop  in  Thätigkeit  zu  setzen; 
aber  diese  wenigen  Tage  des  Zuwartens  und  Beobachtens 
können  dem  Patienten  an  einem  Herde  pernieiöser  Fieber 
direkt  verhängnissvoll  werden  ; im  günstigsten  Falle  schwächen 
sie  den  Kranken  enorm  und  verzögern  die  Reconvalescenz 
bedeutend.  Das  weiss  nicht  nur  der  Tropcuarzt  draussen, 
sondern  auch  der  erfahrene  Laie.  — Deshalb  wird  bei  jeder 
Störung  des  Allgemeinbefindens  von  ihm  zum  Thermometer 
gegriffen,  und  zur  „Sicherheit“  Chinin  gegessen,  wenn  der- 
selbe eine  Temperatursteigerung  anzeigt. 

Das  ist  vom  Laien  so  thöricht  nicht  gehandelt;  der 
Arzt  aber  sollte  doch  auf  einem  andern  Standpunkt  stehen. 
Sonst  kommt  es,  wie  so  oft:  Das  Chinin  wirkt  nicht.  Es 
wird  dann  eine  höhere  Dosis  gegeben ; dann  vielleicht  noch- 
mals gesteigert  und  öfters  wiederholt.  Schliesslich  wird  zu 
anderen  Mitteln  gegriffen,  sei  es  Arsen,  Phenokoll,  Antipyrin 
oder  noch  anderen  mehr  oder  minder  unschuldigen  Medika- 
menten. Heilt  die  Krankheit  dann  inzwischen,  und  wieder- 
holt sich  diese  Erscheinung  öfters,  — wie  das  z.  B.  bei  einer 
Typhoidepidemie  geschehen  kann,  — dann  kommt  der  Skep- 
tiker und  Pessimist  dazu,  zu  sagen : „Auch  das  Chinin  ver- 
sagt zeitweise  häufig  bei  der  Malaria.“  Der  Sanguiniker  aber 
berichtet:  „Phenokoll  oder  Arsen  wirken  noch  bei  der  Malaria, 
woselbst  das  Chinin  nicht  hilft.“  Denn  dass  alle  fieberhaften 


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(utul  auch  viele  nicht  fieberhaften)  Krankheiten  in  (len  Tropen 
Malaria  sein  müssen,  verstand  sich  wenigstens  zur  Zeit  meines 
Aufenthalts  in  Hnlländisch-Indicn  dort  nicht  blos  für  den 
Laien  von  seihst. 

Als  „Malaria*'  darf  man  heute  aber  nur 
Krankheiten  bezeichnen,  welche  durch  die 
als  Malaria-Plasmodien  bekannten  amöben- 
artigen kleinsten  Thicrchen  hervor  ge  rufen 
werden.  Diese  finden  sieh  dann  auch  regelmässig  im 
peripheren  Kreislauf,  wenigstens  zeitweise. 

Die  kleinen  Malariaparasiten  der  tropischen,  zur  Perni- 
ciositüt  neigenden  Fieber,  welche  den  Estivoautumnalisformen 
der  Italiener,  den  Quotidianformen  Munnaberg’s  und  van 
der  Scheer’s  wenigstens  morphologisch  entsprechen,  ver- 
schwinden nämlich  aus  der  peripheren  Oirculation,  wenn  sie 
ein  gewisses  Entwickelungsstadium  erreicht  haben.  Ihre 
Wirthe,  die  rothen  Blutkörperchen,  sind  dann  offenbar  in 
ihrer  Constitution  durch  den  Schmarotzer  soweit  verändert 
worden,  dass  sie  die  feinsten  Capillaren  in  Hirn,  Leber,  Lunge 
ebensowenig  mehr  zu  passieren  vermögen,  wie  die  Lymph- 
rüume  von  Milz  und  Knochenmark,  wo  der  Entwickelungs- 
process  zu  Ende  verläuft. 

So  wird  bei  Vorhandensein  nur  einer  Parasitengeneration 
im  gleichen  Entwickelungsstadium,  einige  Stunden  vor  dem 
Fieberanfall,  bis  in  den  Schüttelfrost  hinein,  kein  einziger 
Parasit  im  peripheren  Blut  gefunden  werden.  Dies  ist  aber 
gerade  die  Zeit,  wo  der  Patient  die  Prodromalerscheinungen 
verspürt,  der  Arzt  also  am  öftesten  in  die  Lage  kommt, 
wegen  Diagnose  und  Prognose  befragt  zu  werden.  Nur  zu 
leicht  wird  auch  der  geübte  Untersucher,  der  an  das  Ver- 
schwinden der  Parasiten  vor  dem  Anfall  nicht  denkt,  da 
irre  geleitet.  Wer  gewöhnt  ist,  gefärbte  Präparate  zu  unter- 
suchen. der  findet  oft  noch  stundenlang,  nachdem  der  Anfall 
begonnen,  nichts,  wenn  nur  eine  Generation  vorhanden  ist, 
denn  die  J u g e n d f or  m e n der  Parasiten  färben  sich 
auch  in  ihren  Randparthien  erst,  wenn  sie  etwa 
Vs — ll*  der  Grösse  eines  rothen  Blutkörperchen 
erreicht  haben. 

Hierauf  dürfte  es  zurückzuführen  sein , dass  auch 
mikroskopisch  sehr  geübte  Beobachter  (z.  B.  Fischer  in  Kiel) 


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lauge  Zeit  hindurch  negative  Resultate  hatten.  Für  den, 
welcher  das  Blut  frisch  untersucht,  erscheint  eine  andere 
Quelle  der  Täuschung,  wenn  zwei  Parasitengenerationen  von 
verschiedenem  Alter  sich  neben  einander  entwickeln,  wie  das 
in  Kamerun  die  Regel  ist.  Dann  pflegt  man  zu  der  Zeit, 
wo  die  ältere  Generation  sich  bereits  in  den  innern  Organen 
der  Sporulation  niibert,  also  aus  dem  peripheren  Blut  ver- 
schwunden ist,  in  der  äusseren  Circulation  die  Jugendformen 
der  andern  zu  sehen,  welche  für  den  Geübten  bis  zu  V*o 
Blutkörpergrösse  und  weniger  im  lebenden  Blut  deutlich  er- 
kennbar sind.  So  kommt  man  leicht  dazu  auf  Grund  des 
Entwickelungszustandes  der  sichtbaren  Parasiten,  den  Fieber- 
anfall erst  für  den  nächsten  Tag  vorauszusagen,  während  er 
unmittelbar  bevorsteht.  Der  Autorität  des  Arztes  ist  das 
nicht  förderlich. 

Zu  andern  Zeiten  lassen  sich  im  ungefärbten  Präparat 
die  beiden  Generationen  meist  deutlich  unterscheiden.  Aber 
Vorsicht  auch  da  mit  der  Prognose,  namentlich  wenn  die 
beiden  Entwiekelungstypen  nicht  in  grösserer  Zahl  vorhanden, 
und  nicht  sehr  scharf  differenziert  sind!  — Bis  zu  dem  Ge- 
misch aller  Entwickelungsstufcn  bei  Continua,  wie  sie  aller- 
dings, wenigstens  in  Kamerun  nur  beim  Erstlingsfieber 
öfters  vorkommt,  giebt  es  mannigfache  Uebcrgänge. 

Die  Diagnose  zu  stellen,  ist  in  solchen  Fällen  natürlich 
besonders  leicht,  weil  da  fast  stets  auch  färbbare  Parasiten 
vorhanden  sind.  Und  glücklicher  Weise  sind  es  gerade  diese 
Fülle  von  Continua  oder  Remittcns,  wo  die  Entwickelungs- 
stufen sich  zusammendrängen,  welche  am  häufigsten  eine 
Differentialdiagnosc  mit  dem  Mikroskop  erfordern,  weil  sie 
am  wenigsten  typisch  verlaufen. 

Dass  die  activen  Parasitenforraen  bei  Auflösung  der 
rothen  Blutkörperchen,  wie  sie  das  Wesen  der  Malaria 
hümoglobinurica  — vulgo  Schwarzwasserfieber  — ausmacht, 
verschwinden  und  untergehn,  führte  ich  an  anderer  Stelle  aus.*) 

Da  nun  aber  die  Malaria  hämoglobinurica  eine  An- 
wendung von  Chinin  direct  contraindicirt,  so  kann  man  sich 
streng  daran  halten,  Chinin  nur  dann  zu  geben,  wenn 

*)  „Beiträge  zur  Kenntnis»  von  Verlauf  und  Behandlung  der 
tropischen  Malaria  in  Kamerun.“  Albert  Plehn,  Berlin,  1886  bei 
Hirschwald. 


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man  die  activen  Parasiten  formen  im  peripheren 
Blute  findet.  Fehlen  sic  einmal  vor  dem  Ficbcranstieg, 
so  wird  eine  nach  4—6  Stunden  wiederholte  Blutuntersuchung 
die  Diagnose  sichern,  und  es  ist  danu,  wie  ebenfalls  in  dieser 
Arbeit  ausgesprochen,  mindestens  kein  Fehler  gewesen,  dass 
man  den  Ablauf  des  Paroxismus  abwartete.  Es  ist  das  um 
so  weniger,  als  es  nach  meinen  Erfahrungen  in’ Kamerun 
all  Land  niemals  gelang,  den  kommenden  Anfall  durch 
Chinin  aufzuhalten,  wenn  sich  schon  Parasiten  im  Blut  nach- 
weisen  Hessen.  Demgegenüber  giebt  Dr.  Zieinann*)  an, 
dass  er  an  Bord  des  Kanonenboots  „Hyäne“,  welches  auf 
dem  2 klm  breiten  Strom  liegt,  mehrfach  einem  Fieber,  das 
er  auf  Grund  des  Parasitenbefundes  prognosticirte,  durch 
eine  sofortige  Chiningabe  Vorbeugen  konnte.  — Dies  könnte 
damit  erklärt  werden,  dass  die  Entwickelungsbedingungen 
für  die  Parasiten  bei  den  den  Bodenausdünstungen  des  Ufers 
selten  und  nur  vorübergehend  ausgesetzten  Seeleuten,  im 
allgemeinen  ungünstiger  sind,  wie  beim  Landbewohner, 
worauf  auch  die  unvergleichlich  viel  niedrigeren  Mor- 
biditätsziffern hin  weisen.  — Jedenfalls  steht  fest,  dass  a n 
Land  die  Parasiten  durch  Chinin  nicht  mehr  getödtet 
wurden,  wenn  sie  die  Hälfte  ihrer  Entwickelung  erreicht 
hatten.  Und  da  fast  stets  mindestens  zwei  Entwickelungs- 
stadien gleichzeitig  vorhanden  waren , so  war  fa3t  stets 
mindestens  eine  widerstandsfähig  gegen  das  Chinin,  während 
die  andere  allerdings  gewöhnlich  vernichtet  wurde.  Es  ist 
also  zwecklos,  die  Chiningaben  zu  häufen;  die 
der  Chininwirkung  zugänglichen  Plasmodien  werden  durch 
eine  Gabe  pro  die  vernichtet ; die  älteren  auch  durch  mehrere 
nicht  zerstört.  Diese  haben  sich  erst  etwa  24  Stunden  später 
wieder  in  die  empfindlichen  Jugendformen  aufgelöst,  und 
eine  zweite  mässige  Chiningabe  von  1 — 1 ’/t  grm.  nach  24 
Stunden  genügt  somit  fast  stets,  sämmtliche  activen  Parasiten- 
formen, und  somit  die  Malariaattaque,  zu  beseitigen. 

Welches  sind  nun  die  activen  Parasiten?  Sie  erscheinen 
als  kleinste  endoglobuläre  Ringformen,  oder  kleine  homogene, 
bewegliche  Amöben,  die  wiederum  die  Ringform  annehmen, 


*)  Vortrag  in  der  Section  für  Tropenlngiene  der  68.  Versammlung 
der  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Frankfurt  a.  M. 


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bevor  sie  ubsterbcu,  oder  wenn  sie  gereizt  werden.  Später 
bilden  sie  kleine  Siegelringe,  welche  meist  an  der  Stelle,  wo 
die  Verdickung  beginnt,  ein  rundes,  stark  lichtbrechendes 
Gebilde  führen,  das  als  Kern  allzusprechen  sein  dürfte.  Ge- 
wöhnlich enthalt  die  Peripherie  des  Ringes  in  diesem  Stadium 
einige  feinste  Pigmentstäbchen,  welche  dem  Centrum  fern  bleiben. 
Letzteres  niuss  als  vakuolenartiges  Gebilde  angesehen  werden 
und  ist  durchsichtig,  da  es  bei  der  Doppelfärbuug  stets  den 
Farbenton  des  rothen  Blutkörpers  zeigt,  während  die  Peri- 
pherie des  Ringes  sich  mit  Methylenblau  schwach  färbt  und  der 
Kern  bei  den  gewöhnlichen  Färbemethoden  nicht  tingirt  wird, 
sondern  sich  perlmutterartig  glänzend  vom  Plasmascharf  abhebt. 

Weitere  Veränderungen  lassen  sich  im  peripheren  Blut 
nicht  verfolgen.  Füllen  die  Parasiten  etwa  den  vierten  Theil 
des  rothen  Blutkörperchens  aus,  so  verschwinden  diese,  wie 
gesagt,  mit  ihren  Gästen  aus  der  Circulation.  Unter  Um- 
ständen, besonders  wenn  die  Constitution  der  Erythrocyten 
durch  wiederholte  oder  anhaltende  Einwirkung  des  Malaria- 
virus in  einen  Zustand  der  Labilität  gerathen  ist,  wie  er  die 
Vorbedingung  für  den  Ausbruch  des  „Schwarzwasserfiebers“ 
bildet,  oder  vielleicht  auch,  wenn  man  es  mit  besonders  in- 
tensiv wirkenden  stark  „virulenten“  Parasiten  zu  tliun  hat, 
können  die  Plasmodien  bereits  in  einem  noch  früheren  Jugend- 
stadium mit  ihren  Wirthen  verschwinden,  und  dann  findet 
man  in  jeder  Phase  der  Fieberattaque  nur  die  kleinen  Ring- 
formen, worauf  Friedrich  Plehn*)  zuerst  hinwies. 

Die  weitere  Eintwickelung  im  Milzbiut  zu  verfolgen, 
sah  ich  uus  praktischen  Gründen  keine  Veranlassung.  Ledig- 
lich aus  wissenschaftlichem  Interesse  bei  dem  schon  unter 
dem  Klima  schwer  leidenden  Europäer  die  Milzpunction  vor- 
zunehmen , hielt  ich  mich  nicht  für  berechtigt.  Bei  den 
kräftigen  Schwarzen  fand  ich  im  Milblut  zur  Zeit  des  An- 
falls rundliche,  traubenförmige  Gebilde,  welche  die  Grösse 
eines  Erythrocythcn  nicht  ganz  erreichten  und  von  ihrem 
Wirtli  nichts  mehr  erkennen  Hessen.  Sie  dürften  Sporulntions- 
formen  entsprechen.  Ausserdem  fanden  sich  etwas  kleinere 
Gebilde  mit  und  ohne  Vakuole,  welche  Pigmentkörnchen 

*)  Friedrich  Plehn:  „Das  Schwarzwasserfieher  der  afrikanischen 
Westküste“,  Vortrag,  gehnlten  in  der  Berliner  lnedicinischen  Gesell 
schsft,  1ÖÜ5. 


13 

führten:  wahrscheinlich  Uohergünge  von  der  Siegelring-  zur 
Sporulationsform.  Typische  Sporulationsformen , wie  sie  so 
vielfach  beschrieben  sind,  fand  ich  nicht.  Aber  die  Unter- 
suchungen waren  nicht  zahlreich  und  sind  noch  nicht  abge- 
schlossen. 

Nur  die  Parasitenformen  dieser  Art  haben  pathogene 
Bedeutung,  da  die  bei  ihrer  Sporulation  gebildeten  toxischen 
Substanzen  die  Fieberattaque  hervorrufen.  Allen  den  andern, 
oft  mehr  als  blutkörnergrossen,  verschiedengestaltigen,  meist 
stark  pigmentirten , exfraglobulären  Gebilden,  auch  den 
Laveran  scheu  Halbmonden  und  der  echten  L a - 
verania  — dem  grossen,  ge  isselführenden  Para- 
siten — fehlen  pathogene  Eigenschaften.  Eine 
praktische  Bedeutung  haben  sie  nur  insofern , als  sie  be- 
weisen, dass  vor  nicht  gar  langer  Zeit  Malariaattaquen  vor- 
kamen, resp.  dass  überhaupt  Malariainfection  stattfand.  Eine 
Indication  zur  Chininbehandlung  geben  sie  also 
nicht,  wenn  sie  allein  zu  finden  sind.  Wenn  an 
Bord  von  Schiffen  hier  Chinin  ohne  Schaden  gegeben  wurde, 
so  beweist  das  nicht,  dass  dies  Verfahren  rationell  ist.  — 
Mit  dem  Chinin  zu  sparen,  weiss  man  erst,  wenn  man  nach 
längerem  Aufenthalt  an  einem  der  schlimmsten  Malariaherde 
das  Maass  des  Missbehagens  am  eigenen  Leibe  kennen  lernte, 
das  schon  Vs  grm  Chinin  bei  einem  malariadurchseuchten 
Chininesser  hervorzurufen  pHegt,  der  womöglich  bereits  zu 
Hämoglobinurie  disponirt  ist. 

Was  die  Technik  der  Blutuntersuchung  auf  Malaria- 
parasiten anlangt,  so  ist  dem  noch  Ungeübten  entschieden 
das  Färben  der  Präparate  zu  empfehlen.  Dieselben  werden 
in  der  bekannten  Weise  dadurch  gewonnen,  dass  man  mit 
einer  feinen  Lanzette  oder  dünnem  Stilett*)  einen  Stich  in 
die  gut  mit  Aether  oder  Alkohol  gereinigte  Fingerkappe 
macht,  von  dem  austretenden  Blutstropfen  ein  wenig  auf  der 
Ecke  eines  reineu  Deckgläschen  aufnimmt,  das  Deckgläschen 
mit  der  nicht  beschickten  Seite  auf  eine  Lage  Fliesspapier 
bringt  und  durch  Andrücken  der  dem  Blutströpfchen  benach- 
barten Ecke  mit  dem  linken  Zeigefinger  gegen  die  Unterlage 
fixirt.  Dann  wird  das  Blutströpfchen  durch  Ueberstreichen  mit 

*)  Gewöhnliche  Nadeln  empfehlen  sich  nicht. 


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14 


der  Kante  einer  reinen  Visiten-  oder  Spielkarte  (Friedrich  Plehn 
empfiehlt  gestielte  Glimmerplättchen)  in  diagonaler  Richtung 
vertheilt.  Man  lässt  lufttrocken  werden  und  fixirt  10 — 20 
Minuten  in  absolutem  Alkohol.  Ist  wirklich  absoluter 
(oder  doch  90  procentiger)  nicht  sicher  erhältlich,  dann  ver- 
setzt man  ihn  zur  Hälfte  mit  Aether.  — Die  Färbung  kann 
man  direct  auf  dem  Deckgläschen  oder  im  Blockschälchen 
vornehmen.  — Gesättigte  oder  auch  etwas  verdünnte  Methylen- 
blaulösung genügt  meist  und  giebt  nach  10  - 20  Minuten  gut 
erkennbare  Bilder.  — Schoner  werden  dieselben,  wenn  man 
unmittelbar  vor  dem  Gebrauch  2 Theile  2 — 3procentiger 
wässeriger  Methylenblaulösung  mit  1 Theil  1 procentiger 
wässeriger  Eosinlösung  mischt,  einige  Minuten  später  filtrirt 
und  die  Präparate  gleich  darauf  für  2 — 4 Minuten  in  das 
Filtrat  bringt.  Es  handelt  sich  hier  um  Bildung  eines  „neu- 
tralen“ Farbengemisches,  aus  dem  die  „basophilen“  wie  die 
„acidophilen“  Gewebselemente  die  Bestandtheile  aufnehmen, 
durch  welche  sie  tingierbar  sind.  So  kann  man  sehr  inten- 
sive Färbung  und  schöne  Differenzierung  erhalten.  Aller- 
dings wird  man  viel  durch  Niederschläge  gestört,  die  sich 
bei  aller  Uebung  nicht  immer  vermeiden  lassen. 

Auch  mit  dieser  Methode  gelingt  es  jedoch  nicht,  active 
Parasiten  zu  färben,  bevor  sie  etwa  '/*  der  Blutkörpergrösse 
erreicht  haben.  Und  da  dieselben  aus  dem  Kreislauf  bereits 
wieder  verschwinden,  wenn  sie  bis  zu  '/*  der  Blutkörper- 
grösse ausgewachsen  sind,  so  kann  man  mit  Untersuchung 
des  gefärbten  Präparats,  nach  den  bisher  bekannten  Methoden 
wenigstens,  nicht  mehr  leisten,  als  in  den  meisten  Fällen  die 
Diagnose  stellen,  was  in  practischer  Hinsicht  freilich  auch 
das  Wichtigste  ist. 

Bei  der  Untersuchung  des  frischen  Blutes  ist  man  da- 
gegen im  »Stande,  das  Plasmodium  in  seine  Jugendzustände 
bis  zu  einer  Grösse  von  V te  Blutkörpergrösse  herab,  und 
weiter,  zu  verfolgen,  so  dass  man  die  zweite  Generation  fast 
immer  unterscheiden  kann.  Man  verfährt  dazu  folgender- 
in nssen  : 

Das  in  der  vorhin  skizzirten  bekannten  Weise  ge- 
wonnene Bluttrüpfchen  wird  mit  der  Mitte  des  Deckgläschens 
aufgenommen  und  dasselbe  mit  dem  Blutstropfen,  der  in 
diesem  Falle  nicht  zu  klein  sein  darf,  auf  einen 


15 


bereitgehaltenen  Objectträger  gebracht,  so  dass  das  Blut  sich 
in  feiner  Schiebt  zwischen  den  beiden  Glasplatten  vertheilt. 
Hierauf  presst  man  dieselben  leicht  zwischen  mehrfachen 
Lagen  trocknen,  reinen  Mulls  durch  Daumen  und  Zeigefinger 
zusammen.  Dadurch  wird  ein  Theil  des  Blutes  unter  dem 
Deckglas  hervorgedriiekt  und  alsbald  von  dem  hydrophilen 
Stoff  aufgenommen,  während  die  Gläser  rein  und  trocken 
bleiben.  Die  feine  Schicht  Blut  zwischen  den  Gläsern  aber 
trocknet  an  ihrem  der  Luft  ausgesetzten  Rande  sofort  ein, 
und  diese  eingetrocknete  Zone  fixirt  nicht  nur  die  Gläschen 
an  einander,  sondern  schützt  auch  das  flüssige  Blut,  das  sie 
umschliesst,  für  Stunden  vor  jeder  Veränderung. 

Die  so  gewonnenen  Präparate  steckt  man  in  eine  Papier- 
düte pnd  kann  sie  in  der  Brieftasche  überallhin  mitnehmen. 
Bringt  man  sie  dann  unter  das  Mikroskop,  so  findet  man  die 
Blutkörperchen  alle  flach  neben  einander  liegen,  ohne  eine 
Spur  sichtbarer  Veränderung,  ausser  vielleicht,  dass  sie  manch- 
mal etwas  plattgedrückt  erscheinen,  was  übrigens  das  Er- 
kennen der  Parasiten  zum  Mindesten  uicht  stört.  Wenn  man 
dann  mit  einem  guten  Mikroskop  arbeitet,  das  mit  einem  in 
zwei  rechtwinkelig  zu  einander  durch  Mikrometerschrauben 
verschieblichen  Objecttisch  ausgerüstet  ist , so  kann  auch 
nicht  ein  Parasit  im  Präparat  dem  kundigen  Beobachter  ent- 
gehen. Wo  dieselben  vorhanden,  da  ist  die  Diagnose,  und 
wo  das  überhaupt  möglich,  auch  die  Prognose  in  bezug  auf 
Zahl  und  Zeit  der  Anfalle  in  ft  Minuten  gestellt,  während 
ich  empfehlen  möchte,  doch  lft — 20  Minuten  zu  suchen,  be- 
vor man  das  Vorhandensein  von  Parasiten  mit  Bestimmtheit 
ausscldiesst.  Es  dürfte  hier  der  Ort  sein,  zu  betonen,  dass 
die  Zahl  der  gefundenen  Parasiten  durchaus  in  keiner  Weise 
für  Beurtheilung  der  Schwere  oder  Leichtigkeit  des  kom- 
menden Anfalls  zu  verwerthen  ist.  Ich  untersuchte  Patienten, 
die  mit  unbestimmten  Klagen  zu  Fuss  in  meine  Sprech- 
stunden kamen  und  deren  Blut  von  Parasiten  wimmelte, 
während  in  anderen  Fällen,  wo  der  Kranke  mit  Temperaturen 
an  42  0 C.  halb  besinnungslos  darniederlag,  nur  mit  äusserster 
Mühe  ein  paar  kleinste  Ringformen  im  peripheren  Blut  zu 
finden  waren. 

Finden  Hessen  sich  die  Parasiten  aber  aus- 
uahmslos,  und  wo  sie  gefunden  wurden,  da  hat  das  Chinin 


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Id 

auch  in  Gilben  von  nur  1 — l'/s  grm  auf  einmal  pro  Tug 
bei  den  von  mir  beobachteten  Fallen  seine  Wirkung  noch 
stets  gehabt.  Im  frischen  Präparat  mit  Sicherheit  zu  unter- 
suchen, ist  nun  nicht  ganz  leicht  und  erfordert  immerhin 
eine  ganz  erhebliche  Hebung. 

Ausserdem  ist  unbedingt  nothwendig  ein  sehr  gutes 
Miskroskop,  selbstverständlich  Oelimmersion.  Auch  der  durch 
Schrauben  verschiebliche  Objecttisch  ist  kaum  zu  entbehren. 

Wer  sich  nicht  gleich  einen  theuren  Zeiss  anschaffen 
will,  dem  kann  ich  die  Seibert 'sehen  Mikroskope  mit  den 
betreffenden  Vorrichtungen  warm  empfehlen.  Sie  leisten  alles 
Erforderliche  im  vollsten  Maass.  Vor  Allem  aber  muss  der 
junge  Arzt,  der  sich  in  den  Tropen  mit  Blutuntersuchungen 
beschäftigen  will,  die  in  Europa  im  Blut  gesunder  und  kranker 
Menschen  vorkommenden  Veränderungen,  wie  sie  ganz  be- 
sonders durch  die  verschiedenen  Präparntionsmcthodcn  hervor- 
gerufen werden,  von  Grund  aus  kennen  und  in  hunderten 
von  Fällen  gesehen  halten,  sonst  kommt  er  aus  der  Unsicherheit 
nicht  heraus  und  leicht  in  die  Lage,  die  ganze  Mikroskopie 
nach  einer  Anzahl  von  Irrthüraern  und  Misserfolgen,  die  ihm 
nicht  erspart  bleiben  werden,  an  den  Nagel  zu  hängen.  — 
Wenn  irgend  thunlich,  so  sollte  der  Arzt,  welcher  als  Feld 
seiner  Thätigkeit  für  längere  Zeit  eine  Malariagegend  wählt, 
es  ermöglichen,  vorher  in  einem  Hospital,  das  reich  an  Malaria- 
kranken ist,  unter  sachverständiger  Anleitung  zu  arbeiten. 
Diese  Gelegenheit  dürfte  zur  Zeit  kaum  wo  anders,  als  in 
Italien,  vorhanden  sein,  wo  ich  sie  in  Rom  durch  das  liebens- 
würdige Entgegenkommen  der  Herren  Marchiafava, 
Bastianelli,  Dionisi  in  hervorragender  Weise  fand.  — 
Vielleicht  aber  kommt  es  auch  in  Deutschland  noch  einmal 
dazu,  dass  das  einschlägige  Krankenmaterial,  welches  Kriegs- 
marine, Kolonialtruppe  und  Kolonialbeamtenschaft  reichlich 
liefern  ,auf  einer  Station  vereinigt  wird,  die  dann  Gelegen- 
heit zu  Lehr-  und  Lemthätigkeit  bieten  würde. 

Vorläufig  empfehle  ich  jedem  Collegen  draussen,  grund- 
sätzlich nur  die  endoglobulären  Formen  praktisch  zu  berück- 
sichtigen und  als  Plasmodien  nur  das  anzusprechen,  was 
typische  Ringforra  oder  typische  amoboide  Bewegung  zeigt. 
So  wird  er  sich  vielleicht  einen  Theil  der  Enttäuschungen 
ersparen  können,  die  Andere  durchmachen  mussten. 


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17 


Quantitative  II ämoglobinbestimmungcn  (auf 
colori metrischen  Wege)  sind  meines  Wissens  als  klinische 
Methode  wenigstens  bei  Malaria  systematisch  sehr  wenig 
angewandt  worden.  Nur  Friedrich  Pie  hu  nimmt  in  seiner 
citirten  Arbeit  „Ueber  das  Schwarz  Wasserfieber  an  der 
Afrikanischen  Westküste“  darauf  Bezug,  und  .Steudel*) 
veröffentlicht  eine  Anzahl  von  Bestimmungen,  ebenfalls  bei 
.Schwarzwasserfieber.  Er  hat  aber  keine  praktische  Conse- 
quenzen  daraus  gezogen  und  war  auch  nicht  im  Stande, 
Fehlerquellen  immer  uuszusehliessen,  wie  das  oft  im  weiten 
Umfang  unregelmässig  schwankende  Verhültniss  des  Ilämo- 
globingehalts  zur  Blutkörperzahl  beweist,  welches  bei  seinen 
Zahlen  hervortritt. 

In  einer  Arbeit  über  „Vergleichende  Pathologie  der 
schwarzen  Rasse“,**)  theilte  ich  die  Beobachtung  mit,  dass 
der  Ilämoglobingehalt  des  Blutes  beim  Europäer  schon  nach 
einem  Aufenthalt  in  Kamerun  von  wenigen  Monaten  bis  auf 
% und  selbst  *1  s des  in  Europa  Normalen  reducirt  sei.  Das 
einzelne  Individiuum  behält  dann  diesen  reducirten  Ilämo- 
globingehalt constant  bei,  ohne  in  seiner  körperlichen  Leistungs- 
fähigkeit dadurch  merkbar  beeinträchtigt  zu  sein;  es  passt 
sich  also  diesem  Zustand  der  Blutverdünnung  gewissermaassen 
an ; — oder  aber  die  Rcduction  des  Hämoglobingehalts  selbst 
ist  Ausdruck  der  Anspannung  des  Individiuums  an  die  ver- 
änderten Lebensbedingungen.  - Nach  jedem  schweren  Fieber 
sinkt  nun  der  Hämoglobingehalt  (mit  ihm  beiläufig  bemerkt, 
die  Blutkörperzahl  in  entsprechendem  Vcrhältniss)  noch  mehr 
oder  weniger  tief  unter  das  für  Kamerun  Normale,  um  mit 
Eintritt  der  Reconvalescenz  sehr  rasch  die  ursprüngliche 
Höhe  wieder  zu  erreichen.  Nach  Schwarzwasserfiebern,  wo 
ich  nach  Absinken  bis  auf  19%,  ja  14%  des  in  Europa 
Normalen,  noch  Heilung  eintreten  sah,  kann  die  Zunahme 
an  Farbstoffgehalt  bis  20%  pro  Woche  und  mehr  betragen. 
In  der  Regel  wird  circa  10°/0  in  der  Woche  zugenommen. 

Beträgt  die  Zunahme  schon  zu  Anfang  er- 
heblich weniger,  so  kann  man  mit  Sicherheit  auf 
eine  Störung  des  Vor  I a u f s der  (1  cnesung  rechnen. 

*)  „Die  perniciiise  Malaria  in  Doutsch-Ostafrika"  von  Dr.  K. 
Steudel.  Leipzig  lä!)4  hei  Vogel. 

**)  Virehow's  Archiv,  1hl.  I4(i. 

Archiv  f.  Schiff«*  u Tropenhygienc.  2 


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Andererseits  kann  eine  rasche  Ergänzung  der  Verluste  als 
Zeichen  angesehen  werden,  dass  dem  Organismus  noch  aus- 
reichende Regenerationskraft  iunewohnt,  um  weiteres  Ver- 
bleiben am  Malariaherd  zu  rechtfertigen.-  Zeit  zur  Heimkehr, 
oder  doch  zum  Klimawechsel,  wird  es,  wenn  relativ  leichte 
Gesundheitsstörungen  tiefes  Absinken  des  Hiimoglobingehalts 
zur  Folge  haben,  oder  wenn  das  Einbringen  der  Verluste 
ohne  besonderen  Grund  anfängt,  sich  regelmässig  zu  ver- 
zögern. Ein  besonders  tiefer  Abfall,  z.  B.  nach  einem 
schweren  Schwarzwasserfieber,  braucht  keinerlei  Bedenken 
zu  erregen,  wenn  es  rasch  wieder  ausgeglichen  wird.  So 
hat  jener  Patient,  dessen  Hämoglobingehalt  bis  auf  l!t°/o 
herabging,  nachher  noch  ein  volles  Jahr  bei  relativ  guter 
Gesundheit  Dienst  in  Kamerun  gethan.  — Es  sei  hier  betont, 
dass  das  Aussehn  — die  Gesichtsfarbe  — sich  iu  keiner 
Weise  für  Schätzung  des  Blutfarbstoffes  verwerthen  lässt. 
Während  äusserst  bleiche,  fahle  Gesichter  relativ  blutreichen 
Individuen  angehören  mögen,  kann  eine  bräunliche  Hautfarbe 
die  schwerste  Anämie  verdecken.  Da  ist  es  klar,  welche 
ausschlaggebende  Bedeutung  es  haben  muss,  den  Hämoglobin- 
gehalt festzustellen  und  seine  Schwankungen  einige  Zeit  zu 
beobachten,  wenn  man  über  die  weitere  Tropendienstfähigkeit 
nrtheilen  soll.  Ja  meistens  lässt  sich  schon  nach  den  ersten 
Fiebern  bei  regelmässiger  Hämoglobinbestimmung  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  Voraussagen,  ob  der  Betreffende  Aussicht 
auf  längere  Dienstfähigkeit  — wenigstens  in  Kamerun  — hat. 

Es  sei  mir  nun  gestattet,  Denjenigen,  welche  eigene 
Erfahrungen  in  dieser  Richtung  noch  nicht  sammeln  konnteu, 
als  vorläufigen  Anhaltspunkt  einige  Grenzwerthe  nach  meinen 
bisherigen  Beobachtungen  zu  nennen.  — Ich  fand,  dass  es 
zwecklos  ist.  Jemand  im  praktischen  Kolonialdienst  zu  halten, 
dessen  Blut  nur  vorübergehend  mehr  als  60°,!o  Hämoglobin 
führt.  Dementsprechend  galt  es  mir  als  Regel,  nur  unter 
besonderen  Umständen,  ausnahmsweise  Jemand  als  dienstfähig 
zu  bezeichnen,  der  nicht  mindestens  60°/o  Blutfarbstoff  besass; 
auch  wurden  Reconvalescentcn  niemals  vorher  aus  der  Be- 
handlung entlassen.  — Bis  50  °/o  erreicht  waren,  pflegte  ich 
Reconvalescenten  oder  nach  strapaziösen  Expeditionen  stark 
Heruntergekommene  das  Bett  hüten  zu  lassen ; doch  musste 
von  dieser  Regel  öfters  abgegangen  werden.  Es  ist  keine 


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Hl 


Kleinigkeit,  in  den  Tropen  im  Bett  zu  liegen,  und  zum  Zweck 
eines  Luftwechsels  kann  ein  Abweichen  von  der  Norm  selbst 
wünschenswert!)  sein.  — Ein  Patient  mit  weniger  als  40°  o 
gehört  unter  allen  Umständen  ins  Bett,  und  wird  einem 
Transport  niemals  ohne  grosse  Gefahr  ausgesetzt  werden, 
selbst  wenn  derselbe  dazu  dienen  soll,  ihn  auf  bequemem 
Dampfer  in  die  Heimatb  zu  befördern.  Man  glaube  nur 
nicht,  dass  solch  ein  Kranker  dafür  schon  ohnehin  immer 
einen  zu  bedenklichen  Eindruck  macht.  Ich  sah  einen 
Bureaubeamten  mit  33  °io  Hämoglobin  wochenlang  seinen 
Dienst,  wenn  auch  mangelhaft,  versehen. 

Zur  Hämoglobinbestimmung  benutzte  ich  das  bekannte 
Elaisehl'sche  Hämometer.  Seine  Handhabung  verursacht  keine 
Schwierigkeiten,  wenn  der  Untersucher  ein  feines  Farben- 
differenzvermögen  und  ausreichende  Uebung  besitzt,  welch 
letztere  man  sich  wenigstens  leicht  verschalten  kann.  Ich 
möchte  hier  nur  noch  einige  Modifikationen  des  in  der  jedem 
Apparat  beigegebenen  „Gebrauchsanweisung“  beschriebenen 
Verfahrens  zu  sprechen  kommen.  Die  grössten  Schwierig- 
keiten wird  man  haben,  das  Capillarröhrclien  so  zu  füllen, 
dass  der  Inhalt  weder  einen  positiven,  noch  negativen 
Meniskus  bildet.  Am  besten  kam  ich  zum  Ziel,  wenn  ich 
den  positiven  Meniskus  durch  vorsichtiges  wiederholtes  Be- 
rühren mit  dem  Finger  vom  Rande  der  Capillare  her 
entfernte.  Dabei  ist  grosse  Vorsicht  nöthig,  damit  er  sich 
nicht  sofort  in  einen  negativen  umwandelt  oder  das  Röhrchen 
von  aussen  mit  Blut  verunreinigt  wird ; ausserdem  Eile,  da 
das  Blut  sonst  theilweise  gerinnt,  undman  dann  zu  einem  andern 
Röhrchen  greifen  muss.  Das  Einfüllen  des  Wassere  habe  ich, 
wie  das  Absaugen  nach  zu  starker  Füllung  stets  mit  einer 
kleinen  Augentropfenpipette  vorgenommen.  Die  Füllung  ist 
möglichst  so  einzurichten,  dass  ein  Absaugen  unnöthig  wird, 
denn  die  Behauptung  in  der  Gebrauchsanweisung,  es  sei 
möglich,  dass  Wasser  derart  über  das  Blutgemisch  zu  schichten, 
dass  beim  Absaugen  nur  Wasser  entfernt  werde,  trifft  doch 
nicht  zu.  Wenn  man  einen  positiven  Meniskus  über  dem 
ganz  nach  der  Vorschrift  mit  Blut  und  Wasser  beschickten 
Cylinder  vermöge  weissen  Fliesspapiers  zu  entfernen  sucht, 
so  wird  man  sehn,  dass  das  Fliesspapier  sich  jedesmal  färbt. 
Uebrigens  habe  ich  gefunden,  dass  je  ein  flacher  positiver 

2 * 


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20 


Meniskus  über  der  ßlutmischung  und  über  dem  Wasser  die 
Genauigkeit  der  Bestimmung  nur  fördert,  wenn  beide 
gleich  hoch  sind,  was  ich  ausreichend  durch  das  Augen- 
muss  bestimmen  lässt.  Um  sicli  nun  vor  Fehlern  zu  schützen, 
die  auch  dem  Geübten  gelegentlich  aus  oft  unerfindlichen 
Ursachen  passieren,  und  die  Resultate  genauer  zu  gestalten, 
darf  man  sich  niemals  mit  einer  Bestimmung 
begnügen.  Am  besten  besorgt  man  sieb  2 — 3 Cylinder 
für  denselben  Apparat,  die  man  aus  demselben  Stich  gleich 
hinter  einander  beschickt,  mn  den  zu  Untersuchenden  nicht 
überflüssig  mit  wiederholtem  Anstcchen  zu  belästigen. 
Ferner  ist  es  zur  Sclbstcontrolle  unbedingt  nothwendig,  dass 
man  die  Einstellungen  verdeckt  macht,  d.  li.  erst  abliest, 
wenn  die  Abtönung  der  zu  vergleichenden  Halbkreisflächen 
genau  die  gleiche  ist  — oder  zu  sein  scheint.  Wenn  die 
verschiedenen  Proben  mehr  als  5 */ o Differenz  zeigen,  so 
kann  man  die  ganze  Bestimmung  als  gescheitert  ansebn,  und 
verwirft  sie.  — Sind  die  extremen  Differenzen  nicht  grösser, 
so  nimmt  man  das  Mittel  derselben.  Ist  man  für  Farbenselin 
veranlagt,  eine  Fähigkeit,  welche  übrigens  auch  noch  be- 
trächtlich entwickelt  werden  kann,  dann  werden  Differenzen 
von  3°/0  schon  sehr  selten  werden.  Aber  niemals  versäume 
mau  deshalb  mindestens  einen  Controlversuch  zu  machen, 
sonst  erhält  man  gelegentlich  ein  Ergebniss,  was  die 
Zuverlässigkeit  der  ganzen  Versuchsreihen  discrcditiercn 
kann. 

Eine  solche  Controlle  ist  jedenfalls  einfacher,  als  die 
durch  gleichzeitiges  Zählen  der  Blutkörperchen  im  Torna- 
Zeiss’schen  Apparat.  Ich  habe  durch  Vergleiche  gefunden, 
dass  das  Verhältniss  von  Hämoglobingehalt  und  Blutkörper- 
zahl  zur  Norm  innerhalb  der  durch  unvermeidbare  Fehler- 
quellen gesetzten  Grenzen  stets  ungefähr  das  gleiche  war. 
Wenn  man  also  z.  B.  2Ö00000  Blutkörperchen  zählte,  so 
fand  man  50°/o  Hämoglobin  etc.  Selbstverständlich  hat  man, 
falls  die  Controlle  der  Hämoglobinbestimmungen  durch  ßlut- 
körperzäblung  geübt  werden  soll,  allermindestens  200  Qua- 
drate des  Netzes  durchzuzählen,  und  muss  sich  dabei  gegen- 
wärtig halten,  dass  auch  dann  noch  Fehler  bis  zu  5“'o 
unvermeidbar  sind.  Daraus  geht  schon  hervor,  dass  die  Hämo- 
globinbestimmung nicht  nur  rascher,  sondern  auch  viel  sicherer 


21 


und  genauerer  über  Menge  der  vorhandenen  Athmungsorgane 
inforinirt. 

Auf  die  besonderen  Umstände  einzugehen,  weiche  beim 
Schwarzwasserfieber  vor  dessen  Ablauf  die  Ergebnisse  ganz 
unsicher  und  nur  cum  grano  salis  verwerthbar  machen,  fehlt 
mir  hier  der  Raum,  und  ich  muss  da  auf  pag.  14  und  15 
meiner  Arbeit  verweisen. 

Für  das  über  die  Malariaplasmodien  Gesagte  wurden 
ausser  den  eigenen  Beobachtungen  einige  Publicationen  aus 
Holländisch-Indien  (besonders  von  van  der  Sehe  er,  dessen 
Ergebnisse  mit  den  meinigen  bis  ins  Einzelne  überein- 
stimmen) und  Afrika  (Friedrich  Plelin)  berücksichtigt. 
Auch  konnten  die  Arbeiten  der  Italiener  und  von 
Mannaberg  wegen  der  theilweisen  Aehnlichkeit  der 
Befunde  mit  verwerthet  werden,  obgleich  sie  nicht  aus 
tropischen  Gegenden  stammen.  Die  einzelnen  Quellen  zu 
bringen,  kann  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein.  Die  Litteratur 
findet  sich  am  vollständigsten  bei  Mannaberg*)  und  Friedrich 
Plehn,**)  die  neueste  auch  beim  Autor.***)  Den  praktischen 
Rathschlägen  liegt  grösstentheils  eigene  Erfahrung  zu  Grunde. 
Das  gilt  ganz  von  dem  über  die  Vcrwerthung  der  quanti- 
tativen Hämoglobinbestimmung  Gesagten. 


Uebersicht  Uber  die  Handhabung  der 
gesundheitspolizeilichen,  der  Abwehr  der  Einschleppung 
fremder  Volksseuchen  dienenden  Kontrolle  der  Seeschiffe 
bei  verschiedenen  Staaten. 

Von  Ilafenarzt  Dr.  Nocht,  Hamburg. 

Die  Abwehr  der  Einschleppung  von  Seuchen  durch 
den  Seeverkehr  hat,  wie  die  Bekämpfung  der  Infections- 
krankheiten  überhaupt,  erst  durch  die  moderne,  actiologisehe 
Forschung  eine  feste  Grundlage  erhalten.  Früher  konnten 

*)  Man  na  borg,  „Die  Malariaparasiton,  auf  Grund  froinder  und 
eigener  Beobachtungen  dargestollt.“  Wien  1893  bei  Holder. 

**)  Friedrich  Plehn.  „Klinische  und  actiologisehe  Malaria- 
studien“ Berlin  1890  bei  Hirschwald. 

***)  Albert  Plehn.  „Beiträge  zur  Kenutniss  von  Verlauf 
und  Behandlung  der  tropischen  Malaria  in  Kamerun.''  Berlin  189G  bei 
Hirschwald. 


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sich  die  Ansichten  über  die  Gcliihrliehkeit  suis  der  Fremde 
ankommender  Seeschiffe  in  dieser  Hinsiclit  nur  auf  vereinzelte 
und  fast  niemals  eindeutige  Beobachtungen  und  Erfahrungen 
stützen;  im  Ganzen  waren  es  alter  mehr  Vermuthungen  und 
Annahmen,  die  bei  der  gcsundhcitspolizcilichen  Behandlung 
dieser  Schiffe  massgebend  waren.  Die  Anschauungen  standen 
sich  dabei  z.  Th.  schroff  gegenüber.  Allgemeine  Ab- 
sperrungen und  Quarantänen  konnten  wenigstens  theoretisch 
noch  vertheidigt  werden,  wenn  sich  auch  bei  wachsendem 
Verkehr  mehr  und  mehr  herausstellte,  dass  sie  undureh 
führ  bar  waren  und  dass  ihr  praktischer  Nutzen  in  grellem 
Widerspruch  zu  den  wirthschaftlichen  Schädigungen,  die 
solche  Massregcln  mit  sich  brachten,  stand. 

Es  ist  ein  Irrthum,  wenn  behauptet  wird,  die  über- 
wiegend bakteriologische  Richtung  der  modernen  Gesund- 
heitslehre habe  den  Anhängern  allgemeiner  Absperrmassregeln 
in  Epideiniezeiten  neue  Stützen  gegeben;  das  Gegeilt  heil 
ist  richtig:  auf  Grund  genauerer  Kenntnisse  von  der  Natur 
und  Verbreitung  der  Krankheitserreger  halten  wir  jetzt 
zwar  eine  allgemeine  Ueberwachung  des  Verkehrs  für 
die  Seuchenbekämpfung  nothwendig;  besondere,  verkehr- 
beschränkende  Massnahmen  sind  aber  nur  in  ganz  be- 
stimmten Ei  uz  elf  Ul  len  erforderlich.  Der  allgemeine  Ver- 
kehr kann  auch  in  Seuchenzeiten  ungehindert  bleiben.  Dazu 
hat  die  praktische  Erfahrung  der  letzten  Cholerajahre  gelehrt, 
dass  auch  bei  der  Verkehrsüberwachung  noch  manche 
theoretisch  begründete  Forderung  als  praktisch  unwichtig  bei 
Seite  gelassen  werden  konnte.  Der  Meister  der  aetiologischen, 
wissenschaftlichen  Erforschung  der  Infectionskrankheiten, 
Robert  Koch,  leitete  auch  die  praktische,  so  erfolgreiche  Be- 
kämpfung der  Cholera  in  Deutschland  und  war  immer  der  erste, 
wenn  es  galt,  Verkehrsheschränkungen,  die  sich  als  unwichtig 
oder  hei  geringem  Nutzen  belästigend  erwiesen  hatten,  fallen 
zu  lassen.  Die  übertriebenen  Absperrungen  von  1892  sind 
lediglich  der  Unkenntniss  von  Laien  und  nicht  genügend 
bakteriologisch  gebildeten  Mcdicinern  über  die  Verbreitungs- 
wege der  Krankheitserreger  der  Cholera  zur  Last  zu  legen 
und  haben  mit  den  wissenschaftlichen  Anschauungen  hierüber 
nichts  zu  thun.  Wer  die  Verhandlungen  liest,  die  zu  der 
Dresdener  Uebcreinkunft  vom  April  1898  geführt  haben, 


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kann  sieh  davon  überzeugen,  dass  der  „einseitig  kontu- 
gionistische“  Standpunkt  Koch’s  uns  vor  manchen  uns  noch 
zugedachten  Beschränkungen  bewahrt  hat  und  an  der  Bei- 
behaltung der  einen  oder  anderen,  überflüssigen  Massregel 
nicht  Schuld  ist. 

Auf  der  Dresdener  Conferenz  einigten  sieh  die  Staaten 
Deutschland,  Oesterreich,  Russland,  Italien,  Frankreich,  Hol- 
land, Belgien,  die  Schweiz  und  England  über  gewisse  Grund- 
sätze bei  der  Bekämpfung  der  Cholera.  Es  handelte  sieh 
aber  dabei  nicht,  wie  vielfach  irrtümlich  angenommen  wird, 
um  gemeinsame,  „internationale“,  positive  Abwehr- 
massregcln,  sondern  nur  um  die  Festsetzung  einer  oberen 
Grenze,  über  welche  hinaus  Handel  und  Wandel  zwischen 
den  vcrtragsehliessenden  Staaten  auch  in  Cholerazeiten  nicht 
belästigt  werden  soll.  Die  für  unsere  Zwecke  in  Betracht 
kommenden,  allgemeinen  Festsetzungen  der  Uebereinkunft 
bestehen  darin,  dass  nicht  mehr  ganze  Länder  und  Küsten- 
strecken beim  Auftreten  einzelner  Cholerafülle  als  „verseucht“ 
erklärt  werden  dürfen,  sondern  höchstens  einzelne  Städte, 
Häfen  oder  begrenzte  Bezirke,  und  zwar  auch  nur  dann, 
wenn  sich  ein  Choleraheerd  gebildet  hat.  Von  dem 
Auftreten  solcher  Choleraheerde  haben  sich  die  Regierungen 
gegenseitig  Mittheilung  zu  machen.  Ferner  würden  Ein-  und 
Durchfuhrverbote  erheblich  beschränkt,  der  allgemeine  Waaren- 
verkehr  soll  freibleiben.  Auf  die  Ueberwachung  des  See- 
verkehrs bezieht  sich  Titel  8 der  Convention  wie  folgt: 

Seeverkehr.  Massnahmen  in  den  Häfen. 

Als  verseucht  gilt  ein  Schilf,  welches  entweder  Cholera  im  Bord 
hat  oder  auf  welchem  während  der  letzten  sieben  Tage  neue  Cholera- 
fälle vorgekommen  sind. 

Als  verdächtig  gilt  ein  Schill',  auf  welchem  zur  Zeit  der  Abfahrt 
oder  während  der  Reise  Cholerafälle  vorgekommen  sind,  auf  dom  aber 
während  der  letzten  sieben  Tage  kein  neuer  Fall  sich  ereignet  hat. 

Als  rein  gilt  ein  Schilf,  wenngleich  es  aus  einem  verseuchten 
Hafen  kommt,  in  dem  Falle,  wenn  es  weder  vor  der  Abfahrt  noch 
während  der  Reise,  noch  auch  bei  der  Ankunft  einen  Cholera-Todcs- 
oder  Krankheitsfall  an  Bord  gehabt  hat. 

Verseuchte  Schiffe  unterliegen  folgenden  Bestimmungen: 

1.  Die  Kranken  werden  sofort  aasgeschifft  und  isolirt. 

2.  Die  übrigen  Personen  müssen  womöglich  gleichfalls  aus- 
geschifft und  einer  Beobachtung  unterworfen  werden, 
deren  Dauer  sich  uaeh  dem  Gesundheitszustand  des  Schiffes 


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und  nach  dom  Zeitpunkt  dos  letzten  Krankheitsfall«*» 
richtet,  die  indessen  d«*n  Zeitraum  von  fünf  Tagen  nicht 
überschreiten  darf. 

3.  Die  schmutzige  Wüsche,  die  Bekleidungsgegenstände  «les 
täglichen  Gebrauchs  und  sonstige  Sachen  der  Schiffsmann- 
schaft und  der  Reisenden  sollen,  sofern  dieselben  nach  der 
Ansicht  der  Hafengeeuudheitsbehörde  als  mit  Cholera- 
Kntleerungen  beschmutzt  zu  erachten  sind,  ebenso  wie  das 
Schiff  oder  auch  nur  der  mit  Cholera  - Kntleerungen  be- 
schmutzte Theil  desselben  desinficirt  werden. 

Verdächtige  Schiffe  sind  nachstehenden  Bestimmungen  unter- 
worfen : 

1.  Aerztliche  Revision. 

*2.  Desinfection:  Die  schmutzige  Wäsche,  die  Bekleidungs- 
gegenstiinde  des  täglichen  Gebrauchs  und  sonstige  Sachen 
der  Schiffsmannschaft  und  der  Reisenden  sollen,  sofern 
dieselben  nach  der  Ansicht  der  Hafongesundheitsbehörde 
als  mit  Cholera-Entleerungen  beschmutzt  zu  erachten  sind, 
desinficiert  werden. 

3.  Auspumpen  des  Kielwassers  nach  erfolgter  Desinfection 
und  Ersatz  des  an  Bord  befindlichen  Wasser vorraths  durch 
gutes  Trink wasser. 

Es  empfiehlt  sich,  die  Mannschaft  und  die  Reisenden  in  Bezug 
auf  ihren  Gesundheitszustand  während  eines  Zeitraums  von  fünf  Tagen 
seit  der  Ankunft  des  Schiffes  einer  gesundheitspolizeilichen  Ueber- 
wachung  zu  unterziehen. 

Ebenso  empfiehlt  es  sich»  das  Anlandgohen  der  Mannschaft  zu 
verhindern,  es  sei  denn,  dass  Gründe  des  Dienstes  das  Anlandgohen 
nothwendig  machen. 

Reine  Schiffe  sind  sofort  zum  freien  Verkehr  zuzulassen,  wie 
auch  immer  ihr  Gesundhuitspass  lauten  mag. 

Die  einzigen  Bestimmungen,  welche  die  Behörde  des  Ankunft» 
hafens  ihnen  gegenüber  treffen  darf,  bestehen  in  den  auf  verdächtige 
Schiffe  anwendbaren  Massregeln  (ärztliche  Revision,  Desinfection,  Aus- 
pumpen des  Kielwassers  und  Ersatz  des  an  Bord  befindlichen  Wasser- 
vorraths  durch  gutes  Trinkwasser.) 

Es  empfiehlt  sich,  die  Reisenden  und  die  Schiffsmannschaft  in 
Bezug  auf  ihren  Gesundheitszustand  bis  zum  Ablauf  eines  Zeitraums 
von  fünf  Tagen,  dessen  B«*ginn  von  dem  Tage  der  Abfahrt  des  Schiffes 
aus  dem  verseuchten  Hafen  gerechnet  wird,  einer  gesundheitspolizei- 
lichon  l Überwachung  zu  unterwerfen. 

Ebenso  empfiehlt  es  sich,  «las  Anlandgehen  der  Mannschaft  zu 
verhindern,  es  sei  denn,  dass  Gründe  des  Dienstes  das  Anlandgehen 
nothwendig  machen. 

Die  zuständige  Behörde  des  Ankunftshafens  ist  unter  allen 
Entständen  berechtigt,  eine  Bescheinigung  darüber  zu  verlangen,  dass 
auf  dem  Schiffe  im  Abgangshafen  keine  Cholerafälle  vorgekommen  sind. 


V. 


25 


Die  zuständige  Htifenhohörde  soll  bei  der  Anwendung  dieser 
Mussregeln  den  Umstund  in  Rechnung  ziehen,  ob  sieh  nn  Bord  der 
vorbezeicbneten  drei  Kategoiien  von  Sehiffen  ein  Arzt  und  ein  I)es- 
infeetionsnppsrst  befindet. 

Besondere  Msssregeln  können  getroffen  werden  für  init  l’ersonon 
besonder»  stark  besetzte  Schiffe,  namentlich  für  Auswandererschifio, 
sowie  für  alle  anderen  Schiffe,  welche  ungünstige  gesundheitliche  Ver- 
hältnisse aufweisen. 

Die  zur  See  Ankommenden  Waaren  dürfen  in  Bezug  auf  Desin- 
fection.  Einfuhrverbote,  Durchfuhrverbote  und  Quarantäne  nicht  anders 
behandelt  werden,  als  die  zu  Lande  beförderten  Waaren.  (Vergl.  Tit.  4.) 

Jedem  Schiff',  welches  sich  den  von  der  Hafenbehörde  ihm  auf- 
erlegten  Massregeln  nicht  unterwerfen  will,  soll  es  freistehen,  wieder 
in  See  zu  gehen. 

Das  Schiff  kann  jedoch  die  Erlaubniss  erhalten,  seine  Waaren 
zu  löschen,  nachdem  die  erforderlichen  Vornichtsmassregoln  getroffen 
worden  sind,  nämlich : 

1.  Isolirung  des  Schiffes,  der  Mannschaft  und  der  Reisenden; 
a.  Auspumpen  dos  Kielwassers  nach  erfolgter  Desinfection : 
3.  Ersatz  des  an  Bord  befindlichen  Wasservorrathg  durch 
gutes  Trinkwasser. 

Auch  kann  dem  Schiff  gestattet  werden,  die  Reisenden,  welche 
es  wünschen,  an  Land  zu  setzen,  unter  der  Bedingung,  dass  die  betref- 
fenden Reisenden  sich  den  von  der  localen  Behörde  vorgeschriebenen 
Massregeln  unterwerfen. 

Jedes  Land  muss  wenigstens  einen  Hafen  an  der  Küste  jedes 
seiner  Meere  mit  ausreichenden  Einrichtungen  und  Anstalten  versehen, 
um  Schiffe  ohne  Rücksicht  auf  ihren  Gesundheitszustand  aufnehmen 
zu  können. 

Die  Küstenfahrzeuge  unterliegen  besonderen,  zwischen  den  be- 
theiligten Ländern  zu  vereinbarenden  Bestimmungen. 

Diesen  Bestimmungen  der  Dresdner  Uebereinkunft  liegt 
tlie  jetzt  durch  zahlreiche  Untersuchungen  genügend  sicher 
gestellte  Erfahrung  zu  Grunde,  dass  der  Ansteckungsstoff  der 
Cholera  im  Verkehr  im  Wesentlichen  nur  durch  den  Kranken, 
seine  Abfallstoffe  und  seine  nächste  Umgebung  verbreitet 
wird,  dass  aber  eine  Einschleppung  der  Seuche  durch  cholera- 
freie  Schiffe  nur  in  ganz  bestimmten  Ausnahmefällcn  zu 
fürchten  ist  (Bilsch,  Ballastwasser,  kurze  Reisen).  Beobacht- 
ungen, Uebcrwachungen , sowie  sonstige  den  Verkehr  be- 
lästigende Massnahmen  sollen  daher  auf  dasjenige  Minimum 
beschränkt  werden,  das  sich  in  der  Praxis  im  allgemeinen 
noch  als  genügend  bewährt  hat,  um  die  Kranken  und  ihre 
nächste  Umgebung  für  die  weitere  Verbreitung  des  Krank- 


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i 


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I 

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26 


heitserregers  rechtzeitig  unschädlich  machen  zu  können.  Für 
die  Art,  Dauer  und  Ausdehnung  der  dazu  dienlichen  Mass- 
nahmen ist  eine  obere  Grenze  festgesetzt.  Die  oben  auf- 
geführten Massnahmen  treten  erst  in  Kraft,  nachdem  an  Bord 
Cholerakranke  aufgefunden  sind  oder  festgestellt  ist,  dass 
während  der  Reise  Cholerafälle  an  Bord  vorgekommen  sind. 
Die  „reinen“  Schiffe  sollen  im  allgemeinen  frei  ausgehen. 
Hierüber  lässt  die  Dresdener  Convention  keinen  Zweifel  auf- 
kommen.  Dagegen  ist  in  den  Abmachungen  darüber  nichts 
nusgesagt,  in  welchem  Umfange,  wann  und  wo  ankommende 
Schiffe  zu  untersuchen  sind,  damit  ihre  sanitäre  Beschaffen- 
heit erkannt  und  sie  als  „reine“  Schiffe  freigegeben,  oder, 
wenn  „verseucht“  oder  „verdächtig“  befunden,  den  weiteren 
gesundheitspolizeilichen  Verfahren  unterworfen  werden  können. 
In  diesem  Punkte,  also  in  der  Handhabung  und  Gestaltung 
der  ersten  Untersuchung  ankommender  Schiffe  vor  Eröffnung 
des  Verkehres,  unterscheiden  sich  die  Bestimmungen  der 
vertragschliessenden  Staaten  nicht  unwesentlich  von  einander, 
während  die  Reglements  für  die  Behandlung  der  Schiffe, 
nachdem  erst  das  Ergebniss  der  ersten  Untersuchung  fest- 
steht, bei  allen  Vertragsstaaten  in  den  Hauptsachen  gleich- 
artig sind,  abgesehen  von  mancherlei  veraltetem  und  umständ- 
lichem Beiwerk. 

Bei  der  Frage  der  ersten  Untersuchung  der  Schiffe 
handelt  es  sich  darum,  ob  alle  Schiffe,  gleichviel  welcher 
Herkunft,  bei  ihrer  Ankunft  im  Hafen  die  Erlaubniss  zur 
Eröffnung  des  Verkehrs  erst  nach  einer  — ärztlichen  oder 
nichtärztlichen  — Besichtigung  erhalten,  ob  also  alle  nn- 
kommenden  Schiffe  von  vornherein  die  gelbe  Flagge  setzen 
und  die  Erlaubniss  zum  Niederholen  derselben  abwarten 
müssen,  ferner  darum,  ob  die  ankommenden  Schiffe  etwa  vor 
dem  Einlaufen  in  den  Hafen  eine  — mehr  oder  weniger  weit 
entfernte  — Untersuchungsstation  aufsuchcn  müssen, 
oder  ob  solche  Massnahmen  auf  bestimmte  Herkünfte  be- 
schränkt werden.  Ferner  kommt  es  dabei  darauf  an,  ob  die 
Schiffe  einen  Gesundheitspass  haben  müssen  und  ob  bei  un- 
reinem oder  nicht  vorschriftsmässigem  Gesundheitspass  die 
Erlaubniss  zur  Eröffnung  des  Verkehrs  nicht  ertheilt,  sondern 
erst  das  Ergebniss  einer  zweiten,  genaueren  Untersuchung 
abgewartet  wird.  Alle  diese  Dinge  sind  in  der  Dresdener 


27 


Convention  nicht  geordnet.  Theoretisch  sind  sie  unwesent- 
lich und  dürften  denen,  welche  mit  der  ganzen  Angelegen- 
heit praktisch  nichts  zu  thun  haben,  nebensächlich  erscheinen. 
Bei  der  Ausführung  solcher  Vorschriften  kann  aber  auch 
für  ein  Schiff  ganz  unverdächtiger  Herkunft  und  Beschaffen- 
heit  ein  Verlust  von  Stunden  und  unter  Umständen  selbst 
der  Verlust  eines  ganzen  Tages  in  Frage  kommen,  z.  B. 
wenn  bei  ungünstigem  Strom  und  Fahrwasser  durch  das 
Abwarten  der  Sanitätsvisite  an  bestimmter  Stelle  die  Hoch- 
wasserzeit, in  welcher  das  Fahrwasser  genügend  tief  war, 
ungenutzt  vorüberging. 

In  Deutschland  unterliegen  der  gesundheitspolizei- 
lichen Kontrolle  vor  der  Eröffnung  des  Verkehres  nur 
solche  Schiffe,  welche  aus  für  verseucht  erklärten  Häfen 
kommen  oder  Cholera-,  Pest-,  oder  Gelbtieberkrankc  an 
Bord  haben  resp.  während  der  Reise  hatten.  Alle  übrigen 
Schiffe  gehen  frei  in  den  Hafen  und  können  den  Verkehr 
eröffnen,  ohne  eine  Sanitätsvisite  abzuwarten.  Den  Gesund- 
heitspässen wird  bei  uns  kein  Werth  beigemessen,  es  braucht 
gar  nicht  darnach  gefragt  zu  werden.  Wenn  aber  eine 
Untersuchung  vor  der  Eröffnung  des  Verkehrs  vorgenommen 
wird,  so  geschieht  dies  immer  durch  einen  Arzt,  welcher 
über  die  weitere  Behandlung  des  Schiffes  entscheidet.  Diese 
Untersuchungen  finden  nur  bei  Tage  statt.  Dies  Kontroll- 
system  bringt  entschieden  die  geringsten  Belästigungen  mit 
sich,  da  nur  eine  sehr  beschränkte  Auswahl  von  Schiffen 
davon  betroffen  wird.  In  Hamburg  werden  nebenbei  auch 
alle  übrigen  eingelaufenen  Schiffe  gesundheitspolizeilich  kontrol- 
lirt,  jedoch  erst  nach  Eröffnung  des  Verkehrs.  Die  Schiffe 
brauchen  mit  dem  Löschen  und  Laden,  Entlassen  von  Passa- 
gieren nicht  auf  diese  Sanitätsvisite  zu  warten.  Diese  Kontrolle 
aller  Schiffe  bildet  die  Ergänzung  zu  der  in  deutschen 
Häfen  allgemein  vorgeschriebenen  einmaligen  Vorkontrolle 
gewisser  Schiffe  vor  dem  Einlaufen  in  den  Hafen,  und  ich 
habe  an  anderer  Stelle*)  ausgeführt,  dass  ich  eine  solche 
dauernde  allgemeine  Beaufsichtigung  des  Schiffsverkehrs,  wie 
sie  in  Hamburg  gehandhabt  wird,  ohne  dass  irgend  welche 
Verkehrsbelästigungen  damit  verbunden  sind,  mindestens  in 

*)  Vergl.  Ilygien.  Kuuüsclmu  1896  No.  6. 


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Epidcmiezeitcn  auch  in  den  übrigen  deutschen  Hufen  für 
erforderlich  halte. 

Achnlich  wie  in  Deutschland  wird  die  gesundheits- 
polizeiliche Kontrolc  der  Seeschiffe  in  England  gehandhabt. 
Hierüber  sind  erst  im  vergangenen  November  neue  Be- 
stimmungen erlassen.  Danach  haben  sich  die  Zollbeamten, 
welche  das  Schiff,  wenn  es  auf  die  Rhede  kommt,  betreten, 
zu  erkundigen,  woher  das  Schiff  kommt  und  ob  sich  Krank- 
heits-  und  Todesfälle  während  der  Reise  ereignet  haben. 
Den  Gesundheitspässen  wird  dabei  ebenfalls  kein  Werth  bei- 
gemessen. In  allen  verdächtigen  Füllen  soll  der  Hafenarzt 
benachrichtigt  und  das  Schiff  so  lange  festgehalten  werden, 
bis  die  ärztliche  Untersuchung  beendet  und  damit  über  das 
weitere  Schicksal  des  Schiffes  entschieden  ist.  Der  Hafen- 
arzt hat  aber  daneben  stets  das  Recht,  auch  ohne  von  der 
Zollbehörde  dazu  aufgefordert  zu  sein,  aufkommende 
Schifte,  wenn  es  ihm  gut  scheint,  anzuhalten  und  zu  unter- 
suchen. Und  so  werden  auf  der  Themse  bei  Gravesend  seit 
1892  noch  bis  zu  diesem  Zeitpunkte  alle  auf  dem  Wege 
nach  London  befindlichen  Schiffe,  die  von  einem 
ausländischen  Hafen  kommen,  von  einem  Arzt  besucht,  dem 
es  überlassen  ist,  diesem  Besuch  ev.  eine  genauere  Besichtigung 
u.  s.  w.  anzusehliesscn.  Das  Verfahren  auf  der  Themse  ist 
also  strenger  als  das  in  Deutschland.  Ich  möchte  hier  über- 
haupt einmal  der  immer  wiederkehrenden  Behauptung  ent- 
gegentreten, als  ob  man  der  Ucbcrwachung  des  Schiffsver- 
kehrs bei  der  Seuchenbekämpfung  in  England  keinen  oder 
nur  geringen  Werth  beizumessen  geneigt  sei.  Die  englischen 
Vorschriften  klingen  milde,  werden  aber,  was  übrigens  nur 
zu  billigen  ist,  streng  genug  durchgeführt.  Es  wird  immer 
darauf  hingewiesen,  dass  man  sich  seit  vielen  Jahren  schon 
in  England  auch  bei  inticirten  Schiffen  mit  einer  sogenannten 
Inspoetion,  der  Ausschiffung  der  Kranken  und  den  sich  daran 
sehlicsscnden  Desinfectioncn  begnügt  habe,  die  gesunden 
Passagiere  aber  und  das  Schiff  danach  ganz  frei  lasse,  ohne 
auf  Quarantaine  weitere  Beobachtung  u.  dergl.  irgend  welchen 
Werth  zu  legen.  Die  Vorschriften  lauten  allerdings  in  diesem 
Sinne,  die  Ausführung  derselben  gestaltet  sich  aber  unter 
Umständen  etwas  anders.  Eine  Schiffsdesinfection  dauert  in 
England  unter  Umständen  mehrere  Tage,  und  es  ist  aneh 


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vorgekommen,  «lass  während  der  ganzen  Zeit  die  Passagiere 
zwecks  Desinfection  zuriickgelialten  wurden.  Also  eine  Be- 
obachtung unter  anderem  Namen.  In  der  Regel  wird  aller- 
dings gesunden  Passagieren  die  Weiterreise  in’s  Inland  ge- 
stattet, indessen  können  Reisende  von  beliebigen  Schiffen, 
einerlei  ob  Krankheitsfälle  an  Bord  vorgekonnnen  sind  oder 
nicht,  so  lange  an  Bord  zurttckgchalton  werden,  bis  die  Be 
bürden  an  dem  von  dein  Reisenden  angegebenen  Reiseziel 
brieflich  Mittheilung  von  der  bevorstehenden  Ankunft  und 
Adresse  der  betreffenden  Person  erhalten  haben.  Die  ge- 
sundheitspolizeiliehe Ueberwachung  des  Seeverkehrs  wird  ge- 
wiss in  England  vernünftig  und  möglichst  ohne  nnnöthige 
Belästigungen,  aber  auch  mit  grosser  Sorgfalt  und  in  vollem 
Bewusstsein  ihres  Werthcs  für  das  eigene  Land  durchgeführt. 

In  Frankreich  sind  ebenfalls  erst  seit  Anfang  dieses 
Jahres  neue  Bestimmungen  in  Kraft  getreten.  Der  Zulassung 
aller  an  kommen  den  Schiffe  zum  freien  Verkehr  hat 
eine  entweder  summarische  oder  gründlichere  Erkundigung 
vorauszugehen  (examen  sommaire,  reconnaissance  — examen 
approfondi).  Diese  Voruntersuchung  wird  ohne  Aufschub, 
bei  Tage  wie  bei  Nacht  (wie  übrigens  auch  in  England) 
durch  — nicht  ärztliche  — Sanitätsbeamte  vorgenommen. 
Fällt  sie  unbefriedigend  aus  oder  hat  das  Schiff  einen  un- 
reinen Gesundheitspass,  so  folgt  eine  ärztliche  Besichtigung 
des  Schiffes,  der  Passagiere  und  Mannschaften.  Für  die 
danach  zu  treffenden  Massnahmen  gelten  dann  wörtlich  die 
Bestimmungen  der  Dresdner  Convention. 

In  Italien  muss  jedes  einen  Landeshafen  anlaufende 
Schiff  die  gelbe  Flagge  setzen  und  darf  ohne  besondere 
Erlaubniss  den  Verkehr  mit  dem  Lande  nicht  eröffnen. 
Diese  Erlaubniss  wird  sofort  gewährt,  wenn  der  Gesundheits- 
pass rein  ist,  die  Reise  ohne  verdächtige  Erkrankungen  ver- 
lief und  die  Angaben  des  Kapitaines  und  ev.  auch  des 
Schiffsarztes  der  Behörde  genügend  erscheinen.  Von  der 
Beibringung  eines  Gesundheitspasses  sind  augenblicklich  alle 
aus  europäischen  Häfen  — ausgenommen  sind  die  türkischen 
Häfen  — sowie  die  aus  den  atlantischen  Häfen  von  Nord- 
amerika kommenden  Schiffe  befreit.  Wenn,  abgesehen  von 
diesen  Vergünstigungen,  Schiffe  ohne  Gesundheitspass  an- 
kommen oder  wenn  die  Gesundheitspässe  nicht  vorschrifts- 


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massig  oder  „unrein“  sind,  ferner  bei  verdächtigen  Erkrankungert 
an  Bord  während  der  Reise,  bei  mangelnder  Sauberkeit, 
Ueberfüllung,  sowie  in  einer  Anzahl  genau  bestimmter  Fälle 
wird  das  Schiff  vor  der  Zulassung  zum  Verkehr  erst  noch 
einer  ärztlichen  Untersuchung  unterzogen.  Danach  wird 
über  die  Zulassung  zum  freien  Verkehr  von  der  Hafenbehörde 
entschieden,  wobei  die  Dresdener  Uebereinkunft  massgebend  ist. 

Ganz  ähnlich  sind  die  Verhältnisse  in  Oesterreich- 
Ungarn  und  Russland,  Holland,  Belgien  geordnet. 

Schweden  und  Norwegen  sind  der  Dresdener 
Convention  nicht  beigetreten,  ihre  Ueberwachungsbestimmungen 
sind  insofern  schärfer,  als  die  vorher  aufgeführten,  als  alle 
aus  verseuchten  Häfen  kommenden  Schiffe,  einerlei  ob  sic 
Kranke  an  Bord  haben  oder  nicht,  erst  an  einen  Beobach- 
tuugsplatz  verwiesen  und  dort  ärztlich  untersucht  werden. 
Diese  Beobachtung  soll  eigentlich  48  Stunden  dauern,  kann 
aber  verkürzt  werden,  und  das  ist  wohl  die  Regel  bei  allen 
Schiffen,  welche  weder  Kranke  an  Bord  haben  noch  während 
der  Reise  gehabt  haben.  Schiffe  mit  Cholera-Kranken  an 
Bord,  sowie  solche,  welche  Erkrankungsfälle  während  der 
Reise  hatten,  gehen  nach  dem  Quarantaineplatz  und  haben 
sich  dort  einer  ft  tägigen  Beobachtung  an  Bord,  Desinfeetion  etc. 
zu  unterziehen. 

Aehnlieh  sind  die  dänischen  Bestimmungen. 

Die  übrigen,  für  die  deutsche  Schifffahrt  in  Betracht 
kommenden  europäischen  Staaten  haben  noch  das  alte 
Quarantainesystem,  welches  mit  mehr  oder  weniger  Aengst- 
lichkeit,  Strenge  und  Vollkommenheit  oder  vielmehr  Unvoll- 
kommenheit gehandhabt  wird.  Die  Schiffe  werden  zunächst 
nach  ihrer  Herkunft  eingetheilt  und  alle  Schiffe  aus  Hüten, 
die  von  dem  betreffenden  Staat  zeitweilig  für  verseucht  oder 
verdächtig  erklärt  worden  sind,  auch  im  Falle,  dass  Cholera 
an  Bord  nicht  vorgekommen  ist,  einer  Beobachtung  von 
24  Stunden,  48  Stunden  und  länger  unterworfen,  während 
welcher  aller  Verkehr  mit  dem  Lande  zu  unterbleiben  hat. 
Aerztc  treten  dabei  in  der  Regel  nicht  in  Thätigkeit, 
sondern  pflegen  erst  an  Bord  zu  erscheinen,  wenn  sich  da- 
selbst Kranke  vorgefunden  haben,  ln  diesem  Falle  wird 
eine  strenge  Quarantaine  von  mehr  oder  minder  langer  Dauer, 


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st 

mit  oder  ohne  Ausschiffung  von  Kranken  und  Gesunden 
verhängt. 

Ueber  die  schweren  Belästigungen  dieses  Systems  für 
den  Verkehr  brauche  ich  hier  wohl  kein  Wort  mehr  zu  ver- 
lieren, ebenso  wenig  darüber,  dass  es  keinen  wirksamen 
Seuchenschutz  gewährt  und  unter  Umständen  der  Verbreitung 
der  Krankheit  sogar  Vorschub  leisten  kann. 

Hoffen  wir,  dass  in  Zukunft  noch  mancher  der  Staaten 
mit  diesem  veralteten  Quarantainesystem  der  Dresdener 
Convention  beitritt  und  dass  auch  in  der  Dresdener  Ueber- 
einkunft  die  obere  Grenze  der  für  Handel  und  Wandel  in 
Seuchenzeiten  noch  für  nöthig  erachteten  Verkehrs- 
beschränkungen  noch  weiter  heruntergesetzt  wird.  Hierbei 
würde  besonders  die  Weglassung  der  bei  manchen  Staaten, 
wie  wir  gesehen  haben  für  alle  Schiffe,  gleichviel  welcher 
Herkunft,  noch  obligatorischen  Sanitätsvisite  vor  Eröffnung 
des  Verkehres  in  Betracht  kommen.  Dafür  ist  überall  eine  Or- 
ganisation zu  empfehlen,  welche  die  dauernde  Ueberwachung 
der  Schiffe  im  Hafen  nach  der  Ankunft,  ohne  Beschränkung 
des  freien  Verkehrs  und  für  die  Reisenden  eine  unauffällige 
und  möglichst  wenig  belästigende  Ueberwachung  an  dem 
Bestimmungsort  gewährleistet.  Wenn  dann  wirklich  einmal, 
was  übrigens  bei  der  jetzt  üblichen  Art  der  gesundheitspolizei- 
lichen Controlle  auch  nicht  ausgeschlossen  ist,  ein  Cholerafall  erst 
nach  der  Ankunft  des  Schiffes  im  Hafen  und  nach  der 
Freigabe  des  Verkehrs  entdeckt  wird,  so  wird  dies  immer 
noch  rechtzeitig  genug  geschehen,  um  den  Fall  für  die 
weitere  Ausbreitung  der  Seuche  ungefährlich  machen  zu  können. 

Für  die  Abwehr  der  Einschleppung  von  Gelbfieber  und 
Pest  gelten  in  den  meisten  europäischen  Staaten  gleichlautende 
oder  ähnliche  Bestimmungen  wie  für  die  Cholera.  Man  hat 
sieh  auch  bei  diesen  Krankheiten  zu  der  Anschauung  bekehrt, 
dass  die  Schiffe  nicht  ihrer  blossen  Herkunft  wegen,  sondern 
nur  dann  als  gefährlich  anzusehen  sind,  wenn  sich  Kranke 
an  Bord  befinden  oder  befunden  haben.  Vielleicht  darf  bei 
dieser  Gelegenheit  darauf  hingewiesen  werden,  dass  bis  vor 
wenigen  Monaten  gerade  in  England  noch  ganz  schroffe,  ver- 
altete Quarantainegesctztc  bezüglich  des  Gelbfiebers  in  Kraft 
waren,  die  erst  jetzt  durch  moderne,  mildere  Bestimmungen 
ersetzt  worden  sind. 


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42 


Was  die  übrigen  Infectionskranklieiten  anlangt,  so  ist 
es  in  den  meisten  europäischen  Staaten  der  Hafenbehörde 
überlassen,  von  Fall  zu  Fall  zu  handeln.  Allgemeine  Be- 
stimmungen habe  ich,  ausser  in  England,  nicht  gefunden. 
Die  englischen  Seuchengesetze  machen  es  möglich,  auch  an 
Bord  gegen  die  einheimischen  Infectionskranklieiten  in  jedem 
Fall  gründlich  und  energisch  Vorgehen  zu  können. 

In  den  Kolonien  richtet  man  sich  hei  der  gesundheits- 
polizeiliehen Beaufsichtigung  des  Seeverkehrs  meist  nach  dem 
Mutterlande,  mit  dem  Unterschied,  dass  die  gesetzlichen  Be- 
stimmungen im  Einzelnen  oft  etwas  strenger,  die  Handhabung 
der  Aufsicht  und  die  dazu  dienlichen  Einrichtungen  in  der 
Kegel  aber  recht  unvollkommen  sind.  Dies  gilt  besonders 
von  den  Kolonien  der  lateinischen  Staaten,  aber  auch  zum 
Tlieil  von  den  englischen  Kolonien,  von  denen  noch  viele 
dem  Quaran t än esystem  treu  geblieben  sind.  In  den  deutschen 
Kolonien  gelten  wörtlich  die  heimischen  Bestimmungen.  Was 
die  Controle  in  den  unabhängigen,  grossen,  über- 
seeischen Reichen  betrifft,  so  habe  ich  mich  in  Bezug  auf 
die  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika,  Brasilien  und 
Argentinien  genauer  orientiren  können. 

Das  Land  der  Freiheit,  die  Verein  igtenStaatcn  von 
Nordamerika,  erfreut  sich  einer  sehr  ausgebildeten,  streng 
gehandhabten  Seuchengesetzgebung.  Die  Bekämpfung  der 
Infectionskranklieiten  wird  von  einer  Centralbehörde  in 
Washington,  — dem  Marine  Hospital  Service  — geleitet; 
auch  die  Special-tiesctze  und  Veranstaltungen  in  den  einzelnen 
Staaten  unterliegen  ihrer  Oberaufsicht.  Wo  die  Vorkehrungen 
mangelhaft  erscheinen,  werden  von  der  Centralbehörde  eigne 
Beamte  (Aerzte)  entsandt,  welche  die  Seuchenbekämpfung, 
wenn  nöthig  unter  Aufwendung  grosser  Mittel  und  ev.  auch, 
ohne  sich  an  den  Widerspruch  der  lokalen  Autoritäten  zu 
kehren,  gründlich  und  umfassend  organisiren.  So  finden  wir 
auch  für  die  Beaufsichtigung  des  Seeverkehrs  in  vielen  Häfen 
der  Vereinigten  Staaten  sogenannte  nationale  Quarantaine- 
Anstalten,  welche  dem  Marine  Hospital  Service  direct  unter- 
stellt sind,  während  in  anderen,  z.  B.  in  New-York,  eine 
lokale  Controleinrichtung  besteht,  die  sieh  aber  die  Ober- 
aufsicht der  Centralbehörde  gefallen  hissen  muss. 


33 

Die  auf  den  Seeverkehr  bezüglichen  Bestimmungen  sind 
in  den  Vereinigten  Staaten  viel  strenger  als  in  Deutschland 
und  den  Staaten  der  Dresdener  Convention.  Es  müssen  aber 
bei  einer  Kritik  der  amerikanischen  Vorschriften  die  regel- 
mässigen Massentransporte  vieler  hunderter  und  tausender  von 
Einwanderern  berücksichtigt  werden,  welche  eine  strengere 
Aufsicht  nöthig  machen  und  bei  denen  es  sich  nicht  blos  um 
Ankömmlinge  aus  Staaten  mit  geordneter  Sanitätsaufsicht, 
sondern  um  alle  möglichen  Elemente,  Asiaten,  Chinesen 
u.  s.  w.  handelt.  Ferner  kommt  in  Betracht,  dass  das  Land 
zu  verschiedenen  Malen  schweren  Invasionen  des  gelben 
Fiebers  ausgesetzt  gewesen  ist,  dass  aber  das  jetzt  dort 
übliche  Controlsystem  sich  gerade  dieser  Seuche  gegenüber 
anscheinend  vollkommen  bewährt  hat. 

In  den  Haupthäfen  der  Vereinigten  Staaten  wird  jedes 
vom  Auslande  kommende  Schiff  vor  der  Eröffnung 
des  Verkehrs  ärztlich  untersucht.  Die  dieser  Untersuchung 
folgende  Behandlung  der  Schiffe  kann  als  ein  Quarant&iue- 
system  beschränkten  Umfanges  characterisirt  werden.  Zu 
den  Krankheiten,  welche  die  Verhängung  einer  Quarantaine 
nach  sich  ziehen,  wenn  sie  an  Bord  vorgekommen  sind,  ge- 
hören ausser  Cholera,  Gelbfieber  und  Pest,  auch  Pocken  und 
Flecktyphus  (quarantinable  diseases.)  Quarantaine  wird  aber 
nicht  bloss  über  Schiffe  verhängt,  welche  noch  bei  der  An- 
kunft Kranke  an  Bord  haben,  sondern  auch  dann,  wenn  die 
Krankheitsfälle  auf  der  Reise  schon  eine  längere  Zeit  vor 
der  Ankunft  vorgekommen  sind.  Die  Bestimmungen  über 
den  Zeitraum,  welcher  seit  dem  letzten  Krankheitsfall  ver- 
flossen sein  muss,  damit  das  Schiff  von  der  Quarantaine  frei 
kommt,  werdeu  nicht  selten  geändert,  jedenfalls  aber  wird 
dieser  Zeitraum  immer  länger  bemessen,  als  der  in  der  Dres- 
dener Convention  für  verseuchte  Schiffe  festgesetzte  Zeitraum 
von  7 Tagen.  Bei  gelbem  Fieber  an  Bord  waren  es  einmal 
6 Monate,  bei  Cholera  20 — 30  Tuge.  Innerhalb  dieser  Zeit 
vor  der  Ankunft  vorgekommene  Fälle  von  Gelbfieber  resp. 
Cholera  an  Bord  machten  das  Schiff  und  Insassen  i|uarantaine- 
pflichtig.  Der  Quarantaine  werden  ferner  auch  solche  Schiffe 
unterworfen,  die  keinen  vorschriftsmässigen  Gesundheitspass 
aufweisen  können.  Von  diesem  Gesundheitspass  für  amerika- 
nische Häfen  wird  weiter  unten  noch  die  Rede  sein.  Die 

3 


Archiv  f.  Schiff»-  u.  Tropenbygieoe. 


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34 


Quarantaine  selbst  dauert  bei  Cholera  und  Gelbfieber  5 Tage, 
bei  Flecktypus  20,  bei  Pocken  14  Tage,  hier  bei  solchen 
.Schiffsinsassen,  bei  denen  die  sofort  nach  der  ersten  Control- 
untersuchung vorzunehinende  Schutzpockenimpfung  erfolglos 
ausgefallen  ist. 

Längs  der  Küsten  der  Vereinigten  Staaten  sind  eine 
grosse  Anzahl  von  Quarantainestationen  eingerichtet.  Dorthin 
werden  die  Schiffe  aus  den  einzelnen  Häfen  zur  Abhaltung 
ihrer  Quarantaine  verwiesen.  Die  Anstalt  für  New-York 
befindet  sich  im  Hafen  selbst  auf  Hofrnan-  und  Swinburne- 
Island  und  bietet  Raum  für  mehrere  tausend  gesunder  Indi- 
viduen, die  beobachtet  werden  sollen  (Hofraan-Tsland)  und 
eine  ausreichende  Bettenzahl  und  gute  Einrichtungen  für  die 
Kranken  (Swinburn-Island).  In  der  Station  befindet  sich  auch 
ein  bacteriologisches  Laboratorium. 

Sehr  genau  und  ausführlich  sind  die  Bestimmungen 
über  die  Schiffsdesinfectionen. 

Die  Amerikaner  haben  sich  aber  mit  dieser  gesund- 
heitspolizeilichen Behandlung  der  Schiffe  bei  der  Ankunft  in 
ihren  Häfen  nicht  begnügt,  sondern  noch  ein  neues,  nicht 
unzweckmässiges  Verfahren  bei  der  Ueberwachung  des  See- 
verkehrs ausgebildet,  das  bei  den  europäischen  Staaten  nur 
in  Frankreich,  aber  weniger  durchgebildet  und  streng,  vor- 
gesehen ist,  übrigens  aber  auch  im  Cholerajahr  1892  von 
der  damaligen  Rcichskontrolstation  in  Hamburg,  deren  Vor- 
stand der  Verfasser  dieses  war,  nicht  ohne  Nutzen  angewandt 
wurde.  Es  handelt  sich  dabei  um  die  Besichtigung,  Des- 
iinfection  und  ev.  die  mehrtägige  Beobachtung  der  Schiffe  und 
ihrer  Insassen  vor  dem  Antritt  der  Reise  im  Ab- 
fahrtshafen. Die  nach  den  Vereinigten  Staaten  bestimmten 
Schiffe  sollen  in  jedem  europäischen  Hafen  vor  ihrer  Abfahrt 
von  einem  Konsulatsbeamten  besichtigt  werden.  Danach 
ist  ein  sehr  genauer  und  ausführlicher  Gesundheitspass  mit 
einer  ausführlichen  Beschreibung  der  sanitären  Verhältnisse 
an  Bord  auszustcllen.  In  Epidemiezeiten  werden  von  der 
Aufsichtsbehörde  in  Washington  zeitweilig  Regier  ungsärzte 
nach  den  verseuchten  Häfen  des  Auslandes  eutsandt,  welche  die 
Beobachtung  und  Desinfection  der  nach  den  Vereinigten  Staaten 
bestimmten  Schiffe  zu  leiten  haben  und  ausserdem  überden  all- 


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3» 

gemeinen  Gesundheitszustand  an  Ort  und  Stelle  häufig  und  aus- 
führlich berichten  müssen.  In  solchen  Zeiten  wird  die  Abfahrts- 
zeit und  der  voraussichtliche  Termin  der  Ankunft  der  abge- 
gangenen Schiffe  in  Amerika  dorthin  telegraphisch  gemeldet. 
Von  Ausbruch  der  Cholera  1892  au  bis  Ende  1893  waren  in 
Hamburg,  Bremen,  Antwerpen  und  anderen  europäischen 
Häfen  Aerzte  der  Vereinigten  Staaten  ihren  Konsulaten 
beigegeben;  augenblicklich  scheinen  nur  noch  die  Gelbfieber- 
häfen  Mittel-  und  Südamerikas  mit  solchen  Aerzten  besetzt 
zu  sein.  Abgesehen  von  den  damit  verbundenen  grossen 
Kosten,  die  allerdings  nicht  dem  Staat,  sondern  den  besichtigten 
Schiffen  zur  Last  fallen,  ist  dies  System  sicher  für  europäische 
Häfen  mit  geordnetem  Sanitätswesen,  vor  allem  eigener, 
geordneter,  sanitärer  Aufsicht  im  Hafen  überflüssig.  Da- 
gegen scheint  es  mir  für  andere  Verhältnisse  nicht  unzweck - 
mässigund  unter  Umständen  auch  für  uns  der  Nachahmung  werth. 
Deutsche  beamtete  Aerzte  könnten  zeitweilig  in  überseeischen 
Gelbfieberhäfen  schon  deshalb  von  grossem  Nutzen  sieh 
erweisen,  weil  sie  die  dort  oft  sehr  zahlreichen  und  zu 
langem  Aufenthalt  gezwungenen  deutschen  Schiffe  gesund- 
heitlich überwachen  und  die  Konsuln  und  Knpitaine  durch 
Untersuchungen  an  Ort  und  Stelle  und  darauf  gegründete 
Vorschläge  in  der  Abwehr  der  Seuche,  welche  grade  auf 
unseren  Schiffen  dort  oft  mörderisch  gewüthet  hat,  unter- 
stützen könnten.  Eine  solche  Massnahme  wäre  um  so  eher 
ausführbar,  als  es  dabei  sich  nur  um  sehr  wenige  Häfen 
handelt. 

Schliesslich  verdient  die  Vorschrift  über  die  sogenannte 
Akklimatisationsbescheinigung  (acclimatisation  certificate)  für 
Reisende  aus  Gelbfiebergegenden  nach  den  Vereinigten 
Staaten  hier  eine  Erwähnung.  Leute,  welche  aus  einer  Gelb- 
fiebergegend kommen  und  eine  Bescheinigung  eines  Konsuls 
der  Vereinigten  Staaten  aufweisen  können,  dass  sie  mindestens 
10  Jahre  daselbst  zugebracht  oder  selbst  die  Krankheit 
überstanden  haben,  werden  als  immun  und  ungeeignet,  die 
Seuche  einzuschleppen,  angesehen.  Sie  dürfen  sofort  an 
Land  und  wohin  sie  wollen,  abreisen,  während  die  übrigen 
Reisenden  gleicher  Herkunft  erst  f)  Tage  lang  auf  einer 
Quarantainestation  beobachtet  werden.  In  der  (juarantaine- 
station  von  New-York  ist  erst  vor  einigen  Wochen  ein 

3* 


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:'»6 


Passagier,  welcher  das  Immunitätsattest  nicht  beihringen 
konnte,  am  gelben  Fieber  erkrankt  und  gestorben.  Die 
amerikanischen  Hafenärzte  halten  diese  Einrichtung  für  sicher 
und  praktisch. 

In  Argentinien  sind,  während  vorher  ein  unvernünftig 
strenges  Absperrsystem  geherrscht  hatte,  seit  April  189.r> 
Controlbestimmuugen  für  den  Seeverkehr  erlassen,  welche 
denen  der  Dresdener  Uebereiukunft  entsprechen  und  sich 
auch  auf  die  Abwehr  des  gelben  Fiebers  beziehen.  Schiffe, 
welche  Gelbfieberfälle  bei  der  Ankunft  in  Buenos  Aires  an 
Bord  haben  oder  innerhalb  der  letzten  10  Tage  vorher  an 
Bord  hatten,  gelten  für  verseucht;  bei  Cholera  sind  5 Tage 
als  Grenze  festgesetzt. 

In  B r a s i I i c n , mit  dem  Deutschland  einen  regelmässigen 
und  lebhaften  Verkehr  unterhält,  ist  ebenfalls  erst  vor  wenigen 
Jahren  ein  neues  Reglement  für  den  Hafengesundheitsdienst  er- 
lassen worden ; indessen  kann  man  die  Bestimmungen  dabei  nicht 
gerade  auf  moderne  Anschauungen  gegründet  nennen.  Man 
unterscheidet  dort  nicht  blos  verseuchte,  sondern  auch  noch 
verdächtige  Häfen  und  rechnet  zu  den  letzteren,  von  ver- 
einzelten Seuchefällen  zu  schweigen,  auch  solche  Häfen,  die 
mit  verseuchten  Orten  einen  regen  Verkehr  unterhalten  oder 
sich  nicht  genügend  gegen  solchen  Verkehr  schützen. 
Schiffe  aus  solchen  Häfen  werden  ebenfalls  als  v e r- 
dächtig  angesehen,  und  dazu  noch  manches  andere  Schiff 
aus  allerlei  merkwürdigen  Gründen,  deren  Aufzählung  aber 
hier  zu  weit  führen  würde.  Alle  verdächtigen  Schiffe  werden 
nach  einer  Quarantainestation  verwiesen,  dort  genau  besichtigt 
und  ev.  weiter  beobachtet.  Zu  den  „verseuchten“  Schiffen 
gehören  ausser  den  nach  der  Dresdener  Convention  hierunter 
zu  rechnenden  Schiffen  auch  die  dort  als  „verdächtig“ 
bczeichneten.  Diese  Schiffe  werden  bei  Cholera  8 Tage,  bei 
Pest  20  Tage  in  strenger  Quarantaine  gehalten.  Die 
unselige  Bestimmung,  wonach  Auswandcrerschiffen,  die  während 
der  Reise  eine  grössere  Anzahl  von  Todesfällen  an  Bord  hatten, 
das  Landen,  dieEröffnung  des  Verkehrs  überhaupt  untersagt  und 
die  Umkehr  erzwungen  werden  kann  und  die  die  berüchtigten 
Fälle  des  „Mattco  Bruzzo“,  „Carlo  R“,  „Vincenzo  Florio“  u.  a. 
verschuldet  hat,  ist  ebenfalls  erhalten  geblieben.  Indessen  ist  bei 


37 

diesen  Verhältnissen  das  Reglement  noch  nicht  das  schlimmste ; 
viel  grössere  Störungen  verursachen  die  mangelhaften  Qua- 
rnntnine  c i n r ich  t un  gen.  Seit  Jahren  schon  ist  zwar  an 
der  langgestreckten  Küste  von  Brasilien  eine  grössere  An- 
zahl von  Quarantainestationen  projectirt  worden,  es  ist 
aber  bis  jetzt  bei  den  Plänen  geblieben.  Die  Quarantainc- 
station  auf  llha  Grande  ist  immer  noch  die  einzige,  welche 
benutzbar  i-t.  Alle  Schiffe  aus  verseuchten  und  verdächtigen 
Häfen  werden  erst  dorthin  verwiesen,  ehe  sie  einen  anderen 
brasilianischen  Hafen  anlaufen  dürfen,  ebenso  Dampfer  mit 
einem  reinen  Gesundheitspass,  aber  mehr  als  400  Einwanderern 
an  Bord.  Das  bedeutet  oft  einen  Umweg  von  mehreren 
100  Meilen.  Ausserdem  scheinen  die  Einrichtungen  in  llha 
Grande  überaus  mangelhaft  zu  sein.  Die  Epidemie,  welche 
im  Winter  185)5/96  das  italienische  Kriegsschiff  Lombardia  ver- 
heerte, auf  welchem  Schiff  schliesslich  nur  wenige  Mann  vom 
Gelbfieber  verschont  blieben,  soll  zum  Theil  durch  die  schlechten 
sanitären  Verhältnisse  auf  llha  Grande  verschuldet  worden 
sein.  Hoffentlich  gelingt  es,  den  fortdauernden  Anstrengungen 
der  dortigen  Vertreter  der  europäischen  Handelsstaaten  end- 
lich hierin  Wandel  zu  schaffen. 

Es  bleiben  zum  Schluss  noch  die  Bestrebungen  zur 
Organisation  eines  internationalen  Gesundheitsdienstes 
kurz  zu  erwähnen  übrig,  welche  bezwecken,  der  Cholera  an  den 
bekannten  Einbruchsstellen  den  Weg  nach  Europa  zu  ver- 
schliesscn.  Für  den  Seeverkehr  kommen  dabei  die  Ueber- 
wachung  des  Pilgertransportes  nach  den  heiligen  Städten  der 
Muhamedaner  in  Arabien,  ferner  der  allgemeine  Verkehr 
im  rothen  Meer  und  im  Suezkanal  in  Betracht.  Namentlich 
Frankreich  und  in  neuester  Zeit  auch  Oesterreich  sind  immer 
wieder  von  neuem  für  energische,  gemeinschaftliche  Schutz- 
maassregeln in  dieser  Hinsicht  eingetreten,  während  England 
die  Schifffahrt,  welche  auch  auf  diesen  Verkehrswegen  zum 
allergrössten  Theil  unter  englischer  Flagge  sich  vollzieht, 
von  Kontrollmaaaregeln  möglichst  frcizuhalten  bemüht  war 
und  sich  für  das  eigene  Land  lieber  auf  die  eigene  Ueber- 
wachung  zu  Hause  verliess.  Die  früheren,  internationalen 
Conferenzen,  welche  sich  mit  dieser  Frage  beschäftigten, 
hatten  wegen  der  Uneinigkeit  der  betheiligteu  Mächte  zu 
keinem  nennenswerthen  Ergebniss  geführt.  Solche  Zusammen- 


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38 


kiinfte  landen  statt  1852  in  Rom,  18GG  in  Konstantinopel, 
1874  in  Wien,  1885  in  Rom.  Seli  1 iesslicl i ist  1892  in  Venedig 
und  1894  in  Paris  eine  Einigung  erzielt  worden.  Die  Ver- 
einbarungen von  Venedig  beziehen  sieb  auf  die  Kontrole  der 
durch  den  Suezkaual  nach  Norden  und  nach  Egypten  aus 
dem  Hedjaz  zurüekkehrenden  Pilger  und  auf  den  allgemeinen 
Seeverkehr  durch  den  Suezkanal  in  der  Richtung  nach 
Norden.  Die  Pariser  Conferenz  wollte  der  Gefahr  noch 
näher  ihrem  Ursprung  bcikommen  und  beschäftigte  sieh  mit 
der  Ueberwaehung  der  Pilger  bei  der  Einschiffung  in  Indien 
und  mit  der  sanitätspolizeilichen  Kontrole  derselben  auf  der 
Reise  und  vor  der  Landnng  in  Arabien,  sowie  nach  dem 
Verlassen  der  heiligen  Stätten  vor  Antritt  der  Rückfahrt  (in 
beiden  Fällen  Quarantaine  auf  Inseln  und  Stationen  im  rothen 
Meere).  Bei  diesen  internationalen  Bestrebungen  kommt  es, 
wie  überall,  auf  die  Ausführung  an.  Was  wir  nun  über 
die  bisher  übliche  Art  der  Kontrolle  und  Beobachtung  der 
muhamcdanischeu  Pilger  in  Kainaran,  El  Tor,  an  den 
Mosesquellen,  sowie  über  die  Verhältnisse  im  Hedjaz  selber 
wissen,  kann  uns  mit  dem  Vertrauen,  dass  der  beabsichtigte 
Erfolg  dabei  auch  nur  zum  Theil  erreicht  wird,  nicht  erfüllen, 
und  ebensowenig  dürften  Hoffnungen  auf  eine  baldige 
Besserung  der  dortigen  Zustände  nach  den  Schilderungen 
von  Koch-Gaffky,  Kaufmann,  Bitter,  Karlinski  und  den 
französischen  Konsulatsberichten  berechtigt  sein.  Man  hat 
zwar  seitens  der  Türkei  umfassende  Verbesserungen  ver- 
sprochen, und  die  Pariser  Conferenz  hat  auch  die  Aus- 
bildung eines  Corps  von  Aerzten,  Desinfectoren,  Mechanikern 
und  Gesundheitsaufsehern  beschlossen.  Solange  aber  der 
internationale  Gesundheitsrath  in  Konstantinopel,  in  welchem 
das  orientalische  Element  die  Oberhand  hat,  und  die  übrigen 
in  Betracht  kommenden  Behörden  sich  nicht  ändern,  so  lange 
die  Sanitätsanstalten  im  rothen  Meere  überhaupt  in  orientalischen 
Händen  bleiben,  können  diese  Einrichtungen  lediglich  als 
Karrikatur  einer  Seuchen-Abwehr  angesehen  werden.  Aber 
auch  besser  gehandhabte,  internationale  Sehutzmaassregeln 
gegen  die  Wanderseuchen  machen  die  Bekämpfung  dieser 
Krankheiten  im  eigenen  Lande  noch  lange  nicht  überflüssig; 
man  wird  gut  thuu,  sich  gerade  auch  auf  dem  Gebiete  des 
Seeverkehrs  auf  die  gesundheitspolizeiliche  Ueberwaehung 


39 


der  Schiffe  in  den  heimischen  Hilfen  allein  zu  verlassen  und 
der  Ansicht  Kochs  beipflichten,  dass  uns  mit  solchen  inter- 
nationalen Bestrebungen  nicht  allzuviel  genutzt  wird. 


Kulihospitäler  an  der  Nordostküste  Sumatras. 

Von 

Hofrath  Dr.  L.  Martin, 

früher  Anst  im  Dienste  der  Tabakmaatächappy  Arendsbarg  and  der  Deli-Maatcbappy. 


Wenn  ich  hiermit  über  die  Kulihospitäler  in  Deli  und 
Langkat  an  der  Nordostküste  Sumatras  berichte,  deren  eines 
ich  durch  nahezu  dreizehn  Jahre  zu  leiten  hatte,  so  geschieht 
dies  unter  einer  doppelten  Reserve.  Erstens  sind  mir  von 
Spitälern  unter  den  Tropen  nur  die  erwähnten  und  vielleicht 
jene  der  Engländer  in  den  Sumatra  gegenüberliegenden 
Straits  Settlements  (Singapore  und  Penang)  bekannt  und  bin 
ich  deshalb  ausser  Stande,  Parallelen  zu  ziehen.  Es  mögen 
also  wohl  anderen  Ortes  zweckmässigere  Anstalten  existiren, 
welche  auf  längere  Zeit  des  Bestandes  und  der  Erfahrung 
zurücksehen,  in  welchen  Besseres,  europäischen  Verhältnissen 
Aehnliches  geleistet  wird,  solche  sind  mir  aber  gänzlich  unbe- 
kannt und  beschreibe  ich  nur  das  Kulihospital,  wie  e3  zur 
Zeit  in  den  Tabaksdistricten  Sumatras  im  Gebrauche  ist. 
Jene  der  Leser,  welche  gleich  mir  unter  den  Tropen  Hospital- 
leiter waren  oder  noch  sind,  werden  dann  Vergleiche  an- 
stellen können,  von  denen  ich  nur  hoffe,  dass  sie  nicht  zu 
ungünstig  für  unsere  sumatranischen  Anstalten  Ausfallen 
mögen.  Zweitens  sind  diese  Hospitäler  in  der  Hauptsache 
nur  für  die  Aufnahme  und  Behandlung  einer  Menschenspecies 
— des  chinesischen  Kuli  — eingerichtet,  und  bin  ich  weit 
davon  entfernt,  das  für  diese  Patienten  als  zusagend  Befundene 
auch  für  Kranke  anderer  Race  empfehlen  zu  wollen.  Da 
aber  der  chinesische  Kuli  sowohl  nach  meiner  persönlichen 
Erfahrung,  als  auch  nach  massgebendem,  anderscitigen  ITr- 
theila.  als  der  Feldarbeiter  par  excellence  für  alle  tropischen 
Gebiete  erscheint,  in  welchen  der  Europäer  niemals  mit 


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körperlicher  Arbeit  als  Coucurrent  auftreten  kann  und  deren 
Eingeborene  aus  ihnen  eigeuthümlichen,  physischen  oder  po- 
litischen Gründen  zu  Culturzwecken  nicht  tauglich  sind,  so 
ist  eine  Ausbreitung  der  chinesischen  Einwanderung  nach 
allen  solchen  Ländern  nur  eine  Frage  der  Zeit  und  Renta- 
bilität. Dann  dürften  auch  unsere  auf  30jährige  Erfahrung 
begründeten  Kulihospitäler  des  allgemeinen  Interesses  nicht 
entbehren.  Ausserdem  muss  ich  mich  noch  im  Voraus  der 
Nachsicht  der  Leser  versichern,  wenn  ich  denselben  die  in 
der  Natur  dieses  Berichtes  liegende  und  deshalb  nicht  zu 
umgehende,  trockene  Schilderung  der  Gebäude  des  Hospitals 
nicht  ersparen  kann. 

Die  Ende  der  60er  Jahre  an  der  Nordostküste  Suma- 
tras in  den  mnlnyischen  Sultanaten  Deli,  Langkat  und  Ser- 
dang  eingeführte,  rasch  aufblühende,  sehr  gewinnreiche 
Tabakscultur  war  nur  durch  ununterbrochene  Einwanderung 
von  Tausenden  Von  Feldarbeitern  aus  Südchina,  aus  Amoy, 
Makao,  Swatow  und  F uchow  möglich,  und  so  ist  es  erklärlich, 
dass  sehr  rasch  sowohl  die  englische  als  auch  die  zuständige 
niederländische  Colonialregierung  diese  Einwanderung  be- 
günstigte und  die  Immigranten  in  ihren  Schutz  nahm,  erstere 
gegenüber  den  die  Einwanderung  leitenden  chinesischen 
Kuliagenten  durch  Errichtung  eines  Protectorates  für  chine- 
sische Einwanderer  in  Singapore  und  Penang,  über  welche 
Hafenstädte  die  Feldarbeiter  nach  Sumatra  zogen,  letztere 
gegenüber  den  europäischen  Arbeitgebern,  denTabakspflunzern. 
Die  chinesischen  Kulis  schlossen  bei  ihrer  Einwanderung 
einen  von  der  niederländischen  Regierung  festgestellten  Con- 
tract  mit  den  Pflanzern  ab,  welcher  ihnen  ausser  anderen 
Vortheilen  freie  ärztliche  Behandlung  und  freien  Arzneimittel- 
bezug zusichertc.  Diese  Bestimmung  der  Kulicontracte  und 
noch  mehr  die  rasch  bei  allen  verständigen  Pflanzern  Platz 
greifende  Einsicht,  dass  eine  rationelle,  ärztliche  Behandlung 
des  nur  mit  hohen  Unkosten  eingeführten  Kulimateriales 
einen  wirklichen  Gewinn  mit  sich  bringe,  haben  unsere  Hospi- 
täler entstehen  lassen.  Zwar  waren  die  die  Pflanzer  nunmehr 
treffenden  Ausgaben  für  Spital,  Arzt  und  Arzneien  erhebliche, 
betrugen  sie  doch  bei  einer  mittleren  Ernte  1,5  — 2 Gulden- 
cents auf  den  Herstellungspreis  von  einem  Pfund  Tabak,  so 
kam  doch  der  chinesische  Kuli  in  Sumatra  selten  unter, 


41 


meist  beträchtlich  über  100  Dollars  zu  stehen  und  war  seine 
Erhaltung  für  die  gewinnbringende  PHanzarbeit  eines  grossen, 
tinanciellen  Opfers  werth.  Dass  unsere  Hospitäler  nicht  sofort 
auf  der  derzeitigen  Höhe  der  Entwickelung  standen,  sondern 
sieh  aus  kleinen,  oft  sehr  primitiven  Anfängen  und  Anlagen 
herausbilden  mussten,  ist  ebenso  leicht  verständlich  wie  die 
andere  Thatsache,  dass  die  grossen,  kapitalkräftigen  Gesell 
schäften  bessere  Einrichtungen  schufen  und  heute  besitzen, 
als  die  oft  nur  mit  geringem  Banr-Kapitale  arbeitenden,  von  Jahr 
zu  Jahr  den  Wechselfällen  des  europäischen  Produkten- 
marktrs  unterworfenen  Privatpflanzer. 

Im  Folgenden  gebe  ich  eine  möglichst  detai Ilirte  Be- 
schreibung des  Hospitals  „Bangkatnn“,  welches  ich  die  letzten 
fünf  Jahre  zu  leiten  hatte  und  neben  welchem  die  Deli- 
Maatschappy,  die  grösste  und  kapitalkräftigste  Gesellschaft 
des  Landes,  in  deren  Dienst  ich  stand,  noch  zwei  weitere, 
derartige  Hospitäler  unterhält.  Ausser  der  Deli-Maatschappy 
sind  noch  vier  grössere  Gesellschaften  am  Platze,  welche 
eigene  Spitäler  und  Ärzte  besitzen,  während  eine  Anzahl  von 
kleineren  Gesellschaften  und  Privatpflanzern  ganz  passende, 
den  Bedürfnissen  entsprechende  Anstalten  mit  farbigem 
Wartcpersonal  und  wöchentlich  einmaligem  Besuche  eines 
europäischen  Arztes  eingerichtet  haben. 

In  einem  mit  intensiver,  endemischer  Malaria  behafteten 
Laude  ist  es  natürlich  schwierig  oder  unmöglich,  einen  ma- 
lariafreien Platz  zur  Anlage  eines  Hospitals  zu  Anden ; 
dennoch  wird  man  bestrebt  sein,  dasselbe  auf  einem  möglichst 
hohen,  trockenen  Punkte,  z.  B.  einem  kleinen  Plateau  oder 
auf  einer  sich  erhebenden  Bodenwelle,  sicher  immer  aber  auf 
einem  Terrain  anzulegen,  in  dessen  nächster  Umgebung  sich 
kein,  höheres  Niveau  besitzendes  Land  beßudet,  da  von 
diesem  bei  gewisser,  entsprechender  Windrichtung  eine  Zu- 
fuhr von  Infectionskeimen  in  die  Anstalt  möglich  ist.  Ferner 
wird  man  auf  die  Nähe  von  fliessendem  Wasser  zu  achten 
haben,  da  solches  sowohl  zur  Reinigung  der  Gebäude  als 
auch  zu  den  täglichen  Bädern  der  Insassen  absolut  nöthig 
ist.  Da  nun  die  Flussläufe  in  der  Alluvialebene  Nordost- 
Sumatras  sich  alle  tief  in  das  Terrain  eingeschnitten  haben 
und  das  höchste  Land  sich  meist  auf  der  Uferhöhe  ßndet, 
so  liegen  selbstverständlich  alle  Spitäler  an  grösseren  oder 


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kleineren  Wasseradern.  Als  letzte  Bedingung  bei  der  Platz- 
wahl ist  die  der  centralen  Lage  zu  stellen,  d.  h.  das  Hospital 
soll  ungefähr  im  Centrum  der  dasselbe  beschickenden  Plan- 
tagen gelegen  sein.  Entsprechend  dem  eben  Gesagten  liegt 
das  Hospital  „Bangkatan“  auf  dem  hohen  Uferrande  des 
Bangkatanflusses,  in  der  Mitte  von  fünf,  durchschnittlich 
6 — 800  Kulis  beschäftigenden  Plantagen,  ungefähr  20  Minuten 
von  der  kleinen  Garnisonsstadt  Bindjei  entfernt.  Es  besteht 
aus  den  folgenden  Baulichkeiten: 

1.  Drei  langgestreckte,  barrakenartige  Gebäude,  jedes 
zu  50  Betten  für  die  Krankenaufnahme,  deren  erstes  einen 
Anbau  von  zwei  Isolirzellen  besitzt,  welche  sowohl  zu  sani- 
tären als  auch  discipliniiren  Zwecken  dienen  und  in  welchen 
auch  Kranke  mit  plötzlich  auftretenden  Psychosen  unter- 
gebracht werden ; an  der  zweiten  Barrake  befindet  sich  der 
Anbau  des  sogenannten,  später  noch  zu  besprechenden 
Diarrhoesnals.  Jedes  der  Gebäude  ist  60  Meter  lang  und 
6 Meter  breit,  besitzt  weissgetünchte  Bretterwände,  cementirten 
Boden  mit  cementirtem  Abzugsgraben  für  das  von  den 
Dächern  abfiiessende  Wasser  und  ein  doppeltes,  Durchzug 
gewährendes  Dach,'  welches  mit  den  Attap  genannten  Blättern 
der  Nipahpalme  gedeckt  ist.  Die  das  Dach  tragenden,  vier- 
eckig behauenen,  mit  Theer  gestrichenen  Balken  sind  in 
gemauerte,  mit  Cement  verstrichene  Unterlagen  eingelassen; 
die  Bretterwände  liegen  dem  Ccmentbodcn  nicht  völlig  auf, 
sondern  enden  auf  einem  Abstande  von  einem  Fuss  oberhalb 
desselben,  wodurch  auch  direkt  über  dem  Boden  eine  Ventilation 
geschaffen  wird.  Die  6 Fuss  langen,  hölzernen  Schlafstütten 
sind  aus  gehobelten  Brettern  hergestellt  und  stehen  entlang 
den  Längsseiten  der  Barraken  mit  dem  etwas  abwärts  ge- 
neigten Fuesende  nach  dem  zwischen  beiden  Bettreiheu 
laufenden,  mittleren  Gang  gerichtet,  welcher  eine  Breite  von 
2 Metern  besitzt;  3 Fuss  über  den  Betten  läuft  ein  einfaches, 
mit  Theer  gestrichenes  Brettergesimse  zur  Aufbewahrung 
von  Essgeräthen,  Gebrauchsgegenstünden  und  persönlichem 
Besitze  der  Kranken;  zwischen  je  zwei  Betten  befindet  sich 
eine  mit  hölzernen  Läden  zu  schliesscnde  Fensteröffnung. 

2.  Eine  aus  weissgetünchten  Brettern  hergestellte,  mit 
Wellblech  gedeckte  Küche  mit  Vorrathskammern  und  Wohn 
raum  für  den  Koch  und  seinen  Gehilfen;  dieselbe  besitzt 


43 


Cementboden  und  cementirten  Wasserabzugsgraben  sowie  ein 
grosses  Cementbassin  zur  Aufbewahrung  des  zu  Küchen- 
zweekcn  nüthigen  Wasserquantums;  der  Raum,  in  welchem 
sich  der  lange,  fünf  Feuerplätze  führende,  gemauerte  Kocli- 
lieerd  befindet,  hat  keine  Wände  und  gestattet  freien  Luft- 
durchzug; in  drei  der  Feuerplätze  sind  grosse,  eiserne  Kessel 
eingelassen,  welche  zum  Garkochen  des  Hauptnahrungsmittels, 
des  Reis,  dienen. 

3.  Ein  direkt  auf  der  Hübe  des  Flussufers  gelegener, 
mit  Wellblech  gedeckter  Abort,  dessen  mit  Theer  gestrichene 
Bretterwände  ein4  längliches,  mit  breiter  Rampe  versehenes, 
mit  Flusswasser  gefülltes  Cementbassin  einschliessen ; dieses 
Bassin  kann  in  den  Fluss  abgelassen  werden  und  wird  mit- 
telst einer  Säugpumpe  drei'Mal  täglich  mit  frischem  Fluss- 
wasser gefüllt;  rund  um  die  Kampe  verläuft  in  Armhöhe 
ein  hölzernes  Geländer  zum  Festhalten  und  Aufrichten  für 
die  auf  der  Rampe  Sitzenden ; der  Boden  ist  cementirt  und 
von  einem  cementirten  Abzugsgraben  umgeben. 

4.  Ein  20  Meter  langes,  8 Meter  breites,  aussen  weiss- 
getünchtes, innen  mit  weissem  Oelfarbenanstrieh  versehenes 
Brettergebäude  mit  gedeckter  Vorhalle,  in  welcher  Sitzbänke 
für  die  auf  Behandlung  wartenden’Kulis  stehen;  auch  dieses 
Gebäude  besitzt  Cementboden , ist  von  einem  cementirten 
Wasserabzugsgraben  umgeben  und  hat  unter  dem  Palmblättcr- 
dache  noch  einen  mit  weisser  Oelfarbe  gestrichenen  Bretter- 
plafond; es  enthält  ein  geräumiges  Operationszimmer  mit 
zwei  init  Zinkblech  ausgeschlagenen  Operationstischen,  deren 
einer  für  Behandlung  der  die  grosse  Mehrzahl  aller  chirurgi- 
schen Kranken  bildenden  Patienten  mit  Ulcus  cruris  be- 
stimmt ist,  während  der  zweite  für  Operationen  und  die 
in  der  Folge  nöthigen  Verbandwechsel  dient;  ausserdem  be- 
findet sich  hier  noch  ein  Arbeits-  und  Consultationszimmer 
für  den  Arzt  mit  grossem  Qlasfenster  und  breitem  Mikrosko- 
pirtisch  und  eine  Kammer  für  Verbandzeug  und  Materialien; 
in  der  gedeckten  Vorhalle  hängen  an  den  dieselbe  tragenden 
Holzsäulen  doppelte  Irrigateure  mit  Schläuchen  und  Hähnen, 
gefüllt  mit  Borlösung  zur  Behandlung  der  zahlreichen  Kranken 
mit  catarrhalischer  und  gonorrhoischer  Conjunctivitis;  letztere 
kommt  leider  häufig  vor,  weil  die  Chinesen  in  Urinwasch- 


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ungen  der  Augen  ein  ausgezeichnetes  Heilmittel  für  die 
catarrhalisclie  Conjunctivitis  scheu. 

5.  Ausserhalb  des  mit  einem  8 Kuss  hohen,  mit  Stachel 
/.nundraht  bespannten  Staekct  eingefriedeten  Areals  des 
Hospitals  ein  kleines,  auf  Ccment  stehendes,  mit  Wellblech 
gedecktes,  Bretterwände  besitzendes  Leichen-  und  Obduetinns- 
häuschen. 

G.  Aui  Haupteingange  in  das  Areal  ein  grösseres,  auf 
Cementboden  stehendes  Brettergebäude  mit  Palmblättcrdach, 
welches  die  Wohnräume  für  das  farbige  Personal  enthält. 

7.  Innerhalb  des  Areals  ein  cementirter,  mit  Palni- 
Idätterdach  versehener,  sonst  völlig  offener,  quadratischer 
Platz,  zum  Aufenthalte  für  die  leichteren  Kranken  während 
der  heissen  Tagesstunden  bestimmt;  im  Centrum  dieses  Platzes 
befindet  sich  ein  gemauerter,  am  Grunde  mit  Flusssand  aus- 
gesehütteter,  runder,  mit  cementirter  Rampe  versehener  und 
mit  Brettern  eingedeckter  Grundwasserbrunnen,  dem  mittelst 
einer  Pumpe  das  für  Hospital  und  Küehe  nöthige  Gebrauchs- 
wasser entnommen  wird;  hier  stehen  auch  in  hölzernen  Ge- 
stellen die  immer  in  Betrieb  befindlichen  Sandstein filter, 
welche  in  grossen,  chinesischen  Thongefässen  das  Trink- 
wasser für  die  Kranken  ansammeln.  Ein  ähnlicher  Sand- 
steinfilter steht  auch  in  der  Küche,  während  im  Operations- 
zimmer ein  Pasteurfilter  die  für  die  antiseptischen  Lösungen 
nöthigen,  keimfreien  Wassermengen  liefert. 

Die  Umzäunung  des  Areals  ist  dringend  nothwendig, 
da  ohne  eine  solche  die  wenig  eivilisirten  Patienten  in  ihrem 
bewussten  und  unbewussten  Drange  nach  persönlicher  Frei- 
heit nicht  nur  zu  jeder  Tages-  und  Nachtzeit  sich  im  Flusse 
herumtreiben,  sondern  auch  zu  häufige  Besuche  in  dem  nahe- 
liegenden Städtchen  unternehmen  würden,  um  dort  unpassende 
Einkäufe  zu  machen  oder  zu  stehlen  oder  allenfalls  an- 
wesende Bekannte  und  Freunde  um  Geld  oder  Opium  an- 
zugehen. Dass  bei  solchen  Ausflügen  auf  eventuelle  Ver- 
bände oder  sonstige  ärztliche  Vorschriften  keinerlei  Rücksicht 
genommen  würde,  ist  ohnehin  klar.  Die  Umzäunung  besitzt 
drei  Unterbrechungen:  1.  die  grosse,  mit  einer  gusseisernen 
Thüre  zu  schliessende  Eingangspforte,  2.  flussaufwärts  vom 
Aborte  eine  kleinere  Thüre,  von  welcher  ein  bekiester  Weg 
zu  den  Badeplätzen  am  Flussufer  führt  und  3.  eine  kleine 


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Ilinterpforte  zum  Leichenhaus.  Der  Zugang  zu  den  Bade- 
mützen wird  drei  Mal  täglich  auf  eine  Stunde  geöffnet  und 
strömen  dann  die  Kranken  an ’s  Flussufer  theils  zum  Bade, 
theils  zur  Reinigung  von  Kleidungsstücken.  Eine  Aufsicht 
während  dieser  Badezeit  ist  unumgänglich,  da  sonst  im  Fluss- 
bette Ausflüge  nach  dem  Städtchen  nusgeführt  würden.  Für 
die  Patienten  mit  llleus  eruris  bestehen  für  die  absolut 
nöthigen  Bäder  eigene  Vorschriften,  welche  sie  von  einer 
Durchnässung  der  Verbände  abhalten  sollen,  da  eine  solche 
regelmässig  eine  Verschlimmerung  der  Wunde  und  Randekzem 
im  Gefolge  hat.  Zwischen  den  zur  Krankenaufnahme  be- 
stimmten Barraken  sind  die  je  30  Meter  breiten  Zwischen- 
räume mit  Gartenanlagcn  und  bekiesten  Wegen  ausgefüllt; 
in  gleichem  Zustande  befindet  sich  auch  alles  übrige  Terrain 
innerhalb  der  Umzäunung.  Fruchttragende  Bäume  oder 
Pflanzen  sind  von  diesen  Anlagen  ausgeschlossen,  da  die 
Kranken  deren  Früchte  stets  vor  erlangter  Reife  abnehmen 
und  zu  ihrem  Nachtheile  verbrauchen  würden.  Dagegen 
wird,  wenn  thunlich,  für  reichliche  Anpflanzung  von  spani- 
schem Pfeffer  (Capsicum)  gesorgt,  dessen  Schoten,  reif  und 
unreif,  ein  beliebtes,  sicher  nicht  nachtheiliges,  eher  heilsames 
Gewürz  zum  Reis,  dem  Hauptgericht  der  Kranken,  bieten. 

Trotz  der  erwähnten,  stacheltragenden  Umzäunung  und 
der  besprochenen  Vorsichtsmassregeln,  sowie  trotz  des  weiter 
unten  aufzuzählenden  Aufsichtspersonals  kommen  doch  im 
Laufe  des  Jahres  in  jedem  Hospitale  einige  Wegläufer  vor. 
Diese-  können  in  zwei  grosse  Klassen  getheilt  werden,  in 
solche,  welche  nach  ihrer  Plantage  zurücklaufen,  unschuldige, 
nur  gegen  die  Disciplin  verstossende  Wegläufer,  und  in 
solche,  welche  mit  der  böswilligen  Absicht  entfliehen,  sich 
nicht  nur  der  Disciplin  des  Hospitals,  sondern  auch  ihren 
Verpflichtungen  gegenüber  dem  Pflanzer  zu  entziehen,  krimi- 
nelle Wegläufer.  Die  Letzteren  sind  ein  grosser  Schaden 
für  das  Hospital  und  müssen  im  Falle  der  Wiedereinlieferung 
sofort  den  Behörden  zu  strenger  Bestrafung  übergeben  werden. 
Halten  sie  doch  den  Pflanzer  unter  Umständen  davon  ab, 
weitere  Kulis,  welche  ärztliche  Hilfe  und  Krankenhauspflege 
hoch  nöthig  haben,  in  das  Hospital  zu  senden,  da  er  so 
thuend  die  Gefahr  läuft,  seine  mit  grossen  Unkosten  ein- 
geführten  Feldarbeiter  für  immer  zu  verlieren.  Die  Motive 


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für  die  Flucht  der  unschuldigen  Wegläufer  sind  Verlangen 
nach  ihrer  gewinnbringenden  Arbeit,  Angst,  in  der  Bearbeitung 
ihres  Feldes  zurückzubleiben  oder  den  reifen  Tabak  zu  ver- 
lieren, ferner  perverse  Liebe,  der  die  Chinesen  hochgradig 
huldigen,  also  Sehnsucht  nach  dem  männlichen  Liebchen 
oder  Eifersucht  gegen  Nebenbuhler  und  schliesslich  in  sehr 
vielen  Füllen  Mangel  an  Opium.  Die  böswilligen  Wegläufer 
dagegen  wollen  mit  gefälschten  Papieren  auf  einer  anderen 
Plantage  neues  Handgeld  erschwindeln  oder  eine  private, 
nach  ihrer  Ansicht  höheren  Gewinn  abwerfender  Thätigkeit 
als  Gcmüsepflanzer,  Schweinezüchter  oder  Holzarbeiter  an- 
treten,  oder  sie  sehnen  sieh  nach  den  Vergnügen  und  Auf- 
regung bietenden  grösseren  Plätzen  mit  chinesischen  Theatern, 
Freuden-  und  Opiumhäusern.  In  sehr  seltenen  Fällen  ent- 
laufen die  Kulis  auch  dem  Hospitale,  weil  sie  dort  bei  Arzt 
und  Personal  für  ihre  Leiden  kein  Interesse  linden.  Obwohl 
solche  Fälle  Ausnahmen  sind,  wird  dennoch  die  jährliche 
Anzahl  der  Wegläufer  für  den  Wissenden  einen  ausgezeich- 
neten Massstab  für  die  Güte  der  Anstalt  abgeben. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Neuere  Untersuchungen 

über 

die  Aetiologie  und  den  klinischen  Verlauf  der 
Beri-Beri- Krankheit 

von  Dr.  Max  Glogner, 

Stadsgeneesheer  in  Sanmrang- Java. 

(Vortrag,  gehalten  in  der  Section  iür  Tropen  - Hygiene  auf  der 
68..Versamrnlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Frankfurt  a.  M.) 

M.  H.  Die  Krankheit,  über  welche  ich  heute  berichten 
möchte,  kommt  auf  einem  grossen  Theil  unsrer  Erde 
endemisch  vor. 

Von  denWcstindischen  Inseln  an  der  OstküsteSüdamerikas 
entlang  bis  hinab  nach  Argentinien  erstreckt  sich  ihr  Gebiet ; 
auf  den  Hochebenen  Brasiliens,  verschiedenen  Inseln  des 
grossen  Oceans,  Neu-Guinea,  Japan,  China,  Hinter-  und  Vorder- 
indien, Ceylon,  den  Iuscln  des  Maleienarchipels  sowie  an  der 
Westküste  Afrikas  und  am  Congo  wird  sie  angetroffen. 


4? 


Obwohl  diese  Krankheit  in  verschiedenen  Ländern  ver- 
schiedene Namen  trägt,  wie  Kakke  in  Japan,  Beri-Bcri  in 
den  holländischen  Colonien,  Pereinas  in  Brasilien,  so  hat  eine 
vieljährige  Bekanntschatt  und  zahlreiche  Beschreibungen  aus 
verschiedenen  Ländern  derselben  zu  der  Gewissheit  geführt, 
dass  wir  es  klinisch  mit  derselben  Krankheitsform  zu  thun 
haben. 

M.  II.  Wenn  schon  die  gewaltige  Ausbreitung  dieser 
Krankheit  Sie  vermuthcn  lässt,  dass  dieselbe  eine  grosse  Ver- 
wüstung an  Lebeu  und  Gesundheit  der  Bewohner  zur  Folge 
haben  muss,  so  möchte  ich  Sie  doch  noch  mit  einigen  Zahlen 
bekannt  machen,  welche  Ihnen  diese  Gefahr  noch  deutlicher 
vor  Augen  führen.  Allein  im  Maleiischen  Archipel  erkrankten 
in  der  holländischen  Colonialarmee  bei  einem  Bestände 
von  ungefähr  30,000  Soldaten  von  1879—1891  insgesammt 
53,000  Soldaten  an  Beri-Bcri;  in  1872  wurden  in  der 
japanischen  Hauptstadt  Tokio  ungefähr  3000  Soldaten  be- 
handelt, in  1H79  betrug  die  Zahl  der  Kranken  unter  der 
Bevölkerung  von  4 grossen  japanischen  Städten  5243.  Und 
wenn  man  die  zahlreichen  localen  Epidemien  in  den  ver- 
schiedenen Ländern  mit  theilwcise  sehr  hoher  Mortalität  in 
Betracht  zieht,  so  wird  man  von  der  grossen  Gefahr  dieser 
Krankheit  und  der  Nothwendigkeit  einer  genauen  Kenntniss 
derselben  überzeugt  sein. 

An  Eifer,  zu  dieser  Kenntniss  zu  gelangen,  bat  es  bis- 
her nicht  gefehlt.  Die  zahlreichen  Arbeiten,  welche  in  den 
verschiedensten  Sprachen  über  die  Beri-Beri-Krankheit  ver- 
öffentlicht sind,  beweisen,  dass  man  stets  fleissig  nach  dem 
Wesen  und  der  Ursache  geforscht  hat. 

Während  nun  die  Ursache  schon  viele  Jahrhunderte 
Gegenstand  der  Forschung  gewesen  ist,  wurde  das  Studium 
über  das  Wesen  dieser  Krankheit  erst  nach  der  humoralpatholo- 
gischen Aera  bei  einer  besseren  Kenntniss  der  europäischen 
Krankheiten  in  Angriff  genommen. 

Man  fasste  die  Beri-Beri  auf  als  eine  auf  Scorbut  beruhende 
Constitutionsauomalie,  dann  erklärte  sie  der  um  die  Beri-Beri- 
Forschung  verdiente  Wernich  für  eine  Blutdecomposition 
ähnlich  der  pernieiösen  Anaemie,  später  hielt  man  dieselbe 
wegen  der  Lähmungserscheinungen  an  den  Extremitäten  für 
eine  Rückemnarksaffection,  ein  Schicksal,  welches  auch  die 


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48 


europäische  multiple  Neuritis  erreichte,  bis  dieselbe  durch  von 
Leyden  am  Ende  der  70er  Jahre  aus  der  grossen  Gruppe 
der  Rückenmarksaffectionen  als  selbstständige  Krankheit 
ausgesehieden  wurde. 

Die  Entdeckung  der  peripherischen  multiplen  Neuritis  in 
Europa  dürfte  auf  die  deutschen  Forscher  Scheube  und 
ßaelz  nicht  ohne  Einfluss  geblieben  sein,  als  sie  im  Beginn 
der  80er  Jahre  bei  ihren  Untersuchungen  über  Beri-Beri  in 
Japan  in  den  Nerven  der  Extremitäten,  des  Herzens  und 
Zwerchfelles  degenerirte  Nervenfasern  fanden  und  auf  Grund 
dieses  Befundes  die  BeriBeri- Krankheit  für  eine  endemische 
peripherische  multiple  Neuritis  erklärten.  Seit  dieser  Zeit 
wird  die  Beri-Beri-Krankheit  allgemein  für  eine  Erkrankung 
der  peripherischen  Nerven  gehalten.  Wenn  dies  in  vollem 
Umfang  richtig  wäre,  müssten  alle  oder  doch  wenigstens  die 
hauptsächlichsten  Veränderungen,  welche  sich  bei  Lebzeiten 
oder  nach  dem  Tode  uachweisen  lassen,  n n r aus  einer 
peripheren  Nervendegeneration  erklärt  werden  können. 

Es  gibt  aber  eine  Reihe  wichtiger  klinischer  wie  patho- 
logisch anatomischer  Erscheinungen,  welche  inan  sich  aus 
einer  Degeneration  der  peripheren  Nerven  gar  nicht  oder 
nur  gezwungen  erklären  kann.  So  sind  die  Anaemien,  die 
Milzvergrösserungen,  die  Fieberanfälle,  im  Verlauf  der  Krank- 
heit die  Trübungen  der  verschiedenen  Organzellen,  z.  B.  der 
Leber,  nicht  in  einen  dirccten  Zusammenhang  mit  einer 
Degeneration  der  peripherischen  Nerven  zu  bringen. 

Die  Veränderungen  der  Muskelzellen  sind  bisweilen  so 
stark  und  in  den  meisten  Fällen  ebenso  deutlich  ausgesprochen, 
wie  die  Veränderungen  an  den  Nerven,  dass  man  den  Ge- 
danken an  ein  myopathisches  Leiden  nicht  von  der  Hand 
weisen  kann  oder  wenigstens  an  eine  Gleichberechtigung 
des  myopathisehen  mit  dem  neuropathischcn  Leiden  denken 
muss. 

M.  H.  Aut  der  anderen  Seite  fehlen  die  degeuerativen 
Veränderungen  an  den  peripherischen  Nerven  bisweilen,  wie 
Miuru  die  für  einzelnen  Fälle  nachgewiesen  hat.  — Hage 
fand  die  vagi  und  phrcnici  bei  10  an  Beri-Beri  gestorbenen 
Eingeborenen  normal. 

Ich  will  auf  diese  Fragen  nicht  näher  eingehen,  dieselben 
werden  bei  weiteren  Forschungen  beantwortet  werden  — 


49 


vorläufig  dürfte  es  sieh  empfehlen,  von  dem  S c li  e u l>  e-  B a e 1 z- 
sclien  Standpunkt  aus  unsere  Betrachtungen  über  die  Beri- 
Beri  als  eine  multiplen  Neuritis  weiter  zu  führen. 

M.  11.  Bevor  ich  auf  einzelne  uns  hier  interessirende 
klinische  Erscheinungen  eingehe,  gestatten  Sie  mir,  Ihnen 
eine  kurze  Krankengeschichte  eines  Beri-Beri-Kranken  rnitzu- 
thcilen.  Die  folgenden  Ausführungen  dürften  Ihnen  dann 
um  vieles  verständlicher  sein. 

Ein  Eingeborener,  der  früher  stets  gesund  war,  kommt 
mit  folgenden  Angaben  in  Ihre  Behandlung.  Vor  einigen 
Wochen  hätte  er  5 Tage  anhaltendes  Fieber  gehabt,  schon 
während  der  Fieberzeit  merkte  er  eine  Müdigkeit  und  Schwäche 
in  den  untersten  Extremitäten,  die  sich  in  den  letzten  Tagen 
derartig  gesteigert  hätte,  dass  ihm  das  Laufen  schwer  fiele ; 
er  spüre  Ameisenlaufen  in  beiden  Unterschenkeln  und  den 
Unterarmen  und  wenn  er  dieselben  anfasse  oder  sich  einige 
Haare  auszöge,  merke  er  nichts  davon,  bei  der  geringsten 
Bewegung  sei  er  kurzathmig,  Beklemmung,  Herzklopfen  und 
ein  Vollsein  im  Epigastrium  belästigten  ihn  häufig  und  wenn 
es  ein  intelligenter  Patient  ist,  wird  er  Ihnen  noch  mittheilcn, 
dass  sein  tägliches  Urinquantum  vermindert  sei. 

Ihre  eigene  Untersuchung  stellt  dann  folgendes  fest: 

Die  DorsalHexion  beider  Füsse  ist  stark,  die  Plantar- 
flexion leicht  herabgesetzt,  Bewegungen  der  Unter-  und  Ober- 
schenkel normal,  der  Gang  der  Kranken  ist  unsicher,  schleppend, 
Ataxie  fehlt.  Die  Erregbarkeit  der  Muskeln  beider  Unter- 
schenkel auf  den  galvanischen  und  faradischen  Strom  sind 
bei  directer  und  indirecter  Reizung  herabgesetzt,  auf  der 
Haut  beider  Unterschenkel  anaostethisehc  Stellen,  Patcllar-  und 
Achillessehnenreflexe  aufgehoben,  Cremaster-  und  Bauchreflex 
erhalten,  leichtes  Tibialoedem,  Puls  voll  und  kräftig,  96  p.  m., 
eine  Herabsetzung  des  Blutdruckes  nicht  nachweisbar,  Herz 
nach  links  und  rechts  vergrössert,  systolisch  blasende  Geräusche 
an  der  Insertion  der  3 linken  Rippe  am  deutlichsten  hörbar. 
Haemoglobin  70°/o  mit  dem  v.  Fleischlichen  Haemomcter, 
sichtbare  Schleimhäute  blass,  Tägliche  Urinmenge  300 — 400 
Cubikcent.,  Milz  vergrössert,  Blasen-  und  Dannfunction  un- 
gestört, Atlnnung  26  p.  m.,  abdominal. 

M.  II.  Es  dürfen  Ihnen  bei  dieser  Krankengeschichte 
2 Punkte  auflallen,  zuerst,  dass,  wie  ich  bereits  oben  erwähnte, 

Archiv  f.  Schifft-  n.  Tropeohyglen«*.  4 


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M 


gewisse  klinische  Symptome  vorhanden  sind,  wie  die  Anaemie, 
die  Milzvergrösserung,  das  Initialfieber,  welche  sicher  nicht 
von  einer  Nervendegeneration  abhängen  und  meistens,  dass 
es  besonders  2 Körpergegenden  gibt,  an  denen  sich  die 
Krankheitserscheinungen  ain  deutlichsten  offenbaren,  nämlich 
das  Herz  und  die  Extremitäten. 

Was  die  genannten  nicht  von  einer  Nervendegenerntion 
herrührenden  Symptome  betrifft,  so  werde  ich  auf  ihre  Be- 
deutung später  zu  sprechen  kommen,  ich  möchte  nur  erwähnen, 
dass  es  leider  wie  früher,  auch  jetzt  noch  Sitte  ist,  alle  Er- 
scheinungen, die  mit  einer  multiplen  Nervendegeneration  sich 
nicht  erklären  lassen,  einfach  als  Complicationen  anzusehen  ; 
das  macht  die  Sache  allerdings  sehr  einfach.  Es  ist  dies 
aber  um  so  unverständlicher,  als  einzelne  Autoren,  welche 
dies  thun,  mehrere  dieser  Erscheinungen  in  einer  grossen 
Frequenz  vorfinden  und  beschreiben.  Wenn  wir  in  dieser 
Weise  zu  Werke  gehen,  werden  wir  schwerlich  zu  einem 
befriedigenden  Verständniss  der  zahlreichen  Erscheinungen 
gelangen,  und  es  dürfte  dies  wahrscheinlich  der  Grund  sein, 
wesshalb  Uber  der  Aetiologie  der  Beri-Beri  bis  in  die  letzte  Zeit 
ein  undurchd ringbares  Dunkel  geschwebt  hat  und  wesshalb 
wir  auch  in  der  Erklärung  einer  Reihe  klinischer  wie  patho- 
logisch anatomischer  Erscheinungen  seit  den  80.  Jahren  wenig 
vorwärts  gekommen  sind.  — Was  die  klinischen  Erscheinungen 
an  den  Extremitäten  betrifft,  die  in  leichten  sensiblen  und 
mehr  oder  weniger  starken  motorischen  Störungen  bestehen, 
so  lassen  sich  dieselben  mit  einer  Degeneration  der  Extremi- 
tätennerven erklären.  Anders  ist  dies  jedoch  mit  den  am 
Herzen  vorkommenden  Erscheinungen. 

Welche  sind  diese  zunächst  ? 

Zuerst  ist  die  Vergrösserung  der  Herzdämpfung  oder 
nur  des  rechten  Herzens,  die  an  der  Leiche  als  eine  Hyper- 
trophie mit  oder  ohne  Dilatation  erkannt  wurde,  zu  erwähnen, 
zweitens,  eine  Beschleunigung  der  Ilerzthätigkeit,  drittens, 
systol.  Geräusche  am  deutlichsten  auf  dem  Ansatz  der  2.  und  3. 
linken  Rippe,  sowie  eine  Verstärkung  und  Verdoppelung 
des  zweiten  Pulmonaltones,  viertens  eine  bisweilen  eintretende 
Pulsation  der  ganzen  Herzgegend.  Diese  Erscheinungen  sind  bei 
den  meisten  Beri-Beri-Kranken  so  in  die  Augen  springend  und 
für  die  Prognosen  so  bedeutungsvoll,  dass  mau  sieh  wundern 


51 

muss,  wenn  bisher  Niemand  den  ernsten  Versuch  einer  ge- 
meinsamen Erklärung  für  alle  diese  Erscheinungen  gemacht 
hat,  und  Sie  werden  nur  zugehen,  dass  in  der  Beri-BeriForschung 
eine  grosse  Lücke  besteht,  wenn  gerade  die  wichtigsten 
klinischen  Erscheinungen  unerklärt  geblieben  sind  und  selbst 
in  gewissem  Widerspruch  stehen  zu  der  bisherigen  Auf- 
fassung der  Beri-Beri-Krankheit  als  einer  multiplen  peripheri- 
schen Nervendegeneration.  Denn  ein  Widerspruch  muss  es 
genannt  werden,  wenn  das  Herz,  an  dem  diese  wichtigen  Erschei- 
nungen sich  abspielen,  bei  einer  Degeneration  seiner  Ner- 
ven eine  Vergrösserung  seiner  Muskelzellen  erfahren  soll. 

Während  wir  an  anderen  Muskeln  gerade  das  Gegen  - 
t heil,  nämlich  eine  Atrophie,  öfters  zu  beobachten  Gelegenheit 
haben  und  dies  am  Beri-Bori-Kranken  an  den  unteren  Ex- 
tremitäten auch  beobachten  können,  hypertrophirt  das  Herz 
bei  dieser  Nervendegeneration.  Wenn  man  die  Vergrössernng 
der  Muskelzelle  als  einen  erhöhten  vitalen  Vorgang  aufzufassen 
berechtigt  ist,  so  ist  man  zu  der  Annahme  gezwungen,  dass 
die  degenerirten  Herznerven,  die  man  bisher  gefunden  und 
mit  für  die  Auffassung  der  Beri-Beri  als  einer  multiplen 
Neuritis  verwendet  hat,  dem  Herzen  im  Allgemeinen  doch 
nicht  so  viel  schaden,  als  man  seit  Scheubc  und  Baelz 
bisher  angenommen  hat.  — Es  ist  nicht  unmöglich,  dass 
gerade  dieser  Punkt  der  bisherigen  Auffassung  der  Beri-Beri 
als  einer  multiplen  Neuritis  einmal  eine  andre  Wendung 
geben  dürfte. 

M.  H.  Gehen  wir  nun  zur  Besprechung  der  einzelnen 
erwähnten  Herzerscheinungen  über.  Was  die  Vergrösserung 
und  Dilatation  dieses  Organes  betrifft,  so  haben  zuerst  die 
älteren  holländischen  Colonialärzte  darauf  aufmerksam  gemacht, 
später  ist  diese  Erscheinung  durch  vielfache  Scctionsbefunde  be- 
stätigt worden,  und  namentlich  sind  es  die  zahlreichen  Beobach- 
tungen von  Pekelharing  und  Winkler,  welche  uns  des- 
halb von  ganz  besonderem  Werthe  erscheinen,  weil  sie  mit  dem 
geübten  Auge  der  pathologischen  Anatomen  gemacht  sind.  Diese 
Forscher  behaupteten  auf  Grund  ihrer  Nectioncn,  dass  das 
constanteste  »Symptom  an  der  Bcri  Bcri-Leiehe  eine  Ver- 
grösseruug  des  rechten  Herzens  mit  Dilatation  und  in  vielen 
Fällen  eine  Vergrössernng  des  ganzen  Herzens  sei,  aber  eine 

4* 


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f>2 


Erklärung  haben  auch  sie  nicht  gegeben,  sie  erwähnten  nnr 
ilnss  dieselbe  grosse  Schwierigkeiten  bereite. 

In  der  letzten  Zeit  hat  der  japanesische  Arzt  Miur. 
die  Herzhypertrophie  durch  eine  Compression  der  Lungen- 
gefässe  erklärt,  welche  durch  einen  in  Folge  von  Zwerchfell- 
lähmung eingetrcteucn  hohen  Druck  im  Brustraum  zu  Stande 
kommen  soll.  Dieser  erhöhte  Druck  wäre  zunächst  zu 
beweisen. 

Es  sprechen  aber  direct  gegen  diese  Auffassung  die 
zahlreichen  Herzhvpertrophien,  die  ohne  Zwerchfelllähmung 
entstehen,  und  anderseits  die  Zwechfelllähmungen,  welche  ohne 
Herzhypertrophien  verlaufen,  wie  ich  einen  derartigen  Fall 
in  einer  zu  erscheinenden  Arbeit  mittheilen  werde. 

M.  H.  Wodurch  entsteht  dann  die  Herzhypertroph  ic 
beim  Beri-Beri-Kranken? 

Ueberall  da,  wo  im  Körper  die  Muskidzelle  hyper- 
trophirt,  kommt  dies  durch  erhöhte  Arbeit  zu  Stande.  Wir 
wissen,  dass  im  Verlauf  der  Beri-Beri-Krankheit  das  Herz  in 
vielen  Fällen  eine  erhöhte  Frequenz  der  Schläge  zeigt.  Nun 
könnte  man  sich  vorstellen,  dass  durch  das  Beri-Beri-Oift 
auf  die  Herznerven  zuerst  ein  Reiz  ansgeiibt  wurde,  dem 
dann  Lähmung  mit  Degeneration  folge.  Dagegen  spricht 
entschieden  die  klinische  Erfahrung,  dass  sich  eiue  be- 
schleunigte, kräftige  llerzthätigkeit  oft  über  Wochen  und 
Monate  ausdelint  und  bisweilen  zu  einer  Zeit  vorhanden  ist, 
wo  an  den  Extremitäten  paretische  Erscheinungen  zu  Tage 
treten,  und  es  wäre  ganz  unverständlich,  wn - n dasselbe 
Gift  die  Nerven  der  Extremitäten  lähmen,  die  Herznerven 
dagegen  reizen  solle. 

Bei  der  Erklärung  der  isolirten  rechtsseitigen  Ilerz- 
hypcrtrophie  ist  die  Annahme  eines  Reizzustandes  der  Herz- 
nerven  noch  unverständlicher.  Bei  der  gleichmässigen  Function 
der  rechten  und  linken  Herzhälfte,  der  gemeinsamen  Anord- 
nung der  Nerven  und  Muskelfasern  wäre  eine  isolirte  rechts- 
seitige Herzhypertrophie  durch  einen  Reizzustand  der  Nerven 
des  rechten  Herzens  nicht  zu  verstehen.  — Die  Ursache 
hierfür  kann  nur  in  Widerstünden  liegen,  welche  das  rechte 
Herz  in  höherem  Masse  zu  überwinden  hat,  und  diese  werden 
im  Lungenkreislauf  zu  Huden  sein,  und  wenn  wir  der  Scheube- 
Baelzschen  Auffassung  folgen,  so  werden  wir  diese  Wider- 


53 


stände  in  einer  durch  Gefässnervenlähmung  entstandenen 
schwierigen  Fortbewegung  des  Blutes  zu  suchen  haben,  denn 
Sie  wissen,  meine  Herrn,  dass  einen  wesentlichen  Factor  zur 
Fortbewegung  des  Blutes  ein  intacter  Zustand  der  Gefüss- 
muskeln  und  -nerven  bildet. 

(Fortsetzung  folgt.) 


II.  Besprechungen. 

Bericht  des  C hefar  z tes  der  Kaiser  1.  Schutztruppe 
für  Ostafrika,  I)r.  Becker,  über  seine  amtliche 
Thlttigkeit  im  Jahre  1894/95  in  Mittheilungen 
aus  deutschen  Schutzgebieten;  Beiheft  zu  den 
Veröffentl.  d.  Kaiserl.  Gesundheitsamtes.  XIII* 
Band.  Berlin.  Jul.  Springer.  1896. 

Die  Versuche,  der  Truppe  namentlich  auf  Expeditionen 
mit  Sicherheit  keimfreies  Trinkwasser  zu  liefern, 
werden  als  missglückte  bezeichnet;  es  erwies  sich  nämlich 
als  unausführbar,  das  mit  Schlamm  reichlich  versetzte  Wasser 
durch  die  Filterkerzen  des  kleinen  Berkefeld-Filter  (Armee- 
rilter  No.  III)  hindurch  zu  pumpen;  „die  Handhabung  der 
Filterpumpe  erforderte  dann  eine  derartige  Gewalt,  dass  die 
Kraft  eines  Mannes  daran  erlahmte  oder  die  Filterpumpe 
aus  den  Löthstellen  auseinander  gesprengt  wurde.“  Ein  be- 
friedigender Erfolg  wurde  mit  einem  grossen  Pumpenfiltcr 
(System  Berkefeld)  auf  den  Stationen  erzielt. 

0.  S c h c 1 1 o n g. 

Genera  1-Sanitäts-Bericht  über  die  Kaiserliche 
Schntztruppc  für  Deutsch-Ostafrika  für  das 
Berichtsjahr  1894'95,  von  Oberarzt  I)r.  Gärtner; 
in  Mittheilungen  aus  deutschen  Schutzgebieten; 
Beiheft  zu  den  Veröffentlichungen  d.  Kaiserl. 
Gesundheitsamtes.  XIII.  Band.  Berlin.  Jul. 
Springer.  1 896. 

Der  Bericht  bezieht  sich  auf  die  17  Militärstationen 
des  ostafrikauischen  .Schutzgebiets;  als  die  günstigste  der- 


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54 

selben  erwies  sich  Bnkoba  am  Victoria  Nyansa,  als  die  un- 
günstigste die  Station  Ulanga.  Die  zahlreichsten  Kranken- 
zugänge bildeten  die  Malariakranken;  die  122  deutschen 
Militärpersonen  der  sämmtlichen  Stationen  erkrankten  412  Mal 
an  Malaria,  so  dass  auf  jeden  Europäer  3,3  (=  3360  °/oo) 
Erkrankungen  kamen.  Die  eingeborenen  Soldaten  erkrankten 
in  887,9°  oo  am  Wechsclfiebcr.  Von  andern  Infektionskrank- 
heiten kamen  Pocken  und  Ruhr  regelmässig  zur  Beob- 
achtung. Die  gesündeste  Zeit  sind  die  Monate  Januar  bis 
März  (Trockenzeit). 

Die  Hygiene  der  Wohnungen  und  die  bauliche  Be- 
schaffenheit der  Lazarethe  ist  auf  fast  sämmtlichen  Stationen 
noch  recht  mangelhaft.  Grössere  Lazarethe  existiren  in  Dar- 
es-Salam  und  in  Lindi;  im  Innern  fehlen  sie  gänzlich,  so 
dass  im  Innern  erkrankte  Europäer  oft  unter  wochenlangen 
beschwerlichen  Märschen  nach  der  Küste  geschafft  werden 
müssen.  Es  fehlt  auch  an  bequem  transportablen  Krankcn- 
barackeu;  die  Doeeker’sehe  Baracke  hat  sich  noch  verhält- 
nissmässig  am  besten  bewährt,  wiewohl  die  einzelnen  Theile 
auch  dieser  Baracke  zu  schwer  sind,  um  gut  transportirt 
zu  werden. 

Das  Wohnen  und  Schlafen  in  den  oberen  Wohnräumcn 
wird  demjenigen  in  dem  Erdgeschoss  vorgezogen.  Als  Dach- 
deekung  empfiehlt  sich  auch  für  Steinhäuser  am  meist  das 
Wellblech.  Wo  die  Unterbringung  der  Mannschaften  im 
Erdgeschoss  erfolgen  muss,  sollte  eine  Isolirsehicht  am  Boden, 
bestehend  aus  Steinen,  einer  Ccmentlagc  und  einer  Bedeckung 
Linoleum  oder  Fliesen  nicht  fehlen.  Für  die  Beköstigung 
haben  die  europäischen  Militärpersonen,  sowie  Farbige  für 
sieh  selbstständig  zu  sorgen ; aut  Märschen  bekommen  die 
Mannschaften  in  der  Regel  besondere  Verpflegungsgelder; 
auch  ist  man  dann  vorzugsweise  auf  Conserven  angewiesen. 
Unter  normalen  Verhältnissen  ist  die  Beschaffung  von  frischem 
Fleisch  und  Gemüse,  besonders  an  der  Küste,  nicht  schwierig. 
Eine  ilungersnoth  verursacht  häutig  im  Innern  des  Landes 
die  Heuschreckenplage. 

Die  Versorgung  mit  Trinkwasser  ist  auf  den  Innen- 


55 


leicht  verschmutzt  werden  und  mit  Pumpenvorrichtung  ver- 
söhn werden  sollten. 

Die  Excrementc  werden  auf  einigen  Küstenstationen 
durch  Wasserspülvorrichtung  nach  dem  Meere  abgeführt; 
indessen  verdient  die  Gewohnheit  der  Eingeborenen,  ihre 
Xothdurft  am  Meeresstrande  zu  verrichten,  entschiedene  Nach- 
ahmung, da  so  die  Fiikalien  auf  die  einfachste  Art  durch 
die  nächstfolgende  Flut  weggespült  werden. 

Zur  Trockenlegung  des  Sumpfbodens  haben  sich  An- 
pflanzungen von  Coeospalmen  (besser  als  Eucalyptusbäuiuc) 
nuf  allen  Küstenstationen  bewährt;  im  Innern  des  Landes 
gedeiht  die  Cocospalme  nicht.  Die  Abfuhr  des  Kehrricht  ist 
polizeilich  geregelt;  auch  die  Bauthätigkcit  der  Neger- 
bevölkerung wird  beaufsichtigt. 

Um  den  zahlreichen  Pockenerkrankungen  unter 
der  farbigen  Bevölkerung  zu  steuern,  wird  die  Zwangsimpf- 
ung (bereits  von  dem  früheren  Oberarzt  Dr.  »Steudel  em- 
pfohlen) in  Vorschlag  gebracht.  Dazu  gehört  an  erster  .Stelle 
die  Möglichkeit,  sich  genügend  wirksame  Lymphe  zu  ver- 
schaffen ; gelöst  würde  diese  Aufgabe  am  zweckmässigsten 
durch  die  Begründung  einer  Lymphecrzeugungsanstalt  werden ; 
jedoch  konnte  auch  in  dem  Berichtsjahre  festgcstellt  werden, 
dass  auch  in  Deutschland  hergestellte  Thierlymphe,  wenn 
frisch  vom  Thiere  entnommen  und  alsbald  zur  Post  ge- 
geben, durchaus  wirksam  bleibt,  sofern  nur  der  Versand 
in  den  Wintermonaten  stattffndct.  Dass  die  durch  das 
Ueberstehen  der  echten  Pocken  erworbene  Immunität 
nur  eine  begrenzte  Zeit  fortbesteht,  scheint  daraus  hervor- 
zugehen, dass  Impfungen  mit  wirksamer  Lymphe  auch  bei 
pockennarbigen  Eingeborenen  häutig  erfolgreich  ausflclen. 
Uebrigens  war  die  aus  dem  Impfinstitut  in  Karlsruhe  ge- 
lieferte Glycerinlymphe  in  62o/°  der  Fälle  wirksam. 

Aus  der  sich  anschliessenden  Besprechung  der  einzelnen 
Krankheitsgruppen  mit  klinischen  Beobachtungen  sind  hervor 
zuheben  die  M ala  r i a f ie  b e r , welche  in  der  leichten 
Form  und  zwar  dann  meist  als  remittirende,  nicht  eigent- 
liche intermittirende  Fieber  und  in  der  Form  der  sog.  Malaria 

*)  In  Leopolrtvillo  am  Stanloy-Pool  (Congo)  etwa  300  Kilometer 
Luftlinie  von  der  Küste  zeigten  junge  Cocos-Palmen  gutes  Waehstliuin 
Amu.  der  Keilaktion. 


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56 

perniciosa,  Gallentieber  oder  .Schwarzwasserfieber  auftreten. 
Unter  412  Malaria- Erkrankungen  der  europäischen  Soldaten 
kamen  21  Fälle  der  letzteren  Form  vor,  mit  4 Todesfällen. 
Ueber  den  klinischen  Verlauf  der  Fieber  ist  neues  nicht  zu 
berichten.  Bei  der  Behandlung  hat  sich  auch  hier  Arsenik 
gänzlich  wirkungslos  erwiesen ; Chinin  bleibt  das  einzig  zu- 
verlässliche Fiebermittel;  die  Ansichten  über  die  Wirksam- 
keit des  letzteren  bei  der  Malaria  perniciosa  sind  freilich 
noch  nicht  geklärt.  Gegen  das  die  Fieber  häutig  begleitende 
Erbrechen  erwies  sich  die  Darreichung  von  '/*  Tropfen  Tinctura- 
Jodi  öfters  von  cclatantem  Nutzen. 

Unter  den  1437  Fieberfällen  der  Farbigen  ist  die 
Perniciosa  nicht  ein  einziges  Mal  verzeichnet. 

An  Ruhr  kamen  zur  Beobachtung  23  Erkrankungen 
der  deutschen  Militärpersonen,  und  174  Erkrankungen  der 
Farbigen,  ln  einzelnen  Fällen  von  Ruhr  waren  die  Anti- 
dysenterie-Pillen des  Dr.  Schwarz  in  Constantinopcl  von 
Nutzen. 

Auch  14  Fälle  von  acutem  und  chronischem  Ge- 
lenkrheumatismus werden  bei  den  deutschen  Militär- 
personen erwähnt;  diese  Krankheit  ist  in  Ostafrika  sehr  häutig 
und  verläuft  meist  schwerer  als  in  Europa,  auch  was  die 
Miterkrankung  des  Herzens  und  die  Neigung  zu  Rccidivircn 
an  betrifft. 

Erysipel,  eine  in  Ostairika  selten  verkommende 
Krankheit,  gelangte  nur  ein  einziges  Mal  zur  Beobachtuug. 

Einmal  trat  Poliomyelitis  anterior  bei  einem 
europ.  Ruhrkranken  auf.  Bei  dem  Kranken  bestand  starke 
Abmagerung  des  Körpers  und  Schwund  der  Muskulatur  an 
den  Beinen,  mittelstarke  Spitzfussstellung  beiderseits  und 
schlaffes  Herunterhängen  der  beiden  grossen  Zehen.  Die 
Gelenke  waren  frei;  passive  Bewegungen  konnten  schmerzlos 
ausgeführt  werden:  dagegen  waren  die  activcn  Bewegungen 
in  Knie-  und  Fuss  Gelenken  stark  behindert.  Beim  Gehen 
musste  Patient  gestützt  werden;  der  Unterschenkel  wurde 
dabei  hcrvorgesehlcudcrt.  Die  grossen  Zehen  hingen  auch 
beim  Gehen  sehlaff  herab.  PatellarselnienreHexe  fehlten. 

0.  Schollong. 


57 


Joseph,  I)r.  Max,  in  Berlin,  Ueber  Lepra.  Zusammen- 
fassender Bericht. 

Da  sich  in  Berlin  in  der  letzten  Zeit  mehrere  Lepröse 
aufhielten  und  zur  Kenntniss  Ärztlicher  Kreise  gekommen 
waren,  so  ergab  sich  im  Anschluss  an  den  Vortrag  des  Herrn 
Havelburg  (Berlin.  Klin.  Woch.  1896  Nr.  46),  welcher 
über  seine  Erfahrungen  als  Leiter  eines  Lepra-Hospitals  in 
Rio  de  Janeiro  berichtete,  die  günstige  Gelegenheit  zu  einer 
sehr  anregenden  und  ausgedehnten  Discussion  in  der  Berliner 
Medicinischen  Gesellschaft. 

In  Brasilien  ist  hiernach  die  Lepra  ausserordentlich 
verbreitet,  und  im  Staate  Sao  Paolo  giebt  es  Ortschaften, 
deren  gesummte  Bewohner  leprös  afticirt  sind.  Der  von 
Havel  bürg  vertretenen  Anschauung,  dass  die  Lepra  nach 
Brasilien  durch  seine  Entdecker  und  Colonisatoren,  die  Por- 
tugiesen, eingeschleppt  sei,  hielt  in  der  Discussion  Virchow 
entgegen,  dass  dies  noch  keineswegs  erwiesen  sei.  ln  der 
letzten  Zeit  haben  neue  Untersuchungen  in  Amerika  begonuen, 
um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  es  eine  p rite  o 1 u in  bi  sc  h e 
Lepra  gegeben  hat.  Das  auffälligste  sind  nach  Vi  rc  h o w ’s 
Meinung  gewisse  Thonliguren,  die  man  in  alten  Gräbern 
von  Peru  gefunden  hat  und  welche  allerdings  Mutilationen 
und  Veränderungen  anderer  Art  zeigen,  die  am  leichtesten 
auf  Lepra  bezogen  werden  können.  Ob  also  die  Lepra 
nach  Amerika  eingeschleppt  sei  oder  nicht,  sei  noch  immer 
discntabcl. 

Wie  dem  auch  sein  mag,  jedenfalls  ist  nach  Havel- 
burg’s  Beobachtungen  die  Lepra  nicht  nur  in  Brasilien  im 
Allgemeinen,  sondern  auch  in  der  .Stadt  Rio  de  Janeiro  in 
sichtlichem  Fortschreiten.  Er  schätzt  die  augenblickliche 
Zahl  auf  gegen  3000.  Die  Krankheit  respcctirt  weder  Rasse 
noch  Nationalität,  cs  erkrankten  im  Allgemeinen  mehr  Männer 
als  Frauen,  etwa  40  Procent  der  Hospitalkranken  gehörten 
dem  weiblichen  Geacldeehte  an.  Dass  die  Lepra  eine  eon- 
tagiose  Krankheit  sei,  lehrten  u.  a.  die  Erhebungen,  welche 
der  Vortr.  bei  63  Hospitalkrankcn  anstelltc.  Hiervon  gaben 
16  die  Existenz  der  Lepra  in  der  Familie  an,  22  ein  mehr 
oder  weniger  langes  intimeres  Zusammenleben  mit  Leprösen, 


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während  bei  den  übrigen  25  nichts  Verlässliches  zu  eruiren 
war.  Im  Hospitale  selbst  kamen  ebenfalls  Erkrankungen 
von  Angestellten  vor.  Ein  Koch  erkrankte  nach  30jähriger 
Dienstzeit ; ein  Verwalter  wies,  nachdem  er  5 Jahre  func- 
tionirt  hatte,  die  Zeichen  der  beginnenden  Lepra  auf,  ebenso 
wurde  ein  Portier,  welcher  4 Jahre  dem  Hospital  gedient 
hatte,  leprös.  Havelburg  kennt  auch  zwei  leprös  erkrankte 
Aerzte,  in  deren  Familien  andere  Fälle  nicht  vorgekommen 
waren  und  von  denen  der  eine  seine  Infection  ebenfalls  auf 
Beziehungen  zu  einem  intimen  leprösen  Freund  zurückführte. 
Für  die  in  Deutschland  lebenden  Kranken  hält  Ha  vel  bürg 
eine  strenge  Beautsichtigurg  oder  besser  Isolirung  für  durch- 
aus angezeigt.  Nach  der  prophylaetischen  Seite  macht  er 
darauf  aufmerksam,  dass  ein  Leprakranker  als  Cajüts- 
passagier  für  andere  Mitreisende  höchst  unangenehm  und 
immerhin  bedenklich  ist,  ein  solcher  aber  im  Zwischendeck 
eine  Gefahr  bedeute,  zumal  bei  einer  etwas  länger  dauernden 
Seereise. 

Auch  v.  Bergmann  ebenso  wie  die  übrigen  Redner 
in  der  Discussion  zweifeln  nicht  an  der  Contagiosität  der 
Lepra.  Auch  Max  Joseph  (Referent)  glaubt,  dass  die 
Contagiosität  der  Lepra  bewiesen  ist,  und  durch  die  Isolirung 
allein  das  Einhalten  der  Erkrankung  ermöglicht  werden 
kann.  ln  wie  weit  nun  in  jedem  einzelnen  Falle  die 
Lepra  contagiös  sei,  das  wird  von  sehr  vielen  Umständen 
ahhängeu.  Zunächst'  von  dem  Zustande  der  Kranken  selbst, 
von  dem  Stadium,  in  dem  sie  sich  befinden,  und  zweitens 
von  der  socialen  Lage  der  Umgebung.  Man  werde  in  jedem 
einzelnen  Falle  natürlich  entscheiden  müssen,  in  wie  weit 
hier  nur  gründliche  Dcsinfcction  oder  Isolirung  Platz  zu 
greifen  habe.  Ebenso  wie  Havelburg  bei  Wärtern  und 
zwei  Aerzten  Lepra  beobachtet  habe,  sei  auch  von  Arning 
auf  deu  Sandwichsinseln  bei  zwei  Aerzten  Lepra  festgestellt 
worden.  x\uch  zu  dem  bekannten  Experimente  Arning ’s, 
der  Lepraimpfuug  bei  einem  Menschen,  besitzen  wir  ein 
Seitenstück.  Dr.  Coffin  von  der  Insel  Reunion  habe  einen 
Fall  mitgetheilt,  in  dem  ein  Mann,  der  zu  schwerer  Zucht- 
hausstrafe verurtheilt  war,  den  Aufenthalt  in  der  Leproseric 
doch  dem  Aufenthalt  in  einem  Zuchthause  vorgezogen  habe, 
und  sich  Selbst  mit  dem  Secret  von  leprösen  (iesehwüren 


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impfte.  Er  bekam  einige  .Jahre  später  eine  sicher  festgestellte 
Lepra.  Auch  der  Beweis,  dass  eine  lepröse  Amme  durch 
ihr  Stillen  ein  Kind  inlieiren  könne,  woran  man  früher  oft 
gezweifelt,  sei  jetzt  erbracht.  Denn  Dr.  Gold  Schmidt  hat 
auf  der  Insel  Madeira  eine  Familie  kennen  gelernt  und  genau 
untersucht,  wo  mehrere  andere  Kinder  von  gesunden  Ammen 
gestillt  wurden,  ein  einziges  Kind  aber  von  einer  leprösen 
Amme,  und  dieses  Kind  bekam  später  Lepra.  Daher  glaubt 
Max  Joseph,  dass  eine  einzige  solche  positive  Thatsache 
doch  mehr  wiege  als  so  und  so  viele  negative,  sodass  für 
ihn  der  Standpunkt,  dass  die  Lepra  contagiös  ist,  durch  diese 
Thatsachen,  wie  durch  viele  andere,  die  hier  aufzuzählen 
überflüssig  wäre,  wohl  bewiesen  ist.  Er  möchte  bitten,  mehr 
als  bisher  geschehen,  auf  das  Sputum  der  Leprösen  zu  achten. 
Er  hat  selbst  in  letzter  Zeit  einen  derartigen  Fall  untersucht, 
wo  eine  lepröse  Lungenerkrankung  bestand  und  post  mortem 
naehgewiesen  wurde.  Hier  war  sicher  Tubereulose  aus- 
zuschliessen,  denn  auf  Schnitten  fand  sich  im  Lungengewebe 
nichts,  was  irgendwie  an  Tuberkel  erinnerte,  keine  Spur  von 
Verkäsung,  keine  Spur  von  Riesenzellen  u.  a.  m.  Daher 
sei  das  Sputum  der  Leprösen  besser  als  bisher  zu  dcsinticiren. 

Dem  Vorschläge  Liebreich ’s,  die  Lepra  mit  Cantlia- 
ridin  Einspritzungen  zu  behandeln,  konnte  Ilavclburg  beim 
Schlüsse  der  Diseussion  entgegenhalten,  dass  diese  Methode 
an  13  Patienten  längere  Zeit  durchgeführt,  sich  als  fruchtlos 
erwiesen  habe. 

Im  Anschluss  an  diese  Diseussion  möchte  ich  noch 
einige  Lepra- Arbeiten  der  letzten  Zeit  erwähnen.  Zunächst 
die  ac  t i o I o g isch e n Studien  über  Lepra  (mit  22 
Abbildungen.  Dermal.  Zeitschr.  Bd.  III.  Berlin  1890)  von 
Edw.  Ehlers.  Er  wählte  zu  seinen  epidemiologischen 
Untersuchungen  Island  aus,  weil  hier  in  einem  kleinen 
Bezirke  eine  Untersuchung  über  die  Art  der  Einschleppung 
und  Ausbreitung  der  Lepra  am  meisten  Aussicht  auf  gute 
Resultate  versprach.  Während  noch  1889  ofticiel!  nur  47 
Aussätzige  auf  Island  bekannt  waren,  konnte  Ehlers  1894 
bis  1895  schon  158  Patienten  auffinden.  Am  meisten  ist 
von  der  Krankheit  der  südwestliche  Theil  der  Insel  beein- 
flusst. Hier  ist  sie  wahrscheinlich  als  dem  einzigen  guten 


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Landungsplätze  zuerst  in  das  Land  gebracht  und  hat  in  der 
ärmlichen  Fischerbevölkerung  bei  den  entsetzlich  schlechten 
Wohnungs-  und  Lebensverhältnissen  bald  kräftige  Wurzeln 
schlagen  können.  Da  die  meisten  Isländer  vollständige 
Stammtafeln  über  ihre  Geschlechter  haben,  welche  Einzelnen 
sogar  gestatten,  ihre  Abstammung  bis  874,  bis  zu  den  ersten 
Colonisten  zu  verfolgen,  so  fand  Ehlers,  wie  er  ganz  richtig 
vorausgesehen  hatte,  hier  ein  sehr  zuverlässiges  und  voll- 
ständiges Material  für  seine  actiologisehen  Untersuchungen. 
Von  jenen  158  Patienten  konnte  er  119  Personen  untersuchen 
und  theilt  diese  in  2 Gruppen:  1.  56  Individuen,  in  deren 

Familien  Fälle  von  Aussatz  vorgekommen  w'aren  und  2.  63 
Individuen,  in  deren  Familie  nie  ein  Fall  von  Lepra  vor- 
gefallen ist.  Von  der  crsteren  Gruppe  waren  entweder  Vater 
und  Mutter  leprös  (drei  Male)  oder  nur  der  Vater  (15)  resp. 
die  Mutter  leprös  (4  Male)  oder  die  Eltern  gesund,  dagegen 
Geschwister  leprös  (20  Male),  während  bei  14  Patienten  nur 
entfernte  Verwandte  aussätzig  waren.  Von  der  zweiten  Gruppe, 
in  welcher  kein  Aussatz  in  der  Familie  constatirt  werden 
konnte,  war  bei  4 Patienten  die  Infcction  wahrscheinlich  in 
der  Ehe  erfolgt,  bei  16  Patienten  konnte  die  Ansteckung 
wahrscheinlich  gemacht  werden,  während  selbst  unter  diesen 
hierfür  günstigen  Verhältnissen  bei  43  Patienten  die  An- 
steckung nicht  nachgewiesen  werden  konnte.  Merkwürdig  ist, 
dass  Ehlers  bei  allen  4 Patienten,  welche  in  der  Ehe  an- 
gesteckt waren,  eine  Lepra  anacsthetica  fand. 

Ein  von  Mersmann  und  Lyon  berichteter  Fall  von 
Lepra  mixta  'International  Medical  Magazine,  Juli  1896)  ist 
deshalb  besonders  interessant  und  ungewöhnlich,  weil  er  einen 
Knaben  im  Alter  von  10  Jahren  betraf  und  das  Auftreten 
der  Lepra  in  diesem  frühen  Alter  selten  ist.  Ein  exstirpirtcr 
anaesthetischcr  Fleck  enthielt  in  dem  tiefsten  Theile  des 
Oorium  Leprabacillen,  ein  ebenfalls  nicht  häuliger  Befund. 

Radcliffe  Oroeker  (A  promising  treutment  for 
leprosy.  — The  Lancet.  8.  Aug.  1896)  glaubt  nach  seinen 
Erfahrungen  an  zwei  Leprösen  Besserung  durch  Quccksilber- 
Injectionen  erzielt  zu  haben.  Bisher  haben  sich  alle  der- 
artigen Hoffnungen  als  trügerisch  erwiesen,  und  Referent 
veriuuthct,  dass  es  mit  diesem  neuen  Heilmittel  das  gleiche 


f 


61 


sein  wird.  Dazu  wird  Referent  um  so  mehr  gedrängt,  als 
er  neuerlich  in  der  Bcrl.  Med.  Gesellschaft  (Sitzung  vom 
3.  Juni  1896)  einen  Leprösen  aus  Montevideo  vorstellen 
konnte,  welcher  Calomelinjectionen  und  noch  vor  einigen 
Monaten  eine  intensive  Inunctionscur  gebraucht  hatte.  Der 
Erfolg  war  aber  vollkommen  negativ.  Diesen  letzteren 
Kranken,  sowie  mehrere  andere  von  ihm  beobachtete  Lepröse 
hat  Referent  vor  Kurzem  (Max  Joseph,  Ueber  Lepra. — 
Berl.  Klin.  Woch.  1896,  Nr.  37)  eingehender  beschriebe^. 
Bei  einem  dieser  Kranken  war  als  besondere  interessant  eine 
Rectumstrictur  einige  Centimetcr  oberhalb  des  Orificium 
extemum  ani  zu  erwähnen.  Man  hat  bisher  Rectumstricturen 
bei  Leprösen  nicht  beschrieben.  Ref.  glaubt  aber,  dass  diese 
Strictur  nach  Analogie  mit  anderen  Organen,  in  welchen  die 
Lepra  ebenfalls  Stenosen  erzeugt,  auch  hier  im  Rectum  auf 
lepröser  Basis  entstanden  ist.  Wir  wissen,  dass  an  anderen  Or- 
ganen, z.  B.  im  Kehlkopf,  die  Stenosen  nicht  nur  durch  Knoten 
und  Infiltrate,  sondern  auch  durch  Narben  erzeugt  werden, 
welche  au  Stelle  der  früher  vorhandenen  Ulcerationen  bei 
der  spontanen  Abheilung  entstehen  und  nun  ihrerseits  eine, 
Strictur  herbeiführen.  In  diesem  Falle  war  es  noch  besonders 
bemerkenswert!»,  dass  dieser  Kranke  Jahre  lang  passive 
Päderastie  mit  Individuen  der  niedersten  Klasse  aus  einer 
notorischen  Lepragegend  getrieben  hatte.  Es  ist  wohl  nicht 
unmöglich,  dass  der  Infectionskeim  in  Folge  einer  Verletzung 
iles  Rectum  in  den  Körper  gelangt  ist  und  von  hier  aus 
seine  Verbreitung  gefunden  hat.  Schliesslich  sei  noch  erwähnt, 
dass  zwei  meiner  Patienten  in  sehr  wohlhabenden  Verhält- 
nissen lebten.  Bisher  war  aber  vielfach  die  Meinung  vor- 
herrschend, dass  die  Lepra  hauptsächlich  die  in  den  schlechtesten 
Verhältnissen  lebenden  Individuen  befalle,  und  auch  Ehlers 
meint,  der  Aussatz  greife  in  unseren  Tagen  hauptsächlich 
nur  die  Allerärmsten  in  der  Gesellschaft  an.  Das  ist  im 
Allgemeinen  richtig,  aber  meine  beiden  Patienten  stellten 
eine  Ausnahme  hiervon  dar. 


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ß2 


Zieniaun,  Dr.  Max,  Uebcr  Blutparasiten  bei  heimi* 
scher  und  tropischer  Malaria.  Vortrag,  gehalten 
auf  der  G8.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzto 
zu  Frankfurt.  Referent:  Rüge  (Kiel). 


Z.  beobachtete  im  Ganzen  99  Falle,  darunter  14  Fülle 
von  einheimischer,  70  Fülle  von  tropischer  Malaria  und  unter 
diesen  wieder  15  Falle  von  latenter  Infection. 

Die  Fülle  von  heimischer  Malaria  stammten  theils  aus 
Lehe,  theils  aus  Wilhelmshaven  und  bestanden  durchgehend 
in  einer  febris  tertiana. 


Die  Blutbefundc  gestalteten  sich  in  diesen  Füllen  folgcnder- 
maassen:  Kurz  nach  Eintritt  des  Hitzestadiums  fanden  sich 

in  der  intteirten  rothen  Blutzelle  kleine,  blasse,  wenig  scharf 
umschriebene  Klümpchen  von  1 — 2 fi  Durchmesser  mit  deut- 
lichen nmoeboiden  Bewegungen.  Kern  und  Kernkörperchen 
waren  in  diesem  Stadium  der  Entwicklung  im  frischen  Prä- 
parate nicht  mit  Sicherheit  zu  entdecken,  Hessen  sich  aber 
im  gefärbten  Präparate  nachweisen.  „Im  gefärbten  Präparate 
sieht  man  an  der  Peripherie  oder  manchmal  auch  etwas 
innerhalb  der  blau  gefärbten  Amoebe  ein  röthlich  violettes, 
scharf  konturiertes,  bald  rundes,  bald  eckiges  Gebilde,  umgeben 
von  einem  helleren  Hofe.  Ronmnowsky  fasst  die  Gebilde 
auf  als  das  chromative  Faseruetz  des  Kernes,  umgeben  von 
dem  farblosen  Kernsaft,  Mannaberg  als  Kern  und  Kern- 
körperchen. Ich  werde  mich  im  Folgenden  der  Einfachheit 
und  Kürze  halber  der  letzteren  Ausdrucksweise  bedienen.“ 
Im  Schweissstadium  trat  Pigment  int  Parasiten  auf  in  Gestalt 
feiner  brauner  Körnchen.  Auch  jetzt  lässt  sich  im  frischen 
Präparat  nicht  immer  ein  Kern  nachweisen.  Die  Form  des 
Parasiten  in  diesem  Stadium  ist  die  eines  Ringes  oder  Halb- 
ringes. Unter  Umständen  beginnt  jetzt  bereits  die  Differen- 
zierung des  Kernkürpers.  Oft  schon  nach  1(>  Stunden,  wenn 
der  Parasit  etwa  '/»>  fast  immer  durchschnittlich  nach  24 
Stunden,  wenn  er  ungefähr  die  Hälfte  der  rothen  Blutzcllc 
erfüllte,  wurde  festgestellt,  dass  der  Kernkörper  in  eiue 
Anzahl  feiner  Stäbchen  und  Körnchen  zerfiel.  Im  frischen 
Präparate  ist  als  Kern  nur  eine  helle,  meist  ovale,  ziemlich 
scharf  konturierte,  lichtbrechende  Stelle  zu  bezeichnen,  die 
sich  meist  im  Verlaufe  der  schleifen-  oder  ringförmigen  Figur 


63 

findet.  Bei  dem  Wachsenden  und  schliesslich  rund  werdenden 
Parasiten  nimmt  die  amoeboidc  und  Pigmeutbewegung  ab, 
die  Zahl  der  Chromatinstäbchen  des  Kernkörpers  und  der 
Pigmentstäbehen  zu.  Im  Beginn  des  Fieberanfalls  kann  man 
in  manchen  Präparaten  neben  dem  einen  Stäbchen bttndel  des 
Kernkörpers  ein  anderes  liegen  sehen,  von  ersterem  getrennt 
durch  eine  Brücke  ungefärbter  Substanz.  In  gelungenen 
Präparaten  erscheinen  dann  vollkommene  Diasterfigurcn.  Im 
weiteren  Verlaufe  bilden  sich  aus  den  Strahlenbündeln  kom- 
pacte  Klümpchen,  die  von  einander  abrücken  und  sich  ihrer- 
seits wieder  theilen.  Man  sieht  dann  4 — 10 — 16  Kernkörper. 
Die  Anordnung  der  neuen  Kernkörper  in  der  Sporulationsfigur 
ist  meist  ziemlich  regelmässig  coneentriseh.  Alle  neuen 
Kernkörper  sin'd  deutlich  umgeben  von  dem  hellen  Saume 
des  sogenannten  Kernes,  an  welchen  sich  der  blaue  Plas- 
maleib der  jungen  Amoebe  ansehliesst.  Einmal  wurde  im 
frischen  Präparate  bei  heimischer  Tertiana  eine  sonnenblumen- 
artige, wie  mit  dem  Zirkel  gezeichnete  Sporulationsfigur 
gefunden. 

Aus  den  vorstehenden  Beobachtungen  schlicsst  Z.  in 
Uebereinstiminung  mit  Romanowsky,  dass  der  heimische 
Tertianaparasit  sich  karyokinetisch  tlieilt. 

Zu  der  Lehre  Golgi’s,  dass  in  bestimmten  Fieberstadien 
bestimmte  Parasitenformen  erscheinen  und  umgekehrt,  dass 
aus  dem  Vorhandensein  bestimmter  Parasitenformen  auf  das 
Eintreten  bestimmter  Fieberstadien  geschlossen  werden  könnte, 
sagt  Z.  Folgendes: 

„Von  einer  ganz  strengen  Gesetzmässigkeit  konnte  ich 
in  meinen  Fällen  nicht  sprechen,  indem  man  z.  B.  manchmal 
bereits  im  Fieberan falle  endoglobuläre,  pigmentirte  Parasiten 
finden  konnte.  Bestimmt  zu  sagen,  so  und  so  viel  Stunden 
nach  einem  Anfälle  haben  die  Parasiten  die  und  die  Grösse, 
war  mir  unmöglich,  da  der  Entwicklungsgang  der  Parasiten 
manchmal  ein  schnellerer,  manchmal  ein  langsamerer  war. 
Grosse  endoglobuläre  Formen  mit  lebhafter  Pigmentbewegung 
und  zum  Theil  noch  erhaltener  amöboider  Bewegung  findet 
man  sowohl  vor  dem  Anfalle,  als  auch  noch  im  Schweiss- 
stadium  und  selbst  am  Tage  der  Apyrexie.  Indess  diese 
Formen  haben  mit  dem  Fieberausbruche  gar  nichts  zu  tliun, 
da  sie  nicht  zur  Sporulation  kommen.  Bei  der  Färbung 


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64 

bemerkt  man  keine  Kernkörper.  Die  Exkapsulation  dieser 
Formen  aus  den  rothcn  Blutkörperchen  und  ihre  Umbildung 
zu  freien  sphärischen  Körpern  habe  ich  weniger  häufig  gesehen 
als  andere  Autoren.  Die  freien  sphärischen  Körper  waren 
ein  sehr  gewöhnlicher  Befund  in  meinen  Fällen.  Nachdem 
einmal  Fieber  vorhanden  gewesen  war,  waren  sie  in  allen 
Stadien  zu  finden.“ 

Gcisselformen  wurden  ziemlich  häufig  gesehen  — Geissein 
waren  2 — 3 vorhanden  — und  zwar  wurden  diese  Formen 
unmittelbar  nach  Anfertigung  des  Präparates  gefunden. 
Bildung  eines  Geisselkörpers  aus  einer  Sphäre  wurde  nur 
einmal  unter  dem  Mikroskop  beobachtet.  Sphären  und 
Geisselkörper,  beides  sporulationsunfähige  Gebilde,  wie  der 
Mangel  eines  Kernkörpers  zeigte,  wurden  .auch  bei  voll- 
kommenem Wohlbefinden  gefunden.  Am  Schlüsse  der  Be- 
schreibung des  heimischen  Tertianaparasiten  sagt  Z. : „Unter 

Berücksichtigung  der  oben  angegebenen  Momente  kann  man 
bei  genauer  Durchmusterung  der  Präperate  dazu  gelangen, 
eine  Tertiana  duplicata  zu  diagnosticiren  und  einen  Fieber- 
anfall mit  einiger  Sicherheit  einige  Stunden  voraus  zu  sagen. 
Allerdings  kann  es  unter  Umständen  auch  passiren,  dass  man 
eine  Tertiana  duplicata  vor  sich  zu  haben  glaubt,  wo  noch 
während  eines  allerdings  sehr  verlängerten  Anfalles  beide 
Parasitengeuefationcn  zur  Sporulation  kommen.  Nach  meinen 
Erfahrungen  können  zwei  Generationen  manchmal  nur  einige 
Stunden  von  einander  getrennt  sein,  oder  eine  zahlreiche 
und  eine  weniger  zahlreiche  können  eine  Quotidiana  mit  bald 
höheren,  bald  niederen  Temperaturen  erzielen.  Einmal  sab 
ich  eine  ziemlich  heftige  Tertiana,  wo  im  Fingerblut  nur 
äusserst  wenige  Parasiten  zu  finden  waren.“ 

Die  Beobachtungen  über  tropische  Malaria  wurden 
von  Z.  in  Kamerun  von  October  1894  bis  October  1895  an 
Bord  S.  M.  S.  „Ilyaene“  gemacht.  Es  wurden  meist  unregel- 
mässige Fieber  und  nur  9 mal  intermittirende  Fieber  beob- 
achtet. Aber  auch  bei  diesen  interniittirenden  Fiebern,  die 
als  Quotidiana,  Tertiana  und  Quartana  auftraten,  konnte 
Verf.  „keine  verschiedenen  Parasiten  entdecken, 
sondern  immer  nur  dieselben  kleinen,  wenig  oder 
l gar  nicht  pigmentirten,  meist  ringförmigen 

Parasiten“. 


r,r> 

Sehr  lehrreich  war  in  dieser  Beziehung  ein  Fall  von 
Kamerun-Quartana  (Rccidiv),  der  gleich  nach  der  Rückkehr 
nach  Europa  zur  Beobachtung  kam,  nachdem  der  Kranke 
schon  auf  dem  Ablösungsdampfer  einen  eintägigen  Anfall 
gehabt  hatte.  Hier  fanden  sich  ausser  den  grossen  sterilen, 
der  heimischen  Tertiana  ähnlichen  Formen  die  kleinen  wenig 
pigmentirten  Kamerun-Parasiten,  die  sonst  nur  in  Beziehung 
zu  den  unregelmässigen  Fiebern  gebracht  werden,  neben 
zahlreichen  Halbmonden  und  vereinzelten  Geisselformen.  Verf. 
nimmt  an,  dass  diese  zu  Sphären  werdenden  sterilen  Formen 
der  kleinen  Parasiten  von  manchen  Beobachtern  mit  den 
sporniationsfähigen  Formen  unser  heimischen  Parasiten  ver- 
wechselt worden  sind  und  dass  daher  die  Angaben  stammen 
über  so  und  so  viel  in  den  Tropen  gesehene  Fälle  von 
Tertiana-,  Quartana-Parasiten. 

Es  gelang  dem  Verfasser  auch,  die  Bildung  eines  Halb- 
mondes aus  einer  grossen  endoglobulären  Form  unter  dem 
Mikroskope  zu  beobachten.  „Mit  einem  plötzlichen  Ruck 
schnellte  sich  der  runde,  mit  beweglichem  Pigment  versehene 
Körper  in  die  Breite.  Es  bildete  sich  die  nierenförmige 
Figur  d es  Halbmondes,  an  der  konkaven  Seite  überspannt 
von  der  schon  oft  beschriebenen,  feinen,  bogenförmigen  Linie, 
die  man  als  Rand  des  entfärbten  rotlien  Blutkörperchens 
auffasst.  Aus  dem  einen  Pol  des  Halbmondes  ergoss  sich 
das  Pigment  in  den  hyaliven  Raum  zwischen  diesem  Bogen 
und  der  konkaven  Seite  des  Parasiten.  Wie  wenn  es  wieder 
aufgeschlürft  würde,  strömte  es  gleich  darauf  wieder  nach 
der  Mitte  des  Halbmondes.  Das  wiederholte  sieh  fünf  Mal, 
während  der  Halbmond  heftige,  zuckende  Bewegungen  aus 
führte,  wobei  sich  die  Pole  einander  näherten.  Nach  dem 
fünften  Male  blieb  der  Halbmond  ruhig.  Auch  verharrte 
das  Pigment  jetzt  in  kranzförmiger  Stellung  in  der  Mitte 
zeigte  aber  noch  zehn  Minuten  lang  eine  geringe,  tanzende 
Bewegung.  Sonst  bemerkte  ich  an  Halbmonden  und  ihrem 
Pigment  keine  Bewegung.“ 

Die  beim  Kamerunfieber  durchschnittlich  beobachteten 
Parasiten  waren  dieselben  wie  sie  von  Manuabcrg  und  den 
Italienern  bei  den  schweren  Fiebern  beschrieben  worden  sind. 

Sie  li essen  sich,  wenn  auch  schwieriger  als  die  jungen  Formen 
der  heimischen  Tertianaparasitcn,  blau  färben  und  erschienen 

Archiv  f.  Schiff*-  u.  Tropenbygic uc.  •> 

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RÖ 


als  Ringelchen  bis  von  etwa  '/«  Blutkörperebengrösse.  Oft 
wurde  die  Siegelringform  beobachtet.  „Die  Entdeckung  der 
unpigmentirten  Formen  im  nativen  Präparat  ist  nicht  leicht.“ 
In  keinem  Falle  von  Kamcrun-Tertiana  fand  sich  die  Fieber- 
kurve, wie  sie  von  den  Italienern  als  charakteristisch  für 
ihre  maligne  Tertiana  angesehen  wird. 

Sonstige  Blutbefunde.  Leukocytose  war  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  vorhanden.  Eine  Vermehrung  der  eosino- 
philen Zellen,  welcher  Grawitz  eine  diagnostische  Bedeutung 
bei  Malaria  zuspricht,  war  nicht  constant  nachzuweisen.  Es 
wurde  ferner  bei  sofort  gehärteten  Präparaten  nie  be- 
obachtet, dass  sporulationsfähige,  endoglobuläre  Parasiten  sich 
in  Leukocyten  fanden.  Bei  heimischer  Tertiana  wurde  mehrere 
Male  beobachtet,  dass  Geisselformen  und  Sphären  von  grossen 
Leukocyten  umflossen  wurden.  Das  eine  Mal  hörte  die  Be- 
wegung des  Pigments  auf,  das  andere  Mal  war  sie  noch  nach 
40  Minuten  vorhanden. 

Beeinflussung  der  Parasiten  durch  the- 
rapeutische Eingriffe.  Der  Anwendung  von  Methy- 
lenblau in  den  Tropen  steht  Verf.  mit  Reserve  gegenüber, 
weil  es  leicht  Verdauungsstörungen  hervorruft.  Auch  hat  er 
nicht  den  Eindruck  gewonnen,  dass  Methylenblau  das  Fieber 
stärker  als  das  Chinin  beeinflusse.  Chinin  in  Tabletten  erwies 
sich  als  unverdaulich.  Chinin  wurde  auch  bei  Remittens 
gegeben,  sobald  die  Temperatur  Neigung  zeigte,  herunter- 
zugehen und  zwar  1,0;  nach  einer  Stunde  ebensoviel,  ohne 
erst  die  Intermittens  abzuwarten.  Es  wurde  pro  die  bis  3,0 
gegeben.  Chinin  wurde  solange  gegeben,  als  sich  sporulations- 
fähige Parasiten  im  Fingerblute  zeigten  und  auch  nach  der 
Entfieberung  wurden  in  den  ersten  2 —4  Tagen  täglich,  sodann 
bis  zum  8.  Tage  jeden  2.  Tag  1,0  Chinin  gegeben.  „Für 
die  nächsten  14  Tage,  manchmal  noch  länger  durfte  Patient 
nicht  an  Laud  gehen  und  blieb  auch  später  unter  ärztlicher 
Blutkontrolle.  Von  anstrengendem  Dienste  in  der  Sonne  blieb 
er  befreit.  Waren  noch  Halbmonde  zu  sehen,  so  wurde 
meist  jeden  dritten  Tag  Abends  Chinin  gegeben,  oft  ziemlich 
lange  Zeit.  Wenn  ich  auch  die  Halbmonde  nicht  als  activc 
Parasiten  auffasste,  da  sie  manchmal  bei  relativem  Wohl- 
befinden gefunden  wurden,  so  war  ihre  Gegenwart  meiner 
Meinung  nach  öfter  noch  der  Ausdruck  einer  latenten  Infek- 


67 

tion.  Einigcmalo  waren  übrigens  auch  deutliche  Störungen 
des  Allgemeinbefindens  zu  finden,  wenn  sie  den  einzigen 
Befund  bildeten.“ 

Da  nach  subkutanen  Chinininjektionen  wiederholt  Haut- 
gangiän  beobachtet  wurde,  so  wurde  Chinin,  bimuriat  0,f> 
auf  2,0  gekochtes  Wasser  intramuskulär  eingespritzt.  Be- 
schwerden oder  Abscesse  wurden  danach  nicht  beobachtet. 
Verf.  empfiehlt  diese  Anwendungsweise  des  Chinins  auf's 
Wärmste.  Wenn  die  Temperatur  nicht  heruntergehen  wollte, 
so  wurden  V* — 1 Stunde  nach  Verabreichung  von  1,0  Chinin 
feuchte  Einpackungen  gemacht  und  die  Kranken  in  wollene 
Decken  gehüllt,  um  Schweiss  hervorzurufen.  Dies  geschah 
einerseits,  um  eine  Erweiterung  der  Hautbiutgefässe  und 
somit  Entlastung  der  inneren  Organe  an  Blut  zu  bewirken, 
andererseits  unter  der  Annahme,  dass  durch  den  oft  übel- 
riechenden Schweiss  schädliche  Stoffwechselprodukte  aus  dem 
Körper  entfernt  wurden. 

Prophylaxe.  „D  i e M e t h o d e d e r P r o p h y la  xe 
■wird  vorläufig  die  beste  sein,  die  die  Para- 
siten vor  dem  Fiebern  usbruc  he  im  Blute 
n a c h w e i s t und  durch  Chinin  a b t ö d t c t.“  Sie 
lässt  sich  natürlich  nur  bei  einer  geringen  Zahl  von  Personen 
durchführen,  wie  es  der  Verf  z.  B.  bei  den  Mitgliedern  der 
Offizier- Messe  that.  „Obgleich  die  Messern itglieder  bis  auf 
eines  fast  alle  sehr  viel  auf  Jagd  gingen,  durch  Mangrove- 
wälder und  Sümpfe,  erkrankte  nur  eines  ganz  leicht  unter 
einmaliger  Temperatursteigerung  auf  37,8°  C.  Alle  waren 
unter  beständiger  Blutkontrolle.  Traten  Parasiten  auf,  so 
wurde  sofort  Chinin  gegegeben.  . . . Bei  dem  Vorhanden- 
sein von  Parasiten  wurde  von  Jagdpartien  abgerathen,  auch 
vom  Besuche  des  Landes.“  So  unternahm  z.  B.  Verf.  zu- 
sammen mit  einem  Offizier  erst  eine  Partie  auf  den  grossen 
Kamerunberg,  nachdem  er  festgestellt  hatte,  dass  ihrer  beider 
Blut  frei  von  Parasiten  war,  denn  die  Partie  dauerte  5 Tage, 
war  sehr  anstrengend  und  für  den  Ausbruch  eines  etwa 
latenten  Fiebers  in  Folge  der  starken  Temperaturdifferenz 
in  14000  Fuss  Höhe  sehr  geeignet.  Beide  Theilnehmer 
blieben  gesund. 

Von  der  Mannschaft  wurden  diejenigen  auf  Parasiten 
untersucht,  die  die  Prodromalsymptome  des  Fiebers  zeigten. 


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08 


„In  15  Füllen,  in  mehr  als  die  Hälfte  der  überhaupt  vor- 
gekommenen Malariaerkrankungen  gelang  es  auf  diese  Weise, 
den  Fieberausbruch  zu  verhüten.  . . . Trotz  der  erwähnten 
Beschränkung  sind  alle  Leute  bis  auf  vier  im  Laufe  des 
Jahres  durclisehuittlich  einige  Dutzend  Male  untersucht  worden. 
Manchmal  waren  neben  den  Malariakranken  noch  0—8  Ma- 
lariaverdächtige  täglich  zu  untersuchen.“ 

Die  Resultate  seiner  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
fasst  Verf.  in  folgenden  Punkten  zusammen: 

1.  Die  Zelltheilung  der  heimischen  sogenannten  Tertian- 
parasiten  ist  eine  karyokinetische. 

2.  Das  Dasein  der  die  .Sporulation  erreichenden  heimischen 
Tertian parasiten  ist  an  die  rothen  Blutzellen  gebunden. 
Freie  pigmentirte  Formen  mit  Kcm  und  Kernkörper 
sind  selten  und  verdanken  ihr  extraglobuläres  Dasein 
voraussichtlich  entweder  einer  Auswanderung  aus  den 
rothen  Blutzellen  oder  mechanischen  Insulten.  Zur 
Sporulation  scheinen  sie  nicht  zu  kommen. 

3.  Grosse  endoglobulürc  Parasiten  ohne  Kernkörper  sind 
steril  und  können  zu  freien  Sphären  und  Geisselkörpcrn 
werden.  Dieselben  zeigen  noch  innerhalb  der  rothen 
Blutzellen  eine  anomale  Bewegung  des  Pigments. 

4.  Von  freien  Sphären  und  Geisselkörnchen  können  sich 
kleine,  ebenfalls  wieder  rund  werdende  Theile  abschnüren, 
die  ebenfalls  Pigmentbewegung  zeigen.  Beziehung  zum 
Fieber  haben  diese  Gebilde  nicht. 

5.  Die  freien  Sphären  und  Geisselkörper  bei  heimischer 
Tertiana  sind  von  denen  mancher  Tropenfieber  im 
nativen  Präparate  nicht  zu  unterscheiden. 

6.  Bei  meinen  Fällen  war  nur  die  Annahme  von  2 Para- 
sitenarten möglich,  von  einer  grossen  Art,  welche  die 
heimischen  Tertianfieber  bedingte,  und  von  einer  kleinen) 
meist  ringförmigen,  welche  die  Tropenfieber  bedingte. 

7.  Bei  den  kleinen  Parasiten  der  Tropenfieber  scheint  ein 
zweifacher  Entwicklungsgang  möglich  zu  sein.  Entweder 
die  Parasiten  sporulieren,  oder  sie  werden  zu  grossen, 
endoglobulären  Formen  mit  lebhuft  beweglichem  Pigment, 
zu  Sphären,  Geisselkürpem  oder  Halbmonden.  Eine 
Fortpflanzung  der  letzteren  Gebilde  scheint  nicht  vor- 
zukommen. 


H9 

8.  Es  kann  eine  durch  die  kleinen  ringförmigen  Parasiten 
bedingte  Malaria  mit  echtem  Quartanatypus  auftreten. 

9.  Es  gelingt,  an  Bord  durch  prophylaktische  Blutunter- 
suchungen viele  Fälle  von  Malariainfektion  vor  dem 
Fieberausbruche  zu  erkennen  und  auch  vor  dem  Fieber- 
ausbruchc  bei  folgenden  Chiningaben  zu  heilen. 

10.  Bei  längerem  Aufenthalte  in  Kamerun  nahm  die  prophy- 
laktische Wirksamkeit  des  Chinins  an  Bord  allmählich  ab. 

1 1.  Intramuskuläre  Chinininjektionen  von  Chinin,  bimuriat. 
0,5:  2,0  sind  zu  empfehlen. 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  in  doppelter  Beziehung 
werthvoll.  Erstens  weist  sie  nach,  dass  die  Theilung  der 
Mnlariaparasiten  karyokinatisch  erfolgt  und  zeigt  dabei  zu- 
gleich, dass  es  sterile  und  sporulationsfähigc  Formen  des 
Parasiten  giebt.  Dieser  Umstand  ist  für  die  Beurtheilung 
eines  Blutbefundes  von  entscheidender  Bedeutung.  Der 
zweite  Hauptpunkt  der  Arbeit  liegt  aber  darin,  dass  es  dem 
Verf.  gelungen  ist,  die  Blutuntersuchungen  für  die  Prophylaxe 
der  Malaria  in  grösserem  Massstabe  praktisch  zu  verwerthen 
und  dadurch  eine  rationelle  Malariaprophylaxe  zu  schaffen. 
Denn  bis  jetzt  wurde  die  prophylaktische  Darreichung  von 
Chinin  von  der  einen  Seite  ebenso  lebhaft  befürwortet  als 
von  der  anderen  Seite  verworfen  Die  Vorschläge,  die  ich 
1892  in  meiner  Arbeit  „Ueber  die  Plasmodien  bei  Malaria- 
Erkrankungen“  gemacht  hatte  und  die  darin  bestanden, 
Chinin  erst  zu  geben,  wenn  die  Infektion  mit  Malariaparasiten 
miskroskopisch  nachgewiesen  wäre,  sind  von  Z.  in  erweitertem 
Maasse  mit  Erfolg  durchgeführt  worden.  Wenn  er  nun  an- 
giebt,  dass  es  ihm  in  mehr  als  der  Hälfte  der  Fälle  gelang, 
mit  Hülfe  der  Blutuntersuchungen  die  Infection  mit  Malaria- 
parasiten zu  erkennen  und  durch  sofortige  Gaben  von  Chinin 
den  Ausbruch  des  Fiebers  zu  verhindern,  ist  das  als  ein 
hervorragender  Fortschritt  in  der  Malariaprophylaxe  zu  be- 
zeichnen. Es  ist  dies  meines  Wissens  überhaupt  das  erste 
Mal,  dass  eine  auf  mikroskopische  Untersuchungen  gegründete 
rationelle  Malariaprophylaxe  durchgeführt  wurde. 

Wenn  man  ferner  die  Schwierigkeiten  kennt,  die  solche 
Untersuchungen  an  Bord  eines  kleinen  Schiffes  haben,  so 
muss  dem  Verf.  für  seine  Ausdauer  und  seinen  Fleiss  ein 
unbeschränktes  Lob  gezollt  werden.  Rüge,  Kiel. 


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70 


A.  Glasberg  und  verschiedene  Mitarbeiter. 
Die  Beschnei  düng  in  ihrer  geschichtlichen, 
ethnographischen,  religiösen  und  medizinischen 
Bedeutung.  Berlin,  C.  Boas  Nachfolger.  1896. 

Es  wohnen  verschiedene  Seelen  in  dem  Werke.  Die 
erste  Abtheilung  von  Dr.  M.  Rawitzky  bespricht  „die 
Nützlichkeit  des  Vorhautsclinitts  (Posthctomie)  hei  Neu- 
geborenen“ vom  medizinischen  Standpunkte  aus,  nennt  die 
Völker,  welche  der  Beschneidang  huldigen  und  gibt  eine 
Darstellung  der  histologischen  Entwicklung  der  Vorhaut. 
Dann  erörtert  er  „die  Krankheiten  und  Krankheitszustände, 
welche  durch  eine  zu  enge  Beschaffenheit  der  Vorhautöffnung 
bedingt  sind,  d.  h.  die  Phitnosis  und  ihre  Folgen“.  Ein  ge- 
wisser Pessimismus  ist  hierbei  nicht  zu  verkennen,  wenn 
Verfasser  neben  den  allgemein  bekannten  Complikationen  der 
Phitnosis  auch  Kropf,  Herzklopfen,  Magenkrampf  und  Kopf- 
schmerzen u.  a.  nennt.  Verfasser  betont  mit  Recht  die 
lästigen  Erscheinungen  der  Balanoposthitis.  geht  aber  teilt, 
wenn  er  die  diabetische  B.  für  eine  seltene  Begleiterscheinung 
der  Zuckerharnruhr  hält.  Sic  ist  ja  oft  genug  die  erste 
Andeutung  des  Leidens,  welche  durch  ihre  Hartnäckigkeit 
den  Arzt  zur  Harnuntersuchung  bewegt. 

Die  zweite  Abhandlung  in  dem  Sammelwerke,  verfasst 
von  Dr.  Ke  hl  borg  und  Dr.  Loewe',  betrachtet  „die 
rituelle  Cirkttmzision  vom  medizinischen  Standpunkte  aus", 
beschreibt  das  bisher  übliche  Verfahren  in  seinen  verschiedenen 
Theilen,  Mila  (die  Abtrennung  des  Vorhautrandes),  Pria 
tdas  Aufreissen  des  Vorhantrcstes)  und  Meziza  (die  Aus- 
saugung der  blutenden  Wunde),  besonders  aber  die  Blut- 
stillung, den  Verband  und  etwaige  üble  Folgen.  Diese  Ab- 
theilnng  des  Werkes  sucht  durch  Ratschläge,  Belehrungen 
und  Warnungen,  welche  an  die  Beschneider  gerichtet  werden, 
den  altehrwürdigen  religiösen  Akt  in  die  Balm  einer  chi- 
rurgischen Operation  nach  modernen  medizinischen  Vor- 
schriften hinübcrzuleiten.  § 922  des  Strafgesetzbuchs  ist 
hierbei  jedoch  inhaltlich  ganz  unrichtig  wiedergegeben. 

Der  grösste  Theil  des  von  verschiedenen  Fachgelehrten 
verfassten  Buches  (315  von  355  Seiten)  kann  kurz  als  eine 
theologisch-philosophische  Apologie  der  rituellen  Beschucidung 


71 


unter  breiter  Entwickelung  rabbinischer  Anschauungen  be- 
zeichnet werden.  Derselbe  weiset  einen  reichen  Zitatenschntz 
aus  der  Literatur  aller  Zeiten  auf,  führt  das  Urtheil  von 
Christen  und  Muhammen dauern  über  die  Beschneidung  an, 
betrachtet  das  Verhältniss  der  aus  verschiedenen  Gründen 
unbeschnitten  gebliebenen  Israeliten  zu  den  beschnittenen 
und  fordert  zum  Festhalten  an  dem  alten,  von  Gott  eingesetzten 
Brauche  auf.  Auch  für  den  Arzt  und  Forscher,  welcher 
diesen  religiösen  Standpunkt  nicht  einnimmt,  ist  das  Werk 
interessant  und  vermag  Leser,  welche  unter  Naturvölkern 
leben,  zu  manchcu  Beobachtungen  und  Studien  über  diese 
älteste  und  verbreiteste  hygienische  Operation  anzuregen. 

M. 


Scheube,  I)r.  B.,  Die  Krankheiten  der  warmen 
Länder. 

Auf  462  Seiten  werden  die  nachfolgenden  Krankheiten 
in  der  untenstehenden  Eintheilung  abgehandelt. 

I.  Allgemeine  Infektionskrankheiten. 

1.  Die  Bubonenpest, 

2.  Das  Dengue-Fieber, 

6.  Das  Gelbfieber, 

4.  Das  Mittelmeerfieber, 

5.  Das  indische  Nasha-Fieber, 

6.  Das  japanische  Fluss-  oder  Ueberschweinmungs- 
Fieber, 

7.  Die  Malaria-Formen  der  warmen  Länder, 

8.  Die  Beri-Beri-Krankheit, 

9.  Der  Aussatz, 

10.  Die  Framboesia  tropica, 

11.  Der  Bonos  von  Spetza  und  Hydra. 

II.  Intoxicationskrank  beiten. 

Die  Pellagra. 

III.  Durch  thierische  Parasiten  verursachte 
Krankheiten. 

1.  Die  Lungendistomen-Krankhcit, 

2.  Die  Leberdistomen-Krankheit, 

3.  Die  Bilharzia-Krankheit, 

4.  Die  Medinawurm-Krankheit, 


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7 2 


ft.  Die  Kilaria-Kranklicit, 

6.  Die  Ankylostomcn-Krankheit, 

7.  Seltener  vorkommende  und  weniger  wichtige  Pa- 
rasiten : 

1.  Distomum  crassum  (Busk), 

2.  Taenia  nanu  (v.  Siebold), 

3.  Botrioceplialus  liguloides  (Leuckart), 

4.  Filaria  loa  (Quyot), 

ft.  Der  Sandfloh, 

6.  Fliegenlarven. 

IV.  0 rgan  k rank h e i tc n. 

1.  Die  tropischen  Aphthen, 

2.  Die  tropische  Dysenterie, 

3.  Die  Hepatitis  der  warmen  Länder, 

4.  Die  Schlafsucht  der  Neger, 

ft.  Das  Amok-Laufen  der  Malayen, 

6.  Die  Latah-Krankheit. 

V.  Aeussere  Krankheiten. 

1.  Der  rothe  Hund, 

2.  Tinea  imbricata, 

3.  Mal  del  pinto, 

4.  Die  endemische  Beulenkrankheit, 

ft.  Der  tropische  Phagcdänismus, 

6 Die  Ohrgeschwulst  von  Nepal, 

7.  Die  Nasengeschwulst  der  Elfenbeinküste, 

8.  Der  Madura-Fuss, 

9.  Ainhum. 

Bei  der  näheren  Abhandlung  ist  jeder  der  genannten 
Krankheiten  eine  Definition  ihres  Begriffes  vorangeschickti 
ihre  Synonyma  sind  in  den  verschiedenen  Sprachen  aufgeführt 
und  ein  kurzer  Abriss  ihrer  Geschichte,  sowie  ihres  Verbrei- 
tungsgebietes ist  vorangeschickt.  (Ein  für  die  allgemeine 
Orientirung  des  Lesers  sehr  geeignetes  Verfahren.  Ref.) 
Eigene  Beobachtungen  liegen  nur  zum  Theil  zu  Grunde,  zu 
welchen  eine  mehrjährige  klinische  Thätigkeit  in  Japan,  sowie 
ausgedehnte  Reisen  des  Verf.  durch  verschiedene  Länder 
Asiens  Gelegenheit  geboten  hatten.  Im  übrigen  war  er 
lediglich  auf  das  Studium  der  einschlägigen  Litteratur  an- 
gewiesen, das,  wie  die  den  einzelnen  Abschnitten  angefügten 


73 


Verzeichnisse  zeigen,  ein  ausserordentlich  ausgedehntes  ge- 
wesen ist. 

1 . Die  Bubonenpest  wird  entsprechend  den  Unter- 
suchungen von  Yersin,  Kitasato  und  Aoynnia  als  eine  Misch - 
infektion  angesehen  von  einem  dicken,  kurzen,  sehr  geringe 
Bewegungen  zeigenden  Bacillus  und  Streptokokken.  Die 
Inkubationsdauer  schwankt  zwischen  2-7  Tagen.  Das  Krank- 
heitsgift kann  sowohl  durch  Personen  als  auch  durch  leblose 
Gegenstände  (Kleider)  und  zwar  noch  nach  Monaten  über- 
tragen werden,  wie  der  von  Hirsch  mitgetheilte  Fall  von  Pest- 
übertragung aus  der  Epidemie  von  Wetljanka  1878/79  zeigt. 
Das  Krankheitsgift  selbst  scheint  am  Boden  zu  haften.  Hierfür 
spricht  das  Vorkommen  der  Pest  bei  Thieren,  die  in  oder 
auf  dem  Boden  leben,  namentlich  bei  Ratten,  die  beim  Aus- 
bruche einer  Epidemie,  wie  das  Öfter  in  Indien  und  China 
(Canton)  beobachtet  worden  ist,  erkrankten.  Am  meisten 
erkranken  Frauen  und  Kinder,  die  sich  ja  mehr  in  den 
Häusern  aufhalten,  sowie  Bewohner  der  Erdgeschosse.  Die 
Bootsbevölkerung  auf  dem  Cantonfluss  blieb  fast  verschont, 
so  dass  viele  Leute  eine  Zeit  lang  ihre  Wohnung  auf  dem- 
selben aufschlugen.  Massige  Wärme  und  Feuchtigkeit  sind 
der  Ausbreitung  einer  Epidemie  am  günstigsten.  Daher  ist 
die  Bubonenpest  vielmehr  eine  Krankheit  der  gemässigtpn 
Klimate  als  der  Tropen.  Wenn  in  einer  Stadt  die  verschie- 
denen Rassen  in  ungleichem  Maasse  befallen  werden,  so  ist 
das  weniger  auf  den  Rassenunterschied  als  vielmehr  auf  die 
verschiedenen  hygienischen  Bedingungen,  unter  denen  sie 
leben,  zu  beziehen.  Während  der  jüngsten  Epidemie  in 
Canton  blieben  die  auf  der  Insel  Shamien  hygienisch  günstig 
wohnenden  Fremden  samt  ihren  eingeborenen  Dienern  von 
der  Seuche  vollkommen  verschont,  während  jenseits  des  etwa 
50  Fuss  breiten  Flussarmes,  welcher  die  Insel  von  der  Stadt 
trennt,  viele  Chinesen  befallen  wurden.  Nach  Griesinger 
werden  selten  Leute,  die  viel  mit  Wasser  zu  thun  hüben,  wie 
Wasserträger,  Badediener,  und  noch  weniger  Oelträgcr,  Oel- 
und  Fetthändler  von  der  Seuche  ergriffen. 

Der  Ausbruch  der  Krankheit  erfolgt  meist  schnell 
unter  Temperaturen  bis  41®  C.,  am  2.  bis  5.  Krankheitstage 
erscheinen  dann  die  Bubonen  und  zwar  am  häutigsten  Leisten-, 
seltner  Achsel-,  am  seltensten  Halsbubonen.  An  letzteren 


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74 


erkranken  Kinder  am  häutigsten.  Mit  dem  Auftreten  der 
Bubonen  bessert  sich  der  Allgemcinzustand.  Je,  früher  die 
Bubonen  auftreten,  desto  günstiger  ist  die  Prognose.  Kar- 
bunkel und  Lungenblutungen  werden  selten  beobachtet.*)  Die 
Sterblichkeit  ist  sehr  hoch,  sie  schwankt  zwischen  fO  und 
95  Procent. 

Auf  der  Haut  der  Pestleichen  finden  sich  häufig  grössere 
und  kleinere  Blutungen,  die  mitunter  so  zahlreich  sind,  dass 
der  ganze  Körper  ein  schwarzes  Aussehen  hat  (daher  die 
Bezeichnung  „schwarzer  Tod“).  Ebenso  finden  sieh  Ekchymosen 
auf  allen  serösen  Häuten. 

Die  beste  Behandlung  der  Pest  besteht  in  der  Pro- 
phylaxe. Verf.  redet  einer  strengen  Absperrung  und  Qua- 
rantaine  das  Wort.  Die  Einzelheiten  darüber  müssen  im 
Original  eingesehen  werden.  Zur  persönlichen  Prophylaxe 
werden  Einreibungen  des  Gesichtes  und  der  Hände  mit  Oel 
empfohlen.  Eine  Empfehlung,  welche  auf  die  oben  angeführte 
Beobachtung,  dass  Oelträger,  Oel-  und  Fetthändler  sehr  selten 
von  der  Seuche  befallen  werden,  sich  gründet. 

Die  Therapie  ist  rein  symptomatisch. 

2.  Das  Dengue-Fieber  tritt  an  den  Mittelmeer- 
küsten und  in  Westindien  auf.  Das  Dengue-Fieber  wird 
durch  ein  speeifisches,  bis  jetzt  aber  noch  vollkommen  unbe- 
kanntes Krankheitsgift  hervorgerufen.  Das  häutige  Befallen- 
werden von  Aerzten  und  Krankenwärtern  spricht  für  die 
Contagiosität  des  Dengue-Fiebers. 

Die  Inkubationsdauer  beträgt  nie  länger  als 
4 — 5 Tage,  gewöhnlich  1 — 2 Tage,  oft  nur  wenige  Stunden 
und  mitunter  sogar  noch  weniger  (?  Ref).  Das  Krankheits- 
gilt wird  nicht  nur  durch  den  menschlichen  Verkehr,  sondern 
wahrscheinlich  auch  durch  leblose  Gegenstände  verschleppt 
Zur  Ausbreitung  und  Entstehung  einer  Epidemie 
ist  eine  hohe  Temperatur  nöthig.  Die  eigentliche  Dengue- 
Saison  ist  der  Sommer  und  Anfang  Herbst,  namentlich  in 
den  nicht  eigentlich  tropischen  Gegenden.  Die  Ausbreitung 
der  Epidemie  erfolgt  sehr  rasch.  Geschlecht,  Alter,  Rasse, 
Beruf  sind  in  Bezug  auf  das  Befallenwerden  ohne  Einfluss. 


*)  Bei  einigen  Epidemien  werden  reichliche  Blutungen  aus  ver 
schiedenen  Organen  beobachtet.  Anmerk,  der  Red. 


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75 


Der  Beginn  der  Erkrankung  ist  meist  plötzlich 
und  erfolgt  gewöhnlich  nachts  oder  früh  morgens  beim  Auf- 
stehen : Frostschauer,  schweres  Krankheitsgefühl,  Kopf-, 

Gelenk-  und  Muskclsehmerzen,  sowie  ein  über  einen  mehr 
oder  weniger  grossen  Theil  des  Körpers  sich  verbreitendes 
Exanthem  bestimmen  das  Krankheitsbild.  Die  Temperatur 
kann  bis  42  Grad  C.  steigen,  von  den  Gelenken  sind  haupt- 
sächlich die  Kniegelenke  befallen.  Der  Schmerz  in  den 
Kniegelenken  ist  charakteristisch  für  das  Dengue-Fieber.  Das 
Exanthem  kann  sehr  verschieden  sein : masern-  oder  scharlach- 
ähnlich,  erythematös,  manchmal  nicht  von  einem  Erythema 
exsudativum  multiformc  zu  unterscheiden.  Namentlich  be- 
fallen davon  sind  Gesicht,  Hals,  Hände  und  Vorderarme. 
Dabei  bestehen  katarrhalische  Angina,  Laryngitis  und  Bronchitis. 

Die  Dauer  der  akuten  Erkrankung  beträgt  zwar  durch- 
schnittlich nur  5 — 6 Tage,  aber  die  Rekonvalescens  kann 
sich  oft  monatelang  hinziehen.  Es  können  Gelcnkschmerzeu 
und  nervöse  Störungen  fortbestehen  Recidive  sind  sehr 
häutig.  Trotzdem  beträgt  die  Sterblichkeit  noch  nicht  Vs  °/o. 
Das  Ueberstehen  von  Dengue-Fieber  erhöht  die  Disposition 
zu  anderen  Infektionskrankheiten.  Verwechslungen  mit 
akutem  Gelenkrheumatismus,  Masern,  Scharlach  und  Influenza 
können  Vorkommen. 

Die  Therapie  ist  symptomatisch. 

(Fortsetzung  folgt.) 

Die  Blattern  in  Afrika  und  die  Schutzpocken- 
iinpfung  daselbst.  Vortrag , gehalten  auf  der  68. 
Aerzte-  und  Naturforschervcrsammlung  zu  Frankfurt  a.  M., 
von  I)r.  Ernst  Schoen,  Hilfsarbeiter  am  Kaiser).  Gesund- 
heitsamt. Abdruck  aus  dem  Centralblatt  für  Bacteriologie, 
Parasitenkunde  und  Infectionskrankheiten. 

Die  Eingeborenen  unseres  wichtigsten  Koloniallandes 
Afrika  leiden  unter  keiner  Seuche  so  sehr,  wie  unter  den 
Blattern,  ihre  Empfänglichkeit  für  die  Krankheit  ist  sehr 
gross,  die  Opfer  unzählbar.  Alte  Frauen  pflegen  die  Kranken, 
den  befallene»  Ort  selbst  verlassen  die  Neger  gern  und  ver- 
brennen Häuser  und  Kleidung  der  Kranken.  Redner  nennt 
die  am  schwersten  heimgesuchten  Gebiete  in  Afrika  (das 
Congogebiet,  welches  anfangs  der  80er  Jahre  verheert  wurde, 


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low,  E.,  Die  pracf.se he».  i*otocber 

hygenie.  Vortrag  in  der  OwIjW  von  F.C.W.Vogel. 
forscher  und  Aerzte  1896.  Leipmg,  Verlag  wie  d.o 

Dr.  Below  stellt  sich  die  Aufgabe,  - nntet,  neues 
ngste  Forschung  uns  vor  ein  bmher  hgel  ^stellt 

nrgesetz  der  Artenbildung  durch  Zone» 


76 


wird  nicht  erwähnt.  Ref.).  In  den  östlichen  Ländern  mit 
ihrem  lebhaften  und  alten  Handelsverkehr  ist  die  Seuche 
häutiger  und  verbreiteter  und  die  Bevölkerung  theilweise 
innnunisirt,  im  Westen  erscheinen  die  Blattern  in  grossen 
Bausen,  befallen  war  dann  oft  genug  die  Gesammtbevölke- 
rung.  Die  arabischen  Marabus  kennen  durch  die  Beobachtung 
der  Immunisation  nach  Ueberstehung  der  Pocken  gewitzigt 
eine  Art  Schutzimpfung.  Expeditionen,  Pilgerzüge  und 
Karawanen  begünstigen  die  Verbreitung  der  Blattern,  wovon 
die  Verkehrszentren  und  Hafenplätze,  wie  Bagamoyo  und 
Dar-es-Salaam,  zu  erzählen  wissen. 

Wie  ist  dieser  schweren  Geissei  des  schwarzen  Erdtheils 
beizukommen?  Die  Impfung  schützt  dort  wie  in  Europa, 
stösst  jedoch  auf  grosse  organisatorische  Schwierigkeiten. 
Ausser  den  Aerzten  sind  auch  Missionare,  Lehrer,  Lazarett- 
gehülfen,  Krankenschw'estern  mit  der  Impftechnik  vertraut 
zu  machen.  Die  Franzosen  haben  in  Tonkin  erfolgreich 
fliegende  Impfkolonnen  eingerichtet,  wie  früher  die  Aegypter 
im  Sudan.  Auch  in  den  deutschen  Kolonien  haben  gute 
Verordnungen  schon  viel  erreicht.  Die  schwierigste  Frage 
ist  die  der  Beschaffung  des  Impfstoffes.  Die  bequemste  Form 
ist  die  Arm-  zu  Armimpfung,  welche  in  den  englischen 
Kolonieu  beliebt  ist.  Es  ist  aber  nicht  zu  vergessen,  dass 
die  Anfangsimpfung  mit  wirksamer  Kälberlymphe  zu  geschehen 
hat,  dass  sich  die  Virulenz  und  damit  auch  die  Schutzwirkung 
abschwächt,  dass  die  Eingeborenen  es  scheuen,  Impfstoff  von 
sich  entnehmen  zu  lassen  und  besonders  dass  Uebertragung 
der  Syphilis,  Tuberculose  und  Lepra  nicht  unmöglich  ist. 

Man  muss  also  dahin  streben,  Thierlymphe  zu  erhalten, 
sei  cs  aus  Europa,  sei  es  aus  andern  Gegenden,  sei  es  am 
Ort  selbst.  Verschiedene  Methoden,  Präparate  und  Ver- 
packungen sind  versucht  worden  mit  verschiedenen  ander 
weitig  veröffentlichten  Erfolgen.  Alle  Ergebnisse,  welche 
bisher  veröffentlicht  sind,  erscheinen  noch  unsicher  und  an- 
fechtbar. Als  wichtigste  praktische  Aufgaben  schlägt  Schoen 
vor:  1.  Impfzwang  besonders  an  Punkten,  wo  Massenanhäufung 
statttindet,  2.  Ausübung  der  Impfung  durch  geeignete  Laien 
und  fliegende  Impfexpeditionen,  3.  Beschränkung  der  Arm- 
zu  Armimpfung  auf  den  Nothfall  drohender  Epidemie, 
4.  Versuche  über  die  Wirksamkeit  der  Versandlymphe, 


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77 


5.  Versuche  über  Beschaffung  von  Thierlymphe  an  Ort  und 
Stelle.  Die  Kosten  werden  durch  den  Segen  der  Impfung 
reichlich  aufgewogen.  M. 

Premierlieutenant  v.  Carnap-Quernheimb,  der  Führer  der 
Togo -Hinterland -Expedition,  macht  über  seine  Beobachtung 
Uber  die  Wirkung  der  animalen  Lymphe,  welche  ans  dem 
Provinzialimpfinstitut  in  Cassel  bezogen  wurde,  der  Redaktion 
folgende  Angaben: 

Die  Lymphe  wurde  durch  den  Geh  Sani tUtsrat h Dr. 
Giessler  in  Cassel  am  8.  Oktober  189f>  vom  Kalbe  des 
Schlachthauses  in  C.  entnommen. 

Während  der  Seereise  vom  1 1.  Oktober  bis  4.  November 
nach  Westafrika  wurde  die  Lymphe  im  Eisraum  des  Dampfers 
gelagert. 

In  der  Zeit  vom  6.  November  bis  12.  November  wurden 
geimpft  84  Personen  von  12—25  Jahren,  mit  Erfolg  46 
Personen,  nach  wenig  heissen  Märschen  in  der  Zeit  vom  4. 
Dezember  bis  10.  Dezember  35  Personen,  mit  Erfolg  22. 
Lymphe,  die  ich  Lt.  Graf  Zech  Ende  Dezember  (sehr  heisse 
Zeit)  überliess,  hatte  keinen  Erfolg. 

Lymphe,  die  ich  Anfang  November  dem  Stabsarzt  Dr. 
Wicke  in  Togo  überliess,  hat  recht  günstigen  Erfolg  gehabt. 

Lymphe  durch  Dr.  Wicke  an  Station  Kete  (Lt.  Grat 
Zech)  geliefert,  hat  Drüsenanschwellung  in  grossem  Maasse  zur 
Folge  gehabt. 

Obgleich  meine  Expedition  95/96  verschiedene  Pocken- 
karawanen antraf,  wurde  kein  Pockenfall  ernstartig,  während 
bei  der  Expedition  94/95  von  den  nicht  geimpften  Ein- 
geborenen ca.  32  starben,  einige  geimpfte  die  Pocken  aber 
nur  schwach  erhielten.  Von  einem  Uebertragen  von  Arm  zu 
Arm  wurde  aus  Besorgnis«  von  einer  ev.  Ansteckung  von 
Syphilis  abgesehen.  von  Carnap. 

Below,  E.,  D ie  practischcn  Ziele  der  Tropen- 
hygenie.  Vortrag  in  der  Gesellschaft  deutscher  Natur- 
forscher und  Aerzte  1896.  Leipzig,  Verlag  von  F.C.W.Vogel. 

Dr.  Below  stellt  sich  die  Aufgabe,  zu  zeigen,  wie  die 
jüngste  Forschung  uns  vor  ein  bisher  unbekanntes,  neues 
Naturgesetz  der  Artenbildung  durch  Zonenwechsel  gestellt 


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78 


hat  und  wie  dadurch  der  Weg  der  weiteren  Forschung  und 
dringlicher  praktischer  Maassnahmen  vorgeschrieben  ist. 
Hierzu  benutzt  er  die  tropenhygienischen  Fragebogen,  welche 
aber  gar  nicht  allein  aus  den  Tropen,  sondern  auch  aus  den 
Subtropen  stammen,  die  nichts  mit  der  eigentlichen  Tropen- 
hygiene zu  thun  haben.  25  Mitarbeiter  gaben  Anomalien 
und  Abnormitäten  im  Verhalten  von  Europäern  in  diesen 
Gebieten  an,  welche  auch  Below  gefunden  hatte.  Die  stabile 
Norm  der  Rassen  zeigte  sich  unverändert,  ebenso  die  physio- 
logische Norm,  so  des  Pulses,  Athmung,  Grosse  und  Zahl 
der  Blutkörperchen,  spcc.  Gewicht  des  Urins,  nach  Angaben 
des  Dr.  Fichtner  und  Dr.  Funk  auf  Apia.  Das  ist  im 
Wesentlichen  das  Material  für  Herrn  Bclow’s  Beweisführung, 
welches  sich  grösstentheils  mit  den  längst  unbestrittenen 
Forschungsrcsultaten  Eykmann’s,  Marestang's,  Glogner’s, 
F.  Plehn’s,  des  Referenten  und  anderer  im  Widerspruch 
befindet.  Geringe  Abnahme  in  der  Zahl  der  rothen 
Blutkörperchen  bei  sonst  gesunden  Europäern  im  Tropen- 
tieflandc  hat  Glogner  nachgewiesen,  Zunahme  des  spec. 
Gewichtes  des  Blutplasmas.  Ref.  und  Dr.  Gryns  im  Labora- 
torium zu  Weltevreden,  hauptsächlich  aber  funktionelle  Unter- 
schiede zwischen  Europäern  in  den  Tropen  und  ausserhalb 
derselben  einerseits,  sowie  zwischen  Weissen  und  Pigmentirten 
in  den  Tropen  andererseits.  Selbst  aus  diesen  herausgegriffenen, 
Below  anscheinend  nicht  bekannten  Thntsachcn  ist  es  aber 
nicht  möglich,  auf  ein  neues  Naturgesetz  der  Artenbildung 
durch  Zoncnwechscl  zu  schliessen,  denn  die  Art  wird  dadurch 
nicht  verändert,  höchstens  wird  der  Ahlauf  der  Funktionen 
im  Organismus  ein  anderer.  Somit  fitllt  der  erste  Theil  der 
Aufgabe,  welche  Below  sich  stellte,  in  sich  zusammen.  Below 
berücksichtigt  auch  zu  wenig  die  neuere  einschlägige 
Literatur.  Seme  Formel  für  das  Acclimatisationsgesetz 
zeigt,  dass  ein  Factor  entweder  grösser,  gleich  oder  kleiner 
ist  als  ein  anderer,  wie  Alles  in  der  Welt.  Diese  Formel 
wäre  am  besten  niemals  gedruckt  worden. 

Wie  der  Weg  weiterer  Forschung  und  dringlicher, 
practischer  Maassnahmen  auf  dem  Gebiete  der  Tropenhygiene 
vorgeschrieben  wird,  ist  aus  den  nachfolgenden  Ansführungen 
über  Drogenhandel  und  ideelle  Erfolge  nicht  zu  ersehen. 
Zuletzt  stellt  Below  7 Forderungen  practischer  Art  auf, 


79 


welche  die  Grundlage  «eines  hygienischen  Weltparlamentes 
bilden  sollen  und  den  Lesern  aus  seinen  früheren  Schriften 
genugsam  bekannt  sein  dürften.  K.  D kubier. 


A Pellagra  em  Portugal,  a tetania,  a catalepsia 
e a confusäo  mental  von  Miguel  ßombarda. 
Klinische  Arbeit  aus  dem  Hospital  von  Rilha- 
folles,  Lissabon.  Typographie  der  Zeitung  Dia  I89G. 
(Auszug  aus  der  Rivista  portugueza  de  Medicina  et  de 
Cirnrgia  Practicas  ) 

Obschon  in  dem  benachbarten  Spanien,  besonders  den 
Provinzen  Galizien  und  Asturien,  die  Pellagra  oder  das  Mal 
de  rosa  in  bedeutender  Ausdehnung  seit  langer  Zeit  beob- 
achtet wurde,  war  von  dem  Auftreten  der  Krankheit  in 
Portugal  in  der  Literatur  bisher  nicht  berichtet  worden. 
Gleich  nach  Feststellung  der  ersten  beiden  Fälle,  welche  der 
Verfasser  im  Krankenhause  von  Rilhafolles  im  September  v.  J. 
und  Mai  d.  J.  zu  Gesicht  bekam,  wurde  ermittelt,  dass  die 
Pellagra  im  Norden  des  Landes,  wo  Maisbrod  die  Haupt- 
nahrung bildet,  häutig  ist  Bei  dem  genauer  studierten 
zweiten  Falle  Bombarda’s  fehlten  die  sonst  so  charakteristischen 
Erscheinungen  von  Seiten  des  Verdauungskanals,  das  pella- 
giose  Irresein  war  dagegen  stark  entwickelt.  Besonders 
deutlich  ist  jedoch  in  dem  beschriebenen  Falle  das  Verhalten 
der  Muskulatur.  Wie  bei  der  Tetanie  setzten  die  leicht 
kontrahierten  Beugemuskeln  der  Extremitäten  Bewegungs- 
versuche einen  starken  Widerstand  entgegen,  der  nur  ge- 
waltsam überwunden  werden  konnte.  Verfasser  möchte  diese 
pellagröse  Bewegungsstörung  der  Katatonie  Kahlbaum’s 
untcrordnen.  M. 

Leiehtenstern,  0.,  Influenza  und  Dengue.  Noth- 
nagel’s  Specielle  Pathologie  und  Therapie.  IV.  Band. 
II.  Theil.  I.  Abtheilung.  Wien  1896,  Alfred  Holder. 

196  Seiten  des  vorliegenden  222  Seiten  starken  Werkes 
sind  der  Influenza  gewidmet,  von  welcher  Verfasser  eine 
ausgezeichnete  Darstellung  giebt,  die  ebenso  von  hervor- 
ragender eigner  klinischer  Beobachtung  als  von  sorgfältigen 
literarischen  Studien  zeugt.  Dieselbe  zerftillt  in  zwei  Theile. 
Der  erste  behandelt  die  Geschichte,  Epidemiologie  und 


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Aetiologie  dor  Krankheit,  wobei  namentlich  die  Ergebnisse 
der  Forschungen,  welche  die  letzte  Pandemie  gezeitigt  bat. 
eingehend  berücksichtigt  werden.  L e i c h t e n st  cm  unter- 
scheidet mit  Recht  scharf  zwischen  Influenza  vera  und 
Influenza  liostras,  welche  zwei  ebenso  verschiedene  Krankheiten 
sind  als  Cholera  asiatica  und  liostras.  Die  Influenza  vera 
wird  durch  den  R.  Pfeiffer’schen  Bacillus  hervorgerufeu, 
während  die  der  Influenza  liostras  zu  (i  runde  liegenden  Mikrobien 
noch  unbekannt  sind.  Erstere  tlieilt  Verfasser  ein  in  die 
pandemische  und  die  nach  abgelaufener  Pandemie  aus  den 
von  derselben  zurückgebliebenen  Keimen  sich  entwickelnde 
und  an  einzelnen  Orten  viele  Jahre  bestehende,  endemisch- 
epidemische  Influenza,  welche  beide  namentlich  in  der  Art  ihrer 
Verbreitung  verschiedenen  epidemiologischen  Regeln  folgen. 
Der  zweite  Theil  umfasst  die  Pathologie  und  Therapie  der 
Influenza.  Ein  näheres  Eingehen  auf  den  reichen  und 
gediegenen  Inhalt  desselben  ist  begreiflicherweise  an  dieser 
Stelle  unmöglich.  Erwähnt  sei  nur,  dass  L e i c h ten  s t er  n 
klinisch  die  rein  toxischen  Formen,  zu  welchen  das  ein- 
fache Influenzafieber  und  die  nervöse  Form  gehören,  vou 
den  toxisch-entzündlichen  Formen,  zu  denen  die  katarrhalisch- 
respiratorische  und  die  gastrointestinale  Influenza  zu  rechnen 
sind,  trennt.  . 

Weniger  eingehend  als  die  Influenza  ist  das  Dengue- 
fieber behandelt,  was  seinen  Grund  wohl  darin  hat,  dass 
dem  Verfasser  eigene  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
über  dasselbe  abgehen.  Gleichwohl  hat  er  cs  verstanden, 
namentlich  unter  Vcrwerthung  der  geläuterten  und  wichtigen 
Erfahrungen  der  jüngsten,  der  letzten  Influenza-Pandemie 
unmittelbar  vorausgehenden  und  auch  auf  Europa  über- 
greifenden Epidemie  ein  abgerundetes,  dem  gegenwärtigen 
.Stande  der  Wissenschaft  entsprechendes  klinisch-epidemi- 
ologisches Gcsammtbild  dieser  Krankheit,  welche  er  für  eine 
contagiös  - miasmatische  In fections- Krankheit  erklärt,  zu 
entwerfen.  Von  den  bisher  bekannt  gewordenen  grösseren 
Dengue-Epidemien  giebt  er  eine  kurz  geflieste,  aber  gut 
geordnete  Zusammenstellung,  und  am  .Schlüsse  werden  die 
epidemiologischen  und  klinischen  Unterscheidungsmerkmale 
zwischen  Influenza  und  Dengue  übersichtlich  einander  gegen- 
übergestellt. 


Heiden  Abschnitten  sind  werthvolle  Literaturverzeichnisse 
beigefügt. 

Leichtenste  ms  Arbeit  bildet  eine  Zierde  des  N o t h- 
nngel 'sehen  Sammelwerkes  und  wird  sicher  eine  weite 
Verbreitung  finden. 

Scheu  li  e. 

Pinean,  J.,  Les  viteei  nat  io  ns  antirabiques  pra- 
tiquees  ä Saigon  dn  1.  Mai  1893  au  1.  Mai  1894. 
Areh.  de  ined.  nav.  et  colon.,  1895,  I.,  p.  125. 

Lepinay.  Service  des  vaccinations  contre  la  rage 
pendant  l’annue  1895  ä l’Institut  bacteriologi  - 
que  colonial  de  Saigon.  Ibidem,  1896,  II,  p.  129. 

L’institut  baeteriologique  cree  par  lc  Gouvernement 
fran^ais  ä Saigon  (Cochincliine),  oü  il  lut  orguuisd  par  M. 
le  docteur  Calmette,  est  frequente  par  des  personncs  venues 
de  divers  pays  de  l’Extreme  Orient  pour  etre  preservees  de 
la  rage  par  le  traitement  Pasteur. 

Du  1.  Mai  1893  au  1.  Mai  1894,  on  y a soignd  49 
personnes  mordues,  dont  31  Europeens  et  18  indigenes.  II 
y a eu  2 Decds,  dont  un  chez  un  enfant  mordu  au 
visage.  Pendant  l’amde  1895,  on  a soigne  55  personnes; 
un  deces  (enfant  de  onze  ans,  morsures  nombreuses,  inen- 
bation  courte). 

Les  morsures  observees  sont  en  general  nombreuses  et 
graves;  dans  beaucoup  de  cas  les  accidents  se  sont  produits 
dans  de  pays  fort  eloignes  de  Saigon  (Tonkin,  Batavia, 
Singapore,  Shang-Hai,  Vladivostock)  de  sorte  que  le 
traitement  n’a  pu  commencer  qu’assez  tard.  Sur  les  55 
personnes  soignees  par  M.  Lepinay,  33  n'ont  commened  les 
injections  que  plus  de  dix  jours  apres  la  morsure. 

La  frequcnce  de  la  rage  diminue  k Saigon  sous  l’influ- 
enee  des  mesures  de  police;  eile  reste  assez  gründe  dans 
l’intdrieur  de  la  Cochincliine  et  au  Tonkin;  il  en  est  de 
menie  ä Batavia  ou  le  gouvernement  hollandais  a cree  en  1895 
un  institut  antirabique.  Par  contre  la  rage  parait  etre  rare 
au  Cambodgc.  A Singapore,  ou  eile  etait  frequente  autre- 
fois,  eile  a presque  disparu  gruce  ä des  mesures  energiques 
prises  par  1’autoritd  anglaise  pour  empdeher  la  divagation 
des  chiens.  Cli.  Firket  (Lüttich). 


Archiv  f.  Schiff«-  t*.  Tropenbygicm*. 


B 


82 


Rüge,  I)r.  R.,  Die  der  ZanzibarkUste  eigentümlichen 
klimatischen  Leistend  rüsen-Entzün  düngen. 

Verfasser  führt  aus,  dass  1888/89  die  Mannschaft  seines 
Schiffes  oft  mehr  als  3 Monate  lang  nicht  an  das  Land  kam, 
das  Schiff  „Pfeil“  zum  Blokadegeschwader  gehörig,  kreuzte 
an  der  Küste  Deutsch- Ostafrikas,  auf  vielleicht  2000  Meter 
vom  Lande  und  Verf.  glaubt,  dass  damit  die  Besatzung  völlig 
unter  dem  Einflüsse  des  tropischen  Küstenklimas  stand,  was 
nacli  den  heutigen  Anschauungen  dahin  zu  berichtigen  wäre, 
dass  sic  sich  unter  dem  Einfluss  des  Tropenklimas  im 
Allgemeinen,  mit  Ausschluss  des  directen  Einflusses  der  Boden- 
schüdlichkeiten  befand.  Von  August  1888  bis  October  1889 
wurden  bei  den  Mannschaften  des  Blokadegeschwaders  81 
Leistendrüsenentzündungen  beobachtet,  wovon  36  mit  Sicherheit 
auf  geschlechtliche  Ansteckung  zurückzuführcn  waren,  7 ent- 
standen nach  kleinen  Verletzungen  durch  septische  Infection, 
für  38  macht  Verf.  beim  anscheinenden  Fehlen  anderer 
aetiologischer  Momente  das  Tropenklimas  verantwortlich. 
Als  die  „Leipzig“  mit  450  Mann  Besatzung  nach  Capstadt 
kam,  hatte  sic  in  einem  einzigen  Monat  35  Geschlechtskranke. 
Es  ist  in  der  sonst  sehr  sorgfältigen  Arbeit  nicht  angegeben, 
ob  in  Capstadt,  in  den  Subtropen,  die  eventuell  klimatischen 
Bubonen  verschwanden.  Wäre  dieses  der  Fall,  so  würde 
Verf.  Meinung,  dass  es  sich  bei  seinen  Beobachtungen  um 
klimatische  Bubonen  handelte,  dadurch  eine  Stütze  gewinnen. 

Nur  ab  und  zu  wurden  von  den  Schiffen  in  14  Monaten 
Boote  an  das  Land  gesandt.  Die  Namen  der  Mannschaften 
wurden  nicht  gebucht,  daher  entsteht  in  der  Beweisführung 
eine  Lücke.  Charactcristische  Symptome,  Unterschiede  im 
Verlauf  oder  der  Fieberen  rve  waren  zwischen  venerischen 
und  klimatischen  Bubonen  nicht  zu  finden.  Indessen  war 
ersteren  Fällen  die  scbnelleEntwickelung  der  Drüsenschwellungen 
eigen  und  dass  sie,  auch  die  grösseren  (23),  grösstentheils  sich 
zurückbildeten.  Einmal  wurde  intermittirendes  Fieber  beob- 
achtet, welches  nach  Ausräumung  der  Drüsen  verschwand. 

Das  Vorkommen  der  s.  g.  klimatischen  Bubonen  in  den 
Tropen  kann  ebensowenig  geleugnet  werden,  als  dasjenige 
der  in  Folge  von  Trauma  auftretenden  Leberabseesse  und 
solcher  Leberabseesse,  bei  welchen  sich  weder  Dysenterie 
noch  Malaria  als  Ursachen  naehweisen  lassen,  wo  die  mikro- 


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83 


scopischc  Untersuchung  im  Eiter  keine  Batterien  nachweist, 
höchstens,  wie  Geill,  Evkmann  und  van  der  Scheer  zeigten, 
pyogen«'  Batterien  in  der  Absccsswaml.  Jdns  Vorkommen 
von  Aehseldriisenabeeessen  in  den  Tropen  ist  auch  hei  weitem 
liäutigcr  als  bei  uns.  Auffallend  ist  uns  die  grosse  Zahl 
— 38  von  81  — der  eventuell  klimatischen  Buhouen,  welche 
nicht  zu  eruirendc  gcschleehtliehc  Ansteckung  vormuthen  lüsst. 

In  Ostindien,  auch  auf  Aden  und ' Mozamkirjuc  beob- 
achtete Referent  bei  Tripper  und  Schanker  auffallend  oft  die 
Complieation  mit  Bubonen,  «ler<‘n  Verlauf,  wie  auch  der  kli- 
matischen Bubonen  ein  langsamer  und  gelinder  war. 

Uin  die  Aetiologie  hei  dieser  allerdings  nicht  häufigen 
in  «len  Tropen  vorkommenden  Krankheitsform  fcstzustcllen» 
sind  in  jedem  Fall  ausser  Blutuntersuchungon  die  des  Eiters 
nicht  zu  entbehren.  Interessant  ist  diese  Erkrankung  schon 
deshalb,  weil  sie  die  Lehre  von  der  »Spccificität  der  Tropen 
Schädlichkeiten  illustrirt.  K a r 1 D ä u b 1 e r. 

Die  neueste  Nummer  (No.  III)  des  „Janus“,  internatio- 
nales Archiv  für  die  Geschichte  der  Medizin  und  medizinische 
Geographie,  Amsterdam,  enthält  an  erster  Stelle  einen  Nach- 
ruf für  den  rühmliehst  bekannten  französischen  Chirurgen 
Nicaise.  Ein  Aufsatz  von  Geo.  M.  Sternberg  bespricht  die 
Geschichte  und  geographische  Vertheilung  «h-s  Gelbfiebers 
und  scheint  der  Ansicht  zuzuncigen,  dass  «lic  Seuche  von 
Afrika’s  Westküste  nach  den  früher  gesunden  westindischen 
Inseln  verschleppt  sei,  weil  die  Einschleppung  für  die  dortigen 
Haupthcerdc  geschichtlich  nachgewiesen  werden  könne.  Afrika 
kann  allerdings  nach  Ansicht  des  Referenten  der  Gegenbeweis 
nicht  zugeinutet  werden,  denn  an  dessen  Westküste  setzt 
die  geschichtliche  Forschung  später  ein  als  in  Amerika,  aber 
bloss,  weil  Unbekanntes  «lern  Unbekannten  bequem  zuge- 
schoben werden  kann,  darf  doch  eine  Krankheit  nicht  als 
aus  einem  Lande  stammend  betrachtet  werden,  «lessen  Be- 
wohner beinahe  immun  gegen  dieselbe  sind,  auch  wenn  sie 
aus  Gegenden  des  Binnenlamles  kommen,  wo  die  Krankheit 
nie  gehaust  hat 

Dr.  Beugnies  erörtert  „Waschungen  und  Bäder  bei  «len 
Semiten“,  deren  älteste  Gesetzgeber  schon  den  Segen  des 
Wassers  erkannten  und  ohne  Kcnntniss  des  Infcktionsvor- 

6* 


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ganges  doch  instinktiv  das  richtige  Schutzmittel  gegen  die 
Uebertragung  mancher  Krankheiten  trafen.  Moses  und 
Mohamet  waren  in  ihren  Lebensvorschriften  gleich  warme 
Verfechter  der  Waschungen  und  Bäder,  wie  der  Verfasser 
durch  zahlreihe  Zitate  und  Einzelaugabcn  aus  Koran,  Bibel 
und  Talmud  beweist,  in  der  Jetztzeit  ist  die  rituelle 
Waschung  bei  den  Juden  im  Orient  mehr  zum  Formelkram 
geworden  als  bei  Arabern  und  Türken. 

James  Finlayson  nimmt  in  einem  kurzen  Artikel 
die  Ehre  der  Ausführung  der  ersten  Ovariotomie  für  Robert 
Houston  aus  Glasgow  in  Anspruch,  welcher  1701  diese 
Operation  erfolgreich  zum  ersten  Male  vollzog. 

Hu setnann  setzt  seine  interessanten  Studien  über  die 
Vorgeschichte  des  Lanolins,  welche  den  Ausspruch  „nichts 
Neues  unter  der  Sonne“  zu  rechtfertigen  scheinen,  fort 

„Augenärzte  in  alten  Zeiten,  besonders  in  Scandinavien,“ 
betitelt  sich  eine  Arbeit  von  Gordon  Norrie  und  bringt 
köstliche  Kurpfuschergcschichtcn  von  wandernden  Quacksalbern, 
von  denen  jedoch  dem  Titel  entgegen  die  meisten  Deutsche 
oder  Engländer  sind,  welche  ihre  Fahrten  bis  Dänemark, 
Norwegen  und  Schweden  ausdehnten. 

Eine  geschichtlich-medizinische  Frage  von  höchster  Be- 
deutung beginnt  F r a n z S p a e t zu  besprechen  unter  dem  Titel : 
„Der  gegenwärtige  Stand  der  Ilippocrates -Frage  und  des 
Corpus  Hippocraticum  vom  Standpunkt  der  Menon-Aristote- 
lischen  Ueberlicfcrung  aus.  Das  als  Corpus  Hippocraticum 
bekaunte  Sammelwerk  altgriechischer  Medizin  bekommt  durch 
einen  neu  aufgefundenen  vom  britischen  Museum  erworbenen 
Papyrus  eine  ganz  neue  Beleuchtung,  denn  der  unbekannte 
Schreiber  des  wertvollen  uralten  Schriftstücks  gibt  Ansichten  von 
Aristoteles  und  Menon  wieder,  welche  Ilippocrates  nicht  als 
den  Begründer  der  exakten  naturwissenschaftlichen  Forschung 
auf  den  Gebiete  der  Mcdiziu  erscheinen  lassen.  Referent 
befürchtet,  dass  der  nichtdeutsche  Leser  des  „Janus“  an  dem 
verwickelten  Satzbau  der  Arbeit  ein  Hinderniss  des  Ver- 
ständnisses Hilden  wird. 

Der  Herausgeber  des  „Janus“,  Peypers,  setzt  seine  ein- 
gehende Wiedergabe  und  Besprechung  des  seltenen  Werkes 
von  Boyle  aus  dem  Jahre  1726  „Systeme  d un  Medecin 
Anglois  sur  la  cause  de  toutes  les  especcs  de  maladies“ 


85 


fort.  Mit  Recht  nennt  er  Boyle  einen  pseudo-pr&surseur 
de  Pasteur,  denn  Boyle  wollte  die  neue,  auf  die  Entdeckung 
der  mikroskopischen  Lebewesen  begründete  neue  Anschauung 
durch  übertriebene  und  phantastische  Schilderungen  von 
Mikroparasiten  verspotten,  erdichtete  aber  ein  System,  welches 
wie  eine  Vorahnung  heutiger  Kenntnisse  anmuthct. 

Zahlreiche  Referate  und  vermischte  Mittheilungen  be- 
scldiessen  die  III.  Nummer  des  Janus,  dessen  Bestrebungen 
den  unsrigen  verwandt  und  sympathisch  sind.  M. 


III.  Verschiedenes. 

Die  Lissaboner  Zeitung  „0  Seculo“  bringt  in  No.  5289 
eine  Zuschrift  von  Dr.  Manuel  Ferreira  Ribeiro,  dem 
Direktor  des  Sanitätsdienstes  auf  San  Thome  und  Principe, 
worin  der  von  den  Gelehrten  aller  Kolonialvölker  eifrig  be- 
triebenen Studien  über  die  Akklimatisationsfrage  gedacht 
wird.  Dr.  Ribeiro  meint  zwar,  die  Deutschen  hielten 
von  ihnen  gemachte  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
für  neu,  während  die  Portugiesen  ihnen  längst  vorausgeeilt 
wären,  spricht  sich  aber  warm  zu  Gunsten  der  besonders  von 
Dr.  Below  befürworteten  und  betriebenen  internationalen 
Tropenforschungen  aus  und  verweist  auf  die  zahlreichen 
statistischen  Arbeiten  aus  den  portugiesischen  Kolonien,  welche 
den  Wiener  Vorschlägen  vollständig  entsprächen.  Die  Länder, 
welche  der  weisse  Rasse  gestatteten,  auf  ihrem  Boden  weiter- 
zuleben , nennt  Ribeiro  assimilirende , im  Gegensatz  zum 
eliminirenden  Boden  der  Aeijuatorialgegenden,  deren  dauernde 
Besitzergreifung  durch  die  kaukasischen  Völker  den  Ruhm 
des  XX.  Jahrhunderts  bilden  müsse. 

Dr.  Vers  in,  der  Entdecker  der  Schutzimpfung  gegen 
die  Bubonenpest,  welche  augenblicklich  in  Bombay  zahlreiche 
Opfer  fordert,  darunter  den  Oberarzt  des  städtischen  Hospitals 
Dr.  Mauser  und  dessen  europäischen  Wärter,  war  erst 
Ende  November  nach  Europa  zurückgekehrt.  Nach 
französischen  Zeitungen  schien  es  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  die  chinesische  Regierung  in  Canton  unter  Leitung 
Yersin’s  eine  Art  Institut  Pasteur  errichten  würde,  um  das 
betreffende  Serum  in  grösseren  Massen  hersteilen  zu  können, 


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als  es  dem  französischen  Gelehrten  in  seinem  primitiven 
Laboratorium  in  Nha  - Trang  bei  Saigon  möglich  war. 
Die  Erfolge  der  Impfungen  sollen  glänzend  gewesen  sein, 
nicht  nur  in  Clinton,  wo  Ycrsin  seine  Thätigkeit  erst  beim 
Erlösehen  der  Epidemie  begann,  sondern  auch  in  Amoy, 
wo  er  die  Seuche  noch  in  voller  Hlüte  antraf. 

Ycrsin  ist  am  28.  Dcccmber  schon  wieder  in  See  ge- 
gangen und  wird  seine  Methode  zunächst  in  Bombay  zur 
Anwendung  bringen,  dessen  städtische  Behörden  ihn  dringend 
eingeladcn  haben.  Für  später  hat  er  die  Absicht,  nicht  in 
China,  sondern  wieder  in  Nha-Trang  an  der  Küste  von  Annam 
ein  grösseres  Institut  für  die  Gewinnung  des  Heilserums  gegen 
die  Pest  anzulcgen.  Das  Pferdematerial  ist  dort  reichlich 
und  billig  vorhanden,  sodass  er  100 — 200000  Dosen  jährlich 
herzustellcn  hofft.  Inzwischen  hat  sich  die  Pest  in  Indien 
weiter  verbreitet.  Bombay  hatte  in  der  3.  Decembcr- Woche 
eine  Sterblichkeitsziffer  von  100  auf  Jahr  und  Bevölkerungs- 
tauseud  berechnet.  Insgesammt  erlagen  bis  zum  Jahresschluss 
der  Seuche  in  Bombay  1735  Personen  bei  2437  Erkrankungen. 
In  der  zweiten  Januarwoche  hat  die  Mortalität  in  Bombay 
die  hohe  Ziffer  402  auf  das  Jahr  und  Tausend  der  durch 
Massenauswanderung  verminderten  Bevölkerung  berechnet, 
erreicht.  Und  von  nordwestlicher  Grenze  aus  Karrachee 
wurden  Ende  Dezember  plötzlich  03  Erkrankungen  und 
50  Todesfälle  gemeldet,  welche  Zahl  bis  zum  8.  Januar  auf  220 
bez.  214  und  bis  zum  15.  Januar  auf320bez.  203  gestiegen  ist. 

Durch  Anlage  einer  Rühren* Wasserleitung  hofft  man 
in  Funchal  auf  Madeira  den  Typhus,  welcher  bisher  dort 
zahlreiche  Opfer  unter  den  Einheimischen  forderte  und  auch 
gelegentlich  Fremde  nicht  verschonte,  zu  bekämpfen.  Bisher 
wurde  das  Wasser  in  offenen  Rinnen  aus  den  Bergen  herbei-, 
geführt  und  in  der  Stadt  vertheilt,  sodass  jedes  Haus  eine 
schlecht  verschlossene  Cisterne  als  Wasserbehälter  besass. 

Sämmtliche  (?)  Leprakranke,  von  welchen  man  zur 
Zeit  in  Preussen  Kenntnis»  hat,  haben  nach  Angabe  der 
Bcrl.  Wisscnsch.  Correspondenz  sich  zum  Eintritt  in  das  bei 
Memel  seitens  der  Regierung  geplante  Aussätzigenheim  bereit 
erklärt.  Gesetzliche  Zwangsmittel  zur  Intcrnirung  gibt  es 
bekanntlich  in  Deutschland  nicht. 


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s? 

Im  Sommer  1807  wird  in  Brüssel  ein  Congress  für 
Tropenhygiene  und  Tropenmedizi n stntttindcn,  dem 
Forscher  aus  den  meisten  Kolonialländern  beiwohnen  werden. 


IV.  Pharmakologische  Mitteilungen. 

Neue  Arzeneimittel.  Als  „Argonin“  bringen  die 
Hocehster  Farbwerke  ein  ihnen  patentirtes  lösliches  Casein- 
silberprttparat  in  den  Handel,  welches  dem  Argent.  nitrie. 
ähnliche  bactericide  Wirkung  hat,  sich  .her  vor  demselben 
durch  seine  völlige  Reizlosigkeit  auszeichnet.  Es  wird  in 
1 — 2°/o  Lösungen  bei  Gonorrhoe  angewandt  und  cs  sind  bereits 
zufriedene  Resultate  damit  erzielt  worden.  Betreffs  der 
Bereitung  von  Losungen,  die  opalcseirend  und  in  dunkeln 
Gläsern  aufzubewahren  sind,  halte  man  sich  genau  an  die 
von  der  Fabrik  beigegebene  Erläuterung.  Ueberhaupt 
bereite  man  die  Lösung  öfters  frisch,  da  dieselbe  sich  nicht 
lange  hält.  Die  Fabrik  stellt  Litteratur  und  Proben  des 
Argonin’s  in  der  freigiebigsten  Weise  gratis  zur  Verfügung. 

Jodofbrinin.  Unter  den  Bestrebungen,  Ersatzmittel  für 
Jodoform  zu  finden,  ist  auf  eine  Arbeit  Rosensterns  hinzu- 
weisen, welche  die  in  der  Münchener  chirurgischen  Poliklinik 
gesammelten  Erfahrungen  über  Jodoformin  in  Folgendem  zu- 
sa  nt  inengefasst : Das  Präparat  ist  ein  vollwerthigcs  Ersatz- 
mittel des  Jodoforms;  cs  wirkt  ebenso  stark  oder  noch 
stärker  als  dieses,  granulationsanregend,  antiseptisch,  aus- 
trocknend und  desordorirend,  ohne  dessen  unangenehme 
Eigenschaften,  wie  Geruch,  Reizwirkung  und  Giftigkeit,  zu 
theilen.  Es  kann  als  Pulver, Salbe,  Gaze,  Glycerin-Emulsion, 
mit  Quecksilber  und  in  Bougies  Verwendung  finden.  Es 
wird  bekanntlich  aus  Jodoform,  von  dem  es  7:">#/o  enthält, 
und  Hexamethylentetramin  erhalten.  Der  Preis  desselben 
dürfte  sich  um  ungefähr  die  Hälfte  höher  stellen  als  der- 
jenige des  Jodoforms. 

Sodann  wird  unter  dem  Namen  Xeroform  das  Tribrom- 
pbenolvvisniuth  in  den  Handel  gebracht.  Inwieweit  die  zu 
seiner  Empfehlung  in  einer  10  Seiten  starken  Brochüre  mit- 
getheilten  Untersuchungen  für  den  praktischen  Arzt  Werth 


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SS 


haben,  ob  wirklich,  wie  der  Titel  auf  dem  Deckblatt 
sagt  : „Xeroform  das  Jodoform  der  Zukunft“  hier  ein  voll- 
ständiger Ersatz  für  das  Jodoform  gefunden  ist,  dem  alle 
die  oben  bereits  besprochenen  Eigenschaften  zukommen  resp. 
fehlen,  dürfte  wohl  noch  weiteren  Untersuchungen  Vorbe- 
halten bleiben  müssen.  Für  den  praktischen  Arzt  hat  es 
in  jedem  Fall  wenig  Werth,  wenn  z.  B.  auf  S.  IC  gesagt 
wird:  „Aus  den  Resultaten  von  Hesse  und  Shirminsky  kann 
man  folgende  Schlüsse  ziehen,“  da  dieser  sich  doch  nur  an 
feststehende  Thatsachcn  halten  muss.  Nagel  1 -Cassel. 

Unter  der  Bezeichnung  „Paraplaste“  werden  von  Beiers- 
dorf & Co.  neue  Pflaster  in  den  Handel  gebracht,  welche 
sich  den  Pflastermüden  gegenüber  durch  bedeutende  Kleb- 
kraft auszeichnen.  Ueber  die  Haltbarkeit  des  Präparats  im 
feuchten  und  heissen  Klima  werden  wir  Versuche  anstellen. 

M. 


V.  Zur  Besprechung  eingegangene  Bücher. 

Caccini,  Dr.  Vittorio,  Contributo  sdlo  Studio  della  infezioni  nelle 
puerpere.  Rom  1896,  Inocenzo  Artero. 

Riiuhler,  Dr.  Karl,  Die  Grundzüge  der  Tropenhygiene.  Milnehen  1895, 
J.  F.  Lehmann. 

Kraschntzkl,  Dr.  F.,  Die  Versorgung  von  kleineren  Städten,  Land- 
gemeinden und  einzelnen  Grundstücken  mit  gesundem  Wasser. 
Hamburg  und  Leipzig  1896,  Leopold  Voss. 

Meinecke,  U,,  Katechismus  der  Auswanderung.  7.  Auflnge,  Leipzig  1896, 
J.  J.  Weber. 

I'raussnitz,  Dr.  W«,  Grundzüge  der  Hygiene.  München  1897,  J.  F. 
Lehmann. 

Rcichenbach,  Dr.  Ernst  Freiherr  Stromer  von,  Die  Geologie  der 
deutschen  Schutzgebiete  in  Afrika.  München  und  Leipzig  1890, 
R.  Oldcnbonrg. 

Schmidt,  Dr.  Meinhard,  Ärztlicher  Ratgeber  für  Sohiffsführer.  Ham- 
burg und  Leipzig,  Leopold  Voss. 

Schmidt,  Itochns,  Deutschlands  Kolonien.  Berlin  1896,  Schall  & Grund. 

v.  Sudihausen,  Sprachführer  für  die  ärztliche  und  pharmazeutische 
Praxis.  Leipzig  1896,  E.  Besold. 

Rosenbach,  Die  Seekrankheit  als  Typus  der  Kinetosen.  Wien  1896, 
Alfred  Höhler. 


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I.  Originalabhandlungen. 

lieber  die  Abwehr  der  Pest. 

Von  Hafenarzt  Dr.  Nocht,  Hamburg. 

Als  vor  nicht  ganz  4 Jahren  die  Pest  in  Kanton,  Hong- 
kong und  einigen  südchinesischen  Vertragshäfen  in  grosser 
Heftigkeit  ausbrach,  sahen  trotz  des  grossen  Verkehrs  dieser 
Handelsplätze  mit  Europa  weder  die  öffentliche  Meinung 
noch  die  Regierungen  der  europäischen  Reiche  darin  eine 
unmittelbare  und  dringende  Gefuhr  für  unsern  Welttheil. 
Man  begnügte  sich  fast  überall  damit,  die  Massregeln  zur 
Abwehr  der  Einschleppung  der  Cholera  durch  den  See- 
verkehr auch  gegen  die  Pestgefahr,  d.  h.  gegen  die  aus 
Hongkong  etc.  kommenden  Schiffe  und  Waaren  anzuwenden. 
Diese  Massnahmen  waren  aber  in  Folge  der  bei  den  letzten 
Choleraepidemien  gewonnenen  Erfahrungen  und  Anschauungen 
gegenüber  den  früher  beliebten  und  auch  noch  1892  in  der 
ersten  Cholerafürcht  ausgeübten,  übertriebenen  Verkehrs- 
beschränkungen sehr  milde  geworden.  Man  hatte  einge- 
sehen, dass  der  Nutzen  allgemeiner,  strenger  Absperrmass- 
regeln  ein  sehr  problematischer  ist  und  zu  der  schweren 
Schädigung,  die  Handel  und  Wandel  dadurch  erleiden,  in 
keinem  Verhältnis  steht.  Durch  die  Dresdener  Sanitäts- 
convention war  eine  obere  Grenze  festgesetzt  worden,  über 
welche  hinaus  der  Verkehr  zwischen  den  vertragschliesBenden 
Staaten  nicht  gestört  werden  sollte.  Man  begnügte  sich  da- 
bei, wie  ich  des  Näheren  im  vorigen  Heft  dieser  Zeitschrift 
ausgeführt  habe,  mit  denjenigen  Massnahmen,  die  sich  in 
der  Praxis  als  genügend  gezeigt  hatten,  um  ohne  unnöthige 
Belästigung  des  Verkehrs  die  an  Bord  Vorgefundenen 
Kranken  sammt  ihrer  nächsten  Umgebung  für  die  Weiter- 
verbreitung der  Seuche  unschädlich  zu  machen  (Isolirung, 
Beobachtung,  Desinfection).  Die  für  „rein“  befundenen 
Schiffe  gingen  im  allgemeinen  frei  aus.  Auch  die  Ein-  und 
Durchfuhrverbote  waren  in  der  Dresdener  Uebereinkunft 

7* 


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erheblich  beschrankt  worden.  Die  eigentlichen  Handels- 
wuaren  blieben  frei.  Verboten  war  mir  die  Einfuhr  von 
getragenen  Kleidern,  Wäsche,  Bettzeug  und  solchen  Hadern 
mul  Lumpen,  die  nicht  in  festen  Ballen  verpackt  waren. 

Bei  diesem  Verfahren  blieb  es  nun  auch  der  an  der 
chinesischen  Küste  ausgebrochenen  Pest  gegenüber  während 
mehr  als  dreier  Jahre  und  man  durfte  daraus  schliessen, 
dass  man  an  den  massgebenden  Stellen  dieser  moderneren 
Art  der  Seuchenabwehr  nicht  blos  bei  der  Cholera,  sondern 
auch  bei  der  Pest  Vertrauen  schenkte.  In  Kanton  scheint 
die  Pest  mittlerweile  erloschen  zu  sein ; in  Hongkong  nahm 
die  Seuche  zwar  1894  schon  erheblich  ab,  hörte  aber  nie 
ganz  auf ; im  vorigen  Sommer  erlangte  sie  wieder  eine  ganz 
erhebliche  Verbreitung  in  diesem  Welthafen,  ebenso  wie  in 
den  befallenen,  chinesischen  Küstenplätzen  und  auf  Formosa. 
Während  der  ganzen  Zeit  aber  ist  trotz  des  ungehinderten, 
beträchtlichen  Handelsverkehres  dieser  Gegenden  mit  Eu- 
ropa auch  nicht  ein  einziger  Fall  von  Verschleppung  der 
Pest  nach  Europa  weder  durch  Personen,  noch  durch 
Ilandelswaaren  bekannt  geworden.  Eine  Uebertragung  der 
Seuche  durch  Reisende  und  Schiffsmannschaften 
war  allerdings  dadurch  erheblich  erschwert,  dass  die  aus 
China  zu  uns  bestimmten  Schiffe  vorher  mehrere  ausser- 
europäische  Häfen  — Singapore,  Ceylon,  Aden,  Suez,  Port 
Said  — anlaufen  und  dort  gesundheitspolizeilich  krontrolirt 
werden,  ehe  sie  in  europäische  Gewässer  gelangen.  Was 
aber  die  Gefahr  der  Einschleppung  von  Pestkeimen  durch 
Handelsgüter  anlangt,  so  war  derselben  in  den  letzten 
3 Jahren  überhaupt  keine  Schranke  gezogen.  Die  deutschen 
Dampferlinien  nach  China  betreiben  fast  ausschliesslich 
directen  Frachtverkehr,  die  Güter  bleiben  während  der 
ganzen  Reise  unberührt  im  Laderaum  des  Schiffes,  bis  sie 
in  Hamburg  oder  Bremen  gelöscht  werden.  Aehnlich  ver- 
hält es  sich  mit  den  directen  Linien  der  übrigen  euro- 
päischen Länder.  Die  Einfuhr  aus  China  nach  Europa  ist 
zwar  nicht  so  beträchtlich,  wie  die  Einfuhr  aus  Ostindien, 
indessen  kommen  auch  aus  China  sehr  grosse  Mengen  von 
solchen  Waaren,  die  vor  der  Dresdener  Convention  im  all- 
gemeinen als  giftfangend  und  seuchengefährlich  galten,  wie 
Hänte,  Borsten,  Federn  u.  dergl. 


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Im  September  v.  J.  ist  nun  diu  Pest  in  Bombay  aus- 
gebrochen und  wüthet  dort  seitdem  ungemindert  in  heftigster 
Weise.  Von  Bombay  aus  hat  die  Seuche  aucli  Kurrae hec 
und  Puna  erfasst  und  viele  Orte  im  Innern  des  Punjab  und 
des  westlichen  Innern  überhaupt  ergriffen.  Vereinzelte  Fülle 
haben  sich  schon  in  Bassora  und  einigen  anderen  persischen, 
sowie  in  den  beludschistanischen  Häfen  gezeigt.  Auch  auf 
einigen  nach  Mekka  bestimmten  Pilgersehiffen  sollen  Pest- 
falle vorgekommen  sein  und  neuerdings  werden  von  Singa- 
pore  verdächtige  Erkrankungen  gemeldet. 

Angesichts  dieser  grösseren  Ausbreitung  und  Nähe  der 
Seuche  haben  die  Regierungen  aller  Länder  Europas  — mit 
Ausnahme  von  England  — einschneidendere  Verkchrs- 
hcschränkungen  und  schärfere  Abwehrmassregeln  für  ange- 
zeigt gehalten  als  der  chinesischen  Pest  gegenüber.  Man 
verliess  dabei  die  bei  der  Bekämpfung  der  Cholera  ge- 
wonnenen und  durch  internationale  Vereinbarungen  fest- 
gclegten  Grundsätze  und  griff  auf  die  rigorosen  Massnahmen 
des  älteren  Absperrungs-  und  Quarantainesy Sterns  zurück. 
Diesem  Vorgehen  stimmt  auch  die  Presse  und  die  öffentliche 
Meinung  fast  durchweg  zu.  Namentlich  in  Südeuropa  hat 
die  Gemüther  Erregung  und  Furcht  ergriffen.  Die  Behörden 
wurden  dort  zu  geradezu  mittelalterlichen  Massnahmen  ge- 
drängt. ln  den  französischen  Häfen  wurde  die  Einfuhr 
von  Waaren  jeglicher  Art  aus  den  pestverseuehten  Häfen 
Indiens  kurzweg  verboten.  Auch  die  aus  Pestgegenden 
kommenden  gesunden  Reisenden  dürfen  nicht  in  den  fran- 
zösischen Mittelmeerhäfen,  sondern  nur  in  Pouillac,  St.  Na- 
zaire,  Havre  und  Dünkirchen  landen  und  haben  sich  dort 
noch  einer  ärztlichen  Beobachtung  von  4 resp.  8 Tagen  zu 
unterziehen,  ehe  sie  Weiterreisen  durften.  In  Marseille  wurden 
mehrere  englische  aus  Bombay  ankommende  Schiffe  einfach 
aus  dem  Hafen  verwiesen,  sie  mussten  die  Rhede  verlassen. 
Auch  in  Sicilien  ist  den  aus  Indien  kommenden  Schiffen 
«las  Anlaufen  sicilianiseher  Häfen  verboten  worden  und  in 
Malta  hat  man  solche  Schiffe  mit  Kanonen  aus  dem  Hafen 
getrieben.  Auf  dem  Festland  von  Italien  begnügt  man  sich 
vorläufig  mit  geringen  Verschärfungen  des  allgemeinen  Con- 
trolverfahrens und  umfassenden  Einfuhrverboten.  Deutsch- 
land hat  zwar  das  rigorose  Vorgehen  Frankreichs,  das 


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namentlich  in  Marseille  schon  ernste  Folgen,  Darniederliegen 
des  Handels,  Ausbleiben  der  Rohstoffe  für  wichtige  Industrien 
und  in  Folge  dessen  Arbeitslosigkeit  und  Nothstand  nach 
sich  gezogen  hat  und  schon  jetzt  dort  bitter  bereut  wird, 
nicht  nachgeahmt,  aber  man  ist  doch  auch  bei  uns  über  die 
bei  der  Cholerabekämpfung  berührten  Grundsätze  hinaus 
und  zu  sehr  einschneidenden  Massnahmen  übergegangen. 
Von  den  im  Februar  erlassenen  Einfuhrverboten  werden 
nicht  blos  solche  Waaren  betroffen,  welche  erfahrungmässig 
den  Keim  der  Post  verbreiten  können  und  ihrer  ganzen  Art 
nach  der  Beschmutzung  durch  menschliche  Abfallstoffe  und 
durch  Kranke  besonders  ausgesetzt  sind  — Leibwäsche,  ge- 
tragene Kleider,  Bettzeug,  Teppiche,  Menschenhaarc,  Federn 
und  Lumpen ; — es  sind  auch  allerhand  thierischc  Stoffe, 
wie  ungegerbte  Häute,  Borsten,  Klauen,  verboten.  Und  was 
die  gesundheitspolizeiliche  Kontrole  der  Seeschiffe  anlangt, 
so  sollen  auch  auf  den  „reinen“  Schiffen  in  jedem  Fall  das 
Bilschwasser,  der  Wasserballast,  desinfieirt  und  das  an  Bord 
befindliche  Trinkwasscr  nach  erfolgter  Desinfcction  aus- 
gepumpt und  durch  unverdächtiges  Wasser  ersetzt  werden. 
Ferner  soll  das  Gepäck  der  Reisenden  und  der  Schiffsmann- 
schaften, welche  in  einem  verdächtigen  Hafen  an  Bord  ge- 
nommen sind,  desinfieirt  werden.  In  dem  bisher  mass- 
gebenden Rundschreiben  des  Reichskanzlers  vom  2.  April 
1895  war  dagegen  bestimmt,  dass  die  Schiffe,  welche  an 
Bord  keine  Pestfälle  gehabt  haben,  nachdem  das  ärztlich 
festgestellt  ist,  zum  freien  Verkehr  zugelassen  werden 
dürfen. 

Sind  auf  einem  Schiff  während  der  Reise  Pestfälle  vor- 
gekommen oder  hat  es  noch  Pestkranke  an  Bord,  so  gilt 
das  Schiff  nach  unsern  neuen  Bestimmungen  in  jedem  Fall 
als  „verseucht“,  einerlei  ob  nach  dem  letzten  Pestfall  an 
Bord  Tage,  Wochen  oder  Monate  verstrichen  sind.  Auf 
den  Schiffen,  welche  noch  Kranke  an  Bord  haben,  sind  die- 
selben natürlich  auszuschiften  und  zu  isoliren;  auch  die  ge- 
sunden Personen  an  Bord  eines  solchen  Schiffes  sollen  bis 
zu  11  Tagen  auf  ihren  Gesundheitszustand  beobachtet 
werden.  Auch  auf  den  Schiffen,  welche  vor  der  Abfahrt 
aus  dem  verseuchten  Hafen  oder  während  der  Reise,  oder 
vielleicht  schon  viele  Wochen  vor  der  Ankunft  einen  Pest- 


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lall  au  Bord  gehabt  haben,  sind  alle  Wohn  raume  uud  Gegen- 
stände des  täglichen  Gebrauches,  einschliesslich  der  Kleider 
und  des  Gepäckes  der  Reisenden  und  Mannschaften,  zu 
desinficiren. 

Es  soll  selbstverständlich  hier  nicht  bestritten  werden, 
d.iss  die  Gelegenheit  zur  Einschleppung  der  Pest  nicht  blos 
durch  ihre  grössere  Nähe,  sondern  auch  durch  ihre  grössere 
Ausbreitung  vermehrt  ist.  Kamen  für  die  deutschen  Häfen 
bisher  nur  drei  ostasiatische  Dampferlinien,  die  des  Bremer 
Lloyds,  die  Kingsinlinie  und  die  Rickmcrslinie  in  Betracht, 
welche  den  directen  Personen-  und  Frachtverkehr  mit  China 
vermitteln,  so  treten  jetzt  die  ostindischen  Linien,  ferner 
einige  englische  Dampfer  und  eine  Anzahl  von  Segelschiffen 
hinzu,  welche  zwischen  Deutschland  und  Bombay,  Kurraschee 
und  Kalkutta  verkehren.  Die  oft  als  erschwerend  für  die 
Pestgefahr  hervorgehobene  Reiseverkürzung  von  Bombay, 
gegenüber  den  aus  Hongkong  kommenden  Schiffen  ver- 
mindert sich  dadurch  bedeutend,  dass  die  meisten  .Schiffe 
nach  Hongkong  — Postdampfer  — bedeutend  schneller  sind, 
als  die  im  indischen  Verkehr  fahrenden  deutschen  Fracht- 
dampfer. 

Auf  der  anderen  Seite  aber  darf  nicht  vergessen  werden, 
dass  fast  sämmtliche  in  Betracht  kommende  Dampfer  indische 
resp.  chinesische  Mannschaften  als  Heizer  verwenden.  Die 
Anmusterung  und  Auswechselung  dieser  Leute  geschieht  in 
indischen  oder  chinesischen  Häfen.  Dass  einmal  ein  solcher 
frisch  angeworbener,  farbiger  Feuermann  noch  vor  der  Abfahrt 
oder  wenige  Tage  nach  dem  Verlassen  des  verseuchten 
Hafens,  an  Bord  an  Pest  erkrankt,  erscheint  durchaus  nicht 
unwahrscheinlich.  Sind  doch  sogar  in  London  drei  indische 
Seeleute  der  Seuche  zum  Opfer  gefallen,  welche  während  der 
Reise  ganz  gesund  waren  und  erst  in  London  erkrankten, 
wie  man  annimmt,  durch  Kleidungsstücke,  die  sie  ihrem 
während  der  Reise  verschlossenen  Reisegepäck  entnahmen 
und  in  London  als  Ausgehstaat  anlegten  und  die  vielleicht 
in  einem  Trödlcrladen  in  Bombay  gekauft  waren  und  von 
Pestkranken  stammten.  Man  wird  deshalb  die  Bestimmung, 
dass  das  Reisegepäck  der  in  Indien  an  Bord  genommenen 
Leute  desinficirt  werden  soll,  für  wohl  begründet  erklären 


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96 


müssen.  War  es  aber  nötliig,  dass  in  allen  Füllen  aucli 
auf  den  „reinen“  Schiffen  das  Trink wasser  an  Bord, 
auch  wenn  es  während  der  ganzen  Reise  von  den  Schiffs- 
insassen  ohne  Schaden  genossen,  und  in  der  Regel  mehrfach 
in  pestfreien  Häfen  erneuert  worden  war,  desinficirt  und 
durch  neues  ersetzt  werden  muss?  Wir  wissen  zwar  nur 
sehr  wenig  über  die  Verbreitungswege  der  Pest,  aber  das 
Trinkwasser  scheint  doch  dabei  nur  eine  untergeordnete 
Rolle  zu  spielen.  In  Kanton  ist  gerade  die  auf  dem  Wasser 
lebende  Bootsbevölkerung,  die  das  furchtbar  verunreinigte 
Flusswasser  trinkt,  im  Gegensatz  zu  der  übrigen  Einwohner- 
schaft von  der  Pest  in  auffallender  Weise  verschont  geblieben. 
Der  Cholera  gegenüber,  die  doch  durch  infieirtes  Wasser 
besonders  häufig  und  reichlich  verbreitet  wird,  hat  man  sich 
darauf  beschränkt,  die  Desinfection  des  Trinkwassers  uur  für 
den  Fall  vorzuschreiben,  dass  die  an  Bord  während  der  Reise 
vorgekommenen  Krankheitsfälle  mit  Wahrscheinlichkeit  auf 
den  Genuss  dieses  Wassers  zurückzufüliren  sind.  Sollte  eine 
solche  Bestimmung  nicht  auch  für  die  Pest  genügend  erscheinen  V 
Ebensowenig  war  es  vielleicht  nötliig,  in  allen  Fällen  die 
Desinfection  des  Bilschwassers  zu  fordern.  Indessen  erfordern 
diese  Massnahmen,  vorausgesetzt,  dass  man  das  nöthige,  nicht 
unbeträchtliche  Aufgebot  von  Leuten  und  Material  zur  Ver- 
fügung hat,  verhältnissmässig  wenig  Zeit  und  Umstände. 
Setzen  wir  nun  aber  einmal  den  Fall,  dass  einer  der  grossen, 
prächtigen  Lloyddampfer  in  Hongkong  einen  chinesischen 
Heizer  wegen  Pestverdachts  ausgcschifft  oder  in  den  ersten 
Reisetagen  nach  der  Abfahrt  aus  diesem  Hafen  verloren  hat, 
so  sollen,  einerlei  was  Kapitän  und  Schiffsarzt  schon  während  der 
Reise  zum  eigenen  Schutz  und  aus  eigenem  Antrieb  desin- 
ficirt haben,  und  einerlei,  was  in  den  angelaufenen  Zwischen- 
häfen mit  dem  Schiff  geschehen  ist,  auch  dann,  wenn  in  den 
ca.  6 Wochen,  die  die  Heimreise  erfordert,  kein  weiterer 
Pestfall  an  Bord  vorgekommen  ist,  alle  Wohnräumo  an  Bord 
desinficirt  werden.  Also  auch  die  von  den  Heizern  nie 
betretenen  Salons  und  die  inzwischen  wochenlang  ohne  Schaden 
bewohnten  Offiziers-  und  Passagierkammern.  Das  erscheint 
mir  überflüssig;  man  hätte  in  solchen  Fällen  dem  Ermessen 
des  kontrolirenden  Arztes  einigen  Spielraum  bezüglich  der 
Ausdehnung  der  Desinfection  lassen  sollen. 


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97 


„Mit  allein  Nachdruck  ist  dahin  zu  wirken,  dass  eine 
„Verschleppung  der  Seuche  durch  an  Bord  befindliche  Ratten 
„und  Miiuse  verhindert  wird.“  Leider  sind  über  die  Art 
und  Weise,  wie  das  gemacht  werden  soll,  keine  bestimmten 
Vorschriften  gegeben.  Die  Vertilgung  von  Ratten  und  Mäusen 
an  Bord  gehört  zu  den  bisher  noch  ungelösten  Aufgaben. 

Zur  Ausführung  dieser  neuen  Vorschriften  im  hamburgi- 
sclien  Seeverkehr  sind  unter  Aufwendung  beträchtlicher  Geld- 
mittel die  Einrichtungen  zur  Schiffsdesinfeetion  in  Cuxhaven 
schleunigst  beträchtlich  vergrössert  worden. 

Dem  dort  stationierten  Hülfsarzt  des  Hafenarztes  sind 
ein  Oberdesinfeetor,  drei  Desinfcctoren  und  drei  ausgebildete 
Ilülfsdesinfectoren  beigegeben  worden.  Bisher  wurden  ca. 
12  Schiffe  nach  dem  neuen  Verfahren  behandelt.  Die  Unter- 
suchung und  Desinfection  (Bilseh,  Wasser,  Reisegepäck)  hat 
jedesmal  ca.  4 Stunden  Zeit  erfordert,  so  dass  den  „reinen“ 
Schiffen  in  Cuxhaven  unter  Einrechnung  der  für  das  Vor- 
holen in  uns  aus  dem  Hafen  nöthigen  Zeit  nur  ein  Verlust 
von  ca.  G — 8 »Stunden  erwächst.  Für  „verseuchte“  »Schiffe 
ist  das  Quarantaine  - Lazareth  in  Cuxhaven  soweit  mobil 
gemacht,  dass  dort  ungefähr  12  Kranke  und  40—50  gesunde 
Personen  Aufnahme  finden  können.  Das  Lazareth  hat,  ebenso 
wie  die  Bchiffsdesinfectionsbaracke,  einen  grossen  Dampf- 
desinfectionsapparat,  ferner  einen  zu  bacteriologiscben  Unter- 
suchungen eingerichteten  Raum  und  eine  Sectionshallc. 

Abgesehen  von  einigen  Härten,  die  vermeidbar  waren, 
ist  somit  die  gesundheitspolizeiliehe  Kontrole  der  aus  pest- 
verseuchten Häfen  kommenden  »Schiffe  in  Deutschland 
immer  noch  in  erträglichen  Grenzen  gehalten.  Für  unnäthig 
weit  getrieben  möchten  wir  dagegen  die  hier  erlassenen 
Einfuhrverbote  halten.  Weder  von  den  letzten  3 Jahren, 
noch  auch  von  den  früheren  Restepidemien  her  sind  Fälle 
von  nachweislicher  Verschleppung  der  Pest  durch  llandels- 
waaren  bekannt.  Hierfür  haben  wir  als  Gewährsmann  die 
Autorität  von  Griesinger,  dessen  Beschreibung  der  Pest  noch 
jetzt  als  klassisch  gelten  kann  und  dessen  sorgfältige  Beob- 
achtungen und  Anschauungen  über  die  Verbreitungswege 
der  einzelnen  »Seuchen,  was  die  Cholera  anlangt,  durch  ] die 
moderne,  actiologisehc  Forschung  durchaus  bestätigt  worden 
sind.  Gegenüber  den  Einfuhrverboten  anderer  Länder,  nament- 


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lieh  Frankreich,  scheinen  ja  die  deutschen  Einfuhrverbote  uner- 
heblich ; es  findet  sich  aber  unter  den  für  pestverdächtig  erklärten 
Waarcn  ein  Handelsartikel,  der  von  keinem  anderen  Lande  her 
in  so  grossen  Mengen,  wie  von  Ostindien  zu  uns  gebracht  wird. 
Das  Ausbleiben  der  ostindischen  Häute,  welche  überdies  zum 
grössten  Theil  aus  dem  Hinterlande  von  Kalkutta  stammen, 
wird  sieh  nicht  blos  bei  den  Importeuren,  sondern  in  jeder 
Gerberei,  und  bei  jedem  Schuhmacher  auf  das  unangenehmste 
fühlbar  machen.  Wir  vermögen  nicht  einzusehen,  dass  bei 
dieser  Waare  mehr  als  eine  blosse  Möglichkeit  der  Ein- 
schleppung vorliegt  und  dass  diese  Möglichkeit  grösser  sei 
als  bei  anderen  llandelswaaren.  Sichere  Beobachtungen 
darüber,  dass  etwa  Kinder  und  Büffel  spontan  an  der 
Mcnschenpcst  erkranken,  sind  nicht  vorhanden.  Es  wird 
zwar  von  massenhaftem  Sterben  der  Ratten,  aber  nirgends 
vom  Erliegen  von  Wiederkäuern  berichtet.  Die  Bereitungs- 
weisc  dieser  Häute  macht  es  ferner  im  höchsten  Grade  wahr- 
scheinlich, dass  Pestkeime,  die  etwa  daran  sitzen,  vielleicht 
beim  Sehlachten  durch  pestkranke  Arbeiter  übertragen  sind, 
nbgetödtet  werden.  Die  Häute  werden  an  der  indischen 
Sonne  langsam  getrocknet  und  dann  züm  Schutz  gegen  In- 
sccten  und  Ungeziefer  mit  einer  arscnikhaltigen  Flüssigkeit 
oder  anderen  Chemikalien  bepinselt.  Sie  kommen  bretthart 
und  trocken,  ohne  jede  Spur  von  Fäulnissgeruch  hier  an. 
Mit  viel  mehr  Grund  als  wie  diese  Häute  hätte  man  die 
Einfuhr  von  Getreide  verbieten  können,  das  immer  mit 
Ratten-  und  Mäuscunrath  massenhaft  verunreinigt  ist.  Dasselbe 
gilt  von  Reis  und  Reisabfällen.  Und  ebenso  wie  Wolle 
dürfte  auch  die  Baumwolle  zu  behandeln  sein. 

Es  liegt  mir  nun  nichts  ferner,  als  etwa  für  ein  Verbot 
der  Einfuhr  auch  dieser  Waarcn  einzutreten.  Es  sollte  nur 
gezeigt  werden,  dass  die  einmal  gezogene  Grenze  ziemlich 
willkürlich  gewählt  ist.  Wir  meinen,  dass  man,  sobald  über- 
haupt mit  der  blossen  Möglichkeit  der  Einschleppung  der 
Pest  durch  llandelswaaren  gerechnet  werden  und  dieser  Weg 
abgeschnitten  werden  soll,  folgerichtiger  Weise  nicht  bloss 
Häute,  Wolle  und  Klauen,  sondern  so  ziemlich  alle  Waarcn, 
welche  ihrer  Beschaffenheit  oder  ihrer  Menge  wegen  nicht 
desinficirt  werden  können,  verbieten  müsste.  Ebenso 
gut  wie  Häute  intieirt  werden  können,  ist  dies  auch  bei 


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Elephnntcnzähnen,  Baumwolle  und  allen  anderen  Dingen 
denkbar.  In  den  Speichern  von  Bombay  lagern  alle  diese 
Waaren  nebeneinander  und  werden  von  denselben  Menschen, 
Ratten  und  Mäusen  besucht.  Und  ob  sich  der  Pestbacillus 
besser  auf  trockenen  Häuten  als  im  Getreide,  in  der  Baum- 
wolle oder  auf  indischen  Industrie-  und  Kunstgegenständen 
halten  soll,  darüber  besitzen  wir  absolut  keine  Kenntnisse. 
An  Bord  liegen  ebenfalls  verdächtige  und  unverdächtige 
Waaren  neben-  und  übereinander.  Die  verbotenen  Waaren 
müssen  beim  Löschen,  um  an  die  übrige  Ladung  gelangen 
zu  können,  angefasst,  bei  Seite  gebracht,  hin-  und  hergetrimmt 
werden.  In  Hamburg  werden  zwar  die  bei  solcher  Arbeit 
beschäftigten  Leute  jetzt  am  Feierabend  desinticirt.  Da  man 
aber  annimmt,  dass  der  Pestkeim  durch  kleine  Wunden  und 
Sehrunden,  sowie  durch  die  Athmungsorganc  oinwandern 
kann,  so  wird  eine  nachträgliche  Desinfcction,  wenn  solches 
Unglück  einmal  geschehen  ist,  nichts  mehr  gut  machen  können. 

Einzelne  Einschleppungen  können  durch  keine  noch  so 
rigorosen  Absperrungen  und  Einfuhrverbote  abgehalten  werden. 
Das  hat  die  Geschichte  aller  Epidemien  gelehrt  und  wir 
werden  auch  bei  der  jetzigen  Pestgefahr  damit  zu  rechnen 
haben,  dass  nicht  nur  in  den  Hafenstädten,  sondern  auch  im 
Innern  plötzlich  einmal  ein  Pestfall  entdeckt  wird.  Wir 
dürfen  ja  auch  Schiffe  mit  Pestkranken  an  Bord  nicht  zurück - 
weisen.  Die  Gewähr,  dass  aus  solchen  Einzelteilen  keine 
grösseren  Heerde  sich  entwickeln,  liegt  neben  günstigen, 
allgemeinen,  sanitairen  Verhältnissen  darin,  dass  die  ersten 
Fälle  eben  rechtzeitig  entdeckt  werden.  Einfuhrverbote 
können  solchen  Einzelfällen  nicht  Vorbeugen,  sie  können  nur 
den  Zweck  haben,  die  massenhafte  Einschleppung  von 
Seuchenkeimen  zu  hindern.  Hierfür  konnte  man  sich  auf 
diejenigen  Dinge  beschränken,  von  denen  es  bekannt  ist, 
dass  der  Ansteckungsstoff  der  Pest  sich  darin  längere  Zeit 
conscrvirt  und  die  zugleich  die  nahe  Gefahr  der  Beschmutzung 
durch  Abfallstoffe  von  Kranken  bieten.  Das  sind  getragene 
Kleider,  Wäsche,  Bettzeug,  Teppiche,  Menschen  haare,  Hadern 
und  Lumpen.  • • *-• 

Wenn  man  darüber  hinausgeht,  werden'  die  Grenzen 
schliesslich  ganz  willkürlich  irgendwo  gezogen  und  ohne  Jfotti 


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weite  Kreise  des  Handels,  der  Industrie  und  des  Handwerks 
anderen  und  dem  Auslande  gegenüber  geschädigt. 

Ueber  die  Beschlüsse  der  jetzt  tagenden,  internationalen 
Sanitätsconferenz  zu  Venedig  ist  noch  nichts  Sicheres  bekannt. 
Zeitungsnachrichten  zufolge  sollen  die  über  Einfuhrverbote 
getroffenen  Vereinbarungen  ungefähr  den  jetzt  bei  uns 
erlassenen  Bestimmungen  entsprechen  und  sich  somit  auch 
auf  die  ostindisehen  Iliiute  erstrecken. 

Wir  dürfen  aber  wohl  hoffen,  dass  die  nach  Bombay 
zum  Studium  der  Pest  entsandten  Kommissionen,  namentlich 
die  Autorität  Robert  Koch’s,dcm  Grundsatz  wieder  Anerkennung 
verschaffen  werden,  dass  auch  der  Pest  gegenüber  weder 
Einfuhrverbote  noch  das  Unterbinden  des  Verkehrs  überhaupt 
zuverlässige  und  wirksame  Kampfmittel  sind  und  dass  der 
zweifelhafte  Nutzen  solcher  Massrcgcln  in  keinem  Verhältnis» 
steht  zu  den  dadurch  erzeugten  wirtschaftlichen  Schädigungen. 

Die  Ueberwachuug  des  überseeischen  Handels  und  des 
Seeverkehrs  ist  eine  Aufgabe,  welche  auch  ohne  übertriebene 
Belästigungen  verhältnissmässig  sicher  gelöst  werden  kann. 
Bedrohlicher  für  Europa  wird  die  Pestgefahr,  wenn  die 
Seuche,  wie  cs  fast  den  Anschein  hat,  den  Landweg  nehmen 
und  etwa  in  Beludschistan,  Persien,  Mesopotamien,  im  türkischen 
Orient  und  den  mohamedanischcn  Pilgerstätten  festen  Euss 
fassen  sollte.  Hier  eine  wirksame  Seuchenbekämpfung  zu 
sehaffeu,  den  Pilgerverkehr  zu  beschränken  und  zu  über- 
wachen und  die  dazu  dienlichen  Einrichtungen  endlich  einmal 
zuverlässiger  zu  gestalten,  als  es  bisher  internationale  Ver- 
einbarungen vermocht  haben,  darin  besteht  die  wichtigste, 
aber  überaus  schwierig  zu  lösende  Aufgabe  internationaler 
Conferenz.cn. 


Nachtr  a g. 


Erfreulicherweise  hat  der  Reichskanzler  neuerdings  das 
Verbot  der  Einfuhr  von  Häuten  aus  Ostasien  soweit  ermässigt, 
dass  bis  auf  weiteres  von  dort  wenigstens  aus  denjenigen 
IhifcA-  Häute  und  Felle  (Kipse)  eingeführt  werden  dürfen, 
welch«  von  der  Pest  noch  nicht  befallen  sind  (Kalkutta), 
vora-usgesetzt;  dass  die  Waare  am  Hafcnplatz  selbst  oder 
seiner  ' näcltsttsl;  -Umgebung  für  den  Schiffstransport  her- 


3 


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gerichtet  und  zu  Ballen  gepresst  worden  ist  und  ausserdem 
die  Sendung  in  völlig  lufttrockenem  Zustande  hier  ankommt. 

Der  Nachweis,  dass  die  Bearbeitung  für  den  Transport  im 
Abgangshafen  stattgefunden  hat  und  dass  dieser  Platz  zur 
Zeit  der  Abfahrt  des  Schiffes  von  der  Pest  noch  verschont 
geblieben,  muss  durch  Consulutsat teste  oder  sonst  glaubhaft 
erbracht  werden. 

Nicht  einbegriffen  in  diese  Vergünstigung  sind  die 
Sendungen,  welche  aus  Bombay,  Kurraehee,  Hongkong,  Kanton, 
Swatau,  Amoy,  Makao  und  der  Insel  Formosa  stammen. 

Damit  ist  man  wenigstens  in  Deutschland  zu  dem  auf 
der  Dresdener  Conferenz  für  die  Abwehr  der  Cholera  ver- 
einbarten Grundsätze  — wenn  auch  nur  bezüglich  der 
Einfuhrverbote  — zurückgekehrt,  beim  Ausbruch  einer  # 
Epidemie  in  irgend  einem  Orte  oder  Bezirk  die  Abwehr 
innssregeln  auf  die  Ilerkünfte  aus  den  ergriffenen  Orten  oder 
Bezirken  zu  beschränken  und  nicht  gleich  das  ganze  Reich, 
zu  dem  der  befallene  Platz  gehört,  für  verseucht  anzusehen. 

N o c h t (Hamburg). 


Impaludismus,  Bakteriologie  und  Rassenresistenz.*) 

Von  Dr.  Below  (Berlin). 

Fragen  wir  uns  nach  genauer  Controlle  der  inter 
nationalen  hygienischen  Congresse  und  der  tropenhygienischen 
Verhandlungen  auf  den  Naturforscherversammlungen  des 
letzten  Jahrzehnts:  welches  sind  unsere  Erfolge  den  Tropen- 
seuchen gegenüber?  so  müssen  wir,  wenn  wir  ehrlich  gegen 
uns  selber  sein  wollen,  uns  eingestehen:  wir  sind  wenig 
vorwärts  gekommen,  wenigstens  sind  wir  den  beiden 
grossen  Hauptgruppen  der  Tropenfieber  gegenüber  (Malaria - 
gruppe  und  Gelbfiebergruppe)  nicht  so  glücklich  gewesen, 
wie  die  Prophylaxe  den  nordischen  Seuchen  gegenüber  ge- 
wesen ist. 

*)  Mit  don  nachstehenden  Ausführungen  sind  wir  in  den  moisten 
l’uncten  nicht  einverstanden,  glauben  aber  denselben  die  Aufnahme 
nicht  versagen  zu  dürfen,  da  das  Hauptziel  derselben,  die  gemeinschaft- 
liche Forschung  aller  colonisierenden  Nation  ein  höchst  erstrebens- 
werthes  ist.  P.  Red. 


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102 


Wir  sehen  zwar  ein  emsiges  Streben  auf  allen  Punkten 
des  weiten  Arbeitsfeldes  der  Engländer,  Holländer  und 
Deutschen  einerseits  (der  bakteriologischen  Richtung)  und 
der  Franzosen,  Spanier,  Portugiesen  andererseits  (der  Lo- 
calisten  oder  Paludisten).  Wir  sehen,  dass  die  Bodentheorie 
mehr  bei  den  romanischen,  die  bakteriologische  mehr  bei 
den  angelsächsischen  und  deutschen  Forschern  geübt  und 
verbreitet  wird,  dass  aber  wirkliche  Erfolge  zur  Ermittlung 
der  Entstehungsursache  und  Bekämpfung  der  Malaria,  des 
Gelbfiebers  und  ihrer  Ab-  und  Unter-Arten  weder  mit  Mi- 
kroscop  noch  mit  Chinin,  weder  mit  Drainage  und  Boden- 
verbesserung noch  mit  Immunisirungs-Einspritzungen  erzielt 
werden ! 

Wiewohl  man  die  Bereicherung  der  Kenntnisse,  die 
durch  die  Versuche  in  beiden  Lagern  erzielt  wird,  durchaus  nicht 
verkennen  darf,  haben  weder  Prophylaxe  noch  Therapie  den 
beiden  grossen  Gruppen  der  Tropenfieber  gegenüber  Erfolge 
aufzuweisen,  auf  die  man  stolz  sein  dürfte. 

Lassen  wir  einmal  Alles,  was  Stückwerk  ist,  in  der 
Behandlung  der  Tropenfieber  bei  Seite,  hören  wir  auf,  von 
Heilerfolgen,  von  Heilmethoden  zu  sprechen,  wo  wir  doch 
höchstens  mit  Ausnahme  der  ganz  empirischen  Chininan- 
wendung und  der  Derivantien,  Diaphoretica,  Purgantien  etc. 
auf  das  Temporisiren  angewiesen  sind,  und  stellen  wir  da- 
nach zusammen,  wie  viel  von  sicheren  Anhaltspunkten  für 
unser  concretes  Wissen  und  Handeln  übrig  bleibt,  — so  ist 
das  herzlich  wenig. 

So  wenig,  dass  wir  endlich  einmal  den  Schleier  der 
Gelehrtthuerei,  der  sich  immer  mehr  anstauenden  neuen 
Nomenclatur  und  der  Phraseologie  sinken  lassen  und  — Tabula 
rasa  machen  sollten  — wie  ein  ehrlicher  Kaufmann,  der 
„realisirt“,  der  Activa  und  Passiva  sondert,  um  sich  lieber 
seinen  Bankerott  selbst  einzugestehen,  als  weiter  in  der 
Selbsttäuschung  fortzufahren. 

Es  lässt  sich,  um  ehrlich  zu  sprechen,  Alles  was  wir 
w i r k 1 i c h wissen,  auf  einer  knappen  Druckseite  tabella- 
risch übersichtlich  zusammenzustellen. 

Denn  wie  die  jüngsten  Verhandlungen  der  tropen- 
hygienischen Sektion  auf  der  Naturforscherversannnlung  in 
Frankfurt  a.  M.  gezeigt  haben,  sind  die  Plasmodien- 


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103 


forschungen  bei  der  Malaria  noch  nicht  soweit  gedielten, 
um  deutlich  zu  zeigen,  oh  diese  Halbmondformen  und  diese 
kometenartig  vorschiessenden,  schwärmenden,  sporulisirenden, 
sich  in  die  Blntkörper  eindrängenden  Wesen  acciden- 
telle  oder  essentielle  Begleiter  der  verschiedenen  Ma- 
leriaformen  sind,  wie  weit  sie  zu  den  Rassen  und  wie  weit 
sie  zu  den  Bodenbesekaffenheiten  Affinitäten  besitzen,  wie 
weit  sie  sich  bei  pigmentirten  und  bei  unpigmentirten,  bei 
acclimatisirten  und  bei  unacclimatisirten  Generationen  mit 
Vorliebe  finden.  Wir  wissen  nicht,  ob  sie  die  Erreger  der 
Malaria  wirklich  sind,  ob  in  anderen  Zonen  andere  Formen 
derselben  Art  auftreten.  Wir  wissen  nicht,  warum  die 
Marchiafava-  und  Cellischen  Formen  z.  B.  in  Sumatra  nicht 
gesehen  werden  wie  in  Italien  bei  denselben  Fieberformen. 
Wir  wissen  nicht,  warum  die  Zahl  oder  Form  dieser  räthsel 
haften  protensartigen  Amoeben  durchaus  nicht  gebunden  ist 
an  die  verschiedenen  Fieberepochen.  Zur  Zeit  des  Anfalls 
sind  sie  nicht  vermehrt  vorhanden. 

Wir  müssen  den  Impaludisten  ebenso  dankbar  sein  für 
ihre  aufs  Gerathewohl  hin  unternommenen  Boden  Verbesse- 
rungen durch  Canal isationen,  Eucalyptus- Anpflanzungen  etc. 
wie  wir  den  Bakterioskopikern  dankbar  sein  müssen  für  die 
Entdeckung  der  Plasmodien,  aber  ebensowenig  wie  durch 
diese  sind  wir  durch  jene  dem  Grund  und  Wesen  der  Sache 
näher  getreten.  Es  sind  alles  tastende  Versuche  ohne  ein- 
heitlichen leitenden  Gedanken  und  deshalb  ohne  durch- 
schlagenden Erfolg. 

So  wie  man  im  bürgerlichen  Leben  zu  sagen  pflegt: 
Reinlichkeit,  Gottesfurcht  und  Ordnung  sind  zu  allen  guten 
Dingen  nütze,  könnte  man  auch  sagen : Bakterioskopiren, 
fleissiges  Spritzen  und  Drainiren  sind  als  Zeichen  von  Fleiss 
und  Reinlichkeit  auf  hygienischem  Gebiete  zu  allen  guten 
Dingen  immer  etwas  Nütze,  aber  damit  fehlt  noch  immer 
die  Direction  des  Ganzen.  Es  gelang  einmal  deutscher 
Schneidigkeit,  Nüchternheit  und  Mannszucht,  den  schwarzen 
Continent  zu  durchqueren  ohne  schwerere  Fieber  zu  acqui- 
riren,  dafür  können  aber  mehrere  der  nächsten  Ex- 
peditionen desto  unglücklicher  verlaufen. 

Wir  fangen  aber  gerade  an,  uns  spielend  mit  den 
Elements  cognitionis  zu  befreunden,  wir  stellen  uns  da  aus 


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104 


den  Bruchtheilcn  eines  grossen  Zukunftswerkes  probirend 
und  tastend  etwas  zusammen,  wie  Kinder,  die  mit  den 
Stangen,  Rädern  und  Schrauben  einer  auseinander  genom- 
menen Maschine  spielen ; um  aber  die  Maschine  zur  geord- 
neten Wirkung  zu  bringen,  dazu  gehört  es,  dass  sie  zu- 
sammengefügt  wird,  eine  Arbeit,  die  auf  diesem  Gebiete 
nicht  möglich  ist  ohne  internationale  Zusammenarbeit  unter 
centraler  Leitung.  Die  Impaludisten  pflanzen,  drainiren 
und  graben,  die  Bakterioskopiker  spritzen  und  mikroskopiren 
fleissig,  aber  an  Malaria  und  Gelbfieber  und  ihren  Unter- 
arten erkranken,  wenn  die  böse  Zeit  kommt,  gerade  soviel 
wie  je  zuvor.  Wir  beschäftigen  uns  mit  dem  Schädling 
einerseits  und  mit  der  Bodenfrage  andrerseits,  aber  es 
scheint,  es  muss  einen  dritten  Faktor  geben,  den  wir  con- 
sequent  vernachlässigen,  denn  wir  sind  dem  Wesen  der 
Sache  nicht  näher  getreten. 

Wir  wissen  nun,  wenn  wir  Alles  zusammenfassen : es 
giebt  eine  Unmenge  von  Formen  und  Unterarten  : Intermittens, 
Remmittens,  Perniciosa  einerseits,  biliöses  hämorrhagisches 
Fieber  nach  B<5rcngcr,  Melanurie  und  Gelbfieber  andrerseits, 
jedes  davon  wieder  mit  so  und  soviel  leichteren  und 
schwereren  Formen,  die  Nomenclatur  schwillt  bis  in’s  Un- 
gemessene  an.  Die  Dift’erentialdiagnosen  werden  immer  sub- 
tiler, und  dabei  kommt  es  im  Golf  von  Mexico  vor,  dass 
eine  neue  Epidemie  alle  früheren  schönen  differential 
diagnostischen  Schemata,  die  bei  der  vorigen  Epidemie  sti - 
pulirt  worden  waren,  plötzlich  über  den  Haufen  wirft,  so 
dass  man  froh  ist,  sich  bei  der  Vereinfachung  der  Fieber- 
eintheilung  begnügen  zu  dürfen  und  es  vermeidet,  von 
Epidemie  zu  Epidemie  neue  Unterarteneinthcilungen  zu  fa- 
briciren  — denn  was  nützen  Nomcncluturen  und  Worte, 
wo  die  Begriffe  für  das  verborgene  Wesen  der  Sache 
fehlen  ? 

Unterdessen  arbeitet  Jeder  auf  eigene  Faust  ruhig 
weiter  und  wenn  die  Bakteriologen  Recht  behalten,  so  blüht 
der  Menschheit  das  Glück,  dass  für  jede  der  6 Hauptfieber- 
arten ein  neues  Spritzmittel  zur  Immunisirung  entdeckt  wird 
und  behalten  die  Bodenhygieniker  Recht,  so  beschränken 
wir  uns  vorzüglich  auf  Drainage  und  Anpflanzungen  und 
Auswahl  des  „assimilirenden“  Bodens,  dem  wir  den  Vorzug 


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105 


vor  dem  „eliminirenden“  (Gifte  ausstrümenden)  *)  Boden 
geben  und  — vergessen  bei  all  den  schönen  Sachen : die 
Rassenresistenz,  vergessen,  dass  chinesische  Kulis  du 
prächtig  gedeihen,  wo  indische  Kulis  untergehen,  dass  Pig- 
raentirte  dort  gut  leben  können,  wo  Weisse  sterben,  der 
Bodentheorie  zum  Trotz,  weil  gewisse  Pigmentirte  und  durch 
Generationen  Acclimatisirte  den  schädlichen  Bodenaus- 
strömungen  gegenüber  gefeit  sind. 

Wir  wissen,  dass,  wo  die  Milz  geschwollen  ist  und  die 
bekannte  Fiebercurve  sich  im  charakteristischen  intermit- 
tirenden  Malaria-Typus  zeigt,  dass  da  tapfer  Chinin  gegeben 
werden  muss  und  wo  die  andere  Categorie  mit  Gelbsucht 
und  Blutabgängen  ohne  Milzschwellung  und  intermittirende 
Curve  auftritt,  dass  da  das  Chinin  nichts  nutzt,  sondern 
schadet  und  — im  Uebrigen  forscht  Jeder  auf  eigene  Faust 
weiter  in  den  eng  begrenzten  Terrains  der  Colonien  zwischen 
Weissen,  Schwarzen  und  Gelben  ohne  Rücksicht  auf  Natio- 
nales und  Statistik,  denn  das  giebt  es  dort  gewöhnlich  nicht 
in  deD  ungeordneten  politischen  und  socialen  Verhältnissen. 

So  wie  wir  aber  die  Masse  von  Tropenfieberabarten 
und  Unterarten  von  einem  etwas  erhöhten  Standpunkte  be- 
trachten, der  bis  jetzt  von  Iinpaludisten  wie  von  Bakterio- 
logen trotz  meiner  zehnjährigen  Mahnungen  vernachlässigt 
wurde,  vereinfacht  sich  vor  unsern  Augen  das  wüste  Durch- 
einander der  Menge  von  Tropenfiebernamen,  es  wird  über- 
sichtlich und  wir  gewinnen  eine  neue  klarere  Einsicht  in 
den  bisher  räthselhaften  Vorgang,  der  sich  da  auf  beiden 
Seiten  vor  uns  abspielte,  auf  Seiten  der  Gelbfiebergruppe 
wie  auf  Seiten  der  Malariagruppe. 

Bisher  waren  wir  gewohnt,  die  Tropenfieber  wie  alle 
Krankheiten  als  Störungen  des  Wohlbefindens  anzusehen, 
die  entweder  durch  Bodenunreinigkeiten  oder  durch  Bacterien 
oder  durch  Plasmodien  in  den  Körper  gedrungen  seien  und 
man  nahm  die  Seuchen  als  ein  Geschick  hin,  gegen  das 
nichts  weiter  zu  machen  sei  als  Chinin  geben,  Drainiren  etc. 

Seit  wir  aber  durch  das  von  mir  im  Jahre  1894  auf- 
gestellte Gesetz  der  Artenbildung  durch  Zonenwechsel  auf 

*)  siehe  Dr.  Manuel  Ferreira  Kibeico,  Chefe  di  Servicio  de 
Sande  „Saneamento  di  Cidade  di  S.  Thonie“,  Lisboa  1896 

Archiv  f.  Schiffs*  u.  Tropenbyjlene.  3 


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das  Zusammenwirken  der  drei  Faktoren:  Localitiit,  Bacillen 
und  Resistenz  von  Individuum  und  Rasse  aufmerk- 
sam gemacht  sind  auf  diesen  letzten  dritten  Faktor  fitr  Ent- 
stehung der  Seuche,  wissen  wir  (!?  D.  Red.),  dass  „Krank- 
heit“ ein  Theil  des  ,, Ra ssenum Wandlungs-Prozesses“  ist,  ein 
natürlicher  nothwendiger  Vorgang  im  Laufe  der  Entwick- 
lung der  Organismen  auf  der  Oberfläche  des  bewohnten 
Planeten. 


Wir  wissen,  dass  die  Erddrehung  nicht  nur  die  Luft- 
schichten regenerirt  (Passatwinde),  sondern  auch  die  Orga- 
nismen fortwährend  mit  verschiedenen  Keimen  in  neue  Be- 
rührung bringt,  dass  Pflanze,  Thier  und  Mensch  durch  die 
Neigung  zu  Wanderzügen  von  den  kalten  zu  den  heissen 
Zonen  und  umgekehrt  einem  steten  Umwandlungsprocess  durch 
Berührung  mit  fremden  Keimen  unterworfen  sind,  und  die 
Völkerwanderungen  mit  ihren  bald  darauf  folgenden  Epidemien 
und  Seuchen  bestätigen,  dass  alle  Krankheiten  mehr  oder 
weniger  nur  Rassenumwandlungsprocesse,  Störungen  derselben, 
gesteigerte,  gestörte,  überstürzte  Acclimatisationsvorgänge  sind, 
die  Thier,  Pflanze  und  Mensch  beim  Zonenwechsel  behufs 
neuer  Artenbildting  durchzumachen  haben.  Beiläufig  be- 
merkt ist  dies  die  einzige  uns  übrigbleibende  Ausfüllung 
der  grossen  Lücke  im  Darwinismus,  der  für  die  Tausende 
von  verloren  gegangenen  Arten  und  Uebergängen  unendliche 
Zeiträume  bisher  supponiren  musste.  Jetzt  wissen  wir,  dass  in 
den  Tropen  tagtäglich  vor  unsern  Augen  der  Rassenumwand- 
lungsprocess  vor  sich  geht,  wo  wir  Portugiesen  den  X oger- 
typus  annehmen  sehen  u.  a.  m.  Des  Näheren  muss  hier  ver- 
wiesen werden  auf  meine  bei  Jäger  in  Frankfurt  a.  M.  er- 
schienene Abhandlung:  Artenbildung  durch  Zonenwechsel 

' Dr.  E.  Bclow  1 894). 

Dieser  bisher  vernachlässigte  dritte  Faktor  im  Tropen- 
seuehcnentstchungsgesetz,  das  ich  unter  der  Formel  x L >,  =, 
^ r R zusammenfasste  *),  ist  der  Schlüssel  für  eine  verein- 
fachte Eintheilung  und  Uebersicht  der  Tropenfieber  und  für 
ein  gründlicheres,  methodischeres  Vorgehen  zur  Assanirung 
des  Tropengürtels  von  dieser  Plage,  die  der  weissen  Russe 

*)  * -=  Bacillen,  L = Localitiit.  r — Resistenz  des  Individuums 
und  R = Resistenz  der  Rasse. 


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107 

die  Ausbreitung  über  den  Aequatorialgürtel  streitig 
machen  will. 

So  wie  wir  ausser  dem  Impaludismus  der  Romanen 
und  dem  bacillären  Schädling  der  nordischen  Forscher  den 
Rassen  widerstand  bei  der  Tropenseuchenentstehungs- 
frage berücksichtigen,  drängt  sich  jedem  Arzt,  der  unter 
Mischrassen,  wie  in  Centralamerika  und  Südamerika  lange 
gelebt  hat,  bei  Vergleich  der  Malariagruppe  mit  der  Gelb- 
fiebergruppe das  Gleichartige  dieses  gestörten  oder  über- 
stürzten Acclimatisationsprocesses,  dieses  Rassenumwaud- 
lungsprocesses  auf  beiden  Seiten  auf : in  beiden  Fällen,  bei 
der  Malariagruppe  wie  bei  der  Gelbfiebergruppe  handelt  es 
sich  um  Störungen,  dort  in  der  Milz,  hier  in  der  Leber,  die 
in  beiden  Fällen  mit  Zerstörung  von  Lymph-  und  Blut- 
körperchen enden,  die  zu  Pigmentablagerungen  führen,  so 
dass  endlich  das  Individuum  nach  Ueberstehen  des  Processes 
sich  dem  Typus  des  Acclimitisirten  nähert  — allerdings  auf 
Kosten  seines  Kräftematerials.  Das  vom  Tropenfieber  auf 
die  eine  oder  die  andere  Weise  befallene  Individuum  hat 
an  sich  selbst  das  durchgemacht,  was  sonst  langsam  in 
mehreren  Generationen  mit  oder  ohne  Mischungen  beim 
Uebergang  vom  helleren  in  den  dunkleren  Typus  durch- 
gemacht wird. 

Betrachten  wir  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  die 
vielen,  in  sechs  Hauptklassen  bis  jetzt  geschiedenen  Tropen- 
fieber (Intermittens,  Remittens,  Perniciosa,  hämorrhagische 
Biliosa  (Berenger),  Melanurie,  Gelbfieber),  so  muss  auffallen, 
wie  einfach  Alles  sich  in  die  zwei  grossen  Hauptgruppen 
einigt,  während  wir  bisher,  verleitet  durch  die  Sucht  nach 
neuen  Nomenclaturen  ohne  richtigen  Begriff  für  das 
Wesen  der  Seuche,  uns  selbst  den  Ueberblick  über 
diese  Acclimatisationskrankheiten  erschwerten. 

Wir  sehen  in  der  Malaria-  wie  in  der  Gelbfieber-Gruppe 
Anomalien  grosser  Drüsenfunctionen  und  den  Umwandlungs- 
und Zerstörungsproeess  von  Blutkörperchen. 

Wir  sehen  diesen  Typen-  oder  Rassenumwandlungs- 
Process  in  beiden  Fällen  enden  mit  dem  Verlust  von  rothen 
Blutkörperchen  und  mit  Pigmentablagerungen.  Was  dem 
Impaludisten,  was  dem  Bacteriologen  bisher  bei  all  seinem 

8* 


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10« 


mühsamen  aber  einseitigen  Forschen  ein  Räthsel  blieb,  wird 
ihm  hier  klar  im  Lichte  des  Rassennmwandluugsprocesses, 
im  Lichte  des  Gesetzes  der  Artenbildung  durch  Zonen- 
wechsel : 

Leichtere,  mittlere,  schwere  Formen  giebt  es  auf  beiden 
Seiten,  je  nachdem  der  Fall  ambulatorisch,  oder  schwerer 
oder  gar  unter  flagranten  Vergiftungsei-scheinungen  verläuft 
(Perniciosa  und  Gelbfieber). 

Die  Tabelle,  wie  ich  sic  auf  der  Naturforscherversamm 
lang  in  Frankfurt  und  danach  in  No.  95  der  Allgem.  Medi- 
cinischen Centralzeitung  veröffentlicht  habe,  giebt  hiervon 
ein  übersichtliches  Bild  : 

Schema  zur  Rubricirung  der 
zur  Malariagruppe  (A)  und  zur  Gelbfiebergruppe  (B)  ge- 
hörenden sechs  Unterarten:  1.  Intcrmittens,  2.  Remittens, 

3.  Perniciosa,  4.  Biliosa  (hämorrh.,  Berenger),  5.  Melannrie 
und  <5.  epidemisches  Gelbfieber. 

Ilauptcharaktcristica : 


A. 

1.  Milzscbwellung 

2.  Intermittens-Curve 

3.  Chininwirkung 

4.  es  fehlt 

5.  es  fehlen 

li.  alle  Rassen  ziemlich  gleich 
empfänglich 

Intermittcns,  Remittens. 
Perniciosa. 


B. 

1.  fehlt. 

2.  fehlt. 

3.  fehlt. 

4.  Icterus. 

5.  Blutabgänge. 

fl.  Immunität  der  Neger. 

Biliosa,  Melanurie,  Gelb- 
fieber. 


Hieraus  ist  leicht  ersichtlich,  dass  Intermittens,  Re- 
mittens, Perniciosa  unter  die  Malariagruppe  A gehört  und 
Biliosa,  Melanurie,  Gelbfieber  unter  die  Gruppe  B der  Gelb- 
fieber- und  damit  verwandten  Krankheiten.  Gelegentlich 
des  Streites  über  Schwarzwasserfieber  braucht  hier  kaum 
noch  erwähnt  zu  werden,  dass  Melanurie  unter  die  Gelb- 
fiebergruppe gehört  und  die  leichtere,  nicht  epidemische  und 
nicht  ansteckende,  aber  chronische  und  endemische  Form 
der  Gelbfiebergruppc  reprüsentirt. 

Zur  leichteren,  meist  ambulant  behandelten  Form  ge- 
hört auf  Seite  der  Malariagruppe  Intermittens,  auf  Seite  der 


109 

Gelbtiebcrgruppo  Biliosa,  wie  sieh  das  in  nachfolgender 
Tabelle  übersichtlich  zeigt: 

A.  Malaria-Gruppe.  B.  Gelbfiebergruppe. 

ambulant:  1.  Intermittens  I.  Febr.  gastr.  biliös, 

schwerer:  2.  Remittens  II.  Biliosa  haeinorrhaga  und 

Melanurie. 

pernieiös:  3.  Perniciosa  III.  epidemisches  Gelbfieber. 

Aus  diesem  Beispiel  der  Vereinfachung  der  Tropen- 
ticbcr-Eintheilung  ist  ersichtlich,  wie  der  erhöhte  Stand- 
punkt vom  Gesichtspunkte  des  Rassenumbilduugspro- 
cesses  uns  den  Ueberbliek  erleichtert.  Die  doetrinären 
Unterschiede  und  Nomcnclaturhäufungen  schwinden  zu 
Gunsten  der  Zweitheilung  mit  ambulanter,  schwerer  und 
pernieiöser  Form  der  beiden  Acclimatisationsprocesse.  Impa- 
ludisten  und  Bacteriologen  reichen  sich  auf  dieser  Höhe 
des  Ueberblicks  die  Hand,  indem  sie  die  Krankheit  als  einen 
Rassenumbildungsprocess  anerkennen  und  die  Schädlinge  als 
accidentell  dabei  auffassen. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  wird  es  auch  klar, 
warum  sich  an  grössere  Wanderzüge  immer  eine  neue 
Souchen-Epoche  anzuschlicssen  pflegte:  die  an  das  neue 

Klima  nicht  gewöhnten  Organismen  boten  irgend  welchen 
neuen  ungewohnten  Schädlingen  und  Krankheitskeimen  einen 
locus  minoris  resistentiae ; so  wissen  wir  aus  der  Scuchen- 
entstehungs- Geschichte,  tauchte  nach  der  Wanderung  der 
Portugiesen  nach  Brasilien  zuerst  die  Lepra  auf,  die  auch 
im  Anschluss  an  die  jüdische  Wanderungsepoche  ins  ge- 
lobte Land  auftritt.  Auch  die  Wanderungen  der  Kreuz- 
fahrer nach  Palästina  und  der  Conquistadoren  nach  der  neuen 
Welt  folgte  die  in  Italien  sieh  massenhaft  ausbreitende  Syphilis 
und  die  erste  Kunde  vom  Gelbfieber  kam  nach  der  Er- 
oberung von  Mexico  durch  Cortez  zu  uns. 

All’  fliese  noch  in  tiefes  Dunkel  gehüllten  Sachen 
können  nur  klargestellt  werden,  wenn  wir  diesem  3.  Factor, 
der  bisher  zu  sehr  vernachlässigt  wurde,  in  der  mcdicinischen 
Forschung  in  Zukunft  mehr  Rechnung  tragen  durch  möglichst 
reichliche  Obduetions-Protoeolle  von  Schwarzen,  Weissen, 
Gelben  unter  Berücksichtigung  der  Gcschlechtsregistcr.  Besser 
als  in  Afrika  lässt  sich  solches  durchführen  in  den  Anden - 
Ländern,  wo  nicht  nur  die  3 Zonen,  kältere,  heisserc  und 


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110 


gemässigte  sich  in  Andenthftlern  und  Küstenstrichen  eng 
aneinander  schieben,  sondern  wo  auch  die  Abkömmlinge  der 
verschiedensten  Rassen  sich  mit  einander  vermischen. 

Die  Losung  heisst  demnach  hier  für  die  Zukunft: 

Das  eine  thun  und  das  andere  nicht  lassen. 

Ebenso  wie  jede  Culturnalion  heute,  unbeschadet  aller 
ihrer  eignen  und  privaten  nationalen  Bestrebungen  die  hohe 
internationale  Cultur-Mission  des  Altruismus*),  die  auf  die 
Zukunft  gerichtet  ist,  nicht  ausser  Acht  lassen  darf,  so  heisst 
es  auf  dem  Gebiete  der  wissenschaftlichen  Forschung:  un- 
beschadet aller  weiterfortzuführenden  localistischen  und  bak- 
terioskopischen  Versuche,  der  Bodenverbesserung  und 
Immunisirung  gegen  Seuchen  doch  dem  grossen  Zukunfts- 
problem des  Rassenumwandlungsprocesses,  als  welcher  sich 
die  Tropenseuchen,  wie  gezeigt,  darstellen,  in  internationalem 
centralgeleiteten  Zusammenarbeiten  jetzt  schon  Rechnung 
tragen. 

Ich  habe  zu  dem  Zwecke  eine  internationale  tropen- 
hygienische Centralstelle  für  die  Forschung  als  Sanitäts- 
Departement  neben  Gesetzgebung  und  Verwaltung  im  Staate 
vorgeschlagen  unter  Vorantritt  Deutschlands.  Sie  würde 
demnach  zuerst  in  Berlin  tagen.  Die  Besetzung  könnte  alle 
4 Jahre  auf  den  internationalen  Sanitätseongressen  wechseln. 
Ein  Entwurf  dafür  liegt  in  grossen  Zügen  von  mir  aus- 
gearbeitet bei  dem  Altmeister  deutscher  Forschung,  Geheim- 
rath Virchow,  vor. 

Anthropologisches  und  Anthropometrischcs  ist  von 
Seiten  einer  Preisaufgaben-Comraission  in  Berlin  bei  Er- 
mittelung der  Tropenseuehen-Ursprüngc  ebenso  zu  berück- 
sichtigen wie  r.-issen-  und  zonen-vcrgleicliende  Pathologie 
und  Physiologie,  die  ich  auf  der  Naturforscher-Versammlung 
in  Frankfurt  a.  M.  und  auch  schon  1894  in  Wien  vorschlug, 
wo  dieser  mein  Antrag  angenommen  wurde.  Er  zielte 
darauf,  die  deutsche  Reichsregierung  möge,  nachdem  die 
Colonialgesellschaft  10  Jahre  hindurch  unter  meiner  Führung 
die  Vorarbeiten  der  tropenhygienischen  Fragebogen  geliefert 
hat,  sich  der  Sache  iin  Sinne  meines  Antrages  annehmen. 

*)W  ie  Weltpostverein,  Welttelegraphen-,  Welttcleplioiiverband  etc. 


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111 


Ich  selbst  wurde  damit  beauftragt,  die  weiteren  Ver- 
handlungen in  Berlin  cinzuleiten  (siehe  Wiener  Verhandlungen 
1894  pag.  492). 

Zum  Zwecke  einer  centralgeleiteten,  tropenhygienischen 
Forschung,  wo  die  Frage  der  Rassenresisten/,  ebenso  zur 
Geltung  käme  wie  die  der  Localisten  und  Impaludisten  und 
die  der  Bacteriologen,  müssten  wir  uns  das  statistische  und 
polizeiliche  Material  aller  colonisirenden  Nationen  zugänglich 
machen  auf  dem  von  mir  durch  die  tropenhygienischeu 
Fragebogen  eingeschlagenen  Wege.  Die  verschiedenen  Na- 
tionen müssten  zusammen  arbeiten  und  pathologisch  anatomisches 
wie  physiologisches  Material  von  Schwarzen,  Weissen,  Gelben, 
von  neu  zugewanderten  und  altansässigen  müsste  verglichen 
werden.  Der  Rassenumbildungsprocess  müsste  an  Milz,  Leber, 
Nieren  und  Pigmentirungen  der  verschiedenen  lang  und  kurz 
ansässigen  Weissen  und  der  Pigmcntirten  in  den  Tropen 
studiert  und  verglichen  werden. 

Die  polizeilich  geführten  Geschlechtsregister  spielen 
dabei  die  wichtige  Rolle  zur  Orientierung  über  den  Acclima- 
tisationsgrad,  den  das  Individuum  wie  die  Rasse  bei  dem  Um- 
wan dlungsprocessc  erlangt  hat.  Alle  Krankheitsbeobachtungen 
ohne  diesen  Anhalt  sind  mehr  oder  weniger  werthlos.  Alle 
Plasmodien-,  Milz  , Blut-Beobachtungen  etc.  ohne  das  genaue 
Nationale  der  Person,  ohne  Angabe  über  begonnene  Pig- 
mentirungen sind  mehr  oder  weniger  in  der  Luft  schw'cbend. 
Denn  es  kommt  darauf  an,  diese  einzelnen  Beobachtungen 
in  die  grosse  Tabelle  einzureihen,  wo  für  jede  weitere  Ge- 
neration und  für  jede  weitere  Farbennüance  eine  neue  Rubrik 
eingerichtet  ist. 

Erst  der  Gesnmmtübcrbliek  über  die  Reihen  der  Ge- 
schlechter, der  mehr  und  der  weniger  Pigmcntirten  und 
Acclimatisirten,  wird  dann,  wenn  die  Rubriken  ausgefüllt 
sind,  ergeben  eine  wie  grosse  Rolle  unter  den  3 Factoren 
der  bisher  am  meisten  vernachlässigte  Factor  der  Rassen  - 
resistenz  bei  der  Tropentiebcrentstehung  spielte. 

Dass  er  von  allen  drei  Factoren  der  wichtigste  ist 
würden  diese  Obductionsresultate  und  diese  anthropometrisehen 
Daten  erweisen,  durch  die  wir  die  Tropenfieber  als  Rassen- 
uimvandlungsprocesse,  als  überstürzte  oder  verzögerte  Aecli- 
masatitionsproeesse  kennen  lernen  und  durch  die  wir  auch  die 


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richtigen  Mittel  gegen  diese  Seuchen  kennen  lernen  würden. 
So  gut  und  anerkennenswerth  die  Bemühungen  der  Impalu  - 
disten  um  die  Bodenverbesserung  und  der  Bakteriologen  um 
die  Immunisirung  sind,  wir  würden  mit  Hülfe  der  rassen- 
und  zonenvergleichenden  Physiologie  und  Pathologie  und  der 
Rassenumwandlungslehre,  wie  ich  sie  zu  studieren  vorgeschlagen 
habe,  erst  lernen,  welche  Auswahl  zu  treffen  wäre  unter  den 
Typen , die  hinausgeschickt  werden  dürften  und  welche 
Rassenunterschiede  uns  auf  die  loci  minoris  resistentiae  in 
unserem  Körper  hinweisen  im  Vergleich  mit  den  gewissen 
Krankheiten  gegenüber  nahezu  immunen  Rassen,  wie  z.  B. 
der  Neger  beim  Gelbfieber. 

Organmessungen,  Vergleiche  der  Nahrungsaufnahme,  der 
Hautthätigkeit  — nicht  im  kleinen  Massstabe  wie  bisher, 
sondern  im  Grossen  mit  Hülfe  der  holländischen  und  englischen 
jahrzehntelangen  Messungen  angestellt,  würden  sehr  bald  über 
diese  dunklen  Punkte  der  Tropenfieber-  und  Tropenseuchen- 
Entstehung  grösseres  Licht  schaffen. 

Wer  den  Verhandlungen  der  Tropenhygiene-Sektion 
auf  den  Naturforscherversammlungen  gefolgt  ist,  wird  die 
Einzelheiten,  die  hier  nothwendig  sind,  einsehen. 

So  viel  ist  für  Jeden  ersichtlich,  dass  ein  längeres 
Säumen  mit  solchem  methodischen,  internationalen,  central- 
geleiteten Vorgehen  nur  Zeitverlust  und  vom  Uebel  ist  für 
alle  an  der  Colonisation  der  Tropen  Betheiligten,  für  die 
Wissenschaft  am  meisten,  für  die  es  endlich  Zeit  ist,  dass 
sie  aus  ihrer  Stellung  als  dienende  Magd  oder  doch  wenigstens 
als  Stiefkind  des  Staats  endlich  erlöst  wird. 

Und  das  kann  nur  geschehen  durch  den  von  mir  zu 
dem  Zwecke  vorgeschlagenen  Welthygiencverband,  das  Welt- 
hygiene-Parlament, zu  dem  die  von  mir  angeregte  tropen- 
hygienische Centralstelle  die  Vorstufe  bilden  würde. 

Wenigstens  führte  diese  in  erster  Linie  zu  einem 
Sanitätsministerium,  das  wir  längst  haben  sollten. 

Das  Ueberschcn  so  wichtiger  Forderungen  nach  centraler 
Leitung  hat  manche  fühlbare  Schäden  nach  sich  gezogen  : 
Das  Quacksalberthum  der  Homöopathie  hätte  sich  nicht  so 
ausbreiten  können,  hätten  wir,  als  wir  die  Maxiinal-Dosen 
der  Arzneimittel  erforschten,  auch  die  Minimal-Dosen  nicht 
vernachlässigt.  Seitdem  kann  jeder  Homöopath  mit  geheim- 


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113 


nissvoller  Miene  von  seinen  mysteriösen  Minimaldosen  sprechen, 
an  deren  Wirkung  wir  zwar  nicht  glauben,  deren  Unwirk- 
samkeit aber  bis  jetzt  noch  der  wissenschaftlich  experimentellen 
Feststellung  ermangelt,  weil  kein  praktischer  Arzt  es  der 
Mühe  werth  hielt,  sich  darum  zu  bekümmern.  Die  Central- 
Leitung  fehlte  eben. 

Diese  Betrachtungen  zeigen  uns,  dass  wir  die  Behandlung 
der  Tropenfieber  von  einem  erhöhten  Gesichtspunkte  aus  in 
Angriff  nehmen  müssen.  Weder  der  bakterioskopischc  Stand- 
punkt allein  noch  der  der  Impaludistcn  allein  genügt.  Beide 
gehen  in  ihren  Endzielen  weit  auseinander.  Wie  überall, 
wo  zwei  ehrlich  Suchende  sich  nicht  einigen  können,  müssen 
wir  die  Wahrheit  zwischen  ihnen  suchen.  Beide  haben  in 
gewissem  Sinne  Recht,  sie  werden  sich  aber  erst  miteinander 
vereinen  im  Studium  des  Rassen-  und  Typcn-Umwand 
lungsprocesses,  welcher  laicht  verbreitet  über  die  bisherige 
grosse  Lücke  in  unserer  darwinistischen  Welt-  und  Natur 
anschauung. 

Dr.  E.  Below. 


Kulihospitäler  an  der  NordostkUste  Sumatras. 

Von 

Hofrath  Dr.  L.  Martin, 

früher  Artt  im  Dienste  der  Tabak  mimt  «chappy  Arenduburg  und  der  Dali-MaMchappy. 


(Fortsetzung  und  Schluss.) 

Die  kranken  Kulis,  welche  je  nach  ihrem  Zustande  zu 
F us8  oder  auf  Ochsenkarren  im  Hospitale  anlangen,  erhalten 
bei  ihrer  Aufnahme  eine  eigene,  durch  besondere  Farbenwahl 
leicht  erkennbare  Hospitalkleidung,  wogegen  sie  ihre  meist 
defccte  und  oft  ungenügende  Garderobe  zur  Reinigung, 
eventuell  Dcsinfection  und  Aufbewahrung  einliefern.  Die 
Einrichtung  einer  besonderen  Ilospitalkleidung  ist  ein  für 
Aufrechterhaltung  der  Disciplin  nicht  unwichtiger  Factor,  da 
entlaufene  oder  sonst  per  tiefas  ausserhalb  des  Hospitals  ver- 
weilende Kranke  sich  durch  die  Kleidung  schnell  verrathen 
und  so  zur  Rückeinlieferung  Veranlassung  geben.  Die  Hospi- 
tal-Kleidung besteht  für  Chinesen  aus  einer  kurzen,  mit 
Schnüren  zu  schliessenden  Jacke  aus  blau-roth  earrirtein 


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114 


durcheilt  und  einer  weiten,  dem  chinesischen  »Schnitte  ent- 
sprechenden Ilose  uus  dunkelblauer,  dicker  Leinwand.  Ja- 
vnnon,  Klings,  Tamils,  Eingeborene  von  Madras  und 
der  Malabarküste,  und  Malaien  erlialten  die  gleichen  Jacken 
und  dunkelblaue  Sarongs,  Hüfttücher,  aus  gleichem  Stoffe 
wie  die  chinesischen  Beinkleider.  Ausser  der  Kleidung  em- 
pfangen die  Leute  noch  je  drei  irdene  Essgefksse,  ein  blechernes 
Wassergefäss,  ein  chinesisches,  aus  überlacktem  Papiermache 
gefertigtes  Kopfkissen,  eine  Palembang  - Schlafmatte  und 
eine  unter  Umstunden  auch  zwei  aus  Europa  importirte, 
dicke  Wolldecken.  Die  Verabreichung  von  guten  Woll- 
decken ist  eine  für  tropische  Verhältnisse  höchst  werthvolle, 
sanitäre  Massrcgcl,  erstens  schon  der  Unzahl  von  Mosquito’s 
halber,  welche  in  ihrer  Men"e  bei  ohnehin  schwachen  und 
blutarmen  Kranken  nicht  zu  unterschätzende  Blutverluste 
verursachen  können  und  gegen  welche  die  Decken  wirksamen 
Schutz  verleihen.  Zweitens  aber  haben  die  Kranken,  be- 
sonders Malaria  patienten,  trotz  der  verhültnissmüssig  hohen 
nächtlichen  Luittemperatur  (meist  über  20°  R.)  und  trotz  des 
Umstandes,  dass  sie  ausserhalb  des  Hospitals  in  gesundem 
Zustande  häufig  die  Nächte  ohne  Decke  zubringen,  eine 
warme  Bedeckung  zur  Erhaltung  ihrer  Eigenwärme  dringend 
nüthig,  denn  zahlreiche,  des  Morgens  beim  Erwachen  ausge- 
führte  Messungen  bei  Kranken,  welche  die  Nacht  ohne  Decke 
verbracht  hatten,  haben  subnormale  Werthe  ergeben.  Unter 
Tags  werden  die  Patienten  angehalten,  Schlafmatte,  Decken, 
Kopfkissen  und  eventuell  der  Wärme  halber  abgelegte 
Kleidungsstücke  ordentlich  zusammengefaltet  am  Kopfende 
der  hölzernen  Schlafstätte  zu  bewahren.  Matratzen  sind  ein 
dem  gewöhnlichen  chinesischen  Kuli  völlig  unbekannter 
Luxus  und  werden  solche  deshalb  nur  bei  besonderen,  solchen 
Schutz  erfordernden  Fällen  verabreicht;  die  geflochtenen  Palern- 
bangmatten  dagegen  entsprechen  den  Bedürfnissen  der  Kulis, 
bilden  eine  kühle,  angenehme  Unterlage,  lassen  sieh  von 
jeder  Beschmutzung  leicht  reinigen  und  bieten  dem  Ungeziefer 
keine  unerreichbaren  Schlupfwinkel. 

Kranke  mit  profusen  Diarrhoeen,  Blutdiarrhoe  und 
Cholera  linden  sofort  in  dem  hier  zu  besprechenden  Diarrhoe- 
saal  Aufnahme,  während  die  meist  reichlich  mit  Abgängen 
beschmutzten  Ochsenkarren  einer  gründlichen  Dcsinfection 


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unterworfen  werden.  Die  ganz  enorme  Häufigkeit  der  Ent- 
leerungen, die  damit  verbundene  unglaubliche  Beschmutzung 
des  Materials  und  der  ganz  ungewöhnlich  unangenehme, 
besonders  den  schweren  ßlutdiarrhocen  anhaftende,  penetrante 
Geruch  erfordern  gebieterisch  das  Bestehen  eines  eigenen 
Diarrhoesaals.  Derselbe  wird  2 — 3 stündlich  mit  Purifier- 
lösung,  einem  englischen,  dem  Creolin  sehr  ähnlichen  Präpa- 
rate, ausgewaschen,  wodurch  einigermassen  für  Reinlichkeit 
und  athembare  Luft  gesorgt  ist,  da  der  Purifier  rasch  und 
dauernd  andere  Gerüche  beseitigt.  Beschmutzte  Schlafstätten, 
hier  die  Kegel,  weil  die  Mehrzahl  der  Kranken  die  bereit- 
stehenden, blechernen  Leibschüsscln  unbenutzt  und  unter  sich 
gehen  lässt,  werden  ebenfalls  sofort  mit  Purifierlösung  abgo- 
spiilt  und  dann  direkt  den  tropischen  Sonnenstrahlen  bis  zur 
völligen  Trockenheit  ausgesetzt.  Einige  der  Betten  haben 
auch  da,  wo  ungefähr  der  Anus  des  Patienten  zu  liegen 
kommt,  eine  in  die  Bretter  eingesetmittene  Öffnung,  unter 
welcher  dann  die  Lcibschüssel  steht.  Besonders  Kranke  mit 
Blutdiarrhoe  mit  60 — 80  Entleerungen  im  Tage  ziehen  solche 
Betten  allen  anderen  vor,  da  sie  so  weder  Liegestatt  noch 
Decke  beschmutzen  und  auch  des  mühsamen  Ganges 
zum  Nachtstuhlc  enthoben  sind.  Chinesische  Cholerakranke 
klagen  ständig  über  innere  Hitze  und  ertragen  keinerlei  Be- 
deckung, müssen  sogar  oft  mit  Gewalt  davon  abgehalten 
werden,  sich  völlig  unbekleidet  auf  den  kalten,  nassen  Cement- 
boden  des  Saales  zu  legen  — im  grossen  Gegensätze  zu  am 
gleichen  Leiden  erkrankten  Europäern,  welche  nicht  warm 
genug  bedeckt  werden  können  und  fortgesetzt  Kältegefühl 
äussern.  Der  Wärter  des  Diarrhoesaals  hat  beständig  einen 
kleinen  Petroleum-Kochapparat  zur  Hand,  mit  dein  er  sofort 
die  nöthigen  Wassermengen  erwärmt  für  die  oft  Wunder 
wirkenden,  häufig  in  Anwendung  kommenden,  heissen  Tannin- 
einläufe.  Zu  erwähnen  ist  hier,  dass  niemals  einer  der  Wärter 
des  Diarrhoesaals,  an  welche  grosse  Anforderungen  gestellt 
werden,  an  Blutdiarrhoe  oder  Cholera  erkrankte.  Es  Hessen 
sich  jedoch  zur  Ausfüllung  dieses  Postens  nur  Opiumraucher 
herbei,  welche  durch  die  höhere  Besoldung  dieser  Stelle  eine 
ausgiebige  Befriedigung  ihrer  Leidenschaft  erzielten. 

Das  Personal  des  Hospitals  hat  folgende  Zusammen- 
setzung: 1.  Ein  europäischer  Arzt,  dem  ein  europäischer 


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Assistent,  meist  ein  gelernter  Apotheker,  zur  Seite  steht; 
letzterer  besorgt  auch  die  Herstellung  der  nöthigen  Arzneien 
und  Präparate. 

2.  Ein  chinesischer  Oberaulseher,  der  das  gesummte 
chinesische  Personal  unter  sich  hat  und  für  Aufrechterhaltung 
von  Ordnung,  Disciplin  und  Reinlichkeit  verantwortlich  ist ; 
er  theilt  auch  die  kleinen,  in  einem  tropischen  Hospitalhnus- 
lialte  unumgänglichen  Disciplinarstrafen  aus. 

3.  Ein  javanischer  Oberaufseher,  verantwortlich  für  die 
lnohamedanischen  und  Ilindu-lnsassen  des  Hospitals,  Javancn, 
Tamils  und  Malaien. 

4.  Je  ein  chinesischer  Wärter  für  die  drei  Barraken 
und  den  Diarrhoesaul. 

5.  -Ein  Chinese,  dem  Ordnung  und  Reinlichkeit  im 
Operationszinuncr  und  die  zahlreichen,  täglichen  Temperatur- 
messungen aufgetragen  sind. 

6.  Zwei  aus  dem  Punjab  stammende,  früher  in  der 
englischen  Colonialarmee  gedient  habende  .Sikhs,  denen  der 
uöthige  Polizeidienst,  Nachtwachen  mit  Stundenschlagen  aut 
einem  Gong,  Rücktransport  der  geheilten  Kranken  auf  die 
Plantagen  und  die  Besorgung  der  Lampen  obliegt. 

7.  Ein  javanischer  Gärtner  mit  zwei  ebenfalls  java- 
nischen Gehilfen,  welche  für  die  Gartenanlagcn  im  Areal  des 
Hospitals  und  für  Niedrighalten  des  hohen  Grases  in  der 
nächsten  Umgebung  des  Hospitals  zu  sorgen  haben.  Letzteres 
ist  wegen  der  häutigen,  stets  Feuergefahr  mit  sich  bringenden 
Grasbrändc  unumgänglich  nöthig. 

8.  Ein  chinesischer  Gemüsegärtner,  welcher  auf  einem 
zum  Hospitale  gehörigen,  aber  ausserhalb  des  Areals  gelegenen 
Terrain  das  für  die  Insassen  täglich  uöthige  Quantum  von 
frischem  Gemüse  zu  ptlanzen  hat,  wofür  er  ausser  einem 
testen,  monatlichen  Gehalt  eine  dem  Werth  der  abgelieferten 
Vegotabilien  entsprechende  Entschädigung  erhält  — eine  sehr 
gesuchte  Stelle,  welche  ihren  Inhaber  meist  rasch  bereichert, 
da  er  von  den  Abfällen  der  Gärtnerei  Schweinezucht  treiben 
kann.  Zu  diesem  Zwecke  verkauft  ihm  auch  der  Koch  des 
Hospitals  alle  Abfälle  der  Anstalt  um  ein  Billiges. 

S).  Ein  Tamil  Wäscher  aus  Madras  zur  Reinigung  der 
Hospitalkleidung;  auch  Bengalen  aus  Calcutta  linden  (dt 
Verwendung  in  dieser  Stelle. 


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10.  Ein  chinesischer  Koch  mit  einem  chinesischen 
Gehilfen. 

Die  monatliche  Besoldung  des  geflammten , farbigen 
Personals,  welches  mit  wenigen,  auf  religiöse  Vorschriften 
begründeten  Ausnahmen  freie  Kost  im  Tlospitul  bezieht, 
betrügt  ungefähr  130  Dollars,  früher  nahezn  Mk.  520,  zur 
Zeit  bei  dem  niedrigen  Silbcrwerthe  nur  ungefähr  Mk.  260. 

Der  tägliche  Dienst  wurde  in  der  folgenden  Weise 
gehandhabt : Morgens  um  sechs  Uhr  mit  dem  in  jenen 

Breiten  zu  jeder  Jahreszeit  glcichbleibenden  Tagesanbruch 
werden  die  Barraken  durch  den  die  Schlüssel  führenden 
Sikhwächter  im  Beisein  des  europäischen  Assistenten  geöffnet, 
welcher  sich  nun  bei  einem  ersten,  raschen  Gange  durch  die 
Locale  von  dem  Zustande  der  schweren  Patienten  und  der 
Zusammensetzung  der  Stühle,  ob  mit  oder  ohne  Blut,  in  den 
während  der  Nacht  gebrauchten  Leibschüsseln  überzeugt. 
Die  chinesischen  Wärter  sorgen  nun  für  die  nüthische  Reini- 
gung nnd  für  Wegbringung  der  Nachtstühle  und  Uringefasse, 
deren  je  drei  in  jeder  Barrake  stehen  — Leibschüsseln 
erhalten  nur  die  besonders  zu  beobachtenden  Kranken  — , 
während  die  Patienten  zum  Flusse  eilen,  um  ihr  Morgenbad 
zu  nehmen.  Kurz  nach  sieben  Uhr  erscheint  der  Arzt  zur 
Visite  und  werden  auf  diese  folgend  allenfalls  nöthig 
gewordene  Verbandwechsel  und  die  Behandlung  der  stets 
anwesenden  Augenkranken  vorgenommen,  auch  erhalten  die 
zur  Entlassung  kommenden  Kulis  letzte  Vorschriften  und  ihre 
Papiere.  Während  dieser  Maassnahmen  sind  in  der  Vorhalle 
des  Operationszimmers  sämmtliche  Luetiker,  denen  Ein- 
reibungen verordnet  sind,  angetreten  und  reiben  corarn  medico 
und  unter  den  aufmunternden  Augen  des  chinesischen  Ober- 
anfsehers  kräftig  ein  — die  einzige  Manier,  um  bei  diesen 
Patienten  eine  erfolgreiche  Inunctionskur  durchzusetzen. 
Frisch  an  Lues  Erkrankte  erhalten  während  der  arbeits- 
reichen Pflanzzeit  Calomelinjectionen,  um  schwere  Symptome 
bis  zur  Einbringung  der  Ernte  hintan  zu  halten.  Vor 
Reengagement  von  Luetikern  werden  die  Pflanzer  vom  Arzte 
gewarnt,  da  Inficirte  meist  im  zweiten  Jahre  nicht  ira  Stande 
sind,  ein  Feld  zu  bearbeiten  und  besser  bei  leichterer 
Arbeit  fahren,  abgesehen  davon,  dass  sie  die  Pflanzung 
schwer  durch  fortgesetzte  Hospitalunkosten  belasten.  Um 


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elf  Uhr  erfolgt  die  zweite  ärztliche  Visite,  zu  welcher  die 
Morgentemperaturen  von  säinmtlichen  Fieberkranken  vor- 
liegen. Der  mit  den  Temperaturmessungen  betraute  Chinese, 
stets  ein  höchst  verlässiger  und  gewissenhafter  Mann,  dem 
durch  die  zahllosen  Messungen  eine  grosse  Routine  eigen 
ist,  hat  zu  diesem  Zwecke  alle  Patienten,  so  weit  sie  im 
Stande  sind  zu  gehen,  in  der  Vorhalle  des  Operationszimmers 
vereinigt.  Dort  liegen  sie  reihenweise  auf  Matten  und 
werden  mit  Maximalthermometern  in  ano  gemessen.  Der 
Chinese  vermerkt  auf  einer  Liste  die  gewonnenen  Tempera- 
turen, welche  dann  der  Arzt  unter  Aufrufung  des  betreffenden 
Patienten  in  dessen  Krankengeschichte  einträgt,  worauf  dann 
sofort  die  Verabreichung  der  nöthigen  Chininmenge  in 
Lösung  erfolgt.  Nach  Abschluss  der  Krankengeschichten 
erhalten  sämmtliche  Fieberkranke  noch  ein  ungefähr 
200  grammes  fassendes  Glas  Cocktail,  eine  der  Stokes’schen 
Mixtur  nicht  unähnliche  Mischung  aus  Milch,  Ei  und  Cognac 
oder  Genever  unter  Zusatz  von  Zucker;  auch  diese  Ordination 
hat  coram  medico  zu  erfolgen,  weil  die  Kranken  ohne  Zusicht 
den  heilsamen  Trank  einfach  verweigern  oder  an  aus- 
gesprochene Alkoholliebhaber,  wie  sie  auch  unter  Chinesen 
Vorkommen,  vertauschen  oder  verkaufen  würden.  Jene 
Kranken,  welche  nicht  im  Stande  waren,  auf  eigenen  Füssen 
zur  Temperaturmessung  zu  kommen,  werden  nun  noch  an 
ihren  Betten  besucht  und  erhalten  dort  Chinin  und  Cocktail. 
Nachmittags  gegen  ein  halb  vier  Uhr  beginnt  der  Verband- 
wechsel für  die  stets  in  grosser  Zahl  im  Hospitale  befindlichen 
Patienten  an  Ulcus  cruris,  wobei  auch  alle  nöthigen  Opera- 
tionen ausgeführt  werden.  Die  Menge  dieser  Kranken  ist  in 
zwei  Abtheilungen  geschieden,  von  denen  immer  eine  jeden 
zweiten  Tag  frische  Verbände  erhält.  An  ein  längeres 
Liegenlassen  der  Verbände  ist  unter  den  Tropen  nicht  zu 
denken , sowohl  wegen  der  starken  Hautsekretion  als  auch 
wegen  der  raschen  Zersetzung  von  selbst  gut  inprägnirten 
Verbandsstoffen;  am  häufigsten,  besser  zwei  Mal  als  ein  Mal 
täglich,  müssen  feuchte  Verbände  gewechselt  werden.  Sofort 
auf  den  Verbandwechsel  folgt  die  zweite,  tägliche  Temperatur- 
aufnahme  mit  abermaliger  Verordnung  von  Chininlüsung  und 
Cocktail.  Abends  um  acht  Uhr,  zwei  Stunden  nach  der 
Abendmahlzeit  der  Kranken  erfolgt  die  letzte  Visite.  Die 


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Kranken  befinden  sieh  dann  auf  ihren  Betten,  bereit  zum 
Schlafe.  Assistent  und  die  Aufseher  begleiten  den  Arzt  und 
der  sonst  mit  den  Temperaturmessungen  betraute  Chinese 
trägt  einen  offenen  Kasten,  in  welchem  alle  in  der  Regel 
zur  Verwendung  kommenden  Arzneimittel  in  Lösung  oder 
Pillenform  vorhanden  sind.  Die  Lösungen  sind  für  jene 
nicht  allzu  seltenen  Patienten,  welche  unter  Markirung  einer 
Sehluekbewegung  die  Pillen  im  Munde  bewahren  würden  f 
um  sie  nach  der  Visite  ungebraucht  wieder  zu  entfernen, 
theils  aus  Misstrauen  gegen  europäische  Arzeneien,  theils 
aus  Angst  vor  den  technischen  Schwierigkeiten  des  Pillen- 
sehluekens.  Nun  kommt  Eisen,  Arsen,  Jodkali,  Opium  und 
im  Diarrhocsaal  die  offiziellen,  aus  Rismuth,  Dermatol  und 
Opium  bestehenden  Diarrhoepulver  je  nach  Bedarf  zur  Aus- 
theilung,  ausserdem  werden  allenfalls  noch  nöthige  subcutane 
Injectionen  mit  Chinin,  Morphium  oder  Campher  ausgeführt 
und  die  letzten  für  die  Naeht  geltenden  Anordnungen 
getroffen.  Jeder  Kranke  hat  nochmals  Gelegenheit,  sich 
direkt  an  den  Arzt  zu  wenden,  der  von  Bett  zu  Bett  geht. 
Nach  dieser  letzten  Visite  bringen  die  Wärter  Nachtstühle 
und  ITringefiisse  in  die  Barraken , die  seit  sechs  Uhr 
brennenden  Lampen  werden  bis  auf  eine  gelöscht  und  der 
Sikhwächter  schliesst  dann  die  Gebäude  ab.  Die  meisten 
Kranken  fallen  in  ihre  Decken  gehüllt  rasch  in  Schlaf,  nur 
da  und  dort  glüht  auf  einer  Lagerstätte  ein  kleines  Lämpchen, 
dessen  matter  Schimmer  in  regelmässigen  Intervallen  von 
narkotisch  riechenden  Dämpfen  verdüstert  wird;  die  Flüster- 
stimmen einiger  dort  lagernder  Zopfträger  lassen  uns  erkennen, 
dass  da  der  geliebtesten  Leidenschaft,  dem  Opiumrauchen, 
gefröhnt  wird. 

Die  im  Hospitale  verabreichte  Kost  ist  selbstverständlich 
der  Lebensweise  und  Gewohnheit  der  Leute  ausserhalb  der 
Anstalt  angepasst.  Der  gesunde  chinesische  Kuli  isst  nur 
drei  Mal  im  Tage  und  bestehen  seine  Mahlzeiten  in  der 
Hauptsache  aus  Reis  mit  Zuthat  von  Gemüsen  und  gesalzenem 
Fisch ; die  Zuthaten  bereitet  er  reichlich  mit  Schweinefett 
zu.  Fleisch  dagegen  ist  eine  Leckerei,  welche  er  sich  meist  nur 
an  seinen  Feiertagen  erlaubt.  In  China  mit  seiner  überreichen 
Bevölkerung  ist  auch  der  Reis  nicht  für  Jedermann  erreichbar 
und  nähren  sich  dort  Tausende  nur  von  den  sogenannten 


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chinesischen  Kartoffeln,  den  Knollenfrüchten  von  Batatas 
edulis,  einer  Convolvulusart.  Unsere  Kranken  erhalten  Morgens 
sofort  nach  Eröffnung  der  Baracken  einen  wannen,  steifen 
Reisbrei  mit  Beigabe  eines  Stückchens  Salzfisch  und  einer 
Hortion  in  Schweinefett  geschmorter,  schon  am  vorhergehenden 
Tage  eingeweichter,  brauner  Rohnen.  Mittags  uni  zwölf  Uhr 
ist  die  Hauptmahlzeit,  welche  aus  drei  Gerichten  besteht: 
I . weich,  doch  trocken  gekochter  Reis,  2.  mit  Salz  und 
Schweinefett  in  Wasser  gekochtes  Gemüse,  meist  Spinat,  Kohl, 
Lobak,  d.  s.  chinesische  Rettige,  Bohnen,  Bobnenkeime  oder 
Eierfrüchte,  d.  s.  die  Früchte  von  Solanum  edulis,  3.  mit 
Fleischsuppe  gekochter,  dicker  Reisbrei,  dem  nach  chinesischer 
Art  in  kleine  Stücke  gehacktes  Rindfleisch  beigemischt  ist. 
Der  Koch  und  sein  Gehilfe  bringen  diese  Gerichte  in  grossen 
Holzkübeln  vor  den  Haupteingang  der  Barracken  und  die 
Kranken  erscheinen  mit  ihren  Essgefässen,  um  sich  von  jeder 
Speise  das  nöthige  Quantum  zu  holen.  Für  die  Schwerkranken, 
welche  nicht  gehen  können,  holen  die  Nachbarn  möglichst 
grosse  Portionen,  um  auf  das  von  jenen  Uebriggelassene 
Anrechte  zu  erwerben.  Die  Austheilung  der  Portionen  wird 
mit  grossen,  aus  halben  Kokosnüssen  hergestellten  Schöpf- 
löffeln bewerkstelligt.  Vorher  erhielt  schon  jeder  Kranke 
zur  Würze  der  Speisen  ein  abermaliges,  grösseres  Stück 
Salzfisch,  welches  er  sich  zum  Gebrauche  kleingerieben  oder, 
wenn  er  in  der  Küche  in  Gunst  steht,  dort  mit  etwas 
Schweinefett  hat  rösten  lassen.  Bei  der  Speisenaustheilung 
geht  es  nicht  immer  ganz  friedlich  zu ; jeder  will  die  grösste 
und  schönste  Portion  und  schimpft,  wenn  er  sich  in  seinen 
Erwartungen  getiluscht  sieht,  auf  den  Koch,  welcher  seiner- 
seits die  harten  Worte  mit  Zinsen  zurückgiebt,  so  dass 
europäische  Aufsicht  oder  doch  mindestens  die  Anwesenheit 
des  chinesischen  Oberaufsehers  hier  sehr  wohl  am  Platze  ist. 
Nachmittags  kommen  die  Extrakosten  zur  Vertheilnng,  welche 
aus  frischen  Früchten,  in  Salz  eingelegten  Enteneiern,  Weiss- 
brod  und  Milch  bestehen.  Als  Früchte  eignen  sich  am  Besten 
die  billig  am  Platze  zu  erstehenden  Bananen  (Pisangs),  ferner 
Orangen,  für  welche  fiebernde  Chinesen  eine  besondere  Vor- 
liebe besitzen,  und  noch  mehr  die  sehr  schmackhaften  und 
gesunden  Früchte  von  Carica  Papaya.  Die  Papnyab&amc 
geben  nach  6 — 7 Monuten  bereits  eine  reichliche  Ernte  und  es 


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sollte  bei  jedem  tropischen  Hospitale  eine  grosse  Pflanzung 
derselben  bestehen.  Die  Lieferung  der  Milch  besorgt  ein 
bengalischer  Milchbauer,  welcher  mit  seinen  Kühen  einen 
dem  Hospitale  gehörenden  Kuhstall  bewohnt  und  dem  die 
Benutzung  der  umliegenden  Grasplätze  zugestanden  ist.  Dafür 
giebt  er  die  Flasche  Milch  zu  einem  billigen  Ausnahmspreis 
(12  Dollarcents)  an  das  Hospital  ab.  Im  nahen  Städtchen 
besitzt  die  Milch  mindestens  den  doppelten  Werth.  Die  mit 
Sonnenuntergang  um  sechs  Uhr  verabreichte  Abendmahlzeit 
besteht  aus  den  gleichen  Gerichten  wie  das  Mittagsmahl,  nur 
befinden  sich  nun  im  Reisbrei  an  Stelle  des  Rindfleisches 
grosse  Stücke  von  weichgekochten,  chinesischen  Kartoffeln. 

Dieselben  bezieht  das  Hospital  von  den  Gemüsegärtnern 
in  der  Umgebung  des  Städtchens  für  70  Dollarcents  das 
Pikol  (60  gf).  Als  Getränke  steht  den  Kranken  den  ganzen 
Tag  Aufguss  von  chinesischem  Thee,  kalt  und  warm,  zur 
Verfügung.  Alkohol,  soweit  nöthig,  kommt  in  den  schon 
erwähnten  Cocktails  zur  Verabreichung,  während  Wein,  den 
Chinesen  etwas  völlig  Unbekanntes  und  Unerwünschtes,  nur 
auf  specielle,  ärztliche  Verordnung  gegeben  wird. 

Erwähnung  verdient  noch  das  Opium,  welches  in  einem 
Hospitale  mit  chinesischen  Patienten  natürlich  eine  grosse 
Rolle  spielt.  Im  Allgemeinen  besteht  der  Grundsatz,  keinerlei 
Rauchopium  an  die  Kranken  zu  geben,  jene  aber,  welche 
den  nöthigen  Vorrath  mit  sich  bringen,  am  Gebrauche  dieses 
Genussmittels  nicht  zu  hindern.  Doch  bestehen  Fälle,  in 
denen  eine  Ausnahme  gemacht  werden  muss.  Es  sind  dies 
in  erster  Linie  plötzlich  zu  Schaden  gekommene  Opium- 
raucher mit  schweren  Verletzungen,  Knochenbrüchen  oder 
Wunden;  sie  dürfen  unter  keiner  Bedingung  der  Unruhe 
und  .Jactation  der  Abstinenzerscheinungen  ausgesetzt  werden 
und  ist  ein  normaler  Krankheitsverlauf  ohne  ihr  gewohntes, 
tägliches  Quantum  von  Opium  nicht  zu  erreichen.  In  zweiter 
Reihe  dürfen  auch  Patienten  an  schweren,  internen  Krank- 
heiten, besonders  Darmleiden,  nicht  ohne  das  ihnen  noth- 
wendig  gewordene  Genussmittel  bleiben.  Die  tägliche,  im 
Hospitale  gereichte  Opiumration  entspricht  dem  Durchschnitts - 
quantum,  welches  ein  gesunder,  opiumrauchender  Kuli  bedarf, 
und  beträgt  2 Hun  (chinesisches  Gewicht),  ungefähr  1,5  gram., 
welche  auf  8 Dollarcents  zu  stehen  kommen.  Der  chinesische 

Srthlr  r.  Schiff*-  u.  Tropcchyglen*.  9 

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Oberaufseher  hat  den  Opiumvorrath  in  Hilmlen  und  giebt  in 
einer  kleinen  Muschelschale  den  Heilsaft  an  die  vom  Arzte 
bczeichncten  Kranken  ab.  Nun  befindet  sich  aber  im  Hospi- 
tale noch  eine  grosse  Anzahl  von  Chinesen,  welche  ausser- 
halb der  Anstalt  täglich  Opium  gebrauchen,  nun  aber  in 
Folge  eines  Fussgeschwüres  oder  einer  Malariainfection  zum 
Spitalaufenthalt  gezwungen,  ohne  Verdienst  sich  ihr  Genuss- 
mittel  nicht  verschaffen  können.  Wollte  man  allen  diesen 
Gästen  Rauchopium  verabreichen,  so  würde  ganz  abgesehen 
von  den  hohen  Unkosten  das  Hospital  erstens  einer  Opium- 
hühle  gleichen,  zweitens  würden  aber  auch  alle  Krankheiten 
und  Wunden  einen  äusserst  schleppenden,  langsamen  Verlauf 
nehmen,  wenn  die  Kranken  mühelos  im  Hospital  das  Genuss- 
mittel erhalten  könnten,  welches  sie  im  Leben  zur  Arbeit 
anspornt.  In  diesen  so  sehr  zahlreichen  Fällen  behilft  man 
sich  mit  Opiumpillen  k 0,03  oder  Opiumtinctur  und  erhalten 
dann  die  Betreffenden  2 — 3 Mal  täglich  eine  Pille  oder 
15 — 20  Tropfen  der  Tinctur.  Sie  erklären  dann,  wohl  nicht 
den  Genuss  den  Rauchens  zu  haben,  bleiben  aber  von  allen 
lästigen  Abstinenzerscheinungen  frei.  Bei  der  letzten,  abend- 
lichen Visite  spielt  deshalb  das  Tropffläschchen  mit  Opium- 
tinctur eine  grosse  Rolle  und  muss  ein  scharfes  Auge  auf 
dasselbe  gehalten  werden.  Nur  zu  oft  fand  ich  es  bereits 
per  nefas  geleert,  wenn  es  frisch  gefüllt  zum  Gebrauche  hätte 
kommen  sollen.  Moribunde,  welche  nicht  mehr  im  Stande 
sind,  mit  Löffel  oder  Glas  einzunehmen,  öffnen  schmachtend 
die  Lippen,  um  sich  direkt  in  den  Mund  den  braunen  Saft 
einträufeln  zu  lassen. 

Die  oben  erwähnte  Verpflegung  kommt  bei  den  zur 
Zeit  in  Sumatra  herrschenden  Preisen  auf  ungefähr  8 Dollar- 
cents pro  Mann  und  Tag  zu  stehen.  Diese  Verpflegung  ist 
eine  völlig  genügende,  denn  die  Mehrzahl  der  Patienten, 
welche  längere  Zeit  im  Hospital  haben  verbleiben  müssen, 
verlässt  dasselbe  unter  deutlicher  Gewichtszunahme.  Dennoch 
ist  sic  nicht  im  Stande,  wenn  ihr  überhaupt  in  dieser  Richtung 
Wirkung  zukommt,  ab  und  zu  auftretende  Symptome  von 
Beriberi  hintanzuhalten,  welche  sich  an  eine  bereits  bestehende 
Malariainfection  anschliessen.  Auch  die  Reconvalescenten 
von  schwerer  Rcmittens  künnen  sich  im  Hospitale  nicht 
völlig  erholen  und  müssen  deshalb,  wenn  nicht  bald  Ödeme 


123 


und  motorische  Störungen  auftreten  sollen,  bei  Zeiten  evac- 
cuirt  werden.  Öftere  wird  die  gesammte  Verpflegung  an 
einen  chinesischen  Lieferanten  ausgegeben,  welcher  meist  10 
Dollarcents  pro  Mann  und  Tag  verlangt.  Dieses  Verfahren 
besitzt  gewisse  Vor-  und  Nachtheile,  erfordert  aber  vor 
Allem  eine  minutiöse  Überwachung.  Es  versteht  sich  von 
selbst,  dass  den  chinesischen  Insassen  des  Hospitals  an  ihren 
hohen  Festtagen,  Neujahr,  Tjapgomeh,  Aller  Seelen,  auch 
jene  Leckerbissen  zu  Thcil  werden,  au  denen  sie  sich  sonst 
an  solchen  Tagen  erfreuen,  das  sind  frisches  Schweinefleisch 
mit  möglichst  viel  Speck  und  verschiedenes  Gebäck.  Ausser- 
dem habe  ich  keine  sich  bietende  Gelegenheit  vorübergehen 
lassen,  den  Kranken  die  eine  oder  andere,  von  ihnen  hoch- 
geschätzte  Extrakost  zu  gewähren.  Da  die  Chinesen  keine 
Kostverächter  sind  und  für  Leckerei  erklären,  wovon  sich 
Europäer  mit  Abscheu  abwenden,  so  gab  es  solche  Gelegen- 
heiten des  Öfteren.  So  wurde  jede  grosse  von  den  Malaien 
gefangene  Pythonschlange  angekauft,  auf  die  grossen  Schild- 
kröten im  Flusse  eifrig  Jagd  gemacht,  jeder  in  das  Areal 
des  Hospitals  sich  wagende  Pariahhund  ohne  Erbarmen  nieder- 
geschossen und  den  Fleischtöpfen  einverleibt  — besonders 
schwarze  Hunde  sind  Delikatesse  für  Chinesen  — und  kein 
Tiger  auf  den  umliegenden  Pflanzungen  gefangen  und  ge- 
tödtet,  dessen  Fleisch  nicht  den  Insassen  d**s  Hospitals  einen 
frohen  Tag  bereitet  hätte. 

Die  im  Hospitale  zur  Anwendung  kommenden  Arznei- 
mittel stammen  aus  Deutschland  und  sind  von  der  Dresdener 
Finna  Gehe  & Co.  bezogen,  welche  auch  den  Ankauf  von 
Instrumenten  und  Apparaten  vermittelt.  Die  Leistungen 
dieser  Firma  waren  stets  vorzügliche  und  die  Präparate  vor- 
wurfsfrei; sie  übertrafen  an  Güte  stets  Produete  englischer 
Herkunft,  nur  Chloroform  und  Guttaperchapapier  waren 
besser,  wenn  aus  England  bezogen.  Das  Chinin  — es  wurde 
immer  mehr  muriaticum  gebraucht.,  welches  grosse  Vorzüge 
vor  dem  sulturicum  besitzt  — stammt  aus  der  Stuttgarter 
Fabrik  von  Jobst  und  sind  jährlich  15  — 20  Kilo  nöthig, 
welcher  enorme  Verbrauch  sich  eben  nur  aus  der  grossen 
Anzahl  von  Malariakranken  erklärt.  Neben  Chinin  werden 
Bismuth,  Tannin,  Dermatol  und  Opium  zur  Bekämpfung  der 
Diarrhoeen,  Borsäure  und  Argentum  nitricum  für  die  zahl- 

9* 


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124 


reichen  Augcnkranken,  Chrysarobin,  sogenanntes  Gonpnlver, 
und  Schmierseife  bei  den  hiiutigen  Hautmykosen  und  Vaselin, 
Zinkoxyd  und  Jodoform  bei  dem  Heere  von  Patienten  mit 
Ulcus  cruris  in  grösserer  Menge  verbraucht.  Als  Antiseptica 
genügen  Carbol-  und  .Sublimatlösungen  vollständig.  Sepsis 
ist  im  Übrigen  ein  bist  nie  gesehenes  Vorkommniss,  stellt 
doch  das  Hospital  auf  noch  nie  von  Menschen  und  deren 
schlimmsten  Parasiten,  den  Strepto-  und  Staphylokokken, 
bewohntem  Terrain  in  einem  noch  vor  wenigen  Jahrzehnten 
nur  von  jungfräulichem  Urwalde  bedeckten  Lande. 

Unheilbare  Kranke,  Lepröse  und  Geisteskranke  werden 
in  ein  von  der  Liberalität  der  Pflanzervereinigung  gegründetes 
Asyl  abgeschoben,  während  durch  Malaria  zur  Arbeit  un- 
tauglich gewordene  Cachecticcr  oft  von  ihren  Arbeitsgebern 
die  Mittel  zur  heilenden  Seereise  und  Heimkehr  in  die  Heiniuth 
erhalten. 

Das  Hospital  besitzt  ausserhalb  des  Areals  einen  eigonen 
Bcerdigungsplatz,  wo  die  Leichen  in  hölzernen  Särgen,  auf 
welche  die  Chinesen  hohen  Werth  legen,  6 Fuss  tief  beige- 
setzt werden  unter  Beobachtung  der  gewöhnlichen,  religiösen 
Ccremonieen  China’s,  Feuerwerk  und  Ausstreuung  von  be- 
drucktem Goldpapier,  wofür  stets  50  Dollarcents  bezahlt 
werden.  Sektionen  sind  nur  in  Ausnahmsfällen,  z.  B.  zu 
forensen  Zwecken,  möglich,  da  Chinesen  wie  Mohamedaner 
solche  gleichmässig  verabscheuen.  Eine  im  wissenschaftlichen 
Interesse  so  sehr  wünschenswerthe,  häufigere  Vornahme  von 
Obduetionen  würde  zweifellos  eine  unheilvolle  und  unheil- 
bare Angst  vor  dem  Hospitale  unter  der  Kulibevölkerung 
hervorrufen. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  einige  Zahlen  über  den 
Besuch  und  die  Mortalität  des  Hospitals  sowie  betreffend 
die  Häufigkeit  von  Malariaerkrankungen  geben;  ich  entnehme 
dieselben  den  stets  am  1.  November  an  die  Direction  der 
Dcli-Maatschappy  abzuliefernden,  ärztlichen  Jahresberichten: 
In  1891  kamen  991  Kranke  ein,  von  denen  196=  19, 8°/0  starben, 


n 

1892 

* H65  „ 

n 

1) 

7! 

107=  9, 2°/0  „ 

n 

1893 

» 1357  „ 

17 

7) 

11 

83=  6,l°/0  „ 

n 

1894 

. nifl  , 

17 

» 

77 

121=  7,  °/0  „ 

n 

1895 

, 1731  „ 

17 

n 

11 

106=  6,1°/, 

125 


Diu  hohe  Mortalität  des  Jahres  1 ->111  erklärt  sieh  durch 
eine  aussergewöhnlich  schwere,  nach  einer  längeren  Trocken  - 
periode  in  Mai  und  Juni  auf  tretende  Malariaepidemie  mit 
zahlreichen  Fällen  von  Febris  algida,  cholerica.  1892  und 
1893  gab  es  in  Folge  eines  plötzlichen  Sturzes  der  Tabak - 
preise  nur  wenig  frische  Einwanderer  aus  China  und  damit 
besserte  sich  das  Verhältniss,  da  ja  begreiflicher  Weise  die 
frisch  aus  China  angekommenen  Kulis  in  ihrem  Akklima- 
tisationskampfe  das  grösste  Contingent  für  Hospital  und 
Friedhof  stellen.  Die  wachsende  Frequenzzahl  des  Hospitals 
entsteht  nicht  durch  Zunahme  der  Kulibevölkerung  oder  zu- 
nehmende Morbidität,  sondern  ist  einfach  der  Ausdruck  des 
vermehrten  Vertrauens  in  geregelte  Hospitalbehandlung  so- 
wohl bei  Pflanzern  als  auch  bei  Kulis. 

In  1891  zeigten  v.  564 internen  Kranken 355t»ymptomov.  Malaria, 


„ 1»92  „ 

„528 

n 

t) 

419  „ 

rt 

„ 1893  „ 

„604 

n 

n 

495  „ 

7) 

n 

, 1894  „ 

„913 

n 

rt 

820  „ 

n 

n 

womit  die 

enorme 

Präpondcranz 

der  Malaria 

unter  allen 

internen  Krankheiten  und  auch  der  riesige  Chininverbrauch 
zur  Genüge  illustrirt  ist. 


Neuere  Untersuchungen 

Uber 

die  Aetiologie  und  den  klinischen  Verlauf  der 
Beri-Beri-  Krankheit 
von  Dr.  Max  Glogner, 

Stadsgeneosheer  in  Sainarnng- Java. 

(Vortrag,  gehalten  in  der  Soction  tür  Tropen  - Hygiene  auf  der 
fiS.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Frankfurt  a.  M.) 

(Foitsetzung  und  Schluss.) 

Gibt  es  nun  pathologisch-anatomische  Veränderungen, 
welche  makroskopisch  oder  mikroskopisch  erkennbar  uns 
diese  Lungengefiisslähmung  wahrscheinlich  machen? 

W as  die  mikroskopische  Untersuchung  der  Gefassc 
betrifft,  so  ist  dieselbe  zuerst  von  den  holländischen  Colonial 
ärzten  ausgeführt.  Lodewyk  und  Weiss  fanden  eine  constantc 
Veränderung  der  Arterieuwand , die  in  einer  fettigen 


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126 


Degeneration  der  intima  bestand.  Von  Leent  sagt  auf  dem 
internationalen  Aerztecongress  in  Amsterdam  1879,  dass  die 
Arterienwand  ungen  bisweilen  atheromatös  entartet  seien  und 
dass  der  abnormale  Zustand  der  Gcfiisswände,  der  mit  Ver- 
lust der  Elasticitttt  einhergebt,  den  Widerstand  erhöht,  den 
das  Blut  in  den  Gefässen  findet,  und  als  Ursache  der  Herz- 
hypertrophie betrachtet  werden  muss.  Aber  die  eigentlichen 
die  Bewegungen  vermittelnden  Elemente  der  Gefässc,  nämlich 
die  Nerven  und  Muskeln,  wurden  nicht  untersucht,  nur  Baelz 
fand  in  einem  einzigen  untersuchten  Falle  die  Nierennerven 
degenerirt.  — Man  muss  demnach  sagen,  dass  nach  einem 
pathologisch-anatomischen  Substrat  für  die  pathologisch-anato- 
mischen wichtigsten  klinischen  Erscheinungen  beim  Bcri-Beri- 
Kranken  bisher  nicht  geforscht  wurde  und  dass  deshalb  von  einer 
Erkenntniss  des  Wesens  der  Beri-Beri-Krankheit  noch  keine 
Rede  sein  kann.  Denn  wir  wissen  nicht,  ob  die  Gefäss- 
lahmung  neuro-  oder  myopathischen  Ursprunges  ist,  und  es 
ist  nach  der  Analogie  der  am  Herzen,  Zwerchfell  und  Extremi- 
itäten  gefundener  degenerirten  Nervenfasern  nur  eine  Ver- 
muthung,  dass  hier  die  GefBsslähmung  durch  eine  De- 
generation der  Gefässnervcn  entstanden  sei. 

Was  die  makroskopischen  Veränderungen  an  der  Beri- 
Beri-Leiehe  betrifft,  so  ist  zunächst  der  längst  bekannte,  meist 
mit  Oedem  gefundene  Blutreichthum  der  Lungen  zu 
erwähnen.  Bisher  hatte  man  diese  Erscheinung  in  Zu- 
sammenhang gebracht  mit  einer  Herzlahmung,  die  in  den 
allermeisten  Fällen  als  Todesursache  angeschuldigt  wird. 
Man  dachte  sich  dies  so,  dass  durch  einen  paretischen  Zu. 
Btand  des  Herzens  das  Blut  nicht  mehr  in  vollständiger 
Weise  durch  die  Lungengefilssc  durch  getrieben  würde  und 
sich  hier  anhäufe  und  nun  das  Oedem  zur  Folge  hätte.  Der 
Befund  am  Herzen,  M.  H.,  stimmt  aber  nicht  mit  der  An- 
nahme einer  Herzlähmung  als  Todesursache.  In  den  meisten 
Fällen  wird  nämlich  der  linke  Ventrikel  leer  oder  wenig 
Blut  enthaltend  und  in  Systole  stehend  gefunden,  während 
derselbe  bei  einer  Lähmung  mit  Blut  gefüllt  in  Diastole 
stehen  sollte.  Es  spricht  gegen  die  Herzlähmung  als  Ursache 
der  Lungenhyperämie,  ferner  der  nicht  selten  zu  beobachtende 
Befund  einer  partiellen  Hyperämie,  öfters  sind  es  nur  einzelne 
Lappen  und  zwar  nicht  immer  die  untersten  oder  nur  eine 


127 


Lunge,  die  hypertonisch  sind.  51.  H.  Dilatation  des  rechten 
Herzens,  Lungenhyperitmie  mit  Ocdem,  allgemeiner  wie 
partieller  Natur,  können  zweifellos  am  besten  durch  Gefiiss- 
lühmungen  im  kleinen  Kreislauf  erklärt  werden.  In  Folge 
dieser  Goftisslähmungen  staut  sich  das  Blut  im  rechten 
Herzen,  dadurch  entsteht  die  erwähnte  Erweiterung,  cs 
entsteht  ein  höherer  Druck  im  Pulmonalsystem,  der  uns  das 
häufige  Vorkommen  der  Verstärkung  und  Verdoppelung  des 
zweiten  Pulmonaltones  erklärt,  es  entstehen  grosse  Wider- 
stände, deren  Ueberwindung  dem  rechten  Herzen  zufällt 
und  die  Hypertrophie  zu  Stande  bringt. 

Ich  habe  oben  bemerkt,  dass  in  der  Gegend  des 
Pulmonalostium  die  systolischen  Geräusche  am  deutlichsten 
und  häufigsten  gehört  werden.  Wodurch  entstehen  dieselben  ? 
Da  möchte  ich  erst  eines  Befundes  gedenken,  den  man 
häufig  an  der  Beri-Beri-Leiche  antrifft,  nämlich  eine  bisher  nicht 
hervorgehobene  Dilatation  des  unteren  Theiles  der  Arteria 
pulmonalis.  die  zweifellos  auf  dieselbe  Ursache  zurückzu- 
führen ist,  wie  mehrfach  erwähnte  Dilatation  des  rechten 
Herzens.  Wenn  man  den  Umfang  der  Arteria  pulmonalis 
und  Aorta  1 Ccntimcter  über  der  Ansatzstelle  misst,  dann 
findet  man  Differenzen,  welche  bisweilen  das  dreifache  und 
vierfache  des  Normalen  erreichen.  Wenn  die  unteren  Ab- 
schnitte der  Arteria  pulmonalis  durch  Blutstauung  gedehnt 
sind,  dann  kann  man  sich  vorstellen,  dass  bei  jeder  Systole 
die  gedehnten  und  erschlafften  Pulmonalwände  in  abnormale 
Schwingungen  gerathen  und  die  systolischen  Geräusche 
erzeugen.  — Wir  hätten  somit  in  den  Gefiisslähmungen  im 
Lungenkreislauf  für  die  am  rechten  Herzen  vorkommenden 
Erscheinungen  eine  Erklärung  gefunden.  — Besitzen  wir 
nun  auch  für  die  Hypertrophie  der  linken  Ventrikel  Beobaeh 
tuugen,  welche  auf  GefUsslähmungen  im  grossen  Kreislauf 
Hinweisen? 

Da  ist  zunächst  einer  klinischen  Erscheinung  zu 
gedenken,  die  längst  bekannt  ist,  sehr  häufig  am  Bcri-Bcri- 
Kranken  beobachtet  wird,  aber  trotzdem  noch  von  keinem 
der  zahlreichen  Beri-Beri-Forseher  zu  erklären  versucht 
wurde.  — Es  ist  dies  die  Verminderung  der  Urinmenge ; das 
tägliche  Urin<iuantum  ist  bisweilen  auf  das  Drittel  des 
Normalen  herabgesetzt.  Von  einer  Herzschwäche  als  Ursache 


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128 


kann  deshalb  nicht  die  Rede  sein,  weil  man  Zeichen  hierfür 
nicht  nachweisen  kann  und  die  Hcrzhypertrophic  sich  mit 
einer  Herzschwäche  schwer  vereinbaren  Hesse. 

Von  einer  Nephritis  kann  ebenfalls  nicht  die  Rede  sein, 
da  in  der  überwiegenden  Zahl  der  Fälle  die  Zeichen  an  der 
Leiche  hierfür  fehlen.  Ein  sehr  häutiger  Befund  an  der 
Leiche  sind  dagegen  Hyperaemien  der  Nieren.  Dieselben 
sind  bisweilen  nur  an  einer  Niere  vorhanden,  während  die 
andre  Niere  blutarm  ist,  und  wir  werden  auch  hier  an  Ge- 
fässerkrankung  denken  müssen.  Wir  wissen  durch  Versuche, 
dass  Strömungshindernisse  die  Urinmenge  herabsetzen.  Die 
Physiologen,  besonders  Senator  und  Munk,  haben  dafür 
experimentelle  Beweise  geliefert,  und  wir  werden  uns  diese 
Gefässerkrankungen  wohl  am  besten  als  Paresen  oder  Para- 
lysen vorstcllen,  die  einerseits  Strömungshindernisse,  Herab- 
setzung der  Stromgeschwiudigkeit,  erhöhten  Widerstand  für  das 
linke  Herz  zur  Folge  haben.  Aber  es  sind  von  den  Unterleibs- 
organen nicht  nur  die  Nieren,  die  so  häufig  hyperämisch  ge- 
funden werden,  auch  Leber,  Milz,  Därme  zeigen  bisweilen  eine 
starke  Blutfüllung,  bisweilen  allein,  bisweilen  alle  zusammen, 
so  dass  man  sich  den  Tod  ähnlich  wie  beim  Goltz’schen  Klopf- 
versuch durch  eine  Unterleibsgefässlähmung  erklären  kann. 

Jedenfalls  darf  man  aus  allen  diesen  Beobachtungen, 
für  die  man  in  der  Litteratur  in  genau  gehaltenen  Seetions- 
berichten  hinlängliche  Beweise  finden  kann,  den  Schluss 
ziehen,  dass  nicht  eine  Herzparalyse,  wie  ein  Autor  dem. 
selben  nachgeredet  hat,  die  Ursache  dieser  Blutüberfüllungen 
sind,  d.  h.  dass  es  Stauungshyperämien  sind,  sondern  dass 
wir  hier  locale  Gefässerkrankungen  und  zwar  Gefässlähmungen 
vor  uns  haben.  Dieselben  setzen  grössere  Widerstände, 
welche  das  Herz  durch  erhöhte  Thätigkeit  zu  überwinden 
trachtet,  sodass  es  hypertrophirt.  Diese  Erkrankung  der 
Gefässwände  ist  aber  ferner  noch  an  mehreren  andern  klini- 
schen Erscheinungen  zu  erkennen.  Die  Veränderungen  der 
Pulscurve  einzelner  Arterien,  die  localen  Blutdruckherabsetz- 
ungen, die  erhöhte  Wärmeabgabe  der  Extremitäten  weisen, 
wie  ich  dies  in  Virchow’s  Archiv  auseiuandersetzen  werde, 
entschieden  auf  Gefässerkrankungen  hin. 

Die  vierte  von  mir  erwähnte  Erscheinung,  die  Pulsation 
der  ganzen  Herzgegend,  beruht  zweifellos  auf  einer  grösseren 


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129 


Füllung  des  dilatirten  rechten  Herzens  und  einer  durch  die 
gegebenen  Widerstände  erhöhten  Kraftanstrengung  des  hyper- 
trophsten Herzens.  Der  Zustand  des  Herzens,  wie  ich  ihn 
zu  schildern  mich  bemüht  habe,  ist  der  Spiegel,  in  dem 
sich  der  krankhafte  Zustand  der  Gefässe  zu  erkennen  gibt, 
da  die  directe  Beobachtung  des  krankhaften  Zustandes  der 
Gefässc  mit  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  sind  wir  gezwungen, 
oft  in  diesen  Spiegel  hinein  zu  blicken,  und  deshalb  ist  eine 
fortlaufende  Beobachtung  des  Herzens  beim  Bcri-Beri-Kranken 
von  der  allergrössten  Bedeutung. 

M.  H.  Die  Erscheinungen  am  Herzen  und  Gefiisssystein 
stehen  bisweilen  ganz  im  Vordergrund,  während  die  motorischen 
und  sensiblen  Störungen  an  den  Extremitäten  gering  sind  oder 
ganz  fehlen,  sodass  ich  in  der  in  Virchow’s  Archiv  noch  zu  ver- 
öffentlichenden Arbeit  eine  vasomotorische  Form  der  Beri-Beri- 
Krankheit  aufgestellt  habe,  der  ich  eine  zweite  Form  an  die  Seite 
stellte,  bei  der  die  motorischen  Erscheinungen  stark  hervortreten. 
Die  dritte  am  häufigsten  in  den  Malaienländern  vorkommende 
Mischform  vereinigt  beide  Gruppen  von  Erscheinungen. 

Im  November  1892  beobachtete  ich  an  einer  Reihe  von 
Beri-Beri-Krankcn  einen  noch  nicht  beschriebenen  Zustand 
der  Herzthätigkeit.  — Untersucht  man  bei  einem  Kranken, 
der  noch  nicht  zu  lange  an  dieser  Affcetion  leidet,  die  An- 
zahl der  Pulsschläge  in  der  Minute  täglich  in  Ruhelage,  die 
der  Kranke  einige  Zeit  vor  der  Untersuchung  einnehmen 
muss,  dann  findet  man,  dass  an  einzelnen  Tagen  die  Herz- 
thätigkeit beschleunigt  ist,  um  zur  Norm  zurückzukehren 
und  hierauf  wieder  zu  steigen.  Wenn  man  diese  Beob- 
achtungen mehrere  Wochen  fortsetzt  und  die  Anzahl  der 
Pulsschläge  in  Curvcn  überträgt,  dann  bekommt  man  eine 
graphische  Darstellung  der  Herzthätigkeit,  wie  Sie  dieselbe 
hier  in  intermittirender  Form,  mit  Exacerbationen  und  Re- 
missionen auf  diesen  Tafeln  I,  II  und  III  sehen.*)  Ich  habe 
bei  einer  grossen  Anzahl  Kranker  derartige  Curvcn  gezeichnet, 
und  es  hat  sich  ergeben,  dass  dieselben  in  den  Fällen,  wo 
Herzerscheinungen  vorhanden  sind , meist  einen  unregel- 
mässigen, intermittirenden  Verlauf  zeigen  und  nur  in  einzel- 


*)  Der  schon  wieder  in  Indien  befindliche  Verfasser  hat  leider 
die  Tafeln  nicht  beigefügt.  D.  Ked. 


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130 


nen  wenigen  Fällen  in  regelmässigen  Zwischenräumen  inter- 
mittirend  gefunden  werden,  wie  hier  bei  der  II.  Curvc. 

Wenn  man  nun  während  der  Exacerbation  des  Pulses 
auf  die  andern  klinischen  Erscheinungen  achtet,  dann  findet 
man  meist  ebenfalls  eine  Zunahme  derselben.  Die  Kranken 
klagen  über  Steigerung  der  Parästhesien,  der  Appetitlosig- 
keit, der  Schwäche  in  den  Extremitäten,  und  bisweilen  tritt 
mit  oder  direct  nach  einer  solchen  Pulsbeschleunigung  Fieber 
ein.  In  wenigen  Fällen  nehmen  die  motorischen  Störungen 
in  dieser  Zeit  so  erheblich  zu,  dass  eine  Lähmung  der  unteren 
Extremitäten  erfolgt. 

M.  II.  Es  galt  nachzuweisen,  ob  die  Gipfel  der  Puls- 
curve  mit  einer  Herabsetzung  der  Nervenerregbarkeit  auf 
den  elcctrischen  Strom  zusammen  fiele,  denn  nur  so  konnten 
die  meist  subjectiven  Klagen  des  Patienten  auf  objective 
Weise  sicher  gestellt  werden.  Es  ist  dies  im  allgemeinen 
äusserst  schwierig,  da  einerseits  derartige  Untersuchungen 
an  den  Gefässnerven  nicht  auszuführen  sind,  und  andrerseits 
die  krankhaften  Erscheinungen  an  den  Nerven  der  Extremi- 
täten nicht  gleichmässig  und  bei  den  meisten  Kranken  in 
nicht  allzu  starker  Weise  auftreten. 

Die  Fälle,  welche  man  in  der  Littcratur  beschrieben 
findet,  sind  meist  schwerer  Art  und  der  diesen  Verhältnissen 
ferner  Stehende  kommt  dann  zu  dem  Schluss,  dass  diese 
schweren  motorischen  Störungen  an  den  Extremitäten  zu  den 
häufigeren  Erscheinungen  der  Beri-Beri-Krankheit  gehören. 
Dies  ist  keineswegs  der  Fall.  Es  gibt  wohl  auf  der  ganzen 
Welt  kein  Gebiet,  wo  die  Beri-Beri  so  häutig  vorkommt, 
und  wo  zu  derartigen  Beobachtungen  sich  bessere  Gelegen- 
heit bietet,  als  in  Atjeh,  dem  Norden  von  Sumatra.  Von 
hier  werden  monatlich  2 — 300  Kranke  nach  den  Bergen 
Westsumatras  cvaeuirt.  Die  Entfernung  von  den  Kranken- 
sälen bis  zum  Zuge,  der  die  Kranken  nach  dem  Hafen  von 
Oleh-leh  führt,  beträgt  einige  hundert  Meter,  sodass  die 
Kranken  mit  cinigennassen  schweren  motorischen  Störungen 
an  den  unteren  Extremitäten  in  Tragbahren  nach  dem  Zuge 
befördert  wurden.  — Von  uns  Aerztcn  wurde  cs  nun  schon 
als  eine  schwere  Evacuation  bezeichnet,  wenn  für  150  — 200 


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131 


Kranke  20 — 30  Tragbahren  nöthig  waren,  meist  waren  nur 
10 — 15,  bisweilen  noch  weniger  erforderlich. 

M.  H.  Trotz  dieser  Schwierigkeiten,  das  Zusammengehen 
der  Pulsexacerbation  mit  der  Zunahme  der  Herabsetzung 
der  Nervenerregbarkeit  fcstzustellen,  ist  mir  doch  dieser 
Nachweis  bei  einigen  Fällen  gelungen.  Die  Untersuchungen 
werden  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  die  Muskeln  der 
Unterschenkel  dureh  Reizung  der  nervi  peronei  und  tibiales 
mit  dem  constanten  Strom  zur  Contraetion  gebracht  wurden 
und  zwar  wurde  täglich  bei  Kathodensehl iessung  die  mini- 
malste Zuckung  am  Galvanometer  festgestellt,  die  Anzahl 
der  Milliamperes,  bei  denen  diese  minimalsten  Zuckungen 
erfolgten,  können  in  Curven  übertragen  werden  und  es  zeigt 
sieh  dann,  dass  mit  den  Exacerbationon  der  Puls-  und 
Nervencurve  erhöhte  Temperatur  eintritt,  so  dass  man  wohl 
für  alle  diese  Erscheinungen  eine  gemeinsame  Ursache  an- 
nehmen darf,  die  sich  in  bestimmten  Zeiten  entwickelt  und 
dann  dem  Körper  deletär  wird. 

Die  Ursache  der  Beri-Bcri  ist  seit  Jahrhunderten 
Gegenstand  der  Forschung  gewesen.  Ganz  zu  Anfang  hielt 
man  dieselbe  für  ein  nicht  näher  detinirtes  Gift,  welches 
wegen  der  häutigen  Erkrankung  der  unteren  Extremitäten 
von  unten  her  in  den  Körper  eindringen  sollte.  In  der 
neueren  Zeit  spielten  die  Ernährung,  das  Wetter,  verdorbener 
Reis  und  Fisch,  Würmer,  besonders  das  Anchylostoma  duo- 
denale als  Aetiologie  ihre  Rolle,  bis  die  bacteriologischo  Aera 
in  Europa  begann.  Sofort  fanden  eine  Anzahl  Forscher  in 
den  verschiedensten  Ländern  Bactcricn  thcils  im  Blut  allein, 
oder  in  allen  Organen  sowie  dem  Nervcn-System.  Ich  kann 
alle  diese  entdeckten  Baetcrien  als  Ursache  der  Beri-Bcri 
angeschuldigten  Organismen  hauptsächlich  deshalb  nicht  als 
solche  anerkennen,  weil  sie  hier  nicht  den  intermittirenden 
Verlauf,  wie  ich  ihn  soeben  geschildert  habe,  erklären  können, 
der  allerdings  den  betreffenden  Autoren  unbekannt  war.  Die 
Entwicklung  der  Bactcricn  erfolgt  allmählich,  nicht  so  stoss- 
weise,  wie  man  es  den  kleinsten  Verhältnissen  gemäss  von 
der  Ursache  der  Beri-Beri  erwarten  muss. 

Es  musste  hier  etwas  vorhanden  sein,  welches  der 
Ursache  der  Malaria  ähnlich  war.  Als  ich  meine  Unter- 
suchungen begann,  fand  ich  bei  den  ersten  Fällen,  die  grade 


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132 


in  den  Fiebermonaten  Javas  behandelt  wurden,  im  Finger- 
blute extra-  und  cndoglobuläre  Amoeben,  die  ich,  weil  bei 
den  meisten  mit  den  Fiebererscheinungen  auch  die  motorischen 
Störungen  Zunahmen,  trotz  ihrer  morphologischen  Ueberein- 
stimmung  für  eine  von  den  Malaria-Amoeben  verschiedene 
Art  hielt.  Im  Laufe  der  festgesetzten  Untersuchung  hat  sich 
dann  herausgestcllt,  dass  diese  Plannodien  wirkliche  Malaria- 
erreger waren  und  dass  dieselben  in  einzelnen  Fallen  auch 
die  Erscheinungen  der  Beri-Beri-Krankhcit  hervorzurufen 
im  .Stande  sind. 

Ich  habe  in  Virchows  Archiv  mehrere  dieser  Fälle,  bei 
denen  diese  Malariaplasmodien  gefunden  wurden,  mitgethcilt, 
wo  zugleich  mit  den  Fiebern  die  Erscheinungen  der  Beri- 
Bcri-Krankhcit  eintraten  und  bei  Verabreichung  von  Chinin 
mit  dem  Schwinden  der  Fieber  die  Symptome  des  Beri-Beri 
zurückgingen.  Ein  aetiologiseher  Zusammenhang  ist  bei 
diesen  Fällen  zweifellos. 

M.  H.  Ich  habe  vorhin  bereits  erwähnt,  dass  ich  diese 
Malariaamoeben  bei  Beri-Beri-Kranken  in  den  Fiebermonaten 
Java’s  fand.  Als  in  den  folgenden  Monaten  Dcccmbcr  und 
Januar  die  Malariafieber  geringer  wurden,  war  der  Befund 
bei  den  neuhinzugekommeneu  Fällen  im  Fingerblut  negativ. 
Ich  ging  deshalb  an  die  Untersuchung  des  Milzblutes,  weil 
dieses  Organ  häufig  vergrössert  gefunden  wurde,  ein  Befund, 
den  frühere  Untersucher  wieder  als  Complication  angesehen 
hatten,  dessen  Zusammenhang  mit  der  Beri-Bcri-Krankheit 
Fiebig  zuerst  betont  hat  und  mir  auf  Grund  meiner  Beob- 
achtung wahrscheinlich  war. 

Unter  aseptischen  Cautelen  wurde  auf  der  Stelle  der 
deutlichsten  Dämpfung  mit  einer  ausgeglühten  Iridiumnadel 
cingc8tochen.  Man  kommt  hierbei  mit  der  Spitze  entweder 
in  die  Pulpe,  grössere  Arterien  oder  Venen.  Die  näher  zu 
beschreibenden  Organismen,  welche  ich  im  Milzblut  fand, 
kommen  nur  in  der  Milzpulpe  vor,  und  wenn  man  recht  un- 
glücklich ist  und  mit  der  Nadelspitze  in  grössere  Arterien 
oder  Venen  geräth,  wird  die  Untersuchung  stets  negativ 
ausfallen. 

Die  Milzpunetion  unter  aseptischen  Cautelen  ausgeführt, 
muss  als  ungefährlich  bezeichnet  werden,  sie  ist  weniger 


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133 


schmerzhaft  als  der  Einstich  in  den  Finger,  wenn  man  sich 
vor  der  Verletzung  einer  Kippe  in  Acht  nimmt. 

Von  98  Beri-Beri-Kranken  habe  ich  hei  (53  den  folgenden 
Organismus  gefunden : 

Es  sind  meist  rundliche  bisweilen  ovale,  meist  stark 
pigmentirte  cxtraglobulär  lebende.  Gebilde,  die  bei  einer 
Grösse  von  ‘/io  — '/is  eines  rothen  Blutkörperchens  sich  Uusserst 
lebhaft  bewegen  und  mit  einem  Pigmontkörnehen  versehen 
sind.  Bei  einer  Grösse  von  V«  — V*  eines  rothen  Blut- 
körpers findet  man  im  Centrum  meist  mehrere  Pigmentkörner, 
welche  in  deutlicher  Bewegung  sind  und  um  diese  herum  am 
Rande  einzelne  Pigmentkörner,  die  meist  unbeweglich  sind. 
Je  grösser  der  Organismus  wird,  um  so  deutlicher  wird  der 
Randpigmentkrcis , der  eine  Masse  beweglicher  Pigment- 
kömer  einschliesst.  Die  Farbe  des  Pigments  ist  meist 
schwarz,  bisweilen  mehr  braunroth.  Die  Pigmentbildung  ist 
bisweilen  so  stark,  dass  man  von  dem  Zellenleib  so  gut  wie 
gar  nichts  zu  sehen  bekommt.  Das  Ganze  erscheint  dem 
Beobachter  dann  bei  oberflächlicher  Betrachtung  als  Pigment- 
haufen,  in  dem  man  aber  bei  genauerem  Zusehen  die  Pigment- 
körner sich  durch  einander  bewegen  sieht.  Bei  den  schwach 
pigmentirten  Gebilden  kann  man  das  weissliche  Uusserst  zarte 
Protoplasma  deutlich  erkennen.  Die  Fortentwicklung  findet 
auf  ähnliche  Weise  statt,  wie  bei  den  Malariaplasmodien. 
Ihr  Rand  theilt  sich  in  eine  Anzahl  blasser  Protoplasmastücke, 
welche  Pigment  besitzen,  das  wahrscheinlich  vom  Randpigment 
abstammt.  Die  Grösse  dieser  Organismen  bei  demselben 
Patienten  ist  meist  verschieden,  bisweilen  besitzen  sie  ungefähr 
gleiche  Grösse,  aber  meist  sind  sie  in  verschiedenen  Ent- 
wicklungsstadien vorhanden,  eine  Erscheinung,  welche  die 
Zunahme  der  klinischen  Erscheinungen  in  unregelmässigen 
Zwischenräumen  am  besten  erklärt,  denn  wir  werden  nun 
ähnlich  wie  bei  den  Malariafiebern  die  Zunahme  der  klinischen 
Erscheinungen  mit  der  Sporulation  in  Zusammenhang  bringen. 

M.  H.  In  den  Milzen  von  Beri-Beri-Kranken  findet 
rann  öfters  einen  grossen  Reichthum  von  Pigmentkörnchen, 
die  einzeln  oder  in  Haufen  vereinigt  gefunden  werden,  die 
auch  einmal  eine  rundliche  Form  annehmen  können,  ausser- 
dem in  Pigment  verwandelte  rothe  Blutscheiben,  ferner  weisse 
Blutkörperchen,  die  stets  mit  Pigment  gefüllt  sind,  und  es  ist 


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134 

du  bisweilen  schwer,  sich  zurecht  zu  finden,  besonders  in 
Präparaten,  wo  diese  Orgunisnien  abgestorben  sind.  In 
frischen  Präparaten  ist  die  Entscheidung  leicht,  man  sieht 
dann  eine  deutliche  Bewegung  der  Pigmentkörner.  Da  ich 
diese  Organismen  in  Fällen  fand,  welche  mit  Milzvergrüsserung 
uml  Fieber  verliefen,  so  hielt  ich  sie  anfangs  für  stark  pig- 
mentirte  Malariaplasmodien.  Bei  weiteren  Untersuchungen 
überzeugte  ich  mich  jedoch,  dass  zwischen  ihnen  und  dm 
letzteren  gewisse  Unterschiede  beständen.  Diese  Milzplas- 
modien sind  viel  stärker  pigmentirt  als  die  Malariaplasmodien 
und  unterscheiden  sich  in  den  meisten  Fällen  durch  die  be- 
schriebene Gruppirung  des  Randpigments.  Bisweilen  fehlt 
diese  Randpigmentirung,  das  Pigment  ist  dann  gleichmässig 
über  den  Zellenleib  vertheilt  und  wenn  dann  zugleich  weniger 
Pigment  vorhanden  ist,  dann  ist  eine  Aehnlichkeit  mit  den 
extraglobulftren  Malariaplasmodien  sehr  gross.  Ein  weiterer 
biologischer  Unterschied  ist  der,  dass  diese  Milzplasmodien  sich 
nur  im  Milzblut  vorfinden,  es  soll  damit  natürlich  nicht  ge- 
sagt sein,  dass  die  kleineren  beweglichen  Formen  nicht  auch 
einmal  ins  circulirende  Blut  gerathen,  aber  es  wird  dies 
immerhin  als  eine  Seltenheit  bezeichnet  werden  müssen.  Sie 
scheinen  ein  grosses  Haftungsvermögen  zu  besitzen,  was  man 
daran  erkennt,  dass  ihre  Zellenleiber  in  frischen  Präparaten 
am  Deckglas  bei  Druck  haften  bleiben  ähnlich  den  weissen 
Blutkörperchen,  mit  denen  sie  jedoch  wegen  der  Form  der  Pig- 
mentirung,  der  Bewegung  der  Pigmentkörnchen,  den  ver- 
schiedenen Entwicklungsstadien  sowie  ihrer  geringen  Farbe- 
aufnahme nicht  zu  verwechseln  sind.  M.  H.  Es  wäre  wunder- 
bar, wenn  diese  pigmentirten  Organismen  bei  dem  grossen 
Fleiss,  der  die  Beri-Beriforseher  stets  beseelt  hat,  nicht  schon 
gesehen  worden  wären.  In  der  Litteratur  findet  man  zu 
häufig  Angaben  über  starke  Piginentirungen  der  Milz,  dass 
man  wohl  Annahmen  darf,  dass  das  Pigment  dieser  Organis- 
men bereits  erkannt  wurde,  wenn  auch  das  Plasma  unge- 
sehen blieb  und  das  Ganze  als  parasitär  nicht  aufgefasst  wurde. 
Am  frühesten  hat  der  holländische  Colonialarzt  Neeb  auf 
diese  Milzpigmentirungen  aufmerksam  gemacht. 

Von  den  63  Kranken,  bei  denen  diese  Milzplasmodien 
gefunden  wurden,  waren  bei  12  die  endoglobulären  oder 
rundlichen  und  halbmondförmigen  extraglobulären  Malaria- 


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135 


plasmodien  vorhanden.  Diese  Fälle  zeichneten  sich  den 
andern  gegenüber,  wo  nur  der  Milzparasit  vorhanden  war, 
durch  die  Schwere  der  motorischen  Lähmungen  aus,  und  man 
sieht  auch  hier,  wie  deletär  der  Einfluss  des  Malariaerregers  ist. 

Von  den  Fällen,  wo  nur  die  Milzparasiten  vorhanden 
waren,  waren  bei  87°/o  Milzvergrüsserung  und  70, 2°/#  Fieber 
zu  beobachten,  während  bei  den  Fällen  mit  negativem  Befund 
25%  Milzvergrüsserung  und  25°/0  Fieber  vorhanden  waren. 
Es  ist  mir  wahrscheinlich,  dass  auch  bei  den  Fällen  mit 
Fiebererscheinungen,  die  übrigens  meist  39°  nicht  überschreiten, 
diese  Organismen  doch  vorhanden  und  dass  dieselben  bei 
der  einmaligen  Untersuchung  nicht  gefunden  wurden. 

Dass  Milzvergrüsserung  und  Fieber  zu  häufigen  Er- 
scheinungen gehüren,  beweisen  die  Beobachtungen  anderer 
Autoren.  Scheube  und  Baelz  fanden  45  und  50%  Fieber- 
temperaturen,  der  englische  Autor  B e n 1 1 y 70,6%,  also  ebenso- 
viel wie  ich.  Auch  andere  Autoren  geben  in  ihren  Krankenge- 
schichten häufig  Temperatursteigerungen  an,  und  man  kann,  wie 
manche  Autoren  diesthun,  die  Beri-Beri  nur  dann  für  eine  fieber- 
lose Erkrankung  halten,  wenn  man  die  Fieber  für  Compli- 
cationen  hält.  Fiebig  hat  die  Milz  häufig  vergrüssert  ge 
funden  und  hält  sie  für  eine  der  Beri-Beri -Krankheit  zuge- 
hörige Erscheinung,  Pekclharing  und  Winkler  erklären, 
dass  die  Milz  bei  ihren  Sectionen  häufig  vergrüssert  war, 
beziehen  dies  aber  ebenso  wie  einige  andere  Autoren  auf 
die  Erscheinung,  dass  man  in  Indien,  den  Malarialändern, 
häufig  vergrösserte  Milzen  vorfinde.  Die  ist  aber  nach  meiner 
Erfahrung  entschieden  nicht  richtig,  einen  so  grossen  Procent- 
satz von  50 — 70%  an  vergrösserten  Milzen  hat  das  indische 
eingeborene  Publicum  nicht  aufzuweisen.  Pekclharing  und 
Winkler  geben  selbst  keine  näheren  Zahlen  hinsichtlich  der 
Milzvergrüsserung  an. 

Bei  einem  so  grossen  Procentsatz  von  Fieber  und  Milz- 
vergrösserung  bei  meinen  Beri-BerifiUlen  mit  Mikroorganismen- 
befund war  wohl  ein  aetiologischer  Zusammenhang  mehr  als 
wahrscheinlich.  Nun  ist  mit  den  Fieberanfällen  auch  eine 
Exacerbation  der  Pulscurve  und  Herzeurve  zu  erkennen  und 
wir  werden  wohl  nicht  fehlgehen,  wenn  wir  für  alle  diese 
Erscheinungen  die  Ursache  in  diesem  Milzparasiten  und  seiner 
Vermehrung  suchen. 


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136 


M.  H.  Damit  ist  aber  die  Ursnclie  für  die  Beri  Bern 
Krankheit  dnrcliaus  nicht  erschöpft.  Es  giebt  zweifellos 
Falle,  wo  die  Erscheinungen  der  Beri-Beri  zugleich  oder  im 
Anschluss  an  eine  Dysenterie  auftreten,  wo  ein  aetiologischer 
Zusammenhang  nicht  bezweifelt  werden  kann,  ich  habe  in 
Virchow’s  Archiv  bereits  ein  Beispiel  dafür  gegeben.  — 
Bei  einer  Reihe  von  Fällen,  und  dies  sind  diejenigen,  bei 
denen  die  Untersuchung  des  Milzblutes  negativ  ausfiel,  waren 
anfangs  Fiebererscheinungen  vorhanden,  an  welche  sich  die 
Erscheinungen  der  Beri-Beri-Krankheit  anschlossen. 

M.  II.  Eine  ähnliche  Erscheinung  ist  auch  bei  der 
europäischen  multiplen  Neuritis  bekannt.  Dieselbe  kommt 
nicht  selten  als  Nachkrankheit  einer  ganzen  Reihe  infeetiöser 
Erkrankungen,  wie  Diphtheritis,  Typhus  u.  s.  w.,  vor.  Dieser 
letzte  Punct  darf  bei  der  Beri-Beri-Krankheit  nicht  ausser 
Acht  gelassen  werden,  und  ich  fasse  auch  die  Fälle  ohne 
Mikroorganismenbefund  mit  Initialfieber  als  Nachkrank- 
heiten einer  ursprünglich  vorhanden  gewesenen  fieberhaften 
Erkrankung  auf. 

Aber  nicht  jede  Dysenterie,  nicht  jede  Malariaerkrankung 
macht  Beri-Beri,  ebenso  wenig  wie  jede  Diphtheritis,  Typhus 
die  Erscheinungen  der  multiplen  Neuritis  hervorbringt  und 
so  bringt  auch  nicht  in  allen  Fällen  der  beschriebene  Milz 
parasit  die  Erscheinungen  der  Beri-Beri-Krankheit  hervor. 
Es  giebt  atypische  Fieber  mit  Milzvergrösserung,  wo  der 
Milzparasit  vorhanden  ist  und  die  Erscheinungen  der  Beri- 
Beri-Krankheit  fehlen,  auch  hierfür  habe  ich  bereits  ein 
Beispiel  gegeben. 

Nach  meinen  Untersuchungen  ist  die  Ursache  der  Beri- 
Beri-Krankheit,  ähnlich  der  multiplen  Neuritis  in  Europa, 
eine  vielfache,  für  die  Malarialänder  glaube  ich  die  Haupt 
Ursache  in  dem  Milzparasiten  und  den  Malariaplasmodien 
sehen  zu  müssen.  Ob  diese  Ursachen  auch  in  andern  Ländern, 
wie  Japan,  Brasilien,  den  anderen  Hauptheerden  der  Beri-Beri, 
dieselben  sind,  wie  in  den  Malaienländern,  müssen  weitere 
Untersuchungen  feststellen. 

M.  H.  Ich  habe  mich  bemüht,  im  Vorgetragenen  Ihnen 
eine  Uebersicht  über  die  Untersuchungen  zu  geben,  welche 
mich  in  den  letzten  3 Jahren  in  Samarung  beschäftigt  haben. 


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13? 


Sie  sehen,  dass  noch  eine  ganze  Reihe  weiterer  Fragen  be- 
antwortet werden  muss,  bis  wir  zu  einem  vollen  Verständuiss 
dieser  interessanten  Krankheit  gelangt  sein  werden. 


II.  Besprechungen. 

Seheube,  Dr.  B.,  Die  Krankh  eiten  der  warmen 
Länder. 

(Fortsetzung.) 

Gelbfieber.  Das  Gelbfieber  wird  durch  ein  speci- 
fisclies  Krankheitsgift  hervorgerufen,  dessen  Natur  noch 
unbekannt  ist.  Die  von  verschiedenen  Seiten  in  den  Geweben, 

Se-  und  Exkreten  der  Kranken  gefundenen  Mikroorganismen, 
die  die  Erreger  des  Gelbfiebers  sein  sollten,  haben  einer 
kritischen  Nachprüfung  nicht  Stand  gehalten.  Auf  welchem 
Wege  das  Krankheitsgift  in  den  Körper  eindringt,  wissen 
wir  nicht.  Die  Inkubationsdauer  beträgt  gewöhnlich  2 bis 
3 Tage.  Nach  der  jetzt  wohl  allgemein  geltenden  Ansicht 
ist  die  Krankheit  nicht  contagiös:  nicht  der  Gelbfieberkranke 
ist  es,  welcher  ansteckt,  sondern  die  Gelbfieberlokalität. 

Unzählige  Male  ist  beobachtet  worden,  dass  Kranke  nach 
gelbfieberfreien  Orten  gebracht  werden,  ohne  in  diesen  auch 
nur  eine  einzige  Erkrankung  nach  sieh  zu  ziehen,  wenn  die 
Oertlichkeiten  der  zur  Entstehung  einer  Epidemie  nöthigen 
Bedingungen  ermangelten.  Das  Gelbfiebergift  ist  auf  weitere 
Strecken  verschleppbar.  Die  Verschleppung  erfolgt  vorzugs- 
weise durch  den  Schiffsverkehr.  Als  Träger  dienen  sowohl 
Menschen  als  auch  leblose  Gegenstände  (Kleider). 

Das  Gelbtiebergift  hat  zu  seiner  Entwickelung  eine 
hohe  Temperatur  nöthig.  Die  mindeste  mittlere  Winter- 
temperatur muss  circa  22  0 C.  betragen.  Das  Gelbfieber 
pflegt  an  bestimmte  Oertlichkeiten  geknüpft  zu  sein  und 
zwar  an  volkreiche  Städte,  die  an  der  Meeresküste  oder  an 
schiffbaren  Flüssen  liegen  und  in  Folge,  dessen  Schiffsverkehr 
haben.  Gelbfieber  bleibt  meist  in  der  Ebene  und  zeigt  sich 
nur  ausnahmsweise  im  Gebirge. 

Von  allen  Rassen  besitzen  die  Neger  die  geringste,  die 
Weissen  die  höchste  Empfindlichkeit  für  das  Krankheitsgift. 

Archiv  t Schifft  u.  Tropanbygiene.  10 

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138 


Neu  Angekommenc  sind  für  die  Ansteckung  melir  empfänglich 
als  solche,  die  bereits  längere  Zeit  im  Lande  sind.  Frauen 
erkranken  seltener  als  Männer,  ebenso  Greise  und  Kinder. 
Leute,  die  viel  mit  Feuer  zu  tliun  haben,  Heizer,  Küche, 
Bäcker  erkranken  am  leichtesten,  Cigarrenarbeiter  am 
seltensten. 

Der  Antang  der  Krankheit  setzt  für  gewöhnlich 
plötzlich  unter  Schüttelfrost  ein.  Zuweilen  gehen  2 — 3 Tage 
vorher  Prodrome  voraus.  Hohes  Fieber  39  0 C.,  Kopf-  und 
Lendenschmerzen,  gedunsenes  Gesicht,  injicirte  Bindehaut, 
Erythem  des  scrotums.  Brechneigung  findet  sich  im  Beginn 
der  Krankheit.  Manchmal  findet  sich  schon  jetzt  etwas  Eiweiss  im 
Urin.  In  den  nächsten  2 — 3 Tagen  erfolgt  eine  Zunahme  der 
Symptome.  Die  Temperatur  steigt  bis  41  0 0.  Es  tritt  Icterus 
ein,  der  aber  in  sehr  akut  und  tüdtlich  verlaufenden  Fällen 
fehlen  kann.  Am  4.  Tage  tritt  bedeutender  Nachlass  fast 
aller  Symptome  ein,  die  Temperatur  sinkt  bis  zur  Norm,  der 
Puls  geht  auf  40 — 30  Schläge  in  der  Minute  herunter. 
Häufig  schliesst  sich  unmittelbar  hieran  die  Reconvalescenz, 
häufiger  aber  erfolgt  wieder  eine  Verschlimmerung  und  die 
Krankheit  geht  in  das  dritte  oder  Collapsstadium  über.  Die 
Temperatur  steigt  wieder  an,  es  stellt  sich  remittirendes 
Fieber  ein  — manche  Fälle  verlaufen  fieberlos  — und 
es  tritt  Blutbrechen  auf.  Es  werden  schwarze  kaffee- 
satzartige  Massen  erbrochen.  Der  Stuhl  wird  diarrhöiseh, 
enthält  schwarze  Massen  wie  das  Erbrochene,  cs  tritt  Anurie 
auf  und  die  Kranken  gehen  im  Collaps  zu  Gruude.  Diesem 
Krankhcitsbilde  stehen  andere  gegenüber,  bei  denen  einmal 
nur  so  geringe  Zeichen  vorhanden  sind  — Kopfweh,  Lenden- 
schmerz, Druck  im  Magen  — dass  die  Kranken  ihren  Geschäften 
nachgehen,  bis  plötzlich  Blutbrechen  anftritt  und  die  schwere 
Erkrankung  erkennen  lässt,  andererseits  solche  Fälle,  die  in 
36  Stunden  tüdtlich  verlaufen.  Der  Prozentsatz  der  Sterb- 
lichkeit schwankt  zwischen  15 — 75°/o,  je  nach  den  einzelnen 
Epidemien. 

Die  Gelbfieberleichen  zeigen  gewöhnlich  äusseren  und 
inneren  Icterus,  Blutungen  in  die  verschiedensten  Organe, 
parenchymatöse  Degeneration  der  Leber  und  der  Nieren 
und  die  fettige  Degeneration  der  Capillaren  und  des  Herzens. 


139 


Die  Diagnose  des  Gelbfiebere  bietet  keine  Schwierig- 
keiten dar,  wenn  es  sich  um  ausgebildete  Fälle  desselben 
während  einer  Epidemie  in  seiner  engeren  Heimat  handelt. 
Anders  dagegen  in  vereinzelten  ausserhalb  derselben  auf- 
tretenden Fällen.  Daun  kommen  namentlich  Icterus  gravis 
und  biliöse  Remittens  (Schwarzwasserfieber)  in  Betracht. 

Die  Prognose  ist  schlecht,  sobald  das  Initialfieber 
über  41°  C.  steigt  und  der  Urin  bei  hohem  Eiweissgehalt 
spärlich  ist.  Als  ungünstige  Vorzeichen  gelten  ferner  das 
frühzeitige  Auftreten  von  Icterus  und  schwarzem  Erbrechen 

Bei  derProphy  laxe  werden  Besserung  der  hygienischen 
Verhältnisse  der  Städte  und  Quarantainemaassregeln  empfohlen. 
Die  Einzelheiten  darüber  sind  im  Original  einzusehen. 

Die  Therapie  ist  symptomatisch.  Bei  Beginn  der 
Erkrankung  wird  gewöhnlich  ein  Abführmittel  gegeben, 
später  zum  diaphoretischen  Verfahren  übergegaugen,  gegen 
das  Blutbrechen  Liquor  Ferri  sesquichlor  15,0/1000, 0 mit 
Zucker  1.  stdl.  1 Esslöffel. 

Das  Mitt eimeerfieber,  das  früher  für  eine  eigen- 
thümlichc  Form  des  Abdominaltyphus  oder  eine  Combination 
von  Typhus  und  Malaria  angesehen  wurde,  wird  nach  den 
Untersuchungen  von  Bruce  durch  einen  Mikrokokkus  bedingt, 
den  er  Mierococcus  Maltensis  nannte  und  der  für  Affen 
pathogen  ist.  Die  Thiere  bekommen  Fieber  und  sterben 
nach  13 — 20  Tagen.  — Die  Inkubationsdauer  schwankt  wahr- 
scheinlich zwischen  wenigen  und  20 — 30  Tagen.  Die  Haupt- 
zahl der  Erkrankungen  fällt  in  die  Monate  Juli  bis  Sep- 
tember. Das  Mitteimerfieber  ist  nicht  kontagiös.  Mit  der 
Besserung  der  hygienischen  Verhältnisse  hat  die  Anzahl  der 
Erkrankungen  wesentlich  abgenommen.  1859  erkrankten 
269,5°/00,  1888  nur  71,2°/n0  der  englischen  Soldaten  in  Malta. 

Die  Krankheit  beginnt  mit  Fieber,  das  bis  40,5°  C. 
steigen  kann,  und  Stirnkopfsehraerzen,  Glieder-,  Lenden- 
schmerzen und  Appetitlosigkeit  verbunden  mit  Uebelkeit  ge- 
sellen sich  hinzu.  Der  Stuhl  ist  in  der  Regel  angehalten, 
manchmal  aber  tritt  Durchfall  von  typhusähnlicher  Beschaffen- 
heit ein.  Gewöhnlich  ist  eine  profuse  Schwcissabsonderung 
vorhanden.  Daher  ist  die  Krankheit  auch  als  Febris  sudoralis 
bezeichnet  worden.  Das  Fieber  besteht  länger  als  1 — 2 
Wochen.  Mitunter  treten  rheumatische  Affektionen  ein,  die  sich 

io* 


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140 


in  Schwellung  der  Schulter  und  Kniet-  und  Hüftgelenke 
Kusse m.  Neuralgien  und  Orchitis  treten  im  Laufe  der 
Krankheit  hinzu. 

Charakteristisch  sind  für  das  Mittclmcerfieber  die  Rück- 
titlle,  die  die  Krankheit  Uber  Monate  hinziehen  kennen.  Der 
lJrocentsatz  der  Sterblichkeit  betrügt  2 

An  den  Leichen  erscheint  der  ganze  Darm  geröthet, 
im  Dickdarm  finden  sich  noch  ausser  der  Röthung  Geschwüre. 

Die  Milz  ist  vergrössert,  weich  und  zerfliessend. 

Bei  der  Diagnose  macht  mitunter  die  Unterscheidung 
von  Abdominaltyphus  Schwierigkeiten. 

Die  Therapie  ist  symptomatisch.  Vorsichtig  muss 
man  mit  der  Diüt  sein.  So  lange  Fieber  besteht,  ist  Hüssigc 
Nahrung  geboten. 

Ueber  das  indische  Nasha-Fieber  berichtete 
Fernandez  1894  auf  dem  indischen  medicinischen  Congress. 
Es  tritt  vorzugsweise  in  Bengalen  auf  und  ist  durch  mehr- 
tägiges Fieber  charakterisirt,  dem  eine  eigentümliche  Hyper- 
aemie  der  Nusenschleimlmut  gewöhnlich  vorausgeht.  Das 
Fieber  ist  resistent  gegen  Chinin.  Tödtlieher  Ansgang  ist 
selten. 

Dasjapan  ische  Fluss- oder  U eberschwemm  ungs- 
fieber  ist  1879  zuerst  vomßälz  beschrieben  worden.  Es 
ist  auf  einen  kleinen  Bezirk  an  der  Westküste  der  japanischen 
Hauptinsel  beschrankt.  Es  ist  charakterisirt  durch  fieber- 
haften Verlauf,  umschriebene  Hautnekrose,  Lymphdrüsen- 
schwellung  und  Hautexanthem  und  tritt  zur  Zeit  der  regel- 
mässigen Ueberschwemmungen  auf.  Meist  ohne  Vorboten 
treten  Schwellungen  der  Lymphdrüsen  einer  Körpergegend, 
z.  B.  einer  Leiste,  einer  Achselhöhle,  des  Halses,  auf.  In 
deren  Nähe  findet  sich  dann  eine  umschriebene  Hautnekrosc. 
Mit  Vorliebe  sitzen  diese  Nekrosen  an  feuchten  Hautstellen, 
z.  B.  an  den  Genitalien,  in  der  Achselhöhle.  Der  Schorf 
hat  etwa  2 — 4 mm  im  Durchmesser.  Es  finden  Bich  bis  4 
solcher  Stellen.  Die  entsprechend  befallenen  Lymphdrüsen 
sind  hart  und  sehr  druckempfindlich.  Die  Temperatur  be- 
trügt bis  zu  40°  C.,  es  besteht  fast  stets  Bindehautkatarrli. 
Am  6.  oder  7.  Tage  tritt  unter  Steigerung  des  Fiebers  ein 
Exanthem  nuf,  das  zuerst  an  Schläfen  und  Wangen  erscheint 
und  aus  dunkelrothcn  Papeln  besteht.  Gleichzeitig  mit  dem 


141 


Exanthem  und  zwischen  diesem  treten  an  den  Unterarmen 
und  am  Rumpfe  zahlreiche  kleine  dunkelrothe  Knötchen  auf. 
Die  Kranken  jammern  viel,  wahrscheinlich  in  Folge  einer 
allgemeinen  Ilyperaesthesie.  Der  Schorf  löst  sieh  und  unter 
ihm  findet  sieh  ein  rundes  Kratergcachwür  mit  steilen,  scharfen 
Rändern,  das  nur  wenig  Eiter  absondert.  Die  mittlere  Dauer 
des  Flussfiebers  beträgt  3 Wochen.  Die  Mortalität  wird  von 
Bälz  auf  15°/0  angenommen. 

Das  unbekannte  Krankheitsgift  haftet  an  dem  aufgc- 
sehweinmten  Lande,  und  die  Ucbcrsehwemmungen  spielen 
zweifelsohne  eine  Rolle  bei  der  Entwicklung  der  Krank- 
heitserreger. Die  Ucbersehwemmungcn  finden  regelmässig 
im  Frühjahr  statt.  Fast  ausschliesslich  werden  Schnitter  be- 
fallen und  Leute,  «lic  den  geernteten  Hanf  sortiren  und 
reinigen. 

Die  Therapie  ist  symptomatisch. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Le  d i agnostie  bac  1 6 r iologiquc  d u pnl  ud  isme  par  le 
Dr.  du  Bois,  Saint  Scrvin,  mödeein  de  premiere  classe  de 
la  marine.  (Archives  de  medecine  navale  et  coloniale. 
1896.  N.  5 p.  335,  T.  65. 

Verfasser  giebt  in  seinem  Aufsätze  zunächst  einen 
ganz  kurzen  historischen  Ueberblick  über  die  Entdeckung 
der  Malaria-Parasiten  durch  Lavcran  und  weist  auf  die 
diagnostische  Wichtigkeit  der  entsprechenden  Blutbefundc  hin. 

Seine  Resultate  gewann  er  hauptsächlich  durch  Blut- 
untersuchungcn  während  der  Dahomey-Expedition  im  Jahre 
1892  — 93  und  bei  den  aus  Madagaskar  heimgekehrten 
Mannschaften. 

Er  unterscheidet  zunächst  bei  der  Blutuntersuchung 
2 Fälle,  erstens  die  Untersuchung  während  eines  Fieber- 
Antnlles,  zweitens  die  Untersuchung  während  der  Apyrexic 
bei  einem  „Kachektischen  oder  einem  Anämischen“,  der 
vorher  ISumpffieber  üherstanden  hatte. 

Im  ersten  Falle  soll  das  Blut  des  Malariakranken  im 
Beginne  des  Anfalls  immer  Parasiten  enthalten,  gleichgültig, 
ob  er  Chinin  genommen  oder  nicht. 


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142 


Da  du  B.  gar  nicht  angiebt,  für  welche  Fiebertypen 
das  EUtreffen  soll,  ist  die  Analyse  derartig  allgemein  ge- 
haltener Angaben  unmöglich.  A.  Plehn  hat  in  Kamerun 
bei  dem  Vorhandensein  von  nur  1 Parasitengeneration  einige 
Stunden  vor  dem  Fieberanfalle  bis  in  den  Schüttelfrost  hin- 
ein im  peripheren  Blute  keine  Parasiten  finden  können,  da 
diese  dann  in  inneren  Organen  ihre  Sporulation  durch- 
machen. Referent  sah  in  Kamerun  bei  den  remittirend  ver- 
laufenden Erstlingsfiebern,  die  in  überwiegender  Mehrzahl 
an  Bord  zur  Beobachtung  kamen,  Parasiten  von  verschiedener 
Entwicklungsstufe  oft  in  allen  Stadien  der  Krankheit.  Hier 
handelte  es  sich  eben  um  mehrere  Parasitengenerationen. 
Bei  2 Fällen  von  genau  beobachteter  Quotidiana  konnten 
ebenfalls  in  allen  Stadien  der  Krankheit  Parasiten  nach- 
gewiesen werden.  Indess  kamen  auch  schon  bei  heimischer 
Tertiana  Anfälle  vor,  während  deren  nur  eine  äusserst  sorg 
same  Beobachtung  das  Vorhandensein  von  Blut-Parasiten 
feststellen  konnte.  Wenn  dann  ferner  du  B.  sagt,  dass  im 
lebenden  Blute  nur  die  etwa  sich  findenden  Geisselfonnen, 
Halbmonde  und  die  grossen  pigmentirten  freien  oder  endo- 
globulären  Körper  sich  gut  finden  Hessen,  dass  aber  die 
kleinen,  noch  pigmentlosen  und  gewisse  kleine  Theilungs- 
formen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  unbemerkt  blieben,  so 
trifft  das  für  den  geübten  Beobachter  nicht  zu.  Wer  öfter 
mit  einem  guten  Miskroskop  die  kleinen,  oft  lebhaft  beweg- 
lichen, blassen  Parasiten  gesehen  hat,  die  jeden  Augenblick 
von  der  Ring-  in  die  Scheibenform  und  umgekehrt  über- 
gehen, wird  bald  lernen,  sich  vor  Verwechslungen  mit  den 
napfförmigen  Ausbuchtungen  der  rothen  Blutzellen  zu  be- 
wahren. Letztere  sind  durchschnittlich  grösser,  erscheinen 
stärker  lichtbrechend,  bedeutend  schärfer  konturirt  und  viel 
weniger  beweglich.  Ihre  Form  bleibt  meistens  eine  runde 
oder  ovale.  Bei  den  jungen  Parasiten  der  Tropenfieber 
sieht  man  sehr  oft  durch  Verdünnung  des  Plasmas  im 
Centrum  des  Parasiten  die  dunklere  Substanz  der  rothen 
Blutzellen  durchschimmern,  du  B.  geht  auf  diese  hier  nur 
kurz  angedenteten  differential  diagnostischen  Momente  nicht 
ein.  Da  er  aber  gerade  die  Wichtigkeit  des  schnellen  Auf- 
findens  der  Malaria-Erreger  betonte,  war  es  nothwendig,  die 
relative  Einfachheit  der  Untersuchung  im  lebenden  Blute 


143 


hervorzuheben.  Referent  hatte  anfänglich  auch  che  Leb- 
haftigkeit der  amöboiden  Beweglichkeit  der  jungen  tropischen 
Malaria-Parasiten  unterschätzt.  Nach  du  B.  sind  die  vor- 
erwähnten kleinen  Formen  nur  durch  dio  Färbung  leicht 
nachzuweisen.  Zu  erwähnen  ist,  dass  er  mit  Recht  gerade 
diesen  kleinen  unpigmentirten  Formen  die  grösste  Wichtig- 
keit beimisst.  Für  wünsehenswerth  hält  er  die  Färbung  auch 
bei  der  Blutuntersuchung  bei  einem  Kachetiker  im  Zustande 
der  Apyrexie,  der  sich  unter  Chininbehandlnng  befindet. 
Häufig  hat  er  dann  Halbmonde  und  grosse,  starke  pigmen- 
tirte,  sphärische  Körper  finden  können,  wenn  auch  in  sehr 
geringer  Anzahl  in  dem  jedesmaligen  Präparat.  Ucbrigens 
sind  die  grossen  stark  pigmentirton  Sphären  und  Halbmonde 
so  charakteristisch  in  ihrem  Aussehen,  dass  es  allein  zu  ihrem 
Nachweise  nicht  der  Färbung  bedarf. 

Behufs  Anfertigung  von  Präparaten  wäscht  und  bürstet 
du  B.  dem  Patienten  einen  Finger  mit  Seife,  dann  mit 
Sublimat  und  zuletzt  mit  Alkohol,  trocknet  ab,  legt  eine 
Ligatur  um  das  erste  Fingerglied  und  sticht  in  die  Finger- 
kuppe mit  einer  ausgeglühten  Nadel.  Dann  fängt  er  das 
Blutströpfchen,  das  nicht  zu  dick  und  nicht  zu  dünn  sein  darf, 
mit  der  Mitte  eines  Deckgläschens  auf  und  legt  ein  anderes 
kreuzförmig  darüber.  Wenn  sich  der  Blutstropfen  ausbreitet, 
zieht  er  die  Deckgläsehen  vorsichtig  voneinander  ab,  um 
Fonnveränderungcn  der  rothen  Blutkörper  zu  vermeiden. 
Wünsehenswerth  wäre  hier  gewesen,  wenn  der  Verfasser 
eine  genauere  Schilderung  der  zu  Täuschungen  möglicher- 
weise Anlass  gebenden  eventuellen  Kunstprodukte  gegeben 
hätte.  Specicll  die  kleinen,  bei  leichtem  Druck  auf  das 
Deckglas  sich  von  den  rothen  Blutzellen  abschnürenden 
runden  Stücke  haben  durch  ihre  oft  äusserst  lebhafte  Be- 
weglichkeit schon  häufig  junge,  extraglobuläre  Parasiten  vor- 
getäuscht. Das  Waschen  mit  Sublimat  erscheint  bei  Blut- 
untersuchungen zur  Orientirung,  ob  Parasiten  da  sind  oder 
nicht,  entbehrlich,  in  jedem  Falle  auch  die  Anlegung  einer 
Ligatur.  Es  schien,  als  ob  sich  bei  Anlegung  einer  Ligatur 
die  rothen  Blutzcllcn  im  frischen  Präparat  leichter  ver- 
änderten. Auch  die  Anwendung  der  ausgeglühten  Nadel 
scheint  weniger  geeignet. 


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144 


Referent  sali  an  der  westafrikanischen  Kliste,  wie 
seihst  kräftige  Männer  direkte  Furcht  hatten  vor  dem 
Stich  mit  der  Nadel.  Ein  Stich  mit  einem  Stilet  mit  kurzer, 
vierkantiger  Spitze  wurde  viel  weniger  schmerzhaft  em- 
pfunden. 

Ob  man  das  Blut  auf  dem  Deckglase  verstreicht  oder 
die  Vertheilung  zwischen  2 Deckgläschen  vornimmt,  wie 
du  B.,  macht  wenig  Unterschied.  Nur  muss  man  in  letz- 
terem Falle,  was  du  B.  vergisst,  sich  die  die  Deckgläschen 
haltenden  Finger  mit  Seife  und  Alkohol  vorher  waschen, 
da  sonst  durch  den  die  Hand  umgebenden  Dunstkreis  Bich 
die  Deckgläschen  beschlagen  und  die  rothen  Blutzellen  Ver- 
änderungen eingehen  können. 

Du  B.  lässt  dann  die  Präparate  trocken  werden  und 
fixirt  durch  Uebergiessen  eines  Tropfens  aus  einer  Mischung 
von  Alkohol  und  Aether  as.  Wenn  die  Präparate  trocken 
sind,  1 — 3 Minuten  einlegen  in  filtrirte  Eosin- Lösung 
(wasserlöslich)  '/ ioo.  oder  in  einer  Mischung  von 
Eosin  ....  1,0 

Alkohol  . . . 60,0 
Aq 40,0 

abspUlen  und  einlegen  in  eoncentrirte  wässerige,  filtrirte 
Methylenblaulösung  einige  Sekunden  bis  4 oder  5 Minuten. 
Man  soll  dann,  wenn  sich  nicht  noch  eine  Nachbehandlung 
mit  einem  der  Farbstoffe  nöthig  zeigt,  abspUlen,  trocknen 
lassen,  in  Xylol  waschen  und  darauf  in  Canada-Bnlsam 
betten.  Man  soll  dann  die  rothen  Blutzcllen  rosa  gefärbt 
sehen,  die  weissen  Blutkörper  verschieden  gefärbt.  Bei  Anä- 
mischen und  Kachektikern  sah  er  die  Zahl  der  eosinophilen 
Zahlen  bisweilen  enorm  vermehrt.  Die  Parasiten  selbst  sah 
du  B.  blassblau  gefärbt.  Ihre  Zahl  sollte  im  Beginn  des 
Fiebers  sehr  beträchtlich  sein,  während  des  Anfalles  aber  sich 
vermindern  und  während  der  Apyrexie  sehr  gering  werden. 
Die  ein-  oder  mehrfach  inficirten  rothen  Blutkörper  zeigen 
nach  du  B.  oft  eine  geblähte  Form  mit  verringerter  Färbe- 
fähigkeit. 

Heber  die  Grössenverhältnisse  giebt  du  B.  keine  An- 
deutungen. Die  kleinsten  sind  noch  unpigmentirt.  Wachsend 
zeigen  sie  einige  Pigmentkörnchen.  Ihre  Form  soll  meist 
unregelmässig  sein  im  gefärbten  Präparat.  Diese  Angabe 


145 


erscheint  merkwürdig.  Die  Mehrzahl  der  Autoren  fand  iin 
geftrbten  Präparat  meist  typische  Ring-  oder  Sicgclring- 
form  hei  den  jungen  Formen,  bei  den  etwas  älteren  mehr 
rundliche.  Auch  dass  du  B.  die  jungen  Formen  z.  Th. 
noch  frei  im  Blute  fand,  und  ausserdem  oft  Segmentations- 
formen im  peripheren  Blut,  ist  bemerkenswert!].  Ueber  das 
seltene  Vorkommen  der  letzteren  Gebilde  im  peripheren 
Blut  sind  wohl  alle  Autoren  einig,  wenigstens  soweit  cs  sieh 
um  Fieber  handelt,  die  dein  estivo-autumnalen  der  Italiener 
entsprechen.  Man  neigt  durchschnittlich  der  Ansicht  zu, 
dass  die  Theilung  in  inneren  Organen  statttindet.  Freie 
junge  Formen  hat  Referent  sowohl  hei  heimischer  wie  bei 
tropischer  Malaria  nicht  sehr  oft  gefunden.  Es  schien, 
als  ob  die  jungen  Parasiten  sofort  nach  dem 
Verlassen  des  Mutterkörpers  die  rothen  Blut- 
zellen inficirten.  Bei  den  Segmentationskörpern  sah 
du  B.  bis  20  sehr  kleiner  Sporen.  Das  Auffinden  dieser 
Körper  giebt  du  B.  die  Indikation  zu  Chinin-Injektionen, 
da  die  erwähnten  Formen  leicht  durch  Chinin  zu  beeinflussen 
seien.  Einen  selteneren  Befund  bildeten  ihm  bei  Beginn  des 
Anfalls  sphärische  Körper  und  Halbmonde.  Dieselben  Ge- 
bilde sah  er  auch  in  der  Apyrexie.  Bei  den  Halbmonden 
beschreibt  er  eine  regelmässige  Gruppirung  des  Pigments 
im  Centrum  des  Gebildes. 

Sicherlich  kommen  indess  auch  Formen  mit  zerstreutem 
Pigment  vor.  Auf  die  gelegentliche  Lagerung  innerhalb 
von  rothen  Blutzellen  geht  er  gar  nicht  ein.  Eine  unge- 
wöhnlich grosse  Anzahl  von  Parasiten  während  der  Apyrexie 
war  ihm  das  Zeichen,  dass  ein  neuer  Anfall  bevorstand. 

Fand  er  keine  Parasiten,  so  liess  er  die  Diagnoso 
zweifelhaft  und  suchte  sich  durch  die  Befunde  der  weissen 
Blutkörper,  wie  sie  oben  angedcutet,  zu  orientiren.  Es  ist 
das  ein  sehr  trügerisches  Mittel. 

Um  die  Geisselforinen  im  lebenden  Blut  zu  sehen, 
schloss  du  B.  das  Präparat  in  Paraffin  ein,  stellte  sich  einen 
regelmässig  pigmentirten  Körper  ein  und  beobachtete  dann 
im  Laufe  der  nächsten  10 — 15  Minuten  das  Hervorschiessen 
der  schon  so  oft  geschilderten  Geissein.  Auch  hier  ist  zu 
betonen,  dass  man  die  erwähnten  Formen  sofort  nach  Ver- 
lassen der  Blutbahn  im  lebenden  Blute  beobachten  kann. 


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146 


Auf  die  Diagnose  der  für  die  Prognose  so  wichtigen 
sterilen  Formen,  wie  überhaupt  auf  die  Verhältnisse  des 
Kernes  wird  nicht  cingegangen.  Wie  Referent  demnächst 
zeigen  wird,  zeigen  die  Parasiten  der  Tropenfieber  nämlich 
ein  ähnliches  Verhalten  ihrer  Kerne,  wie  die  Parasiten  der 
heimischen  Malaria.  Die  sterilen  Formen  der  tro- 
pischen Parasiten,  die  Sphären,  G eisse  1 k ör pe r 
und  Halbmonde  können  sich,  wie  schon  an  an- 
derer Stelle* *)  auseinandergesetzt  ist,  bei  voll- 
kommenem Wohlbefinden  zeigen.  Eine  Be- 
ziehung zum  Fieber  haben  sie  nicht.  Wegen 
ihres  Chrom«  t inina  n g eis  scheinen  sic  unfähig 
zur  Fortpflanzung. 

Am  Schlüsse  der  Arbeit  giebt  du  B.  einige  ganz  all- 
gemein gehaltene  Thesen,  die  neues  nicht  bringen. 

Berlin,  Februar  1897.  Dr.  Ilans  Ziemann, 

Mar.-Ass.-Arzt  I.  CI. 


De  l’orc hi te  ma I ar i en ne  par  le  Dr.  P 1 an t e.  Modi  ein 
de  p rentiere  classc  de  la  marine.  Archives  de 
med.  na  vale  et  colon.  1896.  Nr.  5.  1.  65  p.  347. 

Ilodencntzündung  im  Verlaufe  von  Malaria  ist  bereits 
von  Gorrc'),  Le  Dentu’),  Charvot3)  und  anderen  in  Frankreich 
beschrieben.  Von  deutschen  Autoren  ist  Martin4)  zu  nennen, 
der  sie  in  Sumatra  beobachtete. 

In  der  deutschen  Marine  ist  sic  ebenfalls  mehrfach 
beobachtet.  (Statistischer  Sanitätsbcricht  1891 — 93.  Ostasicu, 
Afrika.) 

Referent  sali  nur  1 leichten  Fall  in  Kamerun  bei  dein 
SehifFskneh  der  Hulk  „Cyklop“  und  zwar  gelegentlich  einer 
febris  irregularis,  nachdem  vorher  schon  durch  Blutunter- 


*)  Ueber  Blutparasiten  bei  heimischer  und  tropischer  Malaria. 
Von  I >r.  H.  Ziemann,  Centralbl.  f.  Bacteriologie  u.  Parasitenk.  189fi. 
B<1.  20,  Nr.  18,' 19. 

*)  Pathologie  exotiipic.  1 1 Orchite  paludeenne.  Bullet,  et  mein, 
de  In  soc.  de  Chir.  in  Vircli.  Hirsch.  Jahresbericht  1888  p.  325.  *)  Ktude 
cliniquo  sur  l'orchite  paludeone,  revue  de  Chirurg.  VIII.  8.  Schmidts 
Jahrbücher  1888  p.  120.  4)  Aerztliclie  Krfahrungen  Uber  die  Malaria 
der  Tropen-Länder.  Berlin,  1889.  p.  34. 


147 


Buchungen  festgestelltc  latente  Malaria  bestanden  hatte.  Die 
Orchitis  ging  fast  gleichzeitig  mit  dem  endgiltigcn  Fieber- 
Abfall  und  dem  Schwinden  der  Parasiten  aus  dem  peripheren 
Blute  zurück. 

Das  schnelle  Einsetzen  ohne  Prodromalsymptome,  die 
oft  sich  findende  Verschlimmerung  und  Verbesserung  des 
Zustandes  je  nach  dem  Malaria  Stadium,  die  intensive  Schmerz- 
haftigkeit, die  Beeinflussharkeit  durch  Chinin,  die  schnellere 
Heilung  werden  als  Unterscheidungsmerkmale  gegenüber  der 
gewöhnlichen  gonorrhoischen  Affection  hervorgehoben. 

Bei  der  letzteren  kommt  es  zuerst  zu  Entzündung  des 
Nebenhodens  und  bleibt  die  Entzündung  in  der  Mehrzahl 
auf  dieses  Organ  beschränkt.  Bei  Orchitis  ex  malaria  soll  es 
nach  Martin  fast  gleichzeitig  zu  Hoden-  und  Nebenhoden- 
entzündung kommen. 

Wie  fast  alle  anderen  Autoren,  giebt  auch  Plante  an, 
dass  sich  diese  Komplikation  hauptsächlich  fände  bei  Leuten, 
die  schon  mehrfach  Malaria-Anfälle  überstanden.  Hoden- 
Atrophie  sah  er  nie  Zurückbleiben,  niemals  auch  Vereiterungen 
des  Hodens  bezw.  zurückbleibende  Schwellung  des  Neben- 
hodens. Im  Ganzen  sah  er  5 Fälle,  von  denen  2 einen  und 
denselben  Patienten  betrafen. 

Letzterer  hatte  schon  vorher  gelegentlich  einiger  Fieber- 
Anfälle  an  Neuralgie  in  der  Lumbar-Gegend  gelitten  mit 
ausstrahlenden  Schmerzen  nach  dem  einen  Hoden  und  Neben- 
hoden. Im  Verlaufe  eines  heftigen  Fieber  Anfalles  traten 
heftige  Entzündung  eines  Hoden  und  Nebenhoden  auf.  Die 
Erscheinung  verschwand  und  wiederholte  sich  mit  den  regel- 
mässig wiederkehrenden  Anfällen. 

Nach  einem  solcher  Anfälle  kam  es  zu  einer  Phlegmone. 
Nach  Einschnitt  reichliche  Eitcrentleerung  und  schnelle  Heilung 
auch  der  Orchitis.  (J  Wochen  später  wieder  heftige  Fieber- 
Anfälle  und  Ilodenentzündung.  Es  kam  zu  einem  oher- 
Hächlichen  Abscess  des  scrotum,  der  nach  Ineision  zuriickging. 
Die  Ilodenentzündung  hielt  noch  3 Wochen  mit  dem  Fieber 
an.  Zuletzt  Heilung.  Bei  den  3 anderen  kam  cs  zu  keiner 
Abseessbildung.  Die  Heilung  trat  sehr  schnell  ein,  in  dem 
einen  Falle  mit  dem  Ende  des  Anfalles,  der  24  «Stunden 
gedauert  hatte.  In  derselben  Zeit  ging  das  Volumen  des  um 
das  doppelte  vergrosserten  entzündeten  Hodens  zui  Norm 


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148 


zurück.  In  allen  Fällen  hatte  sich  die  Hodenentzündung 
hcrausgobildet  im  Verlaufe  eines  ungewöhnlich  heftigen 
Fieberanfalles. 

Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  Plant«!  nicht  gleiclizeitig 
Blutuntersuchungen  angestcllt  hat.  Dieselben  sind  unbedingt 
notwendig,  wenn  derartigen  kasuistischen  Mitteilungen  eine 
gewisse  beweisende  Kraft  innewohnen  soll. 

Plant«!  glaubt,  dass  cs  sich  bei  der  erwähnten  Krankheit 
um  eine  Entzündung  des  Lympl.-Gefässnetzes  des  Hoden 
und  Nebenhoden  handle.  Da  in  den  heissen  Ländein  das 
Lymph-Gefässsystem  überanstrengt  würde,  sei  in  demselben 
ein  locus  minoris  resistentine  gegenüber  den  Krankheits- 
erregern geschaffen.  Auf  diese  Weise  sei  es  auch  zu  erklären, 
warum  die  Krankheit  nicht  in  der  gemässigten  Zone  aufirätc. 
Diese  Erklärung  erscheint  durchaus  noch  nicht  beweisend. 

Bei  der  tropischen  Malaria  findet,  wie  durchgehend» 
beschrieben  ist,  die  Sporulation  vorwiegend  oder  allein  in 
inneren  Organen  statt,  möglicherweise,  weil  die  inficierten 
Blutzellen,  nachdem  sie  gewisse  Veränderungen  erlitten,  in 
den  betreffenden  Kapillarnetzen  zurückgchalten  werden. 
Vielleicht  ist  dieses  rein  mechanische  Moment  zu  einer  unge- 
zwungenen Erklärung  der  orchitis  ex  malaria  heranzuziehen. 

Berlin,  Februar  1897.  Dr.  Hans  Ziemann. 


1)  L.  Breaudat,  Contribution  ä l’etude  bactcriolo- 
gique  de  la  „fievre  bilieuse  hfimaturique“  au 
Tonkin.  (Arehives  de  m&lecine  navalc,  1896,  tomc 
soixante-cinquieme.) 

Breaudat  fand,  wie  vor  ihm  Yersin,*)  im  häiuo- 
globinhaltigen  Urin  von  5 Schwarzwnsserfiebcrkranken,  sowie 
in  dem  grüngetärbten  Stuhl  ein«'»  sechsten,  24  Stunden  nach 
dessen  Tode,  einen  „Cocco-bacillus“,  den  er  auf  Grund 
genauer  bacteriologischer  Prüfung  für  identisch  mit  dem 
„bacterium  coli“  hält. 

Dass  demselben  in  den  mitgcthi-ilten  Fällen  eine  patho- 
logische oder  gar  ätiologische  Bedeutung  zukomme,  behauptet 
auch  Breaudat  nicht. 

*)  Dasselbe  Blatt,  Juli  1800. 


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140 

Referent  hat  bei  zahlreichen  Untersuchungen  des  hämo- 
globinurischen  Urins  Malariakranker  bis  jetzt  nur  Fäulniss- 
bacterien  gelegentlich  gesehen.  Albert  Plelin. 

2)  Clavac  Dr.,  mddecin  principal  des  colonies.  Notes  de 
pathologie  exotique;  Deux  cas  d’heinoglobi- 
nurie  quinique.  Ebenda. 

Verfasser  berichtet  über  einen  Fall,  wo  bei  einem 
jungen  Mädchen,  das  nach  sechsmonatlichem  Aufenthalt  in 
der  Colonie  (wo?  ist  nicht  gesagt)  an  öfteren  leichten  Ficber- 
an fällen  zu  leiden  begann,  deren  wegen  es  drei  Monate  später 
vierzehn  Tage  lang  täglich  0,5  g Chinin  nahm,  die  letzte 
Gabe  dann  Hämoglobinurie  mit  hohem  Fieber  und  leichten 
Jcterus  auslöste. 

Nachdem  der  Urin  am  zweiten  Tage  normale  Beschaffen- 
heit wieder  angenommen  hatte  und  die  Temperatur  zur 
Norm  zurückgekehrt  war,  wurde  am  dritten  Tage  danach 
bei  völligem  Wohlsein  wiederum  0,75  g Chinin  gereicht. 
Zehn  Stunden  später  wiederholten  sich  die  stürmischen  Er- 
scheinungen : Fieber,  Hämoglobinurie,  Jcterus.  — Als  auch 

dieser  Anfall  ohne  weiteren  Chiningebrauch  rasch  überwunden 
war,  wurde  vier  Tage  später  (experimeuti  causa)  nochmals 
1 g Chinin  gegeben,  was  ebenfalls  Hämoglobinurie,  diesmal 
ohne  Fieber,  hervorrief.  Rasche  vollständige  Reconvalescenz 
nach  Aussetzen  des  Medicaments. 

Ein  zweites  Mal  machte  ein  fieberkranker,  stark  malaria- 
durchseuchter Ordensbruder,  dem  Verfasser  Chinin  verordnetc, 
selbst  darauf  aufmerksam,  dass  er  jedesmal  nach  Chinin- 
gebrauch blutigen  Urin  entleere.  .Schliesslich  willigte  er  i.. 
einen  Versuch,  der  seine  Angaben  bestätigte.  Heilung. 

Verfasser  erörtert  im  Anschluss  an  diese  Mittheilungen 
die  Frage,  ob  es  sich  hier  und  in  den  von  anderer  Seite 
beschriebenen  Fällen  um  „Hämoglobinurie  durch  Chinin“, 
oder  „Fi£vre  bilieusc  hämaturique“  gehandelt  habe.  Er 
scldiesst  sehr  richtig,  dass  eine  Prädisposition,  wie  sie 
(vielleicht  neben  anderen  Momenten,  als  Lues,  Heredität) 
ganz  besonders  Malariaerkrankungen  schallen  können,  für 
eine  derartige  Giftwirkung  des  Chinins  unerlässlich  sei.  — 
Aber  leider  kommt  er  nicht  so  weit,  die  Consequenz  daraus 
zu  ziehen,  dass  man  vom  Chiningebrauch  ganz  absehen  muss, 


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150 


wenn  es  seinen  verderblichen  Einfluss  auf  Grund  wie  immer 
auch  entstandener  Disposition  zum  Blutzerfall  bethätigt  bat. 

Wenn  aber  Clavak  so  auch  die  Frage  des  Chinin- 
gebrauchs bei  hfimoglobinurischem  Fieber  offen  lässt,  so  hat 
er  doch  das  grosse  Verdienst,  wenigstens  grösste  Vorsicht 
im  Gebrauch  des  Mittels  anzurathen  und  nur  ganz  kleine 
Gaben  zu  empfehlen,  die  man  eventuell  öfters  wiederholen 
soll.  Ob  die  Chinarinde,  durch  welche  Verfasser  das  Alcaloid 
ersetzen  will,  specifisch  anders  wirkt,  ist  doch  wohl  die 
Frage.  — Die  einschlägige  Deutsche  T.itteratur  der  letzten 
Zeit  ist  ihm  offenbar  noch  nicht  bekannt. 

Jedenfalls  ist  es  sehr  erfreulich,  hier  von  ganz  anderer 
Seite  aus  den  Tropen  die  Erfahrungen  bestätigt  zu  finden, 
welche  Friedrich  P I e h n und  Referent  an  der  Afrikanischen 
Westküste  in  Bezug  auf  die  unter  Umständen  gefährliche 
Wirkung  des  Chinins  auf  Malaiiakranke  machten,  die  zu 
Blutzerfäll  neigen.  Albert  Plehn. 

Winterschlaf  und  Infection  von  Dr.  Otto  Billinger. 
Wiener  klinische  Rundschau.  8.  November  189G,  Alfred 
llülder. 

Von  der  Thatsache  ausgehend,  dass  Bakterien  zwar 
im  thierischen  Organismus  bei  einer  stark  über  die 
Norm  erhöhten  Temperatur  getödtet  werden  können,  der 
Organismus  selbst  aber  ebenfalls  hohe  Temperatur  dauernd 
nicht  verträgt,  hat  Verfasser  versucht,  auch  den  Ein- 
fluss abnorm  niedriger  Wärmegrade  auf  die  Bakterien 
im  Thierkörper  experimentell  zu  studiren.  Die  einen  Winter- 
schlaf haltenden  Thiere  mit  ihrer  nur  weniger  über  Null  sich 
erhebenden  Körperwärme  boten  hierfür  geeignete  Objekte. 
Es  zeigte  sich,  dass  die  Einimpfung  von  Rotz  und  Milzbrand 
die  schlafenden  Thiere  zwar  erweckte,  dass  dieselben  aber 
bald  wieder  einschliefen  und  im  Winterschlaf  durch  das 
eingeführte  Gift  getödtet  wurden.  Anders  verhielt  sich  das 
Murmelthier  gegen  Tuberkelbacillen.  Es  erwachte  durch  die 
kleine  Operation  nicht,  sondern  erst  zur  gewöhnlichen  Zeit 
nach  beendetem  Winterschlaf,  erkrankte  aber  dann  rasch 
und  starb  an  akuter  Miliartuberkulose  nach  einigen  Tagen. 
Die  interessanten  Experimente  beweisen,  dass  die  Krankheits- 
erreger im  Organismus  gegen  Kälte  widerstandsfähiger  sind 
als  im  Laboratorium.  M. 


15t 

DieSeekrankheitalsTypus  der  Kinetosen,  Versuch 
einer  Mechanik  des  psychosomatischen  Betriebes  von  Prof. 
Dr.  0.  Rosen  hach  -Breslau.  (Wien,  Alfred  Ilöldcr  18l>ß.) 

Als  Kinetosen  bezeichncte  Rosen  buch  eine  Gruppe 
von  Betriebsstörungen  des  Organismus,  deren  Eigentümlich- 
keit ist,  dass  sie  verursacht  sind  durch  ungewohnte  von 
aussen  auf  den  Körper  einwirkende  Bewegungen.  Die  Haupt- 
bewegungen dieser  Art  sind:  1.  ein  rein  psychischer  Vorgang, 
2.  die  Schaukelbewegung,  3.  die  Kreisbewegung,  4.  Bewegung 
in  senkrechter  Richtung  zur  Horizontalebene,  5.  Rtiekwärts- 
bewegung,  6.  die  schnelle  Hemmung  bei  Bewegungen  oder 
schneller  Uebergang  zur  Bewegung  aus  dem  Ruhezustände. 

Durch  diese  ungewohnten  Bewegungseinwirkungen  wird 
der  dem  Normalzustand  entsprechende  Tonus  der  feinsten 
Gewebsteilchen  und  deren  Schwingungen  verändert.  Ist  auch 
der  Körper  mittels  empfindlicher  Reguliervorrichtungen  bis 
zu  einem  individuell  verschiedenen  Grade  im  Stande,  den 
Einflüssen  zu  begegnen,  so  wird  die  Widerstandskraft  doch 
oft  überschritten,  cs  treten  Störungen,  Erkrankungen  auf. 

Die  Seekrankheit  hat  als  Typus  der  Kinetosen  zu  gelten. 
Die  Schiffsbewegungen  sind  derartige,  dass  ihnen  fast  jeder 
Organismus,  Menschen  und  Thiere,  unterliegt.  Besonders  ist 
es  die  Drehung  des  Schiffes  um  die  Querachse,  das  sog. 
Stampfen,  welche  seekrank  macht,  also  die  Auf-  und  Ab 
bewegung  und  der  schnelle  unberechenbare  Wechsel,  welcher 
es  unmöglich  macht,  dass  die  Reguliervorrichtungen  in  Tliütig- 
keit  treten. 

Die  Seekrankheit  tritt  in  zwei  Hauptlormen  auf,  einmal 
mit  hauptsächlicher  Beteiligung  des  centralen  Nervensystems 
und  zweitens  der  Bauehorgane;  häufig  sind  Mischformen. 
Der  Grad  der  Erkrankung  wechselt  von  leichtem  Unbehagen 
bis  zu  den  qualvollsten  Zuständen  vollständigen  Vernichtungs- 
gefühls, Willenlosigkeit,  Versagen  aller  aktiven  vegetativen 
Verrichtungen  bei  unstillbarem  Erbrechen,  Stuhl-  undUrindrang 

Die  Therapie  stellt  sich  nach  dieser  Theorie  recht  trost- 
los dar,  denn  natürlich  lassen  sich  die  einmal  in  abnormen 
Tonus  gerathenen  und  abnormen  schwingenden  Moleküle 
durch  nichts  anderes  in  ihren  alten  Zustand  zurückbringen 
als  durch  Beseitigen  der  Ursache,  Betreten  festen  Bodens. 
Narcotica  können  für  kurze  Fahrten,  im  Anfang  gereicht,  den 


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152 


Ausbruch  durch  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  verhindern, 
schliesslich  aber  muss  ihre  Wirkung  in  das  Gegentheil  Um- 
schlagen infolge  ihrer  lähmenden  Eigenschaften.  Am  besten 
hat  sich  Cocain  0,03 — 0,05  mehrmals  gereicht  bewährt  und 
die  Morphiumeinspritzung,  wohlgemerkt,  Anfangs  und  fiir 
kürzere  Fahrten.  Günstiger  ist  die  Prophylaxe.  Durch 
Gewöhnung  an  abnorme  Bewegung  kann  die  Regulierfähig- 
keit der  Gewebe  sehr  gesteigert  werden.  Von  unmittelbaren 
Vorschriften  sind  bewährt,  vor  der  Abreise  überhaupt  ruhig 
und  mässig  zu  leben,  das  Schiff  erst  nach  Genuss  von  etwas 
Speise  und  Trank  zu  betreten,  auch  geringer  Alcoholgenuss 
ist  vorteilhaft,  Aufenthalt  in  frischer  Luft,  horizontale  Lage 
möglichst  in  der  Nähe  der  Mitte  des  Schiffes,  Tragen  einer 
festen  Leibbinde,  Femhalten  von  Sorgen,  Aufregung  und 
Angst. 

Die  hauptsächlichsten  sonst  aufgestellten  Theorien  über 
das  Wesen  der  Seekrankheit  erfahren  eingehende  Besprechung 
und  Widerlegung.  Diese  Theorien  sind  1.  die  Theorie  der  Cir- 
culationsstörungen,  wonach  abnorme  Blutverteilung,  besonders 
Anämie  des  Gehinis,  das  Wesen  der  Erkrankung  ausmachen, 
2.  die  Theorie  der  Centrifugalkraft,  nach  welcher  die  Flüssig- 
keitsteilehen im  Kürperinnern  umhergeschleudert  werden,  3. 
die  centrale  Theorie,  welche  eine  Art  Gehirnerschütterung, 
4.  die  abdominale  Theorie,  welche  ein  Aneinanderschlagen 
und  Umherwerfen  der  Baucheingeweide  annimmt,  5.  die 
Theorie  des  statischen  Centrums,  6.  die  Theorie  des  optischen 
Schwindels  infolge  des  Mangels  eines  ruhenden  Punktes  für 
das  Auge. 

Mit  der  Theorie  des  Verfassers,  welche  immerhin  die 
Anerkennung  des  hypothetischen  Tonus  nöthig  macht,  sonst 
aber  trefflich  begründet  ist,  kann  von  allen  diesen  nur  die 
Theorie  der  Circulationsstörungen  in  Wettbewerb  treteu. 
Diese  erklärt  gleicherweise  alle  Erscheinungen  der  Seekrank- 
heit befriedigend  und  bleibt  dabei  auf  dem  Boden  der  Tliat- 
suclicn.  Man  kann  sich  unschwer  vorstellen,  dass  infolge  der 
dem  ganzen  Körper  erteilten  Bewegung  hin  und  her,  auf 
und  nieder,  schliesslich  die  beweglichen  Bestandteile,  also 
das  Blut,  am  Ort  des  geringsten  Druckes,  dem  Abdomen,  sich 
stauen,  es  tritt  also  eine  Uobcrfüllung  der  Bauchvenen  ein, 
während  das  Gehirn  anämisch  wird.  Daher  das  Gefühl  von 


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153 


Völle,  Bleischwere  im  Abdomen  und  das  Erbrechen,  welche 
ja  im  allgemeinen  das  Bild  beherrschen. 

Rosen  bachs’  eigenartige  Ausführungen  sind  insbe- 
sondere den  Freunden  biologischer  Forschung  zu  empfehlen, 
werden  aber  auch  jedem,  der  die  Seekrankheit  aus  eigener 
Anschauung  kennt,  ein  tieferes  Verständnis  dafür  erschliessen, 
wenn  es  auch  hier  und  da  nicht  leicht  wird,  dem  Verfasser 
in  seinen  Gedankengängen,  gehemmt  durch  die  schwere 
Schreibweise,  zu  folgen. 

Ein  reiches  Literaturverzeichnis  ist  der  Arbeit  beigegebeu. 

Möhring-Cassel. 


Uralt,  Poree  et  Vincent.  Beribdri  en  Nou veile 
Caledonie.  Arch.  de  mdd.  nav.  et  col.,  1895,  I p.  134, 
187  et  2o0. 

Le  memoire,  malgrd  des  lacunes  qu’il  n’a  pas  dependu 
des  auteurs  de  combler,  constitue  une  contribution  intdressante 
ä la  question  de  l’dtiologie  du  Beriberi. 

Depuisl891  legouvernementfransaisäfavorisdrimportation 
a la  Nouvelle  Caledonie  d’ouvriers  asiatiques,  qui  sont  eraployds 
dans  les  mines  de  Nickel;  le  memoire  de  Mil.  Gral!,  Porde 
et  Vincent  reud  cornpte  de  deux  dpidemies  de  Bdribdri 
observees,  l’une  chez  des  travaillenrs  Indo  chinois,  l’autre 
ehez  des  Japonais. 

Parmi  les  Indo-chinois,  sur  785  individus  ddbar- 
quds  en  une  fois  ä Noumda  et  originaires  de  1’Annam,  du 
Tonkin  et  de  la  Cochinchine,  on  comptait  561  prisonniers 
de  guerre,  184  prisonniers  de  droit  commun,  40  engages 
libres,  dout  12  femmes.  II  est  a reinarquer  que  les  prisons 
de  l’Annam  et  du  Tonkin  ne  sont  pas  habituellement 
attaquees  par  le  Beribdri;  les  auteurs  attribuent  ce  fait  ä 
ce  que  les  prisonniers  qui  s’y  trouvent  sont  nourris  par 
leur  famille  et  re<joivent  du  dehors  une  alimentation  assez 
variee.  Parmi  les  condamnes  importds  ä Noumda  um  certain 
nombre  avaient  passd  par  la  prison  de  Poulo  Condor  (Cochi- 
chine)  oü  le  Beribdri  est  endemique. 

Pendant  la  traversde  (15  Fdvrier — 15  Mars)  les  hommes 
recevaient  par  jour  1 Kilogr.  de  riz  et  200  grammes  de 
poisson  sald.  II  se  produisit  5 ddcds  dont  1 par  Beribdri. 

ArebiT  f.  Seblffi«  u.  Tropenhygiene.  11 


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154 


Aprfes  le  dcbarquement  (17  Mars)  la  ration  fut  sen- 
siblcment  la  meine,  mais  »vec  un  Supplement  d’environ  50 
grammea  d’abatis  de  viande  fraiehe;  pas  de  pain,  presque 
pas  de  I6gnmes.  Le  riz  et  le  poisson  qne  continuaicnt  ä 
former  1c  fond  de  la  nourriture  provenaient  des  approvi- 
sionnements  apportös  par  le  navire : or  pen  de  jours  apres  le 
debarquement  l’attention  fut  attiree  snr  l'insufliance  de  la 
ration  et  surtout  snr  la  mauvaise  Conservation  d’une 
partie  des  denrdes  distribudes;  toutes  ces  caisses  de  poisson 
mal  seche  exhalent  une  odeur  putride  et  les  panvres  gens, 
ne  recevant  rien  d'autre  en  sont  reduits  ä choisir  dans  clinque 
poisson  les  parties  les  moins  avariees.  C’est  dans  ce  monient 
qn’apparureut  les  premiers  eas  de  Berib6ri,  dont  plnsienrs 
ä marche  aiguti,  foudroyante.  Neamnoins  le  rögime  resta  le 
meine ; et  le  25  avril  seulement,  en  prdseene  des  progres  de 
l epidemie,  le  poisson  aale  fut  supprime  de  l’alimentatiou 
et  jete  a la  mer  k cause  de  sa  manvaise  qualitc. 

L’dpideniie  ddbuta  vers  le  1.  Avril,  alors  que  les 
importes  ötaient  soumis  depuis  six  semaines  au  regime  exclnsif 
dn  riz  et  du  poisson.  Elle  dura  quatre  mois  et  atteignit 
plus  de  l’effcctif  avec  une  mortalite  de  plus  de  10®/o. 

F irke  t-  Lütt  ich. 


III.  Verschiedenes. 

Zur  Mitarbeit  an  dem  „Archiv  für  Schilfs-  und  Tropen- 
liygiene  nsw.“  haben  sich  ferner  bereit  erklürt  die  Herren: 

Dr.  van  Brero,  Buitenzorg,  Dr.  Hey,  Odumnse 
(Goldküste),  Dr.  Krohn,  Funchal,  Dr.  Lehmann, 
Schlaclitensee,  Professor  Dr.  Moncorvo,  Rio  de  Janeiro, 
Dr.  Richter,  .San  Francisco,  Dr.  Rothschuh,  Managua 
(Nicaragua),  Dr.  Sander,  Windhoek,  Dr.  Wittenberg, 
Kayintschu  (Süd-China). 

Die  Kolonialabt  heilung  des  Auswärtigen 
Amts  und  das  Kaiserliche  Gesundheitsamt  zu  Berlin 
haben  dem  „Archiv“  das  von  den  beamteten  Kolonialärzten 
eingehende  und  sonstiges  wissenschaftliches  Material  zur  Ver- 
öffentlichung in  Aussicht  gestellt.  Gleiche  Unterstützung  ver- 
sprach die  Regierung  des  unabhängigen  Congo-Staates  zn  Brüssel. 


155 


Unser  Mitarbeiter  Dr.  Dä übler  hat  zur  Fortsetzung 
seiner  Studien  seine  Wohnung  von  Tegel  nach  Berlin  verlegt 
(NW.  BredowstrasBe  121)  und  ersucht  um  Uobor Weisung  heini- 
kehrender Kranker  und  Rekonvalescenten  zwecks  mikro- 
skopischer Blutuntersuchung . 

Durch  eine  Verordnung  des  Königlichen  Polizeipräsidiums 
zu  Berlin  und  des  Regierungspfäsidenten  zu  Potsdam  und 
Schleswig  ist  die  Anzcigepiiicht  bei  ansteckenden  Krankheiten 
auf  den  Aussatz  (Lepra)  ausgedehnt  worden. 

Die  Pest  scheint  in  Bombay  etwas  abzunehmen.  In 
der  dritten  Märzwoche  erlagen  der  Seuche  dort  113b  Per- 
sonen gegen  1258  in  der  Vorwoche.  Bis  zum  21.  März  sind 
in  dieser  Stadt  10045  Menschen  an  der  Pest  erkrankt  und 
8475  daran  gestorben.  In  der  ganzen  Präsidentschaft  waren 
bis  Mitte  März  16  720  Erkrankungen  und  13629  Todesfälle 
vorgekommen. 

Ausser  in  Karrachee  wilthet  die  Krankheit  besonders 
in  dem  wichtigen  Garnisonorte  Puna  und  soll  auch  in  Bulsar 
ausgebrochen  sein.  Ueber  das  Vordringen  der  Pest  auf  dem 
Landwege  lauten  die  Nachrichten  verschieden.  In  Kandahar 
(Afghanistan)  soll  die  Krankheit  heftig  aufgetreten  sein. 
Seitens  Russlands  werden  Vorkehrungen  zur  Verhütung  ihres 
Vordringens  nach  Samarkand  und  Buchara  getroffen.  Die 
vereinzelten  Fälle  und  verdächtigen  Erkrankungen  auf 
Schiffen  haben  bis  jetzt  noch  zu  keiner  Einschleppung  auf 
dein  Seewege  geführt. 

Die  von  der  deutschen  Keiehsregierung  nach  Bombay 
zum  Studium  der  Pest  und  ihrer  Behandlung  entsandte  Ex- 
pedition, bestehend  aus  den  Herren:  Professor  Pfeiffer  und 
G a f f k y , D r.  D i c u d o n n c und  D r.  S t i c k e r ist  in  I ndien 
angekommen.  Yersin  und  Haftkinc,  welcher  letzterer  von 
seinem  Pestanfall  genesen  ist,  berichten  günstige  Ergebnisse 
ihrer  Schutzimpfung. 

Selbst  schwere  Erkrankungen  sollen  günstig  beeinflusst 
werden.  Für  das  Vorhandensein  einer  grösseren  Anzahl 
immunisierter  Pferde  zur  Gewinnung  des  Impfstoffes  müssten 
die  bedrohten  Länder  rechtzeitig  Sorge  tragen. 

Wie  Kolle  in  der  Sitzung  der  Berliner  medizinischen 
Gesellschaft  am  24.  Februar  d.  J.  auseinandersetzte,  findet 

ll* 


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156 


man  die  Pestbacillen,  welche  denen  der  Hühnercholera 
gleichen,  leicht  in  grosser  Zahl  die  gefärbten  Präparate  von 
Pestbuboneneiter,  jedoch  auch  im  Blute,  in  den  inneren 
Organen  und  nach  W i 1 m in  dem  Auswurf  bei  Pestbronchitis. 
Da  der  Bacillus  sich  nur  an  den  Polen  färbt,  so  ähnelt  der- 
selbe einem  Diplokokkus.  Der  Bacillus  gedeiht  auf  allen 
Nährböden,  wird  durch  Desinficientien  leicht  vernichtet, 
widersteht  dagegen  der  Austrocknung  mehrere  Tage. 

In  der  Acad^mie  de  M4d6cine  zu  Paris  am 
16.  Februar  d.  J.  besprach  Laveran  (L’Indöpendance 
medicale  Nr.  7)  das  Verhalten  der  Milz  gegenüber  der  Ma- 
lariainfektion. Er  kam  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  bei  der 
akuten  Malariaerkrankung  erweichte  und  vergrösserte  Milz 
eine  Unzahl  von  Malariaparasiten  in  miskrophagen  und  ma- 
krophagen  Zellen  eingeschlossen  beherberge  und  nicht  ein 
Schutzwall  gegen  die  Erkrankung  dasselbe,  sondern  als  Haupt- 
nest des  Giftes  eine  verhängnissvolle  Rolle  spiele.  Laveran 
stützt  sich  auf  die  Beobachtung,  dass  Malariakranke  nach 
Exstirpation  der  Milz  nur  mehr  sehr  leichte  Fieber- 
anfälle hatten.  Diese  Ansicht  Laverans  deckt  sich  mit  der 
Anschauung,  dass  die  Phayocythen  den  Malariaerregern  gegen- 
über nicht  die  aktiven  Vertheidiger  des  Organismus  sind, 
sondern  die  Angegriffenen. 

In  der  Sitzung  der  Societe  medicale  des  Höpi- 
taux  berichtete  nach  der  „Ind^pendance  medicale“ 
Guinon  über  einen  Fall  von  Chininvergiftung.  Ein  Neurasthe- 
niker versuchte  sich  durch  eine  Dosis  von  8 Gramm 
Chinium  sulfuricum  zu  tödten.  Ein  lOstündiger  Collaps  mit 
völliger  Taubheit  und  Blindheit  war  die  Folge.  Der  Kranke 
erholte  sich  jedoch,  als  nach  llstündiger  Anurie  reichliche 
Harnabsonderung  eintrat. 

In  den  „Annales  de  l’institut  Pasteur“  vom 
25.  Februar  1897  bespricht  R.  Sabouraud  seine  Beobachtungen 
über  den  Erreger  der  Seborrhoe  der  Haut  und  der  „Pelade“, 
d.  h.  der  Alopecia  areata,  als  deren  gemeinschaftlichen  Er- 
reger S.  einen  Bacillus  gefunden  haben  will,  welcher  durch 
Aetherextraktion  aus  dem  seborrhoischen  Hautfett  gewonnen 
und  nach  Gram  gefärbt  werden  kann.  Der  Bacillus  soll  in 
saurem  Nährboden  gezüchtet  werden  können.  Die  Beobachtungen 


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dürften  bei  der  Häufigkeit  seborrhoischer  Hauterkrankungen 
in  warmen  Ländern  unsere  Leser  intcressiren,  bleiben  aber 
nicht  unwidersprochen. 

Hutchinson  Merrill  beschreibt  im  „New-York  medical 
Journal“  vom  6.  März  d.  J.  erfolgreiche  Culturversuche  mit 
einem  Diplococcus.  den  er  als  den  spezifischen  Erreger  der 
Seborrhoe  ansieht. 

In  derselben  Zeitschrift  giebt  Norton  seine  Beobach- 
tungen von  61  Fällen  von  Sonnenstich  wieder,  welche  im 
heissen  Sommer  1896  dem  Presbyterian-Hospital  zugingen. 
Bass  im  Gegensatz  zu  anderen  Statistiken  nur  9 Todesfälle 
vorkamen,  von  welchen  4 Alkoholiker  betreffen,  schreibt  Norton 
der  rasch,  sorgsam  und  ausdauernd  durchgeführten  Eis-  bezw. 
Kaltwasserbehandlung  zu,  welche  jedoch  nur  unter  fort- 
laufender Tempcraturniessung  stattfinden  darf,  um  tödtliche 
Collapsc,  wie  in  einem  Falle,  zu  vermeiden. 

Die  69.  Versammlung  Deutscher  Naturfor- 
scher und  Aerzte  zu  Braunsehweig  ist  auf  die  Tage  vom 
19.  bis  25.  September  festgesetzt  worden.  Die  Abteilung  für 
Tropenhygiene  bleibt  bestehen. 

Der  internationale  Aerzte-  und  Naturfor- 
scher-Congrcss  zu  Moskau  wird  vom  19.  bis  20.  Au- 
gust d.  J.  abgehalten  werden  (7.  bis  14.  August  russischen 
Stils).  Fragen,  welche  die  Schiffs-  und  Tropenhygiene  und 
-Medizin  berühren,  stehen  in  verschiedenen  Sektionen  auf 
der  Tagesordnung.  Die  Sektion  für  Hygiene,  Gesundheits- 
Statistik  und  Epidemiologie  hat  ihr  Programm  noch  nicht 
veröffentlicht.  Wir  ersuchen  Mitarbeiter,  welche  zur  Bericht- 
erstattung bereit  sind,  sich  mit  uns  rechtzeitig  in  Verbindung 
zu  setzen. 

Eine  internationale  C o n f e r e n z über  den  Ge- 
sundheitsdienst und  die  Hygiene  auf  Eisen- 
bahnen und  Seeschiffen  findet  im  September  d.  J.  in 
Brüssel  statt.  Der  vorbereitende  Ausschuss  hat,  dem  Bei- 
spiele der  entsprechenden  Versammlung  zu  Amsterdam  im 
Jahre  1895  folgend,  folgende  Hauptpunkte  zur  Bcrathung 
gestellt:  A.  Einrichtung  des  «ärztlichen  Dienstes.  B.  Siche- 
rung der  Tauglichkeit  der  Angestellten.  C.  Hygienische  Mass- 
regeln  und  Vorschriften  auf  Eisenbahnen,  See-  und  Fluss- 


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158 


schiffen.  Der  Mitgliedsbeitrag  beträgt  5 Franks.  Anmel- 
dungen sind  an  den  Schriftführer  Dr.  J.  de  Lantshccrc, 
Brüssel,  rue  de  1* Association  56,  zu  richten.  Ueber  die 
maritimen  gesundheitlichen  Fragen  sind  besondere  noch 
Redner  erwünscht. 

Der  j ähr  liehe  Pr  eis  von  25  000  Franks,  welchen 
der  König  der  Belgier  alljährlich  für  die  beste  wissenschaft- 
liche Arbeit  über  ein  von  Sr.  Majestät  zu  bestimmendes  Thema 
ausgeschrieben  hat,  ist  in  diesem  Jahre  auch  Ausländern  zu- 
gänglich. Der  Preis  winkt  dem  besten  Werke  über  die 
klimatologischeu,  hygienischen,  pathologischen  und  therapeuti- 
schen Fragen  im  äquatorialen  Afrika  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  das  Congo-Becken.  Zu  näherer  Auskunft  ist  die 
Redaktion  des  Archivs  gern  bereit.  Die  Arbeiten  müssen 

bis  zum  1.  Juli  d.  J.  dem  belgischen  Ministerium  des  Innern 
und  des  Unterrichts  eingereicht  werden. 

Der  internationale  Congress  zur  Berathung  der  Massregcln  gegen 
<lio  Pest  zu  Venedig  hat  seine  Arbeiten  beendet.  In  den  Beschlüssen 
ist  man  nur  wenig  über  dio  Bestimmungen  der  früher  in  Venedig, 
Paris  und  Dresden  getroffenen  Vereinbarungen  hinausgegangeu.  E* 
sind  im  einzelnen  einige  Aenderungeu  in  Bezug  auf  Gebühren  und 
Strafbestimmungen  zu  vermerken.  Die  Strafe  der  Schiffskapitänc 
z.  B.,  welche  den  Quarantänebestimmungen  und  gesundheitlichen  Vor* 
schriften  entgegcnhandeln,  ist  auf  200  Mark  erhöht  worden.  Die 
Mekkapilger  haben  oino  auf  10  Piaster  (20  Mark)  erhöhte  Taxe  zu 
zahlen.  Die  ursprüngliche  Absicht,  den  Einzelstaaten  die  Aktions- 
freiheit gegen  die  Seuche  zu  nehmen  und  internationale  verbindliche 
Massrogoln  festzustellen,  ist  aufgegeben  worden,  da  die  Mehrzahl  der 
Theilnehiner  an  eine  drohende  Einschleppungsgefahr  der  Seuche  nach 
Europa  nicht  glaubte.  Die  Convention  wurde  von  den  Vertretern  von 
Oesterreich-Ungarn,  Belgien,  Frankreich,  England,  Luxemburg,  Italien, 
Montenegro,  Rumänien  und  Holland  ohne  Vorbehalt  unterzeichnet,  ad 
referendum  von  «len  Delegierten  von  Spanien,  Griechenland,  Persien, 
Portugal,  Serbien  und  der  Türkei.  Dio  Vertreter  Deutschlands  unter- 
schrieben unter  Vorbehalt  einiger  in  Europa  zu  treffenden  Massregeln, 
während  die  Schweiz  dieselben  ohne  Ausnahme  anualmi.  M. 

Professor  Sanarelli  in  Montevideo  soll  den  Bacillus  doB  Gelb 
tiebers  entdeckt  haben.  Einzelheiten  folgen  später.  M. 

IV.  Pharmakologische  Mittheilungen. 

Aus  der  Fabrik  Pharmaceutischcr  Präparate  von  Karl 
Engelhard  in  Frankfurt  a.  M.  wird  uus  ein  äusaerst 


159 


praktischer  Blechknsten,  enthaltend  Medikamente  für  Expedi- 
tionen nacli  Tropenlitndern,  für  Ileer  und  Marine  übersandt. 
In  einem  verhültnissinii.ssig  sehr  kleinen  Raume  sind  eine 
grosse  Anzahl  Glascylinder,  in  Fächern  einzeln  stehend,  zu- 
samraengestellt , welche  die  wichtigsten  Medikamente  in 
eomprimirter  Form  enthalten.  Der  uns  vorliegende  Kasten, 
welcher  eine  Länge  von  17  und  Höhe  von  7 Centimeter  hat, 
enthält  50  Röhren,  welche  mit  Korkstopfen  verschlossen  sind, 
auf  denen  Inhalt  und  Dosis,  ebenso  wie  noch  einmal  an  der 
Seite  der  Röhre,  gedruckt  sind.  Die  comprimirten  Medi- 
kamente sind  theils  rein,  wie  z.  B.  Antipyrin,  Phenacetin, 
theils  aus  technischen  Gründen  mit  einem  indifferenten  Binde- 
mittel, wie  Rad.  liqniritiae  z.  B , vermischt  und  werden 
praktischer  Weise  von  starken  Wattestopfen  festgehalten, 
sodass  ein  Zerbrechen,  welches  etwa  durch  Schwankungen 
des  Schiffs  u.  s.  w.  stattfinden  könnte,  völlig  ausgeschlossen 
erscheint.  Selbstverständlich  können  derartige  Medikamenten- 
kasten  in  jeder  beliebigen  Grösse  und  mit  jedem  Medikament 
gefüllt  hergesteilt  werden.  Ein  Umstand,  der  namentlich 
des  Kostenpunkts  nach  sehr  zu  berücksichtigen  ist,  dürfte 
der  sein,  dass  hier  jeglicher  Luxus  vermieden  und  ausschliess- 
lich nur  die  Praxis  massgebend  gewesen  ist,  weshalb  auch 
ausser  den  Kosten  für  die  Arzneimittel  fast  gar  keine  Neben- 
kosten entstehen.  In  der  Schriftleitung  dieses  Blattes  ist 
eine  derartige  Muster- Reise-Apotheke  für  die  Herren  In- 
teressenten aufgestellt  und  werden  über  Füllung  derselben 
auf  Befragen  gern  Rathschläge,  die  sich  auf  praktische  Er 
fnlirungen  stützen,  ertheilt. 

Nagell-Cassel. 


Tannalhin. 

Speziell  für  die  Tropenländer  von  ganz  besonderer 
Bedeutung  kann  ein  von  der  Firma  Knoll  & Comp,  in 
Lndwigshafen  dargestclltes  Tanninpräpnrat  sein,  welches  von 
der  genannten  Firma  unter  dem  Namen  Tannalbin  in 
den  Handel  gebracht  wird.  Es  stellt  ein  braunes,  völlig 
geruch-  und  geschmackloses  Pulver  dar,  das  in  Dosen  von 
1 Gramm  für  Erwachsene,  mehrmals  täglich,  am  besten 
2 — 3 Pulver  in  1 — 2 stdlch.  Pausen,  0,5  für  Kinder  1 — 2 
auch  3 mal  täglich  bei  Diarrhöen  und  Dyssenterie  gereicht, 


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160 


ausgezeichnete  Dienste  leistet.  Der  Vorzug  des  Tannalbins 
(Tunninalbuminat)  ist  der,  dass  es  durch  geeignetes  Erhitzen 
bei  der  Darstellung  in  Mund  und  Magen  vollständig  un- 
wirksam gemacht  ist,  wiihrend  es  sich  im  Darm  allmählich 
unter  Abspaltung  der  unwirksamen  Eiweisscomponenten 
zersetzt.  Dadurch  kommt  das  Ganze  in  der  Gabe  enthaltene 
Tannin  (circa  50°/0)  bis  in  den  Darm  und  erst  dort  zur 
Wirkung.  Die  Fabrik  bringt  das  Präparat  auch  in  coni- 
primirter  Form  als  Tabletten  in  den  Handel,  was  für 
überseeische  Zwecke  sehr  angenehm  sein  dürfte.  Der 

billige  Preis  desselben  dürfte  die  Anwendung  in  allen  Fällen 
gestatten.  Nach  den  bisherigen  Erfahrungen  empfiehlt  es 
sich,  bei  Anwendung  des  Tannalbins  den  Darm  vorher  durch 
Ricinus-Oel  zu  reinigen. 

Na  gell  - Cassel. 

V.  Zur  Besprechung  eingegangene  Bücher 
und  Schriften. 

Dr.  Moncorvo  (Sohn).  Das  Lymphangites  na  infancia  e suaa  conse- 
quencias.  Rio  de  Janeiro  1897,  Typographia  Moraes. 

Br.  Paul  Tlilmm,  Therapie  der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  nebst 
einer  kurzen  Kosmetik.  Leipzig  1896,  Georg  Thieme. 

Dr.  Ernst  Schoen,  Ergebnisse  einer  Fragebogenforschung  auf  tropen- 
hygienischem Gebiete.  Sonderabdruck  aus:  Arbeiten  aus  dem  Kaiser- 
lichen Gesundheitsamte.  Berlin  1897,  Julius  Spinger. 

Prof.  Burley  und  Dr.  Noch!.  Die  gesundheitlichen  VerhUltnisse  in 
der  Handelsmarine  und  auf  den  modernen  Dampfschiffen.  Sonder- 
abdruck  aus  der  Deutschen  Vierteljahrsschrift  für  öffentliche  Ge- 
sundheitspflege. Braunschweig  1897,  Friedrich  Vieweg  & Sohn. 

Dr.  Doering,  Aerztliche  Beobachtungen  und  Erfahrungen  auf  der 
deutschen  Togoexpedition  1893/94.  Sonderabdruck  aus : Arbeiten 
aus  dem  Kaiserlichen  GesundheitsAmte.  Band  XIII. 

Dr.  Ernst  Schoen,  Ueber  Tropenhygiene.  Vortrag.  Berlin  1897,  Diet- 
rich Reimer. 

Dr.  Widemann,  Kriegschirurgisches  aus  Deutsch-Ostafrika.  Sonder- 
abdruck aus:  Deutsche  militärUrztliche  Zeitschrift.  Berlin  1*97. 
Mittler  & Sohn. 

Dr.  Below,  Die  Epidemie  von  Aransa.  Allgemeine  Medicinische  Cen- 
tralzeitung 1896  No.  100,  1897  No.  7.  Berlin,  Oscar  Coblentz. 
Giornale  medico  del  Regio  Esercito.  Roma,  Enrico  Voghera. 


I.  Originalabhandlungen, 


Rapport  mddical  de  Boma 

du  1 Mars  au  30  Novembre  1896. 

A.  Personnel  blanc. 

Tableau  des  prinoipales  maladies  obaerveea  a Boma  ohes  las  agents  de  l'Etat 
pendant  les  mois  de 


Maladies 

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FiÄvr«  simple  .... 

4 

6 

11 

13 

ir. 

10 

— 

13 

17 

1 

4 

13 

2 

12 

1 

, inflammiitobre  simple 

— 

— 

— 

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— 

- 

1 

— 

— 

- 

I 

— 

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„ n pernicieufle 

1 

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— 

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• 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

- 

— 

4 

- 

9 bilieus«  siuipl«  . . 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

- 

5 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

, , hemoglobinuriqiie 

— 

— 

1 

— 

— 

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— 

1 

2 

2 

1 

2 

— 

kJ 

— 

o 

- 

, m inelamirique  . . 

— 

— 

— 

— 

— 

~ 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Einbarras  gastro-intestinal 

— 

— 

~ 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

10 

- 

Diairhee  clironique  . . 

- 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

... 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

- 

Dysenterie 

— 

— 

— 

1 

- 

2 

— 

— 

— 

1 

— 

2 

— 

4 

— 

— 

— 

Hemorrrliugie  intestinale 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

1 

- 

- 

— 

- 

— 

— 

— 

— 

-- 

— 

Enteralgie  

- 

— 

- 

— 



- 

— 

— 

- 

1 

i 

- 

- 

-- 

— 

- 

Abeis  du  foie  . . . . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

- 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Artende  cerebrale  . . . 

— 

— 

„ 

- 

— 

~ 

- 

— 

1 

— 

— 

— 

- 

1 

- 

_ 

Bronehite  aigne  . . . 

- 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

- 

- 

— 

— 

— 

— 

Rliemmitiajiie  artic.  chron. 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

i- 

Eczemas  divers  . • . 

— 

- 

- 

- 

- 

— 

- 

- 

5 

— 

7 

— 

3 

- 

•- 

-- 

— 

Fraetnru  du  peronu  . . 

~ 

— 

— 

— 

— 

- 

- 

- 

— 

— 

— 

— 

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— 

— 

— 

l 

Fraeture  de  l'epaule  . . 

— 

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— 

— 

— 

— 

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— 

r 

-- 

1 

— 

■ 

— 

1 

— 

- 

Le  tableau  qui  prdcMe,  dressd  aussi  fidelement  que 
poseible,  renferine  pour  la  pdriode  susdite  In  nomenclature 
des  maladies  principales,  qui  se  sont  ddclardes  parmi  le 

IS* 


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164 


personnel  blanc  de  l’Etat  comprenant  les  agents  ayant  leur 
residence  k Boma  et  ceux  venant  de  l’interieur  du  pavs. 
J’ai  cru  inutile  d’y  consigner  un  grand  nombre  d’affections 
banales  sans  aucune  importance.  Les  chiffres  en  um  eres  dans 
lesgroupes  des  fievres  simples,  des  affections  gastro-intestinales 
et  des  affections  cutanöes  sont  aussi,  comme  certains  autres 
du  reste,  en  dessous  de  la  r^alite : ä l’encontre  de  la  plupart 
des  nouveaux  arrivds  que  les  premiers  malaises  ddmoralisent 
souvent,  beaucoup  d’anciens  agents  supportent  ces  sortes 
d’affections  avcc  une  pliilosophique  insoucieuce.  estimant, 
pour  employcr  l’expression  courante  „qu’il  ne  valait  pas  la 
peine  de  deranger  le  mddicin  pour  cela“.  Ce  qui  enleve 
ii  celui-ci  de  dresser  plus  tard  une  statistique  rigourense. 
En  rdsumd  les  cas  susdits  se  rapportent  ä des  cas  plus  ou 
moins  sdrieux  dans  Icsqucls  l’intervention  du  m^dicin  a ite 
ndcessaire.  Sauf  pour  les  affections  graves,  ils  ne  nous 
donnent,  il  faut  en  convenir,  que  des  indications  assez  vagues. 
Pour  qu’un  tableau  de  ce  gen  re  ait  quclque  valeur,  surtout 
au  point  de  vue  de  l’etat  sanitaire  de  toute  la  localitd,  il  eut 
fallu-travail  impossible-  y consigner  tous  les  cas  morbides 
observds,  tant  chez  les  particuliers  que  cliez  les  agents  de 
l’Etat.  Aussi  tel  qu’il  est,  n’a-.t-il  d’autre  pretention  que  de 
donner  une  idee  gdnerale  de  la  repartition  des  diverses 
maladies  au  cours  de  la  pdriode  susmcntionnce. 

Fassons  en  revue  les  principales. 

Fi&vrc  simple. 

J’entends  par  lk  ces  fidvrcs  climatiques  ou  paludeeunes 
se  bornant  k quelques  acciis,  souvent  un  ou  deux , sans 
rdcidives,  ou  revenant  periodiquement  pendant  un  eertain 
temps,  a quinze  jours,  trois  semaines,  un  mois  d Intervalle. 
Degagdes  de  toute  complieation  elles  dvolucnt  si  rapideuient 
qu’elles  n’exigent  qu’une  Suspension  de  travail  de  deux  ou 
trois  jours,  quelques  fois  de  quelques  lieures,  ne  laissant 
guere  aprds  elles  qu’un  ldger  embarras  gastrique.  Comme 
l’indique  le  tableau,  ces  fi&vres  ont  eu  pour  ainsi  dire  une 
egale  frdquence  de  Mars  k Novembre.  La  difference  si  peu 
sensible  entre  chaque  pdriodc  mensuelle  et  le  manque  de 
renseignements  sur  tous  les  cas  qui  peuvent  s'etre  presentes 
ne  me  permettent  pas  de  faire  une  distinction  bien  tranchee 


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165 


pour  une  periode  determinee.  Ccpendant  en  admcttant  comme 
seuls  serieux  les  cas  ou  l’intervention  du  mcdecin  lut  reelainüc, 
c’est  h dirc  tous  ceux  repris  daus  ce  tableau,  on  voit  que 
ces  fievres  ont  eu  lour  maximum  de  frcquenee  en  Mai 
(periode  de  transition  entre  les  deux  saisons),  on  Juillet  et 
surtout  en  Aoüt  (les  deux  mois  les  plus  froids:  Juillet, 
moyenne  22°  55 -Aoüt  22°  50).  Je  ne  parle  ici  que  des 
agents  de  Boma,  y corapris  ceux  du  fort  de  Shinka.  Quant 
a ceux  venant  de  l’inteiieur,  les  causes  des  acces  de  fievre 
qui  les  attendent  a Boma  sont  souvent  d’ordre  difforents: 
il  n’y  a donc  pas  a faire  entrer  ces  fievres  en  ligne  de 
compte  avec  cellcs  des  agents  rcsidant  dans  la  loealite. 

Fievre  inflammatoire  simple. 

Deux  cas:  Tun  en  Juin,  l’autre  on  Aoüt. 

Cettc  fievre,  dite  a calore,  affecte  principalement  les 
nouveaux  arrivds  (ce  qui  est  le  cas  actuel)  la  forme  continue 
ou  röraittentc  pendant  un  ou  meme  deux  semaines.  Ces  deux 
cas  ont  dvolud  favorablcment  mais  il  n’en  a pas  dtc  de  meme 
des  cinq  qui  suivont. 

Fievre  inflammatoire  avcc  acces  pernicieux. 

Le  premier  cas,  de  forme  comateuse,  fut  observd  en 
Mars.  Un  agent  depuis  neuf  mois  en  Afrique,  qui  avait 
cneore  fait  sa  promenadc  habituelle  le  soir,  fut  pris  subite- 
ment  la  nuit  d’un  acces  de  fiüvre.  La  temperature  ne  cessa 
de  monter,  sans  reaction  possible,  et  ä 10  lieurcs  du  matin 
le  malade  rendait  le  dernier  soupir. 

Les  sept  mois  suivants,  aucune  fiüvrc  de  ce  genre  ä 
signaler.  Mais  en  Novembre  les  acces  pernicieux  font  leur 
reapparition : un  cas  pendant  la  premierc  quinzaine,  trois  cas 
pendant  la  derniere  ddcade:  tous  morteis. 

Le  premier  se  remarque  chez  un  jeunc  agent,  de  haute 
taille,  au  teraperament  tres  lymphatique,  arrivd  seulcment 
<lepuis  deux  mois.  Duree  dix  jours.  Fievre  inflammatoire 
de  forme  remittentc  avec  troubles  gastriques  peu  prononces 
mais  grande  tendance  ä 1’adynaraie.  Quarante-huit  heures 
avant  la  terminaison  fatale,  survient  un  delire  agite  qui  ne 
disparait  que  quelques  heures  avant  la  mort  pour  faire  place 
au  corna  final. 


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166 


Les  deux  cas  suivants,  identiques  entre  eux,  se  presen- 
tcnt  ä deux  jours  d’intervalle  chez  deux  agents  d’un  certain 
äge,  maries,  peres  de  famille,  en  Afrique  depuis  trois  ou 
quatre  inois.  Tous  deux  passaient  pour  avoir  des  liabitudcs 
d'intemperance.  L’un  etait  commis  travaillant  dans  un  bureau, 
l’autre  agriculteur.  Des  le  debut  des  acces  ils  accuserent 
tous  deux  une  forte  cephalalgie  laquelle  persista  avec  plus 
ou  moins  d’intensite  pcndant  toute  la  maladie.  Fifevre  de 
forme  remittcnte.  üötail  caractöristique:  le  jour  de  leur 
mort,  l’apyrexie  etait  si  complcte  et  l’amelioration  semblait 
teile  que  les  malades  pouvaient  circuler  dans  leur  chambre 
(l’un  d’eux  B'etait  meme  rendu  seul  au  tram  pour  monter  ä la 
Croix-  Rouge)  lorsque  le  soir  la  temperature  s’clevait  de 
nouveau  pour  atteindre  une  hypertliermie,  qui  les  jetait 
dans  le  coma  et  les  emportait  en  quelques  hcures.  La  duree 
avait  <5t6  ehez  Tun  de  quatre  jours,  chez  l’autre  de  cinq. 
Eutin  le  dernier  cas  nous  est  foumi  ü la  meme  öpoquc  par 
un  agent  qui  avait  environ  six  mois  de  sejour.  II  n'avait 
jusque  lä  cprouvö  qu’une  Indisposition  gastro-intestinale,  pour 
laquelle  il  s’ctait  alite  pcndant  trois  jours,  lorsqu'il  fut  attaint 
subitemcnt  le  lendemain  d’une  fete,  a l’organisation  de  laquelle 
il  avait  pris  une  grande  part,  d’une  fievre  caractörisee  au 
debut  par  des  vomissements  bilieux  trös  abondants.  Cette 
fievre  revetit  bientöt  la  forme  continuc.  Elle  ne  voulait  ceder 
h aucun  des  moyens  antithermiques  mis  en  usage,  et  eile  se 
termina  egalement,  apres  une  döfervescence  trompeuse  par 
un  acces  pernicieux,  qui  emporta  la  malade  le  septiöme  jour. 

A quelle  cause  faut-il  rattacher  l’explosion  de  ces  fievres, 
qui  ressemblent  singulierement  k des  insolations  ou  mieux  a 
des  coups  de  chalcur? 

Il  est  ä remarquer,  que  les  individus  atteints  (je  parle 
des  cas  de  Novembre)  etaient  tous  les  quatre  de  nouveaux 
arrivös ; que  la  fievre  les  visitait  pour  la  premiöre  fois; 
qu’ils  ont  etc  frappes  tous  a la  memo  epoque,  dans  un  mois 
oü  la  moyenne  de  la  tempörature  (Avril,  moyenne : 28°  15  — 
Mai:  26» 35  — Juin:  23°  15  — Juillet:  22 »55  — Aoüt: 
22  »50  — Septembre:  24°  76  — Octobre:  27»  14  — 
Novembre:  27  »73  — ) ötait  la  plus  elevöe  qu’ils  aient  jamais 
subie,  oü  probablcment  la  tension  de  la  vapeur  d’eau  ötait 
tres  elevöc,  oü  l’atmosphere  etait  plus  chargee  d electricitc  j 


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167 


que  trois  d’entre  eux  präsentaieut  des  tares,  qui  devaient 
diminucr  leur  force  de  rdsistanee  vis-ä-vis  d’une  attaque  de 
fievre  serieuse.  Etant  donnees  ces  circonstanees,  en  admettant 
que  la  force  reactionelle  de  l’organisme  varie  dans  de  larges 
limites  d’un  individu  ä un  autre,  il  n’y  a pas  lieu  de  s’ötonner 
outre  inesurc  de  cette  mortalitö  en  apparence  exagerde  en 
egard  ä la  coincidenee  des  cas.  II  est  des  organ  isations 
impuissantes  ä rdagir  contre  une  p remi^re  atteinte  sdrieuse: 
elles  sont  fatalement  emportees  au  premier  choc.  Tous  ceux 
qui  ont  passe  quelques  annöcs  dans  ces  parages,  en  ont  vu 
de  nombreux  exeinples.  Et  malheureusement  il  y en  aura 
toujours,  car  il  n’est  pas  toujours  possiblc  de  diagnostiquer, 
lors  de  l’engagcment,  le  plus  ou  moins  de  chance  de  resistance 
qu’offrira  le  nonvel  engagö  au  cliniat  tropical. 

Fievre  bilieuse  hemoglobinuriquc 
(vulgo : hömaturique). 

En  raison  de  l’importancc  de  cette  fievre  et  pour  donner 
une  idec  de  sa  frdqucnce  au  cours  de  la  pcriodc  qui  nous 
occupe,  j’ai  cru  dcvoir  consigncr  dans  le  tableau  suivant  tous 
les  cas,  les  seuls  d'ailleurs,  qui  sc  sont  produits,  qu'ils  m’a 
ete  donne  d’observer  tant  chez  les  particuliers  que  ehez  les 
agents  de  l’Etat. 


La  fievre  hemoglobinurique  a revetu  cette  ann6e  une 
frequenee  exceptionnclle.  C’cst  du  moins  l’opinion  gdnerale 
des  anciens,  car,  je  n’ai  pas  sous  les  yeux  les  statistiques 
des  ann4es  precddcntes.  Sur  les  17  cas,  14  ne  sont  que  des 
recidives.  Deux  morts  parmi  ces  recidivants : un  agent  de 
l’Etat  (arrive  de  l’intärieur  deux  mois  auparavant:  27  mois 
de  söjour),  un  particulier  (5  ans  de  sdjour).  Deux  deces  ä 
signaler  parmi  les  trois  cas  de  premiere  atteinte:  un  agent 


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168 


de  l’Etat  (resident  ä Boina,  dans  sa  troisieme  annee  de 
Service),  un  particulior  (9  mois  de  sejour). 

Coimne  on  le  voit  cotte  rcdoutable  visiteuse  a surtout 
feit  son  apparition  pendant  les  mois  de  .luillct,  Aoüt, 
Septem  hre,  Octobre.  Faut-il  en  rechereher  la  cause  dans 

une  infiuence  metöorologique  ? II  serait  interessant,  a ce 
sujet,  de  consulter  les  statistiques  des  annees  antörieures  et 
de  voir  quelles  sont  les  öpoques  les  plus  frequentes  de  son 
apparition.  Faut-il  plutot  y voir  coimne  je  suis  portö  ä le 
croire,  une  Sorte  de  genie  epidemique,  inconnu  dans  son 
essence , independant  de  toute  influence  metiorique , et 
revcnant  il  des  periodes  plus  ou  moins  fixes,  comme  on  le 
remarque  dans  nos  contröes  pour  bien  des  maladies? 

Quoi  qu’il  en  soit,  il  est  ii  remarquer,  je  le  röpfete,  quc 
tous  les  sujets  atteints  sauf  trois  avaient  deja  subi  a differentes 
reprises  les  atteintes  de  cette  ficvre  (3  cas  chez  des  agents 
descendus  de  l’interieur  pour  expiration  de  tcrme  de 
Service,  quelques  jonrs  avant  lcur  ombarquement).  Chez 
quatre  d’cntre  eux,  je  ne  suis  pas  eloigne  de  croire,  que 
l’appreliension  causöe  par  la  vue  de  ces  cas  multiples  a pu 
suftir  pour  provoquer  l’cclosion  d’un  acces  de  ce  genrc. 

Dans  ces  difförents  cas,  l’hemoglobinuric  proprement 
dite  coi'ncidait  presque  toujours  avec  un  ictere  plus  ou  moins 
marquö,  a dure  de  deux  ä cinq  jours.  Pour  quelques  uns 
la  fifevrc  tombait  au  bout  de  ce  laps  de  temps  et  la  con- 
valescence  dtait  franche  et  rapide ; pour  d'autres  la  con- 
valescence  itait  retard^e  pendant  cinq  ou  six  jours  par  des 
accös  de  ficvre  ordinaire,  laissant  apres  eux  une  depression 
que  ne  se  dissipait  qu’avec  lenteur. 

Les  deux  cas  morteis  obscrvös  parmi  les  röcidivants 
ont  6vulu4  identiquement  de  la  meine  maniere:  hömoglobinurie 
pendant  quatre  ou  cinq  jours,  ensuite  apyrexie  avec  urines 
de  couleur  normale  sur  albumine,  mais  obstruction  incomplete 
des  reins,  lesquols  qu’une  quantite  d’urine  beaucoup  cn 
dessous  de  la  normale.  De  lit  empoisonnement  urömique 
lent,  tcrminaison  funeste  retardee,  mais  se  produisant  fatale- 
ment,  chez  Tun  le  douzieme  jour,  chez  l’autre  le  quatorzieme 
jour  k partir  du  döbut  de  la  maladie. 

Un  des  deux  malades  qui  ont  suecorabe  a leur  preiniere 
atteinte,  fut  empörte  on  cinq  jours  de  temps:  l’autre  deux 


169 


jours  apres  l’apparition  des  urines  noires.  Chez  le  premier 
sujet,  tres  jeune,  tres  lymplratique,  de  taille  demesurec  pour 
soll  äge,  au  Congo  depuis  neuf  mois,  la  maiadie  se  ddelara 
pres(|ue  subitement.  L’adynaniie  fut  profonde  des  le  debut. 
Chez  le  second  sujet  egale  ment  lymphatique,  obese,  au  coenr 
graisseux,  l’apparition  des  urines  coloröes  fut  precedee  de 
quelques  acees  de  fievre  bilieuse,  que  le  malade  mettait  sur 
le  compte  du  surmenage  aui|uel  il  6tait  astreint  en  cc  moment 
(vailles  prolongees  pour  terminer  une  expertise  de  compta- 
bilite).  Des  l’apparition  des  urines  foncees  le  malade,  tres 
tiinore,  se  sensit  perdu.  Cette  tuneste  apprehension,  jointe 
au  mauvais  etait  du  coeur,  pröcipita  le  denouement  fatal. 
Chez  tous  deux  l’anurie  4tait  completc  des  le  deuxieme  jour. 

Traitement.  Pour  tous  ces  cas,  Ia  base  du  traite- 
ment  fut  outre  les  6vacuants  du  d6but  et  le  quinine,  l’ad- 
ministration  du  chloroforme  en  solution  gommeuse  par  voie 
stomacliale,  plus  tard  du  chloral  en  lavement,  et  les  grandes 
irrigations  intestinales  d'eau  salöe,  jointes  aux  frietions 
stimulantes  sur  toute.  la  surface  du  corps  et  parfois  aux 
grands  bains  tiedes.  J’avais  soin  d’administrer  en  eas  de 
fievre  les  granulcs  defervescents  du  Doeteur  Burggraevc,  et 
dans  l’apyrexie  les  granulös  d'arseniate  de  strychniue,  l’inci- 
tant  vital  par  excellence  dans  cette  maiadie  si  döprimante 
par  elle-meme. 

Je  n’ai  eu  qu’a  me  louer  de  l’administration  du  chloro- 
forme. .Un  malade  ayant  eu  un  jour  une  rechute  pendant 
sa  convalescence  le  chloroforme  fut  administrä  sans  retard, 
moins  d’une  heure  apres  les  urines  de  noires  et  albumineuses 
qu’elles  etaient,  redevenaient  parfaitement  limpides,  sans  trace 
d'albumine,  et  cependant  la  fievre  n’avait  disparue.  Elles 
conserverent  dans  la  suite  cette  limpidite  non  obstant  la 
continuation  de  la  fievre,  qui  ne  cessa  que  cinq  jours  plus 
tard.  Bien  que  parfois  le  chloroforme  n’ait  pas  tenu  toutes 
ses  promesses,  je  ne  saurais  trop  le  rceommander  ä l’attention 
de  mes  confreres  et  de  ceux,  qui  peuvent  un  jour  se  trouver 
en  presence  de  cas  scmblables. 

Vu  les  heureux  r6sultats  obtenus  par  cc  inedicament 
et  l’imminence  du  danger,  lequel  ne  donne  souvent  pas  le 
temps  de  se  livrer  ä de«  experienees,  je  n’ai  gu6re  fait 
l’essai  d’autres  medications. 


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170 


C’est  ainsi  que  je  n’ai  administre  qu’une  seule  fois  le 
Kinkelihat,  et  cela,  apres  avoir  constate  1'inefHcacite  da 
chloroforme,  dans  un  des  cas  enumcres  plus  haut,  d’obstructiou 
incomplete  des  reins:  Je  n’ai  pas  obtenu  de  succes. 

J’ai  peu  ou  point  administre  l’antipyrine  a cause  de  sa 
tendance  a diminuer  la  seerötion  urinaire. 

Fifevre  bilicuse  raclanurique. 

Ce  cas  se  difförencie  des  precedents  par  la  composition 
des  nrines  colorees,  qui  n’ont  pas  donne  les  röactions  caracte- 
ristiques  observees  dans  les  urines  hömoglobinuriques.  La 
coloration  noire  des  urines  avait  disparu  au  bout  de  deux 
jours  ainsi  que  la  tievre.  La  quuntite  d’urine  ömise  fut 
toujours  asscz  abondante : mais  des  vomissements  incocrcibles, 
de  Hots  de  bilc  rcndirent  tonte  alimcntation  impossible. 
Une  auto-intoxication  sc  produisit  bientöt  caractörisöo  par 
des  symptömes  typhoides  et  des  petcchies  d’apparenee 
scorbutique.  Le  malade  mourut  le  quatorzieme  jour  ä partir 
du  debut  de  la  maladic. 

Gmbarras  gastro-intestin  aux. 

Dyspepsie  avec  rclachcment.  On  cn  observe  pcndant 
toute  l’annee  des  cas  sporadiqucs,  mais  cctte  affection 
a regneo  a l’etat  öpidemique  pendant  tout  le  mois  de 
Novembre.  II  faut  y voir  une  influence  saisonniöre 
caractörisee  par  le  retour  deB  premieres  fortes  clialcurs,  et 
l'ötat  de  l humidite  absoluc  de  l’atmosphöre,  voisin  de  la 
Saturation.  Sous  cette  influence  de  suraetivitö  du  foie  pro 
duit  une  quantitd  de  bilc  plus  considerable.  Parmi  les  causcs 
occasionnelles  de  ccs  Hux  de  vcntre,  il  faut  citcr  cn  premiere 
ligne  les  refroidissemcnts,  beaueoup  plus  facile  k contracter 
a cette  cpoque.  Je  ne  pcnse  par  qu’il  faille  incriminer  la 
qualite  nocive  de  l’eau;  pourquoi  tant  d’agents’approvisionnant 
ä la  meme  source,  sont-ils  restes  indemmes? 

Dy  se  n t erie. 

II  est  ä remarquer  qu’aucun  cas  de  dysenterie  pro- 
prement  dite  n’a  etc  observe  parmi  la  population  blanche  de 
Iioma.  Les  ctis  signales  appartiennent  tous  a des  agents 
de  l’intericur  descendus  k la  cote  soit  pour  s’y  retablir,  soit 
pour  etre  repatries. 


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171 


Eczemas. 

Les  diverses  formes  d’eczümas,  papuleux,  vesiculeu  x, 
pnstuleux,  ont  assez  frequentes  au  cuurs  de  la  saison 
söche.  Plusieurs  etaient  accompagnees  d'un  prurigo  intense, 
tenace,  qui  n’a  cede  qu’au  retour  de  la  saison  chaude. 

A b c ü s du  Foie. 

II  s’agit  d’un  agent  arrive  quelqueB  inois  auparavant 
de  I’int4rieur,  oü  il  avait  contractu  une  dysenterie  et  un 
coramencement  d’höpatite  aigue.  Apres  un  scjour  de  quel- 
ques semaines  k Banana,  oü  il  se  erut  un  moiucnt  guöri,  il 
fut  cnvoye  au  camp  de  Zambi.  La  il  commeuca  de  nouveau 
ä d^perir,  lorsqu'un  beau  jour,  il  fut  pris  soudain  d’une 
vöritable  vomique  pulmonaire : un  abcüs  du  foie  venait  de 
se  faire  jour  k travers  les  poumons.  Il  fut  dirigö  sür  Boma 
oü  il  düt  rester  six  semaines  en  attendant  le  moment  de 
rembarquement.  Pendant  son  söjour  ici,  1c  pus  continua 
k se  diverser  en  abondance  par  les  voies  a^riennes,  tandis 
que  le  malade  ctait  pris  chaque  soir  d’une  petite  fievre 
hectique.  C’est  dans  ces  conditions  qu’il  s’embarqua:  mais 
il  mourut  au  cours  de  la  traversüe. 

Conclusions. 

J’ai  dit  plus  haut  qu’il  n’etait  pas  toujours  possible 
lors  de  l’engagement,  de  diagnostiquer  le  plus  ou  moins  de 
resistance  qu’offrira  le  nouvel  engage  aux  influcnces  döl^tf-res 
du  cliraat  tropical.  Quelques  individus  sont  iinpressionn^s 
si  vivement  et  surtout  si  profond&nent  par  le  climat  congo- 
lais,  qu’ils  ne  peuvent  y resister.  Ils  sont  en  quelques 
semaines  tellement  affaiblis,  qu’il  faut  les  renvoycr  en  toute 
hüte  en  Europe.  La  caohexio  paludüenne  est  survenue  cliez 
eux  apres  trois  ou  quatre  mpis,  coinme  cboz  les  autres  apres 
deux  ou  trois  ans.  On  ne  saurait  etre  trop  sövere  dans  le 
choix  des  agents.  Si  l’on  veut  ne  pas  s’exposer  k bien  des 
mecomptes,  on  doit  ücarter  iinpitoyablement  les  buveurs,  et 
s’entourer  pour  les  autres  de  tous  les  renseignements  possibles 
sur  leurs  antecedants  et  leur  maniere  d’ßtre  actuelle.  Soit 
que  leur  Constitution  laisse  un  pcu  k ddsirer,  qu’un  ctat 
d’anemie  mfime  lügere  ou  de  lymphatisme,  qu’unc  maladie 
ant^rieure  grave  puisse  etre  övoquöe,  la  decision  doit  etre 


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172 


irrevocablc : car  le  moindrc  oulili  ou  la  plus  petitc  negligence 
sous  ce  rapport  peut  avoir  lcs  plus  funcstes  conscquenccs. 

Pour  les  agents  qui  viennent  de  l’intdrieur,  soit  pour 
expiration  de  terrae  de  Service,  soit  pour  raaladie,  il  est 
a desirer  que  leur  arrivöe  dans  le  Bas-Congo  s’effectue  de 
manifere  a ce  qu’ils  y sejournent  le  moins  possible  avant  leur 
embarquemcnt.  Le  cbangement  d’air,  le  desoeuvreinent,  et 
trop  souvent,  il  faut  bien  le  dire,  l'intemperance  et  les  ecarts 
de  regirae,  sont  des  causes  trop  frequentes  de  raaladie. 

Comme  mesure  prophylactique  de  la  fievre,  je  ne  saurais 
trop  conseiller  a cliaque  agent,  comme  d’autres  l’ont  fait 
avant  raoi,  d’inscrire  regulioretncnt  dans  un  carnet  special  les 
dates  ou  ils  ont  eprouvö  quelque  raalaise,  quelquo  monveiuent 
föbrile.  La  plupart  des  acces  de  fievre  ont  une  tendance 
a une  periodieite  de  retour  bien  marqnee,  de  quelques  jours, 
de  quelques  seraaines,  de  quelques  mois  meine,  periodieite 
qui  passe  completement  inapercue  quand  on  n’a  pas  eu  sein 
d’en  tenir  note.  Inutile  de  dire  que  ceux,  qui  se  conforment 
scrupeuleusement  h cette  prescription,  onrayeraient  souvent 
des  accfcs  jusque  lii  imprövus,  en  prenant  ä temps  l’antiperi- 
odique,  et  qu’ils  procureraient  en  merae  temps  au  m6decin 
un  sujet  d’ötudeB  du  plus  haut  interet. 

B.  Personnel  noir. 

Mouvement  de  l’höpital  des  noires  pendant  la  pi5riodc 
semestrielle  du  15  Mai  au  15  Novembre: 

Restaient  en  traitement  au  15  Mai:  50  malades 

entres  du  15  Mai  au  15  Novembre:  223  „ 

restaient  en  traitement  au  15  Novembre:  67  „ 

Nombre  des  jourmies  d’hospitalisation  des  223  entrants:  4911 
journees,  soit  une  moyennc  de  22  par  malade 

Igueris : 1(J4 

non  gueris  ou  evades:  7 
morts:  45 

sur  les  223  entrants,  14  femmes,  3 pour  Syphilis,  11,  dont  2 
fillcttcs  pour  affections  diverses. 

Nombre  des  entrees  par  mois: 

Mai  (2®  quinzaine)  — Juin  — Juillet  — Aoüt 

18  45  35  22 


173 


Septembre  — Octobre  — Novembre  1 r — 15®e 
25  49  29 

Lcs  principalcs  maladies  so  classent  coinrae  suit,  par  ordre  de 
frequence : 

affections  de  poitrine  38  cas  (broncbite  16,  pleur^sie  13 

pnenraonie  9). 

caehexie  35  eas 

affections  intestinales  26 

ulceres  de  diverses  natures  24 

plaies  diverses  12 

phleginons  9 

affections  syphilitiques  8 

varioloide  5 

affections  rhumatismales  4 
affections  du  foie  4 
pian  2 

ver  de  Guinöe  1 
malad  ie  du  sonuneil  1 
ataxic  locomotrice  1 
tetanos  1 

Les  autres  cas  ne  prdsentcnt  rieu  de  bien  saillant. 
Je  serai  bref  sur  la  plupart  de  ccs  affections.  N’ayant  repris 
le  service  du  personnel  noir  qu’au  niois  d’Aout,  je  n’ai  pu 
en  observer  qu’une  partie. 

Les  affections  de  poitrine  ont  eu  lenr  maximuin  de 
frequence  en  Juin  et  Juillct: 

Juin:  10  cas.  1 pncumonie,  9 pleuresies, 

Juiilet:  10  cas.  4 pneumonies,  2 pleuresies,  4 bronehitos, 
Aout:  5 cas.  1 pneumonies,  3 broncliites. 

Sous  le  nom  de  caehexie  il  faut  coinprendre  ces 
deperisseinents  de  causes  complöxes:  anömic  d’origine  palu<l6- 
enne,  anemic  due  a la  filaire  ou  h d’autres  parasites, 

insuftisance  on  mauvaise  qunlit6  de  l’aliinentation,  etc 

Gelte  affection  se  remarque  en  tous  temps ; le  plus  ou  moins 
grand  nombre  de  cas  observt'-s  depend  snrtout  du  plus  moins 
grand  nombre  de  recruos  venant  de  l’interieur,  en  particulier 
du  Kwango  ou  du  Manyema. 

Les  affections  intestinales  ont  cu  leur  maximum  de 
frequence  en  Octobre  et  en  Novembre:  mais  on  les  observe 
en  toutes  saisons.  Le  refroidissement  et  la  mauvaise  qualite 


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174 


des  eaux  de  boissons  que  le  noir  consomme  n’importe  ou  il 
se  trouve,  sont  ä mon  avis,  les  deux  facteurs  principaux  qui 
intervienncnt  dans  la  production  de  ces  flux  de  ventre. 

Les  trois  femmes  atteintes  d’affeetions  syphilitiques  ont 
6t4  imm6diatement  dirigdes  sur  l’ile  des  princes.  Des 
27  lemines  isolees  dans  l'tle,  17  en  sont  revenues  en 
Septembre,  gueries  ou  du  moins  n’offrant  plus  de  I&ions 
apparentes,  aprös  un  sdjour  d’un  ä trois  ans. 

Aucun  cas  de  variole  k signaler:  seulement  cinq  eas 
de  varioloi'de,  tres  benins. 

Professions.  Sur  les  223  entrees,  les soldats y figurent 
pour  la  moitid;  113  entrants  dont  25  du  camp  de  Zarabi; 
les  differentes  categories  de  travailleurs  pour  83;  les  pri- 
sonniers  pour  19,  les  boys  pour  6;  les  policemen  pour  2. 
Mais  ces  chiffres  pour  avoir  toute  leur  valeur,  devraient  etre 
donnes  en  pour  cent  du  nombre  d'individus  de  ckaque 
profession. 

Nationalitds.  Relativement  k la  nationale,  voici, 
avec  les  chiffres  de  la  mortalitd  en  regard,  les  principaux 
groupes  qui  ont  fourni  le  plus  grand  contingent  de  malades: 
Kwangos  : 35  entrees  — 7 ddces 

Manyemas  : 31  „ — 8 „ 

Bas-Congo  : 27  „ — 8 „ 

Mongos  : 25  „ — 3 „ 

Batetelas  : 19  „ — 3 n 

Haoussas  : 14  „ — 3 „ 

Sierra-Leonaies  : 12  „ — 3 „ 

Meme  remarque  que  plus  haut  quant  au  pourcentage 
qu’il  m’est  impossible  de  donner  n’ayant  pas  les  donn^es 
süffisantes. 

Mortalitä.  Le  nombre  des  deces  s’elijve  k 45.  Mai 
(k  partir  du  15)  : C — Juin  : 13  — Juillet  : 7 — Aout : 5 — 
Septembre  : 4 — Octobre  : 9 Novembre  (du  premier  au 
quinze)  : 1. 

On  voit,  que  c’est  au  debut  de  la  saison  froide,  qu'ont 
eu  Iieu  les  plus  grands  ddehets.  Dix  cachectiques  succom.bent 
aux  premiers  froids  du  15  Mai  au  30  Juin. 

Voici  par  ordre  de  frequence,  les  diverses  causts  de 
mortalite : 

Cachexie  — 16  döc&s 


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175 


Affections  de  poitrine  — 10 
Dyssenterie  — 4 
Fikvres  — 4 
Affections  du  foie  — 3, 

Septic4mie  — 3,  individus  d6ja  impaludds  k leur  entrke. 

Maladie  du  sommeil  — 1 

Aliknation  mentale  — 1 

Affection  cardiaque  — 1 

Affection  rhumatismale  1 

Ataxie  locomotrice  1 

Le  Service  des  consnltations  dont  la  moyenne  jour- 
naliere  reste  assez  elevke,  n’a  present 6 que  des  affections 
d’importance  secondaire. 

Conclusions. 

Pour  diminuer  les  causes  des  flux  de  ventre  et  de  la 
dysenterie  chaque  Soldat  devrait  ßtre  muni  d’une  ceinture 
supple  mentaire  de  flanelle,  qu'il  porterait  surtout  la  nuit,  si 
pas  d’une  manikre  continue  k toutes  les  kpoques  de  l’annee, 
du  moins  a l’kpoque  des  premiers  symptömes  caractkristiques. 

Je  sais,  qu’il  sera  difficile  d’etre  obei  des  le  debut,  mais  la 
persuasion  et  au  besoin  la  menace  pourront  avoir  quelque 
chance  de  suecks. 

Cette  affection  m’amene  k parier  d’un  fruit  dont  je 
ne  saurais  trop  recommander  l'usage  soit  comme  aliment, 
soit  comme  medicament.  Je  veux  parier  de  la  noix  de  Kola. 
Les  propriktks  de  ces  noix  sont  trop  connues  pour  que  j'en 
fasse  I’knnmkration.  Qu’il  me  suffise  de  rappeier  que  par  sa 
tlieobromine  et  sa  cafkine,  eile  eBt  un  type  d’aliment,  dit 
d’kpargne,  en  meme  temps  qu’un  tonique  du  coeur  et  un 
excellent  diurktique.  Elle  favoriserait  en  outre  la  digestion 
et  serait  un  antidiarrhkique  puissant.  Le  mode  de  plus 
simple  d’administration  serait  de  faire  consommer  les  noix 
en  nature.  On  en  ferait  une  distribution  reguliere,  soit 
sous  forme  de  noix  skches,  ou  mieux,  si  possible,  fraiches. 
Dans  le  cas  oü  l’approvisionnemcnt  serait  insuffisant  pour 
faire  cette  distribution,  je  demande  k ce  que  tout  au  moins 
il  en  soit  mis  k ms  disposition  une  certaine  quantitk  qui 
serait  utiliske  sous  diverses  prkparations  comme  mkdicament 


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176 


tonique  et  antidiarrheique,  non  seuleraent  pour  les  noirs, 
rnais  aussi  pour  les  blancs. 

Borna,  le  1.  Döcembre  1896. 

Le  Mcdeein  de  l’E tat 
(s)  Docteur  Etienne. 


Die  Steinkrankheit  in  Canton  und  Bangkok. 

Von  B.  Scheube. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Steinkrankheit  ist 
in  den  einzelnen  Erdtheilen  eine  sehr  ungleichmässige. 
Ländern,  in  welchen  dieselbe  sehr  selten  vorkommt,  stehen 
andere  gegenüber,  wo  sie  ein  wahrhaft  endemisches  Leiden 
darstellt.  Das  letztere  ist  namentlich  der  Fall  im  russischen 
Gouvernement  Moskau,  in  den  nördlichen  Distrikten,  be- 
sonders den  Nordwestprovinzen  von  Vorderindien,  in  Aegypten 
und  auf  den  zu  Afrika  gehörigen  Inseln  Reunion  und  Mauritius. 
Ein  weiterer  endemischer  Bezirk  der  Steinkrankheit,  auf 
welchen  ich  die  Aufmerksamkeit  lenken  möchte,  ist  die 
Provinz  Canton  in  China.  Dr.  Kerr,  der  langjährige 
Leiter  des  Hospitals  der  Medical  Missionary  Society  in  Canton, 
theilte  mir  bei  meinem  Aufenthalte  daselbst  im  Jahre  1882 
mit,  dass  er  dort  nicht  weniger  als  600  Steinoperationen. 
1881  allein  66,  ausgeführt  habe.  Die  Ursache  dieser  Häufig- 
keit vermochte  mir  derselbe  aber  nicht  anzugeben.  Von 
anderer  Seite  hörte  ich  als  solche  theils  den  Kalkgehalt 
des  F lusswassers,  welches  vielfach  als  Trinkwasser  dient, 
theils  das  in  Canton  sehr  verbreitete  Betel  kauen,  bei 
welchem  bekanntlich  ausser  Aracanüssen  und  Betelblättern 
roher  Muschelkalk  zur  Anwendung  kommt,  anschnldigen. 

Canton  liegt  am  PerlHusse,  und  ein  grosser  Theil  der 
Bevölkerung  wohnt  sogar  auf  demselben,  theils  auf  ver- 
ankerten Schiffen,  theils  in  Häusern,  welche  auf  in  den  Fluss 
geschlagenen  Pfühlen  oder  auf  Flössen  erbaut  sind.  Von 
dieser  Flussbevölkerung  wird  das  Flusswasser  zum  Trinken 
und  Kochen  benutzt,  dasselbe  Wasser,  an  welches  dieselbe 
natürlich  auch  ihre  Excremente  abgiebt.  Dagegen,  dass  der 
Kalkgehalt  dieses  Wassers  die  Ursache  der  Häufigkeit  der 
Harnsteine  ist,  spricht  die  Thatsuche,  dass  die  letzteren  in 


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177 


den  allermeisten  Fällen  nicht  aus  Phosphaten , sondern  aus 
Harnsäure  bestehen.  Carrow  berichtet  in  den  von  dem 
chinesischen  General-Zollinspector  herausgegebenen  Medical 
Reports  (18th  Jssue  S.  52)  über  140  im  Hospital  der  Medical 
Missionary  Society  ausgeführte  Steinoperationen  und  machte 
in  allen  Fällen  ausser  einem  auch  Angaben  über  die  chemische 
Zusammensetzung  der  entfernten  Steine:  nur  in  3 Fällen 
lagen  Phosphatsteine  vor,  in  allen  anderen  handelte  es  sich 
um  Harn  säurest  eine.  Durch  diese  Thatsache  wird  zu- 
gleich auch  die  zweite  Annahme  widerlegt,  der  auch  die 
allgemeine  Verbreitung,  welche  das  Betelkauen  nicht  nur 
in  Canton,  sondern  überhaupt  in  Südasien  gefunden  hat, 
widerspricht. 

Wenn  auch  nicht  wegen  des  Kalkgebaltes  seines  Wassers, 
so  scheint  doch  der  Fluss  aus  irgend  einem  anderen  Grunde 
eine  wichtige  Rolle  bei  der  Entstehung  der  Steinkrankheit 
zu  spielen.  Es  geht  dies  daraus  hervor,  dass  von  letzterer 
hauptsächlich  solche  Leute  ergriffen  werden,  welche  durch 
ihren  Beruf  in  nahe  Berührung  mit  dem  Flusse  gebracht 
werden.  Bei  103  von  Carrow ’s  140  Kranken  wird  die 
Beschäftigung  derselben  angegeben:  von  denselben  waren 
54,  also  über  die  Hälfte,  allein  Bootsleute.  Es  liegt  daher 
nahe,  an  einen  Parasiten  zu  denken,  der  in  seinem  Jugend- 
zustande im  Flusse  lebt,  nachdem  vielleicht  seine  Eier  mit 
den  Excreten  von  Kranken  in  denselben  abgesetzt  worden 
sind,  und  von  hier,  sei  es,  wenn  sein  Wasser  getrunken 
wird,  sei  es,  wenn  in  ihm  gebadet  wird,  in  den  menschlichen 
Körper  hineingelangend  die  Veranlassung  zur  Steinbildung 
giebt.  Ein  solcher  Parasit  ist  die  B i 1 h a r z i a haematobia, 
auf  welche  die  Häufigkeit  der  Harnsteine  in  Aegypten  zurück- 
zuführen ist.  Ausserhalb  Afrikas  ist  die  Bilharzia-Krankheit 
bisher  nur  an  wenigen  Punkten  (Mauritius,  Syrien,  Mekka) 
zur  Beobachtung  gekommen,  könnte  aber  sehr  wohl  in  dem 
tropisch  gelegenen  Canton  Vorkommen,  zumal  nach  einer 
bei  Below  (Die  Ergebnisse  der  tropenhygienischen  Frage- 
bogen S.  30)  sich  findenden  Notiz  „die  Eier  der  ßilharzia 
haematobia  im  Harn  der  Einwohner  von  Shanghai  oft  von 
Dr.  Zedclius  beobachtet  wurden“.  Der  Zweck  dieser 
Zeilen  ist  es  daher,  die  C o 1 1 e g e n , welchen  Ge- 
legenheit zu  ärztlichen  Beobachtungen  iu  Canton 

Archiv  f.  Schiff«*  n.  Tropenhygiene.  13 

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178 


geboten  wird,  zu  veranlassen,  auf  das  Vorkommen 
des  Distomum  haematobium  daselbst  zu  achten. 

Aelinliche  Verhältnisse  wie  in  Canton  liegen  auch  in 
Bangkok  in  Siam  vor.  Auch  hier  haben  wir  einen  grossen 
Fluss,  den  Menam,  auf  dem  ein  grosser  Theil  der  Bevölkerung 
wohnt,  und  dessen  Wasser  in  gleicher  Weise  benutzt  wird 
wie  das  des  Perlflusses,  und  auch  hier  herrscht  die  Stein- 
krankheit als  endemisches  Leiden,  wie  ich  bei  an  Ort  und 
Stelle  angcstellten  Nachforschungen  erfuhr  und  mir  neuer- 
dings von  Dr.  Rasch,  der  eine  Reihe  von  Jahren  dort  als 
Arzt  gewirkt  hat,  bestätigt  wurde.  In  dem  nördlich  von 
Siam  gelogenen  Laos-Lande  kommt,  wie  mir  der  bekannte 
Reisende  Carl  Bock  mittheilte,  die  Steinkrankheit  gleich- 
falls sehr  häufig  vor,  namentlich  in  Lampun,  einer  an  einem 
Nebenflüsse  des  Meping  gelegenen  Stadt  in  der  Nähe  von 
Tschengmai.  Vielleicht  ist  auch  in  diesen  Fällen  ein  Parasit, 
möglicherweise  die  Bilharzia  haematobia,  im  Spiele.*) 


Ueber  Schlangen,  Schlangenbisse  und  deren  Behandlung 
an  der  MalabarkUste. 

Von  Dr.  E.  Liebendörfer,  Calieut,  Malabar. 

Die  Malabarküste  im  Westen  Indiens  ist  eine  schmale 
Tiefebene,  welche  im  Osten  von  den  Ghatbergen  abgeschlossen 
wird.  Die  bedeutendste  Stadt  derselben  ist  Calicut  unter 
dem  12°  n.  Br.,  wo  im  Jahre  1498  Vasco  de  Uania  zum 
ersten  Male  seinen  Fuss  auf  indischen  Boden  setzte.  Das 
ganze  Küstengebiet  bis  hinunter  nach  Ceylon  zeichnet  sich 
durch  grosse  Hitze,  wie  auch  durch  hohen  Feuchtigkeits- 
gehalt der  Luft  aus,  während  der  Deccan  und  die  östliche 
Coromandelküste  trockener  und  im  Ganzen  kühler  sind.  Die 
Berge  im  Osten  und  Norden  erreichen  eine  Höhe  von  nahezu 
3000  Metern  über  dem  Meere  und  weisen  einen  ewigen 
Frühling  auf.  An  den  Meeresküsten  ist  die  Temperatur 

*)  Anmorkung  bei  dor  Corroctur.  Eine  sooben  erschienene 
Arbeit  von  Schön  (Ergebnisse  einer  Frngebogenforschung  auf  tropen- 
hygienischen Gebiete.  Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamt!* 
XIII.  2.  1898.  S.  170)  enthält  die  Notiz,  dass  die  Bilharzia-Krankheit 
auch  in  Pcnnng  häufig  verkommt. 


179 


constanter  und  feuchter,  als  im  Innern,  wo  dieselbe  grösseren 
Schwankungen  unterliegt.  Physikalisch  unterscheidet  man 
auch  im  Süden  Indiens  3 Klimata:  das  eontinentale,  das 
insulär-maritime  und  das  Bergklima.  Die  Durchschnitts- 
temperatur während  der  heissesten  Zeit  an  der  Malabarküste 
vom  Februar  bis  Ende  May  beträgt  29°  R im  Schatten  und 
während  der  sog.  kühleren  Monate  vom  November  bis  Mitte 
Februar  ca.  27°  R.  Im  Ganzen  ist  sie  also  nicht  viel  höher, 
als  die  Mitteleuropas  im  heissen  Sommer.  Die  Regenzeit, 
welche  etwa  4 Monate  lang  währt,  ist  in  Folge  der  Mischung 
von  Hitze  und  Feuchtigkeit,  welche  die  günstigsten  Be- 
dingungen zur  Entwickelung  von  Miasmen  darbieten,  nicht 
ungefährlich  für  die  Gesundheit  der  Europäer  sowohl,  als 
der  Eingeborenen.  Die  Regenmenge  beträgt  in  dieser  ver- 
hältnissmässig  kurzen  Zeit  unter  normalen  Verhältnissen 
4 — 4500  mm  gegen  durchschnittlich  1000  mm  Niederschläge 
Deutschlands  im  ganzen  Jahr.  Ich  gehe  jedoch  nicht  näher 
ein  auf  das  Klima,  noch  auch  auf  den  Einfluss  desselben 
auf  den  Europäer,  welchen  die  Meisten  schon  nach  kurzer 
Zeit  zu  fühlen  bekommen  und  der  sie  daran  erinnert,  dass 
man  auch  in  Indien  nicht  ungestraft  unter  Palmen  wandelt. 
Auch  die  Krankheiten  übergehe  ich,  sowohl  diejenigen 
welche  dem  gemässigten  und  tropischen  Klima  gemeinsam 
sind,  als  auch  die  speciell  tropischen,  von  denen  ich  hier 
nur  einige  anführe:  die  Malaria,  Beri-Beri,  Dengue,  Beulen- 
pest, gewisse  Formen  von  Dysenterie  und  Lebererkrankungen, 
Framboesia,  Lepra;  dann  Invasionskrankheiten:  von  Filaria 
Medinensis,  F.  sanguinis  hominis,  Anguillula  stercoralis,  — 
die  Beule  von  Delhi,  das  Malabar-Geschwür,  Madura-Fuss, 
Elephantiasis  Arabum  etc.  etc. 

Dagegen  möchte  ich  einige  Mittheilungen  machen  aus 
meinen  Erfahrungen  mit  Schlangen  und  Schlangenbissen. 
Mit  Schlangen  ist  ja  Indien  so  überaus  reich  gesegnet,  wie 
kaum  ein  anderes  Land  der  Welt  Sterben  doch  nach 
amtlichen  Statistiken,  welche  ich  übrigens  für  nicht  einmal 
vollständig  halte,  jährlich  40000  Menschen  an  den  Folgen 
der  Bisse  giftiger  Schlangen.  Diese  aber  auszurotten,  ist  in 
Indien  geradezu  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  da  der  Hindu 
z.  B.  die  Naja  tripndians  (Cobra  de  Capelloj  für  einen  Gott 
hält,  sie  als  solchen  verehrt  und  derselben  eigene  Tempel 

13* 


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180 


baut.  Ein  Hindu  würde  sieb  daher  eher  selbst  töten  lassen, 
als  dass  er  einem  solchen  Thiere  ein  Leid  zufügte.  Selbst 
wenn  die  Schlange  gefangen  worden  ist,  nachdem  sie  ein 
Familienmitglied  getüdtet  hatte,  wird  sie  nur  einige  Kilo- 
meter weit  fortgetragen  und  unter  vielen  Entschuldigungen 
wieder  auf  die  Menschheit  losgelasscn.  Die  Eingeborenen, 
welche  meist  barfuss  gehen,  mangelhaft  bekleidet  sind,  und 
in  elenden  Hütten  wohnen,  fallen  daher  besonders  Nachts  auch 
am  meisten  den  Schlangen  zum  Opfer,  während  eine  Verletzung 
von  Europäern  schon  mehr  zu  den  Ausnahmen  gehört.  In 
Malabar  haben  wir  ausser  den  Seeschlangen  9 verschiedene 
Arten  von  giftigen  Schlangen,  von  denen  jedoch  5 mehr  in 
den  Bergen  hausen  und  nur  4 dem  eigentlichen  Tieflande 
angehören.  Der  Mehrzahl  nach  sind  sie  Glieder  der  Familie 
der  Colubriden  mit  den  Gattungen  der  Callophis,  Naja, 
Bungarus  (Felsenschlange)  und  der  Seeschlangen.  Diese  letz- 
teren (Hydrophidiae)  sind  fast  alle  giftig,  und  können  leicht  an 
ihren  ruderähnlichen,  plattgedrückten  Schwänzen,  sowie  an 
den  Giftzähnen  erkannt  werden.  Hydrus  platurus,  bis  zu 
2 Meter  lang,  ist  wohl  die  verbreitetste  Seeschlange,  nicht 
nur  in  Indien,  sondern  in  den  Tropen  überhaupt.  Die  Nase 
befindet  sich  unmittelbar  über  der  Schnauze,  so  dass  sie 
zum  Athemholen  nicht  den  ganzen  Kopf  über  das  Wasser 
zu  erheben  braucht,  weshalb  sie  auch  selten  entdeckt  wird. 
Die  verbreitetste  aller  Schlangen  Indiens  ist  aber  ohne 
Zweifel  die  Brillenschlange  (Cobra,  Naja  tripudians),  deren 
Farbe  von  hell-  bis  dunkelbraun  variirt.  Atu  Ilalse,  un- 
mittelbar hinter  dem  Kopfe  besitzt  sie  eine  Art  ovaler  Haube, 
die  jedoch  gewöhnlich  zusammengeklappt  ist.  Wird  aber 
das  Thier  gereizt,  so  öffnet  sich  dieselbe  beim  Angriff  ver- 
möge der  Ausdehnung  einer  Anzahl  verlängerter  Rippen, 
wobei  dann  auf  der  Rückseite  die  Figur  einer  Brille  zum 
Vorschein  kommt.  Die  Nase  liegt  seitlich  und  die  Pupillen 
sind  rund.  Die  Cobra  kann  die  Länge  von  27»  Metern 
erreichen.  Es  giebt  aber  auch  Thiere,  wie  die  Bungarus, 
welche  zwar  die  Haube  haben,  aber  entweder  gar  keine 
Zeichnung  darauf,  oder  nur  eine  rudimentäre.  Die  Bungarus 
erreicht  eine  Länge  von  5 Metern  und  hat  auf  ihrem  Rücken 
hexagonale  Schilder.  Beide  Gattungen  sind  nächtliche  Thiere 
und  legen  ihre  Eier  während  der  Regenzeit.  Obwohl  sie 


181 


auf  dem  Lande  leben,  scheuen  sie  das  Wasser  keineswegs 
und  schwimmen  mit  hoch  erhobenem  Kopfe  über  die 
breitesten  Flüsse  hinüber.  Sie  klettern  auch  vorzüglich  und 
werden  zuweilen  in  den  Gipfeln  der  höchsten  Bäume  gefunden. 
Fast  alle  Monate  häutet  sieh  die  Schlange  und  wahrscheinlich 
wechselt  sie  auch  die  Giftzähne  sehr  oft.  Sie  kommt  vor 
bis  zu  2500  Meter  Höhe,  überall  ist  aber  ihr  Biss  gleich 
gefährlich,  sie  ist  jedoch  glücklicher  Weise  nicht  aggressiv, 
und  geht  dem  Menschen  eher  aus  dem  Wege.  Ferner  haben 
wir  es  mit  der  Trimeresurus  trigonocephalus,  einer  grünen 
Baumschlange,  zu  thun,  durch  deren  Biss  nach  Ansicht  der 
Eingeborenen  eine  vollständige  Muskelatrophie  eintreten  soll. 
Die  Vipern  endlich  bilden  ebenfalls  eine  besondere  Klasse. 
Man  unterscheidet  echte  Vipern  und  die  Crotalinac.  Zu 
letzteren  gehört  die  in  Malabar  häufige  Viper  Russellii  (Annally 
der  Hindus)  von  schwarzer  Farbe,  in  regelmässigen  Zwischen- 
räumen unterbrochen  von  weissen  Ringen.  Auch  ihr  Biss 
ist  meist  letal.  Anatomische  Anhaltspunkte  zur  Unterscheidung 
einer  giftigen  Schlange  von  einer  nichtgiftigen,  wie  z.  B.  die 
Abwesenheit  eines  Schildes  zwischen  dem  Auge  und  der 
Nase,  oder  Untersuchung  der  Schlange  auf  Giftzähne  haben 
keinen  grossen  Wertb,  da  diese  und  andere  Merkmale  auch 
bei  ganz  harmlosen  Schlangen  Vorkommen  können.  Das 
Sicherste  ist  immerhin,  sich  an  die  äussere  Erscheinung  des 
Thieres  zu  halten. 

Der  Biss  einer  kräftigen  und  wohlentwickelten  Cobra 
endigt  fast  immer  letal,  und  es  kann  der  Tod  schon  nach  einer 
halben  Stunde  eintreten,  oder  auch  später,  je  nachdem  die 
Umstände  sind.  Je  näher  dem  Herzen,  und  je  günstiger  die 
Circulationsverhältnisse  sind,  desto  rascher  ist  auch  die 
Wirkung,  je  weniger  das  der  Fall  ist,  desto  eher  kann  man 
aber,  besonders  bei  rechtzeitiger  Ligatur,  hoffen,  den  Kranken 
am  Leben  zu  erhalten.  Die  Prognose  hängt  ferner  ab  von 
der  Grösse  der  Wunden  und  der  Zahl  derselben.  Es  wurden 
mir  schon  Patienten  gebracht,  welche  4 — 6 sehr  tiefe  Wunden 
hatten,  während  man  bei  andern  wieder  Mühe  hat,  die 
kleinen  Stiche  überhaupt  zu  entdecken.  Ferner  hat  die 
Schlange  die  Gewohnheit,  sich  von  Zeit  zu  Zeit  des  über- 
flüssigen Giftes  zu  entledigen  und  zwar  dadurch,  dass  sie 
ihre  Zähne  in  Pflanzen  oder  weiche  Baumrinden  einhackt. 


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Wird  unmittelbar  nachher  Jemand  gebissen,  so  ist  es  klar, 
dass  die  Folgen  geringere  sind,  während  umgekehrt  durch 
Erkrankung  des  Thieres  das  Gift  noch  virulenter  wird. 
Nicht  auszuschliessen  ist  bei  manchen  Menschen  eine  gewisse 
Toleranz  gegen  das  Gift,  wie  eine  solche  schon  dem  König 
Mithridates  zugeschrieben  wird,  und  wie  sie  gewiss  auch 
eine  Anzahl  indischer  Sangesis  und  Schlangenbeschwörer 
besitzen.  Das  alles  sind  wesentliche  Punkte,  welche  in  Ver- 
bindung mit  dem  Alter  und  dem  Geschlechte  der  Patienten 
bei  der  Beurtheilung  jedes  einzelnen  Falles  wohl  erwogen 
werden  müssen.  Sie  geben  auch  die  Erklärung  zu  der 
Thatsache,  dass  es  dann  und  wann,  auch  in  schwereren 
Fällen,  doch  möglich  ist,  einen  Verwundeten  zu  heilen, 
trotzdem  der  Biss  besonders  der  Cobra  als  fast  absolut 
tötlich  gilt.  Je  länger  man  den  Kranken  erhalten  kann, 
desto  mehr  Hoffnung  auf  Genesung  ist  vorhanden. 

Was  nun  die  Symptome  anbelangt,  so  sind  sie  nach 
dem  Gesagten  sehr  verschieden.  Bei  geringen  Verletzungen 
kommen  die  Patienten  noch  selbst  am  Stocke.  Das  Bein 
schwillt  leicht  an,  ist  schmerzhaft,  die  Lymphgefiisse  und 
Drüsen  sind  empfindlich  und  hart.  Oefter  ist  auch  Atemnot, 
Nausea  und  Erbrechen  grünlicher  Massen  damit  verbunden. 
Das  Sensorium  ist  dagegen  völlig  frei,  obwohl  auch  Fieber 
und  Kopfschmerzen  nicht  fehlen.  In  schweren  Fällen  tritt 
völlige  Dysurie  dazu,  der  Puls  wird  unfühlbar,  und  kalter 
klebriger  Schweiss  bedeckt  den  Patienten.  Der  Auswurf 
wird  blutig,  es  tritt  förmliches  Bluterbrechen  hinzu  ; Blut  tritt 
unter  beide  Conjunctiven  und  flieset  aus  fast  allen  Oeffnungen 
des  Körpers.  Einmal  konnte  ich  blutigen  Schweiss  con- 
statiren,  was  darauf  hindeutet,  dass  das  Gift  besonders  auf 
die  Gefässwandungen  wirkt.  Das  Augenlicht  nimmt  so 
sehr  ab,  dass  die  Kranken  ihre  nächste  Umgebung  nicht 
mehr  erkennen,  die  Augenlider  können  nur  halb  geöffnet 
werden;  es  besteht  eine  gewisse  Somnolenz  und  Schwer- 
besinnlichkeit, aber  keiner  Bewusstlosigkeit,  denn  auf  Anrufen 
giobt  Patient,  wenn  auch  mit  Mühe,  immer  eine  correkte 
Antwort,  dagegen  ist  völlige  Asomnie  vorhanden.  So  geht 
der  Kranke  oft  noch  am  2.  und  3.  Tage  zu  Grunde.  In 
den  schwersten  Fällen  kann  Patient  schon  nach  V»  Stunde 
sterben,  und  sind  die  Erscheinungen  so  stürmisch,  dass  der 


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183 


tödtliche  Ausgang  eintritt,  bevor  andere  körperliche  Symptome 
Zeit  hatten,  aufzutreten. 

Die  Diagnose  eines  Schlangenbisses  ist  demnach  nicht 
sehr  schwierig.  Die  Angaben  des  Patienten  sind  gewöhn- 
lich sehr  positiv.  Wird  vollends  noch  die  Schlange,  wie  es 
des  Oefteren  geschieht,  mitgebracht,  und  hat  man  sich  auch 
von  der  Anwesenheit  von  Bisswunden  überzeugt,  so  kann 
kein  Zweifel  mehr  obwalten.  Zuweilen  werden  aber  doch 
auch  Kranke,  z.  B.  Epileptische  oder  sonstwie  plötzlich  in 
Ohnmacht  Gefallene,  mit  der  Behauptung,  dieselben  seien  von 
einer  Schlange  gebissen  worden,  zum  Arzte  gebracht,  soll 
doch  nach  Ansicht  der  Eingeborenen  schon  der  blosse  Atem 
der  Schlange  tödtlich  wirken.  Aber  selbst  dann,  wenn  man 
eine  Wunde  tindet,  ist  die  Diagnose  noch  nicht  fest,  weil 
dieselbe  vielleicht  von  einer  Ratte,  einem  Dorne,  oder  einem 
Skorpion  herrührt,  und  da  Schlangenbisse  der  grossen  Mehr- 
zahl nach  nur  bei  Nacht  Vorkommen,  so  sind  Irrtümer,  falsche 
Diagnosen  und  bei  der  rasch  eingetretenen  Heilung  unver- 
dienter Ruhm  des  Arztes  nur  allzuhiiutig.  Bei  gewissenhafter 
Berücksichtigung  aller  Symptome,  besonders  auch  des  Pulses, 
welcher  bei  gewöhnlichen  Ohnmächten,  Schreck  etc.  immer 
fühlbar  ist,  wird  der  Arzt  aber  auch  hier  bald  zur  Klarheit 
kommen. 

Indem  ich  nun  übergehe  zur  Behandlung  der  Schlangen- 
bisse, dürfte  cs  nicht  uninteressant  sein,  zunächst  die  Methoden 
kennen  zu  lernen,  welche  seit  Jahrhunderten  die  Hindus 
und  ihre  Aerzte  in  solchen  Füllen  zur  Anwendung  bringen. 
Wir  haben  dort  zwei  Klassen  von  cingebornen  Aerzten,  zunächst 
die  Hakims,  welche  in  Hyderabad  nach  der  arabischen  Schule 
unterrichtet  werden.  Da  sie  ja  Affen  und  andere  Tiere 
seciren,  so  fehlt  cs  ihnen  nicht  ganz  an  anatomischen  Kennt- 
nissen. Die  Vydians  oder  Hinduürztc  nach  der  Sanskrit- 
schule lernen  dagegen  meist  nur  5 — 10000  Verse  auswendig, 
worin  Symptome  und  Behandlung  einer  Krankheit  angegeben 
sind.  In  Anatomie  sind  sic  jedoch  äusserst  unwissend  und 
abergläubisch,  haben  aber  nicht  selten  sich  bedeutende  ärzt- 
liche Erfahrungen  über  Arzneimittel  gesammelt,  welche  ein 
Gemeingut  der  Familie  bleiben.  Von  ihnen  werden  schon 
längst  Schlangenbisse  mit  Strychnin  behandelt,  welches  erst 
neuerdings  von  Australien  her  so  sehr  empfohlen  wird,  auch 


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die  Idee  der  Immunisirung  gegen  das  Gift,  wie  sie  durch 
das  Serum  von  Paris  aus  beabsichtigt  ist,  ist  denselben 
nicht  neu.  Die  Rishis  und  Sanyasis  immunisiren  sich  näm- 
lich nach  ihrer  Meinung  gegen  das  Schlangengift  dadurch, 
dass  sie  einen  Samen  der  Nux  vomica  in  64  Teile,  und 
jeden  von  diesen  wieder  in  2 Teile  zerlegen.  Zuerst  wird 
täglich  ein  solches  Teilchen  gegessen  und  so  aufsteigend,  bis 
der  Mann  ohne  Schaden  eine  ganze  Nuss  zu  sich  nehmen  kann. 
Ein  beliebtes  Mittel  der  Aerzte  gegen  den  Biss  ist  folgendes: 
In  ein  Loch,  welches  an  der  Nordseite  eines  Nux  vomica- 
Baurncs  gebohrt  wird,  legt  man  ein  Stückchen  weissen  Baum- 
wollcnstoff  und  verschliesst  dasselbe  wieder  mit  einem 
Pfropfen  aus  demselben  Holz.  Nach  circa  7 Monaten  ist  der 
Stoff  in  Pulver  verwandelt  und  bildet  nun  in  Verbindung 
mit  Milch  ein  nicht  unwirksames  Antidot. 

Wird  der  Arzt  zu  einem  Patienten  gerufen,  bei  dem 
nicht  sicher  ist,  ob  der  Tod  schon  cingetreten  sei,  so  giebt 
er  ihm  eine  Pille,  welche  auf  folgende  Weise  zubereitet 
wurde.  In  den  Mund  einer  Moschusratte  werden  72  grain 
(circa  5 Gramm)  Quecksilber  gebracht,  und  dieser  zugeuäht. 
Nachdem  die  Ratte  in  der  Sonne  getrocknet  worden  ist,  wird  sie 
zusammen  mit  den  Blättern  von  Datura  Stramonium  pulverisirt. 
Ist  nach  Ansicht  der  Hindus  das  Leben  noch  im  Hinter- 
kopfe, so  wird  es  nach  Verabreichung  der  Pille  wieder  zum 
Vorschein  kommen.  Sodann  werden  Pillen,  bestehend  aus 
Schwefel,  Arsenik,  Aconit,  Saffran,  Zink,  Kupfervitriol,  Nux 
vomica,  Zinnober  etc.  gereicht.  Ein  weiteres,  sehr  beliebtes 
Mittel  ist  der  sog.  Schlangenstein,  welchem  die  Eigenschaft 
zugeschrieben  wird,  das  Gift  aus  der  Wunde  aufzusaugen. 
Nach  Sir  John  Fayrer  handelt  es  sich  hierbei  aber  nicht 
um  einen  Stein,  sondern  nur  um  einen  verkohlten  porösen 
Knochen,  welcher  wahrscheinlich  in  Milch  gekocht  worden  ist. 

Auch  die  Mittel  gegen  das  Schlangengift  seitens  der 
europäischen  Aerzte  sind  nachgerade  fast  ebenso  zahlreich, 
als  die  Schlangen  selbst.  Sie  können  eingetheilt  werden  in 
chemisch  oder  physiologisch  wirkende  Antidote.  Die  ersteren 
sollen  durch  Eingehen  von  chemischen  Verbindungen  mit 
dem  Gifte  dasselbe  unschädlich  machen,  während  die  letzteren 
den  schädlichen  Wirkungen  desselben  auf  den  Organismus 
entgegentreten.  Zu  den  ersteren  gehören  das  übermangan- 


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saure  Kali , das  Calcium  chloratum,  uud  das  Goldchlorid. 
Thatsachc  ist  es,  dass  übermangansaures  Kali,  wenn 
es  im  Reagensglas  mit  Schlangengift  gemischt  wird, 
dasselbe  oxydirt  und  unschädlich  macht.  Es  müsste 
aber,  um  das  mit  erschreckender  Geschwindigkeit  im  ganzen 
Körper  sich  ausbroitendc  Gift  zu  erreichen,  in  so  grossen 
Quantitäten  eingespritzt  werden,  dass  es  fasst  ebenso  ver 
hängnisvoil  wirken  würde,  wie  das  Gift  selbst.  In  leichteren 
Fällen,  und  besonders  da,  wo  feste  Ligatur  angebracht  worden 
ist,  behält  es  aber  seine  Wirksamkeit.  Dasselbe  gilt  von  den 
anderen  Mitteln.  Physiologisch  wirkende  Gegenmittel  sind: 
Ammonium  chloratum,  Aleohol  und  Strychnin.  Der  Alcohol 
bleibt  als  Stimulans  immer  werthvoll.  Ebenso  habe  ich  im 
Ganzen  von  Ammonium,  innerlich  und  subcutan  gegeben,  nur 
gute  Wirkung  gesehen.  Auch  Tr.  Jodi,  alle  Viertelstunde 
1 — 2 Tropfen  in  Wasser  gegeben,  gehört  hierher.  Strychnin, 
subcutan  eingespritzt,  ist  ebenfalls  ein  ganz  brauchbares 
Mittel,  nur  muss  man  vor  Anwendung  desselben  seiner  Diag- 
nose ganz  sicher  sein,  da  ja  auch  vielfach  Fälle  dem  Arzte 
gebracht  werden,  welche  sich  nur  irrtümlich  für  gebissen 
halten.  In  wie  weit  das  Schlangenserum  aus  Paris  einen 
Einfluss  auf  die  Sterblichkeit  ausüben  wird,  muss  sich  erst 
noch  zeigen,  da,  wie  wir  gesehen  haben,  bei  einem  richtigen 
Cobrabisse  das  Gift  so  rapide  den  Körper  durchdringt,  dass 
man  wohl  immer  mit  allen  Heilmitteln  zu  spät  kommt  Zur 
freiwilligen  Schutzimpfung  durch  eine  dem  Hindu  ohnedies 
sehr  unsympathatische  Methode  dürften  sich  aber  nur  wenige 
hergeben,  da  im  Vergleich  zu  der  grossen  Einwohnerzahl 
Indiens  (300  Millionen)  die  Zahl  von  Todesfällen  durch  der- 
artige Verwundungen  doch  eine  verhältnissmässig  geringe  ist. 

Meine  eigene,  seit  10  Jahren  geübte  Behandlung  der 
Schlangenbisse,  mit  deren  Resultat  ich  zufrieden  bin,  bestand 
kurz  in  Folgendem:  Feste  Ligatur,  wenn  solche  möglich 

und  noch  nicht  angelegt  war,  Erweiterung  der  Wunden  und 
Aussaugen  derselben  durch  einen  Heurteloup.  Als  Gegen- 
mittel und  zugleich  als  Stimulans  alle  Viertelstunden  4 — 6 
Tropfen  Ammonium  chloratum;  in  schweren  Fällen  dasselbe 
auch  subcutan  an  verschiedenen  Orten  den  Gefässen  entlang. 
Statt  des  Ammoniums  verabreichte  ich  auch  Alcohol  und  da- 
neben Tr.  Jodi  in  kleinen  Dosen.  Um  die  Herzthätigkeit  zu 


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heben,  Hess  ich  die  Patienten  womöglich  mehrere  Male 
rasch  auf-  und  abgehen.  Sodann  wurde  ein  Schwitzbad 
gegeben,  um  Schweiss  hervorzurufen.  Dieses  Bad  kann 
unter  Umstünden  wiederholt  werden,  und  es  fühlen  sich  die 
Kranken  dadurch  immer  sehr  erleichtert.  Zur  Linderung  der 
Schmerzen  und  zur  Beförderung  der  Abschwellung  erwies 
sich  ein  mit  Wasser  angemachter  Brei  von  Pulv.  Ipecac. 
immer  sehr  wertvoll,  ein  Mittel,  das  die  alten  englischen 
Aerzte  vor  50  und  mehr  Jahren  vielfach  angewendet  haben. 
Als  Nahrung  diente  nur  Milch  oder  Reiswasser.  Im  Ucbrigen 
soll  die  Behandlung  rein  symptomatisch  sein,  und  ist  alle 
Polypragmasie  soviel  als  möglich  zu  vermeiden,  da  die  säramt- 
lichen  Organe,  besonders  auch  die  Nieren,  von  selbst  wieder 
ihre  geordnete  Thiitigkeit  aufnehmen,  sobald  der  erste  Sturm 
glücklich  vorüber  ist.  Von  den  auf  diese  Weise  Behandelten 
hatte  ich  die  Freude,  jährlich  50  — 60  pOt.  als  geheilt  wieder 
entlassen  zu  dürfen.  E.  Liebendörfer. 

Anmerkung. 

Dr.  Calmette's  Heilserum  gegen  Schlangenbiss,  Serum  antive- 
■linieux,  scheint  nach  Berichten  von  Hangin  in  Aga,  Lcpiuai  in 
Saigon  (Bullet,  med.  J896  No.  9.  und  Renni  in  Meerut  (Brit.  med. 
Journal  18'.I6,  No.  1873)  die  Erwartungen  zu  erfüllen,  die  man  an  das- 
selbe stellte.  Es  wurtle  aus  dem  Blut  von  Pferden  und  Eseln  her- 
gestellt, die  gegen  Vipergift  iimnunisirt  sind.  Es  hiilt  sich,  wohl 
verpackt  und  an  dunklen  und  kühlen  Orten  aufbewahrt  unverändert 
wirksam.  Nach  Comptos  rendus,  1896  Pag.  203  und  Brit.  med.  Journal, 
1896  II  Pag.  1025  soll  seine  Wirksamkeit  1 : 10000  gross  sein  d.  h.  ftir 
ein  Kaninchen  von  1 Ko  Gewicht  soll  eine  Infection  von  0,1  ccm  Serum 
genügen,  um  es  gegen  eine  nachträglich  beigebrachte  Dosis  von  1 mgr 
des  trocknen  Cobragifts  zu  schützen.  Bei  einem  von  einer  Giftschlange 
gebissenen  Menschen  (in  Betracht  sollen  sämmtliche  Giftschlangen  der 
neuen  und  alten  Welt  wie  Cobra  di  capello,  Trimeresurus,  Naja  Haje, 
Cerastes,  Crotulus,  Bothrops,  die  Haplocephalus  und  Psoudechis-Arten 
und  die  Vipern  Europas  kommen)  soll  das  Serum  noch  1 '/»  Stunden 
nachdem  ßisswirken.  Zu  beziehen  ist  es  von  E.  Merck  in  Darmstadt. 

Ursprünglich  hatte  Calmetto,  der  Director  des  biologi- 
schen Instituts  in  Saigon,  schnelles  Unterbinden  des  gebissenen 
Gliedes,  subcutanc  Injection  von  20 — 30  ccm  frischer  Chlorkalklösnng 
(1  : 12),  Abnehmen  der  Unterbindung  und  Waschen  mit  conccntrirter 
Chlorkalklösung  neben  Morphium  oder  Coffein- Injectionen  empfohlen 
und  schon  1895  fand  er,  dass  Thiere  sich  durch  wiederholtes  Injiciren 
schwacher  Giftdosen  zu  immunisiron  sind.  Die  Red. 


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Mein  Projekt  zur  Entwässerung  der  pontinischen  Sumpfe.*) 

We hlliei d en- Cassel , den  10.  Mai  1897. 

Hochgeehrter  Herr! 

Euer  Hochwohlgeboren  beehre  ich  mich  auf  die  ge- 
fälligen Anfragen  zu  erwidern  : 

Die  Idee,  die  Pontinischen  Sümpfe  trocken  zu  legen, 
ist  mir  schon  in  den  mittleren  Gymnasialklassen,  beim  Lesen 
irgend  eines  lateinischen  Classikers  — ich  glaube  cs  war 
Livius  — „angeflogen“. 

Unter  so  manchem  Spott  und  Hohne  wurde  meine 
„fixe  Idee“  immer  fester.  Denn  Niemand  entsprach  meinem 
Verlangen  nach:  „einem  einzigen  vernünftigen  Grund  da- 
gegen“. Dann  wollte,  und  will  ich  noch  jetzt,  schnell  dio 
ganze  Sache  über  Bord  werfen. 

Endlich  boten  die  Mussestunden  meiner  oberschlesischen 
Garnisonen  Beuthen  und  Gleiwitz  die  Möglichkeit  ein- 
gehenderen Studiums.  Namentlich  hatte  ich  mich  bei 
Napoleon  I.  zu  bedankefi : denn  dieser  hatte  denselben 

Gegenstand  als  eines  seiner  friedlichen  Denkmale  erkoren 
und  den  französischen  Gelehrten  Prony  in  die  Sümpfe  ge- 
sendet. Prony  aber  hat  die  Resultate  seines  dortigen 
10jährigen  Bienentieisses  in  einem,  für  andere  Christen- 
menschen unendlich  langweiligen,  dickleibigen  Folianten  mit 
Atlas  niedergelegt.  Derselbe  orientirtc  mich  derartig,  dass 
ich  nicht  nur  schon  damals,  einige  hundert  Meilen  entfernt, 
meinen  heutigen  Plan  in  seinen  Grundzügen  festlegtc : sondern 
auch,  als  ich  im  Jahre  1882  den  heissersehnten  Sümpfen 
meinen  ersten  Besuch  abstattete,  ihren  nächsten  Nachbarn 
in  Tcrracina,  sogar  den  damaligen  „Ingenieuren“  des  Ufficio 
tecnico  della  Bonifica  idranlica  Pontina,  als  Führer  dienen 
musste  und konnte. 

Immer  klarer  entwickelte  sich  in  mir  das  Bild  der 
Trockenlegung  — aber  auch  zugleich  immer  klarer  wurden 
mir  die  immensen  Schwierigkeiten,  nicht  etwa  technischer, 
sondern  persönlicher  Natur 

Sehr  bald  machte  sich  die  Nothwendigkeit  fühlbar, 
meine  Urheber-Rechte  durch  italienisches  Patent  zu  schützen* 

*)  Die  nachfolgende  Zuschrift,  welche  einen  der  grössten  Malaria- 
heerde Europas  betrifft,  glaubten  wir  unseren  Lesern  nicht  vorcnthalten 
zu  sollen.  Die  Red. 


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Ich  musste  davon  (1883)  meinem  dienstlichen  Vorgesetzten 
Mittheilung  machen  und  empfing,  nach  Hause  zurückgekehrt, 
den  Besuch  des  — Oberstabsarztes. 

Früher,  500  v.  Ohr.  unter  den  arbeitsamen  und  tapferen 
Volskern  waren  die  Pontinischen  Sümpfe  eine  künstlich  ent- 
wässerte, blühende,  reiche  Ebene,  welche  nach  dem  endlichen 
Siege  der  Römer  gewaltsam  entvölkert  wurde  und  durch 
Verfall  der  Wasserwerke  versumpfte.  Die  26  volskischen 
Städte  versanken  allmälig : um  hoffentlich  jetzt  recht  bald 
mit  ihrer  ganzen  hochinteressanten  Cultur  dem  2400jährigen, 
weich  und  luftdicht  umschliesscndcn  Grabe  ziemlich  unver- 
sehrt zu  entsteigen.  Wenigstens  sind  die  beim  Bau  der  Via 
Appia  400  v.  Chr.  geschlagenen  Baumstämme  neuerdings 
bei  Gelegenheit  völlig  unversehrt  ans  Tageslicht  gefördert 
worden. 

Das  Problem,  die  Pontinischen  Sümpfe  wieder  trocken 
zu  legen,  ist  2300  Jahre  alt.  Eine  stattliche  Reihe  von 
Consuln,  Kaisern  und  Päpsten  — und  zwar  nicht  die  un- 
bedeutendsten unter  ihnen ! — hat  es  zu  lösen  versucht. 

Aber  von  allen  ihren  Plänen  hätte  bisher  allein  Caesars 
riesiger  Gedanke,  den  schlammführenden  Tiber  durch  die 
Ausläufer  der  Albaner  Berge  hindurch  in  die  Sümpfe  zu 
leiten,  einen  vollständigen  Erfolg  gehabt.  Freilich,  für  diesen 
cäsarianischen  Plan  gehörten  auch  cäsarianische  Machtmittel. 
Der  Dolch  des  Brutus  hat  das  Heil  des  Landes  zerstört. 

Mit  halben  Massregeln  ist  dort  Nichts  zu  machen.  Nur 
eine  radikale  Kur  kann  helfen.  Bei  allen  anderen  bisherigen 
Versuchen  haben  die  giftigen  Exhalationen  der  übrig  ge- 
bliebenen Sumpfstrecken  die  Kolonisten  von  den  etwa  trocken 
gelegten  Theilen  vertrieben.  Jedes  Mal  ist  das  unglückliche 
Land  bald  wieder  in  das  alte  Elend  zurückgesunken. 

Selbst  die  grossartigen  Kanalbauten  Pius  VI.,  vor  ca. 
100  Jahren,  hatten  trotz  der  aufgewendeten  9 Millionen  Franks 
einen  durchaus  ungenügenden  Erfolg — und  zwar,  weil  ihnen  das 
alte  falsche  Princip,  ausreichende  VorHuth  innerhalb  der  Sümpfe 
selbst  schaffen  zu  wollen,  zu  Grunde  lag.  Immerhin  verdient 
dieser  Papst  allerwärmsten  Dank,  denn  seine  Gräben  er- 
leichtern und  verbilligen  die  zukünftige  Trockenlegung  ganz 
ausserordentlich. 


- 


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Seit  Prony  ist  nichts  Erwähnenswerthes  über  die 
Pontinischen  Sümpfe  geschrieben  worden,  seit  Pius  VI.  nichts 
Verständiges  zu  ihrer  Sanirung  geschehen.  Das  unglückliche 
Gebiet  war  von  der  Welt  vergessen,  namentlich  seitdem  die 
Eisenbahn  nach  Neapel  die  Jahrtausende  alte  Heerstrasse, 
welche  mitten  durch  die  Sümpfe  führt,  die  Via  Appia,  ent- 
völkert hatte. 

Als  ich  vor  nun  etwa  14  Jahren  die  Aufmerksamkeit 
zunächst  der  betheiligten  Kreise  auf  die  Sümpfe  lenkte,  genas 
man  dorten  eines  Concurrcnz-Projektcs  und  hat  auch  wirklicli 
mit  staatlicher  Hilfe  in  10  Jahren  fast  eine  Million  hinein- 
gebaut Ich  stellte,  ehe  noch  der  erste  Spatenstich  geschah, 
eine  ganz  genaue  Prognose  des  Erfolges  auf : sie  ist  bis  aufs 
Jota  in  Erfüllung  gegangen.  Der  auch  heute  noch  un- 
veränderte Zustand  der  Sümpfe,  namentlich  die  furchtbaren 
Ueberschwemmungen  grade  unseres  letzten  Winters  haben 
meine  Prophezeiungen  glänzend  gerechtfertigt. 

So  liegen  denn  immer  noch  weite,  weite  Strecken, 
Tausende  von  Hectaren  jährlich  1 bis  11  Monate  meterhoch 
unter  Wasser.  Das  ganze  Sumpfgebiet  beträgt  etwa  C 
Quadratmeilen  = 30000  Hectare. 

Auch  die  trockenen  Partien  in  und  uiu  den  Sumpf 
bis  nach  Velletri  hin,  etwa  20  Quadratmeilen  — 100000 
Ilectare  können  wegen  der  aria  cattiva  nicht  ausgenutzt 
werden.  Ihre  Verwerthung  als  Weideland  für  vereinzelte 
Heerden  oder  die  streckenweise  wilde  Bebauung  ist  ein 
wahrer  Hohn  auf  den  gegenwärtigen  Standpuukt  der  Land- 
wirthschaft,  die  fünfzigfach  grössere  Erträge  erzielen  könnte. 

Welch  ein  Gegensatz  ist  die  trostlose  erdrückende  Oede, 
die  Krankheit  und  elende  Armuth  der  Nachbarn  und  etwa 
ÖO  Bewohner,  andererseits  : die  strotzende,  in  Europa  ihres 
Gleichen  nicht  findende  Ueppigkeit  des  Bodens,  die  zauber- 
haften landschaftlichen  Reize,  die  milde,  köstliche  Luft, 
welche  in  keiner  Weise  das  Gift,  das  sie  trägt,  durch  üblen 
Geruch  verräth. 

Und  die  Ursachen  dieses  Elendes? 

Charakteristisch  für  die  dortige  Gegend  sind  kurze, 
aber  sehr  intensive  Regengüsse.  Alsdann  fluten  von  den 
ganz  nackten  felsigen  Volskerbeigen  enorme  Wassermassen 
plötzlich  herab  und  überschwemmen  w'eite  Terrainstrecken. 


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Die  geringe  Erhebung  des  Geländes  über  den  Meeresspiegel 
kann  nicht  zur  Wirksamkeit  gelangen.  Denn  schon  während 
der  regenlosen  Zeiten  werden  die  zahlreich  vorhandenen 
Gräben  Pius  VI.  von  den  permanent  durchfliessenden  Aussen- 
gewässern reichlich  erfüllt:  namentlich  da  am  Rande  der 
.Sümpfe,  am  Gebirgsfusse,  noch  unglaublich  wasserkräftige 
Quellen  mitwirken,  welche  aus  fremden  Stromgebieten  ISacco) 
stammen  nnd  allein  ein  und  ein  halb  mal  so  viel  Wasser 
liefern , als  die  Regenmenge  für  das  ganze  Pontinische 
Becken  beträgt. 

So  kann  denn  also  das  ausgetretene  Wasser  gar  nicht 
oder  erst  nach  Monaten  abfliessen. 

Ich  will  also  zunächst,  — und  das  ist  der  erste  und 
wesentlichste  Unterschied  meines  Projektes  von  allen  früheren! 
— keinen  Tropfen  Wasser  mehr  von  Aussen  her,  auch  nicht 
von  den  Randquellen,  in  das  Sumpfgebiet  eindringen  lassen. 
Mit  diesen  zusammen  sollen  die  von  den  Bergen  herab- 
strömenden Wassermassen  in  selbständigen  peripherischen 
Kanälen,  welche  gegen  die  Innengräben  allentludben  dicht 
abzuschliessen  sind,  aufgefangen  und  direkt  in’s  Meer  ge- 
leitet werden. 

Wie  ein  Blick  auf  die  Skizze  zeigt,  ist  das  auf  dem 
West-Ufer  sehr  leicht.  Da  ist  der  schöne,  breite  und  tiefe 
Sisto  schon  so  gut  wie  fertig.  Aber  wunderbarer  Weise  ist 
dieser  20  km  lange  Lauf  600  in  vor  dem  Meere  so  gut  wie 
abgehackt.  Er  hat  geringe,  fast  gar  keine  VorHuth,  weil  der 
Canale  d.  Volte  ausserordentlich  gewunden  und  völlig  ver- 
schilft ist.  Es  brauchen  bloss  des  Sisto  Verbindungen  mit  den 
Quergräben  (Fosse  Migliari)  unterbrochen  und  die  600  m, 
welche  ihn  vom  Meere  trennen,  durchstochen  zu  werden. 

Auf  dem  linken  Ufer  der  Sümpfe  ist  die  Sache 
schwieriger.  Hier  müssen  UfFente,  Amazeno  (der  schlimmste !) 
Pedicata  und  die  Quellen  (Feronia  etc.)  vom  Sumpfterrain 
völlig  abgesperrt  und  durch  einen  neuen  Kanal  bei  Terracina  ins 
Meer  geführt  werden.  Die  Heranführung  der  grossen  Menge 
frischen  Gebirgswassers  wird  der  Gesundheit  dieser  Stadt 
sowohl  im  Allgemeinen  sehr  förderlich  sein,  als  auch  speeiell 
dadurch,  dass  die  jetzige  Anhäufung  von  Seepflanzen,  welche 
im  stromlosen  Canal  dicht  an  der  Stadt  faulend  die  Luft 
verpesten,  nicht  mehr  stattfinden  kann. 


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Li- ! f i 


*3210 


Maatsiah  der  Skizze  t : 230,000. 

1 


3 10 

(Kn i = 4 mm). 


15 


20 


Die  Ableitung  des  Amazeno-Uffente  ist  die  schwierigste, 
aber  zugleich  auch  wirksamste  Arbeit  meines  Projekts.  Da 


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man  immerhin  hierbei  nur  in  fester,  höher  gelegener  Erde 
zu  graben  hat  und  die  Arbeiter  in  der  Nähe  wohnen 
können,  werden  die  Kosten  keine  übermässigen  sein  (etwa 
600 (XX)  Franks). 

(Denkbar,  aber  mir  weniger  empfehlenswert!!  erscheint 
es  auch,  die  genannten  Flüsse  in  ihren  jetzigen  Betten  zu 
belassen,  hoch  und  ununterbrochen  einzudämmen  und  so  das 
Sumpfgebiet  in  mehrere  selbständige  Meliorationsgebiete 
zu  theilen.) 

Damit  nun  jener  neue  peripherische  Graben  keines 
übermässigen  Querprofils  bedarf  und  dennoch  seine  Aufgabe 
erfüllt,  die  Hochfluthen  vom  Sumpfboden  wirklich  fernhält : 
müssen  letztere  schon  in  ihrem  Ursprünge  bekämpft,  gewisser- 
massen  in  die  Länge  auseinander  gezogen  werden.  Bisher 
dauert  der  Abfluss  der  Gewässer  2 V*  Tag;  man  wird  viel  ge- 
wonnen haben,  wenn  man  ihn  auf  4 bis  5 Tage  vertheilt. 

Zu  diesem  Zweck  schlage  ich  vor : 

Schaffung  irgend  einer,  wenn  auch  noch  so  gering- 
werthigen  Vegetation  auf  den  öden  Bergen  (ev.  Opuntien 
Caetus,  der  essbare  Früchte  trägt  und  Blätter,  die  als  Futter 
zu  verwerthen),  — Tausende  von  kleinen,  mit  einer  Patrone 
zu  sprengenden  Trichtern  in  den  oberen  Regionen,  um  den 
Regen  zur  Einsickerung  in  die  Risse  und  Höhlen  des  Kalk- 
gebirges zu  bringen,  — endlich  grössere  fakultative  An- 
stauungen der  Regengüsse  in  horizontalen  weiten  Thalkesseln, 
welche  für  gewöhnlich  trocken  liegen,  Wasser  in  massigen 
Mengen  durchfliessen  lassen  und  erst  bei  Hochtiuthen  ihre 
Schleusenthür  selbstthätig  schliessen , die  Anstauung  damit 
bewirken. 

Sobald  man  auf  diese  Weise  das  äussere  Wasser  vom 
Sumpfterrain  absolut  fernhält,  hat  man  es  nur  noch  mit  dem 
eiguen  Niederschlagwasser  zu  thnn.  Denn  im  Gegensatz 
zum  begrenzenden  Gebirgsfusse  sind  im  Innern  der  Sümpfe 
noch  niemals  Quellen  gefunden  worden.  Das  ist  ganz 
natürlich ; unter  dem  2—26  m tiefen  Moor  lagern  nämlich 
überall  mächtige  Thonschi^hten , die  noch  nirgends  durch- 
bohrt worden  sind. 

Nun  beträgt  die  jährliche  Regenhöhe  in  jener  Gegend 
84  cm,  die  Verdunstung  aber  265  cm.  Es  kommt  also  nur 
eine  sehr  geringe  Wassermenge  überhaupt  zum  Abfluss,  — 


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natürlich  nur  an  einzelnen  Tagen,  nach  besonders  intensiven 
Regengüssen. 

Für  diese  unerheblichen  Wassermengen  aber  sind  die 
zahlreichen  breiten  und  tiefen  Grüben,  welche  Pius  VI. 
gebaut  hat,  mehr  wie  ausreichend.  Man  hat  nur  nöthig, 
einige  Buckel  in  ihnen  zu  entfernen  und  das  Wuchern  der 
Wasserpflanzen  einzudämmen,  welche  jetzt  in  einer  geradezu 
antidiluvianischcn  Weise  — nämlich  indem  man  Bttffeiheerden 
in  den  Kanälen  entlang  treibt  — niedergehalten  werden. 

Die  Besitzer  (z.  B.  Ferrajoli,  Rom  1892)  sagen  daher  sogar: 

„der  eigentliche  Ingenieur  der  Sümpfe  ist  der  Büffel“. 

Kompliment  für  die  zweibeinigen  Collegen. 

Sind  somit,  nachdem  die  äusseren  Wasser  ferngehalten, 
auch  noch  die  vorhandenen  Innengräben  mit  ihrer  selbst- 
ständigen Mündung  ins  Meer,  dem  Portatore  di  Badino, 
geglättet:  dann  ist  jede  neue  Ueberschwemmung  ausgeschlossen. 

Die  Gräben  werden  alsdann  sofort  das  freistehende  Wasser 
und  einen  grossen  Theil  des  Grundwassers  an  sich  ziehen 
und  abführen : d.  h.  es  wird  in  wenig  Tagen  der  bei  W eitern 
grösste  Theil  des  jetzt  inundirten  Terrains  für  immer  trocken 
liegen. 

Sollten  die  Kanäle  und  Gräben  bei  lang  andauernder 
Dürre  einer  Auffrischung  bedürfen,  so  ist  diese  leicht  und 
ungefährlich  in  beliebiger  Menge  durch  Heber  oder  Schleusen 
den  permanent  Hiessenden  Aussengräben  zu  entnehmen. 

Das  harte,  gasreiche  Wasser  der  Quellen  am  Rande  wird 
sogar  helfen,  die  Pflanzenwuelierung  einzuschränken. 

Aber  einzelne  Geländestrecken  liegen  doch  so  tief,  dass 
sie  keinen  natürlichen  Abfluss  zum  Meere  haben  können; 
und  man  darf  sie  nicht  vernachlässigen,  etwa  ihre  Ab- 
trocknung der  mächtig  wirkenden  italienischen  Sonne  über- 
lassen. Sie  würden  auch  die  trocken  gelegten  Nachbar- 
flächen verpesten,  unbewohnbar  machen.  Ihre  Ausdehnung 
wird  sogar  mit  der  allgemeinen  Trockenlegung  sich  erweitern; 
denn  wir  müssen  dabei  auf  eine  allgemeine  Senkung  der 
Boden-Oberfläche  um  0,50  bis  0,75  m uns  gefasst  machen. 

Dies  in  Rechnung  gezogen,  wird  man  für  etwoi  2000  Hectar 
künstliche  Entwässerung  vorsehen  müssen.  — Da  hat  man  sich 
denn  seit  Jahrhunderten  abgemüht  diese  tiefen  Stellen  durch 
sogenannte  Colmaten  „Auflandungen“,  durch  Heranführung 

Archiv  f.  Schiff»-  u.  Tropcohygieoe.  14 

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der  wilden  Gebirgswässer  zu  erhöhen.  Das  ist  ein  ganz 
vorzügliches  Mittel  am  Po  und  in  den  Mare  innen,  wo  nämlich 
von  den  Flüssen  grosse  Mengen  Schlamm  mitgeftthrt  werden. 
Aber  die  von  den  ganz  nackten  Volskerbergen  herab- 
strömenden Flüsse  sehen  bei  Hochwasser  zwar  auch  braun 
aus  : diese  Färbung  rührt  jedoch  nicht  von  Schlamm,  sondern 
von  einer  Ockerlösung  her,  so  dass  der  jährliche  Nieder- 
schlag kaum  1 cm  erreicht.  Dementsprechend  haben  denn 
die  hundertjährigen  Colmaten  einen  so  minimalen  Erfolg 
gehabt,  dass  mindestens  ein  weiteres  Jahrhundert  nüthig 
wäre,  um  ihn  zu  einem  befriedigenden  zu  gestalten. 

Und  so  lange  wollen  wir  nicht  warten.  Ich  schlage  also 
vor,  diese  tiefliegenden  Strecken  neuerdings  zu  isoliren,  sie 
durch  kleine  geschlossene  Dämme  gegen  das  übrige  Sumpf- 
gebiet abzuschliessen,  mit  einem  eigenen  System  von  Wasser- 
furchen zu  durchziehen,  — und  das  in  einem  kleinen  Bassin 
nahe  am  Isolirdamm  angesammelte  Wasser  endweder  durch 
eine  Silvorrichtung  abfliessen  zu  lassen,  oder,  bei  besonders 
tiefer  Lage,  über  den  Isolirdamm  hinweg  in  den  nächsten 
natürlichen  Abflussgraben  hinauszupumpen.  (Dampf,  Elek- 
tricität,  Windmotore.) 

Damit  wäre  denn  das  letzte  Bollwerk  der  Versumpfung 
überwältigt,  — aber  noch  nicht : die  Malaria. 

Weil  schnellwirkende  Mittel  zur  Gesundung  des  Bodens 
noch  unbekanut,  bleibt  gegen  die  Malaria  nichts  übrig,  als  der 
allmälig  aber  sicher  wirkenden  intensiven  Bebauung  (jährlich 
2 Ernten!)  zu  vertrauen  und  dabei  den  bestens  genährten, 
widerstandsfähig  gemachten  Menschen,  in  möglichst  geringe  Be- 
rührung mit  dem  gefährlichen  Boden  zu  bringen.  Daraus  ergibt 
sich,  dass  die  Bebauung  durch  mehrere  Jahre  hindurch  mit 
allen  Arten  von  Maschinen  und  möglichst  wenig  Arbeitern, 
also  im  grossen  Stile  etwa  wie  auf  amerikanischen  Latifundien, 
erfolgen  muss.  Die  Arbeiter  müssen  ausserhalb  des  Sumpf- 
bodens, also  im  Gebirge  oder  auf  dem  äusseren  Dünenrand, 
schlafen.  Das  ist  bei  der  schmalen  langgestreckten  Gestalt 
der  Sümpfe  ohne  allzu  grosse  Wege  zur  Arbeitsstelle 
möglich:  eventuell  könnte  auch  eine  kleine  Feldbahn,  z.  B. 
auf  der  Via  Appia  entlang,  nützlich  sein.  Alle  Fingerzeige 
der  Wissenschaft  müssen  und  können  ohne  Rücksicht  auf 


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den  Kostenpunkt  für  jene  wenigen  Arbeiter  verwertbet 
werden. 

Erat  nach  6 bis  10  Jahren  wird  man  an  die  Colonisation 
und  damit  an  die  gärtnerische  Bebauung,  für  welche  diese 
einzige  riesige  Ilumusmasse  so  recht  eigentlich  geschaffen 
ist,  gehen  können.  Dabei  werden  zunächst  noch  erhöhte 
Wohnungen  auf  Pfahlgerüsten  (Pulafiten)  oder  aber  die  alt- 
römischen Sumpfhäuser  sieh  empfehlen.  Die  alten  Römer 
bauten  in  Fiebergegenden  festungsartige  Häuser,  deren 
Aussenmauern  keinerlei  Fenster,  nur  eine  einzige  thunlichst 
verschlossen  gehaltene  Thür  zeigten.  Im  Innern  des  Hauses 
brachte  man  den  wohl  gepflasterten  Hof  an,  auf  den  hinaus 
sämmtliche  Fenster  mündeten.  Der  Luftwechsel  des  Hofes 
und  des  Hausinnern  konnte  also  lediglich  mit  den  über  dem 
Dach  schwebenden,  also  hohen,  fieberkeimfreien  Luftschichten 
stattfinden.  Diese  Anordnung  der  alten  praktischen  Bau- 
meister verdient  vielleicht  unsere  Nachahmung. 

Noch  grössere  Besorgnisse  als  für  die  spätere  Zeit  wird 
man  vielleicht  hegen  für  den  Gesundheitszustand  während 
der  Trockenlegungsarbeiten  selbst.  Auch  hierbei  hoffe  ich 
jedes  Opfer  an  Menschenleben  zu  ersparen. 

Erstens  finden  die  von  mir  projektirten  Hauptarbeiten, 
der  Sisto-Durchstich  und  die  Amazeno-Führung,  im  Dünen- 
sand beziehungsweise  im  festen  gesunden  Geröll boden  des 
Gebirgsfusses  statt.  Die  Nachtquartiere  der  Arbeiter  können 
auf  absolut  malariafreiem  Boden  Platz  finden.  — Alsdann 
wäre  es  Ehrensache  der  Unternehmung,  für  beste  Beköstigung 
der  Arbeiter  zu  sorgen.  Man  wird  durch  menschenfreundliche 
Nöthigung  den  sonst  allzu  frugalen  und  sparsamen  Italiener 
zum  kräftigen  Essen  und  Trinken  durch  gemeinschaftliche 
Küche  gewisscrmassen  zwingen  müssen.  Tägliche  ärztliche 
Controlle  wird  das  nahende  Fieber,  möglichst  ehe  es  aus- 
bricht, erkennen.  Für  solche  Gefährdete,  ebenso  wie  für 
die  Rekonvalescenten,  werden  die  Arbeiten  an  den  Regen- 
fangen oben  im  Hochgebirge  die  Bedeutung  von  Sanatorien 
gewinnen. 

Zum  Schluss  noch  ein  Wort  über  die  Finanzfrage. 

Die  von  mir  projektirten  Trockenlegungsarbeiten  habe  ich 
auf  etwa  eine  Million  berechnet.  Aber  mögen  sie  selbst  5 
Millionen  kosten,  das  hätte  gar  keine  Bedeutung. 

14* 

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196 


Denn  während  jetzt  der  durchschnittliche  Pachtreinertrag 
etwa  17  Franks  per  Hectar  beträgt,  ergab  ein  nach  meinen 
Vorschlägen  gemachter  Versuch  an  einem  Sumpfzipfel:  — 30o 
Francs  jährlichen  Reinertrag!  Und  diese  Rente  würde  sich 
durch  Gartenbau  noch  steigern  lassen. 

Möge  man  nicht  schwindelnd  werden,  wenn  man  sich  die- 
selbe und  den  daraus  resultirenden  Kapitalgewinn  bei  30,000 
bezw.  250,000  Hectarcn  ausrechnet. 

Ueber  den  gegenwärtigen  Stand  der  Angelegenheit 
darf  ich  nur  aussprechen,  dass  ich  die  Hoffnung,  mit  den 
italienischen  Besitzern  vorwärts  zu  kommen,  so  ziemlich  auf- 
gegeben habe.  Dagegen  wird  von  Seiten  der  italienischen 
Regierung  sowie  von  finanzkräftiger  deutscher  und  englischer 
Seite  lebhaftes  Interesse  bekundet  Bereits  finden  sehr 
genaue  Detail-Vermessungen  und  landwirthschaftliche  Unter- 
suchungen statt. 

So  ist  denn  begründete  Aussicht  vorhanden,  dass  diese 
überzweitausendjährige  Quelle  des  Elendes  und  des  Todes, 
gelegen  in  unmittelbarer  Nähe  der  ewigen  Stadt,  demnächst 
zu  einer  Stätte  der  Wohlhabenheit  und  des  Glückes  für  hundert- 
tausende von  Bewohnern  und  Nachbarn  ungeschaffen  wird. 

v.  D o n at 
Major,  Regiment  83. 


II.  Besprechungen  u.  Literaturangaben.*) 

a.  Hygiene,  Physiologie,  medizinische  Geographie  und  Statistik. 

Schön,  Ueber  Trope  n liy  gi  ene , Vortrag  gehalten  in  der  Abteilung 
Berlin  - Charlottenburg  der  deutschen  Kolonialgesellschaft  am  27. 
November  1890. 

Der  Redner  setzte  in  klarer,  kurzer  und  für  gebildete  Laien 
verständlicher  VVeise  die  Geschichte,  Bedeutung,  Ziele  und  Hülfsmittel 
der  Tropenhygiene  auseinander.  Die  lebhafte  Diskussion,  welche  dem 
Vortrage  folgte,  spricht  am  deutlichsten  für  die  gegebene  Anregung. 
Staatssekretär  Herzog  äusserte  als  erster  den  Wunsch,  bald  mehr  über 
dieses  Thema  zu  hören,  besonders  Uber  die  nur  kurz  gestreiften  Fragen 
der  Hygiene,  der  einseinen  Kassen,  die  GeBundheitsregeln  de»  täglichen 
Lebens  nnd  überhaupt  praktische  Vorschläge.  Während  Virchow  die 
Akklimatisation  von  Familien  bezweifelte  und  auf  den  Untergang  der 

*)  ln  Folge  der  grossen  Fülle  des  vorliegenden  Materials  sind 
wir  genötigt,  die  neugesetzten  Besprechungen  kleiner  zn  drucken. 

Die  Red. 


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197 


in  wärmere  Länder  nusgewamlcrteu  germanischen  Stämme  hinwies, 
betonte  Herzog  Johann  Albrecht  zu  Mecklenburg,  dass  trotz  Verlustes 
der  Nationalität  doch  der  germanische  Typus  in  manchen  dieser  Länder 
noch  erhalten  sei.  Däubler  hob  die  Verschiedenheit  der  Tropenhygiene 
von  der  allgemeinen  hervor.  Nocht  die  Notwendigkeit  einer  Abgrenzung 
des  Begriffs  Malaria  von  anderen  Krankheiten,  Beiow  die  Bedeutung 
der  internationalen  Sammelforschung  und  gedachte  ihrer  Förderung 
durch  den  Fürsten  Hohenlohe-Langenburg.  Gerhard  wies  auf  vier 
wichtige  Tropenkrankheiten  hin : die  durch  Anchylostoma  duodenale 
bedingte  Anämie,  die  Ruhr,  die  l’ocken  und  dio  Malaria  und  ihre 
Erreger  hin,  LasBar  auf  die  Syphilis.  Nach  einigen  Worten  Kühlers 
Uber  die  Zweckmässigkeit  der  Zusammenwirkung  verschiedener  Rich- 
tungen gibt  von  Richthofen  die  Absicht  der  Verwaltung  kund,  die 
Kolonien  gesundheitlich  nach  Möglichkeit  zu  heben,  und  der  Vorsitzende 
Prinz  von  Aronborg  stellt  in  seinem  Schlusswort  weitere  Vorträge  auf 
demselben  Gebiete  in  Aussicht  und  befürwortet  das  Erscheinen  einer 
periodischen  Schrift  für  Tropenhygione.  M. 

Der  Academio  do  mcdecine  zu  Paris  (Sitzung  am  20.  April  1897) 
machte  Geschwind  zu  ßayonne  die  Mittheilung,  dass  er  und 
Brandais  auf  Gemüsen,  welche  in  der  Umgebung  der  Stadt  von  den 
Gärtnern  mit  Kopfdüngor  gegossen  worden,  den  Bacillus  Eborth, 
Bacillus  coli  communis,  den  Tuberkulosebacillus  und  Bandwnrmglieder 
nachweisen  können.  (Diese  Beobachtung  dürfte  besonders  die  Aerzte 
in  Gegenden  interessiren,  wo  der  Gemüsebau  ausschliessliches  Monopol 
der  Chinesen  ist,  wie  in  manchen  Theilen  Ostasiens,  Australiens  und 
Amerikas.  Die  Chinesen  erzielen  ihre  vorzüglichen  Ernten  besonders 
durch  die  tleissige  Kopfdüngung  mit  Kxcrementon.  Ruf.)  M. 

Koeppe,  Hann,  Dr.  med.,  pr.  Arzt  in  Giessen.  Die  Be- 
deutung der  Salze  als  Nahrungsmittel.  Ein 
Vortrag,  gehalten  auf  der  68.  Versammlung  deutseher 
Naturforscher  und  Aerzte  in  Frankfurt  a.  M.  Giessen. 
J.  Ricker’scho  Buchhandlung.  1896. 

Als  Nahrungsmittel  werden  meist  nur  diejenigen  .Stoffe 
betrachtet,  welche  dem  Körper  eine  gewisse  Energiemenge 
zuführen,  die  durch  Calorieen  ausgedrückt  weiden  kann,  das 
heisst  Eiweisskörper,  Fette  und  Kohlehydrate.  Wenn  auch 
von  vielen  Seiten  auf  die  Bedeutung  der  anorganischen  Salze 
aufmerksam  gemacht  wurde,  so  schrieb  man  ihnen  doch  keine 
andere  Wirkung  zu,  als  dass  sie  die  verloren  gegangenen 
Salze  ersetzen  sollten. 

K.  zeigt  zum  ersten  Male,  dass  auch  die  anorganischen 
Salze  dem  Körper  Energie  liefern,  welche  sich  zwar  nicht 
in  Wärme,  sondern  zunächst  in  Druckdifferenzen  äussert  und 


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198 


daher  auch  nicht  nach  Calorieen,  sondern  nach  Atmosphären 
gemessen  werden  muss. 

Wir  verdanken  diese  Erkenntniss  der  Anwendung  der 
neueren  physikalischen  Chemie,  insbesondere  der  Anwendung 
der  Gesetze  des  osmotischen  Druckes  auf  die  Lösungen  der 
Nährsalze. 

K.  weist  nach,  dass  der  osmotische  Druck  einer  Fleisch- 
bouillon, in  der  doch  die  Salze  die  Hauptrolle  spielen,  dem 
osmotischen  Drucke  des  Blutplasmas  überlegen  ist.  Nun  ist 
die  Magenwand  sowohl  für  Wasser,  wie  für  Salze  durchlässig. 
Es  tritt  daher  nach  Aufnahme  dieser  Nahrung  Wasser  aus 
dem  Blut  in  den  Magen,  und  Salze  treten  aus  dein  Magen- 
inhalt in  das  Blut  über.  Gelangt  nun  die  Nahrung  in  den 
Darm,  so  kehrt  sich  hier  der  Vorgang  um.  Die  Nahrung 
wird  hier  also  eingedickt.  Den  bei  diesen  osmotischen  Vor- 
gängen entstehenden  Strömungen  kommt  eine  Bedeutung  bei 
der  Resorption  der  Nahrung  zu. 

Die  Bouillon  kann  nun  nicht  etwa  durch  eine  Koch- 
salzlösung ersetzt  werden.  Denn  der  osmotische  Druck  ist, 
wie  K.  ausführt,  von  den  verschiedensten  Faktoren  abhängig: 
Concentration  der  Lösung,  Anwesenheit  und  Menge  anderer 
Salze,  Anwesenheit  auch  geringer  Mengen  organischer  Stoffe 
haben  einen  bedeutenden  Einfluss,  wobei  besonders  der  Grad 
der  Dissociation  der  Salze  (Zerlegung  in  positive  und  negative 
Jonen)  eine  grosse  Rolle  spielt. 

Aus  ebendemselben  Grunde  müssen  Mineralwässer,  z.  B. 
Kochsalzwässer,  anders  wirken,  als  die  entsprechend  coneen- 
trirten  Kochsalzlösungen.  Besonders  ist  zu  beachten,  dass, 
im  Gegensatz  zu  einer  einfachen  Kochsalzlösung,  die  Mineral- 
wässer in  Folge  ihres  Gehaltes  an  verschiedenen  Salzen  bei 
geringster  Gesammtconcentration  die  grösste  Zahl  neutraler, 
d.  h.  nicht  in  Jonen  gespaltener,  Moleküle  enthalten.  Denn 
nur  neutrale  Na  Cl-Moleküle  können  ohne  Weiteres  in  das 
Blut  gelangen,  und  also  führen  wir  durch  den  Genuss  von 
Kochsalzbrunncn  dem  Blute  mehr  Na  CI  zu,  als  wenn  wir 
die  gleiche  Menge  Kochsalz  in  einfacher  Lösung  geben.  Das 
Na  CI  des  Blutplasma’s  wandelt  sich  aber  zum  grossen  Thcile 
— auf  Grund  osmotischer  Prozesse  zwischen  Körperchen  und 
Plasma  — in  Na  > CO  i um,  und  so  können  wir  konstatiren, 
dass  durch  das  scheinbar  recht  indifferente,  kochsalzhaltige 


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199 


Mineralwasser  die  Alkalescenz  des  Blutes  bedeutend  erhöht 
werden  kann. 

K.  zeigt  durch  diese  Beispiele,  wie  die  Theorieen  der 
physikalischen  Chemie  in  ganz  neuer  Weise  zur  Erklärung 
physiologischer  Vorgänge  herangezogen  werden  können. 

Victor  Lehmann. 

Langlois,  P.,  Les  Naufragda  de  la  „Ville  de  Sai  n t - N a za  i re“ 
La  Presse  medicale  1897.  No.  31. 

Die  Schiffs-Catastrophe  der  „Ville  de  St.  Nazaire“  giebt  dein 
Autor  Anlass,  auf  gewisse  Mängel  in  der  Schiffsausrüstung  hin- 
zuweisen. Abgesehen  davon,  dass  namentlich  auf  Packethooten  die 
Bemannungszahl  nicht  selten  ungenügend  ist,  entspricht  auch  die 
Verproviantirung  oft  keineswegs  den  zu  stellenden  Anforderungen.  Es 
muss  verlangt  werden,  dass  jedes  einzelne  Rettungsboot  iin  gegebenen 
Momente  rasch  mit  der  nüthigen,  der  Bemannungszahl  entsprechenden 
Menge  zweckmässiger  Nahrung  ausgestattet  werden  kann.  L.  fordert, 
gestützt  auf  die  Gesetze  der  Ernährungsphysiologie  und  unter  Berück- 
sichtigung der  in  Betracht  kommenden  besonderen  Entstände.  3000  Calorien 
und  2 Liter  Trinkwasser  pro  Kopf,  eine  Ration,  die  den  leicht  eintreten- 
den Fahrthindernissen  Rechnung  trägt.  Ein  Speisezettel,  der  natürlich 
alle  zu  kochenden  Conserven  ausschliessen  muss,  ist  leicht  zu 
construiren,  etwa  in  folgender  Weise: 

Fleischconserven  300  gr.  ( 660  Calorien). 

Schiffszwieback  600  gr.  (1000  „ ). 

Holländischer  Käse  100  gr.  ( 350  „ ). 

Zucker  60  gr.  ( 200  „ ). 

Sa.  1000  gr.  (2200  Calorien). 

Dio  fehlenden  800  Calorien  wären  leicht  zu  decken  durch  Oel- 
sardinen,  Butter  (?),  condensierto  Milch  u.  s.  w.  Als  Getränk  sind  neben 
Wasser  kleine  Mengen  von  Alcohol  zu  gestatten,  ja  in  Rücksicht  auf 
den  moralischen  Effect  ganz  zweckmässig,  grössere  Dosen  dagegen 
zweifellos  schädlich.  Die  Rationen  müssten  ein  möglichst  kleines 
Volumen  haben  (etwa  2000  ebem  Nahrung,  2 Liter  Flüssigkeit  pro  Kopf, 
und  wären  in  geeigneten  Recipienten  aufzubewahren. 

K.  Pfeiffer-  Cassel. 

Ergebnisse  einer  Fragebogenforschung  auf  tropen- 
hygieniscliom  Gebiet.  Zusammengestellt  von  Dr.  Ernst  Schön, 
Hillfsarbeiter  im  Kaiserlichen  Gesundheitsamt. 

Schön  hat  es  in  der  vorliegenden  Arbeit,  versucht,  die  fünfzig 
Berichte,  welche  nach  Abschluss  der  ersten  Fragebogen forschung  noch 
einliefen,  zu  einem  einheitlichen  Ganzen  zu  verarbeiten.  Er  hat  die 
schwierige  Aufgabe,  die  gewaltige  Fülle  des  Materials  zu  sichten  und 
übersichtlich  zu  ordnen,  in  sehr  anerkennenswerther  Weise  golöst. 

Das  erste  Capitel  umfasst  Hinterindion  und  den  malayischen 
Archipel.  Die  fünfzehn  Berichte  dieser  Gruppe  sind  in  vier  Ab- 


Diqitiz 


3gle 


200 


schnitte  getheilt,  von  donen  der  erste  Bangkok,  Penang  ond 
Singapore,  der  zweite  Sumatra,  der  dritte  Java  mit  Madura 
und  Moearah  Toweh  auf  Borneo,  der  vierte  Manila  behandelt. 

Nachdem  Verfasser  einige  allgemeine  Bemerkungen  Uber  die 
Dichtigkeit  der  Bevölkerung,  die  RegenfUllo,  die  Dichtigkeit  der 
Pflanzendecke,  die  Monsunwinde  und  den  Plantagenbau  vorauageschiekt 
hat,  werden  zuerst  die  klimatischen,  anthropologischen  und  ethnologischen 
Verhältnisse  von  Penang,  Singapore  und  Bangkok  miteinander 
verglichen,  welche  wesentliche  Abweichungen  unter  sich  aufweisen, 
obwohl  ihre  geographische  Lage  nahe  dem  Meere  auf  niedrigem,  von 
Mangrovewald  bestandenen  Schwemmlande  in  grosser  Aequatomühe 
viel  Aehnlichkoit  zeigt.  Die  sanitären  Einrichtungen  betreffend,  so 
überragen  die  unter  englischer  Oberhoheit  stehenden  Plätze  Penang 
und  Singapore  die  Hauptstadt  des  durch  einen  eingeborenen  Fürsten 
regierten  Reiches  Siam  weit. 

Trotz  vielseitiger  hygienischer  Mängel  ist  Bangkok  indessen 
nicht  so  ungesund,  als  man  vormuthen  sollte;  namentlich  beschränken 
sich  die  schweren  Malariafieber  und  die  schwersten  Formen  der 
Dysenterie  auf  die  Sumpfwälder  des  inneren  Landes,  während  sich 
Singapore  nml  Penang  durch  das  seltene  Vorkommen  selbst  leichter 
Malariafieber  höchst  vortheihaft  vor  anderen  Tropenplätzen  auszeichnet. 

Unter  den  sechs  Berichten  aus  Sumatra  interessirt  vor  Allem 
derjenige  aus  dem  an  der  Südkftste  der  Insel  befindlichen  Hafenort 
Telok  Botong.  Hier  herrschen  schwere  und  selbst  pemiciiise 
Malariafieber,  während  die  übrigen  sämmtlich  an  der  Westküste 
Sumatras  gelegenen  Berichtsorte,  besonders  das  fast  genau  unter  dem 
Aequator  liegende  PadangPandjang  in  dieser  Hinsicht  ungleich 
besser  gestellt  sind. 

Aus  Java  liegen  zwei  Berichte  vor:  ans  Modjokerto  nnd 
Banjumas,  welche  sich  durch  die  eingehende  Darstellung  der  Orts- 
verhältnisse auszeichnen.  Freilich  ist  die  Physiologie  nnd  Pathologie 
Javas,  der  weitaus  bestbekannten  und  bestcultivirten  aller  malayischen 
Inseln,  Dank  der  ausgezeichneten  experimentellen  Arbeiten  Eykmann's, 
Glogner's,  van  der  Scheer's  u.  A.,  genauer  bekannt  als  die  irgend 
eines  anderen  Tropengebietes.  Malaria  ist  an  beiden  Berichtsorten 
häufig,  indessen  treten  die  pernieiösen  Formen  stark  zurück.  So  betrog 
die  Malariasterblichkeit  der  Provinz  Banjumas  im  Jahre  1893  nur 
3 Wh  der  Bevölkerung.  Auffallend  erscheint,  dass  das  Vorkommen 
von  Abdominaltyphus  von  den  Berichterstattern  nicht  bemerkt  wurde, 
während  nach  Beobachtungen,  welche  Referent  im  Militärlazaret  zn 
Batavia  machte,  diese  Affeetion  dort  sehr  häufig  verkommt.  Freilich 
muss  hierzu  bemerkt  werden,  dass  Verwechselungen  des  Typhös  mit 
Malaria  vormals  ganz  allgemein  waren,  während  man  jetzt  Dank  der 
Befunde  von  Malariaplasmodien  im  Blute  eine  exacte  Differential- 
Diagnose  zu  stellen  in  der  Lage  ist 

Auch  aus  Pamakasan,  der  Hauptstadt  Maduras,  lief  ein 
«■»gefüllter  Fragebogen  ein,  welcher  im  Gegensatz  zu  der  überwiegende» 


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201 


Mehrzahl  der  Tropenplätze  eine»  reichlichen  Vorkommens  der  Masern 
bei  den  Eingeborenen  Erwähnung  thut. 

Es  folgt  der  Inhalt  des  sehr  eingehenden  Berichtes  aus  Manila, 
welcher  neben  interessanten  Aufschlüssen  Uber  Klima,  Lage  und  Racen 
sowie  bemerkenswerthen  physiologischen  Daten  ein  besonders  reich- 
haltiges Material  bringt,  in  welchem  auch  die  ortsübliche  Therapie 
ausführlich  besprochen  wird.  Darnach  sind  Nervenkrankheiten  dort 
seltener  als  in  England.  Hingegen  fehlen  unter  den  Infections- 
krankheiten  nur  wenige  in  Manila;  besonders  verheerend  wüthen: 
endemische  Cholera,  Kuhr,  Unterleibstyphus  und  Pocken.  Zur  Ver- 
hütung der  letztgenannten  Seuche  wird  von  Europäern  und  Eingeborenen 
die  Vaccination  mit  grossem  Erfolge  angewendet,  während  Chinesen 
und  Syrer  die  Impfung  mit  echten  Pocken  bevorzugen.  Die  Malaria 
betreffend,  so  herrscht  Febris  remittens  vor;  dort  fehlt  es  auch  nicht 
an  biliös-hämorrhagischen  und  selbst  pernieiösen  Formen.  Leider 
findet  sich  auch  die  Tuberkulose  besonders  unter  Eingeborenen  und 
Mischlingen  zu  Manila  in  erschreckendem  Orado  verbreitet. 

Aus  Britisch  Indien  lagen  nur  zwei  Berichte  vor,  nämlich  aus 
P o o n a und  D h a r w a , beide  am  Ostabfall  des  Plateaus  von  Dekan 
1850  resp.  2420  englische  Fuss  Uber  dem  Meere  golegen.  Anziehende 
Einzelheiten  Uber  Klima,  Wohnungen  und  Wasserversorgung  in  jenen 
Städten  werden  uns  darin  gegeben.  Unter  den  Krankheiten  behauptet 
trotz  der  Höhenlage  Malaria  die  erste  Stelle,  freilich  in  ihrer 
mildesten  Form. 

Der  Bericht  aus  Colombo  (Ceylon)  erwähnt  mit  vollem  Recht 
der  Thatsache,  dass  dieser  wichtige  Platz  den  entschieden  gesunden 
Tropenplätzen  zuzuzählen  ist.  Unter  den  Infectionskrankheiten  be- 
haupten Malaria,  Ruhr,  Durchfall  und  Lungenentzündung  die  führende 
Rolle  (nach  den  Erfahrungen  dos  Referenten  ist  es  vorzugsweise  die 
Dysenterie,  welche  in  Colombo  und  Umgebung  in  ihrer  schwersten 
Form  auftritt).  Auch  Lepra  und  Elephantiasis  gehören  nicht  zu  den 
Seltenheiten.  An  häufig  grassirenden  Hautkrankheiten  werden  Herpes 
tonsnrans  und  Fromhoesia  erwähnt.  Originell  ist  die  Angabe  einer 
Schleiinhaut-Affection  des  Mundes:  „The  Ceylon  sore  inouth“,  einer 
Art  septischer  Mundfäule,  welche  Ceylon  eigenthümlich  sein  soll.  Sie 
spottet  jeglicher  Behandlung  und  hat  auch  hin  und  wieder  unter 
Europäern  einige  Opfer  gefordert. 

Etwas  mager  sind  die  Berichte  aus  Polynesien  ausgefallen,  die 
sich  auf  einige  Daten  klimatischer  und  etnologischer  Natur  beschränken, 
welche  aus  Lcwnka  (F i d j i) , Apia  (Samoa)  und  T o u g a t a b u 
(Gesellschafts-Inseln)  stammen.  Ausführliches  Uber  Hygiene  und 
Pathologie  der  Stldsee-Inseln  ist  von  Below  und  Schellong  früher 
puhlicirt  worden.  Auch  der  höchst  eingehende  und  lehrreiche  Bericht 
aus  San  ThotnA,  welchen  der  dortige  Chef  des  Gesundheitsamtes 
Manuel  Ferreira  Ribeiro,  einer  der  rührigsten  Arbeiter  auf  dem  Gebiete 
der  Tropen-Pathologie,  einlieferte,  ist  an  anderer  Stelle  schon  ver- 
öffentlicht. Hingegen  hat  Schön  in  seiner  Arbeit  den  Wortlaut  einer 


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202 


sehr  bemerkenswerthen  Verfügung,  welchen  Kibeiro  für  die  Bewohner 
von  San  Thomö  zur  Verhütung  der  Malaria  erlassen,  in  deutscher 
Uebersetzung  zum  Abdruck  gobracht. 

Sehr  reichhaltiges  Material  bietet  der  das  tropische  und  sub- 
tropische Amerika  behandelnde  fünfte  Abschnitt  der  Arbeit.  Die 
vierzehn  hier  in  Betracht  kommenden  Berichtsorte  sind  in  drei  ( «nippen 
eingetheilt: 

Krstens  solche,  welche  vermöge  ihrer  Lage  auf  Mecreshiihe 
innerhalb  der  ersten  13  Breitengrade  nördlich  und  südlich  vom  Aeguator 
ein  ziemlich  gleichförmiges  Klima  haben,  nltmlich:  Port  of  Spsin 
auf  Trinidad,  Coronie  und  Nickerio  auf  Surinam  und  die 
Städte  Para  und  Bahia  an  der  brasilianischen  Küste.  Eine  ganze 
Reihe  werthvoller  Daten  Uber  Lage,  Bevölkerung,  Wohnung,  Nahrung 
und  Wasserversorgung,  vor  Allein  aber  hygienische  Maassnahmen 
Seitens  der  Regierung  finden  wir  in  diesem  Abschnitte.  Am  ein- 
gehendsten aber  ist  T r i n i d a d behandelt,  wo  die  Gesundheitsverhältnisse 
der  Zwecks  Leistung  der  Arbeit  in  den  Plantagen  eingeführten  ostindischen 
Coolies  ebenfalls  berücksichtigt  werden.  In  allen  jenen  tiefgelegenen 
heissen  Plätzen  herrscht  Malaria,  freilich  fast  ausschliessliche  leichtere 
Formen.  In  Nickerie  (Surinam)  »oll  die  Malaria  unvermeidlich 
jeden  frischen  Ankömmling  befallen. 

Die  zweite  Gruppe  jene»  Berichtes  umfasst  die  höher  gelegenen 
Plätze,  zuvörderst  die  am  Westabhang  der  peruanischen  Cordilleren 
gelegenen  Orte  Talua  und  Sullann,  deren  überaus  trockenes  Klima 
wesentliche  Abweichungen  im  Vorhalten  des  menschlichen  Organismus 
gegen  europäische  Verhältnisse  nicht  bewirkt.  Von  Infectionskrankheiten 
sind  in  Talua  Tuborculoae  und  Pneumonie  häufig,  selbst  eingeschleppte 
Malaria  wird  beobachtet,  während  in  Sullnna  Infectionskrankheiten 
selten  auftreten.  Unter  den  noch  höher  liegenden  Berichtsorten 
Durango  und  Guanajuato  (Tafelland  von  Mexiko),  Cocha- 
hnmhn  (Hochebene  von  Bol  i via)  und  Mendoza  (westliches 
Argentinien)  zeichnen  sich  Cochabamba  und  Mendoza  durch 
ihre  verheerenden  Pockenepidemieen  bub. 

Die  dritte  Gruppo  des  Abschnittes  umfasst  die  beiden  chilenischen 
Hafenplätze:  Valdivi»  und  Puerto  Montt,  sowie  das  an  der 
argentinischen  Küste  gelegene  Bahia  Bianca,  welche  der  subtropischen 
Zone  angehören,  von  denen  die  ersteren  beiden  Plätze  ein  feuchtes, 
der  letztere  aber  ein  sehr  trockenes  Klima  besitzt.  Von  Infectious- 
krankheiten  sind  in  allen  droi  Städten  Ruhr,  Diphterie  und  Unterleibs- 
typhus die  vorherrschenden,  ebenso  Pocken.  Hervorzuheben  ist  die 
Bemerkung,  wolche  in  einer  Anmerkung  Platz  gefunden  hat,  dass  in 
Chile  sowie  in  Argentinien  und  Uruguay  unter  allen  Krank- 
heiten die  Tuberkulose  weitaus  die  meisten  Opfer  fordere.  Insonderheit 
würden  die  Eingeborenen  durch  jene  entsetzliche  Affektion  völlig  aufge- 
rieben.  Diese  wichtige  Notiz  ist  nicht  den  Fragebogen,  sondern  einer 
Reihe  von  Schriften  entnommen,  wolche  Schön  an  derselben  Stelle  citirt 


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203 


Der  sechste  Abschnitt  der  Schrift  beschäftigt  sich  mit  Aegy  pten 
und  Syrien.  Die  klimatischen  und  sanitären  Verhältnisse  von  Cairo 
und  Port  Said  sind  kurz,  diejenigen  von  Jaffa,  Jerusalem  und 
Aleppo  etwa»  eingehender  behandelt.  Unter  den  Krankheiten  ist  in 
Jaffa  und  Jerusalem  die  Häufigkeit  der  Herzaffektionen  hervor- 
zuheben,  auftretend  meist  in  Folge  von  Gelenkrheumatismus,  an  dessen 
Entstehen  wohl  die  Bauart  der  Häuser  die  Hauptschuld  trägt,  Malaria 
fehlt  nirgends  ganz,  selbst  nicht  in  dem  hochgelegenen  Jerusalem. 

Der  siebente  Abschnitt  bringt  einige  Daten  aus  dem  subtropischen 
SUd- Afrika.  Die  Angaben  beschränken  sich  auf  die  Städte 
Kimberley  und  Bloemfontein,  welche  auf  einem  über  1200  in 
tl.  M.  sich  ausbreiteaden  Tafelland«  liegen. 

Lebensweise  und  Kleidung  der  weissen  Bevölkerung  entspricht 
den  europäischen  Verhältnissen.  Al»  häufige  Krkrankungen  der  Ein- 
geborenen werden  schwere  f ormen  von  Pneumonie  angeführt,  ferner 
da»  Kimberley-  oder  Camp-Fever,  welches  theils  remittirend,  thoils 
intermittirend  auftritt  und  von  Typhus  selten  zu  unterscheiden  sein 
soll.  Der  dritte  Berichtsort  Mos»eIhay  liegt  weiter  südlich  vom 
Meere.  Es  ist  dies  ein  für  Europäer  sehr  günstiger  Platz,  welcher  in 
klimatischer  und  hygienischer  Beziehung  durchaus  europäisches  Ge- 
präge besitzt. 

Etwas  dürftig  ist  der  achte  Abschnitt,  welcher  den  Boricht  aus 
Neuseeland  umfasst,  ausgefallen,  wobei  freilich  berücksichtigt 
werden  muss,  dass  jene  Inselgruppe  eines  ganz  hervorragend  gesunden 
Klimas  sich  orfreut,  welches,  namentlich  was  die  Südinsel  nngeht, 
demjenigen  Norditaliens  ähnelt.  Vermisst  wird  eine  Angabe  über  die 
dort  sehr  häufig  vorkommende  Echinococcus-Krankheit  (Hydatide- 
Affection),  welche  freilich  in  noch  höherem  Maasse  auf  dem  Festlande 
Australiens  grassirt. 

Das  neunte  Capitel  giebt  uns  einige  wenige  Daten  au»  der 
chinesischen  Hafenstadt  Tschifu.  Eine  eingehende  Darstellung  der 
Hygiene  und  Pathologie  des  weiten  chinesischen  Reiches  enthält  der 
Bericht  indessen  nicht.  Bei  der  ungeheuren  Ausdehnung  jener  Gebiete 
und  der  Eigenartigkeit  der  Verhältnisse,  welche  in  den  noch  fast  absolut 
ßegen  europäische  Cultur  sich  abschliessenden  Riesenroiche  des  fernen 
Ostens  walten,  muss  eine  derartige  Schilderung  wohl  einer  Special- 
schrift Vorbehalten  bloiben. 

Sehr  instructiv  sind  die  Schlussbomerkungen  Sehens,  in  welchen 
er  die  Ergebnisse  der  Fragebogen,  soweit  sie  für  die  Tropenhygiene 
Wichtigkeit  haben,  zusammonfasst.  Er  kommt  darin  zu  den  gleichen 
Resultaten,  welche  auch  andere  auf  demselben  Feldo  arbeitende 
Forscher  gefunden  haben,  besonders  auch  Eykmann  und  van  der  Scheer 
auf  experimentellem  Wege,  dass  nämlich  in  den  Tropen  Pulszahl, 
Temperatur  und  Athmung  Abweichungen  von  dem  in  gemässigten 
Breiten  zu  beobachtenden  Typus  nicht  aufweisen , dass  hingegen  die 
Harnsekretion  im  Allgemeinen  vermindert,  die  Schweisssekretion  hin- 


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204 


gegen  vermehrt  ist  und  die  Magendarm-Thätigkeit  träge  funktionirt, 
dass  ferner  und  vor  Allem  eine  eigentliche  Tropen-Anämie  bei  dem 
gesunden  Europäer  nicht  auftritt,  eine  Abnahme  deB  Hömoglobin- 
gehalte»  vielmehr  lediglich  die  Folge  von  Krankheiten)  vor  Allein  von 
parasitären  Dann-Affektionen  und  Malaria  »ei.  Auch  die  Tropen- 
Pathologie  wird  am  Schlüsse  dieses  Capitels  zusammenfassend  sb- 
gehandelt. 

Es  folgen  nunmehr  noch  eine  Reihe  übersichtlicher,  fleiasig  aus- 
gearbeiteter Tafeln,  welche  in  einer  langen  Reihe  von  Rubriken  das 
in  den  Fragebogen  enthaltene  Material  uns  noch  einmal  in  tabellarischer 
Form  vor  Augen  bringen.  Die  klimatischen,  meteorologischen,  physio- 
logischen und  pathologischen  Verhältnisse  eines  jeden  der  in  den 
früheren  Abschnitten  ahgehandelten  Berichtsorte  wird  hier  noch  ein- 
mal ziffernmftssig  aufgeführt. 

Den  Schluss  der  Arbeit  bildet  eine  Weltkarte,  in  welcher  alle 
jene  Plätze  eingezeichnet  sind,  eine  sehr  dankenswerthe  Beigabe, 
welche  die  Orientirung  ungemein  erleichtert. 

Kronecker,  Berlin. 

Vincent  & Burot,  Statistique  medicale  de  la  flotte 
frangaise.  Aon.  de  mt$d.  nav.  et  col.,  Janvier  1897. 

Lea  auteurs  ont,  |>our  la  preiniere  fois  on  France,  cherche 
k ilresser  sur  des  documents  ofliciels  une  statistique  medicale  de 
la  marine. 

Pour  les  cinq  annees  189t  — 1895  la  moyenne  de  mortalitc  annuelle 
s'est  elevee  pour  les  dquipagos  k 11,8  pour  1000.  Ln  mortalitc  de 
l’ensemble  des  officiers  est  sensihlement  la  meme  ill  pour  1000); 
toutefois  dans  le  corps  des  officiers  eile  est  relativement  faible  pour 
les  officiers  de  marine  proprement  dita  (9,8  pour  1000)  tandis  qu'elle 
est  tW's  elevee  pour  leg  medccins  ot  pbarmaciens  (16  pour  1000  pour 
la  periode  quinquennale,  ot  19,6  pour  1000  en  1895,  epoqno  de  la 
Campagne  de  Madagascar'. 

Sur  1000  di*c£s  de  cause  connue  on  compte: 

Tuherculose  258 

fiivre  typhoide  147 

Endemies  des  pays  chauds  176 
Noyes  et  disparus  en  mer  96 
Accidents  et  morts  violentes  60 
Saicides  12 

j.  I internes  195  I 

Maladies  diverses  { ( 251 

1 eiternes  56  J 

La  mnrbiditii  est  considiSrable : on  compte  pres  de  cinq  joure 
de  maladie  par  hemme  et  par  annee. 

La  statistique  des  reformes  pour  maladies  survenues  pendar.t  le 
Service  n'a  pas  pu  etro  drossee  jusqu'ici. 

Les  auteurs  insistent  avec  raison  sur  la  forte  proportion  de 
maladies  dvitables  que  l'on  trouve  cotnme  cause  de  ces  mortalitc«  elevee«. 

F i r k e t (Liege). 


4 


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205 


Bonoafy , Statist!  que  medicale  de  la  Cochinchine 
(1861—1888).  Arch.  med.  nav.  et  col.f  Mars  1897. 

Cette  statistique  porte  sur  les  malades  soignes  dans  les  hopitaux 
de  Cochinchine  par  le  corps  medical  de  la  marine  qui  a eu  jusqu’en 
1888  la  charge  du  service  de  saute  dans  cette  colonie;  ces  malades 
etaient  pour  la  plupart  des  militaires  (soldats  et  matelots),  un  tiers 
environ  etaient  des  auxiliaires  non  combattauts ; ceux-ci  ont  dünne  des 
mortalites  tan  tot  inferieures  tan  tot  superienres  k celle  des  soldats. 
Les  cliiffres  que  nous  reproduisons  se  rapportent  k l’ensemble  des 
combattants  et  des  auxiliaires  reunis;  nous  resumons  sons  la  rubrique 
0 b s e r v a t i o n s les  renseignements  fournis  par  l’auteur  sur  les  causes 
qui  ont  pu  elever  la  mortalite  pendant  certaines  annees. 


Annee 

Morbidite 

Kombre  des  ca* 
de  maladle  pour 
H-00  dXTectif. 

Mortalitä 

No  mb  re  des 

dece*  pour 
1000  d’etfecilf. 

Observation» 

1861 

1763 

115 

Action  inilitaire.  Cholera. 

1862 

2140 

86 

1863 

2;>57 

72 

1864 

1966 

52 

1865 

1844 

44 

1866 

1824 

45 

Action  inilitaire. 

1867 

1466 

50 

Expedition  au  Cauibodge ; dyssenterie 

1868 

1239 

31 

1869 

1023 

28 

1870 

1043 

38 

| Par  suite  de»  Evenement»  d’Europe, 

1871 

1339 

45 

i Io  flejour  des  troupes  en  Cochin- 

1872 

1289 

27 

chine  est.  anorinaleinent  prolonge. 

1873 

1193 

31 

Fixere  typhoide. 

1874 

982 

30 

1875 

1075 

27 

1876 

1075 

27 

1877 

771 

37 

Expedition  au  Cauibodge.  Cholera. 

1878 

808 

18 

1879 

676 

11 

1880 

601 

12 

1881 

835 

13 

1882 

744 

11 

1883 

719 

14 

1884 

1036 

23 

A partir  de  1884  beaucoup  de  malades 

1885 

1251 

29 

revenant  du  Toukin  et  trop  faibles 

1886 

973 

16 

pour  ötre  rapatries  sout  soignes 

1887 

1492 

16 

a 1 hopital  de  Saigon  (Cochinchine) 

1888 

750 

24 

Dans  des  tableaux  tr^s-interessants,  accompagnes  de  graphiques 
M.  Bonnafy  rapproche  les  chiffres  de  morbidite  et  de  mortalite  en 


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206 


Coehinchine  des  chiffres  eorrespondants  observös  aux  Indes  anglaisss 
et  hollandaises. 

Quant  aux  causes  des  deces  observes,  eile»  se  repartissent 


comme  auit.  Sur  100  döcös  on  trouve 

Dysaenterie 29,60 

Paludisme 24^3 

Cholera 7,70 

Diarrhoe  chronique 7,53 

Fi 7- vre  typhoi'de 6,50 

Tubereulose 4,68 

Hepatite,  abces  du  foie 3,42 

Variole 0,42 

Tötanos 0,34 

Autres  maladies 15,58 


La  mortalite  a ete  surtout  considerable  en  ete,  d’ Avril  k Aoüt, 
avec  maximum  en  Juillet. 

C.  F i r k e t (Liege). 

Darbe« , Höpital  improvise  de  la  marine  k Tamatave. 

Arch.  de  mid.  nav.  et  col.,  Janvier  1897. 

M.  Durbec  a ete,  pendant  la  Campagne  de  Madagascar,  Charge 
de  la  cr^ation  et  de  la  direction  d un  Höpital  maritime  k Tamatave: 
ron  rapport  donne  sur  l'organisation  de  ce  Service,  sur  l'alimentation 
des  malades  etc.,  des  details  precis,  qui  se  pretent  mal  k une  analyse. 

En  18  mois  (annee  1895  et  premier  semestre  de  1896)  l'höpital  a 
re\u  2605  malade»;  il  y a en  70  deces.  La  plus  grande  part  des  maladies 
soignöee  revient  au  paludisme ; M.  Durbec  Signale : 


Fievre  intermittente 

1818  cas; 

6 

decös. 

Cachexie  palustre 

690  . 

16 

„ 

Typhomalarienne 

23  , 

12 

r 

Acces  comateux 

24  „ 

10 

m 

. tetanique 

1 . 

1 

9 

Paludisme  larve 

o 

Bilieuse  hematurique 

w , 

11 

. 

Amblyopie  palustre 

9 

“ T» 

Parmi  les  maladies  des  Organes  digestifs  nons  relevons: 

Diarrhöe 

53  cas. 

Dyssenterie 

104  . 

8 

dec&s. 

Congestion  da  foie 

4 . 

Hepatite  suppuree 

1 , 

C. 

F i r k e t (Liege). 

Göographie  medicale. 

ffearj,  Etüde  sur  les  eaux  de  Pondichöry.  Arch.  möd.  nav. 
et  coL  Janvier  1897,  p.  56. 

tstr*4e,  Apercu  hygienique  sur  le  Laos.  Arch.  med.  nav.  et 
eoL  1896,  t 66,  p.  1. 

flebrard,  Cöte  d'ivoire.  Cons  i d er  at  ion  s hygienique». 
Arch.  med.  nav.  et  col.  Mars  1897  p.  222  et  Avril  1897,  p.  SOI. 


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207 


Laugier,  Contribution  k la  Biographie  medicalc,  Mada- 
gascar  et  Mozambique.  Arch.  de  mid.  nav.  et  col.,  Avril 
1897  p.  268. 

b.  Pathologie  und  Therapie. 

Pest. 

Während  in  Bombay  die  Pest  in  steter  Abnahme  begriffen  ist 
hat  d ie  Seuche  sich  weiter  über  Vorderindien  verbreitet.  Nach  den 
amtlichen  Berichten  des  Staatssecretärs  für  Indien  erlagen  in  der  mit 
dem  14.  Mai  zu  Ende  gehenden  Woche  der  Pest  in  Bombay  81,  in 
Poonali  13  Personen. 

Mit  dem  Serum  Haffkine's  wurden  in  Bombay  7770,  anderswo 
4184  Schutzimpfungen  vorgenommen.  Seit  Ausbruch  der  Seuche  erlagen 
derselben  im  Ganzen  10  507  Menschen. 

Aus  anderen  Districten  wurden  in  der  zweiten  Maiwoche 
gemeldet: 


Surath 

26  Neuerkrankungen, 

21 

Todesfälle; 

Thana 

61 

1» 

54 

n 

Kolaba 

113 

n 

94 

n 

Kathiawa 

11 

r • 

10 

fi 

Cutch 

840 

n 

811 

fl 

Kolhapur 

2 

w 

3 

fl 

Baroda 

23 

fi 

18 

n 

Palanpur 

3 

n 

3 

fi 

Karrachee 

? 

T» 

44 

fl 

Hyderabad 

? 

fl 

11 

fl 

Sukkur 

y 

1» 

6 

II 

Rohri 

? 

fl 

18 

» 

Eis  erkrankten  nur  2 Europäer  an  der  Post  mit  1 Todesfall. 
Die  Krankenhäuser  werden  für  die  bevorstehende  Regenzeit  in  Stand 
gesetzt.  _ 

Mitteilungen  der  Deutschen  Pestcominission  aus  Bombay 
vom  19.  März  1897.  — Deutsche  medic.  Wochenschrift,  1897,  No.  17. 
Sonderbeilage. 

Nach  Ueberwindung  vieler  Schwierigkeiten  konnte  die  Pest- 
coinmission  ihre  Arbeiten  beginnen  und  folgende  Thatsachen  eruiren. 
Als  Eintrittspforte  der  Pestbacillen  dienen  in  der  Hanptgruppe  der 
Fälle  kleine  Hautverletzungen,  gelegentlich  mehrere  bei  einem  Indi- 
viduum: secundär  treten  dann  Drüsenschweliungen  au  den  verschiedenen 
Stellen,  namentlich  Schenkelbeuge  und  Achselhöhle,  auf,  um  sich  in 
leichten  Fällen  zurückzubilden  oder  aber  zu  vereitern.  Die  Pest- 
bacillen pflegen  dann  bald  zu  Grunde  zu  gehen,  doch  können  noch 
gefährliche  secundäre  Infectionen,  zumal  mit  Streptococcen,  auftreten. 
— Durchdringen  die  Pestbacillen  das  Drüsenfilter,  so  körnten  sie  sich 
im  Blute  und  den  inneren  Organen  verbreiten  und  zu  der  fast  stets 
letal  endenden  septicämischcn  Form  führen.  Bei  erfolgter  Blutinfection 
verlassen  die  Krankheitserreger  den  Körper  mit  den  Faces  und  dem 
Ham  und  können  dann  die  Verbreitung  der  Pest  fördern.  Seltener  ist 


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208 


die  primäre  Beteiligung  der  Lungen  in  Form  von  pneumonischen 
Herden,  in  denen  die  Postbacillen,  eventuell  gemischt  mit  Diploeoccen 
oder  Streptococcen,  gefunden  werden,  noch  seltener  primäre  Tonsilleo- 
infection.  — Das  Sputum  der  Kranken  kann  uatttrlich  ebenfalls  Über- 
tragend wirken. 

Die  baeteriologische  Diagnose  gelingt  nur  selten  bei  frischen 
Deckglaspräparaten  (Vorbehandlung  der  erhitzten  Deckgläschen  mit 
ganz  schwacher  Essigsätirolösung,  Färbung  mit  Carboifuchsin),  viel 
sicherer  bei  dem  Culturverfahren  (Ausstreichen  des  Blutes  auf  der 
Oberfläche  von  Nähragar).  Die  Punction  der  Bubonen  zu  diagnostischen 
Zwecken  ist  nicht  unbedenklich.  Die  Paralysirnng  durch  Pestserum  in 
Pestbacillenanfschwemmung,  ähnlich  derjenigen  durch  Typhuaserum  in 
Typhushacillenaufschwemmung,  Choleraserum  in  Cholerabacillenanf 
schwemmung  lässt  sich  diagnostisch  verwerten  und  vermuten,  dm* 
auch  bezüglich  der  Frage  der  künstlichen  Imtnunisirung  weitgehende 
Analogien  zwischen  den  Pestkeimen  einerseits  und  den  Typhus-  und 
Cholerakeinien  andererseits  bestehen  werden. 

Die  Pest  ist  eine  Seuche  der  in  Schmutz  und  Elend  lebenden 
Bevölkerungsklassen.  Ob  eine  nennenswerte  Abnahme  stattgefundeu 
hat,  ist  schwer  zu  sagen  bei  dor  Unsicherheit  über  die  Zahl  der  orte- 
anwesenden  Personen.  — Möglich  ist,  dass  sich  die  Epidemie  bald 
ihrem  Ende  nähert  unter  der  Wirkung  der  neuen  Massnahmen  (Haus- 
visitationen, zwangsweise  Ueberführung  in  die  Hospitäler  resp.  die 
sogenannten  „Segregation  Camps“)  und  mit  dem  Eintritt  heisserer 
Nächte,  welche  die  ärmste  Bevölkerung  im  Freien  nächtigen  lassen.  — 
Der  Gesundheitszustand  der  Pestcommissionsmitglieder  war  ein  durch- 
aus guter. 

Ein  Urtheil  über  die  practischen  Erfolge  der  prophylactischen 
Iufuctionen  von  abgetöteten  Pestculturen  (Dr.  llaffkine)  sowie  der 
therapeutischen  Einspritzungen  mit  Serum  vorbehandelter  Tiere 
(Dr.  Vers  in)  ist  zeitig  nicht  zu  geben.  R.  Pfeiffer  (Cassel). 

Lnstig,  A.  und  Galeottl,  6.,  Schutzimpfung  gegen  die 
Beule  npeBt.  Deutsche  medicinische  Wochenschrift  Ns.  19- 
Neapel  1897. 

Der  Impfstoff  wird  gewonnen,  indem  die  Pestbacillen  drei  Tage 
lang  bei  37 ' C.  in  Agar  cnltivirt  werden.  Die  Culturousse  wird 
in  1 •/»  Kalilange  aufgelöst,  dann  mit  Essigsäure  oder  Chlorwasierstoff- 
sänre  gefüllt  and  die  geflillte  Substanz  in  luftleerem  Raum  in  Gegen 
wart  von  Schwefelsäure  getrocknet,  schliesslich  wieder  bei  3}  • C. 
in  sch  wachalkalische  Lösung  gebracht,  gelöst  und  durch  Chat  nberUnd- 
Filter  filtrirt.  Das  Filtrat  gieht  einen  Impfstoff',  durch  dessen  Ein- 
impfung auf  Ratten,  Mäuse,  Kaninchen  ein  brauchbares  Serum  ge- 
wonnen werden  kann.  Weitere  Berichte  stehen  bevor.  M. 

Nach  der  „Wiener  klin.  Wochenschrift“  beabsichtigte  die  öster- 
reichische Pestkommission,  wegen  Erlöschens  der  Epidemie  und  der 
Zersplitterung  des  Materials,  sich  am  1.  Mai  in  Bombay  wieder  nach 
Europa  einzuschiffen.  Aus  ihren  Beobachtungen  sehlieesen  die  Mit- 


<* 


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209 


glieder,  dass  das  Gift  nicht  nur  durch  die  Haut,  sondern  auch  durch 
die  Athmnngsorgane  in  den  Körper  oindringt,  wogegen  die  Infection 
vom  Dannkanal  zweifelhaft  ist.  (Im  Gegensatz  zu  Wilm  s.  o.  Kef.) 
Geber  die  Sohutzimpfnng  nach  Hatfkine  und  Y'ersin  iiusaert  sieh  die 
Commission  zurückhaltend,  jedenfalls  nicht  so  begeistert  wie  fran 
zösische  Berichte.  M. 

Wilm,  Ueber  die  Pestepidemie  in  Hongkong  im 
Jahre  1896.  Hygienische  Rundschau,  VII.  Jahrgang, 
No.  5—6. 

Hongkong  war  seit  der  Epidemie  in  den  Monaten 
Mai  bis  September  1894  bis  auf  einzelne  sporadische 
Fälle  von  der  Seuche  verschont  geblieben.  Im  Januar, 

Februar  und  März  1896  vermehrten  sich  die  Erkrankungen, 
erreichten  im  April  und  Mai  ihre  grösste  Zahl,  um  im 
Juli  und  August  sich  allmälig  wieder  zu  vermindern. 
Wilm  leitete  in  Hongkong  ein  Pesthospital  (Kennedy 
town  - hospital)  und  behandelte  von  Mitte  März  bis  Ende 
August  300  Pestfällc.  Gleichzeitig  hatte  er  Gelegenheit, 
867  Pestleichen  zu  untersuchen.  Die  Krankheit  trat  in 
verschiedenen  Formen  auf,  begann  meistens  ohne  Vor- 
boten mit  Schüttelfrost  und  Hitzegefühl,  dem  sich  rasch 
grosse  Hinfälligkeit,  Fieber  und  Drüsenschwellungen  anschloss. 
Das  Aussehen  der  Kranken  verändert  sich  rasch.  Der  Ge- 
sichtsausdruck verzerrt  sich,  die  Augenhindehäute  sind  ge- 
röthet,  die  Gesichtshaut  um  die  Augen,  auf  der  Stirn  und 
auf  den  Wangen  ist  blau  verfärbt.  Die  »Sprache  wird 
stotternd,  der  Gang  schwankend.  Schwere  Benommenheit 
umfängt  den  Geist  des  Kranken,  häufig  treten  jedoch  Delirien 
auf.  Die  Fieberkurve  ist  nicht  regelmässig.  Die  Höhe  der 
Temperatur,  welche  manchmal  bis  41  0 stieg,  entspricht  nicht 
der  »Schwere  der  Erkrankung.  Kritische  oder  lytische 
Scliweisse  beim  Abfall  des  Fiebers  fehlten.  Die  Haut  war 
stets  heiss  und  trocken  und  zeigte  nur  in  einem  geringen 
Prozentsatz  der  Fälle  Petechien,  Exantheme  verschiedener  Art 
und  Karbunkel.  Sichtbare  Wunden  waren  sehr  selten.  (Ein 
bemerkenswerther  Befund,  weil  Hautverletzungen  als  Ein- 
gangspforte des  Pestbazillus  angesehen  werden.  Ref.) 
Lymphdrüsenschwellungen  traten  in  73°/«  der  Fälle  meistens 
im  Verlauf  der  ersten  6 Krankheitstage  als  Bubonen  von 
der  Grösse  eines  Taubeneies  bis  zu  Faustgrösse  auf.  Bei 

15 


Archiv  f.  Schiff«-  u.  Tropenhygiene. 


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210 


27®  » der  Fälle  kam  es  nur  zu  bohnen-  bis  haselnussgrossen. 
meist  schmerzlosen  Drüsenschwellungen.  Die  Bubonen  sassen 
meistens  in  der  Leistengegend,  in  der  Achselhöhle,  am 
rnterkieferwinkel,  in  der  Unterkiefergegend  und  im  Nacken. 
Gewöhnlich  trat  nur  an  einer  dieser  Stellen  ein  Bubo  auf. 
Die  Bubonen  vereiterten  in  90°/»  der  Fälle.  Unter  den  3()0 
Kranken  waren  nur  6 Europäer,  189  waren  Männer,  51 
Frauen,  ßO  Kinder  bis  zu  13  Jahren. 

Die  Zunge  der  Kranken  glich  häufig  der  Typhuszunge. 
Die  sichtbaren  Schleimhäute  waren  geröthet,  häufig  stellte 
Mieh  unstillbares  Erbrechen  ein.  Im  eigentlichen  Fieher- 
studiiim  bestand  meistens  Verstopfung,  Diarrhöen  waren  jedoch 
im  Beginn  der  Erkrankung  und  im  weiteren  Verlaufe  häutig. 
Wenn  Bubonen  fehlten,  nahm  das  Krankheitsbild  den 
Charakter  einer  Darmerkrankung  an. 

Der  Respirationstraktus  zeigte  die  wenigsten  Krankheits- 
erscheinungen.  Bronchitis  trat  in  10°/o  der  Fälle  auf,  6°|4 
hatten  blutigen  Auswurf.  (Eine  grosse  Abweichung  im 
Syrntomenkomplex  von  anderen  Pestepidemien.  Ref.)  Der 
Puls  von  90 — 120  in  der  Minute,  die  Urinabsonderung  häufig 
vermindert  oder  aufgehoben.  Eiweiss  in  einer  Menge  von 
0,1 — 0,5®/ 0 zeigte  sich  in  95°/o  der  Erkrankungen.  Die 
Heilung  der  Krankheit  erfolgte  im  Allgemeinen  nach  1 — 4 
Monaten.  Die  Sterblichkeit  betrug  im  Pesthospitale  73*/» 
und  zwar  starben  70°  o schon  in  den  ersten  0 Tagen,  ausser- 
halb des  Krankenhauses  zeigte  die  Epidemie  eine  Mortalität 
von  8 r»°/0.  Der  Tod  erfolgte  im  Coma,  unter  Convulsiouen, 
im  plötzlichen  Collags,  unter  den  Zeichen  der  Erschöpfung 
oder  eines  septischen  oder  pyämischen  Zustandes. 

Die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  bestanden 
in  entzündlicher  Schwellung  der  äusseren  und  inneren  Lyrnph- 
drüsen , Milztumoren,  parenchymatösen  Veränderungen  in 
Leber  und  Nieren,  Meningitis  und  Hämorrhagien. 

Die  sehr  eingehend  beschriebenen  mikroskopischen  und 
bakteriologischen  Beobachtungen  bestätigen  die  Angaben  von 
Kitasato  und  Yersin.  Von  geimpften  oder  mit  Stücken  von 
kranken  Organen  gefütterten  Thieren  erlagen  die  kleineren 
unter  den  Erscheinungen  der  Pest  binnen  1—12  Tagen,  ein 
Schwein  erst  nach  22  Tagen.  Katzen  erkrankten,  Hber  er- 
holten sich  wieder. 


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211 


• Die  Differentialdiagnose  der  Pest  kann  durch  mikro- 
skopische Untersuchung  des  Blutes,  des  Urins  und  des 
Buboneneiters  gesichert  werden,  auch  durch  Züchtung  des 
Bacillus  aus  diesen  Flüssigkeiten,  sowie  aus  dem  Speichel, 
Koth  und  Erbrochenen. 

Die  Prognose  ist  ernst  und  unsicher.  Die  Therapie 
muss  prophylaktisch  und  symptomatisch  sein.  Das  Pestserum 
Yersin’s  hat  W.  noch  nicht  angewandt. 

Die  Pest  ist  nach  Hongkong  vom  Festlande  ein- 
geschleppt worden,  als  endemischer  Heerd  in  China  ist  Yünnau 
zu  betrachten.  Die  ungünstigen  hygienischen  Verhältnisse 
in  den  Chineseuvierteln  begüngstigten  die  Verbreitung.  Als 
Träger  der  Keime  sind  Menschen  und  Thiere  und  beschmutzte 
Kleidungsstücke  zu  betrachten.  Es  gelang  W.,  aus  solchen 
Kleidungsstücken  Pestbacillen  zu  züchten;  Sonnenschein  und 
Austrocknen  todtete  das  Gift  bald.  Entgegen  einer  weit- 
verbreiteten Ansicht  scheint  W.  die  Infektion  von  der  Haut 
aus  nicht  häutig  zu  sein,  sondern  der  Darmkanal  die  Ein- 
gangspforte zu  sein.  Im  Hafenwasser  konnte  der  Pestbazillus 
nicht  naebgewiesen  werden,  trotzdem  nimmt  Wilm  dessen 
Verbreitung  durch  Flusswasser,  ferner  durch  Nahrungs-  und 
Genussmittel  an.  Die  Schutzmassregeln  gegen  die  Seuche 
haben  zu  bestehen  in  Isolierung  der  Kranken,  Desinfektion, 
Ueberwachung  des  Verkehrs,  wobei  Verdächtige  für  die 
Dauer  von  mindestens  6 — 7 Tagen  beobachtet  werden  müssen. 
Schiffe  aus  pestverdiiehtigen  Häfen  ohne  Erkrankungen  sind 
als  rein  zu  betrachten  (wohl  nur,  wenn  die  Seereise  die  obige 
Incubationszeit  überdauert.  Ref.).  Trockene  Ladung  ist  un- 
gefährlich, feuchte  zu  desinfizieren,  sei  es  durch  Auskochen, 
strömenden  Wasserdampf,  Creolin,  Carbol  oder  Kalkmilch. 
Der  Handel  mit  Nahrungs-  und  Genussmitteln  ist  zu  über- 
wachen, ungekochtes  Wasser  aus  offenen  Wasserläufen  als 
gefährlich  zu  erklären.  Die  Incubationszeit  steht  nicht  ganz 
sicher  fest,  sie  dauerte  meistens  3 — 6 Tage,  in  einem  Falle 
15  Tage.  M. 

Dänbler,  I)it>  neueste  Pestliteratur.  Sonderahdruck  aus  der 
.Heilkunde*.  Teschen,  Carl  Proehaska. 

Der  Verfasser  giebt  einen  Sammelbericht  (Iber  die  neuesten 
Publikationen  Uber  die  Pest,  deren  endemische  Heerde  in  Arabien, 
Mesopotamien  und  Persien  zu  suchen  sind,  besonders  die  Städte  Hedjat 

15* 


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212 


uml  Asir  in  Mesopotamien.  Die  neneste  Epidemie  in  Indien  ist  von 
dem  Pestheerde  in  den  chinesischen  Provinzen  Yünnan  und  Pak-hoi 
eingeschleppt.  Kleine  Hautwunden  sind  nach  Aoyama  nach  dom  Munde 
die  Haupteingangspforten  für  das  Krankheitsvirus.  Als  bezeichnendes 
Moment  der  VVeiterverbreitung  sind  mangelhafte  hygienische  Verhält- 
nisse anzusehen.  Der  Festbacillns,  und  die  Geschichte  seiner  Entdeckung 
und  die  Hauptversuche  mit  demselben  werden  dann  besprochen,  ferner 
der  klinischo  Verlauf  der  Krankheit,  die  Soctionsergebnisse  und  de 
Therapie,  besonders  die  Anwendung  des  Pestserurns.  M. 

Feste. 

Verstn  A.,  Sur  la  peste  bubonique  (S  e ro  t h e r a pi  e).  Annales 
de  l'Iustitut  Pasteur,  Janvier  1897. 

Tous  les  journaux  ont  fait  connaitre  dans  ces  derniers  mois  les 
resultats  obtenus  par  M.  Verein  dans  le  traitement  de  la  peste  bubonique, 
ce  travail  donne  le  detail  des  26  premiers  cas  traites  par  l'auteur  avec 
Io  serum  antipesteux  prepare  ä l'Institut  Pasteur  de  Paris  (3  cas  ä 
Canton,  23  k Amoy);  il  y a eu  deux  d£ees  seulement. 

Van  der  Stricht,  0.,  Lesions  produites  par  le  microbe  de  la 
peste.  Bull,  de  l’Acad.  Royale  de  medec.  de  Belgique.  Mars 
1897.  p.  215. 

Travail  tri''s  soigneusement  fait,  mais  puroment  anatomo- 
pathologique. 

Firket,  CI»-,  L a peste,  ses  causos  et  son  tra  item  ent.  Le;  ono 
faites  au  cours  de  pathologie  des  pays  chauds  iil'Uni- 
versite  de  Liege.  Liege,  Bertrand,  in  12°. 

Landouzy,  L.,  Traitement  de  la  peste.  Paris,  Carre  et  Naud 
edit.,  1897. 

Collln,  Propagation  ile  la  peste  en  Egypte.  Bull.  Acad.  de 
medecine,  2 fevrier  1897. 

Proust,  La  defense  de  l'Europe  contre  la  peste.  Bull.  Acad. 
de  mdd.  de  Paris,  26  Janv.  1897. 

Roux,  Sur  la  peste  buboniqne.  Essais  de  traitement  par 
le  serum  antipesteux,  ä propos  d'une  note  de  M.  Vers  in 
Bull.  Acad.  de  med.  de  Paris,  26.  Janv.  1897. 

Berl-Berf. 

Grimm,  Dr.  F.,  Klinische  Beobachtungen  über  Beri-Beri. 
Verlag  von  F.  Karger.  Berlin  1897. 

Mit  der  heutigen  ihm  unpassend  erscheinenden  Stellung  der 
Beri-Beri,  wie  sie  die  neueren  Autoren  handhaben,  unzufrieden,  glaubt 
Herr  Dr.  Grimm  in  seiner  136  Druckseiten  umfassenden  Schrift  einer 
Doppelaufgabe  gerecht  zu  werden,  nämlich  sowohl  zu  dem  Entwürfe 
eines  einheitlichen  Krankheitsbildes  zu  gelangen,  als  auch  dem  nicht 
mit  der  Lehre  vom  Beri-Beri  vertrauten  Arzt  einen  lleberblick  zu 
geben.  Das  Material,  welches  der  Autor  zur  Ertüllung  dieser  Aufgaben 
benutzt,  besteht  im  Wesentlichen  aus  ca.  20  meistens  recht  cureorisch 
behandelten  Krankengeschichten  und  der  Erwähnung  einer  einzigen, 


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213 


anscheinend  flüchtigen  inikoscopischen  Untersuchung  von  Nerventheilen, 
ausserilem  stützt  sich  Dr.  Grimm  auf  eine  fünfjährige  Beobachtung 
and  Behandlnnp  einer  prossen  Menpe  Beri-Beri-Kranker,  allein  ohne 
tiefer  darauf  einzugehen.  Diese  Mängel  des  Materials  und  seiner  Be- 
nutzung werden  noch  vermehrt  durch  das  Fehlen  irgend  welcher 
Sectionsergebnisse.  Das  Studium  der  Arbeit  führt  ausserdem  zu  dem 
Resultat,  dass  der  Verfasser  keine  der  beiden  Aufgaben  in  annähernd 
befriedigender  Weise  gelbst  hat. 

Herr  Grimm  beobachtete  auf  Yezo  im  nördlichen  Japan,  wo  im 
Winter  Beri-Beri  erlischt  und  nur  iin  trocknen,  heissen  Sommer  auf- 
tritt.  Kr  legte  ein  Hauptgewicht  auf  die  Erkennung  und  Beurtheilnng 
beginnender  reiner  Beri-Beri  und  ist  geneigt,  langdauernde  Fälle  fdie 
sog.  chronische  Form),  sowie  auch  dio  meisten  ausgebildeten  oder 
schweren  Fälle,  als  durch  wiederholte  Aufnahme  des  Krankheitsstoffes 
„accumulirte“  resp.  als  „Neuinfectionen“,  nach  der  ursprünglich 
arquirirten  reinen  oder  milden  Beri-Beri  auzusehen.  Das  Fohlen  des 
Patellarreflexes  ist  ihm  dabei  das  Hauptkennzeichen,  er  nennt  die  mit 
Exocerbationen  und  Recidiven  einhergehenden  Erkrankungen  Beri-Beri 
accninulatum  s.  multiplicatum,  ein  reines  Beri-Beri  entspräche  etwa 
kaum  der  von  Scbeube  genau  beschriebenen  rudimentären  Form. 
Somit  wären  beinahe  alle  schweren,  also  auch  die  acut  verlaufenden 
init  starkem  Oedem,  Exsudaten  und  Lungenoedem  complicirten  Formen, 
welche  so  häufig  in  Indien  und  in  den  einzelnen  Tropeuländern  Vor- 
kommen, nicht  richtig  classificirt  und  bedeuteten  ein  Beri-Beri  multi- 
plicatum. — Zu  solchen  Schlussfolgerungen  muss  jedenfalls  der  noch 
nicht  mit  Beri-Beri  vertraute  Arzt  beim  Studium  dos  Grimmschen 
Werkes  kommen.  Aber  er  wird  auch  sonst  in  Bezug  auf  die  un- 
vergleichlich besser  fundirten , verdienstvollen  Arbeiten  Seheubo’s, 
Pekelharings's,  Bälz's,  auch  Glogner’a  und  Anderer  irregeleitet,  und  er 
kann  durch  Grimin’s  Buch  keine  klare  Anschauung  des  Wesens  und 
auch  des  Ablaufes  der  Krankheit  und  ihrer  Varietäten  gewinnen.  Herr 
Dr.  Grimm  versucht  alles  bisher  Uber  Beri-Beri  Beobachtete  und 
Publicirte  Uber  den  Haufen  zu  werfen,  eher  etwas  dafür  an  die  Stelle 
zu  setzen,  was  haltbar  wäre,  er  sagt  uns  auch  damit  nichts  Neuesi 
dass  Neuinfectionen  mit  Beri-Beri-Virus  im  Verlaufe  der  Krankheit 
eintreten  dürften.  Ebenso  wissen  wir  längst,  dass  deshalb,  um  Ver- 
schlimmerung hintanzuhalten  und  noch  Heilung  herheizuführen , die 
Kranken  in  Beri-Beri-freie  Gegenden  und  ebensolche  Wohnnngen 
transferirt  werden  müssen,  Europäer  entweder  nach  der  Heimathi 
oder  in  das  Höhenklima  der  Tropenländer.  ln  Brasilien  weise 
das  jeder  Laie , die  Niederländische  Regierung  lässt  in  Tosari 
auf  Java,  2f>00  Meter  hoch  belegen,  ein  Bori  - Beri  - Spital  er- 
bauen, die  Evacuation  Beri-Beri-Kranker  von  Adjeh  nach  Höhenorten 
galt  seit  Jahren  als  das  beste,  oft  einzige  Heilmittel,  ebenso  wie  be, 
tropischer  Malaria. 

Innerhalb  der  ersten  14  Tage  lässt  Grimm  wiederholte  Neu- 
infectionen eintreten,  wie  im  Endstadiuin  anderer  Krankheiten,  z.  B. 
Typhus,  soll  dio  Fettdegeneration  der  peripheren  Nerven  und  Muskeln 


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214 


bei  Ben  Beri  in  Folg»  von  Erschöpfung  eintreten,  in  einem,  sage 
einem  Zupfpräparat  von  Nervensubstanz  eines  Beri-Beri-Kranken  aus 
<lem  ersten  Krankheitsstadium  fand  er  keine  Fettdegeneration. 

Diese  Fettdogeneration  von  Nerven  und  Muskeln  auch  bei  rasch 
verlaufenden  perniciösen  Fällen  ist  schon  vor  Jahren  in  Indien 
beobachtet,  wenn  auch  nicht  völlig  gedeutet  und  beachtet.  (Ref.)  Es 
muss  aber  auch  dem  Versuche  entgegengetreten  werden,  auf  Grund 
einer  Beobachtung  Beschuldigungen  gegen  frühere  Forscher  auszu- 
sprechen,  wie  Grimm  sie  ausspricht. 

Aetiologisch  lässt  Grimm  den  Genuss  roher  Fische  als  das 
Hauptmoment  gelten.  Europäer  und  Ainos  Ureinwohner  Nordjapans, 
welche  nur  Gekochtes  essen,  blieben  deshalb  von  Beri-Beri  verschont. 
Dabei  kann  die  Frage  nicht  unterdrückt  werden,  warum  so  viele 
Chinesen,  die  nur  Gekochtes  essen,  in  Indien  ganz  besonders  an  Beri- 
Beri  leiden,  auch  die  Malayen  essen  Gekochtes  und  erkranken,  ebenso 
Europäer  in  Indien.  Die  Takagi’sche  Nahrungsverbesserung,  welche 
Grimm  als  Stütze  seiner  Ansicht  mit  heranziebt,  hatte  keine  einwand- 
freien und  dauernden  Erfolge.  Der  Autor  liebäugelt  ein  wenig  mit 
dem  allseitig  abgelehnten  Gelpke'schen  Vergleiche  der  Beri-Beri  mit 
Trichinosis  (Gelpke  vermuthete  auch  die  Krankheitserreger  in  den 
Fischen),  verwahrt  sich  dann  aber  gegen  Gelpke’s  Ansicht,  einmal  will 
er  Beri-Bori  als  Infectionskrankheit  ansehen,  aber  mit  „Einschränkung“, 
ein  anderes  Mal  mit  „Vorbehalt“.  Solche  und  andere  unklare  und 
widerspruchsvolle  Ausführungen,  wie  auch  die  Anordnung  und  Gegen- 
überstellung des  Stoffes  tragen  nicht  zum  VerständnisB  bei  und  lassen 
verinuthen,  dass  der  Autor  sich  selbst  nicht  stete  seiner  Aufgaben 
klar  bewusst  war.  Die  Arbeit  kann  in  erster  Linie  angehenden 
Troponärzten  nicht  empfohlen  werden,  trotzdem  der  Autor  unzweifel- 
haft eine  grosse  Anzahl  von  Bori-Beri-Kranken  beobachtete  und  sehr 
wcrthvolle  Urinuntersuchungen  ausführte.  Der  Ton,  in  welchem  Herr 
Dr.  Grimm  sich  gegen  frühere  anerkannte  Beri-Beri-Forscher  wendet 
kann  ebensowenig  anderen,  auch  nicht  den  jüngsten,  schneidigsten 
Collegen  empfohlen  werden. 

Dr.  Karl  Däubler. 

Malaria  und  Typhoide. 

Naame.  Notesurl’adininistrationdufereiiinjectionshypo- 
dermiques  d ans  la  cach exi e pal udden n e.  Revue  de  medec. 
Mars  1897. 

N.  a einploye  k Jerusalem  les  injoctions  de  citrate  de  cafeine 
’/ 1«  dans  cinq  cas  de  cachexie  paludeenne  avec  oedeme,  hypertrophie 
de  la  rate  et  du  foie;  il  injecte  sous  les  deux  jours  le  contenu  d'une 
seringue  de  Pravaz,  en  meme  teinps  qu’il  combat  l’infection  malarique 
par  la  quininc.  Les  premiercs  injections  determinent  parfois  une 
legere  intoldrance  gastrique  (!)  et  en  gfineral  les  malades  presentent 
pendant  la  duree  du  traitement  un  certain  erethisme.  La  douleur 
locale  est  en  general  moderne.  Les  resultats  out  cte  satisfaisants; 
guerison  en  un  ou  deux  mois.  C.  F. 


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215 


Pliqoe.  Com  p 1 i c a t io  ns  et  traitement  du  paludisme 
chroniqne.  Presse  mi5dic.  1897,  p.  180. 

Revue  critique  de  traitcmcnts  connus. 

Gros,  Note  snr  quelques  cas  de  fiAvre  ty  ph  oi'd  c o b s er  v«5s 
(Una  les  lies  de  la  Polynesie  f ra  in; a i s o.  Arch.  de  med.  nav 
et  colon.  1896,  t.  66,  p.  70. 

II  s'agit  de  trois  petites  epidemies  observeos  en  divers  points 
des  iles  de  la  Societe;  k l’inverse  des  epidemies  anterieures  qui 
paraissaient  dues  A des  importations  par  les  navires  de  passage,  celles-ci 
se  sont  developpees  independamment  les  unes  des  autres  et  saus 
im  pertat  ion  etrangcre.  La  fievre  typhoide  parait  donc  s't-tre  implantce 
dAfinitivement  dans  l'archipel. 

L'auteur  croit  que  les  habitudes  locales  penvent  favoriser  la 
propagation  de  la  contagion  par  l’air;  le  plancher  des  cases  imligAnes 
est  perce  d une  trappe  par  laquelle  les  habitants  jettent  les  d£tritus 
de  toute  Sorte  qui  s'accumulent  eutro  le  sol  et  le  plancher  oü  se  tient 
la  famille.  Cb.  Firkot  (Lii’-ge). 

Ly mphangltls,  Lymphadentes  und  Elephantiasis. 

M oncorro  filho,  Das  Lymphangites  na  infancia  o suhs 
consequencias.  Rio  de  Janeiro,  Typographia  Moraes  1897. 

Der  Verfasser,  welcher  seinem  Vater,  Professor  Moncorvo,  auf 
wissenschaftlichem  Gebiete  nacheifert,  liefert  in  dem  vorliegenden  330 
Seiten  starken  Werke  eino  vortreffliche  Studie  Uber  die  Lymphgefäss- 
erkrankungeu  in  der  Kindheit,  gestutzt  auf  die  einschlägige  Literatur 
and  das  grosse  Material  der  Kinderkliniken  und  -polikliniken  in  Rio. 
Er  betont  mit  Recht,  dass  diese  Erkrankungen  bisher  wenig  beachtet 
sind.  Es  wird  schwer  halten,  anderswo  auf  der  Erde  im  tropischen 
Klima  so  ausgedehnte  und  eingehende  Beobachtungen  an  Kindern  der 
weissen  Rasse  in  solcher  Zahl  zu  machen  und  gleichzeitig  den  Befund 
bei  farbigen  kleinen  Patienten  zur  lland  zu  haben.  Iin  I.  Kapitel  be- 
spricht Verf.  den  Bau  des  Lymphgefässsystems  und  bedauert,  dass, 
obschon  dne  Lymphgefasssystcm  im  Kindesalter  mehr  entwickelt  sei, 
als  im  vorgerückten  Alter,  doch  seine  EigenthUmlichkeiton  und  Er- 
krankungen in  der  Literatur  kaum  berücksichtigt  worden  seien.  Das 
2.  Kapitel  weist  historisch  nach,  wie  trotz  der  Häufigkeit  dieser  Er- 
krankungen im  Klima  Brasiliens  dieselben  von  den  brasilianischen 
Aerzten  nur  wenig  beachtet  worden  und  die  Beobachter  ausserdem 
noch  häufig  durch  die  durch  das  Tropenklima  bedingten  Cotnplicationen, 
welche  das  Krankheitsbild  verwirren,  irreg  .-führt  worden  sind.  Mon- 
corvo der  ältere  lenkte  1886  durch  seine  Studien  Uber  die  Elephantiasis 
Arabern  bei  Kindern  zuerst  die  Aufmerksamkeit  auf  die  kindlichen 
Lyuiphangitiden.  Kapitel  3 gilt  der  Aetiologio,  welche  sehr  maunig- 
faltig  ist. 

Eine  der  wichtigsten  prädisponierenden  Ursachen  ist  die  Ueber- 
arbeitung  des  Lymphgefiisssystems  im  heissen  Klima.  Als  weitere 
wurde  die  Anaemia  intertropica  angesehen,  deren  Existenz  jedoch 
den  neueren  haematometrischen  Arbeiten  gegenüber  unhaltbar  ist 


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216 


Die  Malaria  dagegen  schwächt  zweifellos  den  Organismus  in  seiner 
Widerstandsfähigkeit  gegen  das  Eindringen  schädlicher  Mikroben. 

Die  physikalische  Eigenart  des  Troponklimas  begünstigt  das 
Gedeihen  von  Mikroorganismen  auf  der  menschlichen  Haut,  besonders 
ist  anzunehmen,  dass  das  Streptococcus  Erysipelatis  im  heissen  Kliina 
eine  grössere  Lebensenergie  besitzt. 

Als  eigentlichen  Krankheitserreger,  „causa  determinante“,  be- 
trachten bei  der  Angioleucitis  und  ihren  Folgen,  besonders  der 
Elephantiasis , Chylurie,  Craw-Craw  u.  s.  w.  fast  alle  Autoreu  die 
Wucherer'sche  Filaria  sanguinis  hominis,  besonders  seitdem  Manson 
seine  klassischen  Experimente  über  deren  Uebertragung  durch  Mücken- 
stiche machte.  Es  kommt  aber  oft  vor,  dass  trotz  deutlich  entwickelter 
Erscheinungen  die  Filaria  fehlt,  Moncorvo  selbst  beobachtete  20  Fälle 
dieser  Art  Die  durch  die  genannte  Filaria  hervorgerufenen  Er- 
krankungen wie  Chylurie,  Craw-Craw,  Lymphoscrotum  aber  fehlen  sogar 
im  Kindesalter  gänzlich,  wenigstens  findet  sich  in  einer  Statistik  von 
48000  Kindern,  welche  unter  7 Jahren  innerhalb  einer  18jährigen 
Beobachtungszeit  in  Rio  starben,  diese  Krankheiten  nicht  verzeichnet 
Die  Filaria  Wucherer’s  kann  also  die  conditio  qua  non  der  Lymph- 
gefksserk ran kungen  nicht  sein,  wenigstens  im  Kindesalter,  sondern 
diese  Affektion  wird  mindestens  sehr  häufig  hervorgerufen  durch  den 
Streptococcus  Fehleisen's,  welcher  stets  nachgewiesen  wurde.  Erysipel 
und  die  pernieiöse  Lymphangitis  sind  als  verwandte  Krankheiten  an- 
zusehenl  Mit  Malaria  dagegen  hat  letztere  nichts  gemein. 

Gelegenheitsursachen  physiologischer  oder  meteorologischer 
Natur  kommen  kaum  in  Betracht.  Von  den  somatischen  Ursachen  hat 
man  früher  das  Kindesalter  nicht  beachtet,  hervorragende  Beobachter, 
z.  B.  Mazae  Azeina,  haben  immer  nur  die  vollentwickelte 
Krankheit,  nicht  aber  ihren  Entwickelungsgang  von  den  ersten 
Lebensmomenten  an  studiert,  auch  deutsche»  englische  and 
französische  Forscher  sehen  das  Auftreten  der  Elephantiasis  im  kind- 
lichen Alter  als  selten  an.  Moncorvo  Vater  und  Sohn  beobachteten 
unter  ihrem  anssergewöhnlichen  reichen  Material  zahlreiche  Fälle  von 
angeborener  und  in  den  ersten  Lebensjahren  erworbener  Elephantiasis 
Das  Geschlecht  hat  auf  das  Auftreten  der  Krankheit  keinen  Einfluss. 

Auch  das  „lymphatische  Temperament“  hat  nach  Moncorvo  keinen 
ätiologischou  Werth.  Erblichkeit  dagegen  steht  fest,  der  Plazentar- 
durchgang des  Krankheitserregers  ist  als  möglich  und  faktisch  an- 
zunehmen, wie  ja  schon  andere  Beobachter  für  den  Erisypelstrepto- 
coccus  die  Vererbung  nachwiesen.  Zwölf  Fälle  angeborener  Elephan- 
tiasis Moncorvo’s  zeigten  nie  die  Filaria  Wucherer,  sondern  immer  die 
Erisypelstreptococcus.  Was  die  Rasse  augeht,  so  wurde  von  brasilia- 
nischen Beobachtern  eine  Art  Immunität  der  schwarzen  Rasse  gegen 
perniziöse  Lymphangitiden  itn  Kindesalter  angenommen.  Moncorvo 
sah  unter  62  kindlichen  Fällen  50  Weisse,  11  Mestizen  und  1 Neger. 
Unter  den  weissen  Kindern  Uberwogon  die  Kreolen. 

Das  4.  Capitol  des  Werkes  ist  der  Symtouiatologie  gewidmet. 
Um  Ordnung  in  den  Symptomenkomplex  zu  bringen,  beschreibt  M. 


nach  einander  verschiedene  pathologische  Gruppen  der  Krankheit 
Die  erste  Gruppe  bildet  die  Lymphangitis  protopathica,  welche  akut, 
subakut  oder  chronisch  verlaufen  kann.  Die  akute  gutartige  Form 
dieser  Gruppe  geht  mit  Hitze,  Schwellung,  Röthung  und  Schmerz  einher 
und  endet  in  Zertheilung,  Eiterung  oder  chronische  Infiltration,  die 
akute  bösartige  Form  ruft  schwere  Störungen  des  Allgemeinbefindens 
hervor,  welche  auf  die  Giftwirkung  der  Stoffwechselprodukte  des 
Streptococcus  Fehleisen  zurtlckzufUhren  sind  und  endet  in  Zertheilung, 
Eiterungo  der  GangrHn.  Bei  der  chronischen  protopathischen  L.  zeigen 
sich  entzündliche  Erscheinungen  nur'in  grossen  Pausen.  Unter  leichten 
Schwankungen  der  sie  begleitenden  Oedeme,  Bindegewebsentzündungen 
und  Drüsenschweliungen  geht  sie  meistens  allmiilich  in  Elephantiasis  Uber. 

Als  deuteropathische  Lymphangitiden,  welche  die  2.  Hanptgruppe 
bilden,  betrachtet  M.  die  durch  andere  Ursachen  als  den  Streptococcus 
des  Erysipels  oder  die  Filaria  Wucherers  hervorgerufenen,  nkmlich 
durch  Syphilis,  Tuberkulose  oder  pyogene  Keime. 

Eine  von  andern  brasilianischen  Autoren  angenommene  Gruppe 
der  komplizirten  oder  perniziösen  L.  erkennt  M.  als  Bolche  nicht  an 
und  wendet  sich  gegen  die  von  Beinen  Landsleuten  (und  von  den 
romanischen  Völkern  überhaupt  — Ref.)  vielfach  vertretene  Ansicht, 
der  Impaludismiis  bedinge  die  schwere  Form  der  L. 

Im  5.  Capitol  erörtert  M.  die  Diagnostik  der  kindlichen  Lymphen- 
zitiden,  besonders  die  Differentialdiagnose. 

I>ie  Prognose  der  kindlichen  Elephantiasis  ist  nicht  ungünstig* 
da  die  Neubildungen  im  jugendlichen  Lebensalter  unter  geeigneter 
Behandlung  sehr  zur  Rückbildung  neigen,  immerhin  ist  sie  zweifelhaft 
zu  stellen. 

Das  6.  Capitel  behandelt  die  pathologische  Anatomie  des  Loidens 
in  ausgiebiger  Weise,  beschreibt  dann  die  Pathogenie,  besonders  das 
Verhalten  des  Streptococcus  Fehloisen  im  Organismus. 

Die  Therapie  wird  im  7.  Capitel  auseinandergesetzt.  M.  empfiehlt 
die  örtliche  Anwendung  des  Ichthvol’s,  besondere  in  der  Form  des  von 
ihm  eingeführten  antiseptischen  Firnisses.  Die  Allgemeinbchandltmg 
ist  eine  symptomatische.  Ueber  die  Serum-Therapie  nach  Marmoreck 
sind  die  Versuche  noch  nicht  abgeschlossen. 

Die  vorgeschrittenste  t orm  der  Lymphangitis,  die  Elephantiasis, 
wird  am  besten  mittelst  des  faradischen  Stroms  behandelt. 

Den  Schluss  des  Werkes  bilden  45  Krankengeschichten,  welche 
teilweise  durch  Zeichnungen  veranschaulicht  worden.  Hoffentlich  ist 
die  portugiesische  Sprache  der  Verbreitung  der  trefflichen  Monographie 
kein  Hindemiss.  M. 

$ 

Chas.  C.  (Jodding,  On  non  venereal  bubo.  British  medie. 

Journal,  26  September  18Ü6.  p.  842. 

Ces  deux  travaux  s’oecupent  dos  bubona  inguinanx  observes 
dans  les  dquipages  des  navires  stationnant  dans  los  pays  chauds  et 
sur  lesqnels  un  trnvail  de  M.  Rngo,  ’analysc  dans  les  Archiv  für 
Schiffs-  und  Tropcnhygiene  (I  p.  82)  a d£ju  attirc  i attention. 


218 


M.  Lesueur  a observe  cinq  malades  h Madagascar : le  debut  de 
l'affection  etait  brusque,  la  tumefaction  ganglionnaire  rapide ; la  fievre 
se  montre  par  poussees  irregulicros,  dont  chacune  correspond  a un 
gonflement  plus  considerable  des  ganglious.  Cette  fievre  n’est  preaquo 
pa8  inflnencee  par  la  quinine,  et  l'auteur  discutant  la  pathogenie  de 
cette  affection,  que  divers  observateure  framjais  et  bresiliens  ont 
attribuee  au  paludisme,  tond  a rejeter  1‘idee  d’une  origine  exclusivement 
paludeenne  ou  climatique.  Comme  traitcment  il  einploie  sourtout 
l’arsenic  (liqueur  de  Pearson)  et  la  poudre  de  quiuquina.  L’emploi 
de  fiodure  de  potassium  et  le  traitement  externe  räsolutif  ne  lui  ont 
pas  donne  de  jrcsultat  satisfaiaant. 

M.  Godding  aignale  la  frequence  variable  des  bubons  non 
veneriens  suivant  les  atations.  Dans  la  flotte  anglaise  ils  s'observent 
surtout  dans  lea  stations  navalos  des  Indes  orientales  et  de  la  Chine. 
Sur  1000  hommc8  d’equipage  la  marine  royale  anglaise  compte 
annoellement: 

anx  Indes  orientales  31  cas  de  bubons 

en  Chine  25 

aux  Indes  occidentales  22 

ä la  cote  occidentale  d’Afriquo  13 
dans  les  Eaux  anglaises  10 

on  Australie  9 

dans  la  Mäditerraneo  8 

Comme  traitement  c'est  aussi  a l’arsenic,  seul  ou  associe  au  fer 
que  l'auteur  donne  la  preference;  localement  il  etnploie  les  applications 
de  pommade  belladonce  et  les  rcsolutifs.  Cli.  Firket  (Liege). 

LeBoenr-Florent.  Contribution  ii  l’etude  de  la  lymphatexie. 

Les  ad^nites  d’apparence  palustre.  Ann.  de  tned.  nav.  et  colon. 

Juillet  1896.  p.  64.  


Leberleiden  und  Dysenterie. 

Boinet,  Trois  cas  de  grands  abces  du  toie  nostras 
d'originedysenterique.  Ruvuo  de  medeeine,  Janvier  1897  p.  57. 
La  dysenterie  chez  les  trois  malades  avait  6t6  contractee  ii  Mar- 
seille ou  a Genes;  dans  un  des  cas  les  symptoines  intestinaux  etaient 
tres  peu  accuses.  Le  pus  des  abces  du  foie  ne  contenait  pas  d'ainibes ; 
quant  aux  bacteries,  dans  un  cas  ou  n'a  rien  tronne,  dans  les  deux 
autres  des  staphylocoqucs  depourvus  de  virulenee.  Ch.  Firket  (Liege). 

Pejrot  At  Roger,  Sur  un  cas  d' abces  dysenterique  du  foie 
ne  contenant  que  des  amibes.  Revue  de  Chirurgie, 
10.  F£vr.  1897. 

Il  s'agit  d'un  abces  du  foie  developpe  an  cours  d’une  attaque 
aigue  de  dysenterie  & Nossi  Be  (Madagascar);  la  malade  put  etro  trän s- 
portee  en  France  et  operäe  a Paris  dcux  mois  aprös  le  debut  des 
accidents  hepatiques.  Le  pus  reeueilli  ü l'ouverture  de  l'abces  no 
rnontrait  pas  de  bacteries  a l'examen  microscopique ; les  cnltures  faites 
sur  agar,  gelatine  et  bouillon  restcrunt  steriles,  ineme  k l'abri  de  l’air. 


219 


Mais  ce  pus  contenait  en  tri»  grande  abondaneo  des  ainibes  mobiles 
atteignant  jusqua  30  fi  de  diametre;  on  a pu  cultiver  ces  ainibes  anr 
infugion  de  foin  maig  leg  cultureg  devenaient  rapideinent  steriles,  leg 
paraaiteg  s'enkvstaient.  Le  pus  recaeilli  dang  les  pansements  ulterieurs 
contenait  beaaeoap  moins  damibes  maig  on  y a trouve  des  bacterieg, 
notamment  des  pneumocoques,  streptocoques  et  coli-bacilles. 

Ch.  Kirke  t (Liege). 

Parasitäre  und  Hautkrankheiten. 

Lemanaky,  Le  bouton  d’Orient.  Revue  internationale  de  medecine 
et  de  Chirurgie.  Tunis,  I0./III.  1897. 

Der  Verfasser  giebt  eine  eingehende  Beschreibung  der  anderweitig 
als  bekannten  Dermatose  und  deren  Behandlung,  welch’  letztere  in 
antiseptischen  Waschungen,  Verbänden,  Salben,  Zerstäubungen  und 
besonders  in  rechtzeitiger  Entleerung  des  Eiters  zu  bestehen  hat. 
Prophylactigch  ist  grösste  Reinlichkeit  zu  empfehlen  und  Verschleppung 
des  weiter  nicht  besprochenen  Krankheitserregers  durch  Kratzen  zu 
vermeiden.  Die  Narben  unterscheiden  sich  durch  ihre  braunviolette 
Färbung  von  syphilitischen.  M. 

Trlbondean,  Contribntion  ii  l’etude  des  eruptions  sudo  • 
nales  des  Europeens  aux  pays  ehauds.  Arch  möd.  nav.  et 
col.  Fevrier  1897,  p.  129. 

L’auteur  a observö  frcquemment,  h Madagascar,  la  transformation 
pustuleuse  dos  vesicules  du  liehen  tropieug  (18  rasen  six  inois  snr 
nn  naviro  portant  130  hommes  d’equipage).  Les  pustules  atteignaieut 
IQ  et  12  millimetres  de  diametre;  on  les  trouvait  surtout  dans 
l’aisselle,  le  pli  cruro-scrotal,  a la  region  lomhaire  et  au  ventre.  Cette 
transformation  pustuleuse  d'une  lesion  presque  banale  s’observerait 
seulement  chcz  les  snjets  debilites  dejä  par  un  sejour  asscz  long  sous 
los  tropiques.  C.  F. 

Depied,  Note  sur  un  cas  de  mort  par  les  bourbouilles. 
Arch.  med.  nav.  et  col.  Mars  1897,  p.  20f>. 

II  s’agit  d’un  soldat  de  29  ans,  ayant  fait  anterieureinont  un 
premier  sejour  dans  les  pays  ehauds.  A la  suite  d’une  marche  mili- 
taire  par  une  temperatcure  trös  öleveo  (60  Kilomctres  en  3 jourg,  au 
Tonkin)  avec  des  vetements  en  molleton  bleu,  il  sc  produisit  une 
eruption  generalisee  de  bourbouille  (liehen  tropicus),  avec  les 
phenomönes  habitnels  d'excitation  et  fievre  irreguliero;  les  vesicules 
confluent  en  phlyctöncs  assez  voluinineuscs,  passant  ä la  suppuration; 
diarrhee;  mort  au  quinziöme  jour.  C.  F. 

Brault,  J.  et  Bonget,  J.,  Etudo  clinique  et  bacteriologique 
d’une  pseudomy coso  observee  on  Algörio.  Arch.  de  inöd. 
exper.  et  d’anat.  pathid.  Mars  1897. 

n s’agit  dans  les  deux  observations  docrites,  do  lesions  des 
membres  inferiours,  pout  etre  d'origine  tellurique;  un  iles  malades 
(trappiste)  travailiait  la  terre;  chez  l’autre  les  lesions  avaiont  apparu 
a la  suite  d’une  chüte. 


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220 


II  se  fait  localement  une  inflammation  d’abonl  peu  intense  qm 
soulöve  la  p6R0 ; eelle-ei  crove  aprös  plusieurs  semaines,  donnant  issue 
a 11  ne  matirre  epaisse,  grise,  comme  encophaloi'de,  quelquefois  m&langee 
d’un  pcu  de  puB  epais.  La  lesion  s'etend  en  surface,  fonnant  des 
niedren  ii  fond  rouge  vif  recouvert  par  place*  d*un  enduit  grisfttre  fort 
adherent;  on  outro  eile  s’etend  en  profoudeur,  en  longa  trajets  fistuleux 
irn'guliers  qui  pi'netrent  jusqu’aux  museles.  Dans  le  pus  epais  et 
fetide  qui  emplit  ces  foyers  on  ne  retrouve  pas  les  parasites  du  Pied 
de  Madura  ni  ceux  de  TAetinomycoso ; 1’etude  baeteriologiquo  y a 
revele  la  presenoo  de  plusieurs  microbes,  notamment  de  deux  bacilles 
dans  la  coexisteme  serait,  d’aprc^s  les  auteura,  necessaire  ä la  production 
des  lesions.  On  n’a  paa  trouve  de  mycelimn  La  guerison  n’a  ete 
obtenue  que  par  le  euretage;  l’iodure  de  potassium  s’est  montre 
ineffieace.  C.  F. 


Löpre. 

Carrifcre,  M.,  Traitement  de  la  l^pro  par  l’huile  de  petrol e. 
Soc.  d’anat.  et  «le  physiol.  de  Bordeaux,  18  Janv.  1897. 

C.  a pu  aineliorer  plusieurs  lepreux  par  l'oinploi  «lu  petrole, 
qn’il  pröfere  s’i  Thuile  de  chaulinoogra ; il  emploie  intus  2 a 4 capsule* 
renfermant  ehaeune  25  centigrainmes  d'huile  de  petrole;  extra  un 
melange  de  Vaseline  et  de  petrole  V*°-  C.  F. 

Depled,  La  Lucilia  hominivorax  au  Tonkin  Areh.  m«!*d. 
nav.  et  col.  Fevr.  1897. 

Deux  cas  observes  chez  l’horame,  dans  la  region  montagneuse 
et  relativement  fraiche  du  Tonkin.  Les  larves,  longues  de  14  ou  15 
millimetres,  siegeaient  en  grand  nombre  sous  le  euir  chevelu;  leur 
enl£vement  fut  facilite  par  des  injections  de  clilorofonne  dans  la  poclie; 
conservees  vivantes  dans  de  l'ouate  eiles  ont  donne  naissance  k des 
inouches  presontant  les  earact^res  de  Lucilia  hominivorax. 

Un  cas  semblable  a ete  observe  par  1’auteur  chez  un  chevah 
«laus  la  paroi  abdominale.  C.  F. 

R.  Hlanchard,  Le  Davainea  MadagascarionsisalaGuyane. 
Bull,  de  I’Acad.  de  mddec.  de  Paris,  12  Janv.  1897. 

B.  decrit  deux  exeinplaires  de  cette  espece  (Taenia  mada- 
gasca  riensis  Davaiu«»)  observes  il  Georgetown  (Guyane  anglaise) 
par  M.  C.  W.  Daniels.  Jusqu’ici  ce  ver  avait  ete  signah'  a Mavotte 
(lies  Comores)  ii  Port-Louis  (Ile  Maurice)  et  h Bangkok  (Siam);  son 
aire  de  dispersion  est  donc  fort  etendue  et  B.  cherchant  quel  peut  etre 
1’höte  intermediaire  de  ce  parasite,  est  tontö  de  penser  que  eet  hote 
est  un  animal  cosmopolite  ou  du  moins  repandu  entre  les  tropiques  et 
capablo  d’envahir  los  denrees  alimentaires;  il  soup«;onne  partieulierement 
les  Blattes  (Peri  plan  ota  orientalis,  P.  ainericana)  qui  infestent 
les  navires  et  que  ceux-ci  ont  introduites  dans  les  port  des  contrees 
Us  plus  diverses.  C.  F. 


221 


Gilbert  & Fornler,  Etüde  mir  la  psittaeose.  Presse  medicale 
1897  No.  5. 

La  psittacose  est  une  maladie  infectieuge  transmige  ä rhomme 
par  le»  perroquets  ou  de»  perruclies  attoints  de  cette  meine  maladie; 
chez  ceg  oiscaux  la  diarrhee  egt  le  principal  Symptome ; chez  l'homme 
la  maladie  cvolue  souvent  cointne  une  pneumonie  infectieuge. 

A la  suite  d une  petite  epidcmie  observee  it  Paris  les  auteurs 
font  une  etude  gurtout  bacteriologiqne  de  la  psittacose. 

Chirurgie. 

Alraro,  Bericht  Uber  die  aus  den  afrikanischen  Schutz- 
gebieten gekommenen  Kranken  und  Verwundeten, 
welche  im  Militär lazareth  zu  Neapel  behandelt  worden 
sind.  Giomale  inedico  del  Regio  esercito  No.  12,  1896,  Koma, 
Tipographia  Voghera. 

Von  März  big  Ende  August  1896  wurden  1647  kranke  und 
verwundete  Soldaten  behandelt,  darunter  28  von  den  Feinden  ent- 
mannte. 24  von  diesen  waren  des  Gliedes,  des  Skrotum  und  beider 
Testikel,  sowie  der  Haut  der  pubes  beraubt,  waren  alao  in  gräulichster 
Weise  verstümmelt  worden  und  doch  lebend  an  die  Küste  und  nach 
Italien  gekommen,  ein  interessanter  Beitrag  zu  der  bekannten  leichten 
Wundheilung  in  den  heissen  Ländern.  Von  den  690  Verwundeten 
rührten  bei  67  Kranken  die  Verletzungen  von  blanken  Watten  her, 
gegenüber  306  Schusswunden,  ein  im  Vergleich  zu  modernen  europäischen 
Kriegen  hoher  Prozentsatz.  Von  den  Verwundeten  starben  im  Hospitale  2. 
Im  Gegensatz  zu  dieser  geringen  Sterblichkeitsziffer  figurieren  die 
an  inneren  Krankheiten,  besonders  an  typhösen  Erkrankungen 
Leidenden  mit  2 5 Todesfällen  auf  152  Kranke,  die  Malariakrankeu 
mit  ti  auf  300,  die  an  Darmkatarrlien  Leidenden  mit  3 auf  128. 
Besonders  schwer  traten  einige  Diarrhöen  aul,  welche  bei  der  Obduktion 
völlige  Zerstörung  des  Epithels  im  Darmkanal  zeigten.  M. 

Mozetti,  Gesundheitsbericht  Uber  die  Verwundeten  von 
Amba-Alagi  und  Macalle,  welche  in  Macalle  während 
der  Belagerung  der  Forts  verpflegt  wurden.  Giornale 
inedico  del  Regio  esercito.  No.  1,  1897. 

Aus  dem  Bericht  Uber  die  unter  aussergewöhnlich  ungünstigen 
Verhältnissen  in  dem  eng  umschlossenen  Fort  nach  einer  verlorenen 
Schlacht  untergebrachten  Verwundeten  ist  besonders  hervorzuheben, 
dass  von  den  129  in  der  Schlacht  von  Amba-Alagi  verletzten  ein- 
geborenen Soldaten  nur  8 Todesfälle  vorkamen,  davon  sechs  kurz  nach 
dem  Eintritt  in  die  ärztliche  Behandlung  und  zwei  in  Folge  innerer 
Krankheiten  und  Entkräftung,  obsclion  bei  den  meisten  Verwundeten, 
welche  sich  mehrere  Tage  und  selbst  Wochen  nach  der  Schlacht  im 
Fort  einfanden,  die  Wunden  äusserst  vernachlässigt  und  mit  VVürmorn 
gefüllt  waren.  (Die  reichliche  Eiterung,  welche  Verfasser  als  nngünstig 
betrachtet,  möchte  Referent  eher  als  Schutz  gegen  Allgemeininfektion 
ansehen,  wie  bei  Wunden  in  den  Tropen  stets  beobachtet  werden 
kann.)  M. 


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222 


Krankheiten  des  Nervensystems. 
Marchaux.  Note  sur  trois  cas  de  meningite  cerebro- 
spinale  observes  & l'Höpital  de  St.  Lonis  (Senegal). 
Arcb.  de  raed  nav.  et  eolon.  1896.  t.  66.  p.  45. 

L’auteur  a observe  ii  l'hospital  de  St.  Louis  (Senegal)  trois  ca- 
de  meningite  chez  dos  Soldat«  senegalais  provenant  d’un  milieu  oü 
sevissait  une  epidemie  grave  de  pneumonie.  Les  Symptome«  ont  ete 
tres-brnsques  et  la  mort  est  «urvenue  rapidctnont. 

L'antopsie  a revele  1'integrite'  absolue  des  poumons  chez  dem 
des  sujetsl  mais  chez  un  de  ceux-ci  il  existait  une  suppuration  des 
sinn«  fronlaux,  qui  paraissait  eorrespondre  au  siege  primitif  de  l’infection 
C'bez  le  troisieme  malade  il  y avait,  ontre  la  meningite,  une  (orte 
eongestion  des  poumons,  mais  pa.«  de  veritable  hepatisation. 

Chez  les  trois  sujets,  les  cultures  ont  'revele  la  presence  Jans 
l exsudat  meningitique  du  pneumocoque  de  Talamon-Fraenkel. 

Ch.  F. 


Allgemeine  Werke. 

Tropenkrankheiten  von  Karl  Däubler.  (Separatabdruck 
aus  der  „Bibliothek  medicinischer  Wissenschaften“,  I. 
„Interne  Medicin  und  Kinderkrankheiten“,  Bd.  III.) 

Nachdem  Verfasser  kurz  dargelegt,  dass  wir  die  Tropen- 
krankheiten als  besondere  Gruppe  von  den  Erkrankungen 
der  gemässigten  nnd  kalten  Zone  abgrenzen  können  und 
müssen,  bespricht  er  in  präciser  Weise  und  unter  Benutzung 
der  neuesten  Forschungsergebnisse  folgende  Krankheiten : 

I.  Nicht  infektiöse  Tropenkrankheiten: 

l.  Magendarmkatarrhe  der  Tropen.  2.  Aphthae 
tropicae.  3.  Leberkrankheiten.  4.  Ainhum.  5.  Fi- 
lariakrankheiten. 

II.  Infektionskrankheiten  der  Tropen: 

1.  Die  Beriberi-Krankheit.  2.  Dysenteria  tropica. 
4.  Das  Flussfieber  in  Japan.  4.  Framboesia. 

Anhangsweise  werden  einige,  auch  in  gemässigten  Zonen 
vorkommende  Erkrankungen  behandelt,  welche  in  den  Tropen 
häufiger  und  heftiger  und  theilweise  andersartig  auftreten, 
nämlich  Malaria,  Cholera,  Dengue,  Gelbes  Fieber. 

Die  Arbeit  ist  sehr  geeignet,  dem  in  Tropenkrankheiten 
noch  wenig  bewanderten  Arzte  eine  Einsicht  in  das  Gebiet 
zu  verschaffen,  und  das  dies  durch  einen  tropenkundigen 
Verfasser  geschieht,  ist  sehr  erfreulich.  Es  wird  leider  in 
Deutschland  noch  so  sehr  häufig  vom  grünen  Tische  aus 
über  die  sanitären  Verhältnisse  der  Tropen  geurtheilt,  dass 


* 


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223 


man  nicht  genug  betonen  kann,  wie  sehr  eigene  Erfahrung 
zur  Beurtheilung  nothwendig  ist,  und  wie  wenig  blosses 
Litteraturstudium  hier  helfen  kann. 

Im  Einzelnen  möchte  Referent  Folgendes  bemerken: 

Die  tropischen  Magendarmkatarrhe  sind  vom  Verfasser 
so  gut  beschrieben  worden,  wie  es  nach  dem  heutigen  Stand- 
punkte unseres  Wissens  möglich  ist.  Die  Erforschung  dieses 
Gebietes  mit  den  Mitteln,  welche  der  modernen  Wissenschaft 
zu  Gebote  stehen,  ist  aber  unseres  Erachtens  noch  kaum 
angebahnt.  Die  wenigsten  Tropenärzte  werden  die  Ver- 
muthung  abweisen  können,  dass  sich  aus  der  Gesammtheit 
der  Verdauungskrankheiten  in  den  Tropen  noch  verschiedene 
einzelne  Krankheitsbilder  werden  absondern  lassen,  und  dass 
wir  wahrscheinlich  auch  hier  noch  der  einen  oder  anderen 
spezifischen  Infektion  begegnen  werden. 

Bei  dem  Leberabscess  möchte  ich  — aus  eigener  mehr- 
facher Erfahrung  — noch  erwähnen,  dass  die  Differential- 
diagnose zwischen  chronischem  Leberabscess  und  beginnender 
Phthise  nicht  immer  leicht  ist. 

Schliesslich  hätte  vielleicht  bei  der  Malaria  angedeutet 
werden  können,  dass  nach  immer  mehr  sich  häufenden  Be- 
obachtungen diejenigen  Tropenkrankheiten,  welche  man 
unter  dem  Namen  „Malaria“  zusammenfasst,  theilweise  mit 
der  Malaria  der  gemässigten  Zone  nicht  identisch  zu  sein 
scheinen,  so  dass  „Malaria“  vielleicht  nicht  lange  mehr  als 
pathologische  Einheit  bestehen  wird  und  wir  dann  eine 
specielle  Tropenkrankheit  mehr  zu  verzeichnen  haben. 

Die  Anzahl  der  Druckfehler  ist  ziemlich  erheblich! 

Victor  Lehmann. 

Scheube,  l)r.  B.,  Die  Krankheiten  der  warmen 
Länder. 

(Fortsetzung.) 

Malaria.  Nach  kurzer  Angabe  unserer  geschichtlichen 
Kenntnisse  und  nach  Feststellung  der  geographischen  Ver- 
breitung der  Malaria  werden  die  Blutparasiten  der  Malaria 
besprochen.  Mit  Recht  wird  zunächst  die  unpassende,  von 
den  Italienern  eingeführte  Bezeichnung  „plasmodium“  zurück- 
gewiesen. Sodann  werden  die  verschiedenen  Ansichten  über 
die  Morphologie  des  Parasiten  und  die  Färbemethoden  mit- 


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224 


gethoilt.  Der  erstcre  Abschnitt  ist  fast  erschöpfend  behandelt 
und  muss  im  Original  eingeschen  werden,  von  den  Färbe- 
methoden  sind  die  feineren  nicht  angeführt.  Es  folgt  sodann 
eine  ausgiebige  Besprechung  der  Frage:  wird  die  Infektion 
durch  Trinkwasscr,  Luft  oder  Insektenstiche  bewirkt?  Die 
Gründe  dafür  und  dawider  werden  besprochen,  aber  der 
Verf.  entscheidet  sich  für  keinen  Infektionsmodus  mit  Be- 
stimmtheit. (Sehr  mit  Vorsicht  sind  die  bekannten  Fülle 
von  Schiffsepidemien,  die  ihre  Entstehung  durch  an  Bord 
befindliches  infektiöses  Material  verdanken  sollen,  aufzunehmen. 
Solche  fülle  würde  ich  nur  anerkennen,  wenn  sie  durch 
Blutuntersuchungen  gestützt  sind.  Rcf.) 

Auffallend  ist,  dass  der  Verf.  die  Inkubationszeit  der 
Malaria  zwischen  wenigen  Stunden  und  mehreren  Monaten 
schwanken  lässt.  Die  Ansicht  von  Guttmann,  die  mitgetheilt 
wird,  nach  der  oft  (?)  schon  wenige  Stunden  nach  der  An- 
kunft in  der  Malaria-Gegend  Erkrankung  eintritt,  ist  schon 
in  Hinblick  auf  den  Entwicklungsgang  des  Parasiten  unhalt- 
bar. Dazu  kommt,  dass  nur  zu  oft  jedes  Unwohlsein  in 
einer  Fiebergegend  kritiklos  für  Malaria-Fieber  ausgegeben 
wird.  (Ref.) 

Den  Rassen  nach  stellt  sich  die  Empfänglichkeit  für 
Malaria  in  absteigender  Linie  folgendermaaasen : Neger, 

Malayen,  Mongolen,  Europäer.  Frisch  Zugewanderte  erkranken 
leichter  als  alt  Angesessene.  Dem  Berufe  nach  erkranken  Leute 
die  viel  im  Freien  arbeiten,  eher  als  solche,  die  im  Hause 
arbeiten ; erstere  erkranken  mehr  an  akuten,  letztere  mehr 
an  chronischen  Formen.  Durch  voraufgegangene  Erkrankung 
an  Malaria  wird  die  Disposition  für  die  Krankheit  am 
meisten  gesteigert. 

Die  verschiedenen  klinischen  Formen  der  Malaria  sind 
nach  dem  Verf. : 

1.  intermittirende, 

2.  remittirende  und  kontinuirliche  Fieber, 

3.  perniciöse  Fieber, 

4.  biliöse  Formen, 

5.  Malaria-Anacmie  und  Cacbexie. 

Nach  Schilderung  des  bekannten  Symptomencomploxes 
des  intermittirenden  und  remittirenden  Fiebers ' bespricht 
Verf.  das  Malaria-Typhoid.  Es  handelt  sich  dabei  nach  des 


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225 


Verf.  Ansicht  nm  zwei  verschiedene  Gruppen  von  Krank- 
heiten. Bei  der  ersten,  dem  eigentlichen  Malariatyphoid, 
handelt  es  sich  um  eine  Combination  von  Malaria  und  Typhus. 

Die  zweite  Gruppe  sind  reine  Malariafieber,  die  mehr  oder 
weniger  unter  dem  Bilde  des  Typhus  verlaufen.  Die  per- 
nieiüsen  Fieber  wiederum  werden  eingetheilt  in  die:  algide, 
diaphoretische,  komatöse,  delirante,  konvulsive,  kardialgische, 
cholerische,  dysenterische  Form,  in  den  Malaria-Kollaps,  die  Ma- 
laria-Pneumonie, die  Malaria-Pleuritis  und  das  Schwarzwasser- 
fieber oder  das  haemoglobinurische  Malariafieber.  Letzteres 
wird  eingehend  besprochen.  Es  werden  sodann  die  larvirten 
Formen  in  ihrer  grossen  Mannigfaltigkeit  geschildert;  unter 
diesen  führt  Verf.  auch  die  sogenannten  Malariabubonen 
auf.  Unter  der  Malaria  Kachexie  wird  auch  die  Keratomalacia 
ex  Malaria,  der  Phagedaenismus  und  die  Bildung  multipler 
Abscesse  und  Furunkel  erwähnt,  die  bei  stark  kachektischen 
(in  Folge  von  Malaria)  Individuen  beobachtet  würden.  In 
der  Pathologie  der  Malaria  erführt  namentlich  das  Ver- 
halten der  Parasiten  in  Bezug  auf  ihre  Vertheilung  und  die 
Veränderung  des  Blutes  eine  eingehende  Besprechung.  Weiter- 
hin werden  die  bei  der  Differentialdiagnose  in  Betracht 
kommenden  Krankheiten  erörtert  und  die  von  Below  auf- 
gestellte Behauptung,  dass  es  sich  bei  Schwarzwasserfieber 
um  endemisches  Gelbfieber  handle,  mit  Recht  energisch  zurück- 
gewiesen. 

Es  folgen  nunmehr  die  wichtigen  Kapitel:  Prophylaxe 
und  Therapie. 

Mit  Recht  wird  der  grösste  Werth  auf  die  persönliche 
Prophylaxe  gelegt.  Es  wird  die  grösste  Vorsicht  beim  Haus- 
bau anempfohlen:  namentlich  auf  Auswahl  des  Platzes  ist 
viel  Sorgfalt  zu  verwenden.  Für  Tags  wird  viel  Licht  und 
Luft,  für  Nachts  hingegen  Schliessen  von  Fenstern  und 
Thüren  verlangt.  Die  Nahrung  soll  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  den  Gewohnheiten  der  Eingeborenen  angepasst  werden. 

(Ob  das  Pfefferessen  (eurry)  wirklich  einen  günstigen  Ein- 
fluss auf  den  Organismus  hat,  erscheint  dem  Ref.  fraglich.) 

Als  Getränk  wird  ein  dünner  Tlieeaufguss  empfohlen.  Den 
Rath  Plehn’s  zu  befolgen:  alle  8 Tage  1,0  Chinin  zu  nehmen, 
hält  Ref.  für  gefährlich  wegen  der  daraus  sich  ergebenden 
Verdauungsstörungen.  (Chinin  muss  zwar,  wenn  es  wirken 

Archiv  L Schiff«-  u.  Tropvnbjgien«.  16 

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226 


soll,  in  Dosen  von  wenigstens  1,0  genommen  werden,  aber 
nur  bei  besonderen  Gelegenheiten,  die  eine  grössere  Infektions- 
möglichkeit  mit  sich  bringen.  Die  einzig  rationelle  Malaria- 
prophylaxe ist  die  von  Ziemann  geübte:  Blutuntersuchung 
bei  auf  Fieber  Verdächtigen  und  nur  Chinin  gegeben,  wenn 
Parasiten  im  Blute  gefünden  sind,  dann  aber  wenigstens  1,0. 
Auf  diese  Art  gelang  es  Ziemann  in  50#i'o  aller  Fälle  den 
Ausbruch  des  Fiebers  hintanzuhalten.  Ref.)  Die  bekannte 
für  Erhöhung  der  Widerstandsfähigkeit  geübte  Arsenkur 
von  4 — 6 Wochen  wird  vom  Yerf.  erwähnt. 

Bei  der  Besprechung  der  Therapie  finden  wir  zwar 
alle  die  wichtigen  Fragen:  wie  viel  Chinin,  wann  und  in 
welcher  Weise  ist  es  zu  geben,  eingehend  besprochen  und 
alle  die  verschiedenen  Ansichten  angeführt,  doch  spricht  sich 
der  Verf.  weder  für  noch  gegen  irgend  eine  aus.  (Die  in 
neuester  Zeit  von  Plehn,  später  von  Ziemann  empfohlenen, 
intramuskulären  Chinineinspritzungen  scheinen  dem  Ref.  sehr 
der  Beachtung  werth.)  Die  symptomatische  Therapie  ist  ent- 
sprechend ausgiebig  berücksichtigt. 

Beri-Beri  ist  eine  hauptsächlich  in  Japan,  dem 
malavischen  Archipel  und  Brasilien  endemisch  und  epidemisch 
auftretende  Krankheit,  deren  Haupterscheinungen  in  Störungen 
der  Bewegung  und  Empfindung,  Wassersucht  und  einer  Er- 
krankung des  Herzens  bestehen  und  auf  eine  degenerative 
Entzündung  vielfacher  peripherischer  Nerven  zurückzuführen 
ist.  In  Japan  tritt  sie  am  mildesten,  in  Brasilien  am  bös- 
artigsten auf. 

Die  Beri-Beri  ist  eine  Infektionskrankheit  und  nicht 
etwa  eine  Ernährungsstörung,  bedingt  durch  den  Genuss 
schlechten  Reises  oder  getrockneter  Fische.  Denn  gesunde, 
kräftige  junge  Leute  werden  am  ehesten  befallen  und  in 
den  Beri-Beri-Ländern  finden  sich  immer  nur  einzelne,  scharf 
umschriebene  Bezirke,  in  denen  die  Krankheit  auftritt, 
während  die  Ernährungsweise  überall  in  diesen  Ländern  die 
gleiche  ist.  In  den  heissen  Monaten  erreicht  ihre  Ausbreitung 
das  Maximum.  Der  Infectionsmodus  muss  ähnlich  wie  bei 
der  Malaria  sein.  Doch  hat  die  Beri-Beri  mit  der  Malaria  nichts 
zu  tliun.  Kontagiosität  hält  Verf.  für  ausgeschlossen.  Da- 
gegen scheint  ihre  Verschleppbarkeit  möglich.  Die  Natur 
des  Krankheitsgiftes  ist  noch  unbekannt.  Es  haftet  aber 


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227 


vermuthlich  am  Boden.  Denn  man  beobachtet  eine  Zunahme 
der  Beri-Beri  nach  Erdarbeiten  und  an  neuerbauten  Plätzen. 
Der  Infektion  mit  Beri-Beri  ausgesetzt  sind  vorzugsweise  die 
farbigen  Rassen.  Dass  Europäer  weniger  befallen  w-erden, 
liegt  nach  der  Ansicht  des  Verf.  mit  daran,  dass  letztere  in 
viel  günstigeren  hynienischen  Verhältnissen  leben.  Auf  diesen 
letzteren  Umstand  weist  auch  die  Erfahrung  hin,  dass  Sol- 
daten, die  vielfach  unter  gleichen  Verhältnissen  wie  die 
Eingeborenen  leben,  vorzugsweise  erkranken,  während  die 
Erkrankung  eines  Civilisten  eine  grosse  Seltenheit  ist. 

Männer  werden  öfters  als  Frauen,  junge  Leute  öfter 
als  ältere  und  die  dem  mittleren  Stande  Angehürenden  öfter 
als  die  der  übrigen  Stände  ergriffen.  Dauernder  Aufenthalt 
in  schlecht  gelüfteten  und  überfüllten  Räumen  und  namentlich 
das  Beisammenschlafen  vieler  Menschen  wird  als  praedis- 
ponirende  Krankheitsursache  angegeben.  Auch  werden  in 
einer  Gegend,  in  der  Beri  Beri  herrscht,  die  Eingeborenen 
weniger  als  die  Zugewanderten  befallen.  Recidive  sind 

häufig.  Rüge,  Kiel. 

(Fortsetzung  folgt.) 


III.  Verschiedenes. 

Znr  Mitarbeit  am  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropenbygiene  haben 
sich  ferner  bereit  erklärt  die  Herren  Dr.  Mo n corvo  (Sohn),  Rio 
de  Janeiro,  Prof.  Dr.  Rubner,  Berlin,  Dr.  von  Ruck,  Ashvillo 
(Nord-Carolina),  Dr.  Revtter,  Bangkok. 


IV.  Zur  Besprechung  eingegangene 
Bücher  und  Schriften. 

Grimm,  Klinische  Beobachtungen  Uber  Beri-Beri.  Berlin, 
1897.  S.  Karger. 

Mageleaen,  lieber  die  Abhängigkeit  der  Krank  beiten  von 
der  Witterung  G.  Tbieme,  Leipzig.  1890. 

Burot,  F.,  et  Legrand,  X.  A.,  Therapeu  tique  du  Psludisme. 
J.  B.  Barriere  et  fils,  Pari«,  1897. 

Blanquln,  Note  sur  le  diagnostie  de  la  psittacose  Bull, 
de  l’etcad.  de  niedec.  de  Paria,  26.  Janv.  1897. 


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228 


Rho*  Dr.  Filippo,  Malattie  predominanti  nei  pai'si  caldi  et  Temperati. 
Torino  1897,  Rosenberg  & Selber. 

von  Bergmann,  Dr.  Adolf,  Die  Lepra.  Stuttgart  1897.  Ferdinand  Enke. 
Annali  di  medicina  navale,  Januar— Mai  1897,  Rom,  G.  Bertero. 
tiiornale  medico  del  Regio  esercito.  Marz  1897.  Rom,  E.  Voghera. 
ßoletin  de  la  Sociedad  de  Geografla  jr  Eetadlstica  de  la  Repabllca 
Mexicana,  Pomo  III  No.  11.  Mexico,  Imprenta  del  sagrado  coru- 
zonde  Jesus,  1897. 


V.  Briefkasten. 


Zuschrift  an  den  Herausgeber. 

Southampton,  den  19.  April  1897. 

Sehr  geehrter  Herr  College! 

Im  ersten  Heft  des  Archivs  für  Schiffs-  und  Tropenhygiene 
findet  eich  eine  Uebersicht  über  die  Quarantainemassregeln  der  ver- 
schiedenen Staaten.  Zu  dem  auf  Seite  29  u.  f.  über  Italien  Gesagten 
möchte  ich  mir  zu  bemerken  erlauben,  dass  meine  Erfahrungen  in 
Genua  nicht  ganz  damit  Ubereinstimmen.  Wir  kamen  im  Jahre  189» 
mit  reinem  Gesundheitspass  von  Holliindisch-Indien,  hatten  keinen  ver- 
dächtigen Hafen  berührt,  hatten  im  indischen  Ocean  einen  Todesfall 
infolge  von  Phtisis  pulmonum  (also  keinen  verdächtigen,',  und  doch 
wurde  vom  Hafencapitiin  visita  medica  angeordnet.  Der  Hafenarzt 
ordnete  Desinfection  der  schmutzigen  Wüsche  sämtntlicher  das  Schifl 
in  Genua  verlassenden  Passagiere  an.  Sonstige  verdächtige  Erkrank- 
ungen waren  nicht  vorgekommen,  von  einer  Ueberfüllung  war  auch 
keine  Rede  und  Mangel  an  Sauberkeit  wird  man  einem  holländischen 
Schiffe  am  allerletzten  vorwerfen  können.  Ein  anderes  Mal  hatten  wir 
einen  Todesfall  an  Malaria  und  doch  bekamen  wir  sofortigen  Verkehr 
init  dem  Lande.  Ein  drittes  Mal  keinen  Todesfall,  keine  verdächtigen 
Erkrankungen,  keine  verdächtigen  Häfen : Wiederum  visita  medica  und 
Desinfection.  Sie  sehen  also,  dass  in  diesen  Fällen  der  Hafencspitän 
ganz  willkürlich  verfahren  ist. 

Mit  collegialer  Hochachtung 

Dr.  H.  G. 

Hierzu  bemerkt  ein  alter  Schiffsarzt: 

Die  Hafenpolizei  in  Genua  verfährt  oft  ganz  nach  Laune  und 
Stimmung,  chikanirt  die  Schiffe  oder  lässt  eie  gnädig  zu.  Der  Hafen- 
arzt steht  wohl  nicht  auf  der  Höhe  der  Wissenschaft,  sein  Ideal  ist 
Carbolgeruch  und  flatternde  Wäsche.  Eine  Aufzeichnung  der  Schick- 
sale der  einzelnen  Schiffe  würde  hübsche  Widersprüche  in  der  Behänd’ 
lung  ergeben.  

Welcher  Ort  in  Kleinasien  ist  zur  Niederlassung  eines  deutsche» 
Arztes  geeignet? 

Wir  bitten  Leser  und  Mitarbeiter  um  gütige  Auskunft. 


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ARCHIV 

fUr 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene, 

unter  besonderer  Berücksichtigung  der 

Pathologie  und  Therapie 

unter  Mitwirkung  von 

Prof.  Dr.  BAF.LZ,  Tokio,  Dr.  BELOW,  Berlin,  Dr  BOMBARDA,  Lissabon, 
Dr.  van  BHERO,  Buitenzorg,  Dr.  de  BRUN,  Beirut,  Dr.  BRUNHOKE,  Kiel, 
l>r.  BllSCHAN.  Stettin.  Prof.  Dr.  H.  COHN,  Breslau,  Dr.  IJAKUBLER,  Berlin, 
Dr.  DRYKPONDT,  Brüssel,  Prof.  Dr.  EIRKET,  Lütlich,  Dr.  FISCH,  Aburi  (Gold- 
tiiste),  Dr.  GLOtiNF.R,  Sam&rang,  Dr.  GOLDSC1IM1DT,  Paris-Madeira,  Dr.  HEY, 
Odntnase  (Gohlkiistc),  Dr.  van  <ler  HEYDEN.  Yokohama,  Dr.  MAX  JOSEPH, 
Berlin,  Dr.  KHOHN.  Madeira,  Dr.  KRÖN  ECKER,  Berlin,  Dr.  LEHMANN, 
Schlachtensee,  Prof.  Dr.  IJvICHTENSTF.UN,  Köln,  Dr.  LIERENDOERFER,  Kalikut 
(Vorderindien),  Dr.  LIER,  Mexico,  Hofrat  Dr.  MARTIN,  München,  Prof.  Dr.  MON- 
COHVO,  Rio  de  Janeiro,  Dr.  MONCOHVO  jr..  Bio  de  Janeiro.  Dr.  NOCHT, 
Hamburg,  Dr.  A.  PLEHN,  Kamerun,  Dr.  F.  PLEHN,  Tanga,  Prof.  Dr.  RENK, 
Dresden,  Dr.  REYTTER,  Bangkok,  Dr.  RHO.  Rom,  Dr.  RICHTER.  San  Fran- 
cisco. Prof.  Dr.  0.  ROSENBACH,  Berlin,  Dr.  ROTHSCHUH.  Managua,  Prof. 
Dr.  HI  BNER,  Berlin.  Dr.  von  RI  CK,  Ashville,  Dr.  RÜGE,  Kiel,  Dr.  RUMPEL, 
llamburg-F.|>pendorf,  Prof.  Dr.  SANARELLI,  Montevideo,  Dr.  SANDER,  Wind- 
hoek,  Dr.  SCHELLONG,  Königsberg,  Sanitiltsrat  Dr.  SCHEUBE,  Greiz, 
Dr.  SCHOEN,  Berlin,  Dr.  SCHWALBE,  Los  Angeles,  Dr.  WITTENBERG, 
Kayintschu  (Süd-China),  Dr.  ZIEMANN,  Berlin, 


herausgegeben  von 


Dr.  c.  Mense,  Cassel. 


I.  Band,  4.  Heft. 


CASSEL. 

Verlag  von  Tn.  G.  FlSHER  & Co. 
1897. 


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I.  Originalabhandlungen. 


Kriegschirurgische  Beobachtungen  während  der  Ex- 
pedition nach  Gross-Aruscha  im  November  1896. 

Aus  dem  Bericht  des  Assistenzarztes  I.  CI.  in  der  kaiserlichen  Schutztruppe 
für  Deutsch-Ostafrika  Pr.  Eggel« 

Die  Expedition  brach  am  31.  Oktober  von  Moschi  aus 
auf,  in  einer  Stärke  von  3 Europäern,  95  Askaris  und 
6000 — 7000  Wadjngga-Kricgern  unter  ihren  Häuptlingen. 
Am  4.  November  wurde  etwa  2 — 3 Stunden  unterhalb  Gross- 
Aruscha  gelagert,  am  5.  der  Einmarsch  in  dasselbe  angetreten; 
derselbe  gestaltete  sich  zu  einem  sehr  heftigen  Feuergefecht. 

Den  ganzen  Tag  herrschte  starkes  Regenwetter.  Bis 
4 Uhr  waren  16  leichtverwundete  und  4 schwerverwundete 
Wadjaggas  in  Behandlung  gekommen,  die  im  strömenden 
Regen  unter  freiem  Himmel  verbunden  werden  mussten. 
Wasser  war  in  den  ersten  2 Stunden  nicht  zur  Hand.  Die 
Wunden  waren  theilweise  in  sehr  unsauberem  Zustande, 
anfangs  hatten  sich  die  Eingriffe  auf  nothdürfliges  Reinigen 
der  Wunden,  Stillen  stärkerer  Blutungen  und  Anlage  von 
Nothverbänderi  zu  beschränken.  Später  jedoch  wurden  alle 
Wunden  mit  Subliinatauflösung  gründlich  desinficirt.  Trotz- 
dem allen  Verwundeten  damals  wie  auch  später  eingeschärft 
wurde,  am  nächsten  und  den  folgenden  Tagen  zum  Ver- 
binden wiederzukommen,  geschah  dies  höchstens  bei  einem 
Drittel  der  Fälle,  auch  mussten  noch  täglich  die  Häuptlinge 
dazu  angehalten  werden;  dies  scheint  auf  der  Gleichgültigkeit 
der  Leute  zu  beruhen,  denn  die  ärztliche  Thätigkeit  ist  durch 
die  Poliklinik  in  Moschi  allgemein  bekannt.  Die  Leute 
kamen  stets  mit  frischen  Wunden,  waren  dann  aber  schon 
mit  einem  einmaligen  einfachen  Verbände  zufrieden.  Vor 
allen  chirurgischen  Eingriffen,  auch  der  Wundnaht  haben 
sie  grosse  Furcht,  vorgeschlagene  Operationen  wurden 
fast  stets  verweigert.  Die  ärztliche  Thätigkeit  war  daher 
sehr  konservativ.  Die  Schmerzäusserung  war  oft  auffallend 
gering,  manchmal  grenzte  sie  an  Gefühllosigkeit.  Tief- 
greifende Nähte,  genaue  Untersuchung  der  Wunden, 

17* 


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232 


chirurgische  Eingriffe  der  verschiedensten  Art  verursachten 
anscheinend  keinerlei  Schmerzempfindung.  In  Narkose  wurde 
nie  operirt. 

Als  am  6.  November  das  Expeditions-Corps  ein  festes 
Lager  mitten  in  Aruscha-yu  bezog,  um  von  da  aus  nach 
allen  Seiten  vorzugehen,  wurde  eine  grosse,  an  zwei  Seiten 
offene  Hütte  als  Verbandraum  errichtet,  worin  die  Leute  auf 
Rindshäuten  lagen.  Am  17.  desselben  Monats  wurden  alle 
Verwundeten  sodann  mit  dem  erbeuteten  Vieh  zusammen, 
langsam  in  ihre  Heimath  zurückgebracht. 

Sämmtliche  Verwundete  waren  Wadjagga.  Von  den 
Verwundungen  waren  12  durch  Schuss  erfolgt,  die  übrigen 
durch  blanke  Waffen,  weitaus  die  meisten  davon  durch 
Stich  oder  Stoss  mit  den  langen  Massai-Speeren.  Die  Mehr- 
zahl bestand  in  einfachen,  wenn  auch  oft  tiefen  Fleisch- 
wunden ; auffallend  viele  derselben  mussten  von  hinten  bei- 
gebracht sein;  dies  schien  durch  die  Karapfesweise  der  Wa- 
Aruscha  bedingt  zu  sein,  welche  die  Leute  im  dichten  Busch 
erst  durchliessen  und  dann  von  hinten  anfielen.  Theilweisc 
sind  die  Wadjagga  auch  wohl  fliehend  verwundet  worden. 
Fast  alle  waren  junge,  muskulöse  Leute,  meist,  wie  Wad- 
jaggas überhaupt,  von  untersetzter  aber  kräftiger  Gestalt; 
der  Ernährungszustand  war  im  Allgemeinen  gut.  Die 
Verwundeten  kamen  fast  stets  mit  einem  kleinen  Noth- 
verband  in  Behandlung,  der  aus  Zeugstreifen  oder  trockenen 
Bananenblättern  fest  um  den  verletzten  Theil  gewickelt  war 
und  seinen  Zweck,  blutstillend  oder  stützend  zu  wirken,  oft 
auffallend  gut  erfüllte.  Die  Wunden  wurden  in  der  Weise 
behandelt,  dass  nach  gründlicher  Desinfektion  möglichst  so- 
fort die  Naht  angelegt  wurde,  unter  Drainage  aus  einem 
Wundwinkcl  mittelst  Jodoformgazc,  welche  dann  nach  einigen 
Tagen  entfernt  wurde. 

Die  folgenden  einzelnen  Fälle  boten  besonderes  Interesse. 

Fall  1.  Aelterer  schwächlich  gebauter  Mann,  Speerstich 
in  die  linke  Brustseite,  dicht  innen  von  der  Brustwarze; 
4.  Rippe  glatt  durchtrennt.  Pleura-Raum  eröffnet,  Luft 
dringt  bei  jedem  Athemzug  mit  Geräusch  aus  der  Wunde. 
Der  Stich  ist  links  dicht  am  Herzbeutel  vorbeigegangen. 
Jodoformgaze-Tamponudc.  Nacb  2 Tagen  wiedergesehen ; 
starke  Athemnoth  ; über  der  linken  Lunge  völlige  Dämpfung  ; 
hohes  Fieber.  W unde  sieht  gut  aus.  Am  nächsten  Tage  Exitus. 


233 


Fall  2.  Junger  Mann,  etwa  16  Jahre  alt;  2 grosse 
tiefe  Stiche  im  Rücken,  einer  links  unter  der  12  Rippe; 
Bauchfellraum  eröffnet.  Jodoformgaze-Tamponade,  Verlauf 
unbekannt. 

Fall  3.  Junger  sehr  kräftiger  Mann,  Schuss  durch  den 
Mund.  Ein  Schuss  dicht  hinter  und  etwas  unter  dem  rechten 
Kieferwinkel ; derselbe  zerschmettert.  Rechte  W ange  durch- 
bohrt, Zunge  auf  der  rechten  Seite  zerrissen,  die  unteren 
Schneidezähne  fortgerissen;  thalergrosser  Ausschuss  am 
linken  Mundwinkel;  Blutung  massig,  dagegen  grosse  Athcm- 
noth;  fast  völlige  Unmöglichkeit  zu  schlucken.  Der  vorge- 
schlagene Luftröhrenschnitt  wird  verweigert.  Jodoformgaze- 
Tamponade;  nach  4 Stunden  Exitus. 

Fall  4.  Junger,  schwächlich  gebauter  Mann  mit  tiefem 
(etwa  12  cm)  Stich  in  die  rechte  Nierengegend.  Blutung 
gering.  Jodoformgaze-Tamponade.  Wahrscheinlich  wurde 
das  Bauchfell  verletzt.  Am  2.  Tag  kam  Patient  mit  massig 
starken  Beschwerden.  Wunde  sieht  gut  aus,  eitert  nicht. 
Verlauf  unbekannt,  wahrscheinlich  tötlich. 

Fall  5.  Kräftiger,  sehr  muskulöser  Mann  mit  8 Speer- 
wunden, die  grösste  davon  22  cm  lang,  von  der  crista  ossis 
ilei  sin.  bis  unterhalb  des  Hüftgelenks  verlaufend,  hat  letzteres 
eröffnet.  4 grosse  Wunden  auf  dem  Rücken  ; 2 am  linken 
Arm,  davon  eine  bis  auf  den  Knochen  gehend,  alle  ca  15 
cm  lang.  Die  W unden  waren  in  hohem  Grade  verunreinigt, 
wurden  gründlich  mit  starker  Sublimatlösung  desinficirt, 
genäht  (die  grossen  Wunden  etageuweise),  Jodoformgaze- 
streifeu  eingelegt.  Heilung  bei  7 Wunden  per  primam,  nur 
eine  am  Arm  eiterte  etwas. 

Fall  6.  Kräftiger  junger  Mann,  Schuss  vorn  im  linken 
Fussgelenke.  Ein  Schuss  vor  dem  Malleolus  externus. 
Kugel  sitzt  vor  dem  Malleolus  internus  unter  der  Haut; 
wird  entfernt.  (Mauserkugel,  aus  einem  den  Missionaren 
geraubten  Gewehr  geschossen)  Jodoformgaze-Tamponade, 
weiterer  Verlauf  unbekannt. 

Fall  7.  Junger  Mann;  grosser  etwa  15  cm  tiefer  Stich 
im  Rücken  links,  dicht  neben  der  Wirbelsäule  zwischen  den 
Querfortsätzen  zweier  Wirbel  durchgehend.  Keinerlei 
Vertebral-  oder  Lähmungserscheinungen  festzustellen.  Naht, 
Jodoformgazestreifen  eingelegt,  Verlauf  gut. 


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234 

Fall  8.  Kräftiger  Maun  mit  Stich  durch  die  Leher. 
Ein  Stich  hinten  rechts  unter  der  12.  Kippe,  Ausstich  rechts 
vorn;  Moribuudus.  Jodoformgaze-Tampouade;  nach  2 Stunden 
exitus  letalis. 

Fall  9.  Kräftiger  Mann  mit  Stich  durch  die  Adduktoren 
beider  Oberschenkel.  Geringe  .Blutung.  Heilung. 

Fall  10.  Kräftiger  Knabe  (etwa  12  Jahre  alt)  Boy, 
Schusswunde;  Einschuss  dicht  oberhalb  des  rechten  Hüft- 
gelenks, Ausschuss  links  vom  Nabel,  Blutung  ganz  gering. 
Verlauf  unbekauut. 

Fall  11.  Junger  kräftiger  Mann  mit  Schuss  durch  den 
linken  Obcrscheukcl,  linken  Oberarm,  vorn  au  der  linken 
Brust.  Der  Mann  kauerte  in  der  bekannten  hockenden 
Stellung  der  Neger  am  Boden  und  erhielt  aus  einem  Vorder- 
lader diese  Wunden  vermittelst  eines  würfelförmigen  Eisen- 
stückes, welches  am  linken  Oberschenkel  ein  und  vorn  au 
der  Brust,  rechts  vom  Brustbein,  austrat  und  dauu  — 

Fall  12  einen  anderen  Mann,  der  etwas  rechts  hinter 
ihm  sass,  am  rechten  Oberarm  verwundete  (den  Triceps 
durchbohrte)  und,  nachdem  es  einen  ca  15  em  laugen 
klaffenden  Streifschuss  am  Kücken  verursacht  hatte,  rechts 
neben  der  Wirbelsäule  unter  der  Haut  stecken  blieb  und 
dort  entfernt  wurde.  In  beiden  Fällen  Jodoformgaze-Tram- 
ponade.  Verlauf  unbekannt. 

Fall  13.  Kräftiger  älterer  Mann  mit  Stich  durch  den 
Leib.  Einstich  rechts  hinten  über  der  crista  ossis  il.  Aus- 
stich rechts  handbreit  neben  dem  Nabel.  Vorn  3,  hinten  4 
ca.  fusslange  Darmschlingen  ausgetreten.  Darm  an  3 Stellen 
durchbohrt,  Mesenterium  mehrfach  verletzt.  Letzteres  wurde 
unterbunden,  die  Därme  genäht,  nachdem  sie  mit  warmer 
Lysol-Lösung  gründlich  desinficirt  waren  ; wurden  dann  mit  in 
heisse  Lysol-Lösung  getauchten  Gazestücken  bedeckt  Nach 
Erweiterung  der  Wuuden  wurden  die  Gedärme  reponiert, 
Bauchfell  und  äussere  Wunden  durch  Naht  geschlossen. 
Am  nächsten  Tage  Exitus  letalis. 

Fall  14.  Junger  kräftiger  Mann  mit  Speerstich  iu  die 
linke  Hüfte  am  Os  ilei.  Drei  kleine  Knochensplitter  losge- 
trenut,  welche  entfernt  wurden.  Jodoformgaze-Tamponadc. 
Derselbe  hatte  ausserdem  eine  tiefe  Längswuude  durch  die 
gauzc  liukc  Hohlhaud.  Beide  Wuuden  völlig  reactiouslos 
nach  6 Tagen  verheilt. 


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235 


Fall  15.  Kräftiger  Mann  mit  Speerstich  durch  die 
Brust,  Eiustich  links  neben  dem  linken  Schulterblattwinkel 
unter  der  Achsel,  Ausstich  links  neben  der  Brustwarze. 
Luft  dringt  hei  jedem  Athemzug  pfeifend  aus  der  Wunde. 
Naht  in  Etagen  mit  Einlegen  von  Jodoformgazestreifen. 
Derselbe  hat  einen  2.  Stich  oberhalb  der  linken  Hüfte,  mit 
Ausgang  vorn  über  der  linken  Leistenbeuge.  Die  Wund- 
öffnungen  wurden  mit  Jodoformgaze  tamponirt.  Patient  kam 
fast  pulslos.  Verlauf  sehr  gut  Heilung. 

Fall  16.  Junger  Mann  mit  Schuss  durch  die  linke 
Hand.  Die  Kugel  draug  an  der  Volar-Seite  des  Metacar- 
pophnlangeal-Gelenks  des  rechten  Daumens,  welches  grossen- 
theils  zerschmettert  wurde,  ein,  zerbrach  die  Basis  des  meta- 
carpus  III  und  steckte  oberhalb  derselben  am  Handrücken 
unter  der  Haut.  Das  Geschoss  ein  Bleistück,  und  eine 
Menge  Knochensplitter  entfernt.  Verlauf  gut. 

Fall  17.  Junger  Mann  mit  Schuss  in  deu  rechten  tiber- 
arm,  dicht  unter  dem  Collum  chirurg.  mit  Zerschmetterung 
des  Knochens.  Jodoformgaze-Tamponade,  Sehieuenvcrband. 
Verlauf  unbekaunt. 

Fall  18.  Kräftiger  Mann  mit  Schuss  in  den  rechten  Unter- 
schenkel. handgrosse  Wunde  mit  völliger  Zerschmetterung 
beider  Knochen  und  ausgedehnter  Zertrümmerung  der 
Muskeln.  Vorgcseldagene  Amputation  wird  verweigert 
Blutung  gering.  Jodoformgaze-Tamponade.  Schienenverband. 
Verlauf  unbekannt,  (wahrscheinlich  Exitus  let.). 

Fall  19.  Kräftiger  Mann  mit  tiefgehendem  Rinnen- 
schuss (Streifschuss)  in  die  linke  Kniekehle;  Ansätze  des 
gastrocuemius  abgerissen,  vena  poplitea  zerrissen,  Arterie 
pulsirt.  Nach  Abtragen  des  zerfetzten  Gewebes  doppelte 
Unterbindung  der  Vene,  Naht  der  Wunde,  Verlauf  gut. 

Fall  20.  Junger  Mann  mit  Stich  in  die  rechte  Rückeu- 
seite  unterhalb  des  Schulterblattwinkels,  von  oben  inneu 
nach  unten  aussen  verlaufend.  Pleura  völlig  durchtrennt, 
sodass  deutlich  die  Lunge  und  deren  Bewegungen  zu  sehen 
sind.  Beim  Athmcn  dringt  mit  lautem  Geräusch  Luft  aus 
der  Wunde.  Etagennähte  mit  eingelegten  Jodoformgaze- 
streifen. Heilung. 

Fall  21.  Junger  Mann  mit  Stich  in  den  Unterleib,  2 
Hand  breit  links  vom  Nabel.  Aus  der  Wunde  hängt  ein 
etwa  20  cm  langes,  8 cm  breites  Stüek  mescuterium  heraus. 


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236 


dieses  wird  uacii  8 Unterbindungen  und  gründlicher  Des- 
infektion dicht  au  der  Wunde  abgetragen,  letztere  erweitert, 
das  meseutcriuiu  zurückgebraeht,  das  Bauchfell  vernäht,  dann 
die  Haut  vernäht  mit  Einlage  eines  Jodoformgazestreifens. 
Ferner  ist  ihm  der  linke  Zeigefinger  dicht  oberhalb  des 
metacarpo-phalangeal -Gelenks  fast  ganz  abgeschlagen,  in  der 
Hohlhand  sind  2 grosse  Schnittwunden.  Exarticulation  des 
Zeigefingers  im  metacarpo-phalangeal-Gelenk,  Jodoformgaze- 
verband ; ausserdem  hatte  derselbe  eine  lange  W undc  am 
Hiuterkopf  mit  Verletzung  des  Knochens.  Verlauf  sehr 
gut  Heilung. 

Die  übrigen  Fälle  betrafen  Leute  mit  leichteu,  meist 
f'leischwundeu,  die  nach  denselben  Grundsätzen  behandelt 
wurden. 

Der  Verlauf  der  Wundheilungen  war  im  Allgemeinen 
ein  recht  guter,  soweit  die  Leute  sich  in  Behandlung  be- 
gaben. Von  den  Behandelten  starben  iu  der  ersten  Zeit  5, 
bei  denen  aber  von  vorn  herein  der  Ausgang  als  sehr  zweifel- 
haft, oder  ganz  ungünstig  angesehen  werden  musste.  Auf- 
fallend war  der  Umstand,  dass  die  bei  dem  schlechten 
Wetter  und  dem  herrschenden  Schmutz  meist  hochgradig 
verunreinigten  Wunden  sehr  wenig  eiterten,  auch  dass  die 
penetrirenden  Wunden  oft  überraschend  schnell  heilten.  Die 
Desinfektion  wurde  allerdings  stets  mit  l°ioo  (und  stärkerer) 
Sublimatauflösung  mit  Abtragen  und  Abkratzen  aller  Un- 
redlichkeiten gründlich  ausgeführt.  Ungünstig  für  deu  Ver- 
lauf war  auch  in  hohem  Grade  die  beständig  kühle  und 
regnerische  Witterung,  der  die  Wadjagga  fast  völlig  schutz- 
los preisgegeben  waren. 

Epidemien  kamen  nicht  vor;  in  der  letzten  Zeit  klagten 
vielo  Leute  über  Magen-  und  Darmbeschwerden  (Ver- 
stopfung), die  aber  zumeist  auf  den  reichlichen  Genuss  von 
Mais  uud  rohem  Fleisch  zurückzuführeu  waren. 

Der  Gesundheitszustand  der  Kompaguie  war  stets  ein 
ausgezeichneter. 


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237 


Ueber  das  Auftreten  der  Beri-Beri-Krankheit  in 
Kaiser-Wilhelms-Land 

vou  Dr.  med.  Wendland, 

(Amtlicher  Bericht). 

Da  seit  Oktober  1895  die  Beri-Beri-Krankheit  in  Neu- 
Guinea  heftig  aufgetreten  ist,  so  gestatte  ich  mir,  meine  Be- 
obachtungen über  das  Leiden  vorzulegen. 

Dem  eigentlichen  Ausbruch  der  Beri-Beri  geht  mitunter 
ein  Vorläuferstadium  von  längerer  Dauer  voraus,  in  dem 
sich  die  Kranken  matt,  schwach  und  arbeitsunfähig  fühlen, 
ohne  dass  ausgesprochene  Symptome  auf  eine  bestimmte 
Krankheit  hindeuten.  Vielleicht  dürfte  dieses  in  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  die  Regel  sein,  nur  kann  es,  da  die  Kranken 
schon  in  diesem  Stadium  selten  zur  Aufnahme  in  das  Hos- 
pital gelangen,  nicht  immer  sicher  festgestellt  werden. 

Die  eigentliche  Krankheit  beginnt  mit  einer  Schwer- 
beweglichkeit der  unteren  Extremitäten.  Die  Kranken  klagen 
über  Schmerzen  und  Schwäche  in  den  Beinen,  und  zwar 
wird  meist  die  Wadenmuskulatur  auf  Druck  als  schmerzhaft 
angegeben,  mitunter  auch  die  Streckmuskulatur  des  Ober- 
schenkels etwa  in  der  Mitte  desselben  ebenfalls  als  stark 
druckempfindlich,  ln  auderen  Fällen  scheint  ausser  dem 
Schwächegefühl  in  den  Beinen  nur  ein  mehr  oder  weniger 
starkes  Kribbelu  in  den  Zehen  ohne  intensivere  Schmerzen 
die  Kranken  zu  belästigen.  Der  Gang  ist  schlaff,  langsam, 
die  Füsse  schleifen  am  Boden,  die  Patellar-Reflexe  sind  in 
der  Regel  schon  jetzt  erloschen,  oder  seltener  nur  noch 
schwach  nachweisbar.  Mitunter  macht  sich  eine  deutliche 
Atrophie  der  Beinmuskulatur  bemerkbar.  Oedeme  sind  nicht 
vorhanden.  Die  Körper-Temperatur  ist  nicht  erhöht.  Um 
so  auffallender  ist  die  stets  vorhandene  Pulsbeschleunigung, 
welche,  befindet  sich  der  Patient  in  Ruhe,  90 — 100  Schläge 
und  noch  mehr  in  der  Minute  beträgt,  aber  bereits  nach 
mehrmaligem  Hin-  und  Hergehen  auf  120 — 140  Schläge  in 
der  Miuute  sich  steigert,  ln  einer  Anzahl  der  Fälle,  be- 
sonders bei  Melanesen,  ist  die  Pulswelle  klein  und  leicht 
wegzudrücken,  bei  den  Chinesen  dagegen  meist  kräftig  und 
hoch,  ähnlich  dem  Pulse  bei  Aorten-Iusuffizienz.  ln  diesen 


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238 


Fülleu  sieht  mau  oft  eine  stürmische  Herzthätigkeit,  der 
Spitzenstoss  ist  in  2 — 3 Finger  breiter  Ausdehnung  im  5. 
Zwischeurippenraum  sichtbar,  mitunter  auch  der  Puls  der 
Carotiden  an  der  Halsseite.  Perkutorisch  lässt  sich  eine 
Verbreiterung  der  Ilcrzdämpfuug  nachwcisen;  doch  sind  die 
Herztöne  rein,  und  nur  selten  nimmt  man  ein  leichtes,  systoli- 
sches Blasen  über  der  Herzspitze  auskultatorisch  wahr.  Eine 
Vergrösseruug  der  Milz  ist  nicht  nachzuweisen.  Nachdem 
diese  Krankheitserscheinungen  eine  Zeit  lang  förtbcstanden 
haben,  nehmen  die  Bewegungsstörungen  an  Intensität  zu. 
Der  Gang,  nur  noch  mit  Hülfe  eines  Stockes  möglich,  wird 
unsicher,  ataktisch,  ganz  ähnlich  dein  der  an  Tabes  dorsalis 
Leidenden.  Die  Kniee  werden  beim  Gehen  gehoben,  die 
Unterschenkel  nach  vorn  geschleudert.  Beim  Umwendeu 
Kehrt  machen  tritt  die  Unsicherheit,  beim  Aufstehen  die 
Schwäche  der  Beine  besonders  deutlich  zu  Tage.  Die  Patellar- 
Ueflexe  sind,  wenn  nicht  schon  vorher,  so  doch  jetzt  stets 
erloschen. 

Nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit,  in  der  Kegel  4—8 
Wochen,  tritt  dann  eine  völlige  Lähmung  der  unteren  Ex- 
tremitäten ein.  Hiermit  pflegen  auch  die  Schmerzcu  in  den 
Beinen  zu  verschwinden,  in  denen  nur  das  Gefühl  des  völligen 
Abgestorbenseins  herrscht. 

Den  Schluss  der  Krankheit  bildet  bei  ungünstigem 
Ausgange  das  Auftreten  von  Oedemen,  welche  in  den  untereu 
Extremitäten  beginnen  und  sich  allmählig  nach  oben  weiter 
verbreiten.  Es  kommt  zu  hydropischen  Ergüssen  in  die 
Bauchhöhle,  in  den  Herzbeutel,  mitunter  auch  in  das  Brust- 
fell, die  heftige  Athmungsbeschwerdcn  und  Erstickungsanfalle 
hervorrufen,  und  hierdurch  wird  dann  bald  das  Ende  des 
qualvollen  Leidens  herbeigeführt. 

In  einzelnen  Fällen  machen  sich  auch,  aber  immer  erst 
im  späteren  Verlauf  der  Krankheit,  dieselben  Sensibilitäts- 
uud  Motilitäts-Stönmgen  au  den  Armen  bemerkbar.  Doch 
fast  immer  tritt  der  Tod  bereits  ein,  bevor  es  zu  vollständiger 
Lähmung  der  oberen  Extremitäten  gekommen  ist.  Seltener 
ist  der  Ausgang  in  Geuesuug,  welche,  sind  erst  einmal  Oedeme 
aufgetreten,  nicht  mehr  zu  erwarten  ist.  Hierbei  zieht  sich 
das  Leiden  oft  unter  Wechsel  von  Remissionen  uud  Exa- 
cerbatiouen  über  Monate,  selbst  länger  als  ein  Jahr  hin,  all- 
mählig schwinden  die  charakteristischen  Kraukhcitserschciu- 


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239 


ungen,  die  Lähmung  geht  zurück,  der  Gang  bessert  sich, 
wird  schliesslich  völlig  gut,  die  Schmerzen  verschwinden, 
die  atropischen  Muskeln  erstarken  wieder,  der  Kranke  hat 
keine  Beschwerden  und  kann  aus  dem  Hospital  entlassen 
werden.  Doch  bleibt  immer  eine  stete  Beschleunigung  des 
Pulsschlages  zurück,  desgleichen  das  Symptom  des  Feldens 
der  Patella-Reflexe,  so  dass  diese  Leute  zu  anstrengender 
Arbeit  nicht  zu  gebrauchen  sind  und  immer  mit  einer  gewisseu 
Schonung  behandelt  werden  müssen. 

Ein  dritter  Ausgang  ist  der,  dass  nach  Ablauf  der 
heftigeren  Krankheitserscheiuuugen  eine  dauernde  Abmagerung 
und  Schwäche  der  unteren  Extrem itüteu  neben  der  bestehenden 
Pulsbcscldeunigung  zurückbleibt,  welche  die  Kranken  dauernd 
an  das  Hospitul  fesselt,  bis  schliesslich  nach  oft  erst  langer 
Zeit  das  Auftreten  vou  Oedemen  den  Tod  herbeifiihrt. 

Während  der  letale  Ausgang  der  Beri-Beri  bei  den 
Chiuesen  hier  fast  Regel  ist,  vielleicht  beeinflusst  das  unter 
denselben  stark  verbreitete  Opium-Essen  und  -Rauchen  die 
Krankheit  in  ungünstigem  Sinne-  kommt  die  relative  Ge- 
nesung und  der  zuletzt  erwähute  Ausgang  in  chronisches 
Siechtum  bei  Javanen  und  Mclanesen  nicht  gerade  selten  vor. 

Eine  zweite  Form  der  Beri-Beri,  welche  hier  ebenfalls, 
aber  nur  etwa  1/1U  so  häutig,  vorkommt  wie  die  oben  ge- 
schilderte, ist  die  acute,  peruieiöse  Beri-Beri.  Hierbei  kommen 
die  Kranken  von  vornherein  mit  stark  ausgeprägteu  Mo- 
tilitiitsstörungeu  und  Oedemen  in  das  Hospital.  Ebenso 
schnell,  wie  die  Krankheit  sich  entwickelt  hat,  schreitet  sie 
vor,  die  Oedeme  nehmen  rapid  zu,  unter  Cyanosc  und  Er- 
stiekungsfälleu  sterben  die  Kranken  bereits  nach  wenigen 
Tagen  oder  spätestens  in  2 — 3 Wochen. 

Endlich  kommen  drittens  offenbare  Mischinfektionen  vou 
Beri-Beri  und  Malaria  vor.  Es  ist  eine  bekannte  Thatsachc, 
dass  Malariaausbrüche  sich  den  verschiedensten  Krankheiten 
(auch  äusseren  Leiden)  hinzugeselleu.  W ährend  bei  reiner  Beri- 
Beri  die  Körper-Temperatur  dauernd  normal  um!  die  Milz 
nicht  vergrössert  ist,  habe  ich  in  einzelnen  Fällen  von  Beri- 
Beri  eine  plötzliche,  meist  nur  wenige  Stunden  andauernde 
Temperatursteigerung  bis  zu  40,5"  C.  mit  acuter  Milzsehwel- 
lung  beobachtet,  welche  nur  uls  ein  intermittirender  Malaria- 
Anfall  aufgefasst  sverdeu  konnte.  Regelmässig  bewirkte  der- 
selbe eiue  Verschlimmerung  des  Allgemeinbefindens,  bei 


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240 


Kranken,  die  noch  gehen  konnten,  z.  B.  eine  Zunahme  der 
Bewegungsstörung,  die  nach  mehrmaliger  Verabfolgung  von 
Chinin  [1,0 — 1,5  gr.  dosi],  ebenso  wie  die  Milzschwelluog, 
wieder  zurückging. 

Eine  andere  Form,  die  ich  als  Mischinfektion  von  ßeri- 
Beri  und  Malaria  bezeichne,  äussert  sich  in  folgender  Weise: 

Leute,  die  früher  schon  öfter  wegen  Malaria  behandelt 
waren,  kommen  mit  einer  massigen  Temperatursteigerung 
und  ausgesprochener  Milzvergrösserung,  mitunter  sogar  mit 
einem  recht  bedeutenden  Milztumor,  in  das  Hospital.  Gleich- 
zeitig klagen  sie  über  Schmerzen  und  Schwäche  in  den 
Beinen,  eine  ebenfalls  bei  Malaria  sehr  oft  vorkommende 
Erscheinung,  doch  deuten  der  unsichere  zitterige,  oft  bereits 
deutlich  ataktische  Gang,  das  Fehlen  der  Patella-Reflexe, 
und  besonders  die  Pulsbeschleunigung,  welche  nach  Nachlass 
des  Fiebers  bestehen  bleibt  und  sich  nach  raschen  Bewegungen 
stark  steigert,  auf  ein  gleichzeitiges  Erkranktsein  an  Beri- 
Beri  hin. 

Fälle  dieser  Art,  sowie  der  Umstand,  dass  hier  nach 
kräftigen,  wiederholten  Chiningaben  oft,  nicht  immer,  eine 
Besserung,  selbst  Heilung  eintritt;  haben  vielleicht  manche 
Aerzte  veranlasst,  Beri-Bcri  und  Malaria  als  identisch  zu 
erklären.  Doch  bietet  das  Krankheitsbild  der  reinen  Beri- 
ßeri  so  viel  specifisch  Charakteristisches  uud  von  Malaria 
Abweichendes,  dass  ich  diese  Krankheit  von  Malaria  scharf 
trenne,  ganz  abgesehen  davon,  dass  auch  Chinin  seine  bei 
Malaria  so  erprohte  Heilwirkung  bei  reiner  Beri-Beri  ganz 
versagt,  und  endlich  Beri-Beri  an  Orten  vorkommt,  die  von 
Malaria  völlig  frei  sind. 

Was  das  Auftreten  der  Beri-Beri  betrifft,  so  werden 
von  dieser  Krankheit  hier  nur  Männer  befallen,  wenigstens 
habe  ich  bei  Frauen  bisher  noch  keinen  Fall  gesehen,  und 
zwar  sind  es  keineswegs  nur  schwächliche  Individuen,  sondern 
ira  Gegenteil  in  der  Mehrzahl  kräftige  und  robuste  Leute, 
die  an  Beri-Beri  erkranken.  An  dieser  Thatsache  ändert 
nichts  der  Umstand,  dass  die  Krankheit  auch  bei  solchen 
auftritt,  die  vorher  öfter  an  Malaria  gelitten  haben.  Es  er- 
klärt sich  dieses  vielleicht  dadurch,  dass  häufige  Malaria- 
Fieber  die  Neigung  zur  Erkrankung  an  Beri-Beri  steigern. 

Die  Häufigkeit  des  Vorkommens  in  den  einzelnen 
Monaten  ist  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich : 


241 


Anzahl  der  Erkrankungen  an  Beri-Beri  in  den  Monaten 
April  1895  bis  December  1895: 


MoDat  Bestand 

eingekommen 

entlassen 

gestorben 

April  7 

5 

5 

3 

Mai  — 

2 

2 

1 

Juni  — 

2 

1 

1 

Juli  — 

2 

1 

— 

August  — 

1 

1 

1 

September  — 

15 

— 

6 

Oktober  — 

27 

— 

10 

November  — 

29 

1 

21 

December  — 

24 

5 

23 

bleibt  Bestand. 


Was  die  verschiedenen  Nationalitäten  betrifft,  so  wurden 
behandelt : 

55  Chinesen,  von  diesen  wurden  5 gebessert  entlassen, 
34  starben,  16  bleiben  Bestand : — ca.  9°/o  relative  Heilungen, 
62°/o  Todesfälle. 

13  Javanen,  von  diesen  3 gebessert  entlassen,  6 Todes- 
fälle 4 Bestand:  — 25°/o  relative  Heilungen,  50°/<>  Todesfälle. 

46  Melanesen,  von  diesen  8 relativ  geheilt,  26  Todes- 
fälle, 12  Bestand:  — 1 8 °/0  relative  Heilungen,  53°/o 

Todesfälle. 

Anzahl  der  Erkrankungen  an  Beri-Beri  in  den  Monaten 
Januar  1896  bis  März  1896: 


Monat  Bestand  eingekommeu  entlassen  gestorben  bloibt  Bestand. 
Januar  — 14  4 9 

Februar  — 4 3 5 — 

März  — 5 11  7 16 

Von  April  an  begann  die  Krankheit  zu  erlöschen,  im 
Mai  und  Juni  sind  unter  den  Javanen  und  Melanesen  gar 
keine  neuen  Erkrankungen  dieser  Art  aufgetreten,  unter  den 
Chinesen  nur  einige  Rückfälle  bei  Leuten,  die  schon  früher 
an  Beri-Beri  gelitten  hatten.  Die  Beri-Beri  Kranken  sind 
seit  Mitte  April  in  einem  neu  zu  diesem  Zweck  errichteten, 
geräumigen  Hause,  isolirt  von  den  anderen  Kranken,  unter- 
gebracht. Die  an  dieser  Krankheit  leidenden  Chinesen  und 
Javanen  werden,  soweit  sie  transportfähig  sind,  mit  dem 
rückkehrenden  Reichspostdampfer  nebst  einer  Anzahl  no- 
torisch unbrauchbarer  Kulis  in  ihre  Heimat  zurückgesandt. 
Jetzt  (im  Juni  1896)  hat  die  Seuche  ganz  aufgehört. 


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242 


Demgemäss  neigen  die  Chinesen,  deren  Gesamratzahl 
hier  geringer  als  die  der  Melanesen  und  der  der  Javanen 
durchschnittlich  ungfahr  gleich  ist,  am  meisten  zu  Er- 
krankungen an  Beri-Beri  mit  dem  grössten  Prozentsatz  an 
Todesfällen.  Darauf  folgen  die  Melanesen,  und  zwar  be- 
treffen die  Erkrankungen  an  Beri-Beri  etwa  zu  3 n Melanesen, 
zu  lU  Jabims,  Eingeborene  aus  Kaiser  Wilhelmslaud  in  der 
Umgebung  von  Finschhafen,  welche  demnach  von  dieser 
Krankheit  auch  nicht  völlig  verschont  bleiben,  und  am 
wenigsten  von  den  farbigen  Arbeitern  scheineu  die  Javanen 
hier  zu  dieser  Krankheit  disponiert  zu  sein.  Die  Europäer 
hingegen  besitzen  anscheinend  eine  völlige  Immunität  gegen 
diese  Krankheit,  da  trotz  der  nicht  unbeträchtlichen  Anzahl 
der  an  Beri-Beri  erkrankten  Kulis  noch  keiner  der  hier 
anwesenden  Europäer  von  dieser  Krankheit  ergriffen  ist. 
Die  Aufstellung  zeigt,  dass  die  Erkrankungen  an  Beri-Beri 
zu  einer  Zeit  sich  häuften,  in  welcher  nach  einer  etwa  drei- 
monatlichen, absoluten  Trockenheit  die  ersten  schweren 
Regengüsse  den  Eintritt  der  Regenzeit  ankündigten,  eine 
Periode,  die  mit  relativ  hohem  und  starkem  Wechsel  der 
Lufttemperatur  verbunden  war,  dass  Witterungseinflüsse  der 
angegebenen  Art  einen  ungünstigen  Einfluss  ausübten,  scheint 
ausser  Frage  zu  sein.  Doch  über  sonstige  etwaige  Ent- 
stehungs-Ursachen der  Beri-Beri  vermag  ich  wenig  anzugeben. 
Dauernder  Aufenthalt  in  überfüllten,  schlecht  gelüfteten 
Räumen,  einseitige  und  mangelhafte  Nahrung,  brackisches 
Trinkwasser,  Ursachen,  welche  von  Aerzten  anderer  Länder 
angegeben  werden,  sind  für  die  hiesige  Verhältnissen  nicht 
zutreffend.  Am  meisten  wahrscheinlich  scheint  mir  noch  zn 
sein,  dass  häufige  und  anhaltende  Durchnässungen  die  Dis- 
position zu  Erkrankungen  an  Beri-Beri  steigeru.  Auch  über 
die  Art  und  Weise,  wie  die  Infektion  zu  Stande  kommt, 
ob  ein  bestimmtes  Kontagium  existiert,  welches  die  Krankheit 
von  Person  zu  Person  übermittelt,  ist  bisher  noch  nichts 
Sicheres  festgestellt.  Doch  zwei  Thatsachcn,  welche  sich 
mir  bei  Beobachtung  meiner  Fälle  aufgedrängt  haben,  möchte 
ich  nicht  unerwähnt  lassen.  Erstens  leiden  ungefähr  */ 1 
meiner  Bcri-ßeri-Kranken  gleichzeitig  an  Unterschenkcl- 
oder  Fuss-Geschwüren,  meist  sogar  keineswegs  sehr  aus- 
gedehnten, welche  jedoch,  im  Gegensatz  zu  Geschwüren 
gesunder  Leute,  immer  wenig  Teudenz  zur  Heilung  zeigen. 


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243 


Auch  habe  ich  in  einzelnen  wenigen  Fällen  Beri-Beri  bei 
Leuten  auftreten  sehen,  die  ursprünglich  nur  wegen  Unter- 
schenkclgeschwüren  in  das  Hospital  aufgenommen  wurden 
und  bei  ihrer  Aufnahme  noch  keinerlei  Zeichen  von  Beri- 
Beri  boten.  Erst  nach  4— 6 Wochen,  mitunter  ganz  plötzlich 
nach  einer  vorangegangenen  acuten  Temperatur-Steigerung, 
klagten  sie  über  Schmerzen  und  Schwäche  in  beiden  Beinen, 
und  die  Untersuchung  ergab  das  Vorhandensein  von  Beri- 
Beri.  Da  die  Möglichkeit  uicht  ausgeschlossen  erscheint, 
dass  eine  Wunde  oder  Geschwürstläche  die  Eingangspforte 
für  den  noch  unbekannten  Ansteckungsstoff  der  Beri-Beri 
bildet,  so  briuge  ich  im  Hospital  an  Beri-Beri  Erkrankte 
oder  solche,  die  dieser  Krankheit  verdächtig  sind,  nie  mit 
den  nur  an  äusseren  Krankheiten  Leidenden  in  demselben 
Hause  zusammen  unter,  sondern  isolire  dieselben  nach  Mög- 
lichkeit, soweit  der  Platz  es  erlaubt,  in  einem  der  iur  die 
innerlich  Kranken  bestimmten  Häuser.  — 

Zweitens : Eine  besondere  Disposition  zu  Beri-Beri 
scheinen  kurze,  untersetzte  Leute  zu  besitzen  von  gedrungener 
Gestalt  mit  breitem,  etwas  emphysematosem  Brustkasten, 
mit  kurzem,  dickem  Hals,  uud  zwar  halte  ich  die  Vorher- 
sage (Prognose)  bei  diesen  Kranken,  was  die  Lebensdauer 
anbetriflt,  für  besonders  ungünstig.  In  4 Fällen  sah  ich 
Beri-Beri  Kranke  dieser  Art  ganz  plötzlich  — ich  möchte 
fast  sagen  unerwartet  — infolge  acuter  Herzlähmung  ein- 
gehen.  Die  Prognose  überhaupt  ist  bei  dieser  Krankheit 
hier  nicht  günstig,  wenigstens  was  absolute  Heilung  betrifft. 
Bei  der  acuten,  pernieiösen  Form  dagegen  ist  sie  durchaus 
schlecht.  Am  deutlichsten  ergiebt  sich  dieses  aus  der  Tabelle, 
nach  welcher  man  auf  etwa  55°/o  Tote  rechnen  muss. 

Was  die  Heilmittel  für  diese  Krankheit  betrifft,  so 
steht  in  erster  Linie  Luftveränderung,  und  zwar,  da  wir  hier 
in  eiucr  Ebene  leben,  Ueberfülirung  der  Kranken  nach  höher 
gelegenen  Punkten.  Selbst  in  veralteten  Fällen  und  bei  ge- 
lähmten Kranken  soll  dieses  Mittel  in  Java  noch  Erfolg 
gehabt  haben.  Da  wir  auf  diesen  Heilfaktor  verzichten 
müssen,  und  es  auch  kein  mcdicamentöses  specilisches  Mittel 
gegen  diese  Kraukheit  giebt,  müssen  wir  uns  ausser  diäte- 
tischen Massregeln,  gute  Ernühruug,  Fernhalten  aller  Schäd- 
lichkeiten, auf  symptomatische  Mittel  beschränken.  Zu  diesen 
gehören  in  erster  Linie  solche,  welche  die  Hcrztbätigkeit 


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244 


verlangsamen,  Digitalis  in  kleinen  Dosen,  Strophantus-Tiuctnr 
u.  A.,  und  welche  gleichzeitig  die  stets  verminderte  Urin- 
Sekretion  anregen.  In  den  Fällen,  bei  welchen  man  an- 
nehraen  kann,  dass  Malaria  mitspielt,  ist  Chinin  entschieden 
am  Platze  und  mitunter  von  guter  Wirkung.  Gegen  andere 
eventuelle  Komplikationen,  wie  Herzkollaps  etc.  zieht  man 
mit  den  entsprechenden  Mitteln  zu  Felde. 

Was  die  Entstehung  dieser  Krankheit  betrifft,  so  glaube 
ich  bestimmt,  dass  dieselbe  vor  längerer  Zeit  von  chinesischen 
Kulis,  die  vor  ihrer  Ankunft  hier,  schon  früher  einmal  an 
Beri-Beri  gelitten  hatten,  eingeschleppt  und  von  diesen  auf 
andere  übertragen  ist,  und  dass  dieselbe  durch  irgend  welche 
äussere  ungünstige  Verhältnisse  Ende  vorigen  Jahres  eine 
grössere  Ausdehnung  gewann.  Es  liegt  kein  positiver  Be- 
weis oder  auch  nur  irgend  ein  Anhaltspunkt  vor,  dass  sich 
in  der  Astrolabe-Ebene  selbst  ein  direkter,  sogenannter  Beri- 
Beri-Heerd,  der  sich  an  eine  bestimmte  Lokalität  knüpft, 
befindet,  von  welchem  die  Seuche  spontan  ihren  Ausgangs- 
punkt nimmt.  Trotzdem  werde  ich  auch  in  Zukunft,  sollten 
wieder  frische  Erkrankungen  an  Beri-Beri  vorkomman  noch 
genauer,  wie  bisher,  in  jedem  einzelnen  Falle  feststellen,  wo 
der  Erkrankte  in  der  letzten  Zeit  gearbeitet  hat,  mit  welcher 
Art  von  Arbeit  er  beschäftigt  war,  in  welchem  Hause  er 
gewohnt  hat,  und  dergl.  und  hierüber  genau  Buch  fuhren, 
um  auf  diese  Weise,  wenn  möglich,  genauere  Anhaltspunkte 
zu  finden,  nach  welchen  man  etwaige  Vorbeugungs-Massregeln 
gegen  die  Krankheit  treffen  könnte. 

Dr.  med.  Wendland, 

Arzt  der  Astrolabo  Compagnie. 


Typhus  und  Gelbes  Fieber. 

Von  Dr.  Friedrich  Semeleder. 


(Ich  bemerke  dass  ich  unter  Typhus  verstehe  das  Typhus- 
fever der  Engländer,  den  Typhus  der  Franzosen,  den  Petechial- 
typhus, und  dass  ich  den  sogenannten  Abdominaltyphns,  Ty- 
phoid fever,  enteric  fever,  Fifcvre  typhoide,  als  typhöses 
Fieber  bezeichnen  werde.) 


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Eine  bemerkenswerthe  Erscheinung  in  der  Pathologie 
Mexiko’s  ist  das  Ausschliessungsverhältniss  zwischen  Typhus 
und  Gelbfieber.  Über  den  Typhus  als  Krankheit  brauche 
ich  nichts  zu  sagen.  Auf  dem  mexikanischen  Hochlande  ist 
der  Typhus  einheimisch,  endemisch  und  oftmals  epidemisch ; 
unter  1200  Meter  Seehöhe  kömmt  der  Typhus,  man  kann 
sagen  „NIE“  vor.  Ganz  tüchtige  Aerzte,  denen  das  Bild  des 
Typhus  von  ihrer  Studienzeit  in  der  Hauptstadt  nur  zu 
geläufig  ist  und  die  in  Orizaba,  in  Cordoba,  in  Veracruz 
und  in  anderen  Küstenorten  seit  30  und  35  Jahren  praktiziren, 
erklären  in  dieser  Zeit  einen  oder  gar  keinen  Fall  von  Typhus 
gesehen  zu  haben ; und  selbst  iu  diesen  einzelnen  Fällen  ist 
eine  Einschleppung  nicht  vollkommen  ausgeschlossen. 

Umgekehrt  verhält  es  sich  mit  dem  gelben  Fieber.  Auch 
über  dieses  will  ich  nur  weniges  sagen.  Je  mehr  darüber 
geschrieben  wird,  desto  greller  tritt  zu  Tage,  wie  wenig  wir 
eigentlich  davon  wissen. 

Die  Frage  der  Ursprungsstätte  des  gelben  Fiebers  ist 
noch  nicht  erledigt.  In  Mexiko  glaubt  man  allgemein,  dass 
die  Krankheit  von  der  Westküste  Afrika’s  im  Jahre  1699 
eingeschleppt  wurde  durch  ein  englisches  Sclavenschilf,  obwohl 
der  Geschichtsschreiber  Clavigero  behauptet  diese  Krankheit 
wäre  in  Mexiko  unbekannt  gewesen  bis  1725.  Fiulay  in 
Habana  (Edinburg  medical  Journal,  Juli  1894)  und  Le  Hardy 
(Virginia  medical  Monthly,  Juni  1894)  neigen  der  Ansicht 
zu,  dass  jene  Krankheit  „Gelbes  Fieber“  war,  die  so  schreckliche 
Verwüstungen  unter  Columbus’ Begleitern  und  unter  den  ersten 
Spanischen  Ansiedlern  an  den  Küsten  Westindiens  anrichtete. 
Andere  glauben,  jene  grossen  Epidemien,  die  vor  Ankunft  der 
Spanier  in  Yucatan  wüteten,  wären  Gelbfieber  gewesen.  Im 
Gegensätze  zu  diesen  behauptet  Verrier  (Bulletin  medical, 
Paris,  April  1894)  entgegen  der  allgemeinen  Meinung,  das 
gelbe  Fieber  sei  von  Amerika  nach  Afrika  übertragen  worden, 
wo  die  erste  bekannte  Epidemie,  ebenfalls  durch  ein  Sclaven- 
scliiff  verursacht,  in  das  Jahr  1760  fiele.  Verrier  und  Dupont, 
Chefarzt  der  französchen  Marine,  vertreten  die  Ansicht,  die 
Französischen  Ansiedlungcn  an  der  afrikanischen  Westküste 
wären  gar  nicht  so  ungesund ; was  man  am  Senegal  und  in 
Sierra  Leone  den  „Typhus  amaril“  nennt,  sei  gar  kein  „Vdruito.“ 
sondern  ein  bösartiges  Fieber,  das  sie  „Fiövre  bilieusc  höma- 
turique“  nennen  und  das  seine  Entstehung  der  Schwächlich- 

Archir  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygicue.  18 


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keit,  Unmässigkeit  und  Nachlässigkeit  der  Eingebornen  ver- 
dankt. Verricr  führt  zu  Gunsten  seiner  Ansicht  an,  dass 
der  amerikanische  Schwarze  immun  ist,  dadurch  dass  er  seit 
so  langer  Zeit  die  Gelbtiebergegenden  bewohnt,  während  der 
afrikanische  Neger  das  gelbe  Fieber  ebenso  leicht  bekäme  als 
der  weisse  Mann.  (!) 

Dagegen:  Zu  Anfang  der  lezten  französischen  Expedition 
nach  Mexiko  litten  die  Soldaten  fürchterlich  von  dem  gelben 
Fieber.  Mit  Galgenhumor  nannten  sic  den  Friedhof  von 
Veracruz  den  „Jardin  d’aclimatation“.  Auf  Vorschlag  Ehr- 
mann’s,  des  Chefarztes,  wurde  der  Vizekönig  von  Egypten 
gebeten,  ein  paar  Regimenter  Sudanneger  als  Besatzung  für 
Veracruz  und  die  Küste  zu  borgen,  da  man  sie  für  gefeit 
gegen  gelbes  Fieber  hielt  (s.  o.).  So  geschah  es,  und  obwohl 
allen  anderen  Tropen-Krankheiten  unterworfen,  — Ruhr. 
Malaria,  Leberleiden  etc.  — blieben  sie  doch  frei  vom  gellten 
Fieber  und  bewahrten  tausende  französische  Soldaten  vor 
dem  Tode. 

Das  gelbe  Fieber  ist  endemisch  an  der  Küste  des  mexi- 
kanischen Meerbusens,  in  Veracruz  und  Umgebung,  im  Canton 
von  Frontera  (Staat  Tabasco),  in  Campeehe  und  Isla  del 
Carmen  (Staat  Campeche)  und  an  der  Nord-  und  Ostküste 
der  Halbinsel  Yucatan.  (Geografia  mödiea  de  la  Rcpublica 
Mexicana,  por  el  Dr.  D.  Orvananos,  Mexiko,  1889)  Von  diesen 
Orten  verbreitet  sich  die  Krankheit  an  den  Küsten  und  nach 
dem  Inneren,  aber  so  dass  auf  eiuer  Seehöhe  von  1227  Metern 
(Orizaba)  wohl  in  manchen  Jahren  hunderte  von  Gelbfieber- 
Kranken  zur  Behandlung  kommen,  die  aber  insgesammt  die 
Krankheit  an  anderen  Orten  erworben  haben.  In  Orizaba 
selbst  kommt  es  zu  keinen  Epidemien  von  gelbem  Fieber. 
Anders  in  Cördoba,  830  Meter  über  der  See,  wo  sich  alle 
acht  bis  zehn  Jahre,  ja  gelegentlich  in  zwei  aufeinander 
folgenden  Jahren,  schwere  Epidemien  einstellen.  Die  Immunität 
dauert  hier  dann  bis  sich  wieder  eine  entsprechende  Zahl 
nicht  durchseuchter  Leute  angesaramclt  hat.  Ein  Ort,  geuannt 
Fortin,  zwischen  Cördoba  und  Orizaba,  etwa  auf  1000  Meter 
Höhe,  bezeichnet  die  Grenze  über  welche  hinaus  das  gelbe 
Fieber  nicht  mehr  epidemisch  vorkömmt. 

Wie  man  sieht  ist  die  Brutstätte  des  gelben  Fiebers 
an  der  mexikanischen  Ostküste;  an  der  Westküste,  unter 
sonst  gleichen  Umständen,  und  trotz  des  Verkehrs  über 


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Panamü  und  über  die  Landenge  von  Tehuantepec,  kömmt 
es  nur  in  sehr  grossen  Zwischenräumen  zu  Epidemien  von 
gelbem  Fieber  durch  Einschleppung. 

Es  wäre  gewiss  lehrreich  und  vielleicht  auch  möglich, 
zu  erfahren,  wie  sich  Typhus  und  das  gelbe  Fieber  zu  ein- 
ander in  anderen  Teilen  des  tropischen  Amerika  verhalten. 

W as  nun  das  typhöse  Fieber  anbelangt,  so  behaupten 
die  mexikanischen  Aerzte  steif  und  fest,  dass  es  in  Mexiko 
gar  nicht  vorkäme,  weder  auf  dem  Hochlande,  noch  an  den 
Küsten.  Europäische  Aerzte,  denen  das  Bild  des  typhösen 
Fiebers  so  wohl  bekannt  ist,  sind  der  Ansicht,  dass  das 
typhöse  Fieber  in  einzelnen  seltenen  Fällen  auf  dem  Hochlande 
zu  beobachten  ist.  Das  ist  auch  meine  Meinung.  Patho- 
logisch-anatomische Daten  stehen  mir  nicht  zu  Gebote : es 
ist  eben  von  meinen  Kranken  keiner  gestorben,  und  auch  in 
der  Privatpraxis  schwer  Autopsien  zu  machen;  aber  es  wäre 
doch  gar  zu  jämmerlich,  wenn  die  Diagnose  des  typhösen 
Fiebers  nur  an  der  Leiche  zu  macheu  wäre. 

Wie  verhalten  sich  nun  Typhus  und  typhöses  Fieber 
in  anderen  heissen  Ländern?  In  Ostindien,  Bombay,  Ahme- 
dabad etc.  ist  Typhus  äusserst  selten  und  die  Eingeborenen 
sind  frei  vom  typhösen  Fieber.  Die  Erklärung  dafür,  dass 
die  Einwohner  von  ihren  Vorfahren  her  mit  diesem  Gifte 
gesättigt  seien,  (Indian  medico-chirurgical  Review,  Bombay, 
1894)  scheint  mir  gar  sehr  gesucht.  Typhöses  Fieber  kömmt 
auf  den  Antillen  vor  Die  eingebornen  Truppen  in  Allgericn 
sind  fast  immun  dafür  und  wohl  nicht  nur  die  Truppen.  (A. 
Marvaud,  Provincial  medical  Journal.  Leicester,  England,  Juni 
1894).  In  1878  betrug  die  Sterblichkeit  an  typhösem  Fieber 
unter  den  eingeborenen  Tirailleurs  d’Afrique  1,5  zu  1,000, 
unter  den  Zuaven  22,2  und  in  der  Fremdenlegion  15,4  auf 
Tausend.  Die  Einflüsse  der  Ermüdung,  Verpestung  des 
Bodens,  gedrängten  Zusammenlebens,  schlechter  Wohnstätten 
und  Nahrung,  wirken  aber  in  Algier  ebenso  wie  in  Frankreich 
und  vielleicht  noch  schlimmer  unter  dem  heissen  Klima. 

Hier  liegen  also  verschiedene  Fragen  vor,  zu  deren 
Aufklärung  Ihr  geschäztes  Blatt  vielleicht  beitrageu  kann. 

Dr.  Sem  nieder, 

Cordoba,  Staat  Vcracruz,  Mexiko. 

März  1897. 

I.s* 


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Oer  Parasitenbefund  bei  den  Malariafiebern  und  seine 
Verwerthbarkeit  für  die  Erkennung,  Behandlung  und 
Verhütung  der  Malariafieber  *) 

von  Dr.  Reinhold  Rüge,  Marinestabsarzt. 

(Zusammenfassender  Bericht  unter  Verwerthung  eigener  Beobachtungen.) 


Der  französische  Militairarzt  Laveran,  der  am  6.  No- 
vember 1880  in  Constantine  im  Blute  eines  Malariakrankcn 
die  Erreger  der  Malariafieber  entdeckte,  schrieb  1884  in 
seinem  Buche:  Traitd  des  fiövres  palustres  (p.  VI):  „On 
peut  dirc  sans  exagdration,  ce  me  semble,  que  l'histuire  du 
palttdismc  forme  aujourd’htii  ttn  des  chapitres  les  plus  clairs, 
les  plus  prdeis  de  la  pathologie  . . Das  hat  sich  nun  leider 
nicht  bewahrheitet.  Es  ist  allerdings  gelungen,  mit  Hülfe 
jener  Entdeckung  verschiedene  bis  dahin  dunkle  Erscheinungen 
in  der  Pathologie  der  Malariafieber  in  befriedigender  W eise 
zu  erklären,  aber  in  vielen  anderen  Beziehungen,  namentlich 
in  den  Beziehungen,  die  die  Malariafieber  zur  Aussenwelt 
haben,  hat  uns  die  Laveran’sche  Entdeckung  vor  der  Hand 
nicht  weiter  geholfen. 

Wenn  ich  nun  im  Folgenden  untersuchen  will,  in  wie 
weit  die  Kenntniss  der  Malariaparasiten  für  die  Erkennung, 
Behandlung  und  Verhütung  der  Malariafieber  verwerthbar  ist, 
so  ist  es  zunächst  unumgänglich  nöthig,  eine  kurze  Be- 
schreibung der  Malariaparasitcn  selbst  zu  geben.  Aber  hier 
beginnen  bereits  die  Schwierigkeiten.  Anerkannt  werden  ja 
zur  Zeit  die  Malariaamöben  von  allen  Forschem  als  die 
Erreger  der  Malariafieber,  und  die  Versuche  von  Klcbs  und 
Tommasi-Crudeli  *),  von  Cuboni  und  Marchiafava s),  Mar- 
chand  ■’)  Ziehl4)und  Schiavuzzi5)  mit  ihren  bacillus  mnlariae, 

*)  Nachstehende  Abhandlung  war  druckfertig  als  in  dieser  Zeit- 
schrift Bd.  I.  der  Aufsatz  von  A.  Biehn  ,,Die  Blutuntersuchnngen  in 
tropischen  Fiebergegenden  und  ihre  praktische  Bedeutung“  erschien. 
Der  Leser  wird  finden,  dass  ich  theilweise  zu  ähnlichen  Resultaten 
und  Folgerungen  gekommen  bin. 

')  Arch.  f.  experim.  Patholog.  18711  S.  311.  *)  Arch.  f.  experim. 
Fatholog.  Bd.  XIII.  S.  266.  *)  Virch.  Arch.  Bd.  88,  S.  UH.  *)  Deutsch, 
med.  Woch.  1882  S.  (117.  *)  Ziegler-Neuwerck,  Beiträge  zur  path. 

Anatom.  18811  S.  -121. 


249 


sowie  die  Versuche  vou  Mosso1)  und  Maragliano2)  die  Ma- 
lariaparasiten für  Degenerationszustände  der  rotlien  Blut- 
körperchen zu  erklären,  haben  nur  noch  historischen  Werth3). 
Aber  trotzdem  und  obgleich  sich  hunderte  vou  Arbeiten  mit 
der  Erforschung  der  Malariaparasiten  belasst  haben,  ist  noch 
nicht  einmal  darüber  eine  endgültige  Einigung  vorhanden, 
ob  wir  eine  oder  mehrere  Parasitenarleu  anzunelnuen 
haben.  Es  ist  nicht  meine  Absicht,  in  den  folgenden  Zeilen 
alle  die  Ansichten  der  verschiedenen  Autoren  zu  briugcu, 
welche  für  die  eine  oder  audere  Annahme  sprechen,  sondern 
ich  will  nur  die  hauptsächlichsten  hervorheben,  die  Anspruch 
auf  Beachtung  machen  können  und  die  nicht  nur  von  ihren 
Autoren  aufgestellt,  sondern  auch  vou  anderer  Seite  unter- 
stützt und  bestätigt  worden  sind. 

Zur  Zeit  ist  es  hauptsächlich  nur  noch  Lavcrau,  der 
auf  seinem  alten  Standpunkt  stehen  geblieben  ist  und  be- 
hauptet, dass  der  Malariaparasit  einheitlich,  aber  polymorph 
ist4).  Deun  die  Berichte  anderer  Beobachter  wie  Richard 
Osler6),  Councilman7),  und  Abbos8),  die  vor  Golgi’s  Arbeiten 
erschienen  und  sich  im  Wesentlichen  damit  bcguügten,  das 
Vorhandensein  der  Parasiten  festzustellen,  können  bei  dieser 
Frage  uicht  mit  in  Betracht  kommen.  Laveran  gegenüber 
stehen  Golgi3)  und  die  Italiener10),  die  folgende  Formen 
unterscheiden : 

1.  Den  Parasiten  der  febris  quartana, 

2.  Den  Parasiten  der  febris  tertiana, 

3.  Den  Parasiten  der  Sommer -Herbst- Fieber,  (kleine 
Parasiten). 

Von  letzterem  sind  wieder  verschiedene  Unterarten  getrennt 
wordeu.  Die  ersten  deutschen  Autoren,  denen  in  der  Heimath 
nur  wenige  Fälle  für  ihre  Untersuchungen  zur  Verfügung 


’)  Berlin.  Klin.  W.  1887.  Virch.  Arch.  Bd.  109,  Arcli.  ital.  de 
biolog.  1K90  p.  203.  *)  Arcli.  ital.  de  Biologie  1891  p.  200.  *)  Letztere 
Ansicht  wurde  durch  die  Arbeit  von  Cattaneo  u.  Monti  im  Arch.  ital. 
de  biolog.  1888.  p.  -408  endgültig  widerlegt.  <)  Arch.  de  med.  experim. 
et  de  l'anatom.  path.  1889  p.  827  u.  Du  paludisme  et  de  son  htmalo- 
zoaire  1891  p.  124  u.  folgende.  *)  C.ornpt.  rend.  1882  p.  496.  •)  British 
med.  journ.  1887  p.  556.  ’)  Fortschr.  d.  Med.  1888  S.  -457.  *)  Amcric. 
journ  of  med.  etc.  1885  p.  416.  *)  Fortschr.  d.  Med.  1886  S.  575; 

Arch.  ital.  de  biolog.  1887,  8;  Fortschr.  d.  Med.  1889  S.  81.  I#)  Arch. 
ital.  de  biolog  1888,  p.  285 ; 1890  p.  802 ; 1890  p.  301 ; 1891  p.  157. 


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250 


standen,  wie  Brand  '),  Dolega 2),  F.  Plelin 3),  Quincke  4)  und 
Rosin  Ä)  sprechen  sich  theilweise  vorsichtiger  aus  als  Laverao. 
Sie  begnügen  sich  damit,  das  Vorhandensein  der  Parasiten 
zu  constatiren  und  sehen  von  einer  Unterscheidung  der  Arten 
ab,  ohne  aber  das  Vorhandensein  solcher  direkt  in  Abrede 
zu  stellen.  Anderson8)  (Mauritius)  that  dasselbe.  Die  neueren 
Arbeiten  — abgesehen  von  den  italienischen,  die  sich  von 
Anfang  an  in  Uebcreinstimmuug  mit  den  Golgi’schen  befinden 
— wie  die  von  Sacharoff7),  Fitroff8),  Mannaberg*),  Jancso 
und  Rosenberger10)  sprechen  sich  durchaus  für  Golgi’s  Ein- 
thcilung  aus,  sodass  kein  Zweifel  mehr  darüber  bestehen 
kann,  dass  es  in  der  That  verschiedene  Arten  von  Malaria- 
parasiteu  giebt.  Dock  u)  unterscheidet  large  (heimischer 
Tcrtianaparasit)  und  small  plasmodium  (balbmondbildender 
Parasit),  beobachtete  aber  keine  febris  quartana. 

Ich  selber  habe  nur  wenige  Fälle  von  Malariafiebcm 
bakteriologisch  untersuchen  können.  Ich  habe  aber  sowohl 
die  heimischen  als  auch  die  tropischen  Malariaparasiten  ge- 
sehen und  muss  sagen,  dass  schon  der  morphologische  Unter- 
schied zwischen  beiden  Arten  so  in  die  Augen  springt,  dass 
er  nicht  weggeleugnet  werden  kann  12).  Ich  schliesse  mich  der 
Eintheiluug  Mannaberg’s  1S)  an,  der  h alb m on d b i 1 d e nde 
und  nicht  halbmondbildende  Parasiten  unter- 
scheidet. 

Die  erste  Gruppe,  die  halbmondbildenden  (kleiuen) 
Parasiten,  zeigt  einen  unregelmässigen  Entwicklungsgang 

')  Deutsch,  ined.  W.  1890  S.  864.  *)  Fortschr.  d.  Med.  1890 

S.  709  u.  9.  Congr.  f.  innere  Med.  1890  S.  513. 

■i  Zeitschr.  f.  Hyg.  1890  S.  578,  Berlin.  Klin.  Woch.  1890  S.  292 ; 
In  seiner  Broschüre  „Aetiologische  und  Klinische  Malariasludien".  1890 
sprach  sich  Plelin  aber  gegen  Golgi’s  F.intheilung  aus.  Ebenso  Bein 
in  seinen  aetiologischen  und  experimentellen  Beiträgen  zur  Malaria, 
Sonderabdruek  aus  den  Charite-Annalen  XVI.  Jahrg.  S.  23.  Fischer 
hatte  1887  das  Vorhandensein  von  Malariaparasiten  in  Abrede  gestellt. 

«)  Bef.  in  Fortschr.  d.  Hed.  1890  S.  296.  *)  Deutsch,  mcd.  W 

1890  S.  326.  *)  Laneet  1890  Aug.  23.  »)  Ref.  im  Ctrlbl.  f.  Bakt.  1891 

Bd.  IX.  S.  16.  •)  Ref.  im  Centrlbl.  f.  Bakt.  Bd.  IX.  S.  281.  •)  Die 

Malariaparasiten  1893  S.  58.  ,<l)  Arch.  f.  Klin.  Med.  Bd.  XXI.  S.  +19- 

n)  Dock : Med.  News  1891  p.  1 u.  Med.  News  1890. 

'*)  Canalis.  Arch.  ital.  de  biolog  1890  p.  266  sagt  darfilier:  ..Der 
Beobachter  der  beide  Parasitenarten  mit  einander  vergleichen  kann,  ist 
erstaunt  über  den  Grössenunterschied“. 

'*)  Die  Malariaparasilen  1893  S.  99. 


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und  ruft  die  schweren , unregelmässigen  Fieber  hervor, 
kann  aber  auch  bisweilen  eine  febris  quotidiana,  tertiana 
und  quartana’)  bedingen.  Sie  sind  den  schweren  Malaria- 
fiebern eigen,  die  südlich  der  Alpen,  im  Sommer  und  Herbst 
in  den  Tropen  und  Subtropen  aber  in  allen  Jahreszeiten 
beobachtet  werden.  Die  Italiener  haben  versucht,  verschiedene 
Unterarten  von  diesen  Parasiten  aufzustellen.  Doch  sind  die 
gemachten  Unterschiede  noch  so  fein  und  wenig  bestimmt, 
dass  ich  auf  ihre  Anführung  verzichte  und  die  halbmond- 
bildeuden  (kleinen)  Parasiten  als  eine  Art  abhandeln  werde. 
Die  zweite  Gruppe  umfasst  die  Parasiten  mit  regelmässigem 
Entwicklungsgang.  In  dieser  Gruppe  werden  von  deu 
Italienern  und  einigen  anderen  Forschern  (siehe  oben)  2 Unter- 
arten unterschieden.  Der  eiue  Parasit  nämlich  vollendet 
seine  Entwicklung  in  48  Stunden  uud  ist  der  Erreger  der 
heimischen  febris  tertiaua,  der  andere  in  72  Stunden  und 
ist  der  Erreger  der  heimischen  febris  quartaua.  Da  die 
Parasiten  der  2.  Gruppe  einfachere  Verhältnisse  aufweisen, 
eingehender  studirt  worden  sind  uud  . ihre  Morphologie 
und  Biologie  von  verschiedenen  Seiten  übereinstimmend  ge- 
schildert worden  ist,  so  bespreche  ich  sie  zuuächst,  die  nach- 
folgende Schilderung  der  3 Parasitenarten  entnehme  ich  vor- 
wiegend den  Arbeiten  Golgi’s8)  und  der  Italiener8) 

A.  Ule  Parasiten  ohne  Halbmondbildung. 

a)  Der  Parasit  der  Febris  quartana. 

Einige  Stunden  nach  dem  Anfalle  findet  man  bei  der  Untersuchung 
frischer  Präparate  in  den  rotben  Blutkörperchen  kleine  helle  Flecke, 
ohne  Pigment  mit  langsamen  amoeboiden  Bewegungen  die  etwa  */s  — 
'/»  des  Durchmessers  der  rothen  Blutscheiben  haben. 

1.  Phase,  amoeboides  Stadium  der  Autoren.  Am  ersten  Tage 
der  Apyrexie  zeigen  sie  noch  langsame  ainoeboide  Bewegungen,  aber 
bereits  ziemlich  reichliches,  schwarzrothes  Pigment,  das  in  Form  von 
plumpen  Stäbchen  oder  Körnchen  unregelmässig  über  den  Körper  des 
Parasiten  zerstreut  ist.  Am  2.  Tage  der  Apyrexie  sind  die  Parasiten 
soweit  gewachsen,  dass  sie  •/« — */»  der  rothen  Blutscheibe  erfüllen; 
das  Blutkörperchen  selbst  ist  etwas  verblasst  (2.  Phase,  amoeboides 

')  Ziemann,  Centralbl.  f.  Bukt.  Bd.  XX.  S.  (562.  Es  liesse  sich 
deshalb  vielleicht  das  Vorhandensein  eines  malignen  Tertiana  und 
eines  malignen  Quartanaparasilen  annehmen.  Festgestellt  ist  aber  in 
dieser  Beziehung  noch  gar  nichts.  Bef. 

')  Fortschr.  d.  Med.  1K8I1  S.  675.  Arch.  ital  de  biolog.  18H7, 
Fortschr.  d.  Med.  1889  S.  81. 

*)  siehe  vorige  Seite. 


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252 


Stadium  der  Autoren).  Am  Tage  des  Anfalls  treten  folgende  Ver- 
änderungen auf:  Die  Substanz  des  rothen  Blutkörperchens,  das  bis 

zuletzt  eine  gelbgrüne  Farbe  behalten  hat.  verschwindet,  das  Pigment 
beginnt  den  nunmehr  als  freies  pigmentirtes  Körperchen  erscheinen- 
den Parasiten  durch  radiär  gestellte  Streifen  in  einzelne  Abtheilungen 
zu  thcilen  und  zieht  sich  schliesslich  nach  der  Mitte  hin  zusammen. 
Während  dieser  Zusammenziehung  des  Pigments  beginnt  die  Theilung 
des  Parasiten  entsprechend  den  oben  genannten  Pigmentstreifen  bis 
die  Form  einer  Margarethenblume  fertig  ist.  Sehr  bald  — direkt 
unter  dem  Mikroskop  zu  beobachten  — werden  die  einzelnen  Blumen- 
blätter — ß — 12  an  der  Zahl  — rund,  entfernen  sich  von  dem  centralen 
Pigmenthaufen,  die  gemeinsame  Hülle  verschwindet  und  man  sieht 
unregelmässige  Gruppen  kleiner,  runder  Körper  mit  einem  kleinen 
Pigmenthäufchen  in  der  Mitte:  Die  junge  Parasitengeneration.  (3.  Phase). 
Nun  beginnt  das  rasche  Verschwinden  aller  Theilungsformcn.  das 
während  des  weiteren  Fieberverlaufes  andauert.  Am  Tage  nach  dem 
Anfalle  findet  man  die  jungen  Parasiten  wiederum  in  den  rothen 
Blutscheiben. 

b)  Der  Parasit  der  Febris  tertiana. 

Auch  hier  können  3 Entwicklungsphasen  unterschieden  werden, 
die  aber  nicht  scharf  von  einander  getrennt  sind,  sondern  in  einander 
übergeben.  Im  frischen  Präparate  findet  man  einige  Stunden  nach 
Ablauf  eines  Anfalls  in  den  rothen  Blutscheiben  kleine,  helle,  glänzende 
Flecke  — homogene  Protoplasmaklümpchen—,  die  etwa  '•'»— '/<  des 
Durchmessers  der  rothen  Blutscheiben  haben  und  sich  von  diesen 
nur  durch  ihre  blasse  Farbe  und  durch  lebhafte  amoeboide  Bewegungen 
unterscheiden.  Sie  senden  Fortsätze  aus  und  ziehen  sic  wieder  ein. 
verlassen  aber  weder  die  wirthliche  rothe  Blutzellc,  noch  verändern 
sie  deren  Form  (1.  Phase,  amoeboides  Stadium  der  Autoren). 

2.  Phase.  Am  2.  Tage  (fieberfreien)  zeigen  die  Parasiten  be- 
reits deutlichere  Umrisse,  sie  haben  bis  jetzt  etwa  '/» — */j  des  rothen 
Blutkörperchens  eingenommen,  ihre  amoeboiden  Bewegungen  sind 
langsamer  geworden  und  sie  haben  in  ihrem  Inneren  reichlich  schwarz- 
rothes  Pigment  in  Form  feinster  Stäbchen  und  Körnchen,  die  in  un- 
regelmässiger Weise  über  den  Parasiten  zerstreut  sind,  entwickelt. 
Das  Blutkörperchen  selbst  ist  fast  entfärbt  und  kann  bis  auf  das 
Doppelte  seiner  normalen  Grösse  angeschwollen  sein.  Es  erscheint 
gleichsam  hydropisch. 

3.  Phase.  Einige  Stunden  vor  Beginn  des  Anfalls  (also  ain 
dritten  Tage)  ist  das  Blutkörperchen  von  dem  Parasiten  fast  ganz  erfüllt. 
Man  kann  es  nur  noch  als  blassen  Hof  erkennen.  Steht  der  Anfall 
unmittelbar  bevor,  so  sind  die  Beste  des  rothen  Blutkörperchens 
völlig  verschwunden,  das  Pigment  zieht  sich  allmählich  nach  der 
Mitte  des  Parasiten  hin  zusammen  und  wir  haben  ein  freies  pigmen- 
tirtes Körperchen  vor  uns,  an  dessen  peripherischem  Theil  sich  eine 
gewisse  Differenzirung  in  Gestalt  eines  den  Piginentkörper  umgeben- 
den Ringes  zu  zeigen  beginnt,  ln  diesem  Ringe  treten  unbestimmt 
radienförmig  verlängerte  Theilungsslreifen  auf.  die  allmählig  deutlicher 
werden  und  den  Ring  in  15 — 2t)  weissliche.  ovale  Partikelchen  theilen. 


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253 


Diese  Partikelchen  werden  allmählig  rund,  und  schliesslich  hat  man 
einen  Kranz  von  Kügelchen,  der  um  die  pigmentirte  Scheibe  herum- 
liegt (Uosenkranzform).  Diese  letzt  geschilderte  Form  findet  sich  meist 
erst  im  Beginn  des  Anfalls.  Die  innere  pigmentirte  Scheibe  trennt 
sich  sodann  durch  einen  deutlichen  Saum  völlig  ab  — ihr  ferneres 
Schicksal  ist  nicht  bestimmt  bekannt,  sie  wird  wahrscheinlich  von  den 
Leukocyten  aufgenommen  — und  die  kleinen  Kügelchen  (Sporen)  stellen 
die  neue  Parasitengeneration  vor,  die  von  neuem  in  die  rotlien  Blut- 
scheiben eindringt’). 

So  ungefähr  lässt  sich  in  schematischer  Weise  der  Entwicklungs- 
gang dieser  beiden  Parasitenarten  darstellen.  Von  einer  absoluten 
Regelmässigkeit  dieses  Entwicklungsganges  kann  natürlich  nicht  die 
Hede  sein.  Es  kommt  z.  B.  vor,  dass  sich  die  Sporulation  der  Tertiana- 
parasiten  in  dem  noch  gut  erhaltenen  Blutkörperchen  abspielt,  ehe  es 
der  Parasit  vollständig  ausgefiillt  hat  (was  Marchiafuva  und  Celli  als 
versuchte  Theilung  bezeichnen’). 

Eine  zweite  Unregelmässigkeit  in  der  Theilung  haben  Celli  und 
Guarnieri  •)  beobachtet.  Sie  ähnelt  der  bei  den  Coccidien  vorkommen- 
den. Mannaberg1)  fand  häufig  einen  Maulbeer-  und  Traubenform  bei 
der  Sporulation,  ebenso  F.  Plehn*)  und  Bein*),  während  Jancsö  und 
Rosenberger’)  die  Sporulationsfigur  des  Tertianaparasiten  mit  einer 
Himbeere  vergleichen. 

Fernerhin  ist  zu  beachten,  dass  nicht  alle  Parasitenindividuen 
zu  derselben  Zeit  zur  Sporulation  kommen,  sondern  dass  sich  die 
Reifung  der  einzelnen  Individuen  von  6 — H St.  verschieben  kann*). 
Schliesslich  kommt  eine  grosse  Anzahl  von  Parasiten  überhaupt  nicht 
zur  Sporulation.  sondern  bleibt  steril.  Es  sind  dies  grosse  endoglo- 
buläre  Formen  mit  zum  Theil  noch  erhaltener  amöboider  und  oft 
lebhafter  Pigmentbewegung,  mit  bläschenförmigem  Keim  aber  ohne 
Keimkörper.  Man  findet  sie  noch  im  Schweissstadium,  ja  am  Tage 


’)  „Auch  gelang  es  mir,  zwei  Mal  das  Eindringen  der  freien 
Parasiten  in  die  rotlien  Blutkörperchen  sicher  constatiren  zu  können“, 
Bein  aetiolg.  und  experim.  Beiträge  zur  Malaria.  Sonderabdruck 
aus  den  Charite- Annalen  XVI.  Jahrgang  6. 10. 

’)  Arcli.  ital.  de  biologie  1888  S.  290  vergl.  auch  Councilman’s 
Abbildungen  in  Fortsehr.  d.  Med.  18KH  und  siehe  Doch,  Further  studies 
on  malarial  disease  lHitl  p.  7.  F.  Plehn,  Aet.  u.  klin.  Malariastudien 
S.  21.  „Einige  der  Parasiten  schritten  erst  in  dem  Zustand  völliger 
Erfüllung  des  Blutkörpers  zur  Sporenbildung,  andere  halten  kaum  ’/i 
seiner  Grösse  erreicht“. 

*)  Fortschr.  d.  Med.  1HH9  S.  526.  4)  1.  c.  S.  103.  *)  Aet.  u.  klin. 
Malariastudien  1890  S.  21. 

*)  Bein,  Aetiologischc  und  experimentelle  Beiträge  zur  Malaria. 
Sonderabdruck  aus  den  Charite-Annalen  XVI.  Jahrgang  S.  10.  „Die 
Anordnung  der  Segmente  (der  Sporulationsformen)  war  nicht  in  der 
Weise  regelmässig  und  typisch,  wie  sie  von  den  italienischen  und 
russischen  Autoren  beschrieben  wird“.  ’)  1.  c.  S.  -189.  *)  Mannaberg 
1.  c.  S.  110. 


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254 


der  Apyrexie.  Sie  können  aus  den  rolhen  Blutkörperchen  austreten 
und  zu  freien  sphärischen  Körpern  werden.  „Nachdem  einmal  Fieber 
vorhanden  gewesen  war,  waren  sie  in  allen  Stadien  zu  linden'"1). 

Beim  Vergleich  der  beiden  Parasitenarten  stellen  sich  folgende 
deutliche  Unterschiede  heraus: 

1.  Morphologisch. 

a)  Die  Theilungsform  des  Tertiana-Parasiten  ist  der  Rosen- 
kranz (T rauben-M aulbeeren  oder  Himbeerenform),  diejenige 
des  Quartana-Parasiten  die  Margarethenblume. 

2.  Biologisch. 

a)  Der  Tertianaparasit  vollendet  seine  Entwicklung  in  zwei, 
der  Quartanaparasit  in  3 Tagen. 

b)  Der  Tertianaparasit  entfärbt  das  befallene  rothe  Blut- 
körperchen und  macht  es  bis  zu  doppelter  Grösse  auf- 
quellen, beim  tjuartanaparasiten  behält  das  rothe  Blut- 
körperchen seine  natürliche  Grösse. 

c)  Die  Sporen  der  Tcrtianaparasitcn  sind  kleiner  und  zahl- 
reicher 115 — 20)  als  die  der  «.Juartanaparasiten  (6 — 12). 

Demnach  sind  also  diese  beiden  Arten  morphologisch  im  Anfang 
nicht,  wohl  aber  am  Ende  ihrer  Entwicklung  gut  von  einander  zu 
unterscheiden.  Gemeinschaftlich  ist  hingegen  beiden  die  Bildung  von 
Pigment,  das  von  allen  Autoren  übereinstimmend  als  ein  Stoffwechsel- 
produkt  der  Parasiten  angesehen  wird  — als  eine  Umwandlung  des 
Hämoglobins  in  Melanin.  Nur  Afanassicw')  versuchte  dieses  Pigment 
für  Mikrokokken  zu  erklären. 

Der  feinere  Bau  der  Parasiten  wurde  zuerst  von  Celli  und 
Guamieri*),  Grassi  und  Felelti*),  Dolega*)  und  F.  Plelrn*)  studirt. 
In  der  letzten  Zeit  haben  namentlich  Mannaberg7).  Romanowski  und 
Ziemann')  darüber  gearbeitet.  Anerkannt  ist  das  Vorhandensein  eines 
grossen  blässchenförmigen  Kerns  mit  Kernkörperchen.  Ober  das 
Weitere  gehen  aber  die  Meinungen  auseinander.  Wahrend  die  einen  — 
namentlich  Mannaberg  ’)  angeben,  dass  der  Kern  und  schliesslich  das 
Kernkörperchen  während  der  Vorbereitung  des  Parasiten  zur 
Sporulation  verschwinden,  stellten  Romanowski  und  Ziemann  ”)  die 


')  Ziemann,  Über  ßlutparasiten  bei  heimischer  und  tropischer 
Malaria,  f'.entralbl.  f.  Bakt.  Bd.  XX  S.  fkiO. 

*)  Virch.  Arch.  Bd.  Kl  S.  13.  •)  Fortschr.  d.  Med.  1K89  S.  52ä. 

*)  Arch.  ital.  de  biolog.  1890  S.  2K7. 

*)  Fortschr.  d.  Med.  1890  S.  769.  •)  Zeitschr.  f.  Hyg.  1K90 
Bd.  VIII.  S.  7K.  7)  I.  c.  S.  21—:«. 

■1  I.  c.  S.  657.  In  seiner  neusten  Arbeit  giebt  Ziemann  auch 
eine  eingehende  Beschreibung  des  feineren  Baus  der  tropischen 
Malariaparasiten.  Centrlbl.  f.  Bakt.  und  Parasit.  Bd.  XXI.  S.  619  u. 
folgende.  •)  1.  c.  S.  115. 

«)  1.  c.  S.  659. 


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255 


These  auf,  dass  die  Theilung  der  Parasiten  auf  karyokinetiscliem 
Wege  erfolge '). 

An  den  Sporen  des  Quartana-  und  Tertianaparasiten  beschreiben 
Jancsö  und  Rosenberger*)  geisselartige  Fortsätze,  die  sich  allerdings 
nur  durch  Färbung  sichtbar  machen  lassen  *).  „Jede  Spore  des  Quar- 
tanaparasiten  besteht  aus  einem  meist  excentrisrh  liegenden,  homo- 
genen nucleus,  in  welchem  ein  stark  lichtbrechcndcr  nucleolus 
sichtbar  ist,  und  aus  dem,  den  nucleus  umgebenden  feinkörnigen 
Theile,  dem  Plasma,  welch’  letzterem  die  Fortsätze  entstammen“. 
Die  Tertianaspore  ist  erheblich  kleiner  als  die  Quartanaspore  und 
ihre  Struktur  daher  schwer  zu  erkennen.  Mannaberg  bildet  auch 
diese  Sporenart  mit  einem  deutlichen  nudeo  ab. 

B.  Die  halhmondbildenden  Parasiten. 

Wie  bereits  erwähnt,  sind  die  Untersuchungen  über  diese  Pa- 
rasitenarten noch  durchaus  nicht  zum  Abschluss  gekommen,  was  bei 
der  Feinheit  der  Objekte  und  der  Schwierigkeit  der  Untersuchung  — 
diese  Parasitenart  sporulirt  meist  in  den  Blutgefässen  innerer  Organe, 
wie  Gehirn  und  Milz  und  auch  im  Knochenmark  — nicht  zu  verwundern 
ist.  Fast  jede  Arbeit  bringt  eine  neue  Ansicht  und  nur  einzelne 
stimmen  wenigstens  zum  Theil  überein.  Dazu  kommt,  dass  die  ge- 
gebenen Beschreibungen  stellenweise  an  sich  unklar,  stellenweise 
durch  den  Mangel  allgemein  anerkannter  Bezeichnungen  für  die  ein- 
zelnen Entwicklungsstadien  des  Parasiten  schwer  mit  einander  zu 
vergleichen  sind. 

Die  Italiener,  die  am  meisten  auf  diesem  Gebiete  gearbeitet 
haben,  unterscheiden  zur  Zeit  3 Unterarten,  können  sich  aber  auch 
nicht  einigen;  namentlich  wird  der  am  Marchiafava  und  Bignemi 
aufgestellte  maligne  Tertianaparasit  sehr  angefochtcn  (nach  Manna- 
berg) und  die  zwischen  den  einzelnen  Arten  gemachten  Unter- 
schiede sind  in  der  Thal  so  difficil,  dass  ich  nicht  mehr  darauf  ein- 
gelien  will.  Nur  zwei  Thatsachen  stehen  fest: 

1.  Dass  die  halhmondbildenden  (kleinen)  Parasiten 
den  schweren  Fieberformen  zu  Grunde  liegen  und 

2.  dass  sic  die  Halbmonde  bilden,  eine  Bildung,  die 
bei  den  grossen  Tertianca-  und  (Juartana-Parasiten 
nicht  beobachtet  wird. 

Es  erscheinen  in  den  rothen  Blutzöllen  kleinste,  halbglänzende, 
homogene  Stiimpfchen  mit  amöboider  Beweglichkeit  von  '/«o — V» 
Blutkörperchengrösse4)  oder  ebenso  geartete  Ringelchen.  Als  letztere 

')  In  seiner  letzten  Arbeit  hat  Z.  seine  Ansicht  geändert.  Er 
ist  zu  der  Annahme  gelangt,  dass  die  Theilung  der  heimischen  Malaria- 
parasiten  „am  ehesten  als  amitotische  bezw.  direkte  Kernvermehrung 
(Kernzerschnilrung  nach  0.  Hertwig)  aufzufassen“  ist.  Centralbl.  für 
Bakt.  u.  Parasitk.  Bel.  XXI.  S.  646. 

’)  l.  c.  S.  463  u.  463.  *)  F.  Plchn  1.  c.  S.  14  u.  17. 

4)  A.  Plehn,  Arch.  f.  Schiffs-  u.  Tropenhyg.  Bd.  I.  S.  10  giebt 
an,  dass  der  Geübte  Jugendformen  der  Kameruner  Malaria-Parasiten 
um  Y«o  Blutkörperchengrösse  im  frischen  Präparat  deutlich  erkennen 
kann. 


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stellen  sie  sich  regelmässig  im  gefärbten  Präparate  dar.  Allmählich 
sich  vergrössernd  setzen  sie  nur  sehr  wenig  oder  gar  kein  Pigment 
an l).  Das  Pigment  zieht  sich  schliesslich  nach  dem  Centrum  hin 
zusammen,  es  treten  Streifungen  auf,  die  den  Parasitenleib  in  6 — 10 
Theile  zerlegen.  Diese  Theile  schnüren  sich  an  einander  ab,  werden 
zu  kleinsten  runden  oder  ovalen  Körperchen  (Sporen)  und  diese 
dringen  nun  wieder  in  die  rothen  Blutscheiben  ein.  Die  Angaben 
über  die  Dauer  des  Entwicklungsganges  schwanken  zwischen  12*)  und 
48  Stunden.  Der  Parasit  füllt  das  rothe  Blutkörperchen  zur  Zeit 
seiner  Sporulation  etwa  zu  */• — */*  aus*).  Die  von  dieser  Parasitenart 
befallenen  Blutscheiben  schrumpfen  oft  zusammen  und  zeigen  sich 
häutig  von  mehreren  Parasiten  zugleich  befallen.  Die  Sporulation  findet 
vorwiegend  in  den  Gefässen  innerer  Organe4)  wie  Gehirn,  Milz  und 
Darm6)  sowie  im  Knochenmark  statt,  wie  bereits  die  ersten  Be- 
obachter6) fest  stellten.  Aber  auch  bei  dieser  Parasitenart  werden 
grosse,  endoglobuläre,  piginentirte  Formen,  sehr  ähnlich  den  Sphären 
der  heimischen  febris  tertiana,  aber  ohne  Kernkörper  — also  sterile 

*)  Aus  diesem  Verhalten  haben  die  Italiener  eine  Unterart 
constatirt:  Den  unpigmentirten  Quotidianparasiten. 

*)  Dock  1.  c.  S.  9. 

*)  Von  den  Parasiten  der  Kameruner  Malariafieber  berichtet 
A.  Plehn,  Arch.  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene  Bd.  I.  S.  12.  „Bei  den 
kräftigen  Schwarzen  fand  ich  iin  Milzblut  zur  Zeit  des  Anfalls  rundliche, 
traubenförmige  Gebilde,  welche  die  Grösse  eines  Erythrocythen  nicht 
ganz  erreichten  und  von  ihrem  Wirth  nichts  mehr  erkennen  liessen. 
Sie  dürften  Sporulationsformen  entsprechen  . . . Typische  Sporulations- 
fonnen,  wie  sie  so  vielfach  beschrieben  sind,  fand  ich  nicht“. 

4)  Dieser  Umstand  erklärt,  dass  sich  im  Blute  einige  Stunden 
vor  dem  Anfall  bis  in  das  Froststadium  hinein  die  Parasiten,  sobald 
sie  nur  in  einer  Generation  vorhanden  sind,  im  peripherischen  Blute 
vollständig  fehlen  können.  Das  Verschwinden  der  Parasiten  beginnt, 
sobald  sie  '/«  Blutkörperchengrösse  erreicht  haben.  Das  beobachtete 
A.  Plehn  bei  den  Kamerunern  Malariaparasiten  1.  c.  S.  9 u.  12.  Mit 
dieser  Beobachtung  lassen  sich  nachfolgende  Sätze  Bacelli’s.  Studien 
über  Malaria  1895  S.  95  u.  folg,  erklären. 

„1.  Es  kann  mit  einem  Male  ein  heftiges  Fieber  malarischer 
Natur  auflreten,  ohne  dass  es  gelingt  im  Blute  das  Vorhandensein 
der  pathogenen  Mikroorganismen  zu  constatiren. 

2.  Findet  man  diese  auch  schliesslich,  so  können  sie  in  so 
spärlicher  Zahl  vorhanden  sein,  dass  gar  kein  C.onnex  zwischen  der 
geringen  Quantität  der  endoglobulären  Parasiten  einerseits  und  der 
Schwere  des  Fiebers  andererseits  zu  linden  ist. 

3.  Im  Beginn  des  Anfalles  sieht  man  in  den  Blutkörperchen 
weder  die  sporenbildenden  noch  die  neuen  Formen,  welche  erst  im 
weiteren  Verlauf  deutlich  werden. 

6)  Marchiafava  über  die  pernieiösen  Fieber  mit  gastro-intesti- 
aler  Lokalisation.  Ref.  im  C.tbl.  f.  Bakt.  Bd.  XXI.  S.  355. 

•)  C.ouncilman  u.  Abbot,  Americ.  Journal  of  med.  etc.  1885  p.  419; 
Osler,  The  Britsh  med.  journ.  1887  p.  562;  Dock  1.  c.  S.  18;  Marchiafava 


257 


Formen  beobachtet.  Ziemann l)  der  diese  Beobachtung  bei  einer 
typisch  verlaufenden  Kamerun-Quartana  machte,  nimmt  an,  dass 
diese  Formen  mit  lebenskräftigen  Formen  der  heimischen  Parasilen 
verwechselt  worden  sind  und  dass  daher  die  Angaben  über  so  und 
so  viel  in  den  Tagen  gesehene  Fälle  von  Tertian-Quartan-Parasilen 
stammen. 

Wie  kommen  nun  aber  die  sogenannten  Halbmonde  zu  Stande 
und  wie  sehen  sie  aus? 

Ziemann’)  beobachtete  direkt  unter  dem  Mikroskop,  wie  eine 
grosse  endoglobuläre  Form  in  einem  Halbmond  überging.  ,,Mit  einem 
plötzlichen  Ruck  schnellte  sich  der  runde,  mit  beweglichem  Pigment 
versehene  Körper  in  die  Breite.  Es  bildet  sich  die  nierenförrnige 
Figur  des  Halbmondes,  an  der  konkaven  Seite  überspannt  von  der 
schon  oft  beschriebenen,  feinen,  bogenförmigen  Linie,  die  man  als 
Rand  des  entfärbten  rothen  Blutkörperchens  anffasst.“  Mannaberg ’) 
fasst  die  Halbmonde  als  durch  Aneinanderlegen  (Kopulation)  in  Form 
einer  Pseudoconjugation  zweier  Parasiten  entstanden  auf  und  nennt 
sie  desshalb  Syzygien. 

Die  Halbmonde  selbst  sind  kleine  sichelförmige  Körper  mit  abge- 
rundeten Enden  von  der  zwei-  bis  dreifachen  Länge  eines  rothen  Blut- 
körperchens. Die  beiden  Enden  (Pole)  sind  glänzender  als  die  Milte  und 
färben  sich  besser.  Pigment  findet  man  entweder  in  Kranzform  in  der 
Mitte  oder  über  den  ganzen  Halbmondkörper  zerstreut.  Bewegungen 
zeigt  der  Halbmond  nicht4).  Manchmal  findet  man  ihn  frei  in  Blutplasma, 
manchmal  ist  aber  seine  concave  Seite  eine  feine,  bogenförmige  Linie, 
der  Rest  der  Umrandung  des  rothen  Blutkörperchens,  in  dem  er 
entstand,  gespannt.  Charakteristisch  für  ihn  ist,  dass  er  oft  eine 
doppelte  Kontur  zeigt.  Schon  La  voran ’)  beobachtete,  dass  die  Halb- 
monde sich  in  Spindeln.  Ovale  und  Sphären  verwandelten.  Auch  die 
Sphären  haben  eine  doppelte  Contur  •)  und  diese  doppelte  Kontur 
unterscheidet  sie  von  den  Sphären,  die  wir  bei  den  Tertian-Quartan- 
Parasiten  finden.  Kanalis ')  bestätigt,  dass  die  Sphären  der  Halbmond- 
reihe eine  doppelte  Kontur  haben  und  behauptet,  dass  sie  Sporen  bilden. 


und  Celli  Berlin  Klin.  W.  1890  S.  1011.  Ferner  beobachtete  Danilewski 
an  Reptilien,  die  mit  Blutparasiten,  ähnlich  denjenigen  der  mensch- 
lichen Malariafiebor,  inficirt  waren,  dass  die  Theilung  dieser  Parasiten 
ebenfalls  in  den  inneren  Organen  vor  sich  ging  — namentlich  im 
Knochenmark.  Biolog.  Kcntralbl.  1885  u.  Centralbl.  f.  d.  med.  W.  etc. 
1880,  vergl.  auch  Kruse:  Über  Blutparasiten.  Virch.  Arcli.  Bd.  120  u. 
121  u.  Feletti  u.  Grassi : Parasit,  malar.  chez  les  oiscaux,  Arch.  ital. 
de  biolog.  1890. 

*)  1.  c.  S.  668. 

*)  1.  c.  S.  664.  ’)  1.  c.  S.  53.  u.  57. 

4)  Nur  Plehn,  F.  Aet.  u.  klin.  Malairast.  1890  S.  24,  beobachtete 
an  ihnen  träge  Bewegungen : Streckung  u.  Beugung  des  Zellenleibes. 

*)  Arch.  de  med.  experim.  et  de  l'anatomie  pathol.  188!).  S.  813. 

*)  Wurde  von  Ziemann  nicht  beobachtet  1.  c.  S.  661. 

’)  Arch.  ital.  de  biolog.  1890  S.  272. 


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258 


Das  ist  aber  in  keiner  Weise  bestätigt  worden.  Andere  Autoren l) 
betrachten  die  Halbmonde  vielmehr  als  sterile  Formen,  während 
Mannaberg ’)  glaubt,  dass  sie  fortptlanzungsfähig  seien,  weil  er  eine 
Theilung  der  Halbmonde  in  zwei  Schenkel  beobachtete.  Allgemein 
anerkannt  ist  die  grosse  Widerstandsfähigkeit  dieser  Formen  gegen 
('.hinin,  ein  Umstand,  der  schon  von  den  ersten  Autoren *)  hervor- 
gehoben wurde. 

Es  bleibt  nun  noch  eine  Form  zu  erwähnen,  die  fast  von  allen 
Beobachtern  gesehen,  deren  F.ntstehungsweise  direct  unter  dem 
Mikroskop  beobachtet  worden  ist,  über  deren  Bedeutung  aber  noch 
völlige  Unklarheit  besteht.  Diese  Form  ist  die  Geisselform.  Sie 
wurde  bei  allen  bis  jetzt  bekannten  Parasitenarten  gesehen  und  tindet 
sich  für  gewöhnlich  im  Verein  mit  den  grossen  endoglobulären  Formen 
zur  Zeit  des  Fieberanfalles  oder  kurz  vor  demselben.  Wir  haben  es 
auch  hier  mit  einem  pigmentirten  und  nicht  doppelt  conturirten 
Protnplasmaklümpchcn  von  etwa  Blutkörperchengrösse  zu  thun.  Doch  isl 
dasselbe  mit  1—4  langen  Geissein  ausgestattet,  die  in  der  Mitte  oder 
am  Ende  kolbige  Anschwellungen  haben  und  in  lebhafter  peitschender 
Bewegung  begriffen  sind.  Sie  lösen  sich  manchmal  ab  und  fahren 
dann  mit  schlängelnden  Bewegungen  durch  das  Blutplasma  hin. 
Lnveran 4)  fasste  diese  abgeschnürten  Geisselfäden  als  die  eigentlichen 
fertigen  Malariaparasiten  auf.  Die  Entwicklung  der  Geisselform  aus 
den  grossen  sphärischen  Formen  der  Halbmondreihe  beschreibt  Manna- 
berg‘)  folgendermaassen:  ,,Das  bisher  ruhig  daliegende  runde  Körperchen 
beginnt  plötzlich  von  ganz  intensiven,  zuckenden  Bewegungen  befallen 
zu  werden,  welche  dasselbe  hin  und  her  werfen  und  mit  Einziehungen 
und  Ausbuchtungen  des  Bandes  verbunden  sind;  bald  darauf  stossen 
an  verschiedenen  Stellen  des  Saums  mit  grosser  Energie  handschuh- 
lingerartige  Fortsätze  hervor;  die  Fortsätze  werden  von  der  Membran 
des  Körperchens  gebildet,  welche  den  andrängenden  Geisselfäden  eine 
Zeit  lang  (oft  auch  dauernd)  widersteht,  schliesslich  aber  einreisst, 
worauf  die  plumpen  Fortsätze  zurücksinken  und  aus  ihnen  lange,  dünne 
Fäden  hervorschiessen,  welche  lebhaft  um  sich  herumpeilschen.“  Grassi 
und  Feletti  halten  die  Geisselformen  für  Involutionsformen,  Damit 
licsse  sich  der  Umstand  vereinigen,  dass  Ziemann  *)  bei  diesen  Formen 
keinen  Kern  nachweisen  konnte.  Mannaberg T)  hingegen  nimmt  an. 
dass  die  Geisselformen  wegen  der  Häufigkeit  ihres  Vorkommens  als 
obligate  Attribute  des  in  einem  bestimmten  Stadium  der  Entwickelung 
befindlichen  Parasiten  anzusehen  sind  und  dass  in  den  Geisselfäden 
Organe  zu  erblicken  sind,  welche  die  Anpassung  der  Parasiten  an 
saprophytische  Verhältnisse  vermitteln.  Da  das  Blut  als  Nährboden 
diesen  jungen  Saprophyten  nicht  zusagt,  so  sterben  sie  ab. 


■)  Dock  1.  c.  S.  25;  Ziemann  I.  c.  S.  664.  *)  1.  c.  S.  47.  A.  Plehn 
1.  c.  S.  16.  *)  Councilman.  Fortsch.  d.  Med.  1888  S.  566;  Dock  I.  c.  S. 
526;  Laveran,  Traite  des  fievres  palustres  S.  201 ; Marchiafava  und 
Celli,  Arch.  ital.  de  biolog.  1890  p.  606;  Laveran  Traite  des  licvres 
palustres  p.  495.  *)  1.  c.  S.  168. 

‘)  1.  c.  S.  61.  •)  1.  c.  S.  667.  *)  1.  c.  S.  63. 


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259 


Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  die  3 aufgeführten  Para- 
sitenarten im  Grossen  und  Ganzen  gut  charakterisirt  sind.  Ganz 
einwandfrei  ist  diese  F.intheilung  aber  nicht,  weil  bis  jetzt  keiner  der 
Parasiten  in  Reinkultur  erhalten  werden  konnte.  Da  alle  Züchtungs- 
versuche')  misslungen  sind,  suchte  man  natürlich  nach  Krsatz- 
mitteln.  Die  Italiener  versuchten  es  mit  Impfungen , da  ja  Gehr- 
hard*)  bereits  189  t gezeigt  hatte,  dass  sich  durch  Überimpfung  am 
Wechsclfieberblut  bei  Gesunden  wieder  Wechseltieber  erzeugen  liess. 

Sie  entnehmen  Leuten,  die  an  febris  tertiana  oder  quartana 
litten  und  deren  Blut  Tertiana-  und  Quartanaparasiten  enthielt, 
■/« — 1 ccm  Blut  und  spritzten  es  gesunden  Personen  ein,  die  bis  dahin 
nie  malariakrank  gewesen  waren.  Auf  diese  Weise  konnten  sic  bei 
den  geimpften  wieder  eine  febris  tertiana  bezw.  quartana  erzeugen, 
und  im  Blute  fanden  sich  dann  dieselben  Parasiten  wie  beim  Stamm- 
imptling.  Auch  mit  den  kleinen  halbmondbildenden  Parasiten  wurden 
Impfungen  vorgenommen  und  bei  den  Impllingen  dadurch  ein  unregel- 
mässiges Fieber  mit  den  kleinen  Parasitenformen  hervorgerufen. 
Mannaberg  *)  stellt  18  Impfungen  zusammen,  bei  denen  14  mal  ein 
vollständiges  Uebereinstimmen  zwischen  den  Parasiten  der  Impfquelle 
und  der  Impflinge  festzustellen  war.  In  den  beiden  Fällen,  in  denen 
kein  übereinstimmendes  Resultat  erzeugt  wurde,  war  das  Impfmaterial 
nicht  einwandsfrei.  (Es  war  nach  Abimpfung  von  einer  febris  quar- 
tana unregelmässiges  Fieber  mit  der  kleinen  Parasitenform  entstanden.) 
Wie  sich  herausstellte,  hatten  aber  die  beiden  Stammimpflinge  früher 
bereits  an  verschiedenen  Fieberformen  gelitten,  so  dass  cs  also  leicht 

')  Culturversuche  mit  Gelatine,  Agar,  Blut.  Kochsalzlösung,  Erd- 
boden aus  Malariagegenden,  Impfungen  an  Fröschen,  Vögeln,  selbst 
Alten  sind  bis  jetzt  ohne  Erfolg  geliehen.  — Einen  Anfang  zur  Er- 
haltung von  Reinkulturen  scheint  allerdings  Rosenbach  gemacht  zu 
haben,  der  eine  Vermehrung  der  Parasiten  in  Ascitesflüssigkeit,  die 
mit  dem  parasitcnhaltigen  Blute  eines  Malariakrankcn  geimpft  worden 
war,  feststcllte.  Leider  konnte  der  Versuch  nicht  zu  Ende  geführt  werden, 
weil  das  Gefäss,  das  die  Cultur  enthielt,  durch  einen  unglücklichen 
Zufall  zerbrach.  Deutsch,  med.  W.  1890  S.  325. 

Weiterhin  giebt  Rosenbach  an,  dass  sich  Malariaparasiten  in 
Blutegeln,  die  er  an  Malariakranken  hatte  saugen  lassen,  einmal  24 
Stunden,  das  andere  Mal  '18  Stunden  lang  lebend  erhielten.  Deutsch 
med.  Woch.  1891  S.  835. 

Bein,  der  Blutegel  benutzte,  um  Malariablut  zu  Einspritzungen 
zu  erhalten,  giebt  aber  an,  dass  die  Bewegungen  der  im  Rlutegel 
befindlichen  Parasiten  schon  nach  4 — 5 Stunden  schwächer  wurden 
und  räth  daher,  das  Blut  nicht  länger  in  den  Egeln  zu  lassen,  da 
sonst  die  Parasiten  absterben.  Bein  1.  c.  S.  17. 

F.  Plehn  gelang  cs,  die  Parasiten  im  frischen  Blutpräparat  zwischen 
Paraffinschichlen  24  St.  lang  lebend  zu  erhalten.  Aet.  u.  klin.  Malaria- 
stud.  1890  S.  18. 

*)  Zeitschr.  f.  Klin.  Med.  188t  S.  374. 

*)  1.  c.  S.  66. 


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260 


möglich  war,  dass  von  den  früheren  andersartigen  Erkrankungen  ver- 
einzelte Parasiten  im  Blute  zurückgeblieben  und  im  Impfling  zur  Ent- 
wicklung gekommen  waren.  Dr.  Mattei's  ■)  Impfversuch  zeigt  aber,  dass 
eine  in  wenigen  Exemplaren  vorhandene  Parasitenart  eine  gleichzeitig 
im  Blute  vorhandene  zahlreiche  Parasitenart  überwuchern  kann, 
wenn  sie  auf  einen  anderen  Nährboden  übergeitnpfl  werden.  Dr.  Mattei 
spritzte  einem  Manne,  der  an  einer  reinen  febris  quartana  litt  und 
bei  dem  trotz  täglicher  Untersuchungen  nie  andere  als  Quartana- 
parasiten  gefunden  worden  waren,  Blut  von  einem  anderen  Kranken 
ein.  das  nur  Halbmonde  und  deren  Jugendformen  enthielt.  Das  Er- 
gebniss  der  Impfung  war,  dass  aus  dem  Blute  des  Impflings  die 
Ouartanaparasitcn  fast  völlig  verschwanden  und  an  ihre  Stelle  die 
Halbmonde  und  unregelmässiges  Fieber  traten.  Die  in  der  Minderzahl 
eingeführten  halbmondbildendcn  (kleinen)  Parasiten  verdrängen  also 
die  in  ungeheurer  Mehrzahl  vorhandenen  Ouartanaparasitcn. 

Alle  diese  Untersuchungen  und  Versuche  sprechen  dafür,  dass 
wir  es  wenigstens  mit  3 Parasitenarten  zu  thun  haben.  Wie  diese 
Parasiten  im  Thierreich  einzuordnen  sind,  ist  bis  jetzt  nicht  klar. 
Die  Ansichten  darüber  sind  so  verschieden,  dass  ich  sie  nicht  anführen 
will.  Nur  eins  steht  fest,  dass  der  von  Marchiafava  und  Celli  gewählte 
Namen  „plasmodium  malariae“  ■)  der  unpassendste  ist,  der  gewählt 
werden  konnte.  Denn  ein  Plasmodium  oder  Syncytiurn  nennt  man 
eine  Protoplasmamasse  mit  eingebeiteten  Kernen,  die  nicht  in  bestimmte 
Zellenterritorien  um  die  einzelnen  Kerne  abgegrenzt  ist.  „Diese  Plas- 
modien oder  Synzytien  sind  eben  „Zellenagglomerate“ ; sie  führen 
rückwärts  durch  die  Stufe  der  vielkörnigen  *)  oder  „Riesenzellen"  zu 
den  gewöhnlichen  einkörnigen  Elemcntarorganismen. 

Wenn  man  sich  die  eben  gegebene  Beschreibung  der 
Malariaparasiten  vergegenwärtigt,  so  mag  es  scheinen,  als 
könnte  die  Erkennung  eines  Malariafiebers  keine  Schwierig- 
keiten mehr  machen.  Mau  braucht  ja  nur  eine  Blutprobe 
auf  Parasiten  hin  zu  durchmustern,  und  findet  man  welche, 
so  ist  die  Diagnose  auf  Malariaficber  zu  stellen,  beim  Fehlen4) 
an  Parasiten  handelt  es  sich  eben  um  eine  andere  Erkrankung. 
Dem  ist  aber  nicht  ganz  so,  denn  das  „Finden“  ist  aus  ver- 
schiedenen Gründen  manchmal  recht  schwer.  Auf  den  ersten 
Blick  leicht  erkennbar  und  mit  nichts  Anderem  zu  verwechseln 
sind  nur  die  grossen  pigmentirten,  amöboid  beweglichen 


■)  Citirt  nach  Mannaberg. 

*)  Fortschr.  d.  Med.  1885  S.  790. 

*)  Waldeyer,  Die  neueren  Ansichten  über  den  Bau  und  das 
Wesen  der  Zelle.  Deutsch,  med.  Woch.  1895  S.  709. 

4)  Sobald  Chinin  gegeben  ist,  verschwinden  die  Parasiten  mit 
Ausnahme  der  Halbmonde  im  Laufe  der  nächsten  24  Stunden  aus  dem 
peripherischen  Blute.  Vergl.  auch  Anmerk.  2 auf  S.  12. 


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261 

Formen  der  heimischen  Tertian-Quartan-Parasiten  und  die 
Geissei-  und  Halbmondformen.  Schon  schwieriger  ist  die 
Unterscheidung  zwischen  den  ersten,  pigmentlosen,  amöboiden 
Formen  der  heimischen  Parasiten  und  den  scheinbare  Pul- 
sation zeigenden  Vacuolen  der  rothen  Blutscheiben.  Und 
doch  ist,  wie  wir  später  sehen  werden,  ein  Erkennen  jugend- 
licher Parasitenformen  unter  Umständen  sehr  wichtig.  Weit 
schwieriger  gestaltet  sich  aber  das  Auffinden  der  kleinen 
(halbmondbildendeu),  ringförmigen  Parasiten  der  tropischen 
Malariafieber.  Denn  einmal  sind  sie  für  gewöhnlich  nur 
spärlich  im  Fiugerblut  vertreten  und  zweitens  im  frischen 
Präparate  wegen  ihrer  ausserordentlichen  Feinheit  leicht  zu 
übersehen.  Dazu  kommt,  dass  sie  für  gewöhnlich  gar  kein 
oder  nur  sehr  spärliches  Pigment  haben,  dass  die  sie  be- 
gleitenden, gut  erkennbaren  Halbmonde  unter  Umständen 
nur  in  vereinzelten  Exemplareu  vorhanden  sind,  nicht  in’s 
Gesichtsfeld  kommen  und  daher  nicht  gefunden  werden.  Dann 
ist  leicht  der  falsche  Schluss  gezogen,  dass  es  sich  nicht  um 
Malariafieber  handelt,  und  wenn  dann  die  längere  klinische 
Beobachtung  und  der  Erfolg  einer  Chiuinbehandlung  lehren, 
dass  es  sich  doch  um  Wechselfieber  gehandelt  hat,  so  wird 
von  dem  betreffenden  Beobachter  die  Brauchbarkeit  der 
Blutuntersuchung  herabgesetzt,  weil  sie  zu  schwierig  auszu- 
führen und  zu  unsicher  in  ihrem  Resultate  sei.  Oder  sie 
wird  ganz  aufgegeben,  weil  sie  nach  Meinung  des  Unter- 
suchers doch  nicht  im  Stande  ist,  den  vielgestaltigen  Er- 
scheinungen des  Tropenfiebers  gegenüber  zu  einer  sicheren 
Diagnose  zu  verhelfen.  Der  Betrachtende  wird  sich  dann 
wundern,  dass  Laveran  einmal  schreiben  konnte : „Tous  les 
müdecins,  qui  ont  exered  daus  les  pays  palustres,  savent, 
(ju’il  est  souvent  tres  difficile,  pour  ne  pas  dire  impossiblc, 
d’affirmer,  si  tel  malade  qui  presente  d’aillieurs  des  symptomes 
tres  graves,  reclamant  imperieusemeut  une  interveution  active, 
est  ou  n’est  pas  sous  l’infiuence  du  paludisme.  L’examcn 
histologiqne  du  sang  . . . permet  seul  d’arriver  rapidement 
ä porter  nn  diagnostic  precis ')“,  oder  dass  Councilman 2)  den 
Ausspruch  thun  konnte:  „Der  Werth  dieser  diagnostischen 
Methode  ist  für  uns  nur  dem  des  Tuberkel-Bacillus  nachzu- 

*)  Laveran,  Traite  des  liövres  palustres  18KI  p.  XII. 

’)  Fortschr.  d.  Med.  1885  S.  505.  , 

Archiv  1 Sehiffi-  u.  Tropfluhygiene.  10 


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262 


setzen“  *)  und  dass  ihm  so  viele  andere  Autoren  darin  bei- 
stimmen konnten,  obgleich  die  älteren  Aerzte  auch  ohne 
Malariaparasiten  die  Differentialdiagnose  zwischen  tropischen 
Malariafiebern  und  anderen  fieberhaften  Erkrankungen  gestellt 
hatten.  Das  mag  ja  sein.  Aber  die  Blutuntersuchung  ist 
der  klinischen  Untersuchung  desshalb  bei  weitem  überlegen, 
weil  sie  ein  rasches  Stellen  der  Diagnose  erlaubt.  Es 
müssen  allerdings  die  nachstehend  aufgestellten  Forderungen 
vom  Untersucher  erfüllt  werden. 

Zunächst  heisst  es  hier  — ebenso  wie  überall  in  der 
Medicin  — nicht  nur  sehen,  sondern  oft  sehen  und  unter- 
suchen. Zweitens  sind  gewisse  YTorkenntnisse  unbedingt  er- 
forderlich, wenn  brauchbare  Resultate  erhalten  werden  sollen. 
Der  Untersucher  muss  die  Histologie  de3  normalen  Blutes 
kennen.  Kenntnisse  in  dieser  Beziehung  lassen  sich  ja  bei 
uns  an  jeder  Universität  erwerben.  Etwas  anders  steht  es 
mit  dem  ersten  Punkt.  Ein  Fall  von  tropischem,  ja  selbst 
einheimischem  Malariafieber  ist  eine  rara  avis  in  unseren 
deutschen  Universitätskliniken.  Unsere  jungen  Arzte,  die 
in  die  Colouien  oder  an  Bord  eines  Schiffes  gehen,  sind  also 
meist  auf  Bücher  und  Abbildungen  von  Malariaparasiten 
angewiesen,  wenn  sie  sich  über  die  tropischen  Malariafieber 
orientiren  wollen.  Es  giebt  ja  nun  eine  Menge  Abhandlungen, 
die  sich  lediglich  mit  dem  in  Frage  stehenden  Gegenstand 
beschäftigen  und  denen  theilweise  recht  gute  Abbildungen 
beigegeben  sind.  Aber  diese  Abbildungen  haben  alle  ein  und 
denselben  Fehler.  Um  die  feineren  Strukturverhältnisse  der 
Parasiten  darstellen  zu  können,  sind  sie  zu  gross  gezeichnet 
und  die  Photographien  bei  zu  starker  Vergrösserung  aof- 
genommen.  Dadurch  werdeu  falsche  Vorstellungen  erweckt. 
Es  will  dem  Anfänger  rein  unmöglich  scheinen,  dass  er 
Gebilde  von  solcher  Deutlichkeit  selbst  bei  schwäscherer 
Vergrösserung  übersehen  könnte.  Sucht  er  diese  Parasiten- 
riesen nun  mit  einem  System  von  l/it  Immersion  und 
Oculnr  1,  so  erkennt  er  etwa  vorhandene  Parasiten  nicht, 
namentlich  wenn  er  seine  ersten  Untersuchungen  an  frischen 
Blutpräpnrateu  tropischer  Malariafieber  macht.  Denu  diese 

*)  Jancso  u.  Rosenberger  I.  e.  S.  512:  „Eine  Malaria  maligna  — 
verursacht  durch  die  llalhmoudgruppe  — kann  ohne  eine  längere 
Krankenbeobachtung  überhaupt  uur  mit  Hülfe  des  Blutbefundes  gani 
bestimmt  diagnosticirt  werden. 


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263 


Parasitenformen  sind  für  den  Anfänger  — sobald  Halbmonde 
fehlen  — ausserordentlich  schwer  zu  finden.  Dazu  kommt, 
dass  sie  sehr  spärlich  sind  oder  zeitweise  trotz  hohen  Fiebers 
ganz  fehlen  können.  Ich  rathe  daher  jedem,  sieh  Präparate 
von  tropischen  Malariafiebern  in  Nafura  auzusehen,  ehe  er 
eigene  Untersuchungen  im  Auslande  macht,  damit  er  eine 
richtige  Vorstellung  von  der  Feinheit  der  tropischen  Formen 
bekommt. 

(Fortsetzung  folgt.) 


11.  Besprechungen  und  Literatur- 
angaben. 

a.  Hygiene  and  Physiologie. 

lieber  den  Gaswechsel  der  Tropenbewohner,  speziell  mit 
Bezug  auf  die  F'rage  von  der  chemischen  Wärmeregu- 
lirung.  Von  Dr.  C.  Eykman  aus  Batavia.  Separat-Abdruek 
aus  dem  Archiv  f.  d.  ges.  Physiologie.  Bd.  IH. 

Wie  neuere  Versuche  ergeben  haben,  findet  beim  Menschen 
eine  reflektorisch-chemische  Wärmeregulation  nicht  statt.  Indessen 
war  dadurch  noch  nicht  ausgeschlossen,  dass  vielleicht  eine  fort- 
dauernde Ursache  für  verminderte  Wärmeverluste,  wie  sie  in  der 
heissen  feurhten  Tropenluft  gegeben  ist,  doch  eine  Abnahme  der 
Wärmeproduktion  nach  sich  ziehen  könnte. 

Früher  von  E.  ausgeführte  Stoffwechselversuche  haben  gezeigt, 
dass  der  Europäer  in  den  Tropen  ungefähr  die  gleiche  Kalorieenmenge 
producirt,  wie  in  F.uropa  (bei  gleichem  Körpergewicht  und  gleicher 
Anstrengung).  Daraus  wurde  geschlossen,  dass  sich  eine  regulatori- 
srlie  Herabsetzung  der  Wärmebildung  beim  europäischen  Tropen- 
bewohncr  nicht  nachweisen  lässt.  Ehen  so  wenig  konnte  man  hei 
den  Malaycn  auf  das  Bestehen  einer  chemischen  Wärmeregulimng 
schliessen. 

Die  hier  vorliegende  Arbeit  E.s’  scheint  diesen  Schluss  zu 
bestätigen. 

Zum  ersten  Male  wird  in  dieser  Arbeit  der  respiratorische 
Gaswechsel  des  Tropenbewohners  (des  Europäers  und  des  Malayen) 
untersucht.  Da  sich  E.  hierzu  des  Zuntz-Gepperl'schen  Apparates 
bediente,  so  konnte  er  seine  Besultatc  mit  den  in  Europa  mit  dem- 
selben Apparate  erhaltenen  wohl  vergleichen.  Immer  war  die  Ver- 
suchsperson nüchtern  und  in  Ruhe. 

19* 


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264 


Es  stellten  sich  nun  so  geringe  Differenzen  im  Sauerstoffver- 
brauch heraus,  dass  sich  der  Tropenbewohner  auch  hierin  vom 
Europäer  nicht  unterscheidet,  dass  also  auch  aus  diesem  Gesichts- 
punkte auf  eine  verminderte  Wärmebildung  nicht  zu  schliessen  ist 

Victor  Lehmann. 


b.  Pathologie  and  Therapie. 

Pest. 

Nach  amtlichen  Berichten  und  Zeitungsnachrichten  nimmt  die 
Pest  in  Indien  zwar  an  den  alten  Seuchenheerden  beständig  ab,  hat 
sich  jedoch  in  den  Bezirken  Bulsar.  Kurla,  Bhiwedi.  Bassein.  Rewdanda 
und  Mandwi  und  in  portugiesisch  Indien  weiter  verbreitet  mit  einer 
Sterblichkeit  von  75— 90°/«-  In  China  ist  die  Seuche  in  der  Nähe  von 
Kanton  aufgetreten  sowie  in  der  portugiesischen  Kolonie  Macao.  Die 
Berichte  von  Formosa  zeigen  zwar  niedrige  Erkrankungsziffern,  aber 
eine  hohe  Mortalität  (90 — 10»>0/0). 

In  Djeddah.  dem  Hafenorte  Mekka's,  erkrankte  und  starb  Anfangs 
Juni  ein  auf  dem  Landwege  aus  Yemen  kommender  Pilger,  bald 
mehrten  sich  die  Fälle,  und  vom  5. — 27.  Juni  sind  im  Ganzen  51 
Todesfälle  zur  Anzeige  gekommen.  Im  Lazarcth  von  El  Tör  wurden 
zwei  Erkrankungen  unter  den  in  Djeddah  eingeschifften  Pilgern  an 
Bord  eines  ägyptischen  Dampfers  festgcstellt. 

Infolge  dessen  beschloss  der  internationale  Gesundheitsrat  in 
Constantinopel  die  gänzliche  Sperrung  der  Strasse  von  Djeddah  nach 
Mekka,  die  baldige  Räumung  ersterer  Stadt  von  fremden  Pilgern  und 
eine  1-ltägige  Quarantäne  in  Kamaran.  Zur  Sicherung  Europas  und 
Kleinasiens  gegen  Einschleppung  der  Krankheit  durch  die  nordwärts 
wandernden  Pilgerzüge  sind  Beobachtungsstationen  in  El  Tör  und  Beinil 
eingerichtet  worden.  Der  Verkehr  im  Suezkanal  und  an  der  Westküste 
des  rothen  Meeres  wird  durch  ägyptische  Kriegsschiffe  überwacht 
werden.  Marocco  hat  allen  Passagieren  welche  nicht  nachweisen 
können,  dass  sie  die  letzten  zwei  Monate  vor  der  Ankunft  in  einem 
pestfreien  Lande  zugebracht  oder  eine  europäische  Quarantäne  und 
Desinfektion  durchgemacht  haben,  die  Landung  verboten.  Der  Gou- 
verneur von  Deutschostafrika  hat  die  für  deutsche  Häfen  geltenden 
Vorschriften  betreffend  die  gesundheitspolizeiliche  Gontrolle  der  See- 
schiffe (siehe  Heft  1 u.  2 dieser  Zeitschrift  und  S.  133  und  145 — 14W 
der  Veröffentl.  des  kais.  Gesundheitsamts)  in  Kraft  gesetzt.  Die 
meisten  europäischen  Länder  haben  die  zur  Verhütung  der  F.in- 
schleppung  der  Pest  aus  Indien  getroffenen  Bestimmungen  auf  die  Her- 
kiinfte  aus  arabischen  Häfen  ausgedehnt.  Russland  gestattet  nach 
der  Veröffentl.  des  kais.  Gesundheitsamts.  1897  Nr.  23  die  Einführung 
von  Antipestserum  seitens  Privater  nur  dann,  wenn  eine  Bescheinigung 
vorliegt,  dass  das  Serum  im  Institut  Pasteur  zu  Paris  unter  Aufsicht 
des  Dr.  Roux  hergestellt  worden  ist.  M. 


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265 


Re m ark s on  t he  plague  prophylactic  fluid.  By.  W.  M.  Half kine. 

British  medical  Journal.  Nro.  1902.  June  12.  1897.  p.  1-161. 

Nährbouillon  wird  mit  dem  Pastbacillus  geimpft.  Nach  2-1  bis 
-18  Stunden  erscheinen  inselförmige  Flecken,  von  denen  später  nach 
unten  hin  ein  Gewirr  von  stalaktitenartigen  Körpern  wächst.  Diese 
werden  in  1 bis  6 Tagen  fest,  lösen  sich  dann  sammt  den  Inseln 
durch  leichtes  Schütteln  ab  und  fallen  zu  Boden. 

Auf  Agar  entstehen  Involutionsformen.  Die  Bakterien  schwellen 
stark  auf,  werden  zu  grossen  rundlichen  Körpern  und  verlieren  mehr 
und  mehr  ihr  Färbungsvermögen.  Die  Involutionsformen  sind  auch 
in  den  Geweben  gefunden  worden. 

Zur  Gewinnung  der  immunisierenden  Flüssigkeit  werden  die 
Pcstbacillen  unter  Zusatz  von  Butter  gezüchtet.  Nachdem  die  Kulturen 
sich  entwickelt,  werden  die  Mikroben  durch  einstündiges  F.rhitzcn 
auf  70°  C.  getödtet.  Es  haben  sich  dann  zwei  Schichten  gebildet: 
ein  dickes  weisses  Sediment  und  eine  klare  Flüssigkeit.  Ersteres  be- 
wirkt örtliche  Entzündung  und  Knotenbildung,  letztere  Allgemein- 
infektion mit  starker  Temperaturerhöhung.  Zur  Immunisierung  wurde 
das  Gemisch  benutzt.  Victor  Lehmann. 


Dr.  Zabolotnjr : Über  agglutinierende  Eigenschaften  des 
Menschenblutserums  bei  der  Pest  — D.  med.  Woch. 
1897  Nr.  27. 

1.  In  der  ersten  Krankheitswoche  agglutinierl  das  Serum  nicht. 

2.  In  der  zweiten  tritt  bereits  die  Agglutination  deutlicher  auf 

(1 : 10). 

8.  In  der  dritten  und  vierten  Woche  (Rcconvalescent)  ist  die 
Agglutination  am  stärksten  ausgesprochen  (1 : 50.) 

4.  Bei  der  Einwirkung  eines  agglutinierenden  Serums  treten  beim 
Bacillus  Kapseln  auf. 

5.  Diese  Angaben  sind  auf  40  Beobachtungskrankheitsfiille  begründet. 

6.  Die  Versuche  werden  auf  Aden  fortgesetzt,  die  sich  als  sehr 
empfindlich  gegenüber  der  Pestinfeclion  erwiesen  haben. 

7.  Bei  der  Serumbehandlung  der  Pest  beobachtet  man  eine  deutliche 

Phagocytose.  K.  Pfeiffer-Cassel. 


Beri-Beri. 

Neuere  Litteratur  über  Beri-Beri-Krankheit. 

Ref.  Scheube,  Greiz. 

1.  Karl  Dnnbler,  Die  Beri-Beri-Krankheit.  Wiener  Klin.  Rundsch. 
1896.  No.  40—12. 

2.  C.  Eykinan,  Polyneuritis  by  hoenderen.  Nieuwe  bydragen  tot  de 
aetiologie  der  ziekte.  Jaarsverslag  van  het  laboratorium  voor 
pathologische  anatomie  en  bakteriologie  te  Weltevreden  over  het 
jaar  1895.  Batavia  1896.  S.  72. 

8.  Cli.  Firket,  Sur  un  cas  de  bfribtfri.  Breslau  1894. 

4.  Max  Glogner,  Über  die  klinischen  Formen  der  Beri-Beri-Krank- 
heit. Yirch.  Arch.  146.  Bd.  1896.  S.  129. 


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266 


5.  Franz  Kronec.ker,  Einiges  Tiber  die  Kake*  in  Japan.  Cbl.  f.  d.  med. 
Wissensch.  1895.  No.  ■40. 

6.  A.  Messe  et  J.  Hesterns,  Contribution  ü l'etude  du  BeriMri.  Rev 
de  med.  XV.  1B9Ö.  No.  12.  S.  977. 

7.  Carl  Weintraub,  Ärztliche  Erfahrungen  über  die  ..Ueriberi",  eine 
Krankheit  der  tropischen  und  subtropischen  Gegenden.  Wiener 
Klinik  XXII.  Oct. — Nov.  18%. 

Düublcr  (1)  u.  Weintraub  (7)  geben  in  den  Arbeiten  eine  zu- 
sammenfassende  Darstellung  der  Reriberi.  Unter  Zugrundelegung 
eigener  klinischer  und  anatomischer  Beobachtungen  über  Ätiologie. 
Symptomatologie,  pathologische  Anatomie  und  Therapie  dieser  Krankheit 
sich  verbreitend,  entwickelt  ersterer  seine  Ansicht  über  dieselbe, 
welche  sich  in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  der  Anschauung  des 
Reterenten  deckt.  Mit  besonderem  Nachdrucke  wendet  er  sich  gegen 
die  Annahme,  dass  Reriberi  mit  Malaria  identisch  oder  erstere  eine 
Abart  der  letzteren  sei,  und  bespricht  eingehend  die  Unterschiede 
zwischen  beiden  Krankheiten. 

Durch  Dilubler's  Arbeit  erhält  der  Leser  einen  Überblick  Tiber 
den  gegenwärtigen  Stand  unserer  Kenntniss  der  Beriberi,  dieselbe 
ist  durchaus  zeitgemäss.  Das  Gleiche  lässt  sich  nicht  von  Wein* 
trauh’s  Abhandlung  behaupten.  Für  Verfasser  scheint  vielmehr  die 
Litteratur  der  letzten  14  Jahre  grösstentheils  nicht  zu  existiren,  sodass 
man  bei  der  Lectüre  derselben  unwillkürlich  immer  wieder  veranlasst 
wird,  auf  das  Titelblatt  der  Broschüre  zu  sehen,  um  sich  davon  zu 
überzeugen,  dass  sie  wirklich  die  Jahreszahl  18%  trägt.  Nach  Wein* 
traub  „sind  wir  bisher  noch  nicht  in  der  Lage,  für  die  bei  der  Beri- 
berierkrankung  zu  Tage  tretenden  Störungen  der  Sensibilität  und 
Motilität  eine  positive  Ursache  naehweisen  zu  können  und  bleiben 
somit  alle  Erklärungsarten  in  Betreff  der  Affection  der  peripheren 
Nerven  hypothetischer  Natur“,  und  am  Schlüsse  spricht  derselbe  die 
Erwartung  aus,  dass  es  dem  „vor  nicht  langer  Zeit“  vor  der  nieder- 
ländischen Regierung  zur  Besprechung  der  Ursache  der  Beriberi 
entsandten  Prof.  Pekellmrlug  gelingen  werde,  den  Beriberi-Coccus 
aufzufinden. 

Die  Behandlung  von  Pekelharing  u.  Winkler  nach  Nieder- 
lündiscli-lndien  erfolgte  bekanntlich  im  Jahre  1886,  und  die  Ergebnisse 
ihrer  Untersuchungen  veröffentlichten  dieselben  1887  und  1888. 
Sapienti  sat! 

Während  in  den  Arbeiten  Dänhler’s  und  WcintranVs  wesentlich 
neue  Gesichtspunkte  nicht  enthalten  sind,  ist  dies  entschieden  in 
Glognor's  (4)  Aufsatz  der  Fall,  in  welchem  dieser  auf  die  Betheiiigung 
der  Gcfii ss nerven  bei  der  Beri-Beri,  welche  bisher  noch  nicht  die 
gebührende  Berücksichtigung  gefunden  habe,  hinweist.  Verfasser 
verglich  die  Hauttemperatur  (Winteruitz'sches  Hautthermometcr'  an 
verschiedenen  Körperstellen  (Vorderfläche  der  Unterschenkel,  der 
Vorderarme,  1 cm.  über  dem  Nabel)  sowie  die  Achsel-  u.  Aftertcmperahir 
bei  Gesunden  und  Beriberikranken  etc.,  und  fand  bei  Ersteren  die  llaut- 
temperatur  durchschnittlich  erhöht,  auch  ohne  dass  Pulsbeschlcuni- 
gung  vorhanden  war,  was  für  das  Bestehen  von  Gefässlälunungen 


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267 


in  der  Haut  oder  den  unter  dieser  liegenden  Muskeln  spricht.  Einige 
Male  nachweisbares  abnormes  Verhalten  der  Aftertemperatur  deutet 
auf  Gefässveränderungen  in  den  Unterleibsorgancn  hin.  Die  hei 
Beriberi  vorkommende  vorübergehende  Dyspnoe  bei  kräftiger  Herzaction 
und  ohne  Pause  der  Athmungsmuskeln  wird  auf  GefiUsslörungen  im 
kleinen  Kreisläufe  (Reiz-  oder  Lähmungszustände),  welche  eine  er- 
höhte Füllung  u.  Spannung  derselben  sowie  r'no  Dehnung  der  An- 
fangst heile  der  Pulmonalis  — in  H Fällen  in  derLeirhe  nachgewiesen  — 
zur  Folge  haben,  zurückgeführt,  desgleichen  Hypertrophie,  Dilatation 
des  rechten  Herzens.  Accentuation  des  2.  Pulmonaltons,  systolisches 
Geräusch  am  Pulmonalostium.  Endstadien  der  acuten  pernieiösen  Form, 
wenigstens  in  einem  Thcile  der  Fälle.  Nur  in  8 von  24  aus  der 
Litteratur  zusammengestellten  Fällen  wurde  der  linke  Ventrikel  in  Dia- 
stole stark  mit  Blut  gefüllt  gefunden,  wie  es  bei  an  Herzparalyse 
erfolgtem  Tode  der  Fall  sein  müsse.  Mit  pathologischen  Vorgängen 
an  Gefässen  werden  ferner  noch  in  Beziehung  gebracht  Verminderung 
der  Harnmenge,  ungleiche  Yerthcilung  des  Blutes  in  den  Organen 
(z.  B.  Blässe  der  einen  Niere  oder  Lunge  bei  Blutungen  der  anderen) 
Hypertrophie  des  linken  Ventrikels  (in  Folge  von  Gefässlähmungen 
im  grossen  Kreisläufe).  Glogner  scheint  es  demnach  berechtigt,  eine 
eigene  vasomotorische  Form  der  Beriberi  neben  einer  motorischen 
und  gemischten  zu  unterscheiden.  Die  Ansicht,  dass  des  Verfassers 
Eintheilung.  vor  den  bisher  gegebenen  Vorzüge  in  prognostischer  und 
therapeutischer  Beziehung  habe,  kann  Referent  nicht  theilcn,  da  in 
Ulogner’i  vasomotorischer  Form  ebenso  die  rudimentäre  als  die  acute 
pernieiöse  des  Referenten  untergebracht  werden  müsste,  im  (ihrigen 
sieht  aber  dieser  in  Ulognn’s  Ausführungen  eine  glückliche  Er- 
klärungsweise für  manche  bisher  noch  dunkle  Erscheinungen  im 
Kreisläufe. 

Die  beiden  Mitteilungen  von  Flrket  (3)  u.  Musst1  u.  Destaras 
(6)  sind  casuistischer  Natur.  Beide  Fälle  betrafen  Europäer,  welche 
am  fiongo  bezw.  Senegal  erkrankten  u.  nach  Europa  zurückgekehrt  in 
Lüttich  bezw.  Toulon  zur  Beobachtung  kamen.  Letzterer  war  durch 
das  Auftreten  doppelseitiger  Neuritis  optica,  einer  bisher  höchst  selten 
bei  Beriberi  beobachteten  Erscheinung,  ausgezeichnet;  der  Patient  verlor 
in  den  ersten  Krankheitstagen  noch  das  Sehvermögen,  welches  während 
der  Genesung  allmählich  ziiriickkehrte.  Firket  wirft  wieder  einmal 
die  Frage  auf,  ob  nicht  Malaria  u.  Beriberi  dieselbe  Krankheit  seien, 
indem  der  nämliche  Krankheitserreger  das  eine  Mal  in  Blute,  das  andere 
Mal  in  den  Nerven  sich  lokalisire ! Mossf  u.  Deslaras  benutzten 
den  Fall  zu  verschiedenen  Blut-  und  Harnuntersuchungen.  Im  Blute 
fanden  sie  keine  Mikroorganismen  und  was  den  Harn  betrifft,  so 
war  die  Ausscheidung  des  Harnstoffs  und  der  Phosphorsäure  ver- 
mindert, aber  das  Verhältnis  zwischen  beiden  erhöht,  während  die 
Ausscheidung  der  Chloride  keine  Veränderung  erfahren  hatte.  Ver- 
fasser bestätigen  also  die  vor  15  Jahren  veröffentlichten  Untersuchungen 
des  Referenten,  ln  Folge  des  herabgesetzten  Stoffwechsels  war  die 
Acidität  des  Harnes  vermindert  (zu  Beginn  der  Erkrankung  mag 
dieselbe  wie  bei  anderen  Infektionskrankheiten  erhöht  sein).  Auf 


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Grund  der  in  Neu-Caledonien  gemachten  Beobachtungen  sehen  Ver- 
fasser die  Beriberi  für  contagiüs  an. 

Die  anscheinend  während  eines  kurzen  Aufenthaltes  in  Texas 
gemachten  Notizen  Kronecker’s  (5)  enthalten  nichts  Neues  u.  manches 
Unrichtige.  Wie  derselbe  initteilt.  sucht  Balz  die  Erschlaffung  der 
Gefässwände  bei  der  ödematösen  Form  der  Krankheit  durch  grosse 
Gaben  von  F.rgotin  (0.0  pro  dosi),  die  fortgesetzt  werden,  bis 
Intoxicationserscheinungen  auftreten,  zu  bekämpfen.  Bälz  selbst 
erwähnt  in  seiner  vor  Kurzem  (1896)  erschienenen  Bearbeitung  der 
Beriberi  in  Bezold's  u.  Stintzing’s  Handbuche  der  speciellen  Therapie 
(V.  Bd.  VIII.  Abth.)  nichts  hiervon. 

Obwohl  Eykmaun’s(2)  Abhandlung  sich  nicht  eigentlich  mit  der  Beri- 
beri selbst  beschäftigt,  scheint  mir  doch  ein  Referat  über  dieselbe  hier  am 
Platz  zu  sein,  da  durch  sie  für  die  Prophylaxe  und  Therapie  auch  dieser 
Krankheit  neue  Perspectiven  eröffnet  werden.  Im  Weltevredener  Labora- 
torium wurde  bei  mit  gekochtem  Reis  gefütterten  Hühnern  eine  an 
Beriberi  erinnernde  u.  gleichfalls  auf  eine  Polyneuritis  zurückzuführende 
Krankheit  beobachtet,  indem  bei  denselben  nach  einer  Incubation  von 
S — 4 Wochen  zuerst  eine  Lähmung  der  Beine,  dann  der  Flügel, 
schliesslich  auch  der  Athmungsmuskeln  eintrat  und  die  Thiere  so  nach 
kurzer  Zeit  zu  Grunde  gingen.  Diese  Beobachtung  gab  Ey  kman  Ver- 
anlassung zu  zahlreichen  und  vielfach  variirlen  Versuchen,  deren  Er- 
gebnisse kurz  folgende  waren : Nach  Fütterung  mit  rohem  Reise  trat 
gleichfalls  die  Krankheit,  wenn  auch  später,  ein,  u.  auch  durch  Fütterung 
mit  verschiedenen  Stärkemehlresten  konnte  sie  hervorgerufen  werden. 
Verhütet  wurde  sie  dagegen,  wenn  die  Hühner  mit  ungeschälten  oder 
halbgcschälten,  rohem  oder  gekochtem  Reise  gefüttert  wurden,  oder 
wenn  zu  dem  Reis  bezw.  Stärkemehle  feine  Reiskerne,  (hauptsächlich 
aus  den  den  Reiskörnern  unmittelbar  anliegenden  Silberhäutchen  be- 
stellend) weniger  sicher,  wenn  grobe  Reiskerne  (aus  einer  Mischung  der 
groben  Schalen  und  der  Silberhiiutchen  bestehend)  hinzugefügt  wurden, 
und  kranke  Hüliner  genasen,  wie  sie  diese  Nahrung  erhielten.  Hiernach 
muss  es  nach  Verfasser  das  Silberhäutchen  sein,  welches  sie  sicher 
vor  der  Krankheit  schützt  u.  diese  heilt.  Ausser  bei  Hühnern  konnte 
die  Krankheit  experimentell  auch  bei  Tauben  erzeugt  werden,  nicht 
dagegen  bei  einer  Eule.  Meerschweinchen  u.  Affen.  Eykman  nimmt 
an,  dass  die  Krankheit  an  die  Anwesenheit  von  Amvlum  gebunden 
ist.  Aus  diesem  bildet  sich  wahrscheinlich  im  Kropfe  der  Hühner  und 
Tauben,  wo  die  Nahrung  längere  Zeit  verweilt,  ein  Gift,  welches  die 
Polyneuritis  hervoruft:  bei  Thieren  ohne  Kropf  kommt  die  Krankheit 
nicht  zur  Entwickelung,  ln  der  Schale  des  Reises,  besonders  im 
Silberhäutchen,  ist  ein  Stoff  enthalten,  durch  den  das  Gift  direct  oder 
indirect  unschädlich  gemacht  w ird.  Dieser  Stoff  findet  sich,  wenn  auch 
in  beträchtlich  geringerer  Menge,  im  Fleische,  was  daraus  hervorgebt, 
dass  kranke  Thiere  bei  etwaiger  Fütterung  mit  rohem  mageren  Fleische 
wieder  genesen,  derselbe  muss  daher  wohl  zu  den  normalen  Bestand- 
tllellen  iles  Thierkörpers  geboren. 


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Malaria. 

Malaria  in  connexion  with  meteorological  comlilions  at 
Sierra  Leone.  The  Laiieet.  Nro.  3852.  June  26.  IS!  17.  p.  1755. 

Im  ersten  Jahre  des  Aufenthaltes  an  der  Kiiste  von  Sierra 
Leone  leiden  die  Soldaten  am  meisten  am  Fieher,  weniger  im  zweiten, 
noch  weniger  im  dritten  Jahre.  Die  schwarzen  Soldaten  leiden  weniger 
als  die  weissen.  Die  meisten  Fälle  kommen  in  der  Mitte  der  Hegen- 
zeit, in  den  Monaten  Juli  und  August,  vor.  Die  relative  Luft- 
feuchtigkeit seheint  überhaupt  um  meisten  das  Auftreten  der  Malaria 
zu  begünstigen. 

Nach  Mittheilungen  und  statistischen  Tabellen  des  Surgeon- 
Major  E.  M.  Wilson. 

Victor  Lehmann. 

Zur  Morphologie  der  Malariaparasilen.  Von  Dr.  Hans 
Zinna ii ii.  Marine-Stabsarzt.  Mit  1 Tafel  von  Prof  E.  Zettnow. 
Abdruck  aus  dem  Central!)!,  f.  Ltukter.,  Parasitenk.  u.  Infektionskr. 
Ud.  XXI  Nr.  17/1«. 

Die  Arbeit  ist  nach  Verf.  Angabe  eine  wesentliche  Ergänzung 
seines  Aufsatzes  , .lieber  Blutparasiten  hei  heimischer  und  tropischer 
Malaria“.  Mit  Hülfe  seiner  Färbemethode.  — die  übrigens  noch  nicht 
mitgetheilt  wird  — gelang  es  selbst  in  den  jungen  Parasiten  scharf 
konturierte,  meist  rundliche  Gebilde,  z.  Th.  oder  ganz  umgeben  von 
einer  helleren  achromatischen  Zone  zu  erkennen.  Diese  Gebilde,  die  Verf. 
früher  Kernkörper  und  Kern  genannt  hat,  nennt  er  jetzt  chromatische 
und  achromatische  Kernsubstanz.  Finden  sich  2 oder  3 Chromatin- 
klümpchen bei  einem  jungen  Parasiten,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
durch  friihzeitge  Abschnürung  das  ursprüngliche  einfache  Chromatin- 
klümpchen  in  2 oder  3 Theile  getheilt  wurde.  Hei  der  heimischen 
Tertiana  fand  sich  die  chromative  Kernsubstanz  ziemlich  oft  excentrisch 
gelegen,  wie  ohne  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  Parasitenleibc. 
Die  Chromatinauflockerung  beginnt  — unabhängig  von  der  Pigment- 
bildung  — erst  deutlich,  wenn  der  Parasit  */*  oder  ganz  erwachsen  ist. 
Die  Pigmentbildung  kann  dabei  sehr  verschieden  stark  entwickelt  sein. 
Einmal  wurde  ein  vollständiger  Mangel  an  Pigment  bei  einem  Para- 
siten mit  ziemlich  vorgeschrittener  Kerntheiiung  beobachtet.  Verf. 
macht  auf  diesen  Punkt  desshalb  besonders  aufmerksam,  weil  das 
Verhalten  des  Pigmentes  differentialdiagnostisch  zur  Unterscheidung 
zwischen  Tertiana-  und  Quartana-Parasiten  benutzt  worden  ist.  Das 
Chromatin  der  erwachsenen  Parasiten  färbt  sieb  nicht  mehr  so  stark 
als  das  der  jungen  Formen.  Das  Chromatin,  das  im  erwachsenen 
Parasiten  für  gewöhnlich  in  zahlreiche  Klümpchen  zerfällt,  kann  auch 
zuweilen  in  der  Form  eines  nur  äusserst  wenig  an  der  Peripherie 
und  im  Centrum  aufgelockerten  Klümpchens  im  erwachsenen  Para- 
siten erscheinen. 

Der  Vorgang  der  Kerntheiiung  selbst  ist  derartig,  dass  die 
Chromatinmasse  sich  in  3 Theile  theilt  und  diese  Theile  sich  weiter 
tkeilen  bis  verschieden  viele  — bis  zu  20  Stück  — rundliche  oder 


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ovale  Chromatinklünrpchen  vorhanden  sind,  die  sich  nicht  weiter 
theilen.  Die  Chromatinmasse  scheint  in  einzelne  Fäden  zu  zerfallen, 
die  manchmal  schleifenförmige  Figuren  bilden,  die  an  die  karyo- 
kinetischen  Figuren  erinnern.  Es  handelt  sich  aber  nicht  um 
k ar y o k i n e t i s c h e Theilung,  sondern  um  eine  als  amito- 
tische  bczw.  direkte  Kern  vermehrung  (Kernzerschnür- 
u n g nachO.  Herlwig)  aufzufassende  Kerntheilung. 

Die  Entstehung  der  grossen  sterilen  Formen  gebt  nach  der  Dar- 
stellung des  Verf.  folgendermaassen  vor  sich.  Die  stark  gefärbten  aus 
dicht  zusammenliegenden  C.hromatinkörnchen  bezw.  kurzen  krummen 
Fäden  bestehende  Chromatinsubstanz  eines  erwachsenen,  pigroentirten. 
rundlich  gewordenen  Parasiten  weicht  auseinander.  Das  Chromatin 
wird  äusserst  feinbröckelig.  schliesslich  staubförmig,  während  seine 
Färbbarkeit  gleichzeitig  abnimmt.  Die  achromatische  Substanz  hält 
sich  etwas  länger,  verschwindet  aber  schliesslich  auch.  Gleichzeitig 
nimmt  die  Färbbarkeit  des  Parasitenleibes  ab  und  sein  Volum  zu 
Es  kann  an  Grösse  das  Hfache  eines  rothen  Blutkörperchens  erreichen. 
Solche  Formen  haben  im  Durchschnitt  auch  mehr  Pigment  als  die 
chromatinhaltigen.  Nur  solche  Formen  (sterile)  werden  von  den  Leu- 
koeyten  aufgenommen.  Also  hätte  eine  Leukocytose  künstlich  hervor- 
gerufen zur  Bekämpfung  des  Malariafiebers  keine  Aussicht  auf  Erfolg, 
weil  die  fortpllanzungsfähigen  Formen  dadurch  nicht  vernichtet  würden- 

Die  Kamerun- Parasiten  zeigen  sich  bald  nach  Eintritt 
des  llilzestadiums  als  ganz  junge  Formen  mit  compaktem,  rundlichem 
oder  ovalem  C.hromatinkorn.  Die  achromatische  Zone  war  bald  mehr 
bald  weniger  deutlich.  Das  f'.hromatinkorn  kann  sich  an  jeder  Stelle 
des  ringförmig  erscheinenden  Parasitenleibes  finden.  Es  kann  sich 
beim  weiteren  Wachsthum  des  Parasiten  in  die  Länge  strecken.  Ein- 
schnürungen bekommen  und  entsprechend  diesen  Einschnürungen  in  Ü 
C.hromatinkörnchen  zerfallen.  Den  häufigsten  Befund  stellen  bei  Para- 
siten mit  2 C.hromatinkörnern  Hufeisenformen  dar.  deren  Ende  von 
je  einem  C.hromatinkorn  eingenommen  ist.  Der  wachsende  Parasit 
zeigt  durchschnittlich  Kingform,  schliesslich  sammelt  sich  das  Plasma 
an  einer  Stelle  des  Ringes  noch  mehr  an.  so  dass  Siegel ringformen 
entstehen.  „Wie  mit  dem  frühzeitigen  Abschnürungen  des  Cbroma- 
tins,  ergiebt  sieb  auch  darin  eine  Parallele  zu  den  entsprechenden 
Formen  bei  heimischer  Tertiana,  dass  der  Kern  meist  im  Verlaufe  der 
von  der  Hauptmasse  des  Parasitenleibes  ausgehenden  Halbringfigur 
liegt".  Dazu  kommt,  dass  sich  die  grossen  Parasiten  der  Kameruner 
Malaria  von  gewissen  kleineren,  jüngeren  Parasiten  der  heimischen 
Tertiana  kaum  oder  gar  nicht  unterscheiden  lassen.  Doch  will  der 
Verf.  aus  diesen  Befunden  durchaus  nicht  auf  eine  Identität  beider 
Formen  schliessen. 

Halbmonde  und  Ovale  erklärt  Verf.  für  sterile  Formen,  weil  er 
trotz  Anwendung,  der  sonst  wirksamen  Kernfärbung  Chromatin  bei 
ihnen  nicht  naclnveisen  konnte.  Dieser  Befund  erklärt  allerdings  noch 
nicht  den  Umstand,  dass  sich  die  genannten  Formen  so  ausserordentlich 
widerstandsfähig  gegen  Chinin  zeigen.  Trotz  ihrer  Sterilität  hält  Verf. 
die  Halbmonde  durch  den  Ausdruck  einer  latenten  Infektion  und  nimm! 


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an,  dass  in  den  inneren  Organen  fortpflanzungsfähige  Parasiten  vor- 
handen sind,  selbst  wenn  im  peripherischen  Blut  nur  Halbmonde  vor- 
handen sind.  Er  hält  also  auch  in  diesem  Falle  eine  Chinintherapie 
für  angezeigt,  wenigstens  an  Bord,  wo  häutiger  ein  Klimawechsel 
stattlindet. 

Zum  Schluss  verwahrt  sich  Verf.  noch  gegen  den  F.inwurf,  dass 
er  dadurch  vielleicht  einem  Irrthum  unterlegen  sei,  dass  er  unbewusst 
willkürlich  Kerntheilungsliguren  konstruirt  und  aneinander  gereiht 
habe.  Er  sagt : „Die  ganze  Entwicklung  der  heimischen  Tertiana- 
Parasiten  ist  an  2 ausgewählten  Präparaten  dargelcgt  worden.  Aus 
dem  einen  derselben,  welches  bei  Beginn  des  Froststadiums  einer 
heimischen  Tertiana  duplicata  entnommen  war,  liess  sich  allein  die 
ganze  Entwicklung  zeigen. 

Das  2.  Präparat  . . . sollte  hauptsächlich  zur  Veranschaulichung 
der  sterilen  Formen  dienen“. 

Die  vorstehende  ausserordentlich  sorgfältige  alle  Verhältnisse 
in  Betracht  ziehende  und  bis  in  die  feinsten  Einzelheiten  gehende 
Arbeit  würde  sehr  an  Werth  gewonnen  haben,  wenn  sie  mit  brauch- 
baren Abbildungen  versehen  wäre.  Die  geringe  Brauchbarkeit  der 
Abbildungen  heben  die  Verf.  an  verschiedenen  Stellen  selbst  hervor. 
Pigment  ist  oft  von  Chromatin  nicht  zu  unterscheiden  ebenso  wenig 
chromatinhaltige  und  chromatinlose  Figuren  (Fig.  2!t  u.  30.)  Da  wo 
eine  achromatische  Zone  sein  soll,  ist  sie  oft  nicht  zu  erkennen,  so 
dass  man  die  Schilderung  des  Verf.  nicht  in  Llebereinstimmung  mit 
der  Abbildung  findet  und  nicht  im  Stande  ist,  das  zu  sehen,  was  man 
sehen  sollte  und  möchte.  Wenn  nun  auch  der  Name  Zettnow  dafür 
bürgt,  dass  die  Originalphotographien  tadellos  und  brauchbar  sind,  so 
erfiilten  die  Reproduktionen  doch  ihren  Zweck  nicht.  Wenn  man 
nun  die  grosse  Mühe  und  den  grossen  Aufwand  von  Zeit  und  Geduld 
kennt,  der  nöthig  ist.  um  brauchbare  Mikrophotographien  zu  erhalten, 
so  drängt  sich  die  Erwägung  auf,  ob  es  nicht  besser  wäre  in  solchen 
Fällen  die  Kosten  eines  besseren  Reproduktionsverfahrens  nicht  zu 
scheuen  und  die  Anzahl  der  Abbildungen  zu  vermindern,  damit  auch 
die  Reproduktion  Brauchbares  liefern  kann.  Es  wäre  dann  dem  Verf. 
und  den  Lesern  gedient.  Denn  für  eine  etwaige  Nachprüfung  der 
Zieniann'schen  Befunde  sind  die  beigegebenen  Figuren  nicht  zu  ver- 
werthen. 

Es  wäre  wünschenswert!),  dass  der  Verf.  seine  Kernfärbungs- 
inelhodc  bald  veröffentlicht,  damit  eine  Nachprüfung  der  obigen  interes- 
santen Befunde  stattfinden  könnte. 

Rüge  (Kiel). 

F.  Burot  ct  M.  A.  I.egrand.  Therapeutique  du  Paludisme. 

Paris  1397,  BailliAre  u.  Fils. 

Die  Verfasser,  welche  als  französische  Marineärzte  reiche  Er- 
fahrungen gesammelt  haben,  geben  in  dem  18t>  Seilen  starken  Werke 
einen  Leitfaden  der  Malariabchandlung.  Alle  Formen  der  Malaria 
werden  besprochen  und  in  klarer  Weise  die  Therapie  während  des 
so  verschiedenartigen  Krankheitsverlaufs  dargelegt.  Gründliche  und 


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272 


anhaltende  Cliininbehandlung  in  mittleren  Dosen  wird  für  alle  Formen 
und  zur  Prophylaxe  wann  empfohlen.  Nur  bei  grösseren  Dosen  als 
zwei  Gramm  hinnen  24  Stunden  befürchten  B.  und  L.  Hämaturie, 
Lahyrinthhämorrhagien,  Amblyopien  u.  s.  w.  Zu  Gunsten  der  prä- 
ventiven Chinindarreichung  führen  sie  zahlreiche  Fälle  eigener  und 
fremder  Beobachtung  an  und  glauben  durch  dieselbe  schwere  Formen 
verhüten  zu  können.  Die  Möglichkeit,  Hämoglobinurie  hervorzurufen 
scheinen  B.  und  L.  nicht  anzunehmen.  Auf  diesen  Gebieten  stehen 
sich  noch  die  Ansichten  der  Beobachter  schroff  gegenüber.  Referent 
behandelte  22  schwere  hämoglobinurische  Fieberfälle  mit  mittleren 
Chinindosen  und  hatte  keinen  Todesfall  zu  verzeichnen  (siehe  Mense, 
Hygienische  und  med.  Beobachtungen  vom  Congo.  Wien,  klinische 
Rundschau  1897,  No.  H — 7). 

M. 


Gelbfieber. 

Etiologia  y patogenia  de  la  fiebre  amarilla.  Aetiologic 
und  Pathogenie  des  gelben  Fiebers.  Vortrag  gehalten 
an  der  Universität  zu  Montevideo  am  10.  Juni  1897  von  Prof.  Dr. 
J.  Sanarelli.  Vorsteher  des  Instituts  für  Experimentalhygiene. 
Auszug  aus  den  Annalen  der  Universität,  Abtheilung  VIII. 

Der  überaus  wichtige  Vortrag  bespricht  zuerst  die  Symptoma- 
tologie und  pathologische  Anatomie  des  gelben  Fiebers  und  kommt  zu 
dem  Ergebnisse,  dass  keine  wirklich  pathognomischc  Läsion  des  gelben 
Fiebers  bekannt  sei,  sondern  dass  dasselbe  die  wichtigsten  pathologi- 
schen Veränderungen  mit  vielen  anderen  Infektionskrankheiten  theile. 
Sanarelli  stellt  nun  die  grosse  Frage,  welches  ist  der  Erreger  eines 
so  schweren  und  komplizierten  Krankhcitsbildes,  und  glaubt  auf  Grund 
andauernder  Studien  die  Frage  beantworten  zu  können.  Die  Ansicht 
dass  Gelbfieber  eine  Malariaform  sei.  ist  für  den  Vortragenden  längst  ab- 
getlian.  Die  Schwierigkeit  der  Auffindung  des  Krankheitserregers,  welche 
so  viele  Gelehrte  vergeblich  beschäftigt  hat.  besteht  darin,  dass  in 
den  meisten  Fällen  der  Bakteriologe  ein  Chaos  der  verschiedensten 
Bakterien  vorfindet.  Sanarelli  verdankt  seine  Entdeckung  einem  halle. 
wo  dieses  irreführende  und  schwer  zu  sichtende  Gemisch  von  Bak- 
terien fehlte,  und  er  den  von  ihm  so  benannten  und  als  Gelbfiebercrreger 
betrachteten  bacillus  icteroidcs.  in  ziemlicher  Reinheit  antraf.  Seine 
Beobachtungen  sind  theils  auf  der  Quarantänestation  Isla  de  Flores, 
theils  in  Bio  do  Janeiro  gemacht.  Der  bacillus  icteroides  verschwindet 
oft  in  der  Mischung  von  Mikroben  aller  Art,  besonders  Staphylokokken, 
Streptokokken  und  Colibacillen,  welche  den  durch  den  genannten  Krank- 
heitserreger geschädigten  Organismus  rasch  erfüllen  und  den  spezi- 
fischen Keim,  welcher  ihnen  den  Weg  gebahnt  hat,  bald  überwuchern. 
Hierzu  kommt  noch,  dass  der  bacillus  icteroides  nicht  im  Verdauungs- 
kanal,  wie  man  denselben  am  ehesten  vermuthen  sollte  und  bisher 
stets  gesucht  hat.  sondern  im  Blut  und  in  den  Geweben  gefunden 
werden  kann.  Nur  in  68  Prozent  der  Fälle  liess  sich  der  Krankheits- 
erreger isolieren  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  Im  Anfang  der 
Krankheit  vermehrt  sich  der  spezifische  Keim  nur  wenig,  das  von 


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273 


demselben  entwickelte  Toxin  ist  von  einer  solcher  Intensität,  dass 
eine  geringe  Menge  genügt,  um  das  schwere  Bild  des  Gelbfieberanfalls 
hervorzurufen.  Ferner  begünstigt  das  Krankheitsgift  in  aussergewöhn- 
lichein  Masse  die  F.ntstehung  sekundärer  Infektionen  verschiedenster 
Natur  besonders  in  der  Schleimhaut  des  Verdauungskanals  und  in  der 
Leber.  Der  bacillus  selbst  bietet  auf  den  ersten  Blick  nichts  charak- 
teristisches. Es  handelt  sich  um  ein  an  den  Enden  abgerundetes 
Stäbchen  von  2 bis  4 p Länge,  meistens  drei  bis  vier  mal  so  lang 
als  breit.  Derselbe  ist  ziemlich  polymorph  und  findet  sich  in  den 
Kulturen  paarweise,  in  den  Geweben  gruppenweise  gelagert.  Die 
Auffindung  in  den  Geweben  ist  nur  dann  möglich,  wenn  der  Tod  nicht 
unter  sekundärer  Septicaemie  eingetreten  ist.  Selbst  in  den  günstigsten 
Fällen  findet  man  den  bacillus  icteroides  nur  sehr  spärlich  in  den 
Geweben.  Trotzdem  liess  er  sich  bei  sorgfältigem  Suchen  in  kleinen 
Gruppen  in  den  feinsten  Gapillaren  der  Leber,  Nieren  u.  s.  w.  nach- 
weisen.  Das  beste  Mittel  denselben  und  seine  Neigung,  sich  in  den 
kleinsten  ßtutgefässen  zu  gruppieren,  nachzuweisen  besteht  darin,  dass 
man  dem  frischen  Cadaver  ein  Stück  Leber  entnimmt,  und  dasselbe 
zwölf  Stunden  lang  bei  37*  Grad  in  den  Brutschrank  bringt.  Hierdurch 
wird  eine  starke  Vermehrung  der  bacilli  hervorgerufen. 

Der  Gelbliebcrkeim  lässt  sich  leicht  auf  den  gewöhnlichen  Nähr- 
boden vermehren,  ln  Plattenkulturen  von  gewöhnlicher  Gelatine  bilden 
sich  rundliche  durchscheinende  körnige  Kolonien,  welche  in  den  ersten 
drei  bis  vier  Tagen  wie  Leukocythen  aussehen.  Nach  und  nach  gra- 
nulirt  die  Kolonie  mehr  und  es  grenzt  sich  ein  central  oder  peripher 
liegender  undurchsichtiger  Kern  ab.  Mit  der  Zeit  werden  die  Kolonien 
selbst  ganz  undurchsichtig  und  verflüssigen  die  Gelatine  nicht  mehr. 

Bei  Streifenkulturen  bilden  sich  glänzende  undurchsichtige 
Tropfen,  ähnlich  .Milchtropfen,  ln  Fleischbrühe  entwickelt  sich  der 
bacillus  icteroides  leicht,  ohne  Häutchen  oder  flockigen  Niederschlag 
zu  bilden,  auf  Blutserum  dagegen  wächst  er  nur  unmerklich.  Die 
Agar-Agarkultur  bildet  ein  diagnostisches  Hiilfsiniltel  ersten  Hanges, 
jedoch  nur  unter  bestimmten  Voraussetzungen.  Wenn  die  Kolonien 
im  Brutschrank  bei  37°  gezogen  werden,  so  unter- 
scheiden sie  sich  kaum  von  vielen  anderen  Mikroben- 
kulturen, sie  sind  rundlich,  grau,  etwas  irrisierend,  durchscheinend, 
mit  glatter  Oberfläche  und  regelmässigen  Rändern.  Wenn  man 
die  Kolonien  aber  bei  einer  umgebenden  Temperatur 
von  20 — 20®  sich  entwickeln  lässt,  so  nehmen  dieselben  ein  ganz 
anderes  Aussehen  an. 

Sie  erscheinen  wie  ebenso  viele  Milchtropfen,  undurchsichtig, 
erhaben,  mit  perlmutterartigem  Glanze.  Wenn  man  also  die  Kulturen 
erst  bei  37°  12 — 16  Stunden  im  Brutschrank  hält  und  ebenso  lange 
in  die  genannt  niedere  Temperatur  bringt,  so  zeigt  die  Kolonie  zu- 
zusammengesetzt aus  einem  flachen  centralen  durchscheinenden 
bläulichen  Kern  und  einer  undurchsichtigen  erhabenen  Umgebung, 
sodass  das  Bild  eines  Lacksicgels  entsteht.  Diese  F.igenthüm- 
lichkeit  genügt,  um  den  bacillus  icteroides  binnen  24  Stunden  von 
allen  anderen  Mikroben  zu  unterscheiden.  Ausserdem  bat  er  noch 


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folgende  Eigenschaften : Er  ist  fakultativ  anaerob,  widersteht  nicht 
der  Färbung  nach  (irain.  bringt  Milchzucker  unmerklich  zur  Gährung 
stärker  Traubenzucker  und  Rohrzucker,  ist  aber  nicht  im  Stande 
Milch  zur  Gerinnung  zu  bringen.  Derselbe  widersteht  lange  der  Aus- 
trocknung, stirbt  im  Wasser  bei  HO»  und  wird  in  7 Stunden  ton 
Sonnenstrahlen  getödtet.  Im  Meer  was  so  r lebt  er  sehr  lange. 

Der  Gelhfiebcrerrcgcr  ist  fiir  die  meisten  Hausthiere  pathogen, 
ln  dieser  Beziehung  Übertritt!  er  fast  alle  anderen  spezifischen  Krank- 
heitskeime. Wenn  auch  Vögel  seiner  Wirkung  nicht  unterliegen,  so 
haben  sich  doch  alle  Säugethiere.  mit  denen  Sanarelli  experirnentirte 
sehr  empfänglich  gezeigt.  Infizierte  xveisse  Mäuse  sterben  nach  5 Tagen. 
Meerschweinchen  nach  8— 12  Tagen.  Letztere  können  auch  auf  respi- 
ratorischen Wege  infiziert  werden.  Die  überaus  empfindlichen  Ka- 
ninchen erlagen  schon  nach  zwei  Tagen  bei  Einführung  des  barillus 
icteroides  in  das  Blut,  bei  anderweitiger  Einverleibung  nach  4—5 
Tagen.  Am  deutlichsten  zeigen  sich  die  zahlreichen  Symptome  des 
Gelbfiebers  beim  Hunde,  auch  die  pathologisch-anatomischen  Verän- 
derungen entsprechen  am  meisten  denen  beim  Menschen.  Aden  zeigen 
die  Leberverfettung  noch  deutlicher,  als  man  dieselbe  beim  Menschen 
findet.  Wie  beim  Menschen  endet  bei  Hund  und  AfTcn  das  bakterio- 
logische Krankheitsbild  als  Mischinfektion  von  vorwiegend  Staphylo- 
kokken und  Streptokokken.  Auch  Ziegen  und  Hammel  sind  gegen  den 
Gelbfieberbaeillus  empfindlich. 

Das  Gelbfieber  wird  also  durch  einen  bestimmten,  isolierbaren 
kultivierbaren  und  überimpfbaren  Keim,  den  bacillus  icteroides  hervor- 
gerufen. 

Bei  cyklischem  Verlauf  der  Krankheit  ist  er  anfangs  sehr  spär- 
lich vorhanden  und  vermehrt  sich  erst  nach  7 — 8 Tagen  rasch  und 
durchdringt  unter  heftiger  Allgemeininfcktion  den  ganzen  Organismus 
meistens  begleitet  von  anderen  Mikroben,  welche  wahrscheinlich  dem 
Darmkanal  entstammen.  Wenn  die  Krankheit  dagegen  vorzeitig  durch 
Septicaemie  oder  durch  l'raemie  tödtlich  endet,  so  ist  es  oft  schwer 
oder  unmöglich  den  bacillus  icteroides  nachzuweisen.  Diesen  drei 
Möglichkeiten,  Allgemeininfektion  durch  den  spezifischen  Erreger.  Sep- 
ticaemie durch  Mischinfektion,  Urämie  durch  Nieren  Verstopfung  ent- 
sprechen die  wichtigsten  Symptome  und  anatomischen  Läsionen. 
Die  bekannteste  Erscheinung  des  Gelbfiebers,  das  schwarze  Erbrechen, 
ist  unmittelbar  durch  die  toxischen  Eigenschaften  der  im  Blute  krei- 
senden Produkte  des  bacillus  icteroides  hervorgerufen,  wobei  di« 
durch  den  spezifischen  Einfluss  verfetteten  Blutgefässe  leicht  reissen. 

Das  Gelbfiebergift,  das  Erzeugniss  des  Gelbfieberbaeillus,  erhält 
man  leicht  durch  Filtration  einer  20— 26  Tage  alten  Fleischbriiheknltur 
des  bacillus  icteroides.  das  so  erhaltene  Toxin  kann  ungestraft  auf  70* 
abgekühlt  werden,  wird  aber  durch  Siedehitze  bedeutend  abgeschwächt. 
Bei  den  obengenannten  Thierarten  und  beim  Mensehen  hat  Sanarelli 
das  Gelbfiebertoxin  erprobt.  Die  kleinen  Nager  besonders  zeigen 
sieb  demselben  gegenüber  weniger  empfindlich  als  bei  den  Versuchen 
mit  dem  lebenden  Virus,  der  Hund  dagegen  zeigt  bei  intravenöser 
Einführung  des  Toxins  dieselben  Erscheinungen  und  anatomischen 


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Veränderungen  wie  bei  Infektion  mit  dem  bncillus  selbst,  Katzen  sind 
gegen  beide  Formen  resistenter,  Ziegen  zeigen  mit  Ausnahme  des 
Erbrechens  dieselben  Erscheinungen  wie  Hunde  und  Menschen. 

Ein  Esel  unterlag  gleichfalls  der  Toxinwirkung.  Pferde  ebenfalls. 

Was  die  Uebertragungsversuehe  bei  Menschen  angeht,  so  waren 
dieselben  schon  wiederholt  in  Amerika  gemacht  worden,  mit  meistens 
gänzlich  negativem  Erfolge,  weil  man  das  Gift  dort  suchte,  wo  es  am 
wenigsten  gefunden  wird,  im  Erbrochenen,  Speichel,  Magen-  und  Darm- 
inhalt.  Sanarelli  hat  fünf  Versuche  der  Uebertragung  des  Gelbfieber- 
toxins auf  Menschen  angestellt  und  zwar  zwei  unter  subkutaner,  drei 
unter  intravenöser  Injektion  einer  durch  (’.hamberland-Filter  gegebenen 
15 — 20  Tage  alten  Fleischbrühekultur,  welche  zur  Vorsicht  durch  Zu- 
satz einiger  Tropfen  Ameisensäure  sterilisirt  worden  war.  Das  ganze 
komplizirte  Krankheitsbild  bis  zum  Gollaps  erschien  bei 
diesen  Menschen  vor  den  Augen  des  Experimentators. 
Im  einzelnen  werden  diese  Versuche  in  einer  besonderen  Arbeit  dem- 
nächst veröffentlicht  werden.  Diese  wie  die  Thierversuche  ergeben, 
dass  die  charakteristischen  Symptome  und  Läsionen  beim  Gelbfieber 
von  den  Erbrechen,  Verfettung  und  Erweichung  erregenden  toxischen 
Sloffwechselproduktcn  des  bncillus  icteroides  herrühren,  welche 
der  Wirkung  einiger  Schlangengifte  gleichen,  ebenso  wie  die  blutige 
Gastroenteritis,  welche  man  oft  als  Aeusserung  einer  eliminierenden 
Kraft  des  Organismus  angesehen  hat.  Die  Sekundärinfektion  durch 
verschiedene  andere  Mikroorganismen,  welche  den  eigentlichen 
Krankheitserreger  unterdrücken,  kommt  beim  Gelbfieber  nicht  dem 
kranken  Organismus  zu  Gute,  sondern  gefährdet  denselben  erst  recht. 

Die  Uebertragung  des  Giftes  muss  auch  auf  athmosphärischetn 
Wege  für  möglich  gehalten  werden.  Wenn  Vera  Gruz  nach  Ver- 
sorgung mit  gutem  Trinkwasser  gelbfieberfrei  wurde,  so  ist  zu  be- 
denken, dass  die  Anlage  einer  Wasserleitung  wohl  stets  eine  Ver- 
besserung der  gesammten  hygienischen  Verhältnisse  einerStadt  bedeutet. 

Noch  ein  anderes  biologisches  Phänomen,  welches  für  die 
Epidemiologie  des  gelben  Fiebers  von  grösster  Bedeutung  ist,  verdient 
eingehende  Betrachtung. 

Während  andere  von  Schiffen  verschleppte  Krankheiten,  z.  B. 
die  Cholera,  zwar  rasch  auftreten  und  alle  für  das  spezifische  Gift 
empfindlichen  Personen  an  Bord  befallen,  dann  aber  geeigneten  Mass- 
regeln  bald  weichen  und  erlöschen,  haftet  das  Gelbfieber  fest  am 
Fahrzeug,  in  seinem  Kiel-  und  Laderaum,  in  allen  schlecht  gelüfteten 
Winkeln  besonders  auf  alten  abgenuzten  Schiffen.  Ein  Experiment 
über  das  Zusammenleben  der  Schimmelpilze  mit  den  bacillus  icteroides 
erklärt  diese  Thatsache.  Bei  gleichzeitiger  Kultur  auf  Gelatinc- 
Platten  schliesst  sich  das  Wachsthum  des  bacillus  icteroides  der 
Ausdehnung  des  Myceliums  an.  Selbst  wenn  die  Kulturen  des  Gclb- 
ficbererregers  längere  Zeit  anscheinend  steril  gewesen  waren,  wird 
derselbe  durch  Uebertragung  von  Schimmelpilzen  auf  den  Nährboden 
neues  Leben  eingehaucht,  jedoch  nur  innerhalb  einer  das  Mycelium 
eng  umrahmenden  Zone.  Die  Erscheinung  ist  offenbar  ein  Beispiel 
mikrobisehen  Saprophytismus,  wobei  die  Schimmelpilze  dem  parasi- 


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276 


tischen  bacillus  icteroides  den  Nährboden  bereiten  lind  wirft  ein  Licht 
auf  tlie  bisher  rätselhaften  Bedingungen  der  Einnistung  des  Gelbfiebers 
auf  Schilfen.  Die  Langlebigkeit  des  bacillus  icteroides  im  Meerwasser, 
sein  Gedeihen  in  feuchtwarmer  Umgebung  kommen  noch  als  weitere 
Momente  hinzu,  welche  die  Aetiologie  der  Gelbfieber-Epidemien  und 
Endemien  ergänzen l). 

M. 


Sonstige  acnte  Infectionnkrankheiten. 

La  Psittacosi.  Znsamraenfassender  Bericht  über  die  Psit- 
tacos  is,  von  Br.  Filippo  Rho,  A nnali  di  medieina  na  vale. 
Juni  1897. 

Unter  Psittacosis  versteht  man  eine  infektiöse  Allgemeinerkran- 
kung. welche  vom  Papagei  auf  den  Menschen  übertragen  wird.  Pie 
früher  unbekannte  Krankheit  brach  in  Paris  1897  epidemisch  aus, 
nachdem  eine  Sendung  von  500  Papageien,  von  denen  jedoch  nur  200  lebend 
ankamen,  von  Buenos  Ayres  nach  Paris  versandt  worden  waren.  Pie 
Seuche  bildete  in  Paris  zwei  Heerde,  deren  Ausstrahlungen  dem  Verkauf 
der  Papageien  entsprachen.  50  Personen  erkrankten  an  bösartiger 
Lungenentzündung,  von  denen  ein  Drittel  starb. 

Eine  kleinere  Epidemie  wurde  1894  in  Florenz  beobachtet,  eine 
andere  im  Februar  d.  J.  in  Genua.  Letztere  ging  von  zwei  Papageien 
aus.  ln  der  Familie,  welche  den  einen  beherbergte,  erkrankten  4 Per- 
sonen. keine  derselben  starb,  wohl  aber  eine  andere  von  demselben 
Vogel  gleichfalls  angesteckte  Person,  welche  dasselbe  Stockwerk  be- 
wohnte. Von  dem  zweiten  Papagei  ging  eine  kleine  Hausepidemie 
von  4 Erkrankungen  mit  drei  Todesfällen  aus. 

Bezüglich  der  Ätiologie  der  Psittacosis  ist  noch  manches  unklar. 
Der  von  Nocard  entdeckte  bacillus  psittacoseos  gleich  dem  bac.  coli 
commun.  wirkt  aber  schcjn  in  kleinsten  Dosen  tödtlich  auf  Mäuse. 
Meerschweinchen,  Hühner  und  Kaninchen.  Die  Übertragung  geschieht 
leicht  durch  Cberimpfung,  ist  jedoch  auch  auf  anderem  Wege  möglich. 
Z.  B.  gesunde  Papageien  erkranken,  wenn  man  Federn  eines  bereits 
an  Psittacosis  leidenden  Vogels  in  ihren  Käfig  legt.  Die  Obduktion 
der  infizierten  Thiere  ergibt  in  Milz.  Loher  und  Nieren  Reinkulturen 
des  bac.  Nocard.  Beim  Menschen  hat  sich  dieser  angebliche  Krank- 
heitserreger erst  einmal  im  Herzblute  nachweisen  lassen.  Die  Über- 
tragung auf  Menschen  geschieht  meistens  durch  die  Fütterung  von 
Mund  zu  Schnabel  und  äussert  sich  meist  als  lokale  Erkrankung  mit 
diphtherischen  Schleimhautflecken,  Oedem  und  Infiltraten  auf  der 
Mund-  und  Rachenschleimhaut.  F.s  ist  jedoch  auch  mittelbare  An- 
steckung beobachtet  worden  und  ein  Fall  von  Ansteckung  eines  Arztes 
durch  Psittacosis-Kranke. 

Symptomatologie.  Wenn  keine  Lokalerkrankungen  beim 
Menschen  auftreten.  so  beginnt  die  Krankheit  nach  einer  Inkubationszeit 

n Nach  telegraphischen  Zeitungsberichten  soll  S.  mit  dem  von 
ihm  mittelst  der  Kulturen  des  bac.  icteroides  hergestellten  Heilserum 
günstige  Erfolge  erzielt  haben.  Bef. 


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277 


von  8 — 12  Tagen  in  schleichender  Weise  mit  Mattigkeit,  Abgeschlagenheit 
und  allgemeiner  Schwäche  mit  Kopfschmerzen  und  Ziehen  in  den 
Gliedern  und  Gelenken.  Durch  das  Auftreten  typhöser  Symptome, 
Stupor,  Schlafsucht  und  Delirien  von  verschiedener  Heftigkeit  wird 
der  Kranke  ans  Bett  gefesselt. 

Das  Fieber  steigt  rapide  an,  oft  schon  am  zweiten  Tage  bis 
■10°  C.,  bleibt  unter  geringen  Morgenremmissioncn  bis  zum  15 — 20. 
Tage  auf  dieser  Höhe,  um  dann  in  zwei  bis  drei  Tagen  abzufallen 
ohne  die  grossen  Schwankungen  in  der  Fieberkurve,  wie  sie  beim 
typhösen  Fieber  beobachtet  werden.  Der  Leib  ist  leicht  druckempfind- 
lich, der  Stuhl  meistens  angehalten,  manchmal  diarrhoisch.  Die  Milz 
ist  immer  geschwollen,  die  Leber  unverändert.  Sehr  wichtig  sind 
die  Erscheinungen  seitens  der  Athmungsorgane,  dieselben  ähneln 
denen  der  Pneumonie.  Husten  und  Athemnot  sind  sehr  ausgeprägt. 
Die  Auskultation  ergibt  jedoch  meistens  nur  feine  bronchitische 
Hasselgeräusche,  häufig  findet  man  jedoch  lobäre  Pneumonie.  Die 
Rekonvaleszenz  ist  langwierig.  Je  nach  dem  Vorwiegen  der  Symptome 
werden  verschiedene  Formen  der  Psittacosis  beschrieben.  Hei  der 
DifTerenzialdiagnose  kommt  besonders  Typhus  abdominalis.  T.  recurrens 
und  Influenza  in  Betracht.  Anamnese  und  Verlauf  und  Blutuntersuchung 
sichern  die  Diagnose.  Der  pathologisch-anatomische  Befund  zeigt  be- 
sonders lobäre  Pneumonie.  Die  Milz  ist  vergrössert.  erweicht  und 
brüchig,  Herz  schlaff,  Leber  verfettet.  Im  Blute  und  den  Organen 
Diplokokken  und  Streptokokken  aber  keinen  bacill.  Nocard,  (mutatis 
mutandis  wie  beim  Gelbfieber.  Ref.)  Die  Behandlung  ist  symptomatisch,  die 
Prophylaxe  besteht  in  der  Beobachtung  gesunder,  Tödtung  kranker 
Papageien  und  Verbrennung  oder  Ausglühung  der  Käfige  derselben. 

M. 


Parasitäre  und  Hautkrankheiten. 

Filaria  Loa.  Mittheilung  von  Dr.  Argyll  Robertson  in  der 
Ophlhalmologiral  Society.  The  I.ancet.  Nr.  3852.  June  26. 
1897.  p.  1744. 

Es  wird  die  Krankengeschichte  einer  Patientin  in  Old-Galabar 
rnitgetheilt,  die  bereits  früher  Filaria  Loa  beherbergt  hatte. 

Neben  Schwellungen  an  den  Armen  bestand  Jucken  in  den 
Augen.  Die  Bewegung  eines  Wurmes  wurde  hinter  der  Gonjunctiva 
gefühlt,  ein  Stück  eines  anderen  konnte  an  der  Hüfte  herausgeholt 
werden.  Später  traten  Übelkeit  und  Kopfschmerzen  auf  und  bildete  sich 
ein  Allgemeinleiden  heraus. 

Ein  Zwischenstadium  der  Filaria  wurde  in  Sandflöhen  und 
Muskiten  gesucht,  aber  nicht  gefunden. 

In  Blut,  Exkreten,  Speichel,  Nasenschleim  suchte  man  vergeblich 
nach  Embryonen. 

Victor  Lehmann. 


Archiv  f.  Schiff»-  u.  Trnpenhyifi»  ne. 


*20 


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278 


Joseph,  Dr.  Max,  in  Berlin.  Über  Lepra.  Zusammenfassender 
Bericht. 

Seit  meinem  letzten  Berichte  in  diesem  Archiv  (I  Band  1.  Heit) 
sind  wiederum  einige  Lepraarbeiten  erschienen,  welche  auf  allgemeines 
Interesse  Anspruch  machen  dürfen. 

Über  die  Isolierung  der  Aussätzigen  in  Leproserieen  berichtet 
Prof.  Karl  Dehio,  Vice-Präses  der  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der 
Lepra  in  Livland  (Petersburger  Med.  Woch.  Nr.  22  1897).  Er  hatte  sich 
an  Armauer  Hansen  um  Mitteilung  der  einschlägigen,  in  Norwegen 
geltenden  Gesetze  und  Bestimmungen  gewandt.  Da  für  Kussland 
und  speciell  für  die  baltischen  Provinzen  der  Kampf  gegen  die  Lepra 
erst  begonnen  hat.  und  dort  die  Meinungen  über  die  einzuschlagenden 
Wege  noch  mehrfach  auseinandergehen,  so  haben  natürlich  die  in 
Norwegen  gemachten  Erfahrungen  den  grössten  Wert.  Das  norwegische 
Gesetz  räumt  den  Gesundheitskommissionen,  welche  die  Leprösen 
zu  beaufsichtigen  haben,  recht  weitgehende  Machtbefugnisse  ein,  und 
es  kann  sogar  eine  zwangsweise  Internierung  verfügt  werden.  Im 
Prinzip  sollen  nur  solche  Kranke  zu  Hause  gepflegt  werden  dürfen, 
welche  genügende  Garantieen  dafür  bieten,  dass  sie  daheim  zweckent- 
sprechend isoliert  werden.  In  der  Praxis  wird  jedoch  das  Gesetz  recht 
milde  gehandhabt,  so  dass  die  zwangsweise  Isolierung  nur  sehr  selten 
ausgeübt  wird.  Offenbar  geht  das  Hauptbestreben  dahin,  das  Volk 
über  die  Gefahr  der  Ansteckungsmöglichkeit  aufzuklären  und  dasselbe 
so  zu  erziehen,  dass  es  sich  freiwillig  des  Umganges  mit  Leprösen 
enthält.  Die  heutige  Abnahme  der  Lepra  in  Norwegen  beweist,  dass 
dieses  Ziel,  wenn  auch  langsam,  doch  sicher  erreicht  wird.  In  Livland 
liegen  aber  die  Verhältnisse  etwas  anders.  Das  Landvolk  ist  noch 
nicht  darüber  aufgeklärt,  dass  die  Ausschliessung  des  Kranken  aus 
dem  allgemeinen  Verkehr  eine  unbedingte  Notwendigkeit  ist.  Pa 
freiwillig  d.  h.  ohne  äusseren  Zwang,  nur  ausserordentlich  wenige 
Individuen  die  Lepraasyle  aufsuchen,  so  wird  sich  eine  zwangsweise 
Internierung,  welche  auch  nach  dem  bestehenden  Gesetz  durchführbar 
ist,  für  einzelne  Individuen  nicht  umgehen  lassen.  Alsdann  erhebt 
sich  allerdings  die  weitere  Frage,  ob  diese  Leprösen  auch  zwangsweise 
zuriiekgehalten  werden  sollen  oder  nicht.  Nach  dieser  Richtung 
beschränkte  Dehio  sich  darauf,  die  Frage  nur  nach  den  praktischen  Er- 
fahrungen zu  beurteilen,  welche  in  den  livländisehen  Leproserieen 
gemacht  sind.  Er  ist  der  Ansicht,  dass  die  Leproserieen  zwar  bestrebt 
sein  sollen,  diesen  Unglücklichen  ein  erträgliches  Leben  zu  ermöglichen, 
dass  es  aber  nicht  ihre  Aufgabe  sein  kann,  die  Kranken  wider  deren 
Willen  bei  sich  zurückzubehalten.  Das  Volk  müsse  über  die  Not- 
wendigkeit aufgeklärt  werden,  sich  seiner  aussätzigen  Gemeindcglieder 
zu  entledigen,  und  dazu  veranlasst  werden,  von  sich  aus  auf  dieselben 
eine  derartige  Pression  auszuüben,  dass  dieselben  notgedrungen  in 
die  Aussatzhäuser  gehen.  Von  grossem  Interesse  ist,  dass  Hansen 
die  Lepra  anaesthetica  für  weniger  ansteckend  hält  als  die  tuberöse 
Form  und  dementsprechend  mit  dem  anästhetischen  Leprösen  weniger 
streng  verfährt  als  mit  dem  tuberösen. 

Dass  die  Zahl  der  Leprösen  in  Livland  eine  ganz  erhebliche  ist. 


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279 


ersieht  man  aus  einer  Mitteilung  Koppel's  auf  dem  VI.  (Kongresse 
russischer  Ärzte  in  Kiew.  (Monatsh.  f.  prakt.  Dermatol.  Rand  XXIV 
No.  2,  16  Januar  1897).  Danach  sollen  sich  in  Livland  circa  (KM),  in 
Kurland  7(i  und  in  Esthland  2(J  Lepröse  aufhalten.  Einige  bisher 
errichtete  Asyle  wirken  ausserordentlich  segensreich. 

Die  Untersuchungen  von  V.  Klingm  üller  und  K.  Weber  (Deutsche 
Med.  Wochenschrift  Nr.  8,  1807)  haben  Resultate  ergeben,  welche  zum 
Teil  von  den  bisher  bekannten  erheblich  abweichen.  In  einem  Falle  von 
Lepra,  der  ein  makulöses  Exanthem  und  anästhetische  Störungen 
zeigte,  suchten  dieselben  die  Frage  zu  entscheiden,  auf  welchem  Wege 
die  Leprabacillen  den  Körper  verlassen.  Ebenso  wie  früheren  Forschern 
gelang  ihnen  der  Nachweis  der  Rarillen  im  Rlute  und  in  künstlich 
erzeugten  Rlasen.  Dagegen  berichten  sie  als  etwas  Neues,  dass  in  den 
oberflächlichen,  von  den  Flecken  abgekratzten  Hautschuppen  sich 
zahlreiche  Haeillen  fanden,  von  denen  sie  nicht  sicher  entscheiden 
konnten,  ob  dieselben  innerhalb  oder  ausserhalb  der  Zellen  lagen. 
Weiter  konnten  die  Racillen  auch  in  der  Epidermis  in  genügender 
Anzahl  nachgewiesen  werden.  Die  Racillen  lagen  in  der  Epidermis 
meistens  in  der  tieferen  Schicht  des  Rete  Malpighii.  Ihre  Lage  war 
anscheinend  nur  intracellulär.  Auffallend  war,  dass  die  in  der 
Epidermis  gelegenen  Racillen  im  Gegensatz  zu  den  in  der  (’.utis  be- 
findlichen ausschliesslich  solide  Stäbchenformen  waren.  Im  Schweisse 
gelang  es  den  Verfassern  ebenfalls  Racillen  nachzuweisen,  so  dass 
sie  es  für  dringend  geboten  erachten,  im  Verkehr  mit  Leprösen  vor- 
sichtig zu  sein. 

Johnston  und  Ja m ieso n (the  Montreal  Medical  Journal,  Jan. 
1897)  teilen  drei  sehr  interessante  Fälle  mit,  in  welchen  erst  durch 
die  bakteriologische  Untersuchung  die  sichere  Diagnose,  ob  Lepra  oder 
nicht,  festgesteflt  wurde.  In  dem  ersten  Falle  handelte  es  sich  um 
einen  27  jährigen  Chinesen,  welcher  früher  niemals  krank  gewesen, 
moribund  in  das  Spital  gebracht  wurde  und  nach  wenigen  Stunden 
verstarb.  Hier  fielen  zahlreiche  derbe  Knoten  auf,  welche  über  einen 
Teil  des  Körpers  (Gesicht,  Extremitäten,  Genitalien,  besonders  Glans 
penis)  verteilt  waren.  Auch  in  der  linken  Epididymis  befand  sich  ein 
ähnlicher  Knoten  und  in  allen  diesen  waren  zahlreiche  Leprabacillen. 
Auch  bei  einem  Mulatten  aus  Westindien,  welcher  Kellner  in  einem 
Hotel  zu  Montreal  war  und  welcher  bis  dahin  immer  auf  Lues  behandelt 
worden  war,  ergab  erst  die  bakteriologische  Untersuchung  Aufschluss 
über  die  lepröse  Natur  der  Hauterkrankung.  Dagegen  fiel  in  einem 
dritten  Falle,  bei  einem  Chinesen,  die  bakteriologische  Untersuchung 
negativ  aus.  und  die  fortgesetzte  Reobachtung  entschied  in  der  That, 
dass  es  sich  hier  um  Psoriasis  handelte. 

E.  Storch  (Virchows  Archiv  1-18 ter  Hand  1897)  berichtet  über 
den  anatomischen  Befund  bei  einem  für  Deutschland  endogenen  Fall 
von  Lepra  tuberosa,  welcher  zugleich  einen  Beitrag  zur  Frage  nach 
den  Beziehungen  zwischen  Aussatz  und  Tuberkulose  giebt.  Ein  Lepröser 
aus  dem  Kreise  Memel,  welcher  lange  Zeit  in  der  Breslauer  dermato- 
logischen Klinik  behandelt  war,  kam  daselbst  zur  Section.  V.  hat  in 
äusserst  sorgfältiger  Weise  den  ganzen  Körper  auf  das  genauste  studiert 

20* 


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280 


und  die  einschlägigen  Fragen  in  Erwägung  gezogen.  Die  Streitfrage 
zwischen  Unna  und  Neisser  über  die  Lage  der  Leprabacillen 
beantwortet  er  dahin,  dass  zwar  die  Mehrzahl  der  Bacillen  intracellulär 
liegt,  dass  aber  auch  nicht  in  Zellen  eingeschlossene  Bacillen  sowohl 
einzeln  als  auch  in  Gruppen  gelegen  angetroffen  werden.  Von  besonderem 
Interesse  ist  die  lepröse  Erkrankung  der  Glans  penis  und  des  be- 
haarten Kopfes.  Merkwürdig  wrar  die  geringe  Beteiligung  der  vis- 
ceralen Organe,  nur  Leber.  Milz  und  Hoden  waren  afficiert,  so  dass 
V.  nicht  ansteht,  eine  absolute  Immunität  der  inneren  Organe  gegenüber 
der  Lepra  zu  behaupten.  Besonders  ausführlich  beschäftigt  sich 
Storch  mit  der  Differentialdiagnose  zwischen  Lepra  und  Tuberkulose 
und  gelangt  hier  zu  der  Anschauung,  dass  dieselben  genetisch  und 
histologisch  wohl  charakterisiert  sind,  dass  aber  zur  Zeit  weder  die 
histologischen  noch  die  bakteriologischen  Untersuchungsmethoden 
ausreichen,  um  in  jedem  einzelnen  Falle  Zweifel  bezüglich  der  Diagnose 
zu  beseitigen.  Daher  lasse  es  sich  betreffs  eines  Teiles  der  bei 
Leprösen  vorkommenden  visceralen  Krankheitserscheinungen,  welche 
vom  rein  histologischen  Standpunkte  aus  allerdings  der  Tuberkulose 
zuzurcchnen  sein  würden,  auch  nicht  entscheiden,  welchem  von 
beiden  Infektionserregern  sie  ihr  Dasein  verdanken.  Der  Bacillus 
leprae  findet  sich  in  den  Lepromen  intracellulär  in  solcher  Menge  vor, 
dass  gerade  hierin  ein  schwerwiegender  Unterschied  gegenüber  dem 
Tuberkelbacillus  zu  erblicken  ist.  Die  bacillenhaltige  Leprazelle 
Virchow's  linde  sich  in  allen  sicher  leprösen  Herden  und  komme 
niemals  im  pathologischen  Produkt  irgend  einer  andern  Krankheit 
vor.  Dagegen  ist  die  Riesenzelle,  welche  Hansen  ausschliesslich 
dem  Tuberkel  zuerkennt,  nur  mit  grosser  Vorsicht  zur  Stellung  der 
Diagnose  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  zu  verwerten.  In  der 
Verkäsung  besitzen  wir  ein  für  die  Tuberkulose  differentialdiagnostisch 
wichtiges  Merkzeichen,  doch  ist  auch  ihr  ein  absoluter  Wert  nicht 
beizulegen. 

Bei  einem  von  Unna  in  dem  Hamburger  ärztlichen  Vereine 
(Vereinsbeil.  Nr.  2 der  deutschen  med.  Wochenschrift  7.  Januar  1897) 
vorgestellten  leprösen  Knaben  aus  Brasilien  war  es  bemerkenswert, 
dass  die  Augenbrauen  wohlerhalten  waren,  trotzdem  in  denselben  kleine 
Cutislepromc  sichtbar  waren,  was  Unna  als  ein  nicht  so  seltenes  Vor- 
kommen hinstellt. 

Was  die  Therapie  der  Lepra  anbetrifft,  so  empfahl  Unna  im 
Hamburger  ärztlichen  Verein  die  Pyrogallolschmierkur.  über  eine 
neue  serotherapeutische  Behandlung  der  Lepra  hatte  auf  dein  zweiten 
Pan-amerkanischen  Congress  zu  Mexico  (November  1896.)  Juan  de 
Garras quilla  berichtet.  Nach  diesem  Berichte  (Monatshefte  für 
praktische  Dermatologie  Bd.  XXIV  Nr.  3,  1.  Febr.  1897)  wird  einem 
Leprösen  Blut  entnommen,  dasselbe  defibriniert  und  das  Serum  getrennt 
Dieses  Serum  wird  Pferden  injiziert  und  mit  dem  von  diesen  Pferden 
gewonnenen  Serum  werden  subkutane  Injektionen  den  Leprösen 
appliciert.  Über  diese  Garrasquillaserumkur  hat  Ashmead  (New 
Orleans  Medical  und  Surgical  Journal,  März  1897)  eine  Umfrage  bei 
verschiedenen  namhaften  Lepraforschern  veranstaltet.  Das  überein- 


281 


stimmende  Ergebnis  aller  dieser  Nachforschungen  war,  dass  man  höchst- 
wahrscheinlich noch  über  keine  Erfolge  der  Kur  berichten  könne,  man 
müsse  weitere  Untersuchungen  abwarten, 

Eine  andere  neue  Behandlungsmethode  der  Lepra,  die  Über- 
tragung verdünnter  C.ulturen  des  Erysipelkokkus  auf  Lepröse  wird  in 
Schweden  unternommen.  Schliesslich  geben  die  ErkrankungszitTern  aus 
dem  europäischen  Russland  in  den  Veröffentlichungen  des  kaiserlichen 
Gesundheitsamtes  1897,  Seite  213  No.  IX.  wohl  am  besten  eine  Anschauung 
über  die  Verbreitung  der  Lepra,  wie  sie  sich  von  einem  einzelnen 
Seuchenheerd  aus  entwickeln  kann.  Danach  fanden  sieh  im  Jahre  1888 
nur  170,  im  Jahre  1889  schon  588  und  im  Jahre  1890  noch  491 
Kranke  vor. 


In  seinem  Vortrage  auf  der  68.  Versammlung  deutscher  Natur- 
forscher und  Aerzte,  Wiener  klin.  Rundschau  1897  No.  3—7,  über 
medicinische  und  hygienische  Beobachtungen  aus  dem  Congogebiete 
bespricht  Mense  das  Vorkommen  der  Lepra  am  Congo.  Trotz  izwei- 
jähriger  fast  täglicher  Beobachtung  und  Behandlung  einer  grösseren 
Zahl  von  Leprösen  konnte  eine  L'ebertragung  weder  beobachtet  noch 
ermittelt  werden.  Neue  Berichte  vom  Congo  erwähnen  die  Leprösen 
am  Stanley  Pool  nicht  mehr,  sodass  man.  da  es  sich  bei  den  Aus- 
sätzigen von  M.  meistens  um  alte  Kranke  handelte,  eine  Abnahme  der 
Seuche  angenommen  werden  kann. 

M. 

Therapie  der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  nebst  einer 
kurzen  Kosmetik  für  Aerzte  und  Studircnde  von  l)r.  Paul  Tliimm, 
Leipzig  1896  Georg  Thieine.  280  Seiten.  Th.  bespricht  nur  die  Therapie 
bei  genannten  Krankheiten  in  gründlicher  und  klarer  Weise.  Das 
Werk  ist  besonders  für  den  praktischen  Arzt  von  Bedeutung,  welcher 
die  neuere  dermatologische  Methodik  in  ihren  Einzelheiten  kennen 
lernen  will.  Die  Behandlung  der  einzelnen  Krankheiten  wird  unter 
Berücksichtigung  der  Arzneimittellehre  eingehend  besprochen.  Sycosis 
simplex  ist  therapeutisch  etwas  zu  kurz  gekommen,  denn  so  einfach 
ist  die  Therapie  dieses  hartnäckigen  Leidens  doch  wohl  nicht. 

M. 


Chirurgie. 

Mezzi  di  trasporto  dei  fcriti  a bordo  etposti  dimedicatura 
in  ternpo  di  combattimento,  von  Dr.  Minuida.  Annali  di 
medicina  navale,  Mai  1897. 

Die  Transportmittel  an  Bord  für  Verwundete  und  die  Verband- 
plätze während  eines  Seegefechts  werden  durch  die  Rücksicht  auf  die 
beschränkten  Rauinverhältnisse  und  auf  die  Beweglichkeit  der  ge- 
sunden kämpfenden  Mannschaft  bestimmt.  Die  einfachste  Beförderungs- 
weise des  Verwundeten  ist  der  Transport  seitens  eines  Mannes  auf 
den  Armen  oder,  wie  die  Redaktion  der  Annali  u.  s.  w.  beifügt,  in 
der  Krankenträgerschürze  von  Coletti. 

Von  den  mechanischen  Mitteln  zum  Krankentransport  ist  die 
Tragbahre  an  Bord  wenig  anwendbar.  Der  horizontale  Transport 


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282 


geschieht  bei  den  kurzen  Entfernungen  ebenso  leicht  auf  den  Armen, 
der  vertikale  ist  wegen  der  Enge  und  Steilheit  der  Treppen  in  einer 
Bahre  nicht  möglich.  Durch  verschiedene  Modifikationen  hat  man 
versucht,  die  Bahre  brauchbar  zu  machen. 

Hängematten  in  festem  Rahmen  haben  in  ihrer  ältesten  und 
einfachsten  Form  den  Nachteil,  dass  der  Verletzte  darin  rutscht 
Von  den  vielen  Verbesserungen  derselben  ist  der  Cadre  ä dossier  der 
französischen  Marine  zu  nennen,  bei  welchen  nach  Art  eines  Klapp- 
stuhls zwei  Rahmen  miteinander  gelenkig  verbunden  sind.  Dieses 
Transportmittel  bildet  den  Übergang  zu  den  Tragsitzen,  welche 
für  den  senkrechten  Transport  von  einem  Ort  zum  andern  am  besten 
geeignet  sind.  Die  deutsche  Marine  bedient  sich  der  Sitze  zur  Be- 
förderung an  Bord  und  der  Bahren  zur  Ausschiffung.  Die  Engländer 
verwenden  verschiedene  Transportmittel  je  nach  Bedarf  der  Ärzte 
beziehungsweise  dem  Typus  der  Schiffe. 

Die  einfache  lose  Hängematte,  wie  sie  von  den  Seeleuten 
zum  Schlafen  benutzt  wird,  ist  in  verschiedener  Richtung  verändert 
worden,  deren  Eigenthümlichkeiten  im  Referat  nicht  angeführt  werden 
können.  Verfasser  zieht  die  Tragsitze  allen  anderen  Beförderungs- 
mitteln vor,  schliesst  sich  aber  der  These  Rho’s  an.  welcher  die 
Selbstständigkeit  der  einzelnen  Hiilfsposten  gestützt  auf  die  Selbst- 
ständigkeit der  einzelnen  SchifTskompartimente  fordert.  Die  Einzel- 
heiten muss  der  Schiffstypus  entscheiden,  wie  Miranda  beispielsweise 
an  dem  Panzer  „Ruggiero  di  Lauria“  erläutert. 

M. 


Allgemeine  Werke. 

Scheube,  I)r.,  B.,  Die  Krankheiten 
Länder. 


(Fortsetzung.) 


der  warmen 


Verfasser  unterscheidet  4 Formen  der  Beri-Beri. 

1.  Die  unvollkommen  ausgebildete  oder  rudimentäre  Form. 

Der  Beginn  der  Krankheit  ist  hier  meist  unmerklich.  Häutig 
gehen  dem  Ausbruch  der  Krankheit  katarrhalische  Erscheinungen,  wie 
Schnupfen,  Luftröhren-  oder  Magen-  Darmkatarrh  voraus.  Dann  treten 
Mattigkeit  und  Schwere  in  den  Unterschenkeln  auf,  begleitet  von 
Spannung  in  dem  Nacken  beim  Gehen.  Gleichzeitig  bemerken  die 
Kranken  eine  geringe  Herabsetzung  der  Empfindung  an  ihren  Beinen. 
Dazu  gesellt  sich  geringes  Oedem  der  Unterschenkel,  während  sich 
die  Abstumpfung  des  Gefühles  auch  auf  andere  Körperstellen  ausdehnt. 
Dann  tritt  Herzklopfen  auf.  Doch  kann  dies  auch  das  Anfangssymptom 
sein.  Dabei  ist  das  Allgemeinbefinden  gestört  und  die  Stimmung  ge- 
drückt. Die  objectiven  Symptome  sind:  Verminderung  der  rohen 
Kraft  in  den  Beinen  und  in  geringerem  Grad  auch  in  den  Armen, 
mehr  oder  minder  ausgedehnte  Hautanaesthesien  leichtesten  Grades, 
Empfindlichkeit  einzelner  Muskeln,  besonders  im  Nacken  auf  Druck 
und  gewisse  später  zu  besprechende  Veränderungen  am  Herzen.  Die 


283 


Krankheitsdauer  schwankt  bei  dieser  Form  zwischen  einigen  Tagen, 
und  mehreren  Monaten.  Sie  kann  aber  auch  gleichsam  habituell 
werden.  Bisweilen  tritt  bei  solchen  Kranken  jedes  Mal  in  der  warmen 
Jahreszeit  eine  Zunahme,  in  der  kalten  eine  Abnahme  aller  Be- 
schwerden ein. 

2.  Oie  atrophische  Form. 

Diese  Form  kann  ebenso  schleichend  wie  die  vorige  anfangen. 
Die  Schwäche  in  den  Armen  und  Beinen  nimmt  zu,  so  dass  die 
Kranken  nicht  mehr  gehen  können,  manchmal  tritt  die  Lähmung 
schlagartig  ein.  Gewöhnlich  ist  sie  auf  Glieder  und  Itumpf  beschränkt. 
Das  Gesicht  bleibt  verschont.  Die  gelähmten  Glieder  sind  sehr  em- 
pfindlich und  magern  auf  das  Aeusserste  ab.  Oedeme  und  Herz- 
erkrankungen fehlen.  Die  Rekonvalescenz  dauert  bis  zu  einem  Jahre 
und  darüber.  Komplicirt  sich  die  Krankheit  mit  Schwindsucht,  Typhus 
oder  Ruhr,  so  tritt  gewöhnlich  der  Tod  ein. 

3.  Oie  wassersüchtige  oder  hydropische  hezrr.  hvdropiscli- 
atrophische  Form. 

Diese  Form  unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  durch 
das  Auftreten  von  Herzerscheinungen  und  serösen  Ausschwitzungen. 
In  einzelnen  Fällen  entwickelt  sich  dieselbe  aus  der  atrophischen 
Form.  Die  Oedeme  bleiben  nicht  auf  die  Unterschenkel  beschränkt 
sondern  verbreiten  sich  über  einen  grösseren  oder  kleineren  Theil 
des  Körpers.  Dazu  kommen  Ergüsse  in  die  serösen  Höhlen.  Herz- 
klopfen, Kurzathmigkeit,  Beklemmung  erreichen  einen  bedenklichen 
Grad.  Die  Harnausscheidung  nimmt  bedeutend  ab.  Die  Heilung 
erfordert  gegen  % Jahr. 

4.  Oie  akute  pernlciüso  oder  kardiale  Form. 

Diese  Form,  welche  mit  Vorliebe  junge,  kräftige  Leute  befällt 
ist  gekennzeichnet  durch  die  Erscheinungen  einer  akut  auftretenden 
Herzinsufficienz.  Hier  ist  der  ganze  Krankheitsverlauf  von  Anfang  an 
meist  ein  akuterer.  Die  Lähmung  der  Beine  kann  z.  B.  bereits  nach 
einigen  Tagen  so  hochgradig  sein,  dass  die  Kranken  an's  Bett  gefesselt 
werden.  Die  Abnahme  der  Harnauscheidung  ist  schon  frühzeitig  be- 
trächtlich. Fliissigkeitsansammlungen  im  Herzbeutel  und  in  den 
anderen  serösen  Höhlen  sind  gewöhnlich  vorhanden,  aber  nicht  so 
hochgradig  als  bei  der  hydropischen  Form.  Herzklopfen  und  Athem- 
noth  nehmen  stetig  zu,  der  Zustand  der  Kranken  wird  immer  fürchter- 
licher und  trostloser.  Es  tritt  Cyanose  hinzu  und  unter  den  Erschein- 
ungen der  Herzinsufficienz  gehen  die  Kranken  zu  Grunde.  Die  Ana- 
lyse der  einzelnen  Krankheitserscheinungen  muss  im  Original  ein- 
gesehen werden.  Es  soll  nur  soviel  erwähnt  werden,  dass  Verf.  die 
Herzinsuflicienz  auf  Entartung  der  n.  vagi  zurückführt.  Fieber  gehört 
nicht  zu  den  konstanten  Erscheinungen  der  Beri-Beri.  Die  Mortalität 
schwankt  je  von  Ort  und  Zeit.  Indessen  beobachtet  Verf.  eine 
Sterblichkeit  von  3,7%,  nach  Adriani  betrug  im  niederländisch- 
indischen Heere  die  Sterblichkeit  6,3%,  in  Brasilien  schwankte  sic 
nach  da  Silva  Lima  zwischen  50,6  und  74, ö%. 


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284 


Der  Tod  erfolgte  in  akuten  Fällen  meist  durch  Herzlähmung 
oder  auch  durch  Lähmung  des  Zwerchfelles.  In  chronischen  Fällen 
gehen  die  Kranken,  namentlich  wenn  {Komplikationen  mit  Ruhr,  Typhus 
oder  Lungenschwindsucht  vorliegen,  an  Erschöpfung  zu  Grunde.  Die 
wichtigsten  krankhaften  Veränderungen  zeigt  das  Nervensystem  und 
zwar  hauptsächlich  die  peripherischen  Nerven. 

Die  Nerven  zeigen  mikroskopisch  wie  Verf.  mit  Bälz  zuerst 
nachwies,  eine  mehr  oder  weniger  starke  degenerative  Entzündung : 
Zerfall  der  Markscheide  und  auch  des  Axencylinders,  Vermehrung 
der  Kerne  des  Endoneurimus  und  unter  dem  Perineurium,  be- 
sonders in  der  Umgebung  von  Gefässen,  in  chronischen  Fällen 
schliesslich  Zunahme  des  Bindegewebes.  Am  hochgradigsten  erkrankt 
sind  stets  die  Muskeläste.  Die  höchsten  Grade  beobachtet  man  in 
chronischen  Fällen.  Hand  in  Hand  mit  der  degcnerativen  Entzündung 
der  Nerven  geht  eine  solche  der  Muskeln.  Am  meisten  erkrankt 
sind  stets  die  Nackenmuskeln,  Als  beste  Prophylaxe  empfiehlt  Verf. 
eine  in  jeder  Beziehung  gut  durchgeführte  Hygiene.  Gebäude,  an 
welchen  das  Krankheitsgift  haftet,  wie  Kasernen,  Gefängnisse,  Kranken- 
häuser sind  gründlich  zu  desinliciren. 

In  der  Therapie  ist  bis  jetzt  ein  specifisches  Heilmittel  un- 
bekannt. Von  günstigem  Einfiuss  ist  ein  Klimawechsel  oder  eine  See- 
reise. Aber  schon  eine  Versetzung  aus  dem  Beri-Beri-Bezirk  in  einen 
höher  gelegenen  Ort  wirkt  günstig. 

Im  Anfang  der  Krankheit  werden  salinische  Abführmittel  ge- 
rühmt Unentbehrlich  aber  ist  die  Digitalis,  die  nicht  nur  gegen  das 
Herzklopfen,  sondern  auch  gegen  die  Wassersucht  gute  Dienste  leistet, 
ln  akuten  Fällen  mit  ausgeprägter  Herzinsuflicienz  gilt  als  letzte 
Zuflucht  der  Aderlass.  In  schweren  Fällen  ist  Bettruhe  unerlässlich. 
Als  Diät  ist  eine  leicht  verdauliche  kräftige  Kost  zu  wählen.  Gut  ge- 
eignet ist  wegen  ihrer  gleichzeitig  harntreibenden  Wirkung  die  Milch. 

Beim  Aussatz  bespricht  Verf.  zunächst  den  Knote naussatz. 
Dieser  beginnt  gewöhnlich  im  Gesicht  und  an  den  Extremitäten  in  Gestalt 
von  rothen,  etwas  erhabenen  Flecken,  die  wieder  verschwinden  können 
oder  aus  denen  sich  dann  die  Lepra-Knoten  entwickeln.  Diese  Knoten 
können  erweichen . aufbreehen  und  zu  schwachen  Geschwüren  mit 
schlechten  Granulationen  werden.  Ist  das  Gesicht  vorwiegend  von 
der  Knotenbildung  befallen,  so  entsteht  der  als  Satyriasis  oder  Leontiasis 
bczeichnete  Gesichtsaudruck.  Die  Lepra-Knoten  können  auch  die 
Schleimhäute  und  innern  Organe  befallen.  Bemerkenswerth  ist  der 
Umstand,  dass  es  im  Verlaufe  der  Krankheit  zu  einer  Atrophie  der 
Hoden,  bei  Frauen  zu  Menstruationsstörungen  und  schliesslich  zum 
Aufhören  derselben  kommt.  Ebenso  kommen  häufig  unter  Fieberanfällen 
neue  Knoteneruptionen  vor. 

Der  N e r v e n a u s s a t z.  Wie  beim  Knotenaussatz  Prodromal- 
erscheinungen allgemeiner  Natur  voraus  gehen,  so  auch  bei  dieser 
2.  Form.  Nur  dass  sie  sich  hier  ausser  F'ieberanfällen  vorwiegend  auf 
nervösen  Gebiet  abspielen:  Paraesthesien,  lokale  Hyperaesthesien, 
vasomotorische  Störungen.  Kongestionen  nach  dem  Kopfe  und  Zuck- 
ungen der  Gesichtsmuskeln.  Es  bilden  sich  bei  dieser  Form  schub- 


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285 


weise  blass-  oder  dunkelrothe  Flecke  von  der  Grösse  kleiner  Münzen 
bald  zuerst  im  Gesicht,  im  Nacken  oder  am  Rumpfe.  Während  die 
Peripherie  weiter  wächst,  verblasst  das  Centrum,  ihre  Oberfläche  wird 
glatt,  die  Ränder  rauh,  leicht  abschilfend.  Im  weiteren  Verlaufe  wurden 
die  Flecke  aschgrau  bis  schwarzbraun  (Lepra  nigra)  oder  sie  können 
schliesslich  wieder  weiss  werden  (Lepra  alba).  Letztere  Flecken 
können  sich  aber  auch  primär  aus  normaler  Haut  entwickeln.  Es 
kann  sich  der  Aussatz  aber  auch  in  Form  von  linsen-  bis  flachhand- 
grossen  Blasen  entwickeln,  die  dunkle  pigmentirte  oder  wcissc  anaes- 
thetische  Flecke  zurücklassen  (Pemphigus  leprosus).  Aber  auch  ohne 
diese  Flecken  kommt  es  an  umschriebenen  Baustellen  zu  Anaesthesien. 
Diese  beginnt  gewöhnlich  an  der  Peripherie  und  schreitet  centralwärts 
fort.  Die  zu  den  ergriffenen  Körpertheilen  gehörigen  Nerven  sind  oft 
spindelförmig  oder  knotig  verdickt.  Am  häutigsten  wird  das  am  n. 
auricularis  magnus  und  ulnaris  beobachtet.  Mit  den  sensibeln  gehen 
auch  motorische  Störungen  einher,  bestehend  in  Lähmung  und  Atrophie 
der  befallenen  Muskeln.  Durch  Lähmungen  der  Gesichtsmuskeln 
können  Oflenstehen  des  Mundes,  Schlussunfähigkeit  der  Augenlider 
u.  s.  w.  hervorgerufen  werden.  Die  motorische  Schwäche  macht  sich 
zuerst  an  den  Händen  bemerkbar.  Nägel  und  Haare  können  ausfallen, 
namentlich  die  Augenbraunen  fallen  oft  schon  im  Beginne  der  Krankheit 
aus.  Es  besteht  Neigung  zu  Geschwürsbildung.  Die  Geschwüre  greifen 
in  die  Tiefe  und  können  durch  Zerstörung  der  Gelenke  zur  Ahstossung 
einzelner  Finger-  und  Zehenglieder  führen  (Lepra  mutilans).  Die 
Krankheit  ist  unheilbar,  bei  beiden  Formen  ist  der  Verlauf  sehr  lang- 
sam, beim  Nervenaussatz  rechnet  man  in  Norwegen  18 — 19  Jahre, 
beim  Knotenaussatz  8 — 9 Jahre,  auf  den  Sandwichs-Inseln,  wo  die 
knotige  Form  vorherrscht  hingegen  nur  8 — ß Jahre.  Die  leprösen  Neu- 
bildungen gehören  zu  den  Granulationsgeschwülsten.  Die  Flecke  der 
anaesthetischen  Form  sind  durch  die  gleiche  Neubildung  bedingt.  Im 
übrigen  handelt  es  sich  beim  Nervenaussatz  um  eine  Erkrankung  der 
Nerven,  indem  sich  in  diesen,  und  zwar  in  dem  interstitiellen  Binde- 
gewebe (Perineurium),  die  nämlichen  Wucherungen  wie  in  der  Haut 
und  den  Schleimhäuten  entwickeln. 

Eine  eingehende  Besprechung  widmet  der  Verf.  der  Aetiologie  der 
Lepra  und  der  Frage:  ist  die  Lepra  ansteckend  oder  nicht.  Im 
ersten  Teil  wird  ausführlich  die  Lage  der  Lepra-Bacillen  erörtert 
und  die  einander  gegenüberstehenden  Ansichten  von  Unna  und  Neisser 
gegeben.  Ganz  ausserordentlich  reichhaltig  ist  die  Zahl  der  auf- 
geführten Beobachtungen  und  Beispiele,  die  dafür  sprechen,  dass  die 
Lepra  ansteckend  ist.  Verf.  nimmt  auch  sehr  mit  Recht  den  Stand- 
punkt ein,  dass  die  Lepra  übertragbar  ist.  Er  redet  daher  auch  einer 
Absonderung  der  Lepra-Kranken,  etwa  in  der  Art,  wie  sie  in  Nor- 
wegen geschieht,  das  Wort. 

Die  Therapie  hat  sich  bis  jetzt  leider  machtlos  erwiesen. 
Wir  besitzen  kein  Heilmittel  gegen  die  Lepra. 

Unter  Framboesia  tropica  versteht  man  eine  in  den  Tropen 
endemisch  vorkommende,  kontagiöse,  chronische,  allgemeine  Infektions- 
krankheit, welche  durch  das  Auftreten  von  himbeerartigen  Papeln  auf 


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der  Haut  charakterisirt  ist  und  einige  Aehnlichkeit  mit  der  Syphilis  bat. 
Sie  wird  namentlich  an  der  Westküste  Afrika's,  in  Vorder-  und  Hinter- 
indien,  im  indischen  Archipel  auf  einigen  Inselgruppen  der  Siidsee  in 
Westindien  und  an  der  Nordküste  von  Südamerika  beobachtet. 

Die  Krankheit  kann  von  Mensch  zu  Mensch  übergeimpft  werden. 
Die  natürliche  Übertragung  findet  durch  Verletzungen  der  Kpidermis 
slalt.  Die  Inkubationsdauer  scheint  zwischen  8 Tagen  und  G Monaten 
zu  schwanken.  Schwarze  werden  häufiger  befallen  als  Weisse. 

Die  Krankheit  beginnt  gewöhnlich  oline  Vorboten.  Die  eigent- 
liche Krankheit  beginnt  mit  einer  Papel,  die  etwa  nach  einer  Woche 
zu  nässen  anfängt,  nach  einer  weiteren  Woche  zu  einem  Geschwür 
wird,  dem  bald  eine  Kruption  von  Papeln  über  einen  grösseren  oder 
kleineren  Theil  des  Körpers  nachfolgt.  Die  Epidermis  über  den  Papeln 
wird  dünner,  schliesslich  durchbrochen  und  es  kommt  eine  glänzend 
rothe,  verrukös  zerklüftete  Oberfläche  zum  Vorschein,  die  in  ihrem  Aus- 
sehen an  eine  Himbeere  *)  erinnert.  Dieselbe  sondert  eine  serumartige 
Plilssigkeit  ab.  die  in  Krusten  austrocknen  und  rupiaartige  Beläge 
bilden  kann.  Die  Papeln  treten  mit  Vorliebe  am  Munde,  an  der  Nase, 
an  den  Augen,  im  Nacken,  an  den  Extremitäten,  am  After  und  den 
Geschlechtstheilen  auf.  während  der  Rumpf  und  die  behaarte  Kopf- 
haut seltner  befallen  werden.  Die  Zahl  der  Papeln  kann  sehr  ver- 
schieden sein. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Krankheit  erblassen  die  Papeln  und 
trocknen  zu  harten  Borken  ein,  die  schliesslich  abfallen  und  Flecke 
hinterlassen,  die  bei  Schwarzen  heller,  bei  Weissen  aber  meist  dunkler 
gefärbt  sind  als  die  Umgebung.  Manchmal  können  sie  auch  geschwürig 
zerfallen  und  dann  slrahlige  Narben  hinterlasscn.  Die  Dauer  der 
Krankheit  schwankt  zwischen  einigen  Monaten  und  mehreren  Jahren. 

Anatomisch  handelt  es  sich  um  eine  chronische  Dermatitis,  die 
ihren  Ausgang  an  der  Papillarschicht  nimmt  und  zur  Bildung  von 
Granulationsgeschwulsten  führt. 

Die  Framboesia  ist  eine  leichte  von  selbst  heilende  Krankheit. 
Nur  bei  gleichzeitig  mit  schweren  konstitutionellen  Leiden  behafteten 
Kranken  nimmt  dieselbe  manchmal  einen  ungünstigen  Ausgang. 

ln  der  Therapie  spielt  die  Reinlichkeit  die  Hauptrolle. 

Für  eine  Abart  der  Framboesia  hält  Verf.  die  Verruga  peru- 
viana. Ref.  kann  dem  nicht  beitreten.  Denn  erstens  ist  es  nicht 
einzuschen,  wesshalb  ein  und  dieselbe  Krankheit  einmal  die  Farbigen 
mit  Vorliebe  befallen  soll,  wie  es  die  Framboesia  thut.  und  das  andere 
Mal  nur  die  Weissen,  wie  die  Verruga  das  thut.  Ich  habe  im  Hospital 
de  Dios  in  Lima  gegen  20  Verruga-Kranke  gesehen.  Alle  bis  auf  einen 
machten  einen  geradezu  bejammernswerthen  Eindruck.  Bedeckt  am 
ganzen  Körper  von  Geschwülsten,  die  zwischen  der  Grösse  einer 
Erbse  und  eines  halben  Strausseneies  schwankten,  lagen  sie  in  schwerem 
Fieber  zum  Theil  bewusstlos  da.  Die  grösseren  Geschwülste  waren 
alle  zerfallen  und  machten  den  Eindruck  von  jauchenden  Krebsmassen, 
ln  dieser  Weise  gingen  die  Leute  zu  Grunde.  Wer  von  der  akuten 

’)  tramboise  (daher  der  Name). 


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287 


Form  — und  das  ist  die  gewöhnliche  — der  Verruga  befallen  wird, 
gilt  als  verloren.  Die  Leute  stammten  sämmtlich  aus  dem  berüch- 
tigten Thale  Agua  de  Verrugas,  das  70  km.  von  Lima  entfernt  ist  und 
1800  m über  dem  Meere  liegt.  Allgemein  wird  in  Peru  der  Genuss 
des  Wassers  dieser  Schlucht  namentlich  zur  Zeit  der  Sehneeschmelzc 
als  Erkrankungsursache  angenommen.  Wenn  Verf.  ferner  annimmt, 
dass  eine  Komplikation  mit  Malaria  die  Verruga  peruviana  so  schwer 
macht,  so  kann  lief,  dies  auch  nicht  in  dieser  Allgemeinheit  zugeben. 
Denn  Ref.  sah  die  Kranken  im  Ausgang  des  südlichen  Winters,  und 
im  Winter  giebt  es  in  Peru  keine  Malaria,  weder  in  der  Ebene,  noch 
in  den  Cordilleren.  Das  Fieber,  an  dem  die  Kranken  litten  war 
septisches  Fieber. 

Ein  einziger  der  Kranken  litt  an  der  chronischen  Form.  Er 
zeigte  nur  vereinzelte,  erbsengrosse  Papillome,  die  sich  von  einer  ge- 
wöhnlichen Warze  nur  durch  ilire  dunklere  Pigmentirung  unterschieden. 
Er  war  fieberfrei.  Die  Diagnose  Verruga  konnte  bei  ihm  nur  desshalb 
gestellt  werden,  weil  er  die  der  Verruga  eigentümliche  Lokalisation 
der  Warzen  auf  der  Bindehaut  des  Auges  zeigte.  Eine  hochrothe, 
himbeerähnliche  Farbe  habe  ich  an  keinem  einzigen  Papillana  wahr- 
genommen. 

Der  Ponos  vonSpetza  und  Hydra.  Unter  diesem  Namen 
ist  von  Karamitsas  und  Stephanos  eine  auf  zwei  in  der  Nähe  der 
Küste  von  Argolis  gelegenen  Inseln,  Spetza  und  Hydra,  endemisch 
herrschende,  chronische,  mit  Fieber  und  beträchtlicher  Milzschwellung 
einhergehende  Krankheit,  welche  nur  bei  Kindern  vorkommt  und 
meist  einen  tödtlichen  Ausgang  nimmt,  beschrieben  worden.  Auch 
auf  den  genannten  Inseln  tritt  dieselbe  jetzt  verhältnissmässig  selten 
auf.  während  sie  früher  viel  häufiger  gewesen  ist.  Der  Name  Ponos 
(Schmerz)  stammt  von  der  Druckempfindlichkeit  der  vergrösserten 
Milz  her.  Die  Dauer  der  Krankheit  beträgt  manchmal  2— H Monate, 
für  gewöhnlich  1 — 2 Jahre.  Die  Aetiologie  ist  dunkel.  Es  wurden 
nur  Kinder  in  den  ersten  Lebensjahren  befallen.  Die  Krankheit  soll 
nichts  mit  Malaria  gemein  haben. 

Mit  dieser  Schilderung  schlicsst  der  erste  Abschnitt  des  Buches 
ab.  Da,  wo  der  Verf.  aus  eigener  Erfahrung  spricht,  schildert  er 
vorzüglich:  so  z.  B.  den  Verlauf  der  Beri-Beri.  Da,  wo  es  sich  mehr 
um  Darstellungen  nach  vorliegender  Litteratur  handelt,  findet  der 
Kcscr  alle  die  hauptsächlichen  Ansichten  und  Vorschläge  zur  Be- 
handlung in  objektivster  Weise  berücksichtigt  und  neben  einander 
gestellt.  Zu  kurz  ist  nach  Ansicht  des  Ref.  das  Gelbfieber  behandelt. 
Wenn  man  z.  B.  die  ausführliche  Darstellung  des  Streites  gelesen  hat: 
ist  die  Lepra  ansteckend  oder  nicht,  so  erwartet  man  für  eine  so 
wichtige  und  gemeingefährliche  Krankheit  wie  das  Gelbfieber  eine 
eingehendere  Behandlung  als  ihr  der  Verf.  hat  zu  Tlicit  werden  lassen. 
Es  wäre  wünschenswert!!  gewesen,  wenn  das,  was  wir  über  den 
Infektionsmodus  wissen,  an  einzelnen  Beispielen  erläutert  worden 
wäre.  Der  eigenthümliche  Umstand  verdient  Beachtung,  dass  das 
dicht  über  Rio  de  Janeiro  gelegene  Petropolis  gegen  Gelbfieber  immun 
ist,  während  die  vorgenannte  Stadt  stets  von  Epidemieen  heimgesuchl 


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wird.  Ferner  ist  der  Umstand  erwähnenswerth,  dass  eine  Ansteckung 
mit  Gelbfieber  vorwiegend  in  der  Nacht  geschieht.  Alle  die  Deutschen, 
die  ich  18tM-  seiner  Zeit  in  Rio  während  der  fürchterlichen  Gelbfieber- 
epidemie kennen  lernte,  arbeiteten  am  Tage  in  ihren  Geschäften  in 
der  Stadt  und  fuhren  Nachmittags  hinauf  nach  Petropolis  *).  Alle 
blieben  gesund  und  sie  führten  das  darauf  zurück,  dass  sie  die  Nacht 
in  Petropolis  verbrachten.  Ferner  kommt  bei  Gelbfieber  eine  Ge- 
legenheitsursache ganz  besonders  in  Betracht  und  muss  daher  be- 
sonders hervorgehoben  werden.  Wenn  Unvorsichtigkeit  und  Sich- 
übernehmen  beim  Essen  und  Trinken  zur  Zeit  der  Epidemie  einen 
sogenannten  tropischen  Katzenjammer  nach  sich  zieht,  so  kommt  es 
fast  regelmässig  vor,  dass  sich  daran  eine  Erkrankung  von  Gelbfieber 
anschliesst.  Beim  Stellen  der  DifTerentialdiagnose  ist  der  Umstand 
wichtig:  ist  Eiweiss  im  Urin  oder  nicht.  Auf  diesen  Punkt  ist  dess- 
halb  so  viel  Gewicht  zu  legen,  weil  selbst  während  einer  aus- 
gesprochenen Gelbfieberepidemie  sehr  viel  Fälle  unter  dem  Bilde 
eines  akuten,  fieberhaften  Magen-  und  Qarmkatarrhs  beginnen.  Sie 
sind  in  den  ersten  Tagen  gar  nicht  vom  Gelbfieber  zu  unterscheiden. 
Ist  aber  Eiweiss  im  Urin,  so  ist  der  Fall  damit  sofort  als  gelbfieber- 
verdächtig  anzusehen. 

Dies  wäre  die  einzige  Ausstellung,  die  Ref.  zu  machen  hätte. 
Im  übrigen  kann  ein  Buch  wie  das  vorliegende  nur  mit  Freuden 
begriisst  werden,  denn  ein  solches  fehlte  bis  jetzt  in  der  deutschen 
Litteratur.  Der  angehende  SchifTs-  oder  Colonialarzt  war  auf  eine 
Menge  von  einzelnen  Abhandlungen  oder  auf  grosse  theure  englische 
bezw.  französische  Specialwerke  angewiesen,  wenn  er  sich  über  die 
Krankheiten,  die  ihm  in  seinem  neuen  Wirkungskreise  entgegentreten, 
orientiren  wollte.  In  dem  vorliegenden  Buche  findet  der  deutsche 
Arzt,  der  in  den  Tropen  thätig  sein  will,  nunmehr  einen  guten  Rathgeber. 

II.  Intoxicationskrankheiten. 

Die  Pellagra  (am  pelle  agra,  rauhe  Haut)  ist  eine  äussersl 
chronische,  auf  den  Genuss  von  verdorbenen  Mais  zurückzuführende 
Intoxieationskrankheit,  die  hauptsächlich  in  der  Lombardei,  ferner  in 
Südfrankreich  und  in  einigen  Provinzen  Spaniens  beobachtet  wird. 
Sie  verläuft  in  Anfällen,  die  meist  im  Frühjahr  eine  Verschlimmerung 
zeigen.  Man  unterscheidet  3 Stadien.  Im  ersten  Stadium  tritt  ein 
chronisches  Erythem  der  Haut  an  den  Stellen  auf,  die  den  Sonnen- 
strahlen ausgesefzt  sind,  dazu  gesellen  sich  gastro-intestinale  Störungen. 
Nach  einigen  Jahren  treten  cerebro-spinale  Symptome  auf,  die  in 
Lähmungen  — namentlich  der  unteren  Extremitäten  — bestehen.  Es 
können  aber  auch  die  oberen  Extremitäten  ergriffen  werden.  Dabei 
bestehen  Paraesthesien,  Hemeralopie,  Diplopie.  Blässe  der  Haut. 
Schliesslich  treten  psychische  Störungen  auf.  Es  wird  Melancholie. 
Dämonomanie  und  circuläres  Irrsein  beobachtet.  Dabei  besteht 

*)  Diejenigen,  denen  das  unmöglich  war.  schliefen  trotz  der 
Hitze  Nachts  bei  geschlossenen  Fenstern.  Ebenso  handelten  die 
Deutschen  in  Santos.  Sie  blieben  gesund  bis  auf  den  Arzt,  den  seine 
Berufspflichten  Nachts  oft  über  Land  riefen. 


289 


senium  praecox.  Die  Verdauungsstörungen  bestehen  tort,  es  tritt 
Kachexie  ein  und  die  Kranken  sterben  an  Erschöpfung.  Die  Dauer 
der  Pellagra  ist  sehr  verschieden,  das  Leiden  kann  sich  über  10 — lä 
Jabre  hinziehen.  Die  Prognose  ist  im  allgemeinen  ungünstig,  die 
Therapie  hat  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Kranken  eine  gesunde  und 
kräftige  Nahrung  erhalten. 

III.  Durch  thierische  Parasiten  verursachte  Krankheiten. 

1.  Die  Lungend  i st o me  n -K  ran kh e i t1)  wurde  ISMO  zuerst 
von  Balz  in  Japan  beobachtet.  Die  Krankheit  kommt  hauptsächlich  in 
Japan,  Nordformosa  und  Korea  sowie  in  Nordamerika  vor  und  besteht 
in  einem  periodischen  Bluthusten,  bei  dem  die  Kranken  wenig  herunter 
kommen  und  der  durch  das  distomum  pulmonale  hervorgerufen  wird. 
Der  Infektionsmodus  ist  unbekannt,  da  die  Entwicklungsgeschichte  des 
Parasiten  noch  unbekannt  ist.  Die  Parasiten  werden  vorwiegend  in 
der  Lunge  in  haemorrhagischen  Infarkten  an  der  Peripherie  des  Organs 
gefunden,  seltner  im  Gehirn.  Im  letzteren  Fall  können  sie  die  Er- 
scheinungen eines  Hirntumors  verursachen  und  zahlreiche  epileptische 
Anfälle  hervorrufen.  Von  der  Lunge  aus  bedingen  sie  Hustenreiz  und 
einen  dicken,  zähen,  schleimigen  Auswurf,  der  von  hellrothcn  oder 
rothbraunen  Punkten  und  Streifen  durchsetzt  ist.  Die  Farbe  des  Aus- 
wurfes rührt  theils  vom  Blut,  theils  von  den  Eiern  des  distomum  her. 
Die  Krankheit  kann  sich,  wenn  nur  die  Lungen  befallen  sind,  über 
10 — 20  Jahre  hinziehen.  Ernst  wird  die  Prognose,  sobald  das  Gehirn 
betroffen  ist.  Um  die  Krankheit  zu  verhüten,  ist  es  nöthig,  verdächtiges 
Wasser  nur  gekocht  zu  geniessen  und  sich  des  Genusses  aller  rohen 
Nahrungsmittel  zu  enthalten.  Die  Therapie  ist  symptomatisch. 

2.  Die  L e ber d is tom en-K r ankhei t.  Me.  Connell  entdeckte 
1874  in  Calcutta  in  der  Leber  eines  an  einen  schweren  Leberleiden 
verstorbenen  Chinesen  des  distomum  opathulalum,  einen  schlanken 
Wurm  von  10 — 13  mm  Länge  und  2 — 3 mm  Breite.  Der  Wurm  fand 
sich  in  der  Wand  der  stark  erweiterten  Gallengänge  und  der  Gallen- 
blase. Er  wird  hauptsächlich  in  China  und  Japan  beobachtet  und 
scheint  durch  das  Trinkwasser  in  den  Körper  zu  gelangen.  Die  Leber 
schwillt  an,  wird  hart  und  schmerzhaft,  später  treten  Durchfälle  auf 
und  die  Kranken  gehen  allmählig  an  Erschöpfung  zu  Grunde.  Das 
Leiden  kann  sich  über  Jahre  hinziehen.  Die  Therapie  ist  symptomatisch. 

3.  Die  Bilharzia-Krankheit.  Das  Distomum  haematobium 
wurde  1851  von  Bilharz  in  Cairo  entdeckt.  Es  wird  in  einem  grossen 
Theile  Afrikas,  in  Arabien  und  Kleinasien  beobachtet.  Das  D.  haemat. 
ist  ein  getrennt-geschlechtlicher  Nematode,  der  aber  makroskopisch 
weit  mehr  einem  kleinen  Hundwurme,  gleicht  von  12 — 20  mm.  Länge. 
Seine  F.ntwickclungsgeschichte  ist  zur  Zeit  noch  unbekannt.  Das 
männliche  Geschlecht  wird  durch  ihn  weit  häutiger  als  das  weibliche 
inficirL  Als  Infektionsmodos  wird  das  Trinken  von  inficirtem  Wasser 
und  das  Baden  in  solchem  Wasser  angesehen.  Die  Inkubationszeit 
wird  auf  4 Monate  angenommen.  Die  Parasiten  finden  sich  vorwiegend 

')  Die  naturgeschichtlichen  Einzelheiten  sind  im  Original  ein- 
zusehen. 


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im  Pfortaderblute.  Da  die  Parasiten  für  Zeit  der  Geschlechtsreife 
in  die  Venen  der  Harnblase  hinabsteigen  und  dort  ihre  Eier  ablegen 
sollen,  so  findet  man  die  Harnblase  an  der  Leiche  am  meisten  ver- 
ändert. Dabei  linden  sich  oft  in  der  Blase,  in  den  Harnleitern  oder  im 
Nierenbecken  Harnsteine,  in  deren  Kernen  wiederholt  Eier  des  D. 
haemat.  nachgewiesen  worden  sind. 

Das  hauptsäclilichste  Symptom  der  Bilharzia-Krankheit  ist  Hae- 
maturie,  die  Anfangs  intermiltirend,  später  andauernd  auftritt.  Die 
Kranken  müssen  öfters  uriniren,  ohne  aber  eigentlich  Schmerzen  zu 
haben,  ln  vorgeschrittenen  Fällen  klagen  die  Kranken  über  starkes 
Drängen  und  heftige,  brennende  Schmerzen,  die  nach  dem  Damme 
und  der  Lendengegend  hin  ausstrahlcn.  Der  Harn  erscheint  gleich- 
massig  blutig  gefärbt,  trübe  und  alkalisch.  Gelegentlich  können  lilul- 
gerinnsel  die  Harnröhre  verstopfen. 

In  schweren  Fällen  nehmen  Haematurie  und  Blasenkatarrli  zu 
und  es  kommt  zur  Bildung  von  Harngries  und  Harnsteinen.  Mastdarm 
und  weibliche  Geschlechtsorgane  können  auch  befallen  werden. 

Der  Verlauf  der  Krankheit  ist  chronisch  und  kann  sich  über 
Jahre  hinziehen.  Verschwinden  der  Haematurie  ist  noch  kein  Zeichen 
für  Heilung,  oft  finden  sich  trotzdem  noch  frische  Eier  in  den  letzten 
Urintropfen.  Die  Kranken  gehen  an  Erschöpfung,  Uraemie  oder 
pyämischen  Zuständen  zu  Grunde,  die  sich  aus  dem  chronischen 
Blasenleiden  entwickelten.  Das  Leiden  ist  daher  immer  als  ernst 
anzusehen.  Die  Therapie  ist  symptomatisch. 

4.  Die  Med ina-Wur m-K rankhei t.  (Dracontiasis ')  Die  Krank- 
heit ist  schon  seit  dem  Alterthum  bekannt  und  wird  in  den  tropischen 
Gegenden  Asiens,  Afrikas  und  Amerikas  beobachtet.  Der  Medinawurm 
gehört  zu  den  Nematoden.  Das  reife  Weibchen  ähnelt  in  Form  und 
Aussehen  einer  Violinseite.  Seine  Länge  beträgt  60 — 80  cm,  der 
Wohnort  des  Medinawurms  ist  das  Zellgewebe  unter  der  Haut  und 
zwischen  den  Muskeln  des  Menschen.  Die  Embryonen  des  Medina- 
wurms bohren  sich,  wenn  sie  in's  Wasser  gelangen,  in  die  Leibeshöhle 
eines  Siisswassercyklopen  ein  und  wachsen  daselbst  zu  1 — 1,5  mm 
langen  Larven  aus.  Die  weitere  Entwicklungsgeschichte  des  Medina- 
wurmes ist  noch  unbekannt.  Wahrscheinlich  gelangen  die  Larven 
beim  Wassertrinken  mit  ihrem  Zwischenwirthe  in  den  Magen  des 
Menschen  und  werden  in  diesem  frei.  Verf.  führt  4 Beispiele  an,  die 
sehr  dafür  sprechen,  dass  die  Infektion  in  der  Thal  auf  diese  Weise 
vor  sich  geht.  Die  Inkubationszeit  beträgt  durchschnittlich  9 — 12  Monate, 
kann  aber  bis  zu  2 Jahren  dauern.  Der  Wurm  wird  bei  allen  Rassen 
beobachtet.  Rüge  (Kiel). 

Fortsetzung  folgt. 

Von  Sudthausens  Sprachführer  für  die  ärztliche  und  pharma- 
zeutische Praxis,  (Deutsch-Englisch,  Englisch-Deutsch,  Deutsch-Fran- 
zösisch) Leipzig  18! Hi,  Arthur  Georgi,  vormals  Eduard  Besold. 

Die  handlichen  kleinen  Bücher  werden  manchem  reisenden 
Arzte  oder  Badeärzte  willkommen  sein,  denn  dieselben  geben  in 

')  dyaxuvuov  Schlange. 


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291 


praktischer  Anordnung  ein  Wörterbuch  für  medieinische  Ausdrücke 
und  Kedewendungen.  welche  man  bisher  selbst  in  grösseren  Werken 
oft  vergebens  nachschlug.  In  dem  englischen  Führer  ist  noch  die 
Aussprache  angegeben.  Ganz  frei  von  Fehlern  und  Lücken  sind  die 
Werkchen  nicht,  die  Krankheit  „Rotz“  sucht  man  z.  R.  in  beiden  ver- 
gebens. 

M. 


III.  Pharmakologische  Mittheilungen. 


Unter  dem  Namen  Tannofonn  bringt  die  Firma  E.  Merck- 
Darmstadt,  das  Condensationsprodukt  des  Formaldehyds  und  der 
Gallussäure  in  den  Mandel,  das  wegen  der  dem  Formaldehyd,  wenn 
auch  in  mildem  Grade,  eigenen  antiseptischen,  härtenden  und 
trocknenden  Eigenschaften  bei  übermässiger  Schweisssecretion,  sei 
es  an  den  Händen,  Füssen  oder  irgendwelchen  anderen  Körper- 
theilen,  als  wirksames  Streupulver  sich  rasch  Eingang  ver- 
schaffen dürfte.  Die  bis  jetzt  selbst  gesammelten  Erfahrungen  be- 
stätigen das  von  Merck  gesagte,  dass  der  sich  namentlich  in  den 
wärmeren  Jahreszeiten  wohl  oft  unangenehm  bemerkbar  machende 
Geruch  bei  nur  leichtem  Bepudern  mit  Tannofonn  vollständig  ver- 
schwindet und  die  Schweisssecretion  nach  und  nach  abnimmt.  Gegen 
Hyperidrose  und  Bromidrose  ist  von  allen  Autoren,  welche  sich  mit 
Tannoform  beschäftigt  haben,  eine  spezifische  Wirksamkeit  beobachtet 
worden,  ln  den  Handel  wird  es  lose,  als  10°/»  Seife  und  abgepackt 
in  unter  Musterschutz  stehenden  Pergamentbeuteln  gebracht.  Aus 
Letzteren  kann  man  es  vermittels  der  an  einer  Ecke  angebrachten 
Durchbohrung,  durch  gelinderen  Druck  aufpudern,  eine  äussersl  hand- 
liche Form,  die  sich  bald  einführen  dürfte. 

Nagel. 


Das  von  vielen  Seiten  warm  empfohlene  Antidysseiiterlctini  von 
I>r.  Schwarz  ist,  wie  wir  auf  Wunsch  bemerken  kein  Geheimmittel. 
Bestandtheile  dieser  indischen  Pillen  sind:  Pelletierin.  pur.  0.1.  Myro- 
balan.  indic.  7.5,  Exlract  granat.  Extract  rosar.  aä  f.ft.  (lumm.  arah. 
pulverisat  0,75  gr.  Eine  Nachprüfung  der  günstigen  Resultate  bei  der 
Behandlung  der  Dysenterie  wäre  sehr  erwünscht.  Proben  stellt  der 
Fabrikant  Lagemann  in  Erfurt  auf  Wunsch  Aerzten  gern  zur  Verfügung. 


IV.  Verschiedenes. 


Zur  Mitarbeiterschaft  am  „Archiv  für  Schiffs-  und  Tropenhygiene 
u.  s.  w.“  haben  sich  ferner  bereit  erklärt:  Prof.  Dr.  Sanarelli  zu 
Montevideo,  Dr.  Filippo  Rho,  Herausgeber  der  Annali  di  medicina 
navale  zu  Rom,  Dr.  Buschan  zu  Stettin. 


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292 


Unser  Mitarbeiter  Dr.  Däubler  beging  im  Mai  dieses  Jahres  sein 
25jähriges  Doctorjubiläum.  Den  grössten  Theil  dieses  Vierteljahrhundcrts 
verbrachte  D.  im  Auslande.  Zwei  Jahre  übte  er  ärztliche  Thätigkeit  im 
Norden  Skandinaviens  aus,  denn  er  batte  die  ärztliche  Approbation  auch 
in  Norwegen  erworben.  Das  Hauptfeld  seines  Wirkens  waren  jedoch 
die  Tropen.  Von  dem  Fleisse  und  der  Beobachtungsgabe  D.  zeugen 
zahlreiche  wissenschaftliche  Publikationen  über  die  Rassenphysiologie. 
Wundheilung  bei  den  verschiedenen  Rassen,  Beri-Beri.  Lepra  u.  a. 
Augenblicklich  widmet  sich  D.  in  Berlin  vorzugsweise  der  Blutunter- 
suchung und  hat  sich  bereit  erklärt,  heimkehrende  Malariakranke  regel- 
mässig auf  Kiebererrcger  zu  untersuchen. 

Wir  wünschen  dem  eifrigen  Mitarbeiter  besten  Fortgang  und 
Erfolg  seiner  Arbeiten. 

Für  die  internationale  Conferenz  über  Schiffs-  und  Eisenbahn- 
hygiene zu  Brüssel  (ß — H September)  sind  aus  verschiedenen  Ländern 
bereits  Redner  angemeldet.  Wie  der  Schriftführer  Dr.  de  Lantsheere. 
Brussel,  rue  de  PAssociation  5ß,  mitteilt,  ist  für  den  9.  September  ein 
Besuch  Antwerpens  mit  Befahrung  der  Schelde  geplant. 


V.  Zur  Besprechung  eingegangene 
Bücher  und  Schriften. 


»r.  van  Dleren,  Beri-Beri  eene  rystv  ergi  ft  iging.  Amster- 
dam 1897.  Scheltema  en  Holkema. 

Modisch  Wekhlad  voor  Noord-  en  Zuid-Nederland.  Nr.  14.  Amster- 
dam 1897.  Scheltema  en  Holkema. 

Dr.  Moncorvo,  Sur  la  Malaria  infantile  et  son  Traitcment 
Paris  1895.  Rueff  u.  Cie. 

Dr.  Chr.  Rasch,  Zur  geographischen  Pathologie  Siams. 
Sonderabdruck  aus  „Janus“  Nr.  5.  Amsterdam  1897. 

Archivos  de  inedicina  Nr.  4.  Lissabon  1897.  Antiga  Casa  Bertram. 

Annali  di  niedicina  navale  Nr.  5 — 6.  Rom  1897.  G.  Bertero. 

Dr.  A.  Poskln,  L'Afrique  äquatoriale.  Bruxelles  1897.  Sockte 
beige  de  librairie. 


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a>  r.  F e il  o r P I e s s n e r 

V.  Kurhaus  für  Ncrocnleidende.  * 

Wiesbaden 

30.  Sonnenbergerstrasse  (Parkseite). 

Entziehungskuren 

von  Morphium,  Cocain,  Alkohol. 


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J L 


I.  Originalabhandlungen. 

Ueber  die  gegenwärtige  Stellung  der  Tropenpathologie. 

Von  Dr.  Karl  Dil  übler. 

Bereit«  in  einem  kürzlich  erschienenen  Aufsatz  des 
Verfassers*)  „über  den  gegenwärtigen  Stand  der  medicinischen 
Tropenforschung“,  welcher  die  Tropenphysiologie  und  die 
Acclimatisationsfrage,  also  die  Grundlagen  der  eigentlichen 
Tropenhygiene,  behandelt,  wurde  ausgeführt,  dass  der  Europäer 
in  den  feuchtheissen  Niederungen  der  Tropenländer  sich  im 
steten  Kampfe  mit  der  Hyperthermie,  der  drohenden  Ueber- 
hitzung  seines  Blutes,  befinde.  Während  der  pigmentirte 
Tropen  bewohner,  ohne  anhaltende  und  hochgradige  Schweiss- 
absonderung  während  angestrengter  Arbeit,  seine  dem  Weissen 
gleichwerthige.  im  Organismus  producirte  Wärme  leicht  an 
die  Tropenluft  abgiebt,  kann  der  Weisse  nur  mühsam  durch 
Haut  und  Lungen  und  unter  der  lebhaftesten  Thätigkeit 
beider,  besonders  der  Schweissdrüsen,  physikalisch  seine 
Wärmeabgabe  besorgen.  Hierdurch  wird  die  Herzarbeit  und 
die  der  Leber  ganz  besonders  in  Anspruch  genommen.  Fort- 
während und  in  erhöhterem  Maasse  als  ausserhalb  der  Tropen, 
sind  auch  die  übrigen  blutbildenden  und  abspaltenden  drüsigen 
Organe,  Leber  und  Milz,  nicht  allein  in  einem  Zustande 
von  grösserer  Blutfülle,  sondern  wie  Verf.  mehrfach  hervor- 
hob, und  auch  van  der  Scheer,  das  ganze  Abdomen.  Ebenso 
tritt  bei  stärkerer  Blutfülle  des  Gehirns  nicht  der  erquickende, 
zu  immerhin  anstrengendem  Schaffen  nothwendige  Schlaf  beim 
Europäer  ein,  die  stete  hochgradige  Schwcissabsondernng  und 
Verdunstung  von  der  Hautoberfläche  mattet  den  Weissen  ab. 
Alle  diese  eine  gewisse  Schwächung  des  europäischen  Organis- 
mus bedingenden  Arbeitsleistungen,  zwecks  physikalischer 
Wärmeregulirung,  sind  es  in  der  Hauptsache,  welche  für  die  von 
R.  Virchow  gekennzeichneten  und  von  Glogner**)  beim 
europäischen  Tropenbewohner  gefundenen  Schwankungen  und 
geringen  Abweichungen  von  der  physiologischen  Norm, 
speciell  des  Blutes,  verantwortlich  gemacht  werden  müssen. 

*)  Dänbler,  Deutsche  medicinische  Wochenschrift  1896,  No.  8 und  9. 

**)  Glogner,  Virchow's  Archiv,  Band  128,  1892. 

21* 


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296 


Einen  solchen  Zustand  kann  man  mit  R.  Virchow  als 
pathologisch,  d.  h.  als  Leben  unter  veränderten,  gefährlichen 
Verhältnissen  bezeichnen,  ohne  dass  das  Individuum  dadurch 
gerade  arbeitsunfähig  wird.  Es  handelt  sich  hier,  ausser  um 
Veränderungen  in  der  Zahl  der  Formelemente  des  Blutes, 
wie  Verfasser*)  durch  Messungen  nachwies,  um  eine  Ver- 
minderung der.  rohen  Kraft  des  Europäers,  etwa  conform 
der  gesteigerten  Arbeitsleistung  der  Haut  und  inneren  Körper- 
organe des  weissen  Tropen bewohners  in  der  Ruhe  und  bei 
äusserer  Arbeit.  Ausserdem  um  eine  Verminderung**)  der 
Wassermenge  resp.  des  specifischen  Gewichtes***)  des  Blutes. 

Glogner  zeigte,  dass  sowohl  der  Ha'emoglobingehalt  des 
Blutes  solcher  Europäer,  als  auch  die  Zahl  der  rothen  Blut- 
körperchen um  ein  Geringes  abgenoramen  habe,  ein  Umstand, 
der  dazu  beiträgt,  den  Weissen  widerstandsloser  gegen  die 
Ausbreitung  einer  Krankheit  in  seinem  Körper  zu  machen, 
als  Mischlinge  oder  Eingeborene  mit  normaler  Blutbeschaffen- 
heit.  Aus  Glogner’s  Blutuntersuchungen  in  den  Tropen  ist 
zu  iolgern,  dass  auch  das  einzelne  rothe  Blutkörperchen  des 
Eingeborenen  mehr  Haemoglobin  enthält,  als  das  des  Weissen, 
welcher  demnach  in  jeder  Beziehung  schlechter  gestellt  ist, 
als  der  pigmentirte  Tropenbewohner,  da  wir  als  Maassstab 
für  Kraft  und  Gesundheit  die  Normalzahl  von  5*/s  Million 
rother  Blutkörperchen  in  einem  Cubikcentimeter  Blut  und 
den  absoluten  Haemoglobingehalt  von  13  bis  15  Gramm  auf 
100  Cubikcentimeter  Blut  annehmen,  welche  der  in  den 
Tropenniederungen  lebende  Weisse  in  seiner  Blutflüssigkeit 
nicht  mehr  anfweist. 

Bestimmt  wissen  wir  durch  Jahrzehnte  an  grossem 
Material  fortgesetzte  klinische  Beobachtungen,  dass  sowohl 
Infectionskrankheitcn,  als  auch  nicht  infectiöse  Krankheiten, 
in  den  Tropen  bei  Weissen  in  anderer  Weise,  meistens  bös- 
artiger auftreten  und  verlaufen,  als  bei  Eingeborenen,  welche 
wieder  zu  Krankheiten  neigen,  von  denen  der  Europäer 
weniger  ergriffen  wird,  so  von  der  Beri-Berikrankheit.  Wir 
wissen  ferner,  dass  bei  Weissen  in  erster  Linie  die  blut- 

*)  Diiublor,  „Grumlzöge  der  Tropenhygiene“,  pag.  7 und  8, 
München  1895. 

**)  Däubler,  Berliner  klinische  Wochenschrift  1888,  No.  21. 

***)  Gryns,  Virchow 's  Archiv,  Bund  139,  Heft  1,  1895. 


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bereitenden  and  abspaltendcn  Drüsen,  die  Leber  und  Milz, 
die  Nerven  und  deren  Centralorgane,  sowie  der  Blutsaft 
selbst,  die  Pracdileetionsstätten  der  agressiven  Krankheits- 
erreger und  der  krankmachendcn,  meteorologischen  Einflüsse 
der  Tropen  darstellen,  während  im  gemässigten  Klima  die 
Infectionskeime  einer  akut  verlaufenden  Krankheit,  z.  B.  des 
Typhus,  im  Dann,  oder  bei  einer  chronischen,  w ie  Tuberculose, 
sich  in  der  Lunge  ansiedeln,  verweilen,  erst  in  die  Lymph- 
drüsen  und  von  da  aus  im  Blut  sich  verbreiten. 

Während  die  durch  meteorologische  Einflüsse  bedingten 
Krankheiten  in  Europa  sich  gemeinhin  als  rheumatische 
Muskel-  und  Nervensc.heidentzündungen  charakterisiren,  oder 
als  Catarrhc  der  Athemwerkzeuge,  stehen  diesen  in  den  Tropen 
meistens  ganz  verschiedenartige  Krankheiten,  wie  biliöse 
Catarrhe,  Gelbsucht,  Leberhyperämie,  Magendarmcatarrhe 
gegenüber.  Wiederum  erkennt  man,  dass  die  Eingeborenen 
in  tropischen  Gebieten,  abweichend  davon,  mehr  an  Muskel- 
rheumatismen, Luftröhrencatarrhen  erkranken,  als  der  Weisse. 
Dieses  gilt  absolut  für  die  Tropenniederungen;  im  Höhen- 
klima, wo  der  Europäer  bei  leichterer,  physikalischer  Wärme- 
abgabe an  die  trocknere,  kühlere  Höhenluft  normaler 
functionirt,  zeigt  sich  der  Eingeborene  nicht  so  widerstands- 
fähig gegen  die  dort  wirkenden  Schädlichkeiten,  als  in  der 
Ebene. 

Wir  haben  es  demnach  in  den  Tropen  mit  einem  ganz 
anderen  und  wieder  unter  sich  verschiedenartigen  Kranken 
material  zu  thun,  als  in  Europa,  mit  Rassenunterschieden, 
woraus  entweder  eine  gewisse  Immunität  für  bestimmte 
Krankheitsursachen  entspringt,  oder  eine  verschiedene  Reaction 
auf  ein  und  dieselben  Krankheitserreger.  So  sind  die  Tamils*) 
von  der  Westküste  Indiens  fast  immun  von  Malaria,  die  Be- 
wohner der  Ostküste  nicht,  auch  andere  Stämme  der  Westküste 
haben  nicht  den  hohen  gleichen  Grad  dieser  Immunität.  So 
erkranken  Chinesen  leichter  an  bösartiger  Malaria,  Dysenterie 
und  Leberkrankheiten,  als  Malayen  und  Neger.  Wir  haben 
es  ferner  in  den  Tropenniederungen  mit  einer  physiologischen 
Veränderung  des  Europäers  zu  thun,  welche  sich  der 
pathologischen  Seite  zuneigt  und  welche  eine  Abschwächung 

*)  Martin,  Aerztliche  Erfahrungen  Uber  die  Malaria  der  Tropen- 
länder. München  1889. 


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seiner  vitalen  Energie  bedeutet,  die  aber  bei  den  verschiedenen 
Individuen,  je  nach  ihrer  Constitution  und  nach  Dauer  ihres 
Tropenaufenthaltes,  verschieden  bemessen  werden  muss,  denn  je 
länger  der  Europäer  in  den  Tropenkttsten  sich  auf  hält,  desto 
mehr  nimmt  der  Haemoglobingehalt  seines  Blutes  ab,  desto 
empfindlicher  wird  er  gegen  Witterungseinflüsse. 

In  der  neuesten  Zeit  vorgenommene  und  bestätigte  Unter- 
suchungen von  Roux*),  Orgeas**),  Buschan  ***)  Plehn  ****) 
und  Andere  setzen  uns  in  den  Stand,  solche  Regeln  auf- 
zustellen. Sehematisirend  darf  darnach  die  Behandlung  des 
TropenarztcB  niemals  werden. 

Solche  neu  gewonnenen  fundamentalen  Kenntnisse  be- 
fähigen uns,  zwei  für  die  Tropenpathologie  in  Betracht 
kommende  Fragen  aufzuwerfen  und  zu  beantworten. 

Diese  Fragon  lauten:  Warum  kann  man  von  einer 

Tropenpathologie  sprechen  und  welche  Grundsätze  sind  im 
Vergleich  zur  Pathologie  der  gemässigten  Zone  in  der  Tropen- 
patliologie  hervorzuheben  und  zu  beachten. 

Um  in  die  Beantwortung  Thatsächliches,  Belehrendes 
einzuflechtelt  und  zur  genaueren  Begründung,  müssen  wir,  von 
den  entwickelten  Grundansebauungen  ausgehend,  weiter  aus- 
holen  und  dabei  auf  charakteristische  Tropenkrankheiten  hin- 
deuten, so  dass  ihre  Eigenart  und  ihr  Vorkommen  in  den 
verschiedenen  Ländern  des  Tropengürtels  hervortritt. 

Der  europäische  Pathologe  hat  sich  auch  sein  Kranken- 
material einzutheilen  und  zu  individualisircn,  sowohl  in  Bezug 
auf  die  Prognose  und  Behandlung,  als  auch,  um  sich  vor- 
zustellen, ob  der  Krankheitsprocess  hier  oder  dort  grössere 
oder  geringere  Dimensionen  annimmt.  Er  beobachtet  den 
Kräftezustand  des  Individuums,  seine  Besehäftigungs-  und 
Lebensweise,  auch  den  Zustand  seiner  noch  nicht  erkrankten 
Organe,  und  zieht  daraus  seine  Schlüsse.  Ucbrigens  aber 
kennt  er  für  den  gesunden  Menschen,  den  Weissen,  an  welchem 

*)  Roux,  Traite  pratique  des  maladios  deB  pays  chauds.  Paris  1889. 

**)  Orgeas,  La  pathologie  des  races  humaiues.  Paria  1887. 

***)  Buschan,  KinflusB  der  Rasse  auf  die  Form  und  Häufigkeit 
pathologischer  Veränderungen.  Globus,  Band  67,  No.  2 bis  5. 

****)  Plehn,  Beitrag  zur  Pathologie  der  Tropen.  Virchow’s  Archiv, 
Band  129. 

Plehn,  Die  Pathologie  Kameruns.  Virchow's  Archiv,  Band  139, 
Heft  3,  1895. 


• 299 


ausschliesslich  bei  uns  nur  Untersuchungen  ausgeführt 
wurden,  bestimmte,  für  Europa  geltende  Normen,  und  ist 
gewohnt,  sich  vorzustcllen,  dass  der  vorhin  gesunde  Mensch 
gleiches  Blut  und  Kraft  besitzt,  als  andere  seines  Standes, 
und  dass  seine  Organe  in  gleicher  Weise  functionircn.  Dass 
aber  im  Tropenklima  auf  einen  anderen  Boden  versetzte 
Europäer  sich  functionell  ungleich  untereinander  verhalten, 
auch  in  Bezug  auf  Höhen-  und  Flachland  resp.  Küstenklima 
und  bei  ihnen  die  bekannten  physiologischen  Normen  labiler 
werden,  diese  Verhältnisse  hat  er  in  Europa  nicht  zu  berück- 
sichtigen, ja,  er  kennt  sie  überhaupt  nicht.  Rasseneigen-  •- 
thümlichkeiten  der  pigmentirten  Tropenbewohner,  ihre  von 
der  unBrigen  verschiedene  Physiologie,  ihre  Empfänglichkeit 
für  Tropenkrankheiten,  ihre  eigenartige  Symptomatologie,  ihre 
Immunität  gegen  einzelne  Krankheiten,  und  auf  der  anderen 
Seite  ihre  geringere  Widerstandsfähigkeit  gegen  Krankheiten, 
für  welche  wiederum,  wie  schon  angegeben,  der  Europäer 
wenig  inclinirt,  kennt  er  ebensowenig.  Wir  werden  dadurch 
auf  einzelne  Krankheiten  zugleich  hingewiesen.  Schon  die 
tropische  Enteritis  hat,  wie  unsere  Untersuchungen’'')  lehren,  einen 
anderen  Charakter,  als  eine  Enteritis  in  Europa  oder  über- 
haupt ausserhalb  eines  Landes,  worin  keine  Tropeneinflüsse  sich 
geltend  machen.  Man  beobachtet  ihn  als  Massenerkrankung 
beim  Wechsel  der  Jahreszeiten  oder  beim  Eintritt  der 
Monsune,  am  Meisten  in  Ostindien,  dort  wieder  mehr  auf 
dem  ostindischen  Archipel,  als  auf  dem  Festlande,  dann  in 
den  Hochländern  Westafrikas,  am  Congo  und  im  Sambesidelta. 
In  Südamerika  erfolgen  Erkrankungen  en  masse  nicht  in  so 
auffallender  Weise.  Weissc  erkranken  mehr  und  schwerer,  als 
Schwarze.  Die  tropische  Enteritis,  welche  sich  durch  Appetit- 
losigkeit, Erbrechen  gallig  gefärbter  Massen,  Durchiällc, 
grossem  Durstgefühl,  Fieber  äussert  und  sich  durch  längere 
Dauer  und  Intensität  von  der  gleichen  Krankheit  in  Europa 
unterscheidet,  geht,  ebenfalls  eine  Besonderheit  der  Tropen, 
mit  Leberschwellung  und  Hyperaemic *)  **)  der  Baucheingeweide 

*)  D&nbler,  Grundzüge  der  Tropenhygiene,  München  1895,  und 
Vortrag  in  der  orientalischen  Gesellschaft  zu  Berlin  1890  und  Tropen- 
krankheiten in  Prof.  Wasche's  Bibliothek  der  gesummten  Heilkunde 
1896. 

**)  van  der  Scheer,  Virchow’s  Archiv,  Band  131. 


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300 


einher.  Während  in  Europa  selten  ein  Erwachsener  an 
Enteritis  stirbt,  ist  es  häufiger  in  den  Tropen  der  Fall,  wo 
man  bei  Sectionen  die  sccnndäre  Leberentzündung  constatiren 
kann,  zuweilen  findet  man  auch  kleine  Abacesse  im  Blind- 
darm. Der  Catarrh  wird  leicht  chronisch  und  deeimirt  die 
Kräfte  des  Weissen.  Europäer,  welche  länger  in  den  Tropen 
lebten  und  dort  Enteritis  acquirirten,  besonders  indische 
Colonisten,  Beamte  und  Militärs,  leiden  noch  später  in  Europa 
an  chronischem  Catarrh  und  zuweilen  blutigem  Stuhl  lebens- 
länglich. Tropische  Dysenterie  und  Enteritis  unterscheiden 
sich  dem  wirklichen  Tropenarzt  so,  dass  ein  Irrthum  aus- 
geschlossen ist,  noch  dazu  auch  die  mikroskopische  Unter- 
suchung entscheidet.  In  Ostindien  ist  auch  die  Dysenterie 
in  Orten,  wo  Europäer  wohnen  und  artesische  Brunnen  vor- 
handen sind,  fast  verschwunden.  Eingeborene  leiden  nicht 
so  häufig  an  Enteritis  und  genesen  leicht  nach  wenigen  Tagen. 

AVir  ersehen  daraus,  dass  eine  und  dieselbe.  Krankheit 
hier  wie  dort  verschieden  auftritt,  sei  es  eine  durch  organische 
Krankheitserreger  bedingte  oder  nicht,  und  sie  trifft  auf  ver- 
schieden empfängliche  Individuen.  Selbst  dem  Europäer  fehlt 
seine  sonst  grosse  Empfänglichkeit  zu  Typhus  abdominalis  in 
den  Tropen,  oder  sie  ist  doch  sehr  herabgesestzt,  denn  der 
Unterleibstyphus  zeigt  in  den  Tropen  nur  geringe  Tendenz*) 
sich  auszubreiten,  und  die  wenigen  zur  Beobachtung  ge- 
langenden reinen  Typhusfälle  sind  von  Schiffen**)  aus  ein- 
geschleppt. Typhus  verläuft  milde  und  ungefährlich  in  den 
Tropen.  Wir  suchen  den  Grund  dieser  Veränderungen  in 
dem  von  anderen  Klimaten  verschiedenen  oder  veränderten 
tropischen  Nährboden,  worauf  wir  noch  zurückkommen,  wir 
stehen  ferner,  gemäss  unserer  Forschungsresultate  der  neuesten 
Zeit  auf  dem  Standpunkte,  dass  wir  die  sich  in  den  Tropen- 
ländern andersartig  zeigenden  Krankheiten , welche  auch 
ausserhalb  der  AVendekreise  Vorkommen,  als  durch  die  Tropen 
beeinflusst  uns  vorstellen  müssen.  Krankheitsformen  aber, 
welche  nur  den  Tropen  eigen  sind,  dürfen  nicht  mit  ähn- 
lichen etwa  in  den  Subtropen  oder  südlichen  Ländern  vor- 
kommenden kurzweg  zusammengeworfen  werden.  Auch 

*)  Eykmann,  Fiebip,  Haga,  Genecsknndig  tydechrift  voor  Ned.- 
lndic  1892,  1893,  1895. 

**)  Hirsch,  Historisch-geographische  Pathologie  1880. 


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Scheube*)  scheidet  in  seinem  Werke  die  Krankheiten  der 
warmen  Länder  ersichtlich  von  denen  der  Tropen  ah,  und 
besprichtauch  tropische  Krankheitsformen.  Alle  dieseUmstände 
berechtigen  dazu,  die  Tropen pathologie  als  etwas  Eigenartiges 
hinzustellen  und  sie  natürlich  im  Rahmen  der  allgemeinen 
Pathologie  von  der  Pathologie  der  nicht  tropischen  Länder 
wenigstens  abzuzweigen.  Es  gehören  zur  Tropenpathologie 
besondere  Kenntnisse  und  Erfahrungen,  weiche  dem  europä- 
ischen Pathologen  fremd  sind  und  welche  nur  in  den  Tropen 
selbst  erworben  werden  können. 

Nun  kommt  noch  hinzu,  dass  es  in  den  Tropen  eigene, 
hier  bei  uns  unbekannte  Krankheiten  giebt,  und  dass  auch 
ein  und  dasselbe  Krankheitsgift  sich  hier  wie  dort  biologisch 
anders  verhält,  wodurch  verschiedenartige  Krankheitszustände 
und  Symptome  entstehen.  Da6  Bild  wird  dadurch  allerdings 
complicirter,  wir  können  aber  diese  thatsächlichen  Verhält- 
nisse nicht  so  weit  vereinfachen,  dass  die  Pathologie  und 
die  Hygiene  der  Tropen  mit  der  hiesigen  idcntiticirt  werden 
kann,  wenn  auch  alle  Forschungsmethoden  hier  wie  dort 
die  gleichen  sind  und  sein  müssen,  so,  dass  sie  tropischen 
Verhältnissen  gemäss  angewandt  werden. 

Schon  bei  der  in  den  Tropen  am  meisten  verbreiteten 
Krankheit,  der  tropischen  Malaria,  tritt  dieses  hervor. 

Der  Name  tropische  Malaria  besteht  in  der  Tropen- 
pathologie völlig  zu  Recht,  er  hat  sich  gerade  in  der  Neu- 
zeit, nach  den  in  den  Tropenläudern  angestellten  aetiologisch- 
klinischen  Untersuchungen  noch  mehr  herausgebildet.  Wie 
van  der  Scheer**),  Plehn***),  F.  Eyknmu*t)  und  eine  Reihe 
anderer  Forscher  zeigten,  sieht  man  im  Blute  Malariakranker 
in  den  Tropen  allerdings  ähnliche  oder  auch  dieselben  Parasiten- 
formen als  in  Italien,  bei  den  pernieiüsen  Fiebern  kleine, 
wenig  oder  gar  nicht  pigmentirte  Amröben.  Wie  aus  Ver 
fasser's  neuesten  Untersuchungen  an  ostindischem  Kranken- 
material hervorgeht,  sind  die  Kameruner  und  ostindischen 

*)  Schenbe,  Die  Krankheiten  der  warmen  Länder.  Jena  1896. 

**)  van  der  Scheer,  Geneeskundig  tydBchrift  vor  Ned.  Indiö 
XXX.,  1891. 

***)  F.  Plehn,  Deutsche  medicinische  Wochenschrift,  No.  26,  26,  27. 
*t)  Eykinan,  Arbeiten  aus  dem  bacteriologischen  Laboratorium 
zu  Welte vreden  1892. 


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302 


Parasiten  gar  nicht  unterschieden.  Ein  anderer  Forscher 
identifieirt  sie  mit  den  italienischen.  Specielle  Publikationen 
stehen  bevor.  Diese  Malariaamöbe,  welche  wir  bei  ihrem 
steten  Vorkommen  und  ihrer  mikroskopisch  beobachteten 
Vermehrung  durch  Sporenbildung  im  Blute  als  die  Ursache 
der  Malariatieber  anzusehen  gewohnt  sind,  zeigt  trotz 
mancher  formalen  Uebereinstimmung  in  den  Tropen  und 
ausserhalb  derselben  doch  biologisch  in  den  Tropen  sehr 
grosse  und  wichtige  Unterschiede.  A.  Plehn  war  es,  der 
jüngst  in  Frankfurt  a.  Main  in  der  Section  für  Tropen- 
hygiene auf  dieses  Factum  ganz  besonders  hinwies.  A.  Plehn*) 
fand  in  Kamerun  bei  Wessen,  dass  stets  zwei  Generationen 
von  Parasiten  zuerst  im  Blut  erschienen  und  dementsprechend 
stets  zwei  Fieberanfälle  kurz  hintereinander  erfolgten,  welche 
Chiniu  nicht  auf  halten  kann  und  wodurch  der  Fiebertypus 
ein  anderer  wird  oder  gar  kein  bestimmter  Typus  mehr  zu 
bemerken  ist.  Aehnliches  wurde  in  Ostindien  beobachtet. 


Diese  Beobachtung  ist  vom  Verf.  sowohl,  wie  von  Anderen, 
anderswo  in-  und  ausserhalb  der  Tropen  auch  gemacht,  auch 
von  Golgi  in  Italien.  Aus  den  bestätigten  Untersuchungen 
van  der  Scheers  geht  hervor,  dass  die  kleinen  schwach  pig- 
mentirten  Formen  von  Malariaparasiten  in  den  Tropen  sehr 
verbreitet  sind.  In  Italien  kommen  sie  bei  pernieiösen  Fiebern 
auch  vor,  sie  überschreiten,  wie  van  der  Scheer  meint,  nicht 
einen  gewissen  Breitegrad.  Van  der  Scheer  unterscheidet 
in  Ostindien  nur  die  grossen  und  kleinen  Formen.  Während 
aber  die  grossen  in  Italien  Quartan-  und  Tertianfieber  er- 
zeugen, in  dem  ihre  Sporulntion  in  dem  betreffenden  Zeit- 
raum erfolgt  und  damit  die  Bildung  von  Toxinen,  sowie  der 
Angriff  der  Sporen  auf  die  Blutkörperchen,  ist  dieses  in  den 
Tropen  nicht  der  Fall.  Vielmehr  sind  die  Fieber  g.hnz  un- 


regelmässig, oft  remittirend,  auch  bei  den  nach  Europa  Zu- 
rückgekehrten, von  denen  Verf.  jetzt  im  Auslande  Hinderte 
untersuchte.  A.  Plehn ’s  und  van  der  Scheer ’s  Beobachtungen, 
welche  aber  durchaus  nicht  neu  sind  und  gewisse«  Ab- 


weichungen bieten,  haben  doch  Gemeinsames  und  geben 
einem  wichtigen  Gesetze  für  die  eigene  Biologie  der 
Malariaparasiten  in  den  Tropen  eine  Unterlage.  ' Die 


*)  A.  Plehn,  Die  tropische  Malaria  in  Kamerun.  Berlin  1$® 
(Aug.  Hirschwald}.  . 

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Sporulation  dieser  grossen  Parasiten,  welche  hauptsächlich 
ausserhalb  der  Wendekreise  verbreitet  sind,  geht  verschieden- 
artig vor  sich,  denn  bei  ihrer  Anwesenheit  im  Blut  wird  meistens 
von  vorn  herein  Quotitidianfieber  beobachtet,  sonst  wohl 
einmal  der  Rythmus  der  Tertiana  oder  Quartana,  darnach 
aber  stets  Quotidiana.  Auch  dieser  Typus  verliert  sieh 
bald,  schon  nach  einigen  Wochen  verschwindet  er,  längere 
Intervallen,  von  drei  Tagen  bis  zu  mehreren  Wochen,  treten 
auf  und  das  Fieber  wird  völlig  unregelmässig,  atypisch. 

Die  kleinen  Malariaparasiten  oder  Plasmodien  finden 
sich  in  den  Tropen  bei  den  quotidianen  Malariafiebern,  sowie 
bei  allen  malignen  Formen  der  Malaria,  so  bei  dem  pemi- 
ciösen  Malariafieber  mit  Complicationen,  wie  Malariapneumonie, 
Leber-  und  Nierenentzündungen,  embolischen  Processen  und 
Herzthrombosen,  sowie  bei  den  rcmittirenden,  lange  anhalten- 
den Fiebern  und  den  ganz  unregelmässigen,  oben  erwähnten 
Fieberformen.  Die  quotidianen  Fieber  kamen  am  meisten 
in  Ostindien  vor,  daneben  alle  anderen,  aber  die  Regel  bilden 
die  quotidianen,  welche  im  Allgemeinen  nicht  so  bösartig  ver- 
laufen , durch  entsprechende  Behandlung  und  frühzeitige 
Ueberführung  der  Kranken  in  das  malariafreie  Bergklima 
oder  nach  Schiffsanatorien  in  Heilung  übergehen.  Auch  an 
der  ostafrikanischen  Küste  herrschen  ähnliche  Fieberformen 
vor,  am  meisten  die  quotidiane,  ebenso  wie  Verfasser  beob- 
achtete in  Südostafrika.  In  Westafrikn  zeigen  die.  Malaria- 
fieber  durchgehende  einen  bösartigeren  Charakter.  Plehn  *) 
unterscheidet  die  Fieber  in  Kamerun,  welche  bei  den  ein- 
gebornen  Duallas  und  den  importirten  Negern  auftreten. 
Während  die  ersteren  meistens  nur  einen  einzigen,  sich  nicht 
wiederholenden  Fieberparoxysmus  durchmachen , erkranken 
die  importirten  Neger  aus  Dahomc,  die  Kru  und  Accraleute, 
besonders  aber  die  1894  vom  Hauptmann  Morgen  in  Cairo 
angeworbenen  Sudanesen  an  bösartigen  Fiebern.  Die  Sudanesen 
schienen  noch  empfänglicher  für  das  Fiebergift  zu  sein,  als 
Europäer.  Kohlstock  behandelte  mit  Erfolg  in  Ostafrika  die 
Fieberkranken  mit  Sauerstoffinhalationen.  Fisch**)  berichtet,  es 
sei  an  der  westafrikanischen  Goldküste  eine  häufig  beobachtete 
Thatsache,  dass  die  dort  zuerst  mit  regelmässig  intermittirendem 

*)  Fr.  Plehn.  Virchows  Archiv.  Band  139. 

**)  Fisch.  Tropische  Krankheiten.  2.  Auflage.  Basel  1894. 


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Charakter  auftretenden  Malariafieber  von  der  Quartana  an, 
immer  grössere  freie  Intervalle  zeigten  und  darauf  ganz 
unregelmässig  werden.  Verfasser  machte  in  Bezug  aut  die 
Unregelmässigkeit  der  Fieberfällc  sowohl  in  Ostindien  als 
in  Afrika  dieselben  Erfahrungen,  welche  in  verschiedenen 
Arbeiten  niedergelegt  wurden.  Die  Tertiana  erschien  darnach 
die  ungefährlichste  Form.  Schon  durch  die  hier  berührten 
Unterschiede  der  tropischen  Malaria  von  der  nicht  tropischen 
und  deren  eigenthümlichcn  Charakter  erhält  die  sich  auch 
anderweitig  geltend  machende  Erscheinung,  dass  in  den  Tropen 
und  durch  Tropeneinflüsse  sowohl  Krankheitserreger,  als 
Krankheitsprocesse  im  Körper  der  Tropenbewohner,  sieh  von 
den  gleichbenannten  Krankheiten  ausserhalb  der  Tropenzone 
unterscheiden,  eine  Stütze.  Noch  schärfer  wird  dieser  Unter- 
schied, als  die  sich  bei  den  Tropenpathologen  bahnbrechende 
Ansicht  der  Verschiedenheit  des  tropischen  Nährbodens  und 
der  damit  verbundenen  Entwicklung  pathogener  tropischer  Mi- 
kroben, auch  durch  neuerliche  Untersuchungen,  worauf  schon 
hingedeutet  wurde,  praecisirt  werden  dürften.  F.  Plehn  war 
es,  welcher  beim  westafrikanischen  Schwarzwasserfieber,  einer 
haemoglobiuurischen  Malariaform,  event.  mit  urämischen  Er- 
scheinungen, kleine  Amöben  fand.  Diese  Amöben  unterscheiden 
sich  durch  ihre  völlige  Pigmentlosigkcit  von  solchen  in  allen 
anderen  Ländern  und  durch  eine  gewisse  Resistenz  gegen  Farb- 
stoffe. «Sie  werden  nach  Chinin  nicht  in  ihrer  Vermehrung  durch 
Sporulation  verhindert,  wie  man  es  sonst  unter  dem  Mikroskop 
am  lebenden  Blut  mit  Chininzusatz  sehen  kann,  und  haben 
eine  ausgesprochene  Tendenz  das  Blut  resp.  die  rothen  Blut- 
körperchen zu  zerstören.  Plehn,*)  welcher  die  Unterschiede 
in  der  Aetiologie  der  Tropenkrankheiten  gegenüber  denen 
nicht  tropischer  Länder  im  Auge  behält,  ist  soweit  in  seinen 
Studien  vorgeschritten,  dass  er  in  seiner  Erwiderung  auf 
Bclows**)  Schvift  „Schwarzwasserfieber  ist  Gelbfieber“  unbe- 
stritten sagen  konnte:  „Wir  haben  gewichtige  Gründe  für 
die  Annahme,  dass  die  ausserordentliche  Verschiedenheit  der 
klinischen  Erscheinungen,  des  Fieber  Verlaufes,  wie  der  Be- 
einflussung von  Chinin  bei  den  verschiedenen  Formen  der 

*)  F.  Plehn.  Deutsche  Meilicinische  Wochenschrift  Nr.  30.  1895. 

**)  Below.  Medicinische  Centralzeitung  Nr.  44.  1895. 


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tropischen  Malaria  darin  ihre  Ursache  hat,  dass  dieselben 
durch  verschiedene  Formen  von  Parasiten  hervorgerufen  wird.“ 

Durch  spätere,  bevorstehende  Abhandlungen,  werden 
allerdings  specielle  morphologische  Verhältnisse  der  tropischen 
Maiariaparasiten  und  der  hiesigen  sich  anders  darstellen,  im 
Grossen  Ganzen  aber  wird  der  Unterschied  zwischen  Nord- 
europa und  den  Tropen  besonders  in  die  Augen  fallen. 

Schon  a priori  dürften  wir  hiernach  folgern,  dass  wenn 
dieselbe  Krankheit,  durch  dieselbe  Art  niederster  Lebewesen 
verursacht,  in  den  Tropen  unter  anderen  und  bösartigen 
Symptomen  auftritt  und  dass,  wenn  diese  Lebewesen  von 
einander  hier  und  dort,  in  formalerund  besonders  biologischer 
Beziehung  variiren,  auch  ihr  Nährboden,  ihr  Milieu  in  den 
Tropen  verschieden  von  dem  unsrigen  sein  müsse,  denn  nur 
der  Nährboden  und  die  meteorischen  Verhältnisse  begünstigen 
oder  beeinträchtigen  die  Entwicklung  bei  Pflanzen  und 
Thieren.  Beide  auch  werden  dadurch  verändert,  besonders 
die  Pflanzen.  Eine  eigentümliche  Beobachtung  der  neuesten 
Zeit  ist  es  auch,  dass  die  Malariaparasiten  im  Blute  von 
Malariakranken,  welche  aus  den  Tropen  kamen  und  in  Europa 
Aufenthalt  nahmen,  hier  den  unsrigen  in  Bezug  auf  Pigment- 
bildung ähnlicher  wurden  und  auch  gewöhnliche  Wechsel- 
tieberanfülle  nuslösten. 

Fragen  wir  uns  hiernach,  welche  Grundsätze  die  Tropen- 
pathologie im  Gegensatz  zu  der  europäischen  hervorzuheben 
hat,  so  wäre  in  aetiologischcr  Beziehung,  in  erster  Linie  für 
Infectionskrankheiten  der  veränderte  Nährboden  der  Tropen 
zu  beachten  und  daraus  nicht  nur  die  formale  und  biologische 
Veränderung  der  Infectionskeime  und  des  Krankheitsprocesses 
abzuleiten,  sondern  auch  die  Entstehung  von  pathogenen 
Mikroben  und  deren  Toxinen,  welche  in  den  Tropen  selbst 
entstehen  und  dort  als  Krankheitserreger  wirken  können, 
während  sie  in  kälterem  Klima  unwirksamer  werden.  So  sehen 
wir,  dass  das  Gelbfieber  im  heissen  Sommer  durch  Schiffe  in  sub- 
tropische Gegenden  und  bis  nach  Spanien  verschleppt  wurde, 
hier  allerdings  milde  verlief,  keine  so  bedeutende  Tendenz  zur 
Weiterverbreitung  zeigte  als  im  tropischen  Südamerika  und 
im  Winter  völlig  erlosch.  Das  Krankheitsgift  muss  demnach 
andere  Nährböden  und  anderes  Klima  haben,  um  seine  Virulenz 
zu  erhalten,  als  sie  sich  ausserhalb  der  Tropen  vorfinden,  selbst 


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im  Sommer  schwächt  es  sich  ausserhalb  der  Tropenländer 
schon  ab.  Ebenso  zeigt  es  sich  bei  der  Beri-Berikrankheit, 
dass  sie  sich  nur  in  den  Tropen  und  in  milderer  Form  auch 
in  Japan  vorfindet,  während  eine  Uebertragung  nach  anderen 
aussertropischen  Ländern  niemals  stattfand. 

Für  den  Tropen pathologen  gilt  es  nach  der  Erwerbung 
solcher  Kenntnisse  als  Grundsatz,  dass  bei  einem  keim- 
fähigeren Nährboden,  im  Tropenklima,  bei  verschieden  wider- 
standsfähiger Blutflüssigkeit  und  Nerven  und  bei  durch  das 
Klima  geschwächten  Europäern,  in  passender  Weise  und  los- 
gelöst vom  europäischen  Schema,  sowohl  dem  Krankheitsgift, 
als  den  einzelnen  bedrohlichen  Symptomen  entgegengearbeitet 
werden  müsse.  Vor  Allem  gilt  es,  den  schädlichen  Einfluss 
des  Klimas  zu  lindern,  indem  man  den  Europäer  und  den 
importirten  Schwarzen  in  schweren  Erkrankungsfällen,  unge- 
säumt von  der  Tiefebene  fort,  entweder  auf  Krankenschiffe, 
weit  ab  von  der  Küste,  oder  besser  noch  nach  den  Gebirgs- 
spitälern  sendet,  wie  es  jetzt  in  englischen  und  niederländischen 
Colonien  mit  glänzendem  Erfolge  geschieht.  Krankenhäuser 
werden,  auch  in  Rücksicht  auf  meine  Vorschläge,  principiell 
von  der  niederländischen  Regierung  nicht  mehr  in  der  Tief- 
ebene angelegt. 

In  fundamentaler  Richtung  müssen  auch  die  degene- 
rativen  Processe  im  Leben  des  weiblichen  Organismus,  vor- 
züglich bei  Weissen , aber  auch  bei  Schwarzen , beachtet 
werden.  Die  Frauen  altern  frühzeitig  in  den  Tropen,  die 
Ovulation  tritt  früher  ein,  als  in  unseren  Breiten,  die  Blüthe- 
periode  ist  kurz.  Es  ist  ferner  bei  der  Beurtheilung  des 
Krankheitszustandes  und  der  zu  erwartenden  Ausbreitung 
der  Krankheit  im  Körper  in  Rechnung  zu  ziehen,  in  welcher 
Altersstufe  die  Frau  ergriffen  wird  und  wie  weit  ihre 
geschlechtliche  Entwicklung  gelangte. 

Bei  nicht  infectiösen  Krankheiten  sind  als  Abweichungen 
von  den  europäischen  Verhältnissen,  welche  damit  im  ursäch- 
lichen Zusammenhang  stehen,  besonders  in  Betracht  zu  ziehen 
das  Tropenklima,  die  veränderte  Lebensweise  des  Europäers, 
wie  die  uns  gänzlich  fremde  der  Eingebomen  und  endlich 
der  verschiedenartige  Ablauf  der  Lebensprocesse  im  Organis- 
mus der  Tropenbewohner,  deren  Messungen  in  ihren  Resul- 
taten bisher  unvollkommen  blieben. 


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Diese  hier  akizzirten  Grundsätze  und  fundamentalen 
Principien  der  Tropenpathologie,  welche  noch  des  Weiteraus- 
baues bedürfen,  setzen  uns  in  den  Stand,  die  einzelnen  Krank- 
heiten in  den  Tropenländern  hiernach  zu  bemessen  und  sie 
gleichsam  als  Beispiele  in  dem  grossen  Rahmen  der  Tropen- 
pathologie erscheinen  zu  lassen,  in  denen  sich  das  vorhin 
Ausgeführte  wiederholt  uns  wie  ein  rother  Faden  wiederfindet. 

Als  Tropenkrankheiten  sui  generis  werden  ausser 
der  tropischen  Malaria  und  ihren  Folgen  angesehen,  Ainhuni, 
Aphthae  tropicae , Beri-Beri , Dengue , Dysenteria  tropica , 
die  Filariakrankheiten,  welche  auch  in  subtropischen  Gebieten 
herrschen,  Framboesia  tropica  oder  Yaws,  Gelbfieber, 
die  tropischen  Leberkrankheiten  und  Leberabscesse , deren 
Ursprung  jetzt  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  auf  die  Ein- 
wanderung der  mit  Eiterkokken  beladenen  Dysenterieamöbe 
in  die  Leber  zurückgeführt  wird,  sowie  die  hier  geschilderten 
tropischen  Malariaformen. 

Ainhum,  eine  Krankheit,  bei  welcher  an  den  kleinen 
Zehen  gangränöse  Geschwüre  entstehen,  welche  zur  Abstossung 
der  Glieder  führen,  kommt  besonders  bei  Negern  vor,  an 
der  afrikanischen  Westküste,  im  Sudan  am  Sambesi  und  am 
Limpopo.  In  Südamerika  wurde  die  Krankheit  in  Brasilien 
und  Buenos-Ayres,  sowie  auf  den  Antillen  beobachtet.  Die 
Krankheit  scheint  erblich  zu  sein , tritt  häufig  in  den 
angeführten  Ländern  auf,  scheint  aber  Verfasser  einer  Art 
von  tropischem  Phagedaenismus  zu  sein , welcher  in  den 
Grundzügen  der  Tropenhygiene,  München  1895,  genau  be- 
schrieben wurde. 

Aphthae  tropicae  stellen  eine,  wahrscheinlich  durch 
Spaltpilze  bedingte  Erkrankung  des  Magendarmkanals,  der 
Mundhöhle  und  des  Rachens  dar,  an  welche  sich  Leber- 
verkleinerung anschliesst  und  die,  wenn  sie  nicht  im  ersten 
Stadium  erkannt  wird,  bei  Europäern,  welche  fast  nur  davon 
ergriffen  werden,  im  Tropenklima,  unheilbar  ist.  Im 
ersten  Stadium  erkennt  der  Eingeweihte  bereits  den  charak- 
teristischen Schwund  der  Zungenpapillen,  die  Zunge  sieht 
aus  wie  rohes  Fleisch,  der  Magen  verdaut  die  Speisen  nicht 
mehr,  die  Leber  sondert  weniger  Galle  ab,  wodurch  der 
Stuhlgang  hellgelb  wird,  der  Magen  wölbt  sich  bei  grosser 
Gasanhäufung  wie  ein  Sack  vor,  häufiges  Erbrechen,  Diarrhoen 


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erschöpfen  die  Kräfte  des  Kranken , dem  das  Schlucken, 
selbst  von  Milch  und  Wasser,  starke  Schmerzen  im  Munde 
und  Rachen  verursacht  und  der  unter  grossen  Qualen  zu 
leiden  hat.  van  der  Burg*)  hat  die  Krankheit  am  ausführ- 
lichsten beschrieben,  sie  kommt  besonders  in  Ostindien  vor, 
auch  in  Südamerika  und  dem  tropischen  Theile  Chinas. 

Die  Beri-Berikrankheit,  wurde  in  dieser  Zeitschrift  schon 
eingehend  besprochen. 

Es  wäre  unmöglich , hier  eine  Beschreibung  aller 
Tropenkrankheiten  zu  geben,  wir  müssen  uns  dieses  versagen, 
vielmehr  könnte  man  in  einer  geographisch-medicinischen 
Zeitschrilt  die  im  tropischen  Theile  eines  Erdtheils  z.  B.  Afrika 
vorkoinmenden  Krankheiten  denen  anderer  Erdthcile  gegen- 
überstellen und  kurz  beschreiben.  Immer  aber  ist  es  für  den 
medicinischen  Geographen  nöthig,  sich  ein  Verständniss  und 
einen  Ueberblick  von  der  Tropenpathologie,  wie  sie  heute, 
gemäss  dem  gegenwärtigen  Stande  der  medicinischen  Tropen- 
forschung, erscheint,  zu  erwerben. 

Ausser  den  bereits  angeführten  Krankheiten  kommen 
in  den  Tropen  eigen thümliche  Arten  von  Geisteskrankheiten 
vor.  Wir  wissen,  dass  nicht  nur  die  Civilisation  Geistes- 
störungen bedingt.  So  kommen  bei  pigmentirten  Tropen- 
bewohnern ausser  den  bei  uns  bekannten  Geistesstörungen, 
welche  in  den  Tropen  bei  Europäern  recht  häufig  auftreten, 
vor,  die  Latah,  wobei  die  Kranken  in  Bezug  auf  Willens- 
äusserungen sich  in  einem  Zustande  von  Hypnose  befinden. 
Dann  das  bekannte  Amoklaufen,  ein  maniakalischer  Zustand, 
auch  die  Mataglab,  eine  Art  von  Paranoia  mit  Gesichts- 
täuschungen. Einzelne  Hautkrankheiten , welche  weniger 
bekamt  sein  dürften,  mögen  genannt  werden,  so  Koerab  und 
Thrombidium  Bomeense,  in  Indien  sehr  verbreitet,  Krank- 
heiten, welche  die  Oberhaut  stark  desodorisiren  und  dem 
Kranken  unerträgliches  Jucken  und  Schmerzen  bereiten. 

Vergiftungen  durch  Früchte,  durch  Pfeilgifte  und 
Schlangenbisse  muss  der  practische  Arzt  nach  vorhergehendem, 
theoretischem  Unterricht  hier  in  den  Tropen  selbst  erkennen 
und  behandeln  lernen. 


*)  van  der  Burg,  <le  Geneeshoer  in  Nederlandscb-Indig.  Batavia  18$t. 


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Ein  wissenschaftliches  Lehrinstitut  mit  den  nöthigen 
Hülfsmitteln  und  dem  jetzt  stets  vorhandenen  Material  von 
Europäern,  welche  aus  den  Tropen  zurückkehren  und  von 
Schwarzen  aus  den  Colonien,  würde  sowohl  für  die  Aus- 
breitung von  Kenntnissen  der  Tropenhygiene,  wie  der  geo- 
graphischen Mediein  unter  Aerzten  und  Geographen  am 
Platze  sein.  Möge  dieser  Aufsatz  dazu  Anregung  geben. 


Lepra  an  der  OstkUste  Sumatras. 

Von 

l)r.  L.  Martin,  k.  b.  Hofrath. 

Obwohl  ich  im  Nachstehenden  in  keiner  Weise  Neues 
für  Pathologie  und  Therapie  der  in  jüngster  Zeit  frisches 
Interesse  erregenden  und  von  A.  von  Bergmann  so  meister- 
haft bearbeiteten  Krankheit  bieten  kann,  halte  ich  mich 
doch  für  berechtigt,  meine  Erfahrungen  den  Fachkreisen 
mitzutheilen,  als  einen  kleinen,  vielleicht  aber  doch  zu  ver- 
werthenden  Baustein  zum  stolzen  Ausbau  der  geographischen 
und  pathologischen  Sammelforschung,  welchen  uns  ver- 
muthlich  die  im  kommenden  October  zu  Berlin  abzuhaltende 
Lepraconferenz  bringen  wird.  Zudem  beziehen  sich  meine 
Mittheilungen  auf  ein  Gebiet,  aus  welchem  bisher  über 
Lepra  keine  Daten  bekannt  geworden  sind. 

Der  holländische  Regierungsbezirk  (Residentie)  Ostküste 
von  Sumatra  (vom  Aequator  bis  zu  ungefähr  4,5°  N.  B.), 
wo  meine  Erfahrungen  im  Laufe  einer  12jährigen  Thätig- 
keit  gesammelt  sind,  besitzt  eine  autochthone  Bevölkerung, 
Malaien  reinen  Stammes  an  der  Küste  und  am  Unterlaufe 
der  Flüsse  und  die  noch  ab  und  zu  anthropophagen  Neigungen 
huldigenden  Battaks  im  Binnenlande  uud  in  den  eeutrakfa 
Bergen.  Unter  den  Malaien,  bei  denen  Fischnahrung  sehr 
im  Vordergründe  steht,  kommt  Lepra,  wenn  überhaupt,  so 
höchst  selten  vor;  ich  hatte  wenigstens  keine  Gelegenheit, 
einen  leprösen  Malaien  zu  sehen.  Häufiger  dagegen  findet 
man  die  Krankheit  bei  den  bergbewohnenden  Battaks,  und  es 
berichtet  uns  Hagen  (Verhandl.  der  Batav.  Genoot.  v.  Künsten 
en  Wetenschappen,  1884),  dass  es  im  Dorfe  Silalahe  auf  der 
centralen  Hochebene  viele  Lepröse  gab,  welche  man  in 

Archiv  f.  Schifft-  u.  Tropenbygieue.  22 


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310 


einem  eigenen,  kleinen  Dorfe  isolirt  hatte.  Also  an  der 
Küste  unter  einer  meist  aus  Fischern  bestehenden  und  Fisch 
essenden  Bevölkerung  fehlt  Lepra,  findet  sich  aber  im 
bergigen  Inneren  der  Insel,  dessen  Bewohner  wenig  an 
die  Küste  kommen  und  Fische  nur  in  beschränktem  Masse 
zur  Nahrung  benutzen  — ein  nicht  zu  Gunsten  der  Hut- 
chinson'sehen  Theorie  sprechendes  Factum.  Damit  stimmen 
die  Angaben  van  der  Burg’s,  der  für  Sumatra  das  Vor- 
kommen von  Lepra  auf  die  Berge  localisirt,  während  von 
Bergmann  sagt,  Lepra  käme  auf  Sumatra  hauptsächlich  an 
der  dem  Festlande  zugewandten  Küste  vor.  Diese  Angabe, 
eine  völlige  Unrichtigkeit  für  die  nur  von  Malaien  be- 
wohnten Gebiete,  findet  dennoch  eine  gewisse  Stütze  in  den 
nachstehend  mitgetheilten  Verhältnissen.  Ausser  den  Ein- 
geborenen besteht  nämlich  an  der  Ostküste  Sumatras  noch 
eine,  numerisch  sogar  überwiegende,  eingewanderte  Be- 
völkerung, welche  durch  die  dort  blühende,  äusserst  lohnende 
und  grossartige  Arbeitskräfte  erfordernde  Tabakcultur  an- 
gezogen worden  ist.  Dieselbe  setzt  sich  aus  Tamils  von  der 
Madrasküste,  Javanen  aus  dem  Westen  und  Norden  Javas 
und  aus  Chinesen  aus  den  südlichen  Provinzen  des  himmlischen 
Reiches  zusammen,  sämmtlich  Bewohner  von  notorischen 
Lepragebieten.  Unter  den  an  Kopfzahl  zuletzt  kommenden 
Tamils  finden  sich  vereinzelte  Fälle  von  Lepra,  während 
unter  den  viel  zahlreicheren  Javanen  solche  fast  gänzlich 
fehlen,  obwohl  gerade  die  Bergländer  im  Norden  und 
Westen  Javas  nach  van  der  Burg  am  meisten  mit  Lepra 
inficirt  sind  und  überhaupt  das  Leiden  kein  allzu  seltenes 
ist  auf  der  ungefähr  28000000  Einwohner  beherbergenden 
Insel,  auf  welcher  nach  Schätzung  eines  Wohlunterrichteten 
5000  Lepröse  leben  mögen.  Da  aber  alle  nach  der  Ost- 
küste Sumatras  emigrirenden  Javanen  einer  ärztlichen 
Prüfung  unterworfen  sind  und  diese  Prüfung  eine  ziemlich 
strenge  ist  in  Folge  des  Umstandes,  dass  sich  mehrere, 
unter  einander  in  scharfer  Concurrenz  stehende  Firmen  mit 
der  Lieferung  der  javanischen  Kulis  befassen,  so  ist  es 
leicht  erklärlich,  dass  Lepröse  dieselbe  nicht  zu  bestehen 
vermögen  und  somit  nicht  zur  Einwanderung  gelangen. 

Ganz  andere  Verhältnisse  aber  finden  wir  bei  den  ein- 
gewanderten Chinesen,  welche  die  grosse  Mehrzahl  aller 


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Immigranten  bilden.  Dieselben  unterliegen  entweder  gar 
keiner  ärztlichen  Controle  oder  werden,  wenn  sie  über  die 
englischen  Hafenstädte  der  Straits  kommen,  nur  untersucht, 
ob  sie  „fit  for  fieldlabour“  sind,  stehen  meist  im  3.  oder 
4.  Lebensdecennium  und  unter  ihnen  kommt  Lepra  in  einem 
relativ  hohen  Procentsatze  vor.  Man  darf  denselben  ohne 
Uebertreibung  auf  1 — 1 ,5  °/0  anschlagen,  wenn  man  dabei 
von  der  folgenden,  auch  von  Hagen  als  richtig  erkannten 
Schätzung  ausgeht.  Der  weitaus  grösste  Theil  der  nach 
Sumatra  eingewanderten  Chinesen  lebt  als  Kulis  auf  den 
Tabakpflanzungen,  deren  eine  durchschnittlich  400  Kulis 
beschäftigt ; cs  befinden  sich  aber  auf  jeder  Pflanzung  stets 
2 — 3 Kulis  mit  manifester  Lepra,  welche  ihren  Genossen 
und  auch  dem  Arzte  als  Lepröse  wohl  bekannt  sind;  man 
kann  aber  ausserdem,  wie  mich  langjährige  Erfahrung  ge- 
lehrt hat,  auch  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  auf  jeder 
Pflanzung  fast  noch  ebenso  viele  Inficirte  mit  latenter 
Infection  oder  im  Anfangsstadium  der  Krankheit  vorhanden 
sind,  so  dass  man  4 — 6 Lepröse  in  Rechnung  setzen  muss, 
was  obigem  Procentsatze  entspricht.  Unter  den  freien, 
nicht  auf  den  Pflanzungen  lebenden  Chinesen,  welche  als 
Kaufleute,  Handwerker,  Gemüsegärtner,  Schweinezüchter 
und  Holzarbeiter  ihren  Unterhalt  gewinnen,  dürfte  ein  noch 
ungünstigeres  Verhältniss  bestehen,  da  sich  ja  unter  ihnen 
schon  viele  Lepröse  befinden,  welche  wegen  des  Leidens  die 
Pflanzungen  verliessen. 

Den  Chinesen  ist  Lepra  in  ihren  beiden  Hauptformen 
genau  als  wohlumschriebenes  Krankheitsbild  bekannt,  das 
sie  Taikoh  nennen,  und  sie  sind  ohne  Ausnahme  überzeugt,  dass 
die  Krankheit  eine  ansteckende  ist.  Dennoch  scheinen  sie 
eine  solche  Ansteckung  nur  wenig  zu  fürchten,  da  sie  ohne 
Scheu  mit  Leprösen  umgehen,  mit  ihnen  zusammen  essen 
und  wohnen,  sich  von  ihnen  bedienen  lassen  und  sonst  jeden 
Verkehr  ausüben,  wie  auch  für  Partner  in  Handelsunter- 
nehmungen und  für  Freunde  durch  Opiumrauchen  oder 
Päderastie  Lepra  niemals  zum  Trennungsgrunde  wird.  Es 
ist  möglich  und  wahrscheinlich,  dass  die  initialen  Formen 
und  die  leprösen  Geschwüre  als  solche  ilirer  Beobachtung 
entgehen,  was  leicht  zu  verstehen  ist,  wenn  man  bedenkt, 
dass  Lues  in  allen  Formen  und  Ulcus  cruris  ungeheuer 

5-2* 


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312 


häufig  unter  ihnen  Vorkommen.  Beim  Auftreten  von 
typischen  Knoten  im  Gesicht  und  besonders  an  den  Ohren 
und  bei  Mutilationen  erachten  sie  aber  das  Leiden  für  er- 
wiesen,  ohne  jedoch  ihr  Benehmen  den  Kranken  gegenüber 
zu  ändern.  Gleiches  in  Bezug  auf  Erkennen  des  Leidens 
und  Missachten  der  Ansteckungsgefahr  darf  auch  von  den 
Javanen  gesagt  werden.  Es  ist  mir  nur  eine  einzige  Aus- 
nahme von  diesem  sorglosen  Verhalten  bekannt  geworden 
und  handelte  es  sich  hierbei  um  einen  älteren,  an  Händen 
und  Füssen  verstümmelten  Chinesen,  mit  welchem  die  zur 
gleichen  Abtheilung  gehörenden  Feldkulis  nicht  mehr  ein 
Haus  bewohnen  wollten,  so  dass  der  Pflanzer  sich  ge- 
zwungen sah,  dem  Leprösen,  der  trotz  seines  Leidens  ein 
tüchtiger  Arbeiter  war,  in  der  Mitte  seines  Feldes  ein 
eigenes  Häuschen  zu  bauen.  Der  von  ihm  producirte  Tabak 
ist  auf  jeden  Fall  ohne  allen  Schaden  in  Europa  aufgeraucht 
worden,  obwohl  bei  der  ausschliesslichen  Verwendung  des 
Sumatratabakes  zu  Deckblättern,  bei  der  sicheren  Be- 
schmutzung der  Blätter  mit  wenn  auch  nur  wenig  bacillen 
haltigem  Serum  oder  Eiter  und  zuletzt  bei  der  anerkannten 
Tenacität  des  Bacillus  die  erfolgreiche  Infection  eines  an 
den  Lippen  mit  Rhagaden  behafteten  Rauchers  keine  ab- 
solute Unmöglichkeit  gewesen  wäre.  Mag  doch  die  Infection 
so  remote  Wege  mit  so  vielen  Vorbedingungen  und  so  ge- 
ringen Chancen  einschlagen  gerade  in  jenen  Fällen,  welche 
sich  nach  den  Anticontagionisten  mit  keiner  Infection 
erklären  lassen. 

Jener  oben  erklärte,  hohe  Procentsatz  an  Leprösen 
unter  den  chinesischen  Kulis  und  die  damit  verbundene, 
imminente  Gefahr  einer  ungewünschten  Weiterverbreitung 
der  Krankheit  haben  die  an  der  Ostküste  Sumatras  be- 
stehende Pflanzervereinigung  veranlasst,  aus  freiwilligen 
Beiträgen  der  Mitglieder  ein  auf  50  Betten  berechnetes 
Lepra-Asyl  für  Chinesen  zu  gründen,  welches  am  1.  August 
1890  zu  Medan,  der  Hauptstadt  der  Ostküste  eröffnet  wurde. 
Als  aber  im  Jahre  1891  in  Folge  eines  ganz  ungewöhnlich  tiefen 
Preissturzes  des  Tabaks,  des  Hauptprodukts  der  Ostküste,  eine 
finanzielle  Krisis  über  die  Pflanzungen  hcreinbrach  und  auch  die 
Mittel  der  PHanzervereinigung  bedeutend  geringere  wurden, 
wollte  inan  mit  dem  Jahre  1892  die  Anstalt  wieder  schliessen. 


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313 


Glücklicher  Weisse  waren  die  Einsicht  der  massgebenden 
«Stellen  sowohl  in  Regicrungskrcisen  als  auch  unter  den 
Pflanzern  und  die  warnende  Stimme  der  Presse  im  Stande, 
diesem  unheilvollen  Entschlüsse  noch  zur  richtigen  Zeit 
Einhalt  zu  thun.  Dennoch  wurden  im  Jahre  1892  fast 
keine  Kranken  neu  aufgenominen  und  erst  1893,  als  sich 
wieder  höhere  Tabakspreise  einsteilton,  konnte  die  Anstalt 
wieder  in  völligen  Betrieb  kommen  und  erfuhr  189ö  eine 
durch  vermehrten  Zugang  nötliig  gewordene  Vergrösserung 
auf  100  Betten.  Es  werden  selbstverständlich  in  die  Anstalt 
nur  Kulis  jener  Pflanzungen  aufgenommen,  deren  Besitzer 
durch  Beiträge  den  Bestand  des  Asyls  ermöglichen,  wodurch 
leider  eine  volle  Wirkung,  eine  Unschädlichmachung  aller 
Infectionsqucllen,  nicht  erzielt  wird ; immerhin  kann  man 
meines  Erachtens  auch  diese  theilweise  Isolirung  nicht  hoch 
genug  schätzen.  Die  im  Asyle  untergebrachten  Leprösen 
stehen  unter  keinem  Zwange,  sondern  können  sich  durch 
einfaches  Entfernen  der  Isolirung  entziehen.  Da  keinerlei 
gesetzliche  Vorschriften  bestehen,  so  ist  an  diesem  Zustande 
nichts  zu  ändern  und  bleibt  es  der  Einsicht  der  Kranken 
selbst  überlassen,  ob  sie  im  Asyle  leben  wollen  oder  nicht. 
Meist  zwingt  sie  wohl  die  Misöre  des  Lebens,  die  durch  das 
Leiden  bedingte  theilweise  oder  völlige  Arbeitsunfähigkeit  und 
der  Abscheu,  den  sie  bei  ihrer  Umgebung  hervorrufen,  zum 
Aufsuchen  des  Asyls,  wo  sie  bei  bestehender  Möglichkeit 
zu  leichter  Arbeit  (Flcchtwerk,  Gemüsebau)  ungehalten 
werden.  Sie  würden  in  ihrer  grossen  Mehrheit  meiner 
Ansicht  nach  gerne  im  Asyl  verbleiben,  wenn  hier  nicht 
die  störende  Wirkung  eines  anderen  Factors  hinzuträte. 
Beobachtungen  am  bisher  zur  Aufnahme  gelangten  Materiale 
haben  ergeben,  dass  80°/0  der  Kranken  Opiumraucher  sind. 
Da  ihnen  nun  die  Anstalt  unmöglich  das  volle,  gewünschte, 
tägliche  Quantum  des  Genussmittels  bieten  kann,  so  werden 
sie  eben  sehr  oft  durch  Opiumhunger  zum  Verlassen  des 
Asyls  und  zum  Aufsuchen  alter  Freunde  gezwungen,  von 
denen  sie  das  nöthige  Opium  zu  erbetteln  hoffen.  Auch  der 
Strassenbettel,  in  dem  lepröse  Chinesen,  gestützt  auf  ihre 
Erscheinung,  Meister  sind,  bringt  ihnen  häufig  rasch  das 
Ersehnte  und  macht  Ausflüge  aus  dem  Asyl  um  so  ver- 
lockender. Man  denke  sich  nur  in  Europa  eine  Anstalt, 


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314 


deren  Insassen  zu  80  °lt  morphiumsüchtig  wären  — welcher 
tägliche  Wechsel  da  wohl  constatirt  werden  müsste ! Im 
Uebrigen  sahen  alle  leprösen  Kulis,  denen  ich  aus  dem  von 
mir  geleiteten  Spitale  den  Eintritt  in  das  Asyl  ermöglichte, 
diesen  als  eine  Wohlthat  an  und  warteten  zur  Zeit,  da  die 
Anstalt  nur  50  Betten  besass,  die  Candidaten  ohne  Murren 
oft  Monate  lang,  bis  endlich  für  sie  der  gewünschte  Platz 
offen  kam. 

Von  der  Ostküste  Sumatra’s  sind  mir  durch  Vermittlung 
der  Direktion  der  Deli-Maatschappy  mit  grosser  Bereitwillig- 
keit die  folgenden,  auf  das  Asyl  sich  beziehenden  Angaben 
zur  Verfügung  gestellt  worden , welche  sicher  nicht  ohne 
Interesse  sind:  Vom  1.  August  1890  bis  zum  31.  Dezember 

1896  kamen  im  Asyl  die  aus  der  nachstehenden  Tabelle  er- 
sieh tlichtlichen  Veränderungen  vor: 


Aufgenommene 

Lepröse 

davon 

wieder 

entlassen 

davon 

gestorben 

davon 

weg- 

gelaufen 

verbleiben 

1890 

36 

— 

2 

4 

29 

1891 

38 

2 

15 

7 

43 

1892 

1 

— 

5 

8 

31 

1893 

33 

— 

3 

13 

48 

1894 

16 

— 

4 

10 

50 

1895 

25 

— 

18 

7 

50 

1896 

49 

1 

16 

13 

69 

Summa 

197 

3 

63 

62 

Die  3 Wiederentlassungen  erfolgten  wegen  Irrthums  in 
der  Diagnose  seitens  des  einsendenden  Pflanzers.  Für  die 
63  Todesfälle  unter  den  Insassen  des  Asyls  werden  die  nach- 
stehenden Todesursachen  genanut: 

Entkräftigung  durch  Lepra  22\  Melancholie 3 


Malaria 13  Cholera 2 

Dysenterie 13  Vitium  cordis 2 

Diarrhoeen 4 Beri-Beri 2 


Marasmus  senilis  ....  2 

Es  erscheint  mir  sehr  auffallend,  dass  unter  den  Todes- 
ursachen Selbstmord  fehlt.  Wenn  man  weiss,  wie  leicht  und 
schnell  Chinesen  zum  Selbstmord  schreiten,  der  oft  aus  ganz 
kleinlichen  Gründen  unter  ihnen  sogar  epidemisch  auftreten 
kann,  so  wird  dieser  negative  Befund  noch  um  so  auffallender. 


315 


Aehnlich  wie  den  Schwindsüchtigen  eine  grosse  Hoffnungs- 
freudigkeit  bis  zum  Ende  der  Krankheit  gegeben  ist,  scheinen 
die  Leprösen  mit  einer  stoischen  Geduld  begabt  im  Ertragen 
der  vielen  Störungen,  welche  ihr  Leiden  mit  sich  bringt. 
Die  vor  ihren  Augen  und  bei  ihrem  vollen  Bewusstsein  vor 
sich  gehenden,  irreparablen  Zerstörungen  ihres  Körpers 
bringen  sie  nicht  zur  Verzweiflung,  sondern  steigern  nur  ihre 
Geduld,  welche  sie  ruhig  auch  ohne  jede  Hoffnung  auf 
Heilung  ihr  Schicksal  hinnehmen  lässt.  Die  oft  so  lange, 
selbst  über  Dccennien  sich  ausdehnende , ruhig  ertragene 
Dauer  des  Leidens  und  das  Fehlen  von  Angaben  über  Selbst- 
mord in  der  mir  zugänglichen  Literatur  sprechen  für  diese 
Ansicht.  Oefters  findet  man  den  schwermüthigen  Gesichts- 
ausdruck der  Kranken  erwähnt,  aber  Angaben  über  die 
Psyche  derselben  fehlen  leider  überall  und  steht  hier  noch 
ein  weites  Gebiet  für  interessante  Beobachtung  offen.  *) 

Von  den  am  31.  Dezember  1896  im  Asyl  anwesenden 
69  Leprösen  haben,  ehe  sie  zur  Aufnahme  in  die  Anstalt 
gelangten, 


11 

1 Jahr 

6 

6 Jahre 

5 

11 

Jahre 

2 

2 Jahre 

5 

1 n 

1 

12 

n 

5 

3 „ 

5 

8 n 

3 

13 

V 

4 

4 „ 

5 

9 , 

2 

14 

7) 

5 

5 „ 

5 

io  „ 

3 

15 

T) 

1 16  Jahre 

und  1 

18  Jahre 

an  der  Ostküstc  Sumatras  gelebt. 

Dieser  grossen  Zahl  von  Leprösen  und  dem  in  vielen 
Fällen  so  langjährigen  Aufenthalte  der  Inficirten  sowie  der 
oben  erwähnten , grossen  Sorglosigkeit  der  Chinesen  der 
Möglichkeit  einer  Infection  gegenüber  entspricht  in  keiner 
Weise  — das  muss  den  Anticontagionisten  zugestanden  wer- 
den — die  Zahl  der  sicher  beobachteten  Infectionen.  Um 
offen  zu  sprechen,  so  verfüge  ich  bei  Chinesen  über  keine 
Beobachtung  einer  solchen,  obwohl  mir  anamnestische  An- 
gaben erinnerlich  sind,  denen  zu  Folge  längeres  Schlafen 
neben  Leprösen,  gemeinsames  Essen  und  päderastischer  Ver- 
kehr beschuldigt  werden.  Leider  jedoch  konnte  ich  bei 
meiner  damaligen  Ueberbeschättigung  mit  ärztlicher  Arbeit 
der  Sache  nicht  so  nachgehen,  wie  es  gerade  hier  erforder- 

*)  Anmerkung  siehe  Seite  320. 


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316 


lieh  gewesen  wäre.  Dagegen  hatte  ich  zu  meinem  Bedauern 
Gelegenheit,  einen  mir  seit  Jahren  bekannten,  völlig  gesunden 
Europäer,  Holländer,  in  dessen  Vaterland  Lepra  zur  Zeit 
nicht  vorkommt,  an  dem  Leiden  erkranken  zu  sehen,  und 
war  in  der  gewiss  peinlichen  Lage,  ihm  als  behandelnder 
Arzt  von  dieser,  erst  nach  längeren  Zweiteln  gewonnenen 
Diagnose  Mittheilung  machen  zu  müssen. 

Patient,  Anfang  1889  ein  sehr  kräftiger,  völlig  gesunder, 
in  keiner  Weise  hereditär  belasteter,  31  jähriger  Mann  befindet 
sich  seit  10  Jahren  in  Indien,  hat  wenig  von  Malaria  zu 
leiden  gehabt,  ist  frei  von  Syphilis  geblieben,  musste  aber 
in  seiner  Stellung  als  Tabakpflanzer  viel  und  andauernd  mit 
Chinesen  in  Berührung  kommen. 

In  den  80er  Jahren  waren  die  europäischen  Pflanzer  an  der 
Ostküste  Sumatra’?;  ausnahmslos  gezwungon,  um  unter  100  oder  mehr 
chinesischen  Kulis,  unter  denen  sich  viele  böse,  rowdihafte  Elemente 
befanden , Ordnung  und  Disciplin  aufrecht  zu  orhalten , körperliche 
Züchtigungen  sowohl  mit  der  Hand  als  auch  mit  dem  spanischen  Rohr 
anzuwonden.  Eine  Ohrfeige  auf  ein  lepröses,  knotig  geschwollenes  Ohr 
konnte  leicht  einen  der  zahllose  Bacillen  bergenden  Knoten  tum  Platzen 
bringen.  Die  nun  mit  bacillenhaltigem  Seruiii  beschmutzte  Hand  oder 
ebensolche  Nägel  waren  sicher  leicht  im  Stande,  die  Infektion  in  eine 
der  kleinen,  durch  die  häufigen  Insektenstiche  und  die  stachelige 
Pflanzenwelt  so  zahlreichen  Hautverletzungen  Uberzubringen  — so 
stelle  ich  mir  den  Modus  der  Infection  vor,  der  allerdings  nur  unter 
Connivenz  von  verschiedenen,  begünstigenden  Momenten  möglich  ist, 
wodurch  sich  aber  gerade  die  Seltenheit  solcher  Vorgänge  erklärt. 
Ganz  ähnlich  mag  es  sich  mit  Luesinfectionen  auf  nicht  venerischem 
Wege  verhalten,  welche  auch  nur  unter  ausserge wohnlich  günstigen 
Verhältnissen  zu  Stande  kommen.  Ich  hatte  täglich  mit  luetischen 
Geschwüren  zu  thun,  täglich  zahlreiche  harte  Schanker  von  enormer 
Grösse  zu  verbinden , trug  eine  grosse  Zahl  von  durch  luetischen 
Initialaffect  zur  Phimose  gekommenen  Praeputia's  ab  und  an  meinen 
Fingern  befanden  sich  häufig  Hautverletzungen,  ohne  mich  zu  inficiren. 
Zwei  meiner  Coliegen  erkrankten  aber  an  Lues  insontium  durch  Nadel- 
stich in  die  Finger  beim  Nähen  der  beiden  Präputialhlätter  nach 
Phimosenoperation  und  kam  mir  ausserdem  noch  ein  Pflanzer  in  Be- 
handlung, bei  dem  sich  der  luetische  Initialaffect  auf  dem  Handrücken 
befand  und  die  Infection  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  von  einem 
Schlage  herzuleiten  war. 

In  den  ersten  Monaten  oben  genannten  Jahres  bemerkte 
er  auf  der  Mitte  der  Stirne  einen  sich  nur  sehr  langsam 
vergrössernden,  dunkclrothen,  kreisförmigen  Fleck,  der  allen 
Mitteln  der  ihn  damals  behandelnden  Aerzte  widerstand.  Im 


317 


Februar  1891  suchte  er  meine  Hilfe  auf  wegen  einer  localen 
Intoxication  des  Gesichtes  und  besonders  der  Conjunctiven 
mit  Chrysarobin,  das  ihm  gegen  den  stets  persistirenden  Fleck 
auf  der  Stirne  verordnet  worden  war.  Auf  Umschläge  mit 
Aqua  Goulardi  und  Aufenthalt  im  dunklen  Räume  ginge») 
die  Intoxicationserscheinungen  rasch  zurück,  der  Fleck  blieb 
aber  völlig  der  gleiche,  war  sogar  unterdessen  (seit  89)  grösser 
geworden.  Ungefähr  zweimarkstückgross,  zeigte  er  Ringform 
mit  blässerem  Centrum  und  kupferrothem,  leicht  prominentem 
Walle.  Weder  ich  noch  meine  englischen  und  holländischen 
Collegen  hatten  jemals  einen  derartigen  Initialaifect  von  Lepra 
gesehen  und  war  uns  desshalb  die  Diagnose  unmöglich;  doch 
kam  mir  die  Sache  unheimlich  vor  und  rieth  ich  zur  Gxcision. 
Patient  sah  davon  ab  und  liess  den  Zustand  ruhig  andauern, 
erfreute  sich  aber  auch  in  jeder  Beziehung  völliger  Gesund- 
heit, obwohl  eine  stetige  Grössenzunahme  nicht  zu  verkennen 
war,  so  dass  der  Fleck  im  November  1893  von  länglich  ovaler 
Form  fast  die  ganze  Mitte  der  Stirne  einnahm  und  von  der 
Grenze  der  behaarten  Kopfhaut  bis  zur  Nasenwurzel  reichte. 
Nun  kam  cs  ohne  irgend  andere  Prodromalerscheinungen  zur 
typischen  Eruption  von  dunkelrothbraunen  Knoten,  welche 
in  sehr  verschiedener  Grösse  sich  zuerst  am  Halse  zeigten, 
sich  aber  rasch  zerstreut  über  den  ganzen  Körper  verbreiteten, 
selbst  die  glans  penis  nicht  verschonten,  in  besonderer  Grösse 
aber  auf  dem  Rücken  und  in  der  Glutaeusgegend  auftraten, 
wo  es  auch  zu  Bildung  von  grösseren,  flächenhaften,  schwach 
erhabenen  Infiltraten  kam.  Da  bezüglich  der  Diagnose  nun 
kein  Irrthum  mehr  vorliegen  konnte,  kam  für  mich  die 
schwere  Stunde,  in  welcher  ich  dem  Patienten  Aufklärung 
über  sein  Leiden  geben  musste.  Er  nahm  dieselbe  leichter 
hin,  als  ich  gedacht  hatte.  Das  initiale  Infiltrat  hatte  also 
fast  5 Jahre  bestanden,  vom  Januar  1889  bis  zum  November 
1893,  ehe  cs  zum  manifesten  Ausbrauch  der  Krankheit  ge- 
kommen war.  Zur  Erhärtung  der  Diagnose  wurden  Präparate 
der  Bacillen  hergestellt;  zuerst  stach  ich  die  Knoten  mit 
einer  Nadel  an,  konnte  aber  von  den  stets  mit  Blut  ver- 
unreinigten Strichpräparaten  keine  deutlichen  Bilder  erhalten; 
später  quetschte  ich  die  Knoten  mit  einer  Pincette,  wie  sie 
zum  Quetschen  von  Vaccinepusteln  bei  Kälbern  benützt  wird, 
und  das  nunmehr  ohne  Blutbeimischung  reichlich  austretende 


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318 


Serum  zeigte  unglaubliche  Mengen  der  typischen  Bacillen. 
Das  gleiche  Resultat  erhielt  ich  beim  Anquetschen  der  Knoten 
an  der  Ohrmuschel  von  an  tuberöser  Form  erkrankten 
Chinesen.  Patient,  dem  ich  die  Ohnmacht  unserer  Therapie 
eingestehen  musste  und  dem  ich  nur  zum  Verlassen  der 
Tropen  rat-hen  konnte,  löste  sofort  seine  Verhältnisse,  verliess 
seine  glänzende,  reiches  Einkommen  abwerfende  Stellung  und 
begab  sich  nach  der  Stadt  Surabaya  auf  Java,  wo  damals 
ein  Dr.  A.  als  Specialist  für  Lepra  einen  grossen  Zulauf  von 
Patienten  hatte.  Auf  Erkundigung  erfuhr  ich,  dass  die  Bc- 
handiungsweise  des  Dr.  A.  nicht  auf  Serumtherapie  begründet 
war,  sondern  dass  er  subcutane  Injectionen  von  Carboljodid 
in  die  Infiltrate  und  Knoten  vornahm  und  so  wohl  locale 
Besserungen,  aber  wie  begreiflich  keine  Heilungen  erzielte. 
Von  Sumatra  nach  Surabaya  hatte  Patient  eine  mehrtägige 
Seereise  zurückznlegcn  und  es  wollte  ihm,  dessen  Leiden  rasch 
im  ganzen  Lande  bekannt  wurde,  die  nach  der  Ostküste 
Sumatra’s  fahrende,  englische  Dampfergesellschaft  die  Passage 
verweigern , obwohl  diese  Linie  anstandslos  Luetische  und 
Tuberculöse  und  auch  zahlreiche  lepröse  Chinesen  transportirt. 
Erst  nachdem  er  Zeugnisse  von  drei  Aerzten,  einem  Eng- 
länder, einem  Holländer  und  mir,  beigebracht  hatte,  welche 
die  Unbedenklichkeit  seines  Transportes  begutachteten,  be- 
quemte  sich  der  Agent  zur  Aufnahme  unter  harten  Bedingungen 
bezüglich  Wäscheersatz  und  Neuanstrich  der  Cabine.  Patient 
blieb  15  Monate  unter  Behandlung  des  Dr.  A.,  begab  sich 
dann  nach  Europa  in  seine  Heimath  und  sucht  sein  Heil  zur 
Zeit  in  einer  strenge  durchgeführten,  vegetarianischcn  Diät 
und  in  Befolgung  der  Methode  von  Louis  Kulme.  In  seinem 
letzten  Schreiben  erwähnt  er  über  seinen  derzeitigen  Zustand 
das  Folgende:  Das  Schreiben  fiele  ihm  schwer  wegen  Steif- 
heit und  Gefühllosigkeit  der  Finger,  noch  mehr  hindere  ihn 
eine  heftig  absondernde  Conjunctivitis,  die  allen  gewöhnlichen 
Mitteln  trotze;  Gesicht,  Hals,  Nacken  und  Füsse  seien  jedoch 
weniger  geschwollen  und  minder  schmerzhaft,  auch  wären 
die  Drüsenschwellungen  zurüekgegangen.  Zu  erwähnen  ist 
noch,  dass  die  japanische  Haushälterin  des  Patienten,  mit 
welcher  er  schon  vor  dem  manifesten  Ausbruche  des  Leidens 
intim  zusammen  lebte  und  die  ihm  auch  ohne  alle  Infections- 
furcht  treu  zur  Seite  stand,  so  lange  er  noch  in  Ostasien  weilte, 


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319 


völlig  gesund  blieb.  Leider  hatte  ich  keine  Gelegenheit  mehr, 
den  Patienten  persönlich  zu  sehen  und  zu  untersuchen. 

Ende  1894  suchte  ein  zweiter  Europäer  meine  Behand- 
lung auf,  der  sich  Autklärung  über  die  Natur  seines  Leidens 
erholen  wollte.  Auch  hier  musste  ich  die  Diagnose  Lepra 
stellen,  doch  handelte  es  sich  um  Lepra  nervorum.  Patient, 
ungefähr  40  Jahre  alt,  hat  viele  Jahre  auf  Java  gelebt  und 
ist  in  Folge  seines  Geschäftes  (Pferdehandel)  viel  und  nahe 
mit  eingeborenen  Pferdewärtern  in  Berührung  gekommen, 
unter  denen  Lepröse  gewesen  sind,  kann  sich  aber  keiner 
bestimmten  Infectionsgelegenheit  entsinnen.  Aeusserlich  bietet 
er  ein  völlig  normales  Aussehen,  zeigt  aber  nach  Entkleidung 
auf  beiden  Unterschenkeln  und  auch  im  unteren  Drittel  der 
Oberschenkel  umfangreiche  Stellen  von  atrophischer  Haut, 
welche  von  schwach  prominenten,  blass  rothen,  leicht  ab- 
schuppenden, an  Grenzlinien  auf  Landkarten  erinnernden  Wällen 
umgeben  sind.  An  den  Oberschenkeln  besteht  innerhalb  dieser 
Linien,  an  den  Unterschenkeln  überhaupt  Anaesthesie.  Ulcera 
an  den  Füssen  finden  sich  nicht.  Patient  hat  auch  Lues  durch- 
gemacht und  ist  geneigt,  sein  jetziges  Leiden  auf  diese  In- 
fection  zurückzuführen.  Eine  vorsichtige,  antiluetischc  Be- 
handlung (Protojoduretpillen  und  Bepinselung  der  Linien  mit 
3%  alkoholischer  Sublimatlösung)  bleibt  jedoch  erfolglos. 
Da  ich  Anfang  95  Sumatra  verlassen  musste,  konnte  ich 
leider  auch  diesen  Fall  nicht  weiter  im  Auge  behalten,  doch 
übt  Patient  zur  Zeit  noch  sein  Geschäft  an  der  Ostküste 
Sumatra’s  aus. 

In  den  Jahren  1891 — 1894  inclusive  kamen  28  Lepröse 
zur  Aufnahme  in  das  damals  von  mir  geleitete  Spital  der 
Deli-Maatschappy  zu  Bindjei,  über  welches  bereits  Heft  1 
p.  39  dieses  Archivs  berichtet  habe.  Von  denselben  starben 
4 an  complicirender  Malariacachexerie,  3 wurden  auf  Wunsch 
in  das  oben  erwähnte  Asyl  aufgenommen,  während  der  Rest 
nach  einem  durchschnittlichen  Spitalaufenthalte  von  48  Tagen 
zur  Arbeit  zurück  kehrte.  Lepra  nervorum  war  bei  weitem 
häufiger  als  Lepra  tuberosa.  Die  bei  crsterer  Form  vor- 
kommenden Ulcera  und  Mutilationen  zwangen  die  Kulis,  das 
Spital  aufzusuchen,  während  Kranke  mit  Lepra  tuberosa 
ruhig  bei  ihrer  Arbeit  blieben,  wenn  der  Zustand  nicht  zu 
weit  gefordert  war.  Ulcera  leprosa  an  Händen  und  Füssen, 


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320 


besonders  auf  der  Fusssohle  über  dem  Ballen  der  kleinen 
Zehe,  seltener  am  Unterschenkel,  Nekrosen  von  Finger-  und 
Zehenphalangen  und  Metatarsalknochen,  Peritendinitis  leprosa 
und  Lymphadenitis  leprosa  finden  sich  neben  der  Diagnose 
Lepra  auf  den  mir  gebliebenen  Aufnahmekarten  der  Kranken 
verzeichnet,  während  Malariacachexie,  Dysenterie  und  Scabies 
als  Complicationen  vorkamen.  Die  Behandlung  war  eine  den 
allgemeinen  Grundsätzen  der  Chirurgie  und  Antiseptik  ent- 
sprechende und  habe  ich  in  allen  Fällen  gefunden,  dass  sich 
die  Patienten  um  so  besser  befanden,  je  öfter  und  gründ- 
licher die  nöthigen  chirurgischen  Eingriffe  an  ihnen  vollzogen 
wurden.  In  mehreren  Fällen  von  sehr  hartnäckigen,  tiefen 
Geschwüren  auf  der  Fusssohle,  welche  sich  unter  der  gewöhn- 
lichen Behandlung  wohl  verkleinerten,  aber  nie  ganz  zur 
Heilung  kamen,  führte  ich  die  völlige  Excision  des  Ulcus 
im  Gesuuden  mit  Abtragung  des  Geschwürsgrundes  aus  und 
vereinigte  die  frischen  Wundränder  durch  die  Naht.  Wenn 
dabei  die  an  den  Fusssohlen  von  Barfussgängern  so  dicke 
und  schwielige  Epidermis  genügend  weit  abgetragen  war  und 
die  Operirten  sorgfältig  das  Lager  hüteten,  trat  öfters  Heilung 
per  priinam  intentionem  ein.  Jedoch  bei  den  ersten  Geh- 
versuchen und  auch,  sowie  die  Ränder  der  Epidermisschwiele 
wieder  aufeinander  stiessen , bildete  sich  stets  wieder  ein 
Ulcus.  In  Folge  der  in  den  meisten  Fällen  bestehenden, 
tiefgreifenden  Anaesthesie  ertrugen  die  Leprösen  alle  noch 
so  schmerzhaften , chirurgischen  Eingriffe  leicht  und  ohne 
Widerstand.  Eine  in  8 Fällen  streng  durchgeführte,  anti- 
luctische  Behandlung  (Einreibungen  und  Jodkali)  blieb  ganz 
ohne  Erfolg,  wie  auch  während  der  Tuberculinzeit  in  5 Fällen 
ausgeführte  Einspritzungen  mit  Tuberculin  und  Ichthyol  inner- 
lich und  äusserlich  keine  besseren  Resultate  ergaben.  Zu 
erwähnen  ist  noch,  dass  für  die  im  Spitale  anwesenden 
Leprösen  eigene  Instrumente  und  Gefasse  geführt  wurden 
und  dass  ihre  Behandlung  eist  vorgenommen  wurde,  nach- 
dem alle  anderen  Patienten  besorgt  waren. 


Anmerkung  xu  Seite  315. 

Menge  nagt  in  seinem  Vortrage  auf  der  68.  Versammlung  der 
Aerzte  und  Naturforscher:  „Die  Leprösen  in  Leopoldvillo  am  Coiigo 
waren  eine  ganz  zufriedene  in  ihr  Loos  ergebene  kleine  Gesellschaft; 
einer  war  der  ausgesprochene  Hofnarr  des  Negerdorfs.'4  D,  Ked. 


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321 


Der  Parasitenbefund  bei  den  Malariafiebern  und  seine 
Verwerthbarkeit  für  die  Erkennnng,  Behandlung  und 
Verhütung  der  Malariafieber 

von  Dr.  Reinhold  Rüge,  Marinestabsarzt. 

(Fortsetzung.) 

Fernerhin  rathe  ich,  nie  mit  der  Unter- 
suchung frischer,  sondern  mit  der  gefärbter 
Präparate  zu  beginnen.  Ob  man  sieh  Trockenpräparate 
herstellen  oder  dem  Vorschlag  Rosin’s ')  folgen  will, 
ist  an  sich  gleichgültig.  Werden  solche  Vorstudien 
in  Deutschland  gemacht,  so  kann  es  sich  natürlich  nur  um 
gefärbte  Präparate  handeln.  Denn  die  Fälle  von  tropischen 
Malariafiebern,  die  bei  uns  in  der  Form  von  Rückfällen  zur 
Beobachtung  kommen,  sind  so  selten  und  so  zerstreut,  dass 
sie  bei  einem  methodischen  Studium  nicht  in  Betracht  kommen 
können.  Es  liegt  nun  nahe,  Blutpräparate  Malariafieber- 
kranker aus  tropischen  Gegenden  sich  schicken  zu  lassen 
und  zum  Zwecke  der  Untersuchung  hier  zu  färben.  Ich 
habe  das  versucht.  Die  Herren  St.  A.  Dr.  Dr.  von  Schab, 
Schlick  und  Behrendsen  sind  so  liebenswürdig  gewesen, 
mir  auf  meine  Bitte  Blutpräparate  von  Malariatieber- 
kranken  aus  Kamerun  zu  schicken.  Ich  habe  aber  diese 
Präparate  nach  den  gewöhnlichen  Methoden  hier  nicht  färben 
können.  Sie  nahmen  keine  Farbe  mehr  an.  Es  muss  irgend 
eine  chemische  Veränderung  in  dem  getrockneten  Blute  vor 
sich  gehen. 

Es  müsste  also  der  Versuch  gemacht  werden,  bereits 
in  den  Tropen  gefärbte  Präparate  in  grösseren  Mengen  nach 
hier  zu  schicken,  um  das  nöthige  Material  für  Studien- 
zwecke zu  erlangen. 


')  Rosin  setzt  dem  frischen  Präparate  einen  Tropfen  einer 
Methylenblau-Kochsalzlösung  von  1 : HO 000  zu  und  saugt  durch  Flies- 
papier diesen  Tropfen  in  das  Präparat  hinein.  Es  färben  sich  dann 
die  frischen  Parasiten  sehr  viel  schneller  als  die  gehärteten  und  eher 
als  die  weisson  Blutkörperchen.  Deutsch,  mod.  W.  1898.  S.  1070.  — 
Bestätigt  ist  dies  in  neuester  Zeit  von  Roettger,  Deutsch,  med.  W.  1896 
S.  237.  Verf.  fand  diese  Lösungen  zu  diinn  und  benutzte  eine  10 °/0 
Methyleublaukochsalzlösung  mit  sicherem  Erfolge. 


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322 


Dass  das  Auffinden  der  tropischen  Malariaparasiten 
recht  schwierig  sein  kann,  wird  von  allen  Autoren1)  hervor- 
gehoben und  dass  es  Uebung  erfordert,  zeigt  nachstehendes 
Ci  tat:  „Zur  Aetiologie  der  Malariakrankheiten  in  Kaiser- 
Wilhelm-Laud  kommend,  habe  ich  dabei  das  Folgende  zu 
bemerken:  Weder  in  den  rothen  Blutscheiben  noch  auch 
frei  im  Blut  habe  ich  die  Marchiafava-Celli 'sehen  Plasmodien 
auffinden  können,  ebenso  wenig  würden  solche  hierorts  im 
pathologischen  Institut  in  einer  Blutprobe  gefunden,  welche 
mir  gelegentlich  eines  Recidives  entnommen  wurde,  womit 
aber  natürlicherweise  nichts  gegen  die  Bedeutung  dieser 
Phismodien  gesagt  werden  soll.“ *  *) 

Ich  selbst  untersuchte  an  einem  trüben  Tage  des  letzten 
Dezembers  das  Blut  eines  Kranken,  der  an  einem  Rückfall 
an  Kamerun  mal  aria  litt.  Im  frischen  Präperate  konnte 
ich  keine  Parasiten  finden.  Ich  wunderte  mich  nicht  sehr 
darüber,  denn  der  Mann  war  an  dem  betreffenden  Tage 
fieberfrei  und  hatte  vor  einigen  Tagen  an  Bord  Chinin 
erhalten.  Um  so  mehr  überraschte  es  mich,  als  ich  dann 
im  gefärbten  Präparat3)  die  kleinen  blauen  Ringelchen  fand. 

*)  Grawitz:  Ueber  Blutuntersuchungon  bei  ostafrikaniachen 
Malariaerkrankungon.  Berl.  Klin.  W.  1892.  S.  139.  r Jeden  Tag  aber 
waren  diese  Parasiten  so  spärlich  wie  am  ersten  Tage  und  auch  an 
gefärbten  Präparaten  kostete  es  mich  öfters  einen  ganzen  Vormittag, 
ehe  ich  ein  einziges  Exemplar  auffinden  konnte.*1 

F.  Plehn:  lieber  das  Schwarzwasserfieber  an  der  afrikanischen 
Westküste.  Deutsch.  Med.  W.  1895.  S.  416.  „Erst  bei  der  Unter- 
suchung des  frischen  lebenden  Blutes  zwischen  Paratfinschichten  im 
Heizkasten  zeigt  es  sich  „dass  diese  Gebilde,  welche  andernfalls 
ausserordentlich  leicht  auch  vom  Geübten  mit  ganz  ähnlich  aussehenden 
hellen  Stellen  im  normalen  Blutkörper  verwechselt  werden  können, 
sich  als  Parasiten  charakterisirten.“ 

Ziemann  1.  c.  S.  663,  „Es  fanden  sich  die  charakteristischen 
kleinen  Ringelchen  der  wenig  oder  gar  nicht  pigmentirten  Kameruu- 
parasiten.  Dieselben  waren  bei  der  Beobachtung  im  nativen  Präparat 
anfangs  entgangen. 

*)  Schellong,  Deutsche  Med.  W.  1889.  S.  746. 

Fischer  konnte  bekanntlich  weder  bei  den  Kameruner  noch  an 
West-Indischen  Malariafiebern  1887  Parasiten  nachweisen. 

*)  Zur  Herstellung  gefärbter  Präparate  habe  ich  nicht  mehr  das 
gewöhnliche  Verfahren:  Abziehen  zweier  Deckgläschen  aneinander 
oder  Aufstreichen  von  Blut  mittels  Spatels  oder  Oese  benutzt,  sondern 
das  von  Jaucso  und  Uoseuberger  angegebene.  Nachdem  man  JOa«t 


323 


Wenn  A.  Plehn  angiebt,  dass  sich  die  kleinen  Parasiten  des 
Schwarzwasserfiebers  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig  färben, 
so  vermuthe  ich,  dass  das  Methylenblau,  das  ihm  zur  Ver- 
fügung stand,  in  den  Tropen  gelitten  hatte.  Mir  selbst  ist 
es  vorgekommen,  dass  ich  mit  demselben  Methylenblau,  das 
ursprünglich  gut  gefärbt  hatte,  kurze  Zeit  später  keinen 
einzigen  Parasiten  mehr  färben  konnte.  Ich  suchte  die 
Schuld  zunächst  in  der  Art  der  Lösung:  Alle  neu  herge- 
stellten Lösungen  versagten  ebenfalls.  Die  Färbungen  ge- 
langen aber  sofort  wieder,  als  ich  neues  Methylenblau  an- 
wenden konnte. 

Wenn  nun  auch,  wie  aus  dem  eben  Gesagten  hervor- 
geht, die  Untersuchung  auf  kleine  Tropen  - Malariaparasiten 
unter  Umständen  recht  schwierig  ist,  so  wird  man  doch 
stets  im  Stande  sein,  im  Laufe  eines  Vormittages  durch  ge- 
färbte Präparate  eine  Diagnose  bezw.  Differentialdiagnose 
stellen  zu  können.  Damit  ist  aber  schon  viel  gewonnen. 
Denn  es  ist  nicht  möglich,  eine  derartige  Diagnose  in  so 
kurzer  Zeit  durch  die  klinische  Beobachtung  zu  stellen.  Es 
ist  aber  nöthig,  eine  Differentialdiagnose  rasch  stellen  zu 


den  bekannten  Vorsichtsmassrogeln  einen  Tropfen  Blut  aus  der  Finger- 
kuppe erhalten  hat,  zieht  man  die  hohe  Kante  eines  Deekgläsehens  so  an 
dem  Tropfen  entlang,  dass  an  der  ganzen  Länge  dieser  Kante  und 
an  der  hinteren  breiten  Fläche  des  Deckgläschens  ein  schmaler  Blnt- 
atreifen  haften  bleibt.  Dies  so  beschickte  Deckgläschen  wird  sodann 
mit  der  hohen,  blutbenetzten  Kante  auf  einen  Objektträger  derart 
aufgeBetzt,  dass  der  schmale,  blutige  Streifen,  der  sich  auf  der  breiten 
Fläche  des  Deckglases  befindet,  nach  rechts  hinten  sieht.  Dann  wird 
das  Deckgläscben  auf  der  hohen  Kante  stehend  nach  links  vorn  Uber 
den  Objektträger  geschoben.  Auf  diese  Weise  erhält  man  gleichmässig 
ausgebreitete  Präparate,  ohne  die  zelligen  Elemonte  dos  Blutes  gopresst 
zu  haben.  Ich  kann  diese  Art  der  Herstellung  von  Blutpräparaten 
sehr  empfehlen. 

Deckgläschen  von  der  hohen  Kante  gesehen 


.Blutstreifen  auf  der  Hinterfläche 


i Objectträger 


Der  Pfeil  giebt  die  Richtung  an,  in  der  das  Deckgläschen  Uber  den 
Objeettrüger  geschoben  werden  soll. 

Die  punktirte  Linie  zeigt  die  Stelle  an,  an  der  das  Deckgläschen  zuerst 
aufgestellt  wurde. 


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324 


können,  sobald  man  sich  in  einer  Gegend  befindet,  in  der 
neben  Malariafiebern  noch  andere  ähnliche,  aber  ansteckende 
Krankheiten  Vorkommen.  Dies  ist  z.  B.  regelmässig  im 
Sommer  in  Mittel-Amerika  und  an  der  Ostküste  von  Süd- 
Amerika  der  Fall.  Hier  muss  die  Differentialdiagnose 
zwischen  Gelbfieber  und  Malariafiebcr  rasch  gestellt  werden. 
Denn  jeder  Schiffsarzt,  der  zur  Epidemiezeit  in  Gelbfieber- 
hüfen,  in  denen  auch  Malariafieber  Vorkommen,  wie  Rio  de 
Janeiro  oder  Santos,  gewesen  ist,  weiss,  in  welcher  Weise 
der  Arzt  um  Rath  und  Vorschläge  angegangen  wird,  sobald 
das  Gespenst  des  Gelbfiebers  droht  und  welche  Verantwort- 
lichkeit ihm  zugeschoben  wird,  wenn  sich  der  erste  gelb- 
fieberverdächtige Fall  an  Bord  zeigt.  Im  ersteren  Falle  soll 
der  Arzt  Verhaltungsnmssregeln  angeben,  um  die  Einschleppung 
zu  verhüten,  im  letzteren  Falle  drängt  Alles  darauf  hin,  zu 
erfahren,  ob  der  verdächtige  Fall  Gelbfieber  ist  oder  nicht. 
Wie  soll  sich  da  der  Arzt,  der  zum  ersten  Mal  an  solche 
Plätze  kommt,  helfen  ? Im  ersten  Punkt  wird  er  sich  leicht 
zurecht  finden:  er  wird  geeignete  Absperrungsmassregeln 

treffen,  so  weit  es  die  Verhältnisse  zulassen.  Aber  im  zweiten 
Punkte  wird  er  meist  rathlos  sein,  denn  auf  der  Universität 
hat  er  von  Gelbfieber  ebenso  wenig  zu  sehen  bekommen  als 
von  tropischen  Malariafiebern.  Nun  giebt  es  zwar  Bücher, 
in  denen  der  Verlauf  des  Gelbfiebers  geschildert  wird,  aber 
alle  die  Autoren  stimmen  darin  überein,  dass  Gelbfieber  in 
seinen  Anfangsstadien  von  Malariafiebern  und  anderen  fieber- 
haften Krankheiten  nicht  zu  unterscheiden  ist.  Es  kommt 
aber  begreiflicherweise  eben  darauf  an,  den  Fall  sofort  zu 
erkennen.  Ist  nun  der  betreffende  Arzt  mit  der  Unter- 
suchung auf  Malariaparasitcn  vertraut,  so  wird  er  bald  eine 
Differentialdiagnose  stellen  können.  In  ähnlicher  Weise  wird 
ihm  die  Blutuntersuchung  helfen,  wenn  es  sich  darum  handelt, 
festzustellen,  ob  es  sich  um  eine  algide  Form  des  Malaria- 
fiebers oder  um  cholera  asiatica  handelt. 

Noch  einige  andere  Beispiele  mögen  zeigen,  dass  die 
Blutuntersuchung  einen  hohen  diagnostischen  Werth  hat. 
Brandt1)  theilt  z.  B.  folgende  Fälle  mit: 

Vorgeschichte:  IG  Wochen  vor  der  Aufnahme  Sturz  an  Deckaus 
40  Fuss  liöhe,  in  den  ersten  Tagen  nacli  dem  Sturz  besinnungslos, 

>)  Deutsch.  Med  W.  1890.  S.  8G4. 


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325 


anf  der  ganzen  Reise  bettlägerig.  Früher  Malaria.  Bei  der  Aufnahme 
subfebrile  Temperaturen,  macht  den  Eindruck  eines  imbecillen  Menschen, 
Gedächtnisskraft  völlig  erloschen,  Sprache  stotternd,  keine  Motilitäts- 
oder  Sonsibilitätsstörungen,  lässt'  unter  sich.  Am  Kopfe  sternförmige, 
verschiebbare  Narbe,  geringer  Milztumor.  Diagnose : Druck  auf s 
Gehirn  durch  ein  Schädelfragment.  Es  soll  trepanirt  werden.  B. 
machte  aber  vorher  noch  eine  Blutuntersuchung  und  fand  Malariaparasiten. 
Es  wurde  Chinin  gegeben.  Nach  4 Wochen  konnte  der  Kranke  mit 
völlig  normalem  physischen  Verhalten  als  geheilt  entlassen  werden. 

In  einem  zweiten  Falle  schwankte  die  Diagnose  zwischen  Sepsis, 
Coma  uraemicum  und  Malaria.  Die  Blutuntersuchung  ergab  Malaria- 
parasiten, und  der  Mann,  der  vom  Schiffsarzt  mit  der  DiagnoBo  Sepsis 
in's  Hospital  geschickt  worden  war,  wurde  ebenfalls  durch  Chinin 
geheilt 

Auf  der  anderen  Seite  fordert  ein  negatives  Resultat  der  Blut- 
untersuchung zu  Untersuchungen  in  anderer  Richtung  auf  und  es 
wird  schliesslich  möglich,  die  richtige  Diagnoso  per  exclusionem  zu 
stellen.  So  berichtet  Osler '),  dass  bei  einem  inalariavordächtigen 
Manne  wiederholt  die  Blutuntersuchungen  negative  Resultate  ergaben, 
obgleich  das  vorhandene  Fieber  für  längere  Zeit  durch  Chinin  beseitigt 
werden  konnte;  es  kehrte  indess  immer  wieder.  Schliesslich  stellte 
es  sich  heraus,  dass  das  Fieber  durch  einen  Senkungsabscess  der 
Leudenwirbelsäule  hervorgerufen  war.  Derselbe  Autor  berichtet  noch 
von  6 weiteren  malariaverdächtigen  Fällen,  die  alle  einen  negativen 
Blutbefund  aufwiesen.  Es  handelte  sich,  wie  später  gefunden  wurde, 
bei  4 um  Schwindsucht  mit  sehr  geringen  physikalischen  Erscheinungen, 
bei  2 um  Nierenaffektionen. 

Ebenso  konnten  Marehiafava  und  Celli’)  in  einem  Falle  von 
intermittirendem  Fieber,  das  mit  Frost  einsetzte  und  mit  Schweiss 
endete,  keine  Parasiten  nachweisen  und  sie  fanden  schliesslich,  dass 
der  betreffende  Kranke  an  Endocarditis  litt.  Besonders  interessant 
sind  5 von  Karlinski’)  mitgetheilte  Fälle.  Alle  Erkrankten  hatten 
bereits  an  Wechselfieber  gelitten  und  bei  allen  war  der  Nachwoiss 
der  Parasiten  gelungen.  10  Tage  bis  8 Wochen  nach  dem  letzten 
Wechselfieberanfall  erkrankten  dieselben  Personen  wieder  unter 
Schütteltrost,  hohem  Fieber,  Somnolenz,  Vergrösserung  und  Schmerz- 
haftigkeit von  Milz  und  Leber.  Bei  dieser  zweiten  Erkrankung  aber, 
die  ihrem  klinischen  Beginn  nach  für  Wechselfieber  gehalten  wurde, 
konnten  Malariaparasiten  nicht  im  Blute  nachgewiesen  werden.  Es 
fanden  sich  vielmehr  den  Reknrrensspirilleu  ähnliche  Mikroorganismen 
im  Blute  und  schliesslich  verliefen  die  Erkrankungen  als  ein  fieber- 
hafter Ikterus,  der  nichts  mit  Malariafieber  zu  thun  hatte. 


’)  The  British  Med.  Journ.  1887.  p.  650  und  502. 
>)  Arch.  ital.  de  biolog.  1888.  p.  303. 

*)  Fortschritte  der  Med.  1890.  S.  101. 

Arehir  f.  Hchltfa-  u.  Troprnhvgirne. 


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326 


Bein1)  spricht  sich  folgendennassen  aas:  „Unter  den  Fällen, 
welche  ich  zu  controlirenden  Blutuntersuchungen  heranzog,  befanden 
sich  drei,  welche  selbst  dem  geübten  klinischen  Beobachter  und  Unter- 
sucher Schwierigkeiten  bezüglich  des  sicheren  Ausschliessens  der  Inter- 
mittens  in  der  Diagnose  bereitet  hätten.  Insbesondere  ein  Fall  von 
ausgesprochener  Kachexie  mit  Milztumor  und  intermittirendem  Fieber 
bei  Abwesenheit  sonstiger  Organerkrankungen  musste  zunächst  als 
Malaria  imponiren.  Gleichwohl  gelang  es  niemals  bei  den  zahlreichen 
Blutuntersuchungen,  Plasmodien  zu  entdecken.  Dasselbe  negative 
Resultat  gaben  die  beiden  anderen  diesem  ähnlichen  Fälle.  Wie  sehr 
man  berechtigt  war,  aus  der  Abwesenheit  der  Plasmodien  im  Blute 
die  Diagnose  Malaria  auszuschliessen,  bewies  die  weitere  Beobachtung 
bezw.  Autopsie.  Der  erst  erwähnte  Fall  erwies  sich  bei  der  Obduc- 
tion  als  ausgedehnte  Tuberculose  der  retroperitonealen  Lymphdrüsen, 
der  zweite  Fall  bei  weiterer  Beobachtung  als  Magencarcinom  mit  MeU- 
stasenbildung  in  den  angrenzenden  Organen,  besonders  in  der  Milz; 
der  dritte  Fall  als  Lungentuberkulose  mit  Emphysem  und  chronischem 
Milztumor.  Zu  diesen  Fällen  kommen  noch  zwei  von  Supraorbital- 
neuralgie mit  undeutlicher  Milzschwellung,  bei  denen  Malaria  als  aetio- 
logisches  Moment  nicht  auszuschliessen  war. 

Der  negative  Blutbefund  schützte  auch  hier  vor  einer  Fehl- 
diagnose. Diesen  Beispielen  gegenüber  steht  der  erwähnte  Fall,  wo 
die  Diagnose  Malaria  zunächst  durchaus  zweifelhaft  war  und  anfangs 
suppurative  Processe  im  Innern  angenommen  wurden.  Hier  konnte 
bei  der  ersten  Blutuntersuchung  mit  einem  Schlage  durch  das  Auffinden 
der  Plasmodien  die  sichere  Entscheidung  gefällt  werden. 

Ehe  ich  zur  Besprechung  der  Verwerthbarkeit  des  Blutbefundes 
für  die  Behandlung  übergehe,  muss  ich  oinige  allgemeine  Thatsachen 
aus  dem  Gebiete  der  Malariapathogenese  einschieben.  Wie  gleich  zu 
Anfang  erwähnt,  haben  wir  einen  wohlcharakterisirten  Erreger  für  die 
heimische  febris  tertiana  und  einen  solchen  für  die  febris  quartana. 
Es  scheint  aber  eine  Lücke  zu  bestehen.  Denn  von  dem  Erreger  der 
heimischen  febris  quotidiana  ist  bis  jetzt  noch  nicht  die  Rede  gewesen. 
Aber  auch  darüber  haben  die  Untersuchungen  Golgi’s  Aufklärung  ge- 
geben. Nach  den  Beobachtungen  aller  Autoren  entspricht  ja  jedem 
Fieberanfall  die  Reifung  einer  Parasitengeneration.  Noch  während  des 
Anfalls  und  gegen  Ende  desselben  dringen  aber  die  jungen  Parasiten 
bereits  in  die  rothen  Blutkörperchen  ein.  Sie  vollenden  also  ihre  Ent- 
wicklung in  der  Zeit,  die  zwischen  zwei  Fieberanfällen  liegt.  Sind 
nun  z.  B.  zwei  Parasitengenerationen  des  Tertianaparasiten  im  Blute 
vorhanden)  deren  Reifung  immer  in  einem  Zeitabstand  von  24  Stunden 
hinter  einander  eintritt,  so  muss  alle  24  Stunden  ein  Anfall  erfolgen, 
d.  h.  es  muss  eine  febris  quotidiana  entstehen.  Doch  ist  diese  febris 
quotidiana  im  Grunde  genommen  weiter  nichts  als  eine  febris  tertiana 
duplex.  Ebenso  muss  eine  febris  quotidiana  erzeugt  werden,  sobald 
3 Generationen  des  Quartanaparasiten  im  Blute  vorhanden  sind,  die 

*)  L.  c.  S.  26. 


32? 


in  24atÜndigen  Intervallen  nacheinander  zur  Reife  kommen.  Die  schein- 
bare febris  quotidiana  ist  daun  eine  febris  quartana  triplex.  Ebenso 
wird  eine  febris  quartana  duplex  entstehen,  wenn  sich  nur  2 Genera- 
tionen des  Quartanaparasiten  im  Blute  befinden.  Da  nun  diese  theo- 
retischen Erwägungen  Golgi’s  durch  zahlreiche  Beobachtungen  ’)  be- 
stätigt worden  sind  und  bei  einer  febris  quotidiana  — mit  der  unten 
aufgeführten  Ausnahme  — entweder  die  Parasiten  der  febris  tertiana 
in  zwei  oder  die  der  febris  quartana  in  3 Generationen  oder  beide 
zusammen  in  Combinationen  gefunden  worden  sind,  so  ist  die  Golgi’sche 
Lehre  wohl  richtig.  Natürlich  kann  man  bei  einer  febris  quotidiana 
auch  halbmondbildende  Parasiten  finden  ’),  da  ja  die  atypischen  Fieber 
zeitweise  qnotidianen  Typus  haben  können  und  es  ausserdom  stets 
Fälle  geben  wird,  die  nicht  in  Golgi's  Schema  passen  werden.  So  muss 
z.  B.  ein  unregelmässiges  Fieber  entstehen,  wenn  die  im  Blut  befind- 
lichen Parasitengenerationen  nicht  immer  genau  dieselbe  Entwicklungs- 
dauer haben,  wie  es  vermuthlich  bei  den  ante-  und  postponirenden 
Fiebern  der  Fall  ist.  Golgi  hat  auf  diese  Beohachtungen  fusseud 
folgende  Sätze  aufgestellt,  die  von  den  meisten  Autoren  anerkannt 
worden  sind. 

Es  giebt  3 Fiebertypen,  und  zwar  eine  febris  tertiana,  hervor- 
gerufen durch  den  Tertianparasiten,  eine  febris  quartann,  hervorgerufen 
durch  den  Quartanparasiten  und  ein  atypisches  Fieber,  hervorgerufen 
durch  die  kleinen  (halbmondbildenden)  Parasiten.  Die  febris  quotidiana 
ist  kein  selbstständiger  Fiebertypus,  sondern  entsteht  entweder  durch 
das  gleichzeitige  Vorhandensein  mehrerer  Generationen  der  beiden 
ersten  genannten  Arten  bezw.  deren  Combinationen  oder  durch  die 
kleinen  (halbmondbildenden)  Parasiten. 

Laveran's  Einwände  gegen  Golgi's  Theorie  sind  nicht  stichhaltig, 
wie  ich  nachzuweisen  bemüht  war’)  und  auch  Mannaberg  gezeigt  hat4). 

Danach  können  aber  die  Malariaerkrankungen  aetio- 
Iogisch  nicht  mehr  als  einheitlich  aufgefasst  werden.  Wir 
müssen  die  Fieber,  die  durch  die  halbmond bildenden  (kleinen) 

Parasiten  hervorgerufen  werden,  von  denjenigen  trennen,  die 
durch  die  nicht  halbmondbildenden  Parasiten  erzeugt  werden. 

Es  gehört  nicht  in  den  Rahmen  dieser  Arbeit,  die  einzelnen 
Fieberarten  mit  ihren  Symptomen  zu  besprechen.  Es  soll 
nur  untersucht  werden,  in  wie  weit  der  Blutbefund 
auch  für  die  Behandlung  der  Malariafieber  ver- 
werthbar  ist.  Mit  anderen  Worten:  giebt  uns  der  Blut- 
befund eine  Antwort  auf  die  Fragen:  Wann,  wie  viel,  auf 
welche  Weise  und  wie  lange  soll  Chinin  gegeben  werden? 

')  Sur  l’infection  malariquc,  Arcli.  ital.  de  biolog.  1887,  8. 

*)  Boi  den  tropischen  Molariufiebern  die  Regel. 

*)  Deutsch,  militairärztl.  Zeitschr.  1892. 

4)  1.  c.  S.  73  u.  folgende. 

23* 

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328 


Der  alte  Erfahrungssatz  lautete:  bei  intermittirenden 
Fiebern  muss  Chinin  während  der  Apyrexie  am  besten  sofort 
nach  dem  Fieberabfall  gegeben  werden,  bei  schweren  remit- 
tirenden  Fiebern  soll  überhaupt  kein  Chinin  gegeben,  sondern 
gewartet  werden,  bis  das  Fieber  intermittirend  geworden  ist. 
Wie  lange  nach  Aufhören  des  Fiebers  noch  Chinin  gegeben 
werden  sollte,  darüber  war  keine  Einigung  zu  erzielen.  Jeder 
Arzt  handelte  nach  seinen  eigenen  Erfahrungen.  Es  lag  also 
nach  Entdeckung  der  Malariaparasiten  nahe,  den  Versuch  zn 
machen,  die  Einwirkung  des  Chinins  auf  die  verschiedenen 
Parasitenformen  direkt  unter  dem  Mikroskop  zu  beobachten. 
Lagen  doch  in  dieser  Beziehung  schon  die  epochemachenden 
Arbeiten  von  Binz  über  die  Wirkung  des  Chinins  auf  In- 
fusorien vor.  Es  stellte  sich  aber  sehr  bald  heraus,  dass 
nicht  nur  verdünnte  Chininlösungen,  sondern  bereits  physio- 
logische Kochsalzlösungen  die  Malariaparasiten  tödteten.1) 
Es  wurden  die  Untersuchungen  also  nur  in  der  Weise  angestellt, 
dass  Malariakranken  Chinin  gegeben  wurde  und  in  bestimmten 
Zwischenräumen  nach  der  Darreichung  die  Malariaparasiten 
auf  ihren  Zustand  untersucht  wurden.’)  Dabei  stellte  sich 
heraus,  dass  die  Halbmonde  völlig  unempfindlich  (vergl.  S.  258 
Anm.  3)  und  dass  die  ebengebildcten  Sporen  der  Malaria- 
parasiten am  empfindlichsten  gegen  Chinin  waren  — wenigstens 
die  Sporen  der  Quartanaparasiten.-  Wenig  empfindlich  waren 
die  reiferen  Formen,  und  die  endoglobulären  jungen  Formen 
zeigten  sich  nächst  den  Halbmonden  am  widerstandsfähigsten.’ ) 
Bei  seinen  weiteren  Versuchen  fand  Golgi*),  dass  bei  der 
febris  tertiana  und  quartana  das  Chinin  am  besten  3 — 5 Stunden 
vor  dem  Anfall  zu  geben  ist.  Der  betreffende  Anfall  kann 
zwar  dadurch  nicht  aufgehalten  werden,  es  erfolgen  dann 
aber  keine  weiteren  Anfälle,  selbst  wenn  keine  zweite  Chinin- 
gabe  verabreicht  wird.  Das  Chinin  trifft  bei  dieser  Ver- 
abreichungsweise die  empfindlichen  Sporen  in  statu  nascendi 

’)  Fortschr.  d.  Med.  1885.  S.  794.  Marchiafava  und  Celli,  Weitere 
Mitth.  Ub.  d.  Mnlariainfektionen. 

’)  Durch  diese  Versuche  wurde  zugleich  festgestellt,  dasä  das 
Chinin  die  Parasiten  selbst  vernichtet  und  nicht  etwa  nur  ihre  Stoff- 
wechselprodukte, siehe  Mannaberg  1.  c.  S.  170. 

’)  Aehnlich  spricht  sich  Laveran  aus.  Vergl.  Tratte  des  fi^vrei 
palustros,  p.  450  u.  folgende. 

')  Deutsch,  med.  W.  1892.  S.  708. 


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329 


and  tödtet  sie.  Gerade  zum  entgegengesetzten  Resultat  kam 
Plehn1)  durch  seine  Studien.  Er  sagt:  „Anders  steht  es  mit 
den  Sporen.  Diese  sind,  wie  man  sich  direkt  im  lebenden 
Präparat  überzeugen  kann,  erheblich  widerstands- 
fähiger. Man  kann  sie  im  Blutpräparat,  auch  bei  niederer 
Temperatur,  ziemlich  lange  lebens-  und  bewegungsfähig  er- 
halten. Gegen  Chinin  sind  sie  erheblich  resisten- 
ter als  die  Amoeben.  Ich  habe  mich  verschiedene  Male 
davon  überzeugen  können,  dass  eine  einmalige  Chinin- 
dose, welche  ich  einem  Intermittenskranken  zu  einer 
Zeit  gab,  wo  sein  Blut  eine  Menge  von  Theilungs- 
formen,  ja  nur  von  solchen  ausgewachsenen  Parasiten 
enthielt,  welche  durch  die  differente,  leicht  körnige  Licht- 
brechung im  Zellleib  als  die  Theilung  vorbereitend  sich  ver- 
riethen  — häufig  3 bis  4 Stunden  vor  dem  Beginn 
des  Frostes,  ;lso  zu  einer  Zeit,  wo  noch  vor  Ausbruch 
des  Anfalles  die  Resorption  des  Arzneimittels  erfolgt  sein 
musste  — nicht  im  Stande  war,  weder  den  folgen- 
den Anfall  noch  auch  weitere  Reaction  zu  ver- 
hüten, während  eine  entsprechende  Dose,  einige 
Stunden  nach  dem  Anfall  gegeben,  bei  den  ganz 
typischen  Fällen,  d.  h.  denen  gegeben,  in  welchen  sich  fast 
ausschliesslich  Formen  einer  Entwicklungsstufe  gleichzeitig 
vorfanden,  ich  3mal  schon  mit  einer  grossen  Chinin- 
dose die  Krankheit  endgültig  heilen  konnte.’) 

Das  ist  ja  eine  klinisch  längst  bekannte  Thatsache;  mit 
Berücksichtigung  des  aetiologischen  Moments  glaube  ich  die- 
selbe so  erklären  zu  können,  dass  das  Chinin  den 
Theilungsprodukten  der  Parasiten  gegenüber 
mehr  oder  minder  machtlos  ist  und  seine  speci- 
fische  Wirkung  nur  den  ungemein  empfind- 
lichen amoeboiden  Formen  gegenüber  entfaltet.8) 

Anders  stellt  sich  das  Vorhältniss  bei  den  quotidianen 
und  remittirenden  Fiebern.  Da  hier  für  gewöhnlich  mehrere 

*)  Aet.  u.  Kl  in.  Malariastud.  1880.  S.  28. 

')  Bei  intermittirenden  Fiebein  sah  Verf.  auch  bessere  Erfolge, 
wenn  Chinin  im  Fioberabfall  und  nicht  3 — S Stunden  vor  dein  erwarteten 
Anfall  gegeben  wurde. 

*)  Diesen  Ausführungen  stimmt  Verf.  auf  Grund  seiner  persön- 
lichen Erfahrungen  durchaus  zu. 


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330 


Parasitengenerationen  im  Blute  vorhanden  sind,  die  in  regel- 
mässigen Zwischenräumen  von  24  Stunden  (febris  quotidiana) 
oder  in  kürzeren  unregelmässigen  Zwischenräumen  hinter- 
einander zur  Reife  kommen  (febris  remittens),  so  muss  hier 
Chinin  natürlich  in  wiederholten  Dosen  gegeben  werden.1) 

In  Bezug  auf  die  Grösse  der  Einzelgabe  hat  der  Para- 
sitenbefund keine  Aenderung  herbeigeführt,  da  Binz  seiner 
Zeit  schon  nachgewiesen  hatte,  dass  zur  Abtödtung  von 
Amoeben  — und  diesen  stehen  ja  die  Malariaparasiten  sehr 
nahe  — wenigstens  eine  Chininlösung  von  1 : 5000  nöthig  ist. 
Rechnet  man  nun  beim  envachsenen  Menschen  durchschnittlich 
eine  Blutmenge  von  5 kg,  so  wird  das  Verhältniss  der  oben  er- 
wähnten Chininmischung  durch  Einverleibung  von  einem  g 
Chinin  erreicht:  vorausgesetzt,  dass  das  verabreichte  Chinin 
auch  alles  vom  Körper  aufgesogen  wird.  Baccelli*)  fand 
aber,  dass  das  Chinin  bei  den  schweren  Fiebern  oft  weder 
vom  Darm  noch  vom  Unterhautgewebe  aus  aufgesogen  wurde. 
Denn  6 Stunden  nach  der  Einverleibung  war  es  noch  nicht 
im  Urin  nachzuweisen,  während  es  für  gewöhnlich  bereits 
15  Minuten  nach  Verabreichung  im  Urin  zu  erscheinen  pflegt. 
Gestützt  auf  die  Thatsache,  dass  Parasiten  im  Blute  vor- 
handen sind,  griff  er  sie  direkt  an.  Er  machte  in  30  Fällen 
intravenöse  Chinineinspritzungen  von  1,0  Chinin.  Er  erzielte 
damit  eine  Heilung  sämmtlicher  Fälle,  also  100  #/0  Heilungen. 
Allerdings  traten  Rückfälle  auf,  aber  in  sehr  milder  Form. 
Dieser  Umstand  dürfte  mit  der  grossen  Widerstandsfähigkeit 
der  Halbmonde  gegen  Chinin  Zusammenhängen.  Diese  ausser- 
ordendliche  Widerstandsfähigkeit  der  Halbmonde  gegen  Chinin 
und  die  Erfahrung,  dass  sich  die  kleinen  (halbmondbildenden) 
Parasiten  noch  zahlreich  in  den  inneren  Organen  finden,  auch 

*)  Hierzu  bemerkt  A.  Plehn  1.  c.  S.  lt,  nachdem  er  ausgefiihrt 
hat,  dass  sich  bei  den  Kamerunfiebern  Für  gewöhnlich  zwei  Parasiten- 
generationen im  Blute  finden  : „Ks  ist  also  zwecklos,  die  Chiningaben 
zu  häufen;  die  der  Chininwirkung  zugänglichen  Plasmodien  werden 
durch  eine  Gabe  pro  die  vernichtet;  die  älteren  auch  durch  mehret« 
nicht  zerstört.  Diese  haben  sich  erst  etwa  24  Stunden  später  wieder 
in  die  empfindlichen  Jugendformen  aufgelöst,  und  eine  zweite  massige 
Chiningabe  von  1,0 — l'/i  Grm  nach  24  Stunden  genügt  somit  fast 
stets,  sämmtliche  aktiven  Parasitenformen,  und  somit  die  Malariaattaqn« 
zu  beseitigen.“ 

*)  Berlin.  Klin.  W.  1890.  S.  489. 


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331 


wenn  sie  längst  aus  dein  peripherischen  Blut  verschwunden 
sind,  führte  dazu,  Leute,  die  an  Fiebern  gelitten  hatten, 
denen  diese  kleinen  Parasitenformen  zu  Grunde  lagen,  auch 
später  noch,  selbst  wenn  sie  längere  Zeit  scheinbar  gesund 
gewesen  waren,  auf  Malariaparasiten  zu  untersuchen.  Der 
erste,  der  meines  Wissens  dies  that,  war  Canalis  *)• 

Ein  Soldat,  der  ein  unregelmässiges  Malariaiieber  über- 
standen hatte,  bereits  vierzehn  Tage  fieberfrei  war  und  sich 
durchaus  wohl  fühlte,  sollte  entlassen  werden.  Canalis  machte 
aber  vorher  noch  eine  Blutuntersuchung  und  fand  Halb- 
monde, sowie  Sphären.  Der  Kranke  wurde  im  Hospital 
belassen  und  hatte  bereits  am  nächsten  Tage  einen  Fiebcr- 
anfall.  In  neuester  Zeit  sind  derartige  Untersuchungen  in 
ausgedehnter  Weise  von  Ziemann1)  geübt  worden.  Ich 
komme  noch  darauf  zurück.  Im  Hinblick  auf  die  am  Golgi 8) 
beschriebenen  Fieber  mit  langen  Zwischenräumen  würde 
es  sich  empfehlen,  eine  derartige  Beobachtung  genesener 
Malariakranker  wenigstens  vierzehn  Tage  lang  durchzuführen 
und  die  Leute  auch  späterhin  im  Auge  zu  behalten.4) 

(Schluss  folgt.) 


')  Arch.  ital.  de  biolog.  1890.  p.  278. 

*)  1.  c.  S.  760. 

*)  Arch.  ital.  do  biolog.  1891.  p.  113, 

*)  A.  Plehn,  1.  c.  S.  13,  bemerkt  zu  dieser  Frage:  Den 

Laveran 'sehen  Halbmonden  fehlen  pathogene  Eigenschaften.  „Eine 
praktische  Bedeutung  haben  sie  nur  insofern,  als  sie  beweisen,  dass 
vor  nicht  gar  langer  Zeit  Malariaattaquen  vorkatnen,  resp.  dass  über- 
haupt Malariainfeetion  stattfand.  Eine  Indikation  zur  Chininbehandlung 
geben  sie  also  nicht,  wenn  sie  allein  zu  finden  sind.“  Verf.  steht  auf 
Grund  seiner  Beobachtungen,  die  demnächst  veröffentlicht  werden 
sollen,  auf  einem  etwas  anderen  Standpunkte. 


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332 


II.  Besprechungen  u.  Literaturangaben. 

a.  Hygiene,  Physiologie  und  Gesundheitsstatistik. 

Neuere  Ergebnisse  tropenphysiologischer  Untersuchungen. 

Vor  einigen' Jahren  stellte  der  Unterzeichnete  dasjenige,  wu 
über  die  Physiologie  des  Tropenbewohnera  bekannt  war,  zusammen.1) 
Es  waren  damals  nur  wenig  exakte  Thatsachen  vorhanden.  Man 
hatte  wohl  im  Allgemeinen  die  Vorstellung,  dass  die  physiologischen 
Funktionen  des  Tropenbewohnera  Unterschiede  von  denen  des  Be- 
wohners gemässigter  Klinmto  aufweisen  müssten,  aber  systematische 
Untersuchungen  wärest  noch  wenig  angestellt. 

Gerade  in  den  letzten  Jahren  hat  sich  dies  geändert.  Be- 
sonders im  Laboratorium  zu  Batavia  hat  man  derartige  Unter- 
suchungon begonnen. 

Die  neueren  Untersuchungen  erstrecken  sich  bis  jetzt  haupt- 
sächlich auf  Blut,  Stoffwechsel  und  Körperwärme;  es  wird  hierbei  der 
Tropeneuropäer  sowohl  mit  dem  Bewohner  gemässigter  Klimate,  wie 
mit  dem  eingeborenen  Tropenbewohner  (Malaien)  verglichen. 

Die  Blutuntersuchungen  sind  zunächst  im  Hinblick  auf  die 
„Tropenanämie“  gemacht  worden.  Eykman’),  van  der  Scheer’)  und 
Kohlbrugge  *)  fanden  beim  Tropenbewohner  weder  die  Anzahl  der 
rothen  Blutkörperchen,  noch  don  Hämoglobingehalt  vermehrt,  im 
Gegensätze  zu  Glogner  5j,  welcher  hierin  geringe  Abweichungen  zu 
Ungunsten  des  Tropenbewohners  konstatirte.  Kohlbrugge  meint,  dass 
Glogner's  Untersuchungen  vielleicht  an  Malariarekonvalescenten  an- 
gestellt seien,  da  bei  diesen  Hämoglobingehalt  und  Blutkörperchenzahl 
noch  lango  unter  der  Norm  bleiben.  Ausserdom  aber  bestimmte 
Glogner“)  mit  der  Methode  von  Hammerschlag  das  spezifische  Gewicht 
des  Blutes  und  erhielt  hier  niedrigere  Werthe.  Er  schliesst  daher  aut 
Eiweissverarmung  des  Blutes  beim  Tropeneuropäer.  Diesem  Resultate 
stellt  sich  wieder  das  von  Grvns ')  gegenüber,  welcher  nach  der- 
selben Methode  keine  irgendwie  nennenswerthen  Abweichungen  finden 
konnte. 

Natürlich  kann  man  aber  auf  Grund  aller  dieser  Befunde  die 
Tropenanämio  als  physiologische  Abweichung  noch  nicht  fallen  lassen. 
Und  doch  erklären  viele  Autoren  den  Begrill  „Tropenanämio*  schon 
für  abgeschafft.  Allerdings  lässt  sich  ja  dio  Blässe  der  Haut  auch 
durch  Aenderung  der  Gefdssinnorvation,  also  durch  andere  Blutver- 

l)  Berliner  Kliu.  Wochenschrift  1893,  Nr.  22. 

*)  Gcneetk.  Tydacbr.  v.  Ned.  Indic.  TheU  30,  S.  339. 

•)  Geneeek.  Tydschr.  v.  Ned.  Inditi.  TheU  30,  S.  518. 

«)  Geneeek.  Tydecbr.  v.  Ned.  Indio.  Tbeil  35,  8.  436. 

*)  Virchow’«  Archiv.  Bd.  1*8,  8.  160. 

•)  Virchow' • Archiv.  Bd.  126,  8.  109. 

7)  Geneeek.  Tydecbr.  v.  Ned.  Indid.  Thoil  34,  8.  480. 


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333 


theilung,  erklären:  die  Gefässo  dor  inneren  Organe  müssten 
erweitert,  die  Hautgofilsse  verengert  sein.  Dass  dieB  aber  durch  die 
tropischo  Wärme  bewirkt  werde,  dafür  liegt  kein  Anhalt  vor:  wir 
wissen  bis  jetzt  nur,  dass  die  Wärme  die  Hautgofässe  erweitert. 
Die  anämischen  Symptome,  welche  viele  Tropeneuropäer  — ohno 
Einwirkung  von  Malaria  oder  von  Darmparasiten  — uns  daibieten, 
sind  aber  doch  durch  alle  Untersuchungen  nicht  aus  der  Welt  zu 
sjhaften.  Die  Frage  der  Tropenanämie  ist  noch  durchaus  nicht  gelöst. 

Von  Eykman  *)  liegt  noch  eine  vergleichende  Untersuchung 
über  Volumen  und  spezifisches  Gewicht  der  rotlien  Blutkörperchen  bei 
Tropeneuropäern  und  Malaien  vor.  Er  konnte  hier  keine  Unterschiede 
konstntiren- 

Die  Stickstoifausscheidung  des  Europäers  in  den  Tropen,  früher 
von  Glogner  und  von  Mourson  untersucht,  wurde  ebenfalls  von 
Eykman  *)  bearbeitet.  Nach  ihm  scheidet  der  akklimatisirto  Tropen- 
europäer bei  leichtor  Arbeit  durchschnittlich  12,8  grin.  Stickstoff  im 
Harne  aus,  also  kaum  weniger,  als  dor  Bewohner  des  gemässigten 
Klimas.  Dass  Glogner  früher  eine  Herabsetzung  der  Stickstoffaus- 
scheidung gefunden  hatte,  ist  wohl  auf  die  schwierigen  äusseren  Be- 
dingungen. unter  denen  er  untersuchte,  zurückzuführen. 

Ausserdem  stellte  Eykman  ’)  Untersuchungen  Uber  die  Sauer- 
stotläuf nähme  bei  Tropeneuropäorn  und  Malnien  an.  Es  ergab  sich 
iu  Indien  derselbo  Sauerstoffverbrauch  (in  der  Ruhe  und  nüchtern) 
wie  in  Europa.  Dadurch  wird  zugleich  bewiesen,  dass  bei  den 
Tropenbewohnern  nicht  durch  Einfluss  der  gesteigerten  Aussen- 
temperatur  etwa  eine  herabgesetzte  Verbrennung  stattfindet.  Eine  in 
Betracht  kommende  chemische  Wärmoregulirung  ist  hier  also  nicht 
vorhanden. 

So  müsssn  wir  vorläufig  annehmen,  dass  der  Stoffwechsel  des 
Europäers  in  den  Tropen  sich  nicht  von  dem  in  gemässigtem  Klima 
unterscheidet.  Jedenfalls  kann  die  Vorstellung  von  verringertem 
Stoftumsatz  nicht  durch  die  Ansicht  gestützt  werden,  dass  in  den 
Tropen  weniger  gegessen  werde.  Denn  diese  Ansicht  ist,  wie  Eykman 
nachweist,  und  wie  man  auch  ohno  Weiteres  beobachten  kann,  durch- 
aus unrichtig.  Es  wird  vom  Europäer  in  den  Tropen  auch  kaum 
weniger  Fett  konsumirt,  als  in  Europa. 

Schon  Glogner  hatte  gefunden,  dass  der  Malaie  etwas  mehr 
Wärme  abgiebt  als  der  Troponeuropäer,  dass  demzufolge  seine 
Körpertemperatur  auch  gewöhnlich  um  einige  Zehntel  Grade  niedriger 
ist.  Auch  Eykman  *)  kommt  zu  dem  Resultate,  dass  die  zwischen 
Haut  und  Kleidung  befindliche  Luftschicht  ccteris  paribus  beim 
Malaien  etwas  mehr  erwärmt  wird  als  beim  Europäer.  Dagegen  soll 
dip  Wärmestrahlung  dor  Haut  beim  Europäer  und  Malaien  gleich 

')  Genveak.  Tydachr.  v.  Ned.  IndlS.  Theil  35,  S.  360. 

*)  Vlrcbow'B  Archiv.  Bd.  131,  S.  H7. 

•)  PflUger’v  Archiv.  Bd.  64,  8.  57. 

*)  Virchoiv'».  Archiv.  Bd.  140,  8.  1*5  u.  »57. 


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334 


gross  Bein,  was  aus  Versuchen  an  Stücken  brauner  und  woisser  Haut 
gefolgert  wird. 

Aus  Eykman's ')  weiteren  Untersuchungen  ergiebt  sich,  dass  de r 
Tropeneuropäer  bei  leichter  Arbeit  durchschnittlich  2-400  — 2500  Caloriee» 
producirt,  der  — kleinere  und  leichtore  — Malaie  20C0— 2100.  Die 
Wärmeproduktion  ist  daher,  wie  auch  schon  oben  ausgeführt,  nickt 
herabgesetzt.  Dagegen  scheint  die  physikalische  Wärmeregulirung, 
die  Regulirung  der  Wärmeabgabe,  beim  Europäer  weniger  kräftig  u 
sein,  als  beim  Malaien. 

Dass  der  Europäer  mehr  schwitzt  als  der  Malaie,  ist  nach  Eykman1) 
nur  der  grösseren  Flüssigkeitsaufnahme  des  ersteren  zuzuschreiben. 
Die  Anzahl  der  Schweissdrüsen  ’)  sei  beim  Europäer  und  Malaien  an 
den  gleichen  Körperstellen  ungefähr  dieselbe. 

Aus  allen  diesen  im  Laboratorium  zu  Batavia  ausgeftlhrtao 
Untersuchungen  scheint  also  bis  jetzt  hervorzugehen,  dass,  abgesehen 
von  geringen  Kleinigkeiten,  die  physiologischen  Funktionen  des 
Europäers  sich  im  Tropenklima  genau  so  verhalten,  wie  in  der 
gemässigten  Zone,  ja,  dass  hierin  auch  zwischen  dem  Europäer  und 
dem  eingeborenen  Tropenbewohner  kaum  ein  Unterschied  besteht 
W'ir  dürfen  aber  nicht  vergessen,  dass  diese  Untersuchungen  ent 
begonnen  haben,  und  dürfen  uns  einer  solchen  Ansicht  nicht  ohne 
Weiteres  hingeben.  Wenn  sie  unbedingt  richtig  wäre,  brauchten  wir 
ja  von  der  Möglichkeit  oder  Unmöglichkeit  einer  Akklimatisation  über- 
haupt nicht  mehr  zu  reden.  Der  Europäer  wäre  körperlich  ja  dann 
dem  Eingeborenen  gleicbwerthig.  Dass  dies  nicht  der  Fall  ist,  braucht 
nicht  erst  betont  zu  werden. 

Nach  neueren  Mittheilungen  von  Ouwehand8)  haben  die  Europäer 
in  den  Tropen  durchschnittlich  eine  höhere  Pulsfrequenz;  in  einem 
Viertel  der  untersuchten  Fälle  betrug  dieselbe  80 — 89,  in  einem 
anderen  Viertel  90 — 99  Schläge,  bei  Eingeborenen  etwas  weniger. 
Bensu  *)  hält  diese  Zahlen  aber  nicht  für  physiologisch,  sondern  meint, 
dass  die  Betreffenden  an  leichter  chronischer  Beriberi  litten. 

Victor  Lehmann. 

Schwabe,  Bericht  über  die  Gesu nd h e i ts ve r hä  1 1 n isse  anf 
Jaluit.  Arb.  aus  d.  Kaiser!.  Gesundh.-Amt,  Xlfl.Band.  Heft  1.  1896. 

Der  Bericht  umfasst  die  Zeit  vom  81.  August  1894  bis  30.  Juni  1895. 
Hervorzuheben  ist  die  bemerkenswerthe  Thatsache,  dass  die  Einge- 
borenen durch  Syphilis  vollkommen  durchseucht  sind.  Während 
dreier  Monate  allein  hatte  Sch.  oinen  Zugang  von  163  Syphiliskranken 
zu  verzeichnen;  darunter  nur  3 Primär-Affekte,  dagegen  20  secundäre, 
83  tertiäre  Affekte  und  67  Kinder  mit  congenital.  Lues.  Dio  Ein- 
geborenen besitzen  eine  merkwürdige  Scham,  mit  Geschlechtsleiden 
zum  Arzt  zu  gehen;  daher  sieht  man  die  Primäraffekte  Verhältnis*- 
mässig  selten;  die  Kranken  bleiben  in  diesem  Stadium  unbehandelt 

')  Vlrchow’a  Archiv.  Bd.  133. 

*)  Geneeak.  Tydachr.  v.  Ned.  IudiiL  Theil  35,  8.  411. 

*)  Genceak.  Tydachr.  v.  Ned.  Indie.  Theil  34,  S.  591. 

«)  Geneoak.  Tydachr.  v.  Ned.  ladie.  Theil  35,  8.  160. 


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335 


und  das  ist  auch  der  Grund  filr  die  enorme  Weitorverbroitung  der 
Krankheit.  Auffallender  Weiso  sind  syphilitische  Erkrankungen  des 
centralen  Nervensystems  selten  anzutreffen.  Sch.  sah  nur  einen  Fall 
von  Gehimsyphilis,  welcher  nnter  spezifischer  Behandlung  in  Genesung 
überging.  Einige  Fälle  boten  differential-diagnostische  Schwierigkeiten 
mit  Lepra,  welche  letztere  wohl  im  Lande  unter  dem  Namen  Djuggo 
bekannt,  abor  von  Sch.  selbst  nicht  gesehen  wurde.  Sch. 

Plehn  A.  f Klima  und  Gesundheitsverhältnisso  des  Schutzgebietes 
Kameruns  in  der  Zeit  vom  1.  Juli  189-1  bis  30.  Juni  1895.  Arb.  aus 
Kaiserl.  Gesundheitsamt,  XIII.  Band,  1.  Heft.  1896. 

Der  Monat  August  war  der  kühlste  (23,95°  C.),  der  Februar  der 
heisseste  (26,65°)  Monat.  Die  absolute  höchste  Temperatur  mit  32° 
wurde  im  Mai,  die  niedrigste  mit  20,5°  im  September  beobachtet;  die 
Temperaturdifferenzen  im  Laufe  oines  Tages  betrugen  5— 6°,  bei  Ge- 
wittern und  Tornados  auch  8 — 9°. 

Es  ergab  sich  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit,  dass  der  meteoro- 
logische Aequator  unmittelbar  südlich  von  Kamerun  — anscheinend 
zwischen  Malimba  und  Klein-Batanga  — die  afrikanische  Westküste 
schneidet.  Wenigstens  steht  fest,  dass  Kribi  im  Juli  und  August  die 
trockene  Zoit  hatte,  während  in  der  gleichen  Zeit  in  Kamerun  der 
moiste  Regen  fällt. 

Die  Monate  mit  besonders  häufigen  schwächeren  Regenfiillen  bei 
starker  Sonnenbestrahlung  und  hoher  Maximaltemperatur  waren  für 
Europäer  die  ungesundesten;  die  Trockenzeit,  Dezember,  Januar, 
Februar,  und  die  erste  Hälfte  März  die  gesündeste. 

Auf  288  Malariafälle  kamen  11  Schwarzwasserfieber-Erkrankungen. 
Dass  diese  letztere  Form  des  Fiebers  besonders  dann  in  Erscheinung  tritt, 
wenn  vorangegangene  Malariafieber  nicht  zweckmässig  (mit  Chinin!  Ref.) 
behandelt  wurden,  wird  auch  von  P.  bestätigt,  drgl.,  dass  der  Ausbruch 
des  Schwarzwasserfiebers  mitunter  an  eine  Chiningabe  sich  anschlingst. 
Es  wird  deshalb  vor  der  Anwendung  des  Chinin  bei  Schwarzwasser- 
fieber gewarnt.  Dio  Chinindarreichung  auf  dem  Wege  der  tiefen  Ein- 
spritzung in  die  Muskulatur  gelang  bei  einer  Lösung  von  Chin.  bimuriat. 
ohne  besondere  Beschwerden  für  die  Patienten. 

Durch  die  Niederwerfung  der  Buea  bietet  sich  für  die  Europäer 
die  Gelegenheit,  Bich  mehr  mit  frischem  Fleisch  zu  versorgen,  da 
Rindviehzucht  dort  zweifellos  mit  mehr  Erfolg  betrieben  werden  kann. 

Auch  gedeihen  in  Kamerun  Kohl,  Karotten,  Salat,  Rettig,  Radies- 
chen, Bohnen,  Gurken,  so  dass  auch  in  diesor  Richtung  die  Ernährung 
der  Europäer  immer  weniger  auf  den  Genuss  von  Conservon  ange- 
wiesen ist.  . Sch. 

Plehn  F.,  Ueber  die  bisherigen  Ergebnisse  der  klimato- 
logischen  und  pathologischen  Forschung  in  Kamerun. 
Arb.  aus  d.  Kaiserl.  Gesundheitsamt,  XIII.  Band,  lieft  1 ; 1896. 

Der  Bericht  bezieht  sich  auf  das  Beobachtungsjahr  1893/94. 
Während  dieser  Zeit  betrug  die  mittlere  Temperatur  25,4°  (1894/96  26,1°); 
die  geringen  Tagesschwankungen  im  Mittel  6,8°,  die  Luftfeuchtigkeit 


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336 


im  Mittel  88'Vo,  Morgens  95 °/o,  2 Uhr  Mittags  78°/»,  9 Uhr  Abends  9 1 V. 
In  Kamerun  existirt  nur  eine  Regenzeit,  welche  mit  den  Sommer- 
monaten zusammenfüllt:  im  Jnli  bis  Octobor  kommen  tägliche  Regen 
vor.  Nachts  macht  sich  die  Landbrise  bemerkbar;  Vormittags  ist  Wind- 
stille; um  1 Uhr  Mittags  setzt  die  S.W.-Seebrise  ein.  Nebolbildung 
findet  sich  vorzugsweise  in  den  durch  Urwald  eingeschlossenen  Flu»- 
thiilern  der  Nebenflüsse,  während  die  O.W.  verlaufenden  Hauptflüsse 
durch  die  Windbewegung  getroffen  werden  und  Nebel  nicht  zustande 
kommen  lassen.  Auf  dem  Plateau  sind  diese  Verhältnisse  natürlich 
vorschieden.  Als  besonders  regenreich  wird  der  westliche  Abfall  de» 
Plateaus  nach  der  Küste  zu  bezeichnet. 

Die  Malaria  - Erkrankungen  hängen  im  Allgemeinen  mit  der 
Häufigkeit  der  Niederschläge  zusammen ; je  mehr  Regentage,  um  so  mehr 
Malaria.  Auf  90  Menschen  kamen  438  Malariafälle  in  1 '/»  Jahren,  so 
dass  also  circa  5 Erkrankungen  auf  den  Einzelnen  zu  rechnen  sind. 
Die  Zahl  der  Todesfälle  an  Malaria  betrug  34  und  machte  77*1«  der 
nicht  durch  äussere  Gewalt  herbeigeführten  Todesursachen  überhaupt 
aus.  Auch  bei  den  Negern  sind  Malaria-Erkrankungen  hänfig.  lieber 
die  Zuträglichkeit  des  Kameruner  Klimas  geben  folgende  Daten  ein 
ungefähres  Bild:  Bei  100  Regierungsbeamten,  welche  bis  1894  nach 
Kamerun  herausgeschickt  waren,  betrug  die  mittlere  Aufenthaltsleit 
des  Einzelnen  in  der  Kolonie  1 Jahr  und  10  Monate.  Die  Baseler 
Mission  hat  von  1886  bis  1893  30  Missionare  nach  Kamerun  geschickt; 
davon  sind  10  gestorben  (8  an  Malaria)  und  5 mussten  krankheitshalber 
nach  Hause  geschickt  werden.  Die  mittlere  Dienstzeit  der  Angestellten 
der  Firma  Woermann  (81,  in  den  Jahren  1884 — 1895),  hat  etwa  20  Monate 
betragen,  also  ein  wenig  mehr  als/iie  Hälfte  der  kontraktlichen  Dienstzeit. 
Unter  diesen  Umständen  ist  die  Begründung  eines  Sanatoriums  in  dem 
Gebirge  sehr  angerathon,  die  Gegend  des  920  in  hoben  Bnca  würde 
ovent.  in  Betracht  kommen. 

Diphtherie  wurde  in  14  Fälleu  bei  Negern  beobachtet  und 
bacteriologisch  sichergestellt  (jedoch  ohne  Impfversuche).  Tuberkulose 
kommt  bei  den  Negern  nur  ganz  vereinzelt  vor  (2  Fälle,  noch  da« 
importirte  Sudanesen);  auch  die  Syphilis  ist  nicht  verbreitet  (kein 
Fall !)  im  Gegensatz  zu  der  Gonorrhoe.  Sch. 

Düring,  Aerztliche  Erfahrungen  und  Beobachtungen  auf 
d er  d eu t sc h e n Togo e x p ed i ti o n.  1893/94.  Arb.  aus  d.  Kaiscrl. 
Gesundheitsamt,  XIII.  Band,  1.  Heft.  1896. 

Aus  dem  Bericht  ist  besonders  bemerkenswert!)  die  Geschichte 
einer  Pockenepidemie,  durchweiche  die  Expedition  heimgesucht  wurde: 
von  129  Mann  erkrankten  82,  darunter  6 zweifelhafte  Fälle,  welche 
nur  an  Fieber  und  Drüsenschwellungen  der  Leisten  oder  des  Kiefer- 
rüttels  litten;  es  starben  25  Mann  = 30,5  der  Erkrankten.  Sehr 
lästig  erwies  sich  die  Belästigung  der  Kranken  durch  Fliegen,  welche 
sich  an  den  Pusteln  festsetzten  und  wohl  auch  dazu  beitragen  mögen, 
die  Krankheit  zu  verschleppen;  die  Kranken  schützen  sich  gegeo 
die  Fliegen  durch  Ueberwerfen  mit  Sand  oder  durch  Bestreichen 


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337 


mit  Butter.  Interessant  war  das  Verhältnis?,  in  welchem  Geimpfte 
und  nicht  Geimpfte  an  den  Erkrankungen  Theil  nahmen ; von  der 
ersten  Kategorie  blieben  50°/«,  von  den  letzteren  nur  5,4 “io  verschont, 
ein  weiterer  Beweis  für  die  Schutzkraft  der  Impfung,  ln  Togo  sollte 
man  zum  mindesten  die  Stationschefs  mit  der  Technik  der  Impfung 
vertraut  machen.  Von  anderen  Krankheiten,  welche  in  diesem  Bericht 
aufgeführt  werden,  ist  Kropf  zu  erwähnen,  welcher  in  einigen  Dörfern 
am  Niger,  im  Ganzen  & Mal  gesehen  wurde.  Bemerkenswerth  ist  auch 
die  folgende  auf  die  Aetiologie  des  „rothen  Hund“  bezügliche  An- 
gabe : Im  Lande  Gurma  schwankte  die  Temperatur  zwischen  8°  Morgens 
und  40°  Mittags,  verbunden  mit  einer  Psychrometerdifferenz  von 
und  darüber,  „die  Luft  war  derart  trocken,  dass  wir  trotz  anstrengen- 
der Märsche  in  glühender  Sonnenhitze  keinen  Tropfen  Schweiss  auf 
der  Haut  bemerken  konnten;  der  rothe  Hund  zeigte  sich  nicht  eher, 
als  bis  wir,  in  der  feuchten  Nigergegend  angekommen,  wieder  regel- 
recht transpirirten“.  Sch. 


b.  Pathologie  und  Therapie. 

Pest. 

Weitere  Mittheilungen  der  deutschen  Pestcommission 
aus  Bombay,  erstattet  vom  7.  und  28.  Mai  d.  J.  — Deutsch. 
Med.  W.  1897,  No.  31. 

Zahlreiche  experimentelle  Untersuchungen  zeigten  von  Neuem  die 
schon  früher  betonte  grosse  Hinfälligkeit  des  Pestbacillus.  Zur  Ab- 
tödtung  genügte  bei  Keinculturen  eine  16  minutenlange  Erwärmung  auf 
70*  C,  bei  in  Fleischbrühe  aufgeschwemmten  Pestbacillen  10  minuten- 
lange Erwärmung  auf  65 — 70°  C.  Sofort  tödtlich  wirkte  Zusatz  von 
0,1  */•  Sublimat,  nach  10  Minuten  l°/o  Carbolsäure  oder  l°/s  Lysol,  nach 
15—30  Minnten  ein  Gehalt  von  3°/o  Schmierseife  resp.  von  l°/o  Chlor- 
kalk, nach  5 Minuten  Schwefelsäure  (1:2000),  nach  30  Minuten  reine 
Salzsäure  (1:1000).  Essigsäure  wirkte  dagegen  bei  1:200  auch  nach 
einstündiger  Einwirkung  nicht  völlig  sterilisirend.  Sehr  empfindlich 
zeigten  sich  die  Postbacillen  sodann  gegen  direktes  Sonnenlicht  und 
Austrocknung;  sie  starben  in  gewöhnlichem  oder  sterilem  Wasser  aufge- 
schwemmt nach  einigen  Tagen  ab,  ebenso  in  autbewahrten  Organ- 
stücken.  Alle  einschlägigen  Versuche  zeigten,  dass  die  Pestbacillen 
nicht  ohne  Zutritt  des  atmosphärischen  Sauerstoffs  zu  wachsen  vermögen. 

In  diagnostisch  fraglichen  Fällen  kann  man  durch  einen  Ein- 
schnitt in  die  geschwollene,  noch  nicht  in  Eiterung  übergegangene 
Drüse  unbedenklich  das  für  bacteriologische  Untersuchung  erforderliche 
Tröpfchen  Drüsensaft  gewinnen.  Für  Auffindung  von  Pestbaeillon  in 
Bacteriengemischen  ist  vortrefflich  geeignet  das  Aufstreichen  des 
Materials  auf  der  Oberfläche  von  Gelatineplatten:  bei  22«  C wachsen 
hier  die  Pestbacillen  noch  recht  gut  im  Gegensatz  zu  manchen 
anderen  störenden  Organismen.  Tauben,  Hühner,  Gänse  und  Schweine 


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338 


überstanden  die  Infektion  viralenter  concentrirter  Pestbaeillensof- 
Bchwemmungen  reactionslos.  Weitere  Versuche  worden  an  Hunden, 
Katzen,  Affen,  Schafen,  Ziegen,  Kühen  und  einem  Pferde  gemzcht: 
die  Reaction  fehlte,  war  gering  oder  hochfieberhaft,  die  lokale  Infil- 
tration war  wenig  oder  stark  ausgeprägt  und  mit  Abscessbildung  ver- 
bunden, der  Eiter  steril,  seltener  pestbacillenhaltig.  In  dem  frischen 
Cadaver  einer  Ratte,  die  sich  in  der  Freiheit  inficirt  hatte,  waren 
grosse  Mengen  von  Pcstbacillen  nachweissbar ; Ratten  sind  für  die 
Pestbacillen  ausserordentlich  empfindlich  (S.  u.).  Die  Ausbreitung  der 
Seuche  hat  dank  den  ergriffenen  Maassregeln  dauernd  abgenornmen. 

Prof.  Koch,  Prof.  Gaffky  und  Dr.  Haffkine  konnten  eine  inter- 
essante Epidemie  in  der  portugiesischen  Stadt  Damaon  beobachten, 
welche  in  zwei  durch  einen  Fluss  getrennte  Tbeile  zerfällt.  Die  da- 
durch erleichterte  Absperrung  bewirkte,  dass  die  Pest  vollständig  auf 
den  nördlichen  Stadttheil  beschränkt  blieb;  der  Mensch  selbst  bildet« 
hier  den  1 räger  des  Pestcontagiums.  Die  Seuche  hielt  sich  hartnäckig 
an  die  menschlichen  Wohnungen,  schritt  hausweise  vor:  vielleicht 
spielen  die  Ratten  eine  Rolle  dabei.  Dem  Ausbruch  der  Pest  ging  «n 
vielen  Orten  eine  seuchenartige  Krankheit  und  massenhaftes  Sterben 
der  Ratten  voraus.  Die  grosse  Ausbreitung  der  Pest  unter  den  Ratten 
erklärt  sich  daraus,  dass  die  Thiere  an  Pest  erkranken,  wenn  sie. 
was  regelmässig  geschieht,  an  den  Cadavern  ihrer  an  Pest  verendeten 
Genossen  genagt  haben,  Thatsachen,  mit  denen  die  Bekämpfung  der 
Post  zu  rechnen  hat.  Die  Schutz  Wirkung  der  Haffkine'schen 
Impfungen  ist  eine  hohe,  aber  keine  absolute;  die  Wieder- 
holung der  Impfung  anscheinend  ohne  besonderen  Nutzen.  Das  Half 
kine'sche  Verfahren  müsste  noch  vervollkommnet  und  zwangsweise 
durchgeführt  werden,  sollte  es  zur  Bekämpfung  der  Pest  in  grösserem 
Umfange  dienen.  Wahrscheinlich  werden  aber  richtige  Diagnosen  der 
ersten  Fälle,  schleunige  Isolirang  der  Erkrankten  und  fortlaufende 
Beobachtung  der  Verdächtigen,  verbunden  mit  rationellen  Desinfek- 
tionsmaassregeln, zur  Bekämpfung  der  Pest  ausreichend  sein. 

Rieh.  Pfeiffer,  Cassel. 

In  Indien  nimmt  die  Pest  beständig  ab,  nur  aus  Puna  (Poonsh) 
wird  Ende  August  ein  Wiedoraufflackem  der  Seuche  berichtet.  Nach 
russischen  Berichten  soll  jedoch  die  Pest,  abgesehen  von  Fonnot-a, 
auch  im  eigentlichen  Japan  besonders  in  Nagasaki  ausgebrochcn 
sein,  sodass  ein  Uebergreifen  nach  dem  Hafen  Wladi wostock 
befürchtet  wird.  In  China  ist  die  Krankheit  im  Erlöschen  begriffen. 
Dagegen  wird  aus  Ostasien  und  Ostindien  eine  starke  Zunahme  der 
Todesfälle  und  Erkrankungen  an  Cholera  gemeldet. 


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B3Ö 


Herl-Bert. 

Neuere  Arbeiten  über  die  Beriberi. 

Referent:  Schenbe. 

1)  E.  ran  lMeren,  Beri-ßeri,  eene  rijstvorgiftiging. 

Amsterdam  1897. 

2)  F.  Grimm,  Klinische  Beobachtungen  der  Beri-Beri. 

Berlin  1897. 

Einen  weit  extremeren  Standpunkt  in  dieser  Frage  nehmen 
van  Dieren  (1.)  und  Grimm  (2.)  ein.  Ersterer  sieht  die  Beriberi 
für  eine  Reisvergiftung  an.  Er  stützt  seine  Behauptung  haupt- 
sächlich darauf,  dass  die  Krankheit  vorzugsweise  in  Ländern,  wo  Reis 
die  Hauptnahrung  bildet,  vorkommt,  dass  sie,  wie  Verfasser,  der 
niemals  in  einem  Beriberi-Laude  gewesen  ist  und  daher  die  Krank- 
heit nur  aus  der  Literatur  kennt,  wenigstens  annimint,  in 
ihren  Symptomen  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Ergotismus,  der 
Pellagra  und  der  Akrodynie  zeigt,  von  denen  die  erstereu  beiden  sicher, 
die  dritte  wahrscheinlich  durch  eine  Mehlvergiftung  zu  Stande  kommt, 
und  dass  wiederholt,  wie  in  der  niederländisch-indischen  Marine,  in  der 
japanischen  Marine,  in  japanischen  Gefängnissen,  in  britisch-indischen 
Gefängnissen  eine  Besserung  der  Ernährungsweise,  die  im  Wesentlichen 
in  einem  Ersätze  eines  Theiles  des  Reises  durch  andere  Nahrungsmittel 
bestand,  eine  Abnahme  oder  selbst  ein  Verschwinden  der  Erkrankungen 
zur  Folge  gehabt  hat.  Zur  Stütze  seiner  Behauptung  trägt  Verfasser 
aus  der  Literatur  Alles  zusammen,  was  sich  zu  Gunsten  derselben  ver- 
werthen  lässt,  ohne  jede  Kritik  alte  und  neue,  zuverlässige  und  werth- 
lose Arbeiten  und  Zeitungsnotizen  benutzend  — er  nennt  dies  die 
kritisch-historische  Methode.  Dass  gleichzeitig  mit  der  von  einer 
Besserung  des  Gesundheitszustandes  gefolgten  Besserung  der  Er- 
nährungsweise auch  eine  Besserung  der  sonstigen  hygienischen  Ver- 
hältnisse einherging,  dass  auch  nach  Einführung  der  ersteren  die  täg- 
lichen Rationen  der  Eingeborenen  auch  beträchtliche  waren  (in  der 
niederländisch-indischen  Marine  1 kg),  dass  in  den  Tropen  auch  die 
Europäer  ohne  Schaden  viel  Reis  verzehren  (in  Niederländisch-Tndien 
bei  der  täglichen  Reiskost),  dass  auch  in  Europa  selbst  viel  Reis  ge- 
nossen wird  und  doch  Beriberi  unbekannt  ist,  berücksichtigt  er  nicht 
ganz  abgesehen  davon,  dass  man  bisher  weder  beim  Reiskorn  eine  dem 
Mutterkorn  des  Roggens  ähnliche  Krankheit  kennt,  noch  aus  dem  Reise 
wie  aus  dem  Maiso  giftige  Stofte  dargestellt  hat  Mit  der  Thatsache, 
dass  Beriberi  auch  in  Ländern,  wo  kein  Reis  gegessen  wird,  oder  bei 
Personen,  die  keinen  Reis  genossen  haben,  auftritt,  findet  sich  Verfasser 
leicht  ab.  In  solchen  Fällen  handelt  es  sich  nach  seiner  Ansicht  gar 
nicht  um  Beriberi,  sondern  um  eine  Polyneuritis  aus  anderer  Ursache, 
oder  das  die  Beriberi  hervorrufende  Gift  kann  auch  aus  anderen  Mehl- 
sorten sich  entwickeln.  Wichtige  Thatsachen,  welche  nicht  zu  dieser 
Annahme  passen,  wie  das  Auftreten  der  Krankheit  in  bestimmten 
Zimmern  von  Casemen,  deren  Insassen  sämmtlich  die  gleiche  Nalirung 
erhalten,  die  Rollo,  welche  die  Acclimatisation  in  der  Aetiologie  der 


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340 


Beriberi  spielt,  der  Einfluss,  welchen  die  Versetzung  der  Kranken  nach 
Orten,  wo  Beriberi  nicht  vorkommt,  trotz  gleichbleibender  Nahrung,  aof 
den  Zustand  derselben  ausübt  u.  s.  w.,  lässt  er  ganz  unerörtert.  Van 
Dieron  wird  wohl  auch  in  Holland  nicht  ernst  genommen  werden. 
Von  einer  grossen  — Naivität  zeugt  auch  das  Motto,  welches  derselbe 
seiner  Arbeit  vorangestellt  hat  („Sie  blieben  auch  blickend  mit  Blind- 
heit geschlagen  und  sehen  die  Dinge,  nicht  ihre  Bedeutung“),  sowie 
überhaupt  der  ganze  Ton,  in  dom  das  Buch  geschrieben  ist. 

Anders  stellt  sich  zu  dieser  Frage  der  Verfasser  der 
jüngsten  Veröffentlichung  (2)  welcher  seine  Studien  in  Sapporo 
auf  Yezo  (Japan)  gemacht  hat.  Für  Grimm  gilt  der  ätio- 
logische Zusammenhang  zwischen  Nahrung  und  Beriberi  als  erwiesen, 
indem  er  eine  mit  ersterer  eingeführte  Schädlichkeit  als  die  Ursache 
der  letzteren  ansieht,  und  zwar  glaubt  er,  dass  besonders  die  Zo- 
bereitungsweise  der  Nahrung  in  Betracht  kommt,  und  denkt 
in  erster  Linie  an  den  Rohgenuss  mancher  Fischarten.  Stichhaltige 
Beweise  für  diese  Behauptung  werden  freilich  nicht  von  ihm  bei- 
gebracht. Eine  Erkrankung  an  Beriberi,  die  er  selbst  durchgemacht 
hat,  führt  er  auf  ein  japanisches  Mehl  zurück.  Im  Sommer  1888  er- 
krankte er  in  Sapporo  an  Unterleibstyphus,  an  den  sich  zu  Anfang  der 
zweiten  Krankheitswoche  Beriberi  anschloss.  Etwa  eine  Woche  vor 
Beginn  der  Erkrankung  hatte  er  in  einem  Fisclierstädtchen,  wo  damals 
eine  kleine  Typhus-Epidemie  herrschte,  eiue  japanisch  zubereitete 
Mehlspeise  eingenommen,  und  da  er  seitdem  nicht  wieder  auf  japanische 
Weise  gegessen  hatte,  glaubt  er,  durch  dieselbe  sich  gleichzeitig  Typhus 
und  Beriberi  zugezogen  zu  haben.  Eine  in  Berlin  bei  einem  Ost- 
asiaten, welcher  schon  früher  in  seiner  Heimath  an  Beriberi  gelitten 
hatte,  beobachtete  Erkrankung  soll  durch  den  Genuss  von  importirten 
Conserven  hervorgerufen  worden  sein.*)  Referent  ist  überzeugt,  dass 
Verfasser  für  diese  gewagten  Annahmen  nicht  viele  Anhänger  finden 
wird.  Da  seine  Auffassung  von  der  Aetiologio  der  Krankheit  der 
Ausgangspunkt  für  seine  Schlussfolgerungen  bildet,  so  entbehren  auch 
diese  einer  festen  Grundlage.  Während  eine  Erkrankung  an  Beriberi 
anhaltend  ist,  vermuthlich  durch  Exacerbationen  und  Itecidive,  sieht 
sie  Grimm  stets  als  Neuerkrankungen  durch  wiederholte  Aufnahme  der 

Noxo  an.  Ein  complieirter,  durch  einmalige  Einverleibung  der 
letzteren  bedingter  Fall  verlief  nach  seiner  Ansicht  in  seinen  späteren 
Perioden  ohne  Steigerung  der  Symptome  bei  der  Heilung.  Er  onter- 
scheidet  daher  unter  Verwerfung  der  von  anderen  Autoren  aufgestellten 
Krankheitsformen  1)  Beriberi  simplex,  die  einfache  Kr 
krankung  an  Beriberi  durch  einmalige  Aufnahme  des  Virus,  und 
2)  Beriberi  multiplicatum  oder  accumulatnm, 
welches  durch  Combination  mehrfacher,  auf  wiederholte  Aufnahme  des 
Virus  zurückzuführender  Erkrankungon  entsteht,  eine  Eintheilung,  die, 

*)  In  einem  vor  Kurzem  in  The  Lancet  abgedruckten  Briefe 
wurde  als  mögliche  Ursache  der  Beriberi  — Zinnvergiftung  hingestellt-' 

Ref 


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341 


Wenn  Verfassers  Voraussetzung  richtig  wäre,  eine  theoretische  Be- 
rechtigung hätte,  sich  aber  auch  dann,  weil  sie  die  verschiedensten 
Krankheitsbilder  zusaimnenwirft,  nicht  als  praktisch  erweisen  würde. 
Besonders  eingehend  beschäftigt  sich  G r i m m mit  den  Anfaugs- 
ymptomen  der  Krankheit  und  rechnet  Temperatursteigung  und 
Steigerung  der  Patellarsehnenreileie  während  der  ersten  Krankheitstage 
zu  den  constanten  Erscheinungen  derselben.  Jede  Temperatursteigerung 
im  Verlaufe  der  Krankheit  zeigt  nach  Verfassers  Ansicht  eine  Neu- 
erkrankung an,  und  fehlt  die  Steigerung  des  Patellarsehnenrefleze  zu 
Beginn  der  Krankheit,  so  soll  es  sich  um  einen  von  früherer  Er- 
krankung an  Beriberi  noch  nicht  frei  gewordenen  Körper  handeln. 
Ueber  eigene  histologische  Untersuchungen  verfügt  Grimm  nicht.  Das 
hält  ihn  aber  nicht  ab,  die  von  anderen  Forschern  gefundene  multiple 
Neuritis  für  eine  secundäre  Veränderung  zu  erklären,  die  mit  dem 
eigentlichen  Krankheitsprocesse  nichts  zu  thun  hat.  Nach  seiner  An- 
schauung ist  die  Beriberi  eine  Trophoneurose>  die  einige 
Analogie  mit  dem  Myxödem,  Morbus  Basedowi,  Morbus  Addisonii, 
Oedema  fugax  darbietet.  Wer  die  Beriberi  aus  eigener  Erfahrung 
kennt  und  sich  ein  eigenes  Urtheil  gebildet  hat,  wird  die  Grimm 'sehe 
Broschüre  nicht  ohne  Interesse  lesen,  auch  wenn  er  sich  mit  deren 
Inhalt  nicht  einverstanden  erklären  kann;  für  den  aber,  der  sich  erst 
mit  dieser  Krankheit  bekannt  machen  will,  ist  dieselbe  ungeeignet 


Dysenterie. 

Beitrag  zur  Bakteriologie  der  Ruhr  (aus  dem  bakteriologischen 
Laboratorium  des  Zuchthauses  zu  Gräfentonna)  von  Amtsphysikus  Dr. 
Pottien.  Hygienische  Rundschau,  1.  Juli  1897. 

Das  bakteriologische  Chaos  der  Ruhr  gleicht  in  mancher  Be- 
ziehung dem  des  Gelbfiebers.  Pottien  fügt  der  grossen  Zahl  der 
pathogenen  Mikroorganismen  der  Ruhr  einen  neuen  hinzu,  die  Stropto- 
thrix  dysenterica,  welche  derselbe  in  einem  Falle  von  Brechruhr  aus 
den  Exkrementen  gezüchtet  hat.  Morphologisch  entwickelt  sich  der 
Mikroorganismus  nach  Nährboden,  Temperatur  und  Luftzutritt  ver- 
schieden, die  charakteristische  Form  einer  Agar-  oder  Bouilloncultur 
sind  durcheinander  gewirrte  Fäden,  manchmal  knotig  oder  keulenartig 
verdickt  mit  wahren  Verzweigungen,  erst  durch  diese  Eigenthümlich- 
keit  ist  das  polymorphe  in  seiner  Entwicklung  bald  als  Bacillus  bald 
als  Vibrio  in  verschiedenen  Uebergangsformen  erscheinende  Ge- 
bilde klassifizirbar.  Durch  das  Thierexperiment  bei  Meerschweinchen 
und  fünfmonatliche  Fortzüchtung  will  P.  die  Identität  soines  St.  fest- 
gestellt  haben.  Man  vergleiche  mit  diesen  Beobachtungen  die  Studien 
Sanarelli’s  über  den  Gelbfiebererreger  (No.  IV  d.  Zeitschrift). 

M. 


Archiv  t Schiff«  u.  Tropenbyfricue. 


'24 


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342 


Gelbfieber. 

Dr.  W.  Havel  bürg.  Experiment,  und  anatom.  Untersuchungen  über 
«las  Wesen  und  die  Ursachen  des  gelben  Fiebors.  (Berl.  Klin.  W.  1897. 
No.  23,  24,  25,  26. 

Verf.  trat,  in  dem  Bestreben,  den  specifischen  Keim  des  Gelb- 
fiebers zu  finden,  zuerst  an  die  anatomische  Durchforschung  der  Gelb- 
fieberleiche heran.  Ausser  gelegentlichen  Untersuchungen  von  Organ- 
stücken führte  er  20  complete  Sektionen  in  Rio  de  Janeiro  aus,  wo 
er  im  Laboratorium  das  aus  dem  Hospital  Sao  Sebastfto  stammende 
Material,  auch  das  von  Kranken  entnommene  Blut,  verarbeitete.  Die 
pathologisch-anatomischen  Resultate  waren  in  Bezug  auf  den  Zweck 
der  Arbeit  eher  negativer  Art,  denn  die  gefundenen  Organver- 
änderungon bilden,  wie  Verf.  hervorhebt,  nichts  Typisches,  sondern 
legitimiren  sich  als  solche,  wie  bei  anderen  schweren  Infektionskrank- 
heiten vorkommende.  So  ist  für  die  Gelbfieberleber,  deren  Zellen  nur 
feinkörniges  Fett  enthalten,  der  Typus  einer  schweren  parenchy- 
matösen Hepatitis,  fettige  Degeneration  mit  Zellenkernschwund  in 
den  Nieren  ein  Analogon.  Die  Milz  ist  nicht  compromittirt  Blut- 
untersuchungen Kranker  ergaben  keine  Verschiebung  des  Verhältnisses 
der  weissen  zu  rothen  Blutkörperchen,  keine  formalen  Veränderungen, 
keine  Bildung  von  Blutplatten.  Das  Blutserum  enthielt  viel  Gallen- 
farbstoffe,  aber  kein  Haemoglobin.  Das  Leichenblut  erwies  sich  dünn- 
flüssiger. das  öftore  Ausbleiben  der  Gerinnung  und  die  braunrothe 
Farbe  des  Blutes  wird  Kohlensäureüberladung  zugeschrieben,  denn 
der  Tod  trat  unter  schwere  Dispnoe  ein.  Den  charakteristischen 
Magen-  und  Darminhalt,  sowie  die  parenchymatiösen  Trtibungon  und 
Haemorrhagien  in  der  Schleimhaut  des  Verdauungstractus,  beschreibt 
Havelburg  eingehend. 

Im  blutigen  Mageninhalt  schwerer  Fälle  von  Gelbfieber  — 
vomito  pato  — fand  Verf.  constant  einen  Mikroorganismus.  Sowohl 
das  Blut  Schwerkranker,  Meerschweinchen  inzjicirt,  wirkte  je  nach  der 
Dosis  entweder  tödtlich,  oder  hatte  schwere  Erkrankung  zur  Folge,  im 
Blute  fand  Havelburg  jedoch  den  erwähnten  Mikroorganismus  nicht. 
Injektionen  vom  Mageninhalt  (1  auf  400  Körpergewicht  der  Versuchs- 
thiere)  waren  für  Meerschweinchen  in  24  Stunden  stets  tödtlich  und 
Verf.  fand  denn  stets  im  Blute  der  Thiere  in  Reincultur  den  von  ihm 
als  Krankheitserreger  angesproclienen  Mikroben,  in  Form  eines  1 f1 
langen  und  0,3  m breiten  Stäbchens  mit  deutlichen  Polen,  ähnlich 
dem  der  Hühnercholera,  ohne  Eigenbowegung  und  Sporenbildung, 
fakultativ  anaerob  und  ohne  Vorfiüssigungstendenz  der  Nährböden. 
Von  der  Bacillencultur  ist  (subcutan)  1 cm  für  Meerschweinchen  todt- 
lich,  0,2  bei  intraperitonealer  Injection.  Sehr  empfänglich  ist  die 
Maus,  immun  das  Huhn.  Der  Bacillus  bildet  keinen  Giftstoff,  nur 
am  nichtfiltrirten  Bacillus  haftet  die  Wirkung.  Die  Virulenz  geht 
ohne  Thierpassagen  bald  verloren.  Verf.  vertheidigt  sich  gegen  die 
Annahme,  dass  sein  Bacillus  mit  Bacterium  coli  identisch  sei,  zieht 
dabei  aber  nur  morphologische  Unterschiede  heran,  er  stellt  ihn  zwischen 
Typhus  und  haemorrhagische  Septicaemieerreger. 


343 


Versuche,  welche  Havelburg,  analog  Pfeifter-Widal’s  Methode,  an- 
stellte,  ergaben,  das»  30  Gramm  Blut  vom  Schwerkrankon,  Meer- 
schweinchen injicirt,  diese  gegen  eine  solche  Injection  hochvirulenter 
Bacillenreincultur  schützte,  dessen  Hälfte  hingereicht  hatte,  vorher 
nicht  mit  diesem  Blut  vorpräparirte  Thiere,  in  bekannter  Weise,  zu 
tödten.  Havelburg  folgert  daraus: 

1.  „dass  der  beschriebene  Mikroorganismus  der  specifischo  Gelb 
fieberkeim  sei.“ 

2.  „Dass  wir  für  eine  zukünftige,  wirksame  Serumthorapie  oine 
solide  wissenschaftliche  Basis  haben.“ 

Wenn  auch  Manches  nicht  völlig  klar  gestellt  erscheint,  so  z. 
B.  der  Unterschied  vom  Colonbacillus,  dann  die  Giftigkeit  des  Blutes 
Gelbfieberkranker  ohne  Bacillengehalt  und  dessen  Zusammenhang  mit 
dem  giftigen  und  bacillenhaltigen  Mageninhalt,  dessen  Bacillen  allein 
giftig  wirken,  so  ist  die  Arbeit  doch  sehr  beachtenswerth  und  ernster 
zu  nehmen  als  frühere  gleichen  Vorwurfes.  Leider  ist  die  umfang- 
reiche Arbeit  in  ihrem  Aufbau  und  Ausdruck  wenig  übersichtlich  an- 
gelegt und  präcisirt.  Dr.  Carl  Däubler. 


Allgemeine  Werke. 

Scheube,  Dr.  B.,  D io  Krankheiten  der  warmen 
Länder.  Ref.  Rage  (Kiel). 

(Fortsetzung  und  Schluss.) 

Die  Krankheitserscheinungen,  die  der  Medinawurm  hervorruft,  ver- 
laufen unter  dem  Bilde  einer  furunkelähnlichen  Entzündung.  Selten 
worden  schondurch  die  Wanderungen  des  Wunnes  Empfindungen  erregt. 
An  der  Stelle  aber,  wo  der  Wurm  zum  Vorscheine  kommen  wird, 
können  schon  Wochen  lang  vorher  Schmerzen,  Jucken,  Brennen  oder 
Spannung  bestehen.  Das  Anwachsen  der  Geschwulst  ist  mitunter  von 
Erbrochen  und  Schüttelfrost  etc.  begleitet.  Auf  der  Anschwellung  bildet 
sich  bald  eine  Blase,  die  platzt  und  ein  rundes  Geschwür  mit  einem 
centralen  Loch  hinterlässt,  in  dessen  Tiefen  gewöhnlich  nach  einigen 
Tagen  der  Kopf  des  Wurmes  sichtbar  wird.  Wenn  nun  versucht  wird, 
den  Wurm  herauszuziehen  und  der  Wurm  dabei  abreisst,  so  entstehen 
leicht  Phlegmonen  und  Abscesse.  Wird  er  sich  Belbst  überlassen,  so 
geht  er  nach  16 — 20  Tagen  von  selbst  ab.  Zur  leichteren  Heraus- 
beförderung werden  von  Emily  Sublimatinjektionen  (1  Pravaz-Spritze 
einer  l°/oo  Lösung)  in  verschiedene  Stellen  der  von  dem  Wurm  ver- 
ursachten Schwellung  empfohlen.  Ist  der  Parasit  schon  hervorgetreten, 
so  wird  in  ihn  selbst  injicirt  und  er  soll  sich  dann  am  nächsten  Tage 
leicht  heraus  ziehen  lassen.  Der  Medinawurm  tritt  vorzugsweise  an 
den  Beinen  auf. 

5.  Die  Filaria-Krankheit.  Unter  dem  Namen  Filaria- 
Krankheit  wird  eine  Gruppe  in  gewissen  tropischen  und  subtropischen 
Ländern  endemischer,  scheinbar  heterogener  Krankheiten  zusammen- 
gefasat,  welche  vom  Lymphgefässsystem  ausgehen  und  auf  die  Anwesen- 
heit eines  Parasiten,  der  FHaria  Bancrofti,  zurückzuführen  sind.  Zu 

24* 


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344 


derselben  gehören  die  Haemato-Chylurie,  die  Elephantiasis  (Arabern), 
daa  Lymphsrcotum  und  noch  verschiedene  andere  Formen  von  Lympli- 
ektasie  und  Lymphorrhagie.  Die  Entdeckung  dieses  Parasiten  ist  aal 
Demarquay  1863  zurückznführen.  Die  Krankheit  kann  auftreten  in 
nachstehenden  Formen*). 

a.  Haemato-Chylurie.  Diese  tritt  in  der  Regel  anfallsweise  auf 
Die  Anfälle  halten  gewöhnlich  Wochen  bis  Monate  lang  an. 
Zwischen  denselben  liegen  freie  Intervalle  von  monate-  bis  jahre- 
langer Dauer,  in  denen  der  Harn  sich  vollkommen  normal  ver 
hält.  Wiegt  die  Haematurie  vor,  so  erscheint  der  Harn  meist 
pfirsichroth  und  trübe,  wiegt  die  Chyiurie  vor,  so  erscheint  der 
Harn  milchig  getrübt  mit  weisslichen,  gallertartigen  Gerinnseln. 
Manchmal  gerinnt  er  zu  einer  gallertartigen  Masse,  die  die  Form 
des  Gebisses  annimmt.  Der  Fettgehalt  des  Urins  wechselt 
zwischen  0,6—  3,3  °/o.  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
findet  man  die  später  zu  beschreibenden  Filaria-Embryonen  im 
Urin.  Die  Haemato-Chylurie  tritt  häufiger  bei  Farbigen  als  bei 
Weissen  auf. 

b.  Die  Elephantiasis  Arabnm,  deren  bekanntes  Bild  vomVerf. 
kurz  geschildert  wird. 

c.  Das  Lymphscrotum,  das  in  naher  Beziehung  znr  Elephantiasis 
scroti  steht  und  in  diese  übergehen  kann.  Hier  bilden  sich  auf 
dem  geschwollenen  und  gerötheten  Hodensack  — meist  unter 
Fiebererscheinungen  — Blasen  vom  Stecknadelkopf-  bis  Finger- 
gpitzengrösse,  die  aufbrechen  und  Flüssigkeit  entleeren.  Solche 
Anfälle  wiederholen  sich  mit  der  Zeit  immer  häufiger.  Die  aus- 
sickernde Flüssigkeit  gerinnt  an  der  Luft  und  enthält  Filaris- 
Embryonen. 

d.  Variköse  Leistendrüsen  werden  bei  Männern  öfters  als 
bei  Frauen  beobachtet.  Sie  werden  neben  anderen  Formen  der 
Filaria-Krankheiten  beobachtet,  können  aber  auch  das  einzige 
Symptom  derselben  bilden.  Dieselben  stellen  sackartige,  teigig« 
Schwellungen  dar,  Uber  denen  die  Haut  unverändert  ist.  Meist 
lässt  sich  eine  inguinale  und  femorale  Schwellung  unterscheiden. 
Aus  diesen  Schwellungen  kann  man  mit  der  Pravaz'schen  Spritze 
eine  milchige  Flüssigkeit  herausziehen,  die  Filaria-Embryonen 
enthält 

o.  Seltnere  Krankheitsformen.  In  manchen  Filaria-Ländem 
kommt  eine  Form  der  Orchitis  vor,  bei  der  Hoden,  Nebenhoden 
und  Samenstrang  plötzlich  unter  Fieber  und  Schmerzen  sn- 
schwollen  und  ein  Erguss  in  die  Scheidenhaut  statcfindet.  War 
der  Erguss  klar,  so  erfolgt  Resorption,  war  er  chylös,  so  bleibt 
er  bestehen  und  geht  dann  in  die  Chylocele  Uber,  die  sich  von 
der  Hydrocele  durch  ihre  Undurchsichtigkeit,  geringere  Spannung 
und  Gehalt  von  Filaria  - Embryonen  unterscheidet.  Vielleicht 
kann  die  Filaria  auch  einen  chylösen  Ascites  hervorrufen. 
Verf.  führt  ein  Beispiel  dafür  an. 

*)  VcrgL  das  Referat  über  die  Arbeit  Moncorvo'a  in  No.  3 des  Archiv». 


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345 


Der  reife  Parasit  selbst  non  gehört  zu  Jen  Nematoden 
und  ist  bis  jetzt  erst  einige  Malo  im  menschlichen  Körper  gefunden 
worden.  Verf.  giebt  eine  genauo  Beschreibung  von  ihm.  Regelmässig 
hingegen  werden  die  Embryonen  im  Harm  Blute  u.  g.  w.  gofunden.  Es 
sind  zarte,  durchscheinende,  cylindrisch  glatte  Gebilde  mit  abgerundetem 
Kopf  und  zugespitztem  Schwanzende.  Irgendwelche  Organe  lassen  sich 
in  ihnen  nicht  erkennen.  Sie  befinden  sich  fortwährend  in  schlängeln- 
der Bewegung  und  peitschen  namentlich  mit  dem  Schwänze  lebhaft 
unter  den  Blutkörperchen  umher.  Ihre  Grösse  schwankt  zwischen 
0.21 — 0,37  mm.  Verf.  giebt  sodann  Färbomethoden  an,  die  im  Original 
eingesehen  werden  mllssen. 

Die  Weiterentwicklung  der  Filaria  geht  nach  Manson  in  der  Art 
weiter  vor  sich,  dass  Mosquito -Weibchen  bei  Filaria-Kranken  Blut 
sangen:  damit  nehmen  sie  die  Embryonen  in  sich  auf,  verdauen  sie 
aber  nicht  alle,  sondern  im  Mosquito-Leib  wächst  ein  Theil  der 
Embryonen  zu  1,63  mm  langen  Würmern  aus.  Die  trächtigen  Mosquito- 
Weibchen  begeben  sich  dann  an  stagnirendes  Wasser,  um  ihre  Eier 
abzulegen  und  dann  zu  sterben.  Die  Fiiaria-Larven  machen  sich  frei, 
kommen  in’s  Wasser  und  wenn  dies  Wasser  getrunken  wird,  in  den 
Magen  des  Menschen.  Lenckart  verhält  sich  dieser  Theorie  gegenüber 
ablehnend. 

„Zwischen  der  Einwanderung  des  Parasiten  in  den  Menschen 
und  dem  ersten  Auftreten  der  Krankheit  liegt  oft  ein  langer  Zeitraum.1* 
Das  Leiden  kann  erst  nach  Jahren  zum  Ausbruch  kommen.  Höchst- 
wahrscheinlich ist  das  Lymphgefässsystem  der  Wohnsitz  der  Parasiten 
und  zwar  die  grösseren  Lymphstämme.  Bei  der  Haemato-Chylurie 
sitzen  die  Parasiten  wahrscheinlich  im  Ductus  thoracicus  und  seinen 
Wurzelstämmen.  Werden  diese  durch  die  Parasiten  verstopft,  so  tritt 
eine  Stauung  und  somit  Erweiterung  dieser  Ge  Risse,  schliesslich  ein 
Platzen  derselben  ein.  Wenn  in  dieser  Weise  vom  Hamapparat 
kommende  Lymphgofässe  betroffen  werden,  so  mischt  sich  der  chylöse 
Inhalt  derselben  dem  Urin  bei,  ebonso  das  beim  Bersten  der  Gefiisso 
ergossene  Blut.  „Indem  nun  der  gestaute  Inhalt  der  Lymph-  und 
Chylusgefässe  theils  auf  diese  Weise,  theils  durch  die  gebildeten 
Kollateralbahnen  eine  Ableitung  findet,  nimmt  die  Stammg  allmählich 
ab,  die  Ektasie  der  GeRisee  geht  zurück  und  infolgedessen  kommt  es 
schliesslich  zu  einem  Verschluss  der  zorrissenen  Gefässe.  Nun  sistiron 
die  abnormen  Abscheidungen. " Tritt  von  Neuem  eine  Stauung  ein, 
so  wiederholt  sich  das  Spiel.  Durch  Sektionen  konnte  übrigens  bis 
jetzt  der  Aufenthalt  der  Filaria  bei  Haemato-Chylurie  nicht  festgostellt 
werden.  Verf.  giebt  sodann  die  Beobachtungen,  die  bei  don  4 bis  jetzt 
gemachten  Sektionen  von  Haemato-Chylurie  gemacht  wurden. 

Boi  Elephantiasis  der  Beine  sitzen  die  Mutterthiere  wahr- 
scheinlich in  den  Lymphgefassen  in  der  Höhe  der  Leistendrüsen. 

Bei  Lymphscrotuin  und  varikösen  Leistendrüsen 
sitzen  die  Parasiten  wahrscheinlich  im  Ductus  thoracicus  ebenso  bei 
Orchitis  und  Chylocele  und  die  genannten  Affektionen  bilden  eine 
Fortsetzung  der  Lymphvaricen  des  Unterleibes  und  des  Beckens. 


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346 


Verf.  meint  nun  zwar,  dass  die  vorgenannten  Krankheiten  wie 
Chylurie,  Elephantiasis  and  Lymphorrbagie  aucli  durch  andere  Ursachen 
als  die  Filaria  hervorgerufen  werden  können , möchte  aber  die 
Embryonen  der  Filaria  doch  als  die  alle  anderen  überwiegende  kin- 
stellen.  Weiterhin  wird  die  bekannte  Thatsache  erörtert,  dass  die 
Embryonen  der  Filarüi  vorwiegend  bei  Nacht  im  Blute  gefunden  werden. 
Verf.,  der  alle  die  Erklärungsversuche  anführt,  die  gemacht  worden 
sind,  um  diese  Erscheinung  verständlich  zu  machen,  nimmt  selbst  an, 
dass  während  des  Schlafes  in  Folge  der  veränderten  Circulationsverhält- 
nisse  der  Einfluss  der  Lymphe  in’s  Blut  beschleunigt  wird  und  damit 
die  Embryonen  zahlreicher  in's  Blut  gelangen. 

Die  Prognose  der  Filaria-Krankheit  ist  nicht  ungünstig,  sie 
kann  jahrelang  bestehen,  ohne  das  Allgemeinbefinden  wesentlich  za 
beeinträchtigen.  Heilungen  kommen  selten  vor. 

Die  Prophylaxe  hätte,  die  Richtigkeit  der  Manson'schen  An- 
sicht vorausgesetzt,  darin  zu  bestehen,  verdächtiges  Wasser  zu  kochen 
oder  zu  filtriren. 

Die  Therapie  ist  ziemlich  machtlos.  Verf.  konnte  zwar  in 
einem  Falle  die  Parasiten  durch  pikrinsalpetersaures  Kali  tödten,  doch 
ist  damit  nicht  soviel  gewonnen,  denn  die  durch  die  Parasiteu  hervor- 
gerufenen Störungen  bleiben  nach  wie  vor  bestehen.  Manson  ist  sogar 
der  Ansicht,  dass  durch  den  Tod  derselben  Abscesse  horvorgerofen 
werden  können.  Bei  der  Haemato-Chylurie  ist  zunächst  Bettruhe  ange- 
zeigt,  bei  der  Elephantiasis  der  Beine  Hochlegung,  Massage,  Bäder, 
Ein  Wickelungen,  bei  Elephantiasis  scroti  operative  Eingriff.  Verf. 
giebt  eine  knrze  Beschreibung  der  letzteren. 

6.  Die  Ankylostomen-Krankheit.  Das  Ankylostomum 
duodenale  wurde  1838  von  Dubini  in  Mailand  entdeckt.  Es  findet  sich 
vorzugsweise  in  warmen  Ländern,  kommt  aber  auch  in  Deutschland 
(Ziegelarbeiter  am  Rhein)  vor.  Die  Naturgeschichte  des  Ankylostomum 
ist  im  Original  einzusehen.  Erwähnt  sei  nur,  dass  der  Schmarotzer 
sich  weniger  im  duodenum  als  vielmehr  im  jejunum  findet.  Die  Infek- 
tion kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  die  Ankylostomum-Larven  anf 
irgend  eine  Weise  in  den  Magen  und  Darm  des  Menschen  gelangen. 
Günstig  für  die  Uebertragung  sind  solche  Verhältnisse  die  es  mit  sich 
bringen,  dass  die  Exkremente  Ankylostomum-kranker  Menschen  nicht 
in  Latrinen  abgeführt,  sondern  in  der  Nähe  menschlicher  Wohnungen 
in  grösserer  Menge  zerstreut  werden  und  andere  Menschen  dann  mit 
einom  derart  inficirten  Boden  in  Berührung  kommon.  Das  Krankheits- 
bild der  Ankylostomiasis  ist  das  einer  mehr  oder  weniger  hochgradigen 
Anämie  mit  vorwiegenden  Erscheinungen  seitens  der  Vcrdauungs- 
orgaue.  Meist  ist  der  Beginn  schleichend.  Es  stellt  sich  Drnck  und 
Empfindlichkeit  der  Magongegend,  Heisshunger,  grosse  Begienle  nach 
nicht  essbaren  Dingen,  z.  B.  Kalk,  Kohle  etc.,  ein,  später  völlige 
Appetitlosigkeit,  Sodbrennen  und  Verstopfung,  die  später  in  Durch- 
fälle übergehen  kann.  Die  Stühle  haben  oft  eine  eigeuthämliche 
sebmutzigbrannrothe  Farbe,  welche  von  verändertem  Blutfarbstoff  her- 


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347 


rührt.  Sio  enthalten  Eier  in  Menge.  Dabei  bestellt  Herzklopfen  und 
die  Hant  der  Kranken  ist  erdfahl  wie  bei  Malaria  - Kacheric.  Die 
Prognose  ist  iin  allgemeinen  gut,  wenn  das  Leiden  nicht  schon  zu 
weit  vorgeschritten  ist.  Als  Abtreibungsmittel  hat  sich  namentlich 
Extr.  aether.  filic.  mar.  und  Thymol  bewährt.  Es  sollen  dabei  nicht 
Uber  10,0  von  erstorem  Mittel  gogeben  werden.  Die  Abtroibungskur 
soll,  wenn  sich  noch  Eier  in  den  nachfolgenden  Stühlen  finden,  nicht 
vor  Ablauf  einer  Woche  wiederholt  werden. 

7.  Seltener  vorkonunende  und  weniger  wichtige 
Parasiten.  Hier  sei  nur  der  Sandfloh  erwähnt,  der  1878  von  Süd- 
amerika aus  nach  Westafrika  verschleppt  wurde  und  sich  hier  un- 
glaublich schnell  verbreitet  hat.  Die  schuhetragenden  Europäer  haben 
weniger  als  die  Eingeborenen  von  ihm  zu  leiden.  Er  ist  etwa  halb  so 
gross  als  der  gewöhnliche  Floh  und  von  braunor  Farbe.  Die 
trächtigen  Weibchen  bohren  sich  mit  dem  Kopfe  in  die  Haut  ein 
und  schwellen  hier  in  Folge  der  zahlreichen  wachsenden  Eier  zu  einer 
weissen  Kugel  von  der  Grosse  einer  kleinen  Erbse  an,  an  welcher 
der  Kopf  nur  als  ein  kleines  braunes  Pünktchen  zu  erkennen  ist.  Der 
Schmerz  des  Einstiches  ist  so  gering,  dnss  er  meist  nicht  bemerkt 
wird.  Später  juckt  die  befallene  Stelle  und  entzündet  sich.  Haupt- 
sächlich befallen  wird  die  Fusssohle  und  die  Zehen  unter  dem  freien 
Nagelrando  auch  die  Digitoplantar-Fslten.  Der  Parasit  muss,  ohne 
verletzt  zu  werden,  mit  einer  Nadel  ausgeschält  werden.  Einreiben 
der  Füsse  mit  Copaiv-Perubalsam  oder  Einstreuen  mit  Insektenpulver 
soll  gegen  Infektion  schützen. 

IV.  Organerkrankungen. 

1.  Die  tropischen  Aphthen.  Unter  tropischen  Aphthen 
verstheht  man  eine  nur  in  warmen  Klimaten  vorkommende,  Uusserst 
chronisch  verlaufende  Krankheit,  welche  unter  den  Erscheinungen 
einer  eigenthümlichen  Mundaffektion  und  hartnäckiger  Diarrhoe  zu 
hochgradiger  Abmagerung  und  Anaemie  führt  und  in  vielen  Fällen 
einen  tödtlichen  Ausgang  nimmt.  Die  einen  Beobachter,  wie  van  der 
Burg  und  Manson,  sehen  dieselben  als  eine  Krankheit  sui  generis  an, 
während  sio  an  den  andeni,  so  auch  von  Fayer,  nicht  scharf  von  der 
chronischen  Diarrhoe  der  Tropenländer  geschieden  werden.  Sie  werden 
auf  den  Antillen,  dem  malayiBehen  Archipel,  in  Vorder-  und  Hinder- 
indien sowie  an  der  chinesischen  Küste  beobachtet,  ihre  Enstehungs- 
Ursache  ist  unbekannt.  Sie  werden  vorwiegend  bei  Europäern  be- 
obachtet, die  schon  lange  Zeit  in  den  Tropen  leben  und  sind  nicht 
ansteckend. 

Das  Leiden  beginnt  ausserordentlich  schleichend.  Stets  gehen 
der  Mundaffektion  die  Erscheinungen  eines  Magon-Darmkatarrhs  vor- 
aus. Es  zeigen  sich  an  der  Zungenspitze  und  den  -Rändern  kleine,  rotho 
Flecke,  die  sich  allmählig  vergrössern.  Die  Zunge  verliert  ihro 
normale  Rauhigkeit  und  bekommt  ein  rothes,  glattes,  trockenes, 
glänzendes,  wie  gefirnisstes  Aussehen.  Es  schiessen  kleine,  sehr  em- 


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348 


pfindlicbe  Bläschen  auf,  die  bersten  und  kleine  Excoriationen  Unter- 
lassen. Sprechen  und  Essen  sind  erschwert.  Die  Kranken  gehen  all- 
mählich an  dem  nebenbei  bestehenden  Magen-Darmkatarrh  zu 
Grunde.  Gewöhnlich  ist  eine  Verkleinerung  der  Leber  nachzuweisen. 
An  der  Leiche  findet  sich  eine  grosse  Anaemie  aller  Organe,  an  der 
Zunge  Mangel  des  Epithelüberzugeg  und  Obliteration  der  Zotten. 
Manchmal  finden  sich  Geschwüre  im  Darme.  Die  Prognose  ist 
immer  ernst.  Ist  die  Leber  bereits  verkleinert,  so  ist  Genesung  nur 
durch  Rückkehr  nach  Europa  zu  hoffen.  Als  Behandlung  ist  reine 
Milchdiät  und  wenn  diese  nicht  vertragen  wird,  Schleim-  oder  Mehl- 
suppe zu  verordnen.  Zur  gewöhnlichen  Kost  darf  erst  zurückgekehrt 
werden,  wenn  die  Kranken  etwa  3 Monate  lang  geformten  Stuhl 
gehabt  haben.  In  Niederländisch-Indien  wird  eine  Fruchtkur  (Ananas 
ausgeschlossen)  gerühmt  Ausserdem  ist  dem  Kranken  Wärme  und 
Ruhe  zu  verordnen,  Leibbinden. 

2.  Die  tropische  Dysenterie.  Die  Frage,  ob  die  tropische 
Dysenterie  identisch  mit  der  Ruhr  in  unseren  Breiten  ist,  lässt  der 
Verfasser  offen.  Ebenso  ist  er  der  Meinung,  dass  die  in  den  Stühlen 
Ruhrkranker  gefundene  Amoeba  coli  nicht  die  Erregerin,  sondern  nur 
eine  Begleiterin  der  Ruhr  sei.  In  der  pathologischen  Anatomie  der 
Ruhr  hält  sich  Vert.  an  Virchow,  der  eine  katarrhalische  und  eine 
diphtherische  Ruhr  unterscheidet  Klinisch  unterscheidet  Verf.  folgend« 
Formen. 

1.  Einfache  Dysenterie,  die  dadurch  charakterisirt  ist, 
dass  die  Stühle  aus  Schleim  und  Blut  bestehen  und  einzelne 
rotho,  weiche  Stückchen  (abgestosseno  Schleimhautfetzen) 
enthalten. 

2.  Die  brandige  Dysenterie,  die  dadurch  charakterisirt  ist, 
dass  die  Stühle  eine  braunrotbe,  schwärzliche,  schmierige 
Flüssigkeit  darstellen,  die  grössere  odeT  kleinere  Stücke 
brandig  abgestossener  Darmwand  enthalten.  Die  Zahl  der 
Entleerungen  kann  150 — 200  in  24  Stunden  betragen. 

3.  Die  chronische  Dysenterie  ist  dadurch  charakterisirt, 
dass  sich  nach  scheinbarer  Heilung  wiederholte  Rückfälle  ein- 
stellen, die  schliesslich  in  ein  chronisches  Stadium  überführen. 
Die  Darmentloerungen  können  sich  sehr  verschieden  verhalten. 
Sie  können  wässerig,  aber  auch  Schleim,  Blut  oder  Eiter 
oder  alles  drei  gemischt  enthalten. 

Als  Komplikationen  werden  am  häufigsten  entzündliche 
Erscheinungen  von  Seiten  der  Leber  beobachtet,  namentlich  Leber- 
abscesse,  ferner  Skorbut  und  Gelenkentzündungen,  die  ein  dem  ge- 
wöhnlichen Gelenkrheumatismus  ähnliches  Bild  darbieten.  Die  Pro- 
gnose ist  im  Ganzen  günstig  bei  der  einfachen  Form,  ungünstig  bei  der 
brandigen  und  bei  der  chronischen  unbestimmt.  Verf.  spricht  sich 
dafür  aus,  alles,  was  mit  dem  Kranken  in  nähere  Berührung  gekommen 
ist,  zu  desinficiren. 

In  der  Behandlung  zieht  Verfasser  das  Calomel  in  grossen 
Dosen  0,3— 0,5  alle  4—6  Stunden  gegeben  (im  Ganzen  genügen  nach 


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Verf.  Ansicht  durchschnittlich  3,0— 4,0)  der  Ipecacuanna  vor,  denn 
wenn  orsteres  versagte,  versagte  das  zweite  auch.  Bei  der  brandigen 
Form  sind  beide  unwirksam,  ebonso  bei  der  chronischen.  Wichtig  ist 
dabei  die  Diät  Bei  akuter  Dysenterie  darf  bis  zu  eingotretener 
Besserung  nur  flüssige  Nahrung  gereicht  werden.  Verf.  empfiehlt  zu- 
nächst Milch,  dann  Schleimsuppen.  Alkoholika  verbietet  er.  Bei 
chronischer  Dysenterie  ist  Milchdiät  und  Klimawechsel  angezeigt. 

3.  Die  Hepatitis  dor  warmen  Lündor  ist  Uber  die 
tropischen  und  subtropischen  Gebiete  von  Asien,  Afrika  und  Amerika 
verbreitet.  Die  Hauptursac.he  der  Hepatitis  ist  die  Dysenterie.  Wo- 
durch eigentlich  der  Leberabscoss  hervorgerufen  wird,  ob  durch  Amoeben 
oder  pflanzliche  Mikroorganismen  ist  noch  nicht  festgestellt  Dass 
Leberabscesse  im  Anschluss  an  dysenterische  Geschwüre  so  häufig  und 
im  Anschluss  an  andersartige  Geschwüre  so  selten  sind,  hängt  nach 
Macleod  damit  zusammen,  dass  die  dysenterischen  Geschwüre  mit  sub- 
muköser  Eiterung  verbunden  sind,  die  andern  nicht  Als  hauptsächlich 
praedisponirend  für  Erkrankungen  an  Leberabscessen  sieht  Verf.  den 
Alkoholmissbrauch  an  und  stützt  diese  seine  Ansicht  durch  die  Be- 
obachtungen, dass  Frauen,  Kinder  und  Eingeborene,  die  fast  gar 
keinen  Alkohol  gemessen,  sehr  viel  seltener  an  Leberabscessen, 
erkranken,  obgleich  sie  ebenso  häufig  als  die  Europäer  von  Dysenterie 
befallen  werden. 

Es  werden  einfache  und  multiple  Abscesse  beobachtet.  Am 
meisten  befallen  wird  der  rechte  Loberlappen.  Die  erstere  Form  ist 
die  häufigste.  Entstehen  kann  der  Abscess  plötzlich  durch  Fieber  und 
Schüttelfrost  Ausser  Schmerzen  und  Schwellung  in  der  Lebergegend 
ist  rechtsseitiger  Schultersc.hmerz  charakteristisch  für  den  entstehenden 
Abscess.  Die  Krankheit  kann  sich  aber  auch  schleichend  unter  un- 
bestimmten Symptomen  entwickeln  und  dann  ist  die  Diagnose  schwierig. 
Die  Sterblichkeit  unter  dem  englischen  Militär  betrug  nach  Fayers 
4,8  °/o— 6,7  V 

Verwechselt  kann  ein  Leberabscess  werden  mit  Intermittons, 
plenritischem  Exsudat,  subphrenischen  Abscess,  Bauch wandabscess, 
vereitertem  Echinococcensack  und  einer  Eiteransammlung  in  dor 
Gallenblase.  Unerlässlich  zur  Sicherung  der  Diagnose  ist  eine  Probo- 
punktion.  Die  Prognose  des  Leidens  ist  ernst,  verhältniBsmiissig 
günstig  nur  dann,  wenn  es  sich  um  einem  einfachen  Abscess  bei  einem 
kräftigen  Individuum  handelt  und  rechtzeitig  operirt  wird. 

Die  Therapie  muss  anfangs,  so  lange  noch  Aussicht  auf  Rück- 
bildung ist,  antiphlogistisch  sein.  Ist  durch  die  Probepunktion  Eiter 
nachgewiesen,  so  muss  der  Abscess  operativ  eröffnet  werden. 

4.  Die  Schlafsucht  der  Neger  wird  nur  bei  den  Negern  der 
westafrikanischen  Küste  beobachtet  und  führt  früher  oder  später  zum 
Tode.  Anfangs  besteht  Schläfrigkeit,  die  bald  in  Schlafsucht  über- 
geht. Die  Kranken  taumeln  wie  Betrunkene,  es  tritt  manchmal  Fieber 
auf,  Tremor,  Ataxie,  auch  Lähmung  einer  oder  der  anderen  Seite. 
Schliesslich  besteht  tiefe  Somnolenz,  sodass  die  Kranken  unter  sich 


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lassen.  Dabei  sind  an  den  inneren  Organen  keine  Störungen  naciizn- 
weisen.  Mauthuer  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Schlafsucht 
der  Neger  Aehnlichkeit  mit  VVeruickes  akuter  Poliencephalitii 
superior  hat. 

Die  Aotiologie  ist  völlig  dunkel,  die  Therapie  machtlos. 

5.  Das  Amok-Laufen  der  Malayen  besteht  in  einer 
psychischen  Störung,  bei  welcher  der  Befallene  plötzlich  mit  ge- 
schwungenem Kris  durch  die  belebtesten  Strassen  der  Städte  oder 
Dörfer  rast  und  alles  Lebendige,  was  ihm  in  den  Weg  kommt,  nieder- 
stösst.  Das  Amok-Laufen  ist  der  malayischen  Rasse  eigentümlich. 
Bei  Frauen  tritt  es  so  gut  wie  nie  auf.  Dem  Anfalle  geht  ein  stupo- 
röser  Zustand  vorauf.  Die  Kranken  meiden  allen  Verkehr  und  brüten 
vor  sich  hin.  Unmittelbar  vor  dem  Anfall  wird  ihnen  alles  schwan 
oder  roth  wie  Blut  vor  den  Augen,  sie  sehen  Thiere  und  Teufel,  die 
sie  durchstechen,  dann  wissen  sie  nichts  mehr.  Für  die  Dauer  de* 
Anfalls  besteht  Amnesie.  Als  Gelegonheitsursachen  werden  Gomüths- 
erregungen  und  fieberhafte  Krankheiten  angegeben.  Manchmal  wir! 
Amok  simuliert.  Mit  übermässigem  Opium-  oder  Alkoholgenuss  hat  das 
Amok-Laufen  nichts  zu  thun.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  eine 
psychische  Epilepsie. 

.Eine  wichtige  Rolle  spielt  hierbei  die  geringe  Beherrschung 
von  Leidenschaften  und  Neigungen,  welche,  grossentheils  eine  Folge 
ihrer  geringen  Bildung  und  unzweckmitssigen  Erziehung,  wie  über- 
haupt ein  abnorm  erregbares  Nervenleben  den  Malayen  eigentümlich 
ist,  u.  a.  bei  Bestrafungen  an  Kindern  täglich  beobachtet  werden  kann. 
Als  weitere  begünstigende  Momente  kommen  hierzu  die  Thatsacken, 
dass  diese  Personen  dem  Leben  ihrer  Mitmenschen  sehr  wenig  Werth 
beilegen,  ein  Beispiel,  dass  sie  von  jeher  an  erster  Stelle  bei  ihren 
eigenen  Fürsten  täglich  vor  Augen  hatten,  und  dass  sie  immer  Waffen 
tragen  und  daher  leicht  in  dio  Möglichkeit  kommen,  von  denselben 
Gebrauch  zu  machen  ....  Von  grosser  Wichtigkeit  ist  die  Frage 
nach  der  Zurechnungsfähigkeit  der  Amok-Läufer.  Man  kann  van  Brero 
nur  beistimmen,  wenn  er  fordert,  dieselbe  nicht  generell  zu  bejahen, 
Bondern  jeden  einzelnen  Fall  für  sich  zu  betrachten,  wozu  natürlich 
unmittelbar  nach  dem  Anfalle  eine  Untersuchung  vorzunehmen  nöthig 
ist ; neben  Fällen,  in  denen  Besinnungslosigkeit  besteht,  könneu  auch 
solche  Vorkommen,  wo  die  Zurechnungsfähigkeit  vorhanden  oder  nur 
vermindert  ist.  Auch  Ellis  giebt  zu,  dass  der  Amok-Läufer  manchmal, 
weil  er  zu  sterben  wünscht,  sieh  mit  Willon  dem  freien  Spiele  seiner 
Leidenschaften  überlässt,  wo  er  sich  zügeln  könnte,  obwohl  er  weis*, 
dass  das  Endo  Amok  sein  wird,  und  will  ihn  in  solchem  Falle,  wenn 
er  auch  auf  der  Höhe  des  Zustandes  sich  seiner  Handlungen  nicht 
mehr  bewusst  sein  mag,  für  diese,  in  gewissem  Maase  wenigstens,  ver- 
antwortlich machen,  ebenso  wie  jemanden,  der  sieb  vorsätzlich  be- 
trinkt und  dann  in  blinder  Trunkenheit  ein  Verbrechen  begeht,  de"11 
er  muss  sich  vollkommen  darüber  klar  sein,  was  wahrscheinlich  die 
Folge  seiner  ersten  Handlung  sein  wird.“ 


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6.  Die  L n t a h - K ra  n k h u i t ist  eine  in  Niederländisch-Indien 
verkommende  cerebrale  Neurose,  bei  welcher  die  Kranken  gegen  ihren 
Willen  Bewegungen  ausführen  und  Laute  und  Wörter  von  sich  geben 
Diese  Bewegungen  werden  von  unzusammenhängenden  Lauten  oder 
Wörtern,  meist  gebräuchlichen  Ausrufen,  öfters  aber  von  obscönen 
Ausdrücken  begleitet  und  werden  durch  Schreck  oder  Echokinesie 
aasgeübt,  d.  h.  die  Kranken  machen  jede  Bewegung,  die  man  ihnen 
Vormacht,  sofort  nach.  Dabei  bestellt  manchmal  Paraphasie.  Das 
Bewusstsein  ist  ungetrübt,  Epilepsie  und  Hysterie  nicht  nachweisbar. 
Es  spielt  aber  Erblichkeit  eine  grosse  Rolle.  Meist  sind  Frauen  be- 
fallen. Das  Leiden  kann  Jahrzehnte  bestehen  und  scheint  unheilbar 
tq  sein,  van  Brero  definirt  die  Krankheit  als  provocirte  imitatorische, 
impulsive  Myospsie.  Die  Bewegungen  erfolgen  ganz  ungewollt;  trotz 
energischer  Anstrengung  sind  die  Patienten  ausser  stände,  dieselben 
zurückzuhalten.  Es  handelt  sich  offenbar  um  Personen,  deren  WiJlo 
geschwächt  ist  Die  Schwächung  des  Willens  bringt  van  Brero  mit 
der  mangelhaften  Clmrakterentwickelnng  der  Malayen  und  ihrem 
labilen  Nervenleben  in  Zusammenhang,  welche  man  als  eino  Folge  der 
unterdrückten  Stellung,  in  welcher  dieselben  stets  gehalten  worden 
sind,  anzusehen  hat. 

V.  Aeussere  Krankheiten: 

1.  Der  rothe  Hund  wird  kurz  geschildert  und  dio  selbst- 
verständlichen Verhaltungsmaassregeln  und  Medikamente  für  die  Be- 
handlung angeführt.  Merkwürdig  ist,  dass  Sublimat  (1  : 1000),  das  so 
sehr  leicht  Ekzem  hervorruft,  zu  Waschungen  empfohlen  worden  ist.  (Ref.) 

2.  „Tinea  imbricata“*)  nennt  Manson  eine  vorzugsweise  im 
malayischen  Archipel  und  auf  den  Inseln  der  Südsee  vorkommende, 
mit  dem  herpes  tonsurans  verwandte  Hautkrankheit,  die  durch  einen 
bestimmten , von  trichophyten  tonsurans  verschiedenen  Pilz  hervor- 
gerufen wird.  Die  Einzelheiten  hierüber  sind  im  Original  nachznleson. 
Ref.  erscheint  die  Trennung  der  tropischen  tinea  imbricata  von  dem 
heimischen  herpes  tonsurans  noch  nicht  bewiesen,  zumal  herpes 
tonsurans  auch  in  unseren  Breiten  in  der  Form  der  tinea  imbricata 
beobachtet  wird. 

3.  M al  del  pinto  ist  eine  namentlich  im  tropischen  Amerika 
vorkommende  Dermatomykose,  welche  sich  in  dom  Auftreten  ver- 
schiedenfarbiger, den  Kranken  ein  scheckiges  Aussehen  verleihender 
Flecken  äussert  und  ohne  Störungen  des  Allgemeinbefindens  einhergeht. 
Die  Krankheit  entwickelt  sich  allmählich.  Es  bilden  sich  auf  un- 
bedeckten Körportheilen,  wie  im  Gesicht  und  an  den  Händen,  kleine 
Flecke,  die  sich  vergrössern,  zusammonfiiessen  und  hellgrau  bis  schwarz, 
blau,  roth  oder  weise  sein  können.  Im  Anfang  zeigen  die  Flocke  nur 
ei  ne  Farbe,  später  können  verschiedenfarbige  neben  einander  bestehen. 
Es  tritt  Jucken  auf,  das  in  der  Bettwäruiu  zunimmt,  und  die  Flecken 


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zeigen  dann  eine  kleieuibruiige  Abschuppung.  Die  Kranken  verbreiten 
einen  widerlichen  Geruch  und  erinnern  in  ihrem  Aussehen  nicht  selten 
an  bemalte  Circusclowns.  Die  Krankheit  wird  angeblich  durch  einen 
Pilz  hervorgerufen.  Als  Mittel  werden  dagegen  empfohlen : Chrysorabin, 
Naphthol,  Schwefel. 

4.  Unter  dem  Namen  endemische  B e u le n k rankheit 
versteht  Verf.  die  unter  vielen  Namen  bekannto  Orientbeule,  die  sich 
in  den  tropischen  und  subtropischen  Ländern  der  östlichen  Halbkugel 
weit  verbreitet  vorfindet.  Es  findet  sich  diese  Beulenkrankheit  nicht 
überall  in  diesem  Gebiet,  sondern  da  wieder  nur  auf  bestimmte  Städte 
und  Distrikte  beschränkt.  Die  Krankheit  ist  ansteckend  und  das 
Contagium  in  dom  Sekret  der  Geschwüre  vorhanden.  Trotzdem  erfolgt 
dio  Uebertragung  für  gewöhnlich  nicht  von  Mensch  auf  Mensch)  sondere 
der  Krankheitserreger  vegetirt  irgendwo  im  Boden.  Hierfür  spricht 
das  Gebundensein  an  bestimmte  Oertlichkeiten.  Capus  behauptet,  dass 
Fliegen  als  Zwischenträger  dienen.  Die  Inkubationsdauer  schwankt 
zwischen  Tagen  und  Monaten.  Nach  Impfung  beträgt  die  Inkubations- 
dauer 10 — 12  Tage.  Einheimische  werden  häufiger  als  Fremde  befallen. 

Die  Krankheit  beginnt  als  kleiner,  rother  Fleck,  der  einem 
Mosquitostich  ähnelt.  In  der  Mitte  desselben  bildet  sich  ein  kleines 
Knötchen,  das  langsam  an  Umfang  zunimmt.  Nach  monatelangem 
Bestehen  sickert  aus  seiner  Oberfläche  eine  dünne  Flüssigkeit,  die  zu 
einer  gelblichen  Kruste  eintrocknet.  Fällt  sie  ab  oder  wird  sie  entfernt 
so  zeigt  sich  unter  ihr  ein  kleines,  rundes  Geschwür,  und  dies  vergrössert 
sich  allmählich.  Es  kann  einen  Durchmesser  von  8 — 10  cm  erreichen. 
„Seine  Ränder  sind  scharf,  senkrecht  und  zackig,  wie  ausgefressen, 
sein  Grund  uneben  und  höckerig  und  seine  Umgebung  nicht  entzündet 
oder  indicirt.  Es  liefert  ein  bald  reichlicheres,  bald  spärlicheres 
sero-purulentes  Sekret,  welches  manchmal  zu  einer  dicken,  gelblichen 
oder  schwärzlichen  Kruste  eintrocknet.  Bisweilen  fällt  diese  nicht  ab, 
sondern  bleibt  bis  zur  erfolgten  Heilung  sitzen;  es  bildet  sich  dann 
eine  runde  oder  ovale,  konzentrisch  geschichtete,  bis  1 cm  dicke  Borke, 
welche  an  rupia  syphilitica  erinnert.  Nachdem  das  Geschwür  ge- 
wöhnlich mehrere  Monate  bestanden  hat,  ohne  auf  dio  tieferen  Gewebe 
Uberzugehen,  erscheinen  im  Grunde  desselben  gesunde  Granulationen, 
und  es  tritt  eine  langsame  Vernarbung  ein,  was  in  der  Regel  wieder 
Monate  in  Anspruch  nimmt. “ 

Dio  Beulen  entwickeln  sich  namentlich  an  den  unbedeckten 
Körperstellen.  Das  Knötchen,  welches  der  endemischen  Beule  za 
Grunde  liegt,  gehört  histologisch  zu  den  Granulationsgeschwülsten. 
Als  Prophylaxe  wird  äusserste  Reinlichkeit  empfohlen.  In  der  Therapie 
wird  von  den  Meisten  exspectactive  Behandlung  nngcrathen.  Namentlich 
soll  man  die  Kruste  nicht  von  dem  Geschwür  entfernen,  weil  es  unter 
dieser  gut  zu  heilen  pflegt, 

6.  Den  tropischen  Phagedänismus  hält  Verf.  nicht  filr 
eino  Krankheit  sui  generis,  die  dabei  gefundenen  Mikroorganismen 
sieht  er  als  sekundäre  Eindringlinge  an.  Eine  wichtige  Rollo  bei  der 


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Entstehung  spielen  mangelhafte  Nahrung,  schlechte  Wohnung,  Un- 
reinlichkeit, übermässige  Anstrengungen  und  vorausgegangene  oder 
noch  bestehende  Krankheiten,  wie  Malaria,  Dysenterie  und  Skorbut 

Der  Phagedänismus  nimmt  seinen  Ausgang  für  gewöhnlich  an 
kleinen  Verletzungen  an  don  unteren  Extremitäten. 

Die  Therapie  must  zunächst  eine  roburirende  sein,  örtlich  sind 
Kauterisationen  eventuell  Amputationen  vorzunehmen.  Klimawechsel 
soll  einen  günstigen  Einfluss  ausüben. 

6.  Die  Ohrgeschwulst  am  Nepal  und  7.  die  Nasen- 
geschwulst der  Elfenbeinküste,  von  denen  erstore  Kindskopf- 
grösse, letztere  Strausseneigrösse  erreiche«  kann,  sind  im  Original 
nachzusehen. 

8.  Der  Madura-FusB  findet  Bich  vornehmlich  in  Indien.  Be- 
fallen wird  hauptsächlich  einer  der  beiden  FüBse,  seltener  findet  sich 
die  Krankheit  an  einer  Hand.  Es  bilden  sich  im  Unterhautzellgewebe 
der  Fugssohle  erbsen-  bis  haselnnssgrosse,  harte,  schmerzlose  Knoten, 
die  sich  zuspitzen,  aufbrechen  und  eine  gebliche,  stinkende  ölige 
Flüssigkeit  entleeren.  Ist  die  Krankheit  weiter  fortgeschritten , so 
erscheint  die  Fusssohle  convex,  der  Fuss  eiförmig,  mit  Höckern  und 
Knoten  besetzt,  zwischen  denen  sich  zahlreiche  Fisteln  finden,  die  mit 
blassen,  wenig  empfindlichen  und  wenig  blutenden  Granulationen  um- 
geben sind.  Führt  man  in  eine  solche  Fistel  eine  Sonde  ein,  so  stösst 
man  überhaupt  auf  keinen  Widerstand  mehr,  weil  die  Knochen  zerstört 
sind.  Der  ganze  Fuss  ist  zu  einer  gallertigen  Masse  geworden.  — In 
der  aus  den  Fistelgängen  entleerten  Flüssigkeit  finden  sich  graue  oder 
gelbliche,  bald  schwärzliche  Körperchen,  die  grieskorn-  bis  stecknadel- 
kopfgross  sind  und  aus  einem  dicht  verfilzten  Mycelium  bestehen. 
Nur  am  Rande  lassen  sich  einzelne  schmale  Fäden  erkennen,  deren 
Aestchen  strahlenförmige  Anordnung,  wie  bei  Actinomyces,  zeigen, 
ihnen  aber  die  keulenförmigen  Endglieder  fehlen.  Dies0  Pilze  sind 
als  die  Erreger  der  Krankheit  anzusehen. 

Schmerzen  fehlen  in  der  Regel.  „Der  grosse,  unförmliche  Fuss 
steht  in  seltsamem  Kontraste  mit  dem  abgemagerten,  fast  nur  aus  Haut 
und  Knochen  bestehenden  Beine.  Die  Leistendrüsen  der  kranken 
Seite  fand  Collas  stark  angeschwollen,  sehr  hart,  aber  schmerzlos.“ 
Der  Krankheitsverlauf  ist  sehr  chronisch  und  kann  sich  Uber  10  bis 
20  Jahre  hinziehen. 

„Macht  man  einen  Schnitt  durch  einen  Fuss  oder  andern  Körper- 
theil,  welcher  die  Krankheit  in  ihrer  vollen  Entwicklung  zeigt,  so 
erscheinen  unter  der  verdickten  Haut  alle  Gewebe,  sowohl  das  Binde- 
gewebe als  die  Muskeln  und  Knochen,  in  eine  gleichartige,  zähe,  gallert- 
artige Masse  von  grauer  oder  röthlicher  Farbe  umgewandelt,  so  dass 
man,  ohne  wesentlichen  Widerstand  zu  finden,  mit  dem  Messer  don 
erkrankten  Theil  nach  allen  Richtungen  hin  zerschneiden  kann.  Die 
gallertartige  Masse  ist  von  zahlreichen  kugligen  Cysten  durchsetzt, 
und  von  diesen  gehen  wieder  verzweigte  und  vielfach  anastomosirende 
sinuöse  Kanäle  aus,  welche  theils  blind  enden,  theils  durch  die  Haut 


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sich  nach  aussen  öffnen.  Cysten  sowohl  als  Kanäle  sind  erfüllt  mit 
eigcnthümlichen,  als  maulbeerförmige  Körper  bezeichnten  Pilzmassea, 
die  sich  bei  genauer  Untersuchung  als  Aggloraerate  der  oben  be- 
schriebenen Körperchen  erweisen.“ 

Dass  Europäer  von  dieser  Krankheit  nicht  befallen  werden, 
liegt  darin,  dass  sie  Schahwerk  tragen.  Denn  die  Erkrankung  an 
>Madura-Fuss  schlieBst  sich  an  kleinere  oder  grössere  Vorletzungen  an. 
Die  Behandlung  ist  chirurgisch. 

9.  A i n h u m ist  eine  vorwiegend  bei  den  Negern  der  afrikanischen 
Westküste  vorkommende  Krankheit,  die  darin  besteht,  dass  einzelne 
Zehen  — namentlich  aber  die  kleinen  Zehen  — durch  eine  ringförmige 
Falte,  die  sich  in  Höhe  der  plantaren  Schwimmhaut  entwickelt,  ab- 
geschnürt und  schliesslich  abgelöst  werden.  Es  ist  ein  ausgesprochenes 
Lokalleiden,  das  sich  Uber  5—10  Jahre  hinziehen  kann.  Die  pathologisch- 
anatomischen  Untersuchungen  haben  bis  jetzt  wenig  Uebereinstimmendes 
ergeben.  Die  Aetiologie  ist  völlig  dunkel.  Von  den  Einen  wird  die 
Krankheit  für  eine  Trophoneurose , von  Anderen  für  eine  lineare 
Sclerodermie  gehalten.  Dio  Behandlung  ist  chirurgisch. 

Wie  das  vorstehende  Referat  zeigt,  ist  in  dem  ScheubeVhen 
Werke  eine  grosse  Fülle  von  Material  verarbeitet  worden.  Leicht  ist 
die  Bearbeitung  dieses  Materials  nicht  gewesen,  denn  jeder  Autor,  der 
über  irgend  eine  Troponkrankheit  geschrieben  hat,  hat  fast  immer  eint 
andere,  wenn  nicht  gerade  die  entgegengesetzte  Ansicht  von  dem,  der 
denselben  Gegenstand  vor  ihm  bearbeitete.  Der  Verf.  hat  cs  ver- 
standen, aus  diesen  Widersprüchen  ein  verständliches  Ganzes  zu  schaffen, 
indem  er  dio  einzelnen  Ansichten  in  der  objektivsten  Weise  neben 
einanderstollt  und  bespricht,  so  dass  der  Leser  sich  stets  selber  ein 
Urtheil  auf  Grund  der  vorgetragenen  Ansichten  bilden  kann.  Es  ist 
ihm  dies  um  so  eher  möglich,  als  alle  die  Beobachtungen,  aus  denen 
die  einzelnen  Ansichten  gewonnen  wurden , gewissenhaft  angefflhrt 
sind.  Das  Scheube’sehe  Buch  ist  als  eine  Ergänzung  der  bekannten 
historisch-pathologischen  Geographie  von  Hirsch  anzusehen,  und  es  ist 
nur  wünschenswert!),  dass  der  ersten  bald  eine  zweite  Auflage  folgt 

Eins  möchte  aber  der  neuen  Auflage  hinzugefügt  werden:  Ab- 
bildungen der  besprochenen  Parasiten. 

Rüge  (Kiel). 


III.  Pharmakologische  Mittheilungen. 

Jeder  Arzt,  welcher  in  den  Tropen  praktizirt  hat,  weiss,  wie 
sehr  Pflaster  in  den  Tropen  dem  Verderben  ausgesetzt  sind.  Pflaster- 
rücken und  Schutzgaze  unter  dem  Einfluss  der  hohen  Temperatur  sind 
bald  durch  den  Klebstoff'  so  innig  zusammen  gebacken,  dass  eine 
Trennung  unmöglich  oder  unter  Zordrückung  der  Klebeschicht  möglich 
ist,  oft  aber  auch  ist  die  Klebekraft  verloren  gegangen.  Die  Schutz- 
gaze fällt  beim  Auseinanderrollen  des  Pflasters  ab,  und  selbst  durch 
Erwärmen  ist  das  Pflaster  nur  mangelhaft  klebfähig  zu  machen.  Mit 


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der  zunehmenden  Anwendung  medikamentöser  Pflaster  und  Pflastor- 
mullen  in  der  Behandlung  von  Hautkrankheiten  nun  sind  diese  Uebol- 
stände  schwerwiegender  geworden  und  haben  die  Aorzte  in  heissem 
Klima  gegen  die  Pflastertherapie  eingenommen. 

Um  die  Haltbarkeit  der  medikamentösen  Pflaster  zu  prüfen, 
hatten  wir  im  Februar  und  März  d.  J.  an  verschiedene  Aerzte  in  den 
Tropen  in  Blechbüchsen  verpackte  Pflastormulle  der  Firma  Beiers- 
dorf & Co.  in  Hamburg  versandt  und  um  Bericht  Uber  die  Brauchbarkeit 
derselben  sowie  Rücksendung  eines  Probestückchens  gebeten.  Zwei 
Antworten  sind  jetzt,  Mitte  August,  eingegangen,  nämlich  von  den 
Herren  Dr.  Glogner  in  Samarang  (Java)  und  Dr.  Klee  in  Pitas  (Britisch 
Nord  - Borneo).  Beide  Herren  haben  besonders  das  Collemplastrum 
hydrargyri  carbolisatum  und  das  Collemplastrum  chrysarobini,  orsteres 
gegen  Furunkulose,  letztere  gegen  parasitäre  und  seborrhoische 
Ekzeme  u.  dergl.  verwandt  und  sprechen  sich  Uber  die  Klebfähigkoit, 
Haltbarkeit  und  Wirkung  dieser  Pflastermüde  sehr  befriedigt  aus. 
Die  Probestücke  sind  im  Juni  bez.  Juli  einfach  in  Papier  geschlagen 
durch  Brief  nach  Deutschland  zurückgesandt,  haben  aber  auch  diese 
ungünstigen  Transportbedingungen  ohne  Einbusse  ihrer  Eigenschaften 
ertragen,  wie  Referent  in  praktischer  Anwendung  an  Kranken  fest- 
stellen konnte.  M. 

Die  weltbekannte  Firma  E.  M erc k - Darm s t ad t ist  augen- 
blicklich mit  einem  Werk  in  die  Ooffentlichkeit  getreten,  welches  so- 
wohl von  dem  Arzt,  als  auch  Apotheker  und  Medicinaldrogisten  auf 
das  Freudigste  bogrüsst  werden  wird.  Betitelt  ist  dasselbe:  „Ver- 
zeichn iss  silmmtlicher  Präparate,  Drogen  und  Mineralien  mit  Erläute- 
rungen“; es  enthält  in  änsserst  kurzor,  bestimmter  Form  alles  das,  was 
der  Arzt,  Apotheker  oder  Drogist  Uber  den  betreffenden  Körper  wissen 
muss.  Wahrlich  keine  kleine  Aufgabe,  die  sich  die  Firma  hior  gestellt 
und  in  äusserst  glücklicher  Weiso  auch  gelöst  hat,  wenn  man  bedenkt, 
dass  gerade  in  der  jetzigen,  nach  stets  Neuem  strebenden  Zeit,  wo  fast 
kein  Tag  vergeht,  an  dem  nicht  ein  oder  gur  mehrere  neue  Präparate 
das  Licht  der  Welt  erblicken,  das  Werk  alle  bis  zum  Erscheinen  des- 
selben dargestellte  chomische  Präparate  enthält.  Boi  jedem  einzelnen 
derselben  findet  man  zunächst  seine  chemische  Formel,  dann  die  Art 
und  Dose  der  Anwendung,  selbstverständlich  bei  dem  starkwirkenden 
Mittel  Maximaldose  und  Gegengifte,  ferner  bei  denjenigen  Körpern, 
nach  deren  Einnahme  charakteristische  Merkmale  auftreten,  diese  an- 
gegeben. In  einer  zweiten  und  dritten  sich  anschliessenden  Abtheilung 
sind  dann  in  ähnlicher  Weise  die  Drogen  und  Mineralien  abgehandelt, 
an  die  sich  endlich  noch  ein  Anhang,  Verzeichnisse  von  Präparaten 
für  Analyse  und  Mikroskopie,  gesetzlich  geschützte  Präparate  und 
Specialitäten,  sowie  Nachtrag,  Ergänzungen  und  Berichtigungen  an- 
schliessen.  Dem  Arzt  wird  das  Buch  ebenso  wie  dem  Apotheker  und 
Medicinal- Drogisten  ein  hochwillkommenes  Nachschlagebuch  zwecks 
schneller  Orientirung  über  ein  Medikament  sein,  wie  es  bis  jetzt  in 
derartiger  Form  und  zugleich  Vollkommenheit  nicht  bestanden  hat. 

N a g e 1 1. 


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3 

^56 


IY.  Verschiedenes. 


Zur  Mitarbeit  am  „Archiv“  hat  sich  bereit  erklärt  Herr  Dr.  de 
Carrasqnilla,  Bogotiu 

Die  internationale  Lepra-Conferenz  findet  vom  11.  bi» 
16.  October  in  Berlin  statt.  Die  Sitzungen  werden  in  den  Räomen 
des  Kaiserlichen  Gesundheitsamts,  NW.  Klopstockstrasse  19—20,  von 
11—2  Uhr  abgehalten.  Es  sind  bis  jetzt  54  Vorträge  aus  verschiedenen 
Ländern  angemeldet  worden. 

Auf  der  diesjährigen  Versammlung  deutscher  Natur- 
forscher und  Aerzte  zu  Braunschweig  war  die  Sektion  für 
Tropenhygiene  sehr  schwach  besucht.  Die  Vorträge  fielen  deswegen 
aus.  Die  von  der  Deutschen  Kolonialgesellschaft  angeregte  Frage,  ob 
das  Bedürfniss  einer  Gründung  eines  Rekonvaleszentenheims  für  Tropen- 
kranke vorhanden  sei,  wurde  von  den  anwesenden  Sektionsmitgliedern 
verneint. 

Dem  Leiter  des  Pasteurschen  Instituts  in  Lille,  Dr.  Calmette, 
soll  es  gelungen  sein,  ein  Serum  gegen  Schlangengift  herzustellen.  Ein 
Kaninchen,  dem  eine  Quantität  Serum  eingeimpft  worden  war,  die  dem 
hundersten  Theile  des  Gewichts  des  Thieres  entsprach,  konnte  eine 
Stunde  später  eine  sonst  unfehlbar  tödtliche  Dobi's  von  einem  Milligramm 
Gift  der  Cobra  capolla  ruhig  ertragen,  ohne  zu  erkranken.  Der  gleiche 
Erfolg  soll  sich  bei  Impfvorsuchen  mit  anderen  Thieren  und  aach  Menschen 
ergeben  haben.  Nur  muss  die  Menge  des  Impfstoffs  stets  dem  Körper- 
gewicht des  Versuchstieres  angemessen  sein.  Bestätigung  bleibt  abzn- 
warten.  M. 

V.  Zur  Besprechung  eingegangene 
Bücher  und  Schriften. 

F.  Burot  et  TU.  A.  Begründ.  Les  troupes  coloniales,  statistique  de  la 
mortalite.  Paris  1897,  Bailliere  & fils. 

El  Agricnltor,  Organo  de  la  Societad  de  los  agriculturos  Colotnbiano«, 
BogotiY  December  1896. 


Druckfehlerberichtigungen 

zu  dem  Aufsatz: 


Der  Parasitenbefund  bei  den  Malariaflebern  etc. 

von  D r.  R e i n h o 1 d Rügt*,  Marine-Stabsarzt. 

S.  249,  Zeile  19  v.  ob.  statt  Abbos  lies  Abbot. 


250 

9 

b 

b 

9 

Fitroff 

9 

Titoff. 

251 

n 

letzto 

b 

b 

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vorige  Seite 

9 

Seite  249. 

253 

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16 

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versuchte 

9 

verfrühte. 

253 

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letzte 

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9 

Keimkörper 

9 

Kerjkörper. 

255 

9 

12 

B 

b 

9 

nucleo 

9 

nucleolus. 

255 

9 

27 

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9 

9 

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9 

von. 

255 

n 

30 

B 

V 

9 

mehr 

9 

näher. 

255 

n 

vorletzte 

B 

9 

Stümpchen 

9 

Klümpchen.  _ 

259 

7 

n 

9 

1894 

9 

1884. 

259 

8 

1) 

V 

9 

entnehmen 

9 

entnahmen. 

260 

i» 

letzte 

n 

b 

9 

Anmerk.  2 S.  12 

9 

Anmerk.  4 auf  S.  256. 

I.  Originalabhandlungen. 

Der  Parasitenbefund  bei  den  Malariafiebern  und  seine 
Verwerthbarkeit  fUr  die  Erkennnng,  Behandlung  und 
Verhütung  der  Malariafieber 

von  Dr.  Reinhold  Rüge,  Marinestabsarzt. 

(Fortsetzung  und  Schluss.) 

Es  bleibt  nun  noch  übrig,  zu  erörtern,  ob  uns  der 
Parasitenbefund  einen  Anhalt  für  die  Behandlung  der 
schwersten  Form  des  Malariafiebers,  des  Schwarzwasserfiebers, 
geben  kann.  Ueber  die  Behandlung  dieser  Fieberforni  ist 
in  letzter  Zeit  von  deutschen  Autoren  lebhaft  gestritten 
worden.  Ich  lasse  die  Ansichten  der  einzelnen  Autoren  kurz 
folgen. 

(Irawitz1)  fand  in  einem  Falle  von  Schwarzwasserfieber 
keine  Parasiten.2)  „An  sehr  zahlreichen  frischen  und  gefärbten 
Präparaten  angestellte  Untersuchungen  ergaben  weder  an 
diesem  noch  an  einem  der  folgenden  Tage  irgend  eine 
parasitäre  Form  im  Blute.“  Diesem  Befunde  entsprechend 
verwirft  Grawitz  in  Ueboreinstimmung  mit  Kohlstock  *) 
die  Anwendung  von  Chinin  in  der  Behandlung  des  Schwarz  • 
Wasserfiebers.  F.  Plehn 4)  gelang  es  aber,  Malariaparasiten 
bei  dem  Kameruner  Schwarzwasserfieber  nachzuweisen. 
Demnach  sollte  man  erwarten,  dass  eine  kräftige  Chinin- 
behandlung am  Platze  wäre.  F.  Plehn 5)  räth  trotzdem  von 

’)  Berlin,  Ktin.  W.  189:!.  S.  141. 

’)  Vergl.  Anmerkung  4 auf  S.  250  und  Baccelli's  Ausspruch:  „Man 
kann  an  zweifellos  sicherer  Malaria  zu  Grunde  gehen,  ohne  dass  im 
Blut  die  bekannten  Formen  der  Haematozuen  Vorkommen.“  Baccelli, 

S.  96.  Studien  Uber  Malaria. 

“)  Berl.  Klin.  W.  1892.  No.  19. 

*)  Deutsche  med.  W.  1895.  S.  416. 

")  1.  C.  430. 

25* 


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360 


einer  Chininbehandlung  des  Schwarzwasserfiebers  ab,  weil  er 
nach  Chiningebrauch  nicht  nur  ein  Schlimraerwerden  des  be- 
stehenden Schwarzwasserfiebers,  sondern  sogar  eine  Ver- 
wandlung einfacher  Malariafieber  in  Schwarzwasserfieber 
durch  Chinin  sah.  Stendel1)  steht  genau  auf  dem  ent- 
gegengesetzten Standpunkt.  Er  befürwortet  grosse  Chiuin- 
gaben  bis  zu  12,0  pro  die  in  der  Behandlung  des  Schwarz- 
wasserfiebers. Küchel s)  (Congo)  sehliesst  sich  ihm  an  und 
warnt  namentlich  vor  kleinen  Chinindosen  (1,0  prodie),  die 
eher  schädlich  als  nützlich  wirken.  Doering3)  (Togo)  hin- 
gegen behauptet,  dass  Chinindosen  der  gewöhnlichen  Grösse 
(1,0 — 1,5  pro  die)  absolut  keinen  Einfiuss  auf  den  Verlauf 
des  Schwarzwasserfiebers  hatten,  während  Schellong4)  solche 
Chinindosen  empfiehlt.  — Es  scheint  danach,  als  ob  es  zwei 
Arten  von  Schwarzwasserfieber  giebt : eine  durch  Parasiten 
direct  hervorgerufene  und  eine,  die  als  Nachkrankheit  von 
Malariafiebern  oder  in  seltenen  Fällen  als  directe  Chinin- 
wirkung s)  aufzufassen  wäre. 

Aus  dem,  was  über  die  Behandlung  der  Malariatieber 
eben  gesagt  worden  ist,  geht  also  hervor,  dass  uns  der  Blut- 
befnnd  bis  jetzt  nur  darauf  ldngewiesen  hat,  dass  wir  Leute, 
die  Halbmonde  im  Blute  gehabt  haben,  noch  lange,  nachdem 
sie  scheinbar  schon  genesen  sind,  als  latent  inficirt  be- 
trachten und  demgemäss  entsprechend  behandeln  müssen. 
Sonst  lässt  sich  bis  jetzt  bei  den  vorhandenen  Widersprüchen 
nichts  Bestimmtes  aus  dem  Blutbefund  für  die  Behandlung 
gewinnen. 

Hat  nun  die  Auffindung  der  Malaria- 
parasiten Gesichtspunkte  ergeben,  die  wir  für 
die  Verhütung  der  Malariafieber  verwerthen 
könnten?  Für  die  allgemeine  Prophylaxe  haben  wir  bis 
jetzt  leider  nichts  erreicht,  wohl  aber  für  die  persönliche. 
Es  ist  Klarheit  über  die  Zulässigkeit  und  die  Brauchbarkeit 
der  prophylaktischen  Chinindarreichung  — wenigstens  für 

*)  Die  perniciüee  Malaria  in  Deutsch-Ostaffika. 

3)  Deutsche  med.  W.  1895.  S.  446. 

3)  Deutsche  med.  W.  1896.  S.  761. 

4)  Schellong,  Die  Malariakrankheiten.  1890.  S.  64  und  folgende. 

s)  Vergl.  Murri,  lieber  Chininvergiftung.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1896.  No.  8 und  9. 


361 


bestimmte  Verhältnisse  — gewonnen  worden.1)  Denn  bis  jetzt 
ist  die  Nützlichkeit  dieser  Maassregel  von  eoinpetonten  Be- 
urtheilern  ebenso  energisch  bejaht  wie  verneint  worden.  Das 
hat  meiner  Meinung  nach  seinen  (irund  in  verschiedenen 
Ursachen.  Einmal  waren  die  Chinindosen,  mit  denen  die 
verschiedenen  Beobachter  arbeiteten,  verschieden,  und  zweitens 
wurden  und  werden  wohl  auch  jetzt  noch  in  den  Tropen 
manche  Fieber,  die  keine  Malariafieber  sind,  zu  letzteren  ge- 
rechnet. Im  Vorhergehenden  ist  gesagt  worden,  dass  eine 
Chininlösung  von  1 : 5000  im  Stande  ist,  die  Malariaparasiten 
zu  tödten.  Daraus  folgt  also  zunächst,  dass  kleinere  Dosen 
als  1,0,  z.  B.  0,3,  wie  sie  die,  Engländer  in  ihrem  Chinin- 
schnaps geben,  nicht  genügen  können,  um  den  Körper  vor 
einer  Malariainfection  zu  schützen.  Selbst  wenn  eine  solche 
Dosis  2 — 3 Mal  am  Tage  gegeben  wird,  kann  sie  nicht  ge- 
nügen, weil  bis  zur  Verabreichung  der  nächsten  Dosis  ein 
grosser  Theil  des  vorher  genommenen  Chinins  bereits  wieder 
ausgeschieden  worden  ist.  Will  man  also  etwas  erreichen, 
so  muss  wenigstens  Chinin  1,0  gegeben  werden.  Und  zwar 
muss  die  Dosis  einen  um  den  anderen  Tag  wiederholt 
werden,  weil  im  Laufe  von  48  Stunden  der  grösste  Theil 
des  eingeführten  Chinins  wieder  ausgeschieden  ist.  Selbst- 
verständlich kann  von  einer  derartigen  Chinisirung  immer 
nur  eine  kurze  Zeit  bezw.  bei  bestimmten  Gelegenheiten, 
z.  B.  Bootsexpeditionen,  Gebrauch  gemacht  werden,  weil  ein 
andauernder  derartiger  Chiningebrauch  die  Verdauung  bald 
zu  Grunde  richten  würde.  Dass  aber  trotz  ausreichender 
Chinisirung  unter  Umständen  scheinbar  keine  Immunität  gegen 
Malaria  erreicht  worden  ist,  dürfte  in  zwei  Ursachen  seinen 
Grund  haben. 

Einmal  ist  es  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  die- 
jenigen Fieber,  welche  trotz  genügender  Chinisirung  auf- 
traten, überhaupt  keine  Malariafieber  waren,  und  zweitens 
kann  es  sich  um  Malariafieber  gehandelt  haben,  die  durch 
Halbmonde  erzeugt  wurden,  die  ja  eine  bedeutende  Wider- 
standsfähigkeit gegen  Chinin  besitzen  und  daher  trotz  aus- 

*)  Der  nachfolgende  Passus  ist  zum  Theil  meiner  Arbeit : Ucber 
die  Plasmodien  bei  den  Malaria-Erkrankungen,  Deutsche  milititrarzt- 
liche  Zeitschrift  18U2,  entnommen. 


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362 


reichender  prophylaktischer  Chinindosen  im  Stande  sein 
dürften,  Maiariafieber  zu  erzeugen.  Ausreichende  prophy- 
laktische Chiningaben  dürften  also  voraussichtlich  nur  in  den 
Fällen  von  Nutzen  sein,  in  denen  es  sich  um  andere  als  reine 
Halbmondinfectionen  handelt.  So  berichten  z.  B.  Graeser1) 
und  Buwalda*)  über  sehr  günstige  Erfolge,  die  sie  mit 
prophylaktischen  Chinindosen  von  1,5,  alle  3 — 4 Tage  ge- 
geben, an  Bord  von  Dampfern  erzielten,  die  die  Küsten  von 
Java  anliefen.  Ich  selbst  gab  bei  einer  Expedition  an  der 
Zanzibarküste  im  Monat  August  1889  Chinin  prophylaktisch 
— 1 ,0  für  24  Stunden  — mit  gutem  Erfolg.  Die  Abtheilnng 
bestand  aus  19  Mann.  Die  Abfahrt  der  Expedition  erfolgte 
Abends  9 Uhr  in  offenen  Booten.  Um  11  Uhr  Nachts  wurde 
gelandet  und  bis  3 Uhr  Morgens  durch  Mangrovesumpf 
marschirt,  wobei  ein  Fluss  durchschritten  wurde,  dessen  Wasser 
bis  in  Brusthöhe  reichte.  Dann  wurde,  völlig  durchnässt, 
unter  freiem  Himmel  in  einem  verbrannten  Dorfe  bis  gegen 
7 Uhr  Morgens  gelagert,  dann  auf  dem  Rückmarsch  derselbe 
Fluss  und  Sumpf  wieder  durchschritten,  und  schliesslich, 
völlig  durchnässt,  in  offenen  Booten  vier  Stunden  lang  nach 
Tanga  zurückgefahren.  Sämmtliche  Theilnchmer  blieben 
gesund,  obgleich  sich  verschiedene  Leute  darunter  befanden, 
die  bereits  am  Fieber  gelitten  hatten.  Von  den  Sudanesen 
der  Schutztruppe,  die  an  der  Expedition  theilnahmen  und 
die  kein  Chinin  erhielten,  erkrankten  verschiedene. 

Trotzdem  muss  zugestanden  werden,  das  die  Chinin- 
prophylaxe, in  dieser  Art  betrieben,  als  ein  Verfahren  auf 
gut  Glück  zu  bezeichnen  ist,  das  niemals  im  Stande  sein 
wird,  auch  wenn  cs,  wie  eben  ausgeführt,  scheinbare  Erfolge 
aufzuweisen  hat,  positive  Beweise  für  die  Nützlichkeit  einer 
derartigen  Malariaprophylaxe  zu  liefern.  Kann  doch  das 
Nichtauftreten  von  Malariatiebern  nach  der  prophylaktischen 
Verabreichung  von  Chinin  der  Wirksamkeit  des  letzteren  nie 
mit  Bestimmtheit  zugesehriebeu  werden,  weil  man  nie  wisseu 
kann,  ob  diejenigen  Personen,  die  nach  der  Chinisirung 
fieberfrei  geblieben  sind,  nicht  auch  ohne  Chinin  vom  Fieber 
verschont  geblieben  wären. 

')  Tageblatt  tl.  62.  Vors,  deutscher  Naturforscher.  lSsy.  S.  61T. 

5)  Ebenda. 


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363 


Es  Hesse  sieh  aber  meines  Erachtens  nach  die  Chinin- 
prophylaxe vielleicht  in  anderer  Weise  durchführen,  namentlich 
in  der  Marine,  wo  der  Arzt  mitunter  im  Stande  ist,  Malaria- 
erkrankungen auf  ganz  bestimmte  Ursachen,  z.  B.  Arbeiten 
an  Land  an  notorischen  Orten,  Bootsexpeditionen  etc.,  zurück- 
zuführen. Es  würde  sich  der  Gang  der  Malariaprophylaxe 
etwa  folgendermassen  gestalten  können.  Da  die  durch- 
schnittliche Inkubationszeit  bei  Malariahebern  10 — 12  Tage 
beträgt,  so  wird  die  Reifung  derjenigen  Parasitengeneration, 
die  zugleich  mit  dem  ersten  Anfall  eintritt,  10 — 12  Tage 
nach  der  muthmasslichen  Infektion  erfolgen.  Die  Parasiten 
müssten  sich  also  je  nach  der  Dauer  ihrer  Entwicklungszeit 
bereits  am  7.,  8.  oder  9.  Tage  im  Blute  nachweisen  lassen, 
ohne  dass  Fieber  bestände.  Ist  also  Grund  vorhanden,  das 
Auftreten  von  Malariaerkrankungen  in  Folge  bestimmter 
Vorgänge  zu  erwarten,  so  würden  diejenigen  Leute,  die 
z.  B.  an  einer  Bootsexpedition  betheiligt  waren,  spätestens 
vom  7.  Tage  ab  bis  zum  12.  täglich  auf  Malariaparasiten 
zu  untersuchen  sein.  .Sobald  sich  nun  Malariapnrasiten  im 
Blute  linden,  würde  Chinin  1,0  wenigstens  so  lange  täglich 
zu  geben  sein,  bis  alle  Parasiten  aus  dem  peripherischen 
Blute  verschwunden  sind  und  dann  noch  etwa  14  Tage  lang 
jeden  2.  und_3.  Tag  Chinin  1,0,  weil  ja  die  Parasiten  noch 
in  grosser  Anzahl  in  den  inneren  Organen  verbanden  sein 
können,  auch  wenn  sie  bereits  aus  dem  peripherischen  Blute 
verschwunden  sind.  Mau  hätte  also  einmal  den  ,Vortheil, 
die  Menge  des  zu  gebenden  Chinins  und  die  Zeitdauer  der 
Verabreichung  übersehen  zu  können,  und  zweitens  dürfte  in 
den  letzten  Tagen,  in  denen  die  Infektion  noch  latent  ist, 
eine  leidliche  Resorptionsfähigkeit  des  Magens  und  somit 
drittens  auch  ein  Erfolg  von  derartigen  prophylaktischen 
Chiningaben  zu  erwarten  sein.  Darüber  aber,  ob  eine  solche 
Prophylaxe  zweckdienlich  sei  und  diejenigen  Erfolge  auf- 
weisen würde,  die  soeben  theoretisch  entwickelt  worden  sind, 
können  nur  in  diesem  Sinne  angestellte  Untersuchungen  und 
Beobachtungen  Aufschluss  geben,  und  solche  fehlen  bis  jetzt. 

Dies  war  Anfang  1892  geschrieben  worden.  In  der 
Zwischenzeit  hat  Zicmann  *)  solche  Untersuchungen  an  Bord 


*)  1.  k.  S.  070. 


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364 


S.  M.  Kbt.  „Hyäne“  angestellt  und  nach  seinem  Bericht  in 
50°;’0  aller  Fälle  den  Ausbruch  des  Malariafiebers  verhindern 
können.  Das  bedeutet  in  der  That  einen  beachtenswerthen 
Fortschritt  und  Erfolg  in  dem  unsicheren  Kapitel  der  Malaria- 
prophylaxe.  Doch  scheint  selbst  diese  Art  der  Prophylaxe 
auf  die  Dauer  nicht  wirkungsvoll,  wie  aus  nachfolgender 
Bemerkung  Ziemann’s1)  hervorgeht.  „Bei  längerem  Aufent- 
halte in  Kamerun  nahm  die  prophylaktische  Wirksamkeit 
des  Chinins  an  Bord  allmählich  ab“.  A.  Plehn  *)  giebt  sogar 
an,  dass  es  ihm  an  Land  niemals  gelang,  den  kommenden 
Anfall  durch  Chinin  aufzuhalten,  wenn  sich  schon  Parasiten 
im  Blute  nachweisen  Hessen. 

Ich  möchte  diese  Arbeit  nicht  abschliessen,  ohne  vor- 
her den  Versuch  gemacht  zu  haben,  zu  untersuchen,  ob  wir 
nicht  mit  Hülfe  unserer  jetzigen  Kenntnisse  über  die  Malaria- 
parasiten im  Stande  sind,  uns  theoretisch  eine  Vorstellung 
von  dem  Infektionsmodus  der  Malaria  zu  machen,  denn 
die  alte  Anschauung  von  dem  Aufsteigen  der  „nächtlichen 
Miasmen“  ist  nicht  mehr  haltbar.  Ebenso  wenig  lässt  sich 
die  Ansicht  von  Klebs  *)  halten,  dass  sich  die  Malariakeime 
durch  lokale  Luftströmungen  Nachts  etwa  2 — 3 m über  den 
Boden  erheben. 4)  Meiner  Meinung  nach  verhält  es  sich 
gerade  umgekehrt:  es  handelt  sich  nicht  um  ein  nächtliches 
Aufsteigen  der  Keime  zu  so  geringen  Höhen  wie  die  ange- 
gebenen, sondern  um  ein  Niedersinken  der  Keime  zu  diesen 
geringen  Höhen.  Um  aber  diese  Annahme  erklären  zu 
können,  müssen  wir  auch  hier  zunächst  auf  alte  Erfahrungen 
und  Beobachtungen  zurückgreifen.  Und  zwar  lehrt  die 
Erfahrung: 

1.  dass  die  Malariafieber  namentlich  dann  auftreten, 

')  1.  c.  S.  672. 

*1  A.  Plehn,  die  Blutnntersuchungen  in  tropischen  Fiebergegenden 
und  ihre  praktische  Bedeutung.  Arch.  f.  Schiffs-  und  Tropenhvgiene  1897. 
Band  I,  S.  11. 

*)  Klebs,  Allgemeine  Pathologie  I.  S.  140. 

*)  Schellong,  die  Malariakrankheiten  1K90,  S.  117,  hat  nachge- 
wiesen, dass  in  der  Nacht  eine  Tendenz  zu  abwärts  gerichteten  Luft- 
strömungen im  Boden  vorhanden  ist  und  ganz  besonders  in  den  un- 
günstigen Monaten  10  mal  so  stark  als  in  den  günstigen.  Donach 
können  sieh  aber  die  Keime  nicht,  wie  Klebs  will,  2—3  m über  den  Boden 
erbeben. 


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365 


wenn  der  Boden  umgebrochen  oder  seiner  obersten 
abschliessenden ')  Decke  beraubt  wird. 

2.  Dass  die  Ansteckung  unter  gewöhnlichen  Verhält- 
nissen durch  die  Luft  *)  und  zwar  vorwiegend  durch 
die  Nachtluft  erfolgt. 

Aus  diesen  Thatsachen  können  wir  also  schliessen,  dass 
sich  die  Erreger  der  Malarialieber  im  Boden  befinden,  aber 
auch  die  Fähigkeit  haben,  in  solcher  Menge  in  die  Luft  über- 
zugehen, dass  das  Einathmen  einer  derartigen  Luft  Malaria- 
fieber hervorruft.  Es  muss  nun  aber  erörtert  werden,  w i e 
die  Infektionskeime  vom  Boden  in  die  Luft  gelangen.  Denn  die 
Mikroorganismen  haften  an  ihrer  Unterlage,  so  lange  als  diese 
feucht  ist,  und  gelangen  erst  in  die  Luft,  sobald  das  Vehikel, 
in  dem  sie  sich  befinden,  getrocknet  und  verstärkt  wird. 

*)  So  theilt  Klubs.  Allgemeine  Pathologie  I.,  S.  143,  mit,  dass  in 
Korn  nach  dem  Aufreissen  des  StrassenpHasters  in  der  Nähe  von  St. 
Maria  Maggiore  Malariafieber  entstanden,  die  erst  nach  Beendigung 
der  Erdarbeiten  aufhörten.  Friedrich,  Tageblatt  der  9.  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  1889,  S.  t',30,  berichtet,  dass  in  Ostfriesland 
beim  Stechen  von  Rasen  an  vorher  inalariafreien  Orten  plötzlich 
Malariafieber  die  betreffenden  Bauern  befällt,  worauf  diese  im  Voraus 
bereits  gefasst  sind. 

Diese  beiden  Beispiele  zeigen  zugleich,  dass  es  nicht  nur  die 
hygienisch  ungünstigen  Verhältnisse  der  Erdarbeiter  sind,  die  jetzt 
immer  als  Hauptgrund  für  die  Entstehung  von  Malariafiebern  bei  Erd- 
arbeitern hingestellt  wurden,  sondern  dass  es  das  Umbrechen  bezw. 
das  Wegnehmen  der  schützenden  Decke  des  Bodens  ist,  was  dio 
Malariafieber  entstehen  lässt.  Denn  die  Erkrankten  sind  hier  unter 
ihren  alten  hygienischen  Verhältnissen  befallen  worden. 

Der  Versuch,  die  Ansteckung  mit  Malaria  durch  Mosqnitos  als 
Zwischenträger  zu  erklären,  ist  eine  geistreiche  Hvpothose,  die  aber 
noch  keine  thatsächliche  Stütze  hat.  Gegen  diese  Hypothese  der 
Uebertragung  der  Malaria  durch  Mosquitos  spricht  namentlich  der 
Umstand,  dass  die  Italiener  bei  ihren  Impfversuchen,  bei  denen  sie 
*/ 1—2  cm  Malariablut  unter  die  Haut  spritzten,  oft  negative  Resultate 
hatten  und  daher  zu  intravenösen  Einspritzungen  übergingen.  Wie 
viel  Mücken  müssten  aber  einen  Menschen  stechen,  um  ihm  '/* — 2 cm 
Malariablut  beizubringen. 

*)  Gegen  die  Annahme,  dass  die  Infektion  durch  das  Wasser 
erfolgt,  sprechen  die  Versuche  der  Italiener,  die  Leute  in  malariafreien 
Orten  Wasser  aus  Malariagegenden  trinken  Hessen.  Die  Leute  blieben 
gesund.  Umgekehrt  wurden  Leute  in  Malariagegenden,  die  Wasser 
aus  malariafreien  Gegenden  tranken,  doch  malariakrank. 


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366 


Wir  kennen  aber  in  dieser  Beziehung  eine  Ausnahme:  die 
Schimmelpilze.  Diese  streuen  ihre  Sporen  in  die  Lutt  aus. 
Thun  nun  die  im  Boden  befindlichen  Malariaerreger  bei 
ihrer  Reifung  dasselbe?  Ja,  wenn  sie  sich  in  der  gleichen 
Weise  im  Boden  fortpflanzen  wie  im  menschlichen  Blut.  Ist 
das  wahrscheinlich?  Ja!  Denn  die  Inkubationszeit  der  auf 
gewöhnlichem  Wege  erworbenen  Malarialieber  stimmt  mit 
der  Inkubationszeit  überein,  die  nach  Impfungen  mit  Malaria- 
blut beobachtet  wird.  Wir  müssen  also  annehmen,  dass  die 
Malariakeime  beide  Male  in  annähernd  gleicher  Form  in  den 
Körper  gebracht  werden.  Streuen  aber  die  Malariaparasiten 
ihre  Sporen  ausserhalb  des  Körpers  bei  ihrer  Reifung  eben- 
so aus,  wie  sie  es  im  Blute  thun,  so  können  wir  uns  den 
Infektionsmodu8  folgendennassen  vorstellen. 

Nehmen  wir  an,  wir  haben  eine  tropische  Küste  zur 
Fieberzeit  vor  uns.  Dann  werden  die  einzelnen,  im  Boden 
befindlichen  Malariaerreger  nach  und  nach  zur  Reife  kommen 
und  ihre  Sporen  ausstreuen.  Was  wird  mit  diesen  Sporen 
geschehen?  Ihr  Schicksal  wird  sich  je  nach  der  Tageszeit 
verschieden  gestalten.  So  lange  als  am  Tage  die  über  dem 
Lande  stark  erwärmte  Luft  in  die  Höhe  steigt  und  die  von 
der  See  herwehende  Brise  keimfreie  Luft  in  grossen  Mengen 
zuftihrt,  werden  die  Infektionskeime  in  die  Höhe  gewirbelt 
und  unschädlich  gemacht  werden. ')  Anders  stellt  es  aber, 
wenu  gegen  Sonnenuntergang  der  aufsteigende  Luftstrom 
schwächer  wird  und  schliesslich  ganz  aufhürt.  Die  bei 
schwach  aulsteigendem  Luftstrom  ausgestreuten  Sporen  werden 
nur  eine  geringe  Höhe  erreichen,  von  ihrem  Entstehungsort 
nur  eine  kurze  Strecke  weit  weggeführt  werden  können  und 
demnach  wohl  diejenigen  sein,  die  bei  einer  Infektion 


')  Dass  dies  sieh  wahrscheinlich  so  verhält,  zeigt  die  nachstehende 
Beobachtung  von  K Müller,  (Iber  Malaria  in  Kamerun.  Berlin.  Klin. 
Woch.  1SS8,  S.  601.  Von  3 Zimmerleuten  nämlich,  die  mehrere  Tage 
bei  sehr  beisaein  Wetter  an  Land  Baken  gebaut  batten,  erwartete  ich 
sicher,  dass  sie  erkranken  würden,  zumal  J von  ihnen  bereits  au  Malaria  ge- 
litten hatten.  Allein  sie  blieben  verschont,  und  doch  war  der  einzige 
Unterschied  in  diesen  beiden  Beispielen  nur  der,  dass  im  letzteren 
Falle  schöner,  kräftiger  Seewind  vorhanden  gewesen  war. 

Man  könnte  also  weiter  schliesseu,  dass  die  Infektionsgefahr 
auch  aiu  Tage  grösser  ist  bei  stiller  als  bei  bewegter  Luft. 


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367 


wesentlich  in  Betracht  kommen.  Hört  aber  d>e  Luftbewegung 
nach  Sonnenuntergang  auf,  so  werden  sie  sich  ihrer  specifischen 
Schwere  entsprechend  senken.  Die  Folge  wird  sein,  dass 
die  höher  stehenden  und  specitisch  leichteren  Luftschichten 
viel  weniger  Keime  als  die  tiefer  gelegenen  und  schwereren 
Luftschichten  enthalten. ') 

Nach  Sonnenuntergang  wird  aber  die  von  Keimen  ge- 
schwängerte Landluft  durch  die  bakterienfreie  Seeluft  nicht 
mehr  verdünnt  werden.  Es  wird  also  am  Tage,  vorausge- 
setzt, dass  die  Seebrise  weht,  eine  von  nur  wenigen  Keimen 
durchsetzte  Luft  eingeathmet  werden,  während  der  Nacht 
aber  eine  reichlich  mit  Keimen  durchsetzte  Luft  in  die 
Lungen  gelangen  und  so  eine  Infektion  zu  Stande  kommen. 


')  G r a e s e r.  Einige  Beobachtungen  Uber  Verhütung  des  Malaria- 
fiebers durch  Chinin.  Berlin.  Klin.  W.  1888,  S.  843.  berichtet,  dass 
diejenigen  Leute,  die  im  Hafen  von  Batavia  an  Deck  deB  Dampfers 
schliefen,  erkrankten,  während  die  Offiziere,  die  anf  der  30  Fuhs  hohen 
Kommandobrücke  schliefen,  nie  inücirt  wurden. 

Kleba,  Allgem.  Pathologie  I.  S.  140  berichtet,  dass  die  Leuto 
in  der  römischen  Campagne  auf  3 in  hohen  Gerüsten  schlafen,  um 
sich  vor  Malaria  zu  schützen. 

Hirth,  Mitth.  d.  Verf.  f.  Erdkunde  zu  Leipzig  1895.  S.  XXXI 
berichtet:  Im  August  1890  erfolgte  die  Versetzung  des  Vortragenden 
nach  Tamsui  im  Norden  Formosas,  einer  wegen  der  dort  herrschenden 
Malaria  von  Europäern  sehr  gefürchteten  chinesischen  Zollstation. 
Durch  sofortige  Ergreifung  einer  Reihe  von  Vorsichtsinassregeln, 
Schlafen  in  erhöhten  Räumen,  pünktliche  Reinigung,  gelang  es  jedoch, 
das  Auftreten  des  Fiebers  bei  den  Europäern  und  den  Chinesen  be- 
deutend einzuschränken. 

Im  direkten  Gegensätze  hierzu  steht  die  Beobachtung  von 
Kalkenstein,  dass  in  einem  Hause  in  Chinchoxo  (Loango  Küste,  West- 
Afrika)  Schwarzwassertiebererkrankungen  der  Bewohner  sich  einstellten, 
nachdem  das  Haus  ein  erstes  Stockwerk  erhalten  hatte  und  die  Schlaf- 
räume dahin  verlegt  worden  waren.  Er  schreibt:  „Da  in  früheren 
Jahren,  so  lange  die  Händler  in  einer  der  gewöhnlichen  aus  Cyperus 
Papyrus-Schäften  gebauten  Hütte  wohnten,  diese  Krankheit  in  Chin- 
cboxo  niemals  beobachtet  worden  war  und  auch  die  deutsche  Expedition 
in  ihrer  aus  niederen  Hütten  bestehenden  Niederlassung,  obgleich  nur 
ca.  200  Schritt  von  dem  Nachbarhause  entfernt,  ganz  von  ihr  verschont 
blieb,  lag  es  nahe,  daran  zu  denken,  dass  die  Höhe  des  iieugebaiiten 
einstöckigen  Holzhauses  die  Schuld  der  Erkrankungen  tragen  mochte. 
Früher  waren  die  aus  den  Lagunen  kommenden  Dünste  mit  dem 
Landwinde  Nachts  unschädlich  über  die  Hütte  fortgetragen  worden, 


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Blutuntersuchungen  Tropenkranker  in  Europa,  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  ostindischen 
Malariaparasiten. 

Von  Dr.  Carl  Däubler,  Berlin. 


Seit  dem  Bestehen  dieses  Archivs  hat  seine  Redaction, 
meiner  auf  dem  Frankfurter  Congress  im  vorigen  Jahre 
ausgesprochenen  Anschauung  folgend,  um  Zuweisung  von 
Material  zu  Blutuntersuchungen,  resp.  von  Malariablut- 
präparaten aus  den  verschiedenen  Tropcnländern  wiederholt 
öffentlich  gebeten,  leider  ohne  Erfolg.  Dr.  Mense  und  Ver- 
fasser hatten  sich  zur  Vornahme  und  zum  Studium  solcher 
vergleichenden  Untersuchungen  erboten,  deren  Resultate 
hier  im  Archiv  veröffentlicht  werden  sollten.  Ausser  einigen 
parasitenhaltigen  Blutpräparaten  von  einem  auch  hier  an 
haemoglobinurischer  Malaria- . Schwarzwasserffeber-,  Leidenden, 
erhielt  ich  nichts  von  Bedeutung,  hingegen  sammelte  ich  des 
Vergleiches  wegen  einige  Präparate  von  Malariablut  aus 
Polen  und  von  einem  Falle  heimischer  Intermittens.  Ausser 
dem  konnte  ich  das  Blut  einiger  Neger  der  hiesigen 
Transvaalausstellung,  welche  noch  aus  den  Tropen,  am 
Limpopo,  zu  Hause  waren,  untersuchen,  wie  einiger  Inder 
und  Neger  aus  einer  anderen  in  Berlin  gastirenden  Truppe, 
Beobachtungen,  welche  in  den  Rahmen  dieser  Arbeit  nicht 
passen.  Leider  werden  gerade  Malaria-  und  Leberkranke 
aus  den  Tropen  hier  bei  uns  in  Deutschland,  wo  eine  nicht 
so  kleine  Anzahl  sich  befindet,  zerstreut,  und  auch  der  Chef 
einer  Klinik  sucht  einen  solchen  Kranken,  schon  der 
Curiosität  wegen,  sich  zu  erhalten,  so  dass  wir  nur  mit 
grosser  Muhe  etwas  daran  untersuchen  können.  Dieses 


während  sic  nun  in  die  Schlafräume  eiugeführt  wurden  und  durch  den 
Geruch  unterschieden  werden  konnten.  Es  könnten  eben  hieraus  auf 
die  Träger  der  Erkrankung  Schlussfolgerungen  gezogen  werden.  Ich 
war  so  überzeugt  von  der  Gefahr,  in  welcher  die  Besitzer  sich  in  den 
oberen  Räumen  befanden,  dass  ich  den  Rath  ertheilte,  entweder  das 
obere  Stock  ubzutragen  und  zu  ebenpr  Erde  wieder  aufzustellen,  oder 
aber  es  doch  nur  zu  Magazin-Räumen  zu  verwerthen.“  Kalkenstein. 
Febris  remittens  haeinorrhagica,  Deutsche  nulitärärztliche  Zeitschrift 
1877.  Seite  4*5. 


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Material  ist  demnach  unseren  Hitndcn  und  Forschungen  ent 
zogen.  Und  doch  können  uns  gerade  Blutuntersuchungen 
des  Serums  wie  des  Gesanuntblutes  der  verschiedenen  Rassen 
aus  Tropenländern  erst  einen  Einblick  in  ihr  Blutleben  und 
in  die  Verschiedenartigkeit  ihrer  Physiologie,  wie  sie  dem 
Unbefangenen  entgegentritt,  verschaffen,  ganz  besonders  von 
Malariakranken  von  überall,  um  daraus  die  noch  fehlende 
Uebereinstimmung  betreff?  Morphologie  und  Biologie  der 
Malariaerreger  zu  erlangen.  Auch  müssen  wir  darüber  in’s 
Klare  kommen,  ob  sich  bei  Transferirung  der  europäischen 
Malariakranken  aus  den  Tropen  nach  hier  etwas  an  den 
Parasiten,  den  Blutbestandtheilen  und  den  formalen  Blut- 
elementen verändert,  was  günstig  oder  ungünstig  auf  den 
Zustand  des  Kranken  influirt  und  was  auf  Rechnung  der 
Klimawirkung  in  Europa  und  des  individuellen  Verhaltens 
gesetzt  werden  könnte. 

Ausserdem  können  wir  hier  die  Malariaerreger,  welche 
wir  als  Aerzte  in  den  Tropen  hauptsächlich  in  frischen 
Fällen  im  Blute  aufsuchen,  um  die  Diagnose  zu  sichern 
näher  und  eingehender  studiren,  wenn  auch  an  meistens 
älteren  Fällen  oder  an  Oaeheetikern. 

Das  Material,  welches  mir  bei  uns  selten  oder  ver- 
schlossen schien,  beschloss  ich  wieder  in  Holland  zu  suchen,  wo 
in  Zütphen  das  Militär-Hospital  der  kolonialen  Reserve  seit  noch 
nicht  langer  Zeit  besteht  nnd  wo  sich  immer  einige  hundert 
tropenkranker  Soldaten  befinden.  Dass  die  ganze  koloniale 
Reserve  sich  auf  etwa  1100  Mann  beläuft,  wovon  an  600 
— die  valide  Abtheilung  — in  Nymwegen  volle  militairische 
Dienste  thut,  von  wo  sie  allmälig  oder  bei  kriegerischen 
Anlässen  in  toto  nach  Indien  gesandt  wird,  darf  nicht  auf- 
fallen, weil  meistens  langwierige,  hartnäckige  Fälle  nach  Europa 
gesandt  und  dann  in  Zütphen  oft  ein  Jahr  behandelt  werden 
und  weil  für  eine  Klasse  Ausgedienter  und  für  sännntliche 
Verwundete,  wie  auch  Lungenkranke,  ehe  endgültige  Pen- 
sionirungeintritt,  eine  vorgängige.  Behandlung  und  Beobachtung 
im  Hospital  zu  Zütphen  erforderlich  ist.  In  Indien  findet  keine 
Verabschiedung  statt,  auch  dienen  die  in  den  Vorbergen 
belegenen  Gesundheitsstationen  dem  indischen  Militär  mehr 
zu  Garnisonen,  als  dass  sie  Kranke  beherbergen.  Das 


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Netz  der  Hochgebirgsstationen  ist  noch  lückenhaft,  da  die 
Regierung  wie  anf  Tosari,  c.  1750  m hoch,  erst  in  der  letzten 
Zeit  mehr  und  mehr  beginnt,  Hospititler  im  Hochgebirge  zu  er- 
richten, nachdem  sie  mit  dem  früheren  in  unseren  Colonien 
noch  bestehenden  System  der  Anlage  grosser,  fester  Hospi- 
täler in  der  Küstenebene  gebrochen  hat. 

In  Zütphen  wurde  ich  von  den  beiden,  der  ostind  ischcn 
Armeeabtheilung  angehörenden  Anstaltsärzten  resp.  dem 
dirigirenden  Militärärzte  Dr.  Koppenol , als  inactiver 
Militaircollege,  freundlich  aufgenommen  und  erhielt  die  Er- 
laubniss,  im  Hospital  nach  Ermessen  zu  arbeiten.  An  dieser 
Stelle  fühle  ich  mich  verpflichtet,  den  beiden  Herren  Dr. 
Koppenol  und  Dr.  de  Holst,  Sanitätsofficier  I.  Klasse,  meinen 
besten  Dank  für  die  Förderung  meiner  Arbeiten  zu  sagen, 
mit  deren  Hauptresultaten  sie  sich,  soweit  es  ihre  Zeit 
erlaubte,  bekannt  machten.  Die  Kranken,  etwa  300  an 
der  Zahl,  bestanden  zur  Hälfte  aus  ambulanten  Reconvales- 
centen,  von  den  übrigen  sind  8 Fälle  von  Dysenteria  tropica, 
2 Fälle  von  Leukaemie  (nach  perniciöser  Malaria),  17  Fälle 
von  perniciöser  Malaria,  in  denen  noch  Fieberanfälle  dominirten. 
17  Fälle  von  Cachexia  paludosa,  im  Ganzen  also  34  Malariafälle, 
hervorzuheben,  von  welchen  allen  ich  Blutpräparate  unter- 
suchte und  entnahm,  sowie  drei  Fälle  von  Bcri-Beri.  Da- 
neben hatte  ich  Gelegenheit,  eine  Anzahl  von  Kranken  mit 
tropischer  Enteritis,  wie  sie  die  indischen  Aerzte  benennen, 
zu  beobachten.  Jede  Woche  bringt  die  indische  Mail  einige 
neue  Kranke  und  ausgediente  Militairs,  über  welche  die 
genauesten  ärztlichen  Aufzeichnungen  und  die  Diagnose  aus 
Indien  vorliegen. 

Im  Folgenden  muss  ich  mich  vorerst  darauf  beschränken, 
eine  zusammenfassende  Arbeit  und  Bericht  über  meine  an 
den  drei  Beri-Beri-  und  Malariakranken  angestellten  Be- 
obachtungen und  Blutuntersuchungeu  zu  geben,  eine  aus- 
führlichere und  tiefer  greifende,  mit  Photogrammen  ver. 
sehene,  über  Malaria  wird  demnächst  noch  anderenorts  er- 
scheinen. 

Von  den  drei  Beri-Berikranken  waren  zwei,  Douraa  und 
Ahrendse,  bei  meinem  ersten  Aufenthalt  im  Zütphener 
Hospital  1 resp.  ll/s  Monate  in  Europa.  Ahrendse,  ein  ver- 


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371 


hältnissmässig  gut  genährter  Mann,  war  nicht  im  Stande,  sich 
aus  dem  Lehnstuhle  zu  erheben,  wenn  er  auch  versuchs- 
weise die  Unterextremitäten  etwas  vorschob.  Selbst  mit 
Hülfe  von  Krücken  konnte  er  nur  kurze  Zeit  stehen, 
während  Douma  sich  mit  Hülfe  von  Lehnen  und  Krücken  erhob 
und  einige  Schritte  damit  auszuführen  vermochte.  Beide 
Kranke  hatten  guten  Appetit,  alle  Funktionen  in  Ordnung. 
Nach  Ausweis  ihrer  Krankenlisten  hatten  beide  auf  Atjeh 
die  von  Scheube1)  so  benannte  atrophisch-hydropische  Form 
der  Beri-Beri  aequirirt.  Die  Krankheit  nahm  allmälig  einen 
chronischen  Verlauf,  so  dass  hauptsächlich  die  Lähmung 
der  Unterextremitflten  nicht  weichen  wollte,  während  die 
Parese  der  oberen  schwand.  Im  eigentlichen  Hochgebirgs- 
klima waren  diese  kranken  Soldaten  nicht  verpflegt,  die 
Herzerkrankung  und  Lähmung  erschien  den  Aerzten  in 
Indien  aber  so  belangreich,  dass  sie  die  Rückkehr  zur  vollen 
Diensttauglichkeit  bezweifelten  und  die  Patienten  nach 
Zütphen  sandten.  Bei  der  Untersuchung  fand  sich  kaum 
abnorme  Respirationsthätigkeit,  der  Herzstoss  war  stärker 
und  verbreitete  sich  in  den  4.  Intereostalraum,  die  Herz- 
dämpfung  in  beiden  Richtungen  vergrösscrt.  Nur  über  den 
Knöcheln  und  über  der  Tibiakante  leichtes  Oedem.  Der 
Druck  auf  die  Waden  schmerzt  nicht,  der  Ort  der  Application 
leichter  Nadelstiche  wird  einigermassen  genau  angegeben, 
Temperaturgefühl  vorhanden,  es  sollte  in  jüngster  Zeit  keine 
(Douma)  resp.  nur  geringe  Herabsetzung  (Ahrendse)  der 
clectrischen  Reizbarkeit  von  Nerven  und  Muskeln  bestanden 
haben.  Den  Patellarreflex  fand  ich  sowohl  bei  meinem 
ersten  Besuche,  als  auch  gerade  beim  zweiten,  fast  einen  Monat 
später,  hochgradig  gesteigert;  um  mich  von  der  Richtigkeit 
meiner  Wahrnehmung  zu  überzeugen,  wiederholte  ich  oft 
und  an  verschiedenen  Tagen  da«  Experiment.  Fussclomis 
war  nicht  vorhanden.  Die  beiden  Patienten  befanden  sich 
demnach  im  Stadium  der  Besserung,  und  als  ich  einen 
Monat  später  wieder  nach  Zütphen  zurückkehrte,  humpelte 
Ahrendse  mir  bereits  im  Vorgarten  des  Hospitals,  auf  zwei 
Krücken  gestützt,  entgegen.  In  diesem  Stadium  müssen  also 
schon  Nervenregenerationen  eingetreten  sein,  wobei  wie 

*)  Scheube,  Dr.  Die  Beri-Berikrankkeit.  Jena.  1894. 


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372 


I’ekellmring’s  1 ) und  Zwanrdemaaker’s *  * ) und  Kraft  » Unter- 
suchungen lehren,  der  Patellarreflex  wiederkehrt  und  ge- 
steigert ist.  Die  Wadennniskulatur  der  beiden  Kranken  war 
nicht  mehr  erheblich  atrophisch.  Der  dritte  Beri-Berikranke, 
war  erst  seit  2 Tagen  in  Europa,  konnte  etwas  gehen  — 
Beri-Berigang  — und  litt  zugleich  an  Malaria,  worauf  ich 
später  zuriickkommen  werde.  Da  ich  zwei  in  der  Recon- 
valescenz  stehende  reine  Beri-Beriker  vor  mir  hatte,  welche 
in  Zütphen  nur  gut  gepflegt  wurden,  während  man  sich 
übrigens  erfahrungsgemäss  auf  die  Klimawirknng  verliess, 
beschloss  ich  bei  meinem  zweiten  Besuche  F etttröpfchenzählungeu 
ihres  Blutes  anzustellcn.  Vorher  hatte  ich  Blutkörperchen- 
Zählungen  gemacht,  der  Gehalt  an  Ery throcy teil  betrug  nicht 
ganz  4500000  im  Mittel,  hingegen  zählte  ich  bei  Ahrendse 
8500,  bei  Douma  8000  weisser  Blutzellen.  Obschon  die  noch 
jungen  Methoden  der  Fetttröpfchenbestimmung,  abgesehen 
von  der  chemischen,  ein  sehr  genaues  Resultat  nicht  geben, 
glaubte  ich  mich  mit  dem  Nachweis  zufrieden  stellen  zu  können, 
ob  überhaupt  bei  Beri-Beri  und  speciell  im  Stadium  der 
beginnenden  Reconvalescenz  der  Fettgehalt  resp.  die  Zahl  der 
Fettkömchen  und  Fetttröpfchen  im  Blute  vermehrt  sei  oder 
nicht.  Ich  hatte  zur  Vornahme  dieser  Untersuchung  nur  drei 
Wegweisser,  von  Jaksch  ’)  klinische  Diagnostik,  die  Arbeit 
Gumprechts4),  und  kurz  vor  meiner  2.  Reise  nach  Zütphen 
las  ich  den  soeben  in  der  Deutschen  Med.  Wochenschrift  er- 
schienenen AufsatzDr.Watjoffs.5)  Die  chemische  Untersuchung 
musste  ich  unterlassen  und  ahmte  den  Methoden  Gumprechts 
und  Watjoffs  nach,  welche  darin  bestehen,  dass  man  entweder  am 
Deckglase  ausgestrichenes  und  angetrocknetes  Blut  24  Stunden 
in  1 °/0  Osmiumsäure  lässt,  gut  auswäscht,  mit  Eosin  nach- 
färbt, dann  mikroskopirt,  oder  nach  Watjoff  nicht  färbt  und 
das  Präparat  erst  nass,  dann  trocken  mit  1 Tropfen  5°/0 


')  Pekelharing.  Recherches  sur  la  nature  et  la  cause  de  Beri- 
Beri.  Utrecht  1888  und  Ned.  Tvdschrift  voor  Genesk.  1888. 

*)  Zwaardemaaker  en  Kraft,  Over  de  reconv&lesceutie  vau  Beri- 
Beri.  Ned.  Weekblad  voor  Geneeskunde  1893. 

•)  v.  Jaksch.  Klinische  Diagnostik.  189G. 

*)  Gumprecht.  Deutsche  Med.  Wochenschrift.  Nr.  90.  1894. 

®)  Watjoff.  Ueber  den  Fettgehalt  des  Blutes  bei  Nierenkranken. 
Deutsche  Med.  Wochenschrift.  1897. 


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3*3 

Osmiumsäurelösung  untersucht.  Tn  dem  getrockneten  Präparat 
ziihlt  man  in  16  Gesichtsfeldern  die  Fetttröpfchen  aus. 

Die  Mittelzahl  daraus  benutzte  Watjoff  als  Grund - 
werth,  dem  ich  hierin  bei  Mangel  noch  genauerer  Methode 
folgte. 

.Schon  bei  früheren  Blutuntersuchungen  und  auch  in 
Zütphen  bei  Douma  und  Ahrendse,  wie  ab  und  zu  im 
Malariablut,  hatte  ich  die  kleinen,  lichtbrechenden  Kügelchen 
bemerkt  und  um  sie  als  Fett  zu  diagnosticiren,  einen  Tropfen 
Aether  zugesetzt,  wonach  sie  verschwanden.  Solche  feine 
Pünktchen  und  Kügelchen  sah  ich  bei  den  beiden  Beri-Beri- 
kranken  häufiger  als  sonst  und  nach  vorangegangener,  er- 
wähnten Behandlung  machte  Osmiumzusatz  schon  bei  Durch- 
sicht es  deutlich,  dass  in  jedem  Gesichtsfelde  sich  mehrere 
Fetttröpfchen  befänden. — (Leitz.  System  7,  Ocular  1.)  während 
sie  bei  dem  dritten  Beri-Beriker  seltener  auftraten.  Ich 
entnahm  den  Patienten  nochmals  das  Blut  zur  definitiven 
Zählung  am  Morgen  des  folgenden  Tages  vor  der  Mahlzeit 
und  fand  bei  Douma  die  Mitt.elzahl  von  3,8,  bei  Ahrendse  4,4, 
bei  Walker  2,f>.  Ist  die  Zahl  der  untersuchten  Beri-Beri- 
kranken,  welche  sich  bereits  iin  Anfänge  der  Reconvalcscenz 
befanden,  auch  nur  klein  und  deshalb  nicht  ausschlaggebend, 
so  möchte  ich  diesen  Befund  doch  der  Beachtung  und  diese 
Untersuchungen  zur  Nachahmung  empfehlen,  vielleicht  mit 
verbesserten  oder  genaueren  Methoden. 

Die  Mittelzahl  der  Fetttröpfchen  bei  Gesunden  in  ln 
Gesichtsfeldern  wird  zu  1,6  angenommen,  sie  kann  sich  nach 
reichlicher  Mahlzeit  verdreifachen  und  gilt  dann  noch  als 
physiologisch.  Jedenfalls  erscheint  der  Fettgehalt  des  Blutes 
der  beiden  erstgenannten  Beri-Beriker,  welche  nur  das  erste 
Frühstück  eingenommen  hatten,  der  pathologischen  Grenze 
nahe  zu  liegen  und  man  muss  ihn  als  vermehrt  bezeichnen. 
Ob  gerade  im  Beginn  der  ßeconvalescenz  oder  sonst  im  Ver- 
lauf der  Beri-Beri  das  Blut  mehr  oder  weniger  Fett  enthält, 
darüber  sind  meines  Wissens  bisher  keine  Untersuchungen 
angestellt. 

Da  bei  Typhusreconvalescenten  von  Jaksch  und 
Anderen  ein  sehr  grosser  Fettgehalt  des  Blutes  gefunden 
wurde,  wäre  es  denkbar,  dass  auch  nach  anderen  Infections- 
krankheiten,  wie  auch  in  der  Beri-Berirecouvalescenz,  wenn  die 

Archiv  f.  Schiff*-  u.  Trope uhygiene.  26 


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374 

Verfettung  der  erkrankten  Nerven  schwindet,  das  Blut  fett- 
reicher würde.  Der  Blutbefund  würde  ausserdem  einen 
prognostischen  Werth  erhalten  können,  abgesehen  davon, 
dass  er  auch  zu  Anfang  der  Krankheit  und  im  weiteren 
Verlaufe  Aufschlüsse  geben  dürfte.  Collegen,  die  über  ein 
grösseres  Material  vertügen,  mögen  weiter  forschen,  dabei 
aber  auch  das  Krankheitsstadium,  die  Krankheitsform  und 
das  Klima  nicht  ausser  Acht  lassen,  in  dem  die  Kranken 
sich  befinden.  In  den  Tropen  wäre  das  Hochgebirgsklima 
dem  europäischen  noch  am  ähnlichsten. 

Das  Blut  von  Dysenteriekranken,  welche  zugleich, 
meistens  intermittirend,  Temperaturerhöhungen  von  38,6  bis 
40,2  0 C hatten  und  worin  keine  Malariaparasiten  gefunden 
wurden,  war  reich  an  Lymphocyten,  darnach  waren  von  den 
weissen  Blutzelleu  die  neutrophilen  zahlreich,  Erythrocyten 
vermindert  bis  zu  3 Millionen,  der  Haemoglobingehalt  des 
Blutes  bei  einem  fiebernden  Patienten  auf  41,2°/0  gesunken, 
(n.  Gowers).  Bei  der  von  den  Niederländern  so  rubricirten 
tropischen  Entritis  war  der  Blutbefund  ein  ähnlicher,  zwei 
Bestimmungen  des  spec.  Gewichtes  nach  Hammerschlag  er 
gaben  1030  und  1044,  also  eine  nicht  unbeträchtliche  Herab- 
setzung, allerdings  bei  zwei  etwas  heruntergekommenen  Indi- 
viduen. Der  Haemoglobingehalt  hielt  sich  im  Mittel  auf  70,5°, , 
(n.  Gowers),  ein  nicht  fiebernder  abgemagerter  Enteritiker  zeigte 
normales  spee.  Gewicht  des  Blutes,  aber  Abnahme  des  Haemo- 
globins,  ein  erst  vor  einigen  Tagen  von  Indien  herüber- 
gekommener Sergeant  mit  52°/0  Haemoglobingehalt  und 
2,400000  Erythrocyten  klagte  über  zu  grosse  Kälte  in  den 
heissen  Augusttagen,  er  habe  sieh  in  Indien  wohler  befunden. 
Es  handelt  sich  bei  diesen  Krankheiten  im  Wesentlichen  in 
Bezug  auf  Blutveränderungen  um  Auaemie.  Atypische 
Leucocytenformen,  wie  bei  Leukaemie,  habe  ich  nie  gefunden. 

Ueber  die  von  mir  angestellten  Untersuchungen  von 
Malariakranken  werde  ich  ebenfalls,  soweit  angängig,  in 
Kürze  berichten,  hauptsächlich  die  mikroskopischen  Arbeiten 
berücksichtigen. 

Nur  sehr  wenige  der  34  Malariakranken  litten  an 
regelmässigen  Anfällen,  es  waren  deren  nur  drei,  darunter 
ein  F all  von  Remittens, ' zwei  andere  Patienten  hatten  an 
Remittens  gelitten,  waren  eine  Zeitlang  frei  davon,  litten 


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375 


aber  au  Recidiven,  ich  setze  sie  deshalb  nicht  unter  die  erste 
Kategorie.  Ein  anderer  Patient  hatte  im  August  kurze 
Zeit  Quotidiana,  nachher  wurden  die  Anfälle  unregelmässig, 
oft  trat  6 — 10  Tage  lang  kein  Fieberanfall  ein,  bei  allen 
übrigen  Patienten  war  die  gleiche  Unregelmässigkeit  vor- 
handen. Wurden  die  Blutuntersuchungen  nicht  gerade  einen 
oder  einige  Tage  vor  dem  zu  erwartenden  Anfalle  ausgeführt, 
oder  war  dann  noch  gerade  Chinin  gegeben,  so  waren  oft 
keine,  oder  nur  spärlich  erscheinende  Parasiten  nachzuweisen. 

Bei  meinem  zweiten  Besuche  in  Zütphen  im  September 
d.  J.  wurde  im  Spital,  um  meine  Beobachtungen  zu  unter- 
stützen, kein  Chinin  mehr  gegeben  und  nun  bei  wiederholten 
Blutentnahmen  zu  passender  Zeit,  mit  Ausnahme  von  einem 
Kachectiker,  in  den  Präparaten  allerdings  meistens  nur  spärlich 
vorkommende  Malariaparasiten  gesehen.  Zweimal  gelang  es 
mir,  gerade  als  Prodrome  eines  Anfalls  sich  zeigten  und  im 
Verlaufe  des  Anfalls,  Blut  zu  nativen  Präparaten  zu  entnehmen, 
ich  nahm  dabei  den  Blutstropfen  etwas  voller  auf  das  Deckglas, 
erhielt  beim  Andrücken  an  den  Objectträger  eine  äussere 
gerinnende  Schicht,  wodurch  die  innere  sich  eine  Zeit  lebend 
erhielt.  Besser  ging  es,  wenn  der  Objectträger  vorher  mit 
einigen  Parnffintröpfchen  beschickt  war,  so  dass  nach  Uebcr- 
streiehungen  mit  einem  warmen  Spatel,  noch  besser  mit  einem 
Glasstab,  der  Raum  zwischen  Objectträger  und  Deckglas  ab- 
geschlossen war.  Diese  letztere  Methode  befolgte  ich  meistens 
bei  allen  Untersuchungen  des  lebenden  Blutes.  An  dem 
Remittenskranken,  dessen  weiter  unten  noch  erwähnt  wird 
und  der  nur  selten  seit  Wochen  unter  38°  C Körpertemperatur 
hatte,  nahm  ich  mehrfach,  sowohl  bei  Temperaturen  von  40"  C 
als  bei  38,5°  C,  einmal  bei  37,8°  C Untersuchungen  des  leben- 
den Blutes  vor.  Von  Stichen  in  die  vorher  mit  Methylenblau- 
lösung beschickte  Fingerkuppe  dabei  muss  ich  abrathen, 
ich  überzeugte  mich,  dass  das  Präparat  nur  mit  Farbstort 
beladen,  das  Blut  verdünnt  oder  verändert  wird,  brauchbare 
Färbung  erhielt  ich  nicht.  Auch  Methylenblauzusatz  zum 
Blut  zwischen  Deckglas  und  Objectträger,  wie  van  der  Schcer 
es  vorschlägt,  hatte  wenig  Erfolg  und  schädigt  eher  den 
Einblick  in  das  Leben  des  Blutes  und  der  Parasiten.  In 
sonstigen  21  von  beiden  Kategorien  der  Kranken  stammenden 
Präparaten  des  lebenden  Blutes  habe  ich  stets  die  kleinen 

26* 


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376 


nicht  pigmentirten  Parasitenformen,  welcne  zuweilen  eine 
Pigmentscholle  enthalten  und  die  s.  g.  Ring-  resp.  Hiegelring- 
form zeigten,  gefunden.  Zweimal  fand  ich  daneben  endo- 
globuliir  einige  Exemplare  der  grossen  Parasiten,  welche 
mehr  Pigment  in  ring-  oder  kreuzförmiger  Anordnung  auf- 
weisen und  amöboid  mehr  beweglich  zu  sein  scheinen,  als 
die  kleinen  Formen.  Meistens  waren  an  der  Begrenzung 
des  Ringes  der  kleinen  Parasiten  eine  grössere  und  kleinere 
Verdickung.  Korn,  (Celli  und  Guarnieri)  vorhanden.  Wie 
van  der  Scheer  in  Indien  an  frischen  Füllen,  fand  ich  hier 
in  Europa  an  älteren  und  auch  stellenweise  bei  Kachectikern, 
sowohl  im  lebenden  Blut  als  im  gefärbten  Präparat,  ecto- 
globuläre  kleine  Formen,  im  lebenden  Blut  sah  ich  sie  als 
runde,  äusserst  zarte,  von  feinem  Rande  begrenzte  Plasma- 
kügelchen,  welche  in  der  Mitte  ein  dunkles  Körnchen  ent- 
hielten, daneben,  Vio  so  gross  als  ein  Erythrocyt  auch  solche 
mit  deutlicherem  dunkleren  Contour,  der  an  einer  Stelle, 
oder  in  geringerer  oder  grösserer  Ausdehnung,  verdickt  er- 
schien. Diese  letzteren  sassen  stets  entweder  an  oder  inner- 
halb der  rothen  Blutkörperchen.  Die  erstgenannten  machten  den 
Eindruck  einer  zarten  jugendlichen  Zellenform,  die  anderen, 
soviel  ich  weiss,  noch  nicht  sonst  beschriebenen,  welche  in 
die  Blutkörperchen  eindringen,  oder  schon  eingedrungen  sind, 
den  eines  einseitig  verdickten  dunklen  Ringes  mit  hellem 
Inhalt.  Die  übrigen  endoglobulären  kleinen  Parasiten  waren 
grösser,  bis  zu  Vs  oder  fast  Vs  der  Grösse  eines  Erythrocyten, 
mit  etwas  stärkerem  dunklen  Contour,  sie  ähneln  dem  Siegel- 
ring und  haben  meistens  dem  grösseren  Knopf  gegenüber,  noch 
ein  kleineres  Körnchen.  Diese  Gebilde  waren  beweglich, 
ihre  Bewegungen  im  Blutkörperchen  mühsam,  nicht  heftig 
und  ausgedehnt,  gerade  als  ob  der  Raum  sie  beengte.  Der 
dunkle  Contour  (oder  der  Ring)  faltete  sich,  streckte  sich 
nach  oben  und  unten,  besonders  an  den  Polen  vielfach  aber 
in  mässigen  Curveu  hervor  und  wieder  zurück,  blieb  aber 
auf  derselben  Stelle  im  Blutkörperchen.  Dabei  schien  auch 
der  davon  eingeschlossene,  oder  wie  vielfach  angenommen, 
umflossene  Theil,  faltig  und  in  der  Sagittalebene  beweglich. 
In  einem  Präparat  sah  ich  deutlich,  wie  der  kleine  Parasit 
zwei  Haemoglobinstäbchen  (Pigment)  aufgenommen  hatte, 
welche  sich  hin  und  her  bewegten  und  sich  lebhaft  an  den 


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377 


Allgemeinbewegungen  des  Parasiten  betheiligten,  sie  schienen 
iin  Inneren,  in  dem  vom  Ring  eingeschlossenen  hellen  Theil 
umherzuschwirren.  Zweimal  habe  ich  die  Beobachtung 
am  Mikroscop  so  lange  fortgesetzt,  bis  der  Parasit  zur  Ruhe 
kam,  die  ovale  b orm  annahm  und  darin  verharrte.  Das 
Blut  begann  dann  einzutrocknen.  Bei  vielen  andauernden 
Beobachtungen  dieser  kleinen,  nicht  pigraentirten  Parasiten 
nahm  ich  wahr,  dass  der  vom  dunklen  Ringe  eingeschlossene 
helle  Theil  im  Blutkörperchen  in  der  Mitte  zusammengeballt  zu 
sein  oder  wie  aus  mehrfachen  kreisförmigen  Furchen  zu  be- 
stehen schien.  Vacuolen  waren  nicht  da.  Meine  Photo- 
gramme des  ungefärbten  Parasiten  zeigen  in  der  Mitte  des- 
selben eine  dunkle  Kernandentung,  an  den  Seiten  des 
dunklen  Ringes  eine  grössere  und  eine  kleinere  Randver- 
dickung, ein  weniger  scharfes  Photogramm  nur  die  seit- 
lichen Rand  Verdickungen  oder  Knöpfchen  und  das  Cen- 
trum leicht  bläulich  tingirt.  Nur  selten  ist,  besonders  im 
gefärbten  Präparat,  dicht  am  dickeren  Knopf  eine  Haemoglobin- 
scholle  zu  bemerken,  im  Ganzen  war  und  blieb  diese  Form 
pigmentfrei,  niemals  sah  ich  sie  grösser  als  '/&  eines  Erythrocyten. 

Dieser  Parasit  ist  morphologisch  dem  von  Plehn  beim 
Kameruner  s.  g.  Schwarzwasserfieber  gefundenen  ähnlich, 
nur  das  Ringelchen  (der  Contour)  des  Kameruner  Parasiten 
erscheint  feiner,  zarter.  Wenn  man.  wie  noch  später  be- 
schrieben. zart  oder  braun  färbt,  so  erscheint  das  Centrum 
des  Ringes  im  Blutkörperchen  mehr  different  und  im  Photo- 
gramm in  dessen  Mitte  auch  eine  Kernandeutung.  Ich  hatte 
hier  Gelegenheit,  Kameruner  Parasiten  in  dem  Blute  eines 
Patienten  zu  beobachten  und  besitze  gefärbte  Präparate  in 
meiner  Sammlung.  Hucmoglohinurische  Malaria  kommt  auch 
in  Ostindien,  wenn  auch  seltener,  vor,  dabei  erscheint  der 
von  mir  und  van  der  Scheer  beschriebene  kleine  Parasit. 
Das  Leben  dieses  kleinen  Parasiten  im  Blutkörperchen  des 
peripheren  Blutes,  welches  er  mit  seinem  Wirth  bald  verlässt, 
um,  wie  vielfach  untersucht,  in  der  Milz  oder  anderen 
inneren  Organen,  besonders  im  Gehirn,  zur  vollen  Reife 
zu  kommen,  die  eigenthiimliehe  Art  seiner  Bewegungen 
im  Erythrocyten,  dabei  das  Verbleiben  auf  einer  Stelle  und 
das  beschriebene  Verhalten  des  Inneren,  machen  den  Eindruck, 
als  ob  derselbe  nicht  nur  ein  Ring  sei,  sondern  eine  ovale  Zelle, 


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eine  Scheibe.  Allerdings  hat  ein  Theil  von  hervorragenden 
Beobachtern,  darunter  Kruse*)  eine  andere  Anschauung, 
hauptsächlich  wendet  sich  der  Letztere  gegen  die  Annahme 
eines  bläschenförmigen  Kernes  — Manuaberg  — den 
auch  ich  nicht  bemerkt  habe.  Wenn  die  Structur  des  kleinen 
Parasiten  durch  Färbung  deutlicher  werden  soll,  so  kann  ich 
nur  die  zarteste  Tinction  empfehlen,  dann  sieht  man  im 
Dauerpräparat  die  consistentere  Structur  in  der  Mitte,  welche 
nach  Kruse  den  Rest  des  Haemoglobinkernes  darstellt.  Trotz- 
dem ich  das  Blut  einer  ganzen  Anzahl  von  Maleriakachectikern 
in  Zütphen  und  hier  im  gefärbten  Präparat  untersuchte,  fand  ich 
nur  zweimal  Halbmondformen,  während  vanderScheerin  Indien 
bei  denselben  Patienten  sie  constant  beobachtete.  Van  der  Scheer 
beobachtete  ferner,  dass  die  kleinen  Parasiten  bis  zu  1 3 der 
Grösse  eines  Erythrocyten  im  peripheren  Blut  in  Indien 
verblieben,  Pigment  aufnahmen  und  dann  verschwanden. 

Ich  konnte  diese  Grösse  hier  nicht  constatircn,  auch  nur, 
dass  sie  ausnahmsweise  ein  oder  zwei  Pigmentstäbchen  am 
Korn  enthielten,  sie  müssten  demnach  hier  in  Europa  früher 
aus  dem  peripheren  Blut  sich  entfernen,  was  kaum  an- 
zunehmen ist. 

Die  Beschreibung  der  grossen,  im  Blut  gefundenen 
Formen,  sowie  der  gleichzeitig  mit  den  kleinen  in  Präparaten 
von  demselben  Kranken  gesehenen,  glaube  ich,  um  nicht 
Bekanntes  zu  wiederholen,  übergehen  zu  sollen,  ich  fand  nur, 
dass,  je  länger  die  Patienten  in  Europa  waren,  die  grossen  Para- 
siten mehr  Pigment  enthielten,  ein  Befund,  den  ich  der  Mitthei- 
lung für  werth  halte.  Auch  war  das  einzelne  Pigmentstäbchen 
von  länger  in  Europa  Verweilenden  (mehr  als  4 Monate) 
dicker  als  bei  Xeuangekommenen.  Ob  diese  Erscheinung  mit 
der  Besserung,  der  Widerstandsfähigkeit  oder  dem  besseren 
Ernährungszustände  im  gewohnten  Klima  Zusammenhänge 
will  ich  vorerst  hier  unerörtert  lassen.  Auffällig  war  das  wenn 
auch  nicht  häufige  Vorkommen  grosser  Parasitenforraeu  mit 
den  kleinen  zusammen  bei  einem  und  demselbem  Patienten, 
wie  es  in  Indien  nicht  so  oft  und  dann  nur  bei  gewissen, 
meistens  künstlich  erzeugten  Mischinfectionen  beobachtet 
wurde.  Ausser  bei  Quotidiana  fand  ich  hier  auch  bei  Re* 

— " 

*)  Kruse  in  Flügge  s „Die  Mikroorganismen“,  Leipzig  1896. 

i 

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379 


mittens  die  grossen  Formen  neben  den  kleineren.  Den 
schon  erwähnten  hartnäckigen  Remittensfall  — Ncwinger 
siehe  Curve  — dürfte  wohl  auf  die  Anwesenheit  beider  Formen 
im  Blut  und  auf  die  zweier  resp.  dreier  Generationen  der 
grösseren  pigmentirten  zurückzuführen  sein,  so  dass  zwei 
bis  drei  Exacerbationen  des  Fiebers,  mit  dem  Heranreifen 
und  Sporulation  der  grossen  Form  im  peripheren  Blut  oder 
der  kleinen  Parasiten  in  den  inneren  Organen  in  Einklang 
gebracht  werden  könnten.  Einmal  beobachtete  ich  bei 
Newinger,  von  dem  ich  ausser  den  21  Präparaten  von  anderen 
Patienten,  viele  native  anferligte,  den  Sporulationsprocess 
der  grossen  Parasiten  vor  dem  Ansteigen  der  Temperatur, 
dabei  war  die  jüngere  Parasiten-Generation  sehr  deutlich 
zu  unterscheiden. 

Die  von  Martin  erwähnten  stäbchenförmigen  Gebilde 
bei  tropischer  Remittens,  habe  ich  in  Zütphen  nicht  als 
Mikroorganismen  feststellen  können,  man  sieht  sowohl  im 
Blute  Gesunder,  auch  vielleicht  häufiger  bei  Remittens, 
ähnliche  Gebilde,  aber  cs  handelt  sich  dabei  oft  um  Zufällig- 
keiten und  um  Diffractionserschcinungen.  In  dem  Falle  der 
Complication  von  Beri-Beri  mit  Malaria,  wo  starke  Leber- 
und Milzschwellung  auffielen  und  das  Fieber  nur  wenig  un- 
regelmässig auftrat,  fanden  sich  bei  lortgesetztem  Suchen  in 
fünf  gefärbten  Präparaten  nur  die  kleinen  Formen,  in  dem 
einen  sah  man  im  Innern  eines  Blutkörperchens  eine  noch 
verschiedentlich  ausgereckte  amöboide  nicht  pigmen- 
tirte  Figur  von  '/*  Blutkörpergrösse.  Auch  bei  diesscr 
Complication  erreichten  die  kleinen  Parasiten  nicht  die  von 
van  der  Schcer  angegebene  Grösse  in  Indien  noch  nahmen 
sie  Pigment  an.  Milzpunctionen  nahm  ich  nicht  vor,  in 
Fällen,  wo  der  kleine  Parasit  allein  gefunden  wird,  und  dieses 
ist  ja  in  grosser  Mehrzahl,  empfiehlt  sie  sich,  um  über  die 
Weiterentwicklung  der  kleinen  Parasiten  einwandsfreie  Resul- 
tate zu  erbringen,  besonders  wenn  man  keine  Sectionen  macht, 
wie  es  in  unseren  noch  in  der  Entwickelung  begriffenen 
deutschen  Colonien  öfters  der  Fall  sein  kann,  als  in  alten, 
hochentwickelten. 

Bei  dieser  ganz  offenbaren  Complication  von  Beri-Beri 
mit  Malaria  fand  ich  ebenso  als  sonst  im  Malariablut,  die 
kleinen  ectoglobulären  Amöben,  welche  denen,  die  Glogner 


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380 


im  Milzblut  Bcri-Berikranker  fand,  gleichen  und  in  welchen 
er  die  Beri-Berierreger  vermuthete.  Die  Beobachtung  solcher 
Complicationen,  wo  Beri-Beri  und  Malaria  ganz  neben  einander 
und  deutlich  geschieden  von  einander  in  demselben  Organismus 
verlaufen,  lasst  auch  die  Anschauung,  dass  Beri-Beri  eine 
Malariakrankheit  sei,  hinfällig  werden,  noch  dazu,  wenn  (wie 
in  unserem  Falle)  nicht  Malaria,  sondern  Beri-Beri  die  zuerst 
auftretende  Krankheit  war  und  die  eretere  sich  rascher 
besserte,  während  Malaria  zurückblieb. 

Unter  den  an  Caehexia  paludosa  Leidenden,  deren 
Fieberaufiille  selten,  deren  Anaemie  aber  nicht  unbeträchtlich 
schien,  waren  einige,  welche  Diarrhoen  und  Leberschwellung 
zeigten,  auch  übertraf  verhältnissmässig  mehrfach  die  Leber- 
schwellung den  Milztumor,  hier  war  das  Blut  gallensüurcreich 
und  oft  fanden  sich  melaninhaltige  (pigmentirte)  Leucoevten, 
welche  im  lebenden  Bluts  extravagante  Bewegungen  und 
Ausreckungen  ausführten,  im  gefärbten  Präparat  rundlich 
erscheinen,  oder  in  einem  der  Ringform  ähnlichen  Zustande 
zur  Ruhe  kamen  und  leicht  Parasiten  Vortäuschen  können, 
ebenso  waren  sterile  Parasitenformen  zu  beobachten,  darunter 
selten  Halbmondformen. 

Dann  erschienen  im  Blute  der  Malariakranken  noch 
kleine,  ectoglobuläre  Ringelchen,  Kügelchen,  die  von  den  be- 
schriebenen und  bekannten  abweichen,  denen  jede  Kernan- 
deutung  oder  Pigment  fehlt  und  die  sonst  im  Blute  Gesunder 
nicht  angetroffen  werden,  auch  von  mir  nicht  im  gesunden 
oder  kranken  Blute,  auch  nicht  im  Thierblut,  beobachtet 
wurden.  Wenn  auch  mit  Unterbrechungen,  habe  ich  doch 
jahrelang  Blut  untersucht,  im  letzten  Jahre  fast  täglich. 

Diese  Gebilde  als  Parasitenformen  zu  deuten,  wäre 
aber  ein  Fehler,  den  selbst  einzelne,  mehr  oder  weniger  in 
die  Sache  eingedrungene,  aber  nicht  mit  der  Optik  immer 
ganz  vertraute  Untersucher  leicht  machen,  ebenso  soll  man 
sich  vor  mikroscopischem  Staub  und  freiem  ausgepressten 
Haemoglobingebilden  hüten.  Hat  man  es  im  Präparat  und 
bei  den  Kranken  nur  mit  den  grossen  europäischen  Formen 
zu  thun,  so  ist  eine  Verwechslung  nicht  leicht  möglich, 
anders  liegt  es  bei  den  tropischen  kleinen  Formen.  Die  melanin- 
haltigen  Leucoevten  und  ähnliche  Gebilde,  wie  auch  den 


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eigenthttmlichen  Glanz  der  Blutkörperchen  nehmen  viele 
Autoren,  wie  auch  Grawitz,  *)  bei  Nichtanffindbarkeit  von 
Parasiten  als  ein  suspectes  Zeichen  für  bestehende  Malaria 
an.  Den  Glanz  der  Blutkörperchen  habe  ich  trotz  darauf 
gerichteter  Beobachtung  bei  Malariablut  nicht  deutlich  wahr- 
nehmen können,  auch  nicht  in  Präparaten,  welche  keine 
Parasiten  enthielten  und  welche  von  Kranken  mit  irregu- 
lärem Fieber  stammten,  in  deren  Blut  ich  noch  Para- 
siten nachweisen  konnte.  Vielmehr  sind  die  Blutkörperchen 
da,  wo  anderweitige  Befunde,  wie  pigmentführende 
Leucocyten  auf  Malaria  deuten,  oft  glanzlos  und  etwas 
blässer  als  in  der  Norm,  die  Delle  ist  vergrössert,  der  Haemo- 
globingehalt  des  einzelnen  Blutkörperchens  vermindert.  Im 
Remittcnsblut  erschienen  dagegen  die  Blutkörperchen 
glänzender  zu  sein  als  sonst.  Vielleicht  sind  dieses  Zufällig- 
keiten. Auf  das  Vorkommen  eigeuthümlieh  ausgereckter,  aber 
pigmentloser  Figuren,  mit  feinem  Contour  im  Inneren  von 
Blutkörperchen,  wie  sie  nur  Amoeben  annehmen  und  wie 
sie  von  Kruse  und  Anderen  bei  Beschreibung  der  Tertian- 
parasiten,  aber  mit  feinem  randständigen  Pigment  versehen, 
abgebildet  sind,  habe  ich  schon  früher  liingewiesen  und  kann 
hinzufügen,  dass  ich  da,  wo  ich  solche  Formationen  sah* 
auch  gewöhnlich  grosse  Parasiten  fand.  Die  von  van  der 
Scheer  erwähnten  grossen  Parasiten,  mit  Geissein,  (Zwecp- 
draad)  habe  ich  nicht  gesehen.  Geübte  und  ungeübte 
Untersucher  mögen  zugleich  hieraus  ersehen,  dass  selbst  zur 
Diagnose  tropischer  Malaria  durch  die  Blutuntersuchung 
wenigstens  bei  nicht  ganz  günstiger  Zeit  oder  bei  älteren 
dabei  oft  schweren  Fällen  von  pernieiöser  Malaria,  welche  in 
unserem  Klima,  wie  wir  sehen,  sich  ändern,  Uebung  und  Er- 
fahrung gehört  und  dass  Täuschungen  sehr  leicht  sind,  so 
dass  es  nicht  verwundert,  wenn  Kliniker  in  Präparaten  Fremdes 
als  Parasiten  ansehen,  wirkliche  kleine  endoglobuläre  Para" 
siten  aber  übersehen.  Es  ist  ausserdem  eine  Geduldsprobe 
und  für  das  Auge  anstrengend,  Präparate  solcher  Patienten 
zu  durchsuchen.  Bei  frischen  Fällen,  vor  und  besonders 
während  des  Hitzcstadiums  des  Anfalles  ist  es  leichter,  weil 
dann  zuweilen  in  jedem  Gesichtsfelde  Parasiten  erscheinen. 


*)  Grawitz,  E.  Klinische  Pathologie  lies  Blutes.  Berlin  1896 


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382 


Trotzdem  ist  es  durchaus  für  jeden  Tropenarzt  nöthig,  die 
erwähnten  Vorkommnisse  selbst  durch  Uebung  zu  erfahren, 
zu  analysiren  und  unterscheiden  zu  können. 

Ich  bin  dank  Zütphen  in  den  Besitz  einer  grossen 
Anzahl  (etwa  150)  von  Präparaten  gekommen,  welche  für 
mich  und  für  das  vergleichende  Studium  der  Malariaparasiten 
von  höchstem  Werthe  sind,  hoffentlich  kann  ich  meine 
Sammlung  von  Zeit  zu  Zeit  ergänzen  und  besser  ausarbeiten, 
nachdem  ich  durch  wiederholte  Studien  und  Erfahrungen  neue 
Gesichtspunkte  dafür  gewann,  denen  ich  nachzugehen  beab- 
sichtige. Vergleicht  man  die  tropischen  Malariaparasitenformen 
mit  den  unsrigen,  oder  denen  aus  Polen,  woher  ich  Präparate 
erhielt,  so  erscheinen,  wie  theilweise  schon  angegeben,  doch 
selbst  die  grossen  tropischen  Malariaparasiten  anders,  besonders 
in  Bezug  auf  Lagerung  und  Stärke  des  Pigments  und,  was 
ich  noch  erwähnen  möchte,  auf  die  Renction  des  Wirthes, 
desErythrocvten,  welcher  bei  unserer  Malaria,  auch  bei  maligner 
Tertiana,  schlaff  und  stark  vergrössert,  angeschwollen,  erscheint, 
während  bei  tropischer  Malaria  das  Blutkörperchen  auf  den 
kleinen  Parasiten  wenig  reagirt.  Gewöhnlich  erscheinen  daher 
auch  die  europäischen  grossen  Formen  grösser  als  die  grossen 
tropischen.  Am  ähnlichsten,  wahrscheinlich  identisch  mit  den 
tropischen  Formen  sind  die  italienischen.  Ob  die  kleinen 
italienischen  Formen,  die  ostindische  und  die  bei  Schwarz- 
wasserfieber in  Kamerun  gar  keine  Unterschiede  aufweisen, 
ist  nicht  so  sicher  als  die  grosse  Uebereinstimmung  des 
ostindischen  kleinen  Parasiten  mit  dem  zuerst  von  Plehn*) 
aus  Kamerun  beschriebenen,  obschon  auch  da  noch  einzelne 
Feinheiten  differiren.  Ich  habe  nach  meinen  Beobachtungen 
Gründe  für  die  Annahme,  dass  sie  sich  nicht  wesentlich 
unterscheiden  und  keine  getrennte  Species  bilden. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  etwas  über  Färbung 
mittheilen.  Die  erfahrenen  Collegen,  welche  eigene  Malaria- 
studien möglichst  in  verschiedenen  Ländern  der  Erde 
ausführen,  legen  das  Hauptgewicht  auf  den  Befund  im  un- 
gefärbten Präparat,  oder  am  ungefärbten  Parasiten,  wie  ich 

*)  F.  Plolin.  Berliner  Med.  Gesellschaft,  Vortrag-  Sitzung  vom 
9.  Mai  lä!»5.  (Iber  das  Sehwarzwasserfieber  an  der  afrikanischen 
Westküste. 


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383 


es  ebenfalls  thue.  Nacli  meiner  Erfahrung  kann  ich  nur 
eine  ganz  schwache  Färbung,  etwa  Methylenblau  empfehlen, 
oder  für  den  Eingeweihten,  wie  bei  den  kleinen  Parasiten, 
gar  keine.  Will  man  nun  aber  doch  eine  Kernfärbung  der 
Übrigen  Blutelemente  haben  und  färbt  nach  Vorfärbung  mit 
Methylenblau  nach,  dann  rathe  ich  entweder  nur  eine 
schwache  Vio°/o  Lösung  */*  Minute  anzuwenden,  oder  bei 
stärkerer  evcnt.  Löffler  scher  Lösung  das  Deckglas  durch 
schwachen  Salzsäurealkohol  zu  ziehen  und  sogleich  abzuspülen- 
Zur  Färbung  und  besseren  Differenzirung  benutze  ich  Orange  G, 
dem  ich  etwas  Auramin  und  Anilingelb  zusetze,  15  Tropfen 
solcher  filtrirten  concentrirten  Lösung  zu  10  bis  12  Gramm 
Wasser  genügen,  um  in  5 Minuten  die  Erythrocyten  gelblich 
roth.  in  ähnlicher,  concentrirterer  Farbe  wie  in  natura  zu 
tingiren,  nach  Abspülen  und  Trocknen,  2 Minuten  Verweilen- 
lassen in  verdünnter  Eosinlösung,  am  besten  Prof.  Frosch’s 
Präparat,  welches  ich  bereits  in  Zütphen  und  nachher  kennen 
lernte  und  allen  Eosinlösungcn  vorziehe.  Nach  Abspülen 
und  Trocknen  Nachfärbung  in  Methylenblaulösung,  Einschluss 
in  Canadabalsam.  Die  Fixation  geschieht  am  besten  durch 
Wärme,  sonst  in  Mischung  von  Alkohol  und  Aether.  Man 
kann  auch  die  Färbung  von  Orange  und  Eosin  combiniren, 
indem  man  einigen  Tropfen  Eosin  in  Auramin  Orangelösung 
zusetzt,  stehen  lässt  und  frisch  filtrirt,  so  sicher  als  die 
getrennte  Färbung  ist  sie  aber  nicht,  ebenso  täuscht  man 
sich  häufig  über  die  Resultate  der  Doppelfärbung  in  Gemischen 
von  Eosin  und  Methylenblau  oder  auch  nach  Chcnzinsky. 
Meine  Färbung  scheint  nur  den  Vortheil  zu  bieten,  den  un- 
gefärbten oder  nur  zart  gefärbten  Parasiten  sowie  sein  Cen- 
trum im  Inneren  des  Blutkörperchens  leichter  zu  erkennen, 
als  im  eosinrothen  und  so  möglichst  naturgetreues  Parasiten- 
material  zu  studiren. 

Schon  der  knappen  Zeit  wegen  muss  ich  mich  jetzt 
mit  dem  über  meine  Studien  Mitgetheilten  begnügen  und 
hoffe  ein  Mehr  entweder  in  diesem  Archiv  zu  geben  oder 
anderenorts  event.  in  einem  Buche.  Ich  hoffe  über  die 
Statistik  und  den  Einfluss  des  Klimas  auf  die  von  Indien 
nach  Holland  übergeführten  kranken  Militärs  noch  mehr 
Material  von  Holland  aus  zu  erhalten,  so  dass  darüber  die 
Acten  noch  nicht  geschlossen  sind.  Die  grosse  Mehrzahl  der 


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3*4 


kranken  aber  noch  dienstpflichtigen  Mannschaften  kehrt 
wieder  dienstfähig  nach  Indien  wenn  auch  erst  nach  1 — 2 
Jahren  zurück,  wodurch  sie  der  Armee  erhalten  bleiben. 


Ueber  die  praktisch  verwertbaren  Erfolge  der  bisherigen 
ätiologischen  Malariaforschung. 

Von  Dr.  Friedrich  Plehn,  Regierungsarzt  beim  Kaiserlichen 
Gouvernement  von  Deutsch- Ostafrika. 

Die  Augen  der  praktisch  und  wissenschaftlich  thätigen 
Tropenärzte  sowie  auch  aller  derjenigen  Laien,  welche  ein 
ideales  oder  materielles  Interesse  an  der  Förderung  unserer 
Kenntnisse  und  unseres  Könnens  auf  dem  Gebiet  der  Tropen- 
pathologie und  Tropenhygiene  haben,  sind  zur  Zeit  auf  Dar- 
es-Salaam  gerichtet,  wo  seit  einigen  Wochen  Robert  Koch 
seine  Arbeitsstätte  eingerichtet  hat,  um  die  an  der  deutsch- 
ostafrikanischen Küste  vorkommenden  Infektionskrankheiten 
und  speeiell  die  Malaria  zum  Gegenstand  seiner  Untersuchungen 
zu  machen.  Jeder,  welcher  sich  der  Bedeutung  der  Stellung 
bewusst  ist,  welche  Koch  in  der  Geschichte  unserer  modernen 
Medicin  einnimmt,  erblickt  in  seinem  Eintritt  in  die  eigent- 
liche tropenpathologische  Forschung  einen  bedeutsamen  Merk- 
stein in  deren  Entwicklung  und  erwartet  mit  Spannung  als 
Ergebniss  seiner  Thätigkeit  Entdeckungen  von  hervorragender 
principieller  und  praktischer  Bedeutung. 

Grade  der  jetzige  Zeitpunkt,  wo  diese  Entdeckungen 
noch  im  Laboratorium  von  Dar-es-Salaam  verborgen  liegen, 
erscheint  geeignet , einen  kurzen  Rückblick  über  die  bis- 
herigen Ergebnisse  der  neueren  Malariaforschung  zu  thun 
und  im  besonderen  darüber  uns  zu  verständigen,  was  wir 
seit  Beginn  der  ätiologischen  Malariaforschung  mit  den  uns 
zur  Verfügung  stehenden  Methoden  thatsächlieh  bereits  erreicht 
haben.  Die  Aufforderung  dazu  liegt  gegenüber  dem  vielfach 
in  dieser  Beziehung  sich  äussernden  Skepticismus  von  Aerzten 
und  Laien  grade  für  mich  nahe,  der  ich,  seit  ich  vor  acht 
Jahren  in  Berlin  mit  meinen  ätiologischen  Studien  der  Malaria 
begann,  inzwischen  eine  nicht  vielen  Aerzten  gegebene  Gelegen- 
beitbatte, in  verschiedenen  Theilen  der  Erde  und  unter  günstigen 


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385 

äusseren  Arbeitsbedingungen  nn  einem  nunmehr  nach  Hunderten 
von  Fällen  zählenden  Beobachtungsmaterial  Erfahrungen  anzu- 
sammeln, stets  von  ätiologischen  Gesichtspunkten  ausgehend 
und  stets  bemüht,  das  ätiologische  Moment  der  praktischen 
Medizin  nutzbar  zu  machen,  cs  nach  Möglichkeit  zu  Erken- 
nung, Verhütung  und  Heilung  der  Krankheit  zu  verwenden. 
Einzelheiten  zu  bringen,  ist  in  diesem  Zusammenhang  nicht 
meine  Absicht.  Der  Charakter  der  kleinen  Arbeit  als  kurzer 
Uebersicht  muss  es  auch  erklären,  wenn  dieselbe  auf  der 
einen  Seite  einiges  enthält,  was  manchem  bekannt  ist,  auf 
der  anderen  bestrittenes  nicht  eingehend  begründet.  Diese 
Lücken  auszufüllen,  wird  sich  mir  in  anderen  demnächst  er- 
scheinenden Arbeiten  hinlänglich  Gelegenheit  bieten. 

Ueber  die  ursächliche  Bedeutung  der  zuerst  von  Laveran 
1880  im  Blut  algerischer  Fieberkranker  entdeckten  parasiti- 
schen Mikroben  kann  ein  Zweifel  unter  den  für  diese  Frage 
competenten  Beurtheilern  als  zur  Zeit  ausgeschlossen  gelten. 
Die  charakteristischen  Parasiten  sind  bisher  ausschliesslich  im 
Körper  malariakranker  Menschen,  nie  im  gesunden  oder  mit 
anderen  Krankheiten  behafteten  Organismus  gefunden  worden, 
im  ersteren  fast  ausnahmslos  in  allen  Fällen.  Wo  sie  nicht  im 
peripheren  Kreislauf  gefunden  wurden,  sind,  abgesehen  von 
etwaiger  Ungeübtheit  des  Untersuchers,  Lokalisationen  in 
inneren  Organen  anzunehmen  und  vielfach  auch  nachge- 
wiesen, wie  in  Milz  oder  Gehirn;  meist  erzeugen  sie 
unter  diesen  Umständen  auch  ganz  bestimmte  klinische  Er- 
scheinungen. 

Welchen  Vortheil  hat  nun  die  Medicin  aus  der  Ent- 
deckung des  Erregers  der  Malaria  im  Interesse  der  All- 
gemeinheit bisher  ziehen  können? 

Bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  werden  wir  zwei 
Richtungen  innerhalb  derselben  streng  zu  scheiden  haben, 
eine  auf  den  Schutz  der  Massen  gegen  die  Infection  zu- 
strebende rein  hygienische  und  eine  im  engeren  Sinn  medi- 
cinische  oder  klinische,  welche  sich  mit  dem  Schutz  des 
Individuums  gegen  die  Krankheit  und  mit  der  Heilung  des- 
selben beschäftigt.  Das  Mass  des  einer  jeden  dieser  beiden 
Richtungen  aus  den  Ergebnissen  des  ätiologischen  Malaria- 
studiums erwachsenen  Vortheils  hat  sich  als  ein  sehr  ver- 
schieden grosses  erwiesen. 


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Die  Hygiene  in  dem  von  mir  bezeichneten  Sinn  hat 
bisher  noch  so  gut  wie  gar  keinen  auf  Grund  derselben  er- 
zielten praktischen  Erfolg  zu  verzeichnen  gehabt.  Die  Ur- 
sache liegt  in  der  Unzulänglichkeit  der  uns  einstweilen  für 
das  biologische  Studium  der  Malariaparasiten  wie  der  ganzen 
diesen  verwandten  Welt  protozoärer  parasitischer  Mikroben 
zu  Gebote  stehenden  Methoden  im  Gegensatz  zu  der  hohen 
Entwickluug  derer,  welche  wir  Koch  und  seinen  Schülern 
für  die  Erforschung  der  Bakterien  verdanken.  Die  Erfolge 
des  Studiums  der  Biologie  der  Malariaparasiteu  beschränken 
sich  auf  die  Beobachtung  gewisser  Entwicklungserscheinuugen 
derselben  unter  Verhältnissen,  welche  mit  peinlichster  Genauig- 
keit denen  nachgebildet  sind,  unter  welchen  dieselben  im 
menschlichen  Organismus  schmarotzen,  im  übrigen  auf  Fort- 
schritte in  der  Kenntniss  ihrer  morphologischen,  speciell  ihrer 
Struktur-  und  tinktoriellen  Verhältnisse.  Mit  den  Ergeb- 
nissen beider  Forschungsrichtungen  kann  die  Hygiene  so  gut 
wie  gar  nichts  anfangen.  Die  sie  intercssirenden  Fragen 
nach  dem  Vorkommen  der  Malariaparasiten  ausserhalb  des 
menschlichen  Körpers  in  der  unbelebten  und  belebten  Natur, 
in  der  wir  sie  nach  allen  Erfahrungen  als  vorhanden  voraus- 
setzen müssen,  sind  bisher  noch  durchaus  unbeantwortet  ge- 
blieben, resp.  ihre  vielfach  versuchte  Beantwortung  entbehrt 
der  exacten  wissenschaftlichen  Begründung.  Völlig  unbeant- 
wortet ist  demgemäss  auch  die  Frage:  auf  welchem  Wege 
und  auf  welche  Weise  kommt  die  Malariainfection  zu  Stande? 
Die  Folge  dieser  fundamentalen  Unkenntniss  wiederum  ist 
die  Unmöglichkeit,  irgend  eine  der  zur  Verhütung  der  Krank- 
heit im  Grossen  zur  Zeit  angewandten  Massregeln  in  exakter 
Weise  und  nicht  nur  mit  dem  Hinweis  auf  gewisse  allgemein 
als  richtig  hingenommene  Erfahrungs-  und  ( Haubenssätze 
zu  begründen.  Was  wir  in  der  Richtung  zur  Zeit  unter- 
nehmen, stützt  sich  auf  Hypothesen,  welche  einem  gewissen 
Causalitätsbedürfniss  entsprungen,  nicht  beweisbar  sind  und 
von  denen  keine  hinreichend  gestützt  ist,  dass  nicht  eine 
eiuzige  fundamentale  Entdeckung  sie  über  den  Haufen  werfen 
könnte.  Es  trifft  das  in  gleicher  Weise  zu  für  die  Annahme 
einer  Infektion  durch  „schlechte  Luft“,  welche  immer  noch 
die  populärste  ist,  obwohl  sich  gerade  gegen  sie  das  Gefühl 
des  modernen  Mediziners  am  meisten  sträubt,  wie  einer  sol- 


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387 


chen  durch  Trinkwasser  oder  Insektenstiche,  wie  solche  neuer- 
dings wieder  energisch  verfochten  aber  nicht  bewiesen  sind. 

Einen  unvergleichlich  viel  grösseren  Vortheil  als  die 
Hygiene  hat  die  klinische  Medicin  aus  der  Klärung  unserer 
Begriffe  von  der  Natur  des  Malariavirus  und  von  dem  ein- 
gehendem Studium  desselben  als  menschlichen  Zellenparasiten 
ziehen  können.  Dass  sie  nicht  ganz  allgemein,  namentlich 
in  den  Tropen,  diesen  Vortheil  daraus  gezogen  hat,  findet 
seine  Erklärung  in  einem  unter  dem  Einfluss  des  Klimas 
wie  des  Mangels  anregender  Concurrenz  beim  Tropenarzt 
besonders  leicht  sich  entwickelndem  Beharrungsbedtirfniss, 
das  seine  Neigung  zum  Gebrauch  des  Mikroskops  wie  an- 
derer complicirterer  Hülfsmittel  der  modernen  Medicin  und 
in  der  Folge  dann  auch  seine  Uebung  in  Verwendung  der- 
selben sehr  vielfach  in  dem  Mass  geringer  werden  lässt,  als 
seine  praktische  Erfahrung  sich  vergrössert  und  das  ihn  dann 
endlich  mit  einer  gewissen  Regelmässigkeit  dahin  führt,  Me- 
thoden gering  zu  schätzen,  zu  deren  Erlernung  und  Beur- 
theilung  er  sich  nicht  mehr  fähig  fühlt.  Das  Endurtheil 
wird  in  solchen  Fällen  ziemlich  übereinstimmend  dahin  zu- 
sammengefasst, dass  es  für  den  Kranken  ja  doch  gänzlich 
gleich  sei,  ob  er  sein  Fieber  mit  oder  ohne  Thierehen  im 
Blut  habe,  dass  ausser  den  üblichen  symptomatischen  Er- 
leichterungen doch  nach  wie  vor  nichts  für  ihn  geschehen 
könne,  als  ihm  Chinin  zu  geben,  bis  er  gesund  — oder  bis  er 
gestorben  sei,  dass  also  thatsächlich  praktisch  weder  dem  Arzt 
noch  dem  Kranken  mit  den  neuen  Entdeckungen  auf  dem  Ge- 
biet der  Malariaätiologie  etwas  genützt  sei.  Es  setzt  dieser 
Standpunkt  die  Ansicht  voraus,  dass  in  der  Tliat  jede  mit 
fieberhaften  Erscheinungen  einhergehende  Krankheit  in  den 
Tropen  „das  Fieber  kan  r'xojoV“,  d.  h.  das  Malariafieber,  resp., 
dass  die  Diagnose  der  Malaria  auch  ohne  die  durch  Aus- 
nutzung des  ätiologischen  Moments  gewonnenen  Hülfsmittel 
ohne  weiteres  zu  stellen  sei.  Diese  Ansicht  ist  keineswegs 
allgemein  richtig.  Ferner  setzt  er  voraus,  dass  das  Chinin 
ein  in  jedem  Fall  von  Malaria  nutzbringendes,  jedenfalls 
niemals  schädliches  Mittel  sei , das  man  — vorausgesetzt, 
dass  man  nicht  zu  w’enig  giebt  — ohne  auf  die  speeiclle 
Dosirung  grossen  Werth  zu  legen  — in  jedem  Fall  und  in 
jeder  Phase  der  Krankheit  ohne  jedes  Bedenken  anwenden 


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könne.  Diese  Ansicht  ist  gleichfalls  unrichtig,  sie  beruht 
auf  Mangel  an  Keuntniss  des  klinischen  Verlaufs  der  tropi- 
schen Malaria  einerseits  und  der  Wirkung  des  Chinins, 
speciell  in  den  Tropen  und  bei  tropischen  Malariakranken 
andrerseits.  Ohne  Ausnutzung  des  ätiologischen  Moments 
wird  das  nicht  möglich  sein,  die  alten,  vielfach  unklaren 
und  in  mancher  Einzelheit  sich  widersprechenden  Vorstel- 
lungen durch  klarere  Begriffe  vom  Wesen  der  Krankheit 
und  eine  schärfere  Indicationsstellung  für  die  Anwendung 
unserer  Heilmittel  zum  Nutzen  der  Kranken  zu  ersetzen. 

Für  die  Diagnose  der  Malaria  haben  die  ätiologischen 
Forschungen  der  letzten  Jahre  dem  Arzt  wesentliche  Hülfs- 
mittel  in  die  Hand  gegeben,  die  um  so  weniger  entbehrlich 
sind,  als  gerade  in  den  Tropen  von  dem  von  der  Heimat  her 
gewohnten  pathologischen  Bild  der  Intermittens  häutig  wenig 
itbrig  bleibt,  namentlich  wenn,  wie  meist  vor  Consultation 
des  Arztes,  eine  probeweise  Anwendung  von  verzettelten 
Chiningaben  stattgefunden  und  dann  nicht  selten  den  typi- 
schen Krankheitscharakter  verwischt  hat,  der  initiale  Schüttel- 
frost, der  regelmässige  Verlauf  der  Temperaturbewegung,  die 
Milzvergrösserung  zurück-  und  dafür  irgend  welche  Lokal- 
erscheinungen in  den  Vordergrund  treten,  während  anderer- 
seits das  Chinin  als  diagnostisches  Mittel  vielfach  versagt. 
Unter  diesen  Umständen  ist  die  Blntuntersuchuug  ein  sehr 
werthvolles  Mittel,  die  Diagnose  zu  sichern,  gegenüber  einer 
Reihe  von  andern  Krankheiten,  septischen  speciell  puerperalen 
Erkrankungen,  den  durch  Filaria  sanguinis  hervorgerufenen 
Fieberanfällen,  fieberhafter  Darmentzündung  und  beginnendem 
Unterleibstypus,  Tuherculose,  akutem  Gelenkrheumatismus, 
Meningitis  und  anderen,  die  der  Malariakachexie  gegenüber 
Carcinom,  chronischer  Nierenentzündung  und  anderen.  Es  ist 
die  exakte  Diagnosestellung  in  diesen  Fällen  um  so  wichtiger, 
als  diese  und  andere  Krankheiten  erfahrungsgemäss  häutig, 
wo  eine  alte  latente  Malaria  bestand,  den  im  Körper  zurück- 
behaltenen Dauerformen  der  letzteren  durch  Alteration  der 
Körpersäfte  die  Möglichkeit  zum  Auswachsen  zu  aktiv  para- 
sitären Amöboiden  geben  und  so  zu  complicirten  Misch- 
infektionen Anlass  geben.  Einstweilen  werden  solche  noch 
vielfach  als  besondere  Arten  der  Malaria  betrachtet  und  auch 
.Sc heu  he  unterscheidet  in  seinem  werthvollen  Buch  über 


38Ö 


die  Krankheiten  der  warnten  Länder  eine  algide,  diaphore- 
tische, komatöse,  delirante,  eonvulsive,  kardialgische,  chole- 
rische, dysenterische  Form,  einen  Malaria -Collaps,  Malaria- 
Pneumonie  and  -Pleuritis  und  Schwarzwasserfieber,  Krankheits- 
bezeichnungen, die,  soweit  es  sich  nicht  um  die  Complikation 
bestimmter  Organleiden  mit  Malaria  und  Beeinflussung  der- 
selben durch  letztere  handelt,  zum  grössten  Theil  schon 
wegen  ihrer  vielfachen  Uebergänge  und  Combinationen  eine 
selbständige  klinische  Bedeutung  nicht  beanspruchen  können. 
Auf  die  vieltach  behauptete,  specielle  diagnostische  Bedeutung 
der  Blutuntersuchung  zur  Bestimmung  des  Fiebercharakters, 
des  Typus  und  der  Schwere  der  Erkrankung  will  ich  an 
dieser  Stelle  nicht  eingehen,  da  es  sich  einerseits  dabei  nach 
meinen  Untersuchungen  nicht  um  allgemein  zutreffende  Vor- 
aussetzungen handelt,  andrerseits  die  praktische  Bedeutung, 
von  der  hier  ausschliesslich  die  Rede  ist,  auch  im  Fall  ihrer 
theilweisen  Richtigkeit  nicht  zu  hoch  angeschlagen  werden 
darf.  Andrerseits  ist  die  diagnostische  Blutuntersuchung  als 
Hülfsmittel  für  die  schnelle  und  sichere  Unterscheidung  des 
Schwarzwasserfiebers  vom  Gelbfieber  bei  Erledigung  der 
ärztlichen  Untersuchung  von  Seeschiffen,  wo  der  controllirende 
Arzt  die  vielfachen  Unterschiede  im  klinischen  Krankheits- 
verlauf bei  der  Kürze  der  ihm  zur  Verfügung  stehenden  Zeit 
nicht  zur  Unterscheidung  heranziehen  kann,  von  hervor 
ragender  praktischer  Bedeutung  und  hätte  an  der  afrika- 
nischen Westküste  schon  manchmal  dazu  beitragen  können, 
einem  Seeschiff  Schwierigkeiten  und  Belästigungen  durch  die 
Hafenbehörde  zu  ersparen. 

Zur  Vermehrung  unserer  Kenntnisse  vom  klinischen 
Verlauf  der  tropischen  Malariafieber  kann  die 
Ausnutzung  des  ätiologischen  Moments  in  noch  wesentlicherer 
Weise  beitragen. 

Ich  glaube  nicht  zu  viel  zu  sagen,  wenn  ich  behaupte, 
dass  nur  eine  verhältnissmässig  sehr  kleine  Zahl  von  Aerzten 
und  speciell  von  Tropenärzten  den  Verlauf  und  den  natür- 
lichen Ausgang  der  reinen,  d.  h.  durch  differente  Mittel 
nicht  beeinflussten  Malaria  kennt.  Die  naheliegende  Er- 
klärung liegt  darin,  dass  dieselben,  von  therapeutischen 
Dogmen  ausgehend,  die  sich  von  einer  Aerztegeneration  auf 
die  andere  vererbten,  die  Verantwortung  nicht  übernehmen 

Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygieae.  97 


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390 

wollten,  von  der  Anwendung  des  den  Krankheitsverlnuf  un- 
zweifelhaft stets  in  specifisclier  Weise  aber  keineswegs  stets 
gUnstig  beeinflussenden  Chinins  abzusehen.  Bei  dieser  Art 
des  Vorgehens  aber  verzichtet  der  Arzt  einmal  auf  Erlangung 
einer  genauen  Kenntniss  der  Krankheit  selbst,  ihres  natür- 
lichen Verlaufs  und  zweitens  damit  natürlich  auch  auf  die 
Kenntniss  der  Wirkung,  welche  seine  Behandlung,  speciell 
das  Chinin,  auf  die  Krankheit  ausübt.  Was  er  erhält,  ist 
der  combiuirte  Effekt  zweier  ganz  differenter  Einflüsse 
auf  den  Körper,  des  Malariagifts  und  des  Chinins,  die 
sich  gegenseitig  in  verschiedener  Weise  modificiren,  in  ge 
wisser  Richtung  aufheben  und  in  anderer  verstärken.  Welche 
von  den  im  Verlauf  der  Krankheit  beobachteten  Erschei- 
nungen der  Arzt  oder  dann  auch  der  Kranke  auf  den  einen 
und  welchen  auf  den  andern  Einfluss  beziehen  will,  muss 
unter  diesen  Umständen  mehr  oder  weniger  ausschliesslich 
seiner  Willkür  überlassen  bleiben. 

Ich  bin  seit  Beginn  meiner  Malariastudien  von  der 
Ueberzeugung  ausgegangen,  dass  eine  genaue  Kenntniss  des 
Verlaufs  der  Malaria  und  dementsprechend  auch  des  Ein- 
flusses, welchen  Medicamente  auf  dieselbe  ausüben,  nur  zu 
erlangen  sei  auf  Grund  eines  eingehenden  Studiums  der 
durch  kein  different  wirkendes  Mittel  beeinflussten  Krankheit. 
Ich  habe  dementsprechend  im  Beginn  meine  Intermittens- 
kranken,  solange  ich  keine  ernstliche  Schädigung  ihrer  Ge- 
sundheit zu  befürchten  brauchte,  abgesehen  von  der  sympto- 
matischen Behandlung  der  Anfälle  selbst,  ausschliesslich  mit 
indifferenten  Mitteln  behandelt.  Die  parallel  laufenden  Unter- 
suchungen des  Krankheitsverlaufs  und  des  Entwicklungs- 
ganges der  ursächlichen  Parasiten  ergaben  in  der  über- 
wiegenden Mehrzahl  der  beträchtlichen  Zahl  beobachteter 
Fälle,  dass  die  heiinatldichen  typisch  verlaufenden  Inter- 
mittenten, welche  auf  der  Invasion  der  charakteristischen,  stark 
pigmentirten,  im  ausgewachsenen  Zustand  den  Blutkörper 
fast  ausfüllenden  Mikroben  beruhen,  im  ganzen  eine  sehr 
geringe  Neigung  zur  .Spontanheilung  haben,  dass  die  Anfälle 
der  sich  selbst  überlassenen  Krankheit  sich  meist  so  oft 
wiederholen,  dass  ein  Eingreifen  des  Arztes  liier  im  Inter- 
esse des  Kranken  dringend  nothwendig  wird.  Dem  gegen- 
über ergaben  die  nach  hinreichender  Erforschung  des  reinen 


39i 

unbeeinflussten  Krankheitaverlaufs  angestellten  therapeutischen 
Untersuchungen,  dass  die  gewöhnlichen  1 — l'/t  g pro  dosi, 
2 g pro  die  betragenden  Chinindosen  zur  rechten  Zeit,  vor 
allem  zwischen  den  Malariaanfällen  ungewandt,  mit  ausser- 
ordentlicher Sicherheit  die  krankheiterregenden  Mikroben  zu 
tüdteu  und  damit  den  Kranbeitsprocess  zu  koupiren  ver- 
mochten. Irgend  ein  in  Betracht  kommender  schädigender 
Einfluss  des  Chinins  auf  den  Organismus  des  Intermittens- 
kranken  wurde  unter  diesen  Umständen  niemals  gesehen. 

Auf  diese  Beobachtungen  hin,  welche  übrigens  ja  nur 
durch  das  Resultat  der  mit  den  klinischen  gleichzeitig  an- 
gestellten  ätiologischen  Untersuchungen  alte  Erfahrungstat- 
sachen bestätigten,  war  ich,  als  ich  späterhin  zu  Unter- 
suchungen über  den  Verlauf  der  grossen theils  durch  minde- 
stens morphologisch  andersartige  Parasiten  hervorgerufenen 
Tropenfieber  tiberging,  anfangs  einigenmissen  voreingenommen 
im  Sinn  der  Zuverlässigkeit  und  Unschädlichkeit  des  Chinins. 
Ich  hätte  mich  demgemäss  zunächst  im  Bewusstsein  meiner 
Verantwortung  in  einen  so  gefährlichen  Fieberherd  wie 
Kamerun,  wo  ich  meine  ersten  umfangreicheren  klinischen 
Erfahrungen  mit  dem  Tropenfieber  machte,  zum  Verzicht  auf 
die  Anwendung  des  Specifikums  bei  der  Krankheit  gewiss 
nur  zögernd  und  mit  Sorge  entschlossen.  Die  diesbezüg- 
lichen Bedenken  wurden  indess  bald  wesentlich  vermindert, 
einerseits  durch  die  an  den  gefährlichen  Fieberplätzen  der 
Westküste  sich  aufdrängenden  Beobachtung  der  häufigen 
schädlichen  speciell  Hämoglobinurie  und  hämoglobinurisches 
Fieber  erzeugenden  Nebenwirkungen  des  Chinins,  selbst  bei 
anämischen  und  fiebergeschwächten  Menschen,  andrerseits 
durch  die  Ausnutzung  eines  sich  ganz  spontan  bietenden 
Beobachtungsiuaterials  in  Gestalt  mehr  oder  weniger  lauge 
ansässiger  Faktoristen,  welche  auf  Grund  der  Erfahrung, 
dass  jede  Chiningabe  mit  Sicherheit  Hämoglobinurie  bei  ihnen 
hervorrief,  das  Mittel  bei  den  sie  häufig  befallenden  Fiebern 
seit  langer  Zeit  gar  nicht  mehr  anwandten,  sondern  dieselben 
rein  symptomatisch  mittels  Einpackungen  und  reichlicher  Zu- 
fuhr heisser  Getränke,  höchstens  etwa  noch  kleinen,  auf  den 
Verlauf  der  Krankheit  jedenfalls  bedeutungslesen  Antipyrin- 
gaben  behandelten.  Die  von  vorn  herein  meinerseits  auf  Grund 
meiner  bei  Behandlung  der  heimischen  Intermittens  gebildeten 

IS7* 


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392 


Annahme,  dass  unter  diesen  Umständen  eine  grössere  Anzahl 
von  Ficberanftlllcn  auf  einander  folgen  würde,  bestätigten 
sich  durchaus  nicht,  vielmehr  verschwanden  nach  1 — 2 Tagen 
die  Malariaparasiten  spontan  aus  dem  Blut  und  nach  ein 
oder  zwei  Paroxismen,  von  welchen  der  zweite  meist  merklich 
weniger  intensiv  war  als  der  erste,  verschwand  auch  das 
Fieber,  um  häufig  erst  nach  Wochen  sich  wieder  bemerkbar 
zu  machen.  In  allen  diesen  Fällen  handelte  es  sich  nicht 
um  die  grossen  pigmentirten,  sondern  um  die  pigmentfreien 
odor  pigmentarmen  höchstens  bis  zu  etwa  V«  der  Grösse  des 
Blutkörpers  heranwachsenden  siegelringförmigen  Mikroben. 

Die  Verfolgung  dieser  Erfahrung,  welche  mich  zuerst 
an  der  Unschädlichkeit  sowohl,  wie  an  der  Unentbehrlichkeit 
des  Chinins  bei  den  bezeichneten  tropischen  Fieberformen 
zweifelhaft  werden  liess,  und  ihre  Ausbeutung  an  einem 
grossen  im  Hospital  unter  steter  Berücksichtigung  des  Ver- 
haltens der  Parasiten  beobachteten  Krankenmaterial  führte 
zunächst  zu  der  Erkenntniss,  dass  die  mit  Hämoglobinurie 
complicirten  Malariaficber,  welche  gleichfalls  auf  Infectiou 
mit  den  kleinen  Parasiten  beruhen,  eine  sehr  grosse  Neigung 
zur  Spontanheilung  haben,  dass  sie  bei  geeigneter  sympto- 
matischer Behandlung  sogar  durchweg  weit  leichter  und  in 
kürzerer  Zeit  verlaufen  als  die,  bei  welchen  Chinin  ange- 
wendet wurde.  Die  nicht  durch  Chinin  beeinflussten  Schwarz- 
wasserfieber treten  meist  in  Form  eines  oder  zweier  durch 
eine  mehr  oder  weniger  tiefe  Intermission  oder  Remission 
getrennter  protrahirter  Paroxismen  auf,  deren  Fiebertypus 
sich  von  dem  einfachen  Intermittensfalle  bezüglich  Verlauf 
und  Dauer  nicht  wesentlich  unterscheidet,  und  enden  in  der 
Regel,  wenn  nicht  durch  die  Massenhaftigkeit  des  Blutzerfalls 
gleich  anfangs  eine  Verstopfung  der  Harnkanälchen  durch 
Hämoglobinschollen  und  entzündlich  gequollene  Epithelien 
eintritt,  welche  eine  fast  stets  tödtlich  endende  sekundäre 
Anurie  zur  Folge  hat,  nach  1 — 3 Tagen  unter  kritischem 
Abfall  des  Fiebers  wie  sümmtlicher  sonstigen  Erscheinungen 
mit  vollkommener  Heilung. 

Der  gleiche  kurzdauernde  Verlauf  wurde  bei  einer 
grösseren  Zahl  nicht  mit  Hämoglobinurie  complicirter  aut 
Infektion  mit  der  gleichen  Mikrobenart  beruhenden  Tropen- 
fiebern  beobachtet.  Auch  bei  ihnen  waren  die  Fälle  häufig, 


393 


in  denen  bei  chininloser  Behandlung,  nach  mehr  oder 
weniger  kurzdauerndem  dnrchuus  typisch  intermittirendem 
Fieberverlauf  bei  zweckmässigem  Verhalten  des  Kranken 
während  und  zwischen  den  Anfällen  Spontanheilung  eintrat. 
Dies  zweckmässige  Verhalten  während  der  Krankheit  ist 
freilich  Voraussetzung  für  einen  leichten  kurzen  Verlauf. 
Die  so  häutig  die  Malaria  complicirende  fortgesetzte  An- 
strengung im  Dienst,  körperliche  und  geistige  Arbeit,  Er- 
kältung, Durchnässung,  Sorge,  Aufregungen  und  andere 
Schädlichkeiten  sind  an  sich  schon  in  hervorragender  Weise 
geeignet,  den  Krankheitscharakter  in  ungünstigem  Sinne 
völlig  zu  verändern. 

Immerhin  war  auch  unter  den  günstigsten  äusseren 
Verhältnissen  die  Spontanheilung  nach  kurzer  Zeit  in 
diesen  Fällen  durchaus  keine  derartig  regelmässige  Er- 
scheinung wie  heim  Schwarzwasserfieber,  längerdauerndes 
Anhalten  der  Anfälle  wurde  öftere  beobachtet  und  erwies 
sich  für  den  Tropeneuropäer  besondere  bedenklich.  Anderer- 
seits machte  sich  die  parasitentödtende  Wirkung  des  Chinins 
auch  bei  diesen  Fiebern  in  einer  so  überzeugenden  Weise 
geltend,  dass  ich  von  der  eine  kurze  Zeit  lang  auf  Grund 
der  angegebenen  Erfahrungen  durehgefübrten  ganz  allgemein 
ehininloscn  Behandlung  derselben  zurückkomme,  eine  syste- 
matische energische  Chininbehandlung  bei  ihnen  als  durchaus 
rationell  ansehe  und  auch  meinerseits  zur  Zeit  stets  durchführe. 

In  jedem  Fall  hatte  sich  die  Neigung  zur  Spontan- 
heilung bei  den  durch  die  kleinen  pigmentarmen  Mikroben 
hervorgerufenen  Tropenfiebem  trotz  aller  mit  denselben  ver- 
bundenen akuten  Gefahren  als  erheblich  grösser  erwiesen 
als  bei  den  heimathlichen  Intermittenten.  Eine  Erklärung 
für  diese  Thatsache  ist  mit  Sicherheit  aus  dem  Grunde 
nicht  gegeben,  weil  wir  in  Folge  der  Mangelhaftigkeit  unserer 
Untersuchungsmethoden  immer  noch  nicht  wissen,  in  welcher 
zoologischen  Beziehung  die  in  den  Endformen  ihrer  Ent- 
wicklung wenigstens  morphologisch  scharf  differenzirten 
ursächlichen  Mikroben  der  einen  zu  denen  der  anderen 
Krankheitsform  stehen.  Trotz  alles  zum  Beweise  aufge- 
wandten Fleisses  ist  es  noch  nicht  als  festgestellt  anzuschen, 
dass  es,  wie  namentlich  die  italienische  Schule  mit  grossem 
Nachdruck  behauptet,  eine  ganze  Reihe  verschiedener  wohl- 


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394 


charakterisirter  Speeies  dar  Malariamikroben  giebt,  welche 
wiederum  klinisch  verschiedene  Krankheitsbilder  hervorrufen, 
sondern  es  ist  wohl  möglich,  dass  entsprechend  Erscheinungen, 
welche  uns  durch  die  Bakteriologie  geläufig  geworden  sind, 
der  einheitliche  Parasit  unter  dem  Einfluss  klimatischer  Ein- 
flüsse, die  sich  auf  ihn  direkt  oder  durch  Vermittlung  seines 
animalen  Nährbodens,  der  Organsäfte  des  Menschen,  geltend 
machen,  eine  verschiedene  Entwicklung  hat,  dass  er  im 
speziellen  in  Folge  einer  etwa  wie  beim  Tetanusbacillns  im 
warmen  Klima  vermehrten  Toxicität  schon  in  einem  an  ver- 
hältnissmässig  frühen  Entwickelungsstadium  den  Zerfall  des 
occupirten  Blutkörperchen  herbeiführt.  Die  grössere  Neigung 
der  Tropenfieber  zur  Spontanheilung  nach  verhältnissraässig 
kurzer  Zeit  könnte  dementsprechend  einerseits  auf  eine  ge- 
ringere Reproduktionsfähigkeit  der  kleinen  Parasitenspecies, 
andererseits  darauf  bezogen  werden,  dass  ein  grosser  Theil 
der  jungen  Parasiten  vor  erlangter  Reproduktionsfithigkcit 
zugleich  mit  den  von  ihnen  occupirten  Wirthen,  den  rothen 
Blutkörperchen,  zu  Grande  geht. 

Wenn  die  Ausnutzung  des  ätiologischen  Moments  viel 
dazu  beitragen  kann,  das  Krankheitsbild  der  tropischen 
Malariafieber  rein  zu  gewinnen  und  von  ihm  manche  Modi- 
fikationen im  Verlauf  zu  trennen,  welche  von  zugleich  mit 
dem  Malariaviras  auf  den  befallenen  Kranken  einwirkenden 
Einflüssen  herrühren,  so  erfüllt  sie  damit  gleichzeitig  die  Vor- 
bedingung für  die  Beurtheilung  der  Erfolge  unseres  ärztlichen 
Eingreifens  und  giebt  diesem  eine  ohne  sie  nicht  erhältliche 
Bestimmtheit  und  Sicherheit. 

Die  Verwerthung  des  ätiologischen  Moments  für  die 
Prophylaxe  der  Malaria  hat  uns  gezeigt,  dass  es  möglich  ist. 
die  latenten  Krankheitskeime  im  menschlichen  Kreislauf 
bereits  zu  einer  Zeit  zu  erkennen,  wo  dieselben  noch 
keinerlei  krankhafte  Erscheinungen  he^vorzurufen  vermögen 
und  sie  zu  vernichten,  bevor  sie  dazu  im  Stande  sind.  Die 
ersten  vereinzelten  diesbezüglichen  Erfahrungen,  welche  von 
mir  in  Berlin  gemacht  und  bereits  Anfang  1890  veröffentlicht 
worden  sind,  haben  sich  mir  1892  in  Java  und  später  öfters 
in  Kamerun  und  Ostafrika  bestätigt.  Ich  habe  dieser  Art 
von  Prophylaxe,  wie  ich  ausdrücklich  hervorhob,  eine  sehr 
grosse  praktische  Bedeutung  wegen  der  auch  für  den  Ge- 


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395 


übten  recht  zeitraubenden  Untersuchungen,  welche  sie  er- 
fordert, nicht  beigemessen,  und  das  ist  das  Verdienst 
Ziemanns,  dem  gegenüber  in  seinen  Veröffentlichungen 
auf  die  praktische  Bedeutung  der  prophylaktischen  Blut- 
untersuchungen mit  Nachdruck  hingewiesen  und  den  Beweis 
erbracht  zu  haben,  dass  diese  jedenfalls  rationellste  Art  der 
Prophylaxe  sich  mit  der  erforderlichen  Ausdauer  auch  bei 
einer  grösseren  Zahl  von  Menschen  regelmässig  und  mit  aus- 
gezeichnetem praktischen  Erfolg  durchführen  lässt. 

Die  Malariatherapie  hat  zunächst  dadurch  festere 
Angriffspunkte  für  eine  rationelle  Bekämpfung  der  Krankheit 
aus  den  Ergebnissen  des  ätiologischen  Studiums  gewonnen, 
dass  erst  dieses  zur  Kenntniss  des  von  Medikamenten  un- 
beeinflussten Verlaufs  der  Krankheit,  demgemäss  auch  erst 
zur  Kenntniss  der  Wirkung  dieser  Medikamente  bei  der 
Krankheit  geführt  hat.  Es  hat  mit  sehr  heilsamem  Erfolg 
manchen  Irrthum,  bezüglich  der  übertriebenen  Vorstellung 
von  der  unfehlbaren  Heilwirkung  des  Chinins  wie  anderer 
Mittel  dadurch  zerstören  können,  dass  es  den  Nachweis  der 
häufigen  Spontanheilung  der  auf  der  Infektion  mit  bestimmten 
Parasitenformen  beruhenden  Tropenmalaria  und  mancher  mit 
der  Chininwirkung  verbundenen  Schädlichkeit  erbracht  hat. 
Es  ist  dadurch  geeignet  gewesen,  eine  heilsame  Kritik  an 
Stelle  eine  alten  therapeutischen  Schematismus  und  Dogma- 
tismus zu  setzen.  Der  in  therapeutischer  Hinsicht  vertretene 
Standpunkt  einer  grossen  Zahl  von  Tropenärzten  lässt  sich 
auch  liente  noch  ungefähr  in  folgenden  Worten  zusammen- 
fassen: Wo  Malaria  vermuthet  wird,  oder  festgestellt  ist,  ist 
das  Chinin  das  fast  absolut  sicher  wirkende  Reagenz  oder 
Heilmittel.  Reagirt  die  vorliegende  Krankheit  nicht  durch 
alsbaldige  Besserung  oder  Heilung  auf  das  Chinin,  so  liegt 
entweder  keine  Malaria  vor,  oder  das  Chinin  ist  in  zu 
kleinen  Dosen  angewendet  worden,  diese  also  sind  zu  ver- 
stärken. Um  einen  ganz  schweren  Fall  handelt  es  sich, 
wenn  trotz  grosser  und  grösster  Chinindosen  das  Fieber 
durchaus  nicht  weicht,  sondern  mit  unregelmässig  remittireuder 
oder  continuirlicher  Temperaturbewegung  anhält,  der  Kräfte - 
verfall  zunimmt,  der  Urin  blutige  Verfärbung  aunimmt  und 
schliesslich  unter  Delirium  oder  anurischcn  Erscheinungen 
der  tödtliche  Ausgang  an  Herzschwäche  eintritt.  In  diesem 


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306 


Fall  ist  eben  der  Kranke  trotz  aller  Anstrengungen  des 
Arztes,  d.  h.  trotz  der  grössten  Dosen  des  als  uDter  allen 
Umständen  heilsam  nngesehenen  Specitikums  gestorben.  Im 
andern  Fall,  wenn  der  Kranke  nach  langdauernder  woelien- 
langer  Krankheit,  mit  beträchtlicher,  vielleicht  dauernder 
Schädigung  seines  Gohürs  und  Gesichts  oder  doch  höchster 
Ueberreizung  seines  Nervensystems,  Alteration  seiner  Blut- 
zusammensetzang  und  seiner  Magenfunktion  sein  Lager  ver- 
lässt, um  in  eine  ebenso  langwierige  Reconvalesceni  einzu- 
treten, so  frohlockt  der  Arzt,  dass  er  durch  heroische  An- 
wendung des  ausgezeichneten  Mittels  ein  Menschenleben  aus 
einer  so  ausserordentlich  schweren  und  hartnäckigen  Krank- 
heit doch  noch  zu  retten  vermocht  hat,  und  der  Glaube  an 
die  Untrflglichkeit  seiner  Behandlungsweise  ist  fester  in  ihm 
als  vorher.  — In  gewissem  Sinn  ist  das  eigentlich  ein 
beneidenswerther  Standpunkt,  insofern  in  dem  ihn  vertretenden 
Arzt  der  Gedanke,  er  könne  am  Ende  seinem  Kranken  mit 
seiner  Behandlung  geschadet  haben,  überhaupt  gar  nicht  auf- 
kommt und  ihm,  der  unzweifelhaft  in  der  ehrlichsten  Ueber- 
zeugung  von  seinem  Verdienst  an  der  „gelungenen  Cur“ 
handelt,  die  Dankbarkeit  vieler  aus  verzweifelt  schweren 
Fällen  „geretteten“  Patienten  weit  eher  zu  Theil  wird  als 
dem,  welcher  bei  weit  weniger  eingreifender  Behandlung  an 
„fast  ausschliesslich“  leichten,  rasch  verlaufenden  Fällen  seine 
Erfolge  erzielt. 

Wir  haben  beim  Malariaprocess,  wie  bei  der  Chinin- 
wirkung zwischen  zwei  dieselben  zusammensetzenden  Faktoren 
scharf  zu  scheiden.  Beim  Malariaprocess  einerseits  zwischen 
dem  völlig  symptoinlos  sich  vollziehenden  Heranwachsen  kleiner 
in  den  Blutkörpern  sich  entwickelnder  amöboider  Mikroben, 
andrerseits  dem  mit  Eintritt  der  letzteren  in  ein  gewisses 
Entwicklungsstadium  zusammenlallenden  plötzlichen  Auftreten 
schwerer  Vergiftungsersoheinungen,  welche  in  wechselnder 
Zeitdauer  und  mit  wechselnder  Intensität  sich  abspielen  und 
verschiedene  Folgeerscheinungen  nach  sich  ziehen  können. 
Die  direkten  Ursachen  des  Anfalles  selbst  sind  uns  noch 
unbekannt,  wir  wissen  nicht,  ob  die  denselben  zweifellos 
auslösenden  Toxinen  direkt  durch  die  Malariaparasiten 
gebildet  werden,  oder  ob  er  ähnlich  wie  bei  der  unter 
ähnlichen  Erscheinungen  cinhergehende.il,  auch  durch  rein 


397 


thermale  Einflüsse  za  Stande  kommenden  paroxysmalen 
Hämoglobinämie  allein  durch  die  Ueberschwemmung  des 
Kreislaufs  mit  Fremdkörpern,  den  Trümmern  der  durch  die 
Parasiten  zerstörten  rothcn  Blutscheiben,  hervorgerufen  wird. 

Die  Wirkung,  welche  das  Chinin  auf  den  malaria- 
kranken Organismus  ausübt,  setzt  sich  zusammen  aus  einer 
heilsamen  und  einer  schädlichen.  — Die  heilsame 
Wirkung,  welche  wir  vor  Entdeckung  der  Malariaerreger 
zu  bestimmen  nicht  im  Stande  waren,  haben  wir  jetzt  kennen 
gelernt.  Sie  besteht  darin,  dass  es  die  im  Kreislauf  be- 
findlichen Malariaparasiten  mit  einer,  je  nach  dem  Ent- 
wicklungsstadium, in  welchem  dieselben  sich  befinden,  ver- 
schieden grossen  Sicherheit  und  Schnelligkeit  direkt  abtödet. 
Dazu  genügen  durchaus  die  üblichen  mittleren  Gaben  von 
1 — 1,5  g pro  dosi  und  es  ist  völlig  unbewiesen,  dass  grössere 
Mengen  eine  grössere  Wirksamkeit  entwickeln.  Das  Chinin 
tödtet  also  die  im  pathologischen  Sinn  latent  im  Organismus 
heran  wachsenden  Amöben;  andrerseits  ist  es  vollkommen 
wirkungslos  gegenüber  den  Toxinen,  welche  sich  zur  Zeit 
des  Manifestwerdens  der  Krankheit  im  Kreislauf  befinden 
und  welche  den  Anfall  direkt  verursachen.  Es  ist  bisher 
in  keinem  Fall  gelungen,  durch  Chinin  den  Anfall  zeitlich 
abzukürzen  oder  seine  Erscheinungen  milder  zu  gestalten. 

Die  schädlichen  Wirkungen  des  Chinins  selbst  auf 
den  Körper  im  Allgemeinen  und  auf  den  in  seiner  Wider- 
standsfähigkeit herabgesetzten  Körper  des  malariakranken 
Tropenenropäers  im  besondem  sind  in  der  neuen  pharmako- 
logischen Litteratur  bereits  so  oft  Gegenstand  eingehender 
Erörterungen  geworden,  dass  es  in  der  That  erstaunlich  er- 
scheinen kann,  dass  dieselben  seitens  der  Tropenärzte,  für 
welche  ihre  Kenntniss  in  erster  Linie  von  Bedeutung  ist,  im 
Allgemeinen  bisher  so  wenig  Würdigung  gefunden  haben 
und  dass  unter  denselben  die  Neigung,  jede  schlimme 
Wendung  im  Verlauf  der  Krankheit  der  Malaria,  jede 
günstige  dem  Chinin  zuzuschreiben,  noch  so  weit  verbreitet  ist. 

Zur  möglichst  exakten  Trennung  der  Schädlichkeiten, 
welche  der  Organismus  durch  das  Malariavirus  allein  und 
welche  er  durch  das  Chinin,  resp.  durch  den  gemeinsamen 
Einfluss  des  Malariavirus  und  des  Chinins  erfährt,  kann 
einerseits  die  Vergleichuug  des  Verlaufs  grösserer  Reihen 


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398 


von  Malariafiebern  dienen,  welche  in  verschiedener  Weise, 
im  speciellen  mit  und  ohne  Chinin,  behandelt  wurden,  und 
dann  die  stete  genaue  Vergleichung  des  Krankheitsverlaufs 
mit  dem  Ergebniss  der  Blutuntersuchung,  durch  welche  es 
im  Falle  dauernder  Abwesenheit  von  Malariamikroben 
möglich  ist,  diese  als  Ursache  noch  bestehender  Krankheits- 
erscheinungen auszuschliessen  und  andere  zu  gleicher  Zeit 
einwirkende  Schädlichkeiten  für  dieselben  verantwortlich  zu 
machen. 

Von  den  vielfachen  Nebenwirkungen  des  Chinins  kom- 
men bei  der  Malariatheraphie  praktisch  als  besonders  ge- 
eignet, den  Arzt  bezüglich  ihrer  Ursache  irre  zu  führen,  in 
Betracht,  seine  Fähigkeit,  an  sich  bereits  Fieber  zu  erzeugen 
resp.  bei  bestehendem  Fieber  demselben  einen  protrahirten 
Verlauf  zu  geben,  einen  regelmässigen  Fiebertypns  in  einen 
unregelmässigen  und  einfache  intermittirende  Fieber  in 
unregelmässig  remittirendc  oder  auch  in  continuirliche  za 
verwandeln,  endlich  seine  Fähigkeit,  an  sich  schon  Blut- 
zerfall  mit  ihren  Folgen  Hämoglobinämie  und  Hämoglobin- 
urie hervorzurufen  und  wo  solcher,  wie  bei  den  schweren 
Formen  der  tropischen  Malaria,  bereits  besteht,  ihn  zu  ver- 
stärken und  hinzuzögern.  — Es  sind  das  Erscheinungen, 
welche  ich,  wie  ich  ausdrücklich  hervorhebe,  nur  bei  Fieber- 
kranken mit  den  kleinen  pigmentarmen  Mikroben  der  eigent- 
lichen Tropenfieber  praktisch  eine  Rolle  habe  spielen  sehen 
und  zwar  zum  überwiegenden  Theil  bei  bereits  fieber- 
geschwächten  blutarmen  Kranken.  Durchaus  fern  liegt  mir, 
behaupten  zu  wollen,  dass  das  Chinin  alle  die  bezeiehneten 
Wirkungen  in  jedem  oder  auch  nur  in  der  Mehrzahl  der 
Fülle  haben  muss,  in  welchen  es  in  irrationeller  Weise  an- 
gewendet wurde. 

Die  Fähigkeit  des  Chinins,  Fieber  zu  erzeugen,  ist  am 
besten  zu  demonstriren  bei  Kranken,  welchen  man,  wie  ich 
das  letzthin  mit  Vorliebe  tliue,  unmittelbar  nach  Ablauf  des 
Anfalls  bei  normaler  Temperatur  ihre  Chinindose  verabreichte 
und  welche  auf  dieselbe  auffällig  häufig  mit  einer  ihnen  selbst 
subjektiv  wenig  bemerkbaren  aber  bei  hinreichend  häufig 
wiederholter  Messung  in  der  Curvc  auf  das  schärfste  aus- 
gesprochenen steilen  auf  39°  und  höher  steigenden,  in  1 bis 
3 Stunden  ablaufenden  Temperatursteigung  reagirteu.  Die 


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Fähigkeit  des  Chinins,  ein  reguläres  intermittirendes  Malaria- 
fieber in  eins  mit  unregelmässigem  Temperaturverlauf  zu 
verwandeln,  ist  am  besten  zu  führen  durch  den  Vergleich 
einer  grösseren  Reihe  von  Fiebercurven  von  Kranken,  von 
welchen  die  einen  während  ihrer  Anfälle  und  zwischen  den- 
selben ohne  bestimmten  Plan  — etwa  wie  es  seitens  der 
Mehrzahl  der  Laien  in  den  Tropen  unter  häutiger  Erzielung 
des  gleichen  Erfolges  geschieht  — kleinere  oder  grössere 
Chininmengen  genommen,  die  andern  während  der  Wirkung 
des  den  Anfall  auslösenden  Gifts  auf  die  Darreichung  des 
Chinins  ganz  verzichtet  hatten.  Während  im  letzteren  Fall, 
wie  auch  bei  der  Mehrzahl  der  überhaupt  nicht  mit  Chinin, 
sondern  nur  in  zweckmässiger  Weise  symptomatisch  behan- 
delten Malariafieber,  der  mehr  oder  weniger  regelmässige 
intermittirende  Fiebercharakter  auch  in  den  Tropen  bei 
weitem  überwiegt,  — anfänglich  wenigstens,  solange  der 
Organismus  noch  nicht  durch  langdauernden  Einfluss  häu- 
figer vernachlässigter  Fieber  widerstandsunfähig  geworden,  — 
erhält  man  im  anderen  Fall  mit  grosser  Regelmässigkeit  die 
bekannten  irregulären,  an  die  Temperaturbewegung  septischer 
Fieber  erinnernden  Curven.  Dementsprechend  findet  man 
nach  dem  häufig  langdauernden  Anhalten  der  fieberhaften 
Erscheinungen  die  verschiedensten  Generationen  von  Malaria- 
mikroben im  Blut  neben  einander  als  Beweis,  dass  die  ir- 
rationell angewandten  Chiningaben  dieselben  nur  theilweis 
zu  tödten,  anderntheils  nur  im  Wachsthum  aufzuhalten  und 
ihren  gleichzeitigen  Entwicklungsgang  zu  stören  vermochten. 
Oder  aber  man  findet  das  Blut  ganz  steril  und  ist  alsdann 
anzunehmen  gezwungen,  dass  — entsprechend  den  Beobach- 
tungen des  Pharmakologen  — das  Chinin  an  sich  schon 
durch  seinen  fortgesetzt  ausgeübten  schädigenden  Einfluss 
auf  die  zum  Ersatz  für  die  durch  die  Parasiten  zerstörten 
nengebiideten  und  wenig  widerstandsfähigen  Blutkörper 
Temperaturerhöhungen  zu  erzeugen  und  zu  unterhalten  ver- 
mag. Unter  diesen  letzteren  Umständen  sistirt  die  Fieber- 
bewegung in  der  That  nicht  selten  schnell  nach  dem  Aus- 
setzen  des  Chinins. 

Auf  Grund  des  inzwischen  sehr  beträchtlich  ange- 
wachsenen  klinischen  Materials,  das  ich  in  den  gefährlich- 
sten Malariagegenden  der  Tropen  zusammengebracht  habe, 


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400 


gewinnt  die  Ueberzeugung  immer  mehr  in  mir  Boden,  dass 
die  so  häufig  in  der  Litteratur  geschilderten  unregelmässig 
verlaufenden  remittirenden  und  continuirhehen  Malariafieber, 

— die  auf  Chinin  so  gut  wie  gar  nicht  reagiren  und  wochen- 
lang anhalten  sollen,  — meine  eigenen  Erfahrungen  in  der 
Hinsicht  sind,  wie  ich  gern  gestehe,  gering  — anders  zu 
erklären  sind,  als  ihre  bisherigen  Erklärer  sie  erklärt  haben, 

— dass  es  sich  zum  mindesten  in  einer  grossen  Zahl  dieser 
Fälle  um  eine  ursprünglich,  wie  in  den  meisten  unbeein- 
tlussten  Fällen,  typisch  intermittircnde  Malaria  gehandelt  hat, 
welche  erst  in  Folge  von  Vernachlässigung  oder  unter  dem 
Einfluss  einer  unzweckmässigen  Chinintherapic  den  bezeich- 
neten  hartnäckigen  und  atypischen  Charakter  angenommen  hat. 

Von  besonderer  praktischer  Bedeutung  ist  in  den  Tropen 
die  blutzersetzende  Wirkung  des  Chinins,  namentlich  grösserer 
Chinindosen  bei  der  ohnehin  mangelhaften  Blutzusammen- 
setzung, wie  sie,  wenn  auch  keineswegs  allgemein  in  den 
Tropen,  so  doch  in  bestimmten  besonders  gefährlichen  Fieber- 
gegenden, z.  B.  Kamerun,  für  die  Mehrzahl  der  Bewohner- 
schaft charakteristisch  ist.  Sie  äussert  sich  vor  allem  in  dem 
leichten  Zustandekommen  von  Hämoglobinurie,  namentlich 
unter  dem  Einfluss  des  Malariagifts  auf  das  Blut.  Die  be- 
rüchtigten Schwarzwasserfieber  in  Kamerun  kamen  sowohl 
zu  meiner  Zeit  als  auch  später  zu  der  meines  Nachfolgers 
in  so  überwiegender  Zahl  auf  der  Höhe  der  Chininwirkung 
einige  Stunden  nach  Einführung  des  Mittels  zum  Ausbruch, 
dass  an  der  von  der  Bewohnerschaft  als  ganz  selbstverständ- 
lich angenommenen  Bedeutung  des  Chinins  als  Ursache,  zum 
mindesten  als  Hülfsursache,  ein  Zweifel  gar  nicht  entstehen 
konnte.  — Entsprechend  ist  der  Einfluss  des  Chinins  auf 
den  Verlauf  des  häraoglobinurischen  Fiebers.  Das  nicht 
durch  Chinin  beeinflusste  Schwarzwasserfieber  verläuft,  wie 
oben  bereits  gesagt,  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Fälle  unter  dem  Bilde  eines  oder  zweier  häufig  etwas  pro- 
trahirter,  durch  eine  deutliche  meist  tiefe  Intermission  oder 
Remission  getrennter  Paroxysmen.  War  der  Kräfteverfall 
nicht  vorher  schon  zu  gross  und  treten  keine  Complikationen 
ein,  so  erfolgt  nach  wenigen  Tagen  volle  Reeonvalescenz  in 
der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  und  es  bleiben  Rc- 


401 


cidive,  welche  auf  die  gleiche  Infektion  zu  beziehen  sind, 
während  der  nächsten  Zeit  aus. 

Die  Erklärung  für  die  grosse  Neigung  zur  Spontan- 
heilung bei  den  unbeeinflussten  Schwarzwasserfiebern,  welche 
Kohlstock  und  ich  bereits  lange  klinisch  festgestellt  und 
therapeutisch  ausgenutzt  hatten,  ist  neuerdings  von  A.  Plehn 
durch  den  Nachweis  erbracht,  dass  die  Mikroben  bei  Schwarz- 
wasserfieber nach  Zerstörung  der  von  ihnen  occupirten  Blut- 
zellen in  dem  pathologisch  veränderten  Blutplasma  in  kurzer 
Zeit  absterben  und  aus  dem  Kreislauf  ausgeschieden  werden. 

Durchaus  anders  ist  der  klinische  Verlauf  derjenigen 
Schwarzwasserfieber,  bei  welchen  eine  den  Blutzerfall  unter- 
stützende und  weiterhin  unterhaltende  Chinintherapie  in 
Wirksamkeit  tritt. 

Das  klinische  Vergleichmaterial  ist  reichlich  in  der  Lit- 
te ratur  vorhanden  nnd  leicht  zusammenzusuchen,  speciell  aus 
den  Werken  Berenger-Ferrands  und  Steudels,  die 
beide  mit  grossen  bis  ungeheuerlichen  Chinindosen  gegen 
ilie  Krankheit  vorgegangen  sind.  Fast  in  jedem  Fall  ergiebt 
sich  derselbe  Verlauf,  langdauerndes  unregelmässiges  über 
viele  Tage  oder  selbst  über  Wochen  sich  hinziehendes  Fieber 
und  langandauernde  Hämoglobinurie,  die  den  Kranken  auf 
das  Aeusserste  herunterbringt,  im  günstigsten  Fall  nach 
langdauerndem  Krankenlager  äusserste  Entkräftung,  welche 
Stendel  zu  dem  Schluss  führt,  dass  jeder,  der  das  Schwarz- 
wasserfieber überstanden,  als  zu  fernerem  Tropendienst  un- 
tauglich unmittelbar  nach  Hause  geschickt  werden  solle. 
Der  Einwand,  dass  es  sich  bei  den  von  mir  beobachteten 
und  so  völlig  anders  verlaufenen  Fällen  ausschliesslich  oder 
vorzugsweise  um  primär  leichtere  Erkrankungen  gehandelt 
habe,  ist  mit  Rücksicht  auf  die  Grösse  des  inzwischen  an 
den  gefährlichsten  Malariaplätzen  gesammelten  Materials  und 
die  Länge  der  Beobachtungszeit  mit  Bestimmtheit  zurückzu- 
weisen und  ein  Zweifel  daran  nicht  mehr  berechtigt,  dass 
das  Schwarzwasserfieber  in  specifisch  schädlicher  Weise  durch 
das  Chinin  beeinflusst  wird. 

Aus  dem  Angeführten  ergeben  sich  die  Gesichtspunkte, 
von  denen  ich  bei  der  Behandlung  der  Malariafieber  aus- 
gehe, eigentlich  von  selbst. 


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Wo  irgend  Angängig,  sollte  eine  aut  die  Blutunter- 
suchung begründele  Prophylaxe  geübt  werden.  Ob  sie  sich 
praktisch  durchführbar  bei  einer  grossen  Zahl  von  Menscheu 
erweisen  wird,  ist  mir  nach  wie  vor  zweifelhaft,  bei  der  Be- 
handlung des  einzelnen  Individuums  ist  sie  es  sicher.  Wo 
sie  nicht  durchzuführen  ist,  bin  ich  kein  Gegner  einer 
systematischen,  wenn  auch  gewissermassen  im  Dunkeln  aus- 
geführten Chininprophylaxe  unmittelbar  nach  heftigen  Leber- 
erkrankungen oder  andere  Schädlichkeiten,  die  den  Körper 
betroffen  haben  und  erfahrungsgemäss  für  Neuerkrankung 
Disposition  schaffen,  ln  jedem  dieser  Fälle  wird  man  sich 
auf  die  2 — 3 Wochen  lang  durchgeführte  Anwendung  von 
V*  g Dosen  in  5 tägigen  Zwischenräumen  nach  A.  Plehn’s 
Vorschrift  beschränken  können.  Eine  dauernd  durchgeführte 
Prophylaxe  halte  ich  mit  Rücksicht  auf  den  Einfluss  des 
Chinins  auf  die  Magenschleimhaut  sowie  die  dadurch  hervor- 
gerufene Gewöhnung  an  das  Mittel  nicht  für  empfehlens- 
werth. 

In  gewissem  Sinn  handelt  es  sich  auch  so , wie 
ich  das  Chinin  in  der  Krankheit  selbst  anwende,  um  eine 
Prophylaxe,  insofern  ich  damit  den  Anfall  selbst  gar  nicht 
beeinflusse,  sondern  nach  Ablauf  desselben  durch  Tötung  der 
jungentstandenen  Mikrobenbrut  eine  Wiederholung  desselben 
verhüten  will. 

In  dem  jeder  anderen  Rücksicht  vorangesetzten  Be- 
streben, nicht  durch  die  Behandlung  zu  schaden,  und  auf 
Grund  der  Erfahrung,  dass  das  nicht  vernachlässigte  und 
nicht  durch  irrationelle  Anwendung  des  Chinins  complicirte 
Malariafieber  in  den  Tropen  wie  in  der  Heimat  eine  aus- 
gesprochene Neigung  zu  einem  mehr  oder  weniger  regel- 
mässig intermittirenden  Verlauf  hat,  suche  ich  vor  allem  dem 
Fieber  diesen  unserer  Therapie  weitaus  am  leichtesten  zu- 
gänglichen Charakter  dadurch  zu  erhalten,  dass  ich  nach 
Möglichkeit  vermeide,  die  Wirkung  des  Malariaanfalls  selbst 
resp.  der  während  desselben  im  Kreislauf  befindlichen  Gifte 
durch  die  Chininwirkung  zu  verstärken,  dass  ich  das  Chinin, 
wenn  irgend  möglich,  ausschliesslich  in  der  fieberfreien  Zeit 
und  zwar  besonders  in  der  Zeit  gleich  nach  dem  Anfall  an- 
wende, also  zu  der  Zeit,  wo  die  Aussicht  auf  eine  Wieder- 
holuug  desselben  zeitlich  am  fernsten  liegt.  Die  Dosis 


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403 


wiederhole  ich  dann  nach  10 — 12  Stunden,  setze  dagegen, 
während  etwa  wiederholender  Anfälle,  vollkommen  mit  der 
Anwendung  des  Chinins  aus  und  lasse  dasselbe  in  der  ange- 
gebenen prophylaktischen  Weise  nicht  länger  fortgebrauehen, 
als  bis  die  wiederholte  Untersuchung  des  Blutes  vom  Frei- 
sein von  Malariamikroben  ergeben  hat.  Das  Schwarzwasser- 
tieber,  das  im  uncomplicirten  Zustand  eine  so  grosse  Neigung 
zur  Spontanheilung  hat  und  dessen  Verlauf  augenscheinlich 
stets  ungünstig  durch  das  Chinin  beeinflusst  wird,  behandle 
ich  ausschliesslich  symptomatisch  und  strebe  höchstens,  wenn 
nach  Ablauf  aller  Erscheinungen  die  Blutuntersuchung  noch 
die  Anwesenheit  von  Mikroben  erkennen  lässt,  durch  kleine 
Zwischenräume  von  3 — 5 Tagen  gegebene  Chiningaben  eine 
fraktionirte  Sterilisation  des  Blutes  an. 

Für  die  Behandlung  der  Anfälle  selbst  oder  überhaupt 
des  lieberhaften  Stadiums  der  Malaria  bleibt  dem  Arzt  in 
der  streng  individualisirenden  Anwendung  von  Schwitz- 
bädern und  kalten  Bädern  zur  Anregung  der  Eliminirung 
des  im  Blut  kreisenden  Gifts  und  zur  Anregung  des  Nerven- 
systems, sowie  der  Narkotika  und  Excitantien  zur  Ver- 
minderung der  subjektiven  Beschwerden  und  zur  Erhaltung 
der  Herzkraft  immer  noch  ein  sehr  wirksames  therapeutisches 
Küstzeug  übrig,  von  welchem  ich  speciell  den  ausgiebigsten 
Gebrauch  mache  und  das  gewiss  in  sehr  vielen  Fällen  im 
Stande  ist,  die  Kräfte  des  Kranken  selbst  in  verzweifelten 
Fällen  über  die  Zeit  des  ja  meist  kurzdauernden  Anfalls  zu 
erhalten. 

Auf  diese  symptomatische  Therapie  näher  einzugehen, 
ist  nicht  an  dieser  Stelle  meine  Aufgabe. 

Was  ich  in  der  That  mit  meiner  auf  das  Studium  der 
Malariamikroben  gegründeten  und  inzwischen  an  einem  sehr 
grossen  Krankenmaterial  erprobten  Behandlung  erreiche,  ist 
zunächst,  dass  von  den  frühzeitig,  d.  h.  nicht  vorher  schon 
verschleppten  oder  durch  vorangegangene  irrationelle  Be- 
handlung complicirten  Malariafiebern  ausserordentlich  wenige 
einen  irregulären,  remittirenden  oder  langdauerndem  con- 
tinuirlichen  Verlauf  genommen  haben,  sondern  dass  voll- 
kommene Heilung  nach  dem  Ueberstehen  von  ein  bis  zwei 
häufig  freilich  sehr  heftigen  und  unter  bedrohlichen  Er- 
scheinungen verlaufenden  Paroxyswen  die  überwältigende 


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404 


Mehrzahl  der  Fälle  bildet.  Es  gilt  das  keineswegs  allein  von 
den  einfachen,  uncomplicirten  Fiebern,  sondern  im  speciellen 
von  den  .Schwarzwasserfiebern,  welche  an  der  ostafrikanischen 
Küste  in  einem  derart  schlechten  Ruf  standen,  dass  man  sie 
bei  einer  früher  auf  70°/o  geschätzten  Mortalität  (E.  Steudel, 
die  perniciöse  Malaria  in  Deutsch-Ostafrika)  als  die  „perni- 
ciösen  Fieber  kcn  ixorfv“  bezeichnete.  Die  im  Gegensatz 
dazu  mit  der  von  mir  eingelciteten  chininlosen  Therapie 
erhaltenen  Ergebnisse  sind  bereits  früher  von  mir,  dann  von 
Kohlstock  und  A.  Plebn  zusammengestellt  worden;  das 
mit  derselben  im  letzten  Jahre  im  Krankenhaus  zu  Tanga 
laut  des  Aufnahmejournals  erzielte  Resultat  bestand  darin, 
dass  auf  21  Fälle  der  Krankheit  1 Todesfall  kam.  Derselbe 
betrifft  ein  durch  vorangegangene,  auf  anstrengenden  Reisen 
durchgemachtc  und  vernachlässigte  Fieber  völlig  her- 
untergekommenes Individuum,  das  nach  Ablauf  der  eigent- 
lichen Krankheit  einem  unbedeutenden  einfachen  Rückfall 
mit  geringer  Temperaturerhebung  erlag.  Die  durchschnitt- 
liche Zeit  der  Hospitalbehandlung  von  Schwarzwasserfieber- 
kranken betrug  8 Tage.  Einen  dauernden  Schaden,  ein 
organisches  Leiden  trug  keiner  der  Kranken  davon,  bei 
keinem  der  frühzeitig  in  Behandlung  gelangten  Kranken  kam 
es  zu  den  verhängsvollen  Complikationen  des  Hämoglobin- 
infarkts und  der  sekundären  Anurie. 

Aus  dieser  wie  aus  den  Zusammenstellungen  Kohl- 
stocks und  A.  Plehn’s  geht  hinreichend  deutlich  hervor, 
dass  das  Schwarzwasserfieber  selten  „an  sich“  einen  perni- 
ciösen  Charakter  hat. 

Ein  Arzt,  der  ohne  Erfahrungen  über  den  Verlauf  des 
von  Medikamenten  gar  nicht  beeinflussten  Schwarzwasser- 
fieber gesammelt  zu  haben,  sich  mit  therapeutischen  Experi- 
menten mit  anderweiten  ganz  indifferenten  Mitteln  bei  der 
Krankheit  befasst  und  nur  aut  das  Chinin  verzichtet  hätte, 
hätte  bei  derartigen  Erfolgen  leicht  in  die  Versuchung  ge- 
rathen  können,  im  besten  Glauben  über  hervorragende 
specifische  Wirkungen  dieser  seines  Mittels  zu  berichten  und 
er  hätte  die  Litteratur  wohl  längere  Zeit  damit  beschäftigt. 

Tief  eingewurzelte  Vorurtheile  und  die  Lebensverhält- 


405 


erhaltenen  Resultate  nicht  allzu  allgemein  werden.  Die 
frühzeitig  zweckmässig  behandelten  Fälle  werden  wohl  stets 
die  relativ  seltenen  bleiben.  Die  überwiegende  Mehrzahl 
der  Kranken  wird  noch  für  längere  Zeit  aus  habitutellen 
Chininophagen  bestehen,  „die  zur  Sicherheit“  zur  Ver- 
meidung von  Erkrankung  oder  Heilung  bestehender  Fieber 
regelmässig  grössere  Chinindosen  zu  sich  nehmen  und  nach 
langem  derartigen  Vorgehen  abgesehen  von  etwaigen 
leichteren  oder  schwereren  Ohrenleiden,  Nervosität  „Anämie“ 
oder  MagenafFektionen,  welche  sie  auf  das  Fieber,  aber  nicht 
auf  ihr  Chinin  beziehen,  auch  relativ  gesund  leben.  Die 
Begründung  der  Unfehlbarkeit  ihrer  Methode  liegt  für  sie 
darin,  dass  sie  dass  Chinin  nur  auszusetzen  brauchen,  um 
sicher  zu  sein,  das  sie  in  kurzer  Zeit  Fieber  bekommen, 
eine  bei  habituellen  Chininophagen  durchaus  nicht  allgemein 
im  Zweifel  zu  ziehende  Thatsache.  — Den  bei  diesen 
Patienten  ausbrechenden  Fiebern  gegenüber  sind  die  kleinen 
Chinindosen,  die  im  nicht  chininisirten  Organismus  zur  rechten 
Zeit  gegeben  eine  nahezu  unfehlbare  Wirkung  haben,  meist 
wenig  wirksam  und  müssen  beträchtlich  gesteigert  werden, 
das  Fieber  hat  von  vornherein  die  Neigung,  einen  unregel- 
mässigen Verlauf  dadurch  anzunehmen,  dass  die  unregel- 
mässig gegebenen  Chiningaben  die  Mikroben  nur  zum  Theil 
ertödten,  zum  andern  Theil  nur  in  ihrem  Wachsthum  zurück- 
halten und  andererseits  fortwährend  eine  Verstärkung  der 
Wirkung  des  durch  die  Parasiten  producirten  Gifts  be- 
wirken. Auf  Grund  seiner  mit  dem  Chinin  gemachten  lang- 
jährigen günstigen  Erfahrungen  und  im  Vertrauen  auf  dessen 
sichere  Heilwirkung  unterlässt  es  der  Kranke  dann  meist, 
so  lange  er  seiner  Glieder  noch  eigener  Herr  ist,  sich  die 
unbedingt  nothwendige  Ruhe  zu  verschaffen  und  bringt 
Herz-  und  Nerventhätigkeit  durch  Fortsetzung  einer  Thätig- 
keit  noch  weiter  herunter,  zieht  sein  Fieber  sich  in  die  Länge, 
verliert  den  Appetit  unter  dem  doppelten  Einfluss  von 
Malaria  und  Chinin,  wird  ganz  blutarm  und  widerstands- 
unfähig und  ist,  wenn  er  sich  aufs  äusserste  erschöpft,  zum  Ein 
tritt  in  die  ärztliche  Behandlung  entschliesst,  nicht  sowohl  wegen 
der  Schwere  der  primären  Erkrankung,  sondern  wegen  der 
Art,  minder  er  gegen  dieselbe  vorgegangen,  ein  in  Leben 
und  Gesundheit  bedrohter  Kranker,  dem  auch  eine  rationelle 

Archiv  f.  Schiff«-  a.  Tropenhyglene . * 28 


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406 


Behandlung  in  kurzer  Zeit  von  seinem  Siechtum  nicht  zu  be- 
freien vermag  und  bei  welchem  mit  dem  für  frische  Malaria- 
fälle als  zweckmiissigstes  angegebenen  Verfahren  schnelle  und 
sichere  Erfolge  nicht  mehr  zu  erzielen  sind. 

Und  ebensowenig,  wie  diese  Species  tropischer  Todes- 
kandidaten, wird  jene  zweite  Kategorie  aussterben,  welche, 
nachdem  sie  ihr  Schwarzwasserfieber  auf  ihre  Art  eine  An- 
zahl von  Tagen  behandelt,  in  die  ärztliche  Behandlung  erst 
in  dem  Stadium  der  bereits  voll  ausgebildcten  sekundären 
Anurie  eintreten,  in  welchem  der  Laie  so  häutig  wegen  der 
Abwesenheit  der  charakteristischen  Erscheinungen  des  Fiebers 
und  des  blutigen  Urins  gar  keine  Gefahr  sieht,  während  der 
Arzt  die  Prognose  in  jedem  Fall  als  fast  absolut  letal  von 
vornherein  zu  stellen  gezwungen  ist. 

Bei  den  meist  durch  Vernachlässigung  oder  unzweck- 
mässige Behandlung  irregulär  gewordenen  Fiebern  wird  man 
auf  den  Gebrauch  des  Chinins  auch  bei  bestehender 
Temperaturerhöhung  nicht  verzichten  können-,  da  hier  völlige 
Apyrexien  entweder  ganz  fehlen  oder  doch  so  kurz  und 
unregelmässig  sind,  dass  man  sie  für  die  Hervorrufung  der 
Chiniuwirkung  nicht  ausnutzen  kann. 

Voraussetzung  ist  für  die  Anwendung  des  Chinins  in  diesen 
Fällen,  dass  verschiedene  Mikrobengenerationen  zugleich  im 
Kreislauf  vorhanden  sind,  und  die  successive  Anwendung  des 
Chinins  bezweckt  deren  allmählige  Tötung,  während  sich  der 
Arzt  bewusst  ist,  durch  ungünstige  Beeinflussung  der  Anfälle 
selbst  eventuell  auch  eine  Schädlichkeit  mit  in  Kauf  zu 
nehmen.  Unzweifelhaft  werden  diese  Fieber  in  dem  Mass 
seltener  werden,  als  sich  Arzt  und  Patient  über  das,  was 
sie  überhaupt  mit  dem  Chinin  bei  Malaria  erreichen  und  er 
reichen  können,  auf  Grund  des  ätiologischen  Studiums  völlig 
klar  werden  und  dementsprechend  bei  ihrem  medikamentösen 
Vorgehen  verfahren. 

Zeit  und  Art,  wie  ich  das  Chinin  bei  Malaria  an  wende, 
bringt  es  mit  sich,  dass  mir  besondere  Arten  der  Applikation 
in  letzter  Zeit  so  gut  wie  ganz  entbehrlich  gewesen  sind, 
so  wenig  ich  mich  auch  der  zeitweisen  Anwendung  des 
Mittels  in  Clysma  oder  in  intramnskulöser  Injektion  wider- 
setzen will.  Die  meiste  Schwierigkeit,  dem  Kranken  Chinin 


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40? 


noch  beizubringen,  besteht  fast  ausschliesslich  während  und 
unmittelbar  nach  dem  Anfall  in  Folge  des  häufig  Unstillbaren 
Erbrechens,  das  ich  immer  mehr  als  erspriessliches  Präser- 
vativ gegen  die  Einverleibung  verschiedener  differenter 
Medikamente  in  diesem  Stadium  der  Krankheit  anzuschen 
lerne.  Bereits  sehr  bald  nach  Ablauf  des  Anfalls  ist  der 
Kranke  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  im  Stande, 
Getränke  zu  sich  zu  nehmen  und  bei  sich  zu  behalten.  Für 
die  Einführung  des  Chinins  während  des  auch  in 
klinischer  Hinsicht  günstigsten  Zeitpunkts  besteht  nur  in  den 
seltenen  Fällen  ein  ernstliches  Hinderniss. 

Im  Interesse  schneller  vollkommener  Resorption,  sowie 
mit  Rücksicht  auf  den  stark  reizenden  Einfluss,  welchen  das 
Chinin  in  concentrirter  Form  auf  die  in  den  Tropen  ohnehin 
leicht  afficirbare  Magenschleimhaut  ausübt,  ist  die  Einver- 
leibung des  Mittels  in  gelöstem  Zustand  immer  noch  die 
empfehlenswertheste.  Dieselbe  scheitert  fast  stets  an  der 
unüberwindlichen  Abscheu  der  Kranken  vor  dem  widerlichen 
Geschmack  des  Mittels.  Insofern  ist  es  mit  Freude  zu 
begrüssen,  dass  die  vereinigten  Chininfabriken  in  Frankfurt 
a.  M.  neuerdings  unter  dem  Namen  Euchinin  ein  aus  dem 
Chinin  als  dessen  Aethylkohleusäureestcr  gewonnenes 
Präparat  in  den  Handel  bringen,  welches  bei  gleichem  Ein- 
fluss auf  die  Malariamikroben  wie  das  Chinin  dessen  bitteren 
Geschmack  in  einer  so  viel  milderen  Form  aufweist,  dass  es 
von  nicht  allzu  empfindlichen  Patienten  in  Thec  oder  Kakao 
gelost  ohne  Widerstreben  genommen  wird.  Ich  habe  das 
Präparat  während  der  letzten  Monate  als  Ersatzmittel  für 
das  Chinin  und  in  den  gleichen  Dosen  wie  dieses  fast  aus- 
schliesslich und  mit  dem  besten  Erfolg  angewendet.  Meine 
anfangs  in  das  Euchinin  gesetzten  Hoffnungen  bezüglich 
geringeren  Hervortretens  unangenehmer  Nebenwirkungen  hat 
sich  freilich  nicht  erfüllt.  — Auch  bei  wesentlicher  Er- 
weiterung unserer  Kenntniss  des  Malariavirus  ist  cs  nicht 
wahrscheinlich,  dass  wir  jemals  in  den  Besitz  eines  den 
Menschen  gegen  die  Krankheit  immunisirendes  Mittels  gelangen 
werden,  da  das  Uebersteheu  der  Krankheit  selbst  weit  ent- 
fernt ist,  Immunität  zu  schaffen  wie  bei 'den  akuten  Exan- 
themen, _Gclbfieber  und  in  geringerem  Mass  bei  Typhus  und 
Cholera. 

28* 


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Zur  Verhütung  der  tropischen  Malariaanfhlle  besitzen 
wir  in  dem  die  Malariamikroben  in  gewissen  Entwicklungs- 
stadien direkt  tödtenden  Chinin  ein  ausserordentlich  wirk- 
sames specifisches  Mittel,  dessen  Gefahren  wir,  wenn  wir  uns 
ihrer  bewusst  geworden  sind,  ohne  Schwierigkeit  bei  richtiger 
Anwendung  desselben  vermeiden  können,  dagegen  besitzen 
wir  ein  specifisch  den  Anfall  selbst,  also  die  eigentliche 
Krankheit,  im  Stadium  ihres  Manifestwerdens  beeinHussendes 
Mittel  nicht.  Der  grösste  Triumph  der  Malariaforschung 
würde  darin  bestehen,  dass  sie  uns  in  den  Besitz  eines 
solchen  Mittels  setzte,  das  im  Stande  ist,  die  Wirkung  der 
während  des  Malariaanfalls  gebildeten  und  denselben  hervor- 
rufenden Toxine  zu  neutralisiren.  Sollten  wir  diesen  Erfolg 
jemals  erleben,  so  werden  wir  ihn  jedenfalls  auch  der 
ätiologischen  Forschung  und  der  Befolgung  der  Grundsätze 
verdanken,  welche  R.  Koch  zu  den  für  die  Erforschung  der 
Infektionskrankheiten  massgebenden  gemacht  hat.  Aber 
auch  schon  zur  Zeit  ist  die  Verwerthung  des  ätiologischen 
Moments  zur  Erkennung,  Verhütung  und  Behandlung  der 
Malariafieber  für  den  praktischen  Arzt  in  den  Tropen  im 
Interesse  seiner  Kranken  nicht  mehr  zu  entbehren. 


II.  Besprechungen  und  Literaturangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Gesundheitsstatistik. 

Cohn,  H.,  D ie  Sehleistungen  der  Helgoländer  und 
der  auf  Helgoland  stationirten  Mannschaften 
der  KaiserlichenMarine.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1896.  No.  43. 

Es  ist  eine  von  den  verschiedensten  Forschern  bestätigte 
Thatsache,  dass  die  Naturvölker,  so  weit  man  darüber  hat 
Beobachtungen  anstellen  können,  über  eine  bisweilen  fabelhafte 
Sehschärfe  verfügen,  und  dass  mit  zunehmender  Kultur  eine 
schrittweise  Abnahme  der  Sehschärfe  erfolgt.  Jedoch  sind 
über  ersteren  Punkt  die  Beobachtungen  noch  so  lückenhaft 
uud  so  wenig  umfangreich,  dass  man  ein  vollständig  klares 
Bild  über  diese  Frage  noch  nicht  gewinnen  kann.  Man 


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409 


muss  es  deshalb  mit  Freuden  begriissen,  wenn  jede  Gelegen- 
heit zur  Erweiterung  des  für  die  Ethnologie  und  Ophthal- 
mologie gleich  bedeutsamen  Materials  benutzt  wird. 

H.  Cohn,  welcher  durch  seine  diesbezüglichen  früheren 
Untersuchungen  löblich  bekannt  ist,  macht  uns  nun  in  vorliegen- 
dem Aufsatz  Mittheilung  über  seine  durch  die  Untersuchung  von 
100  Helgoländern  (die  Insel  zählt  1900  Einw.)  gewonnenen 
Resultate.  Die  Untersuchung  wurde  am  hellen,  wolkenlosen 
Nachmittage  zwischen  4 und  5 Uhr  im  August  unter  freiem 
Himmel  vorgenommen  und  dazu  eine  nach  Snellen’schem 
Princip  konstruirte  sog.  Hakentafel  in  bekannter  Weise 
benutzt.  Da  die  Bestimmung  der  Refraetion  nicht  stattfand, 
so  ergab  die  Prüfung  nicht  die  eigentliche  Sehschärfe, 
sondern  die  Seh  1 e i s t u n g , d.  h.  die  Fähigkeit,  mit  unbe- 
waffnetem Auge  in  die  Ferne  scharf  zu  sehen.  Wenn  die 
Sehleistung  wenigstens  — 1 ist,  darf  man  in  dubio  annchmen, 
dass  sie  sich  mit  der  eigentlichen  Sehschärfe  deckt. 


Von  100  Helgoländern  (fast  nur  Fischer  und  Schiffer) 
batten  unternormale  Sehleistung  9°/o,  normale  5°/o,  dagegen 
übcrnormale  80°/0  J(und  zwar 'zwischen  einfacher  und  doppelter 
50  0 o und  zwischen  zwei-  und  dreifacher  30°/0).  Die  mittlere 

Selileistung  für  diese  100  Fälle  ergab  dieser  Ge- 


legenheit untersuchte  C.  auch?97  Mann  der  Marine  und  fand 

12  ^ 

bei  diesen  als  mittlere  Sehleistung  ’ ; 6 hatten  untemormal, 

o 


2 normal  und  89  übernormal  (und  zwar  46  S.  = 1 — 2 und 
43  S.  = 2 — 3).  Die  wünschenswerthe  Vervollständigung 
beider  Zahlenreihen,  welche  durch  ihre  relative  Kleinheit  an 
statistischer  Beweiskraft  verlieren,  stellt  Verf.  in  Aussicht. 


So  imponirend  die  gefundenen  Durchschnittswerthe  im 
ersten  Augenblick  auch  erscheinen,  so  möchte  Ref.  dazu  doch 
nicht  die  Bemerkung  unterdrücken,  dass  die  Untersuchungen 
unter  Umständen  ausgefttlirt  wurden,  die  in  besonders 
günstiger  Weise  auf  die  Höhe  der  Sehleistungsziffer  einwirken 
müssen.  Dazu  ist  einmal  die  Hakentafel  zu  rechnen,  welche 
immer  leichter  entziffert  wird  als  die  Buchstabentafel,  selbst- 
verständlich vorausgesetzt,  dass  beiderlei  Zeichen  demselben 
Gesichtswinkel  entsprechen ; weiterhin  wurde  bei  einer  Hellig- 


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410 


keit  untersucht,  wie  sic  für  gewöhnlich  weder  zu  Gebote 
steht  noch  auch  zur  Anwendung  gelangt.  Es  ergiebt  sieh 
für  die  Augen  der  kultivirten  Völker  und  Individuen  bei 
obigein  Untersuchungsmodus  ebenfalls  eine  grössere  Durch- 
schnitts-Sehschärfe als  bei  dem  üblichen  Verfahren  mit  Buch- 
stabentafeln und  im  geschlossenen  Zimmer.  Die  Differenz 
zwischen  der  Schichtung  von  (sit  venia  verbis!)  Natur-  und 
Kultur-Augen  dürfte  demnach  wohl  nicht  ganz  so  gross  aus- 
fallen,  wenn  die  Bedingungen  der  Untersuchung  ganz  die 
gleichen  sind.  Und  auf  letztere  muss  um  so  mehr  Gewicht 
gelegt  werden,  wenn  die  gewonnenen  Zahlen  einen  absoluten 
Vergleichswerth  erhalten  sollen.  Schlaefke  (Cnssel). 

Die  Versorgung  von  kleineren  Städten,  Land- 
gemeinden und  einzelnen  Grundstücken  mit 
gesundem  Wasser  von  Stabsarzt  Dr.  F.  Kraschutzki, 
Danzig.  Hamburg  und  Leipzig,  Leopold  Voss.  1896. 

Wenn  der  Verfasser  auch  auf  dem  Titel  angibt,  dass 
das  kleine,  aber  vorzügliche  Werkchen  besonders  die  Be- 
dürfnisse der  östlichen  Provinzen  berücksichtigt,  so  wird 
doch  auch  der  in  Kolonialgebieten  lebende  Arzt,  Techniker 
oder  Verwaltungsbeamte  in  den  40  Seiten  sich  gern  darüber 
unterrichten,  nach  welchen  Regeln  eine  kleine  Station  oder 
Niederlassung  mit  gesundem  Wasser  versorgt  werden  kann. 
Besonders  die  Angaben  über  die  Enteisenung  des  Wassers 
verdienen  für  die  Lateritgebiete  des  tropischen  Afrika  und 
Amerika  Beachtung.  Sonst  legt  der  Verfasser  weniger 
Gewicht  auf  das  Nichtvorhandensein  oder  den  Nachweis 
angeblich  schädlicher  chemischer  Substanzen,  als  auf  die 
Forderung,  dass  das  Wasser  keimfrei  sei  oder  dass  wenigstens 
schädliche  Keime  nicht  in  dasselbe  gelangen  können.  JL 

b)  Pathologie  und  Therapie 
UeiRteMkrnnklieiteii. 

Einiges  über  die  Geisteskrankheiten  der  Bevöl- 
kerung des  malaiischen  Archipels.  Beiträge  zur 
vergleichenden  Rasscnpsychopathologie.  Von  P.  C.  J.  fall 
Brero,  Arzt  der  Staatsirrenanstalt  zu  Buitenzorg.  All- 
gemeine Zeitschrift  für  Psychiatrie  18S6.  Erstes  Heft. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die  Lage  von  Nieder- 
ländisch-Indien  und  die  religiösen  Anschauungen  seiner  Be- 


411 


wohner  nennt  derVerfasser  zunächst  als  Genussmittel  der  Inländer 
den  unschädlichen  Betel  und  den  Tabak,  welcher  wirkt  wie 
anderswo,  dann  den  bei  den  eingewanderten  Chinesen  beliebten 
Reiswein  und  den  aus  PalmblUtensaft  durch  Gährung  ge- 
wonnenen Tuwak.  Missbrauch  dieser  geistigen  Getränke  bei 
Eingeborenen  kommt  fast  nur  auf  der  Westhälfte  von  Madura 
vor.  Bei  Mischlingen  ist  Alkoholmissbrauch  nicht  selten. 
Als  Eigentümlichkeiten  des  Ncrvenlcbens  der  Malaien  können 
gelten  der  Shamanismus,  eine  Art  Besessenheit,  und  das  be- 
kannte Amoklaufen,  ein  Anfall  plötzlicher  Mordlust,  über 
dessou  Wesen  grosse  Meinungsverschiedenheit  herrscht ; dann 
geht  Verf.  zum  eigentlichen  Irrsinn  über,  welcher  selbst  in 
Wahnvorstellungen  dem  wenig  vertieften  Geistesleben  der 
Malaien  entspricht.  Das  Ncrvenleben  des  Inländers  ist  abnorm 
leicht  erregbar  und  zeigt  leicht  die  Merkmale  degenerativer 
Psychosen,  welche  als  Symptome  einer  Rassendegeneration 
oder  wohl  richtiger  einer  unvollkommen  Geistesentwicklung 
aufgefasst  werden  können.  Ueber  das  Vorkommen  der  ein- 
zelnen Psychosen  gibt  eine  Tabelle  Auskunft.  Melancholie 
ist  noch  nicht  beobachtet  worden.  Amentia  ist  die  häufigste 
Geisteskrankheit,  Manie,  Paranoia,  Hysterie  sind  selten.  Die 
Epilepsie  zeigt  weniger  Anfälle  als  beim  Europäer.  Dementia 
parnlytica  ist  wie  in  den  meisten  warmen  Ländern  so  auch 
auf  Java  selten.  Die  wenigen  Fälle  sind  in  ausführlichen 
Krankengeschichten  beschrieben.  Als  Ursache  ist  Syphilis 
selten  mit  Sicherheit  nachgewiesen,  am  meisten  „Fieber“, 
wahrscheinlich  Malariaintoxication,  und  erbliche  Belastung. 
Auffällig  und  den  herrschenden  Anschauungen  nicht  ent- 
sprechend ist  die  geringe  aetiologische  Bedeutung  des  Opium- 
genusses, dessen  Folgen  überhaupt  nach  v.  B.  nicht  so  bös- 
artig sind,  wie  gewöhnlich  angenommen  wird.  Schliesslich 
werden  noch  die  in  der  Anstalt  beobachteten  somatischen 
Krankheiten  erwähnt,  wobei  als  selten  im  Vergleich  zu  Europa 
der  Decubitus  bezeichnet  wird.  M. 

c)  Sonstige  Werke. 

Katechismus  de  rAus  Wanderung  von  G us  tav  M ei  necke. 

Leipzig,  J.  J.  Weber.  Siebente  Auflage.  1896. 

Das  für  die  breiten  Schichten  der  Auswanderer  be- 
stimmte Büchlein  erthcilt  in  juristischen,  medicinischen,  hy- 


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412 


gienischen  und  nationalökonoinischen  Winken  eine  Fülle  von 
Rathschlägen,  sodass  es  als  brauchbares  kleines  Compendium  für 
Jeden,  der  sich  für  die  Auswandererfrage  interessirt,  bezeichnet 
werden  kann.  Irrthümer,  wie  die  Angabe  (pag.  32),  dass  Argen- 
tinien,Südwestafrika,  Australien  u.s.  w.  ein  tropisches  Klima  und 
Regenzeit  von  Juni  bis  September  haben,  ferner  anthropolo- 
gische Ungenauigkeiten  wie  Seite  52,  wo  die  Ureinwohner 
Australiens  kurz  als  Papua  bezeichnet  werden,  dürften  sieh 
in  einer  nächsten  Auflage  leicht  vermeiden  lassen.  Der  Rat 
an  deutsche  ausgewanderte  Eltern  Seite  120,  die  Kinder  in 
Nordamerika  nicht  in  deutsche,  sondern  in  englische  Schulen 
zu  schicken,  ist  vom  nationalen  Standpunkte  aus  bedauerlich. 

M. 


Das  deutsch-ostafrikanische  Schutzgebiet.  Im 
amtlich  enAuftrage  vonDr.  Karl  Peters.  R.  Olden- 
bourg,  München  und  Leipzig.  467  Seiten,  zahlreiche  Ab- 
bildungen, drei  Karten. 

Der  Begründer  der  ostafrikanischen  Kolonie  ist  sicher- 
lich ein  berufener  Verfasser  für  das  grosse  Werk.  In  dem 
ersten  Kapitel  des  trefflich  mit  Abbildungen  von  Hellgrewe 
u.  a.  ausgestatteten  Buches,  wirtschaftliche  Kolonialpolitik,  be- 
spricht derselbe  vom  patriotischen  und  nationalökonomischen 
Standpunkte  aus  die  Bedeutung  der  Ackerbau-  und  Plantagen- 
kolonien überhaupt.  Den  Schmerz  darüber,  dass  Deutsch- 
and  bei  der  Verteilung  der  Erde  beinahe  zu  spät 
gekommen  ist,  wird  jeder  Deutsche  dem  Verfasser  nach- 
fühlen.  Auch  hat  mancher  schon  den  Gedanken  gehegt, 
welchen  Peters,  wie  er  sagt,  zum  ersten  Male  niederschreibt, 
dass  das  geringe  Nationalgefühl  der  Deutschen  und  die 
häufig  vorkommende  Geringschätzung  der  Deutschen  seitens 
des  Auslandes  grossen  Theils  auf  der  Thatsache  beruht,  dass 
Deutschland  den  Ueberschuss  seiner  Bevölkerung  anderen 
aufhalsen  muss.  Wahrend  die  Ackerbaukolonien  der  Er 
haltung  und  Vermehrung  der  Art  dienen,  bezwecken  Plan- 
tagenkolonien die  Bereicherung  des  Mutterlandes.  Eine 
solche  haben  wir  in  Ostafrika  erworben.  Das  zweite  Kapitel 
gibt  eine  „allgemeine  Kennzeichnung  von  Ostafrika  als  Ko- 
lonialgebiet“tund  bespricht  neben  geschichtlichen  und  geogra- 
phischen Angaben  die  für  die  Werthschätzung  eines  Landes 


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413 


wichtigsten  Fragen.  Bei  der  Beurtheilung  des  Tropenklimas 
(Dar  es  Salaam  Jahresmaximum  32°  C.  im  April,  Jahres- 
minimum 18,9  C.  im  Juni)  vergisst  man  gern,  dass  die 
Tropennacht  zwölf  Stunden  zählt,  sodass  selbst  in  den 
heissesten  Theilen  des  Landes  etwa  vierzehn  Stunden  durchaus 
erträgliche,  selbst  angenehme  Temperaturen  aufweisen,  die  aus- 
gedehnten Steppengegenden  der  Hochländer  sogar  kühle  und 
kalte  Nächte  haben.  Anderseits  i^bersieht  man  bei  der  Sta- 
tistik der  Todesfälle  in  Afrika,  unter  welchen  den  einfachsten 
Ansprüchen  kaum  genügenden  Verhältnissen  der  Europäer 
im  neuen  Lande  oft  leben  muss,  welcher  oft  nicht  einmal  ein 
dichtes  Dach  über  seinem  Kopfe  und  ein  trockenes  Lager  unter 
seinem  von  schwerer  Tagesarbeit  ermatteten  Körper  hat. 
Hierin  muss  man  dem  Verfasser  recht  geben,  selbst  wenn 
man  nicht  so  froh  in  die  Zukunft  sieht,  wie  er  und  nicht  mit 
Peters  glaubt,  dass  die  klimatische  Lebensgefahr  dereinst  eben- 
so zur  historischen  Erinnerung  herabsinken  werde,  wie  das 
ungünstige  Klima  Deutschlands,  von  dem  Tacitus  berichtet. 
Peters  hält  die  Gebirge  und  Hochländer  Ostafrika’s  schon 
heute  für  besiedelungsfähig  durch  Deutsche,  sobald  diese 
Gegenden  Eisenbahnverbindung  mit  der  Küste  haben  werden 
und  glaubt,  dass  diese  obere  Grenze  mit  der  Entwicklung 
der  Bewässerungstechnik  und  der  medicinischcn  Prophylaktik 
nach  und  nach  tiefer  gelegt  werden  könne.  Nach  diesen 
hygienischen  Betrachtungen  geht  Verfasser  auf  die  Be- 
wässerung des  Landes  und  dessen  Oberflächengestaltnng  ein, 
bespricht  die  Arbeiterfrage  und  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  Arbeitermaterial  vorhanden  sei,  aber  erst  mit  strenger 
Hand  brauchbar  gemacht  werden  müsse.  Die  Schilderung 
der  einzelnen  Landestheile,  welche  in  Norden,  Mitte  und 
Süden  eingetheilt  eingehend  beschrieben  werden,  nimmt 
den  grössten  Theil  des  Werkes  ein.  Ersterer  umfasst 
die  Küstenlinie  zwischen  Umba-Pangani  und  Rufu-Mündung 
mit  Hinterland,  dessen  zunächst  werthvollster  Theil  Usambara 
mit  seinem  gesunden  Hochlande  ist.  Durch  das  Parc-Gebiet 
führt  uns,  besonders  auf  0.  Baumanns  Arbeiten  gestützt, 
dann  der  Verfasser  an  den  Kilimandscharo,  einem  zweiten 
europäischen  Ansiedlung  geeigneten  Bergland,  und  durch  das 
Senkungsgebiet  des  grossen  ostafrikanischen  Grabens  und  die 
salzreichen  dünnbevölkerten  Massaisteppen  an  den  Victoria- 


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414 


See  und  dessen  weiten  Uferstaaten.  Mit  Recht  betont  Verf. 
die  grosse  Bedeutung  der  Kochsalz-Schätze  dieser  Gegenden, 
welche  bei  besseren  Verkehrsmitteln  einen  unendlichen  Reich- 
thum in  dem  salzarmen  Aequatorialafrika  darstellen  würden. 

Als  die  Mitte  Ostafrika’s  beschreibt  Peters  das  Küsten- 
gebiet zwischen  Pangani-  und  Rufitschi-Mündung  mit  dem 
ausgedehnten  Hinterlande  bis  an  den  Tanganjika-See,  durch 
altarabische  Ausbeutung  und  die  Reisewege  der  bekanntesten 
Forscher  längst  erschlossene  Länder  umfassend.  Der  Tan- 
ganjika, einen  grossen  Theil  des  centralafrikanischen  Grabens, 
jener  beiderseits  schroff  begrenzten,  nordwärts  bis  zum 
Muta-Nsige  sich  erstreckenden  Bruchspalte,  einnehmend,  ist 
die  natürliche  Grenze  zwischen  Congostaat  und  Ostafrika, 
denn  jenseits  beginnt  die  Grenze  westafrikanischer  Thier- 
und  Pflanzenwelt.  Seine  Ufer  sind  der  Tummelplatz  der 
verschiedensten  afrikanischen  Stämme,  sein  Uferstaat  Udjidji 
der  Umschlagplatz  für  alle  afrikanischen  Waaren.  Östlich 
vom  See  liegen  nur  zur  europäischen  Niederlassung  kaum 
geeignete  Gebiete,  unter  welchen  Unyamwesi  mit  seinen 
anstelligen  und  gelehrigen  Bewohnern,  sesshaften  und  politisch 
organisierten  Ackerbauern,  die  grösste  Beachtung  verdient. 
Die  Wanyamwesi  folgen  gern  dem  Europäer  und  lassen  sich 
rasch  auf  eine  höhere  Kulturstufe  an  Leistungen  und  Be- 
dürfnissen bringen  (Referent  bildete  in  wenigen  Wochen 
einen  Munyamwesi  zum  vorzüglichen  Krankenwärter  aus). 
Ihre  Hauptstadt  Tabora  ist  seit  siebzig  Jahre  der  Handels- 
mittelpunkt von  Ost-  und  Centralafrika.  Wasserlose,  menschen- 
leere Pfade,  auf  denen  der  Hunger  droht,  verbinden  Unyain- 
wesi  östlich  mit  Ugogo,  einer  wüstenähnlichen  Landschaft.  An 
Ugogo  aber  stossen  nach  Südosten  und  Osten  bessere  Gebiete, 
Usango,  fruchtbar  und  wasserreich,  aber  von  den  Wahehe 
verwüstet,  und  Usagara,  ein  herrliches  Bergland,  westlich 
durch  die  Station  Mpwapwa  gedeckt,  geeignet  zum  Plantagen- 
bau, sobald  eine  Eisenbahn  bis  zur  Küste  führt.  Für  euro- 
päische Siedelung  aber  ist  es  nur  in  seinen  höheren  Lagen 
zu  empfehlen,  desto  mehr  aber  das  benachbarte  Ukami  mit 
einer  Durehschnittshöhe  von  14 — 1500  m und  fruchtbarem, 
rcichbewässertem  Boden. 

Werthvolles  Plantagengebiet  sind  wiederum  Makenge 
und  Khutu,  welche  jedoch  von  den  Bewohnern  des  benach- 


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415 


barten  Uhehe,  einem  Hochlande  von  Stcppenckarakter  und 
rasch  wechselnder  Temperatur,  hUutig  verheert  werden.  Uhehe 
mit  seinen  den  Zulu  und  Massai  verwandten  Bewohnern, 
ebenso  Ubena  würden  Ansiedlern  wegen  der  Höhen- 
lage, Plateaus  bis  1900  m Durchschnittshöhe,  schon  Zusagen.*) 
Anders  natürlich  das  Küstengebiet  mit  den  Landschaften, 
Useguha,  Udoe,  Ukuere  und  Usaramo  und  den  Küstenstädten 
Pangani,  Saadani,  Bagamoyo  und  Dar  - es -Salaam,  der 
Hauptstadt  und  dem  besten  Halen  platz  Ostafrikas,  deren 
Bedeutung  mit  der  politischen  Beruhigung  des  Binnen- 
landes stetig  wächst.  Aber  für  die  Europäer  bleiben  alle 
diese  Orte  zunächst  noch  Fiebernester. 

Der  Süden  des  Schutzgebietes  ist  am  wenigsten  bekannt, 
er  erscheint  auch  von  der  Natur  am  wenigsten  begünstigt 
zu  sein  und  bildet  den  Schauplatz  der  Kämpfe  zwischen  den 
von  Süden  vordringenden  zuluartigen  südlichen  Bantu  und 
den  Stämmen  wie  Wangindo,  Wamwcra,  Makua  u.  a.,  welche 
den  Wasuaheli  näher  stehen.  Die  Küste  hat  unter  den 
Portugiesen  und  Arabern  eine  glänzende  Zeit  gesehen.  Die 
Hafenplätze  Lindi,  Kilwa  und  Mikindani  werden  sicherlich 
wieder  aufblühen,  europäische  Siedclung  jedoch  wird  dort 
nie  eine  dauernde  Stätte  finden. 

Mikindani  wird  aber  einst  eine  grosse  Bedeutung 
haben  als  der  Zugang  zu  den  gesunden,  für  Europäer  be- 
wohnbaren Hochplateaus  östlich  vom  Nyassa-See  und  zu  dem 
fruchtbaren  Seengebiet,  besonders  dem  Konde-Gebict,  welche 
zu  den  verheissungsvollstcn  in  Ostafrika  gehören  und  von 
Missionaren  mit  Erfolg  in  Angriff  genommen  worden  sind. 

In  den  Kapitel  „wirtschaftliche  Besitzergreifung  von 
Ostafrika“  theilt  Peters  das  Land  in  vier  Wcrthschätzungs- 
klassen : 15°/o  der  Oberfläche  von  rund  900000  | [Kilometer 
nimmt  die  Steppe  ein,  welche  für  die  nächste  Zukunft 
wenig  Nutzungswerth  hat,  54°/o  sollen  dauernd  wegen  Lage 
und  Klima  den  Eingeborenen  allein  verbleiben,  24‘/*°/o  be- 
trachtet Peters  als  Besiedelungsland  für  deutsche  Kolonisten, 
den  Rest  bildet  Plantagenland.  Zur  Ausnutzung  all’  dieser 

*)  Der  Bericht  seitens  dos  Kaiserlichen  Gouverneurs  General- 
major Liebert  und  des  Hauptmann  Prince  im  Deutschon  Kolonialblatt 
No.  22,  1897,  bestätigen  nach  Beruhigung  von  Uheho  diese  günstige 
Ansicht  Peters'.  Die  Red. 


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416 


Landstrecken  bedarf  an  erster  Stelle  die  Wege-  und  Arbeiter- 
frage einer  gründlichen  Regelung.  Ohne  Eisenbahn  oder 
Flussdampfschifffahrt  ist  keine  Ansiedlung  im  Innern  möglich 
und  nutzbringend.  Die  Wiedergabe  von  verschiedenen 
Vertrügen,  Gescllsehaftssatzungen  und  sonstigem  Aktenmaterial 
findet  als  Anhang  am  Ende  des  Werkes  Platz.  Vom  liygie- 
nisch-medicinisclien  Standpunkte  aus  geben  nach  Ansicht  des 
Referenten  die  Anschauungen  des  Verfassers  betreffs  euro- 
päischer Besiedelung  zu  Bedenken  Anlass.  In  manchen 
ähnlich  gelegenen  tropischen  Hochländern  hat  sich  leider 
gezeigt,  dass  die  Krankheiten  der  Tropen  in  der  Höhenlage 
nicht  fehlen  und  die  Krankheiten  des  gemässigten  Klima’s 
noch  hinzutreten.  Immerhin  sind  die  in  Frage  stehenden 
Gebiete  so  ausgedehnt  und  mannigfaltig,  dass  wahrscheinlich 
weite  Landschaften  auch  einer  grösseren  Zahl  von  sesshaften 
Europäern  leidliche  Gesundheitsverhältnisse  bieten.  Die 
Möglichkeit  einer  Ansiedelung  im  nationalökonomischen  Sinne, 
d.  h.  Existenz,  Erhaltung  und  natürlich  Vermehrung  euro- 
päischer Familien,  muss  erst  in  Zukunft  bewiesen  werden. 
Die  Angabe,  pag.  23,  dass  Afrika  nach  keiner  Seite  in  die 
gemässigte  Zonehineinreicht  und  die  Erwähnung  eines  Malaria- 
Bacillus  ist  als  leicht  verzeihlicher  oberflächlich  hingeworfener 
Irrthum  zu  bezeichnen.  M. 


Afrika,  Schilderungen  und  Rathschläge  zur  Vor- 
bereitung und  für  denDienst  in  den  deutschen 
Schutzgebieten  von  Dr.  von  Wissmann.  Berlin 
Mittler  & Sohn. 

Das  kleine  Werk  aus  der  Feder  des  grossen  Reisenden 
ist  ein  Sonderabdruck  aus  dem  Militärwochenblatt  und  gibt 
vorwiegend  militärische  Rathschläge,  allerdings  in  einer  auch 
für  den  Laien  leicht  verständlichen  Fassung.  Hygienische 
und  medicinische  Fragen  bespricht  der  Verfasser  in  Kapitel  I: 
Vorbereitungen  zum  Kolonialdienst  in  Afrika,  II : Anweisung 
über  Ausrüstung  des  Europäers  in  Afrika  und  XIV : einige 
wichtige  Lebensregeln  für  Afrika,  und  beweist  durch  die 
knappe,  praktische  Auffassung,  dass  er  gelernt  hat,  das 
zu  thun,  was  er  jedem  Europäer  in  Afrika  empfiehlt,  näm- 
lich dem  Arzte  im  Handwerk  zu  pfuschen.  Da  der  Arzt 


41? 


aber  in  den  Kolonien  gelegentlich  in  die  Lage  kommt,  dem 
Militär  gleiches  mit  gleichem  zu  vergelten,  so  sind  auch  die 
übrigen  Kapitel  für  den  Mediciner  lesenswerth.  M. 

Dr.  Brelteustcln  d.  J.,  DieCircumcisionbei  den Javanen  und 
die  Gonorrhoe  in  der  niederländisch-indischen  Armee 
Wiener  Medicin.  Wochenschrift.  No.  26  u.  No.  27.  1897. 

In  dem  feuilletonistisch  gehaltenen  Aufsatz  wird  die  Circumcision 
bei  den  Javanen  geschildert  und  dabei  darauf  hingewiesen,  dass  die- 
selbe häufig  ungeschickt  ausgeführt  wurde.  Im  Ganzen  verursacht 
diese  Art  der  Ausführung  selten  Verwachsung  der  Vorhaut  mit  der 
Glans  penis,  oder  atrophische  Phimosis.  Bei  dem  Sohne  eines  ange- 
sehenen Häuptlings  wurde  Verf.  eingeladen,  die  Circumcision  anstatt 
des  mohammedanischen  Beschneidens  vorzunehmen,  weil  der  Vater, 
sowie  einer  seiner  Söhne  eine  Phimosis  dabei  davougetragen  hatten. 
Trotzdem  batten  die  Hadjes  (Priester),  nachdem  sie  mit  einer  Art 
Stricknadel  den  Präputialraum  umkreist,  eine  Hautfalte  gebildet,  mit 
einer  Kettenpincette  gefasst  und  incidirt.  Verf.  behandelte  dann  den 
Knaben  weiter  und  machte  lege  artis  die  Circumcision.  Andern  8 
Knaben,  bei  welchen  die  Präputialhaut  frei  war,  wurden  in  kurzer  Zeit 
von  den  Hadjes  beschnitten,  so  dass  ein  grosses  dreieckiges  Präputial- 
stück  ausgeschnitten  war,  dessen  äusseres  Blatt  sich  zurückgezogen 
und  auf  dessen  inneres  Blatt  man  Wespennestpulver  gestreut  hatte. 
Verband  wird  nicht  angelegt,  nur  ein  Horn  oder  ein  rundes  Stück 
Cocosnussschale  bei  den  Armen.  Mit  dem  13.  Jahre  wird  erst  die 
Beschneidung  ausgeführt  und  es  ist  der  günstige  Ablauf  dieser 
Operation,  ohne  jede  folgenreiche  Complication,  wieder  auf  Rechnung 
der  höheren  Widerstandsfähigkeit  der  pigmentirten  Haut  und  Gewebe 
des  Eingebornen  gegen  hauptsächlich  pyogene  Mikroorganismen  zu 
setzen.  Der  Einfluss  der  Operation  auf  Acquirirung  von  Syphilis  ist 
nach  Verf.  zweifellos  günstig,  so  hatten  1895  z.  B.  4,1°/»  des  Präsenz- 
standes europäischer  Soldaten  und  nur  0,84|o  der  Eingebornen  Syphilis, 
letztere  auch  niemals  Balanitis,  Phimosis  oder  auch  Condylomata 
acuminatac.  An  Gonorrhoe  erkrankten  fast  88 “/•  der  europäischen 
Soldaten  und  nur  16°/o  der  Javanen.  Häufig  verläuft  aber  der  Tripper 
in  den  Tropen  gutartiger,  es  werden  aber  der  Armee  durch  solche  Er- 
krankungen zu  viele  Dienstthuer  entzogen  und  so  hat  man  vorerst 
in  den  grossen  Garnisonen  Indiens  Vereine  gebildet,  in  denen  die 
Soldaten  verkehren  und  wodurch  eie  vom  unerlaubten  Geschlechts- 
genuss möglichst  abgehalten  werden.  Ausserdem  hat  eine  eingreifende  und 
strenge  Controle  der  Mädchen  das  Uebel  vermindert.  Karl  Däubler. 

Wladlmiroff  und  Kresling,  Zur  Frage  der  Nährmedien  für 
den  Bacillus  der  Bubonenpest  und  sein  Verhalten  zu 
niederen  Temperaturgraden.  — Aus  dem  kaiserlichen  Institut 
für  experimentelle  Medizin  in  St.  Petersburg.  — D.  med.  Wochen- 
schrift. 1897.  No.  27. 

Als  Ausgangspunkt  und  Vergleichsobjekt  diente  eine  Bouillon 
von  folgender  Beschaffenheit.  Aus  600  g Rindfleich  wurde  in  der 


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üblichen  Weise  1 I Brühe  hergestellt,  mit  0,5  “/a  Na  CI  nnd  1 */• 
Pepton,  sicc.  (Witte)  versetzt  und  mit  Natronlauge  neutralisirt,  so  dass 
eine  schwache  Rötung  „in  ihr  vor  dem  Sterilisiren  durch  Phenol- 
phthalein entstand,  nach  dem  Erhitzen  dieses  aber  nicht  mehr  der  Fall 
war,  andererseits  jedoch  schon  1 — 2 Tropfen  einer  V10  Normalnatron- 
lauge genügten,  um  10  ccm  der  fertigen  Bouillon  in  Gegenwart  von 
Phenolphthalein  schwach  rot  zu  färben“.  — Für  die  Entwickelung  der 
Pestbacillen  zeigte  sich  am  günstigsten  die  neutrale  Reaction  des 
Nährbodens,  während  das  Wachstum  in  alcalischer  und  in  saurer 
Bouillon  spärlich  war;  Normalmilchsäure  wirkte  weniger  wuchsver. 
hindernd  als  Normalsalzsäure.  Glycerinzusatz  zu  neutraler  Bouillon 
beeinflusste  die  Entwickelung  der  ßacillon  eher  ungünstig,  ebenso 
wirkte  Glycerinzusatz  zu  schwach  saurer  oder  schwach  alesliseher 
Bouillon.  Um  die  Bedeutung  der  zur  Bouillonbereitung  benutzten 
Fleischsorten  zu  eruiren,  wurde  Bouillon  aus  Rind-,  Hühner-  und 
Schaffleisch  hergestellt,  mit  einem  Zusatz  von  0,5  Na  CI  angefertigt 
ev.  neutralisirt  oder  neutralisirt  und  mit  1°/*  Pepton  versehen,  ln 
den  nicht  neutralisirten  Proben  war  das  Wachstum  sehr  gering,  am 
besten  noch  in  der  Hühnerbouillon,  am  schlechtesten  in  der  Schafs- 
bouillon. Die  neutralisirten  Portionen  zeigten  viel  günstigere  Ent- 
wickelung der  Postbacillen  und  zwar  die  Hühnerbouillon  die  beste, 
die  beiden  anderen  annähernd  gleiche.  Durch  Peptonzusatz  wurde  die 
Rinderbouillon  dem  oben  beschriebenen  Nährsnbetrat  gleich,  die 
Hühnerbouillon  gewann  kaum  etwas,  dagegen  stieg  der  Nährwert  der 
Schafsbouillon  etwa  zur  Höhe  der  Hühnerbouillon.  — Gelatine- Pepton - 
Lösung  ist  kein  guter  Boden  für  die  Bacillen.  Entgegen  Kolle's  An- 
gaben wurden  in  dem  einen  Versuch  dor  Autoren  durch  Zuckerzusatz 
(1  o/o  Traubenzucker  zu  peptonfreier  und  peptonhaltiger  Rindfleisch- 
bouiilon)  kein  üppiges  Wachstum  erzielt.  Die  Verfasser  gewannen 
den  Eindruck,  dass  in  nicht  zuckerhaltigen  Nährmedien  weder  die 
Alcalescenz  noch  auch  die  Aciditaet  durch  das  Wachstum  der  Pest- 
bacillen erhöht  wird.  Kälte  wirkte  in  den  nicht  streng  systematisch 
durchgeführten  Experimenten  verzögernd  auf  das  Wachstum  und  zwar 
nur  dann,  wenn  flüssige  Culturon  zum  Gefrieren  gebracht  wurden. 

Rieh.  Pfeif  fe  r- Cassel. 

III.  Pharmakologische  Mittheilungen. 

Itrol  und  Actol.  Auf  Veranlassung  des  Oberarztes 
der  chirurgischen  Abtheilung  des  Carolahauses  zu  Dresden, 
Herrn  Hofrath  Dr.  B.  Crede,  hat  die  chemische  Fabrik 
von  Heyden  in  Radebeul- Dresden  zwei  organische  Silber- 
salze  hergestellt,  die  unter  dem  Namen  Actol  (milch- 
saures Silber)  und  Itrol  (citronensaures  Silber)  in  den 
Handel  gebracht  werden.  Für  diejenigen  Aerzte,  welche 
sich  über  Beobachtungen  und  Erfahrungen  über  die  anti- 


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septische  Wirkung  des  Silbers  und  der  Silbersalze  interessiren, 
sei  auf  die  von  obengenanntem  Herrn  ausgearbeitete  Rrochüre, 
Verlag  von  F.  C.  W.  Vogel  in  Leipzig,  hingewiesen.  Das 
Itrol  wird  als  Pulver  einmal  oder  in  mehrtägigen  Pausen 
auf  Granulationen,  Wunden  oder  Schleimhäute  dünn  auf- 
gestäubt, als  Salbe  1:50 — 100  mit  Vaseline  oder  Lanoline 
bei  Wunden  und  als  wässerige  Lösung  1 : 4 — 5000  zur  Des- 
infection  der  Hände,  Instrumente,  Wunden,  sowie  Aus- 
spülungen von  Körperhöhlen,  dagegen  1 :5  — 10,000  als 
Gurgelwasser,  zu  Umschlägen  Und  Bädern  benutzt.  Itrol  ist 
ebenso  wie  das  Actol  ein  weisses,  geruchloses  und  fast 
geschmackloses  Pulver,  welches  im  Verhältnis  von  1 : 3800 
löslich  ist,  während  das  Actol  dies  bereits  1 : 15  thut. 
Letzteres  wird  ähnlich  dem  Itrol  angewandt,  hat  aber  den 
Vorzug,  dass  man  es  in  brauner  Flasche  in  concentrirter 
Lösung  bei  sich  führen  kann.  Der  Preis  beider  Präparate 
ist  um  die  Hälfte  höher  als  derjenige  des  Argentum  nitricum. 


IV.  Versammlungsberichte. 

Die  internationale  wissenschaftliche  Lepraconferenz 
zu  Berlin,  Oktober  189  7.  Bericht  von  Dr.  Max  Joseph  in  Berlin. 

Boi  dem  grossen  Interesse,  welche»  man  neuerdings  der  Lepra 
und  den  Gefahren  ihrer  Ausbreitung  entgegen  bringt,  war  es  kein 
Wunder,  dass  der  Einladung  zu  dieser  Conferenz  die  Forscher  aus 
aller  Herren  Ländern  folgten.  In  Anwesenheit  einer  zahlreichen  Fest- 
versammlung fand  die  Eröffnung  der  Conferenz  am  11.  Oktober 
12  Uhr  in  den  prächtigen,  mit  grosser  Liberalität  zur  Verfügung  gestellten 
Räumen  des  Kaiserlichen  Gesundheitamtes  statt.  Professor  O.  Lassar 
begrlisste  im  Namen  des  vorbereitenden  Comitcs  die  Festversamnilung : 
Zum  ersten  Male  trete  heute  eine  internationale  medicinisch  - wissen- 
schaftliche Versammlung  ausschliesslich  dazu  Berufener  zusammen,  um 
ein  bestimmtes  Kapitel  der  Pathologie  zu  besprechen,  und  die  Er- 
gebnisse ihrer  Verhandlungen  zur  Bekämpfung  einer  einzigen  Krank- 
heit zu  verwerten.  Die  Völkerhygiene  beginne  eine  der  mächtigsten 
Factoren  im  Staatsleben  zu  werden.  Ueberall  rege  sich  der  lebens- 
kräftige Wunsch,  dem  gesundheitlichen  Ungemach  der  Bevölkerung 
entgegenzntreten  und  ihm  vorzubeugen.  Mit  Genngthuung  dürfe  des- 
halb die  mediciuische  Wissenschaft  sich  rühmen,  sich  eins  zu  wissen 
mit  den  höchsten  Zielen  der  Staatsleitung,  in  freier  uneigennütziger 
Wirksamkeit  eine  wohltätige  Macht  zu  bilden,  der  ein  Te;l  wenigstens 
der  Zukunft  gehöre.  Auf  die  Frage:  Welches  denn  die  Lepraländer 
seien?,  müsse  die  Gegenfrage  ertönen:  Welches  Land  ist  kein  Lepra- 
land? Kein  Klima,  keine  tellurischen  Verhältnisse  von  den  Skandina- 


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42Ö 


wischen  Fjorden  und  den  Östjakischen  Einöden  big  rum  gesegneten 
Littorale  und  den  Aequatorialzonen  gewähre  Schutz  gegen  die  Aus- 
breitung einer  Krankheit,  die  in  so  unverkennbar  sicherer  Weise  den 
Spuren  des  menschlichen  Verkehrs  folge,  die  aus  fernem  Asien  durch 
das  grosse  russische  Nachbarreich  bis  Über  die  Grenzen  unserer 
deutschen  Ostmarken  wandere,  die  von  isländischen  Fischern  an  die 
bretagnische  NordkUste,  und  von  den  Bewohnern  der  Levante  an  die 
Sudhäfen  von  Frankreich  und  Italien  verschleppt  werde,  die  in  allen 
asiatischen  Reichen  herrsche  und  von  dort  aus  den  Seeweg  in  unsere 
ostafrikanischen  Colonieen,  wie  seit  jeher  in  das  Capland  gefunden 
habe.  Nachdem  Ehlers  aus  Kopenhagen  den  Gedanken  an  eine  im 
grossen  Styl  abzuhaltende  Besprechung  der  Leprafragen  angeregt  hatte, 
fand  sich  sogleich  ein  weitgehendes  Entgegenkommen  in  unserer 
eigenen  Staatsregierung.  Als  Präsidenten  schlage  er  den  Entdecker 
der  Leprazellen,  Rudolph  Virchow,  vor. 

Rudolph  Virchow  übernahm  darauf  das  Präsidium  mit  dem 
Ausdruck  der  Freude,  dass  wir  hier  in  so  grosser  Zahl  und  in  Ver- 
tretung fast  aller  Länder,  sowohl  der  civilisirten,  als  der  auf  dem 
Wege  zur  Civilisation  befindlichen  uns  vereinigen  können.  Er  wies 
auf  seine  vor  40  Jahren  begonnenen  Arbeiten  über  die  Lepra  und  eine 
damals  in  den  englischen  Colonien  veranstaltete  Umfrage  hin,  welche 
leider  zu  wenig  brauchbaren  Resultaten  geführt  habe.  Wenn  wir  jetzt 
auf  einem  etwas  sichereren  Boden  stehen,  so  danken  wir  es  haupt- 
sächlich der  Entdeckung  de3  Leprabacillus  durch  A r ma  ti er  H ansen , 
der  damit  zum  ersten  Mal  eine  sichere  Grundlage  tftr  alle  späteren 
Folgerungen  geschaffen  habe.  Als  Vicepräsident  schlug  er  Lassar 
und  Hansen  vor.  Zum  Generalsecretär  wurde  Ehlers  ernannt  und 
in  das  Bureau  ft  Mitglieder  (Arning,  von  Bergmann  ans  Riga, 
Kinyoun  aus  Washington,  Abraham  ans  London,  Thibierge  aus 
Paris  und  Dubois-Havenith  aus  Brüssel)  entsandt. 

Damit  war  die  Conferenz  constituirt  und  es  begannen  am  ersten 
Tage  die  officiellen  Ansprachen,  zuerst  von  den  Staatsbehörden,  dann 
von  den  einzelnen  Delegirten.  Im  Namen  der  Reichsregierung  nahm 
der  Staatssecretär  des  Innern  Graf  von  Posadowsky-Wehner 
das  Wort.  Der  grösste  Reichtum  der  Völker  bestehe  in  dem  Menschen 
selbst.  Diejenigen,  welchen  den  Menschen  gesund  erhalten  und  ihn 
zur  Arbeit  heranziehen,  führen  ihn  am  ehesten  der  göttlichen 
Bestimmung  zu.  Während  man  früher  die  unglücklichen  Kranken  aus 
der  Gesellschaft  ausstiess  und  sie  bürgerlich  tot  machte,  können  wir 
heute  nach  der  Entdeckung  des  Leprabacillus  hoffen,  auch  die  Krank- 
heit zu  heilen  und  auf  diese  Weise  sei  der  Weg  zum  Fortschritte 
gebahnt.  Namens  der  verbündeten  Regierungen  könne  er  die  Ver- 
sicherung abgeben,  dass  sie  den  Bestrebungen  der  Conferenz  mit 
grösstem  Interesse  entgegensehen.  Auch  der  C'ultusminister  Dr.  Bosse 
bestätigte,  dass  die  prcussischc  Unterrichtsverwaltung  das  grösste 
Interesso  an  der  Conferenz  habe,  da  die  Grenzen  Preussens  von  der 
Lepra  bereits  überschritten  seien,  und  die  Lepra  nicht  mehr  zu  den 
ausgestorhenen  Krankheiten  gehöre.  In  Preussen  sei  es  fast  ans- 


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421 


Böhiiesslich  der  nordöstlichste  Kreis  Unseres  Landes,  der  Kreis  Memel, 
in  welchem  sich  die  Krankheit  bisher  gezeigt  habe,  bis  jetzt  aller- 
dings noch  in  beschränktem  Umfange.  Im  Kreise  Memel  seien  seit 
dem  Jahre  1870  im  Ganzen  84  Leprafälle  mit  17  Todesfällen  constatirt, 
und  ausserhalb  des  Kreises  Memel  nnr  etwa  4,  sicher  nicht  mehr  als 
7 oder  8 Fälle.  Jene  34  Fälle  concentriren  sich  auf  den  Kreis  Memel 
und  haben  sich  dort  anf  15  Ortschaften  verteilt,  sodass  man  kaum  um- 
hin können  wird,  beinahe  den  ganzen  Kreis  als  verseucht  anzusehen. 
Die  preussische  Medicinalverwaltnng  habe  es  sich  angelegen  sein 
lassen,  diesem  Vorkommen  der  Lepra  gegenüber  nichts  zu  versäumen. 
Es  sei  die  Anzeigepflicht  eingeführt  nnd  die  ständige  Ueberwachnng 
aller  Leprakranken  angeordnet.  Jeder  Leprakranke,  dessen  Ab- 
sonderung im  eignen  Heim  nicht  durchführbar  sei,  werde  einem 
Krankenhause  zugeführt.  Von  den  znr  Zeit  amtlich  bekannten  19 
Leprösen  der  Monarchie  befinden  sich  7 in  Heilanstalten,  während  die 
übrigen  13  unter  entsprechender  Controlle  im  Schosse  ihrer  Familie 
belassen  worden  sind.  Im  Kreise  Memel  werde  anf  Staatskosten  eine 
Leproserie  für  18  Kranke  zur  Unterkunft  nnd  Verpflegung  gebaut. 
Die  Pläne  seien  bereits  fertig.  Die  wissenschaftlichen  Fragen  zeigen 
noch  manche  Lücken,  zu  deren  Lösung  er  die  Conferenz  im  Namen 
der  prenssischen  Staatsregierung  herzlich  willkommen  heisse,  ihr  Glück 
und  Gelingen  zum  Heile  der  leidenden  Menschheit  wünschend. 

Hiernach  folgten  die  Ansprachen  der  Herren  Ehlers  (Kopenhagen), 
Besnier  (Paris)  nnd  Armau er  Hansen  (Bergen).  Der  letztere 
besprach  in  besonders  eingehender  Weise  die  znr  Bekämpfung  der 
Lepra  notwendige  Isolirung  und  teilte  mit,  dass  Norwegen  von  1866 
bis  1890  ziemlieh  genau  6 Millionen  Kronen  auf  die  Bekämpfung  der 
Lepra  verwendet  hat  und  dass  es  in  diesem  Jahre  ungefähr  15  Millionen 
Kronen  dadurch  gespart  hat,  dass  so  viele  Menschen  von  der  Lepra 
verschont  geblieben  sind.  Man  handle  offenbar  am  vernünftigsten  nnd 
am  humansten,  wenn  man  durch  die  Isolation  der  Kranken  der  Ver- 
breitung der  Lepra  entgegentrete,  um  dieselbe  endgültig  auszurotten. 
Während  Jonathan  Hutchinson  wiederum  seine  Fischtheorio  ver- 
trat, beleuchtete  Ne  iss  er  die  Wege  zur  erfolgreichen  Eindämmung 
der  Krankheit  und  der  Verhütung  ihrer  Verbreitung.  Die  Verbreitung 
der  Krankheit  vollziehe  sich  nur  durch  direkte  Uebertragung  von 
Mensch  zu  Mensch.  Nirgends  sei  Jemand  leprös  geworden,  der  nicht 
mit  Leprösen  in  Berührung  gekommen  sei.  Nirgends  sei  Lepra 
antochthon  entstanden  und  immer  habe  sich  ein  wenn  anch  vielleicht 
verschlungener  Infektionsweg  mit  Leprösen  nachweisen  lassen.  Die 
Lepra  gehöre  demgemäss  in  die  Klasse  der  contagiösen  Infections- 
krankheiten  nnd  mehr  als  bisher  sei  der  Aussatz  als  eine  ansteckende 
Krankheit  in's  Volksbewusstsein  zu  bringen.  Ihre  Bekämpfung  beruhe 
darauf,  die  Möglichkeit  abzuschneiden,  dass  von  kranken  Menschen  der 
Krankheitserreger  anf  andere  Menschen  übergehe. 

J.  Neu  mann  (Wien)  lenkte  die  Aufmerksamkeit  auf  einen  neu 
entdeckten  Lepraherd  in  Bosnien  nnd  der  Herzegowina.  Bisher  sind 
133  Leprställe  constatirt  worden.  Vor  dem  6.  Lebensjahre  fand  sich 

Archir  f.  Schiff«*  u.  Tropeohygicne.  2S? 


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422 


nicht  ein  einziges  leprakrankes  Individuum.  Nachdem’  alsdann  noch 
O.  v.  Petersen  (Petersburg)  kurz  Uber  die  Ausbreitung  der  Lepra 
und  ihre  Isolirung  gesprochen,  wurden  zum  Schluss  noch  3 Lepra- 
kranke  vorgestellt,  unter  welchen  besonders  derjenige  Buzzi's  inter- 
essirtc.  Kr  will  in  diesem  Falle  mit  dem  Carrasquilla’schen  Serum 
bei  weitem  bessere  Resultate  erzielt  haben  als  mit  irgend  einer  früheren 
Methode. 

Die  erste  zu  Discussion  gestellte  Frage  des  zweiten  Sitxungs- 
tages,  in  wieweit  man  berechtigt  sei,  den  Leprabacillus  als  die 
Ursache  der  Krankheit  anzusehen,  wird  wohl  heute  allge- 
mein zustimmend  beantwortet  werden.- 

Zwar  ist,  wie  Ne  iss  er  in  seinem  Referate  ausführte,  der  volle 
und  unanfechtbare  Beweis,  dass  die  Leprabacillen  die  Ursache  der 
Krankheit  seien,  noch  ausstehend.  Denn  alle  bisherigen  Versuche, 
Culturen  von  Leprabacillen  herzustellen  und  'durch  Verimpfung  der- 
selben auf  geeignete  Tiere  bei  diesen  die  Krankheit  zu  erzeugen,  sind 
misslungen.  Trotzdem  können  wir  aber  heute  daran  festhalten,  «lass 
der  Leprabacillus  die  Ursache  der  Erkrankung  ist,  denn  bei  allen 
klinisch  sicheren  Leprafllllen  wird  der  Bacillus  constant  gefunden. 
Freilich  konnte  Kaposi  2 Fülle  von  Lepra  tuberosa  maculo-anaesthe- 
tica  beobachten,  bei  welchen  die  sorgfältige  bacterinlogisch-histologische 
Untersuchung  der  Knoten  nnd  des  Blutes  Leprabacillen  nicht  nach- 
zuweisen vermochte.  Daraus  folgert  Kaposi,  dass  die  Diagnose  auch 
der  Lepra  tuberosa  nicht  absolut  von  dem  Nachweise  der  Bacillen  ab- 
hängig gemacht  werden  darf,  sondern  auf  Grund  des  klinischen  Be- 
fundes allein  dargestellt  werden  muss,  wenn  dieser  der  bisherigen  Er- 
fahrung über  klinische  Symptome  der  Lepra  entspricht.  Von  Lepra 
maculosa  et  nervorum  sei  dies  bedingt  feststehend.  Gegenüber  Hansen, 
welcher  an  der  Diagnose  Lepra  in  diesen  Fällen  zweifelte,  konnte 
Bergengrün  aus  Riga  feststellen,  dass  einer  der  von  Kaposi  be- 
obachteten Kranken  in  das  Leprosorium  zu  Riga  aufgenommen,  dort 
an  typischer  Lepra  gestorben  sei  nnd  gegen  Ende  Bacillen 
gezeigt  habe.  Vielleicht  zeigte  also  dieser  Fall  nur  ausnahms- 
weise in  gewissen  Stadien  das  Fehlen  der  Bacillen  und  würde  den 
oben  schon  citirten,  von  N e i s s e r aufgestellten  Satz  der  constanten 
Bacillenbefunde  bei  Lepra  nicht  erschüttern.  Dabei  sei  ganz  belanglos 
Wohnort,  Lebensweise,  Ernährung,  Klima,  Rasse,  Alter,  Geschlecht 
des  einzelnen  Kranken,  sowie  die  Krankheitsform  im  einzelnen  Falle. 
Noch  mehr  aber,  es  lasse  sich  jedes  einzelne  dem  klinischen  Bilde  der 
Lepra  angehörige  Symptom  auf  einen  bacillenhaltigen  pathologisch- 
anatomischen Process  zurückführen.  Neisser  glaubt,  dass  die  Diffe- 
renzen der  beiden  in  ihrer  extremen  klinischen  Ansbildung  so  auf- 
fallend verschiedenen  Krnnkheitsformen  der  tuberösen  und  der  maculo- 
anaeathetischen  Lepra  sich  durch  die  Annahme  einer  quantitativen 
Differenz  der  jeweilig  wirksamen  Bacillen  verstehen  lassen.  Für  die 
Annahme  einer  wechselnden  Virulenz  der  Bacillen  fehlt  uns  vor  der 
Hand  jeder  Anhaltspunkt.  Vielleicht  könnten  aber  äussere  und  zu- 
fällige Einflüsse  die  Vermehrungsfähigkeit  eingedrungener  Bacillen  in 


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den  befallenen  Menschen  und  auch  diu  Locaiisation  seihst  beuinHussen. 
Dann  hätten  nach  der  Annahme  Hansen'«  Klima,  Witterung,  Lebens- 
weise, Beschäftigung  im  einzelnen  Falle  einen  Einfluss  auf  die  klinische 
Form  der  Lepra  and  könnten  es  erklären,  weshalb  in  manchen 
Gegenden  die  tuberösen,  in  andern  die  anaesthetischen  Formen  vor- 
herrschen. 

Gegenüber  dieser  heute  von  keiner  Seite  mehr  bezweifelten 
Aetiologie  machten  sich  schon  bei  der  zweiten  Frage,  welches  sind 
die  Wege  der  Uobertragung  die  weitgehendsten  Verschiedenheiten 
geltend.  Besonders  bemerkenswert  scheint  mir,  dass  Sticker  nach 
seinen  Untersuchungen  von  mohr  als  vierhundert  Leprakranken  in 
Indien  (Bombay  und  Nasik)  sowie  in  Aegypten  den  bisher  verborgen 
gebliebenen  Primäraffect  der  Lepra  entdeckt  zu  haben  glaubt.  Nach 
Beiner  Anschauung  sei  der  Primärafleet  der  Lepra  eine  specifische 
Läsion  der  Nusenschleimhaut,  meist  in  Form  einos  Geschwüres  Ubei 
dem  knorpligen  Teil  des  Septum.  Der  Primäraffect,  welcher  im  Ver- 
laufe der  Krankheit  in  alle  Formen  der  chronischen  Rhinitis  bis  zur 
Ozaena  und  zur  Nekrose  des  Nasengerüstes  ausarten  kann,  sei  im  Latenz- 
stadium der  Krankheit  vorhanden.  Oft,  wie  sich  aus  der  Anamnese 
ergebe  jahrelang  vor  den  ersten  Knoten  in  der  Haut  oder  der  ersten 
Zeichen  am  Nervensystem.  Ueber  die  Häufigkeit  des  Primäraffeetes  in 
der  Nase  gaben  folgende  Zahlen  Aufschluss.  Von  153  Leprakranken 
liessen  nur  13  die  deutlichen  anatomischen  Veränderungen  in  der  Nase 
vermissen.  Von  diesen  hatten  aber  9 im  Excret  der  scheinbar  gesunden 
unteren  Nasengänge  reichliche  Leprabacillen,  sodass  auf  153  Lepröse 
eigentlich  nur  4 ohne  Leprose  der  Nasensehleimhaut  kamen.  Unter 
diesen  163  Leprösen  litten  68  an  Knotenlepra,  68  an  Nervenlepra  und 
27  an  der  gemischten  Form.  Anf  die  58  Patienten  mit  Knotenlopra 
kamen  nur  2,  auf  die  68  mit  Nervenaussatz  23,  auf  die  27  mit  Lepra 
mixta  nur  einer,  bei  welchen  das  Nasenexcret  keine  Bacillen  bei  ein- 
oder  zweimaliger  Untersuchung  enthielt.  Im  Ganzen  wurde  also  128  Mal 
unter  153  Kranken  der  Nasenausfluss  bacillenhaltig  gefunden.  Danach 
glaubt  Sticker,  dass  der  Primäraffect  der  Lepra  als  activer  Krankheits- 
herd während  der  ganzen  Dauer  der  Krankheit  von  ihrem  latenten  In- 
cubationsstadium  bis  in  die  letzten  Stadien  der  nusgebildeten  Lepra- 
formen bestehe.  Daher  müsse  einer  Ausheilung  der  manifesten  Lepra 
die  Verödung  des  Primäraffeetes  in  der  Nase  vorausgehen.  Der  Primär- 
affect der  Lepra  and  seine  Umgebung  in  der  Nase  sei  zugleich  der 
Ort,  von  welchem  die  Leprabacillen  regelmässig  und  in  ungeheuren 
Mengen  an  die  Umgebung  des  Kranken  abgegeben  werden.  Nur  das 
eitrige  Sputum  einzelner  Lepröser  (23  auf  153)  enthalte  annähernd  so 
zahlreiche  Bacillen,  wie  das  leimartigo  oder  eitrige  Excret  der  kranken 
Nasensehleimhaut  Die  andern  Ausscheidungen  der  Lepröson,  ein- 
schliesslich des  Secrets  ihrer  Ulcera  kämen  im  Vergleich  hierzu  für 
die  Verbreitung  der  Bacillen  nach  aussen  nicht  in  Betracht.  Die 
Uebertragung  der  Lepra  vom  Kranken  auf  den  Gesunden  erfolge  von 
Nase  zu  Nase,  meist  wohl  unmittelbar,  wie  im  innigon  Verkohr  der 
Geschlechter,  der  Eltern  mit  don  Kindern  u.  s.  w.,  seltener  mittelbar 

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durch  Tücher  oder  beschmierte  Hitnde  u a.  Die  Weiterverbreitung 
der  Leprabacillen  geschehe  vom  Primäraffect  in  der  Nase  auf  den 
übrigen  Organismus  der  Regel  nach  durch  die  Lymphwege,  in  ein- 
zelnen Füllen  nach  Art  der  Miliartuberculose  durch  die  Blutbahn. 
Gegenüber  diesen  Anschauungen  konnte  Arning  mit  Recht  darauf 
hinweisen,  dass  dieselben  nicht  nur  weit  übertrieben,  sondern  auch 
nicht  neu  seien.  Er  wies  darauf  hin,  dass  er  mit  Sicherheit  einen 
Primäraffect  am  Unterarm  eines  Leprösen  beobachtet  habe.  Man  habe 
schon  früher  auf  die  Erkrankungen  der  Nase  geachtet,  indessen  zu- 
weilen hier  den  Ausgangspunkt  nicht  finden  können.  Bemerkenswert 
ist,  daBS  Arning  eine  enorme  Vermehrung  der  Bacillen  fand,  wenn  er 
lepröse  Hautstücke  in  Wasser  sogar  bis  8 Monate  faulen  liess.  Man 
konnte  sich  hiervon  an  seinen  Präparaten  mit  Sicherheit  überzeugen. 

Von  grossem  Interesse  scheinen  mir  die  Untersuchungen  Schaef- 
fer's  zu  sein,  welche  derselbe  in  der  Breslauer  Klinik  angestellt  hat 
Er  glaubt,  dass  die  Leprabacillen  selten  durch  die  Haut  den  Körper 
verlassen.  Dagegen  fand  er,  dass  tausende  von  Bacillen  beim  Sprechen 
den  Mund  verlassen.  Es  wurden  Objectträger  in  der  Umgebung  des 
Kranken  niedergelegt  und  in  10  Minuten  konnte  man  183000  gut  färb- 
bare Bacillen  ausgeworfen  finden.  Selbst  noch  1 '/«  m davon  entfernt 
konnte  man  sie  nachweisen.  Ebenso  wurden  beim  Niesen  Unmengen 
in  weiter  Entfernung,  2—3  m,  ausgoworfen.  Als  Erklärung  dafür  kann 
es  dienen,  dass  auf  der  Schleimhaut  die  Leprabacillen  ausserordentlich 
reichlich  sind.  Beim  Husten  werden  allerdings  nicht  so  viele  Bacillen 
ausgeworfen,  weil  die  Lungen  bei  der  Lepra  wenig  betheiligt  sind. 
Es  wurden  alsdann  in  weiterer  Fortsetzung  dieser  Versuche  die  Schleim- 
häute gut  gereinigt,  desinficirt  und  mit  dem  Argentumstift  behandelt. 
Aber  selbst  dann  fanden  sich  in  der  Umgebung  des  Kranken  noch 
immer  hunderte  von  Bacillen.  Es  lässt  sich  daher  die  Quelle  der  In- 
fection  zwar  wohl  vermindern,  aber  nicht  verstopfen,  und  bemerkenswert 
ist  noch,  dass  die  Bacillen  den  Körper  in  dem  für  ihre  Verbreitung 
sehr  günstigen  feuchten  Zustande  verlassen.  Man  sieht  leicht  ein,  von 
welcher  grossen  Wichtigkeit  diese  Untersuchungen  für  die  prophylac- 
tischen  und  sanitären  Massnahmen  sind. 

Im  Anschluss  hieran  machte  Petersen  Mittheilung  über  die 
Frage:  Wie  fängt  die  Lepra  an  und  in  welchen  Formen?  Es  wurden 
an  die  Aerzte  Meldekarten  verschickt  und  aus  1200  solcher  einge- 
gangenen  Karten  ergiebt  sich,  dass  es  sich  in  783  Fällen  (65,7*/»)  um 
Lepra  tuberosa,  in  315  Fällen  (26,4  °/o)  um  Lepra  macula  nervosa  und 
in  94  Fällen  (7,8  °/o)  um  Lepra  mixta  handelte. 

Beide  Geschlechter  erkrankten  ziemlich  gleich  häufig,  doch 
scheinen  Männer  etwas  häufiger  die  Knotenform,  Frauen  die  Fleckeo- 
form  aufzuweisen.  Die  Mehrzahl  der  Leprösen  befand  sich  im  Alter 
von  20 — 30  resp.  30 — 40  Jahren.  Merkwürdigerweise  bemerkten 
71  Personen  die  ersten  Erscheinungen  in  einem  Alter  von  über 
60  Jahren,  von  diesen  sogar  5 im  Alter  von  über  70  Jahren.  Dagegen 
wurden  im  Alter  von  2 bis  6 Jahren  nur  13  Fälle  constatirt.  Die  bei 
weitem  grösste  Anzahl  der  Leprösen  gehört  dem  Bauern-  und  niedarn 


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Bürgei>tande  an,  doch  kamen  vereinzelte  Fülle  mich  unter  den 
höheren  Ständen  vor.  Aua  den  weiteren  Mittheiluugeu  war  ersichtlich, 
dass  in  Russland  die  Leprsfrage  ernste  Beachtung  gefunden  hat  und 
die  ersten  Schritte  zur  systematischen  Bekämpfung  gemacht  werden. 
Durch  die  Anzeigepflicht  hofft  man  möglichst  genaue  Kenntnisse  Ober 
die  Verbreitung  der  Lepra  in  Russland  zn  erhalten  und  gleichzeitig 
Daten  zu  flxiren,  die  uns  mit  der  Zeit  die  Frage,  ob  die  Lepra  ab- 
nimmt, folglich  die  ergriffenen  Massnahmen  (Einrichtung  von  Lepra- 
asylen resp.  Colonien)  wirksam  sind,  beantworden  werden.  •) 

Freilich  darf  im  Anschluss  hieran  nicht  übersehen  werden,  dass 
alle  solchen  durch  Pspiermaterial  erhaltenen  Resultate  immer  ihre  Be- 
denken haben.  Dem  gab  auch  A.  Grünfeld  Ausdruck.  Er  schloss 
sich  der  Meinung  Neisser's  an,  dass  man  auf  Grund  derartige1, 
Statistiken  keino  zu  weit  gehenden  Behauptungen  aufstellen  dürfe.  Er 
teilto  folgende  nicht  uninteressante  Thatsache  mit.  Im  Gebiete  der 
Don'schen  Kosaken  seien  ihm  von  solchen  Meldungszetteln  circa 
70  seitens  der  Medicinalbehörde  übergeben  worden.  Es  stellte  sich 
nun  heraus,  dass  keiner  in  seinem  Inhalte  der  Wahrheit  entsprach, 
und  dass  die  Zahl  der  Leprösen  auf  120  in  kurzer  Zeit  ge- 
stiegen sei.  In  einem  Kreise,  welcher  226000  Einwohner  zählt, 
sind  nur  zwei  Aerzte  dazu  da,  medizinische  Hilfe  zu  leisten. 
Dieselben  müssen  auch  Berichte  Uber  die  Lepra  erteilen.  Der 
Eine  gab  sogar  die  offfcielle  Antwort,  dass  in  seinem  Bezirke 
keine  Leprösen  vorhanden  sind.  Es  stellte  sich  aber  heraus,  dass  nach 
sehr  kurzer  Zeit  in  dem  Bezirke  Uber  60  Fälle  von  Lepra  constatirt 
wurden.  Was  man  aus  einer  auf  solche  Art  ermittelten  Statistik 
schliessen  könne,  sei  leicht  ersichtlich. 

Von  nicht  geringer  Wichtigkeit  für  die  Frage  der  Uebertragung 
scheinen  anch  die  Bemerkungen  G e i 1 1 ’s.  Nach  seinen  Beobachtungen 
traten  in  Holländisch-Indien  in  mehr  als  50°/o  aller  Fälle,  die  er  gesehen 
hatte,  die  ersten  Symptome  an  den  Füssen  auf,  resp.  beinahe  immer 
erschienen  sie  an  peripheren  Teilen.  Meist  wurden  Leute  betroffen, 
die  ohne  Schuhe  und  Strümpfe  herumgelaufen  waren,  welche  also  viel- 
fach an  Fnsswunden  nnd  Schrunden  gelitten  hatten,  ln  4 Fällen 
konnte  er  durch  die  Anamnese  unzweifelhaft  feststellen,  dass  eine 
Pemphigusblase  am  äusseren  Fussrande  da  war,  ehe  auch  nur  ein 
einzelnes  Symptom  der  später  aufgetretenen  Lepra  da  war.  Hier 
würde  also  die  Pemphigusblase  eine  Art  Primäraffection  dargestellt 
haben.  Er  hofft,  dass  nach  dieser  Richtung  weitere  Untersuchungen 
angestellt  werden,  besonders  in  tropischen  Ländern,  wo  die  Leute 
barfass  herumlaufen.  Auch  die  Localisation  deute  auf  Infection  resp. 
Inoculation  vom  Boden  aus  hin,  vielleicht  in  kleinen  Schrunden.  Er 
habe  einen  Fall  gesehen,  wo  ein  Mann  auf  einen  Stein  getreten  war, 
wodurch  eine  Wunde  an  der  Fusssohle  verursacht  wurde,  die  lange 
Zeit  zur  Heilung  brauchte  und  wonach  während  der  Zeit  eines  Jahres 

*)  Nach  Zeitungsnachrichten  ward«  ln  Russland  kürzlich  ein  Aussätziger  wegen 
Marktdiebstahls  verurthellt.  Die  Insassen  der  Lepra-Asyle  sollen  frei  and  ungehindert 
ausgehen  1 Anm.  d.  Red. 


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unter  auffallenden  nscendirenden  Symptomen  eine  Lepra  nutculo- 
anaesthetica  sich  auabildete.  Der  Mann  war  vorher  gesund,  lebte  aber 
in  einer  Gegend,  wo  zahlreiche  Lepröse  waren.  G e i 1 1 hat  ferner  2 
Fülle  gesehen,  wo  Lepra  anaesthetica  auftrat,  naehdom  die  Leute 
früher  in  einen  Nagel  getreten  waren.  Die  betreffenden  Wunden 
waren  zur  Zeit,  als  er  die  Kranken  sah,  in  mal  perforant  du  pied  ent- 
artet. Nach  seiner  Meinung  deute  daher  das  endemische  Auftreten 
der  Krankheit  darauf  hin,  dass  im  Boden  das  eventuelle  Lepravirn3  hause. 

(Fortsetzung  folgt.) 


In  der  tropenhygienischen  Soktion  der  6 9.  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  welche  vom  20.  bis 
25.  September  d.  Js.  zu  Braunschweig  tagte,  lieferte  Herr  Dr.  Ernst 
Schön  ans  Borlin  ein  ausführliches  Referat  Uber  folgende,  von  dem 
Vorstande  der  deutschen  Colonialgesellschaft  zu  Berlin  gestellte  Fragen : 
I.  Empfiehlt  es  sich  und  entspricht  es  einem  Bedürfnisse,  in 
Deutschland  etwa  im  Anschluss  an  eine  bereits  bestehende 
oder  anderweitige  Heilanstalt  ein  Reconvalescentenheim  für 
Tropenkranke  unter  sachkundiger  Leitung  zu  errichten? 
und  im  Bejahungsfälle 

H.  Welche  Region  und  Höhenlage,  ob  Meeresküste,  Mittelgebirge, 
Alpenvorland  u.  s.  w.  eignet  sich  hierzu  am  besten  ? 

Referent  erörterte  zuvörderst  die  theoretische  Frage,  welchen 
wissenschaftlichen  Werth  eine  C en t r al isiru n g aller  der  mannig- 
faltigen Affectioncn  und  Nachkrankheiten  habo , an  denen  die  aus 
den  Tropen  heimkehrenden  Beamten,  Kaufleute,  Officiere,  Matrosen, 
Colonisten,  ja  selbst  Eingeborene,  welche  womöglich  auch  zu  berück- 
sichtigen seien,  leiden,  und  des  Ferneren,  ob  einem  derartigen 
Krankenmaterial  zum  Zwecke  der  Unterweisung  angehender  Colonial- 
Srzte  eine  grosse  Bedeutung  beizumessen  wäre. 

Erstcre  Frage  konnte  der  Redner  in  gewissem  Sinne  bejahen. 
Ein  Sanatorium  dieser  Art  würde,  so  führte  er  aus,  unter  Leitung 
eines  erfahrenen  Tropenarztes  den  Kranken  solbst  durch  einheit- 
liche Beurtheilung  seines  Leidens  und  genaue  Beobachtung  der  bei 
Tropen-Affektionen  ja  vielfach  periodisch  wiederkohrenden  Symptome 
von  wesentlichem  Nutzen  werden  und  ferner  auch  der  Wissenschaft 
durch  Ansammlung  eines  gewissen,  nach  verschiedenen  Seiten  werth- 
vollen  Materials  zu  erheblichem  Vortheile  gereichen.  Auf  der  anderen 
Seite  gab  er  zu  bedenken,  dass  die  Clientei  eines  solchen  Sanatoriums 
sich  immer  zum  weitaus  grössten  Theilo  aus  Angehörigen  der  ge- 
bildeten, besser  situirten  Klassen  zusammensetzen  würde,  welche 
nur  ausnahmsweise  bereit  sind,  sich  als  Material  für  wissenschaft- 
liche Untersuchungen  herzugeben.  Nie  könnto  das  geplante  Institut 
eine  auch  nur  annähernd  so  werthvollo  wissenschaftliche  Ausbeute 
liefern,  als  etwa  das  Hamburgor  Krankenhaus  mit  soinen  vielen  aus 
Mannschaften  der  Handelsflotte  sich  rekrutirenden  Patienten,  Charing 
Cross-Hospital  in  London  mit  seinem  Riesenmaterial  der  Indian-Doekz, 
die  Krankenhäuser  in  Amsterdam  und  Harderwyk,  in  welchen  die  krank 


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427 


aus  Niederländisch  Indien  und  Surinam  heimkehrenden  Beamten,  Sol- 
daten, Seeleute  und  dergleichen  Aufnahme  fänden  u.  b.  w.  Aus  den- 
selben Gründen  würde  ein  Sanatorium  auf  deutschem  Gebiet  auch  als 
Lehr-Anstalt  für  angehende  Tropenärzte  nur  eine  sehr  geringe 
Bedeutung  gewinnen. 

Einen  oder  den  anderen  Fall  von  Beri-Beri,  gewisse  Formen 
der  Tropen-Malaria,  würden  die  jnngen  Lento  wohl  zu  sehen  bekommen, 
andere  wichtige  Affektionen  aber,  welche  mehr  die  ärmeren  Klassen 
der  in  den  Tropen  weilenden  Bevölkerung,  vor  Allem  die  Eingeborenen 
befallen,  wie  Blattern,  Filaria  sanguinis,  Lepra,  würde  er  hier  wohl 
nie  antreffen.  In  dieser  Richtung  würden  ihm  Studien  in  den  Tropen 
selbst,  besonders  in  den  grossen,  trefflich  organisirten  Krankenhäusern 
von  Britisch-  und  Niederländisch-Indien,  weit  förderlicher  soin. 

Aber  auch  in  der  Heimath  steht  angehenden  Kolonialärzten  ein 
nicht  unbeträchtliches  Material  zum  Studium  einer  Reihe  von  Affektionen 
der  heissen  Länder  schon  jetzt  zur  Verfügung,  da  Geh.  Rath  Prof. 
Gerhard  bereits  seit  länger  als  Jahresfrist  auf  der  II.  inneren  Klinik 
des  Charitee-Krankenhauses  zu  Berlin  aus  den  Tropen  heimkehrenden, 
erholungsbedürftigen  oder  kranken  Europäern  und  auch  Eingeborenen 
kostenlos  Aufnahme  gewährt,  ein  Material,  welches  schon  jetzt  wissen- 
schaftlich auf  das  Gründlichste  ausgenutzt  wird. 

Endlich  aber  und  vor  Allem  erscheint  es  fraglich,  ob  das  Ver- 
weilen in  einer  Centrale  dieser  Art  den  Kranken  selbst  mehr  Nutzen 
bringen  wird,  als  der  Aufenthalt  in  schon  längst  bestehenden  Kur- 
anstalten und  Bädern  Deutschlands  oder  Oesterreichs,  in  welche  ja 
auch  das  Ausland  so  häufig  seine  tropenkrnnken  Söhne  und  Töchter 
entsendet  Denn  — und  hiermit  kommt  Referent  auf' Punkt  II  des 
zur  Diskussion  gestellten  Problems  — ob  man  sich  nun  bei  Anlage 
des  Sanatoriums  für  Höhenlage  in  Mittelgebirge  oder  Alpenvorland, 
oder  auf  der  anderen  Seite  für  die  Meeresküste  entscheidet,  immer 
hat  eine  Ccntralisation  den  grossen  Fehler,  dass  man  nur  einer 
bestimmten  kleinen  Gruppo  von  Tropen -Reconvalescenten  die  für 
sie  gerade  passenden  Vortheile  wird  bieten  können. 

Bei  der  grossen  Mannigfaltigkeit  der  Malaria-Gruppe  mit  ihren 
Nachkrankheiten  muss  es  vor  Allem  darauf  ankommen,  in  der 
Auswahl  der  Heilfaktoren  streng  zu  individoalisiren.  Einer  Reihe  an 
Malaria-Anämie  leidenden  Europäern  wird  die  Höhenluft  mit  ihren 
die  Oxydation  des  Blutes  steigernden  und  zu  schnellerer  Neubildung 
der  Blutzellcn  führenden  Einflüssen  vortreffliche  Dienste  leisten,  während 
für  Andere  das  Seeklima  mittelst  seiner  den  Stoffwechsel  fördernden  und 
Appetit  anregenden  Eigenschaften  in  Betracht  kommt.  Man  könnte 
freilich  neben  der  Centrale  je  eine  Filiale  in  den  Bergen  und  an  der 
See  errichten,  aber  gemeinsame  Momente  für  die  Therapie  aller  der 
Folgeerscheinungen  und  Nachkrankheiten  auch  der  zahllosen  anderen 
Affektionen  der  heissen  Länder,  wie  Pest,  Ruhr,  Cholera,  Beri-Beri 
u.  s.  w.,  zu  finden,  dürfte  denn  doch  recht  schwer  werden. 

Nach  Ansicht  des  Referenten  ist  es  ungleich  wichtiger,  bevor 
man  dio  Gründung  eines  Sanatoriums  in  der  Heimath  ins  Auge 


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fasst,  wo  den  zurtlekkohrenden  Tropen-Reconvaieacenten  eine  lange 
Reihe  renommirter  Bäder  and  Kurorte  für  alle  Arten  von  Leiden  zur 
Verfügung  steht,  vor  Allem  an  die  Anlage  von  Gesundheitsstationen 
in  den  klimatisch  ungünstigen  Theilen  der  deutschen  Schutz- 
gebiete  selbst  zu  denken,  Stationen,  wie  solche  die  anderen 
colonisirenden  Nationen,  namentlich  Engländer  und  Holländer,  in  ihren 
tropischen  Besitzungen  in  beträchtlicher  Zahl  und  grosser  Voll- 
kommenheit seit  Langem  besitzen.  F.  Kronecker. 

Am  29.  October  hielt  in  Berlin  die  Arbeitsgruppe  für 
Schiffs-  und  Tropenhygiene  d er  D eu tsch eu  Abt h eilung 
der  Pariser  Weltausstellung  1900  ihre  erste  Sitzung  unter 
dem  Vorsitze  Sr.  Durchlaucht  des  Prinzen  Arenberg.  M 

V.  Zur  Besprechung  eingegangeneBücber 
und  Schriften. 

F.  Bnrot  et  M.  A.  Legrand.  Les  troupes  coloniales,  II.  Maladies  du 
Soldat  aux  pays  cbauds.  Paris  1897. 

Annali  d'igiene  sperimentale,  fascicolo  IV  1897  Rom,  Societk  editrice 
Dante  Alighieri. 

E.  Below.  Die  Melanurie,  ein  Kunstprodukt  der  Chininsalze.  Vor- 
trag. Berl.  klin.  Wochenschrift  1897  No.  46. 

Dr.  Georg  Kolb,  Beiträge  zu  einer  geographischen  Pathologie  Britisch- 
Ostafrikas.  1897,  Giessen,  C.  v.  MUnchow. 

Marine-Rundschau,  Heft  1 1.  1897.  Berlin.  Mittler  & Sohn. 


Druckfehlerberichtigungen. 

Heft  6 Seite  832  Absatz  4 lies:  Eykmann,  van  der  Scheer  und 
Kohlbrugge  fanden  beim  Tropenbewohner  weder  die  Anzahl  der  ruthen 
Blutkörperchen,  noch  den  Hämoglobingehalt  vermindert.  (Nicht  vermehrt ) 
S.  3*9.  6.  Zeile  von  oben  statt  „des“  lies  „Uber“. 

17.  „ „ unten  „ „auch“  „ „noch“. 

14.  „ „ „ „ „Reiskost“  „ „Reistafel“. 

4.  „ „ „ „ „dieses“  „ „seines“. 

S.  340.  19.  Zeile  von  oben  statt  „Mehl“  lies  „Mahl“. 

24.  „ „ „ „ „Mehlspeise“  „ „Mahlzeit“. 

32.  „ „ „seine“  „ „weitere“. 

33. — 35.  Zeile  von  oben  statt  „Während  eine  Erkrankung  an  Beriberi 
anhaltend  ist,  vermutlich  durch  Exacerbationen  und  Recidive,  sieht 
sie  Grimm“  lies  „Während  einer  Erkrankung  an  Beriberi  aaf- 
tretende  vermeintliche  Exacerbationen  und  Recidive  siebt  Grimm“. 

36.  Zeile  von  oben  statt  „complicirtes“  lies  „nncompilclrtes.“ 

37.  „ „ „verlief“  „ „verläuft“. 

38 „bei  der“  „ „bis  znr“. 

8.  841.  5.  Zeile  von  oben  statt  „ymptomen“  lies  „Symptomen“. 


Bemerkung.  Der  Verlag  des  Archivs  geht  vom  1.  Januar  1898 
ab  an  die  Firma  Johann  Ambrosius  Barth  in  Leipzig  Uber. 

Die  Red. 


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Archiv 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene, 

unter  besonderer  Berücksichtigung  der 

Pathologie  und  Therapie 

unter  Mitwirkung  von 

Prof.  Dr.  BAELZ,  Tokio,  Dr.  BASSEN  (JE.  Cassel,  Dr.  BOMBAKDA,  Lissabon, 
Dr.  van  BRERO,  Buitenzorg,  Dr.  do  BRUN,  Beirut,  Dr.  BRI'NllOFF,  Kiel, 
Dr.  BUSCH  AN,  Stettin,  Dr.  de  CARRASQUILLA,  Bogota,  Prof.  Dr.  H.  COHN, 
Breslau,  Dr.  DAEUBLER,  Berlin,  Dr.  DRYEPONDT,  Brüssel,  Prof.  Dr.  F1RKET, 
Lüttich , Dr.  FISCH,  Aburi  (Goldküste),  Dr.  GLOGNER.  Samarang,  Dr.  GOLD- 
SCHMIDT,  Paris-Madeira,  Dr.  HEY,  Odumase  (Goldküste),  Dr.  van  der  HEYDEN, 
Yokohama,  Dr.  MAX  JOSEPH,  Berlin,  Dr.  KOHLBRTTC.GK,  Tosari  (Java),  Dr. 
KROHN,  Madeira,  Dr.  KRONECKER,  Berlin,  Dr.  LEHMANN,  Schlachtonseo, 
Prof.  Dr.  LEICHTENSTERN,  Köln,  Dr.  LIEBENDOERFER,  Kalikut  (Vorderindien), 
Dr.  LLER,  Mexico,  Hofrat  Dr.  MARTIN,  München,  Prof.  Dr.  MONCORVO.  Rin 
de  Janeiro,  Dr.  MONCORVO  jr.,  Rio  de  Janeiro,  Dr.  NOC1IT,  Hamburg,  Dr. 
A.  PLEHN,  Kamerun,  Dr.  F.  PLEHN,  Tanga,  Obennedizinalrat  Prof.  Dr.  RENK. 
Dresden,  Dr.  REYTTER,  Bangkok,  Dr.  RHO,  Rom,  Dr.  RICHTER,  San  Francisco, 
Dr.  0.  ROSENBACH,  Berlin,  Dr.  ROTHSCHUH,  Managua,  Geheimrat  Prof.  Dr. 
RUBNER,  Berlin,  Dr.  von  RUCK,  Ashville,  Dr.  RÜGE,  Kiel,  Dr.  RUMPEL, 
Hambuig- Eppendorf,  Prof.  Dr.  SANARE1JLI,  Montevideo,  Dr.  SANDER,  Wiud- 
hoek,  Dr.  SCHELLONG,  Königsberg,  Sanitatsrat  Dr.  SCHEUBE,  Greiz,  Dr. 
SCHOEN,  Berlin,  Dr.  8CHWALBE,  Los  Angeles,  Dr.  ULLMANN,  Wien. 
Dr.  WITTENBERG,  Kayintschu  (Süd -China),  Dr.  Z1EMANN,  Berlin, 

und  mit  besonderer  Unterstützung  der 

DEUTSCHEN  KOLONIAL- GESELLSCHAFT 

hanasf*g*b«n  von 

Dr.  C.  Mense,  Kassel. 


2.  Sand. 


Leipzig,  1898. 

Johann  Ambrosiuu  Barth. 


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Inhaltsverzeichniss  von  Band  II. 

Heft  L 


X.  Originalabhandlungen. 

Kehreber,  Dr.,  Assistenzarzt  2.  Kl.  in  der  Kaiserlichen  Schutztruppe  für 

Deutsch -Ostafrika.  Eine  Grünspanvergiftung  beobachtet  zu  Pangani  1—4 
Kohlbrugge.  Dr.  J.  H.  F.,  prakt.  Arzt  am  Sanatorium  Tosari  (Ost-Java). 

Malaria  und  Höheuklima  in  den  Tropen 5 — 27 

Kolb,  Georg,  Dr.  med.,  Wiesbaden.  Die  Filaria  Kilimarae  in  Britisch- 

Ostafrika  28 — 53 


II.  Besprechungen  und  Litte  raturangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  u.  Statistik. 

Die  Pocken-lmpfung  in  Britisch-lndien 54—37 

Freymadl,  Marines‘absarr.t  Dr.,  Über  Bekleidung  und  Gepäck  bei  Lan- 
dungen in  den  Tropen SS 

Kohlbrugge,  Dr.  J.  H.  P.,  dir.  Arzt  des  Sanatoriums  zu  Tosan  auf  Java, 

Das  Höhenklima  tropischer  Inseln,  verglichen  mit  dem  der  Schweiz 

in  Bezug  auf  Veränderungen  des  Blutes 38—39 

Pestnachricbten 59 

h)  Pathologie  und  Therapie. 

Beri-Btri. 


Eykmau,  Dr.,  direkter  van  hut  laboratorium  voor  pathologische  anatomie 
eil  bacteriologie  te  Batavia.  Poiineuritfe  by  hoenders,  nieuwe  hv- 
dragen  tot  de  aetiologie  der  ziekte.  59-  48 

Vordermann,  Dr.,  Onderzoek  naar  het  verband  tusschen  den  aard  der 
rystvoeding  in  de  gevaugenissen  op  Java  en  Madoora  en  het  voor- 
komen  van  Beri-Beri  onder  de  geinterneerdeu  .......  49—54 

Dysenterie. 

Kartnils,  l)r„  Arzt  am  Rogierungshospital  zu  Alexandrien,  Dysenterie  57-58 
c)  Sonstige  Werke. 

Poskin,  Dr.  A.,  L’Afrnjue  eguatoriale,  climatologie,  nosologie,  hygiene  58—43 

in.  Vereammlungsberichte. 

Die  internationale  wissenschaftliche  Lepra-Conferenz  zu 


Berlin.  Schluss 63-4* 

Zur  Besprechung  eingegangene  Bücher  und  Schriften  88 

Druckfehler  u.  Berichtigungen 4» 


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— 111  — 

Holt  II. 

I.  Originalabhandlungen. 

Seite 

Rothsrhuh,  Dr.  Ernst,  Managua.  Trcpenmedicinische  Erfahrungen  aus 

Nicaragua 69—92 

Menge,  Dr.  Carl,  Eine  Umfrage  über  das  Schwarzwasserfieber  . . 92 

Leistlkow,  Dr.  Leo,  Hamburg.  Das  Ichthyol  in  seiner  Verwendbar- 
keit für  die  Schiffs-  und  Tropeu-Praxis 98—99 

II.  Besprechungen  und  Xiitteraturangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Statistik. 

Patrick  Mangen.  The  necessity  for  special  education  in  tropical  medicine  100 

Pestnachrichten 100 

Reagenskasten  zur  Herstellung  keimfreien  Trinkwassers  nach  Schumbarg  100 — 102 
Castellau.  Du  climat  maritime  de  la  Tunisic  et  de  son  influence  patlin- 

logique  sur  le  pouinon,  le  cocur  et  le  foie 102 

h)  Pathologie  und  Therapie. 

Beri-ßeri. 

Eykman,  C.  Zur  Abwehr li 

Ejkman,  C.  Beri-beri  en  voeding 103—1 

Walter  K.  Hunter.  A oontribution  to  the  etiology  of  beri-beri  . . io. 

Malaria. 

Below,  Dr.  Die  Melanurie,  ein  Kunstproduct  der  Chininsalze  . . 104  — 105 

St&mmeshaus,  W.  Febris  intermittens  perniciosa 105 

Ronald  Ross.  On  some  peculiar  pigmented  cells  found  in  iwo  mos- 

q ui  tos  fed  on  malarial  blood 106 

Voorthuis,  Dr.  A.  Een  geval  van  pernicieuse  malaria 106—107 

Lnhbers,  Dr.  A.  E.  H.  Eenige  Gegevens  ointrent  Pelantoengan  als 

herstellingsoord  voor  malarialyders 107 

llrown,  W.  C.,  Widal's  reaction  in  the  tropics . 108 

Gray,  St.  Geo.  Euchinin  in  malaria 108 

Mae  Callum,  W.  G.  On  the  flagellated  form  of  the  malaria  parasite  108 

Lawrle,  Et  On  the  flagellated  form  of  the  malaria  parasite  , . 108 

Nage),  Dr.  O.  Ueber  klimatische  Bubonen 109 

Dysenterie. 

Wyatt  Smith,  Magnesium  sulphate  in  tropical  dysentery  ....  109 

Lepra. 

Bergmann,  A.  v.  Die  Lepra  109 — 110 

Abraham,  Phineas  S.  Uebersicht  über  die  Lepra  im  Britischen  Reiche  110 

Schlafsucht  der  Neger. 

Antonio  Olympio  Cagigal  e Charles  Lepierrc.  A doenya  do  somno 

e o seu  bacillo 110  — 112 

Pest. 

Dlendonnd,  Dr.  Ueber  die  Resultate  derYersin’schen  und  Haffkine'schen 

Immunisierungs-  und  Heilungsversuche  bei  Pest 112 — 118 

Parasitäre  und  Hautkrankheiten. 

Patrlk  Mausen.  On  certain  new  species  of  nematode  haematozoa 

oocurring  in  America  114 


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— IV  — 

Seit« 

Maclsuri.  Note  sur  une  affection  designee  dans  la  boucle  du  Niger 

et  le  pays  de  Kong  sous  les  noms  de  Goundou  et  Anakrc  (gros  nez)  114 

Slrube.  lieber  das  endemische  Vorkommen  von  Parasiteneiern  und 

-lanen  im  Harn  der  Bewohner  von  Natal  uDd  Transvaal  . . . 114  — 1 15 

Rüge,  Dr.  Rein  hold.  Kin  Beitrag  zum  Krankheitsbilde  des  Eczema  tropicum  1 1 j 

Thierische  und  / ifiatizliche  Gifte. 

Calmette,  Dr.  A.,  Le  veuin  des  serpents,  Physiologie  de  l’evenimation. 

Traitement  des  morsures  venimeuses  par  le  Serum  des  animaux 
vaccines 110 — lig 

IIT.  Sonstige  Werke. 

Rho,  Dr-  Filippo.  Malattie  predominanti  nei  paesi  caldi  et  temperati  116 — 119 
Freiherr  Stromer  von  Kelclienbach , Dr.  Ernst.  Die  Geologie  der 

deutschen  Schutzgebiete  in  Afrika 119 — 124 

Heft  III.  - 

I.  Originalabhandlungen. 

Plelm,  Dr.  Albert.  Die  Dysenterie  in  Kamerun 125 — ISS 

Dempnolif,  Dr.  Otto.  Ärztliche  Erfahrungen  in  Xeu-Guinea  ..  . 134 — 166 

Sehellong,  Dr.  0.  Zur  Frage  des  prophylactischen  Chiningebmuchs 

in  tropischen  Malariagegenden 167 — 176 

II.  Besprechungen  und  Litte  raturangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Statistik. 

Hcheuck,  Dr.  Paul.  Leber  Schiffshygieno 177 

Daniiell,  Dr.  Gesundheit, Verhältnisse  auf  der  Gazelle-Halbinsel  . . 178 

Gazeau,  Dr.  Les  pedbeurs  de  Terre  Neuve 178—  179 

Thlnra,  Dr.  Le  recrutement  « la  Reunion 179 

Dürre  und  Hungersnot  in  Vorderindien  (Dr.  Kronecker) 180 — 183 

Arcurso,  8.  Hrevi  cenni  sulle  condizioni  climatico-igieniche  del  Benidir  183—  184 

Pestnachrichteu 184 

b)  Pathologie  und  Therapie. 

Beri-Beri. 

D Buhler,  Dr.  Karl.  Die  Beri-Beri-Krankheit 184—186 

llirotn,  Z.  lieber  die  durch  die  Milch  der  an  Kakke  leidenden  Frauen 

erzeugte  Krankheit  der  Säuglinge 186 

Malaria. 

Koch,  Prof.  Dr.  R.  Aerztliehe  Beobachtungen  in  den  Tropen  . . 186 — 189 

Dysenterie. 

Bertram,  Dr.  L.  E.  Contribution  ü la  pathogenie  de  la  dysenterie  . 189 

HI.  Sonstige  Werke. 

Rho,  Dr.  Filippo.  Malattie  predominanti  nei  paesi  caldi  e temperati  189 — 192 
Redaktions-Briefkasten. 

Robert  Koch  und  die  Schwarz  wasserfieber-Frage  (Dr.  E.  Below)  . . 192 — 194 


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V 


Heft  IV. 

I.  Originalabhandlungen. 

Schwalbe,  l)r.  Carl.  Klima  und  Krankheiteu  von  Südkalifornien  190  — 217 

Rüge,  Dr.  Reinhold.  Zustande  in  spanischen  Miiitärlozarethen  der 
alten  u.  neuen  Welt  und  der  Krankenbewegung  sowie  der  Sterb- 
lichkeitsverhältnisse  des  spanischen  Heeres  auf  Cuba  während  des 

Jahres  1897  218-23S 

Plelin,  Kr.  Albert.  Die  bisher  mit  dem  Euchinin  (Zimmer)  gemachten 

Erfalirungeu 234 — 235 

Arimond,  Dr.  Brief  aus  Kinutschou 238 — 241 

II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Statistik. 

Kohlbrnggc,  Dr.  J.  H.  K.  Die  Krankheiten  eines  Bergvolkes  der 

Insel  Java ■ ...  . 242 — 244 

Rnge,  Dr.  Kelnhold.  Zur  geographischen  Pathologie  der  Westküste 

Südamerikas 244 

Koch,  Prof.  Dr.  R.  Ueber  Westusambara  in  sanitärer  Beziehung  . 243 

Rasch,  Dr.  Clir.  Ueber  den  Einfluss  des  Tropenklimas  auf  das  Nerven- 
system   245 

Pe.stnachrichten 24b 

b)  Pathologie  und  Therapie. 

Malaria. 

Larermn,  Prof.  Dr.  A.  Traite  du  paludisme 247—258 

Koch,  Prof.  Dr.  R.  Das  Schwarzwasserfieber 253—254 

INfring,  Dr.  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis«  der  Kamernu-Malaria 

Pest. 

Koch,  Prof.  Dr.  R.  Ueber  die  Pest 255—257 

Icterus. 

Goedhnis  Rail  und  Ejkman,  Een  geval  van  Icterus  febrilis  . . . 257—258 
C.  L.  Rense,  Over  den  Icterus  febrilis 258 

Parasitäre  Krankheiten. 

Kartalls,  Dr.  St.  Weitere  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  der 

Bilharzia 258—259 

Viehseuchen. 

Koch,  Prof.  Dr.  B,  Berichte  über  die  Forschungsergebnisse  aus 

Deutsch-Ostafrika 259—280 


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VI 


Chirurgie. 

Porteu^a,  Dr.  J.  A.  Byd ragen  tot  de  Kenuis  van  den  'aard  der 

verwondingen  in  den  toekomstigen  zeeoorlog 260 

III.  Sonstige  Werke. 

Hbn,  Dr.  Filippo.  Molattie  predominanti  nei  paesi  caldi  e temperati. 

(Fortsetzung) 260—  262 

Justus  Pertbes’  Deutscher  Marine-Atlas 262 


Heft  V. 

I.  Originalabhandlungen. 

Seineleder,  Dr.  Friedrich.  Malaria  in  der  Hauptstadt  Mexico  . 263—268 
Plehn,  Dr.  Albert.  Zur  Calomel behandln ng  der  Dysenterie  ...  268 

Rüge,  Dr.  Ttelnhold.  Hygienisches  und  Sanitäres  aus  Habana  . . 269—274 
DempwolfT,  Dr.  Ott«.  Aerztliehe  Erfahrungen  in  Neu  - Guinea 

(Fortsetzung  und  Schluss) 275 — SüO 

11.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Statistik. 

Bnrot,  F.  et  Legrand,  M,  A.  Los  Troupes  Coloniales.  Statistique 

de  )a  Mortalite.  Paris,  Bailiiere  et  Fils  1897  301 

Statistica  sanitaria  dell’  armata  per  gli  an»  1895  e 1896.  Ministero 

della  marina,  Rom  1898.  Cecchini,  Ludovico 302 

Rasch , Dr.  Ch.  Zur  geographischen  Pathologie  Siams 303 

Pergens,  E.  Les  yeux  et  les  fonctions  visuelles  des  Congolais  . . 304 

Pestnachrichten 305 

b)  Pathologie  und  Therapie. 

Malaria. 

Btm,  P.  Ueber  die  Wirkung  des  Chinins  auf  die  Leukocyten  . . 305 

Zlcmann,  Dr.  Hans.  Ueber  Malaria-  und  andere  Blutparasiten  . . 306  - 322 

Beri-Beri. 

Grimm,  Dr.  F.  Ueber  Beri-Beri 3*2 

ILL  Sonstige  Werke. 

Rho,  Dr.  Filippo.  Malattie  predominanti  nei  paesi  caldi  e temperati 

(Fortsetzung)  . 324 

Borei,  Dr.  Comment  on  devient  Medecin  d’un  Paquetbot  ....  326 

Zur  Besprechung  eingegangene  Werke 327 


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VII 


Heft  VI. 

I.  Originahabhandlunge. 

BmU 

Scheube,  Dr.  B.  Die  Beri-Bori- Epidemie  im  Richmond  Asylum 

in  Dublin 329—841 

Kohlbrugge,  Dr.  J.  F.  H.  Therapeutische  Mittheilungen  aus  der 

Tropenpraxis 842 — 344 

Zlemann , Dr.  Hans.  Kurze  Bemerkungen  über  die  Theorie  der 
Maiariaübertragung  durch  Mosquitos  und  über  Geisselformen  bei 
Blutkörperparasiten 845 — 855 

TI.  Besprechungen  und  Litteraturongaben . 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Statistik. 

Fontaine,  Notes  sur  la  mortalite  des  troupes  d'infanterie  et  d'artillerio 

casernees  en  Cochinchine 356 — 357 

Burot,  F.  et  Legrand,  M.  L.  Les  Troupes  Coloniales.  II.  Malad  ies 

du  Soldat  aux  pays  chauds 857 — 359 

Gries,  Considerations  generales  sur  la  morbidite  et  la  mortalite  de 

l’anoee  1897.  (Martinique) 859 

Kermorgant,  A.  L’assistance  publique  aux  colonies 359—361 

Körfer,  Dr.  Die  Acclimatisation  des  Europäers  in  den  Tropen  . . 361 

Plehn,  Dr.  F.  Die  Kamerunküste 862 — 865 

Pestnachrichten • 365 

b)  Pathologie  und  Therapie. 

Malaria. 

Clarac,  Notes  sur  le  paludisme  obeerve  i Dakar  . 366 

Lepra. 

Pierre.  L.  E.  Rapport  sur  les  conditions  dans  lesquelles  se  trourent 

les  lepreux  en  Nouvelle-Caledonie 888 

Leprabericht  (Dr.  Max  Joseph) 868 — 878 

Pocken. 

Noqu4,  J.  Missions  de  vaccine  au  Cambodge 873—874 

Paraeitäre  und  Hautkrankheiten. 

Odrioxoda,  M.  E.  La  Maladie  de  Carrion  ou  la  verruga  Peruvienno  874—876 
Daniels,  C.  W.  Discovery  of  the  parental  form  of  a British  New- 

Guinea  bloodworm  876 

Goldstein.  The  Texas  screw-worm 876 

Gelbfieber. 

Hanarelli,  Prof.  I.  L’immunita  a la  sieroterapia  oontro  la  febbre  gialla  376 

— Prime  esperienze  intorno  all’  impiego  del  siero  curativo  e preven- 

tivo  contro  la  febbre  gialla 877 


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VIII  — 


Beri-Btri.  Mt« 

Walther  K.  Hnator.  A contribution  to  the  aotiology  of  Beri-Beri  377—378 

Sonnt  ii/e  Inftktionnkran khtittn . 

Un  ca»  de  Tetanus,  traitc  par  l'iujectkm  intraoerebrale  d’antitoxine  . 378 

Kölle,  Dr.  W.  Baeteriologische  Befunde  bei  Pneumonien  der  Neger  378—379 

Bronn,  ff.  C.  Widals  reaction  in  natives  of  India 379 

Bnchnnan,  J.  W.  S.  Epidemie  cerebro-spinal  fever  in  India  ...  379 

Kretz,  Dr.  B.  Ein  Fall  von  Maltatieber  durch  Agglutination  des 

Micrococcus  Melitensis  nachträglich  diagnosticirt 379—380 

SUvestrlnl.  Pou.voir  agglutinant  da  sang  sur  les  cultures  en  bouillon 

des  staphylocoques 380 

Orgunkrankhfitfn 

Macleod,  K.  Tropical  lleart 380 


Sachverzeichnis» 381 

Namenverzeichnis» 384 


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i§*L  Archiv 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene. 

Band  2. 


L Originalabhandlnngeii. 

Eine  Grünspanvergiftung  beobachtet  zu  Pangani 

von  I)r.  Schreber, 

Assistenzarzt  2.  Kl.  in  der  Kaiserlichen  Schutztruppe  für  Deutsch -Ostafrika. 

Bei  dem  Kaiserlichen  Bezirksamt  zu  Pangani  war  es  seither 
Gebrauch,  die  Speisen  für  die  Kettengefangenen  in  verzinnten 
Messingtöpfen  zu  kochen,  weil  die  thönernen  Gefässe  häufig  aus 
Versehen,  oder  durch  Böswilligkeit  zerworfen  wurden.  Mit  der  Zeit 
hat  sich  die  Verzinnung  abgenutzt  und  das  Messing  ist  bloss  zu 
Tage  getreten.  Die  Weiber  (Kettengefangene),  welche  die  Speisen 
bereiten,  haben  es  mit  der  Sauberkeit  niemals  genau  genommen,  so 
dass  die  Speise,  die  meistens  aus  circa  650  g Reis  zu  bestehen 
pflegt,  mehrere  Stunden  lang  in  diesen  alten  Messingtöpfen  stand, 
wodurch  es  zu  Grünspanbildung  kam.  Ich  habe  selbst  nachträglich 
Stellen  von  Reis,  welche  an  den  Töpfen  hängen  geblieben,  gelbgrün- 
lich verfärbt  vorgefunden.  Der  Genuss  des  auf  solche  Weise  ver- 
dorbenen Reises  hat  in  den  letzten  Tagen  des  Jahres  1896  zu  einer 
Grünspanvergiftung  geführt.  Es  sind  nur  Kettengefangene  erkrankt 
und  zwar  sechs  im  Ganzen.  Einer  ist  an  profuser  Darmblutung  ge- 
storben, zwei  sind  geheilt,  zwei  befinden  sich  noch  in  ärztlicher  Be- 
handlung und  einer  hat  sich,  nachdem  seine  Strafe  verbüsst  war,  aus 
dem  Lazareth  heimlich  entfernt.  Die  Krankheitsbilder  derselben 
waren  in  Kürze  folgende: 

Der  erste  Patient,  ein  Magua-Mann,  Namens  Maphta,  circa 
24  Jahre  alt,  erschien  am  26.  December  1896  zum  ersten  Mal;  er 
gab  an,  früher  öfter  fieberkrank  gewesen  zu  sein.  An  der  Aussen- 
seite  des  linken  Knies  befindet  sich  eine  circa  10  cm  lange  und 

AxcbiT  f.  Schiffe-  u.  Tropenhygien«.  IL  1 


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2 


Dr.  Scbreber. 


fingerbreite  Narbe,  die  von  einer  Verbrennung  herrühren  soll.  Er 
klagt  über  Zittern  und  Gefühllosigkeit  in  den  Händen  und  Beinen. 
Benommenheit  des  Kopfes  und  Appetitlosigkeit;  sonst  hat  er  keine 
subjektiven  Beschwerden.  Sein  Gang  war  schwankend  und  unsicher, 
er  stolperte  stark  und  fiel  oft  hin.  Bei  geschlossenen  Augen 
schwankte  er  in  dem  Maasse,  dass  er  gehalten  werden  musste.  Der 
Patellarreflex  war  erhöht.  Das  Schmerzgefühl  in  den  Füssen  war 
ungemein  entwickelt.  — Er  erhielt  Jodkali  und  wurde  zur  genauen 
Beobachtung  in  das  Lazareth  aufgenommen.  Daselbst  befindet  er 
sich  noch  (Ende  Februar  1897)  und  zeigt  zur  Zeit  folgendes  Krank- 
heitsbild: Die  Hände  werden  in  Krallenstellung  gehalten.  Auf  Be- 
fehl, etwas  schnell  zu  erfassen,  greift  er  meist  an  dem  Gegenstand 
vorbei.  Die  Hände,  wie  auch  die  Beine  fühlen  sich  meist  nasskalt 
an.  In  beiden  ist  das  Schmerzgefühl  verringert,  der  Gang  ist  immer 
noch  unsicher,  hat  sich  aber  gegen  früher  bedeutend  gebessert  Die 
herausgestreckte  Zunge  zittert,  Speichelfluss  gering.  Innere  Organe 
soweit  nachweisbar  gesund,  desgleichen  Sinnesorgane.  Appetit  normal, 
ebenso  wie  Stuhl  und  Urin.  Patent  fühlt  sich  im  Allgemeinen  wohl. 

Am  2.  Januar  1897  erschien  der  Suaheli  Hamisi,  derselbe 
klagte  über  allgemeine  Schwäche  und  Zittern  in  den  Gliedern, 
ausserdem  aber  über  Schwachsichtigkeit.  Da  die  beiderseitige  Augen- 
untersuchung nichts  Krankhaftes  zu  erkennen  gab  und  auch  sonst 
nichts  festgestellt  werden  konnte,  wurde  er  abgewiesen.  Am 
15.  Januar  erschien  er  wieder.  Es  bestand  heftiges  Zittern  und 
Schwäche  in  den  Extremitäten,  ausserdem  hartnäckige  Verstopfung. 
Der  Speichelfluss  war  stark.  Ausserdem  aber  äusserte  Patient,  beinah 
völlig  blind  zu  sein.  Pupillenreaktion  war  gut  vorhanden.  Finger, 
in  der  Entfernung  von  20  cm  in  Verlängerung  der  Sehaxe  vorge- 
halten, vermochte  er  nicht  zu  sehen.  Finger,  die  von  seitwärts  nach 
innen  vorbeigeführt  wurden,  konnte  er  bei  fixirtem  Auge  auf  kurze 
Strecken  an  der  Temporalseite  sehen.  Das  Gesichtsfeld  war  mithin 
äusserst  beschränkt.  Patient  erhielt  Jodkali  und  es  besserten  sich  seine 
Beschwerden  auffällig  schnell.  Nachdem  er  am  1.  Februar  1897 
seine  Strafe  verbüsst  hatte,  entwich  er  aus  dem  Lazareth. 

Der  dritte  Patient  ist  der  Malaye  Abdul  bin  Hamed  Saleh. 
Derselbe  wurde  mir  am  6.  Januar  durch  einen  Polizei- Askari  zugeführt; 
da  er  nur  malayisch  sprach,  konnte  blos  durch  Zeichen  eine  Ver- 
ständigung herbeigeführt  werden.  Er  spie  mehrfach  aus,  zeigte  anf 
Kopf  und  Bauchgegend  und  sollte  an  Verstopfung  leiden.  Er  erhielt 
Calomel  3 Tabletten  ä 0,3  g.  Am  8.  Januar  erschien  Patient  mit 


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Eine  Griinspanvergiftung  beobachtet  zu  Pangani. 


3 


Fieber  39,0°  und  angeblich  Durchfall.  Da  mir  der  Gedanke  einer 
Vergiftung  durchaus  femlag,  gab  ich  in  der  Annahme,  einen 
Malariafall  vor  mir  zu  haben,  Chinin,  den  vermehrten  Stuhlgang  als 
die  Wirkung  des  Calomeis  ansehend.  Wenige  Tage  später  erschien 
er  mit  hohem  Fieber  und  starkem  Durchfall.  Die  untern  Extremi- 
täten waren  unbeweglich  und  er  vermochte  nicht  darauf  zu  stehen. 
Der  Patellarreflex  fehlte.  Die  Gesichtszüge  waren  schmerzhaft  ver- 
zerrt. Aus  dem  Munde  floss  der  Speichel.  Die  Augäpfel  bewegten 
sich  unruhig  auf  und  ab.  Er  schien  schwer  zu  hören.  In  der  Nacht 
vom  13.  zum  14.  Januar  trat  eine  profuse  Mastdarmblutung  ein, 
woran  Patient  starb. 

Am  18.  Januar  erschienen  die  Suaheli -Kettengefangenen  Ab- 
drachman  und  Kamota.  Dieselben  klagten  über  starken  Speichel- 
fluss, Widerwillen  gegen  ihre  Keisspeise,  über  Zittern  und  Schwäche 
in  den  Gliedern,  kribbelndes  Gefühl  in  den  Fingern  und  Zehen; 
eine  Lähmung  ist  bei  ihnen  nicht  beobachtet  worden.  Auch  verloren 
sich  die  Beschwerden  bei  Jodkali  in  wenigen  Tagen. 

Am  13.  Januar  erschien  der  ungefähr  45  Jahre  alte  wegen 
Mordes  zum  Tode  verurtheilte  Nguru-Mann  Ngoma.  Er  gab  an, 
häufig  fieberkrank  gewesen  zu  sein  und  leidet  an  chronischem  Tripper. 
An  der  Innenseite  des  linken  Knies  besteht  eine  grosse  Schnittnarbe, 
am  Unken  Fuss  eine  Brandnarbe.  Er  befindet  sich  schon  seit  6 Monaten 
in  Haft.  Bei  der  Aufnahme  musste  er  von  einem  Askari  getragen 
werden;  seine  Beine  waren  im  höchsten  Grade  abgemagert.  Er 
hatte  starken  Speichelfluss  und  klagte,  dass  ihm  das  Essen  den 
Mund  zusammenzöge.  Die  Sinnesorgane  waren  normal.  Der  Herz- 
spitzenton war  unrein.  Er  klagte  über  Durchfall  und  Schmerzen  im 
Unterleib.  Patient  hatte  starken  Widerwillen  gegen  Reis.  Zur  Zeit 
befindet  sich  Patient  noch  im  Lazareth,  und  hat  sich  die  Lähmung 
und  Abmagerung  der  Beine  gering  gebessert.  Die  Füsse  selbst  sind 
ödematös  geschwollen.  Es  ist  ihm  unmöglich  selbst  aufzustehen,  er 
vermag  nur  mit  Unterstützung  wenige  Schritte  zu  gehen.  Der 
Patellarreflex  fehlt  vollkommen.  Die  Beine  sollen  sehr  empfindhch 
sein.  Das  Allgemeinbefinden  ist  ein  vortreffliches.  Die  Behandlung 
besteht  in  JodkaU  und  Bädern. 

Sämmtiiche  sechs  Krankheitsbilder  haben  als  gemeinsames 
Symptom  Speichelfluss.  Ferner  mehr  oder  weniger  stark  ausgeprägtes 
Zittern  und  Lähmungserscheinungen,  die  mit  heftigem  Schmerzgefühl 
oder  auch  mit  Schmerzlosigkeit  (Anästhesien)  verbunden  waren.  Ein 
Fall  zeigte  erhebliche  Beschränkung  des  Gesichtsfeldes.  Bei  Allen 

l* 


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4 


Dr.  Schreber. 


war  mehr  oder  weniger  der  Verdauungstraktus  mit  angegriffen,  was 
sich  in  starkem  Durchfall  und  vice  versa  in  Verstopfung  zeigte.  Von 
Einigen  wurde  direkt  ein  Widerwillen  gegen  die  gelieferte  Reisspeise 
geäussert 

Das  Fehlen  eines  Bleisaumes  am  Zahnfleisch  schliesst  Bleiver- 
giftung aus.  Es  könnte  noch  angeführt  werden,  dass  obenbeschriebene 
Krankheitserscheinungen  ihren  Ursprung  in  der  schlechten  Beschaffen- 
heit des  Reises  selbst  hätten.  Dagegen  spricht,  dass  seit  Abschaffung 
der  Messingtöpfe  auf  meine  Anordnung  hin  am  11.  Januar  1897 
kein  solcher  Fall  wieder  zur  Beobachtung  gekommen  ist,  obgleich 
zur  Zeit  noch  von  derselben  Reislieferung  wie  zur  Zeit  der  Erkran- 
kung die  Speise  bereitet  wird.  Des  Ferneren  meine  Beobachtungen 
von  gelb-grünlich  verfärbten  Reisresten  in  den  Töpfen!  Ich  habe  die 
Diagnose  „Grünspanvergiftung“  gestellt. 

Für  die  Bildung  von  Grünspan  in  den  Messingtöpfen  spricht 
ausser  der  oben  erwähnten  Unsauberkeit  der  Weiber  die  schlechte 
Beschaffenheit  des  Wassers  hiesiger  öffentlicher  Brunnen.  Dasselbe 
hat  durchweg  einen  brakigen  Geschmack,  herrührend  von  der  Nähe 
des  Meeres;  es  ist  daher  die  Bildung  von  Kupfersalzen  in  Messing- 
resp.  Kupfertöpfen  ungemein  begünstigt 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 

Von  Dr.  J.  H.  F.  Kohlbrugge,  prakt  Arzt  am  Sanatorium  Tosari 

(Ost-Java). 

Vor  fünf  Jahren  wurde  zum  ersten  Mal  in  diesen  Colonien  der 
Versuch  gemacht,  ein  Sanatorium  (Tosari)  in  einer  Höhe  von  fast 
6000  Fuss  einzurichten.  Zwar  wurden  in  diesem  Jahrhundert  schon 
viele  Heilstationen  auf  Java  gebaut,  von  500  bis  4000  Fuss  über 
dem  Meeresspiegel,  aber  man  erwartete  noch  günstigere  Resultate  als 
bisher  erreicht  wurden,  wenn  man  noch  höher  hinaufstieg.  Da  auch 
in  den  deutschen  Colonien  der  Wunsch  nach  solch’  hoch  gelegenen 
Sanatorien  laut  wurde,  so  glaube  ich,  dass  einige  Mittheilungen  über 
meine  während  der  letzten  41/,  Jahre  gesammelten  Erfahrungen  den 
deutschen  Collegen  nützlich  sein  könnten,  sowohl  bei  der  Wahl  einer 
geeigneten  Gegend,  als  auch  zur  Schätzung  dessen,  was  sich  durch 
Höhenstationen  erreichen  lässt  Darum  will  ich  meine  Mittheilungen 
in  zwei  Gruppen  eintheilen:  die  erste  soll  das  enthalten,  was  ich 
über  die  Verbreitung  der  Malaria  auf  verschiedenem  Boden  und  in 
verschiedener  Höhe  erfahren  konnte,  woraus  sich  dann  von  selbst 
ergiebt,  nach  welchen  Grundsätzen  man  den  Ort  für  ein  Sanatorium 
wählen  soll,  die  zweite  soll  zeigen,  in  welcher  Weise  Malaria  hier 
(in  Tosari)  heilt  und  wie  der  Arzt  die  Heilung  fordern  kann. 

A.  Das  Höhenklima  und  die  Aetiologie  der  Malaria. 

Da  Patienten  aus  allen  Theilen  des  Archipels  in  die  unter 
meiner  Leitung  stehende  Station  kommen,  und  ich  für  meine  anthro- 
pologischen Studien  verschiedene  Inseln  besuchte,  so  hatte  ich  Ge- 
legenheit, Mittheilungen  aus  verschiedenen  Gegenden  zu  sammeln, 
von  denen  ich  einige  zur  Vergleichung  und  zum  besseren  Verständ- 
niss  hier  erwähnen  will.  Dabei  muss  ich  etwas  ausführlicher  sein, 
weil  ich  nichts  behaupten  will,  ohne  eine  Erklärung  zu  versuchen, 
denn  dadurch  hoffe  ich  unsere  Kenntnisse  von  der  Aetiologie  der 
Malaria  zu  fördern. 

Bekanntlich  ist  Malaria  in  erster  Linie  abhängig  von  der  Be- 
schaffenheit des  Bodens,  meist  hört  man  behaupten,  dass  ein  sumpfiger 
Boden  immer  Malaria  erzeugt.  Trotzdem  findet  man  in  den  Hafen- 
orten: Bandjermassin  (Z.  O.  Borneo),  Pontianak  (W.  Borneo),  Palem- 
bang  (O.  Sumatra)  sehr  wenig  Malariakranke.  Das  mir  persönlich 


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J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


bekannte  Bandjermassin  besitzt  nur  sehr  wenige  Strassen,  der  ganze 
Verkehr  beschränkt  sich  auch  für  den  Europäer  auf  das  Wasser, 
welches  unter  dem  Einfluss  der  Fluth  steht  Der  Boden  ist  überall 
von  Wasser  durchweicht,  der  Garten  des  am  meisten  besuchten  Hotels 
ist  zum  Theil  mit  Wasser  bedeckt  Wenn  man  aus  den  vielen  Kanälen 
auf  das  mit  Wäldern  bedeckte  Land  treten  will,  dann  sinkt  man  bis 
an  die  Knie  in’s  Wasser,  das  überall  salzig  ist  Aehnliche  Verhält- 
nisse findet  man  in  den  beiden  andern  genannten  Häfen.  Der  Boden 
ist  fruchtbarer  Alluvialboden,  reich  an  Pflanzen theilen ; zum  grössten 
Theil  ist  er  durch  die  Flüsse  gebildet  Während  der  Ebbe  wird  ein 
Theil  des  die  Häuser  umringenden  Bodens  von  Wasser  entblösst,  doch 
hat  er  kaum  Zeit  zum  vollständigen  Austrocknen,  da  die  Fluth  wieder 
alles  mit  Wasser  bedeckt.  In  den  trocknen  Monaten  ist  der  Wasser- 
stand nicht  erheblich  niedriger  als  in  der  Regenzeit  Wir  können 
daraus  schliessen,  dass,  wenn  der  Boden  entweder  ganz  mit  Wasser 
bedeckt  ist  oder  doch  vollständig  durchfeuchtet  (gesättigt),  die  darauf 
lebenden  Menschen  nichts  von  der  Malaria  zu  leiden  haben.  Wahr- 
scheinlich entwickeln  sich  die  Plasmodien  wohl  in  dem  feuchten 
Boden,  aber  sie  bleiben  in  diesem  verborgen  und  sind  deshalb  un- 
schädlich. Diese  Erklärung  werde  ich  durch  weitere  Beobachtungen 
zu  beweisen  suchen. 

Von  allen  derartigen  morastigen  Küsten  wurde  Sambas  (W. 
Borneo)  am  besten  untersucht  durch  A.  W.  Nieuwenhuis1).  Im 
Allgemeinen  finden  wir  dort  gleiche  Verhältnisse  wie  in  Bandjermassin. 
Die  Ufer  werden  durch  die  Fluth  mit  Wasser  bedeckt.  Der  Boden 
wird  nicht  durch  Kanäle  entwässert  und  steht  daher  während  der 
Regenzeit  unter  Wasser,  wenn  keine  natürliche  Wasserabfuhr  vor- 
handen ist  Die  ganze  Ebene  wird  dann  zum  Morast,  auch  der  nicht 
mit  Wasser  bedeckte  Boden  ist  so  weich,  dass  man  nur  von  einer 
Baumwurzel  zur  andern  schreiten  kann. 

In  dieser  Gegend  konstatirte  Nieuwenhuis,  dass  in  der  allu- 
vialen Ebene  Malaria  sehr  selten  oder  nie  vorkommt,  aber  auf  den 
Bergen  und  Hügeln,  die  sich  über  dieselbe  erheben,  sehr  häufig  auf- 
tritt,  so  dass  in  einigen  hochgelegenen  Dörfern  fast  alle  Kinder  eine 
geschwollene  Milz  zeigen.  In  diesem  Hügellande  war  nur  ein  Dorf 
weniger  durch  Malaria  heimgesucht,  dieses  lag  auf  der  Spitze  eines 


>)  De  Verspreiding  van  Malaria  in  verband,  met  de  geologische  gesteldheid 
van  do  afdeeling  Sambas-Borneo.  Geneest.  Tydschr.  v.  Ned.  Indio.  Deel  XXXIV. 
afl.  2.  1894. 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


7 


Sandsteinhügels.  An  einzelnen  scharf  begrenzten  Stellen  fand  sich 
auch  in  der  Ebene  Malaria;  diese  zeigten  immer  einen  reinen  Sand- 
boden, der  etwas  höher  lag  als  die  Umgebung  (N.  nennt  sie  „Sand- 
inseln in  einem  Meer  von  Schlamm“)-  In  anderen  nahe  hegenden 
Dörfern,  wo  kein  Sandboden  vorhanden  war,  fehlte  auch  die  Malaria, 
ln  der  Hügellandschaft  und  im  Gebirge  war  die  Malaria  jedoch  nicht 
an  das  Vorkommen  von  Sand  gebunden,  auch  auf  den  Granit-  und 
Schieferbergen  und  auf  vulkanischem  Boden  hatten  fast  alle  Kinder 
eine  grosse  Milz.  Die  alluviale  Sumpfgegend  ist  so  frei  von  Malaria, 
dass  Nieuwenhuis  während  eines  2 */8  jährigen  Aufenthalts  keine 
frische  Malariainfektion  in  der  Hauptstadt  Sambas  beobachtete.  Auch 
durch  Erdarbeiten:  das  Roden  der  Wälder,  Graben  von  Wasser  ab- 
führenden Kanälen  u.  8.  w.,  welche  Arbeiten  in  den  Tropen  fast 
immer  zu  heftigen  Malariaendemien  Anlass  geben,  wurde  der  Gesund- 
heitszustand in  der  alluvialen  Ebene  garnicht  beeinflusst  Nur  auf 
einer  Plantage  trat  Malaria  unter  den  Arbeitern  auf,  der  Boden 
unterschied  sich  dadurch  von  dem  der  anderen  Plantagen,  dass  der 
Felsboden  unter  der  Humusschicht  zu  Tage  trat.  Nieuwenhuis 
theilt  uns  auch  Genaueres  über  die  Bevölkerung  mit,  woraus  hervor- 
geht, dass  das  Fehlen  der  Malaria  an  dem  einen  und  das  heftige 
Auftreten  an  einem  andern  Orte  durch  Rasseneigenthiimlichkeiten  nicht 
erklärt  werden  kann.  Da  Nieuwenhuis  uns  nur  Thatsachen  mit- 
theilt, so  will  ich  hier  eine  Erklärung  derselben  versuchen. 

Der  alluviale  Boden  der  Ebene  ist  stets  mit  Wasser  mehr  oder 
weniger  gesättigt;  auch  in  der  trocknen  Zeit  werden  die  tieferen 
Lagen,  die  kaum  über  dem  Meeresspiegel  hegen,  gesättigt  bleiben 
und  die  oberflächlichen  können  nie  ganz  austrocknen,  da  sie  stets 
genug  Feuchtigkeit  aus  den  tieferen  Schichten  durch  Capillarität  uuf- 
saugey  können.  Ausserdem  hat  solch  ein  alluvialer,  reich  mit 
Pflanzenresten  gemischter  Boden  eine  grosse  wasserhaltende  Kraft, 
welche  vielleicht  allein  genügt,  um  den  Boden  vor  vollständigem 
Austrocknen  zu  beschützen.  Es  entwickeln  sich  in  solchem  Sumpf- 
boden wohl  Plasmodien,  aber  sie  bleiben  in  demselben  ruhen  und 
belästigen  den  Menschen  nicht.  Ganz  anders  verhält  sich  der  Sand- 
boden. Erstens  ist  er  höher  gelegen  und  es  fliesst  das  Wasser  also 
schneller  ab,  zweitens  hat  Saudboden  eine  weit  geringere  wasser- 
haltende Kraft  als  der  mit  Pflanzenresten  gemischte  Humus.  Wird 
der  Boden  durchfeuchtet,  durch  Fluth  oder  Regen,  dann  können 
sich  die  Plasmodien  in  demselben  entwickeln.  Doch  es  bleibt  der 
Boden  nicht  lange  gesättigt,  denn  das  Wasser  sinkt  wegen  der 


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geringen  wasserhaltenden  Kraft  des  Sandbodens  schnell  in  die  tieferen 
Schichten.  Die  oberen  Schichten  trocknen  also  aus,  die  Sonnen- 
strahlen wirken  dabei  mit,  da  die  Wärmeabsorption  bei  Sandboden 
doppelt  so  gross  ist  als  bei  Humus;  es  kann  der  Sand  daher  zu 
Staub  werden,  und  durch  diesen  werden  die  Plasmodien  verbreitet 
und  auch  dem  Menschen  zugefiihrt.  So  gering  die  wasserhaltende 
Kraft  des  Sandbodens  ist,  um  so  grösser  ist  sein  Aufeaugungs- 
vermögen,1)  er  wird  also  fortwährend  Wasser  aus  der  Tiefe  anziehen 
und  dadurch  den  Plasmodien  die  zu  ihrer  Entwicklung  nöthige 
Feuchtigkeit  geben,  während  die  oberflächlichen  Lagen  wegen  der 
geringen  wasserhaltenden  Kraft  und  der  starken  Wärmeabsorption 
immer  wieder  austrocknen,  wodurch  die  neuentwickelten  Plasmodien 
in  den  Staub  aufgenommen  werden.  Durch  die  wasseraufsaugende 
Kraft  und  den  feuchten  Untergrund  ist  die  Feuchtigkeit  der  unteren 
Schichten  nicht  abhängig  vom  Regen  und  es  können  die  Plasmodien 
sich  auch  in  der  trockenen  Jahreszeit  entwickeln.  Wahrscheinlich 
wird  während  der  Regenzeit  die  Malaria  weniger  heftig  auftreten,  da 
daun  die  Austrocknung  geringer  sein  wird.  Nieuwenhuis  hat  über 
die  zeitliche  Vertheilung  der  Malariafälle  keine  Angaben  gemacht. 
Ist  meine  Voraussetzung  richtig,  dann  erklärt  sich  auch  leicht, 
warum  auf  der  einen  Plantage,  wo  beim  Arbeiten  der  Felsboden  zu 
Tage  trat,  sich  Malaria  einstcllen  konnte.  Auf  dem  felsigen  Unter- 
grund musste  der  Roden  sehr  schnell  austrocknen,  nachdem  der 
Wald  gerodet  worden  war,  da  er  kein  W'asser  aus  tieferen  Schichten 
aufsaugen  konnte.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Hügellandschaft: 
da  das  Wasser  dort  schneller  ahfliesst,  die  unteren  Schichten  auch 
weniger  Wasser  halten  als  am  Ufer  des  Flusses,  so  werden  die  ober- 
flächlichen Lagen  dort  schneller  austrocknen  und  die  Staubbildung 
stärker  sein;  der  starke  Pflanzen  wuchs  giebt  dem  Boden  aber;  noch 
genug  Feuchtigkeit  zur  Entwicklung  der  Plasmodien.  Nur  in  dem 
Dorfe,  welches  auf  der  Spitze  eines  Sandsteinhügels  lag,  genügte  die 
Feuchtigkeit  nicht  zur  Entwicklung  der  Plasmodien.  Uebrigens  haben 
wir  zu  beachten,  dass  der  Staut)  nicht  so  sehr  durch  horizontale 
Luftströme  aufwärts  geführt  wird,  sondern  vielmehr  durch  den 
„Courant  ascendant“,  dadurch  kann  cs  geschehen,  dass  die  Spitze 
eines  Hügels,  welcher  sich  aus  einer  inficirten  Malariagegend  erhebt, 
ungesunder  ist  als  die  Ebene  selbst. 

')  Alle  genannten  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  habe  ich  durch 
Untersuchung  vieler  Bodenproben  zahlonmässig  bestimmt,  worauf  ich  hier  nicht 
nlther  cingohon  will.  Uebrigens  sind  sie  bereits  lango  bekannt. 


Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


9 


Noch  eine  andere  Thatsache  lässt  sich  aus  den  Beobachtungen 
Nieuwenhuis’  beweisen,  nämlich:  dass  die  Luftströme  die  Plas- 
modien nicht  weit  mit  sich  führen1),  oder  dass  diese,  und  letzteres 
ist  wahrscheinlicher,  in  der  Luft  schnell  nbsterben.  Denn  die 
malariafreien  Dörfer  lagen  zuweilen  nur  eine  Stunde  von  den 
malariainficirten  Dörfern  entfernt,  der  Abstand  genügte  also,  um 
die  Plasmodien  im  Luftstrom  unwirksam  zu  machen.  Gleiches  ist 
ja  auch  von  den  Häfen  bekannt.  Ich  kann  hinzufugen,  dass  es  auch 
für  den  berüchtigten  Hafen  Tandjong  Priok  gilt;  liegt  das  Schiff  im 
inneren  Hafen,  dann  genügt  eine  Nacht  an  Bord  des  Schiffes  zu- 
gebracht, um  mit  Malaria  inficirt  zu  werden,  liegt  das  Schiff  im 
Aussenhafen,  dann  bleibt  die  ganze  Mannschaft  gesund.  Stürben  die 
Plasmodien  nicht  schnell  im  Luftstrom,  daun  müsste  auch  auf  den 
höchsten  Bergspitzen  Javas  Malaria  herrschen,  denn  ich  habe  von 
den  Berggipfeln  aus  Beobachtungen  darüber  angestellt,  wie  hoch  die 
Staubwolken  sich  über  der  Ebene  erheben  und  gefunden,  dass  sie 
meistens  3 — 4000  Fuss  hoch  sind,  aber  in  der  trocknen  Jahreszeit 
sich  bis  zu  8 oder  10000  Fuss  erbeben  können,  in  seltenen  Fällen 
auch  darüber  hinaus.*) 

In  meiner  unmittelbaren  Umgebung  im  Tenggergebirge  (Ost- 
Java)  reichen  die  Kaffeegärten  bis  zu  4000  Fuss  aufwärts,  oberhalb 
derselben  ist  auch  der  Wald  verschwunden  und  finden  sich  nur  noch 
Mais-  und  Gemüsegärten  bis  über  6000  Fuss.  So  weit  die  Kaffee- 
pflanzungen sich  ausdehnen,  findet  man  noch  Malaria,  oberhalb  der- 
selben fehlt  sie,  das  ganze  Gebirge  ist  dabei  sehr  wasserarm,  aber 
reich  an  sandiger  Asche.  Während  der  Regenzeit  werden  die  Pflan- 
zungen durch  die  Bevölkerung  gereinigt,  es  wird  also  die  Erde  auf- 
gewühlt, trotzdem  ist  Malaria  dann  sehr  selten.  In  der  trocknen 
Jahreszeit  werden  die  Bohnen  gepflückt,  dann  erkranken  viele 
Hunderte  der  Arbeiter.  Es  ist  der  Boden  in  den  Kaffeepflanzungen, 
die  durch  grosse,  schattige  Bäume  beschützt  werden,  also  feucht 
genug,  um  die  Plasmodien  zur  Entwickelung  zu  bringen.  Da  der 
Boden  in  der  Regenzeit  aber  nicht  trocken  wird,  so  bleiben  sie  im 
Boden  liegen  und  während  der  trocknen  Jahreszeit  werden  sie  mit 
dem  Staub  umhergewirbelt.  Oberhalb  der  Kaffeegärten,  in  den  Ge- 
müsepflanzungen, die  keine  Schattenbäume  haben,  fehlt  die  Malaria 

i 

')  Davidson.  Hygiene  and  diseases  of  wann  elimates.  1893.  S.  141. 

*)  Wenn  die  Staubtheilo  nicht  durch  den  courant  ascendant  aufwärts  stiegen, 
dann  wäre  es  unerklärlich,  wie  jene  bis  zu  12000  Fass  aufwärts  steigen  könnten. 


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gänzlich,  es  ist  der  Boden  dort  zu  trocken  wegen  des  starken  Sand- 
gehalts und  der  Wasserarm uth  des  Gebirges  bei  einem  vollständigen 
Mangel  an  feuchtem  Untergrund,  auch  durch  die  austrocknende 
Wirkung  der  starken  Insolation  im  Hochgebirge.  Es  wiederholen 
sich  hier  also  die  aus  der  Sahara  bekannten  Erscheinungen.  Dort 
fehlt  die  Malaria  in  der  Wüste,  aber  sie  herrscht  furchtbar  in  den 
Oasen. 

Die  Plasmodien  haben  jedoch  den  Sandboden  zu  ihrer  Entwick- 
lung nicht  nöthig,  sie  entwickeln  sich  dort  nicht  besser  als  in  frucht- 
barer Erde,  aber  der  Sandboden  wird,  weil  Feuchtigkeit  und  Trocken- 
heit schneller  wechseln,  den  Plasmodien  mehr  Gelegenheit  geben, 
sich  mit  dem  Staub  zu  mischen.  Es  müssen  also  eine  Anzahl  Fak- 
toren Zusammenwirken,  um  einen  geeigneten  Boden  für  die  Malaria 
zu  schaffen.  So  wird  es  auch  begreiflich,  dass  während  der  Regen- 
zeit in  einer  Gegend  die  Malariaerkrankungen  zunehmen,  in  einer 
andern  abnehmen,  wie  allgemein  bekannt  ist  (vergl.  Davidson  l.  c. 
S.  139).  In  den  niedrigen  Theilen  der  alluvialen  Ebene  wird 
durch  den  Regen  der  Boden  mit  Wasser  bedeckt  und  könnten  die 
Keime  dann  den  Boden  nicht  verlassen,  in  anderem,  sonst  trocknem 
Boden  wird  durch  den  Regen  erst  die  nöthige  Feuchtigkeit  geschaffen, 
welche  zur  Entwicklung  der  Plasmodien  nöthig  ist;  an  trocknen  Tagen 
können  diese  dann  verstäuben,  oder  die  Verbreitung  findet  erst  am 
Ende  der  Regenzeit  statt.  So  beobachtete  ich  in  diesem  Gebirge 
während  des  Regenmussons  1896 — 97  Folgendes:  Der  Regenmusson 
fiel  zur  rechten  Zeit  ein,  die  Malaria  verschwand  aus  den  Kaffee- 
pfianzungen,  nach  einem  Monat  hörte  der  Regen  plötzlich  wieder 
auf,  und  es  folgte  nun  die  heftigste  Malariaendemie,  welche  ich  je 
beobachtet  habe,  mit  sehr  vielen  Todesfällen.  Da  dürfte  man  erwarten, 
dass  die  Malaria  am  Ende  der  Regenzeit  immer  am  heftigsten  auf- 
treten  müsse.  Trotzdem  beobachtete  ich  dann  nie  die  erwartete  Zu- 
nahme, sondern  erst  einen  oder  zwei  Monate  später.  Dies  lässt  sich 
dadurch  erklären,  dass  erstens  der  Boden  nicht  so  schnell  seine 
Feuchtigkeit  verliert,  zweitens  erst  zwei  Monate  nach  der  Regenzeit 
mit  dem  Pflücken  der  Bohnen  begonnen  wird.  Und  wenn  die  oben 
erwähnte  Malariaendemie  sofort  nach  dem  Regen  zum  Ausbruch  ge- 
langte, so  darf  uns  dies  nicht  erstaunen,  denn  der  Boden  war  (nach 
nur  einem  Monat  Regen)  nicht  genügend  durchnässt  und  konnte  also 
schneller  als  nach  normalem,  fünf  Monate  dauerndem  Regenmusson 
austrocknen;  mit  dem  zurückkehrenden  Regen  verschwand  auch  die 
Krankheit  wieder.  Damit  stimmen  die  Erfahrungen  nach  starken 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


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Ueberströmungen  auf  Java  genau  überein.  Wenn  nach  heftigem 
Hegen  im  Gebirge  eine  Wasserfluth  entsteht  (bandjir),  dann  folgt  auf 
die  Fluth  fast  immer  Malaria,  wenn  der  Boden  wieder  trocken  ge- 
worden ist. 

So  erkläre  ich  mir  auch,  warum  in  den  Tropen  auf  Umwühlung 
der  Erde  fast  immer  Malaria  folgt.  Der  Boden  wird  von  seiner 
schützenden  Pflanzenhülle  beraubt,  die  gelockerte  Erde  trocknet  schnell, 
und  die  darin  ruhenden  Plasmodien  können  nun  durch  die  Luft- 
strömungen mitgefiihrt  werden.  Die  Ursache  darf  man  nicht  im  Zu- 
tagetreten tieferer  Schichten  suchen,  denn  dann  würde  die  Malaria 
nicht  nach  einiger  Zeit  wieder  verschwinden,  auch  wenn  die  Aus- 
grabungen sich  nicht  wieder  mit  Pflanzenwuchs  bedecken.  Denn  die 
vielen  Fischteiche  an  der  Küste  Javas,  welche  vor  langer  Zeit  ge- 
graben wurden,  und  deren  Boden  zeitweise  mit  Wasser  bedeckt, 
zeitweise  trocken  ist,  verursachen  keine  Fieber  mehr,  auch  nicht 
wenn  man  alles  Wasser  zeitweise  abfliessen  lässt;  denn  der  Boden 
dieser  Teiche  liegt  nicht  über  dem  Wassemiveau  und  so  bleibt  der 
Boden  feucht. 

Zur  Entwicklung  der  Malaria  müssen  nach  obigen  Auseinander- 
setzungen die  folgenden  Faktoren  vorhanden  sein:  I.  Wärme  und 
Erde  (Laveran).  II.  Feuchter  Boden,  dessen  oberflächliche  Schichten 
austrocknen  können.  Dies  muss  man  bei  dem  Bau  von  Wohnungen 
und  Krankenhäusern  beachten.  Zwar  wurde  in  der  Praxis  bereits 
vielfach  nach  diesen  Grundsätzen  gehandelt,  ich  habe  auch  nichts 
Neues  mittheilen  wollen,  nur  fehlte  in  den  mir  zugänglichen  Arbeiten 
das  Streben,  das  Auftreten  der  Malaria  in  den  verschiedenen  Gegenden 
nach  einheitlichen  Gesichtspunkten  zu  erklären,  man  begnügte  sich 
meist  mit  der  Aufzählung  vieler  Beobachtungen,  die  einander  zum  Theil 
zu  widersprechen  schienen.1)  Die  Erklärung,  welche  ich  hier  ge- 
geben habe,  hätte  ich  auch  aus  den  älteren  Beobachtungen  ableiten 

')  Das  Beste  was  ich  in  dieser  Beziehung  gelesen  habe,  findet  sich  bei 
Davidson  (1.  c.)  S.  130 — 142  und  S.  204—205;  Laveran:  Traitö  des  fievros 
palustres.  1884.  Weiter  erschienen  unlängst  (Januar  1897)  von  diesen  Autoren 
neue  Arbeiten  in:  , planus,  Archives  internationales  pour  l’histoire  de  la  medecine 
et  pour  la  geographie  medicale“;  Laveran:  Göographio  medicale  du  paludisme; 
Davidson:  Pathologie  o i the  mascarene  islands. 

In  Bezug  auf  Mauritius,  wo  die  Malaria  sich  zuerst  im  Jahre  1857  zeigte, 
glaube  ich,  dass  die  Plasmodien  dort  stets  vorhanden  waren,  aber  in  dem  gut 
durchfeuchteten  Boden  schlummerten,  und  dass  sie  erst  nach  der  Entwaldung, 
als  Feuchtigkeit  und  Trockenheit  schnell  wechseln  konnten  (Davidson  S.  366), 
ihren  verderblichen  Einfluss  auf  den  Menschen  zeigten. 


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J.  H.  F.  Kohlbrogge. 


können,  doch  habe  ich  absichtlich  nur  die  Verhältnisse  in  diesen 
Colonien  beobachtet,  um,  soweit  möglich,  nur  neue  Beobachtung  mit- 
theilen zu  können.  Denn  diese  behalten  ihren  Werth,  auch  wenn 
man  meine  Erklärung  verwirft.  Darum  will  ich  hier  noch  zwei  Be- 
obachtungen mittheilen,  welche  zwar  kaum  Werth  haben  für  die 
Bestimmung  der  günstigsten  Lage  für  ein  Sanatorium,  aber  die  zum 
besseren  Verständnis  der  Aetiologie  werthvoll  sind. 

An  der  Südküste  Javas  (Djember)  steht  am  sandigen  Meeres- 
strande ein  Haus,  welches,  wenn  der  Süd-Ost-Passat  heftig  stürmt, 
einen  Ruf  geniesst  als  Heilstätte  für  Malaria.  Legt  sich  der  Wind 
und  treten  die  gewöhnlichen  See-  und  Landströmungen  an  dessen 
Stelle,  dann  erkranken  die  Bewohner  an  schwerem  Malariafieber. 
Da  gleichzeitig  der  Regen  anfängt,  so  kann  die  Ursache  nicht  in 
plötzlicher  Austrocknung  des  Bodens  liegen,  die  ja  auch  während 
des  stürmischen  Passats  am  stärksten  eintreten  musste,  sondern  wir 
müssen  annehmen,  dass  die  Plasmodien  durch  die  schnelle  Bewegung 
im  Sturm  ihre  Kraft  verlieren.  Weitere  Beobachtungen  wären  sehr 
erwünscht. 

Die  zweite  Beobachtung  soll  zeigen,  wie  beschränkt  ein  Malaria- 
heerd  sein  kann,  zwar  steht  sie  ganz  vereinzelt  da,  aber  sie  ist  so 
merkwürdig,  dass  sie  genannt  zu  werden  verdient,  damit  sie  zu 
weiteren  Beobachtungen  anrege.  Eine  Familie  wohnte  während 
mehrerer  Jahre  in  einem  grossen  Hause  (in  der  Nähe  von  Soera- 
bnya),  in  dessen  Umgebung  Malaria  sehr  selten  ist.  Jahre  lang  blieben 
alle  Mitglieder  der  Familie  sehr  gesund,  ja  sie  zeichneten  sich  durch 
blühende  Gesundheit  vor  den  meisten  Nachbarn  aus.  Sie  hatten  die 
steinerne  Flur  ihres  Hauses  mit  schweren  Rottanmatten  belegt, 
welche  Jahre  lang  nicht  entfernt  wurden,  endlich  entschlossen  sie 
sich,  da  unter  den  Matten  sich  eine  dicke  Lage  Schmutz  angesammelt 
hatte,  diese  zeitweise  zu  entfernen,  um  gründlich  reinigen  zu  können. 
Ein  alter  javanischer  Beamter  rieth  ihnen  ab,  er  behauptete,  es  sei 
gefährlich  Matten  weg  zu  nehmen,  welche  schon  so  lange  gelegen 
hätten.  Man  störte  sich  nicht  daran  und  bald  nachher  erkrankten 
fast  alle  Mitglieder  der  Familie  an  Malaria  und  zwar  einer  schweren, 
remittirenden  Form.  Nachdem  sie  im  Gebirge  geheilt  waren,  kehrte 
das  Fieber  nicht  wieder  zurück.  Ich  glaube,  wir  müssen  das  Fieber 
durch  das  Eintrocknen  und  Verstäuben  des  Schmutzes  erklären,  der 
zwischen  den  dichten  Matten  und  den  feuchten  Steinen  feucht  ein- 
geschlossen gewesen  war,  zumal  das  Wassersprengen  in  den  Wolin- 
räumen  hier  üblich  ist;  so  konnten  sich  also  auch  in  diesem  Schmutz 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


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oder  Staub  Plasmodien  entwickeln.  Wir  wollen  jetzt  noch  die  Ver- 
hältnisse in  den  Bergen  näher  betrachten,  da  man  immer  mehr  zu 
der  Ueberzeugung  gelangt,  dass  Sanatorien  nur  im  Gebirge  gebaut 
werden  sollen.  Wir  haben  dann  zunächst  darauf  zu  achten,  dass  in 
Vorder-Indien  die  schwersten  Malariaformen  am  Kusse  der  Berge 
gefunden  werden,  leider  fehlen  genauere  Beschreibungen  der  Boden- 
verhältnisse (Davidson  1.  c.  S.  80).  Als  allgemein  gültiges  Gesetz 
gilt  dies  gewiss  nicht  für  Java,  alles  hängt  von  den  localen  Verhält- 
nissen ab.  Im  Allgemeinen  kann  man  behaupten,  dass  bereits  Er- 
hebungen von  1000 — 2000  Kuss  relativ  frei  von  Malaria  sind.  Käst 
alle  Kieberkranke  aus  dem  Gebirge,  die  ich  behandelte,  wurden  in 
den  Kaffeepflanzungen  inficirt,  deren  Einfluss  ich  bereits  oben  ange- 
deutet habe.  Aus  den  Gebirgen  von  Ost- Java,  welche  mit  solchen 
Pflanzungen  bedeckt  sind,  stammen  die  schwersten  Malariaformen. 
Es  ist  also  das  Gebirge  nicht  an  und  für  sich  immun,  sondern  alles 
hängt  von  der  Bodensorte  und  Bodenbekleidung  ab1).  Es  scheint, 
dass  die  Bewohner  der  Abhänge  von  isolirten  Hügeln  (wie  die  von 
Sambas)  weit  mehr  von  Malaria  zu  leiden  haben,  als  die  der  Ab- 
hänge der  grossen  Gebirgsmassen  Javas  in  gleicher  Höhe.  So  findet 
man  viele  Malariakranke  unter  den  Bewohnern  der  niedrigen  Gebirge 
längs  der  Süd-  und  Nordküste,  weit  weniger  am  Kuss  der  grossen 
Vulkane.  Es  fehlen  leider  genaue  Vergleichungen,  vielleicht  ist  die 
vulkanische  Natur  der  grossen  Berge  nicht  ohne  Einfluss,  oder  auch 
der  Thal  wind,  der  den  isolirten  Hügeln  fehlt.  So  viel  steht  fest, 
dass  Malaria  auch  im  Hochgebirge  beobachtet  wurde;  so  wüthet  sie 
heftig  auf  dem  Plateau  von  Karman  in  Persien  in  einer  Höhe  von 
7500  Kuss  (Davidson  1.  c.  S.  130  u.  132),  wo  der  Boden  überall 
feucht  ist.  Es  ist  auch  zu  erwarten,  dass  dort,  wo  man  im  Hoch- 
gebirge feuchten  Boden  findet,  dieser  sehr  günstig  für  die  Verbreitung 

l)  Oefter  las  ich  die  Behauptung:  „In  Mexico  ist  Malaria  unbekannt,  weil 
die  Stadt  so  hoch  liegt“,  das  ist  aber  gar  keine  Erklärung.  Auf  Bergen  eben  so 
hoch  wie  Mexico  wurde  öfter  Malaria  konstatirt,  es  müssen  also  andero  Gründe 
vorhanden  sein,  warum  sie  sich  in  Mexico  nicht  entwickeln  kann.  Nicht  die 
Höhe  an  und  für  sich  vertreibt  die  Plasmodien,  sondern  dieso  sind  nur  darum 
in  den  Bergen  seltener,  weil  dort  öfter  als  in  der  Ebeno  die  Bedingungen  für 
ihre  Entwicklung  fehlen.  Laveran  behauptet,  das  Thal  du  Runnel  sei  mit 
Malaria  inficirt,  Constantine  hingegen  fast  ganz  frei  von  dieser  Krankheit,  weil 
die  Stadt  180  Meter  höher  liege  als  jenes  Thal.  In  Sambas  hingegen  beobachtete 
Nieuwenhuis,  dass  die  Ebene  frei  ist  von  Malaria,  während  sie  auf  den  Hügeln 
zahllose  Opfer  fordert.  Das  sind  also  directe  Widersprüche,  die,  wie  ich  glaube, 
nur  in  der  von  mir  angedeuteten  Weise  gelöst  werden  können. 


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J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


der  Malaria  sein  wird,  denn  die  Austrocknung  geschieht  im  Hoch- 
gebirge schneller;  daher  wechselt  die  Feuchtigkeit  der  oberen  Schichten 
sehr  schnell  mit  grosser  Trockenheit.  Aus  diesem  Grunde  sollte  man 
nie  die  Hochplateaus  wählen  und  habe  ich,  als  ich  im  Aufträge  der 
hiesigen  Regierung  unlängst  die  Hochfläche  des  Janggebirges  cliroa- 
tologisch  untersuchen  musste  (Höhe  7 — 8000  Fuss),  der  Gründung 
eines  Sanatoriums  dort  abgeraten.  Man  sollte  gut  auf  obengenanntes 
Beispiel  aus  Persien  und  andere  aus  Vorder-Indien  achten.  Zwar 
scheinen  die  horizontalen  Flächen  im  Hochgebirge  so  viel  geeigneter 
für  die  freie  Bewegung  der  Kranken  und  werden  daher  unerfahrene 
Collegen  immer  diese  zuerst  wählen.  Aber  wir  müssen  die  Vortheile 
der  horizontalen  Flächen  drangeben  und  unsere  Sanatorien  in  den 
Tropen  auf  steilen  Abhängen  bauen,  je  abschüssiger  das  Terrain  ist, 
desto  gesünder  ist  es  auch1).  Wir  dürfen  uns  nicht  nach  europäischen 
Vorbildern  richten.  Wenn  das  berühmte  Ober-Engadin  auf  Java 
läge,  dann  würde  es  eine  mittlere  Temperatur  von  17 — 18°  C.  be- 
sitzen, und  ich  bin  überzeugt,  dass  dort  die  Malaria  allmächtig 
herrschen  würde,  ganz  wie  auf  Karman  in  Persien.  Nur  auf  ab- 
schüssigem, wasserarmem  Terrain  kann  in  den  Tropen  so  trockner 
Boden  gefunden  werden,  dass  die  Plasmodien  sich  unmöglich  in  dem- 
selben entwickeln  können.  Ist  der  Pflanzenwuchs  aber  der  Art,  dass 
er  die  Sonnenstrahlen  nicht  durchdringen  lässt,  ohne  jedoch  den 
ganzen  Boden  zu  bekleiden,  dann  bleibt  dieser  feucht  und  gleich- 
zeitig geeignet  für  die  Entwicklung  der  Plasmodien.  Man  muss  also 
ein  Terrain  wählen,  welches  seit  langer  Zeit  entwaldet  wurde.  Von 
allen  Bodenarten  ist  Sandboden  am  trockensten,  und  daher  werden 
die  Aschenkegel  der  hohen  Vulkane  sicher  ganz  malariafrei  sein. 
Es  ist  aber  nicht  nothwendig,  auf  diese  trockne  Asche  zu  bauen, 
unterhalb  derselben  liegt  meist  eine  Zone,  wo  Asche  sich  mit  Humus 
mischt,  der  Boden  aber  noch  so  porös  ist,  dass  die  Bildung  einer 
Pfütze  unmöglich  wird.  In  solcher  Gegend  liegt  das  Sanatorium 
Tosari  und  hier  wurden  demnach  auch  Resultate  erzielt,  wie  bisher 
weder  auf  Java,  noch  auf  dem  Himalaja  erreicht  worden  sind. 


>)  Vergleiche:  Däubler,  Ueber  den  gegenwärtigen  Stand  der  mediciniscten 
Tropenforechung.  Deutsche  medicin.  'Wochenschrift  1896.  Nr.  8 und  9:  Jst 
der  Boden  malariafrei,  oder  zu  drainiren,  so  lässt  sich  in  einem  solchen  Gebiete, 
das  immerhin  1400  Meter  hoch  gelegen  sein  müsste,  gegen  den  Versuch  einer 
Colonisation  nichts  einwenden,  aber  die  Beschaffenheit  des  Bodens,  namentlich 
ob  das  Terrain  abschüssig  genug  ist,  um  der  Bodenfeuchtigkeit  und  dem  Grund- 
■wasser  steten  Abfluss  zu  verschaffen,  muss  sorgfältig  berücksichtigt  werden.“ 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


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Diese  Mittheilungen  sollen  sich  zwar  auf  die  Malaria  beschränken, 
doch  will  ich  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  auf  Java  wie  in  Vorder- 
indien die  „hill-diarhoe“  und  Dysenterie  auf  allen  Bergen  gefunden 
wird,  oft  viel  heftiger  als  in  der  Ebene.  Für  sie  gilt,  ähnlich  wie 
für  Malaria,  dass  die  Krankheit  sich  auf  ganz  trocknem  Boden  nicht 
entwickeln  kann,  hat  man  also  einen  Ort  zu  seiner  Verfügung,  welcher 
den  oben  genannten  Anforderungen  genügt,  dann  hat  man  damit 
gleichzeitig  ein  Sanatorium  für  Dysenterie  gefunden.  In  diesen  Colo- 
nien  wird  man  Bauchkranke  nie  in’s  Gebirge  schicken,  bisher  machte 
man  nur  fiir  Tosari  eine  Ausnahme.  Dies  wird  uns  wohl  dahin 
führen,  dass  immer  mehr  Sanatorien  in  ähnlicher  Lage  werden  ge- 
gründet werden,  und  dann  können  wir  erwarten,  dass  die  meisten 
Kranken,  welche  bisher  in  Europa  Heilung  suchen  mussten,  in  den 
Colonien  selbst  genesen  werden.  Ich  habe  hier  nur  allgemein  gültige 
Regeln  aufstellen  wollen,  und  es  ist  nicht  meine  Absicht,  dieses  Ge- 
birge und  seine  Bevölkerung  näher  zu  beschreiben,  wer  sich  dafür 
interessirt,  kann  genaueres  in  der  Zeitschrift  „Janus“1)  finden,  wo 
ich  die  Resultate  einer  4 jährigen  Praxis  unter  einer  Bevölkerung 
von  mehr  als  6000  Seelen  niedergelegt  habe.  Dort  wird  man  finden, 
dass  es  hier  fast  nur  zwei  Todesarten  giebt:  die  der  Säuglinge  durch 
Vernachlässigung  und  die  der  alten  Leute  durch  Altersschwäche*). 
Wenn  der  Tod  in  den  ersten  Lebenswochen  nicht  gewaltig  aufräumte, 
dann  müsste  die  Bevölkerung,  die  ausserdem  sehr  fruchtbar  ist,  sich 
unglaublich  schnell  vermehren. 


B.  Das  Höhenklima  und  die  Heilung  der  Malaria. 

Wie  ich  bereits  im  ersten  Theil  meiner  Arbeit  erwähnt  habe, 
strömen  hier  die  Kr  anken  aus  allen  Inseln  des  Archipels  zusammen. 
Trotzdem  ist  die  jährliche  Zahl  der  Patienten  nicht  sehr  gross8). 
Dies  erklärt  sich  einfach  dadurch,  dass  das  Reisen  in  diesen  Colonien 
kostspielig  ist,  dass  weiter  sehr  viele  Höhenstationen  mit  oder  ohne 
ärztliche  I Leitung  sich  auf  den  Inseln  Java  und  Sumatra  finden  und 
ein  jeder  also  soweit  möglich  die  nächstliegende  wählt.  Nur  wenn 

*)  Archives  internationales  pour  l’histoire  de  la  medecine  et  la  geographie 
medical  e.  Amsterdam  1897. 

*)  Erinnert  uns  dies  nicht  wieder  an  die  Sahara,  von  der  das  arabische 
Sprüchwort  sagt:  „Wer  nicht  durch  das  Schwert  stirbt,  der  lebt  ewig.“ 

*)  Diese  Mittheilungen  beziehen  sich  nur  auf  die  im  Sanatorium  verpflegten 
Europäer.  Die  javanischen  Patienten  der  Umgegend  bleiben  ausser  Betracht 


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J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


alle  Arzneien  oder  eine  erste  Reise  in  die  niederen  Gebirgszonen 
erfolglos  blieben,  entschliessen  sich  die  Kranken,  nach  Tosari  hinauf- 
zusteigen.  Ebenso  werden  nur  diejenigen  Officiere  und  Beamte  nach 
Tosari  geschickt,  welche  an  den  hartnäckigsten  chronischen  Malaria- 
fieberu  leiden.  Ich  behandle  also  im  Sanatorium  fast  nie  frische 
Infectionen,  auch  selten  intermittirende  Fieber,  da  diese  ja  meist 
durch  Chinin  heilen;  die  meisten  Kranken  leiden  an  remittirenden 
Fiebern.  Auch  die  Malariafieber  mit  langen  Intervallen,  die  sich 
alle  6 — 9 oder  12 — 18 — 30  Tage1)  wiederholen,  kommen  hier 
häufig  vor.  Fast  alle  Kranke  kommen  mit  einem  verdorbenen  Magen 
hier  an,  daran  ist  nicht  allein  die  Malaria  schuld,  sondern  vielmehr 
der  fortwährende  Gebrauch  von  Chinin-  und  Arsenikpräparaten.  Dabei 
möge  man  bedenken,  dass  viele  Collegen  hier  unglaubliche  Mengen 
Chinin  verschreiben,  2 — 3 g Sulphas  oder  Hydrocliloras  Chinini  sind 
die  gewöhnlichen  Tagesdosen,  doch  sah  ich  auch  5 — 6 g de  die  vor- 
schreiben *)  und  von  dem  beliebten  Liquor  Fowleri  steigen  viele  bis 
30  Tropfen  de  die.  So  ist  es  kein  Wunder,  dass  ich  meist  Magen- 
kranke behandeln  muss,  und  dies  führte  mich  dahin,  alle  Antipyretica 
zu  verlassen,  das  Fieber  dem  Klima  zu  überlassen  und  selbst  nur 
den  kranken  Magen  zu  beeinflussen.  Diese  expectative  Therapie  liess 
sich  auch  dadurch  rechtfertigen,  dass  Chinin  auf  remittirende  Fieber 
fast  gar  keinen  Einfluss  hat  und  die  neueren  Antipyretica  genügen 
gar  nicht  der  Indicatio  causalis;  ich  gebe  letztere  denn  auch  nur, 
wenn  das  Fieber  bis  40°  C.  gestiegen  ist,  und  auch  dann  ziehe  ich 
ihnen  meist  den  Alcohol  und  die  Bäder  vor.  Obgleich  ich  den  Alcohol 
(oder  Aether)  als  ein  kräftiges  Heilmittel  schätzen  lernte,  besonders 
für  die  Malayen,  deren  Körper  nicht  daran  gewöhnt  ist,  so  kam  doch 
oft  der  Wunsch  in  mir  auf,  ein  Mittel  zu  finden,  welches  der  Indi- 
catio causalis  genügt,  aber  nicht  wie  das  Cliinin  den  Magen  schädigt. 
Ich  habe  viele  Mittel  versucht,  die  in  Europa  empfohlen  werden,  aber 
ohne  Erfolg,  ich  wandte  mich  mm  an  den  botanischen  Garten  in 
Buitenzorg  und  erbat  mir  diejenigen  Pflanzen,  welche  von  den  Malayen 
gegen  Fieber  benutzt  werden;  mehrere  habe  ich  erprobt,  über  andere 
sind  die  Untersuchungen  noch  nicht  abgeschlossen,  doch  kann  ich 
mittheilen,  dass  bisher  sich  nur  eine  bewährt  hat,  und  zwar  Ficus 

>)  Diese  Perioden  sind  meist  ganz  unregelmässig. 

»)  Ausserdem  sind  die  Chininpräparate  hier  Hausmittel,  die  jede  Hausmutter 
ihren  Kindern  giebt,  wenn  sie  as  nöthig  findet.  Wenn  hier  also  auch  M&Iam- 
fieber  mit  langen  Intervallen  Vorkommen,  dann  ist  gewiss  nicht  ungenügende 
Chinintherapie  daran  schuld,  wie  Mannaberg  glaubt. 


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Malaria  and  Höhenklima  in  den  Tropen. 


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Ribes-Reinw  *).  Ich  benutze  nur  die  Rinde  dieses  Baumes,  die  Javanen 
nennen  die  Drogue  Gambir  vetan;  ich  verschreibe  meist  20 — 30  g 
de  die  in  einem  decoct*).  Bei  meinen  magenkranken  Patienten  wirkt 
von  allen  Mitteln  Cortex  condurango  am  besten  und  von  den  Nahrungs- 
mitteln werden  meist  Mehlspeisen  und  Hülsenfrüchte  am  besten  ver- 
tragen, auf  die  Bereitung  dieser  und  anderer  Speisen  für  solche 
Patienten  will  ich  nicht  näher  eingehen.  Ich  gebe  hier  nur  eine 
summarische  Uebersicht,  denn  nicht  meine  Therapie  will  ich  den 
Collegen  empfehlen,  sondern  nur  zeigen,  wie  ich  im  Allgemeinen 
handle,  damit  man  beurtheilen  kann,  welche  Hülfsmittel  hier  neben 
dem  Klima  angewendet  werden.  Ich  betrachte  Obiges  als  Nebensache, 
Hauptsache  ist  die  richtige  Verwerthuug  des  Klimas,  wie  ich  sie 
durch  persönliche  Erfahrung  und  Versuche  kennen  gelernt  habe. 

Drei  Regeln  werden  jedem  Patienten  bei  Ankunft  vorgeschrieben : 
„Ruhe,  Nicht-Baden,  Vermeiden  der  Abend-  oder  Nachtluft.“  Diese 
Vorschriften  will  ich  jetzt  näher  erklären. 

Als  ich  im  Anfang  meiner  Praxis  die  Patienten  ihrem  eigenen 
Willen  überliess,  spazirten  die  meisten  Kranken  viel  umher,  und  die 
Reconvalescenten  machten  sobald  als  möglich  Ausflüge  ins  Gebirge.  Ich 
fuge  hinzu,  dass  dieses  Gebirge  zu  den  schönsten  und  herrlichsten 
gehört,  die  die  Erde  trägt.  Es  ist  also  begreiflich,  dass  die  Kranken, 
schon  aus  Langeweile,  sobald  als  möglich  Ausflüge  machen  wollen. 
Doch  ist  es  eine  Schattenseite  des  Terrains,  dass  das  Sanatorium  auf 
einer  kleinen  Terasse  hegt,  welche  fast  ganz  durch  die  Gebäude  be- 
deckt wird,  man  kann  also  nicht  spaziren  gehen,  ohne  auf  und  ab 
zu  steigen.  In  unerklärlicher  Weise  sah  ich  nun  die  Fieber  während 
der  ersten  Monate  meiner  Praxis  bei  den  Reconvalescenten  immer 
wieder  zurückkehren,  bei  den  Kranken  sich  verschlimmern,  bis  ich 
erkannte,  dass  die  körperliche  Bewegung  daran  schuld  sei.  Ich  stellte 
nun  bestimmte  Versuche  an  und  es  ergab  sich:  1.  dass  körperliche 
Anstrengung  auch  dann  schadet,  wenn  die  Leute  keine  Ermüdung 
fühlten;  2.  dass  ruhiges  Hin-  und  Hergehen  auf  der  Terasse  nicht 
schadet,  auch  wenn  es  lange  dauert;  3.  dass  auch  ein  Spaziergang 
in  der  Umgegend  nicht  schadet,  wenn  man  ununterbrochen  den  Berg 
abwärts  steigt  und  sich  dann  zurücktragen  lässt;  4.  dass  das  Bergauf- 
wärtssteigen immer  neue  Fieber  hervorruft,  auch  bei  Personen,  welche 

>)  Beinward,  Deutscher  von  Geburt,  Weiland  Direktor  des  botanischen  Gartens 
zu  Leyden.  Anm.  d.  Bed. 

*)  Boorsma:  Eerste  Resultaten  van  het  onderzoek  naar  de  Plantenstoffen 
van  Nederlandsch  Indio.  Mededeelingen  uits’  Lands  Plantentuin.  Batavia  1894. 

Archiv  f.  Schifft*  u Tropenhygiene.  II.  2 


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J.  H.  F.  Kohlbrugge, 


an  das  Bergsteigen  gewöhnt  sind.  Allerdings  verhielten  die  ver- 
schiedenen Personen  sich  etwas  verschieden,  bei  dem  einen  kehrte  das 
Fieber  nur  dann  zurück,  wenn  er  einige  hundert  Fuss  aufwärts  ge- 
stiegen war,  bei  dem  andern  schon  nach  dem  Ersteigen  einer  20  stufigen 
Treppe.  Wie  sollen  wir  uns  dies  erklären?  Die  Malariaplasmodien 
waren  zwar  aus  dem  Blute  verschwunden,  als  das  Fieber  aufhörte, 
aber  sie  waren  noch  im  Körper  vorhanden,  sonst  hätten  sie  nicht 
plötzlich  wieder  im  Blut  erscheinen  können  in  einer  malariafreien 
Gegend. 

Warum  verschwinden  aber  die  Plasmodien  so  plötzlich  aus  dem 
Blute,  so  dass  die  meisten  Patienten , die  wochenlang  krank  gewesen 
waren,  bereits  am  ersten  Tage  nach  der  Ankunft  fieberfrei  sind?  Ich 
kann  hier  nur  eine  Yermuthung  aussprechen,  eine  gut  bewiesene 
Erklärung  wird  wohl  noch  lange  auf  sich  warten  lassen.  Vielleicht 
wird  das  Blut  der  Neuangekommenen  im  Hochgebirge  nicht  genügend 
mit  Sauerstoff  gesättigt  wegen  der  Sauerstoffarmuth  der  Hochgebirgs- 
luft,  dabei  hat  der  Neuling  noch  nicht  gelernt,  durch  häufigere  und 
tiefere  Inspirationen  diesen  Sauerstoffmangel  zu  compensiren,  er  lernt 
ilies  erst  unbewrusst  während  der  Acclirnatisation.  Dieser  relative 
Sauerstoffmangel  verursacht  vielleicht  ungenügende  Ernährung  der 
Plasmodien,  so  dass  diese  (wie  durch  Chinin)  betäubt’)  oder  getötet 
werden,  und  als  Corpera  aliena  durch  die  Leucocyten  (Macrophagen) 
der  Milz  und  des  Knochenmarks  aufgenommen  werden  *).  So  werden 
sie  der  Circulation  entzogen.  Nach  der  Acclirnatisation,  die  bereits 
nach  wenigen  Tagen  Btattfindet,  werden  die  Lebensbedingungen  für 
die  Plasmodien  wieder  günstiger,  aber  sie  können  nicht  freiwillig 
ihre  Schlupfwinkel  verlassen,  ein  erhöhter  Blutdruck,  eine  schnellere 
Circulation  ist  nöthig,  um  sie  wieder  in  den  Kreislauf  zu  bringen. 
Durch  das  Bergaufwärtssteigen  wird  die  Circulation  sehr  angeregt, 
der  Herzschlag  wird  frequenter  und  tiefer,  auch  die  Schweisssecretion 
nimmt  stark  zu  durch  den  erhöhten  Blutdruck  und  die  starke  In- 
solation im  Hochgebirge.  Auch  die  Wasserverdampfung  ist  im 
Hochgebirge  beschleunigt,  die  Haut  wird  trocken  und  rissig.  Ent- 

•)  Vergl.  Mannaberg:  Die  Malaria-Parasiten.  Wien  1893.  S.  179:  ,Jü 
ist  daher  gerechtfertigt,  wenn  Binz  der  Vermuthung  Ausdruck  giebt,  dass  die 
Infusorien  an  Erstickung  zu  Grunde  gehen,  indem  das  Chinin  das  Protoplasma 
der  Fähigkeit  beraubt,  Sauerstoff  aufzunehmen. 

’)  Vergl.  die  Arbeiten  Metschnikoff's  und  Bignami’s  (Mannaberg 
I.  c.  S.  166).  Sie  fanden  die  Parasiten  in  den  Macrophagen  der  Milz  und  des 
Knochenmarks. 


Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


19 


Zündungen  folgen.  So  strömt  das  Blut  der  Peripherie  zu;  auch  die 
Muskelthätigkeit  steigert  den  Blutdruck.  So  ist  es  also  wohl  erklär- 
lich, dass  die  Plasmodien  aus  der  Milz  und  dem  Knochenmark  wieder 
hervorbrechen  und  in  den  Kreislauf  gelangen ').  I)a  aber  die  Para- 
siten meist  an  und  für  sich  nicht  genügen,  um  Fieber  hervorzurufen, 
sondern  dazu  die  Entwicklung  einer  neuen  Generation  nöthig  ist,  so 
recidivirt  die  Malaria  auch  nicht  sofort,  sondern  (wie  bei  der  Inter- 
mittens  tertiana)  erst  ± 24  Stunden  nach  der  ersten  Bergparthie. 

Auch  kommt  es  häufig  vor,  dass  scheinbar  gesunde  Touristen 
nach  Tosari  kommen  und  24  Stunden  nach  der  ersten  Bergparthie 
an  echter  Intermittens  erkranken,  diese  waren  entweder  im  In- 
cubationsstadium  der  Malaria,  oder  sie  litten  an  einer  Infection, 
welche  noch  keine  Fieber  erzeugt  hatte,  ihnen  daher  unbekannt  war. 
Dies  wirft  ein  neues  Licht  auf  die  chronischen  fieberfrei  verlaufenden 
Malariacachexien.  Auch  ist  das  Zurückkehren  der  Malariafieber  bei 
lleconvalescenten  nach  dem  Bergsteigen  so  constant,  dass  ich  es  als 
ein  wichtiges  diagnostisches  Hülfsmittel  benutze. 

Bei  Patienten,  welche  an  allgemeiner  Schwäche,  an  Neuralgien 
und  anderen  Reizerscheinungen  leiden,  ist  man  in  den  Tropen  ge- 
neigt, alles  der  Malaria  in  die  Schuhe  zu  schieben;  kommen  solche 
Patienten  nach  Tosari  und  ist  die  Diagnose  zweifelhaft,  dann  lasse 
ich  sie  die  Berge  besteigen  und  mit  kaltem  Wasser  übergiessen , folgt 
dann  am  nächsten  Tage  kein  Fieber,  dann  litten  sie  nicht  an  Malaria, 
sondern  an  anderen  Krankheiten.  Vielleicht  wird  man  dies  als  ein  zu 
gewalttätiges  Diagnosticiren  betrachten,  aber  ich  kann  diese  Auflas- 
sung dadurch  bestreiten,  dass  1 . ein  heftiges  Fieber  weniger  schwächt, 
als  die  chronischen  Malariacachexien  (welche  ich  besonders  wegen  ihres 
Einflusses  auf  die  Nieren  fürchte),  und  dass  2.  ersteres  leichter  zu 
heilen  ist.  Dabei  verfüge  ich  über  ein  therapeutisches  Agens,  welches 
mich  fast  nie  im  Stich  lässt,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden. 

Mit  einigen  Worten  will  ich  noch  erklären,  warum  ich  glaube, 
dass  die  Plasmodien  aus  dem  Blutstrom  in  Milz  und  Knochenmark 
aufgenommen  werden.  Durch  Probepunctionen  der  Milz  hat  inan 
nachgewiesen,  dass  Plasmodien  in  dem  Milzblut  vorhanden  sein 
können,  wenn  sie  sich  im  Blut  der  Fingerbeere  nicht  nachweisen 
lassen,  ausserdem  kennen  wir  die  Milzschwellung  und  Milzschmerzen, 
die  oft  so  lange  anhalten,  und  die  pathologisch-anatomischen  Ver- 

')  Aus  der  Arbeit  Hannaberg's  (8.  166)  ersehe  ich,  dass  Bignami  vor 
mir  die  Kecidive  in  ähnlicher  Weise  erklärt  hat,  aber  aus  ganz  andern  (pathologisch- 
histologischen)  Gründen. 

2* 


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J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


änderungen  der  Milz  und  des  Knochenmarks  bei  durch  Malaria  ge- 
storbenen Patienten. 

Neue  Thatsachen  kanu  ich  hinzufügen.  Bei  acht  Patienten  be- 
obachtete ich,  nachdem  das  Fieber  gewichen  war,  Schmerzen 
in  den  Beinen.  Bei  einigen  waren  diese  so  stark,  dass  sie  nicht 
schlafen  konnten.  Es  waren  keine  lancinirenden  Schmerzen,  sondern 
ein  fortdauernder  nagender  Schmerz.  Niemals  war  an  den  Beinen 
etwas  zu  sehen,  weder  Haut  noch  Muskeln  waren  schmerzhaft  bei 
Druck.  Die  Schmerzen  nahmen  nicht  zu  bei  Bewegung,  elektrisch 
waren  keine  Abweichungen  von  dem  Verhalten  normaler  Muskeln  zu 
constatiren,  zuweilen  waren  die  Reflexe  erhöht  Die  Schmerzen 
Hessen  sich  durch  keine  äusseren  Mittel  beeinflussen,  auch  nicht  durch 
Massage,  doch  schwanden  sie  fast  immer  nach  einigen  Tagen  oder 
einigen  Wochen.  Nur  zwei  Utten  dabei  an  Muskelschwäche,  sie 
sanken  in  die  Knie,  wenn  sie  sich  aufrichten  wollten,  aber  das  wareu 
Ausnahmen;  die  Schwäche  schien  von  den  Schmerzen  ganz  unab- 
hängig zu  sein.  Meist  waren  diese  in  der  Tibia  lokalisirt,  seltner 
im  Femur,  einmal  in  den  oberen  Theilen  der  Tibia  und  der  Patella, 
einmal  unbestimmt  in  den  Knien  und  dabei  in  den  Condylen  des 
Humerus  und  im  oberen  Theil  der  Ulna.  Ich  glaube  diese  Schmerzen 
mit  denen  in  der  Milz  vergleichen  zu  können,  die  man  so  häufig  bei 
Malaria  findet  und  dann  lassen  sie  sich  nur  durch  Schwellung  des 
Knochenmarks  erklären,  das  Periost  kann  daran  nicht  betheihgt  sein, 
denn  die  Knochen  schmerzen  nicht  bei  Druck').  Darum  glaube  ich, 
dass  die  Plasmodien,  wenn  sie  dem  Blutstrom  entzogen  sind,  noch 
das  Knochenmark  und  die  Milz  reizen,  dass  sie  von  dort  bei  günstiger 
Gelegenheit  wieder  ausschwärmen  können,  oder  wenn  diese  sich  nicht 
bietet,  langsam  absterben*).  So  hat  der  Wirth  es  durch  Ruhe  u.  s.  w. 


')  Nach  Abschluss  dieser  Arbeit  ersehe  ich  aus  den  MittheUungen  Manna- 
berg's  (1.  c.),  dass  die  Schmerzhaftigkeit  der  Extremitäten  ein  weit  verbreitetes 
Symptom  der  Malariainfection  ist  Hier  ist  as  selten  und  hörte  ich  nie  davon 
reden,  vielleicht  werden  sie  von  den  meisten  Collegen  unrichtig  gedeutet  und  der 
hier  so  weit  verbreiteten  Beri-beri  zugeschrieben.  Im  Gegensatz  zu  Mannaberg 
muss  ich  betonen,  dass  die  Schmerzen  durch  Beklopfen  der  Knochen  nicht  ge- 
steigert werden. 

»)  Obige  Mittheilungen  wurden  zum  Theil  bereits  in  Holländischer  Sprache 
publicirt:  Malaria  en  hare  genezing  te  Tosari.  Geneeskundig  Tijdschrift  Toor 
Nederl.  Indie.  1895.  Unlängst  erstattete  Laveran  der  Academie  de  medecine 
(Seance  16  fevr.  1897)  Bericht  über  neue  Malariaforschungen,  dem  ich  Folgendes 
entnehme:  U me  parait  donc  averö  que  les  hematozoaires  ont  une  tendance  tres 
marquee  k Be  cantonner  dans  la  rate  et  i y sejourner.  Qu’un  traumatisme  ou 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


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in  seiner  Macht,  die  Parasiten  absterben  zu  lassen,  doch  muss  ich 
hinzufügen,  dass  ich  auch  wiederholt  Itecidive  sah,  ohne  dass  ich 
eine  Ursache  dafür  auffinden  konnte.  Neben  dem  Bergaufwärtssteigen 
scheint  auch  Massage  des  Bauches  und  der  Milz  (wie  wohl  begreif- 
lich ist,  wenn  man  meine  Erklärung  annimmt)  die  Plasmodien  wieder 
in  den  Blutstrom  zu  bringen,  ich  habe  dies  jedoch  nur  zwei  Mal  be- 
obachten können ').  Ganz  besonders  aber  erregen  kalte  Uebcr- 
giessutigen  wieder  neue  Fieberanfälle,  aus  dem  Grunde  verbiete  ich 
das  Baden.  Das  Wasser  ist  hier  ziemlich  kalt,  16°  C.,  und  man 
badet  auf  Java  fast  nur  mit  Uebergiessungen.  Wer  die  Wirkung  dieser 
Proceduren  auf  die  Cirkulation  kennt,  der  wird  begreifen,  dass  sie 
fast  gerade  so  wie  das  Bergsteigen  wirken  müssen.  Das  Waschen 
mit  kaltem  Wasser  von  Gesicht,  Brust  und  Händen  in  den  Zimmern 
scheint  aber  auch  den  an  die  tropische  Wärme  gewöhnten  Patienten, 
nicht  zu  schaden.  Ueber  die  Benutzung  von  warmen  Bädern,  über 
Kleidung  etc.,  will  ich  hier  schweigen,  sie  haben  mit  der  Krankheit 
direct  nichts  zu  schaffen. 

Als  drittes  Verbot  nannte  ich  für  Reconvalescenten  das  Ver- 
weilen in  der  Abendluft.  Ich  muss  allerdings  gestehen,  dass  ich 
mich  noch  nie  mit  Sicherheit  davon  überzeugen  konnte,  dass  das 
Nichtbefolgen  dieser  Vorschrift  Einfluss  auf  die  Krankheit  selbst 
ausübte.  Das  Spazierengehen  bei  Mondenschein  verbiete  ich  denn 
auch  nie,  nur  das  Sitzen  in  freier  Luft  nach  Sonnenuntergang  ver- 
biete ich  (Abend- Temperatur  1-J — 16°  C.).  Ich  thue  dies,  weil  jedes 
Bergklima  erfahrungsgemäss  Rheumatismus  und  Erkältungen  erzeugt, 
darum  fürchte  ich  für  die  meisten  schwachen,  blutarmen  Patienten 
die  Abkühlung  während  der  Abendstunden. 

Oben  habe  ich  bereits  erwähnt,  dass  ich  ein  mächtiges  Hülfs- 
mittel  besitze,  um  Fieber,  die  liier  recidivirten,  wieder  zum  Verschwinden 
zu  bringen.  Ich  beobachtete  während  der  ersten  Jahre  meiner 

une  cause  irritative  quelconque  vienne  ä öbranler  cet  Organe,  ceux-ci  seront  mis  ä 
Iiberte  et  provoqueront  1 apparition  de  nouveaux  acces  malariques.  II  rcsulte  de 
ces  considerations  que  la  rate  sert  plutöt  de  lieu  d’asile  ä l'hematozoaire  que 
d’organe  de  protection  contre  ses  mefaits.  (Semaine  medicale  1897,  pag.  58). 

■)  Wie  mir  scheint,  hat  man  in  Europa  ähnliche  Beobachtungen  gemacht, 
ich  schliesse  dies  nach  dom  Titel  einer  mir  leider  unbekannten  Arbeit  von 
P.  Pennato.  Sulla  ricomparsa  dell  accesso  febbrile  in  seguito  al  massagio  della 
milza  malarica.  Riformn  med.  14.  Juli  1896.  Auch  hat  man  hier  in  Indien  er- 
fahren,  dass  sofort  nach  Bauchoperationen  und  Geburten  ein  typischer  Malaria- 
anfall  auftroten  kann.  Vergl.  Maasland:  Een  geval  van  Sarcoma  ovarii;  Geneesk. 
Tijdschrift  voor  Ned.  Indie,  Deel.  XXXVII.  Aflev.  1 en  2,  1897. 


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J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


Praxis,  dass,  wenn  bei  Reconvalescenten  das  Fieber  recidivirte,  dies 
aussergewöhnlich  viel  hartnäckiger  geworden  war  und  zuweilen  ge- 
lang es  gar  nicht,  das  Fieber  zu  heilen  (auch  Chinin  war  wirkungs- 
los) und  musste  ich  die  Patienten  nach  Europa  schicken.  Es  machte 
den  Eindruck,  als  ob  die  Plasmodien  sich  an  das  Klima  von 
Tosari  gewöhnt  hätten  und  nun  hier  eben  so  hartnäckig  sich  fort- 
pflanzten,  als  in  der  Ebene.  Ich  dachte  nun  daran,  dass  nicht  mir 
eine  Reise  in ’s  Hochgebirge,  sondern  jeder  Ortswechsel,  auch  von 
einer  Malariagegend  in  die  andere,  oder  von  den  einen  Zimmer  eines 
Hauses  in  ein  anderes1),  heilen  kann* *),  wie  die  tägliche  Erfahrung 
auf  Java  lehrt;  auch  kennen  wir  den  mächtigen  Einfluss  einer  See- 
reise und  konnte  ich  mich  öfter  überzeugen,  dass  Patienten,  die  hier 
nach  ein  bis  drei  Monaten  nicht  heilten,  schon  durch  eine  kurze 
Seereise  vollständig  genasen;  gleichen  Einfluss,  wenn  auch  weit  ge- 
ringer, beobachtete  ich  bei  Reisen  in  der  Eisenbahn.  Was  sind  nun 
diese  Reisen  anders  als  fortdauernde  Klimawechsel.  Doch  nicht  alle 
Veränderungen  sind  gleich  kräftige  Heilfactoren , denn  viele  meiner 
Patienten  hatten  schon  mehrere  Veränderungen  ohne  Erfolg  versucht, 
als  sie  sich  zur  Reise  nach  Tosari  entschlossen.  Auch  bei  diesen 
sank  das  Fieber  um  so  schneller  oder  je  mehr,  je  höher  sie  den 
Berg  hinaufgetragen  wurden  und  war  bei  Ankunft  in  Tosari  sehr 
oft  bleibend  verschwunden.  Daraus  können  wir  schliessen,  dass,  je 
grösser  der  Unterschied  zwischen  zwei  Orten  ist  oder  je  öfter  der 
Klimawechsel  wiederholt  wird  (längere  Seereise),  desto  schneller  das 
Fieber  verschwinden  wird.  Theoretisch  würde  es  sich  also  empfehlen, 
nur  dort,  wo  man  weder  über  Berge  noch  über  das  Meer  verfugen 
kann,  ein  Sanatorium  in  einem  Luftballon  einzurichten,  so  grotesk 
solch  ein  Vorschlag  auch  scheinen  mag.  Erklären  kann  ich  diese 


■)  Die  warmen  Innenräume  der  Häuser  wirken  besonders  während  der 
kühleren  Nächte  wie  Schornsteine  und  hängt  dann  bei  der  Aspiration  der  Luft 
viel  von  der  Bauart  und  der  direkten  Umgebung  ab.  So  erkläre  ich  mir  die 
Unterschiede  zwischen  zwei  Zimmern  oder  zwei  naheliegenden  Häusern  (Vergi. 
Davidson  1.  o.  S.  204—205). 

*)  Die  Ursache  der  Spontanheilung  bei  Spitalbehandlung  dürfte  nach 
Mannaberg  (8.  164)  in  allererater  Linie  der  Bettruhe,  der  verbesserten  Nahrung 
und  der  allgemeinen  körperlichen  Erholung  zuzuschreiben  sein.  Das  gilt  für  die 
Patienten  in  Indien,  die  ja  doch  alle  wohlhabende  Leute  sind,  die  ihren  Körper 
pflegen  können,  gewiss  nicht.  Ich  glaube,  dass  für  diese  und  auch  für  die 
Patienten  Mannaberg's  der  Wechsel  des  Wohnortes  (oder Hauses)  am  meisten 
zur  Heilung  beiträgt  Wenn  Mannaberg  jede  Heilung  ohne  Chinin  eine  Spontan- 
heilung nonnt,  dann  heilen  fast  alle  meine  Patienten  spontan. 


Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen. 


23 


Erscheinungen  nicht,  wir  müssen  aimehmen,  dass  auch  die  geringsten 
Unterschiede  der  eingeathmeten  Luft  Einfluss  auf  die  Plasmodien 
ausüben,  oder  dass  jeder  menschliche  Körper  seine  Individualität  den 
Plasmodien  gegenüber  behauptet,  und  dass  dieser  Körper  nur  dann 
auf  eine  Plasmodieninvasion  mit  Fiebererscheinungen  antwortet,  wenn 
gewisse  äussere  Bedingungen  erfüllt  sind,  die  aber  für  jedes  Indivi- 
duum anderer  Art  sein  können.  So  kannte  ich  einen  Patienten,  der 
krank  nach  Holland  zurückkehrte  und  dort  zeitweise  wieder  Fieber- 
anfälle bekam,  blieb  er  in  der  Provinz  Friesland  (Sneek),  dann 
fühlte  er  sich  wohl,  ging  er  nach  Gelderland  (Nymwegen),  dann  kehrten 
die  Fieber  zurück,  beide  Gegenden  sind  durchaus  nicht  als  Malaria^ 
quellen  bekannt  Wie  sollen  wir  uns  sonst  die  wunderbaren  Kranken- 
geschichten erklären,  in  denen  mitgetheilt  wird,  dass  ein  Patient 
Monate  oder  Jahre  lang  in  von  Malaria  durchseuchter  Gegend  (z.  B.  im 
berüchtigten  Tjilatjap)  lebte  und  dort  nie  fieberte,  und  dass  er- 
schwer erkrankte,  als  er  in  eine  gesunde  Gegend  umgezogen  war 
(z.  B.  nach  Djokjakarta);  oder  wo  die  Leute  gesund  nach  Europa 
abreisten  und  die  Fieber  sich  mit  regelmässigen  Intervallen  erst  in 
Europa  zeigten;  oder  wo  ein  Rekonvalescent,  der  wochenlang  fieber- 
frei gewesen  war,  es  auch  während  der  Seereise  blieb,  plötzlich  auf 
dem  Gipfel  des  Rigi  vom  Fieber  überfallen  wurde,  den  er  doch  ohne 
Anstrengung  mit  Hülfe  der  Bahn  erreicht  hatte. 

Solche  Beobachtungen  erregten  in  mir  den  Gedanken,  mit 
meinen  Patienten  öfter  wiederholten  Klimawechsel  zu  versuchen,  nicht 
nur  um  des  Wechsels  willen,  sondern  auch  um  für  jeden  Patienten 
das  für  ihn  zur  Heilung  am  meisten  geeignete  Klima  zu  bestimmen. 
Dazu  verfügte  ich  über  eine  Station,  welche  2000  Fuss  über  dem 
Meeresspiegel  liegt,  also  fast  4000  Fuss  niedriger  als  Tosari,  und 
die  man  in  2 — 3 Stunden  erreichen  kann.  Ich  liess  also  meine 
Patienten,  deren  Fieber  hier  recidivirte  und  dann  lange  anhielt  nach 
der  unteren  Station  tragen  und  entweder  dort  bleiben  oder  nach 
zwei  Tagen  zurückkehren,  oder  ich  verschrieb  denen,  die  regelmässig, 
um  die  8 oder  14  Tage  fieberten,  eine  Reise  dorthin,  einen  oder 
zwei  Tage  vor  dem  zu  erwartenden  Fieber  (wie  man  in  solchen 
Fällen  ja  auch  häufig  im  Voraus  Chinin  giebt).  Der  Erfolg  war 
ein  geradezu  überraschender.  Fast  alle  Patienten,  die  ich  fieber- 
krank nach  Poespo  (der  unteren  Station)  schickte,  beobachteten  mit 
dem  Thermometer  beständiges  Sinken  der  Körpertemperatur  und  die 
meisten  wurden  noch  am  Reisetage,  andere  den  nächsten  Tag  fieber- 
frei, einige  verloren  das  Fieber  erst,  wenn  sie  den  dritten  Tag  nach 


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24 


J.  II.  F.  Kohlbrugge. 


Tosari  zurückgekehrt  waren.  Wenn  man  nicht  nur  auf  das  Fieber, 
sondern  auf  die  anderen  Symptome  im  Reconvalescenzstadium  achtete, 
dann  heilten  manche  überhaupt  in  Poespo  besser  als  in  Tosari. 
Lurch  diese  Methode  hat  der  Procentsatz  der  Heilung  sich  erhöht 
und  besonders  heilen  die  Patienten  jetzt  schneller  als  früher,  ich 
furchte  jetzt  das  Recidiv  nicht  mehr.  Es  geht  daraus  wieder  hervor, 
dass  nicht  die  Hochgebirgsluft  an  und  für  sich,  etwas  durch  ihren 
Sauerstoffmangel,  heilt,  sondern  nur  die  starke  Luftveränderung  diesen 
Einfluss  ausübt,  es  sei,  dass  man  den  Berg  hinauf-  oder  ihn  hinab- 
steigt. In  dem  einen  Falle  kann  man  von  vorübergehendem  Sauer- 
stoffmangel reden,  in  dem  anderen  von  schädlichem  (für  die  Para- 
siten) Sauerstoffüberfluss  in  dem  bereits  an  die  verdünnte  Luft 
gewöhnten  Körper  des  Wirths. 

Aus  diesen  Beobachtungen  lernt  man  den  Nutzen  der  Ueber- 
gangsstationen  kennen,  nicht  etwa  in  dem  gebräuchlichen  Sinne, 
dass  man  jeden  Patienten  erst  an  einer  Zwischenstation  verweilen 
lässt,  um  sich  nach  und  nach  an  das  Bergklima  zu  gewöhnen1), 
sondern  nur  um  über  die  Mittel  zum  fortwährenden  Klimawechsel 
zu  verfügen.  Ich  bezweifle  denn  auch  nicht,  dass,  wenn  man  über 
eine  Gebirgsbahn  verfügen  kann,  man  noch  bessere  Resultate  erzielen 
wird,  wenn  man  die  Kranken  oft  auf-  und  abreisen  lässt.  Ich  muss 
die  Kranken  durch  Menschen  oder  Pferde  tragen  lassen,  aber  kann 
hinzufügen,  dass  ich  über  ein  Transportmittel  verfüge,  womit  auch 
die  schwächsten  Kranken  ohne  Gefahr  transportirt  werden  können, 
doch  will  ich  auf  alle  diese  Details  nicht  näher  eingehen. 

Zum  Schluss  sei  noch  erwähnt  wie  viel  Zeit  die  Kranken  zur 
Heilung  nöthig  haben.  Leider  habe  ich  keine  genauen  Statistiken 
angelegt1),  und  kann  ich  daher  keine  Zahlen  mittheilen.  Viele  kommen 


*)  Wenn  man  die  Uebergangsstationen  in  dieser  gebräuchlichen  Weise  be- 
nutzt, dann  wirken  sic  eher  schädlich  als  heilend.  Schon  Ludwig  hatte  dies  er- 
kannt: Das  Oberengadin  in  seinem  Einfluss  auf  Gesundheit  und  Leben.  Stutt- 
gart 1877.  S.  133:  Ich  habe  Grund  zu  glauben,  dass  man  mit  derZeit  für  einige 
Krankheiten  (besonders  Malariakachexie  und  gewisse  Nonenanomalien)  einen 
raschen  Klimawechsel  für  vortheilhaft  und  eine  Zwischenstation  für  irrationell 
erklären  wird.11 

>)  Ich  notiere  meist  nur  die  interessanten  und  abnormalen  Fälle;  doch  auch 
wenn  ich  alle  in  die  Berechnung  aufnehmen  würde,  die  mich  als  Arzt  consultirten, 
dann  müssten  meine  Zahlen  doch  keinen  richtigen  Eindruck  geben,  da  viele 
Kranke  es  nicht  nöthig  finden,  sich  Rath  zu  holen.  Sie  überlassen  sich,  und  darin 
haben  sie  ganz  recht,  dem  Klima;  auch  sind  meine  Ansichten  über  die  Lebens- 
weise jedem  bekannt,  da  sie  bereits  1895  veröffentlicht  wurden. 


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Malaria  und  Höhenklima  in  den  Tropen.  25 

entweder  fieberfrei  in  Tosari  an,  genesen  also  schon  während  der 
Reise,  oder  sie  haben  bei  Ankunft  nur  wenig  erhöhte  Temperatur, 
die  im  Laufe  des  ersten  Tages  zu  normaler  Höhe  oder  unter  diese 
herabsinkt.  Reddiv  folgt  dann  meist  nur  durch  eigene  Schuld:  das 
Nichtbeachten  der  oben  genannten  Regeln.  Bei  anderen  (den 
meisten)  verschwindet  das  Fieber  während  der  Akklimatisatiosperiode  ') 
innerhalb  der  ersten  fiinf  oder  acht  Tage.  Natürlich  sind  dann  die 
Folge-  oder  Begleiterscheinungen  noch  lange  nicht  verschwunden,  die 
Milz,  die  Leber  etc.  können  noch  längere  Zeit  geschwollen  und 
schmerzhaft  sein,  die  Blutarmuth,  die  fast  mit  jeder  Malariainfection 
verbunden  ist , verschwindet  auch  erst  langsam  ’).  Als  Regel  kann 
man  annehmen,  dass  diese  Nachwehen  der  Malaria  innerhalb  der 
folgenden  vier  Wochen  verschwinden  und  daim  lasse  ich  meine 
Patienten  meist  vier  Wochen  nach  dem  letzten  Fiebertage  nach 
Hause  zurückkehren,  ein  Recidiv  nach  vier  Wochen  gehört  zu  den 
grössten  Seltenheiten,  ich  sah  nur  drei  Fälle  unter  mehreren  hundert 
Patienten.  Sehr  selten  sah  ich  Fieberkranke,  bei  denen  das  Fieber 
länger  als  8 Tage  anhielt.  Meistens  zeigte  dann  die  Untersuchung 
des  Blutes  keine  Plasmodien  und  es  stellte  sich  also  heraus,  dass  die 
Diagnose  unrichtig  gewesen  war,  oder  wenn  die  Plasmodien  wohl  im 
Blute  vorhanden  waren,  dann  erklärten  sich  die  hartnäckigen  Fieber 
durch  aussergewöhnlich  grosse  Milz-  oder  Leberechwellungen.  Sehr 
vereinzelt  sind  die  Fälle,  wo  keine  Veränderung  am  Körper  zu  con- 
statiren  war  und  die  Fieber  doch  länger  anhielten,  diese  heile  ich 
jetzt  aber  fast  alle  durch  wiederholten  Wechsel  des  Wohnortes  wie 
oben  angegeben  wurde. 

Die  Zahl  der  nicht  geheilten  Patienten,  die  von  hier  nach 
Europa  zogen,  betrug  ungefähr  3 0/0  der  Gesamintzahl  (±  500),  von 
diesen  fieberten  nur  noch  l °/0 , die  anderen  litten  an  den  Nachwehen 
der  Malaria.  Auch  von  diesen  würden  sicher  noch  einige  geheilt 

')  Ueber  die  Akklimatisirung  gobe  ich  hier  auch  hinweg,  sie  gehört  nicht 
in  den  Rahmen  dieser  Arbeit.  Ueber  diese  und  über  die  für  eine  Behandlung 
im  Höhencurort  indicirten  Krankheiton  findet  man  Näheres  in  meiner  Arbeit:  In- 
dicaties  en  Contraindicaties  voor  opzend'ng  van  Lyders  naar  Tosari:  Geneeskundig 
Tijd-schrift  voor  Ned.  Indie,  1).  XXXV.  all.  2 en  8 1895. 

*)  Ueber  die  Veränderungen  des  Blutes  im  tropischen  Hocbgobirge  und 
über  den  Einfluss  der  Malaria  auf  das  Blut  handelt  meine  Arboit:  Action  du  climat 
des  tropiques  et  du  climat  d’altitude  sur  le  sang  de  l’hommo.  Geneesk.  Tijdsch. 
voor  Ned.  lud.  Deel.  XXXV.  afl.  5 eu  6,  1895.  Genaueres  findet  sich  in  der  be- 
kannten Arbeit  von  Mannaberg  (1-  c. ),  dort  ist  auch  die  Litteratur  zusammen- 
gestellt. 


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26 


J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


sein,  wenn  sie  länger  hier  geblieben  wären;  es  würde  mich  zu  weit 
führen,  wenn  ich  genau  auseinandersetzen  wollte,  warum  solche 
Kranken,  wenn  sie  innerhalb  2 — 3 Monaten  nicht  heilen,  Heber  nach 
Europa  gehen.  Reddiv  kam  bei  den  geheilten  Fällen  natürlich  öfter 
vor,  doch  fast  nur  bei  solchen,  welche  zu  früh  abgereist  waren ; unter 
denen,  die  erst  einen  Monat  nach  dem  letzten  Fiebertage  abreisten, 
trat  nur  bei  zwei  Recidiv  ein.  Tod  durch  Malaria  habe  ich  nie- 
mals gesehen. 

Bekanntlich  werden  Fiebernde  meist  schnell  mager,  ich  konnte 
bestimmen,  dass  ein  heftiger  Fieberanfall  öfter  mit  einem  Verlust  von 
1 — 2 Kilo  Körpergewicht  verbunden  war.  Hingegen  wenn  das 
Fieber  wieder  verschwunden  ist,  nimmt  das  Körpergewicht  in  der 
Woche  meist  mit  1 — 2 Kilo  zu,  oft  auch  schneller,  durchschnittlich 
3 — 5 Kilo  im  Monat.  Ebenso  schnell  erhält  auch  das  Blut  seine 
normale  Beschaffenheit  wieder.  Wenn  das  Körpergewicht  und  die 
Beschaffenheit  des  Blutes  sich  nicht  bessern,  dann  ist  Recidiv  zu  er- 
warten. Bevor  beide  nicht  ungefähr  zur  Norm  zurückgekehrt  sind,  bevor 
Milz  und  Leber  nicht  normal  sind,  lasse  ich  die  Patienten  denn  auch 
nicht  abreisen. 

Ein  sehr  wichtiges  Mittel,  um  die  Prognose  zu  stellen,  ist  das 
Thermometer,  ich  lege  denn  auch  viel  Werth  auf  regelmässige  Mes- 
sungen1). Diese  lehrten  mir  Folgendes:  Febris  intermittens  heilt 
schneller  als  Remittens  oder  Continua.  Schlägt  Remittens  um  in 
Intermittens,  so  wird  dadurch  die  Prognose  günstiger,  auch  wenn  die 
Temperatur  dabei  steigt  Bleibt  das  Fieber  unveränderiich,  denselben 
Charakter  zeigend,  er  sei  intermittirend  oder  remittirend,  dann  wird 
mehr  Zeit  zur  Heilung  nöthig  sein.  Schwanken  die  Temperaturen 
stark  (Ungleichheit  der  einander  folgenden  Tage)  dann  ist  bald  Heilung 
zu  erwarten,  am  schnellsten  heilt  der  anteponirende  Intermittens. 

Es  sind  diese  Regeln  natürlich  keine  bestehenden  Gesetze  und 
Ausnahmen  kommen  vor,  aber  ich  habe  sie  als  ein  wichtiges,  prog- 
nostisches Hülfsmittel  kennen  gelernt  Ein  Gesetz,  dass  fast  gar 
keine  Ausnahme  kennt,  ist  dieses:  , Nachdem  das  Fieber  ver- 
schwunden ist,  sinkt  die  Temperatur  unter  37°  hinab  und  bleibt 
mehrere  Tage  zwischen  36°  und  37°.  Häufig  auch  kommen  Tem- 
peraturen unter  36°  vor;  bis  35,5°  kann  das  Thermometer  sinken, 
dabei  wird  im  Munde  gemessen.  Langsam  steigt  die  Temperatur 
wieder  aufwärts  und  ist  meist  in  6 — 8 Tagen  wieder  normal.  So  lange 


')  Alle  Bestimmungen  geschahen  mit  Jenaer  Normalglas-Thermometem. 


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Malaria  and  Höhenklima  in  den  Tropen. 


27 


die  Temperaturemiedrigung  dauert,  muss  der  Reconvalescent  sehr 
vorsichtig  sein,  sonst  folgt  ein  Recidiv,  und  dann  wird  meist  ein  neuer 
Klimawechsel  nöthig. 

Ich  übergehe  die  zahlreichen  Beobachtungen  von  abnormalen 
Typen  und  seltenen  Begleiterscheinungen  (wie  Ascites,  Pleuritis,  Er- 
blindung, Geistesstörung,  Impotenz  etc.),  denn  sie  gehören  nicht 
direct  zur  Beantwortung  der  Frage,  wie  das  Höhenklima  Malaria  heilt 
und  wie  der  Kranke  sich  in  diesem  Klima  verhalten  muss  und  schliesse 
mit  dem  Wunsch,  dass  diese  Mittheilungen  aus  der  Praxis  auch  an 
anderen  Orten  nutzbringend  werden  mögen. 


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Die  Filaria  Kilimarae  in  Britisch -Ostafrika 

von  Dr.  med.  George  Kolb,  Wiesbaden. 

Es  ist  zu  erwarten,  dass  mit  der  genaueren  Erforschung  der 
Tropen  noch  eine  Reihe  neuer  Krankheiten  gefunden  werden  wird. 
Manches,  was  heute  als  Malaria  angesprochen  wird,  hat  bei  ge- 
nauerer Untersuchung  nichts  damit  zu  thun.  Eine  solche  Erkrankung, 
deren  Existenz  meines  Wissens  bisher  nicht  beschrieben  worden  ist, 
nachzuweisen,  ist  der  Zweck  dieser  Zeilen. 

Wer  in  Ostafrika  reist,  wird  zu  verschiedenen  Jahreszeiten, 
am  häufigsten  kurz  nach  den  Regenzeiten,  auf  einen  weissen,  faden- 
förmigen Wurm  von  0,5 — 1,0  mm  Dicke  und  10 — 20  cm  Länge 
aufmerksam,  welcher  sich  bei  allen  möglichen  Gelegenheiten  dem 
Auge  des  Forschers  darbietet  Obwohl  es  nach  den  mitgebrachten 
Exemplaren  noch  nicht  möglich  war,  das  Thier,  eine  Filaria,  genau 
zu  bestimmen  — bei  den  Filarien  auch  für  den  Specialzoologen 
keine  leichte  Sache  — so  glaube  ich  doch  mit  der  Veröffentlichung 
des  Materials  nicht  länger  zögern  zu  dürfen,  denn  meiner  Ansicht 
nach  ist  die  Sache  ein  Gegenstand  höchster  Wichtigkeit  für  den 
Europäer  in  den  Tropen.  Ich  werde  erst  in  zeitlicher  Reihenfolge 
erzählen,  wie  ich  zur  Beobachtung  dieses  Wurms  kam  und  werde 
dann  zum  Schluss  die  Folgerungen  ziehen,  zu  welchen  ich  berechtigt 
zu  sein  glaube. 

1.  Auf  meinem  ersten  Zuge  von  der  ostafrikanischen  Küste 
nach  Westen  entdeckte  ich  in  dem  Stuhlgang  eines  meiner  schwarzen 
Begleiter  eine  Zahl  fadenförmiger  Würmer,  sehr  ähnlich  dem  bei  uns 
häufigen  Gordius  aquaticus,  von  etwa  1 mm  Dicke  und  15 — 20  cm 
Länge,  von  gelblichweisser  Farbe.  Ich  hielt  das  Thier  für  den  wirk- 
lichen Gordius,  nur  wunderte  ich  mich,  wo  die  Thiere  in  der 
trocknen  Wüste  plötzlich  herkamen. 


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Die  Fiiaria  Kilimarae  in  Britisch -Ostafrika. 


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2.  Am  Tsavotlusse  fingen  meine  Leute  Fische.  Beim  Essen 
fiel  mir  die  Menge  der  in  demselben  enthaltenen  Filarien  auf. 
Meine  weissen  Begleiter  verschmähten  deshalb  die  Fische.  In  den 
Fischen  Afrikas  ist  das  Vorkommen  dieser  Parasiten  so  häufig  be- 
schrieben, z.  B.  Dr.  Peters  „Deutsche  Emin-  Pascha  Expedition“, 
v.  Hönel  „Zum  Rudolphsee  und  Stephaniesee“  etc.,  dass  ich  nicht 
weiter  darauf  einzugehen  brauche.  (Siehe  Schlussnote!) 

3.  Bei  einem  Ausfiuge,  welchen  ich  von  der  Mission  Ikutha 
in  Ukambani  nach  dem  Sudende  der  Prinz  Luitpoldkette  machte, 
entdeckte  ich  in  einer  Wasserlache,  nahe  einem  Dorfe,  aus  der  ich 
trinken  wollte,  eine  grosse  Zahl  solcher  Filarien  von  5 — 6 cm  Länge. 

4.  An  den  Kilolumafällen  des  Tana,  wo  ich  mich  längere  Zeit 
aufhielt,  waren  während  der  Regenzeit  in  «eien  Wassertümpeln,  auch 
in  solchen  auf  reinem  Gneissgestein  ohne  Vegetation,  diese  Filarien 
zu  finden.  Oft  fanden  sich  an  solchen  Orten  die  Faecalmassen  von 
Hyänen  und  Affen  in  grosser  Menge. 

5.  An  dem  Fleische  eines  erlegten  Flusspferdes  hingen,  als 
meine  Leute  dasselbe  in’s  Lager  brachten,  einige  Filarien  von 
10 — 15  cm  Länge. 

6.  In  der  Guasso-Nyiro-Ebene  im  Norden  des  Kenia  (Kilimara) 
erlegte  ich  (im  März  1895)  ein  Zebra.  Mein  Koch  brachte  mir  die 
Leber,  um  mir  zu  zeigen,  dass  sie  ungeniessbar  sei.  Ich  zählte  auf 
der  unteren  Fläche,  nahe  dem  vorderen  scharfen  Rande,  acht  gelb- 
liche, wallnussgrosse  Beulen,  deren  vordere  Wand  blos  aus  dem 
peritonealen  Ueberzug  der  Leber  zu  bestehen  schien.  Beim  An- 
schneiden einer  derselben  entleerte  sich  eine  seröse,  gelblich-milchig 
getrübte  Flüssigkeit  und  ein  etwa  kirschgrosses  Convolut  von 
4 — 8 Filarien  von  10 — 18  cm  Länge.  Das  Zebra  war  wohlgenährt, 
eine  Stute  und  anscheinend  gesund. 

7.  Als  ich  am  Fusse  des  Kenia  im  October  1895  ein  Nas- 
horn erlegte  und  meine  Leute  die  Peritonealhöhle  eröffnet  hatten,  um 
das  Thier  auszuweiden,  kamen  etwa  ein  Hundert  halbverhungerter 
Massai  mit  der  Bitte,  die  blutig-seröse  Flüssigkeit,  welche  etwas  fuss- 
hoch  im  Cavum  Peritouei  stand,  trinken  zu  dürfen.  Ich  gestattete  es. 
Mit  einer  Kürbisschale  schöpfte  ein  Mann  die  Flüssigkeit  und  fischte 
dann,  ehe  er  trank,  eine  ganze  Handvoll  der  erwähnten  Filarien, 
nach  meiner  Rechnung  mindestens  hundert  Stück,  heraus.  Dasselbe 
Spiel  wiederholte  sich,  bis  die  ganze,  mindestens  zwei  Eimer  be- 
tragende Flüssigkeit  getrunken  war.  Es  scheint  dies  eine  Sitte  zu 
sein,  welche  bei  diesen  Völkern  oft  geübt  wird.  Ich  liess  mir  auch 


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Dr.  raed.  George  Kolb,  Wiesbaden. 


die  Leber  zeigen.  Dieselbe  war  frei  von  Filarien,  dagegen  zeigten 
sich  an  derselben  Stelle  wie  bei  dem  Zebra  eine  ganze  Reihe  von 
narbigen  Einziehungen , sowohl  am  Rande  wie  in  der  Mitte.  Das 
Nashorn  war  ein  Weibchen,  sehr  kräftig  und  wohlgenährt 

9.  In  Monisu,  am  Fusse  des  Kenia,  hatte  ich  im  October  für 
die  Regenzeit  ein  festes  Lager  aufgeschlagen.  Der  benachbarte 
Stamm  der  Mrasangasi  erklärte  mir  den  Krieg  und  da  mir  nur  23 
bewaffnete  Leute  zur  Verfügung  standen,  rief  ich  den  Fürsten  der 
Massai,  den  „Goraschi“,  der  mein  Blutsbruder  war,  mit  seiner  Leib- 
wache zu  Hülfe.  Bei  dem  nachfolgenden  Kampfe  war  ich  Zeuge 
eines  Zweikampfes  auf  Schild  und  Speer  zwischen  einem  Massai  und 
einem  Krieger  der  Mrasangasi,  welcher  mit  dem  Tode  des  letzteren 
endete.  Der  Massai  hatte  seinem  Gegner  den  Schädel  zertrümmert 
und  das  Abdomen  aufgeschlitzt  Als  ich  die  Leiche  betrachtete,  ent- 
deckte ich  einige  Filarien  zwischen  den  Darmschlingen.  Diese  wurden 
sofort  in  ein  Glas  mit  Kampherspiritus  gebracht  und  bei  meiner 
Rückkehr  hatte  Herr  Prof.  Spengel  in  Giessen  die  Güte,  die  vorzüg- 
lich conservirten  Exemplare  unter  Vergleich  mit  anderen  Filarien, 
z.  B.  F.  Medinensis,  eingehend  zu  untersuchen.  Auf  das  Resultat 
werde  ich  weiter  unten  zurückkommen. 

10.  Wenige  Wochen  später  zog  ich  in  das  Gebiet  der  Massai,  es 
war  Ende  December.  Ich  fand  die  Mehrzahl  derselben  krank.  (Die 
Massai  nähren  sich  nur  von  Fleisch,  Milch  und  Honig.)  Ich  erfuhr, 
dass  dieses  Volk  stets  im  Herbst  unter  dieser  Kraukheit  leidet  Die 
Kranken  bekommen  Schmerzen  in  der  Leibgegend,  Schüttelfröste. 
Fieber,  allgemeine  Mattigkeit,  Appetitlosigkeit,  manchmal  Erbrechen, 
ohne  Durchfälle  und  verdriessliche  Stimmung,  kurz  ein  Krankheits- 
bild, welches  in  der  Gegend  als  die  Massaikrankheit  bekannt  ist  und 
von  welcher  die  Ackerbau  treibenden  Kitii- Völker  des  Kenia  ungleich 
seltener  befallen  werden. 

11.  Eines  Tages  sah  ich  einen  Oryx-beisa  Bock,  welcher  sich, 
anscheinend  nicht  recht  gesund,  eifrig  auf  dem  Boden  umherwälzte, 
so  eifrig,  dass  ich  ihn  unbemerkt  aus  10  Schritt  Entfernung  erlegen 
konnte.  Die  Leber  war  voller  Filarien. 

1 2.  Auf  der  Rückreise  zur  Küste  erbrach  ein  mich  be- 
gleitender Häuptling  vom  Kenia  nach  zweitägigem  Unwohlsein  mit 
Fieber  einige  Filarien.  Darauf  erholte  er  sich  langsam. 


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Die  Maria  Kilimarae  in  Britisch  -Ostafrika. 


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Herr  Prof.  Spengel,  dem  ich  die  aus  der  Leibeshöhle  des  ge- 
fallenen Kitü-Kriegers  mitgebrachten  Filarien  übergab,  stellte  fest, 
dass  die  Exemplare  alle  Weibchen  waren.  — Da  nun  die  Männ- 
chen die  charakteristischen  Merkmale  zur  Bestimmung,  und  zwar  an 
ihren  Sexualorganen  tragen,  so  war  die  Bestimmung  mit  Sicherheit 
nicht  mögüch.  Immerhin  konnte  festgestellt  werden,  und  zwar  aus 
der  Stellung  der  Mund-Papillen,  dass  unsere  Filaria  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  der  Fil.  Medinensis  besitzt 

Das  Männchen  der  F.  Med.,  welches  zum  Vergleich  benutzt 
werden  konnte,  ist  ausserordentlich  lang,  es  ist  also  möglich,  dass 
auch  das  (f  unserer  Filaria  sehr  gross  ist,  und  dass  es  getrennt  von 
den  9 lebt  und  der  Geschlechtsreife  entgegengeht,  worauf  die  Be- 
gattung nach  beiderseitiger  Auswanderung  aus  dem  Wirth  an  einem 
dritten  Orte  vor  sich  geht.  Möglich  also,  dass  unsere  Filaria  das 
Weibchen  der  F.  Medinensis  ist. 

Die  Filaria,  welche  ich  in  den  Regenpfützen  gesehen  habe 
dürfte  das  9 sein,  und  die  Thiere  vermuthlich  mit  dem  Trinkwasser 
in  die  Wirthe  aufgenommen  werden,  um  dort  bis  zur  Geschlechtsreife 
zu  bleiben.  Der  Weg,  auf  welchem  sie  in  die  Leber  gelangen,  ist 
höchst  wahrscheinlich  der  Ductus  choledochtus  mit  seinem  Quellgebiet. 
In  der  Leber  bilden  sie  dann  die  erwähnten  eigenthümlichen  Knoten 
dicht  unter  der  Leberoberfläche,  welche  im  Kleinen  das  sind,  was 
der  Echinococcus  im  Grossen.  Endlich  reisseu  diese  Capsein  zu  Be- 
ginn der  Regenzeit,  wo  andere  Futterverhältnisse  eine  andere  Blut- 
fiillung  der  Leber  des  Wirthes  bedingen,  ein,  und  die  Thiere  gelangen 
in  das  freie  Peritoneum,  wo  wir  sie  bei  Zebra,  Rhinoceros  und 
Oryx-beisa  im  October  fanden.  Dieser  Vorgang  wird  je  nach  der 
Menge  der  platzenden  Kapseln  mit  grösseren  oder  geringeren  Reiz- 
erscheinungen seitens  des  Peritoneums  verbunden  sein.  So  erfahren 
wir  denn  auch,  dass  von  October  an  das  ganze  Volk  der  Massai  er- 
krankt ist,  unter  Symptomen,  (he  sehr  wohl  in  das  Krankheitsbild 
passen.  Einige  der  Neger  sterben,  wie  ich  mich  selbst  überzeugen 
konnte. 

Wie  steht  es  nun  mit  dieser  Erkrankung  bei  den  Weissen  in 
Afrika.  Leider  müssen  wir  hier  sofort  unseren  gänzlichen  Mangel 
an  irgend  welcher  Kenntniss  gestehen.  Ich  selbst  kam  auf  die  Idee, 
die  Filaria  möchte  die  Ursache  der  fieberhaften  Erkrankung  und  des 
Todes  vieler  Europäer  sein,  auf  folgende  Weise.  Ich  selbst  bin  bis 
jetzt  sehr  resistent  gegen  Malaria.  Im  November  1894  bekam  ich 
plötzlich  Fieber,  welches  drei  Tage  anhielt,  der  Leib  war  schmerzhaft, 


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32 


Dr.  med.  George  Kolb,  Wiesbaden. 


die  Leber  sehr  empfindlich.  Vor  und  nachher  habe  ich  viele  Monate 
kein  Fieber  gehabt.  Nach  drei  Tagen  constanten  Fiebers  bis  40°  C. 
mit  mehrmaligem  Erbrechen  aber  ohne  Durchfalle  hörten  die  Er- 
scheinungen langsam  auf.  Ein  Jahr  später,  im  October  1895,  als 
die  Massai  der  Mehrzahl  nach  Fieber  hatten,  erkrankte  ich  plötzlich 
auf  der  Jagd  in  gleicher  Weise;  Dauer  des  Anfalls  sowie  Verlauf 
der  gleiche.  Im  Winter  1895 — 1896  hatte  ich  öfter  leichte  Malaria- 
anfälle in  4 — 6 wöchentlichen  Pausen,  doch  waren  diese  von  wesent- 
lich anderem  Charakter.  Im  Mai  1896  kam  ich  nach  Europa  zurück, 
hatte  den  ganzen  Sommer  nie  Fieber  und  brauchte  auch  kein  Chinin. 
Im  November  bekam  ich  plötzlich  Nachmittags  Fieber  bis  40  °C. 
Die  Leber  und  das  Abdomen  waren  schmerzhaft,  einmaliges  Er- 
brechen ohne  Durchfall.  Als  nach  3 Tagen  die  Erscheinungen  ge- 
schwunden waren,  ging  ich  in  die  Universitätsklinik,  zur  Unter- 
suchung, theilte  aber  meine  Ansicht  den  Collegen  nicht  mit  Die 
Leber  erwies  sich  als  nicht  vergrössert  Endlich  im  October  d.  J. 
wurde  die  Leber  wieder  empfindlich.  Ich  consultirte  Herrn  Professor 
Poppert  in  Giessen,  dessen  Erfahrung  in  Gallenblasen-  und  Leber- 
erkrankungen bekannt  ist,  mit  der  Begründung,  ich  habe  Verdacht 
auf  Gallensteine.  Der  Befund  war  negativ.  — Nach  8 Tagen  trat 
plötzlich  heftiges  Fieber  ein.  Dauer  und  Verlauf  wie  oben  geschildert 
Mit  dem  Erlöschen  des  Fiebers  waren  alle  Erscheinungen  geschwunden. 
Plasmodien  waren  trotz  eifrigen  Suchens  nicht  zu  finden  gewesen. 

Es  ist  mir  aber  noch  eine  Reihe  anderer  Fälle  bekannt,  wo 
Weisse  im  Herbst  ohne  Vorboten  plötzlich  an  heftigem  Fieber  er- 
krankt, einige  auch  demselben  erlegen  sind.  Im  October  kam  HeiT 
Missionar  Tremel  von  der  Leipziger  Evang.  Mission  nach  8jährigem 
Aufenthalt  in  Britisch-Ostafrika  nach  Europa  zurück.  Zufällig  genau 
an  demselben  Tage  wie  ich  bekam  er  auf  der  Reise  nach  Nürnberg 
plötzlich  einen  heftigen  Fieberanfall,  wurde  in  das  Krankenhaus  in 
Nürnberg  gebracht,  wo  er  verstarb.  Patient  war  in  Afrika  ebenso 
wie  ich  vollständiger  Temperenzler  in  Bezug  auf  Alkohol  und  ein 
seltener  Fall  von  relativer  Immunität  gegen  Malaria,  so  dass  er 
eigentlich  nie  in  seiner  Thätigkeit  behindert  wurde.  Nach  meiner 
Ansicht  ist  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  er  an  Malaria  gestorben  ist, 
eine  ausserordentlich  geringe.  — Leider  ist  eine  Section  nicht  aus- 
geführt  worden,  dieselbe  hätte  uns  wichtige  Aufschlüsse  geben 
können. 

Ebenso  ist  vor  kurzem  der  bewährte  Afrikaforscher  Dr.  Zint- 
graff  gestorben,  ebenfalls  zur  Zeit  der  Massaikrankheit.  Doch  das  sind 


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George  Kolb,  Die  Filaria  Kiiimarae  in  Britisch- Ostafrika. 


33 


müssige  Speculationen.  Was  ich  glaube  unzweifelhaft  dargethan  zu 
haben,  ist  das  Vorkommen  einer  Filaria-Art  in  der  Leber  und  in 
der  Peritonealhöhle  der  höheren  Säuger  und  des  Menschen,  welche 
durch  die  Auswanderung  aus  ihren  Kapseln  heftige,  zum  Theil  be- 
drohliche Reizerscheinungen  und  Fieber  verursachten.  Der  Neger, 
welcher  selbst  grosse  Verletzungen  des  Peritoneums  relativ  leicht  er- 
trägt, wie  z.  B.  Pfeilschiisse  mit  Darmperforation  etc.,  erliegt  der 
Filariaerkrankung  wohl  selten.  Der  Europäer  dagegen  ist  weniger 
resistent  und  ich  vermuthe,  dass  eine  ganze  Reihe  von  Todesfällen 
auf  eine  solche  Filarieninvasion  zurückzuführen  sind.  Diese  Gefahr 
ist  auch  nicht  mit  dem  Verlassen  der  Tropen  gehoben,  es  kann  Jahr 
und  Tag  völlig  fieberfreiere  Zeit  vergehen  bis  wie  bei  mir  im  Herbst 
wieder  ein  äusserst  heftiger  Fieberanfall  eintritt. 

Ich  hoffe,  diese  Daten  werden  zu  Untersuchungen  nach  zwei 
Richtungen  hin  Veranlassung  geben: 

Erstens  ist  das  Vorkommen  dieser  Filaria  bei  Mensch  und 
Thier  in  den  Tropen,  sowie  die  Lebensweise  dieses  Parasiten  ausser- 
halb des  thierischen  Organismus  zu  erforschen. 

Zweitens,  und  das  ist  vorderhand  das  Wichtigere,  würde  auf 
Mittel  zur  Verhütung  der  Infection,  sowie  auf  etwaige  Heilmittel 
nach  erfolgter  Infection,  sowie  auf  eine  sichere  Diagnose  der  Er- 
krankungen zu  fahnden  sein. 


Im  Januar  1887  zerlegte  ich  am  Stanley  Pool  ein  im  Congo  geschossenes 
Krokodil.  Der  Magen  des  Thieres  war,  abgesehen  von  kleinen  Steinen  leer,  zoigte 
aber  an  vier  Stellen  haselnussgrosso  Vertiefungen  in  der  Schleimhaut,  welche 
von  einem  leichten  entzündlichen  Hofe  umgeben  und  selbst  sugillirt  waren.  In 
jeder  Vertiefung  sass  ein  Knäuel  Filarien,  ähnlich  denen  von  Kolb  beschriebenen. 

Menge. 


Nachschrift. 

Herr  Prof.  Dr.  Spengel  zu  Giessen,  zoologisches  und  vergleichend 
anatomisches  Institut,  ersucht  um  Einsendung  von  Filarien,  besonders 
Filaria  medinensis,  aus  Afrika,  um  die  oben  angeregten  Studien 
machen  zu  können.  (Anm.  d.  Red.) 


Archiv  t Schiffs-  o.  Tropenhygicne.  □. 


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II.  Besprechungen  und  Litteratnrangaben. 


a)  Hygiene,  Physiologie  und  Gesundheitsstatistik. 

Die  Pocken-Impfung  ln  Britlseh-Indlen. 


Welche  Fortschritte  im  Laufe  der  letzten  Jahre  die  Kubpocken-Impfung  in 
der  Präsidentschaft  Bombay  aufzuweisen  hat,  das  lehrt  auf  das  Deutlichste  der 
amtliche  Impfbericht  für  das  Jahr  1895  — 96  (Report  of  Vaocination  in  the  Bombay 
Presidency  for  the  year  1895—96.  S.  16ff.). 

Zwei  Sendungen  englischer  Lymphe  empfing  man  aus  dem  Mutterland?,  die 
erste  im  November  1895,  die  zweite  im  März  1896.  Jede  Sendung  umfasste 
sowohl  Röhrchen  mit  humanisirter  — als  auch  solche  mit  Rinderlymphe,  während 
der  den  Engländern  gehörige  Hafenplatz  Aden  an  der  arabischen  Küste  regel- 
mässig alle  Vierteljahre  eine  Sendung  aas  England  erhielt,  welche  bis  auf  ein 
einziges  Mal  sich  stets  als  ausgezeichnet  erwies. 

In  der  Präsid Botschaft  Bombay  wurden  im  Laufe  des  Jahres  im  Ganzen 
2339  Röhrchen  verbraucht,  von  welchen  ungefähr  der  vierte  Theil  unentgeltlich 
den  militärischen  Behörden  für  die  Cantonnements  und  die  Truppenschiffe,  sowie 
den  Civilärzten  und  Districtbeamten  zur  Verfügung  gestellt  wurde,  während  man 
die  übrigen  Röhrchen  in  den  verschiedenen  Kreisen  der  Präsidentschaft  verkaufte. 

Von  weit  grösserer  Bedeutung  erscheint  es,  dass  der  Gebrauch  animaler 
Lymphe  von  Jahr  zu  Jahr  auch  unter  den  Eingebornen  an  Werthschätzung  ge- 
winnt, so  dass  dieselbe  jetzt  bereits  mit  grossem  Erfolg  und,  ohne  bei  der  Be- 
völkerung auf  erhebliche  Schwierigkeiten  zu  stossen,  im  Lande  selbst  produ- 
cirt  wird.  Zu  diesem  Zwecke  werden  Kälber  in  der  bei  uns  üblichen  Weise 
vaccinirt,  worauf  aber  die  Lymphe  direct  vom  Kalb  auf  daB  menschliche 
Individuum  übertragen  wird,  in  analoger  Art,  wie  es  früher  allgemein  von 
Mensch  zu  Mensch  geschah.  Diese  Methode  ist  unter  den  Eingebornen  der 
Präsidentschaft  Bombay  schon  jetzt  derart  populär,  dass  die  Bewohner  zahlreicher 
Dörfer  Kälber  zu  Impfzwecken  ausleihen,  in  einigen  wenigen  Fällen  sogar  die 
Mittel  zum  käuflichen  Erwerb  der  Kälber  hergeben,  so  dass  die  Impfung  ohne 
Extra- Vergütung  erfolgen  kann.  So  giebt  es  Dorfgemeinden,  welche  alle  Jahre 
ein  Kalb  zum  Zwecke  der  Gewinnung  der  Vaccine  erstehen,  andere  alle  6,  wieder 
andere  sogar  alle  4 Monate. 

Dies  Verfahren  bringt  um  so  grösseren  Segen,  als  es  im  Allgemeinen  sehr 
schwer  ist,  die  Eingebornen  dabin  zu  bringen,  von  ihren  Kindern  Lymphe  zum 
Zwecke  der  Weiterimpfung  entnehmen  zu  lassen.  Vor  Allem  bezeugen  die 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


35 


höheren  Kasten  eine  schier  unüberwindliche  Abneigung  gegen  das  Impfenlassen 
ihrer  Kinder  mit  der  einem  Kinde  niederer  Koste  entnommenen  Vaccine. 

Die  Controle  der  Impfkälber  seitens  der  Regierungs  beamten  scheint  sehr 
streng  zu  sein.  Während  von  1425  Stück  geimpften  Jungviehs  nur  bei  zweien 
die  Impfung  nicht  anschlug,  wurden  mehr  als  50  Stück  durch  den  Chef  des 
Impfamtes  wegen  Krankheit  zurückgewiesen.  Im  Februar  1895  herrschte  schwere 
Besorgniss;  die  Rinderpest  wüthete  und  alle  geimpften  Kälber  bis  auf  eins  wurden 
hinweggeiafft.  Unglücklicherweise  brach  gerade  um  jene  Zeit  eine  Pockenepidemie 
aus,  indessen  verstanden  es  die  Behörden,  die  Lymphe,  welche  das  eine  übrig- 
gebliebene Kalb  spendete,  derart  trefflich  zu  verwenden,  dass  sie  sehr  bald  im 
Stande  waren,  allen  Anforderungen  zu  genügen. 

In  der  Stadt  Bombay  ist  animale  Lymphe  seit  vielen  Jahren  im  Gebrauch. 
Im  laufe  des  Berichtsjahres  wurden  584  Kälber  geimpft  Von  dieson  mussten 
nicht  weniger  als  58  wegen  Krankheit  vorworfen  werden.  Jedem  Kalb  wurden 
durchschnittlich  185  Impfschnitte  applicirt  Der  Procentsatz  der  erfolgreichen 
Schnitte  betrug  97%.  Auch  in  den  nördlich  und  nordwestlich  an  Bombay 
grenzenden  Central-Provinzen  Rajputana,  Jubalpur  u.  s.  w.  war  ein  grosser  Fort- 
schritt im  Impfwesen  zu  konstatiren.  Aus  dem  „Report  of  Vaccine  Operations 
in  the  Central  provinces  for  tho  year  1895—1896“  ersehen  wir,  dass  57,88  pro 
Mille  der  Bewohnerschaft  mit  Erfolg  geimpft  wurden,  gegen  34,6  pro  Mille, 
welche  den  Durchschnitt  der  letztvergangenen  5 Jahre  auamachen.  Unter  den 
Geimpften  bestand  ungefähr  der  dritte  Theil  aus  Kindern  unter  1 Jahre,  ein 
weiteres  Sechstel  rekrutirte  sich  aus  Kindern  von  1 — 5 Jahren.  Bei  nicht  weniger 
als  96,8  pro  Cent  aller  Vaccinirten  und  82,11  pro  Cent  aller  Revaccinirten  war 
die  Impfung  von  Erfolg  gekrönt 

In  scharfem  Gegensätze  zu  der  Präsidentschaft  Bombey  stiess  die  Frage  der 
Lymph  - Bereitung  in  den  nördlichen  Provinzen  Englisch  - Indiens  auf  grosse 
Schwierigkeiten.  Die  Religion  Brahmas  besitzt  hier  ihre  fanatischsten  Anhänger, 
welche  weit  strenger  an  all’  dem  verwickelten  Rituell  und  den  unduldsamen  Vor- 
artheilen dieser  Lehre  festhalten,  als  es  seitens  der  Bevölkerung  der  südlichen 
Provinzen  geschieht 

Unter  den  zahlreichen  heiligen  Thieren  der  Hindus  ist  das  Rind  wohl  als 
das  heiligste  angesehen.  Dementsprechend  wird  in  dem  „Report  of  Vaccination 
in  the  Punjab  for  the  year  1895 — 1896  by  Surgeon  Leut  Col.  W.  A.  Growford 
S.  7 und  8“  von  grossen  Schwierigkeiten  berichtet,  welche  es  in  den  ausgedehnten, 
unter  britischer  Herrschaft  stehenden  Ländergebieten  des  „Punjab“,  des  Landes 
der  fünf  Ströme  macht,  von  den  Eingebornen  Büffelkälber  für  Impfzwecke  zu 
erhalten,  Schwierigkeiten,  welche  sich  leider  von  Jahr  zu  Jahr  vermehren.  An 
einigen  Plätzen  ist  es  ganz  unmöglich,  Kälber  zu  bekommen,  und  der  Bericht 
führt  sogar  Fälle  an,  wo  selbst  Hindus,  nachdem  sie  Thiere  zur  Verfügung  ge- 
stellt. nachträglich  die  Pusteln  böswillig  zerstörten.  Thatsächlich  ist  die  Lage 
eine  derart  unhaltbare  geworden,  dass  es  unmöglich  erscheint,  einen  Ausweg  zu 
finden.  Aus  diesem  Grunde  versuchte  Dr.  Doyson  junge  Ziegen,  eine  Gattung 
von  Thieren,  welchen  der  Hindus  keine  göttliche  Verehrung  zollt,  welche  er 
vielmehr  als  Opferthiere  schlachtet,  für  die  Gewinnung  der  Vaccine  zu  benutzen. 
Die  darauf  hinzielenden  Experimente  misslangen  indessen  durchaus.  Er  impfte 
die  Ziege  mit  humanisirter,  mit  der  Kuh  und  dem  Kalbe  entnommener  Lymphe, 
indessen  führte  weder  das  Stich-  noch  das  Schnittverfahren  zum  Ziele.  Nur 

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II.  Besprechungen  und  Litteraturanguben. 


vereinzelt  entwickelten  sich  unzureichende  Pusteln,  während  mit  demselben 
Stoffe  an  Hunden,  Büffelkälbern  und  einem  Affen  vorgenommene  Controlvereuche 
zu  einem  positiven  Ergcbniss  führten.  Er  hält  das  Zicklein  daher  für  nicht  ge- 
eignet, um  als  Lymphspender  zu  dienen. 

Surgeon  Major  Morris  in  Calcutta  behauptet  freilich  andererseits,  verschiedent- 
lich Ziegen  mit  Erfolg  geimpft  zu  haben;  indessen  giebt  auch  er  zu,  dass  es  ihm 
nie  gelang,  eine  Ziege  von  der  andern  zu  impfen.  Aus  all’  diesen  Gründen  war 
es  Col.  Growford’s  eifriges  Bestreben,  seitdem  er  1894  zum  ständigen  Vorsitzenden 
der  Gesundheitskommission  (Sanitary  Commissioner)  für  das  Punjab  ernannt 
war,  in  jener  Provinz  conservirte  Lymphe,  wie  sie  bei  uns  in  Deutschland 
jetzt  allgemein  zur  Verwendung  kommt,  einzuführen.  Da  er  selbst  als  Chefarzt 
seiner  Amtsgeschäfte  halber  die  Experimente  im  Grossen  nicht  ausführen  konnte, 
unterrichtete  er  zwei  andere  beamtete  Aerzte  in  der  Technik,  wie  er  solche  in 
Berlin  im  Jahre  1892  kennen  gelernt  Die  beiden  Herren  gingen  sogleich  an 
die  Bereitung  der  Lymphe,  welche  genau  nach  der  Berliner  Methode  ausgeführt 
wurde,  nur  dass  man  sich  anstatt  des  Glycerins  und  Lanolins  des  Vaselins  als 
Vehikel  bediente.  Es  geschah  dies  aus  dem  Grunde,  weil  das  Vaselin  als  ein 
mineralisches  Produkt  das  Gefühl  der  in  strengem  Kastengeiste  und  religiösen 
Vorurtheilen  befangenen  Bevölkerung  in  keiner  Weise  zu  verletzen  im  Stande 
ist  (Dass  das  eigentlich  wirksame  Agens  auch  bei  der  conservirten  Lymphe 
von  dem  heilig  gehaltenen  Kalbe  stammt,  scheinen  die  Beamten  verschwiegen 
zu  haben,  ein  Umstand,  der  freilich  keinen  so  schweren  Anstoss  erregen  konnte, 
als  wenn  vor  den  Augen  des  Publikums  direkt  von  dem  geheiligten  Thiere  die 
Vaccine  entnommen  und  auf  ein  womöglich  der  niederen  Klasse  angehöriges 
Individuum  verpflanzt  worden  wäre.  Anmerk,  des  Bef.) 

Neben  diesen  mehr  ideellen  Vorzügen  besitzt  das  Vaselin  auch  den  reellen 
Vortheil,  bei  der  hohen,  während  des  Sommers  in  Punjab  herrschenden  Tempe- 
ratur fest  zu  bleiben  und  nach  Oeffnung  der  Bohre  nicht  gleich  herauszufliessen. 

Die  Impfung  mittelst  conservirter  Lymphe  hat  ferner  das  Gute,  ungefähr 
nur  halb  so  kostspielig  zu  sein,  als  die  direkte  Impfung  vom  lebenden  liiere. 
Dabei  soll  sich  ein  derartiges  Material  nach  Growford's  allerdings  wohl  etwas  zu 
optimistischem  Urtheil  ebenso  wirksam,  wenn  nicht  wirksamer(V),  erweisen,  als 
jenes.  Des  Ferneren  kann  das  Thier  mit  weit  grösserer  Buhe  und  Sorgfalt  aus- 
gewählt,  untersucht  und  bis  zum  Schluss  beobachtet  werden,  so  dass  man  sicher 
ist,  ein  absolut  gesundes  Exemplar  vor  sich  zu  haben.  Natürlich  ist  es  geboten, 
die  Lymphe  mit  der  peinlichsten  Sorgfalt  und  unter  allen  möglichen  Cautelen  zu 
bereiten. 

Der  Berichterstatter  bemerkt  mit  Hecht,  dass  ein  derartiges  System  noch 
weitere  schwerwiegende  Vortheile  besitzt  Es  enthebt  die  Impf-Commission  all 
der  lästigen,  nicht  selten  unüberwindlichen  Schwierigkeiten  bei  Beschaffung  der 
Kälber  in  den  einzelnen  Distrikten,  und  erleichtert  ungemein  die  Bewegungen 
der  Impfärzte,  welche,  wenn  sie  ihr  Material  in  Böhrchen  fertig  mitführen,  weit 
schneller  zu  reisen  und  erheblich  mehr  Impfungen  auszuführen  in  der  Lage  sind. 
Ferner  hebt  es  die  Nothwendigkeit  der  Impfung  von  Arm  zu  Arm  völlig  auf 
und  beseitigt  hiermit. die  grossen  Gefahren,  welche  Vornahmen  dieser  Art  in 
einem  dicht  bevölkerten,  von  Seuchen  aller  Art  heimgesuchten  Lande  wie  Indien 
nothwendig  herbeiführen  würden. 

Mehr  Anklang  als  in  Punjab  fand  die  Impfung  vom  Kalb  direkt  auf  den 


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II.  Besprechungen  und  Ijtteraturnngaben. 


37 


Menschen  in  den  nordöstlichen  Provinzen  Britisch-Indiens.  Der  „Report  of  the 
Province  of  Assam  for  the  year  1895—96“  besagt  auf  S.  18,  dass  in  jener  am 
weitesten  nach  Osten  vorgeschobenen  Provinz  Vorderindiens  während  des  Berichts- 
jahres 608  Kälber  zu  Impfzwecken  käuflich  erworben  wurden  mit  einem  Kosten- 
aufwande  von  2904  Rupios  (ca.  4000  Mark  unseres  Goldes).  Nach  der  Abimpfung 
wurden  die  Kälber  für  1—8  Rupies  das  Stück  wieder  verkauft. 

A ähnlich  günstig  wie  in  Assam  liegen  die  Dinge  in  dem  westlich  an  letzteres 
Gebiet  grenzenden  Bengalen.  In  dem  „Tribunial  Report  of  Vaccination  in 
Bengal  during  the  years  1898—96  by  Surgeon  Capt  Doysen  S.  24  u.  25“  spricht 
sich  jener  Arzt,  ebenderselbe,  welcher  die  erfolglosen  Impfungen  an  jungen 
Ziegen  ausführte  (siehe  oben),  im  ausdrücklichen  Gegensätze  zu  Growford  in 
Punjab  dahin  aus,  dass  er  sich  gemäss  seiner  nunmehr  über  6 Jahre  reichenden 
Erfahrungen  für  die  Impfung  direkt  vom  Kalbe  entscheide.  Bei  der  an  sich 
wohl  gleiehwerthigen  Impfung  von  Arm  zu  Arm  ist  zu  bedenken,  dass  gesunde 
Kinder  innerhalb  der  niederen  Kasten  — und  auf  diese  ist  man  in  Indien  aus- 
schliesslich angewiesen  — sehr  selten  zu  finden  sind.  Keine  einer  höheren 
Kaste  angehörendo  Frau  wird  von  einem  derartigen  Individuum  ihren  Sprössling 
abimpfen  lassen. 

Das  Kalb  betreffend,  so  besteht  die  einzige  ernstlich  in  Frage  kommende 
Gefahr  in  der  Tuberkulose,  einer  Affection,  welche  das  Rind  in  jenen  Gegenden 
nicht  gerade  häufig  befallt.  Ferner  ist  eine  derartige  Lymph-Quelle  thatsächlich 
unerschöpflich. 

Als  Doysen  vor  3 Jahren  zum  ersten  Male  diesen  Gedanken  anregte,  stellten 
sich  jene  religiösen  Vorurtheile,  welche  noch  jetzt  in  den  nordwestlichen  Pro- 
vinzen die  Oberhand  haben,  auch  in  Bengalen  hindernd  in  den  Weg;  das  Volk 
war  nicht  dahin  zu  bringen,  seine  Kälber  zum  Zwecke  der  Hergabe  dos  Impf- 
stoffes zur  Verfügung  zu  stellen.  Jetzt  ist  diese  Art  der  Impfung  durch  fast 
alle  Distrikte  Bengalens  verbreitet. 

Die  zweite  in  besagter  Provinz  übliche  Impfform  ist  diejenige  mittelst 
einer  Mischung  von  Kalbslymphe  und  Lanolin  in  conservirtem  Zustande. 
Doysen  hält  sie  für  minder  wirksam  als  jene  erste,  indessen  besitzt  auch  sie 
ihre  unleugbare  Bedeutung  für  Wander- Impfungen  und  in  Zeiten  plötzlichen 
Blatternausbruches,  endlich  in  Distrikten,  in  welchen  religiöse  Vorurtheile  absolut 
nicht  zu  überwinden  sind.  Aus  all  den  angeführten  Gründen  sollten  genügende 
Anstalten  zur  Bereitung  und  Conservirung  von  Lanolin-Lymphe  unter  Leitung 
europäischer  Sanitätsbeamten  im  Lande  angelegt  werden.  Denn  es  ist  leicht 
ersichtlich,  welch’  ernste  Folgen  in  Zeiten  schwerer  Blattemepidemioen  die  Impfung 
mit  unwirksamem  Material  haben  müsste. 

Allmählich  scheint  sich  überall  das  Volk  in  Bengalen  von  den  grossen 
Vortheilen  der  Vaccination  mehr  und  mehr  zu  überzeugen.  Natürlich  giebt  es 
auch  dort  fanatische  Impfgegner,  so  gut  wie  bei  uns  zu  Lande.  Neben  religiöser 
Quelle  entspringenden  Vorurtheilen  ist  die  Freude  am  Opponiren  hierbei  von 
nicht  zu  unterschätzendem  Einfluss.  Unsorgfältig  ausgeführte,  unwirksame  oder 
schädliche  Impfungen  leisten  der  Opposition  natürlich  Vorschub. 

Dr.  Franz  Kronecker. 


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38  II.  Besprechungen  und  IJtteraturangaben. 

lieber  Bekleidung  und  Gepäck  bei  Landungen  in  den  Tropen, 

von  Marinestahsarzt  Dr.  Freymadl, 

Ifa  rine-  Rundsch  au,  Nortmber  1897. 

Nach  Erörterung  der  physikalischen  Eigenschaften  der  verschiedenen  Stoffe 
kommt  der  Verfasser  zu  dem  Ergebniss,  dass  sich  für  Landungstruppen  in  den 
Tropen  als  Ober-  oder  Unterkleidung  am  meisten  baumwollene  Stoffe  empfehlen, 
für  letztere  Trikotstoffe,  hofft  aber,  dass  es  der  Industrie  gelingen  werde,  durch 
Zusammenstellung  verschiedener  Gewebe  ein  noch  besseres  Material  zu  liefern. 
Als  Kopfbedeckung  bewähren  sich  am  besten  die  Tropenhelme  aus  Kork,  indischem 
Schilf  und  Agave-Mark  mit  Nackenschleier.  An  Stelle  der  langscbäftigen  Leder- 
stiefel hat  die  deutsche  Marine  Schnürstiefel  und  Gamaschen  aus  Leder  oder 
Segeltuch  mit  Lederbesatz  eingeführt.  'Warm  empfohlen  werden  von  verschiedenen 
Seiten  an  Stelle  der  Gamaschen  Beinwickel  aus  wollenen  Binden,  welche  wie  ein 
Verband  den  Unterschenkel  einhüllen.  Die  Strümpfe  bestehen  am  besten  aus 
leichter  Kammwolle.  Die  Belastung  des  einzelnen  Mannes  muss  in  den  Tropen 
viel  geringer  sein  als  im  gemässigten  Klima  und  darf  einschliesslich  der  Kleidung 
15 — 16  Kilogramm  nicht  übersteigen.  Der  Tornister  wird  am  zweekmässigsten 
durch  den  Bucksack  ersetzt.  Af. 


Das  Höhenklima  tropischer  Inseln,  verglichen  mit  dem  der  Schweiz  in 
Bezug  auf  Veränderungen  des  Blutes. 

Von  J.  H.  F.  Kohlbrngge,  dir.  Arzt  des  Sanatorium  zu  Tosari  auf  Java. 

Verf.,  welcher  sich  bereits  durch  mehrere  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Tropenhygiene,  besonders  der  Klimaeinwirkung  auf  das  Blut,  bekannt  gemacht 
hat  und  mehrere  Jahre  unterbrochen  auf  Tosari,  1777  Meter  hoch  im  Tengger- 
gebirge  Ost-Javas  belegen,  zubrachte,  fand  bei  seinen  ausgedehnten  Blutunter- 
suchungen  keine  Zunahme  der  Erythrocyten  und  des  Haemoglobingehaltes,  im 
Gegensatz  zu  den  Schweizer  Forschern,  die  wie  Kündig  in  Davos,  1500  Meter 
hoch,  eine  ganz  bedeutende  Zunahme  constatirten.  Die  Schweizer  Autoren  führen 
die  von  ihnen  gefundene  Vermehrung  auf  barometrische  Druckvermindenmg 
zurück,  welche  dem  Körper  erlaubt,  in  dieser  verdünnten  Luft  mehr  Sauerstoff 
zu  fixiren.  (Neuerdings  ist  der  verminderte  Druck  auf  das  Deckglas  des  Zähl- 
apparates und  Volumenvergrösserung  der  Zählkammer  für  die  betr.  Zunahme  in 
Anspruch  genommen.  Ref.)  Kohlbrngge  vergleicht  nun  seine  in  den  Tropen- 
höhen gewonnenen,  ganz  abweichenden  Resultate  mit  denen  hier  in  Europa,  be- 
spricht die  Wirkung  der  relativen  und  absoluten  Feuchtigkeit,  der  Temperarur- 
schwankungen, Bevölkerung  und  Sonnenscheindauer  immer  vergleichsweise  hier 
und  dort,  woraus  sich  aber  die  Vermehrung  der  Erythrocyten  hier  und  das 
Gleichbleiben  der  Zahl  derselben,  resp.  deren  geringe  Verminderung  auf  Tropen- 
gebirgen gegenüber  der  Tropenebene  nicht  erklären  lässt.  Kohlbrugge  glaubt,  dass 
Personen  mit  Verkleinerung  der  athmenden  Lungenoberfläche  mehr  Luft  ein- 
athmen,  als  solche  mit  gesunder  Lunge,  und  dass  die  Wasserentziehung,  welche 
beim  Athmen  in  der  trockneren  Hochgebirgsluft  im  Lungenblut  vor  sich  geht 
wie  ein  Reiz  wirkt,  der  sich  auf  die  blutbildenden  Organe  fortpflanzt.  Im  Jang- 
gebirge, wo  Kohlbrugge  im  Aufträge  der  Regierung  untersuchte,  fand  er  trotz 
grösserer  Höhe  als  in  Tosari  Abnahme  der  Erythrocyten.  Hier  wie  in  Tosari 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


39 


wirf  weniger  Wasserfampf  ausgeatbmet  und  weniger  geschwitzt  als  in  Davos,  in 
Folge  dessen  ist  dort  der  Wasserumsatz  gegen  Davos  herabgesetzt  Daher  würfe 
in  den  Tropen  nicht  der  Reiz  in  Betracht  kommen,  sondern  eher  ein  Mangel  an 
Feuchtigkeitsumsatz,  ein  verlangsamter  Stoffwechsel.  Koldbrugge  sagt  ,,es  sei 
undenkbar,  dass  eine  Wasserentziehung  (wie  Grawitz  will)  das  Blut  so  eindicke, 
dass  daraus  die  relative  Zunahme  der  Blutkörperchen  und  des  Haemoglobins  sich 
erklären  Hesse,  allein  es  bestehen  in  den  Tropen  bei  Europäern  wenigstens,  nach 
längerem  Tropenaufenthalt,  worauf  Ref.  mehrfach  hin  wies,  Unterschiede  des 
Wassergehaltes  des  Blutes  und  ohne  vorherige  Bestimmung  der  Trockensubstanz 
und  Berechnung  der  flüssigen  Bestandteile  des  Blutes  ist  in  den  Tropen  jede 
Blutkörperchenzählung  und  Haemoglobinbestimmung  anfechtbar  (Ref  ) 

Karl  Däubler. 

Pestnachrichten. 

Seit  dem  Wiederauffl ackern  der  Pest  in  Bombay  um  die  Mitte  des  vorigen 
Decembers  waren  dort  bis  zum  10.  Januar  insgesammt  408  Todesfälle  an  der 
Seuche  vorgekommen.  Nach  Zeitungsnachrichten  wurden  verzeichnet: 

am  5 — 6 Januar  binnen  48  Stunden  142  Erkrankungen,  105  Todesfälle, 
am  9 — 10  „ „ „ 159  „ 126  „ 

,,  10—12  „ „ „ 154  „ 167  „ 

am  24.  Januar  schon  binnen  24  Stunden  129  „ 121  „ 

(am  24.  Januar  1897  waren  es  binnen  24  Stunden  nur  62  Erkrankungen  und 
55  Todesfälle).  In  den  Hospitälern  der  Stadt  lagen  am  24.  Januar  707  Pest- 
kranke. Um  wolche  Mensehenmassen  es  sich  bei  Bekämpfung  der  Krankheit 
handelt,  lässt  die  Mittheilung  vom  80.  December  1897  erkennen,  dass  in  der  ver- 
flossenen Woche  in  den  Quarantäne-Stationen  und  Lagern  an  der  bengalischen 
Grenze  80152  Personen  untersucht  und  12046  als  verdächtig  befunden  wurden. 
Kussland  hat  in  seinen  Grenzgebieten  die  Pilgerzüge  verboten,  die  Türkei  den 
Hafen  von  Djoddah  für  dieselben  gesperrt  und  Quarantäne  in  Kamaran  und 
Basso ra  ungeordnet.  M. 


b)  Pathologie  und  Therapie. 

lieri-Jteri. 

i 

Polineuritis  by  hoenders,  nieuwe  bydragen  tot  de  aetiologie  der  ziekte. 

Von  Dr.  Eykmann,  direktor  van  het  laboratorium  voor  pathologische  anatomie  en 
baeteriologie  te  Batavia.*) 

Auf  den  Inseln  des  malaiischen  Archipels  ist  seit  langer  Zeit  unter  den 
Haushühnern,  Tauben  und  Enten  eine  Krankheit  bekannt,  welche  von  älteren 
holländischen  Colonialärzten  beschrieben  worden  ist  und  deren  eingehendes  Studium 
Eykmann  6 Jahre  lang  beschäftigte.  Der  Verfasser  beobachtete  dieselbe  zuerst 
unter  den  Hühnern  des  patholog.  anatom.  Laboratoriums  in  Batavia  und  be- 
schreibt uns  auf  S.  215  (aflevering  4,  geneeskundig  Tijdschr.  voor  Noderlandsch- 
Indie)  dieselbe  folgendermaassen : Zuerst  fällt  an  dem  Thiere  ein  unsichrer  Gang 

i)  Bel  der  Wichtigkeit  de«  Gegenstandes  ist  eine  «weite  Besprechung  der  Arbeit  durdh 
den  «1»  Beri-Beri*For«cher  bekannten  Referenten  gewiss  erwünscht.  Anw.  d.  Be<L 


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40 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


auf,  besonders  beim  Klettern  und  Laufen  auf  einem  horizontalen  Stabe;  das  Thier 
kann  sich  nicht  mehr  festhalten.  ' Diese  Motilitätsstörungen  nehmen  schnell  zu, 
das  Thier  fällt  leicht  um,  endlich  bleibt  es  auf  der  Seite  liegen,  auch  die  Flügel 
werden  allmälig  gelähmt,  bald  ist  es  so  gelähmt,  dass  es  nicht  mehr  trinken 
und  Futter  aufpicken  kann,  es  kann  wohl  noch  sich  bücken,  der  Kopf  kann  aber 
nicht  mehr  aufgerichtet  werden,  es  tritt  Dyspnoe  ein  mit  verlangsamter  Ath- 
mung  (1),  die  Körpertemperatur  fällt  einige  Grade,  Kamm  und  Haut  werden  blan- 
roth,  der  Kopf  ist  eingezogen  und  unter  Asphyxie  tritt  der  Tod  ein.  Die  patholog.- 
anatomische  Untersuchung  hat,  wie  der  Verf.  auf  S.  216  dieser  Arbeit  und  be- 
reits früher  mittheilt,  gezeigt,  dass  man  es  mit  einer  Degeneration  der  peripheren 
Nerven  zu  thun  hat,  dass  aber  auch  am  Rückenmark  degenerative  Veränderungen 
nicht  fehlen.  Wenn  E.  als  Ueberschrift  für  seine  Arbeit  „Polyneuritis  der 
Hühner“  wählt,  die  wir  ihm  vorwerfen  wollen,  so  begeht  er  hiermit  die  erste 
Ungenauigkeit.  Bei  den  secirten  und  untersuchten  Hühnern  seiner  Experimente 
hat  er  niemals  das  Rückenmark  untersucht,  sondern  seine  patholog.-anatomischen 
Untersuchungen  nur  auf  einzelne  peripherische  Nerven  beschränkt  — Im  Jahre 
1890  wurden  die  Hülmer  des  pathol.-anat.  Laboratoriums  mit  gekochtem,  ans  der 
Lazarethküche  stammenden  Reis  gefüttert,  der  den  Thieren  einen  Tag  nach  der 
Zubereitung  verabreicht  wurde.  Vom  10.  Juni  bis  zum  20.  November  dauerte 
diese  Fütterung.  Die  von  E.  unter  den  Hühnern  beobachtete  Epidemie  fing  am 
10.  Juli  an  und  hörte  Ende  November  auf.  E.  zog  aus  dieser  Beobachtung  den 
Schluss,  dass  der  aus  der  Lazarethküche  herstammende  gekochte  Reis  die  Hühner 
krank  gemacht  hätte.  Weitere  Versuche  zeigten  nun  aber,  dass  auch  der  unge- 
kochte Reis  dieselbe  Krankheit  hervorrufen  könne.  E.  suchte  nun  die  di  recte 
Krankheitsursache  zu  ermitteln  und  stellte  eine  grosse  Anzahl  noch  näher  zu  be- 
schreibender Versuche  an,  welche  den  Beweis  liefern  sollen,  dass  die  innere 
Schale  des  Reiskornes  die  Hühner  vor  der  Polyneuritis  beschützen  könne,  während 
der  Mangel  derselben  in  der  Reisfütterung  die  Krankheit  zur  Folge  hätte. 

Zum  VerständDiss  der  folgenden  Versuche  möchte  ich  eine  kurze  Bemer- 
kung einschieben.  In  Niederländ.-Indien  werden  3 Reissorten  gebaut,  die  weisse, 
rothe  und  die  schwarze.  Das  Reiskorn  ist  bei  allen  umgeben  von  einer  äusseren 
gelblichen  und  einer  inneren  zarteren,  das  Kom  direct  umgebenden  Schale,  das 
Silberhäutchen,  die  bei  der  rothen  und  schwarzen  Sorte  pigmentirt  ist.  Beim 
Stampfen  verliert  die  weisse  Reissorte  die  Hülsen  insgesammt,  während  bei  der 
rothen  und  schwarzen  Sorte  die  innere  Schale  sehr  schwer  zu  entfernen  ist  und 
beim  einfachen  Stampfen  meist  am  Korn  hängen  bleibt. 

Die  ersten  2 Versuche  (4  Hühner)  wurden  mit  weissem,  in  destülirtem 
Wasser  gekochten  Reis  aus  dem  Lazareth  gemacht,  alle  4 Hühner  erkrankten 
nach  22,  24  und  68  Tagen.  Es  wäre  damit  der  von  Fiebig  gemachte  Einwand 
widerlegt,  dass  der  krankmachende  Stoff  mit  dem  Wasser  in  den  Körper  der 
Versuchsthiore  gelangt  sei. 

Bei  den  2 folgenden  Versuchen  wurde  ungekochter  Lazarethreis  ohne 
Schalen  verwendet  Die  Thiere  erkrankten  nach  22,  24,  30  und  40  Tagen.  In 
Versuch  5 und  6 wurden  die  Hühner  mit  frisch  gestampftem  weissen  Reis  ohne 
Schalen  gefüttert  und  zwar  wurde  der  Reis  in  Versuch  5 frisch  gekocht,  in  Ver- 
such 6 ungekocht  verabreicht.  Die  2 Hühner  von  Versuch  5 erkrankten  beide, 
dagegen  in  Versuch  6 nur  das  eine,  das  andere  konnte  den  Reis  131  Tage  ohne 
Nachtheil  vertragen.  In  Versuch  7 wurde  ein  Huhn  mit  gekochtem  weissen 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


41 


Beis  (ohne  Schalen)  gefüttert,  es  erkrankte  nach  24  Tagen.  In  Versuch  8Ä 
wurde  ungekochter,  frisch  gestampfter,  schalenloser  ßeis  gefüttert  Das  eine 
Huhn  stirbt  nach  4 Monaten  an  Nasen-  und  Kohlkopfdiphtheritia,  das  andere  wird 
nach  93  Tagen  krank;  in  Versuch  8B  wird  ungekochter  ßeis  mit  Schalen  ver- 
abreicht Das  eine  Huhn  stirbt  nach  8 Monaten  an  Nasen-  und  Kehlkopfdiphthe- 
ritis.  das  andere  stirbt  nach  ungefähr  4 Monaten  an  Diphtheritis  des  Dickdarmes. 

Es  fällt  hier  schon  auf,  auf  welchem  ungesunden  Terrain  diese  Versuche 
gemacht  wurden.  Wir  werden  für  diese  ungünstigen  hygienischen  Verhältnisse, 
unter  denen  die  E.'schen  Versuchslhiere  sich  befanden,  noch  weitere  Belege  finden. 

In  Versuch  9 sind  die  ersten  beiden  Hühner  ebenfalls  mit  ungekochtem 
weissen  ßeis  ohne  Schalen  gefüttert,  das  eino  erkrankt  nach  7 Monaten  und 
8 Tagen,  hat  also  den  ßeis  ziemlich  lange  ohne  Schaden  vertragen  können(!) 
das  zweite  nach  ungefähr  2 Monaten.  Die  beiden  andern  Hühner  desselben  Ver- 
suches wurden  mit  Schalenreis  gefüttert,  nach  6 Monaten  und  7 Tagen  wurde  der 
Versuch  beendet,  beide  Thiere  blieben  gesund.  In  Versuch  10  wurden  2 Hühner 
mit  ungekochtem  frisch  gestampften  ßeis  ohne  Schalen  gefüttert,  das  eine  er- 
krankte nach  6 Monaten  (!),  das  andere  wurde  nicht  an  Polynouritis  krank, 
sondern  starb  nach  10  Monaten,  ohne  deutliche  Kraukheitserscheinungen  gezeigt 
zu  haben,  — also  ein  Tod  ohne  Krankheit,  den  wir  noch  später  bei  andern 
Hühnern  wiederfinden.  Das  3.  und  4.  Huhn  desselben  Versuches  wurden  mit 
ungekochtem  Schalenreis  gefüttert  und  war  nach  10  Monaten  noch  gesund.  — 
ln  der  folgenden  Tabelle  fasse  ich  die  ßesultate  dieser  Versuche  noch  einmal 
kurz  zusammen: 


Womit 

gefüttert? 

Anzahl 

Hühner 

Erkrankten  wie 
lange  nach  dem 
1 Anfang  der 

Fütterung? 

Wie  lange 
gesund  ge- 
blieben? 

Gestorben 

Mit  Heis  ohne 
Schalen 

18 

Von  22  Tage  bis  \ 
7 Monate  8 Tage  ' 

1 

j ohne  deutliche 
* Krankheitser- 
scheinung vorher 

Mit  Schalen- 
reis 

6 

2 Hühner 
, 10  Monate 
* 2 Hühner 
6 Monate 

2 an  Diphtheritis 

1 

In  dieser  Versuchsreihe  Mit  auf  1.  dass  E.  mit  Ausnahme  von  Versuch  9 
niemals  die  Monate  angegeben  hat,  in  denen  die  Hühner  gefüttert  wurden,  wir 
werden  spater  sehen,  wie  wichtig  gerade  diese  Angaben  für  die  richtige  Be- 
urtheilung  seiner  Versuche  sind. 

2.  Liefern  einzelne  seiner  Krankengeschichten  den  unzweifelhaften  Beweis, 
wie  ungeheuer  schwierig  es  ist,  eine  genügende  Einsicht  in  die  klinischen  Ver- 
hältnisse einer  Hühnerkrankheit  zu  bekommen.  Bei  einer  Polyneuritis  werden 
nicht  nur  die  motorischen,  sondern,  wie  wir  dies  aus  Analogien  am  Menschon 
erwarten  dürfen,  die  sensiblen  und  vasomotorischen  Nerven  ergriffen.  Nirgends 
hören  wir  von  klinischen  Erscheinungen  am  sensiblen  und  vasomotorischen  Nerven- 
apparat. Ich  gebe  zu,  dass  dies  bei  einem  Huhn  sehr  schwierig  ist,  aber  darum 
ist  es  auch  beinahe  unmöglich,  den  ganzen  Verlauf  der  klinischen  Erscheinungen, 
die  Verschlimmerung  oder  Besserung  der  Krankheitserscheinungen  festzustellen. 
K.’b  Angaben  der  klinischen  Erscheinungen  bestehen  ausschliesslich  in  allgemeinen 


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II.  Besprechungen  und  latteratu  rangaben. 


Angaben  über  motorische  Störungen:  „Ist  paretisch“  oder  Motilitätsstörungen  zuge- 
nommen; kann  kaum  stehen,  Müdigkeit  — kann  nicht  laufen  — liegt  auf  der 
Seite  — schwach  auf  den  Füssen“  etc.,  nur  bei  2 von  den  18  erkrankten  Thieren 
wird  Dyspnoe  erwähnt,  bei  keinem  einzigen  wurde  die  Temperatur  gemessen 
und  ausser  den  motorischen  Störungen  gehört,  wie  E.  uns  beschreibt,  die  Dyspnoe 
und  die  Abnahme  der  Temperatur  zu  den  wichtigsten  Erscheinungen  im  Krank- 
heitsbilde. 

3.  Fällt  schon  jetzt  die  grosse  Länge  der  Zeit  auf,  die  nöthig  ist,  um  die 
Hühner  krank  zu  machen.  Warum  können  die  Hühner  hier,  wo  es  sich  nach  E. 
um  ein  chemisches  Gift  handelt,  den  Reis  Wochen  lang,  einzelne  Hühner  Monate 
lang  ohne  Schaden  vertragen?  E.  nimmt  bei  einem  chemischen  Gift  ein  Incuba- 
tkmsstadium  (!)  an,  nach  dessen  Verlauf  die  ersten  KTankheitserscheinungen 
sich  zeigen. 

Nun  folgen  eine  Anzahl  Versuche  (11 — 15),  wo  8 Hühner  theils  mit 
Schalenreis  gefüttert  werden  und  Monate  lang  gesund  bleiben  oder  erst  mit  Reis 
ohne  Schalen  erkranken  und  unter  Fütterung  mit  Schalenreis  besser  werden. 
Der  eine  Hahn  in  Versuch  11  hat  nicht  weniger  als  6 Monate  nöthig,  bis  es 
unter  dieser  Fütterung  mit  Schalenreis  besser  wird,  die  andern  Hühner  in  Ver- 
such 15  ungefähr  3 Monate.  Die  Krankengeschichten  sind,  wie  die  meisten  in 
der  E.’schen  Arbeit,  höchst  dürftig.  Ich  theile  hier  eine  derartige  Kranken- 
geschichte mit  „Versuch  15,  schwaches  Huhn,  Gewicht  985  Gramm,  seit  dem 
2.  Januar  mit  gekochtem  Tischreis  gefüttert,  13.  März  paretisch,  Gewicht  450  Gramm, 
von  jetzt  ab  mit  gekochtem,  weissem  Hülsenreis  gefüttert,  zunehmende  Besserung, 
10  Juni  geheilt,  Gewicht  720  Gramm.  Nun  war  es  möglich,  fährt  E.  fort,  dass 
in  der  äusseren  gelben  Schale  oder  der  innern  dünnen,  das  Korn  direct  um- 
hüllenden Schale,  Stoffe  enthalten  seien,  welche  das  Huhn  vor  einer  Vergiftung 
schützen. 

ln  Versuch  16  wurde  ein  Huhn  unter  Fütterung  mit  gekochtem  Reis  ohne 
Schalen  krank;  nachdem  die  Krankheit  ausgebrochen  war,  bekam  es  ausser  dem 
gekochten  Reis  die  innern  Reisschalen  und  zwar  am  15.  Juni.  — Am  28.  Januar, 
also  nach  7 Monaten,  ist  von  einer  langsamen  Besserung  die  Rede,  am  14.  Juni, 
also  nach  einem  Jahre,  ist  das  Huhn  geheilt(l),  allerdings  ein  glänzender  Erfolg 
mit  den  innern  Schalen! 

In  Versuch  17  erkrankt  ein  Huhn  unter  derselben  Fütterung.  E.  giebt 
dem  Huhn  Fleisch  zu  fressen,  darauf  wird  es  besser,  dann  bekommt  es  wieder 
gekochten  Reis  ohne  Schalen,  der  mit  gelben,  äusseren  Schalen  vermischt  ist,  das 
Thier  wird  kränker  und  stirbt!  In  Versuch  18  und  19  werden  3 Hühner  mit 
weissem  Reis  und  den  äusseren  gelben  Schalen  gefüttert.  Nach  4 Monaten  wird 
das  eine  Huhn,  nach  6 Monaten  das  zweite  krank,  das  dritte  stirbt  an  Croup. 

Trotz  des  Mangels  an  der  innern  dünnen  Schale  blieb  das  eine  Thier 
4 Monate,  das  andere  6 Monate  gesund. 

E.  zieht  auf  S.  234  die  folgenden  Schlüsse: 

1.  Das  Reiskorn,  von  seinen  Schalen  befreit,  bringt  bei  Hühnern  Polyneu- 
ritis  hervor. 

2.  ln  der  dünnen  inneren  Schale  besitzt  das  Reiskorn  ein  Mittel,  den 
schädlichen  Einfluss  des  Reiskornes  zu  neutralisiren,  sowie  die  ansgebrochene 
Krankheit  zu  heilen. 


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II.  Besprechuugdn  uud  Litteraturangabon.  4S 

8.  Die  Quantität  dieses  heilsamen  Stoffes  in  dieser  innern  Sclialo  ist  nicht 
so  gross,  dass  ohne  Gefahr  ein  einigermaassen  erheblicher  Theil  fehlen  darf. 

4.  Diese  innere  Schale  unterscheidet  sich  von  dem  andern  Theil  der  Reis- 
körner durch  einen  hohen  Gehalt  an  Stickstoff  und  Salzen. 

Ich  habe  dem  Leser  die  ersten  19  Versuche  E.’s  ausführlich  mitgcthcilt, 
um  ihm  Gelegenheit  zu  einem  l’rtheil  über  diese  tiefsinnigen,  aus  den  Versuchen 
gewonnenen,  soeben  wörtlich  mitgetheilten  Sätze  zu  geben.  Wie  weise  hat  es 
doch  die  Natur  eingerichtet,  dass  dieses  Gift  Millionen  von  Menschen,  die  von 
Reis  ohne  Schalen  leben,  nichts  schadet,  wie  unergründlich  sind  hier  die  Ge- 
heimnisse der  Natur,  wo  ein  chemischer  Stoff  in  der  innern  Schale  sich  mit 
einem  andern  im  Reiskorn  zu  etwas  Unschädlichem  verbindet  und  zugleich  die 
Krankheit,  d.  h.  die  degenerirten  peripheren  Nerven,  also  chemisch  veränderte 
Nerven,  in  gesunde  umzuwandeln  versteht! 

Es  ist  nur  schade,  dass  wir  in  E.’s  Arbeit  über  alle  diese  chemischen 
Stoffe,  auch  über  die  in  andern  pflanzlichen  Nahrungsmitteln  vermutheten  und 
Polyneuritis  hervorbringenden,  da  nichts  Näheres  erfahren,  und  dass  E.  auch  nicht 
erklärt,  in  welcher  Weise  er  diesen  auf  die  degenerirten  Nerven  behaupteten, 
günstigen  Einfluss  sieh  vorstellt. 

Zwischen  die  Versuche  mit  Hühnern  ist  der  Versuch  20  mit  2 Tauben 
eingeschaltet,  welche  mit  gekochtem  Reis  ohne  Schalen  gefüttert  wurden,  und  der 
besonders  dadurch  interessant  ist,  dass  beide  Thiere  plötzlich  sterben,  ohne  deut- 
liche Krankheitserscheinungen  gezeigt  zu  haben;  bei  der  einen  Taube  ist  im  Ischia- 
dicus  ausgebreitete  Degeneration,  bei  der  andern  ist  weder  im  Ischiadicus,  noch 
im  Vagus  Degeneration  nnchzuweisen,  bei  der  einen  bestand  demnach  nach  E. 
Polyneuritis,  bei  der  andern  nicht.  Auch  hier  sieht  man,  dass  das  Erkennen 
einer  Vögelkrankheit,  speciell  einer  Polyneuritis,  mit  grossen  Schwierigkeiten  ver- 
bunden ist. 

Nun  konnte  man  sich  nach  E.  die  schädliche  Wirkung  der  Reiskörner 
ohne  innere  Schale  auf  folgende  Weise  denken.  Da  die  letztere  bedeutende 
Mengen  Stickstoff  und  Salze  enthält,  so  war  es  möglich,  dass  eine  Herabsetzung 
von  Salzen  und  Stickstoff  in  der  Nahrung  die  Ursache  der  Polyneuritis  sei,  da 
verschiedene  Forscher,  wie  Förster  u.  A.,  bei  Thierversuchen  feststellten,  dass 
z.  B.  Entziehung  der  Salze  eigenthümliehe  Krankheitserscheinungen  nach  sich 
zöge.  In  Versuch  21  wurden  2 Hühner  mit  ungekochtem  Reis  mit  Schalen  ge- 
füttert, die  Menge  des  Futters  wurde  von  50 — 10  Gramm  täglich  vermindert  Es 
wurde  die  interessante  Thatsache  festgestellt,  dass  dio  Thiere  abmagerten,  die 
eine  Henne  starb  am  59.  Tage,  bei  der  andern  wurde  mit  dem  Versuch  nach 
66  Tagen  aufgehört,  bei  6 Haut-  und  Muskelnerven  der  Gestorbenen  wurde  keine 
Nervendegeneration  gefunden.  In  Versuch  22  wurden  2 Hühner  mit  Schalenreis 
gefüttert,  sie  nahmen  an  Gewicht  zu,  dann  entzog  E.  ihnen  jegliche  Nahrung, 
sie  bekamen  nur  Trinkwasser,  es  ergab  sich  die  interessante  Thatsache,  dass  die 
eine  von  940  bis  570  Gramm  innerhalb  40  Tageu  abmagorte,  die  andere  starb  unter 
Erscheinungen  von  Schwäche  und  niedriger  Temperatur  (zwei  Erscheinungen,  die, 
wie  wir  früher  von  E.  gehört  haben,  zu  dem  klinischen  Bilde  der  Polyneuritis 
gehören);  Nerven  waren  nicht  degenerirt;  auf  wie  viele  Nerven  die  Untersuchung 
sich  erstreckt  hat  wird  nicht  gesagt.  E.  zieht  aus  diesen  Versuchen  den  Schluss, 
dass  eine  quantitativ  ungenügende  Menge  Futter  Polyneuritis  bei  Hühnern  nicht 
hervorrufe.  Die  beiden  Hühner,  welche  in  diesen  Versuchen  am  Leben  bliebe  n. 


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44 


II.  Besprechungen  und  Ijttera  tu  rangaben. 


wurden  nur  bis  zum  40.  und  66.  Tago  beobachtet;  da  wir  früher  gehört  haben,  dass 
die  Polyneuritis  sich  selbst  nach  93  Tagen,  ja  nach  6 und  7 Monaten  noch  zeigt, 
so  können  diese  beiden  Beobachtungen  zur  Beurtheilung  nicht  verwandt  werden, 
es  bleiben  also  nur  2 Beobachtungen  übrig;  man  sieht,  aus  wie  vielen  sicheren 
Beobachtungen  E.  bisweilen  allgemeine  Schlüsse  zieht 

In  Versuch  23  wurden  2 Hühner  mit  Tapioca  (brasilian.  Arrowroot)  ge- 
füttert, eine  Mehlsorte,  welche  sehr  wenig  Salze  und  Stickstoff  enthält;  also  auch 
hier  wurden,  wie  in  den  vorigen  Versuchen,  ungenügende  Mengen  Salze  und 
Stickstoff  verabreicht;  trotzdem  erkranken  die  Hühner  an  Polyneuritis.  E.  theilt 
nach  diesem  Versuch  mit,  dass  noch  12  Hühner  mit  Tapiocafütterung  an  Poly- 
neuritis erkrankten. 

Dann  folgen  Versuche,  in  denen  die  mit  Tapioca  krank  gemachten  Hühner 
durch  Zufuhr  von  Eiweiss  und  Salzen  besser  weiden. 

In  Versuch  24  wurden  2 Hühner  mit  Tapioca  gefüttert,  das  eine  erkrankte 
23,  das  andere  32  Tage  nach  Beginn  der  Fütterung,  beide  bekamen  nun  unge- 
kochtes Fleisch,  das  eine  zeigt  nach  einem  Tage  Besserung,  das  andere  stirfc* 
nach  zwei  Tagen.  Dieser  Versuch  wurde  wiederholt  mit  dem  Oesammtresultat, 
dass  von  6 Hühnern,  welche  mit  Tapioca  krank  geworden  waren,  unter  Fleisch- 
fütterung 4 besser  wurden.  Fleisch  ist  nach  E.  das  beste  Mittel,  um  Hühner 
bei  schwerer  Erkrankung  am  Leben  zu  erhalten,  ln  Versuch  25  wurden  die  ersten 
beiden  Hühner  mit  50  Gramm  Tapioca  täglich  und  Bouillon  von  50  Gramm  Fleisch 
krank  gemacht,  die  nächstfolgenden  zwei  mit  50  Gramm  Tapioca  und  25  Gramm 
aasgekochtem  Fleisch,  die  darauf  folgenden  4 mit  50  Gramm  Tapioca  und 
25  Gramm  uDgekochtem;  diese  letzten  4 Hühner,  welche  also  täglich  ungekochtes 
Fleisch,  ein  nach  E.  ansgezeichnetes  Mittel,  um  die  Heilung  der  Krankheit  zu 
unterstützen,  bereits  bekommen,  wurden,  nachdem  die  Krankheit  sich  entwickelt 
hatte,  nur  mit  ungekochtem  Fleisch  gefüttert,  trotz  diesem  hervorragenden  Mittel 
starben  3 Hühner,  das  eine  kam  mit  dem  Leben  davon. 

ln  Versuch  26  wurde  eine  Henne  mit  Tapioca  und  rohem  Fleisch  krank 
gemacht,  unter  seiner  Fleichfütterung  zeigte  dieselbe  nach  4 Tagen  (!)  bereits 
deutliche  Besserung.  Dann  wurden  3 Hühner  nur  mit  ungekochtem  Fleisch  ge- 
füttert, das  eine  stirbt  ohne  deutliche  Krankheitserscheinungen  gezeigt  zu  haben. 
Nerven  wurden  nicht  untersucht!!!  Die  zweite  ist  sehr  schwach,  doch 
zeigt  keine  Motilitätsstörungen ! Am  Schluss  der  Krankheitsgeschiehte,  die  aus  IS 
'Worten  besteht,  findet  sich  dann  kurz  und  bündig:  Untersuchung  der  spinalen 
Nerven  nach  Marchi:  Keine  Degeneration.  Die  3.  Henne  wird  als  krank  be- 
zeichnet, aus  ihrem  Schnabel  läuft  Flüssigkeit,  sie  zeigt  aber  nicht  die  Er- 
scheinungen!?) der  Polyneuritis,  plötzlich  stirbt  sie;  auch  hier  werden  an  den  spi- 
nalen Nerven  degenerative  Processe  nicht  gefunden.  — Wie  viel  Nerven  unter- 
sucht wurden,  wird  nicht  erwähnt  In  Versuch  27  wurde  ein  Hahn  mit  Tapioca 
und  äusseren  und  inneren  Reisschalen  gefüttert,  dieses  Thier  zeigte  im  3.  Monat 
Lähmungserscheinungen  und  stirbt;  hier  haben  also  die  innem  Schalen  nicht  nur 
das  Auftreten  der  Krankheit,  sondern  auch  den  exitus  letalis  nicht  zu  verbinden 
vermocht  Das  Letztere  hätte  man  doch  wenigstens  von  den  innern  Reisschalen, 
auch  wenn  sie  nicht  in  genügender  Menge  gegeben  wurden,  erwarten  können. 

In  Versuch  28  wurden  2 Hühner  mit  dem  Mehl  der  Arekpalme  krank 
gemacht,  das  eine  Huhn  wird  unter  Fütterung  mit  Schalenreis  nach  2 Monates 
geheilt,  das  andere  stirbt,  ohne  dass  Versucho  seiner  Heilung  gemacht  wurden. 


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II.  Besprechungen  und  Litterahirangaben. 


45 


In  Versuch  29  wurden  4 Flühner  mit  Sagokuchen  (zubereitet  aus  dem 
Mehl  der  Sagopalme)  gefüttert  und  erkrankten,  drei  wurden  dann  unter  Fütterung 
mit  rothem  Schalenreis  nach  1 und  IV»  Monaten  besser,  das  4.  starb,  ohne  dass 
rother  Reis  gefüttert  wurde. 

In  Versuch  31  wurden  2 Hühner  mit  europäischem  Kartoffelmehl  gefüttert, 
das  eine  Thier  wird  schwach  und  liegt  auf  der  Seite  (!),  das  andere  ist  krank 
und  schwach,  jedoch  zeigt  es  keine  Motilitätsstörungen,  beide  sterben  den  E. 'schon 
Versuchsthiertod;  in  einer  Anzahl  peripherer  Nerven  wurden  degenerirte  Nerven 
nicht  gefunden. 

In  Versuch  82  erkranken  2 Hühner  unter  Fütterung  mit  gekochtem  Reis, 
das  eine  wird  unter  Fütterung  mit  Fleisch  und  Kartoffelmehl  besser,  das  zweite 
stirbt  unter  derselben  Fütterung. 

Aus  diesen  letzten  Versuchen  schliesst  E.,  dass  die  Thiore  unter  Fütterung 
mit  Kartoffelmehl  zu  Grunde  gehen,  ohne  eine  Spur  von  Polyneuritis  zu  zeigen, 
und  dass  ein  mit  Reisfütterung  krank  gemachtes  Huhn  mit  Kartoffelmehl  imd 
Fleisch  geheilt  wird,  von  dem  andern,  welches  gestorben,  schweigt  er. 

In  Versuch  83  wird  ein  Hahn  und  eine  Henne  unter  Fütterung  mit  ge- 
kochtem Reis  ohne  Schalen  nach  13  Tagen  und  ungefähr  1 Monat  krank,  als 
die  ersten  Krankheitsorscheinungen  fnstgestellt  waren,  bekam  der  Hahn  Tapioca 
mit  etwas  Fleisch,  die  Henne  Tapioca  mit  Fleisch,  die  letzte  zeigt  innerhalb 
zweier  Monate  zunehmende  Besserung,  bis  sie  unter  derselben  Fütterung  wieder 
Lähmungserscheinungen  zeigt,  der  Zustand  also  schlimmer  wird,  nun  bekommt 
sie  gekochten  Reis  ohne  Schalen,  der  nach  E.  Polyneuritis  hervorruft,  sie  wird 
also  absichtlich  noch  kränker  gemacht,  und  zum  Schluss  wird  das  Thier  getödtet. 
Nerven  oder  andere  Theile  wurden  nicht  untersucht.  E.  erwähnt  nur,  dass  sie 
getödtet  wurde. 

Weshalb,  fragt  man  sich,  wurde  dieses  Thier  getödtet?  Es  hat  natürlich 
jeder  Experimentator  das  Recht,  soviel  Versuchsthiere  zu  tödten,  soviel  er  will, 
aber  es  macht  einen  eigentümlichen  Eindruck,  wenn  dies  ohne  Grund  geschieht, 
denn  man  kann  hier,  wo  es  sich  um  eins  der  fettesten  Versuchsthiere  handelt  — 
die  Henne  wog  1787  Gramm  — nicht  annehmen,  dass  dieselbe  zu  etwas  Schmack- 
hafterem verwendet  wurde.  — Der  Hahn  von  Versuch  88  wurde  mit  Tapioca 
und  Fleisch,  welches  in  Versuch  24  4 Hühner  krank  gemacht  hatte,  besser,  bis  der 
Zustand  sich  plötzlich  wieder  verschlimmerte,  dann  bekam  er  nur  Fleisch  zu 
fressen,  welches  nach  E.  das  beste  Mittel  gegen  Polyneuritis  ist,  danach  wurde 
der  Zustand  erst  schlimmer,  dann  besser,  und  nun  bekam  er  Kartoffelmehl  und 
Fleisch,  bis  das  Thier  nach  weiteren  4V»  Monaten(!)  geheilt  war. 

In  Versuch  34  erkrankte  ein  Huhn  unter  Fütterung  mit  gekochtem  Reis 
ohne  Schalen;  nach  dem  Krankheitsbeginn  bekam  es  Fleisch  und  einen  halben 
Monat  danach  gekochte  Kartoffeln  mit  etwas  Fleisch,  es  wurde  allmälig  besser, 
bis  es  nach  7 Monaten(')  geheilt  war. 

In  Versuch  85  wurde  1 Huhn  mit  gekochtem  Reis  ohne  Schalen  krank 
gemacht,  es  wurde  mit  selbstbereitetem  Kartoffelmehl  und  ungekochtem  Fleisch 
gefüttert,  starb  jedoch  unter  dieser  Fütterung,  das  zweite  wurde  von  Anfang  an 
mit  selbstbereitetem  Kartoffelmehl  und  rohem  Fleisch  gefüttert,  bis  zum  21.  Januar 
war  es  gesund,  plötzlich  starb  es  — Degeneration  peripherer  Nerven  wurde  nicht 
gefunden.  — Da  keine  Krankheitserscheinungen,  wie  uns  E.  mittheilt,  beobachtet 
wurden,  so  starb  es  mit  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  den  E.’schen  Vorsuchs- 


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46 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


thiertod.  Während  in  Versuch  35  bei  dem  ersten  Huhn  Kartoffelmehl  und  rohes 
Fleisch  den  Tod  nicht  verhindern  tonnten,  blieben  in  Versuch  36  zwei  Hähne 
unter  Fütterung  mit  Kartoffelmehl  4l/i  Monate  lang  gesund,  ln  Versuch  37 
wurde  ein  Hahn  mit  selbstbereitetem  Arekpalmenmehl  und  ungetochtem  Fleisch 
krank  gemacht.  — In  Versuch  38  wurden  2 Hühner  mit  50  Gramm  Milchzucker 
und  25  Gramm  ungekochtem  Fleisch  täglich  gefüttert,  nach  10Vt  Monat  sind 
beide  Thiere  noch  gesund. 

In  Versuch  39  und  40  wurden  4 Hühner  mit  gegohrenem  Reis  gefüttert, 
das  eine  Huhn  ist  unter  Fleischfütterung,  das  andere  unter  Schalenreisfütterung 
geheilt  — die  beiden  andern  starben,  obwohl  das  eine  mit  Schalenreis  ge- 
füttert wurde. 

In  Versuch  41  wurde  einer  Henne  täglich  2 Cubikcentimeter  Milchsäure 
in  den  Kropf  gegossen,  ausserdem  mit  Schalenreis  täglich  20  Gramm,  später  mit 
nur  10  Gramm  gefüttert,  sio  bleibt  2 Monate(!)  gesund. 

In  Versuch  42  wurden  2 Hühner  mit  gekochtem  Reis  ohne  Schalen  und 
Kreidepulver  gefüttert,  beide  erkranken,  beide  heilen  unter  Fleischfütterung. 

In  Versuch  43  wurden  2 Hühner  mit  25  Gramm  Schalenreis  gefüttert. 
Ausserdem  wurde  ihnen  5 Cubikcentimeter  Spiritus  oryzae  mit  45  Cubikcentimeter 
Wasser  in  den  Kropf  gegossen,  sie  bleiben  4*/,  Monat  gesund  (!),  dann  bekommen 
sie  im  October  gekochten  Reis  ohne  Schalen  und  erkranken  im  November. 
Monate,  die,  wir  wir  später  sehen  werden,  für  eine  Erkrankung  an  Polyneuritis 
sehr  günstig  sind. 

In  Versuch  45  wird  2 Hühnern  ein  Destillat  vom  Kropfinhalt  eines  an- 
deren Huhnes  und  zwar  50  Cubikcentimeter  in  den  Kropf  gegossen  und  dabei 
Schalenreis  gefüttert  Mitte  October  bekommen  beide  Thiere  gekochten  Reis 
ohne  Schalen,  Mitte  November  werden  beide  krank,  das  eine  bekommt  dann 
nach  dem  Beginn  der  Krankheit  Fleisch  und  syrupus  simplex  (2x20  Cubikcenti- 
meter mit  Wasser  in  den  Kropf  gegossen)  und  heilt,  das  andere  stirbt  unter 
Fütterung  mit  Schalenreis  und  syrup.  simplex. 

Die  folgenden  Versuche  sind  mit  Meerschweinchen,  Affen  und  einer  Eule 
gemacht  und  können  hier,  wo  es  sich  um  Polyneuritis  der  Hühner  handelt  ausser 
Betracht  bleiben. 

E.  hat  also  mit  folgenden  pflanzlichen  Nahrungsmitteln  bei  Hühnern 
Polyneuritis  hervorgebracht 

1 : Mit  gekochtem  und  ungekochtem  Reis  ohne  innere  Schalen. 

2:  Mit  Tapioca. 

8 : Mit  Tapioca  und  Fleischbouillon,  mit  Tapioca  und  ausgekochtem  Fleisch 
und  mit  Tapioca  und  ungekochtem  Fleisch. 

4:  Mit  Satzmehl  der  Arekpalme. 

5:  Mit  ambonesischem  Sagokuchen. 

6:  Mit  in  Gährung  befindlichem  Reis. 

7 : Mit  europäischem  Kartoffelmehl  und  ungekochtem  Fleisch. 

8 : Mit  gekochtem  Reis  nnd  Kreidepulver,  also  so  ziemlich  mit  den  meisten 
Stoffen,  mit  denen  er  experimentirt  hat!  Es  ist  nicht  nur  in  dem  Reiskorn, 
sondern  auch  in  dem  Mehl  der  Arekpalme,  der  Sagopalme,  im  in  Gährung  befind- 
lichen Reis,  in  den  Kartoffeln  ein  giftiger  Stoff,  der  bei  Hühnern  Polyneuritis 
hervorbringt,  es  ist  nicht  nur  in  der  innem  Reisschale,  sondern  auch  im  Fletsch 
— welche  Sorte  wird  nicht  näher  angegeben  — der  neutralisirende  und  die  de- 


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II.  Besprechungen  und  Litteiaturangabcn. 


47 


generirten  Nerven  heilender  Stoff  vorhanden.  Die  Schlüsse,  welche  E.  aus  diesem 
heilenden  Einfluss  der  innem  Reisschalen  aus  seinen  Untersuchungen  zieht,  sind 
auf  2 Wegen  gewonnen.  1.  Er  fütterte  eine  Anzahl  Hühner  eine  Zeit  lang  mit 
Schalenreis  und  beobachtete,  dass  sie  nicht  an  Polyneuritis  erkrankten.  2.  Er 
fütterte  erkrankte  Thiere  mit  Schalenreis  und  beobachtete,  dass  sie  gesund 
wurden. 

Was  den  ersten  Punkt  betrifft,  so  wurden  14  Versuche  mit  Fütterung 
von  Schalenreis  gemacht 

E.  hat  uns  bei  andern  Versuchen  mit  schalenlosem  Reis  gezeigt,  dass  diu 
Krankheit  erst  nach  6 bis  7 Monaten  (Versuch  9 und  10)  ausbrechen  kann.  — 
Unter  diesen  14  Versuchsthieren  befinden  sich  8 Hühner,  bei  denen  die  Be- 
obachtungszeit 6 Monate  nicht  überschritt,  3 davon  (Versuch  8B  und  Versuch  19) 
starben  nach  4 und  6 Monaten  an  Nasen-  und  Kehlkopferkrankungen,  bei  den 
andern  5 war  es  nicht  unmöglich,  dass  die  Krankheit  noch  auftreten  konnte,  wie 
dies  in  Versuch  9A  geschah,  wo  die  eine  Henne  nach  7 Monaten  8 Tagen  pare- 
tische  Erscheinungen  zeigte. 

Von  den  andern  6 Hühnern  (Versuch  18,  19,  27),  die  mit  Schalenreis  ge- 
füttert wurden,  erkrankten  3 an  Polyneuritis,  die  eine  bekam  zugleich  Tapioca, 
2 starben  von  diesen  3,  es  bleiben  also  als  Beweis  nur  3 reine  Versuche  übrig, 
bei  denen  die  Hühner  10  Monate  gesund  erhalten  wurden. 

Was  den  2.  Punkt,  die  Heilung  an  Polyneuritis  erkrankter  Hühner  mit 
Schalenreis  betrifft,  so  sind  au  12  Hühnern  Versuche  angestellt.  Bei  9 Hühnern 
wurde  in  l'/t — 3 Monaten  Heilung  erzielt,  bei  einem  Huhn  nach  6 Monaten,  bei 
einem  nach  11  Monaten,  eins  starb.  Wir  wollen  hier  der  Schwierigkeit  in  der 
Diagnose  der  Polyneuritis  der  Hühner  gedenken,  speciell  der  Untersuchung  sen- 
sibler und  vasomotorischer  Störungen.  Wann  ist  ein  Huhn  von  Abweichungen 
in  der  sensiblen  oder  vasomotorischen  Sphäre  geheilt?  E.  vernachlässigt  diese  Seite 
der  Untersuchung  und  erklärt  meist  ein  Huhn  für  geheilt,  wenn  es  wieder  laufen 
kann.  Man  muss  zugeben,  dass  die  Heilung  doch  immerhin  eine  ganze  Zeit  in 
Anspruch  nahm.  Controlversuche  an  erkrankten,  die  zur  selben  Zeit  mit 
einem  anderen  Futterstoff  ernährt  wurden,  fehlen.  Von  den  21  Versuchsthieren, 
welche  an  Polyneuritis  starben,  trat  bei  17  nach  1 — 6 Tagen  nach  der  Diagnose 
„Polyneuritis“  der  Tod  ein,  bei  einem  nach  9 Tagen,  bei  einem  andern  nach 
12  Tagen,  nach  19  Tagen  und  nach  l'/>  Monaten.  Es  Ist  hier  auffallend,  dass 
E.  bei  diesen  schweren  Erkrankungen  nur  bei  1 Huhn  den  Versuch  gemacht, 
den  günstigen  Einfluss  der  Reisschalen  festzustellen,  diese  Erkrankungen 
schwerer  Art  wären  hierfür  sehr  geeignet  gewesen. 

E.  experimentirte  auf  einem  sehr  ungesunden  Terrain;  eino  ganze  Anzahl 
seiner  Hühner  starb  an  Nasen-  und  Kelilkopfdiphtheritis,  sowie  an  dem  E.’schen 
Versuchsthiertod.  Nun  wird  man  ohne  weiteres  zugeben  können,  dass  das  Gift, 
welches  eine  Nasen-  oder  Kehlkopfdiphtheritis  bei  den  Hühnern  hervorgebraeht 
hat,  mit  der  Luft  in  den  Körper  des  Thieres  gelangte,  und  es  lag  nahe  daran,  zu 
denken,  ob  dies  nicht  auch  bei  der  Polyneuritis  stattgefunden  haben  könne. 
Wir  hätten  Controluntersuchungen  ausserhalb  des  Hühnerhofs  feststellen 
müssen.  Ein  fernerer  Beweis,  in  welchen  ungünstigen  hygienischen  Verhält- 
nissen die  Versuchsthiero  sich  befanden,  beweist  die  Abnahme  des  Gewichtes. 
Von  58  Hühnern,  bei  denen  genauere  Angaben  hierüber  vorliegen,  zeigten  50 
Gewichtsverlust  und  zwar  nicht  nur  die  erkrankten,  sondern  auch  die  gesund 


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48 


TI.  Besprechungen  und  Litteraturangahen. 


gebliebenen  und  zwar  letztere  mit  71®/«-  Abgesehen  von  den  kurzen,  ober- 
flächlichen, das  Krankheitsbild  der  Polyneuritis  auch  nicht  im  Entferntesten  zum 
Ausdruck  bringenden  Krankengeschichten,  sei  hier  besondere  auf  den  Mangel  des 
Datum  hingewiesen;  der  Monat,  in  dem  der  Versuch  gemacht  wurde,  ist  nur  bei 
einer  beschränkten  Anzahl,  unter  49  25 mal  angegeben,  das  Jahr  niemals,  ln 
den  Versuchen  mit  Angabe  des  Monates  wurden  die  Hühner  in  den  verschiedenen 
Monaten  wie  folgt  krank: 


Januar 

5 

Juli 

4 

Februar 

— 

August 

— 

März 

4 

September 

1 

April 

2 

October 

1 

Mai 

4 

November 

b 

Juni 

3 

Dezember 

9 

Demnach  erkrankten  von  39  Hühnern  19,  also  ungefähr  50%,  in  den  Monaten 
November,  December  und  Januar.  Unter  15  Hühner,  welche  an  Polyneuritis 
starben  und  bei  denen  nähere  Angaben  hinsichtlich  des  Datums  angegeben  sind, 
starben  8 in  den  Monaten  November,  December  und  Januar,  die  anderen  7 in 
den  übrigen  9 Monaten.  Nun  hat  allerdings  E.  einen  Theil  seiner  Versuche  im 
November  angefangen  (35®/0),  die  andern  65®/,  fallen  in  die  Monate  März  bis 
August.  Es  erklärt  dies  aber  keineswegs  eine  so  auffallende  procentäre  Er- 
krankungsziffer der  Monate  November  bis  Januar.  Es  haben  demnach  eine  An- 
zahl Hühner  mit  der  Erkrankung  gewartet,  bis  die  Monate  November,  December 
oder  Januar  eintraten  (Versuch  9.)  Hier  ist  zweifellos  ein  zeitliches  Moment  zu 
vermuthen,  und  ein  umsichtiger  Experimentator  hätte  durch  richtige  Control- 
vereuche  diese  Frage  zu  entscheiden  versucht  Ich  habe  diese  Versuche  ab- 
sichtlich etwas  ausführlich  besprochen,  da  E.  in  verschiedenen  holländischen  ge- 
lehrten Gesellschaften  Vorträge  über  dieselben  gehalten  hat  und  weil  von  ihm 
auch  dem  deutschen  ärztlichen  Publikum  in  Virchow’s  Archiv  eine  kurze  Ueber- 
sicht  gegeben  ist,  die  dem  Leser  nicht  die  Gelegenheit  gibt  ein  selbstständiges 
Urtheil  zu  fällen.  Die  E.’sche  Arbeit  zeichnet  sich  aus  durch  eine  Masse  sich 
widersprechender  Versuche,  voll  von  Beobachtungen,  die  die  grösste  Oberfläch- 
lichkeit und  Ungenauigkeit  an  den  Tag  legen  und  denen  ebensolche  Schluss- 
folgerungen zur  Seite  stehen,  sie  zeigt  einen  gänzlichen  Mangel  an  wohldurch- 
dachten und  richtig  angelegten  Controlversuchen  und  wenn  man  bedenkt,  dass 
E.  zu  dieser  Arbeit  6 Jahre  nöthig  hatte,  dann  muss  dieselbe  als  das  dürftigste 
Produkt  bezeichnet  werden,  welches  von  einem  Leiter  eines  wissenschaftlichen 
Institutes  in  der  Literatur  gefunden  werden  dürfte. 

Das  ist  der  Fluch  der  bösen  That,  dass  sie  fortzeugend  Böses  muss  ge- 
bären, das  sieht  man  an  der  E.’schen  Arbeit  im  Zusammenhang  mit  der  folgen- 
den, zu  deren  Besprechung  wir  nun  übergehen. 


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n.  Besprechungen  und  Litteraturangabcn. 


49 


Onderzoek  naar  het  verband  tusechen  den  aard  der  rystvoeding  in  de 
gevangeniasen  op  Java  en  Madoera  an  het  voorkomen  van  Beri-Beri  onder 
de  geintemeerddn,  door  Vordermann 

besprochen  von  Dr.  Glogner,  stadsgeneesheer  te  Same  rang. 

Inspecteur  van  den  burgerlyk  geneeskundigen  dienst  voor  Java  en  Madoeia. 

In  der  Einleitung  theilt  uns  Vordermann  mit,  dass  er  theils  durelr  die 
Experimente  von  Eykmann,  theils  durch  seine  eigenen  Erfahrungen  über  den  Zu- 
sammenhang der  Beri-Beri  in  den  Gefängnissen  mit  der  Ernährung  auf  besondere 
Veranlassung  der  holländischen  Regierung  im  Jahre  1896  eine  Dienstreise  durch 
Java  und  Madura  gemacht  habe,  um  die  Ernährungsverhältnisse  der  Gefangenen, 
sowie  die  hygienischen  Verhältnisse,  unter  denen  dieselben  leben,  einer  näheren 
Untersuchung  zu  unterziehen.  Aus  den  verschiedenen  Gefängnissen  sammelte  er 
Reisproben  und  schickte  dieselben  zur  näheren  Untersuchung  nach  Batavia. 

Im  II.  Abschnitt  wird  des  Näheren  die  Ernährung  in  den  Gefängnissen 
und  ihre  Beziehung  zur  Beri-Beri  sowie  die  Volksemährung  auf  Java  und  Madura 
im  Allgemeinen  besprochen.  Reis  ist  überall  in  den  Gefängnissen  wie  unter  der 
Bevölkerung  Javas  das  Hauptnahrungsmittel.  Es  werden  8 Reissorten  angebaut, 
die  weisse,  rothe  und  schwarze,  von  denen  die  letztere  nur  in  beschränktem 
Uaasse  vorkommt  Das  Reiskorn  ist  umgeben  von  der  inneren  dünnen  und  über 
dieser  von  der  gelben  dicken,  sichtbaren  Schale;  die  innere  Schale  sitzt  bei  den 
verschiedenen  Reissorten  verschieden  fest  auf  dem  Koro,  bei  der  rothen  Sorte 
viel  fester  als  bei  der  weissen.  Die  Javanen  bergen  den  Reis  nach  der  Ernte  in 
kleinen  Garben  und  befreien  nur  soviel  Reis  von  den  Schalen,  soviel  sie  für  den 
Bedarf  einiger  Tage  nöthig  haben.  Die  Lieferanten,  welche  für  die  Gefängnisse 
Javas  und  Maduras  Reis  liefern,  heben  ihren  Vorrath  in  Säcken  auf.  Oefter» 
wird  derartiger  Reis  mit  Kalk  vermischt  In  keiner  der  aus  den  Gefängnissen 
stammenden  Reissorten  wurde  Kalk  nachgewiesen. 

Nachdem  der  Verf.  die  verschiedenen  Methoden  des  Reisstampfens  be- 
schrieben hat,  theilt  er  einige  Reactionen  der  innere  Schale  auf  verschiedene 
Reagentien  mit;  mit  Natronlauge  färbt  sich  dieselbe  z.  B.  gelb.  Nach  V.  er- 
nähren sich  die  Bewohner  Javas  zum  grossen  Theil  von  Reis  mit  Schalen,  mit 
Ausnahme  der  Einwohner  in  den  Hauptstädten,  sowie  der  chinesischen  und  ara- 
bischen Einwanderer. 

Ausser  Javareis  wird  noch  Reis  aus  Saigon,  Bangkok  und  Rangun  gegessen, 
dieser  eingeführte  Reis  ist  immer  von  den  Schalen  befreit.  Der  Siamreis  ist 
stabförmig  länglich,  Saigonreis  sieht  dem  Javareis  ähnlich,  Reis  aus  Rangun  ist 
kurz  und  dick.  Photographieen  machen  diesen  Unterschied  deutlich.  In  97  Ge- 
fängnissen wurde  der  Reis  durch  heisse  Dämpfe  weich  und  geniessbar  gemacht, 
in  3 Gefängnissen  wurde  er  gekocht  Der  rothe  Reis  besitzt  einen  anderen  Ge- 
schmack als  der  weisse.  Der  ausländische  Reis  soll  weniger  schmackhaft  söin 
als  der  Javareis.  Nach  V.  ist  Reis  mit  inneren  Schalen  wegen  des  grossen 
Gehaltes  an  Eiweiss  und  Fett  schwerer  zu  verdauen  als  Reis  ohne  Schalen 
wegen  der  grossen  Arbeit,  die  er  an  die  Verdauungsorgane  stellt  (!).  Doch 
kommen  nach  ihm  in  den  Gefängnissen,  wo  Schalenreis  gegessen  wird,  nicht 
mehr  Digestionsstürungen  vor  als  in  den  andere,  wo  Reis  ohne  Schalen  genossen 
wird.  Der  Javaner  geniesst  ausser  dem  Reis  noch  eine  Anzahl  Nebenspeisen, 
beim  Gefangenen  ist  wegen  des  Mangels  an  genügenden  Nebenspeisen  die  Er- 
Archiv  t.  Schiffs-  u.  Tropenbygiene.  EL  4 


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60 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


nührung  deshalb  eintöniger,  er  bekommt  wohl  mehr  Fleisch  als  der  Dorfbewohner. 
Der  ausländische  Reis  wird  meist  in  Ostjava  gegessen,  Mais  bildet  die  Haupt- 
nahrung auf  Madura  und  den  in  Ostjava  angesiedelten  Maduresen,  sowie  im  Tetiger- 
gebirge  Ostjavas.  Es  folgt  dann  eine  Beschreibung  der  Maiscultur.  Die  Mais- 
kolben werden  ebenso  wie  die  Reisgarben  aufgehoben.  Jeder  Gefangene  erhält 
täglich  750  Gramm  Reis,  20  Gramm  Salz,  250  Gramm  Büffel-  oder  Rindfleisch 
öfter  120  Gramm  getrockneten  Fisch  oder  120  Gramm  getrooknetes  Fleisch. 
1D8  Gramm  Gemüse,  s(ianischen  Pfeffer,  Zwiebeln. 

In  den  Gefängnissen  Javas  und  Maduras  werden  verschiedene  Kategorien 
von  Reis  verabreicht,  nämlich 

1:  rother  Reis  (mit  innerer  Schale), 

2:  rother  Reis  vennengt  mit  weissem  Javareis  mit  innerer  Schale, 

8:  weisser  Javareis  mit  innerer  Schale, 

4:  weisser  Javareis  ohne  innere  Schale, 

5:  ausländischer  weisser  Reis  (stets  ohne  innere  Schale). 

V.  theilte  uns  nun  auf  S.  82  mit,  dass  unter  den  Gefangenen,  welche 
Reis  mit  inneni  Schalen  genossen,  nur  0,009  % au  Beri-Beri  erkrankten,  während 
diejenigen,  welche  Reis  ohne  Schalen  assen,  mit  2,79*/«  erkrankten;  diejenigen, 
welche  theilweise  die  innem  Schalen,  aber  nicht  in  genügender  Weise,  zu  sich 
nahmen,  erkrankten  0,24%  an  Beri-Beri. 

In  Bankalan  auf  Madura  wird  Reis  mit  Schalen  verabreicht,  hier  wurde 
trotzdem  Beri-Beri  beobachtet,  in  der  Zeit,  über  welche  sich  die  Beobachtungen 
V.’s  erstrecken,  — es  sind  dies  meist  in  einzelnen  Fällen  IV,  Jahre!  — kamen 
im  Gefängniss  zu  Bankalan  5 Fälle  von  Beri-Beri  vor.  Von  diesen  5 war  der  eine 
11,  die  anderen  50,  129,  232,  288  Tage  im  Gefängniss,  bevor  die  ersten  Erschei- 
nungen auftraten.  Die  beiden  ersten  Fälle  sind  demnach  nach  V.  vor  ihrer  Auf- 
nahme in’s  Gefängniss  erkrankt,  da  Beri-Beri  auch  unter  den  Einwohnern  Bankalans 
vorkommt  und  die  Incubntionszeit(!),  wie  derVerf.  uns  später  zu  zeigen  gedenkt. 
111  Tage  dauert.  Auf  einer  Karte  giebt  der  Verf.  eine  graphische  Darstellung 
des  Vorkommens  der  Beri-Berikrankheit  in  den  verschiedenen  Gofängnissen  Javas 
und  Maduras,  aus  welcher  hervorgeht,  dass  in  37  Gefängnissen  in  einem  Zeit- 
raum von  IV,  Jahren,  wo  Reis  mit  innem  Schalen  als  Ernährung  diente,  nur 
in  einem  Gefängniss  die  Krankheit  vorkam,  während  von  51  Gefängnissen,  wo 
Reis  ohne  innere  Schalen  gegeben  wurde,  in  86  Beri-Beri  sich  zeigte,  in  13  Ge- 
fängnissen. wo  eine  Mischung  von  Reis  ohno  Schalen  mit  Schalenreis  verabreicht 
wurde,  kam  in  6 Beri-Beri  vor.  — Alle  diese  Beobachtungen,  sowie  die  folgenden 
erstrecken  sich,  wie  ich  hier  besondere  hervorheben  möchte,  nur  über  den  kurzen 
Zeitraum  von  1 — IV,  Jahren. 

Auf  einer  dem  Werke  beiliegenden  Karte  gibt  uns  der  Verf.  eine  gra- 
phische Darstellung  des  Vorkommens  der  Beri-Berikrankheit  in  den  verschiedenen 
Gefängnissen  Javas  und  Maduras.  Er  theilt  dieselben  in  8 Kategorien:  1.  Ge- 
fängnisse. wo  die  Hauptemährung  aus  rothem  Reis  (mit  innerer  Schale),  oder 
einem  Gemenge  von  rothem  und  weissem  Reis  (mit  innerer  Schale)  oder  aus 
weissem  Reis  (mit  innerer  Schale)  bestand,  dem  letzteren  war  bisweilen  weisser 
Reis  ohne  Schalen  boigemengt,  aber  immer  weniger  als  25 %•  2.  Gefängnisse, 

wo  Reis  ohne  Schalen  oder  Reis  ohne  Schalen  mit  Schalenreis  vermengt  verab- 
reicht wurde,  der  Schalenreis  war  im  letzten  Falle  in  weniger  als  25V,  vor- 
handen. 3.  Gefängnisse,  wo  Reis  ohne  Schalen  mit  Schalenreis  gemengt  als 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangabon. 


51 


Nahrung  diente,  wo  also  der  Schalenreis  sowie  der  Reis  ohne  Schalen  in  mehr 
als  25%  vorhanden  war. 

Nähere  Angaben  über  diesen  Procentsatz  des  Schalenreis  und  schalenlosen 
Reis  fehlen  bei  No.  3,  ebenso  ist  es  auffallend,  dass  Vordermann  in  No.  1 bei 
■den  einzelnen  Gefängnissen  nicht  den  Procentsatz  des  in  dem  Nahrungsreis  vor- 
handenen Reis  ohne  Schalen  angegeben  und  ebenso  auffallend,  dass  er  in  No.  2 
dies  nicht  bei  dem  Schalenreis  gethan  hat  Man  weiss  also  niemals,  ob  in  einem 
bestimmten  Gefängniss  nur  Schalenreis  oder  in  einem  andern  nur  Hei«  ohne 
Schalen  als  Nahrung  diente. 

ln  den  Gefängnissen,  wo  die  Nahrung  von  No.  t verabreicht  wurde,  kam 
Beri-Beri  in  2,7  % vor,  in  den  Gefängnissen  von  Nr.  2 in  70.98*/*,  in  Gefäng- 
nissen mit  Nahrung  No.  3 in  46,15%.  Nun  muss  man  hier  schon  bemerken, 
dass  die  Reisschalen  in  No.  3 von  sehr  geringem  Einfluss  gewesen  sind,  wenn 
in  einer  solchen  grossen  Anzahl  von  46,  15'/*  Beri-Beri  sich  entwickeln  kann. 
Vergleichen  wir  nun  die  Gefängnisse,  die  in  der  Ernährung  mit  Schalenreis  am 
weitesten  auseinander  liegen,  nämlich  die  Gefängnisse  mit  der  Nahrung  1 und  2 
ihrer  geographischen  Lage  nach,  dann  ergibt  sich  das  Folgende.  Von  25  Gefäng- 
nissen, wo  Reis  ohne  Schalen  als  Nahrung  diente,  und  welche  an  der  Küste 
liegen,  kam  Beri-Beri  in  80%  vor,  in  20%  konnte  die  Ernährung  mit  Reis  ohne 
Schalen  die  Beri-Beri  nicht  hervorbringen.  Warum  gelang  dies  hier  nicht?  In 
diesen  Gefängnissen,  wo  Beri-Beri  in  1 — 1%  Jahren  beobachtet  wurde,  schwankte 
die  Erkrankungsziffer  zwischen  0,08%  und  36, 95%.  Warum  konnte  der  Reis  ohne 
Schalen  in  Rembang  nur  0,08%,  im  Frauengefängniss  in  Soerabaja  36.95  % und 
in  den»  Männergefängniss  in  derselben  Stadt  nur  in  4,3%  Gefangene  krank 
machen  ? 

Von  den  4 Gefängnissen  an  der  Küste,  wo  Schalenreis  gegessen  wurde, 
kam  Beri-Beri  in  einem  Gefängnisse  = 25 % vor.  Von  26  Gefängnissen,  welche 
im  Gebirge  oder  fern  von  der  Küste  lagen  und  wo  Reis  ohne  Schalen  als 
Nahrung  diente,  kam  in  16  = 61%  Beri-Beri  vor,  während  in  83  Gefängnissen 
mit  Nahrung  No.  1 in  keinem  Beri-Beri  beobachtet  wurde.  Die  Entfernung  von 
der  Küste  oder  die  ]>age  im  Gebirge  hat  also  bei  den  Gefängnissen  mit  Nahrung 
No.  2 (schalenlosem  Reis)  ein  Sinken  der  Beri-Beriziffer  um  19*/*  hervorgebraoht, 
also  kann  dies  unmöglich  an  den  Schalen  liegen,  sondern  wie  dies  schon  seit 
Jahrhunderten  bekannt  ist,  von  der  Lage  und  andern  hygienischen  Verhält- 
nissen abhängen.  Wenn  man  sich  die  Karte  betrachtet,  so  sieht  man,  dass  an 
der  Küste  mehr  Reis  ohne  Schalen  und  im  Gebirge  oder  Innern  des  Landes  mehr 
Schalenreis  verabreicht  wird  und  wenn  wir  nun  die  kurze  Zeit  in  Betracht  ziehen, 
welche  Verf.  für  seine  Beobachtungen  benutzte  und  die  eine  ganze  Masse  Zu- 
fälligkeiten in  sich  schliessen  kann,  so  wird  derjenige,  dem  das  sicher  gestellte 
locale  Moment  in  der  Epidemiologie  der  Beri-Beri  vor  Augen  steht,  in  dieser 
graphischen  Darstellung  nur  einen  neuen  Beweis  ersehen,  dass  die  Beri-Beri  an 
der  Küste  am  häufigsten  auftritt  und  auf  Plätzen,  die  von  der  Küste  entfernter 
liegen,  geringer  vorkommt. 

Im  III.  Abschnitt  bespricht  der  Verf.  des  Näheren  die  Gefängnisse,  die 
verschiedenen  Kategorien  von  Gefangenen,  die  verschiedenen  hygienischen  Verhält- 
nisse, in  denen  sie  leben,  ihre  Arbeit,  die  hauptsächlich  darin  besteht,  Gebäude, 
Höfe  und  Wege  zu  reinigen,  Gräben  vom  Schlamme  zu  befreien,  grössere  Erd- 
arbeiten zu  verrichten.  Dann  theilt  er  uns  unter  anderem  mit.  ohne  hierfür  auch 

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52 


II.  Besprechungen  und  Li  tteraturan  gaben. 


nur  einen  Schein  eines  Beweises  zu  bringen,  dass  in  Japara  die  Incubatioaszeit(!) 
106  Tage,  in  Modjo  Kerto  110,  in  Probolingo  120  Tage  u.  s.  w.  beträgt  Er  be- 
rechnet die  Zeit  der  Incubation  vom  Tage  der  Aufnahme  der  Gefangenen  in  s 
Gefängnis«,  bis  zu  dem  Tage,  wo  die  ersten  Erscheinungen  sich  zeigen,  er  nimmt 
also  als  feststehend  an,  dass  der  Krankheitsstoff  sofort  in  den  Körper  der  be- 
treffenden Kranken  aufgenommen  wird,  sonst  könnte  er  nicht  von  einer  Incu- 
bation sprechen,  er  vergisst  aber  Beweise  für  diese  Aufnahme  des  K rankheit— 
agens  zu  bringen  und  er  nimmt  an,  was  erst  noch  bewiesen  werden  soll,  dass 
der  schalenlose  Reis  vergiftend  auf  den  Körper  wirkt  Wenn  Verf.,  wie  man 
vermuthen  darf,  den  schalenlosen  Reis  als  dieses  Krankheitsagens  anruft,  dann 
muss  man  sieh  wundem,  dass  die  betreffenden  Gefangenen  3 — 4 Monate  diesen 
Reis  ohne  Schalen  vertragen  können.  Auf  S.  50  sagt  er,  dass  die  Notizen  über 
die  andern  Krankheiten  in  den  Gefängnissen  die  nöthige  Zuverlässigkeit  und 
Glaubwürdigkeit  vermissen  lassen.  Bei  den  Aufzeichnungen  über  die  Beri-Berier- 
krankungen  ist  ihm  diese  Glaubwürdigkeit  sicher  gestellt,  da  die  Anzahl  der  Beri- 
Berierkrankungen  speciell  in  den  Jahresrapporten  erwähnt  werden  müssen.  Ich 
will  hier  nur  beifügen,  dass  dies  ebenfalls  von  den  andern  Krankheiten  geschehen 
muss  und  dass,  wenn  man  an  der  Glaubwürdigkeit  der  Erkrankungen  unter  den 
Gefangenen  mit  Ausnahme  der  Beri-Beri  zweifelt,  man  wohl  auch  die  Glaubwürdig- 
keit der  letzteren  in  Zweifel  ziehen  kann. 

Die  Sterblichkeit  in  allen  Gefängnissen  Javas  und  Maduras  beträgt  0,56  % 
an  Beri-Beri  0,27%,  an  andern  Krankheiten  0,29% 

Auf  einer  Karte  gibt  Verf.  eine  graphische  Darstellung  von  verschiedenen 
Faktoren,  wie  Alter  der  Gebäude,  Durchlässigkeit  des  Flurmaterials,  der  Venti- 
lation u.  s.  w.  in  ihrem  Einfluss  auf  das  Vorkommen  der  Beri-Beri,  eine  deutliche 
Gesetzmässigkeit  ist  nicht  nachzuweisen. 

Auf  S.  54  spricht  er  von  der  geographischen  Verbreitung. 

Verf.  theilt  uns  nur  kurz  mit,  dass  die  Krankheit  ungleich  vertheilt  ist,  be- 
sondere sind  es  die  Gefängnisse  im  östlichen  Java  und  Madura,  wo  Beri-Beri  all- 
gemein vorkommt,  erwähnt  dann  einige  Plätze  in  West-  und  Mitteljava. 

Der  oben  erwähnte  Unterschied  der  an  der  Küste  und  im  Innern  des 
Landes  gelegenen  Gefängnisse  wird  hier  übersehen. 

Wenn  man  die  Arbeit  V.’s  bis  auf  8.  54  gelesen  hat,  muss  man  ihn  für 
einen  eingefleischten  Reistheoretiker  halten,  dieses  Urtheil  ändert  sich,  wenn  man 
den  kurzen  Abschnitt  über  die  Uebertragbarkeit  der  Beri-Beri  von  einem  Ort  nach 
dom  andern  gelesen  hat.  Hier  fällt  der  Reistheoretiker  V.  gänzlich  aus  der  Rolle. 
Hier  kann  er  einige  epidemiologische  Beobachtungen  nicht  unterdrücken,  die  nichts 
weniger  als  mit  rothem  oder  weissem  Schalenreis  zu  erklären  sind.  In  Boodo- 
woor,  Sitoebondo,  Besoeki,  Krakraan  war  früher  keine  Beri-Beri,  nun  ist  diese 
Krankheit  von  einem  Gefangenen  nach  dem  andern  verbreitet 

Im  Gefängniss  zn  Bondowoor  wurden  Beri-Berifälle  unter  den  Gefangenes 
erst  dann  beobachtet,  nachdem  Beri-Berikranke  aus  dem  überfüllten  Gefängniss 
in  Djember  nach  Bondowoor  gebracht  waren.  In  Krakraan,  wo  die  Beri-Beri  un- 
bekannt war,  brach  sie  unter  folgenden  Verhältnissen  aus.  Eine  Anzahl  Ge- 
fangener wurden  wegen  Umbau  des  Gefängnisses  von  Krakraan  nach  Probolingo 
geschickt,  wo  die  Krankheit  endemisch  herrschte.  Als  die  Gefangenen  nach 
Krakraan  zurückkehrten,  litten  einzelne  an  Beri-Beri  und  nun  erkrankten  in  Kra- 
kraan auch  andere  Gefangene. 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


53 


Wir  lesen  auf  S.  55  : 

Das  Gefängniss  in  8itoebondo  ist  damals,  in  Folge  eines  Aufenthaltes  trans- 
portirter  Gefangener  aus  Bondowoor  und  Djomber  Inflelrt. 

Verf.  bekennt  auf  8.  59,  dass  die  Ursache  der  Beri-Beri  nicht  nur  in  der 
Nahrung  mit  Reis  ohne  innere  Schale  besteht,  sondern  dass  sie  auch  durch 
Mikroorganismen  hervorgebracht  werden  könne,  die  uns  die  Uebertragbarkeit 
dieser  Krankheit  erklären.  Damit  begrüssen  wir  ihn  als  einen  der  Unsrigen!  Wir 
haben  also  eine  Multiplieität  der  Beri-Beriaetiologie ! 

Auf  8.  59 — 62  theilte  er  einige  Beobachtungen  aus  dem  Krankenhaus  für 
Prostituirte  in  Kediri  und  aus  dem  Gefängniss  in  Batavia  mit 

In  der  Frauenabtheilung  in  Kediri  wurde  Reis  mit  Schalen  als  Nahrung 
verabreicht  Derselbe  wurde  von  dem  behandelnden  Arzte  bei  einer  näheren 
Untersuchung  für  unbrauchbar  erklärt  und  Saigonreis  ohne  Schalen  gegeben. 
Nach  einiger  Zeit  kam  eine  Frau  mit  Fieber  in  Behandlung  (89° — 41,2°  C.),  nach 
Ablauf  des  Fiebers  wurden  Erkrankungen  der  Beri-Beri  constatirt,  die  Frau  starb, 
einige  Tage  später  erkrankten  andere  Frauen  unter  denselben  Erscheinungen 
(erst  Fieber)  an  Beri-Beri.  Als  die  Erkrankungsziffer  auf  22  stieg,  wurden  18 
nach  den  Dörfern  geschickt  und  Verf.  fand  nur  noch  4 Kranke  an,  er  schlug  so- 
fort als  Nahrung  rothen  und  weissen  Reis  mit  Schalen  vor.  Das  Gebäude  der 
Frauenabtheilung  wurde  geräumt,  die  Wände  abgebrochen  und  verbrannt,  die 
Dachziegeln  abgenommen,  dem  Sonnenlicht  ausgesetzt,  um  hierauf  mit  Kalk  an- 
gestrichen zu  werden.  Der  Flur  wurde  ausgebessert,  die  Wasserleitung  mit 
neuem  Cement  versehen  und  das  Gebäude  selbst  desinficirt.  Seit  dieser  Zeit 
haben  sich  — in  l1/»  Jahren  — keine  neuen  Beri-Berifälle  in  dem  Krankenhause 
mehr  gezeigt.  Verf.  nimmt  es  als  feststehend  an,  dass  die  Ernährung  einen  Ein- 
fluss auf  das  Entstehen  der  Krankheit  gehabt  haben  muss.  Warum  werden  dann 
die  Wände  abgerissen,  die  Dachziegel  mit  Kalk  bestrichen,  das  Gebäude  desin- 
ficirt? Alles  wegen  des  schalenlosen  Reis?  Man  sieht,  dass  hier  der  Schalenreis 
und  Mikroorganismen  im  Kopf  des  Untersuchers  durcheinander  schwirren,  und  dass 
er  von  den  letzteren  nicht  ganz  lassen  kann.  Wie  ist  das  Fieber  bei  den  Er- 
krankten mit  Schalenreis  zu  erklären?  oder  sind  die  Ursache  der  Fieber  nur 
Mikroorganismen  gewesen?  Diese  Fälle  waren  für  mich  besonders  interessant, 
weil  ich  in  Virehow's  Archiv  an  einer  Reihe  von  Fällen  den  Zusammenhang  von 
Fieber  und  Beri-Beri  besonders  hervorgehoben  und  den  Nachweis  von  Amöben 
im  Blute  geführt  habe. 

Verf.  führt  dann  noch  eine  Beobachtung  aus  Batavia  an,  wo  Eingeborene, 
die  in  Untersuchungshaft  sassen,  sowie  Gefangene,  welche  wegen  Schulden  sitzen 
mussten,  in  demselben  Gebäude  wohnten,  die  ersteren  bekamen  nur  Reis  ohne 
Schalen  und  erkrankten  theilweise  an  Beri-Beri,  die  letzteren  bekamen  ihre 
Speisen  vom  Hause  und  genossen  ausser  schalenlosem  Reis  noch  verschiedene  Zu- 
speisen, die  nach  Verf.  den  Verlust  decken,  welchen  Reis  ohne  innere  Schalen 
hervorbringt!!!  Daraus  glaubt  Verf.  schliessen  zu  können,  dass  die  Ernährung 
bei  den  erwähnten  Gefangenen  in  Batavia  von  Einfluss  auf  das  Entstehen  der 
Beri-Beri  gewesen  ist! 

Der  Einfluss  der  Jahreszeit  wird  dann  kurz  berührt,  ohne  den  Versuch 
zu  machen,  das  Auftreten  der  Beri-Beri  in  der  Regenzeit  mit  dem  Genuss  von 
schalenlosem  Reis  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Auffallend  und  übereinstimmend 
ist  bei  allen  Reistheoretikern  die  Erscheinung,  dass  sie  mit  grosser  Hartnäckigkeit 


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54 


II.  Besprechungen  und  Iitteraturangaben. 


über  das  locale  und  zeitliche  Moment  hinweggehen.  Es  scheinen  ihnen  diese 
hinderlich  im  Wege  zu  stehen,  weil  diese  beiden  durch  zahllose  Beobachtungen 
aus  den  verschiedensten  Landern  sicher  gestellten  epidemiologischen  Erscheinungen 
mit  Sicherheit  für  ein  lebendes  Agens  sprechen. 

In  den  Schlussbetrachtungen  sehen  wir,  dass  Verf.  es  als  bewiesen  ac- 
niramt,  dass  Reis  ohne  innere  Schalen  Polyneuritis  hei  Hühnern  hervorruft  und 
Schalenreis  dieselben  heilen  kann.  Dass  in  der  inneren  Schale  auch  eine  vis 
medicatrix  für  Beri-Berikranke  liegt,  versucht  er  an  einigen  Beispielen  zu  llla- 
striren.  1.  Der  geisteskranke  Juvan  Alihan  wurde  am  30.  September  1896  in  s 
Gefänguiss  zu  Buitenzorg  aufgenommen  und  zeigte  im  November  Erscheinungen 
von  Beri-Beri,  starke  Oedeme  der  untersten  Extremitäten,  pastöses  Gesicht,  be- 
schleunigte Herztlnitigkeit,  120  p.  m.,  Töne  unrein,  am  20.  November  wurde  der 
Kranke  mit  rothem  Reis  mit  innerer  Schale  ernährt,  nach  14  Tagen  waren  die  Er- 
scheinungen erheblich  vermindert  in  der  2.  Hälfte  vom  Deeember  waren  die  Oedeme 
verschwunden.  Mitte  Februar  1897  war  der  Status  praesens  wie  folgt:  Oedeme 
verschwunden,  Herztöne  schwach,  rein;  Herzthätigkeit  normal,  Puls  in  Ruhelage 
84  p.  m.,  Puls  klein  und  weich,  kein  Kniereflex. 

(Schwache  Herzaction,  kleiner  Puls,  aufgehobener  Reflex,  gehören,  wie  be- 
kannt ist,  auch  unter  die  Erscheinungen  des  Stu]K»r).  II.  Der  zweite  Geistes- 
kranke, der  ebenfalls  an  Stupor  litt,  wurde  am  28.  October  1896  in's  Gefiuigniss 
zu  Buitenzorg  aufgenommen.  Ende  Januar  1897  Erscheinungen  von  Beri-Beri. 
Der  Kranke  lehlet  ausser  Beri-Beri  noch  an  Enteritis  acuta.  Am  4.  Februar  wurde 
rother  Reis  mit  intern  Schalen  verabreicht  Mitte  Februar  Enteritis  bedeutend 
gebessert,  Oedeme  erheblich  geringer  geworden,  Puls  in  Ruhelage  94,  Kniereflex 
aufgehoben.  Damit  ist  die  Krankengeschichte  zu  Ende.  Ganz  abgesehen  von  den 
ganz  ungenauen  oberflächlichen  Krankengeschichten,  sensible  und  vasomotorische 
Erscheinungen  (Blutdruck)  werden  gar  nicht  erwähnt,  muss  man  dem  Verf.  ent- 
gegenhalten, dass  derartige  Besserungen,  wie  in  No.  I,  für  Jemandeu,  der  Beri- 
Berikranke  in  genügender  Anzahl  beobachtet  hat,  unter  Reis  ohne  Schalen  gar 
nichts  Seltenes  sind,  ich  könnte  ihm  Dutzende  aus  dem  hiesigen  Krankenhaus« 
vorlegen.  Fall  I ist  deshalb  nicht  als  reiner  and  brauchbarer  Versuch  aazaer- 
kenneu,  weil  einzelne  Erscheinungen  des  psychopathischen  Zustande«  Erschei- 
nungen der  Beri-Berikrankheit  ähneln  und  weil  gar  nicht  festgestellt  ist.  ob  nicht 
noch  Blutdruckerhöhungen  oder  -herabsetzungen,  die  nach  meinen  jünsteo  Be- 
obachtungen Doch  sehr  lange  am  Kranken  nachzuweisen  sind,  bestanden  haben. 

Ueber  Fall  II  will  ich  schweigen,  er  ist  ein  Monstrum  einer  Krankheits- 
geschichte eines  ßeri-Berikranken  und  beweist  nichts.  Vordermann  scheint  zu 
sehr  von  dem  post  hoc,  ergo  propter  hoc  überzeugt  zu  sein. 

Verf.  hält  eine  Ernährung  der  Gefangenen  mit  Schalenreis  für  noth wendig, 
erklärt  sich  aber  auch  entschieden  für  eine  zweckmässige  Desinfection  der  Ge- 
fängnisse ! 

Dann  folgen  2 Beispiele  aus  Malang  und  Toeloeng  agoeng,  welche  des 
günstigen  Einfluss  des  Schalenreis  darlegen  sollen.  Im  Gefängnis«  zu  Malang. 
wo  rother  Schalenreis  als  Nahrung  dient,  sind  noch  niemals  Fälle  von  Beri-Ben 
vorgekommen.  Aus  diesem  Gefängni&s  arbeiten  80  Gefangene  im  Lazareth  und 
bekommen  hier  Reis  ohne  Schalen.  Ende  1895  und  1696  kamen  8 Falle  vo» 
Beri-Beri  unter  diesen  80  Gefangenen  vor.  Zum  bessern  Verständnis«  für  de« 
Leser  möchte  ich  hier  kurz  erwähnen,  dass  in  das  Lazareth  zu  Malang,  weich« 


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II.  Besprechungon  und  Litteraturangaben. 


55 


im  Gebirge  liegt,  seit  vielen  Jahren  Beri-Berikranke  geschickt  werden.  Verf.  hat 
uns  gezeigt,  dass  die  Beri-Beri  von  einem  Ort  nach  dem  andern  verschleppt 
werden  kann  und  man  wird  wohl  zugeben  müssen,  dass  Gefangene,  die  in  einem 
solchen  Lazareth  die  niedrigsten  Dienste  verrichten,  Gelegenheit  haben,  an  Beri- 
Beri  zu  erkranken.  Für  diese  Erkrankungen  braucht  man  keinen  Schalenreis. 
Im  Gefängnis«  zu  Toeloeng  agoeng  wurden  die  Gefangenen  vor  dem  80.  Juni  1895 
mit  weissem  Reis  ohne  Schalen  ernährt,  welcher  hier  und  da  mit  rothem  Schalen- 
reis, gemengt  mit  weissem  Reis,  abgewechselt  wunde.  Vom  80.  Juni  1895  bis 
Juli  1896  kam  unter  einer  Ernährung  mit  Schalenreis  kein  Fall  von  Beri-Beri 
vor,  während  vor  dieser  Zeit  die  Krankheit  in  nicht  unerheblichem  Maasee  be- 
obachtet wurde.  Einer  der  schönsten  Beweise  für  den  günstigen  Einfluss  defc 
Schalenreis  ist  der  aus  dem  Gefängnis«  zu  Japara.  Hier  bestand  bis  zum  4.  Juni 
1896  die  Nahrung  aus  Reis  ohne  Schalen,  trotz  dieser  Ernährung  mit  schalen- 
losem Reis  war  bis  zum  17.  November  kein  Fall  von  Beri-Beri  beobachtet,  also 
ein  untrüglicher  Beweis,  dass  der  schalenlose  Reis  den  Gefangenen  in  Japara 
niemals  etwas  geschadet  hat.  Vom  November  1895  bis  Juni  1898  wurden  46 
Beri-Berifälle  beobachtet  Verf.  kam,  sah  und  siegte.  Die  Schalenreisemährung 
wurde  eingeführt. 

Am  15.  Juni  kam  noch  ein  Fall  von  Beri-Beri  vor,  seit  dieser  Zeit  ist  bis 
Anfang  1897,  ebenso  wie  in  früheren  Jahren,  kein  Fall  von  Beri-Beri  vorgekommen. 
Japara  ist  in  der  oben  besprochenen  Tabelle  unter  den  Plätzen  verzeichnet,  wo 
Reis  ohne  Schalen  verabreicht  wurde  und  Beri-Beri  vorkam.  Wären  die  Be- 
obachtungen V.’s  ein  Jahr  früher  gemacht,  so  stände  es  unter  den  Platzen,  wo 
Reis  ohne  Schalen  gegessen  wurde  und  keine  Beri-Beri  auftrat.  Was  in  Japara 
möglich  ist,  kann  ebenso  gut  auf  allen  andern  Plätzen  geschehen,  welche  Beri- 
Berierkrankungen  aufzuweisen  haben  und  wo  Reis  ohne  Schalen  genossen  wird. 
Das  Beispiel  Japara’s  lässt  uns  den  Werth  dieser  einjährigen  Statistik  so  recht 
erkennen.  Und  es  muss  bei  einem  aufmerksamen  Leser  das  grösste  Misstrauen 
in  diese  Statistik  wachrufen  und  die  Vermuthung  entstehen  lassen,  dass  in  einem 
andern  Jahre  in  Gefängnissen  10.98V»  Beri-Beri  auftreten  kann,  unter  einer  Er- 
nährung mit  Schalenreis  und  2,7 V»  Beri-Beri  in  Gefängnissen,  wo  Reis  ohne 
Schalen  verabreicht  wird.  Deutlicher  konnte  Verf.  die  Schwachen  und  Mängel 
«einer  Statistik  uns  nicht  vor  Augen  führen.  Ich  habe  bereits  wiederholt  hervor- 
gehoben, dass  di«  Beobachtungen  V.’s  sich  nur  über  1 — IV»  Jahre  erstrecken  und 
dass  sie  wegen  dieser  kurzen  Zeit  ganz  ungenügend  sind,  die  Gesetzmässigkeit 
einer  bestimmten  Erscheinung  festzustellen.  Statistiken  schliessen  so  viel  Fehler 
in  sich,  dass  derjenige,  der  mit  ihnen  eine  Beweisführung  liefern  will,  durch  eine 
möglichst  lange  Beobachtungszeit  eine  Anzahl  dieser  Fehler  auszuschliessen  sich 
bemühen  muss.  Diese  Schwäche  in  der  statistischen  Beweisführung  charakterisirt 
die  ganze  Arbeit  V.’g. 

Ich  will  hier  ein  Beispiel  anführen,  welche  ganz  imbrauchbaren  Ergeb- 
nisse die  Beobachtung  über  ein  Jahr  liefern  kann.  In  einem  der  Gefängnisso 
Semarangs  kamen  von  Februar  bis  September  1894  18  Fälle  von  Beri-Beri  vor, 
von  October  1894  bis  September  1895  kein  einziger  Fall,  obwohl  stets  Reis  ohne 
Schalen  gegessen  wurde.  Wäre  V.  gekommen  und  hätte  wie  in  Japara  am 
Ende  der  kleinen  Epidemie  Schalenreis  verabreicht,  so  hätten  die  Resultate  nicht 
besser  sein  können. 

Auf  Java  und  Madura  kommt  Beri-Beri  am  meisten  von  November  bis 


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56 


II.  Besprechungen  und  I-i tte rat u rangaben. 


Mai,  am  geringsten  von  Juni  bis  October  vor.  Die  Zeit  von  Juni  ab  ist  daher 
ßusserst  günstig  für  therapeutische  Versuche,  sowie  überhaupt  das  Ende  einer 
Epidemie  sehr  günstige  Bedingungen  für  irgend  welche  Therapie  abgiebt  Verl 
hat  mit  der  erforderlichen  Vor-  und  Umsicht  eines  Naturforschers  in  Japan 
den  günstigen  Zeitpunkt  für  den  Schalenreis  gewählt 

Ein  weiteres  Beispiol  für  den  günstigen  Einfluss  des  Schalenreis  lieferte 
ßoerabaja.  Hier  konnten  die  Versuche  nur  über  die  Monate  August  1895  bis 
Januar  1896  und  August  1896  bis  Januar  1897  gemacht  werden.  In  den  be- 
treffenden Monaten  1895 — 1896  wurde  Reis  ohne  Schalen,  1896—1897  Reis 
mit  Schalen  gegessen.  Die  Resultate  waren  die  folgenden:  von  August  1895  bis 
Januar  1896  erkrankten  45  Gefangene  und  Prostituirtc  und  in  denselben  Monaten 
1896 — 1897  nur  5.  Nun  Ist  es  eine  bekannte  epidemiologische  Erscheinung,  dass 
die  Beri-Beri  in  verschiedenen  Jahren  verschieden  heftig  auftritt  In  den  Ge- 
fängnissen Semarangs  wurden  in  1893  110  Fälle  von  Beri-Beri  beobachtet  in  1894 
124,  in  1895  185,  in  1896  nur  78. 

Die  Erkrankungsziffer  ist  also  nicht  nur  in  Soerabaja.  sondern  auch  in  Se- 
marang, trotzdem  Reis  ohne  Schalen  gegessen  wurde,  erheblich  gesunken. 

V.  erwähnt  schliesslich  noch  die  günstigen  Veränderungen,  welche  in  der 
japanesischen  Marine  durch  die  Veränderung  der  Ernährung  hinsichtlich  der  Beri- 
Beri  erreicht  wurde;  er  erläutert  dies  an  einer  Tabelle.  Bis  zum  Jahre  herrschte 
die  Beri-Beri  in  der  japanischen  Marine  erheblich,  in  1882  wurden  1929  Fälle 
beobachtet,  in  1883  fiel  die  Ziffer  bis  1238  und  nun  kam  ein  ingenieuser  Kopf 
auf  die  Idee,  dass  der  Reis  daran  schuld  sein  könnte;  der  Reis  ohne  Schalen 
wurde  durch  Brot  Gerstemehl  u.  s.  w.  ersetzt  in  1884  kamen  718  Fälle  vor,  und 
von  dieser  Zeit  sank  die  Erkrankungsziffer  bis  1891.  Wenn  man  nun  aber  die 
Berichte  über  die  sanitären  Verhältnisse  der  japanischen  Armee  in  andern 
Werken  näher  sich  betrachtet,  dann  bemerkt  man,  dass  alle  andern  Erkrankungen 
zusammen  ebenfalls  geringer  wurden  und  zwar  in  folgender  Weise:  Im  Jahre 
1882  betrug  die  Anzahl  der  Erkrankungen  in  der  japanischen  Armee  mit  Aus- 
nahme von  Beri-Beri  5443,  im  Jahre  1883  7866,  in  1884  4683,  in  1885  2105. 
in  1886  1087,  in  1887  614,  in  1888  489,  in  1889  412.  also  sank  diese  Ziffer 
elienfalls  durch  die  Entziehung  des  Reis  ohne  Schalen  und  Vordermann  dürfte,  wenn 
er  sich  in  seinen  Schlüssen  consequent  bliebe,  für  alle  Krankheiten  der  japanischen 
Armee  zusammen  nur  eine  einzige  Ursache  anerkennen,  die  in  dem  schalenlasen 
Reis  läge.  Damit  würde  die  Aetiologie  der  Krankheiten  in  Japan  allerdings  sehr 
vereinfacht! 

Die  Arbeit  V.’s  enthält  eine  Anzahl  mit  Fleiss  gesammelter  und  in  über- 
sichtlicher Weise  zusammengestellter  ethnographischer  und  epidemiologischer  Er- 
scheinungen auf  dem  Gebiete  der  Beri-Berifrage  in  den  Gefängnissen  Javas  und 
Maduras,  und  wenn  Verf.  diese  nur  mitgethcilt  hätte,  ohne  auf  die  Reisfrage  ein- 
zugehen. so  hätte  man  seine  Arbeit  in  lobender  Weise  besprechen  können.  Sem 
Versuch,  dem  Reis  einen  Platz  in  der  Aetiologie  der  Beri-Beri  zu  sichern,  muss 
als  gänzlich  gescheitert  bezeichnet  werden.  Seine  Beobachtungen,  welche  diesen 
Beweis  führen  sollen,  sind  zu  dürftig,  zu  kurze  Zeit  dauernd,  um  zu  überzeugen, 
seine  Schlussfolgerungen  aus  diesen  Beobachtungen  so  oberflächlich,  wie  man 
dieselben  in  ähnlicher  Weise  nur  in  der  E/schen  Arbeit  wiederfinden  dürfte. 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


57 


Dysenterie. 

Dysenterie  von  Dr.  Kartulis,  Arzt  am  Regierungshospital  zu  Alexandrien, 
aus  Spec.  Pathol.  u.  Therapie  von  Prof.  Dr.  H.  Nothnagel.  5.  Bd.  IU.  Theil. 
Wien.  Holder. 

Kartulis  theilt  die  dysenterischen  Krankheiten  in  die  idiopathischen  und 
secundären,  letztere  schliessen  sich  an  andere  Infectionskrankheiten  an,  treten 
nach  Urämie  und  Vergiftungen  auf,  unterscheiden  sich  aber,  wenn  auch  weniger 
pathologisch-anatomisch,  doch  betreffs  ihrer  Aetiologie  wesentlich  von  den  erst- 
genannten. Die  herkömmliche  Eintheilung  der  Ruhr  in  die  endemische,  epide- 
mische und  sporadische  Form  behält  Kartulis  bei,  hebt  aber  ganz  besonders 
hervor,  dass  die  endemische  eine  tropische,  auch  stellenweise  subtropische  Krank- 
heit sei  und  beschreibt  ausführlich  diese  uns  hier  am  meisten  interessirende, 
tropische  Dysenterie,  ln  ätiologischer  Beziehung  erläutert  er  die  meteorischen 
Einflüsse.  Darnach  tritt  die  Ruhr  öfter  bei  feuchter  Witterung  ein  und  in  der 
wannen  Jahreszeit,  am  meisten  beim  Uebergango  von  der  Regenzeit  in  die  trockne 
Periode,  am  häufigsten  herrscht  nach  K.  die  Ruhr  in  sumpfigen  Gegenden. 
Nachdem  K.  über  die  Wassertheorie  sich  verbreitet  und  hervorhob,  dass  faulende 
vegetabilische  und  Fäcalstotfe  zu  der  Entstehung  der  Krankheit  beitragen,  be- 
schreibt er  eingehend  die  Dysenterieamöben  als  Erreger  der  Krankheit  und 
wendet  sich  gegen  die  die  Amöbentheorie  bekämpfenden  Forscher,  von  denen 
Celli  und  Fiocca  bei  Katzen  eine  amöbenfreie  Dysenterie  nach  Impfung  mit 
dysenterischen,  amöbenhaltigen  Stühlen  und  Cultnren  erzeugten,  sowie  auch  mit 
durch  Wärme  abgetödteten  amöbenhaltigen  dysenterischen  Material,  in  dem  nur 
noch  Bacterien  mit  ihren  Giften  enthalten  waren.  Kartulis  konnte  durch  die 
Nachprüfung  diese  Experimente  nicht  bestätigen,  ausserdem  hatte,  wie  Kartulis 
betont,  nur  Celli  die  Dysenterieamöben  in  den  Tropen  studirL  Der  Kruse 
und  Pasqualo,  von  K.  nachgeprüfte,  gelungene  Versuch,  mit  baeterienfreien 
Amöben  aus  dysenterischen  Leberabscessen  bei  Katzen  echte  tropische  Dysente ris 
hervorzubringen,  muss  der  von  K.  vertretenen  Lehre  der  Pathogenität  der  Dy- 
senterieamöben als  Hauptstütze  dienen,  noch  dazu,  da  wie  auch  Laveran  neuerdings 
(Ref.)  fand,  nur  und  stets  bei  tropischer  Dysenterie,  pathogene  Amöben  gefunden 
werden.  Als  Prüfthier  für  die  Pathogenität  dient  die  Katze,  bei  welcher 
sonst  in  dysenterischen  Stühlen  verkommende  Mikroben  nicht  und  auch  keine 
Amöben  vom  gesunden  Menschen,  vielmehr  nur  die  tropischen  Dysenterieamöben 
tropische  endemische  Ruhr  zu  erzeugen  vermögen.  Die  von  Kartulis  für  Indien 
nur  bis  1878  angegebene  Mortalität  an  Dysenterie  7%  für  Madras,  ist  durch 
Trinkwasserverbessorung  jetzt  bedeutend  herabgesetzt,  ebenso  die  frühere  Mor- 
bidität von  5V,Vo  bei  europäischen  Truppen.  Sehr  genau,  auf  Grund  eines 
grossen,  zur  Section  gelangenden  Materials,  beschreibt  K.  die  von  den  Dysenterie- 
amöben  durchsetzte  und  erkrankte  Dickdarmmucosa  und  Submucosa,  wohin  die 
Parasiten  durch  die  Lymphbahnen  der  Muscularis  mucosae  gelangen,  ln  den 
tieferen  Darmzonen  fand  K.  keine  weiteren  Bacterien  nur  Amöben  und  schliesst 
sich  Kruse'8  Ansicht  an,  dass  auch  die  Solitärfollikel,  betreffend  des  Ausgangs- 
punktes des  Danngeschwürs,  betheiligt  sind.  Bei  der  mikroscopiscben  Unter- 
suchung eines  Tropfens  schleimig-blutigen  StuhTantheiles,  erkennt  man  die  Amöben 
an  ihrer  Beweglichkeit,  Glanz  und  Grösse,  gegenüber  Epithel  und  Leucocyten; 
die  Amöben  enthalten  oft  Blutkörperchen  in  sich.  Die  Narben  der  tropischen 
Kuhigeschwüre  sind  pigmentirt  Betreffs  der  Behandlung  empfiehlt  K.,  abgesehen 


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68 


II.  Besprechungen  und  Litte  re  tu  rangaben. 


von  der  bekannten  Diät,  besonders  die  hohe  Enteroklyse  mit  0,5%  Tanninlö6ung, 
weil  dadurch  die  Amöben  abgetötet  würden.  — Die  Arbeit  ist  eine  sorgfältige, 
die  Literatur  fast  erschöpfend  aber  kurzgefasst  berücksichtigt  und  in  hohem 
Maasse  zu  empfehlen,  sie  deckt  sich  auch  in  den  wesentlichen  Punkten,  mit  den 
vom  Ref.  publicirten  Arbeiten.  Karl  Däubler. 


c)  Sonstige  Werke. 

L’Afrique  äquatoriale,  climatologie,  nosologie,  hygiene  par  le  Dr.  A. 

Poskin.  Bruxelles  1897,  Societe  beige  de  librairie. 

Gestützt  auf  eigene  Erfahrungen  im  Congo-Gebiete  hat  Poskin  es  unternommen, 
das  gesammte  vorliegende  Material  über  die  Klimatologie,  Pathologie  und  Hygiene 
des  äquatorialen  Afrika,  besonders  des  mit  seinem  Vaterlande  durch  Personal-Union 
verbundenen  Congostaats  zu  einem  einheitlichen  "Werke  zusammenzustellen.  Der 
erste  Theil  des  470  Seiten  starken  Buches  behandelt  die  Geologie  und  Klima- 
tologie und  zwar  an  erster  Stelle  die  Oberflächengestaltung  und  geologische  Zu- 
sammensetzung des  grossen  Gebietes  vom  atlantischen  Ocean  bis  zu  den  grossen 
centralafrikanischen  Seen.  Des  äquatorialen  Ostafrika  ist  nur  gelegentlich  gedacht 
P.  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  Afrika  ein  alter  Continent  ist,  dessen  Formationen 
zu  den  ältesten  auf  dem  Erdball  gehören.  Die  letzten  Faltungen  stammen  vom 
Ausgange  der  Primärzeit  8eit  jener  Zeit  ist  das  Congobecken  nur  eroaven 
Einflüssen  ausgesetzt  gewesen,  welche  seine  Meereshöhe  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte auf  eine  mittlere  Erhebung  von  weniger  als  2000  Meter  herabgedrückt 
haben.  Die  hohen  Gipfel  Centralafrikas,  der  Ruwenzori  und  M’fumbiro  sind  vul- 
kanischen Ursprungs. 

Der  grösste  Theil  des  heutigen  Congo-Beckens  wurde  zur  Secundär-  und 
Tertiärzeit  von  einem  gewaltigen  Binnenmeere  eingenommen  (nach  Dupont 
Wauters,  Comet  u.  A.),  dessen  Ausdehnung  das  Vorkommen  der  Sandsteine 
markirt.  Der  Congo  selbst  ist  neueren  geologischen  Ursprungs  und  stellt  die  Ab- 
flussrinne dieses  mächtigen  Wasserbeckens  dar,  welche  sich  durch  die  von  den 
Krystallbergen  gebildete  Küstenzone  einen  Weg  gebahnt  hat. 

Die  meteorologischen  Einflüsse,  welche  auf  dieses  Gebiet  einwirken,  be- 
spricht P.  im  zweiten  Capitel.  Die  Temperatur  des  Congogebiets  entspricht 
einem  Jahresmittel  von  25*  Celsius. 

Die  relative  Luftfeuchtigkeit  ist  im  Innern  geringer  als  an  der  Küste. 
Das  Mittel  für  den  ganzen  Congostaat,  so  weit  Beobachtungen  vorhanden  sind, 
beträgt  77,6%,  das  Mittel  für  die  Küstenstationen  Aequatoril- Afrikas  (Ost-  und 
Westküste)  dagegen  82,98%.  Die  Niederschläge  sind  sehr  verschieden  nach  der 
absoluten  Höhe.  Die  mittlere  Regenmenge  ist  1092,42  mm.  Es  regnet  8 Monate 
im  Jahre,  4 Monate  zeigen  keine  oder  kaum  messbare  Niederschläge.  D» 
Maximum  der  Regenmenge  fällt  in  den  April,  einzelnes  in  den  November.  Die 
Niederschläge  im  äquatorialen  Afrika  sind  mehr  als  nochmal  so  bedeutend  als  die 
Regenmengen  in  Belgien. 

Die  Jahreszeiten  unterscheiden  sich  vorzugsweise  durch  die  spärlichen  oder 
ganz  ausbleibenden  Niederschläge.  Die  trockne  Jahreszeit  ist  die  kältere. 

Die  südäquatoriale  Zone,  welcher  der  grösste  Theil  des  Congostaates  an- 
gehört,  hat  eine  kleine  Regenzeit  von  Mitte  September  bis  Mitte  December  ent- 
sprechend den  Frühjahrs-Aequinoktien.  Dann  kommt  die  kleine  trockene  Zeit 


U.  Besprechungen  und  Iitter&turangalien. 


69 


meistens  noch  einige  Regengüsse  aufweisend,  bis  zum  20.  Januar,  während  die 
Sonne  im  Wendekreis  des  Steinbooks  steht.  An  diese  sehliesst  sich  die  grosse 
Regenzeit  bis  Mitte  Mai,  wiederum  abgelöst  durch  die  grosse  Trockenzeit  bis 
Mitte  September.  Nördlich  vom  Aequator  liegen  die  Verhältnisse  umgekehrt, 
unter  der  Iinio  theilt  man  die  Einflüsse  von  beiden  Hemisphären , es  regnet  zu 
jeder  Jahreszeit.  (Kurz  ausgedrückt:  Sonnenhochstand  bringt  Regen.  Ref.) 

Die  Luftströmungen  sind  im  Gebiete  des  Congostaates  zu  90%  West-, 
Südwest-  und  Südwinde.  (Der  Einfluss  der  Richtung  des  Flussthaies  wird  hier- 
bei zu  wenig  beachtet,  die  sogenannte  Seebrise  folgt  dem  Flussthal.  Auf  dem 
Kassai  und  Kuango,  welche  vom  Hauptstrom  nach  Südosten,  best.  Süden  umbiegen, 
wehte  während  meiner  Reise  die  „Seebrise“  von  Nordwesten  bez.  Norden.  Ref.) 

Die  Schwankungen  des  Luftdrucks  im  Congo-Gebiet  haben  gesundheitlich 
keine  Bedeutung.  Da  grössere  Bodenerhebungen  im  Congostaate  fehlen,  so  kommen 
beträchtliche  Unterschiede  nur  beim  Auftreten  der  Wirbelstürme  (tomado)  vor. 
Es  fällt  das  Iaiftdruckmaxiinum  in  den  Juli,  ein  zweites  in  den  Januar,  verschiebt 
sich  jedoch  manchmal  in  den  December  oder  Februar.  Das  Hauptminimnm 
wurde  im  Februar  oder  März  beobachtet,  ein  Nebenminimum  im  November  oder 
December.  Die  Schwankungen  des  Barometers  sind  an  der  Küste  geringer  als 
im  Innern,  die  grösste  Tagesschwankung  liegt  unter  12  mm.  Die  elektrische 
Spannung,  sowie  der  Ozongehalt  der  Luft  sind  im  Congogebiete  bisher  nicht 
studirt  worden.  Leichter  zu  beobachten  und  hygienisch  wichtiger  ist  das  Vor- 
kommen der  Gewitter.  April  und  November  weisen  die  meisten  Gewitter  auf, 
die  Zahl  derselben  wächst  von  Süden  nach  Norden,  von  der  Küste  und  dem 
Tiefland  nach  dem  höheren  Binnenlande. 

Der  Gang  der  Bewölkung  ist  in  der  nassen  Jahreszeit  folgender:  Bei  Sonnen- 
aufgang ist  der  Himmel  bedeckt,  klärt  sich  allmälig  unter  gelegentlichen  Schwan- 
kungen gegen  8 bis  10  Uhr  Vormittags  auf.  Gegen  1 bis  3 Uhr  treten  die  Ge- 
witter auf  und  zugleich  Bewölkung,  welche  sich  oft  gegen  Abend  und  während 
der  Nacht  für  mehrere  Stunden  wieder  verliert 

In  den  regenlosen  Monaten  vollziehen  sich  die  Schwankungen  der  Bewölkung 
langsamer  und  regelmässiger.  Oft  hellt  sich  der  Himmel  gegen  Mittag  oder  im 
Laufe  des  Nachmittags  auf,  ein  gewisser  Dunst  bleibt  bis  in  die  späten  Abend- 
stunden bestehen.  Gegen  9 oder  10  Uhr  abends  zieht  dann  von  Westen  kommend 
©in  Wolken-  und  Nebelschleier  heran.  Manchmal  jedoch  bleibt  der  Himmel 
auch  über  Nacht  klar  und  bezieht  sich  erst  am  frühen  Morgen. 

Das  Klima  von  Aequatorial- Afrika  charakterisirt  sich  also  durch: 

1.  Die  constante  Höhe  der  Temperatur,  deren  mittlere  Maxima  29,6°  nicht 
überschreiten,  während  die  mittleren  Minima  nicht  unter  21,4*  sinken,  durch  die 
geringen  Temperaturunterschiede  zwischen  den  Jahreszeiten  und  den  geringen 
Tagesschwankungen. 

2.  Die  Höhe  der  Wasserdampfspannung  der  relativen  Feuchtigkeit,  welch’ 
letztere  sich  dem  Sättigungspunkte  nähert,  und  der  Wechselwirkung  von  absoluter 
Feuchtigkeit  und  Dampfspannung  bei  constant  hoher  Temperatur. 

8.  Durch  einen  Luftdruck  von  nicht  über  760  mm  mit  Tagesschwankungen 
bis  zu  4 mm,  aber  geringen  Schwankungen  des  mittleren  Barometerstandes 
(4 — 5 mm). 

4.  Durch  zweimaligen  Durchgang  des  äquatorialen  Dunstringes  (doud-ring) 
in  verschieden  kurzen  Zwischenräumen,  wodurch  zwei  Regenzeiten,  getrennt 


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60 


II.  Besprechungen  und  Litte  raturangaben. 


durch  verhältnissmässig  kurze,  trockene  Jahreszeiten,  bedingt  werden.  Je  nach 
der  örtlichen  Entfernung  vom  thermischen  Aequator  schwankt  die  Dauer  der 
Jahreszeiten. 

5.  Durch  constante  elektrische  Spannung. 

II.  Theil.  Nosologie. 

"Wie  überall  im  tropischen  Afrika,  so  beherrschen  auch  im  Congogebiete  die 
zahllosen  Formen  der  Malaria-Intoxikation  die  Pathologie.  Die  Mortalität  der 
Weissen  ist  nach  Dryepondt  dort  7%.  Hierbei  ist  in  Betracht  zu  ziehen,  dass 
der  Congostaat  ein  neues  Colonisationsgebiet  ist  und  voraussichtlich  dem  V organge 
anderer  tropischer  Colonien  folgen  wird,  welche  mit  der  fortschreitenden  Cultur 
des  Bodens  die  Sterblichkeit  stetig  sinken  sahen.  Die  ungesundeste  Zeit  ist  die 
kurze  Regenzeit  und  die  Uebergangszeit,  wie  aus  den  Statistiken  von  dem  Ver- 
fasser und  Mense  hervorgeht  und  durch  Curven  veranschaulicht  wird.  Die 
Malaria  wird  von  P.  nach  Aetiologie,  Bakteriologie  und  Pathologie  eingehend  be- 
sprochen. Die  einzelnen  Fieberformen  werden  an  Curven  und  Krankengeschichten 
eigener  Beobachtung  erklärt  P.  sieht  für  die  hämoglobinurischen  Formen  die 
Malariaparasiten  Laverans  als  pathogen  an  und  kennt  den  schädlichen  Einfluss 
des  Chinins  während  des  Schwarzwasserfiebers.  Auch  glaubt  P.  nicht  an  den 
sichern  präventiven  Werth  dieses  Medikaments,  giebt  aber  den  verschiedenen 
Ansichten  der  Beobachter  über  die  Chininbehandlung  der  Malaria  Raum. 

Als  „klimatische  Fieber“  sieht  P.  fieberhafte  Erkrankungen  mit  nervösen 
und  gastrointestinalen  Begleiterscheinungen  an,  welche  von  der  Malariainfection 
unabhängig  sind,  ohne,  wie  Treille,  so  weit  zu  gehen,  die  alte  Gruppe  der  „putriden 
Fieber“  wieder  hersteilen  zu  wollen.  Die  Temperatur  bei  diesen  Fiebern  ist 
höher  als  bei  den  Malariafiebern,  die  Milzschwellung  fehlt,  ebenso  die  Neigung 
zu  Rückfällen. 

Die  Entstehung  des  Hitzschlages  wird  in  den  Tropen  begünstigt,  weil 
die  feuchte  Luft  ein  guter  Wärmeleiter  ist  und  die  infra-rothen  Wärmestrahlen 
absorbirt.  Deswegen  weisen  die  feuchten  Monate  die  meisten  Fälle  auf.  P.  unter- 
scheidet eine  synkopale,  meningi tische  und  asphyktische  Form. 

Die  tropische  Anämie,  deren  Dasein  durch  die  exacte  Blutuntersuchung 
der  Boden  entzogen  wird,  möchte  P.  vom  klinischen  Standpunkte  aus  als  Krank- 
heitsbild erhalten  wissen,  denn  dasselbe  wird  auch  selbstständig  in  Tropenländera 
beobachtet,  wo  die  Krankheiten,  deren  Complikation  oder  Folgezustand  Anämie 
ist,  weniger  häufig  Vorkommen,  z.  B.  Malaria,  Dysenterie,  Hepatitis,  parasitäre 
Erkrankungen.  Wie  bei  den  klimatischen  Fiebern,  so  ist  nach  P.  auch  bei  der 
Anämia  intertropica  weniger  die  veränderte  chemische  und  physikalische  Zu- 
sammensetzung der  Luft,  als  die  Ueberlastung  der  Leber  und  die  Ueber- 
anstrengnng  des  Nervensystems  im  Kampfe  gegen  meteorologische  Einflüsse  und 
Mikroorganismen  als  Ursache  anzusehen. 

Kapitel  IV  des  zweiten  Theiles  behandelt  die  Beri-Beri- Krankheit  in 
gründlicher  Weise.  Bemerkenswerth  ist  der  Vorschlag,  den  Poskin  auf  Anregung 
Ficket’s  macht,  die  Vorgeschichte  der  Patienten  darauf  hin  zu  prüfen,  ob  die- 
selben nicht  längere  oder  kürzere  Zeit  vor  der  Erkrankung  irgend  welche,  viel- 
leicht wenig  beachtete  sonstige  Infectionserscheinungen  gezeigt  haben.  Hierbei 
wird  an  die  Möglichkeit  gedacht,  dass  die  Polyneuritis  bei  Beri-Beri  auf  ähnliche 
Weise  entstehe,  wie  z.  B.  die  Lähmungen  bei  Diphtheritis. 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


61 


Da  P.  einer  der  wenigen  Aerzte  ist,  welche  Beri-Beri  und  die  afrikanische 
Schlafkrankheit  der  Neger  auf  demselben  Boden  beobachtet  haben,  so  giebt 
er  auch  die  Differentialdiagnose  zwischen  beiden  Krankheiten,  welche  von  den 
meisten  Autoren  als  selbstverständlich  übergangen  wird.  Beri-Beri  ist  eine 
periphere  Polyneuritis,  die  Schlafsucht  eine  Erkrankung  des  Nervensystems  im 
Allgemeinen,  ihre  Hauptsymptome  sind  Empfindungslosigkeit  und  Schlaftrunken- 
heit, der  Verlauf  ist  ein  langsamer,  der  tüdtliche  Ausgang  die  Regel,  bei  Beri- 
Beri  Uberwiegen  Oedeme  und  Paresen  im  Symptomenkomplex,  welche  bei  der 
Schlafkrankheit  fehlen.  Der  Verlauf  derselben  ist  rascher  (?  Ref.).  Heilung 
häufiger. 

Referent  bemerkt  hierzu  aus  eigener  Beobachtung,  dass  die  bei  der  Schlaf- 
krankheit auftretenden  Exantheme  und  die  Conjunctivitis  nicht  als  Symptome  der 
Krankheit,  sondern  als  Folgen  der  Anästhesie  und  mangelhaften  Hautpflege  der 
Kranken  aufzufasaen  sind. 

Der  Abdominaltyphus,  welcher  am  Congo  und  an  der  Westküste 
Afrikas  bisher  nicht  beobachtet  wurde,  kommt  nur  auf  dem  afrikanischen  Fest- 
lande und  in  den  Mittelmeerländero  häufig  vor,  am  Senegal  ist  die  Krankheit 
selten.  Das  Auftreten  derselben  in  der  Gegend  der  grossen  centralafrikanischen 
Gegenden  wird  von  Fruen  mitgetheilt. 

Anch  das  Gelbfieber  hat  sich  im  tropischen  Afrika  nur  in  einem  begrenzten 
Gebiete  der  Westküste  gezeigt  (Dakar,  Goree,  Senegal,  Capverdische  Inseln). 
Beide  Krankheiten  werden  trotzdem  der  Vollständigkeit  halber  besprochen. 

Das  Dengue-Fieber  ist  nur  auf  dem  afrikanischen  Continent,  in  den 
tropischen  Gegenden,  im  Senegal  und  in  Ostafrika  zur  Beobachtung  gelangt,  da- 
gagen  ist  der  Pi  an  (Frambösia)  im  Congo-Gebiete  weit  verbreitet  (Zur  Therapie 
bemerkt  Referent  aus  eigener  Erfahrung,  dass  ihm  die  örtliche  Anwendung  eines 
mit  Wasser  angerührten  festen  Breies  von  Bismuthum  subnitricum  am  erfolg- 
reichsten war.) 

Die  Lepra  überragt  die  letztgenannte  Krankheit  weitaus  an  Bedeutung, 
auch  im  Congostaate,  wie  in  ganz  Afrika,  ist  dieselbe  zu  finden.  Die  Bakteriologie 
der  Krankheit  ist  ebenso  wie  pathologische  Anatomie  und  Symptomatologie  leicht 
fasslich  dargestellt,  bei  der  Therapie  wird  besonders  das  Chaulmoogra-Oel 
empfohlen. 

Der  Abschnitt  „maladies  locales“  umfasst  die  meisten  Krankheiten, 
welche  deutsche  Autoren  als  „Organkrankheiten“  bezeichnen  würden  und  wird 
mit  der  „tropischen  Diarrhoe  eingeleitet  Der  besonders  in  deutschen  und 
holländischen  Werken  geläufige  Ausdruck  „Aphthae  tropicae“  für  den  gleichen 
Symptomkomplex  fehlt  in  der  Synonymik. 

Für  Afrika,  wo  die  tropischen  Aphthen  als  besonderes  Krankheitsbild  noch 
nicht  beschrieben  worden  sind,  ist  die  Dysenterie  von  grösserer  Bedeutung. 
Im  Congostaate  findet  man  dieselbe  weit  verbreitet,  jedoch  nach  Mense  weniger 
in  der  Bergkette  der  Monts  de  cristal,  als  in  der  Zone  des  Centralplateaus,  be- 
sonders an  den  Stationen  längs  des  Flusses.  Geographisch  fällt  die  Dysenterie 
nicht  mit  der  Malaria  genau  zusammen.  Die  lokalisirten  Epidemien  der  tropischen 
Ruhr  herrschen  besonders  auf  feuchtem  und  sumpfigem  Boden,  endemisch 
erscheint  dieselbe  weder  an  Bodenbeschaffenheit  noch  Meereshöhe  gebunden. 
Die  Einzelheiten  der  Pathologie  und  Therapie  dieser  Krankheit  müssen  im  Ori- 
ginal eingesehen  werden. 


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62 


II.  Besprechung™  und  Litte  raturangaben. 


Naturgemäss  schliesst  der  Verfasser  der  Dysenterie  die  tropischen  Leber- 
aifectionen  an,  deren  wichtigste  Heerde  mit  ersteren  beiden  Krankheiten  sich  decken. 
Im  äquatorialen  West-  und  Centralafrika  ist  der  eigentliche  Leberabscess  ver- 
hältnissmässig  selten. 

Kapitel  9 ist  in  sehr  praktischer  Weise  den  „vergifteten  Wunden“  ge- 
widmet. 

Schlangenbisse.  Schlangen  sind  im  äquatorialen  Afrika  überaus  reich- 
lich vorhanden.  Die  giftigen  Arten  sind  jedoch  vprhältnissmässig  selten.  Die 
wichtigsten  Giftschlangen  sind  Trichonocephalus  und  die  Speiotter. 

P.  giebt  die  landläufige  Ansicht  wieder,  dass  das  ausgespieene  Gift 
mancher  Schlangen,  wenn  es  in  die  Augen  gelange,  zur  Erblindung  führe.  Referent 
behandelte  wiederholt  Eingeborene,  welche  in  dieser  Weise  getroffen  worden 
waren,  sah  jedoch  nie  ernstere  Folge  als  eine  heftige,  aber  oberflächliche  Con- 
junctivitis und  Keratitis.  Die  Therapie  des  Schlangenbisses  ist  genau  besprochen. 

Stiche  von  Skorpionen  und  Tausendfüsslern.  Beide  können  be- 
drohliche Erscheinungen  herbeiführen,  führen  jedoch  selten  zum  tödtlichen  Aus- 
gange. Die  beste  Behandlung  besteht  im  Aussaugen  mittelst  trockner  Schröpf- 
köpfe und  Ammoniakwassereompressen. 

Verletzungen  durch  vergiftete  Waffen.  Dieselben  sind  nicht  häufig. 
Die  physiologische  Wirkung  der  afrikanischen  Pfeil-  und  Waffengifte  sind  wenig 
studirt.  P.  führt  die  wichtigsten  Gifte  auf. 

Das  tropische  phagaedaenische  Geschwür  (am  Congo  „Sanne*“,  als 
„Afrikanismus“  auch  „Saroes“  gesprochen). 

Der  Sandfloh  (Pulex  penetrans,  mn  Congo  Djigga). 

Wenn  P.  den  Parasiten  an  dieser  Stelle  nennt,  so  ist  es  wohl  nur.  weil 
die  durch  denselben  hervorgerufenen  Hautgeschwüre  leicht  inficirt  werden  können. 
Nach  Ansicht  des  Referenten  ist  diese  Gefahr  geringer,  als  landläufig  angenommen 
wird.  Der  Sandfloh  könnte  besser  unter  Capitol  XIV,  Hautkrankheiten  angeführt 
werden,  als  welche  P.  nur  den  Lichen  tropicus  und  ein  „Eczema  tropicum- 
nennt,  ohschon  letzteres  nach  seiner  eigenen  Angabe  sich  höchstens  durch  die  Häufig- 
keit des  Auftretens  vom  Ekzem  in  unsem  Klimaten  unterscheidet  Dieser  Knapp- 
heit gegenüber  ist  Kapitel  XV  „maladies  sjieciales“  um  so  besser  bedacht.  Die 
Filariosis  am  Congo  ist  besonders  von  Firket1)  studirt  worden,  welcher  die  Filaria 
perstans  (Manson)  in  zwei  Typen , einer  grossen  Art  von  160 — 180  p und  einer 
kleinen  von  90 — 100  p Länge,  bei  Congo-Negern  beobachtete.  Das  Vorkommen 
der  Filaria  nocturna  beweist  die  Häufigkeit  der  Elephantiasis  arahum  und  sonstiger 
Erkrankungen  der  Lvmphgefässe  unter  den  Eingebomen. 

Anchylostoma  duodenale  ist  allgemein  verbreitet  der  Guinea-Wurm 
war  während  des  Aufenthalts  des  Referenten  am  Congo  (1885 — 87)  nur  bei  ein- 
gewanderten Negern  von  der  Gold-  und  Guinenküste  zu  finden,  nach  P.  soll 
derselbe  jetzt  auch  die  Congo-Neger  heimsuchen. 

Der  dritte  Theil  des  Buches  behandelt  die  tropische  Hygiene  und  bespricht 
den  Einfluss  des  Klimas  auf  die  Constitution,  die  Acdimatisation , die  private 
„specielle“  und  öffentliche  Hygiene.  Unter  „specieller  Hygiene“  giebt  P.  be- 
achtenswerthe  Rathschläge  für  die  in  Afrika  am  meisten  gefährdeten  Europäer* 
Klassen,  nämlich  des  Forsehungsreiseudeu  und  der  Frauen  und  Kinder. 

>)  Cb.  Firket,  De  ls  filsrloee  da  seng  dies  lee  negree.  (Bult  de  l'Acsd.  de  Med.  de 
Belglqae.  IS»».) 


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IIJ.  Versammlungsberichte. 


63 


Jedem  in  den  Tropen,  besonders  aber  im  äquatorialen  Afrika  wirkendem 
Arzte  und  jedem  gebildeten  Manne  in  jenen  Ländern  kann  (las  Werk  Poskin's 
als  Handbuch  warm  empfohlen  werden.  Menae. 


III.  Versainmlungsberichte. 

Die  internationale  wissenschaftliche  Lepraconferenz  zu  Berlin, 
Oktober  1897.  Berioht  von  Dr.  Max  Joseph  in  Berlin.  (Fortsetzung  aus 
Bd.  I.  6.) 

A.  von  Bergmann  aus  Riga  nimmt  an,  dass  die  Binden,  die  Leib-  und 
Bettwäsche,  ja  auch  die  Kleider  und  das  Schuhzeug  Gegenstände  repräsentiren, 
welche  reichlich  hacillenhaltiges  Material  in  sich  aufgenommen  haben  und  daher 
im  Stande  sind  unter  geeigneten  Bedingungen  einen  andern  Organismus  zu  in- 
ficiren.  Man  begegne  in  der  Praxis  wiederholt  der  Angabe,  dass  die  Ueber- 
tragung  durch  Gegenstände,  z.  B.  Kleider  stattgefunden  habe.  Indessen  seien 
diese  Angaben  schwer  zu  eontroliren.  Dass  die  theoretisch  eonstruirte  Möglich- 
keit der  Verbreitung  der  Lepra  durch  inficirte  Gegenstände  jedoch  auch  einen 
praktischen  Hintergrund  habe,  dafür  könne  der  hohe  Procentsatz  angeführt  werden, 
den  die  Wäscherinnen  zum  Contingent  der  Leprösen  stellen,  nach  einzelnen  Be- 
richten bis  zu  20  V#  der  Erkrankungen.  Von  den  gegenwärtigen  49  weiblichon 
Insassen  des  Rigaischen  Leprosoriums  seien  9 Wäscherinnen,  allerdings  könne 
er  nicht  den  Nachweis  erbringen,  dass  diese  nun  auch  wirklich  sämmtlich  die 
Wäsche  Lepröser  gewaschen  haben.  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  wäre  die 
Möglichkeit  der  Vermittlung  der  Lepra  durch  verunreinigte  Wäsche,  Kleider  etc. 
nicht  von  der  Hand  zu  weisen  und  müssten  dementsprechende  Maassregeln  ge- 
troffen werden.  Mithin  sei  zu  verlangen,  dass  in  den  sanitätspolizeilichen  Vor- 
schriften eine  sorgfältige  Desinfection  dieser  Gegenstände  resp.  die  Verbrennung 
derselben  vorgesehen  werde.  Die  sanitätspolizeilichen  Vorschriften  hätten  sich 
ferner  auch  auf  die  Dpsinfection  der  Wohnung  der  Betreffenden  zu  erstrecken, 
da  hier  durch  Unsauberkeit  aller  Art,  namentlich  das  Speien  auf  die  Diele,  Ba- 
cillendepots gesetzt  werden,  welche  unschädlich  gemacht  werden  müssten,  umso- 
mehr als  die  Tenacität  der  Bacillen  eine  beträchtliche  zu  sein  scheine,  und  damit 
auch  die  Grundbedingung  für  eine  lange  währende  Virulenz  gegeben  sei. 

Der  dritte  Sitzungstag  wurde  mit  einer  Mittheilung  Virchow’s  über  die 
von  Ashmead  (New  York)  aufgefundeuen  krankhaften  Darstellungen  an  alt- 
peruanischen Thonfiguren  eröffnet.  Es  wurden  Topfgeräthe  aus  den  sogenannten 
alten  Gräbern  von  Peru  mit  starken  Veränderungen  im  Gesichte  vorgezeigt  welche 
für  die  präcolumbischo  Existenz  der  Lepra  zu  sprechen  scheinen.  Die  hierauf  zur 
Erörterung  gelangende  Frage  über  die  pathologische  Anatomie  und  Histologie 
der  Lepra  führte  zu  einem  heftigen  Aufeinanderplatzen  der  Meinungen.  Unna 
vertritt  bekanntlich  den  Standpunkt,  dass  die  Bacillen  nicht,  wie  man  bisher  stets 
annahm,  in  den  Leprazellen,  sondern  extracellulär  liegen.  Er  glaubte  dieses  auch 
wiederum  durch  seine  ausgezeichneten  Demonstrationspräparate,  welche  nüt  einer 
neuen  Doppelfärbungsmethode  hergestellt  waren,  beweisen  zu  können.  Diese 
Schnitte  durch  Lepraknoten  zeigten  die  Bacillen  roth,  in  glasklarer  blauer  Gloea, 
während  das  Protoplasma  grauviolett  war.  Bei  genügender  Feinheit  der  Schnitte 


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64 


III.  Versammlungsberichte. 


glaubt  er  beweisen  ru  können,  dass  der  früher  für  homogen  gehaltene  Schleim  bei 
dieser  specifischen  Färbung  sich  als  ein  Conglomerat  von  etwas  geschwollenen, 
die  Bacillenfarbe  (hier  Fuchsin)  nicht  mehr  annehmenden  und  daher  offenbar 
abgestorbenen  Bacillen  von  Stäbchenform  auflöst  Mithin  bestehe  das,  was 
Unna  Oloea,  die  anderen  Autoren  degenerirtes  Protoplasma  genannt  haben,  ans 
abgestorbenen  Bacillen. 

Dem  gegenüber  entwickeln  sich  nach  den  Erfahrungen  von  V.  Babes 
(Bukarest),  welcher  ebenfalls  ausgezeichnete  Präparate  demonstrirte,  die  Bacillen 
sowohl  intra-  als  extracellulär.  Jedenfalls  konnte  er  Unna  nicht  beistimmen, 
wenn  er  behauptet,  dass  die  Bacillen  fast  immer  ausserhalb  der  Zellen  liegen, 
ebensowenig  konnte  er  aber  zugeben,  dass  die  runden  Bacillencolonien  sich  in 
der  Regel  auf  Kosten  von  Zellen  bilden,  wie  dies  manche  Autoren  annehmen. 
Man  könne  sich  eben  ganz  leicht  überzeugen,  dass  in  der  Regel  zunächst  einzelne 
Bacillen  im  Zellprotoplasma  liegen.  Diese  einzelnen  Bacillen  wachsen  hier  zu 
Colonien  aus,  welche  im  Innern  der  vergrösserten  Zellen  in  Yaeuolen  liegen. 
Man  könne  nun  eine  langsame  Wanderung  der  Bacillen  auf  dem  Lymphwege, 
sowie  eine  schnelle  auf  dem  Blutwege  unterscheiden.  Es  konnte  natürlich  nicht 
ausbleiben,  dass  den  radicalen  Unna 'sehen  Anschauungen  gegenüber  Neisser 
seinen  entgegengesetzten  Standpunkt  der  intracellulären  Lagerung  der  Bacillen 
auf  das  Energischste  vertrat.  Er  verwies  auf  die  Thatsache,  dass  auch  die  feinen 
histologischen  Erscheinungen  an  den  Zellen:  Blähungen,  Vacuolisation,  Globus- 
bildung, ihre  Unterlage  in  der  Anwesenheit  und  den  Eigentümlichkeiten  der 
Bacillen  finden.  Auch  Dohi  (Tokio)  kommt  nach  seinen  Untersuchungen  zudem 
Ergebnisse,  dass  kein  Zweifel  an  dem  Vorkommen  von  wirklichen  und  echten 
Leprazellen  bestehe,  welche  wahrscheinlich  Abkömmlinge  der  fixen  Bindegewebs- 
zeilen  seien.  Andererseits  fand  er  aber  von  einem  deutlichen  Endothel  umgebene 
Hohlräume,  in  denen  sich  ein  compacter  Bacillenhaufen  von  der  "Wandung 
retrahirt  befand  (Bacillenthromben  in  Lymphcapillaren).  Diese  Lamina  konnte 
er  durch  Schnittserien  verfolgen.  Somit  glaubt  er,  dass  die  Globi  keine  Lepra- 
zellen, sondern  Bacillenhaufen  in  Lymphgefässthromben  sind.  Bei  der  Knoten- 
lepra komme  auch  eine  relativ  grosse  Anzahl  von  Riesenzellen  vor,  bei  welchen 
sich  Uebergänge  zu  den  einfachen  Leprazellen  mühelos  finden  lassen.  Sie  seien 
den  Riesenzellon  der  Tuberculose  sehr  ähnlich,  unterscheiden  sich  von  ihnen  aber 
wesentlich  nur  durch  das  häufigere  Vorkommen  von  scheinbaren  und  wirklichen 
Vacuolen.  Sie  enthalten  mehr  oder  weniger  zahlreich  isolirt  liegende  Bacillen 
oder  auch  kleine  Häufchen  von  solchen.  Von  der  Angabe  Unna's,  dass  Lepra- 
zellen, freilich  ohne  ihre  Natur  als  bacillenhaltige  Zellen  zugegeben,  Abkömmling« 
seiner  Plasmazellen  seien,  konnte  sich  Dohi  niemals  überzeugen.  Er  fand  im 
Gegenteil  Uebergänge  von  diesen  Plasmazellen  zu  den  Leprazellen , sodass  die 
Plasmazellen  mit  der  eigentlichen  Neubildung  bei  der  Lepra  nichts  zu  tan 
haben. 

Auch  Musehold  wurde  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  an  Leber  und 
Milz  zu  der  Anschauung  geführt,  dass  die  Leprabacillen  sowohl  intra-  wie  extra- 
cellulär liegen  und  in  der  Leber  massenhaft  im  interstitiellen  Bindegewebe  sich 
ansiedeln,  in  der  Milz  meist  am  reticulären  Stützwerk  haften.  Die  grossen  inner- 
halb bindegewebiger  Umgebung  anzutreffenden,  aus  aneinander  gelagerten  Kugeln 
besonderen  Lichtbrechungsvermögens  und  aus  bacillenerfüllter  Zwischensubstanz 
zusammengesetzten  Gebilde  seien  am  einfachsten  als  Lymphtrombenconglomerate 


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IV.  Versammlung* berichte. 


65 


zu  deuten.  Ebenso  konnte  Referent  (Max  Joseph)  anseinen  zur  Demonstration 
ausgelegten  Präparaten  von  Lepramilz  erweisen,  dass,  wenn  auch  zuweilen  die 
Bacillen  in  Lymphgefässen  anzutreffen  sind,  sich  doch  das  Gros  innerhalb  der 
Leprazellen  befinde  und  zwar  in  der  Gegend  der  Malpighi'schen  Körperehen. 
Dieser  Anschauung  huldigto  im  Wesentlichen  auch  Schaoffer  (Breslau),  während 
Bergengrün  (Riga)  und  Lubarseh  der  Ansicht  zuneigten,  dass  die  Bacillen 
nicht  in  den  Zellen,  sondern  in  den  Lymphgefässen  liegen.  Allen  diesen  Ein- 
wänden gegenüber  giebt  zwar  Unna  zu,  dass  er  in  seiner  Histo-Pathologie  der 
Haut  bei  Gelegenheit  der  Lepra  den  Plasmazellen  zu  viel  Bedeutung  beigelegt 
habe,  im  Uebrigen  vertheidige  er  aber  seine  früheren  Anschauungen.  Im  Gegen- 
satz zu  Neisser,  welcher  das  Protoplasma  als  den  Nährboden  für  die  Bacillen 
onnimmt,  spreche  er  hierfür  die  Lymphspalten  an.  Er  glaube,  dass  man  mit 
neuen  Methoden  die  Zellennatur  werde  fallen  lassen  müssen. 

Besonderes  Interesse  erregten  noch  die  im  Anschlüsse  hieran  erfolgenden 
Demonstrationen  von  L.  Glück  (Sarajevo)  über  die  Ia-pra  der  oberen  Athmungs- 
und  Verdauungswege,  sowie  der  Mittheilungen  von  Jeanselme  und  Laurence 
(Paris)  über  die  Localisation  der  Lepra  in  Nase,  Schlund  und  Kehlkopf.  Darier 
(Paris)  machte  eine  Mittheilung  über  die  pathologische  Anatomie  der  Flecken- 
exantheme bei  der  Lepra,  sogenannter  Neuro-Lepride.  Er  fand  eine  mehr  oder 
weniger  reichliche  perivasculäre  Zellinfiltration,  welche  die  Follikel  und  Drüsen 
umgiebt.  Das  Infiltrat  besteht  grossentheils  aus  Bindegewebszellon,  welchen  sioh 
Leucoeythen,  bisweilen  Kiesenzellen  und  einige  Mastzellen  beigesellen.  Bis  auf 
einen  Fall  wurden  stets  in  diesen  Flecken  Bacillen  nachgewiesen. 

Die  Rolle  der  Erblichkeit  dürfte  zur  Zeit,  wie  llel lat  (Petersburg)  richtig 
bemerkte,  nur  noch  historisches  Interesse  beanspruchen  und  als  Beweis  dessen 
gelten,  wie  leicht  Erscheinungen  einer  und  derselben  Kategorie  gerude  ent- 
gegengesetzter Deutung  fähig  sind.  Denn  gerade  diejenigen  Thatsaohen,  welche 
Danielssen  und  Boeck  als  einen  unumstösslichen  Beweis  der  Heredität  an- 
sahen, lassen  sich  mit  viel  grösserem  Rechte  gegen  dieselbe  anführen. 

Für  die  Aus-  und  Einwanderungen  in  ihren  Beziehungen  zur  Verschleppung 
stellte  Arning  die  These  auf,  dass  die  Migration  der  Menschen,  da  die  Lepra 
durch  Contagion  von  Mensch  zu  Mensch  übertragen  wird,  die  Quelle  der  Ver- 
breitung der  Seuche  ist  Da  die  Massenauswandorungen  besonders  aus  solchen 
Ländern  stattfinden,  in  denen  die  Ijepra  endemisch  ist  und  sich  häufig  nach 
Gegenden  hinzieht,  wo  noch  keine  I/>pra  herrscht,  so  liegt  in  der  strengen  Be- 
aufsichtigung dieser  Auswanderungsströme  eine  wichtige  Handhabe  zur  Verhütung 
der  weiteren  Ausbreitung  der  Krankheit  Diese  Controle  setze  am  zweck- 
massigsten  am  Ausgangspunkte  der  Auswanderung  ein,  werde  unter  Garantie  des 
(Konsulats  des  Bestimmungslandes  am  Sammel-  und  Einschiffungshafen  fortgesetzt, 
und  endige  in  einer  Superrevision  am  Aussehiffungshafen. 

Die  Therapie,  insbesondere  die  Serotherapie,  gab  ebenfalls  Veranlassung  zu 
eingehender  Discussion.  Zwar  wurde  allseitig  anerkannt,  dass  eine  gute  Hygiene 
und  geeignete  symptomatische  Therapie  das  einzige  sind,  was  wir  leider  bisher  bei 
der  Lepra  leisten  können.  Doch  gab  gerade  die  Anwesenheit  von  Carrasquilla, 
welcher  ein  Serum  gegen  diese  Krankheit  gefunden  zu  haben  glaubt  Gelegenheit 
über  diese  Frage  zu  diseutiren.  In  Uebereinstimmung  mit  den  Beobachtungen 
Carrasquilla’s  stellte  Buzzi  einen  Kranken  vor,  bei  welchem  die  bisher 
erzielten  Resultate  bei  Weitem  bessere  waren,  als  sie  bisher  mit  irgend  einer 
Archiv  f.  Schiff*-  u.  Tropenhvgiene.  XI.  5 


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66 


III.  Versammlungsberichte. 


andern  Behandlungsweise  erzielt  werden  konnten.  Daher  empfehle  er  das  Mittel, 
es  verdiene  jedenfalls  weiter  geprüft  zu  werden.  Im  Gegensätze  hierzu  demon- 
strirte  allerdings  Brieger  einen  Kranken,  bei  welchem  jeglicher  Erfolg  aus- 
geblieben war. 

Ein  ganz  besonderes  Interesse  erregte  natürlich  die  Frage  der  Isolirung  der 
Aussätzigen  und  der  dazu  erforderlichen  Mnassregeln.  Armauer  Hansen  hat 
an  seinen  Jahre  lang  durehgeführten  Beobachtungen  in  Norwegen  die  Erfahrung 
gemacht,  dass  die  Krankheit  ohne  Isolation  zunimmt,  durch  die  Isolation  dagegen 
erfischt.  Danach  könne  er  sogar  sagen,  dass  mit  dem  Beginne  des  neuen  Jahr- 
hunderts die  Lepra  aus  Norwegen  verschwinden  werde.  In  Norwegen  war  die 
Isolation  nie  eine  vollständig  obligatorische.  Von  Anfang  an  war  sie  eine  voll- 
ständig freiwillige  und  wurde  ursprünglich  als  eine  humane  Verpflegung  der 
armen  Kranken  eingeführt.  1885  wurde  ein  Gesetz  gegeben,  nach  welchem  die 
Gesundheitscommission  oder  die  Communalbehörden  den  Leprösen  auferiegen 
mussten,  dass  sie  auch  zu  Hause  so  weit  als  möglich  isolirt  leben  sollten  und 
wenn  dies  nicht  möglich  war,  oder  der  Lepröse  sich  den  Anordnungen  nicht 
fügen  wollte,  so  konnte  die  Behörde  ihn  zwingen,  in  eine  Anstalt  zu  gehen.  Es 
sei  sehr  schwer,  meistens  unmöglich,  einen  Leprösen  davon  zu  überzeugen,  da« 
er  für  seine  Nächsten  gefährlich  sein  könne,  dagegen  sei  es  leicht  die  Gesunden 
hiervon  zu  überzeugen,  und  da  die  letzteren  glücklicher  Weise  in  der  Majorität 
seien,  so  schlage  die  gesunde  Vernunft  meistens  durch.  Daher  stellte  Hansen 
folgende  Sätze  auf:  Der  Uebertragung  der  I^pra  könne  durch  durchgeführte 
Beinliehkeit,  persönliche  wie  im  Haushalt,  vorgebeugt  werden.  Die  Isolation  der 
Leprösen  könne  datier  mit  Erfolg  in  der  Heimath  der  Kranken  stattfinden.  Wo 
es  viele  und  arme  lepröse  gebe,  bleibe  die  Isolation  zu  Hause  meistens  ungenügend 
und  hier  müsse  der  Staat  Isolationsanstalten  zur  Verpflegung  der  Isolirten  er- 
richten. Das  Einlegen  in  die  Anstalten  müsse  je  nach  den  Umständen  eia 
facultatives  oder  obligatorisches  Rein. 

Dehio  (Dorpat)  berichtete,  dass  in  40  Jahren  die  Zahl  der  Leprösen  von 
300  auf  ca  600  gestiegen  seien.  Es  bleibe  nur  die  Isolirung  der  Kranken  übrig. 
Die  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Lepra  in  Livland  habe  sich  1890  constituirt 
in  demselben  Jahre  sei  die  erste  Leproserie  in  der  Nähe  Dorpats  für  20  Betten 
gegründet  worden.  Später  sei  eine  zweite  Anstalt  für  80  Betten,  bald  darauf 
eine  dritte  für  60  bis  80  Kranke  gegründet  worden  und  in  diesem  Jahre  solle 
noch  eine  vierte  Austalt  folgen.  Er  macht  darauf  aufmerksam,  dass  gerade 
private  Gesellschaften  sehr  viel  dazu  thun  können,  um  die  Bevölkerung  auf  die 
Gefahren  aufmerksam  zu  machen,  um  aber  wirkliche  Erfolge  zu  erzielen,  dazu 
gehöre  die  Unterstützung  des  Staates.  Im  Augenblicke  seien  160 — 170  Kranke 
in  allen  Leproserien  untergebracht,  allerdings  viel  zu  wenig  in  Anbetracht  der 
überhaupt  existirenden  leprösen.  Es  frage  sich  daher  sehr,  ob  nicht  eine 
zwangsweise  Isolirung  nothwendig  sein  werde,  da  jeder  lepröse  für  seine  Um- 
gebung eine  Gefahr  sei.  Die  Gesellschaft  hoffe  zwar,  ohne  Zwangsmaassregeln 
auszukommen,  indessen  gebe  er  zu,  dass  für  jedes  Land  die  Maassregeln  ver- 
schieden sein  müssten. 

Während  Besnier  die  Isolirung  nicht  für  notwendig  hält  und  betont,  da« 
ein  Fall  von  Contagion  im  Hospital  St.  I/iuis  in  Paris  noch  nie  beobachtet  worden 
sei,  stehen  Hallopeau  und  Thibierge  nicht  auf  dem  gleichen  ablehnenden 
Standpunkte.  Zwar  sind  auch  sie  nicht  für  strenge  Absperrungsmaassregeln,  in- 


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III.  Versammlungsberiehte. 


67 


dessen  weist  Hallopeau  doch  ernstlich  auf  die  Gefahren  hin,  welche  in  Folge 
vermehrten  Zuzuges  von  Leprösen  aus  den  Colonien  und  dem  Auslande  für  Paris 
entstehen  können.  In  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1897  seien  allein  10  neue 
lepröse  in  das  Hospital  St.  Louis  eingetreten  und  man  müsste  doch  an  eine 
Isolirung  derselben  innerhalb  des  Krankenhauses  denken.  Desgleichen  empfahl 
Thibierge  eine  gründliche  ärztliche  Untersuchung  der  arm  den  Colonien  zurück- 
kehrenden Personen. 

Nachdem  noch  Sederholin  (Stockholm)  übor  die  Lepra  in  Schweden, 
Ehlers  über  die  Erkrankung  in  Island  und  Alvarez  über  die  Verhältnisse  auf 
Hawai  berichtet  hatten,  empfahl  Kirchner  die  Gründung  von  Vereinen  zur  Be- 
kämpfung der  Lepra,  welche  ein  werth volles  Glied  in  der  Kette  der  auf  Ver- 
nichtung dieser  Seuche  gerichteten  Bestrebungen  bilden  würden. 

In  der  Schlusssitzung  wurde  das  Ergebnis«  der  Lepraconferenz  in  folgender 
Uebersicht  zusammengefasst:  „Als  Krankheitserreger  wird  nach  dem  gegen- 
wärtigen Stande  der  Forschung  der  Leprabacillus  angesehen,  der  der  wissen- 
schaftlichen Welt  durch  die  Entdeckung  Hansen’s  seit  bald  25  Jahren  bekannt 
ist.  Zwar  sind  dio  Bedingungen,  unter  denen  dieser  Bacillus  gedeiht  und  sich 
weiter  entwickelt,  noch  unbekannt,  ebenso  die  Art  und  Weise  seines  Eindringens 
in  den  menschlichen  Körper;  jedoch  deuten  die  Verhandlungen  der  Conferenz 
darauf  hin,  dass  eine  Einigung  sich  anbahnt  über  die  Wege,  auf  denen  er  im 
menschlichen  Körper  sich  verbreitet.  Einheitlich  Ist  die  Auffassung  darüber, 
dass  nur  der  Mensch  der  Träger  dieses  pathogenen  Bacillus  ist.  Ueber  die 
Massenhaftigkeit  der  Ausscheidung  des  Bacillus  aus  dem  kranken  Organismus, 
namentlich  von  der  Nasen-  und  Mundschleimhaut,  sind  interessante  Beobachtungen 
mitgetheilt  worden,  deren  Nachprüfung  an  einem  grossen  Beobachtungsmaterial 
dringend  wünschenswert  erscheint.  Diesen  Fragen  von  ausschliesslich  wissen- 
schaftlicher Bedeutung  steht  die  Thatsache  gegenüber,  die  praktisch  einschneidende 
Bedeutung  hat  für  alle,  denen  die  Sorge  für  das  Volkswohl  anvertraut  ist,  die 
Anerkennung  der  Lepra  als  einer  contagiösen  Krankheit.  Jeder  Lepröse  bildet 
eine  Gefahr  für  seine  Umgebung.  Diese  Gefahr  wächst,  je  inniger  und  länger 
andauernd  die  Beziehungen  des  Kranken  zu  seiner  gesunden  Umgebung  sind  und 
je  schlechter  die  sanitären  Verhältnisse,  unter  denen  sie  sich  abspielen.  Mithin 
bedeutet  ganz  besonders  unter  der  ärmsten  Bevölkerungsschicht  jeder  Lepröse 
eine  stete  Gefahr  der  Uebertragung  für  seine  Familie  und  seine  Arbeitsgenossen- 
schaft. Jedoch  kann  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  die  Fälle  von  Ueber- 
tragung auf  Menschen  in  besser  situirter  Lebenslage  nicht  mehr  vereinzelt  be- 
obachtet werden.  Zu  Gunsten  der  contagionistischen  Auffassung  der  Lepra  hat 
die  Anschauung,  dass  dio  Lepra  durch  Vererbung  sich  verbreitet,  immer  mehr 
Anhänger  verloren.  Die  Behandlung  der  Lepra  erzielt  bisher  nur  palliative  Er- 
folge. Auch  dio  Serumbehandlung  hat  bisher  in  dieser  Beziehung  keinen  Wandel 
gebracht  Angesichts  der  Unheilbarkeit  der  Lepra,  angesichts  der  Entstellung, 
die  sie  hervorruft  und  der  schweren  persönlichen  und  öffentlichen  Schäden,  die 
sie  mit  sich  bringt,  hält  die  Lepraconferenz  in  logischer  Schlussfolgerung  ihrer 
contagionistischen  Auffassung  der  Lepra  die  Isolirung  für  das  einzige  radieale  und 
am  raschesten  wirkende  Mittel  zur  Unterdrückung  der  Lepra,  insbesondere  wo 
sie  in  heerdenweiser  oder  epidemischer  Verbreitung  sich  findet  Die  Bestätigung 
dieser  Ansicht  sieht  sie  in  den  Erfolgen,  die  die  Bekämpfung  der  Lepra  in  Nor- 
wegen errungen  hat,  dort,  wo  die  Isolirung  der  Kranken  zielbewusst  durchgeführt, 

5* 


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68  IV.  Zur  Besprechung  eingegangeue  Bücher  und  Schriften. 

d.  h.  gesetzlich  eine  Handhabe  geschaffen  worden  ist,  die  Isolirung  bei  den- 
jenigen Kranken  auch  gegen  ihren  Willen  durchzusetzen,  welehe  durch  die 
elenden  Verhältnisse,  unter  denen  sie  ihr  Dasein  führen,  eine  ganz  besonders 
grosse  Gefahr  für  ihre  Umgebung  bedeuten.“ 

Die  Conferenz  gelangte  ferner  einstimmig  zur  Annahme  des  von  Armaner 
Hansen  eingebrachten  Antrages:  1.  ln  allen  Ländern,  in  denen  die  Lepra  heerd- 
weise  oder  in  grösserer  Verbreitung  auftrittt,  ist  die  Isolation  das  beste  Mittel, 
um  die  Verbreitung  der  Seuche  zu  verhindern.  2.  Das  System  der  obligatorisches 
Anmeldung  der  Ueberwaohung  und  der  Isolation,  wie  es  in  Norwegen  durch- 
geführt ist,  ist  allen  Nationen  mit  autonomen  Gemeinden  und  hinlänglicher  Zahl 
der  Aerzte  zu  empfehlen.  3.  Es  muss  den  gesetzlichen  Behörden  überlassen 
werden,  nach  Anhörung  der  sanitären  Autoritäten  die  näheren  Vorschriften,  die 
den  speciellen  socialen  Verhältnissen  angepasst  werden  müssen,  festzustellen. 

Hierauf  wurden  unter  den  lebhaftesten  Dankesbezeugungen  für  die  Leiter 
der  Conferenz,  R.  Virehow  und  0.  Lassar,  die  Verhandlungen  geschlossen. 
Rühmend  sei  aber  noch  der  vortrefflich  organisirten,  nach  vielen  Richtungen 
Neues  bietenden  Demonstrationen,  sowie  der  ausgezeichneten,  mit  dem  Congresse 
verbundenen  wissenschaftlichen  Ausstellung  gedacht. 

Als  ein  Zeichen  des  tiefen  Interesses,  welches  auch  die  hohen  Staatsbehörden 
den  Bestrebungen  der  Conferenz  entgegenbrachten,  sei  es  erwähnt,  dass  Sc. 
Majestät  der  Kaiser  die  Mitglieder  der  Conferenz  der  hohen  Ehre  eines  Empfanges 
würdigte  und  der  Reichskanzler  dieselben  in  sein  gastliches  Haus  lud. 


IY.  Zur  Besprechung  eingegangene  Bücher 
und  Schriften. 

Le  venin  des  serpents,  Physiologie  de  l’evenemation , traitement  des  morsurss 
venimeuses  par  le  serum  des  animaux  vaccines  par  le  Dr.  A.  Calmette. 
Paris  1896.  Soeiete  deditions  seientifiques. 

Annali  d’igiene  sperimentale,  Roma,  Societü  editrice  Dante  Alighieri.  H.  I.  1898. 
Bulletin  generale  de  therapeutique,  Paris,  M.  Doiu,  December  1897. 
Colonial-Handels- Adressbuch.  Berlin,  Mittler  & Sohn.  1898. 

Druckfehler  und  Berichtigungen. 

Heft  6.  1897. 

S.  873.  15.  Zeile  statt  (Leitz,  System  7.  Ocular  1)  liess  (Leltz,  OelinunerdM, 

auch  System  7.  Ocular  1.) 

S.  376.  11.  Zeile  von  oben  statt  „an  altem-  lies  „in  älteren  Fällen“. 

8.  377.  17.  „ „ „ „ „das  Centrum  leicht  bläulich  tingirt-  lies  „das 

Centrum  hell  ohne  Kern“. 

8.  379.  71.  Zeile  von  oben  statt  „Den“  lies  „Der“. 

8.  380.  8.  „ „ „ „ „Die  ersten“  lies  „die  »erst  aufgetretenf. 

8.  374.  32.  „ „ „ „ „nie“  lies  „nicht“. 

8.  369.  17.  „ „ ,,  „ „hier“  lies  „auch  hier**. 


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Archiv 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene. 

Band  2. 


I.  Originalabhandlungen. 

Tropenmedicinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua 

von 

Dr.  Ernst  Rothschuh,  Managua. 

Einleitung. 

Eine  medicinische  Literatur  über  Nicaragua  im  Speciellen  und 
Central-Amerika  im  Allgemeinen  ist  mir  bis  jetzt  nicht  bekannt  ge- 
worden und  da  diese  Zeitschrift  bis  jetzt  als  die  einzige  Stelle  er- 
scheint, wohin  die  Erfahrungen  deutscher  Aerzte  in  den  tropischen 
Ländern  in  Berichten  zusammenfliessen , auch  wenn  sie  keine  welt- 
erschütternden  Entdeckungen  enthalten,  so  mache  ich  meine  „Mit- 
theilungen über  Erfahrungen  in  Nicaragua“  trotz  meines  verhält- 
nissmässig  kurzen  Aufenthaltes  von  31/*  Jahren  daselbst.  Zwei 
Jahre  davon  verlebte  ich  als  Plantagenarzt  auf  der  Hacienda  eines 
wackeren  Deutschen,  Wilhelm  Jericho  aus  Nordhausen,  der  leider 
den  politischen  Intriguen  in  der  Revolution  vorigen  Jahres  zum  Opfer 
fiel  und  ermordet  wurde.  Dort,  im  urwaldbedeckten  Centrum  des 
Landes,  widmete  ich  mich  mehr  allgemeinen  und  naturwissenschaft- 
lichen Studien;  regelmässige  meteorologische  Beobachtungen  wurden 
veranstaltet,  zoologische  und  botanische  Sammlungen  gemacht,  die 
noch  in  der  wissenschaftlichen  Bearbeitung  in  den  Museen  von  Berlin 
und  London  begriffen  sind ; zu  besonderem  Danke  bin  ich  hier  Herrn 
Dr.  Loesener  vom  Botanischen  Museum  in  Berlin  verpflichtet.  Die 
letzten  l1/*  Jahre  brachte  ich  in  allerdings  sehr  ausgedehnter  medi- 
cinischer  Praxis  in  der  Hauptstadt  Managua  hin. 

*)  Weitere  Ausarbeitung  eines  auf  der  Versammlung  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  gehaltenen  Vortrags. 

AieblT  t Schiff»-  u.  Troptßhygiene.  II.  g 


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70 


Dr.  Ernst  Roth  schuh. 


Von  dorther  stammt  der  wesentlichste  Tbeil  meiner  ärztlichen 
Erfahrungen,  und  es  dürfte  gerade  dieses  Gebiet  ein  besonderes  In- 
teresse beanspruchen,  da  es  im  tropischen  Tieflande  gelegen  ist, 
während  alle  anderen  Hauptstädte  und  grösseren  Platze  Central- 
Amerikas,  von  denen  man  Berichte  europäisch  ausgebildeter  Aerzte 
erwarten  könnte,  schon  in  Erhebungen  zwischen  500  bis  1500  m 
über  dem  Meere  sich  befinden. 

Ueberhaupt  ist  das  ganze  Gebiet  der  in  den  Tropen  liegenden 
spanisch-amerikanischen  Republiken  medidnisch  besonders  interessant, 
da  man  nicht  mit  zum  Theil  schwer  sich  explidrenden  Wilden  zu 
tbun  hat,  sondern  mit  einer  sehr  intelligenten,  scharf  beobachtenden 
Bevölkerung,  die  ihren  eigenen  Körper  und  seine  Erkrankungen  ge- 
nau beurtheilt,  oft  mehr  als  dem  Arzte  lieb  ist;  jedenfalls  darf  man 
hier  Volksanschauungen,  die  sich  seit  langem  entwickelt  haben,  nicht 
ohne  Weiteres  über  den  Haufen  werfen  wollen,  wie  es  einem  zu 
leicht  ergeht,  wenn  man  mit  dem  ganzen  Schatze  der  Schulweisheit 
bewaffnet  und  mit  dem  Gefühle  der  Erhabenheit  eines  deutschen 
Doctors  gegen  die  eigen thümlichen  tropischen  Feinde  in’s  Feld  nickt 
Bald  kommt  man  zum  Stehen,  sogar  zum  Retiriren,  bis  man  dne 
andere  Taktik  erlernt  hat,  die  alsdann  auch  sehr  natürlich  erscheint 
Wenn  man  bedenkt,  dass  diese  Länder  stets  in  viel  engerer  Berüh- 
rung mit  der  europäischen  Cultur  gestanden  haben  als  andere  Colo- 
nien,  indem  Spanien  thatsächlich  sein  Volksthum  an  Stelle  der  Ur- 
einwohner gesetzt  hat,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  später  errungene 
politische  Selbstständigkeit  und  republikanische  Regierungsform  trotz 
ihrer  bösen  Nachtseiten  immerhin  zur  freieren  Entwickelung  des  In- 
dividuums beitragen  und  das  Urtheil  schärfen,  wenn  man  dazu  be- 
denkt, dass  der  grösste  Theil  der  einheimischen  Aerzte  in  Europa 
oder  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord-Amerika  ausgebildet  ist  und 
immer  wieder  von  Neuem  die  Lehren  der  wissenschaftlichen  Medicin 
sich  vermengen  mit  den  durcn  Erfahrung  und  Ueberlieferung  ge- 
wonnenen Anschauungen,  so  darf  man  wohl  dem  aus  alledem  her- 
vorgehenden Stamm  praktischer  Ideen  und  Methoden  eine  gewisse 
Beachtung  nicht  versagen,  so  wenig  man  auch  von  vornherein  dazu 
geneigt  ist. 


Allgemeiner  Theil. 

Zunächst  möchte  ich  nun  kurz  einen  Ueberblick  über  die  physi 
kalischen  Verhältnisse  des  Landes  geben. 


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Tropenmedioinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


71 


Nicaragua  liegt  zwischen  12°  und  14°  n.  Br.  und  reicht,  seit- 
dem die  Mosquito-Küste  einverleibt  ist,  von  Ocean  zu  Ocean,  während 
die  nördlichen  und  südlichen  Grenzen  gegen  Honduras  und  Costa- 
Rica  hin  unbestimmt  und  fortwährende  Veranlassung  zum  Streit  sind. 

Das  Land  ist  zum  grössten  Theil  stark  hügelig,  und  zwar  geht 
der  Hauptstock  der  Cordillera  in  der  Richtung  vom  Golf  von  Ama- 
pala  nach  der  Mündung  des  Rio  San  Juan,  der  neuerdings  berühmt 
geworden  ist  durch  das  Canalproject  der  Amerikaner,  das  wohl  dem- 
nächst realisirt  werden  dürfte. 

Die  Richtung  ist  also  von  NW.  nach  SO.  diagonal  durch  das 
Land.  Oestlich  von  diesem  Grundstock  laufen  eine  Anzahl  Neben- 
ketten parallel  den  Breitegraden  in  der  Richtung  auf  den  Atlantischen 
Ocean  zu,  mit  dichtestem,  unwegsamem,  jungfräulichem  Urwald  be- 
wachsen, bis  sie  sich  in  den  Ebenen  der  grossen  Flüsse  verlieren; 
auch  dort  weit  ausgedehnte,  aber  sumpfige  Urwälder,  die  Heimath 
des  Nicaragua-Kautschuks  und  des  Mahagoni,  abwechselnd  mit  Gras- 
Savannen. 

Westlich  der  Hauptkette  streichen  einige  Gebirgszüge  parallel 
mit  dieser,  getrennt  durch  Hache,  wie  ausgegossene  Ebenen.  Hier 
herrscht  im  Gegensatz  zu  der  atlantischen  Seite  die  Dürre  vor,  dort 
von  Fruchtbarkeit  strotzende,  von  Feuchtigkeit  triefende,  in  ewigem 
Regen  gebadete  Urwälder;  hier  steinige  und  sandige  Hügel,  trockene 
Wälder,  wenige  und  meist  versiegende  Flüsse,  und  in  den  Ebenen 
die  melancholische  Vegetation  der  Jicarales;  es  ist  dies  der  Name 
der  wie  eine  Platte  ausgegossenen  Flächen  lehmigen,  schwarzen  Bo- 
dens, in  der  Trockenzeit  durch  grosse  Risse  zerklüftet,  in  der  Regen- 
zeit ein  grosser,  undurchdringlicher  Sumpf,  der  Schrecken  aller  Reiter. 
Alles  ist  dornig  und  stachelig,  knorrig  und  phantastisch,  auf  den 
seltsam  geformten  Aesten  der  dornenbewehrten  Caesalpiniaceen  sitzen 
zu  Hunderten  die  scharf- gezähnten  und  -gespitzten  roten  Bromelia- 
■ceen  mit  den  blauen  Blüthen,  starre  Cactus- Bäume  und  -Sträucher 
strecken  ihre  gefährlichen  Arme  aus,  und  aus  dem  Boden  ragt  allent- 
halben die  Rosette  der  falschen  Ananak  heraus  mit  ihren  meter- 
langen, schwertförmigen,  steifen,  scharf- gesägten  Blättern.  Diese 
Region  ist,  wie  wir  später  sehen  werden,  namentlich  bestimmend  für 
die  gesundheitlichen  Verhältnisse. 

Zwischen  der  letzten  Parallelkette  der  Hauptcordillera,  die  hart 
am  Stillen  Ocean  vorbeizieht,  und  der  vorhergehenden,  schiebt  sich 
das  grosse  Vulkan -Gebiet  ein,  bestehend  aus  einer  einzigen  Reihe 
grosser  und  kleiner,  thätiger  und  unthätiger  Vulkane,  secundären 

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72 


Dr.  Ernst  Rothschuh. 


Senkungen,  in  denen  die  beiden  grossen  Seen,  Managua -See  und 
Nicaragua -See,  liegen  und  den  dieselben  begrenzenden  fruchtbaren 
Niederungen. 

Im  Anschluss  an  diese  Skizze  des  geologischen  Aufbaus  lässt 
sich  leicht  die  Yertheilung  der  Bevölkerung  verstehen. 

In  den  Urwäldern  der  3000 — 5000  Fuss  hohen  Hauptcordillera 
leben  noch  etwa  50000  indianische  Ureinwohner  verstreut,  aber  kaum 
einige  Meilen  nach  Osten  beginnt  der  gänzlich  unbewohnte,  zum 
grossen  Theil  unbekannte  atlantische  Abhang,  und  erst  nahe  der 
Küste  beginnen  wieder  menschliche  Niederlassungen,  aber  mit  unbe- 
deutender Bevölkerung. 

In  den  Thälem  der  westlich  gelegenen  Gebirge  und  den  Jica- 
rales  wohnt  eine  äusserst  geringe  Menge  von  Mischlingen  von  Weissen 
und  Indiern;  die  Hauptplätze  sind  Matagalpa  und  Sinotega  mit  4000 
und  2000  Einwohnern,  hart  am  West-Abhange  der  Haupt-Cordillera 
gelegen  und  Centren  für  die  indischen  Ureinwohner. 

Bei  weitem  der  grösste  Theil  der  Landesbewohner  concentrirt 
sich  auf  den  schmalen  Streifen  in  der  Gegend  der  Seen  und  Vulkane. 
Hier,  in  dem  fruchtbaren,  jetzt  aber  schon  stark  entwaldeten  Nie- 
derungsgebiet, hatte  schon  die  in  mehrere  Stämme  gespaltene  Ur- 
bevölkerung ihren  Hauptsitz.  Die  Spanier,  die  1525  zuerst  in’s 
Land  kamen,  blieben  auch  in  diesem  Theile  des  Landes,  der  ihnen, 
cultivirt  und  leicht  zugänglich,  als  reife  Frucht  in  den  Schooss  fiel; 
hier  liegen  die  drei  grössten  Städte  des  Landes,  Leon,  die  Haupt- 
stadt Managua  am  Managua-See  und  Granada  anj  Nicaragua- See, 
sowie  zahlreiche  kleinere  Plätze  und  Einzelansiedlungen , Hacienden 
u.  s.  w. 

Hier  bekommt  man  sämmtliche  überhaupt  denkbare  Nuancen 
der  menschlichen  Hautfarbe  zu  sehen  vom  tiefsten  Schwarz  bis  zum 
blendendsten  Weiss.  Die  Kreuzungen  zwischen  Negern,  die  bekannt- 
lich in  früheren  Jahrhunderten  massenhaft  importiert  wurden,  Indiern 
und  Weissen,  geben  eine  solche  Fülle  von  verschiedenartigen  Pro- 
ducten,  dass  es  zu  weit  fuhren  würde,  darauf  im  Einzelnen  einzu- 
gehen,  zumal  es  mir  bisher  nicht  möglich  gewesen  ist,  hinsichtlich 
der  Morbidität  oder  Mortalität  einen  greifbaren  Unterschied  zwischen 
den  einzelnen  Rassen  oder  Mischungen  zu  constatiren.  Das  Zahlen- 
verhältniss  wird  in  verschiedenen  geographischen  Lehrbüchern  udü 
Tattellen  mangels  einer  sicheren  Quelle  verschieden  angegeben.  Nach 
meiner  eigenen  Schätzung  machen  die  Rein  weissen,  Creolen,  Fremden 
u.  s.  w.  etwa  2°/#  der  Bevölkerung  aus,  die  reinen  Indier  20®/,,  und 


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Tropenmedicinische  Erfahrungen  au-  Xicaragux  73 

der  ganze  Rest  sind  Mischlinge  ausser  wenigen  Negern  und  Chi- 
nesen. 

Die  klimatischen  Verhältnisse  sind  bedingt  durch  Höhenlage 
und  den  bekannten  Wechsel  der  tropischen  Jahreszeiten.  Man  unter- 
scheidet, wie  in  anderen  central-amerikanischen  Ländern  und  Mexico, 
nur  modificirt  durch  die  geringere  absolute  Erhebung  der  Haupt- 
Cordillera,  3 Zonen.  Die  heisse  umfasst  die  Niederungen  und  tieferen 
Lagen  bis  etwa  1000  Fuss  Höhe;  es  entspricht  genau  dem  Gebiet 
des  cultivirten  Theiles  im  Seen-Gebiet;  die  gemässigte  Zone  zwischen 
1000  und  2000  Fuss  umfasst  das  Gebiet  der  Jicarales  und  reicht  bis 
Matagalpa  an  den  West- Abhang  der  Haupt -Cordillera  heran;  die 
Höhen  über  2000  f uss  bilden  die  dritte  oder  kalte  Zone. 

Meine  eignen  meteorologischen  Beobachtungen,  die  ich  ein  hal- 
bes Jahr  in  Matagalpa,  zur  gemässigten  Zone  gehörig,  und  1 */*  Jahre 
auf  der  Hacienda  Rosa  de  Jericho  an  der  Wasserscheide  der  Haupt- 
Cordillera  in  3000  Fuss  Seehöhe  mit  Regelmässigkeit  anstellte,  er- 
geben namentlich  für  letzteren  Punkt  interessante  Resultate.  Dort 
im  kaum  berührten  Urwald  hatten  wir  297  Regentage,  290  Tage 
mit  Nebel  und  4000  mm  Regenhöhe  bei  einer  Jahres-Durchsclmitts- 
Temperatur  von  16,9°  C. 

In  Matagalpa,  als  Beispiel  der  gemässigten  Zone,  war  das  Jahres- 
mittel 20,5°  C.,  die  Regenmenge  3000  mm. 

Für  Managua,  als  Beispiel  der  heissen  Zone,  stehen  mir  keine 
Beobachtungen  zur  Verfügung;  ich  schätze  das  Jahresmittel  der  Tem- 
peratur auf  27 — 28°  C.  und  die  Regenmenge  auf  2000 — 2300  mm. 

Wesentlich  für  die  Gesundheitsverhältnisse  ist  die  Vertheilung 
der  Jahreszeiten  und  aus  besonderen  Gründen  die  Windrichtung. 

Die  Regenzeit  beginnt  ziemlich  übereinstimmend  im  ganzen 
Lande  — unter  „ganzem  Lande“  ist  immer  nur  der  überhaupt  be- 
kannte Theil  verstanden,  von  den  höchsten  Erhebungen  der  Haupt- 
Cordillera  nach  Westen  bis  zum  Stillen  Ocean  — zwischen  6.  und 
15.  Ma^  und  dauert  in  der  heissen  Zone  bis  Mitte  oder  Ende  Octo- 
ber,  in  der  gemässigten  bis  November  und  December,  in  der  kalten 
bis  in  den  Februar  und  März  hinein. 

Die  Windrichtung  ist  an  ca.  300  Tagen  des  Jahres  NO.-Passat; 
die  wasserdampfgeschwängerte  Luft  des  Caraibischen  Meerbusens 
streicht  an  dem  atlantischen  Abhange  in  die  Höhe,  kühlt  sich  ab, 
entladet  den  dadurch  nicht  mehr  zu  haltenden  Wassergehalt  in  den 
schweren  Regengüssen  der  Cordillera -Urwälder  (vgl.  die  obigen  Be- 
obachtungen auf  der  Hacienda  Rosa  de  Jericho)  und  zieht  nun,  be- 


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74 


Dr.  Ernst  Rotbschuh. 


deutend  trockener  geworden,  über  die  Jicaral-  oder  gemässigte  Zone 
nach  dem  heissen  Tieflande  hin.  Andere  wechselnde  Winde  giebt 
es  nur  beim  Wechsel  der  Jahreszeiten,  und  da  finden  wir  ein  ecla- 
tantes  Beispiel  für  die  Abhängigkeit  der  tropischen  Klima -Erkran- 
kungen von  der  Windrichtung. 

Auf  der  Höhe  der  Cordillera,  über  3000  Fuss,  habe  ich  keine 
autochthone  Malaria  constatiren  können,  trotzdem  in  der  neu  anzu- 
legenden Plantage  eine  Menge  Erdarbeiten  gemacht  wurden,  und 
der  lehmige  Boden  stellenweise  Monate  hindurch  Tümpel  und  Sümpfe 
bildete;  der  Nordost-Passat  war  eben  keimfrei  und  gegen  die  ent- 
gegengesetzte Seite  schützte  die  Bergwand. 

Anders  ist  es  in  der  zweiten  Region,  der  Zone  der  Jicarales; 
diese  bilden,  wie  ich  oben  sagte,  in  der  Regenzeit  einen  einzigen, 
unendlich  grossen  Sumpf  quer  durch  das  Land.  Wer  die  Gefahr 
eines  sicheren  Fiebers  nicht  scheut  und  in  dieser  Jahreszeit  durch 
die  Jicarales  reitet,  glaubt  in  einem  grossen  Krankenhause  zu  sein; 
wohin  man  kommt,  fieberklappemde,  bleiche,  schlaffe  Menschen; 
ganze  Ortschaften  erscheinen  wie  verlassen  und  tot,  weil  Alles  in 
Hitze  oder  Frost  in  den  Betten  steckt  und  die  wenigen  Verschonten 
mit  der  Pflege  thätig  sind;  es  ist  ein  jammervolles  Bild. 

Nun  liegt  am  Ostrande  dieser  Region,  zugleich  am  Westabhange 
der  Haupt -Cordillera,  Matagalpa,  eine  gesunde,  reinliche,  auf  stei- 
nigem Untergründe  aufgebaute,  mit  gutem  Trinkwasser  versehene 
Stadt.  Solange  der  NO.- Passat  weht  vom  Gebirge  her,  hat  Mata- 
galpa kein  Fieber,  während  gleich  westlich  sich  die  Fiebersümpfe 
ausdehnen;  aber  zum  Ende  der  Regenzeit,  wenn  in  der  Atmosphäre 
die  Zeichen  des  Wechsels  der  Jahreszeiten  beginnen,  kommt  es  vor, 
dass  eines  Tages  der  Wind  von  SW.  weht;  sobald  dieser  Vendaval 
eintritt,  haben  Sie  gleich  das  Bild  der  Fieberstadt.  Die  Meisten 
fühlen  sich  übel,  andere  haben  ausgesprochene  Wechselfieber,  andere 
Darmkatarrhe,  andere  Neuralgien,  andere  Leberbesch  werden  etc.; 
dreht  der  Wind  um  und  bläst  der  NO.- Passat  von  neuem,  so  dauert 
es  nicht  lange,  und  die  ganzen  Beschwerden  sind  wieder  verschwunden. 

ln  der  entgegengesetzten  Lage  befindet  sich  die  heisse  Tiefebene, 
wo  die  grösste  Masse  der  Bevölkerung  wohnt.  Der  Boden  dieser 
Gegenden  ist  porös,  sandig  und  gewiss  nicht  sehr  geeignet  zur  Ent- 
wickelung von  Infectionskeimen;  sumpfige  Strecken  giebt  es  nur  in 
unbedeutender  Ausdehnung.  Nun  aber  schleppt  der  ständige  NO.- 
Passat  die  Miasmen  der  Jicarales -Zone  in  die  heisse  Zone  hinab, 
und  je  weiter  die  Regenzeit  fortschreitet,  je  grössere  Strecken  ver- 


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Trope  um  edicinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


76 


sumpft  werden,  desto  grösser  wird  die  Morbidität  an  Fieber  und 
klimatischen  Beschwerden  in  den  tieferen  Landestheilen.  Erst  wenn 
die  Ueberschwemmung  vollständig  ist,  lassen  die  Erkrankungen  nach, 
um  von  neuem  zu  exacerbiren,  wenn  die  Austrocknung  beginnt,  und 
derselbe  NO.- Passat  wieder  Keime  mitschleppen  kann;  es  entspricht 
das  den  Erfahrungen,  die  man  auch  in  anderen  Ländern  gemacht  hat. 

Es  ist  daher  leicht  zu  verstehen,  warum  man  die  meisten  Krank- 
heitsfälle in  der  Sumpfregion  während  der  ganzen  Regenzeit  vorfindet, 
in  Matagalpa  im  September  und  October  wegen  des  Windwechsels 
in  jener  Zeit  und  in  der  heissen  Zone  dann,  wenn  die  Jicarales  an- 
fangen zu  versumpfen  und  wieder  beim  Trocknen,  also  im  Juni  und 
Juli  einerseits,  im  November  und  December  andererseits. 

Die  localen  Verhältnisse  in  der  Hauptstadt  Managua,  aus  der 
der  grösste  Theil  meiner  speciellen  Beobachtungen  stammt,  sind  in 
der  Hauptsache  folgende: 

Managua  liegt  am  Südufer  des  gleichnamigen  Sees  zwischen 
diesem  und  der  Küsten -Cordillera  in  etwa  45  m Seehöhe  auf  einer 
massig  nach  dem  See  geneigten  schiefen  Ebene.  Der  Untergrund 
besteht  aus  vulkanischem  Sandstein  in  verschiedener  Tiefe,  nahe  am 
See  sehr  flach,  landeinwärts  mächtiger;  darunter  befindet  sich  eine 
undurchlässige  lehmige  Schicht,  so  dass  zwischen  beiden  das  von  den 
Wäldern  der  Cordillera  aufgefangene  Wasser  nach  dem  See  abfliesst. 
Dies  Wasser  ist  gut,  findet  sich  aber  leider  nicht  an  allen  Stellen, 
und  die  meisten  der  gebohrten  Brunnen  dienen  schliesslich  nur  zum 
Waschen  und  Tränken  des  Viehs,  weil  es  den  trägen  Bewohnern  zu 
unbequem  ist,  sie  in  gutem  Zustande  zu  erhalten,  was  bei  der  üppigen 
Vegetation  und  der  schnellen  Entwickelung  von  Fäulniss  immerhin 
Arbeit  verursacht. 

Indessen  dient  ein  Theil  dieses  Wassers  zur  Versorgung  der 
Stadt  durch  die  Wasserleitung,  deren  Pumpwerk  sich  am  See -Ufer 
befindet;  die  Entnähme  der  Hauptmenge  geschieht  jedoch  aus  einem,  ' 
etwa  20  m vom  See-Ufer  entfernten  Loche,  in  welchem  das  Wasser 
des  Sees,  durch  das  natürliche  Filter  der  sandigen  Schicht  hindurch- 
gegangen, bedeutend  reiner  erscheinen  soll.  Mir  ist  das  Wasser  nie 
geheuer  erschienen;  bacteriologische  und  genauere  chemische  Unter- 
suchungen fehlen;  indessen  bin  ich  bisher  nicht  im  Stande  gewesen, 
eine  direct  auf  das  Wasser  hinweisende  Infection  nachzuweisen. 

Die  Häuser  sind,  wie  in  vielen  vulkanischen  Tropenländem,  spa- 
nischen Characters,  grosse  einstöckige  Quadrate  mit  grossen,  immer 
geöffneten,  nur  an  der  Sonnenseite  geschlossenen  Thüren,  ohne  Fen- 


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Dr.  Ernst  Rothschuh. 


ster;  direct  über  den  hohen  luftigen  Wohnräumen  erhebt  sich  das 
Dach,  in  den  besseren  Häusern  durch  einen  Himmel  weissen  Stofe 
verdeckt.  Der  Hof  ist  an  drei  oder  allen  vier  Seiten  von  Corridoren, 
durch  Holzsäulen  getragen,  eingefasst,  und  in  diesen  Corridoren  spielt 
sich  eigentlich  das  Leben  der  Familie  ab,  zu  der  auch  die  Enten, 
Hühner,  Hunde,  Papageien,  Affen,  gelegentlich  auch  Schweine  wegen 
des  engen  Zusammenlebens  hinzuzuzählen  sind.  An  der  hinteren 
Wand,  isoliert  oder  in  der  Ecke  eines  Corridors  befindet  sich  die 
Küche,  meist  nicht  sehr  appetitlich;  gekocht  wird  selten  auf  eisernem 
Heerd,  meist  auf  drei  Steinen  und  nur  mit  Holz;  die  Abfälle  und 
Ueberreste  treiben  sich  allenthalben  auf  dem  Boden  umher,  bis  sie 
gelegentlich  zusammengerafft  und  entweder  in  Haufen  zusammen- 
getragen und  von  der  Sonne  ausgedörrt,  verbrannt  oder  in  eine  eigene 
Senkgrube  geworfen  werden.  Diese,  sowie  die  Abtrittsgruben  sind 
einfach  10 — 20  Fuss  in  den  Boden  getriebene  Löcher  von  */* — 1 qm 
Oberfläche,  in  welche  die  Abfälle  resp.  Excremente  ohne  jegliche 
Schutzmaassregeln  hineingelassen  werden;  nur  die  besonders  gebil- 
deten Leute  beruhigen  ihr  durch  die  Bacillen  aufgeregtes  Gewissen 
dadurch,  dass  sie  alle  Jahre  einmal  einen  Eimer  Kalkmilch  aufgiessen 
lassen  oder  etwas  Chlorkalk  streuen.  Die  mephitischen  Ausdünstungen 
solcher  Gruben,  namentlich  in  den  heissen  Monaten  März  und  April, 
kann  man  sich  leicht  vorstellen,  und  gleichzeitig  muss  auch  in  dem 
porösen  Boden  eine  fortwährende  Durchtränkung  mit  den  zersetzten 
und  infieirten  Stoffen  vor  sich  gehen,  welche  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  den  bis  jetzt  andereü  Tropenplätzen  gegenüber  sehr  günstigen 
Gesundheitszustand  immer  mehr  verschlechtern  muss.  Dass  sich  das 
nicht  schon  früher  bemerkbar  machte,  liegt  daran,  dass  Managua, 
früher  nur  aus  ein  paar  Hütten  bestehend,  erst  vor  40  Jahren  Hauptstadt 
wurde  und  seitdem  sich  rapide  Entwickelte,  so  dass  eine  stärkere 
Durchseuchung  des  Bodens  noch  nicht  anzunehmen  ist.  Indessen 
giebt  es  schon  jetzt  einzelne  Häuser,  wo  sich  ein  besonders  schlech- 
ter Gesundheitszustand  nach  weisen  lässt;  namentlich  sind  es  solche, 
die  nicht  wie  die  meisten  etwa  */» — 1 m über  das  Strassenniveau 
erhaben  gebaut  sind,  sondern  die,  durch  Einfalt  des  Erbauers  oder 
auch  durch  Anschwemmen  der  Strasse  auf  oder  sogar  unter  das 
Niveau  derselben  gekommen  sind.  Hier  fehlt  die  Bodenventilation 
der  den  Bewohnern  nächstliegenden  Schichten,  und  die  Folge  sind 
Zustände  chronischer  Malaria,  Paludismus,  mit  ihren  secundären  Er- 
scheinungen. 

Die  Nahrungsmittel  sind  hauptsächlich  vegetabilischer  Natur; 


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Tropenmedicmische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


77 


Reis,  braune  Bohnen,  Bananen  in  allen  Formen,  Mais  als  ganz  grüne 
Kolben  oder  als  reife  Kolben  gekocht  oder  auch,  und  das  in  erster 
Linie,  gemahlen  und  zu  heissen  Kuchen,  Tortilla,  verbacken;  auch 
geröstet  und  dann  auf  dem  Steine  gemahlen  bildet  der  Mais  unter 
dem  Namen  Pinol  ein  sehr  wichtiges  Nahrungsmittel;  die  Indier  aus 
dem  Inneren  des  Landes,  um  Matagalpa  herum,  leben  auf  den  Plan- 
tagen oft  die  ganze  Woche  von  nichts  anderem;  Montags  erscheinen 
sie  zur  Arbeit  mit  einem  Säckchen  Pinol,  präpariren  sich  daraus  ihre 
Mahlzeiten,  indem  sie  eine  Handvoll  zum  Frühstück  mit  heissem, 
zum  Essen  mit  kaltem  Wasser  aufschwemmen,  und  existiren  so  bei 
strammer  Arbeit  in  Sonne  und  Regen  bis  zum  Sonnabend,  wo  sie 
ihre  Hütten  wieder  aufsuchen,  um,  wenn  es  die  Umstände  gestatten, 
nun  wieder  Tortilla,  Bananen,  Fleisch,  Bohnen  und  Reis  zu  essen. 
Ein  wichtiges  Maispräparat  ist  noch  das  Nicaragua-Nationalgetränk, 
der  Tiste:  Maiskörner  werden  geröstet  und  gemahlen,  ebenso  rohe 
Caeaobohnen,  also  unentfettete;  beide  Pulver  werden  vermengt  und 
nun  mit  etwa  */,  Liter  aufgeschwemmt  und  als  Fresco,  Erfrischung, 
getrunken;  das  geschieht  oft  mehrmals  am  Tage;  ja  einzelne  Cate- 
gorien  von  Personen,  wie  Marktweiber  und  die  zahlreichen  herum- 
ziehenden Handelsfrauen,  nehmen  10  und  20  solcher  Quanta  zu  sich, 
fast  ohne  andere  Nahrung;  die  Folgen  sind  starke  Fettzunahme,  woh 
die  Mästwirkung  des  Mais,  aber  andererseits  chronische  Magen-  und 
Darmkatarrhe,  wohl  die  Folge  des  schwer  verdaulichen  Cacao-Oels. 

Unter  den  sonstigen  Lebensgewohnheiten  will  ich  noch  zwei 
Dinge  hervorheben,  die  von  Einfluss  auf  den  allgemeinen  Gesund- 
heitszustand sind,  das  Rauchen  und  das  Reiten.  Der  grösste  Theil 
der  Bevölkerung,  Weiber  eingeschlossen,  raucht  in  grossen  Mengen 
die  kleinen,  im  Inlande  fabricirten  Cigarren  aus  schlecht  fermentir- 
tem,  noch  feuchtem  Tabak,  und  als  Folgewirkung  des  Uebermaasses 
finden  wir  zahlreiche  nervöse  Beschwerden,  Herzpalpitationen,  asth- 
matische Anfälle,  Zittern  der  Extremitäten,  hysteriforme  Krämpfe  etc. 

Auf  der  anderen  Seite  hat  das  Reiten  eine  entschieden  günstige 
Wirkung;  ein  grosser  Theil  der  Bevölkerung  reitet  von  Berufs  wegen 
sehr  viel;  die  Aufseher,  zahlreiche  Arbeiter  und  sonstige  Angestellte 
der  unzähligen  Viehweiden  und  Plantagen,  die  grossen  und  kleinen 
Besitzer  selber  mit  Frauen  und  Kindern,  die  sieb  beständig  auf  dem 
Wege  zwischen  ihren  Besitzungen  und  der  Stadt  befinden,  ferner  alle 
alten  und  jungen  Leute  aus  anderen  Berufen,  die  nur  irgendwie 
eines  der  billigen,  lebhaften  Pferdchen  erschwingen  können,,  reiten 
jeden  Tag  1 — 2 Stunden  spaziren,  ebenso  viele  Frauen  und  Mädchen. 


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Dr.  Ernst  Rothschoh. 


Der  Wechsel  der  Luft  allein  kann  wohl  nicht  die  günstige  Wirkung 
heryorbringen ; denn  auch  die,  die  sich  nur  in  der  heissen  Stadt  auf 
ihren  Pferden  bewegen,  leiden  weniger  an  dem  hier  am  meisten  affi- 
cirten  Organ,  der  Leber,  als  die  Nicht-Reiter.  Ob  nun  durch  die 
sitzende  Haltung  und  die  gleichzeitigen  Pferdebewegungen  eine  Art 
Massage  ausgeübt  wird  oder  ob  durch  das  Stossen  als  solches  eine 
Wirkung  auf  den  Gallenabfluss  erzeugt  wird  — Türkheimer  will  ja 
durch  solches  Rütteln  Gallensteine  entfernen  — will  ich  dahingestellt 
sein  lassen ; ich  constatire  nur  die  Thatsache,  dass  der  reitende  Theil 
der  Bevölkerung,  obwohl  das  Reiten  weniger  eine  Beschleunigung 
als  eine  Verlangsamung  des  Stuhlganges  herbeiführt,  viel  weniger  an 
den  so  zahlreichen  Lebercongestionen  und  Gallensteinen  leidet  als 
die  Uebrigen. 

Specieller  Theil. 

Wenn  ich  mich  nun  zu  der  Betrachtung  einiger  Krankheiten 
wende,  so  muss  ich  vorausschicken,  dass  es  mir  aus  äusseren  Grün- 
den nicht  möglich  ist,  die  Beobachtungen  an  der  Hand  der  Litera- 
tur aus  anderen  Tropenländem  kritisch  zu  beleuchten;  dies  sei  für 
einzelne  Capitel  auf  spätere  Zeiten  Vorbehalten;  ich  beschränke  mich 
für  jetzt  darauf,  meine  eigenen  Erfahrungen  in  Verbindung  mit  denen 
europäisch  gebildeter  Aerzte  aus  derselben  Gegend  vorzufuhren. 

Auf  dem  Gebiete  der  äusseren  Erkrankungen  machen  wir 
dieselbe  Beobachtung  wie  in  anderen  Tropenländem,  dass  Wunden 
aller  Art  schneller  heilen  und  weniger  inficirt  werden  als  in  Europa. 
Secundäre  Wundkrankheiten  sind  selten,  obwohl  die  Eingeborenen, 
Indier  und  sonstige  Arbeiter,  von  der  Antiseptik  weit  entfernt  sind; 
Kuhdreck,  Urin,  Erde,  Honig,  frische  Blätter  sind  die  beliebtesten 
Pflaster  für  frische  Wunden,  Wasser  benutzt  niemand.  Aber  auch 
unter  zahlreichen  schweren  Schussverletzungen,  wie  wir  sie  in  der 
letzten  Revolution  anfangs  vorigen  Jahres  hatten,  von  denen  sogar 
ein  Theil  mehrere  Tage  auf  dem  Schlachtfelde  unverbunden  und  un- 
behandelt geblieben  war,  gab  es  kein  Erysipel,  keine  Gangrän,  keine 
schwere  Phlegmone. 

Ein  Fall,  der  erste  einer  schweren  Verletzung,  bleibt  mir  in 
dieser  Hinsicht  unvergesslich.  Kaum  war  ich  in  Matagalpa  ange- 
kommen, als  der  Capitän  oder  Häuptling  einer  Indiergemeinde  er- 
schien und  mich  bat,  einen  seiner  Leute  zu  behandeln,  der  vor  zwei 
Tagen  einen  Hieb  mit  dem  Machete,  dem  bekannten  schweren  Buscb- 
messer,  in’s  Gesicht  erhalten  habe.  Die  Eigenartigkeit  und  Neuhat 


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Tropenmedicinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


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der  Umstände  reizten  mich,  ich  ritt  hinaus  und  fand  in  einer  Stroh- 
hiitte  im  Urwalde  den  Mann  auf  dem  blossen  Boden  liegend,  von 
dem  Kopfe  war  nichts  zu  sehen  als  ein  dicker  Wulst  blutdurch- 
tränkter  Lappen,  auf  dem  Boden  waren  grosse  Blutlachen,  der  Puls 
war  äusserst  klein.  Als  ich  endlich  das  Gesicht  aus  den  Tüchern 
herausgeschält  hatte,  bot  sich  mir  ein  grässlicher  Anblick;  die  untere 
Hälfte  des  Schädels  hing  um  5 — 6 cm  herunter,  bei  genauerer  Unter- 
suchung zeigte  sich,  dass  der  Hieb  den  aufsteigenden  Ast  des  rech- 
ten Unterkiefers  durchschlagen  und  durch  die  Mitte  der  Nase  hin- 
durch den  Nasenrachenraum  eröffnet  hatte,  so  dass  das  Naseninnere 
wie  im  Gefrierschnitt  vor  mir  lag,  auch  der  linke  Unterkieferast  war 
in  der  Nähe  des  Gelenks  angeschlagen.  Aber  obwohl  der  Mann 
schon  zwei  Tage  ohne  Behandlung  gelegen,  noch  dazu  in  kaltem, 
nebeligem  und  regnerischem  Wetter,  war  kein  Fieber  eingetreten, 
und  unter  antiseptischer  Behandlung  heilte  die  Verletzung  ohne  mehr 
als  eine  derbe  Narbe  zurückzulassen. 

Wohl  kommt  mitunter  der  Wund-Tetanus  vor  und  zwar 
durchgängig  im  Anschluss  an  kleine  Fusswunden,  deren  häufigste 
Ursache  wieder  die  Nigua,  der  Sandfloh,  ist  Dieser  tritt  an  ver- 
schiedenen Orten  mit  verschiedener  Häufigkeit  auf,  aber  jeder  hat 
zeitweilig  Gelegenheit,  die  Bekanntschaft  dieses  scheusslichen  Inspcts 
zu  machen;  die  Sitte  der  Eingeborenen  verbietet  es,  nach  Heraus- 
nahme des  Flohs  mit  dem  Eiersack  sich  zu  baden,  offenbar  in  der 
Annahme,  dass  ein  Giftstoff  von  dort  aus  Aufnahme  in  die  Lymph- 
bahnen  finden  könne;  ich  selbst  habe  zwei  Fälle  von  Tetanus  in 
directem  Anschluss  an  das  Baden  beobachtet,  während  die  anderen 
Aerzte  die  Sache  überhaupt  für  selbstverständlich  und  indiscutabel 
halten.  Die  Nigua  ist  es  übrigens  auch,  die  mitunter  sehr  lang- 
wierige phlegmonöse  Processe  hervorruft,  deren  Behandlung  oft 
Schwierigkeiten  macht,  da  selbst  ausgiebige  Incisionen  nutzlos  sind, 
wenn  nicht  die  Thiere  — oft  giebt  es  deren  eine  ganze  Menge  — 
mit  entfernt  werden.  Als  trauriges  Curiosum  ist  in  dem  Orte  Me- 
tapa,  auf  dem  Wege  von  Managua  nach  Matagalpa,  ein  Mensch  zu 
sehen,  der  thatsächlich  an  diesen  Thieren  zu  Grunde  geht  oder  jetzt 
vielleicht  schon  gegangen  ist;  die  ganzen  Extremitäten  sind  bis  an 
ihre  Wurzeln  heran  mit  Beulen  und  Eiterknoten,  bläulichen  Wülsten, 
secundären  Fisteln  etc.  bedeckt,  auB  denen  sich  stellenweise  die  un- 
verkennbaren Eier  der  Nigua  herausdrticken  lassen,  während  Ver- 
suche, dem  entsetzlichen  Jucken  durch  Eröffnung  der  Säcke  und  Ent- 
fernung der  Thiere  abzuhelfen,  nutzlos  gewesen  sind  und  immer  mehr 


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Dr.  Ernst  Rothschuh. 


Phlegmonen  hervorgerufen  haben;  der  Mann  ist  einem  entsetzlichen 
Tode  geweiht. 

Gangrän  habe  ich  dreimal  beobachtet,  zweimal  Gangraena 
senilis  und  einmal  bei  einer  Cachexie,  veranlasst  durch  monatelang 
sich  hinziehende  typhoide  Fieber  in  feuchter,  tiefgelegener  Wohnung 
bei  einem  14jährigen  Mädchen. 

Wenn  ich  im  Anschlüsse  an  die  Nigua-Wirkung  kurz  von  an- 
deren Thierverletzungen  sprechen  darf,  so  haben  wir  da  eine 
grössere  Anzahl  Giftschlangen,  Klapperschlange,  Corallenschlange, 
Brillenschlange,  ferner  eine  Tronca  genannte  Vipernart,  deren  aller 
Biss  tödtlich  sein  soll ; ich  habe  eine  Anzahl  Bisse  von  Klapper- 
schlange und  Tronca,  allerdings  gleich  zu  Beginn,  in  Behandlung 
gehabt  und  durch  Ammoniak  und  Alcohol  geheilt;  die  Indier  Mata- 
galpas  behaupten  übrigens,  in  der  Raitrü  genannten  Wurzel  einer 
Quassia-Art  aus  der  Gegend  des  Rio  Grande  ein  unfehlbares  Mittel 
gegen  Schlangenbisse  zu  besitzen;  ich  habe  keine  Beweise  davon 
gesehen,  die  Wurzel  habe  ich,  aber  noch  keine  Gelegenheit  gehabt, 
sie  anzu wenden.  > . 

Von  einem  tödtlichen  Scorpionstich  habe  ich  nie  gehört; 
wohl  giebt  es  starke  Anschwellung  und  bläuliche  Verfärbung  des 
getroffenen  Theiles,  ausserdem  interessanter  Weise  eine  bis  zu  zwölf 
Stunden  dauernde  Lähmung  der  Kehlkopfmusculatur;  durch  Ammo- 
niak äusserlich  und  innerlich  werden  die  Beschwerden  bald  gehoben. 

Einige  Raupenarten  giebt  es,  die  bei  Berührung  aus  ihren 
langen  Borsten  einen  Saft  herausquellen  lassen,  der  eine  sehr  heftige 
Urticaria  hervorruft,  ähnlich  wie  verschiedene  Meeresquallen  beim 
Baden. 

Ausserdem  existiert  eine  Eidechse,  Mata-zompopo  oder  Amei- 
sentödter  genannt,  die  nach  Anschauung  aller  in  den  Kaffeeplantagen 
arbeitenden  Leute  einen  den  Menschen  tödtenden  Schlag  versetzen 
soll;  ich  habe  mir  das  Thier  verschafft,  um  zunächst  die  wissen- 
schaftliche Bestimmung  abzuwarten. 

Unter  den  Tumoren  spielt  seltsamer  W'eise  das  Lipom  die 
Hauptrolle;  ich  sage  seltsamer  Weise,  denn  nicht  nur  ist  diese  Ge- 
schwulst ungleich  häufiger  als  bei  uns,  sie  findet  sich  bei  wohl  5 
bis  6 °/#  der  Bevölkerung  in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung; 
nein,  auffallend  ist  auch,  dass  sie  sich  nur  bei  Leuten  mit  ausge- 
sprochenem Paludismus  oder  Malaria -Anämie  vorfindet,  so  dass  der 
Gedanke  an  einen  causalen  Zusammenhang,  ähnlich  wie  beim  Struma, 
unwillkürlich  auftaucht. 


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Tropenmedicinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


81 


Ausser  den  Lipomen  sind  noch  verhältnissmässig  häufig  kleine 
Atherome,  Carcinome  des  Uterus  und  Ovarialcystome. 

Zu  den  tumorähnlichen  Entzündungen  gehören  die  theils  acuten 
theils  chronischen  Anschwellungen  verschiedener  Drüsen  unter  dem 
Einflüsse  von  climatischen  Infectionen;  auch  traten  auf  Orchitis, 
Lymphadenitis  inguinalis  und  Parotitis,  alle  ohne  Vereiterung 
und  auf  Chinin  prompt  reagirend;  die  chronischen  Lymphdrüsen- 
ansch wellungen  beobachtet  man  namentlich  an  den  Cervical-  und 
Bracchialdrüsen , bei  ausgesprochenem  Paludismus,  in  erster  Linie 
bei  Leuten  aus  der  Zone,  die  ich  Region  der  Jicarales  bezeichnet 
habe.  Die  Drüsenpackete  erreichen  beträchtliche  Grösse,  sind  aber 
durch  Arsen  mit  Sicherheit  zum  Rückgänge  zu  bringen. 

Ein  anderer  Entzündungsprocess  war  mir  bis  dahin  unbekannt, 
von  dem  ich  indessen  inzwischen  in  irgend  einer  Verhandlung  gelesen 
habe,  ohne  mich  des  Namens  des  Autors  entsinnen  zu  können,  näm- 
lich eine  Lymphadenitis  inguinalis  syphilitica  chronica  sup- 
purativa; ich  habe  vier  solcher  Fälle  gehabt  und  bei  den  letzten 
die  radicalp  Therapie  sofort  eingeleitet,  zu  der  ich  mich  bei  den 
ersten  nicht  entschliessen  konnte,  als  bis  schon  viel  schöne  Zeit  ver- 
loren war.  Denken  Sie  sich  nach  einem  syphilitischen  Primäraffect 
die  Anschwellung  der  beiderseitigen  Inguinaldrüsen;  natürlich  haben 
diese  indolenten  Bubonen  nichts  auffallendes.  Ueberrascht  ist  man 
erst,  wenn  nach  einiger  Zeit  der  Patient  über  Schmerzen  beim  Gehen 
klagt  und  bei  der  Untersuchung  sich  herausstellt,  dass  die  Drüsen 
auf  Druck  sehr  schmerzhaft  sind,  sich  stärker  wölben,  die  Haut  sich 
beiderseits  röthet,  aber  nur  auf  einer  ganz  minimalen  Stelle  Fluc- 
tuation  nachweisbar  ist.  Man  denkt  zunächst  an  einen  Irrtum  der 
Diagnose,  namentlich,  da  noch  keine  secundären  Erscheinungen  vor- 
handen sind,  aber  das  Ulcum  durum,  die  Knorpelhärte,  ist  zu  mar- 
kant; endlich  macht  man  eine  Incision,  es  entleeren  sich  einige 
Tropfen  schmutzig-grünen  Eiters,  aber  trotz  antiseptischer  Behandlung 
und  Mercurialcur  geht  der  Process  vorwärts  statt  zurück;  immer 
andere  Theile  der  Drüsen  werden  ergriffen,  aber  mit  einer  Langsam- 
keit, die  Patienten  und  Arzt  zur  Verzweiflung  treibt  In  den  beiden 
ersten  Fällen  plagte  ich  mich  und  die  armen  Kranken  wochenlang 
mit  Incisionen,  Auskratzen  und  antiseptischen  Verbänden  aller  Art, 
bis  ich  doch  noch  zur  Exstirpation  der  Drüsen  schreiten  musste; 
jetzt  mache  ich  diese  Operation  bei  den  ersten  Anzeichen  einer  Eiter- 
entwicklung in  der  Tiefe  ufld  erhalte  kurze  und  glatte  Heilung. 

Damit  bin  ich  auf  das  Gebiet  der  Geschlechtskrankheiten 


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Dr.  Emst  Rothschuh. 


gekommen,  das  hier  ein  sehr  ausgedehntes  ist,  obwohl  der  Arzt  wohl 
nicht  den  zehnten  Theil  aller  Fälle  zu  sehen  bekommt;  die  Leute 
behandeln  sich  zum  grössten  Theile  selber,  nicht  etwa  aus  Scham 
— im  Gegen  theil,  in  Krankheitsaugelegenheiten  herrscht  unter  den 
Leuten  eine  rücksichtslose  Offenheit  — sondern  um  die  Arztkosten 
zu  ersparen.  Wie  bei  uns  allenfalls  einer,  der  Sodbrennen  hat,  sich 
ein  Brausepulver  kauft,  so  kauft  dort  jeder,  der  einen  Tripper  hat, 
ein  Fläschchen  Ol.  Santali,  Santal  Midi ; oder  wer  Syphilis  acquirirt 
hat,  macht  sich  selbst  die  Diagnose  und  kauft  die  fertigen,  ameri- 
kanischen Pillen,  nebenbei  bemerkt  vorzügliche  Fabrikate,  von  Hy- 
drargyrum  monojodatum,  bijodatum,  monochloratum  oder  bichloratum 
und  trinkt  dazu  einige  Flaschen  des  von  New-Yorker  Firmen  prä- 
parirten  Sassaparille-Extrakts,  welches  5°/0  Kal.  jodat  enthält.  Und 
die  grösste  Mehrzahl  der  Erkrankten  curirt  sich  damit  so  vollständig, 
dass  mir  kein  einziger  Fall  von  tertiärer  Lues  zu  Gesicht  gekom- 
men ist.  Wohl  giebt  es  hereditäre  Lues,  d.  h.  die  frühe  Form, 
aber  in  den  Fällen,  wo  ich  Recherchen  anstellen  konnte,  ergab  sich, 
dass  zu  der  entsprechenden  Zeit  floride  secundäre  Erecheiaungen  be- 
standen hatten.  Von  anderen  Orten  wird  behauptet,  sie  producirten 
eine  besonders  schwere  syphilitische  Infection,  z.  B.  Panamä;  ich  habe 
darüber  keine  Erfahrungen. 

Affectionen  anderer  Art  werden  bekanntlich  von  manchen  Auto- 
ren zu  Syphilis  in  Beziehung  gebracht:  von  Tabes  habe  ich  nur 
einen  Fall  gesehen  bei  einem  Peruaner,  dessen  Angabe,  er  habe  nie 
ein  Ulcus  gehabt,  ich  wohl  Glauben  schenken  konnte,  zumal  absolut 
keine  Spuren  vergangener  Syphilis  aufzufinden  waren;  in  einem  Falle 
von  progressiver  Hirnparalyse  hatte  16  Jahre  vorher  eine  syphi- 
litische Infection  in  New-York  stattgefunden;  in  einem  Falle  von 
Diabetes  mellitus  wies  die  Anamnese  ebenfalls  Lues  auf,  aber  zu- 
gleich war  Diabetes  in  der  Familie  erblich. 

So  günstige  Resultate  die  beliebte  Selbstbehandlung  bei  der 
syphilitischen  Infection  zeitigt  — auch  das  Ulcus  molle  heilt  mit 
Leichtigkeit  — so  ungünstige  ergiebt  sie  beim  Tripper.  Chro- 
nische Gonorrhoe  und  Stricturen  sind  erschreckend  häufig,  und 
neben  den  klimatischen  Erkrankungen  bildeten  die  Folgen  des  Trip- 
pers thateächlich  das  Hauptcontingent  der  Praxis  bei  männlichen  und 
weiblichen  Individuen.  Wesen tlich  aber  aus  abergläubischer  Furcht 
vor  der  Sonde  entziehen  sich  die  Männer  lange  Zeit  der  einzig  ra- 
tionellen Behandlung  und  schlucken  Jahre  lang  Santal-Capseln  und 
Patent-Medicinen;  man  bekommt  die  hochgradigsten  Verengerungen 


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Tropen medioinisohe  Erfahrungen  ans  Managua. 


83 


zu  Gesicht,  Urinfisteln  durch  den  Hodensack,  am  Perineum,  sogar 
an  der  inneren  Schenkelfläche,  wo  schliesslich  selbst  die  Urethroto- 
mia  interna  oder  externa  bedenklich  erscheinen ; indessen  bei  der  er- 
wähnten günstigen  Regeneration  der  Gewebe  sind  die  Resultate  sehr 
erfreulich. 

Im  Anschlüsse  daran  erwähne  ich  den  chronischen  Blasen- 
katarrh als  gleichfalls  häufige  Folge  des  Trippers;  manchmal  findet 
man  — alsdann  auch  ohne  vorhergegangenen  Tripper  — dass  der 
erste  Urin  morgens  fast  milchweiss  gelassen  wird,  ohne  dass  man 
etwas  Anderes  fände  als  Schleim,  zahlreiche  Pflasterepithelien,  wenige 
Eiterkörper,  wenige  Cylinderepithelien , viele  Bacterien;  das  Bild  ist 
mir  noch  nicht  klar.  Filiaria  habe  ich  nicht  nachweisen  können, 
nur  klagen  diese  Patienten  über  Schmerzen  im  Kreuz  und  sehen 
periodisch  sehr  cachektisch  aus. 

Auch  beim  weiblichen  Theile  der  Bevölkerung,  Verheiratheten 
wie  Unverheiratheten  spielt  die  Tripperinfection  eine  wichtige 
Rolle.  Bei  den  bekannten  Folgezuständen  sind  locale  Eingriffe  häufig 
nöthig;  mir  haben  sich  speciell  Uterus-Injectionen  mit  Tr.  Jodi  und 
Alumnol  practisch  erwiesen  (Rp.  Alumnoli  2,5.  Tr.  Jodi  Alcohol  ä 
25,0.  S.D.S.  Aeusserlich),  auch  Auskratzungen  der  Schleimhaut; 
dergleichen  Manipulationen  werden  ungleich  besser  ertragen  als  bei 
uns.  Ausser  diesen  infectiösen  Endometritiden  ist  äusserst  verbreitet 
der  climatische  Fluor  albus,  den  man  bei  den  meisten  Mädchen 
und  sehr  vielen  Frauen  findet;  ich  sage  climatisch,  weil  es  so  die 
allgemeine  Auffassung  ist  Man  nimmt  an,  dass,  wie  bei  allen  chro- 
nischen Infectionen,  z.  B.  Phthise,  Scrophulose,  Syphilis,  auch  beim 
Diabetes,  Schleimhautcatarrhe  sehr  gewöhnlich  sind,  so  auch  hier 
der  Paludismus  als  Ursache  auftritt.  Indessen  wirken  verschiedene 
Ursachen  zusammen;  einerseits  die  Anämie,  wohl  als  Folge  oder 
Symptom  des  Paludismus,  dann  die  durch  das  Clima  bedingte  sitzende 
Lebensweise  — die  jungen  Damen  gehen  sehr  wenig  aus  und  be- 
wegen sich  auch  zu  Hause  so  wenig  wie  möglich  — endlich  das 
viele  Arbeiten  an  der  Nähmaschine;  bei  den  stärker  sich  bewegenden 
Mädchen  aus  dem  Volke  ist  die  Affection  viel  weniger  häufig. 

Unter  den  Erkrankungen  der  Haut  giebt  es  eine  Anzahl  eigen- 
artiger Symptomencomplexe,  deren  Erklärung  ihre  Schwierigkeiten 
hat,  und  deren  Besprechung  ich  mir  behufs  weiteren  Studiums  für 
die  Zukunft  aufsparen  möchte. 

Sehr  verbreitet  ist  der  Herpes  tonsurans;  mein  Universalmittel 
dagegen  ist  Chrysarobin  in  hochprocentigen  Salben.  Herpes  pro- 


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Dr.  Ernst  Rothschuh. 


genitalis  ohne  sichtbare  Veränderung  bei  beiden  Geschlechtern, 
sowie  sonstiger  localer  und  allgemeiner  Pruritus.  Die  Volks- 
auffassung führt  dies  Jucken  auf  die  Leber  zurück,  und  in  der  That 
findet  man  diese  peinlichen  Zustände  vor  allem  bei  Leuten,  die  an 
Lebercongestionen  leiden  und  deren  gelbliche  Hautfarbe  und  Con- 
junction  auf  Anwesenheit  von  Gallenbestandtheilen  im  Blute  schliessen 
lässt  Hier  wirken  günstig  drastische  Abführmittel  und  Anti- 
pyrin,  das  sich  überhaupt  als  günstiges  Cholagogum  erweist. 

Die  gleiche  Therapie  hilft  bei  der  häufigen  Urticaria;  ein 
eigenthümlicher  Fall  dieser  Affection  ist  folgender:  Zwei  etwa  20 
und  22  Jahre  alte  Mädchen  aus  einer  durchgängig  leberleidenden 
Familie  bekommen  eine  äusserst  heftige  Urticaria  regelmässig,  sobald 
sie  aus  dem  heissen  Managua  auf  die  etwa  2 Stunden  entfernte, 
500  m höher  gelegene  Hacienda  reiten,  d.  h.  nur  in  den  heissen 
Monaten  März,  April  und  Mai;  die  Pein  verlässt  sie  erst,  wenn  sie 
zur  Stadt  zurückkehren  und  ein  klüftiges  Laxans  nehmen;  ich  habe 
noch  keine  genügende  Erklärung  dafür  gefunden. 

Die  Erscheinungen  des  Chloasma  hepaticum  oder  paludi- 
cum  sind  Ihnen  bekannt;  hier  werden  sie  als  eins  betrachtet  nnd 
durch  Purgantien  und  cholaloge  Alkalien  thatsächlich  günstig  be- 
einflusst. 

Weniger  erfreulich  sind  die  Resultate  bei  den  Pigmentatro- 
phien der  Haut,  von  denen  man  nicht  weiss,  ob  man  sie  als  locale 
Infectionen  betrachten  soll  — die  Art  des  Fortschreitens  spricht 
häufig  dafür  — oder  als  Folgen  von  Syphilis  oder  Paludismus.  (Lepra? 
Anm.  d.  Red.)  Ich  habe  in  zwei  Fällen  durch  fast  ein  Jahr  fort- 
geführte Behandlung  mit  Chrysarobin  und  Resorcin  und  gleichzeitige 
innere  Darreichung  von  abwechselnd  Arsen  und  Kal.  jodatum  eine 
kräftige  Reaction  der  Haut  hervorzurufen  versucht  und  thatsächlich 
eine  stark  rothe,  die  Umgebung  der  früher  blendend  weissen  Flecken 
an  Intensität  übertreffende  Nüance  erzielt,  über  deren  weitere  Ent- 
wicklung ich  allerdings  momentan  nicht  orientirt  bin;  die  Affection 
wird  allgemein  als  unheilbar  betrachtet. 

Ein  interessanter  Fall  ist  folgender  eines  Erythema  nodosnm 
intermittens:  E.  N.,  Frau  des  englischen  Consuls  ist  gestern  unter 
Uebelkeit  und  leichtem  Fieber  mit  Beulen  an  verschiedenen  Theilen 
des  Körpers  erkrankt,  die  am  Abend  unter  leichtem  Schweissausbruch 
verschwanden;  heute  früh  kehrte  dieselbe  Beschwerde  wieder.  Ich 
fand  die  über  Frösteln  und  Uebelkeit  klagende  Frau  mit  einer  Tem- 
peratur von  38,5°  und  kleinem,  beschleunigtem  Pulse.  An  Armen 


Tropenmedidnische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


86 


und  Beinen  fanden  eich  etwa  20  Einmark-  bis  Zweimarkstück  grosse 
tbeils  oberflächlich,  theils  tiefer  gelegene,  blaurothe  Beulen,  schmerz- 
haft bei  Druck,  prall-elastisch,  aber  ohne  Fluctuation ; einige  schwarz- 
graue Flecken  deuteten  die  Punkte  an,  wo  gestern  ähnliche  Erup- 
tionen gesessen  hatten;  die  Beweglichkeit  der  Glieder  war  bedeutend 
eingeschränkt.  Die  Zunge  war  leicht  weissgelblich  belegt,  die  Leber 
auf  Druck  empfindlich,  Milzschwellung  nicht  vorhanden.  Ich  nahm 
sofort  eine  Malaria-Infection  an  und  durch  geeignete  Chinin-Dosen 
verschwanden  die  Symptome  im  Nachmittage,  um  am  nächsten 
Morgen  in  verminderter  Energie  zurückzukehren.  Durch  weitere 
Verabreichung  von  Chinin  wurden  die  Anfälle  coupirt. 

Von  den  Erkrankungen  des  Auges  kann  ich  Ihnen  nichts 
Specifisches  berichten;  die  Blindheit  ist  häufig  durch  die  Blennorrhoea 
gonorrhoica  und  könnte  wie  bei  uns  natürlich  verhindert  werden; 
häufig  ist  Glaucoma  inflammatorium  und  Conjunctivitis  chro- 
nica, die  man  auf  Paludismus  zurückfuhrt. 

Unter  den  inneren  Erkrankungen  spielen  die  acuten 
Exantheme  lange  nicht  die  Rolle  wie  bei  unsern  Kindern.  Schar- 
lach und  Masern  sind  selten,  Röteln  giebt  es  nicht,  wohl  Vari- 
cellen und  vor  allem  Variola,  die  jedes  Jahr  ein  paar  Hundert 
Opfer,  namentlich  in  der  schlechter  situirten  Bevölkerung  fordert 
Eine  Zwangsimpfung  existirt  nicht,  und  die  Behörden  beschäftigen 
sich  zu  viel  mit  der  hohen  Politik,  als  dass  ihnen  die  eminent 
wichtige  Frage  zum  Bewusstsein  käme.  Hier  ein  Beispiel.  Als  in 
diesem  Jahre  die  Pocken  wieder  stark  auftauchten  und  in  Folge  der 
Revolution  und  der  grossen  Hitze  unheimlich  sich  auszudehnen  be- 
gannen, kam  der  Präfect  des  Departements  Managua  zu  mir,  da  ich 
seit  einiger  Zeit  mit  animaler  Lymphe,  aus  Kade’s  Oranienapotheke 
in  Berlin  b izogen,  mit  sehr  günstigem  Erfolge  geimpft  hatte,  während 
bisher  nur  lie  Impfung  von  Arm  zu  Arm  Usus  war.  Leider  war  mein 
Stoff  aufgebraucht,  indessen  erklärte  ich,  dass,  wenn  man  mich  autorisire, 
ein  Telegramm  abzusenden,  in  3 — 4 Wochen  jedes  beliebige  Quantum 
der  Regierung  zur  Verfügung  stände.  Der  Herr  Präfect  ging  und 
berieth  sich  mit  dem  Herrn  Minister  des  Innern,  und  der  Herr  Mi- 
nister des  Innern  erklärte  nach  langer  Berathung,  dass  er  nicht  in 
der  Lage  sei,  die  Mittel,  etwa  1 5 Pesos,  für  das  Kabel  zu  bewilligen. 
Und  dabei  annoncirte  dieselbe  Regierung  seit  Wochen  in  sämmtlichen 
Zeitungen,  dass  sie  100  Pesos  demjenigen  zahle,  der  ihr  ein  mit  den 
Kuhpocken  behaftetes  Thier  zur  Abimpfung  überlasse! 

Eine  weitere  häufige  Infectionskrankheit  ist  der  Keuchhusten. 

Archiv  f Schiff#*  u.  Tropcnhygicn*  II.  7 


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Dr.  Ernst  Rothschuh. 


Jedes  Jahr  giebt  es  Monate  mit  einer  intensiven  Uber  die  ganze  Stadt 
verbreiteten  Epidemie,  an  der  Hunderte  von  kleinen  Kindern  zo 
Grunde  gehen.  Das  Volk  ist  ihr  gegenüber  vollkommen  resignirt  und 
wendet  dieser  schrecklichen  Krankheit  gegenüber  gar  nicht  die  sonst 
so  beliebte  Selbstbehandlung  an;  stirbt  das  Kind,  so  nimmt  man  das 
als  natürlich  hin,  erholt  es  sich,  so  sind  3 — 4 Monate  der  als  normal 
geltende  Verlauf  der  Krankheit  Ich  selbst  habe  in  den  wenigen 
Familien,  wo  die  Einsicht  der  Familienväter  eine  Durchführung  zu- 
liess,  mit  der  Binz’schen  Chinin-Behandlung  stets  günstige  Resultate 
erzielt;  ich  benutzte  Chininum  tannicum. 

Unter  den  Darminfectionen  spielt  die  Dysenterie  eine 
wesentliche  Rolle;  acute  Affectionen  sind  nicht  gerade  häufig,  aber 
dann  um  so  verhängnissvoller;  3 Fälle,  die  ich  gesehen,  verliefen  in 
3 — 5 Tagen  tödtlich.  Häufiger  und  allen  Mitteln  trotzend  sind  die 
chronischen  Dysenterien;  Styptica,  Abführmittel,  Roborantien,  Chinin, 
locale  Medicamente  wie  Liquor  Ferri,  Argentum  nitricum,  alles  lässt 
im  Stich.  Bedeutende  Besserungen  habe  ich  gesehen  durch  wochen- 
langes Aussetzen  der  sonst  so  beliebten  Milchdiät  Eine  gründliche 
und  oft  radikale  Besserung  beobachtete  ich  oft  durch  Aufenthalt  in 
einer  Höhe  von  1000 — 1500  m. 

Eine  andere  Art  der  Darminfection  bilden  die  thierischen 
Parasiten,  die  in  Nicaragua  in  grosser  Häufigkeit  Vorkommen,  so 
sehr,  dass  das  Volk  gewöhnt  ist,  alle  Jahre  ein  oder  zwei  Mal  ein 
starkes  Wurmmittel  zu  nehmen,  weil  die  Leute  überzeugt  sind,  im 
anderen  Falle  stets  Würmer  im  Darm  zu  haben.  Und  sie  haben 
durchgängig  Recht;  denn  jedes,  aus  irgend  einem  Grunde  genommenes 
starke  Purgans  führt  2 — 3 Ascariden  ab;  aber  bei  manchen  liefert 
Santonin  20 — 30,  ja  bis  98  habe  ich  selbst  gezählt.  Die  Ursachen 
davon  sind  uns  immer  noch  schleierhaft,  die  Zwischenwirthe  erscheinen 
noch  nicht  genügend  ausfindig  gemacht;  die  Volksanschauung  erblickt 
sie  im  Mais  und  den  Bananen. 

Wichtig  ist  es  bei  chronischen  Darmkatarrhen  von  dysen- 
terischem Charakter  an  Ascaris  zu  denken,  denn  nur  allzu  häufig 
verschwinden  Scüleim  und  Blut  aus  dem  Stuhl,  wenn  eine  ordent- 
liche Portion  dieser  Parasiten  aus  dem  Darme  entfernt  wird. 

Aehnliche  Symptome  rufen  auch  die  Bandwürmer  hervor,  die 
nicht  gerade  häufig  sind;  bisher  habe  ich  nur  den  Botriocephalui 
latus  gefunden. 

Auch  andere,  nicht  infectiöse  Formen  der  Darmkatarrhe  sind 
häufig;  die  allgemeine  Anschauung  führt  sie  auf  gestörte  Leber 


Tropenmedicinischa  Erfahrungen  aus  Nicaragua.  87 

functionen  zurück  und  empfiehlt  Behandlung  durch  cholagoge  Abführ- 
mittel. Eine  interessante  Form  ist  die  des  chronischen  Dickdarm- 
katarrhs mit  Paralyse  der  Darmmusculatur,  bei  der  man,  namentlich 
in  der  linken  oder  rechten  Iliacalgegend,  derbe  harte  Wülste  in  der 
Richtung  des  Darmes  nach  weisen  kann,  offenbar  Darmstücke,  an 
deren  Wänden  harte  Kothmassen  anliegen,  während  in  der  Mitte  noch 
ein  Lumen  offen  bleibt,  durch  das  immer  noch  ein  Theil  der  Excre- 
mente sich  durchwindet,  um  als  kleine,  schafskothähnliche  oder  ge- 
presste Ballen  den  natürlichen  Ausweg  zu  finden.  Ein  energisches  • 
Abführmittel  macht  gründlich  Luft  und  die  harten  W'ülste  sind  im 
Handumdrehen  verschwunden;  aber  es  dauert  nicht  lange,  so  fängt 
das  alte  Spiel  von  neuem  an.  Es  fehlt  offenbar  der  Tonus  in  der 
Darmmusculatur;  Heilungen  habe  ich  durch  Elektricität  und  Massage 
nicht  erzielen  können,  wohl  aber  durch  längeren  Aufenthalt  in  der 
über  3000  Fuss  hohen  Haupt-Cordillera  östlich  Matagalpas. 

Der  Sprung  von  den  Darmkatarrhen  zu  den  Krankheiten  des 
Nervensystems  scheint  ein  sehr  unvermittelter,  und  doch  ist  er 
nicht  so  unvermittelt,  wie  er  aussieht.  Wenigstens  ist  ein  grosser 
Theil  der  Hemicranien  mit  Darmkatarrhen  vergesellschaftet,  und  bei 
ihnen  schafft,  wie  bei  den  acuten  Exacerbationen  der  Neurasthenie, 
ein  Abführmittel  bedeutende  Erleichterung.  Der  Begriff  der  acuten 
Autointoxication  erscheint  so  plausibel  für  diese  Erscheinungen, 
dass  man,  namentlich  auch  im  Hinbück  auf  die  Wirkung  der  ent- 
sprechenden Therapie,  gerne  diese  Erklärung  irgend  einer  anderen 
bisherigen  vorzieht. 

Unter  den  functionellen  Neurosen  ist  die  Hysterie  die 
wichtigste,  wenn  auch  nur  in  ihren  gewöhnlichsten  Formen,  den 
hysterischen  Ohnmächten  und  Krämpfen;  sowohl  in  den  besseren 
Ständen  als  auch  beim  einfachen  Volk  findet  man  sie;  unsere  Civiü- 
sation  hat  offenbar  nur  mehr  Methode  hineingebracht,  im  Grunde 
ist  sie  dieselbe  drüben  wie  hier. 

Die  Epilepsie  ist  wesentlich  eine  traumatische;  auch  trau- 
matische Neurosen  unzweifelhaften  Charakters  giebt  es,  was  ich 
um  so  mehr  hervorheben-  möchte,  als  man  Simulation  vollkommen 
ausschüessen  kann;  die . betreffenden  Kranken  können  erstens  keine 
rechtlichen  Ansprüche  erheben,  zweitens  giebt  es  keine  Unfall- 
versicherung und  drittens  sind  sie  nicht  so  sehr  wie  unsere  Arbeiter 
auf  den  ständigen  Erwerb  um  des  Unterhalts  willen  angewiesen;  sie 
haben  wirklich  nur  das  Interesse,  von  ihrem  lästigen  Leiden  befreit 
zu  werden. 

7* 


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Dr.  Emst  Rothschuh. 


Zahlreich  sind  auch  die  Neuralgien,  die  aber  durchgängig  in 
das  grosse  Gebiet  der  Malaria  gehören,  deren  Besprechung  ich  bis 
jetzt  aufgespart  habe. 

Bereits  oben  habe  ich  bemerkt,  dass  das  Klima  in  der  tropischen 
Tiefebene  Nicaraguas  günstiger  ist,  als  es  die  Berichte  aus  anderen 
Tropenländern  ergeben;  trotzdem  kann  man  sagen,  dass  jedes  In- 
dividuum an  Malaria  leidet  oder  vielleicht,  besser  gesagt,  an  Palu- 
dismus, wenn  ich  diesen  Ausdruck  als  umfassender  betrachten  darf; 
die  Sterblichkeit  an  intermittirenden  und  remittirenden  Fiebern  ist, 
selbst  unter  den  frisch  eingewanderten  Nordländern,  sehr  gering, 
etwas  grösser  schon  bei  den  continuirlicken  Fiebern  mit  typhösem 
Charakter.  Sehr  selten  tritt  in  epidemischer  Form  das  Schwarz- 
wasser-Fieber  auf,  hier  als  Febris  perniciosa  haematurica  be- 
zeichnet. Die  letzte  Epidemie  dieser  Art  trat,  nachdem  man  20  Jahre 
lang  keinen  Fall  beobachtet  hatte,  im  Sommer  1894  auf  in  Managua 
und  Leon.  Leider  befand  ich  mich  damals  in  den  Bergen  Mntagalpas 
und  hatte  so  keine  Gelegenheit,  selbst  Erfahrungen  zu  machen;  auf- 
fallend ist,  dass  die  in  der  Epidemiegegend  thätigen  Aerzte  selbst  in 
ihren  Anschauungen  differirten , indem  die  einen  die  Krankheit  als 
gelbes  Fieber  betrachteten,  die  andern  als  pemiciöse  Malaria;  beide 
Theile  führten  sie  aber  auf  den  eben  beendeten  Krieg  mit  Honduras 
zurück,  wo  die  Truppen  wochenlang  in  den  Sümpfen,  umgeben  von 
verwesenden  Menschen-  und  Thierleichen,  campirt  hatten.  Ich  erlaube 
mir  kein  Urtheil  darüber;  nur  will  ich  ein  wesentliches  Moment  nicht 
unerwähnt  lassen:  das  Jahr  1893  war  ein  abnorm  nasses,  das 
folgende  ein  abnorm  trockenes;  sollte  das  Austrocknen  des  Bodens 
in  tiefere  Schichten  hinein  nicht  eine  vermehrte  Anzahl  von  In- 
fectionskeimen  haben  hei  machen  können? 

Eine  interessante  Erscheinung  will  ich  noch  erwähnen,  die  bei 
dieser  Epidemie  zu  Tage  trat;  es  starben  in  Managua  und  Leon  nur 
Fremde,  die  weniger  als  ein  Jahr  im  Lande  waren,  diese  aber  auch 
fast  alle,  ungefähr  20.  Ausserdem  aber  und  das  ist  das  Merkwürdige, 
verhielten  sich  wie  Fremde  und  starben  ebenso  häufig  alle  Ein- 
heimischen, die  aus  Matagalpa,  Sinotega  und  den  Bergen  der  Haupt- 
Cordillera  zur  Epidemiezeit  nach  Managua  und  Leon  kamen.  Es 
beweist  (lies  offenbar  die  grosse  klimatische  Verschiedenheit  dieser 
Landestheile. 

Solche  Epidemien  sind,  wie  gesagt,  selten;  aber  jeder  Ankömm- 
ling hat,  meistens  nach  einem  Jahre,  sem  Acclimatisationsfieber 
durchzumachen ; offenbar  haben  die  klimatischen  Factoreu,  verminderte 


Tropenmedicinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 


89 


Herzkraft,  Malaria-Miasmen,  geringere  Leberfunction  den  Sieg  davon 
getragen  über  die  abwehrende  Kraft  des  europäischen  Blutes,  und 
von  diesem  Zeitpunkte  ab  steht  der  Fremde,  wie  es  der  Einheimische 
von  Jugend  auf  ist,  unter  dem  Einflüsse  des  Paludismus.  Das 
Körpergewicht  nimmt  ab,  die  Herzthätigkeit  wird  schwächer,  geringe 
körperliche  Anstrengung  ruft  schon  starkes  Herzklopfen  hervor,  die 
Gesichtsfarbe  erblaut,  die  Hautfarbe  nimmt  einen  leicht  gelblichen 
Teint  an,  der  Appetit  wird  geringer,  Magen-  und  Darmkatarrhe 
treten  auf,  Galligsein,  Zustände  der  Unlust  oder  der  unmotivirten 
Erregung,  heftige  Neuralgien,  leichte  Fieberbewegungen  u.  s.  w.,  kurz 
der  Mensch  befindet  sich  fortwährend  im  labilen  Gleichgewicht,  das 
jeden  Augenblick  gestört  werden  kann. 

Der  Fremde,  mit  seinem  durchschnittlich  den  hygienischen 
Bedingungen  mehr  entsprechenden  Leben,  besitzt  aber  immer  noch 
eine  stärkere  Widerstandskraft  als  der  Einheimische,  bei  dem  sich 
die  krankmachenden  Einflüsse  in  stärkerer  und  mannigfaltiger  Form 
geltend  machen. 

Von  den  zahlreichen  Neuralgien  habe  ich  bereits  gesprochen; 
die  Reihenfolge  der  betroffenen  Nerven  nach  der  Häufigkeit  der  Be- 
theilung ist  folgende:  supraorbitalis,  occipitalis,  trigeminus, 
intercostales,  ischiadicus,  bracchialis,  lumbalis,  dann  Ova- 
rium,  Fussballen  und  Brustwarze. 

Die  Haut  ist  trockner,  gelber;  das  häufige  Hautzucken,  all- 
gemein oder  local,  geht  mitunter  in  Prurigo  oder  universelles 
Eczem  über. 

Die  Schleimhäute  werden  empfindlich;  Schnupfen  sind  trotz 
der  gleichmässigen  Wärme  sehr  häufig;  bei  chronischen  Schleim- 
hautaffectionen  treten  leicht  Blutungen  auf,  so  bei  Nase,  Rachen, 
Bronchien,  Darm,  Uterus;  auch  wirkliche  hartnäckige  Ozaena  tritt 
auf;  sehr  häufig  ist  ferner  der  chronische  Nasen-Rachen- 
Katarrh,  der  sogenannte  Constipado,  oft  unter  Betheiligung  der 
Tuba  Eustachii;  das  so  häufige  Asthma,  ohne  nachweisbare  Organ- 
Infection  dürfte  auch  hierher  gehören.  Der  chronische  Magen* 
und  Darmkatarrh  ist  fast  constant,  Uebelkeit,  Aufetossen , Sod- 
brennen an  der  Tagesordnung. 

Die  Drüse n-Affectionen  sind  bereits  oben  erwähnt;,  oft  giebt 
es  auch  ziehende  und  reissende  Schmerzen  in  den  Muskeln,  in  denen 
man  stellenweise  Verhärtungen,  also  wohl  myositische  Processe 
nachweisen  kann. 

Von  den  intermitticenden  acuten  Exacerbationen  des 


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Dr.  Ernst  Roth  schuh. 


Paludismus  seltenerer  Art  habe  ich  bereits  das  Erythema  nodos  um 
erwähnt;  hier  will  ich  noch  2 andere  Formen  anführen , die  mir  in 
der  Literatur  noch  nicht  bekannt  geworden  sind.  Die  eine  stellt 
sich  dar  als  eine  Melancholia  intermittens:  Das  Dienstmädchen 
eines  deutschen  Kaufmanns,  eine  kräftige  und,  von  leichten  Magen- 
Darm-Be8ch werden  abgesehen,  gesunde  Person,  hat  seit  2 Tagen 
wunderliche  Zufälle.  Des  Morgens  noch  sehr  munter,  klagt  sie  bald 
über  Frösteln  und  mit  einem  Male  geht  sie- von  ihrer  Arbeit  weg, 
setzt  sich  in  eine  Ecke  auf  einen  Stuhl,  fängt  an  zu  weinen,  starrt 
dann  wieder  vor  sich  hin,  klagt,  dass  sie  verloren  sei,  ihr 
Leben  keinen  Zweck  habe,  Angstschweiss  mit  Halludnationen  treten 
hinzu,  dann  blickt  sie  wieder  Stunden  lang  in  die  Weite,  isst  und 
trinkt  nichts,  bis  am  Nachmittage  die  bis  dahin  trockene  Haut  sich 
mit  Schweiss  bedeckt,  gleichzeitig  tritt  Ermüdung  ein,  der  Schweiss- 
Ausbruch  dauert  fort,  nach  einigen  Stunden  Schlafes  ist  vollkommenes 
Wohlbefinden  eingetreten.  Dies  ist  schon  2 Tage  so  gegangen,  bis 
man  mich  ruft;  vorher  hat  man  durch  die  beliebten  Abführmittel 
und  Schwitzproceduren  nichts  erreicht.  Durch  energische  Chinin- 
Darreichung  wird  am  3.  Tage  der  Anfall  bedeutend  abgekürzt,  am 
4.  ist  er  nur  noch  rudimentär,  am  5.  und  weiterhin  bleibt  er  aus. 

Den  anderen  Fall  möchte  ich  als  eine  Lethargia  intermittens 
bezeichnen:  C.  R,  Frau  des  spanischen  Consuls,  ist  morgens  nicht 
im  Stande  sich  zu  erheben,  die  Glieder  sind  wie  gelähmt,  das  Ge- 
sicht ist  eingefallen,  die  Augen,  deren  Lider  nur  mit  Mühe  ganz 
wenig  gehoben  werden,  glanzlos,  die  Sprachfähigkeit  vollkommen 
verschwunden;  mit  Noth  kann  etwas  Flüssigkeit  geschluckt  werden; 
so  dauert  der  Zustand  bis  zum  Mittag,  wo,  während  eine  leichte 
Transpiration  eintritt,  die  Bewegungstähigkeit  nach  und  nach  zu- 
nimmt; die  Sprache  kehrt  aber  nicht  zurück.  Am  nächsten  Morgen 
ist  die  Bewegungs- Unfähigkeit  dieselbe  wie  am  Tage  vorher.  Da 
ich  bei  der  Dame  schon  früher  Symptome  von  Paludismus  zu  be- 
handeln gehabt  habe,  Ovarialneuralgie,  Lebercongestion,  so  schreite  ich 
zu  starker  Chinin-Anwendung  in  Verbindung  mit  drastischen  Abführ- 
mitteln, am  Nachmittage  schon  kehrt  die  Sprache  langsam  zurück, 
am  nächsten  Tage  besteht  noch  grosse  Steifheit  und  Zerschlagenheit 
und  am  Tage  darauf  ist  der  Anfall  beseitigt. 

Dass  man  bei  derartiger  Affection  auch  an  die  wieder  modern 
gewordene  Autointoxication  denkt,  ist  natürlich;  nur  ist  der  stricte 
beweis  für  die  Annahme  schwer  zu  erbringen.  Mehr  plausibel  und 
fast  nothwendig  erscheint  diese  Theorie  bei  der  ßeurtheilung  mancher 


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Tropenmediciniache  Erfahrungen  aut  Nicaragua.  91 

unregelmässigen  Fieber  formen,  die  bei  geringer  Temperatur* 
erhöhung  (etwa  bis  39°  C.)  doch  so  schwere  Allgemeinsymptome 
hervorrufen,  wie  Sopor  mit  Hallucinationen,  ferner  eine.Theil- 
nahmslosigkeit  und  totale  Zerschlagenheit  beim  Nachlassen 
des  Fiebers,  wie  sie  zur  Dauer  der  Erkrankung  in  keinem  Verhält- 
nisse stehen,  dass  man  unwillkürlich  auf  die  Vermuthung  eines  im 
Körper  kreisenden  Giftes  geführt  wird. 

Die  amerikanischen  Aerzte  nehmen  das  als  selbstverständlich 
an  und  machen  dafür  in  erster  Linie  die  Leber  verantwortlich;  ich 
habe  oben  bei  den  Affectionen  des  Verdauungstractus  dieses  Organ 
absichtlich  übergangen,  um  in  diesem  Zusammenhänge  kurz  darüber 
zu  sprechen. 

Der  Gedankengang  dieser  Leute  ist  folgender:  die  Leber  kann 
bei  ihrer  Grosse  unmöglich  allein  die  Function  haben,  das  bischen 
Galle  fiir  die  Fettverdauung  abzusondem  oder  Zucker  zu  spalten; 
sie  bildet  für  den  Organismus  auch  einen  Filter,  durch  den  eine 
Menge  im  Blute  kreisender  oder  durch  den  Verdauungskanal  ! in- 
geführter Substanzen  zurückgehalten,  vernichtet  oder  wenigsten»  uu- 
schädlich  gemacht  werden,  abgesehen  von  der  desinficirenden  Wirkung 
der  gesunden  Galle  im  Darmkanal.  Nun  ist  in  den  Tropen  die 
Leber  mehr  als  anderswo  in  Anspruch  genommen,  nicht  nur  durch 
die  verminderte  Herzkraft  und  geringere,  körperliche  Bewegung,  die 
Stauungen  hervorrufen,  sondern  auch  durch  die  in  viel  stärkerem 
Maasse  in  den  Körper  aufgenomraenen  Infectionsstoffe,  die  eine  Beiz-, 
also  Congestionswirkung  auf  das  Organ  hervorbringen.  U eberschreiten 
diese  Einflüsse  die  Neutralisationsfähigkeit  des  Organs,  so  treten 
Störungen  auf,  verminderter  oder  übermässiger  Gallenabfluss  mit 
ihren  Folgen,  bitterer  Geschmack  im  Munde,  galliges  Aufstossen, 
gallige  Stimmung,  Magen-  und  Darmkatarrhe  mit  Durchfällen  oder 
Verstopfung,  Hämorrhoiden  etc.,  oder  der  Körper  wird  mit  den  nicht 
unschädlich  gemachten  Stoffen  überschwemmt  und  es  treten  Fieber 
mit  Himerscheinungen  und  gleichzeitigen  Darmsymptomen,  vor  allem 
penetrant  stinkenden  gelblichen,  grünlichen  oder  schwarzen  Stühlen 
auf.  — 

Auf  eine  nähere  Ausführung  dieser  auch  Ihnen  bekannten  Auf- 
fassung will  ich  mich  nicht  einlassen;  auch  bei  uns  sind  ja  schon 
Vertreter  ähnlicher  Ideen  aufgetreten,  die  auf  das  Zeitalter  der 
anatomischen  Pathologie  wieder  ein  humorales,  allerdings  modificirt, 
folgen  lassen  wollen;  wie  dem  auch  sei,  die  Leber  finden  wir  dort 
drüben  in  über  der  Mehrzahl  aller  Krankheitsfälle  mehr  oder 


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92  Dr.  Ernst  Rothschuh,  Tropenmedicinische  Erfahrungen  aus  Nicaragua. 

weniger  betheiligt,  und  das  praktische  Resultat  ist,  dass  wir  bei  einer 
grossen  Zahl  localer  und  allgemeiner  Affectionen  uns  mit  grossem  Vor- 
theil der  Drastica  und  cholagogen  Alcalien  bedienen,  wo  uns  eine 
auf  einzelne  Symptome  gerichtete  Behandlung  im  Stiche  lassen  würde. 

Eine  Umfrage  über  das  Schwarzwasserfieber, 

von  Dr.  Carl  Mense. 

Die  schwerste  Form  der  Malariaerkrankungen,  das  Schwarz- 
wasserfieber oder  hämoglobinurische  (biliös  -hämaturische)  Fieber  ist 
mit  seinen  Abarten  und  Formen  Gegenstand  der  grössten  Meinungs- 
verschiedenheiten. Um  Klarheit  auf  diesem  Gebiete  zu  erhalten, 
wäre  es  sehr  erwünscht,  die  Ansichten,  Beobachtungen  und  Erfah- 
rungen von  möglichst  vielen  Ärzten  aus  den  wichtigsten  Fiebergegenden 
zu  vergleichen.  Ich  habe  deswegen  in  einem  Fragebogen  die  wich- 
tigsten Punkte  aufgestellt  und  bitte  alle  Herren,  welche  Studien  auf 
diesem  Gebiete  gemacht  haben,  die  Fragen  möglichst  eingehend  zu 
beantworten  und  Mittheilungen,  welche  über  die  Einzelfragen  hinaus- 
gehen, beizufugen.  Für  Leser  dieser  Zeitschrift,  denen  aus  Versehen 
kein  Exemplar  des  Fragebogens  zugehen  sollte,  lasse  ich  hier  mit  der 
Bitte  um  Beantwortung  und  Einsendung  den  Inhalt  desselben  folgen. 

1.  Haben  Sie  Fälle  von  Schwarzwasserfieber  (h&mogiobinnrisches,  büiös- 
hamaturisches  Fieber)  beobachtet?  Wie  viele?  bei  welcher  Race? 

2.  Welche  Grenzen  ziehen  Sie  nach  Ihren  Erfahrungen  zwischen  den 
einzelnen  Formen?  Worauf  begründen  Sie  Ihre  Eintheilung? 

8.  Welchen  Einfluss  hatte  auf  das  Auftreten  dieser  Fieberform  a)  dieörtlich- 
keit  und  Wohnung,  b)  die  Jahreszeit  und  die  atmosphärischen  Einflüsse, 
c)  die  Lebensweise  und  Ernährung,  d)  das  Alter,  e)  sonstige  Einflüsse? 

4.  Haben  Sie  diese  Fieber  bei  Menschen  auftreten  sehen,  welche  nie 
Chinin  genommen  hatten?  oder 

5.  seit  längerer  Zeit  (wie  lange?)  kein  Chinin  genommen  hatten? 

6.  Haben  Sie  einen  schädlichen  Einfluss  des  Chiningebrauchs  auf  das 
Auftreten  oder  den  Verlauf  der  Krankheit  beobachtet? 

7.  Glauben  Sie  mit  der  Chinin  behänd!  trag  Erfolge  erzielt  zu  haben? 

8.  Welche  Behandlung  halten  Sie  für  die  erfolgreichste? 

9.  Haben  Sie  Chinin-Hämoglobinurie  (Hämaturie)  durch  Opiumbehandlung 
vermeiden  oder  bekämpfen  können?  oder  auf  andere  Weise? 

10.  Wie  war  der  Verlauf,  die  Dauer  und  der  Ausgang  der  von  Ihnen  be- 
obachteten Fälle? 

11.  Haben  8ie  eigene  Beobachtungen  machen  können  über:  a)  die  patho- 
logisch-anatomischen Veränderungen  der  inneren  Organe  (Obduktionen, 
mikroskopische  Untersuchungen),  b)  den  Blutbefund  (Blutkörperchen  und 
Parasiten),  c)die Harnanalyse  (chemisch, mikroskopisch, spektroskopisch)? 

12.  Glauben  Sie,  dass  ein  Zusammenhang  zwischen  diesen  Fieberformen 
und  dem  Gelbfieber  besteht? 


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Das  Ichthyol 

in  seiner  Verwendbarkeit  für  die  Schiffs-  und  Tropen-Praxis, 

von  Dr.  Leo  Leistikow,  Hamburg. 

Sowohl  in  meiner  eigenen  Privatpraxis,  wie  als  langjähriger 
Mitarbeiter  von  Dr.  Unna  habe  ich  häufig  Gelegenheit,  Patienten 
zu  behandeln,  welche  an  sog.  tropischen  Krankheiten  leiden.  In 
dem  Ichthyol  (Ammonium  Bulfo-ichthyolicum)  lernte  ich  ein  Mittel 
kennen,  welches  mir  bei  vielen  dieser  Krankheiten  die  besten  Dienste 
leistete.  Die  Vielseitigkeit  des  Ichthyols,  welches  ich  seit  9 Jahren 
täglich  verordne,  macht  dasselbe  nicht  nur  zu  einem  werthvollen 
Medicament  für  die  Tropen-,  sondern  insbesondere  für  die  Schifls- 
ärzte.  Ich  glaube,  durch  eine  Schilderung  der  pharmacotherapeutischen 
Wirkung,  der  Arten  der  internen  und  externen  Application , sowie 
der  spedellen  Indicationen  zur  Empfehlung  des  Ichthyols  in  der 
Schiffs-  und  Tropenpraxis  am  besten  beitragen  zu  können. 

Das  Ichthyol  ist  ein  complidrt  zusammengesetzter,  an  natürlich 
gebundenem  Schwefel  reicher  Körper,  welcher  durch  trockene  Destilla- 
tion und  Behandlung  mit  concentrirter  Schwefelsäure  aus  dem  See- 
felder bituminösen  Gestein  gewonnen  wird.  Dasselbe  ist  ganz  un- 
schädlich; in  der  Litteratur  ist  bis  heute  nichts  von  schädlichen 
Wirkungen  bekannt  geworden.  Schon  von  Baumann  wurde  das 
Ichthyol  als  eine  oxydirbare  Substanz  erkannt  und  Unna  gelang  es, 
die  reducirende  Wirkung  desselben  auf  chemischem  wie  klinischem 
Wege  nachzuweisen.  Aeusserlich  in  schwacher  Dosis  auf  die 
Haut  applidrt,  bewirkt  es  eine  gelinde  Abschälung  und  Häutchen- 
bildung, befördert  also  die  Verhornung,  erzeugt  Hautanämie,  be- 
schränkt die  Secretion,  constrinmrt  die  Blutgefässe,  regt  die  Resorption 
an  bei  cutanen  und  sulcut  .en  Processen,  beseitigt  Oedeme,  stillt 
den  Schmerz  und  tötet  Parasiten.  Ganz  ähnlich  äossert  sich  die 
Wirkung  auf  Schleimhäute.  Auch  hier  zeigt  sich  das  Ichthyol 


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Dr.  Leo  Leistikow. 


als  ein  gutes  Antiphlogisticum.  Hervorragend  wirkt  das  Ichthyol 
innerlich  verabreicht.  Das  periphere  Blutgefässsystem  wird  verengt- 
es zeigt  auch  hier  seine  antiphlogistischen  und  tonisirenden  Eigen- 
schaften, indem  es  die  Catarrhe  des  Magendarmkanals  und  des 
Hespirationstracta,  die  allgemeine  Ernährung  und  den  Stoffwechsel 
beeinflusst  und  dadurch  auch  manchen  Bactehen  und  Parasiten  den 
Nährboden  verkümmert. 

Aeusserlich  können  wir  das  Ichthyol  pur  oder  in  wässeriger 
resp.  spirituöser  Lösung  als  Umschlag,  feuchten  Verband,  in  Puder-, 
in  Pastenform,  als  wasserunlöslicher  und  -löslicher  Firniss,  Zinkleim. 
Salbe,  Salbenstift,  Salbenmull,  Pflaster,  Pflastermull,  Spray,  Sei  fr*  und 
Salbenseife  verordnen. 

Für  die  Bedürfnisse  der  Schiffe-  und  Tropenpraxis  ist  es  rath- 
sam,  das  Ichthyol  pur  mitzunehmen.  Wässerige  Lösungen,  Puder, 
Salben  und  Pasten,  sowie  Collodiumflrnisse  lassen  sich  jederzeit  leicht 
damit  hersteilen.  Für  wässerige  Lösungen  genügt  meistens  eine 
zwei-  bis  fünfprocentige  Stärke.  Als  Puder  empfehle  ich: 

Rp.:  Ichthyol.  0,5 — 1,0 
Magnea.  carbo nie.  10,0 
Tale,  venet.  20,0 

M.  I pulv. 

als  Paste: 

Rp.:  Zinc.  oxydat  10,0 
Terr.  silic.  2,0 

Adipis  28,0 

Ichthyol.  1—3,0 

M.  f.  paste. 

Eine  vorzügliche  Pastengrundlage  ist  die  Infusorienerde,  auch 
Kieselgur,  lateinisch  Terra  silicea,  welche  eine  eminent  aufsaugende 
Kraft  besitzt  und  eine  viel  schönere  und  trockenere  Decke  liefert, 
als  die  sonstigen  pulverigen  Pastenconstitutientien. 

Eine  sehr  einfache,  materialersparende  und  oompendiöse  Form 
der  äusseren  Ichthyolapplication  ist  auch  die  des  Salbenstifts  = 
stilus  unguinosus , welcher  nach  dem  Typus  der  gewöhnlichen  Lippen- 
pomaden hergestellt  wird.  Die  Salbenstiftgrundlage  besteht  aus  Wachs 
und  Wollfett. 

Rp.:  Ichthyol.  30,0 

Cerae  20,0 

Adipis  Lanae  60,0 

M.  f.  stil.  ung. 


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Das  Ichthyol  in  seiner  Verwendbarkeit  für  die  Schiffs-  nnd  Tropenpraxis.  95 

Die  Firma  Beiersdorf-Hamburg  fabricirt  die  Salbenstifte  in 
einer  für  Schiffs-  und  Tropengebrauch  geeigneten  Form  in  Zinndosen 
mit  verschiebbarem  Deckel  verpackt. 

Wichtig  ist  auch  die  Form  der  Beiersdorf’schen  Pflastermulle. 
Dieselben  sind  absolut  impermeabel,  halten  sich  Jahre  hindurch  und 
verlieren  selbst  bei  hoher  Temperatur  niemals  ihre  Klebkraft.  Es 
eignen  sich  besonders  der  Ichthyol  (46°/0)-  und  der  Hydrargyrum(40°/0)- 
Ichthyol  (20#/0)-Pflastermull. 

In  Salbenform  dürfte  sich  auch  noch  3 — 5°/0iges  Ichthyol- 
vaselin bewähren. 

Als  Collodiumfirniss 

Rp.:  Ichthyol.  5 — 10,0 
Collodii  20,0 

M. 

Innerlich  giebt  man  das  Ichthyol  am  besten  in  Tropfenform. 
Rp.:  Ichthyol.  10,0 

Aquae  20,0 

M.  S.  3 X tägl.  10 — 20 — 25  Tropfen  nach  der  Mahlzeit 
in  reichlich  Flüssigkeit 

Der  Geschmack  ist  nur  die  ersten  2 — 3 Tage  unangenehm, 
später  nicht  mehr.  Bei  Kindern  ordinirt  man  dreimal  täglich  drei 
bis  zehn  Tropfen  dieser  Lösung.  Man  kann  das  Ichthyol  auch  in 
Pillen  oder  Kapseln  geben,  am  einfachsten  jedoch  ist  die  Tropfen- 
form. 

Die  Verwendung  des  Ichthyols  bei  den  Krankheiten  der 
Haut  ist  nahezu  eine  allgemeine.  Wir  wollen  im  Folgenden  die- 
jenigen von  ihnen  aufzählen,  welche  dem  Schiffs-  und  Tropenarzte 
am  meisten  begegnen.  In  erster  Linie  sind  die  Circulations- 
anomalien  zu  erwähnen,  ferner  die  neurotischen  Dermatitiden, 
die  lokale  und  universelle  Hyperidrosis,  die  Urticaria,  das 
Erythema  exsudativum  multiforme  und  nodosum,  sowie  die 
verschiedenen  Herpes-Arten  einschliesslich  des  Zoster.  Besonders 
kommt  hier  der  innerliche  Ichthyol gebrauch  in  Betracht,  bei  den 
Wallungs-  und  Stauungshyperämien  zum  Beispiel.  Die  angio- 
neurotische  und  die  seborrhoische  Rosacea  wird  sehr  günstig 
durch  Ichthyol  intern  beeinflusst.  Die  mit  dieser  häufig  complidrten 
Stauungsanomalien  an  Händen  und  Füssen,  der  Schleim- 
haut des  Rachens,  des  Anus  (Hämorrhoiden),  der  weiblichen 
Genitalien,  des  Magendarmkanals  u.  s.  f.  werden  durch  Ichthyol 
intern  in  Folge  der  Besserung  des  Muskeltonus  der  Blutgefässe  meist 


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Dr.  Leo  Leiatikow, 


aufifallend  gebessert.  Als  wesentliches  Hülfemittel  aber  dient  hier 
die  äusserliche  Ichthyolapplication.  Besonders  2 — 3°/0ige  Ichthvol- 
pasten  und  -dunstumschläge  sind  hier  am  Platze;  bei  umschriebenen 
Partien  Ichthyolcollodiumbepinselung. 

Die  Eczeme  sind  in  den  Tropen  wie  bei  uns  in  Europa  die 
häufigsten  Erkrankungen  der  Haut  Auch  der  sogenannte  rothe 
Hund  gehört  zu  ihnen.  Gerade  die  nässenden,  makulösen,  papu- 
lösen und  krustösen  Eczemformen  werden  prompt  durch  Ichthyol- 
dunstumschläge, -puder  oder  -pasten  in  2 — 3 %iger  Stärke  beseitigt 
Aber  auch  die  mit  Verdickung  der  Haut  einhergehenden  pruriginösen 
und  psoriatiformen  Eczemformen  weichen  auf  die  Application  der 
Ichthyoldunstumschläge  und  des  Ichthyolsalbenstifts.  Für  umschriebene 
Stellen  unbehaarter  Theile  ist  auch  der  Ichthyolpflastermull  am 
Platze.  Die  acuten  Dermatitides  traumaticae,  insbesondere 
die  Verbrennungen,  die  Dermatitis  toxica  et  venenata  werden 
wie  das  Eczema  rubrum  mit  Erfolg  behandelt  Die  infectiösen 
Dermatitiden,  vor  Allem  die  Impetigo  vulgaris  (meist  fälschlich 
als  Eczema  impetiginosum  diagnosticirt),  die  Folliculitis,  Furunkel, 
Sykosis  und  der  Lupus  erythematosus  reagiren  prompt  auf 
Ichthyol  äusserhch.  Ist  die  Inflammation  stark,  so  benutzt  man 
Ichthyolpasten  oder  -dunstumschlag,  ist  sie  gering,  so  verordnet  man 
Ichthyolcollodium  oder  Ichthyol-  resp.  Hg-Ichthyolpflastermull.  Feuchte 
Ichthyolverbände  oder  -Pasten  eignen  sich  auch  zur  Nachbehandlung 
der  Ulcera  mollia  et  serpiginosa,  sowie  des  Lupus  vulgaris 
nach  vorhergehender  Aetzung,  Paquelinisirung  oder  Excision.  Staub 
empfiehlt  dringend  den  Ichthyolpflastermull  zur  Behandlung  der 
Actinomycose.  Die  Orient-  oder  Biskrabeule,  welche  meist  an 
freigetragenen  Stellen  beginnt,  als  lividrothes  Knötchen,  das  alsdann 
central  erweicht  und  sich  mit  einer  Kruste  bedeckt,  unter  der  sich 
ein  flacher,  schlecht  heilender  Substanzverlust  befindet,  erfordert  Ein- 
reibung von  purem  Ichthyol  (Guttaperchapapier  darüber)  oder  Ichthyol- 
pflastermull  nach  Entfernung  der  Krusten.  Gegen  das  Erysipel 
ist  das  Ichthyol  geradezu  ein  Spedficum  (Nussbaum,  Unna, 
Klein,  Schwimmer).  Von  Abel  und  Latteux  ist  die  Abtötung 
der  Erysipelcoccen  durch  Ichthyol  schon  in  schwacher  Concentration 
bewiesen  worden.  Für  die  Erysipele  des  behaartes  Kopfes  eignen 
sich  die  5 — 10°/0igen  Ichthyolpasten  und  -Salben,  für  das  Gesicht 
und  das  Scrotum,  sowie  die  Vulva  feuchte  Ichthyolverb&nde,  für  die 
Extremitäten  kann  ich  am  meisten  das  Ichthyolcollodium  empfehlen. 
Da  das  Ichthyol  selbst  in  stark  verdünnter  Lösung  die  pyogenen 


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Das  Ichthyol  in  seiner  Verwendbarkeit  für  die  Schiffs-  und  Tropenpraiis.  97 


Streptococcen  (Abel)  abzutödten  vermag,  so  eignet  es  sich  auch 
zur  Behandlung  der  Lymphangitiden  (Moncorvo)  als  Dunst- 
verband oder  Collodium.  Bei  der  Behandlung  der  Lepra  ist  das 
Ichthyol  als  Adjuvans  nicht  zu  entbehren.  Zur  Zerstörung  der 
Flecken  und  Knoten  dienen  in  erster  Linie  hier  die  stark  reducirenden 
Mittel  wie  Chrysarobin  und  Pyrogallussäure,  ferner  die  Aetzmittel 
wie  Kali  causticum  und  Acäd.  nitric.  fumans.  Aber  gerade  zur 
Nachbehandlung  und  in  der  Zwischenzeit  sind  Ichthyolsalben,  -Collo- 
dium oder  -Dunstverbände  sehr  wirksam.  Die  indolenten  leprösen 
Ulcerationen  sah  ich  häufig  unter  Ichthyolpflastermull  schwinden. 
Das  Allgemeinbefinden,  vor  Allem  aber  die  Ernährung  der  Lepra- 
kranken,  wird  durch  innerlichen  Ichthyolgebrauch  entschieden  ge- 
bessert. Die  Elephanthiasis,  in  den  Tropen  zumeist  durch  Ein- 
wanderung der  Filaria  sanguinis,  häufig  auch  durch  recidivirende 
streptogene  Entzündungen  (Lymphangitis,  Erysipel,  Phlegmone)  be- 
dingt, wird  im  eiysipelatös-lymphangitischen  Stadium  durch  Ichthyol- 
collodium  resp.  Dunstverband  und  innerliche  starke  Ichthyoldosen 
zweckmässig  behandelt  Bei  dem  ödematösen,  atonischen  Ulcera, 
welche  bei  den  Negern  häufig  Vorkommen  (Mense),  ist  der  Ichthyol- 
dunstverband, -Paste  oder  der  Hg -Ichthyolpflastermull  am  Platze. 
Hier  wirkt  es  den  wuchernden  Granulationen  entgegen,  unterdrückt 
die  Ueberhäutung  und  befördert  die  Ueberhomung.  Aber  auch  bei 
den  sonstigen  Nekrose^n,  insbesondere  beim  Decubitus  sieht  man 
unter  der  dick  aufgetragenen  Ichthyolpaste  oder  dem  Ichthyolpflaster- 
mull  schnell  Heilung  eintreten.  Ainhum,  eine  bei  Negern  häufige 
locale  Affection  der  kleinen  Zehe,  bei  welcher  diese  durch  eine  tiefe 
Furche  vom  übrigen  Fuss  abgeschnürt  und  dabei  zu  einer  knolligen 
Geschwulst  aufgetrieben  wird,  erfordert  frühzeitige  Inzisionen  senk- 
recht zur  sich  bildenden  Furche,  Abheilung  unter  Ichthyoldunst- 
verband oder  -Collodium.  Da  die  Stiche  und  Bisse  verschiedener 
Insekten,  besonders  der  Mücken,  Wespen  und  Bienen  schnell  unter 
Ichthyolcollodium  abheilen,  so  ist  ein  Versuch  mit  diesem  bei  Stichen 
und  Bissen  tropischer  Insecten  wohl  angezeigt. 

Die  Behandlung  der  Geschlechtskrankheiten  muss  für  die 
Schiffs-  und  Tropenpraxis  möglichst  einfach  sein.  Das  Ichthyol  ist 
auch  hier  ein  unentbehrliches  Mittel.  Die  männliche  Gonorrhoea 
acuta  wird  durch  1 — 5%ige  Ichthyollösungen  mittelst  der  Tripper- 
spritze mehrmals  täglich  injicirt  in  kurzer  Zeit  geheilt  (Neisser, 
Jadassohn).  Für  die  Gonorrhoea  subacuta  et  chronica 
anterior  et  posterior  passen  Irrigationen  mit  warmen  2 — 5°/0igen 


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98 


Dr.  Leo  Leistikow. 


Ichthyollösungen,  desgleichen  für  die  leichten  chronischen  Cystitiden. 
Für  die  hartnäckigen  Infiltrate  der  vorderen  Harnröhre  benutze  ich 
gern  Bepinselungen  mit  10 — l“2°/0igen  Lösungen  mittelst  Ultzmann- 
schen  Pinsels,  für  die  die  hintere  urethra  Instillationen  mit  8 — 10%* 
iger  Lösung  mittelst  Ultzmann’s  Kapillarkatheter.  Beide  Instru- 
mente sind  leicht  zu  transportiren  und  sollten  schon  deshalb  niemals 
im  Instrumentarium  des  Schifis-  oder  Tropenarztes  fehlen.  Die 
Pinselungen  resp.  Instillationen  können  täglich  oder  alle  48  Stunden 
vorgenommen  werden.  Für  die  Prostatitis  passen  Ichthyolsuppos- 
torien  oder  Ichthyolglycerin  (ö°/#)  per  Rectum,  für  die  Epididymitis 
und  Orchitis  feuchter  Ichthyolverband,  -Collodium  oder  -PflastermulL 

Die  weibliche  Urethritis  weicht  durch  5 — 10®/0ige  Ichthyol- 
injectioneu  (Jadassohn).  Die  Vaginalgonorrhoe  erfordert  Tam- 
pons mit  16 — 20°/oigem  Ichthyolvaselin.  Für  die  Gonorrhoe  der 
Cervix  giebt  Neisser  5 — 10  °/0ige  Ichthyolbacillen.  Zur  Behandlung 
der  Entzündungen  besonders  der  gonorrhoischen  des  Uterus  und 
seiner  Adnexe  eignen  sich  ausser  der  Ichthyolglycerin -Tamponade 
der  Scheide  Einreibungen  der  Bauchhaut  mit  dem  Ichthyolsalbensüit 
oder  Ichthyolvaselin. 

Auch  bei  vielen  inneren  Krankheiten  hat  sich  das  Ichthyol 
wegen  seiner  tonisirenden,  gefässverengenden  Wirkung  bewährt  Bei 
den  Katarrhen  des  Magendarmkanals,  bei  der  Bronchitis, 
selbst  in  den  frühen  Stadien  der  Lungentuberkulose  ist  das 
Ichthyol  von  namhaften  Autoren  mit  Erfolg  gegeben  worden.  Auch 
gegen  schweres  Erbrechen  erwies  es  sich  als  nützlich.  Deshalb  ist 
ein  Versuch  mit  Ichthyol  intern  bei  der  Seekrankheit  wohl  an- 
gezeigt. Die  günstige  Einwirkung  des  Ichthyols  auf  die  Enteritis 
sowohl  innerlich  wie  als  Darmeingiessung  in  2®/0iger  Stärke  lässt  seine 
Anwendung  auch  bei  der  Dysenterie  als  gerechtfertigt  erscheinen. 
Moncorvo  hat  mehrere  Fälle  von  schwerer  Chylurie  mit  Ichthyol 
in  der  täglichen  Dosis  von  60  Centigramm  in  Pillenform  schnell  ge- 
heilt. — Auch  bei  der  Polyarthritis  gonorrhoica  et  rheuma- 
tica,  sowie  der  Arthritis  urica  erzielt  man  mit  grossen  innerlichen 
Ichthyoldosen  und  äusseren  Ichthyoldunstverbänden  gute  Resultate. 
Endlich  wäre  das  Ichthyol  auch  noch  bei  der  Malaria  zu  versuchen. 
Ich  habe  viele  Eczempatienten  behandelt,  welche  mit  Malaria  behaftet 
waren.  Durch  Ichthyol  innerlich  sah  ich  in  diesen  Fällen  eine  ent- 
schiedene Besserung  des  Allgemeinbefindens,  der  Appetit  hob  sich 
stets  und  die  fahle  Gesichtsfarbe  schwand. 

In  der  kleinen  Chirurgie  hat  sich  das  Ichthyol  sehr  bewäfirt. 

i 


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Das  Ichthyol  in  seiner  Verwendbarkeit  für  die  Schiffe-  und  Tropenpraxis.  99 

Einfache  Continuitätstrennungen , kleine  Quetsch-  und  Risswunden, 
sowie  Contusionen  heilen  schnell  unter  feuchtem  Ichthyolverband 
resp.  -Collodium.  Von  Floris  ist  das  Ichthyol  zuerst  in  der  Zahn* 
heilkunde  versucht  worden.  Derselbe  hat  es  in  Form  von  Spülungen 
und  Auswischungen  bei  der  Alveolarpyorrhoe,  ferner  gegen  Zahn- 
schmerz und  als  blutstillendes  Mittel  nach  Zahnextractionen  in  Form 
von  Watte  mit  gutem  Erfolge  gegeben. 

Es  mag  manchem  Leser  auffallend  erscheinen,  dass  ich  in  dieser 
kurzen  Uebersicht  über  den  Gebrauch  des  Ichthyols  mich  veranlasst 
sah,  fast  die  ganze  Dermatologie  und  viele  innere  und  Geschlechts- 
krankheiten Revue  passiren  zu  lassen,  ich  glaube  aber  dafür  ein- 
stehen zu  können,  dass,  wenn  dieses  wegen  seiner  völligen  Unschäd- 
lichkeit, seiner  leichten  Verordnungsweise  und  der  ganz  überraschenden 
Vielseitigkeit  seiner  Wirkung  ausgezeichnete  Medicament  erst  einmal 
das  Interesse  der  Schiffs-  und  Tropenärzte  erweckt  hat,  dieselben  in 
der  Lage  sein  werden,  alle  obigen  Indicationen  zu  bestätigen. 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben 


a)  Hygiene,  Physiologie  und  Gesundheitsstatistik. 

Patrick  Manson,  The  necessity  for  special  education  in  tropical  me* 
dicine.  British  Medical  Journal.  Nr.  1919.  S.  985. 

Patrick  Manson  betont  in  seiner  Rede  den  Unterschied  der  Tropenkrank- 
heiten von  den  Krankheiten  gemässigter  Klimate.  Ein  grosser  Theil  der  englisches 
Aerzte  practicire  — bei  der  Ausgedehntheit  des  englischen  Colonialbesitzes  in 
den  Tropen  — im  Tropenklima.  Eine  speciellere  tropenmedicinische  Ausbildung 
der  Aerzte  sei  daher  dringend  nüthig. 

Er  erörtert  dies  eingehend  an  verschiedenen  Krankheiten,  deren  Diagnose 
wichtig,  aber  nicht  immer  leicht  ist;  besonders  spricht  er  von  Malaria,  Beri-Beri 
und  der  Filariakraniheit.  Victor  Lehmann. 


Pestnachrlchten. 

Die  Pest  in  Bombay  zeigte  während  der  Monate  Februar  und  März  eine 
Steigerung  gegen  den  Vormonat  der  Todesfälle.  Die  Sterblichkeit  in  einer  "Woche 
betrug  nach  den  Nachrichten  vom  10.  Februar  11  IS  und  hielt  sich  annähernd  auf 
dieser  Höhe,  um  in  der  Berichtswoche,  welche  mit  dem  24.  März  abschliesst.  ihren 
Höhepunkt  mit  1259.  Todesfällen  (vier  Europäer)  zu  erreichen.  Die  letzten  Nach- 
richten lauten  viel  günstiger,  am  8.  April  werden  nur  mehr  678  Todesfälle  be- 
richtet Dagegen  ist  die  Seuche  in  Djeddah  am  24.  März  auch  amtlich  festgestellt 
worden,  forderte  bis  jetzt  nur  wenig  Opfer,  vom  1.— 4.  April  starben  6 Pestkranke. 
Die  vom  Gesundheitsrat  zu  Constantinopel  beschlossene  Sperrung  des  Hafens  für 
indische  Pilger  stösst  auf  den  Widerstand  der  Bevölkerung. 


Reagenskasten  zur  Herstellung  keimfreien  Trinkwassers  nach  Schumburg. 

Um  der  bekannten  Schumburg'schen  Methode  in  weiteren  Kreisen  Eingang  zn 
verschaffen,  hat  die  Kade'sche  Oraoienapotheke  zu  Berlin  die  nöthigen  Reagenzien 
in  feste  handliche  und  dauerhafte  Kasten,  welche  auch  überseeischem  Transport 
gewachsen  sind,  verpackt  und  m den  Verkehr  gebracht.  Die  gangbarste  und  für 
die  meisten  Fälle  wohl  ausreichende  Reagenzien  Zusammenstellung  ist  für  600  Liter 
Wasser  berechnet  und  besteht  aus  zwei  Kästen,  von  denen  der  erste  die  Reagen- 
zien in  geeigneter  Verpackung  enthält.  Die  genau  eingestellte  ooncentrirte  Brora- 
Jösuog  befindet  sich  darin  in  zugeschmolzenen  Röhrchen,  durch  welche  Vorkehrung 
jedes  Verdunsten  des  freien  Broms  und  somit  ein  Schwach erwerden  der  Lösung 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangabe». 


loi 


vermieden  wird.  Die  einzelnen  Röhrchen  sind  in  neutralisirte  Kieselguhr  ver- 
packt, was  nicht  nur  ein  etwaiges  Zerbrechen  der  Röhrchen  auf  dem  Transport 
verhindert,  sondern  auch,  wenn  dieses  ausnahmsweise  einmal  eintreten  sollte,  die 
sofortige  Unschädlichmachung  der  ätzenden  Bromlösung  zur  Folge  hat.  Jedes 
Röhrchen  hat  am  Halse  einen  Feilstrich  und  ist  an  dieser  Stelle  leicht  durch  Ab- 
brechen zu  öffnen.  Das  Neutralisationssalz  befindet  sich  im  Deckel  des  Kastens; 
dasselbe  ist  in  Glasröhrchen  abgetheilt,  welche  in  geeigneter  und  zweckmässiger 
"Weise  in  Filz  verpackt  sind. 

Jedes  Bromröhrchen  enthält  10  cbcm  concentrirte  Bromlösung, 
welche  zur  Desinfection  von  50  Liter  Wasser  ausreichen.  Jedes 
Röhrchen  Neutralisationssalz  enthält  das  zur  Neutralisation  von 
10  cbcm  concentrirter  Bromlösung  ausreichende  Quantum  Neutrali- 
sationssalz. 

Der  zweite  Kasten  enthält  eine  Mensur  von  500  cbcm  Inhalt,  zwei  Glas- 
flaschen und  einen  Löffel  von  Aluminium.  Die  Mensur  und  die  Glasflaschen  sind 
zur  Herstellung  und  zur  Aufbewahrung  von  gebrauchsfertig  verdünnten  Sterili- 
sirungB-  und  Neutralisirungslösungen  bestimmt  Obige  Reagenzien-  und  Utensilien- 
zusammenstellung ermöglicht  die  sofortige  und  bequeme  Sterilisirung  sowohl  ein- 
zelner Liter  als  auch  grösserer  Quantitäten  Wasser  für  den  augenblicklichen 
Bedarf. 

Das  die  concentrirte  Bromlöeung  enthaltende  Röhrchen  wird  an  der  mit 
einem  Feilstrich  versehenen  Stelle  durchbrochen,  der  Inhalt  in  die  Mensur  ge- 
than,  diese  mit  Wasser  bis  zu  500  cbcm  gefüllt  und  die  Lösung  nach  Umrühren 
mit  dem  Löffel  in  die  für  vorräthige  verdünnte  Bromlösung  bestimmte  Flasche 
gebracht  (Hierbei  ist  des  erstickenden,  die  Schleimhäute  reizenden  Bromdampfes 
wegen  Vorsicht  geboten.  Das  Einathmen  der  Bromdämpfe  ist  möglichst  zu  ver- 
meiden und  es  empfiehlt  sich  daher,  nicht  die  Verdünnung  in  bewohnten  Räumen 
vorzunehmen.)  Alsdann  wird  eins  der  vorhandenen  Neutralisationspulver  in  der 
Mensur  unter  Umrühren  in  500  cbcm  Wasser  gelöst  nnd  mit  dieser  Löeung  die 
Flasche  für  vorräthige  Neutralisationslösung  gefüllt  Die  Flaschen  enthalten  als- 
dann die  für  50  Liter  ausreichende  Menge  Bromlösung  und  Neutralisaticasflüssig- 
keit,  welche  gut  verstöpselt  für  den  Gobrauchsfall  aufbewahrt  werden. 

Der  Aluminiumlöffel  fasst  10  cbcm  dieser  verdünnten  Lösungen.  Hat  man 
diese  also  vorräthig  und  liegt  Bedarf  für  einen  Liter  keimfreien  Wassers  vor,  so 
setzt  man  diesem  einen  Löffel  der  verdünnten  Bromlösung  zu  und  lässt  dieselbe 
nach  Durchrühren  mit  dem  Löffel  5 Minuten  einwirken.  Dem  durch  die  Brom- 
einwirkung keimfrei  gemachten  Liter  Wasser  setzt  man  alsdann  einen  Löffel  der 
vorräthigen  Neutralisationsflüssigkeit  zu,  um  dasselbe  alsdann  als  nach  jeder  Rich- 
tung hin  einwandfreies  Trinkwasser  zu  erhalten. 

Will  man  mittelst  dieser  Reagenzienzusammenstellung  Quantitäten  von 
bO  Liter  Wasser  und  mehr  auf  einmal  sterilisiren,  so  kommt  pro  50  Liter  Wasser 
je  ein  Röhrchen  concentrirter  Bromlösung  und  der  Inhalt  eines  Gläschens  Neu- 
tralisationssalz direkt  zur  Verwendung.  Bei  der  Sterilisirung  grösserer  Quanti- 
täten Wasser  als  10  Liter,  wird  man  sich  der  Bequemlichkeit  halber  zur  Ab- 
messung der  vorräthigen  Neutralisationsflüssigkeit  mit  Vortheil  der  beigefügten 
graduirten  Mensur  bedienen.  Für  127,  Liter  wird  dieselbe  bis  zum  Theilstrich 
125  mit  verdünnter  Bromlösung  und  Neutralisationsllüssigkeit  gefüllt,  für  25  Liter 
bis  zum  Theilstrich  250  u.  s.  w. 

Archiv  f.  Schiff*-  u.  Troptnbyglene,  II.  8 


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102 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Obige  Reagenzienzusammenstellung  eignet  sich  vorzüglich  für  den  Gebrauch 
in  den  Tropen  und  in  überseeischen  Gebieten,  dieselbe  ist  specieU  für  Export- 
zwecke zusammengestellt  und  unter  der  Bezeichnung 

„Dr.  Schumburg's  Trinkwassersterilisirung“  zum  Gebranck 
in  den  Tropen 
im  Auslände  eingeführt. 

Der  Preis  derselben  (die  oben  erwähnten  2 Kästen  nebst  Reagenzien  für 
600  Liter  Wasser)  stellt  sich  auf  Mk.  80.—.  Die  Reagenzien  werden  in  geeig- 
neter Verpackung  jeder  Zeit  nachgeliefert  und  ist  der  Preis  derselben  incl.  Ver- 
packung folgender: 

Reagentien  für  600  Liter  Wasser  = Mk.  18. — •. 


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„ 1200  „ 

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„ 2400  „ 

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« 4800  „ 

„ = „ 72.-. 

Dureh  diese  Preisermässigung  wird  nicht  nur  die  Leistungsfähigkeit  dieser 
Zusammenstellung  eine  sehr  grosse,  sondern  es  werden  die  Sterilisirungskosten 
für  den  einzelnen  Liter  dadurch  auch  bedeutend  herabgesetzt. 

Für  Militärbedarf,  für  den  Gebrauch  auf  Schiffen,  sowie  für  den  Abschluss 
grösserer  und  dauernder  Lieferungen  wolle  man  unter  Angabe  der  benöthigten 
Wassermenge  von  der  Kade  sehen  Oranienapotheke  Specialofferten  einholen. 

Der  Vertreter  für  den  überseeischen  Export  ist  Georg  Hanning. 
Hamburg,  Ferdinandstr.  27.  M. 


Du  cllmat  maritim«  de  la  Tuniiie  tt  de  son  Inftuence  petholojiqu«  eur  ta  peumo«, 
te  coeur  et  le  lote.  Castellan.  Arch.  de  med.  nav.  et  colon.,  Aoüt  1897, 
pag.  11h. 

Les  observatious  de  l'auteur  ont  etc  f&ites  du  14  Jttin  1895  au  1«  ferner 
1897:  il  a trouve  sur  les  cötes  de  Tunisie  un  climat  essentiellement  variable, 
parfois  tres  chaud  en  ete,  parfois  aussi  tres  froid  en  hiver. 

La  Saison  seche  dure  d’ Avril  a Septembre:  le  ciel  est  alors  tres  pur  et  le 
vent  souflle  generalement  de  l’Est;  les  mois  les  plus  i redonter  sont  Aoüt  et 
Beptombre,  parfois  meme  Octobre.  Quand  souffle  le  vent  du  S.  E.  (Sirocco).  1z 
chaleur  est  tres  grande,  desseche  les  muqueuses  et  gene  meme  la  respiratoire 

La  saison  des  pluies  commence  en  Octobre  et  se  contioue  jusqu'ä  la  Sn  de 
Mare:  les  vents  dominants  souffient  alors  de  l'Ouest  et  il  pleut  tres  frequemment 
ä Tunis,  plus  souvent  encore  ä Bizarte.  L'air  chaud  et  humide  ä cette  saison 
est  parfois  tres  penible. 

Outre  ces  differences  saisonnierea , il  se  produit  des  variations  nyethemerales 
etendues  et  souvent  aussi  des  sautes  de  vent  tres  brusques  avec  des  changements 
brusques  de  la  temperature,  tres  penibles  en  hiver  (de  Jan  vier  ä Mare). 

Cette  variabilite  du  climat  des  cötes  de  Tunisie  le  rend  peu  propre  au  traite- 
ment  des  affections  cardio- pulmonaires,  et  des  sujets  souffrant  de  ces  affectiooä 
peuveut  voir  leur  etat  s’aggraver  sous  son  inQuence.  C.  Firket  (Liege). 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


103 


b)  Pathologie  und  Therapie. 

Beri-Beri. 

Zur  Abwehr. 

Du  izt  der  Flach  der  bäeen  Thzt,  du«  eie 
fortzeugend  Böeee  muee  gebären. 

Der  Autor  der  Referate  über  meine  und  Vorderman's  Arbeiten  (vgl.  diese 
Zeitschr.  Bd.  I.  S.  39 ff.) , wovon  ich  obiges  Motto  entlehne,  hat  sich  zu  einer 
Leidenschaftlichkeit  hinrei&sen  lassen,  die  das  beste  Zeugniss  dafür  abgiebt,  dass 
er  nicht  die  geeignete  Person  ist,  um  eine  rein  sachliche  und  objective  Kritik 
zu  liefern.  Ich  will  darüber  denn  auch  keine  Worte  verlieren. 

Nachdem  von  sachverständiger  Seite  (Scheube)  meine  Abhandlung  über 
Polyneuritis  der  Hühner  in  dieser  Zeitschrift  schon  besprochen  war,  wäre  eine 
erneute  Besprechung  derselben  doch  nur  nöthig  gewesen,  wenn  Gegenversuche 
hätten  vorgebracht  werden  können,  die  zu  abweichenden  Resultaten  geführt 
hätten.  Wie  wenig  Herr  Glogner  meinen  und  Vorderman's  Ansichten  gerecht 
-wird,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  er  uns  die  Annahme  eines  Giftes  im  Reis- 
korn in  die  Schuhe  schiebt,  eine  Vorstellung,  die  thatsächlich  unrichtig  ist  loh 
habe  im  Gegentheil  gesagt:  Die  Annahme  eines  präexistenten  Giftes  in  der  Nahrung 
erschien  uns  weniger  wahrscheinlich.  Vorderman  hat  sich  in  seinem  Rapport 
in  einer  besonderen  Nachschrift  bestimmt  gegen  die  Reisgifthypothese  aus- 
gesprochen. 

Was  meinen  Standpunkt  in  der  Beri-Beri-Frage  anbetrifft,  so  erlaube  ich 
mir  auf  meinen  jüngsten  Aufsatz  über  Beri-Beri  und  Nahrung  (Beri-beri  en 
▼oeding,  Ned.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  1898.  Nr.  6 — 8)  zu  verweisen. 

Herr  Glogner  schreibt:  „wenn  man  bedenkt,  dass  E.  zu  dieser  Arbeit 
6 Jahre  nöthig  batte,  dann  muss  dieselbe  als  das  dürftigste  Product  bezeichnet 
werden,  welches  von  einem  Leiter  eines  wissenschaftlichen  Institutes  in  der 
Litteratur  gefunden  werden  dürfte.“ 

Den  Ixssem  dieser  Zeitschrift  ist  es  aus  wiederholten  Besprechungen  be- 
kannt, dass  von  mir  ausser  der  hier  erwähnten  noch  eine  Anzahl  Untersuchungen 
über  tropenphysiologische  und  -hygienische  Gegenstände  publicirt  worden  sind. 
Allerdings  bin  ich  dabei  mehrfach  zn  gegenteiligen  Resultaten  gekommen  als 
Dr.  Glogner.  Ich  habe  ihm  z.  B.  aus  seinen  eignen  Angaben  vorrechnen 
können,  dass  bei  seinen  Bestimmungen  der  Stickstoffausscheidung  der  Tropen- 
bewohner mehrere  grobe  Versuchsfelder  gemacht  worden  sind.  Weiter  habe  ioh 
daraufhingewiesen  und  erbat  dem  beistimmen  müssen,  dass  bezüglich  des  spec. 
Gewichts  des  Blutes  der  Tropenbewohner  seine  abweichenden  Resultate  darauf 
zorückzuführen  waren,  dass  er  versäumt  hatte,  an  seine  aräometrischen  Be- 
stimmungen eine  Correctur  für  die  höhere  Umgebungstemperatur  anzubringen. 

Inde  irae!  C.  Eykman. 


Beri-beri  en  «oeding.  Een  kritisch -historische  Studie  door  Dr.  C.  Eykman. 
Overgedrukt  uit  het  Ned.  Tijdschrift  voor  Geneeskunde.  1898.  Deel  I. 

In  der  neuesten  Zeit  wurde  durch  Eijkmann  und  durch  Vorderman’s  Unter- 
suchungen in  verschiedenen  javanischen  Gefängnissen  bekanntlich  die  Theorie  vom 
Einfluss  der  Nahrung  auf  das  Entstehen  von  Beri-beri  wieder  in  den  Vordergrund 
des  Interesses  gerückt  Man  hat  aber  schon  längst  früher  an  einen  derartigen 

8* 


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104 


11.  Besprechungen  und  Lirteratnraagmken. 


Zusammenhang  gedacht  und  dementsprechend  bei  Soldaten . Matrosen  und  Ge- 
fangenen die  Ernihrungsvorsch riften  verändert  angeblich  mast  mit  Erfolg. 

E.  hat  diese  Frage  genau  historisch  verfolgt  und  zögt  in  vorliegender.  sehr 
eingehender  Arbeit  dass  thataichlich  die  Abänderung  der  Ernahrungstanfe  weder 
hei  der  niederländisch-indischen  Marine,  noch  bei  der  japanischen  Manne,  noch 
auch  bei  den  Gefangenen  in  den  Straits  Settlements  die  Erkrankungen  an  Ser- 
ben vermindert  hat  E.  bespricht  dann  ferner  seine  auf  Grund  der  von  ihm 
entdeckten  Polyneuritis  der  Hühner  aufgestelite  Theorie  von  der  Bedeutung  d« 
„Silberhiutchens“  des  Reiskorns  für  die  Aetiologie  der  Beri-beri,  die  anschei- 
nend in  den  Feststellungen  von  Vorderman  eine  Stütze  gefunden  hat  Es  mt 
anzuerkennen,  dass  E.  sich  sehr  zurückhaltend  über  die  Tragweite  seiner  Beobach- 
tungen äussert  Seine  Theorie  zu  erörtern,  ist  hier  deshalb  nicht  am  Platze,  weil 
dieselbe  einmal  schon  anderweitig  besprochen  ist,  und  weil  es  in  v-riiegeoder 
Arbeit  E mehr  darum  zu  thun  ist,  gegen  die  allerdings  sehr  eigentümlichen 
Aeusserungen  und  Ansprüche  van  Dieren's  Front  zu  machen.  Dieser  — nach 
unserer  Ansicht  wohlberechtigten  — Polemik  ist  der  grossere  Theil  der  Arbeit 
gewidmet  Victor  Lehmann. 

A contribution  to  the  etiology  of  beri-beri.  By  Walter  K.  Hunter.  (Lancet 
July  31.  1897.  pag.  240.) 

Verf.  giebt  erst  eine  Uebersicht  der  bekannten  Anschauungen  und  Unter- 
suchungen von  Pekelharing  und  Winkler.  Scheube,  Eykman  u.  A.  Er  beschreibt 
dann  zwei  von  ihm  beobachtete  — anscheinend  übrigens  nicht  »ehr  typische  — 
Fälle  von  Beriberi  bei  Schiffsheizem.  Hier  fanden  sich  im  Blute  konstant  ge- 
wisse Kokken , welche  weissen  Staphylokokken  sehr  ähnlich  waren.  Die  Kulturen 
derselben,  Kaninchen  injicirt,  bewirkten  Lähmungen  und  mikroskopisch  nachweis- 
bare Nervendegeneration.  In  Blut  und  Geweben  der  Thiere  fand  sich  derselbe 
Staphylokokkus.  In  den  Kulturen  fanden  sich  auch  noch  andere  Bakterien,  aber 
nicht  im  Blute.  Auch  wurden  dieselben , zusammen  mit  dem  Staphylokokkus  in- 
jicirt, nicht  im  Blute  der  Thiere  wiedergefunden. 

Die  Untersuchungen  von  Glogner  scheint  Verf.  nicht  zu  kennen,  denn  sie 
werden  gar  nicht  erwähnt.  Victor  Lehmann 


Malaria. 

Die  Melaiuarie.  ein  Knnatproduct  der  Chininsalze.  Von  Dr.  Below.  Berliner  kür. 
Wochenschrift.  Nr.  48.  1897.  -»ach  einem  Vortrage,  gehalten  in  der  Ber- 
liner medicinischen  Gesellschaft,  SO.  Juni  1897. 

Verfasser  sagt  eingangs,  man  dürfe  sich  keine  Worte,  wie  Melanurie.  bilden, 
ehe  man  nicht  über  Wesen  und  Ursache  einer  Sache  Begriffe  besitze,  und  «f 
errege  Befremden,  von  einem  Schwarzwasserfieber  als  Malariaform  reden  zu 
hören,  wenn  man  die  Misch-  und  Uebergangsformen  zwischen  Malaria  und  Gelb- 
fieber selbst  kennen  lernte,  noch  mehr  aber,  dass  das  souveräne  Mittel  gegen 
Malaria,  das  Chinin,  von  einer  Sekte  als  grosses  Heilmittel  in  grossen  Dosen,  tun 
anderer  als  schädlich,  verschlimmernd  dargestellt  warde.  Verf.  glaubt,  auf  Grand 
seiner  .Beobachtungen  in  Mexico,  die  dort  sporadisch  vorkommendeu  Falle  na 
Melanurie  unter  die  Geibfiebergruppe,  als  nicht  infectiöee  Form  suhsumiren  m 
können  und  bezieht  sich  auch  auf  Heinemann  (?  Ref).  der  sich  hütete,  eia 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben.  106 

mögliches  Kunstproduct  einer  Chininvergiftung  als  Krankheit  sni  generis  hinzu- 
stellen und  zieht  nun  ganz  besonders  Br.  Dempwolf’s  Mittheilungen  aus  Neu- 
Guinea  heran,  nach  denen  sämmtliche  (18)  von  diesem  beobachteten  Schwarz- 
er asserfiebe  ran  falle  nur  bei  Leuten  Vorkommen,  ,,die  viel  Chininsalze  von  vielen 
Grammen1*  genommen  haben  und  dabei  durch  Klima  und  Ajrzneigifte  mitgenommen 
sind.  Dr.  Bempwolf,  sagt  Below,  hätte  nachgewiesen,  dass  Melanurie  ein 
Symptom  sei,  welches  entstehe,  wenn  Blutfarbstoff  aus  den  rothen  Blutkörperchen 
in  die  Blutflüssigkeit  trete.  Die  Leber  zersetze  das  Haemoglobin  und  die  Nieren 
suchten  diese  Stoffe,  besonders  also  Methaemoglobin  und  Melanin,  auszuscheiden, 
wobei  sich  die  Nierencapillaren  verstopften.  So  entstände  unter  Melanurie  ge- 
legentlich Anurie.  Herr  Dr.  Dempwolf  dürfte  mit  dieser  Darstellungsweise 
schlechthin  nicht  ganz  einverstanden  sein.  Auch  Dr,  F.  Plehn  in  Tanga  be- 
hauptet wohl  kaum,  dass  Chinin  schlechthin  Haemaglobinurie  veranlasse,  man 
kann  höchstens  annehmen,  dass  die  bei  tropischer  Malaria  drohende,  oder  schon 
bestehende  verstärke,  und  das  nur  bei  Vorkommen  der  kleinen  Parasiten  im  Blut. 
In  jedem  einzelnen  Falle  kann  Chinin  nicht  selbständig  Haemoglobinaemie  und 
Haemoglobin urie  veranlassen,  auch  bietet  das  melanunsche  Fieber,  welches  nioht 
vorher  mit  Chinin  behandelt  wurde,  dem  am  Krankenbette  eintreffenden  Arzt  das 
Bild  einer  schweren  Infectionskrankheit,  welche  durch  Toxine  beeinflusst  wird. 

Dr.  K.  Däubler. 


Febril  inter mitten»  perniciosa  von  W.  Stammeshaus,  Sanitätsofficier  1.  Klasse 

Militärhospital  zu  Malang  auf  Java.  Geneeskundig  tijdschrift  voor  Ned.  Indie. 

Deel  XXXVI.  Afl.  5 u.  6. 

Ein  bereits  seit  SVt  Jahren  in  Indien  dienender  Sergeant  wurde  wegen 
Urethritis  in  das  Spital  aufgenommen  und  bekam  Tags  darauf  Fieber,  39°.  Am 
dritten  Tage  vor  seiner  Aufnahme  erhielt  er,  obschon  er  Mittags  nur  37,8*  hatte, 
0,8  g Chinin,  hydrochl.,  trotzdem  Abends  88’.  Am  vierten  Tage  hatte  er  stets 
über  89’.  Abends  9 Uhr  = 80,9’.  Darauf,  also  in  der  Remission,  1,9  g 
Chinin,  ebenso  am  fünften  Tage  1 g,  stets  in  Solution,  worauf  die  Temperatur 
nicht  über  88,4°  stieg.  Am  sechsten  Tage  stieg  die  Temperatur,  welche  von 
7 Uhr  Morgens  bis  zum  exitus,  Nachts  13  Uhr,  12mal  gemessen  wurde,  von 
88,2°,  Morgens  7 Uhr,  bis  10  Uhr  Abends  auf  43°,  zuletzt  bis  auf  43,8*.  Die 
Section  ergab  ausser  Milzvergrösserung,  theerartiger  Pulpa  und  Zeichen  von 
fettiger  Degeneration  der  Leber,  nichts  Positives.  Leider  sind  keine  mikros- 
kopischen Untersuchungen,  auch  nicht  in  vivo  gemacht,  noch  Urinuntersuchungen, 
ebenso  isf  nicht  darnach  geforscht,  ob  nicht  Blutungen  in  der  Scheide  der  grossen 
Halsnerven  bestanden,  auf  welche  Köster  und  Siedamgrotzky  beim  Tode 
durch  Wärmestauung,  resp.  bei  fieberhaften  Erkrankungen  mit  so  hohen  Tem- 
peraturen aufmerksam  machten,  und  wie  Diettrich  anf  Blutunterlaufungen  unter 
dem  Endoeardium.  Man  wird  versucht,  in  Bezug  auf  die  Angabe,  der  Patient  sei 
an  Urethritis  erkrankt,  zu  glauben,  dass  es  sich  um  Malaria  handelte.  Ob  Anurie 
zuletzt  bestand,  ist  nicht  angegeben.  Der  Beschreibung  ist  eine  Curventafel  bei- 
gegeben, sie  lehrt  aber,  dass  zur  wissenschaftlichen  Ausnutzung  und  Beurthei- 
lung  eines  solchen  Falles,  allseitige  und  genaue  Kenntnisse  und  Handhabung  der 
einschlägigen  Untersuchungsmethoden  unumgänglich  nöthig  sind. 

Dr,  K.  Däubler. 


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106 


II.  Besprechungen  und  Li  tteratu  ran  gaben. 


On  toma  peculiar  pigmenled  cells  found  in  two  mosquitos  fad  ob  maJaHal  Maad 

by  Surgeon-Major  Ronald  Ross.  (British  Medical  Journal.  Nr.  1929.  18.  De- 
cember  1897.  • S.  1786  ) 

R.,  der  sich  seit  2 Jahren,  angeregt  durch  die  Ideen  Patrick  Maasens, 
mit  der  Fütterung  von  Moskitos  mit  Malariablut  beschäftigt,  hat  kürzlich  bei 
einer  neuen  Moskitosorte  nach  Malariablutfütterung  im  Magen  besondere  Zellen 
gefunden,  welche  die  charakteristischen  Pigmentkömehen  (Melanin)  enthielten, 
wie  sie  im  Malariablute  des  Menschen  Vorkommen.  Der  Befund  ist  jedenfalls 
wichtig,  die  Deutung  aber  vorläufig  noch  durchaus  nicht  klar. 

Victor  Lehmann. 

Een  geval  van  pemicieuae  malaria  von  Dr.  A.  Voorthnia,  Deli-Sumatra.  Genees- 
kundig  tijdschrift  vor  Ned.  Indie.  Deel  XXXVI.  Aflev.  5 u.  6. 

Unter  Erscheinungen  von  Influenza  kam  ein  25  jähriger  Niederländer  in 
Verf.  Behandlung.  Pat.  hatte  vorher  an  zwei  Tagen  je  1 g Chinin  genommen 
Nach  zweitägiger  Behandlung  mit  Chinin  pro  dosi  et  pro  die  1 g,  befand  sich  der 
Kranke  besser,  kein  Fieber.  Darauf  Nachts  hohes  Fieber  (39*),  Delirien,  am 
Morgen  10  Uhr  39  % Respiration  ‘35  p.  m.  Pat.  war  nicht  compos  mentis,  Herz- 
töne rein,  Urin  spärlich,  trübe,  ohne  Eiweiss.  Im  Laufe  des  Tages  2 g Chinin 
in  Losung,  trotzdem  am  Mittag  40°  Körpertemperatur.  Auscultation  der  Longen 
ergab  nicht  gehäufte,  trockne  Rhonchi.  Am  andern  Tage  39,7%  unwillkürlicher 
Urinabgang,  Parese  des  rechten  Armes  und  der  rechten  Gesichtshälfte,  das  rechte 
Augenlid  war  frei,  sonst  derselbe  Zustand  als  vorher.  Die  Milz  war  nicht  ver- 
grössert.  Verf.  liess  den  Pat.  zwei  Mal  in  Wasser  von  35°  C.  baden  und  ver- 
suchte die  Chinininjection  in  eine  Vene  des  linken  Ellenbogens  nach  der  Baceüi- 
schen  Methode,  jedoch  unter  Assistenz  eines  Collegen  und  vorgingiger  Blutunter- 
suchung. Der  zweite  Arzt  Dr.  Edauw  fand  in  den  von  Verf.  nach  Plehn's 
Methode  angefertigten,  resp.  gefärbten  Blutpräparaten  „einige  siegeln ngförmig« 
Plasmodien,  ausserdem  zahlreiche  kleine  Sporen,  in  Haufen  frei  zwischen  den 
Blutkörperchen  liegend,  sowie  einzelne  kleine  Plasmodien  mit  blaugefürttec 
nucleolus,  freiliegendes  Blutpigment“.  Daraufhin  wurde  die  Diagnose  auf  Malaria 
sicher  gestellt  und  die  Bacelli’sche  Injection  vorgenommen,  welche  abends  6 Uhr 
wiederholt  wurde,  weil  nicht  der  geringste  Erfolg  resp.  Temperaturerniedrigung 
eintrat  Nach  der  zweiten  Injection  wurde  der  Pat.  ruhiger,  die  Parese  schwand 
aber  nicht.  In  der  Nacht  Temperaturermässigung  auf  39*  C.  Am  andern  Tage 
Mittags  unter  Zunahme  der  Lähmung  und  Herzschwäche,  da  KampherinjectKnea 
nicht  aufhalfen,  exitus  lethalis. 

Die  Section  ergab  Oedem  der  Pia  mater,  starke  Blutfüllung  der  Sinus  und 
Himgefässe,  Fruchtäthergeruch  der  Gehimmasse.  Die  linke  Herzkammer  enthält 
sehr  wenig  Blutcoagulum.  ebenso  der  linke  Vorhof,  hingegen  waren  rechter  Von- 
hof  und  Ventrikal  stark  mit  Blutcoagulum  gefüllt,  Lungen  sehr  blutreich,  sonst 
lieferte  die  Section  der  Brusthöhle  nichts  Besonderes,  ein  Bild,  welches  bei  den 
verschiedensten  Todesarten,  auch  bei  Herzlähmung,  uns  entgegentritt  Die  Milz 
war  wenig  vergrössert,  schlaff,  Nieren  hyperämisch.  Im  Herzblut  fand  Verfass« 
keine  „deutlich  entwickelten  Plasmodien“,  in  den  Nierengefassen  „freiliegende 
Sporen  ohne  nucleolus“.  Verf.  hat  wahrscheinlich,  wie  auch  in  den  Präparat® 
des  peripheren  Blutes.  Blutplättchenhaufen  für  Sporen  der  Malariaparasiten  an- 
gesehen, deren  kleine  Siegelringform  nur  in  den  Organen  zur  Sporulation  kommt 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


107 


Eine  sacbgemässe  Einsicht  bei  der  Cbininbeh&ndlung  in  Hinblick  auf  die  biologi- 
schen Verhältnisse  der  tropischen  Malariaparasiten  und  nach  Lage  des  betreffenden 
Krankheitsfalles  kundige  mikrosoopische  Controle  des  Blutes,  kann  nicht  dringend 
genug  von  allen  Tropenärzten  gefordert  werden.  Dr.  Karl  Däubler. 


Esnige  Gegevens  omtrent  Pelantoengan  all  hentellingeoord  voor  maiarlaiydert  door 
Dr.  A.  E.  H.  Lubbers,  Sanitätsofficier  I.  Klasse.  Geneeskundig  tijdschrift  voor 
Ned.  Indie.  Deel  86.  Aflev.  5 u.  6. 

Verl,  welcher  die  von  der  Küste  aus  Semarang  nach  dem  19  Kilometer 
von  der  See  und  663  Meter  hoch  belegenen  Pelantoengan  gesandten  malaria- 
kranken  Soldaten  behandelte,  sammelte  ausserdem  noch  186  Malariafälle  — 
180  Europäer,  56  Inländer  — aus  den  Listen  seines  Vorgängers.  Eine  genaue 
Beschreibung  der  klimatologischen  und  geologischen  Verhältnisse  des  Ortes  zeigt, 
dass  dort  bei  mässiger  Kegenhöhe,  wenig  feuchter  Luft,  die  tägliche  Temperatur- 
differenz fast  9°  beträgt,  wie  selten  auf  Java.  Dem  aus  Thon  mit  Trachit  be- 
stehenden Boden,  dessen  dem  Trachit  aufgelagerte  Thonerde  dünn  ist,  entströmen 
in  diesem  District  viele  warme  Quellen,  wovon  eine  46*  C.  Temperatur.  Aus 
dem  Vorkommen  theerartigen  Oeles  und  Kohlensäure  im  Brunnenwasser  ist  a 
Steinkohlen  in  der  Tiefe  zu  schliessen.  Den  wasserstauenden  Einfluss  des  th- 
weise  vorkommenden  Thonbodens  scheint  das  starke  Gefälle  in  den  Flussläi 
auszugleichen,  wodurch  der  Boden  sehr  gut  drainirt  wird. 

Im  Mittel  hatten  die  Malariapatienten  2%  Monate  zu  ihrer  Herstellung 
nöthig,  dass  die  Inländer  länger  blieben,  schreibt  Verf.  ihrer  geringeren  Energie 
(Trägheit)  zu. 

Eine  sehr  übersichtliche  Tabelle  zeigt,  dass  die  Dauer  einer  Verpflegung  von 
mehr  als  5 Monaten  für  beide  Rassen  schon  eine  Ausnahme  bildet.  Die  Gewichts- 
zunahme welche  Verf.  als  Maassstab  für  die  Fortschritte  der  Reconvalescenz  an- 
sieht, war  am  höchsten  im  dritten  Monat  = 6,4  Kilo,  bei  Inländern  im  zweiten 
= 5,8  Kilo.  Während  des  Verf.  einjährigen -Aufenthaltes  in  Pelantoengan  starb  ein 
europäischer  Soldat  von  etwa  Hundert  dorthin  gesandten  erkrankten  Europäern. 
Für  den  Felddienst  in  Indien  nicht  mehr  brauchbar  befunden  8 Weisse  = 6% 
und  8 Inländer  = 5%. 

Von  den  Weissen  hatten  41%,  von  den  Inländern  73%  vom  Tage  ihrer 
Ankunft  an,  auf  Pelantoengan  überhaupt  kein  Fieber  mehr  und  so  fort  während 
ihres  ganzen  Aufenthaltes. 

Verf.  schildert  dann  die  Eigenartigkeit  des  Auftretens  der  Fieber  bei  den 
übrigen  und  hebt  hervor,  dass  freie  Fieberintervalle  von  1—4  Monaten  Vorkommen, 
in  einem  Falle  von  4%  Monaten,  dass  sich  die  Malariaplasmodien  lange  nur 
in  den  Organen  halten  (Milzblut),  um  plötzlich,  resp.  gelegentlich,  wieder  einen 
Fieberanfall  auszulösen  und  dann  im  peripheren  Blut  erscheinen.  Da  solche 
seltenen  Fieberanfälle  nur  1—2  Tage  anhielten,  dann  fortblieben,  auch  milde 
waren  im  Vergleich  zu  denen  in  der  Ebene,  so  schreibt  sie  Verf.  wohl  mit  Recht 
nicht  auf  Rechnung  einer  Neuinfection.  Nur  bei  7 Weissen  und  1 Inländer 
dauerte  das  Fieber  bei  Gelegenheit  eines  Recidivs  länger  als  3 Tage.  Chinin 
wurde  anscheinend,  wie  auch  in  anderen  Sanatorien  Indiens  nicht  angewandt. 
Lubbers  bestätigt  durch  seine  Arbeit  die  Beobachtungen  Kohlbrugges  auf  Tosari. 

Dr.  Karl  Däublen 


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108 


II.  Besprechungen  und  Litteratur&ngaben. 


Wldil’i  reaction  in  th«  tropica.  Iiy  W.  C.  Brown.  The  Lanceb  Octob.  23.  13)7. 
png.  1036. 

In  den  Tropen  ist  es  oft  sehr  schwer,  Typhus  und  Malaria  auseinander  m 
halten.  Auch  scheinen  Mischformen  vorzukommen.  Ein  solches  Hilfsmittel  für 
die  Typhusdiagnose,  wie  die  Widal’sche  Serumreaktion , musste  daher  sehr  will- 
kommen sein.  B.  theilt  20  Fälle  mit,  in  denen  er  die  Reaction  differenialdi*- 
gnostisch  verwerthen  konnte.  Victor  Lehmann. 


Euchinin  in  maiarla.  Bv  St.  Geo.  Gray.  British  Med.  Journal.  Febr.  26.  13)3. 
pag.  551. 

G.  hat  mit  Euchinin  bei  Malaria  gute  Erfolge  gehabt  Er  findet,  dass  eine 
geringere  Menge  als  vom  Chinin  nöthig  sei;  10 — 15  grain  Euchinin  soll«  20 
bis  25  bis  30  grain  schwefelsaurem  Chinin  entsprechen.  Die  Geschmacklosigkeit 
des  Euchinins  ist  ein  grosser  Vorzug*).  Victor  Lehmann. 


On  the  ftagellated  form  ol  the  malaria  parasite.  By  W.  G.  Mac  Call  um.  The 

Lancet.  Nov.  13,  1897.  p.  1240. 

Im  Blute  von  Krähen,  das  mit  Halteridium  Labbe  inficirt  war,  konnte  JL 
sehen,  dass  von  den  zwei  Formen  des  erwachsenen  Parasiten,  der  hyalinen  und 
der  granulirten,  sich  nur  die  hyaline  im  Laufe  der  Zeit  zum  geisseltragenden 
Organismus  entwickelt.  Sie  verlässt  dann  ihr  Blutkörperchen,  die  Geissei  wirf 
selbstständig,  bohrt  die  granulirten  Parasiten  an,  nimmt  deren  Pigment  auf  uni 
lebt  geraume  Zeit  als  spindelförmiger,  am  hinteren  Ende  pigmentirter  Organis- 
mus weiter.  Etwas  Aehnliches  konnte  in  einem  Falle  in  Malariablut  beobachtet 
werden.  M.  vermuthet,  dass  der  spindelförmige  Organismus  vielleicht  die  Form 
ist,  die  ausserhalb  des  Körpers  leben  kann. 

Die  hyaline  Form  bezeichnet  M.  als  männljche,  die  granulirte  als  weiblich*, 
die  Geissei  als  Spermatozoon.  Victor  Lehmann. 


On  tha  flagellcled  form  of  the  malaria  paruite.  By  E,  Lawrie.  The  Lsncet. 

Febr.  12.  1898.  p.  482. 

L.  bekämpft  die  vorher  mitgetheilten  Anschauungen.  Nach  Ansicht  all« 
übrigen  Forscher  entwickeln  die  granulirten,  nicht  die  hyalinen  Organismen  di* 
Geissei.  Spindelformen  könnten  in  runde  Formen  umgewandelt  werden  durch 
den  Mageninhalt  des  Moskito,  ja  schon  durch  Wasserzusatz  zum  Blute.  Er  er- 
läutert solche  Um wandelungen  — von  Blutkörperchen  und  von  Malariaparasiten 
— durch  Illustrationen. 

L.  bekämpft  ferner  ziemlich  heftig  die  ganze  Malariaparasitentheorie,  da 
der  Parasit  nirgends  als  im  Malariablute  gesehen  werden  könne  und  auch  da  nicht 
Immer.  Die  sogenannten  Parasiten  seien  nichts  als  veränderte  Blutzellen! 

Victor  Lehmann. 


•)  Vergleiche  auch  F.  Plehn,  Band  I,  psg-  407  dieses  Archivs. 

Anm.  d.  Red. 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


109 


Ueber  klimatische  Bubonen  von  Dr.  0.  Nagel. 

Münchener  Med.  VTxhenechrifl. 

Bei  18  Europäern  beobachtete  Dr.  Nagel  in  den  Tropenmeeren  klimatische 
Bubonen  und  schliesst  sich  Rüge  an,  der  nach  sorgfältiger  Prüfung  als  Entstehungs- 
Ursache  andere  causale  Momente  ausschliessen  konnte.  Namentlich  wendet  sich 
Nagel  gegen  die  Annahme  Dr.  Mattin's,  der  solche  Bubonen  einfach  als  Malaria- 
complication  betrachtete,  auch  bestreitet  er  Schellong’s  Anschauung,  der  die  Bu- 
bonen als  selbstständige  Krankheit  nach  Malaria  ansieht  Verfasser  thut  recht,  Un- 
klarheiten zu  beleuchten  und  zu  beseitigen,  muss  aber  für  seine  eigenen  Unter- 
suchungen die  Unterlassung  der  Blutuntersuchungen  anerkennen.  Seine  Beobach- 
tungen haben  daher  nur  den  "Werth  der  Wahrscheinlichkeit,  wenn  auch  Chinin 
auf  das  die  Bubonen  begleitende  Fieber  nicht  wirkte.  Dass  in  den  Tropen  Bu- 
bonen Vorkommen,  bei  denen  exact  eine  anderweitige  Infection  ausgeschlossen 
ist,  habe  ich  früher  Dr.  Rüge  bestätigen  können.  Dr.  K.  Däubler. 


Dysenterie. 

Magnesium  sulphate  in  tropical  dysentery.  British  medic.  Journal,  1898,  I,  p.  298, 

554  et  598. 

M.  F.  Wyatt  Smith,  medecin  k Thöpital  angiais  de  Buenos  Ayres  recom- 
mande  l'emploi,  dans  la  dysenterie  aigue,  du  sulfate  de  magnesie  ä dose  purga- 
tive,  additionne  d'acide  sulfurique;  il  estime  que  dans  cette  forme  de  la  maladie, 
l’ipeca  est  inutile  et  ies  opiacee  dangereux. 

A la  suite  de  cette  communication , plusieurs  medecins  angiais  confirment 
l'opinion  de  M.  Wyatt  Smith.  L'un  d’eux  M.  Thomas  M.  Wiglesworth  donne 
toutes  les  deux  heures  une  demi  once  (environ  14  grammes)  d’une  solutiou  aqueuse 
saturee  de  Sulfate  de  magnesie  et  15  gouttes  d’acide  sulfurique  dilue;  diete  lactee. 

C.  F. 

Lepra. 

Die  Lepra.  Von  A.  v.  Bergmann.  Aus  „Deutsche  Chirurgie“  Lief.  10b.  XXII, 
112  Seiten  u.  7 Tafeln.  Stuttgart  1897.  Enke.  M.  6. — . 

Seit  der  Arbeit  Neisser’s  in  Ziemssen's  Handbuch  der  speciellen  Patho- 
logie und  Therapie  im  Jahre  1883  ist  keine  monographische  Bearbeitung  der 
Lepra  in  Deutschland  erschienen.  Man  bringt  aber  heute  allerseits  dieser  Er- 
krankung ein  grosses  Interesse  entgegen,  da  der  Besitz  kolonialer  Territorien  die 
Möglichkeit  der  Uebertragung  der  Lepra  nach  Deutschland  durch  krank  heim- 
kehrende Auswanderer  in  reichem  Maasse  bietet  und  die  von  Osten  eindringende 
Seuche  bereits  die  deutsche  Grenze  überschritten,  im  Memeler  Kreise  einen 
Lepraheerd  geschaffen  hat.  Mithin  ist  es  als  ein  sehr  dankenswerthea  Unternehmen 
zu  begrüssen,  dass  Verl,  ein  erfahrener  Lepraforscher,  eine  zusammenfassende 
Besprechung  dieses  Gegenstandes  unternommen  hat  Verf.  ist  ein  überzeugter 
Contagionist  und  betont,  dass  nur  da  ein  Stillstand  und  eine  darauf  folgende 
stetige  Abnahme  der  Krankheitsverbreitung  Platz  gegriffen  habe,  wo  eine  einiger- 
maassen  der  Verbreitung  der  Krankheit  entsprechende  Anzahl  von  Asylen  in 
Tbätigkeit  ist  und  in  steigender  Progression  die  Kranken  dem  Zusammenleben 
mit  den  Gesunden  entzieht  Wenn  gegenüber  dieser  Lehre  immer  die  gering« 
Uebertragungsziffer  der  Lepra  in  der  Ehe  angeführt  wird,  so  weist  Verf.  mit 
Recht  auf  die  Ehen  der  Luetischen  und  Tuberculösen  hin.  Wie  relativ  selten 


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HO  II.  Besprechungen  und  Litteratu  ran  gaben. 

erfolge  auch  hier  die  Uebertragung,  ohne  dass  es  Jemandem  in  den  Sinn  tarne, 
an  der  Uebertragbarkeit  dieser  Krankheiten  zu  zweifeln.  Bemerkenswerth  ist 
aber,  dass  Bergmann  nach  seinen  Erfahrungen  auch  die  Anschauung  vertritt, 
dass  die  Lepra  nicht  bloss  durch  directen  Verkehr,  sondern  auch  indirect  durch 
Gegenstände  übertragen  werden  kann.  Erschwert  wird  natürlich  die  Constaürung 
jeder  einzelnen  solchen  Uebertragung  durch  die  mitunter  sehr  lange  Incub&üons- 
dauer  der  Lepra.  Gegenüber  der  von  Hansen  betonten  Heilung  der  Lepra 
anaesthetica  meint  Bergmann  mit  Recht,  dass  man  hier  doch  wohl  besser  von 
einer  gewissen  Latenz  des  Leidens  sprechen  sollte.  Diese  Latenzperiode  kann 
ja  sehr  lange  andauern,  der  Kranke  kann  inzwischen  intercurrent  einer  Pneu- 
monie oder  irgend  einer  andern  Erkrankung  erliegen,  aber  ebensogut  kann  er 
auch  neue  Lepraerscheinungen  bekommen.  Die  Prophylaxe  der  Lepra  ist  ein* 
einfache.  Sie  besteht  in  Reinlichkeit  und  Beobachtung  geläufigster  Regeln  der 
Hygiene.  Alle  bisherigen  therapeutischen  Versuche  sind  fehlgeschlagen.  Nie 
war  ein  dauernder  Erfolg  zu  erzielen,  cur  die  Isolirung  der  Leprösen  kann  dem 
weiteren  Umsichgreifen  dieser  Krankheit  Einhalt  gebieten.  Max  Joseph. 


Im  British  Medical  Journal,  November  18,  1897,  p.  1409,  wird  von 
Phineas  S.  Abraham  eine  Uebersicht  über  die  Lepra  im  Britischen 
Reiche  gegeben  und  die  etwa  dagegen  angewandten  Maassregeln 
besprochen. 

In  Grossbritannien  und  Irland  werden  immer  einige  Fälle  beobachtet,  gegen 
die  keine  Präventivmaassregeln  ergriffen  werden  und  nach  Verf.'s  Ansicht  auch 
nicht  ergriffen  zu  werden  brauchen. 

In  den  Colocieen  ist  die  Unterbringung  und  eventuelle  Isolation  in  ver- 
schiedener Weise  geordnet.  Besorgnisserregend  ist  nach  dem  Verf.  auch  dort 
nirgends  die  Ausbreitung  der  Lepra,  und  von  zwangweiser  Isolation  ist  nach 
seiner  Ansicht  am  besten  abzusehen.  Victor  Lehmann. 


Schlafsucht  der  Sen  er. 

K doenpa  do  somno  i o hu  baciilo  (Die  Schlafkrankheit  und  ihr  Bacillus)  por 
Antanio  Olympio  Cagigal  et  Ch&rlea  Lepierre.  Coimbra  Medica  1857. 
Nr.  30  u.  31. 

Die  bisher  selten  in  einer  europäischen  Klinik  zur  Beobachtung  gelangte 
Schlafsucht  der  Neger  lieferte  im  Mai  1897  den  Verfassern  zu  Coimbra  einen 
Fall  in  Gestalt  eines  schwarzen  Küchenjungens  aus  Angola  Der  Kranke  erlag 
am  24.  Juli.  Die  am  Lebenden  und  an  der  Leiche  angestellten  bacteriologischen 
Untersuchungen  führten  C.  und  L.  zur  Entdeckung  eines  Bacillus,  welcher  von 
denen  der  Hühnercholera  und  der  Beri-Beri  (?  Ref.)  ebenso  verschieden  ist,  wi* 
von  den  Bacillen,  welche  Antonio  de  Carvalho  Figueiredo  1889  in  Lissabon  bei 
einem  an  der  Schlafsucht  leidenden  Schwarzen  fand. 

Die  Krankengeschichte  des  Negers  ergab  in  Bezug  auf  erbliche  Belastung 
nichts.  Die  Anamnese,  welche  der  Herr  des  Kranken  mittheilte,  ergab,  dass  die 
Krankheit  vor  drei  Jahren  begann.  Man  musste  den  Knaben  morgens  schütteln, 
um  ihn  zum  Aufstehen  und  Ankleiden  zu  bewegen.  Sobald  es  sein  Dienst  er- 
laubte, suchte  derselbe  allein  zu  sein,  setzte  sich  in  die  brennende  Sonne  and 
schlief  ein.  Anfangs  sss  er  noch  mit  Appetit,  klagte  aber  manchmal  über  Kopf- 


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ü.  Besprechungen  und  Ijttera  tu  rangaben. 


111 


schmerzen  und  litt  an  leichten  Fieberanfällen  mit  einleitendem  Schüttelfrost 
Anschwellung  der  Inframaxillar- Drüsen  trat  frühzeitig  auf.  Seit  1%  Jahren 
lebte  der  Kranke  in  Portugal,  sein  Zustand  verschlimmerte  sich  beständig,  die 
Schlaftrunkenheit  nahm  zu,  trotz  guter  Ernährung  bei  anhaltendem  Appetit  nahm 
sein  Körpergewicht  ab  und  die  Kräfte  verfielen.  Es  trat  Incontinenz  der  Blase 
und  des  Darmes  ein.  Der  Kranke  war  kein  Trinker  und  hatte  noch  nie  Ge- 
schlechtstrieb gezeigt  (Referent  kann  ergänzend  bemerken,  dass  nach  seinen 
Beobachtungen  am  Congo  Alcoholismus,  Missbrauch  von  Kola  oder  Haschisch, 
Excesse  in  venere,  Heimweh  und  Ueberarbeitung  als  entscheidende  ätiologische 
Momente  zweifellos  auszuschliessen  sind.) 

Der  Befund  des  Kranken  entsprach  den  obigen  Angaben.  Seine  Haltung 
war  lässig.  Gleichgültig  gegen  die  Umgebung,  suchte  er  bald  sein  Lager  auf, 
verharrte  in  stärkster  Beugung  der  Extremitäten,  hielt  den  Nacken  bei  versuchten 
Bewegungen  steif  und  liess  aus  den  halbgeöffneten  Mundwinkeln  übelriechenden 
Speichel  rinnen.  Die  Unterleibsorgane  erschienen  bei  Druck  etwas  schmerzhaft 
Anbefohlene  Bewegungen  glichen  denen  eines  Betrunkenen.  Die  Empfindlichkeit 
war  herabgesetzt,  Plantar-  und  Kremasterreflex  aufgehoben,  Palmarreflexe  be- 
deutend vermindert  sonstige  Sehnenreflexe  fast  ganz  erloschen.  Die  elektrische 
Reizbarkeit  war  im  ganzen  Körper  vermindert,  am  meisten  am  rechten  Unterarm 
und  auf  der  Streckseite  des  linken  Fusses.  Puls  und  Herz  waren  normal,  die 
Athemzüge  betrugen  im  Mittel  32  in  der  Minute.  Die  Lichtempfindlichkeit  war 
herabgesetzt.  Die  Harnanalyse  ergab  nur  den  Befund  eines  Blasenkatarrhs. 
Während  der  Hospitalbeobachtung  traten  nur  unbedeutende  Fieberbewegungeü 
auf,  nur  einmal  stieg  die  Körperwärme  bis  auf  39  * C.,  vor  dem  Tode  kam  es  zu 
subnormalen  Temperaturen. 

Um  den  Krankheitserreger  zu  finden,  entnahmen  die  Autoren  unter  den 
üblichen  Kautelen  dem  Kranken  eine  Blutprobe  aus  einer  Vene  des  1.  Unter- 
arms und  der  1.  Hand.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  an  ungefärbten 
und  gefä'bten  Präparate  im  Blut  einen  an  den  Enden  leicht  verdickten  Bacillus. 
Die  Dimensionen  desselben  waren  im  Blnte  2 — 21/,  :0,5m  >n  Cultnren,  welche 
auf  Serum  nach  drei  Tagen,  auf  Gelatine  anfangs  erst  nach  4 Wochen  gediehen, 
waren  seine  Maasse  3 — 4:1  p.  Der  Mikroorganismus  ist  gradlinig,  manchmal 
leicht  gekrümmt,  wenig  beweglich,  färbt  sich  gut  mit  Anilinfarben,  entfärbt  sich 
nicht  nach  Gram,  bildet  Filamente  und  lässt  bei  Behandlung  nach  Hueppe  im 
Innern  Sporen  erkennen.  Das  Aussehen  desselben  erinnert  an  den  bac.  an- 
thracis.  Temperaturen  zwischen  80—37  ° sind  seiner  Entwickelung  am  günstigsten. 
Feuchte  Wärme  tötet  ihn  rasch  zwischen  70  und  75°,  ebenso  Luftabschluss. 
Zucker  wirf  nicht  zur  Gährung  gebracht,  in  Culturen  kein  Indol  erzeugt  Auf 
dem  günstigsten  Nährboden,  Blutserum,  wurden  die  Culturen  schon  am  Ende  des 

1.  Tages  sichtbar  und  verflüssigten  das  Serum  nach  3 — 4 Tagen.  Auf  Gelatine- 
Platten  erschienen  nach  wiederholter  Ueberimpfung  des  fortgezüchteten  Bacillus 
bei  oberflächlichen  Colonien  nach  24  Stunden  unregelmässige  kleine  Punkte,  am 

2.  Tage  glichen  dieselben  einem  Knänel  Garn  oder  einer  milchig  getrübten  Kapsel, 
sau  8.  oder  4.  Tage  gingen  vom  Centrnm  der  Colonie  zahlreiche  Schimmelmy- 
celien  gleichende  Fäden  aus.  Diese  Phase  ist  sehr  charakteristisch.  Die  Ver- 
flüssigung der  Gelatine  begann  nach  5—6  Tagen. 

Strichculturen  entwickelten  sich  zeitlich  wie  Plattencnlturen  und  zeigten  am 
2.-8.  Tage  genau  das  Anssehen  einer  Vogelfeder,  Stichculturen  gaben  ein  ähr- 


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112 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


liches  Bild  in  Gestalt  baumartiger  Verzweigungen  senkrecht  zur  Stichrichtung, 
welche  am  3.  Tage  deutlich  wurden.  In  basischen  mineralischen  Flüssigkeiten 
fand  keine  Entwickelung  statt,  Milch  wurde  nach  einigen  Tagen  ooagulirt 

Von  den  mit  Flüssigkeit  aus  den  Körperhöhlen  des  Kadavers  43  Stunden 
nach  dem  Tode  angelegten  Culturen  entstand  nur  aus  der  Intraperitonealdüasigkeit 
der  von  den  Autoren  als  pathogen  betrachtete  Mikroorganismus. 

Das  Thierexperiment  stützt  die  Annahme  von  C.  und  L.  Mit  den  Culturen 
geimpfte  Kaninchen  und  Meerschweinchen  erkrankten,  zeigten  stetige  Gewichts- 
abnahme, 8chläfrigkeit,  Paresen  der  Hinterbeine  und  Fieberbewegungen.  Im 
Blute  fand  sich  stets  der  oben  beschriebene  Bacillus.  Anscheinend  genesene 
Kaninchen  reagirten  auf  wiederholte  Infection,  einige  Kaninchen  schienen  sich 
jedoch  an  die  von  dem  Krankheitserreger  erzeugten  Toxine  zu  gewöhnen.  Die 
eingegangenen  Thiere  (bei  Druck  der  Publication  erst  eins,  nach  schriftlichen, 
ergänzenden  Mittheilungen  vier  von  elf)  zeigten  keine  Convulsionen  vor  dem 
Tode.  Die  lange  Dauer  der  Erkrankung  und  das  Fehlen  von  Krämpfen  vor  dem 
exitus  sowohl  bei  dem  Neger  wie  bei  den  Versuchskaninchen  weicht  von  den 
von  dem  Referenten  beobachteten  hallen  ab. 

Meerschweinchen,  subcutan  oder  peritoneal  inficirt,  reagirten  deutlich,  aber 
weniger  stark  als  die  Kaninchen  unter  gleichen  Erscheinungen,  erholten  sich  aber 
meist  rascher,  eines  von  dreien  starb  am  87.  Tage.  Die  Virulenz  des  Krankheits- 
erregers wurde  durch  gleichzeitige  Injection  von  Culturen  des  bac.  coli  bedeutend 
verstärkt  Von  4 Meerschweinchen  starb  schon  eines  unter  Convulsionen  nach 
einem  Gewichtsverlust  von  80%  am  4.,  das  zweite  ebenso  am  22.,  das  dritte 
ohne  Krämpfe  am  41.  Tage.  Mit  dem  Herzblut  angelegte  Culturen  ergaben  den 
beschriebenen  Bacillus.  Aus  ihren  Beobachtungen  ziehen  die  Verf.  den  Schluss, 
dass  sie  den  specifischen,  bisher  noch  nicht  beschriebenen  Krankheitserreger  der 
Schlafsucht  der  Neger  gefunden  haben.  M. 


JP ent, 

Dr.  Dleudonnä.  Ueber  die  Resultate  der  Yersin'schen  und  Haffkine- 
sehen  Immunisirungs-  und  Heilungsversuche  bei  Pest.  Münchner 
Med.  'Wochenschrift  Nr.  6,  1898. 

Yersin  wird  vom  Verf.  betr.  der  Einführung  der  Serumbehandlung  bei  Pest 
in  den  Vordergrund  gestellt  Yersin  hatte  durch  abgetödtete  Pestagarcultureu, 
welche  Kaninchen  injicirt  wurden,  ein  Kaninchenblutserum  erhalten,  welches 
schon  in  der  Dosis  von  3 ccm  andere  Kaninchen  gegen  Impfung  mit  virulenten 
Pestbacillen  schützte,  selbst  noch  12  Stunden  nach  der  Infection.  Hiernach  wurde 
die  Serumherstellung  im  Institut  Pasteur  an  Pferden  im  Grossen  betrieben,  den 
Pferden  wurden  lebende,  frische  Pestagarculturen  in  die  Venen  injicirt,  in  lang- 
sam steigenden  Dosen  und  in  gewissen  Pausen.  Drei  Wochen  nach  der  letzten 
Einspritzung  wurde  das  Pferdeblutserum  bereitet  und  zeigte  bei  Mäusen  eine 
deutliche,  aber  geringe  Heilwirkung,  dagegen  eine  hohe  präventive  Wirkung. 
Yersin  hatte  bei  Menschen  in  Canton  und  Amo  1896  gute  Resultate,  von  26 
mit  Serum  behandelten  (schwere  Fälle)  starben  nur  zwei,  hingegen  starben  in 
Indien  von  141  Kranken  49  %•  In  Indien  wurde  jedoch  nur  schwaches  Serum 
angewandt  Die  russische  Commiaaion  gebrauchte  Yersin’s  Serum  in  Bombay  und 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


113 


hatte  nur  40  */o  Mortalität  (sonst  80  %),  die  deutsche  50  % Mortalität  Verfasser 
führt  aber  aus,  dass  die  günstige  curative  Serumwirkung  nur  eine  scheinbare  sei, 
wegen  seiner  Anwendung  bei  nur  frischen  1 — 2 Tage  alten  uncomplicirten  Fällen, 
welche  nach  dem  Urtheli  erfahrener  Aerzte,  vermuthlich  auch  ohne  Serumbe- 
handlung, die  günstige  Genesungsziffer  gehabt  hätten.  Beim  Thiere  dagegen,  wies 
sowohl  die  deutsche,  wie  die  russische  Pestcommission  (besonders  wurden  Affen 
benutzt)  nach,  dass  das  Serum  unzweifelhafte,  curative  Eigenschaften  hat.  Der 
Mensch  ist  für  sehr  geringe  Mengen  des  Infectdonsstoffes  empfänglich,  welcher 
in  seinem  Körper  sich  stark  vermehrt;  um  Heilerfolge  bei  ihm  durch  das  Serum 
zu  erzielen,  bedarf  es  grosser  Quantitäten. 

Die  prophyiactische  Wirkung  des  Serums  hingegen  ist  von  grosser  practischer 
Bedeutung.  Von  500  im  Peslherde  lebenden  und  mit  Serum  geimpften  Personen 
erkrankten  nur  5,  von  denen  2 starben.  Die  Krankheit  brach  aus  am  12  tan  bis 
42ten  Tage  nach  der  Injection,  was  mit  unseren  Kenntnissen  über  die  Schutz- 
dauer einer  Serumeinspritzung  übereinstimmt.  Auf  bereits  im  Incubationsstadium 
Stehende  hat  eine  Dosis  von  5—10  ccm,  wie  sie  Verein  an  wendet,  keine  W'irkung 
mehr,  höchstens  eine  abschwächende.  Simmond  sah  unter  400  mit  Serum  Ge- 
impften keinen  Pestfall.  Die  Frage,  ob  das  Pestserum  bactericid  oder  antitoxisch 
wirkt,  beantwortet  Roux  so,  dass  alle  Pestserumarten  nur  antitoxisch  wirken, 
allein  die  Antitoxinwirkung  sich  verstärkt  bei  Darstellung  des  Serums  durch  Venen- 
injection  lebender  Bacillen,  schwächer  ist  bei  Verwendung  abgetödteter  Culturen.  Ein 
Serum,  hergestallt  aus  unverändertem  Pestgift,  ist  am  stärksten  antitoxisch.  Wäh- 
rend durch  Terein’s  Impfungen  eine  sog.  passive,  d.  h.  für  den  Geimpften  folgen- 
lose kurzdauernde  Immunität  hergestellt  wird,  erzielt  Haffkine  die  sog.  active 
Immunisirung  durch  di  recte  Injection  abgetödteter  Pestculturen , welche  die  im- 
munisirenden  Stoffe  noch  enthalten.  Erwachsene  erhalten  2% — 8 ccm,  Kinder 
1 ccm,  wonach  in  der  Regel  Reactionserecheinungen  folgen.  Wenn  möglich  er- 
folgt eine  2.  Injection.  Zuerst  wurden  damit  154  Gefangene  geimpft,  wovon  nur 
einer  am  7.  Tage  darnach  erkrankte  und  genas,  von  177  nicht  geimpften  Gefan- 
genen kamen  vom  81.  Januar  bis  6.  Februar  14  Erkrankungen  vor,  wovon  8 tüdt- 
jich.  Darnach  zeigte  es  sich,  dass  von  11  862  an  verschiedenen  Pestherden  Ge- 
impften (zwischen  10/1.  und  6/V.  1897)  12  erkrankten,  dass  in  Damaon  unter  6088 
Ungeimpften  1482  Todesfälle  vorkamen  = 24,6°/«,  unter  2297  Geimpften  nur  36 
= 1,6  %.  Man  muss  aber  an  eine  gewisse  natürliche  Immunität  der  Parsen 
denken,  abgesehen  davon  war  darnach  das  Verhältniss  zwischen  den  geimpften 
und  nichtgeimpften  empfänglichen  Hindus  etwa  dasselbe  für  die  hohe  Schutzwir- 
kung der  Haffkine’schen  Impfung  sprechende,  vorhanden,  wenn  auch  der  Schutz 
kein  absoluter  ist,  da  20  Fälle  genau  bestimmt  wurden,  die  trotz  der  Impfung 
tödtlich  verliefen.  Allein  diesen  20  Opfern,  sagt  Verfasser,  stehen  auf  Seite  der 
Nichtgeimpften  1000  gegenüber.  Zugleich  war  bemerkbar,  dass  unter  den  Ge- 
impften leichte  Erkrankungen  mit  sehr  mildem  Verlauf  vorkamen.  Das  Haff- 
kine’sche  Serum  eignet  sich  zum  Schutz  kleinerer  Bevölkerungsgruppen  und  von 
Aerzten  und  Krankenwärtern,  die  mit  Pestkranken  zu  thun  haben.  Uebrigens 
meint  Verfasser,  dass  die  schleunige  Isolirung  der  Erkrankten  und  rationelle  Des- 
infectionsmaassregeln,  wie  bei  Cholera  (Vehikel,  Trinkwasser,  bei  Pest  der  Boden 
und  Ratten.  Ref.)  zur  Bekämpfung  der  Pest  ausreichend  wären  und  die  Impfung 
auf  besondere  Fälle,  wie  angeführt,  zu  beschränken  sei.  Dr.  K.  Däubler. 


114 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Parasitäre  und  Haut -Krankheiten. 

On  certain  new  specles  o(  nematode  haematozoa  occurring  in  America.  By  P&trii 
Kanson.  (British  Medical  Journal  December  25.  1897.  p.  1837.) 

M.  hat  schon  früher  neben  der  Maria  sanguinis  von  Lewi,  die  er  fiiaria 
nocturna  nennt,  zwei  andere  Filariaarten  bei  Negern  nachgewiesen,  fiiaria  diurai 
und  perstans.  Dann  hat  er  in  westindischem  Blute  eine  neue  Art  nachgewiesen, 
die  er  fiiaria  Demarquayi  nennt.  Kürzlich  entdeckte  er  bei  Indianern  in  Guajana 
wieder  eine  neue  Form. 

Wir  kennen  nunmehr  beim  Menschen  wenigstens  sechs  Blutfilarien. 

Victor  Lehmann. 


Xacland.  Note  sur  une  affection  designce  dans  la  boucle  du  Niger 
et  le  pays  de  Kong  sous  les  noms  de  Goundou  et  Anakre  (grosnez) 
Arch.  de  medec.  navale  et  coloniale  1895,  I,  p.  25. 

Cette  affection  parait  propre  aux  Agnis  de  la  grande  foret  de  Komoe,  sur  la 
cöte  d’Ivoire;  eile  se  caracterise  par  l'apparition  d'une  double  tumeÄ  ovoide, 
siegeant  de  chaque  cote  du  nez.  Cette  tumeur  debute  »ans  cause  connue. 
dans  l’enfance  ou  l’adolescence,  independamment  du  traumatisme  et  de  toute 
infection  tuberculeuse,  lepreuse  on  syphilitique.  Dans  les  premiera  temps  eile 
s’accompagne  de  cephalalgie,  avec  ecoulement  de  sang  et  de  pus  par  les  narines: 
plus  tard  ces  symptömes  disparaissent.  Les  tumeurs,  symetriques,  croissent 
lentement;  dies  sont  dures,  de  consistance  osseuse,  recouvertes  d'une  peau  saine: 
il  n'y  a pas  d'uleeration.  de  generalisation  ni  de  tumefaction  des  gangleons  lym- 
phatiques.  Chez  l’adulte  le  volume  peut  atteindre  les  dimensions  d un  oeuf. 
d'une  orange  ou  meme  du  poing;  il  en  resulto  une  compression  des  globes  ocu- 
laires,  qui  s’atrophient;  il  se  produit  une  cecite  progressive.  Letat  general 
n’est  pas  altere. 

L'auteur  n'a  pas  pu  examiner  anatomiquement  ces  tumeurs  ; il  emet  l’hypo- 
these  qu’il  s'agit  de  leSicns  parasitaires,  produites  par  des  larves  de  dipteres. 

C.  Firket  (Liege). 

Strube.  Ueber  das  endemische  Vorkommen  von  Parasiteneiern  und 
-larven  im  Harn  der  Bewohner  von  Natal  und  Transvaal.  (Aus  der 
II.  medic.  Universitätsklinik  in  Berlin). 

Die  Untersuchten  waren  Bewohner  Südostafrikas,  zum  Theil  Eingeborene, 
den  im  Norden  von  Transvaal  ansässigen  Negerstämmen  der  Basuto,  Maquamha 
und  Bawenda  angehörig,  theils  Eingewanderte,  Indier,  welche  von  Madras  in 
Ostindien  vor  kürzerer  oder  längerer  Zeit  nach  Natal  gewandert  und  dort  an- 
sässig geworden  waren.  Es  fanden  sich  3 Formen  parasitärer  Gebilde  im 
Harn.  I.  die  Eier  der  Bilharzia  haematobia.  H.  Larven  der  Fiiaria  sanguinis 
hominis  — keine  Lymphstauungen,  keine  Chylurie,  negativer  Blutbefund  auch 
bei  um  Mitternacht  vorgenommenen  Untersuchungen.  III.  Eine  bisher  nicht  in 
classificirende  Form  von  Parasiteneiern:  ovaie  bis  rundliche  Gebilde,  0,06 — 0,07mm 
lang,  0,04  mm  breit,  mit  schmaler  doppeltcontourirter  Schale  von  glatter  Ober- 
fläche und  völlig  ausgefüllt  von  einem  grobkörnigen,  grünlichen  Inhalt  Die  Eier 
befanden  sich  alle  in  dem  gleichen  Entwicklungsstadium;  Versuche,  durch  Ver- 


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II.  Besprechungen  und  Littera  tu  rangaben. 


116 


änderungen  der  Temperatur  oder  Uebertragen  des  Ham, Sediments  in  Wasser  ver- 
schiedener Temperatur  eine  Weiterentwickelung  anzuregen,  führten  zu  keinem  Er- 
gebnis. Rieh.  Pfeiffer,  Cassel. 


Dr.  Reinhold  Roge,  Marine -Stabsarzt  Ein  Beitrag  zum  Krankheitsbilde 
des  Eczema  tropicum.  fBerl.  Klin.  Wochenschrift  1897,  Nr.  39). 

Während  der  Blokade  der  ostafrikanischen  Küste  beobachtete  der  Verfasser 
auf  dem  Aviso  „ Pfeil  “ von  Januar  bis  Marz  1889  achtzehn  Fälle  eines  pustu- 
lösen  Eczems,  welches  von  den  Achselhöhlen,  dem  Gürtel  und  der  Inguinocrural- 
gegend  ausging  und  unter  Neigung  zur  Geschwürsbildung  sich  über  die  Nach- 
barschaft verbreitete.  Dieselbe  Erkrankung  ist  von  Tribondeau  in  den  Annales  de 
medecine  navale  et  coloniale,  1897,  Heft  2 beschrieben  und  als  eine  besondere  Art 
des  Eczema  tropicum  aufgefasst  worden.  R.  führt  die  Entstehung  dieser  Hautaff ec- 
tion,  welche  auch  von  anderer  Seite  als  eine  besondere  Form  des  Lichen  tropi- 
cus  angesehen  wird,  zurück  auf  die  hohen  Lufttemperaturen,  Mangel  an  reinigen- 
den Waschungen  mit  Süsswasser  und  Seife,  fortgesetzte  Seewasserwaschungen 
und  Tragen  von  Unterkleidern,  welche  mit  Seewasser  gewaschen  und  deswegen 
salzhaltig  waren.  Referent  bemerkt  hierzu,  dass  ähnliche  Eruptionen  auch  im 
gemässigten  Klima  beobachtet  werden  und  mit  dem  liehen  tropicus  seines  Er- 
achtens nichts  zu  thun  haben.  Bei  Behandlung  von  Eczemen  des  perineums, 
der  rima  ani,  des  scrotum  und  der  Schenkelbeuge  kann  man  sehr  häufig  dort, 
■wo  die  Hautflächen  sich  berühren  und  dann  auch  in  der  Nachbarschaft  die  Ent- 
stehung linsengrosser  Pusteln  beobachten,  welche  sich  vom  Eczem  durch  die  in- 
filtrirte  Umgebung  unterscheiden  und  Acnepusteln  gleichen,  denn  es  sind  offen- 
bar vereiternde  Talgdrüsen.  An  jenen  Körperstellen  treffen  dann  die.  begünstigenden 
Umstände  zusammen,  welche  Rüge  mit  Recht  für  die  Entstehung  verantwortlich 
macht:  hohe  Temperatur,  mangelnde  Reinigung,  theilweise  in  Folge  der  Salben- 
behandlung, Berührung  mit  salzhaltigen  Flüssigkeiten,  nämlich  Schweiss  und  Urin. 
Bei  Behandlung  von  Scrotaleczemen  der  Neger  am  Congo  hat  Referent  ebenfalls 
diese  Eiterpusteln  entstehen  sehen,  nie  aber  in  der  Achselhöhle,  weil  dort  die 
günstigen  Momente  fehlen.  Durch  Borwasserkompressen  ist  das  Leiden  leicht 
zu  heben.  M. 


Thieriache  und  pflanzliche  Gifte. 

Dr.  A.  C&lmette,  Le  venin  des  serpents,  Physiologie  de  l'evenimation. 
Traitement  des  morsures  venimeuses  par  le  serum  des  animauz 
vaccines.  Paris  1896. 

Verf.  fasst  im  vorliegenden  Werkchen  seine  Untersuchungen  über  das 
Schlangengift  zusammen.  Eingehend  bespricht  er  die  geographische  Verbreitung 
der  verschiedenen  Giftschlangen,  sowie  den  anatomischen  Bau  der  Giftdrüsen  und 
Zähne,  die  Menge  des  abgesonderten  Giftes  und  seine  zu  verschiedenen  Zeiten 
verschieden  starke  Wirkung,  die  nach  längerem  Fasten  des  Thieres  viel  orheb- 
licher  ist. 

Es  werden  dann  die  Erscheinungen  der  Vergiftung  besprochen.  Das  Gift 
afßcirt  das  Centralnervensystem,  besondere  den  vierten  Ventrikel  und  das  ver- 


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116 


III.  Sonstige  Werke. 


längerte  Mark.  Es  diffundirt  im  Körper  sehr  rasch,  und  daher  ist  eine  Local* 
behandlung  des  Schlangenbisses  meist  nntzlos. 

Intravenöse  Einführnng  des  Giftes  wirkt  am  schnellsten,  langsamer  die 
subcutane  und  intraperitoneale.  Auf  den  Schleimhäuten  bewirkt  es  starke  Ent* 
Zündung  und  Eiterung.  Durch  10  Minuten  langes  Erhitzen  auf  80*  C.  kann  die 
phlogogene  Eigenschaft  beseitigt  werden,  ohne  dass  die  toxische  schwindet. 

Durch  Erhitzen  kann  die  toxische  Wirkung  abgeschwächt  werden.  Aul- 
gehoben  wird  dieselbe  durch  Mischung  des  Giftes  mit  nicht  zu  verdünnter  Kali- 
oder Natronlösung,  mit  Chlorwasser,  Bromwasser,  übermangansaurem  Kali,  unter* 
chlorigsauren  und  unterbromigsauren  Alkalien,  Chlorkalk,  Chlorgold.  Die  Chlor- 
derivate wirken  auch,  wenn  sie  einige  Zeit  nach  dem  Gifte  in  den  Körper  gebracht 
werden,  noch  giftzerstörend. 

Die  giftige  Substanz  ist  kein  Eiweisskörper,  sondern  muss  ferment- 
artig  sein. 

Das  Blut  der  Schlangen,  Salamander,  Kröten  und  Aale  ist  giftig  — das 
Gift  scheint  sich  aber  von  dem  der  Giftdrüsen  zu  unterscheiden. 

Gewisse  Thiere,  wie  das  Schwein  und  der  Ichneumon  sind  bis  zu  gewissem 
Grade  gegen  das  Schlangengift  immun.  Ob  die  indischen  Schlangenbeschwörer 
sich  künstlich  immunisiren,  ist  noch  zweifelhaft  An  der  Küste  von  Mozambique 
und  bei  gewissen  mexicanischen  Indianern  besteht  dagegen  eine  Impfung  gegen 
Schlangengift  ebenso  im  französischen  Jura. 

Die  sicherste  Methode,  Thiere  gegen  das  Gift  zu  immunisiren,  besteht  darin, 
immer  grössere  Giftmengen,  die  mit  immer  geringeren  Chlorkalkmengen  gemischt 
sind,  zu  injiciren.  Das  Serum  solcher  immunisirten  Thiere  besitzt,  wie  Verf. 
gezeigt  hat  prophylaktische  und  auch  heilende  Wirkung,  wenn  es  etwa  innerhalb 
der  nächsten  2 Stunden  nach  dem  Bisse  angewandt  wird.  Das  Serum  wirkt 
übrigens  auch  gegen  Scorpionbisse. 

Verf.  giebt  noch  genaue  Anweisung,  wie  Schlangenbisse  am  besten  zu 
behandeln  sind,  und  fordert,  um  Serum  gewinnen  zu  können,  zur  Einsendung 
von  Schlangengift  an  das  Institut  Pasteur  zu  Lille  auf.  Victor  Lehmann. 


in.  Sonstige  Werke. 

Malattie  predominanti  nei  paesi  caldi  et  temperati,  von  Dr.  Filippo  Rho,  Turin 

1897.  Rosenberg  & Sellier. 

„Seinen  Collegen  von  der  königlichen  Marino“  hat  der  schriftstellerisch  auch 
in  Deutschland  bestens  bekannte  Verfasser  das  779  Seiten  umfassende  mit  zahl- 
reichen Abbildungen  ausgestattete  Werk  gewidmet.  Das  Buch  ist  hauptsächlich 
auf  die  Bedürfnisse  des  italienischen  Colonial-  und  Schiifsarztes  zugeschnitten, 
dessen  langgestrecktes  Heimathland  im  Norden  das  Klima  Mitteleuropas  hat,  im 
Süden  dagegen  den  nordafrikanischen  Küstenländern  ähnliche  klimatische  Ver- 
hältnisse aufweist.  Dasselbe  behandelt  die  Krankheiten,  welche  das  tropische 
Klima  mit  dem  gemässigten  gemein  hat,  oder  welche  von  der  warmen  zur  ge- 
mäss igsten  Zone  wandern  oder  leicht  verschleppt  werden.  Da  diese  pathologische 
Gruppe  schwer  festzustellende  und  leicht  wechselnde  Grenzen  hat,  so  musste  der 
Autor  den  Rahmen  seines  Werkes  etwas  willkürlich  fassen  und  die  einzelnen 


III.  Sonstige  Werke. 


117 


Kapitel  verschieden  eingehend  behandeln,  um  nicht  aus  dem  Buche  eine  Patho- 
logie und  Therapie  fast  aller  Krankheiten  werden  zu  lassen.  Deswegen  um- 
fassen die  ereten  8 Capitel  (von  25),  welche  Dengue,  Gelbfieber,  Pest,  Cholera, 
Beri-Beri,  Dysenterie,  Hepatitis  und  Malaria  besprechen,  mehr  als  die  Hälfte  des 
Werkes. 

Beim  Dengue-Fieber  erörtert  Rho  eingehend  auch  die  Differential- Diagnose 
von  D.  und  Influenza,  beim  Gelbfieber  lassen  die  prophylactischen  Vorschläge 
den  erfahrenen  Marinearzt  erkennen.  Sanarelli's  Beobachtungen  konnten  dem 
Verfasser  noch  nicht  bekannt  sein,  stimmen  jedoch  gut  zu  den  von  demselben 
entwickelten  Anschauungen.  Einen  Anhang  zum  Gelbfieber  bildet  das  sogen, 
biliöse  inflammatorische  Fieber,  welches  besonders  französische  und  belgische 
Autoren  bald  als  selbstständige  Krankheit,  bald  als  milde  Form  des  gelben  Fiebers 
auffassen.  Rho  ist  anderer  Ansicht  und  hält  diese  in  Deutschland  kaum  als  besondere 
Affectionen  gewürdigten  Krankheiten  theils  für  Typhoide,  theils  für  Fieber,  welche 
durch  Autointoxication  vom  Darm  aus  entstehen  (vergl.  auch  das  Referat  über 
Poskins  Werk,  Heft  I,  1898,  dieser  Zeitschr.).  In  dem  die  Beulenpest  behan- 
delnden dritten  Capitel  ist  bereits  der  Verdienste  und  Entdeckungen  Yersin’s 
gedacht. 

Besonders  ausführlich  ist  die  Cholera  besprochen,  wobei  sich  Rho  auf  den 
zwischen  Localisten  und  Contagionisten  vermittelnden  Standpunkt  Hüppe ’s  stellt 
und  auch  die  Pathologie  und  Therapie  erschöpfend  darlegt.  Die  Vorschriften  der 
Sanitätsconferenz  zu  Venedig,  nach  welchen  der  Schiffsarzt  sich  zu  richten  hat, 
sind  wiedergegeben. 

Bei  Durchsicht  des  Capitel  V,  Beri-Beri,  wird  man  mit  Befremden  lesen, 
dass  diese  Krankheit  auch  in  Irland,  Flandern,  Preussen  und  Schlesien  die  ärmere 
Bevölkerung  nach  Praeger  heimsuchen  soll!  Was  die  Aetiologie  angeht,  so 
kommt  Rho  nach  Darlegung  der  verschiedenen  Ansichten  und  Beobachtungen  zu 
dem  Schlüsse,  dass  die  bacteriologischen  Forschungen  am  meisten  Aussicht  auf 
Erfolg  haben,  welche  auf  Protozoen,  ähnlich  denen  der  Malaria  fahnden.  (Vergl. 
die  Arbeit  Glogner’s,  Heft  1 u.  2,  1897,  des  Arch.  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene). 
Der  Reisnahrung  legt  Rho  keine  ätiologische  Bedeutung  bei.  Mit  Baelz  und 
Scheube,  deren  Anschauungen  häufig  angeführt  werden,  betrachtet  Rho  die 
Beri-Beri  als  eine  Polyneuritis,  bedingt  durch  einen  organisirten  unbekannten 
Infectionsstoff,  welcher  sich  an  gewissen  günstigen  Oertlichkeiten  entwickelt.  Die 
Dysenterie  bezeichnet  der  Verfasser  als  eine  specifische  Enterocolitis,  welche 
sporadisch,  endemisch  und  epidemisch  in  acuter,  subacuter  und  chronischer  Form 
vorkommt  Tropische  Wärme  begünstigt  ihr  Entstehen,  jedoch  fehlt  dieselbe 
auch  in  den  Tropen  an  manchen  Orten,  zum  Beispiel  in  Singapore  und  Fort  de 
France  auf  Martinique.  An  anderen  Oertlichkeiten  haftet  die  Krankheit  mit  Vor- 
liebe selbst  in  der  gemässigten  Zone,  wie  z.  B.  in  Metz.  Die  Dysenterie  wandert 
leichter  als  die  Malaria,  wie  die  Verschleppung  durch  Truppen  beweist,  auch  ist 
dieselbe  nicht  so  gleichmässig  in  der  von  ihr  heimgesuchten  Gegend  verbreitet, 
wie  die  Malaria,  sondern  bildet  Nester.  Der  Träger  des  spezifischen  Ruhrgiftes 
sind  die  Entleerungen,  der  Kranken  und  durch  diese  das  Wasser.  Es  werden 
jedoch  Erkrankungen  an  Orten  beobachtet,  wo,  wie  z.  B.  in  Massauah,  die  Truppen 
destiliirtes  Wasser  trinken.  Auch  Schiffsepidemien,  welche  nach  Desinfection  des 
Bilschwassers  bei  Fortgebrauch  desselben  Trinkwassers  verschwanden,  sprechen 
dafür,  dass  auch  durch  die  Luft  die  Krankheitserreger  verschleppt  werden  können. 

Archiv  1.  Schiffe*  u TroptuhygieLe.  11.  9 


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118 


III.  Sonstige  Werke. 


Betreffs  der  Bacteriologie  der  Ruhr  kommt  Rho  zu  keiner  bestimmten 
Stellungnahme  in  dieser  schwierigen  Frage,  führt  jedoch  eingehend  die  verschie- 
denen Anschauungen  auf  und  zieht  den  Schluss:  Jedenfalls  ist  anzunehmen,  dass 
in  irgend  einer  Weise  das  bacterium  coli  commune,  sei  es  allein  in  besonderer 
Virulenz,  sei  es  in  Verbindung  mit  anderen  Microorganismen,  besonders  Strepto- 
coccen, welche  demselben  die  specifische  Wirkung  verleihen,  das  primäre  patho- 
genetische Element  darstellt.  Die  verschiedenen  Formen  der  D.  werden  dann 
durch  die  grössere  oder  geringere  Betheiligung  der  verschiedenen  mitwirkenden 
Mikroorganismen  bedingt.  Von  letzteren  ist  am  bedeutendsten  die  Amoeba  coli, 
welche  auch  im  Darme  der  Gesunden  zu  finden  ist  Bei  einer  gewissen  Chro- 
nicität  der  Krankheit,  besonders  beim  Auftreten  von  Darmgeschwüren,  vermehrt 
sich  dieselbe  stark,  verliert  den  Charakter  des  unbeteiligten  Zuschauers  und 
greift  auf  die  submucosa  u.  s.  w.  über.  Mit  dieser  Auffassung  lassen  sich  die 
verschieden  experimentellen  und  pathologischen  Anschauungen  und  Beobachtungen 
vereinen,  dieselbe  gestattet  die  Annahme  .einer  bacteriellen  und  amöbo-bac- 
teriellen,  trotzdem  aber  giebt  Rho  zu,  dass  die  Frage  der  Einheit  oder.  Dupli- 
. cität  der  Ruhr  sub  judice  bleibt.  Die  pathologische  Anatomie  und  der  klinische 
Verlauf  der  Dysenterie  wird  vortrefflich  geschildert  Von  den  Nachkrankheiten 
\ der  tropischen  Ruhr  sei  besonders  der  sekundären  Lähmungen  gedacht,  welche 
Rho  mit  Pugibet  als  Folgen  einer  kapillaren  Thrombose  in  den  nervösen  Cen- 
tren  ansieht. 

Die  Behandlung  erzielt  bessere  Erfolge  durch  entleerende  als  durch  stopfende 
Mittel.  Auch  die  mit  Recht  beliebte  Radix  Ipecacuanhae  ist  kein  Specifikum. 
sondern  steigert  die  Peristaltik,  vermindert  dadurch  die  Oedeme  und  Blutungen 
der  Schleimhaut  und  giebt  den  Stühlen  rasch  den  natürlichen  Kothcharakter  wie- 
der. Wegen  der  unangenehmen  Nebenwirkungen  hat  man  Kalomel,  sali  rusch» 
Abführmittel,  besonders  Magnesia  sulfurica  in  gesättigter  Lösung  (Dosen  von 
4 Gramm  1 — 2 stündlich)  versetzt  mit  einigen  Tropfen  verdünnter  Schwefelsäure, 
Ol.  Ricini  und  andere  Abführmittel  an  Stelle  der  Ipecacuanhae  mit  Erfolg  *nge- 
gewandt.  Die  örtliche  Behandlung  des  Darmes  mittelst  adstringirender  und  anti- 
septischer Ausspülungen,  sowie  die  Diät  ist  von  grösster  Bedeutung. 

Die  Hepatitis  suppurativa,  welcher  Kapitel  VE  gilt,  wird  besonders  durch 
die  chronische  Dysenterie  hervorgerufen.  Unter  den  diagnostischen  Merkmalen 
verdient  das  wenig  beachtete  Vorkommen  von  Urobilin,  oft  auch  Bilirubin  im 
Harn  hervorgehoben  zu  werden. 

Der  Malaria  ist  der  8.  Abschnitt  von  172  Seiten  gewidmet  Derselbe  ist 
auch  als  Monographie  erschienen.  Für  sein  Vaterland  muss  der  Verfasser  den 
traurigen  Vorrang  beanspruchen,  das  am  meisten  von  der  Maleria  heimgesuchte 
Land  Europas  zu  sein.  Die  Verhältnisse  am  Congo,  wo  nach  Rho  das  Fieber 
weniger  bösartig  auftreten  soll  als  an  der  Guinea-Küste,  und  am  Cap  der  guten 
Hoffnung,  welches  ganz  immun  sein  soll,  beurtheilt  der  Verfasser  zu  günstig. 
Die  verschiedenen  Arten  und  Formen  der  Malariaparasiten,  sowie  die  Ansichten 
und  Studien  der  einzelnen  Autoren  sind  erschöpfend  behandelt.  Besonders  auf 
Impfversuche  verschiedener  italienischer  Forscher  in  den  römischen  Kliniken  ce- 
stützt  kommt  Rho  dann  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  drei  verschiedene  Arten  von 
Malariaparasiten  giebt,  deren  Jugendformen  sich  ähnlich  sind,  ohne  ineinander 
überzugehen.  Jede  Art  ruft  eine  bestimmte  Fieberform  hervor,  es  giebt  jedoch 
Mischformen,  wo  ein  Individuum  die  verschiedenen  Species  des  Fiebere  rregvrs 


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III.  Sonstige  Werlte. 


119 


beherbergt.  Es  würde  zu  weit  führen,  die  vortrefflichen  baeteriologischen  Aus- 
einandersetzungen auch  nur  kurz  wiederzugeben,  dieselben  entsprechen  den  auf 
ein  reiches  täglich  zugängliches  Material  gestützten  Beobachtungen  der  italienischen 
Schule  und  verdienen  im  Originale  studirt  zu  werden. 

Bei  Besprechung  der  einzelnen  Malaria-Formen  geht  Rho  auch  die  für  die 
Tropen  so  überaus  wichtige  Frage  des  hämoglubinurischen  Fiebers,  seiner  Ursache 
und  Behandlung  ein  und  betont  A.  Plehn  gegenüber  in  einer  Anmerkung  den 
Unterschied  zwischen  spontanem  hämoglobinurischen  Malariafieber  und  der  Hämo- 
globinurie durch  Chininintoxikation,  welche  auf  chronischer  Malariainfection  und 
einer  durch  dieselbe  gesteigerten  oft  erblichen  Idiosynkrasie  gegen  das  Medika- 
ment beruht.  Nach  Tomasolli  hebt  diese  Idiosynkrasie  den  therapeutischen  Worth 
des  Chinins  nicht  auf.  Ais  Antidot  gegen  die  toxische  Chininwirkung  erprobte 
Tomasolli  das  Opium  in  Verbindung  mit  Ergotin  in  folgender  Form : Chinin, 
sulfur.  0.75,  Ergotin  Bonjean  0.30,  Opii  0.05,  m.  f.  pulv.  xliv.  in  part.  aequal. 
No.  IH,  in  Zwischenräumen  von  einer  Stunde  zu  nehmen.  Im  Gegensatz  zu 
A.  Plehn  fanden  die  italienischen  Pathalogen  bei  diesen  Fiobern  nur  die  gewöhn- 
lichen Parasiten  der  schweren  Malaria. 

Der  Leichenbefund  bei  den  einzelnen  Formen  und  Complicationen  der  Ma- 
laria ist  so  gründlich  dargelegt,  dass  ein  Auszug  im  Referat  unmöglich  erscheint. 
Die  wichtigen  Erörterungen  der  Therapie  lassen  sich  dahin  zusammenfassen,  dass 
manche  Malariafonnen  spontan  heilen,  nur  deswegen  konnten  die  meisten  ,, Er- 
satzmittel“ des  Chinins,  welches  das  Specifikum  bleibt,  anscheinend  Erfolge  er- 
zielen. Milde  Einwirkung  spricht  Rho  z.  B.  dem  Phenocoll  nicht  ab,  welches 
auf  die  Hämatozoen  der  tertiana  und  ijuartana  wirkt.  Arsenik  hat  eine  gewisse 
Bedeutung  bei  chronischen  Formen  und  in  der  Nachkur  ebenso  Eisen.  Das  Ka- 
pitel ,, Malaria“  schliesst  mit  einem  Anhang  von  durch  Kurven  veranschaulichten 
Krankengeschichten.  Wenn  dor  Verfasser  diesen  Theil  als  besondere  Arbeit  er- 
scheinen liess,  so  konnte  er  dieselbe  mit  Recht  betiteln:  Malaria  secondo  i piu 
recenti  studi. 

Fortsetzung  folgt.  M. 


Stromer  von  Reichenbach,  Dr.  Ernst,  Freiherr.  Die  Geologie  der  deut- 
schen Schutzgebiete  in  Afrika.  (München  und  Leipzig,  1896.  Verlag 
von  R.  Oldenburg). 

Der  Verf.  hat  sich  nach  dem  Vorwort  zur  Aufgabe  gestellt,  das  über  die 
geologische  Beschaffenheit  der  deutschen  Schutzgebiete  in  Afrika  vorhandene 
Material  zu  sammeln,  in  übersichtlicher  Form  zusammenzustellen  und  soweit  an- 
gängig kritisch  zu  beleuchten.  War  dies  bei  der  Fülle  des  schon  vorhandenen, 
aber  sehr  zerstreuten  Materials  kein  leichtes  Vorhaben,  so  wurde  dasselbe  be- 
sonders noch  dadurch  erschwert,  dass  einerseits  die  meisten  Angaben,  da  sie  von 
überwiegend  nicht  geologisch  gebildeten  Forschungsreisenden  herrühren,  unzu- 
verlässig und  ungenau  sind,  andererseits  bisher  fast  nirgends  systematische  Unter- 
suchungen vorgenommen  worden  sind.  Hierzu  kommt  noch,  dass  über  weite 
Gebiete  überhaupt  Mittheilungen  fehlen,  über  andere  viele,  aber  oft  unklare  und 
sich  widersprechende  Angaben  vorliegen.  Trotz  alledem  ist  es  dem  Verf.  gelungen, 
von  dem  geologischen  Aufbau  und  der  Entstehung  der  drei  grösseren  Schutz- 

9* 


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120 


III.  Sonstige  Werke. 


gebiete  im  grossen  Rahmen  ein  gutes  Bild  zu  geben,  wenngleich  auch  manche 
Schlüsse  recht  gewagt  erscheinen.  Zur  leichteren  Orientirung  sind  3 Karten  und 
mehrere  Profile  beigegeben.  Auf  den  ersteren  konnten  natürlich  bei  dem  jetzigen 
Stande  unserer  Kenntnisse  nur  an  wenigen  Punkten  die  Grenzen  der  Formationen 
genau  angegeben  werden,  sie  sollen  auch  nur,  nach  der  Abeicht  des  Verl,  ein 
etwas  schematisches  Bild  von  der  Verbreitung  der  Formationen  geben. 

Nach  einer  Einleitung,  in  der  der  Bildung  und  Ablagerung  des  Laterits 
eine  etwas  längere  Besprechung  gewidmet  ist,  werden  die  einzelnen  Schutzgebiete 
mit  Ausnahme  von  Togo,  über  dessen  geologischen  Aufbau  bis  jetzt  erst  wenig 
bekannt  ist,  eingehend  behandelt. 

Die  geologischen  Verhältnisse  der  einzelnen  Schutzgebiete  weisen  eine 
grosse  Aehnlichkeit  auf,  die  dadurch  zu  erklären  ist,  dass  sie  alle  zu  dem  Theil 
des  Continents  gehören,  den  Suefs  mit  Recht  als  ein  Ganzes  bezeiebnete  und 
einen  Theil  des  „gebrochenen  indischen  Festlandes,  des  Gondwana-Landes"  nannte, 
und  den  eine  grosse  Einfachheit  des  Aufbaues  auf  weite  Entfernungen  hin  aus- 
zeichnet. Ausserdem  liegen  die  Colonien  bis  auf  Südwestafrika  ganz  unter  den 
Tropen,  so  dass  auch  die  Eroeions-  und  Verwitterungsthätigkeit  überall  in  der 
Hauptsache  die  gleiche  ist. 

Ehe  auf  eine  kurze  Besprechung  des  geologischen  Aufbaues  der  einzelnen 
Schutzgebiete  eingegangen  wird,  dürfte  voraoszuschicken  sein,  dass,  weil  nach 
dem  jetzigen  Stande  unserer  Kenntnisse  eine  Trennung  der  einzelnen  ältesten 
Formationen,  wie  Archaicum,  Cambrium  und  Silur  noch  nicht  möglich  ist,  alle 
diese  unter  dem  Namen  „Primärformation“  von  dem  Verfassser  zusammengefasst 
worden  sind. 

Der  weitaus  grösste  Theil  Deutsch-Afrikas  besteht  aus  den  Gesteinen  der 
Primärformation,  und  zwar  scheint  das  Innere  Deutsch  - Ostafrikas  aus  Granit 
au  bestehen,  den  Gneise  und  krystallinische  8chiefer  (Glimmer-  und  Hornblende- 
schiefer, Phyllite,  Quarzite)  umschliessen.  Im  Westen,  am  Tanganyika-See,  und 
im  Nordwesten,  im  Zwischengebiet,  kommen  dann  aber  auch  Schichten,  vornehm- 
lich Sandsteine  and  Thonschiefer  vor,  die  wohl  als  altpaläozoisch  anzusehen  sind. 
Durchbrochen  sind  die  Schichten  der  Primärformation,  besondere  in  den  Hoch- 
ländern des  Innern,  durch  junge  Eruptivgesteine,  wie  Basalte  und  Trachyte  , alte 
Eruptivgesteine,  wie  Porphyre,  Pegmatite  und  Syenite  finden  sich  vielfach  am 
Tanganyika-  und  Nyassa-See.  Im  Küstengebiet  lagern  discordant  über  den 
kristallinischer,  Schiefern  in  meist  schwach  nach  Osten  geneigter  Lage  Sandsteine, 
Mergel  und  Kalk,  die  meist  für  karbonisch  gehalten  werden,  und  vor  und  über 
diesen  befinden  sich  im  Norden  ähnliche  Sedimentgesteine  in  derselben  schwach 
geneigten  Lage,  welche  zahlreiche  Marinfossilien  enthalten,  auf  Grund  deren  de 
zum  oberen  Jura  zu  rechnen  sind.  Ganz  nahe  an  der  Küste  befinden  sich  noch 
weitere  Sedimentgesteine,  die  wahrscheinlich  zur  Kreide  and  zum  Tertiär  gehören, 
und  die  Küste  selbst  besteht  meist  aus  jungen,  zum  Theil  sicher  reoenten  Ko- 
rallenkalken.  Im  Innern  des  Landes  treten  an  Seen  und  in  Niederungen  and» 
Kalke  und  Mergel  auf,  die  aber  wohl  alle  lakustren  Ursprungs  und  von  sehr 
geringem  Alter  sind.  Jüngere  marine  Schichten  sind  daselbst  aber  nirgends  ge- 
funden worden. 

Nutzbare  Mineralien  sind  in  diesem  Schutzgebiete  bis  jetzt  wenig  bekannt 
geworden.  In  den  Küstengebieten  speciell  in  Usaramo  und  bei  Saadani  wird  Äs 


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IH.  Sonstige  Werke. 


121 


subfoesiles  Harz  — Kopal  — gewonnen;  Kohlen  sind  am  Nordwestrande  des 
Nyassasees  gefunden  worden.  In  TTrundi  und  Ruanda  sind  grössere  Graphitlager 
entdeckt  worden,  aber  diese  kommen  bei  der  grossen  Entfernung  von  der  Küste 
jetzt  für  einen  Abbau  noch  nicht  in  Betracht.  In  den  Zersetzungsprodukteu  der 
krystallinischen  Gesteine  sind  Eisenerze  zwar  häufig,  doch  sind  bis  jetzt  grössere 
Eisenerzlager  noch  nicht  aufgefunden  worden.  Kochsalz  und  kohlensaures  Natron 
ist  nicht  selten,  besonders  in  den  Massai-Ländern. 

Das  Vorkommen  heisser  Quellen  ist  in  verschiedenen  Gegenden  Deutsch- 
Ostafrikas  festgestellt  worden. 

Das  Auffallendste,  was  Deutsch-Ostafrika  in  Bezug  auf  seinen  geologischen 
Aufbau  bietet,  sind  die  gewaltigen,  meist  von  schroffen  Abfällen  begrenzten  De- 
pressionen, die  sogenannten  Gräben.  Ueber  ihre  Entstehung  hat  Suefs  nach- 
stehende, durch  die  neuerlichen  Forschungen  des  Geologen  Gregory  bestätigte 
Theorie  aufgestellt:  „In  Folge  einer  in  diesen  Gebieten  herrschenden  Spannung 
in  der  Erdkruste  fand  eine  Auslösung  derselben  dadurch  statt,  dass  sich  eine 
ungeheure  Spalte  bildete,  welche  dadurch  nicht  so  einfach  erscheint,  dass  die 
Trümmer  der  angrenzenden  Gesteine  in  verschiedener  Höhe  eingeklemmt  wurden, 
und  dass  in  den  Zwischenraum  aus  der  Tiefe  dringendes  Material  die  Ausfüllung 
und  oft  auch  hohe  Vulkanberge  bildete.“ 

Die  Hauptspalte,  der  sogenannte  ostafrikanische  Graben,  ist  die,  welche 
sich  vom  Schire-  und  Nyassa-See  durch  ganz  Ostafrika  in  meridionaler  Richtung 
fortsetzt  und  deren  Verlängerung  Suess  in  dem  Rothen  Meere  und  der  Jordan- 
Senkung  sieht.  Parallel  zu  dieser  Spalte  tritt  eine  zweite  auf,  welche  durch  das 
obere  Panganithal  bezeichnet  ist.  Im  Süden  von  Deutsch-Ostafrika  weist  das 
tiefe  langgestreckte  Becken  des  Rikwa-8ees  gleichfalls  auf  einen  Einbruch  hin. 
Ein  weiterer  gewaltiger  Graben  ist  der  sogenannte  centralafrikanische,  der  durch 
eine  Reihe  grosser  Seen  bezeichnet  ist,  wie  den  Tanganyika-,  Kiro-,  Albert- 
Edward-  und  Albert-8ee.  Ausserdem  sind  noch  einige  kleinere  Gräben  bekannt. 

Die  Hauptrichtung  der  Gräben  und  Piateauränder,  sowie  die  der  Gebirge 
und  des  Streichens  der  Gobirgsschichten  ist  eine  ungefähr  meridionale. 

Die  in  Deutsch-Süd westafrika  herrschenden  Formationen  gliedert  der  Ver- 
fasser in  drei  Theile:  1.  die  Primärformation;  2.  die  Tafelbergformation  — 
Schichten  des  Devons  oder  der  Permotrias  (Kap-  oder  Karoo-Formation)  — ; 
S.  die  Kalahari-Formation  mit  Diluvial-  und  Alluvial-Schichten.  Da  Versteine- 
rungen fast  nirgends  gefunden  sind,  so  konnten  nur  aus  der  Lageruug  und  aus 
der  Analogie  mit  den  Verhältnissen  im  benachbarten  Kapland  auf  das  Alter  der 
Formationen  Schlüsse  gezogen  werden. 

Die  Gesteine  der  Primärformatirn  bilden  den  Grundstock  des  lindes;  die 
Küstengebirge  und  fast  ganz  Herero-Land  bestehen  aus  ihnen  und  sie  treten 
auch  als  Basis  der  Tafelgebirge  und  in  tieferen  Thälera  der  Kalahari  zu  Tage. 
Die  Tafeigebirge  sind  besonders  in  Nama-Land  und  im  nördlichen  Herero-Land 
entwickelt,  sie  scheinen  in  ersterem  allmälig  unter  den  Ablagerungen  der 
Kalahari  zu  verschwinden,  welche  sich  im  Osten  und  besonders  im  Norden  dieser 
Colonie  ausdehnt 

Die  Schichten  der  Primärformation  scheinen  steil  aufgerichtet  und  in 
Falten  gelegt  zu  sein,  über  deren  Richtung  noch  wenig  bekannt  ist  die  aber  im 
Ganzen  ungefähr  der  Küste  parallel  streichen  dürften.  Das  Hauptgestein  dieser 
alten  Schichten  ist  Gneis,  in  welchem  aber,  besonders  im  nördlichen  Herero-  und 


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122 


III.  Sonstige  Werke. 


Kaoko-Land,  grosse  Granitmassen  Vorkommen.  Vielfach  treten  in  diesem  Gneis 
auch  krystallinische  Kalke  auf,  so  am  unteren  Oranje  und  besonders  im  west- 
lichen Herero-Land.  Neben  diesen  Gesteinen,  deren  Alter  wohl  als  archäisch 
anzunehmen  ist,  kommen  auch  solche  vor,  welche  zwar  in  engem  Zusammenhang 
mit  den  Gneisen  stehen,  aber  sicher  jünger  und  zum  Theil  nicht  mehr  archäisch 
sind.  So  dürften  die  grünen  Schiefer  am  unteren  Oranje  und  besonders  viele 
Schichten  des  südlichen  Herero -Landes,  wo  Amphibolit  mit  gelbem  Sandstein, 
Quarzit,  Augitschiefer  und  Kalkstein  wechsellagert  und  wo  neben  dünnfaserigen 
Gneisen  vielfach  Glimmer-,  Chlorit-  und  Grünschiefer,  sogar  auch  phyllitarrige 
Thonschiefer  auftreten,  von  den  Gneisen  abzutTennen  und  dem  Kambrium  und 
Silur  zuzurechnen  sein. 

Von  vulkanischen  Gesteinen  verschiedenen  Alters  sind  die  Schichten  der 
Primärformation  vielfach  durchbrochen  worden.  Während  Porphyr  und  Dialia, 
im  Innern  des  Landes  überwiegt,  tritt  Basalt  vorwiegend  in  der  Küstengegend 
auf.  — 

Deber  den  Schichten  der  Primärformation  lagern  im  Innern  von  Xama- 
Land  und  im  nördlichen  Horero-Iänd  auf  weiten  Erstreckungen  discordant  die 
Gesteine  der  Tafelberge.  Vorwiegend  bestehen  diose  Gesteine  aus  Sandstein,  der 
von  blauem  dolomitischen  Kalk,  der  eine  Art  Leitgestein  der  Kap-Formation  ist, 
überlagert  wird.  Im  Hanami-Plateau  liegt  unter  dem  Sandstein  noch  ooncordant 
gelagert  grünlicher  oder  rüthlicher  Thonschiefer,  und  im  Kaoko-Land  bilden  die 
Docke  mancher  Tafelberge  vulkanische  Gesteine,  wie  Porphyr  und  Melaphyr. 

Das  Hauptgestein  und  beinahe  das  einzige  Gestein  der  Kalaliari-Formation 
ist  der  Kalahari-Kalk.  Derselbe  ist  an  einigen  Stellen,  wie  am  Sambesi,  durch 
junges  Eruptivgestein,  das  als  Trapp  bezeichnet  ist,  metamorpbosirt  worden. 

Nutzbare  Mineralien,  wie  Kupfer-,  Blei-  und  Eisenerze  sind  vielfach  in 
der  Colonie  gefunden  worden,  doch  ist  theils  deren  Medge  nicht  beträchtlich 
genug,  um  einen  Abbau  lohnend  zu  machen,  theils  sind  die  Verhältnisse  für  einen 
Abbau  noch  zu  schwierige.  Guano,  in  vielfach  mächtigen  Lagern,  kommt  auf 
den  kleineren  Inseln  an  der  Küste  und  am  Cap  Cross  vor. 

Schliesslich  dürfte  noch  zu  erwähnen  sein,  dass  Deutsch -Südwestafrika 
reich  an  heissen  Quellen  ist,  besonders  im  Herero- Land,  wo  auch  durch  die 
Thermenlinie  Rehoboth-Bannen  eine  Hauptverwerfung  gut  gekennzeichnet  ist. 

Auch  in  dem  Schutzgebiete  Kamerun  unterscheidet  der  Verfasser  3 Haupt- 
perioden : 

1.  die  Primarformation ; 

2.  die  Formation  des  Benue-  Sandsteines  und  der  Sedimentgesteine  des 
Küstengebietes  und 

3.  die  der  jungen  Eruptivgesteine  und  Ailuvien. 

Das  Gebiet  der  Colonie  mit  Ausnahme  der  lyüste,  des  hinter  derselben 
liegenden  Vorlandes,  des  Benuegebietes,  des  Tsad-Sehari-Beckens  und  der  Sanga- 
Niederung  besteht  aus  den  Gesteinen  der  Primärformation.  Die  weitaas  vor- 
herrschenden Gesteine,  die  Gneise  und  Lagergranite,  gehören  dem  Archaicum  an, 
zu  welchem  auch  die  Glimmerschiefer,  Amphibolite,  Grünschiefer  und  Phylüte. 
welche  in  Adamaua  vielfach  auftreten,  zu  rechnen  sind,  während  wohl  die  un 
Innern  vereinzelt  angetroffenen  Thonschiefer  und  Kalke  jüngeren  Formationen 
angehören  dürften.  Durchbrochen  werden  diese  Schichten  der  Primärionnatson 
in  Adamaua  von  zahlreichen  Eruptivgesteinen,  theils  von  Graniten,  theils  von 


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111.  Sonstige  Werke. 


123 


Quarzporpbyren,  an  weiche  sich  untergeordnet  Syenit,  Porphyrit,  Kersantit  und 
Diabas  anschliessen. 

In  dem  Benuegebiete  und  im  nördlichen  Küstenvorlande  werden  die  Ge- 
steine der  Primärformation  von  Sedimentgesteinen  überlagert. 

Der  grösste  Theil  des  Benuegebietes  wird  von  Sandstein  eingenommen,  der 
in  meist  ungestörter  Lagerung  den  Benuc  entlang  bis  zur  Muo-Kebbi-Mündung 
auftritt.  Tn  diesem  „Benue-Sandstein“  sind  Fossilien  bisher  nicht  gefunden 
worden;  er  ist  bald  roth,  bald  grau;  auch  sein  Korn  wechselt  und  er  bildet  nicht 
nur  niedrige  Hügel  im  Thal,  sondern  auch  höhere  Bergzüge  und  Plateaus. 
Aehnlicher  Sandstein  zusammen  mit  Mergel  und  Thonschiefer  tritt  im  Norden 
des  Benuöthales  in  der  Mulde  von  Ssarauiöl,  ferner  bei  Bafut  am  Nordrande  des 
8üd-Adamaua-Plateaus  und  westlich  und  nordwestlich  der  Madara-Berge  auf. 

Die  im  Küstenvorlande,  nördlich  und  westlich  des  Kamerun-Berges,  auf- 
tretenden Sedimentgesteine  dürften  wohl  bedeutend  jünger  als  die  vorher  er- 
wähnten Sandsteine  sein.  Diese  Sedimentgesteine  sind  horizontal  geschichtete 
Sandsteine,  schwarze  dünn-  und  dickplattige  Thonschiefer  mit  Concretionen  und 
graue  Kalksandsteine.  In  den  Kalksandsteinen  und  den  Concretionen  der  Thon- 
schiefer kommen  Fossilien  vor,  die  auf  untere  marine  Kreide  hiuweisen.  Da 
diese  Sedimentgesteine  weder  in  Kamerun  noch  sonst  in  Westafrika  weiter  im 
Innern  gefunden  worden  sind  und  nirgends  in  stark  gestörter  Lagerung  Vor- 
kommen, so  darf  mit  Sicherheit  angenommen  werden,  dass  das  Kreidemeer  nur 
das  niedere  Vorland  des  Continont-s  überfluthete,  und  dass  hier  seit  der  Kreide- 
zeit stärkere  Faltungen  nicht  stattfanden.  Noch  jünger  als  diese  Kreideschichten 
hält  der  Verfasser  die  in  diesem  Schutzgebiete  auftretenden  Basalte,  Andesite 
und  Trachyte,  ohne  dafür  aber  einen  Beweis  zu  erbringen.  Da  diese  jungen 
Eruptivgesteine  nirgends  im  Süden  der  Colonie  gefunden  sind,  sondern  erst  nörd- 
lich der  Kamerunflussmündung  und  im  Innern  gegen  den  Nordrand  des  Plateaus 
zu,  bei  Baliburg,  bei  Banyo  und  Ngaundere,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dass 
dieselben  hauptsächlich  tectonischen  Vorgängen  ihre  Entstehung  verdanken,  wahr- 
scheinlich dem  Zusammenbruche  des  grossen  Gondwana-Festlandes,  der  in  der 
Zeit  des  oberen  Jura  und  der  unteren  Kreide  erfolgte. 

An  der  Küste,  am  Sanga  und  Ngoko  im  Südosten  und  im  Tsad-Schari- 
Becken  im  Nordosten  der  Colonie  herrschen  Alluvien.  Das  Alluvialgebiet  am 
Sanga  steht  mit  dem  am  mittleren  Congo  in  unmittelbarem  Zusammenhang  und 
dürften  seine  Ablagerungen  aus  dem  See  (lac  du  haut  Congo)  herrühren,  der 
nach  Cornet  von  der  Lomani-  Mündung  bis  Bolobo  und  von  den  Leopold-  und 
Mantuinba-Seen  bis  zum  oberen  Sanga  reichte  und  bis  auf  die  oben  genannten 
Seen  in  postpliocäner  Zeit  entwässerte.  Ueber  das  Alter  der  Alluvien  am  Tsad-See 
lässt  sich  nichts  sagen,  da  die  dortigen  Verhältnisse  noch  nicht  genügend  erforscht 
sind.  Sie  scheinen  direct  auf  krystallinischen  Schiefern  zu  lagern  und  dürften 
Ablagerungen  in  einem  flachen  Seebecken  und  auch  in  Flussniederungen  sein. 

Von  nutzbaren  Mineralien  ist  nur  Eisen  zu  erwähnen,  das  als  Raseneisen- 
erz in  den  lateritischen  Bildungen,  die  weite  Gebiete  der  Colonie  überdecken, 
verbreitet  ist.  Gold,  Silber  und  Kupfer  ist  zwar  auch  an  einzelnen  Orten  ge- 
funden worden,  doch  nur  in  sehr  geringen  Mengen,  so  dass  eine  Ausbeute  nicht 
lohnend  ist. 

. Heisse  Quellen  sind  im  Gendero-Gebirge  in  Süd-Adamaua-Hochland  ge- 
funden worden. 


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124 


111.  Sonstige  Werke. 


Iu  dem  Schutzgebiete  herrschen  zwei  Hauptrichtungen  vor,  die  eine  von 
Ost  nach  West,  die  andere  von  Südsüdwest  nach  Nordnordost.  Die  letztere, 
welche  durch  die  Vulkane  Annobon,  Sau  Thome,  Principe,  Fernando  Po  und 
Kamerun  geht,  mit  der  Achse  des  Tschebtscbi-Gebirges  zusammenfällt  und  weiter- 
hin im  Benuc-Thal  die  Vulkane  Gabriel  und  Elisabeth  trifft,  bezeichnete  Passarge 
als  ,. Kamerun-Linie“,  während  er  die  erstere  „Benue-Linie“  nannte,  da  sie  die- 
jenige des  Haupttheiles  des  Benue-Thales  ist 

Aus  den  überaus  dürftigen  und  meist  auch  unzuverlässigen  Angaben  über 
die  geologische  Beschaffenheit  Togos  ist  es  z.  Z.  noch  unmöglich,  sich  ein  Bild 
von  dem  geologischen  Aufbau  dieses  Landes  zu  machen.  Es  geht  nur  soviel 
daraus  hervor,  dass  das  Küsten  Vorland  ausser  Alluvien  und  Verwitterungs- 
produkten,  vornehmlich  Laterit,  auch  Sedimentgesteine,  Sandstein  und  Conglo- 
mernt,  aufweist,  dass  die  Randgebirge  wohl  in  der  Hauptsache  aus  kristallinischen 
Schiefern  bestehen,  die  ebenso  wie  die  Bergketten  streichen,  und  dass  die  letzt- 
genannteu  Gesteine  auch  in  den  Hochländern  des  Innern  herrschen. 

Vou  nutzbaren  Mineralien  ist  bis  jetzt  ausser  Raseneisenstein  nur  Graphit, 
aber  nicht  in  abbauwürdigem  Zustande,  bei  Misahöhe  gefunden  worden. 

Den  geologischen  Beschreibungen  der  einzelnen  Schutzgebiete  sind  reich- 
haltige Verzeichnisse  über  die  an  den  einzelnen  Often  gefundenen  Gesteine, 
sowie  über  die  in  Betracht  kommende  Litteratur  angefügt,  wodurch  der  Werth 
des  vorliegenden  Werkes  als  eingehendes  Sammelwerk  noch  bedeutend  gesteigert 
wird.  — 

Das  Werk  kann  Allen,  die  sich  für  die  deutschen  Schutzgebiete  in  Afrika 
überhaupt  und  insbesondere  für  deren  geologischen  Aufbau  interessiren,  nur 
bestens  empfohlen  werden. 

Bergmeister  Illner,  Cassel. 


1898.  Archiv  No- 3- 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene. 

Band  2. 


I.  Originalabliandlungen. 

Die  Dysenterie  in  Kamerun 

von  Dr.  Albert  Plehn,  Kaiserl.  R£gierungsarzt 

Wie  andere  im  Kameruugebiet  bisher  beobachtete  sogenannte 
Tropenkrankheiten,  so  tritt  auch  die  Dysenterie  hier  besonders  schwer 
auf,  soweit  sie  wenigstens  Europäer  betrifft.  Bis  gegen  End ! der 
Trockenzeit  (März)  1897  erkrankten  Europäer  nur  ganz  sporadisch. 
Zuweilen  war  die  Erkrankung  auf  den  Genuss  von  „Buschwasser“ 
zurückzufuhren,  welches  nach  Regengüssen  an  schattigen  Stellen  in 
Bodenvertiefungen  zurückbleibt,  und  vielfach  klar,  kühl  und  wohl- 
schmeckend ist.  In  anderen  Fällen  war  das  Wasser  aus  den  Ober- 
läufen der  Flüsse  oder  aus  den  „Kreeks“  — natürlichen  Verbindungs- 
kanälen zwischen  den  Unterlaufen  der  Flussarme  des  Kamerun- 
beckens — getrunken  worden.  Auch  erfolgte  zweifellos  Ansteckung 
bei  der  Pflege  Erkrankter.  Am  häufigsten  Hess  sich  über  die  Her- 
kunft des  Leidens  nichts  Zuverlässiges  ermitteln,  und  ich  nehme  an, 
dass  hier  die  Krankheit  mittelst  Essgeräths  oder  roher  Früchte  über- 
tragen ist,  welche  durch  die  Hände  farbiger,  an  leichten  und  chro- 
nischen Dysenterieformen  leidender  Köche  oder  Bedienten  verunreinigt 
wurden.  Aeusserste  Vorsicht  ist  hier  unbedingt  geboten ! 

Ich  stehe  unter  dem  Eindruck,  dass  die  durch  Wrassergenuss 
verursachten  Erkrankungen  die  acutesten  und  schwersten  waren. 
Die  Uebertragbarkeit  entspricht  ungefähr  der  des  Typhus  abdominalis. 
In  gewisser  Beziehung  wird  sie  durch  den  Umstand  erhöht,  dass  die 
rationelle  Behandlung  der  Dysenterie  zeitweise  Darmspülungen  unab- 
weislich  erfordert,  welche  nicht  immer  von  geschulten  Sachverstän- 
digen ausgeführt  werden  können,  und  für  den  Pfleger  eine  grosso 
Gefahr  darstellen,  wenn  er  es  nicht  versteht,  sich  zu  desinficiren. 

Archiv  f.  Schiff»-  u.  Tropenhygleno.  II.  10 


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126 


Dr.  Albert  Plehn. 


Auch  für  die  Neigung  der  Eingebomen  zur  Erkrankung  ist  es 
nicht  bedeutungslos,  ob  sie  an  Reinlichkeit  gewöhnt  sind  und  Gelegen- 
heit haben,  dieselbe  zu  üben. 

Bemerkenswerth  ist  in  dieser  Richtung  eine  kleine  Endemie  im 
Gefängniss  hier.  Vom  März  bis  Juni  erkrankten  in  kleineren  Schüben 
von  2 — 4 Leuten  nacheinander  die  sämmtlichen  Strafgefangenen  an 
Dysenterie.  Damals  neu  ins  Gefängniss  aufgenommene  Verbrecher 
erkrankten  in  kurzer  Zeit  ebenfalls.  Für  reichliches  und  gutes  Wasser 
wurde  gesorgt.  Die  Kost  der  Gefangenen  ist  die  gleiche,  wie  die 
der  nur  ganz  sporadisch  ergriffenen  Arbeiter.  Zeitweise  Räumung 
der  Gefängnisszellen  zwecks  gründlichster  Desinfection  blieb  ohne 
Erfolg.  Als  dann  sämmtliche  Kranke  nach  Beendigung  der  Hospital- 
behandlung statt  ins  Gefängniss  zurückzukehren,  in  ihre  Heimath 
entlassen  wurden,  dauerten  die  Neuerkrankungen  der  im  Gefängniss 
Zurückgebliebenen  dennoch  fort.  Schliesslich  wurde  das  ganze  Ge- 
fängniss auf  ärztliche  Anregung  geräumt  und  die  gesunden  Gefan- 
genen wurden  in  einem  andern  nagelneuen  Gebäude  untergebracht 
Neuerkrankungen  wurden  auch  dadurch  nicht  verhütet.  Die  Ueber- 
tragung  kann  hier  nur  durch  die  gemeinschaftliche  Benutzung  der 
Nachts  in  den  Gefangenenräumen  aufgestellten  Closeteimer  geschehen 
sein.  Diese  Eimer  sollen  zwar  täglich  auf  das  Gründlichste  gereinigt 
und  desinficirt  werden,  müssen  aber  bei  dem  vielen  Schwarzen  man- 
gelnden Sinn  für  Reinlichkeit  und  der  Schwierigkeit  für  die  Uebrigen. 
ihrem  etw'a  vorhandenen  Reinlichkeitsbedürfniss  unter  den  gegebenen 
Verhältnissen  zu  genügen,  doch  leicht  dazu  dienen,  dass  frische  Fä- 
calien  von  Einem  auf  den  Andern  übertragen  werden.  Diese  ge- 
langen dann  auf  die  Hände  und  weiter  auf  Speisen  und  Lippen*). 
Erst  als  die  Gefangenenzahl  durch  Entlassungen  auf  wenige  Leute 
reducirt  war  und  die  kühle  Regenzeit  energisch  eintrat,  hörten  die 
Neuerkrankungen  auf. 

Einen  Einfluss  der  Witterung  könnte  man  1897  insofern  ver- 
muthen,  als  die  Trockenzeit,  an  deren  Ende  die  Dysenteriefälle  sich 
häuften,  in  diesem  Jahre  besonders  anhaltend  und  heiss  war,  was 
Erkrankungen  des  Yerdauungscanals  ja  bekanntlich  begünstigt  Auf 
eine  gemeinsame  Ursache  deutet  auch  die  Verbreitung  der  Dysen- 
terie in  jener  Zeit  hin,  welche  fast  in  jeder  Factorei,  in  jeder  Missions- 

*)  Bei  dem  jetzt  in  Arbeit  befindlichen  Gefiingnissneubau  ist  dafür  gesorgt 
dass  dem  hier  hervorgetretenen  Uebelstand  durch  Verlegen  der  Closetiiun« 
ausserhalb  der  Zelten  in  Fonn  regulärer  Abtritte  thunliehst  abgeholfen  wird. 


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Die  Dysenterie  in  Kamerun. 


127 


anstalt,  in  verschiedenen  Gouvernementshaushaltungen,  unter  der  Be- 
satzung des  Regierungsdampfers  wie  bei  den  Unterofficieren  der 
Schutztruppe,  den  einen  oder  andern  Europäer  ergriff.  Unter  den 
farbigen  Arbeitern  der  Factoreien  wie  des  Gouvernements,  den  far- 
bigen Soldaten  und  Handwerkern,  trat  sie  ebenfalls  auf,  ohne  aber, 
wie  im  Gefängniss,  eigentliche  Heerde  zu  bilden.  Ob  sie  unter  der 
eingebomen  Dualla  - Bevölkerung  in  grösserem  Umfang  herrschte, 
konnte  ich  nicht  erfahren. 

Die  bekannten  Amöben  wurden  in  einem  Theil  der  darauf  unter- 
suchten Fälle  gefunden,  in  anderen  nicht 

Ueber  die  Symptome  der  Dysenterie  habe  ich  nicht  viel  zu 
sagen,  was  gegenüber  dem  Bekannten  als  neu  gelten  könnte.  Inter- 
essiren  dürfte  es  vielleicht,  dass  bei  der  Mehrzahl  der  erkrankten 
Europäer  bereits  in  den  ersten  Tagen,  wo  auch  nach  dem  weiteren 
Verlauf  tiefergreifende  Geschwüre  kaum  bestanden  haben  können, 
ausgesprochene  Erscheinungen  einer  Typhlitis  hervortraten,  welche 
verschiedentlich  zu  beträchtlichen  Exsudationen  in  die  Bauchhöhle 
fülirte.  Für  den  Ausgang  blieb  die  Typhlitis  ohne  entscheidende 
Bedeutung  und  ging  in  mittelschweren  Fällen  bei  geeigneter  Behand- 
lung rasch  zurück.  Sie  beweist  neben  anderen  Erscheinungen,  wie 
Koliken  (wohl  zu  unterscheiden  von  Tenesmen !),  Flatulenz  und  Druck- 
empfindlichkeit längs  des  Dickdarms,  dass  der  Krankheitsprocess  zu- 
nächst das  ganze  Colon  betrifft  und  sich  erst  später  im  absteigenden 
Ast  localisirt,  wo  er  dann  bald  zur  Geschwürsbildung  führt. 

Der  Verlauf  gestaltete  sich  beim  Neger  wesentlich  günstiger, 
als  beim  Europäer.  Von  Negern  starben  mir  nur  die  weniger,  welche 
halb  zu  Sceletten  abgemagert  mit  faulig  riechenden  Entleerungen  im 
letzten  Stadium  der  Krankheit  eingeliefert  wurden.  Bei  den  Gefan- 
genen und  sonst  unter  ärztlicher  Controle  stehenden  Schwarzen  des 
Gouvernements  konnte  infolge  rechtzeitigen  Eingreifens  jeder  Todes- 
fall vermieden  werden.  Die  Gesammtzahl  der  von  mir  im  Hospitale 
während  2*/4  Jahren  an  Dysenterie  behandelten  Farbigen  beträgt 
über  hundert;  auf  die  Dysenterieperiode  1897  kommen  davon  etwa  70. 
Dass  die  Resultate  der  Behandlung  so  günstig  waren,  ist  um  so  be- 
merkenswerther,  als  eine  consequente  zweckmässige  Diät,  wie  sie  für 
den  Verlauf  der  Krankheit  beim  Europäer  von  geradezu  entscheiden- 
der Bedeutung  ist,  beim  heutigen  Stande  der  thatsächlichen  Verhält- 
nisse für  Schwarze  noch  gar  nicht  in  Frage  kommt.  Ich  sehe  darin 
eine  neue  Stütze  für  die  von  mir  angenommene  grössere  „Vitalität“ 
(sit  venia  verbo!)  — grössere  Widerstandskraft  und  Regenerations- 

10* 


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Dr.  Albert  Plehn. 


fähigkoit  — der  Gewebe  bei  der  schwarzen  Rasse  an  der  afrika- 
nischen Westküste*). 

Beim  Europäer  gestaltet  sich  die  Sache  anders.  Sind  da  8 — 10 
Tage  seit  den  ersten  Symptomen  verflossen,  ohne  dass  die  Erkran- 
kung die  nöthige  Beachtung  fand,  was  namentlich  häufig  bei  den 
nicht  gleich  Anfangs  ganz  acuten  Formen  vorkommt,  so  muss  die 
Prognose  in  Kamerun  auch  bei  zweckmässigster  Behandlung 
von  vornherein  als  zweifelhaft  hingestellt  werden.  Sehr  gewöhnlich 
treten  merkwürdig  rasch  Gangrän  oder  Leberafi’ectionen  auf.  Nur 
einmal  habe  ich  Üarmgangrän  — Hepatitis  niemals  überwinden  sehen. 
Dass  diese  Complicationen  so  verhängnissvoll  werden,  liegt  vielleicht 
weniger  an  einer  specifischen  Schwere  des  Dysenterievirus  hier,  wie 
an  der  tiefgehenden  Schädigung,  welcher  die  Constitution  des  Euro- 
päers durch  die  mehr  oder  weniger  permanente  Iutoxication  mit  dem 
Malariavirus  ausgesetzt  ist.  So  betrafen  die  von  mir  beobachteten 
DysentcrictodesfUlle  säraintlich  sogenannte  „alte  Afrikaner“  der  West- 
küste. Der  Kräfteverfall  pflegte  unmittelbar  nach  Eintritt  der  Com- 
plicntion  sehr  rapid  — bei  Hepatitis  unter  starkem  Fieber  — ein- 
zutreten. Sonst  kam  Fieber  nur  am  ersten  oder  zweiten  Tage  in 
einzelnen  acuten  Fällen  vor,  sofern  es  nicht  durch  begleitende  Malaria 
bedingt  war. 

Hier  ist  es  von  grosser  Wichtigkeit,  die  Ursache  der  Temperatur- 
Steigerung  durch  Blutuntersuchung  auf  Malariuparasiten  festzustellen, 
denn  eine  grössere  per  os  verabreichte  Chiningabe  kann  die  Dysen- 
teriesymptome so  unangenehm  gestalten,  die  Schwache  des  Organis- 
mus so  gefährlich  steigern,  dass  man  ihre  überflüssige  Darreichung 
jedenfalls  thunliehst  vermeiden  muss.  Zeigt  das  Mikroskop,  dass 
thatsächlich  Malaria  vorliegt,  so  gebe  man  das  dann  unabweisbar 
gebotene  Chinin  durch  intramuskuläre  Injection**).  Wurde  die 
Leber  ergriffen,  so  gestaltete  sich  die  Situation  in  den  vier  derart 
Yon  mir  beobachteten  Fällen  durch  Kräfteveifall  bereits  in  den  ernten 
Tagen  so,  dass  an  eine  Operation  auch  dann  nicht  zu  denken  ge- 
wesen wäre,  wenn  sich  irgend  ein  Anhaltspunkt  für  bereits  eiuge- 
tretene  Einschmelzung  des  Lebergewebes  bezüglich  Sitz  de-,  Leber- 
absccss  ergeben  hätte.  Die  einzigen  localen  Symptome  blieben: 
Schmerzen  (zweimal  Schulterschmerz),  geringe  Vergrösserung  der 

*)  Vergl,  Dr.  Albert  Plehn  ..Wiindheilung  bei  der  schwarzen  Kasse*. 
Deutsche  mcdicin.  Wochenschrift,  IS'J6.  Nu,  34, 

**)  „Beitrage  /.nr  Kenntnis*  von  Verlauf  und  Behandlung  der  tropisdiaa 
Malaria  in  Kamerun”  von  L'r.  A liiert  Biehn.  Berlin,  1896  bei  ilirschwaid. 


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Die  Dysenterie  in  Kamerun, 


129 


Leber,  und  die  Erscheinungen  einer  trocknen  Pleuritis  rechts  unten. 
Diese  drei  Symptome  fanden  sich  noch  nicht  einmal  stets  vereinigt 

Von  so  entscheidender  Bedeutung  wie  bei  wenigen  „inneren“ 
Krankheiten  war  die  Behandlung  — medicamentöse  wie  diätetische. 

Solange  ich  es  mit  sporadischen  Fällen  zu  thun  hatte,  hielt  ich 
an  der  von  meinem  Vorgänger  geübten  Anwendung  von  Eingiessungen 
einer  Suspension  des  Bismutum  subnitricuni  in  Wasser  (1:100) 
nach  vorgängigem  Reinigungsklystier  fest.  Der  Erfolg  erschien  durch- 
aus zufriedenstellend.  Von  der  gleichzeitigen  innerlichen  Verabreichung 
des  Wismut,  mit  der  ich  zuweilen  die  Wirkung  der  Spüluugen  zu 
unterstützen  versuchte,  sah  ich  wesentliche  Vortheile  im  acuten 
Krankheitsstadium  nicht.  Opium  konnte  der  Schmerzen  wegen  zu 
dieser  Zeit  nicht  immer  entbehrt  werden. 

Als  sich  die  Erkrankungen  vom  März  vorigen  Jahres  ab  dann 
häuften,  reichten  die  Hülfskräfte  für  die  regelmässigen  Spülungen  nicht 
aus.  Ich  wandte  mich  deshalb  der  Calomelbehandlung  zu,  als 
der  nach  theoretischen  Erwägungen  rationellsten  unter  den  internen 
Medicationen.  Die  Behandlung  der  Dysenterie  mit  Calomel  ist  alt; 
besonders  die  Franzosen  wenden  das  Mittel  in  ihren  Colonien  (Algier) 
in  grossen  Dosen  an:  mehrmals  täglich  0,5. 

Von  dem  Gesichtspunkt  ausgehend,  dass  das  Calomel,  in  grossen 
Gaben  ebenso  wie  das  daraus  gebildete  Sublimat,  den  Körper  bei 
20 — 30  Entleerungen  pro  Tag  zu  rasch  verlassen  dürfte,  um  eine 
anhaltende  desinficirende  Wirkung  im  Darmkanal  auszuüben,  während 
andererseits  eine  häutigere  Wiederholung  einer  Dosis  von  0,5  Gefahr 
schwerer  Intoxication  mit  sich  bringt,  wandte  ich  eine  andere  Me- 
thode an,  die  mir  mit  entsprechenden  Modificationen  schon  in  Deutsch- 
land bei  schweren  infectiöscn  Darmkatarrhen,  vor  allem  Cholera 
nostras  und  infantum  hervorragende  Dienste  leistete.  Ich  Hess  nach 
der  Uhr  einstündlich  0,05  Calomel  nehmen,  zwölfmal  über  Tag; 
Nachts  Pause;  am  2.  und  3.  Tag  Wiederholung  der  12  Gaben. 
Leichtere  Grade  von  Quecksilberstomatitis  Hessen  sich  nicht  immer 
vermeiden;  doch  sah  ich  sie  stets  ohne  grosse  Beschwerden  in 
wenigen  Tagen  vorübergehen*). 

Beim  Schwarzen  sollte  die  Kost  auf  Zwieback  und  Reis  be- 
schränkt sein,  doch  bin  ich  sicher,  dass  das  nur  in  seltenen  Fällen 
wirklich  durchgefuhrt  ist.  Die  Abkürzung  der  Krankheitsdauer  durch 

*)  Nach  den  neuesten  Versuchen  steht  zu  hoffen,  dass  man  mit  0 03  das- 
selbe erreicht  ganz  ohne  IntcncicaUonsgefahr. 


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130 


Dr.  Albert  Plehn. 


diese  Form  der  Calomelbehandlung  gegenüber  der  mit  Darmspülungen 
war  trotzdem  so  erheblich,  dass  ich  das  Calomel  dann  auch  beim 
Europäer  unterstützt  durch  peinlichste  Diät  mit  gleichem  Resultat 
anwandte.  Diese  Behandlung  nimmt,  rechtzeitig  angewandt, 
der  Dysenterie  das  meiste  von  ihrem  Schrecken,  und  diese  Thatsache 
giebt  mir  Anlass  zu  diesen  Mittheilungen,  die  dem  erfahrenen  Tropen- 
arzt sonst  vielleicht  wenig  Neues  bringen. 

Beim  Europäer  wird  jetzt  in  allen  Fällen  echter  Dysenterie  und 
schwererer  tropischer  Enteritis  nicht  specifischer  Art  sofort  Bettruhe 
und  flüssige  Diät  angeordnet:  leichte  Suppen,  gekochter  Reis,  Cacao, 
Milch,  geschlagene  Eier,  ein  wenig  guter  Bordeaux  etc.  Gleichzeitig 
wird  in  oben  angegebener  Weise  Calomel  stündlich  gegeben,  und 
von  Anfang  an  die  peinlichste  Mundpflege  durch  Bürsten  und  Spülen 
mit  einer  Mischung  von  Kalichloricumlösung  und  Myrrhentinctur  ge- 
übt. In  frischen  Fällen  (weniger  wie  eine  Woche  alt)  verschwinden 
selbst  die  heftigsten  Tenesmen  und  Koliken  nach  10 — 12  Stunden 
und  häufig  geht  auch  die  Zahl  der  Stühle  schon  am  ersten  Tage 
zurück,  ohne  dass  ein  Tröpfchen  Opium  gegeben  wäre.  Im  Verlauf 
des  zweiten  Tages  pflegt  die  Zahl  der  Entleerungen  von  vielleicht 
25 — 30  auf  einige  wenige  zu  sinken.  Nicht  selten  tritt  direct  Ver- 
stopfung ein.  Hierauf  ist  sehr  zu  achten  und  eventuell  am  Abend 
des  zweiten  Tages  eine  Darmspülung  zu  machen,  für  welche  ich 
Salicylsäurelösung  1 : 1000  Wasser  verwende.  Hält  die  Verstopfung 
am  3.  Tage  an,  so  thut  man  gut,  am  3.  Tage  das  Calomel  nur 
noch  zweistündlich  zu  nehmen,  um  Intoxication  zu  vermeiden  und 
die  Spülung  des  Darmes  zu  wiederholen.  Sehr  häufig  erscheint  der 
Stuhl  dann  bereits  am  3.  oder  4.  Tage  geformt  und  nur  bei  genauer 
Untersuchung  lässt  sich  die  Beimengung  von  Schleimpartikeln  noch 
erkennen.  In  keinem  Falle  aber  sind  nach  meiner  Erfahrung 
die  pathologischen  Veränderungen  im  Darm  zu  dieser  Zeit 
bereits  wieder  ausgeglichen,  auch  wenn  sie  kaum  mehr 
Symptome  machen.  Schon  manchem  ist  ein  Irrthum  theuer  zu 
stehen  gekommen,  und  er  wurde  bei  unzweckmässigem  Verhalten 
wenige  Tage  nach  Beendigung  der  Calomelcur  durch  ein  Recidiv 
überrascht,  das  sich  hartnäckiger  erwies,  als  die  erste  Erkrankung. 
Ich  lasse,  während  Bettruhe  und  Diät  fortdauern,  am  4.  Tage  das 
Calomel  durch  Bismutum  subnitricuin  in  Pulvern  (nicht  in  Tabletten!) 
ersetzen,  und  zwar  einstündlich  0,5,  zwölfmal  den  Tag.  Damit  wird 
fortgefahren,  bis  die  letzte  Andeutung  von  Diarrhöe  verschwunden 
ist,  namentlich  auch  in  den  Fällen , wo  die  Dysenterie  zu  der  chro- 


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Die  Dysenterie  in  Kamerun. 


131 


ni sehen  Enteritis  zurückkehrt,  aus  welcher  sie  vielleicht  hervorging. 
War  die  unmittelbare  Wirkung  der  Calomelbehandlung  keine  voll- 
ständige, so  kann  man  dieselbe  nach  8 — 10  Tagen  mit  Erfolg  wieder- 
holen. Bei  den  Schwarzen,  wo  die  gröbsten,  wiederholten  Diätfehler 
eben  unvermeidbar  sind,  sah  ich  zuweilen  eine  dritte  Wiederholung 
Erfolg  bringen.  Sowie  Verstopfung  auftritt  — Darmspiilung.  Auch 
ist  es  sehr  zweckmässig,  in  den  Fällen,  wo  die  Neigung  dazu  fort- 
dauert, ganz  besonders,  wenn  der  Magen  in  Mitleidenschaft  gezogen 
ist,  regelmässig  künstlichen  Carlsbader  Brunnen  Morgens  nüchtern 
trinken  zu  lassen.  Ich  verordne  denselben  den  Europäern  regel- 
mässig zur  „Nachkur“  für  einige  Wochen  und  kann  den  Erfolg  mit 
Davidson  nur  rühmen. 

Nach  dem,  was  ich  hier  sah,  bedürfen  auch  die  klinisch  leich- 
testen Erkrankungen  mit  echten  Dysenteriesymptomen,  selbst  wenn 
sie  sofort  zweckmässig  im  obigen  Sinne  behandelt  werden,  14  Tage 
lang  strengster  Aufsicht  und  Diät,  womöglich  — schon  um  beide 
zu  gewährleisten  — der  Bettruhe,  wenn  Recidive  einigermaassen  siche 
vermieden  werden  sollen.  Die  geringe  Belästigung,  welche  vic 
wie  geschildert  behandelte  Kranken  durch  ihr  Leiden  erfahren,  ver- 
fuhrt sie  oft  zur  Missachtung  der  ärztlichen  Vorschriften.  Schon  aus 
diesem  Grunde,  sowie  in  Rücksicht  auf  seine  Umgebung,  gehört 
auch  der  scheinbar  leicht  Dysenteriekranke  unbedingt  in’s 
Krankenhaus  (sofern  er  transportfähig  ist). 

Es  ist  mir  aufgefallen  (auch  durch  Erfahrung  an  meiner  eignen 
Person),  dass  zuweilen  nach  Wochen  und  Monaten  nach  scheinbar 
völliger  Wiederherstellung  die  kleinste  gelegentliche  Abweichung  von 
einer  sonst  immer  noch  beobachteten  vorsichtigen  Diät,  z.  B.  ein 
einziges  Glas  Bier,  eine  rohe  Frucht,  eine  geringe  Steigerung  des 
gewöhnlichen  Weinquantums,  mindestens  einen  Durchfall  hervor- 
ruft, dessen  Intensität  in  gar  keinem  Verbältniss  zu  der  geringen 
Schädlichkeit  steht,  die  ihn  bedingte.  Der  Darmcanal  muss  eine 
ausserordentliche  Reizbarkeit  noch  lange  nach  Ausheilen  der  schwe- 
reren Veränderungen  bewahren.  Ich  kann  dafür  kaum  eine  andere 
Erklärung  finden,  als  vielleicht  die,  dass  die  zum  grossen  Theil  neu- 
gebildete Darmschleimhaut,  stärkerer  Reize  noch  ungewohnt,  Anfangs 
besonders  heftig  auf  solche  reagirt.  Später  verliert  sich  dann  das 
ganz.  — 

Da  wo  die  Krankheit  schon  länger  bestanden  hat,  wenn  der 
Kranke  zum  Arzt  kommt,  pflegen  die  etwa  vorhandenen  acuten 
Symptome  bei  der  Calomelkur  fast  ebenso  rasch  zu  verschwinden, 


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132 


Dr.  Albert  Plehn. 


wie  in  frischen  Fällen.  Dass  die  dann  immer  vorhandenen  Geschwüre 
deshalb  noch  nicht  geheilt  sind,  versteht  sich  von  selbst  Hier  tritt 
die  Behandlung  mit  Damispiilungcn  und  Kingiessung  der  VVismut- 
suspension  in  ihre  alten  Rechte,  während  ich  an  Stelle  der  inner- 
lichen Darreichung  dieses  Metalls  neuerdings  mit  Vorliebe  den  Carls- 
bader  Brunnen  setzte.  Nach  Umständen  erweisen  sich  auch  hohe 
Einläufe  von  */* — 1 procentiger  Tanninlösung  (Cantani)  nützlich.  Der 
Schmerz,  den  der  Kranke  bei  Einführung  grösserer  Flüssigkeitsmengen 
zu  äussera  pflegt,  muss  auf  die  Gefahren  hinweisen,  welche  durch 
Blutung  infolge  von  Dehnung  der  Geschwüre  oder  durch  Zerrung 
und  Trennung  von  Peritonealverwachsungen  entstehen  können.  Ich 
habe  nie  gewagt,  mehr  wie  1 Liter  einzuführen,  und  für  Laien  ist 
ein  forcirteres  Verfahren  jedenfalls  unstatthaft.  (Vergl.  auch  Kohl- 
stock. Aerztl.  Rathgeber  für  Deutsch-Ostafrika). 

Wo  der  Kräftezustand  des  Kranken  die  immerhin  etwas  an- 
greifende Calomelkur  verbietet,  wenn  ausgesprochener  Marasmus  oder 
Lebercomplicationen  bestehen,  da  ist  der  Kranke  in  Kamerun  ohne- 
hin verloren.  Bei  Darmgangrän  sah  ich  einmal  erstaunlichen  Erfolg 
der  Calomelbehandlung. 

Ob  sich  die  Amöben  im  Darminhalt  finden  oder  nicht,  schien 
mir  für  die  Prognose  nicht  von  entscheidender  Bedeutung.  Jeden- 
falls steht  fest,  dass  ich  Patienten  vollkommen  genesen  sah,  welche 
Amöben  führten,  und  dass  Kranke  starben,  bei  welchen  ich  wenig- 
stens keine  gefunden  hatte.  Sie  scheinen  also  nicht  alle  Fälle  so 
hartnäckig  und  schwer  zu  gestalten,  wie  die,  welche  Quincke  be- 
schreibt. 

Wo  Dysenterie  chronisch  geworden  ist,  oder  auch  bei  ganz 
rationellem  Verhalten  zu  immer  neuen  Recidiven  neigt  und  der  Be- 
handlung spottet,  da  muss  der  Patient  schleunigst  heimkehren,  denn 
wenn  er  seiner  Dysenterie  und  ihren  Complicationen  nicht  erliegt,  so 
drohen  seiner  geschwächten  Constitution  die  hier  herrschenden  Malaria- 
fieber in  ihren  perniciösen  Formen.  Anders  ist  es  in  frischen  lallen 
oder  während  schwerer  Exacerbationen  chronischen  Leidens.  Dysen- 
terie, wo  sie  einmal  besteht,  ist  nicht  in  dem  Sinne  an  die  tropische 
Oertlichkeit  gebunden,  wie  die  Malaria,  und  an  einen  Klimawechsel 
sind  nicht  die  gleichen  Hoffnungen  unmittelbar  zu  knüpfen,  wie  er- 
fahrungsmässig  bei  dieser.  Dazu  kommt,  dass  die  äussere  Situation 
des  Kranket!,  wenigstens  überall  da.  wo  er  Gelegenheit  hat,  in  einem 
guten  tropischen  Krankenhaus  Verpflegung  zu  finden,  sich  bei  l'eber- 
siedelung  an  Bord  wesentlich  verschlechtert.  Nur  selten  wird  er 


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Die  Dysenterie  in  Kamerun. 


133 


dort  die  specielle  Kost  finden,  die  ihm  nothwendig  ist,  und  die  Re- 
volution, in  welche  der  Verdauungscanal  bei  etwaigem  Ausbruch  von 
Seekrankheit  geriith,  kann  direct  verhiingnissvoll  werden. 

Dass  der  Transport  frischer  Dysenteriekranker  auf  Passagier- 
dampfem  in  der  Regel  schon  aus  Rücksicht  für  die  Mitreisenden  un- 
statthaft ist,  brauche  ich  kaum  zu  erwähnen.  Eine  Grausamkeit 
gegen  den  Kranken  sehe  ich  in  dieser  Auffassung  nicht.  Ist  sein 
Leiden  noch  heilbar,  so  sind  seine  Aussichten  sicher  nicht  schlechter, 
wenn  er  mindestens  den  acuten  Sturm  in  einem  guten  Tropen- 
hospital abwartet,  statt  die  Sache  an  Bord  zu  verschleppen  und  sicli 
daheim  nachher  vielleicht  mit  chronischer  Dysenterie  über  Jahres- 
frist von  einem  Hospital  zum  andern  zu  begeben. 

Mit  der  sich  überall  in  den  Tropen  mehrenden  Gelegenheit,  in 
guten  Hospitälern  gute  Pflege  und  sachverständige  Behandlung  zu 
finden,  werden  die  „Heimsendungen  aus  Gesundheitsrücksichten“  sich 
immer  auf  diejenigen  beschränken,  welche  ihre  Tropendienstiälügkeit, 
aus  welchen  Gründen  es  sei,  dauernd  eingebüsst  haben.  All’  das, 
wofür  der  Klimawechsel  als  solcher  nicht  den  therapeutischen 
Factor  darstellt,  muss  sich  auch  in  den  Tropen  selbst  erreichen  lassen, 
so  dass  den  Leidenden  die  Gefahren,  Beschwerden  und  Kosten  der 
weiten  Reisen  erspart  bleiben  können. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea 

von 

Dr.  Otto  Dempwolff, 

ehemaligem  Arzt  der  Neu-Guinea-Compagnie. 

Einleitung. 

Ueber  ärztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea  sind  bisher  nur  von 
Schellong*)  und  Hagge**),  sowie  in  letzter  Zeit  von  Wendland***) 
Veröffentlichungen  erschienen.  Die  Aufzeichnungen  und  Berichte  der 
anderen  bis  jetzt  dort  thätig  gewesenen  Aerzte,  welche  diese  in  den 
Acten  der  Neu-Guinea-Compagnie  niedergelegt  haben,  sind  selbst  an 
Ort  und  Stelle  schwer  zugänglich,  und  dann,  vor  allem,  nur  für 
Laien  bestimmt,  nicht  vom  mechanischen  Standpunkt  aus  abgefesst. 

Da  ich  selbst  diesen  Mangel  während  meiner  fast  zweijährigen 
Thätigkeit  draussen  empfunden  habe,  infolge  dessen  ich  sicher  Miss- 
griffe (in  Fieberbehandlung,  bei  einer  Blattemepidemie  u.  s.  w.)  ge- 
macht habe,  die  ich  bei  Kenntniss  der  einschlägigen  Erfahrungen 
meiner  Vorgänger  wohl  vermieden  hätte,  so  habe  ich  mich  ent- 
schlossen, meine  Aufzeichnungen  zusammenzustellen;  zunächst  zur 
Verfügung,  zum  Vergleich  und  zur  Ergänzung  für  meine  Nachfolger, 
dann  auch  als  Anregung  für  weitere  Kreise  deutscher  Tropenärzte. 

Gleich  hier  bemerke  ich,  dass  ich  nur  grobe  Empirie  bieten 
kann.  Für  experimentelle  Arbeiten,  zu  denen  das  interessante 
Material  fortwährend  anregte  (Blutuntersuchungen,  klimatologische 
Beobachtungen,  histologische  Verwerthung  desSectionsmaterials  u.s.w.), 
fehlte  mir  jede  Andeutung  eines  Laboratoriums.  Ebenso  beschränke 
ich  mich  in  meinen  Literaturangaben  auf  die  kleine  Bibliothek , che 
ich  draussen  zur  Verfügung  gehabt  habe. 

*)  Schellong:  Die  Malaria-Krankheiten.  Berlin  1890. 

**)  Hagge  in  der  ärztlichen  Rundschau  1894. 

***)  Wendland  im  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropenhygiene  1898-  k 4. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  135 

Endlich  hebe  ich  noch  hervor,  dass  sich  alle  Beobachtungen 
und  Schlussfolgerungen  nur  auf  die  begrenzte  Gegend  an  der  Astrolabe- 
Bai  beziehen,  wo  allein  ich  während  der  Zeit  vom  März  95  bis 
Februar  97  thätig  gewesen  bin. 


I.  Land  und  Leute  vom  hygienischen  Standpunkt. 

Die  Astrolabe-Bai  liegt  an  der  Nordküste  von  Kaiser  Wilhelms- 
Land,  etwa  5° — 5°  30' s.  B.  und  145°  40' ö.  L.  Ihre  Küste  wird 
in  einigen  hundert  Meter  Breite  von  jung  gehobener  Koralle,  2 — 6 m 
über  dem  Meeresniveau,  gebildet;  die  anschliessende  Alluvialebene 
erstreckt  sich  6—20  km  halbkreisförmig  in’s  Innere,  wird  dann  durch 
Hügelketten  von  200 — 1000  m Höhe  umrahmt  und  im  Süden,  Süd- 
westen und  Südosten  von  dem  2000 — 4000  m hohen  Finisterre- 
Gebirge  überragt  Zahlreiche  Bäche  entwässern  das  Hochland,  bilden 
aber  nur  unbedeutende  Sümpfe  und  Mangrovendickichte  an  ihren 
Mündungen.  In  der  Mitte  der  Bai  liegen  vereinzelte,  an  ihrer  Nord- 
ecke eine  grosse  Gruppe  von  kleinen  Koralleninseln;  fern  ab,  am 
Horizont  erheben  sich  die  Krater  von  Bagabog  und  Krakar,  deren 
letzter  jetzt  wieder  thätig  ist.  Inseln,  Küste,  Ebene  und  Berge  sind 
soweit  das  Auge  reicht,  von  dichtem,  dunkelgrünem  Urwald  bedeckt, 
in  dem  nur  hie  und  da  helle  Grasflächen  und  braune  Eingeborenen- 
dörfer hegen. 

Genaue  metereologische  Beobachtungen  hegen  mit  Ausnahme 
der  Regenmenge*)  nicht  vor.  Die  Jahres -Durchschnittstemperatur 
wird  man  wohl  analog  der  auf  den  Sunda-Inseln  constatirten  mit 
24° — 26°  C.  annehmen  können;  der  Barometerdruck  ist  so  nahe  am 
Aequator  überall  ein  gleichmässiger;  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft 
ist  gemäss  der  oceanischen  Lage  jedenfalls  sehr  hoch,  dementsprechend 
sind  die  Regenmengen  im  ganzen  Jahre  recht  reichhch.  Jedoch  sind 
die  Niederschläge  hauptsächlich  an  die  Zeit  des  Nordwestmonsums 
(November  bis  April)  gebunden,  und  erfolgen  auch  dann  meist  Nachts, 
während  der  Südostpassat,  gemildert  in  seiner  Stärke  durch  das  eine 
Wetterscheide  bildende  Finisterre-Gebirge,  Monate  lange  Trockenheit 
mit  sich  bringt.  Die  Luftbewegung  ist  sehr  gleichförmig;  Nachts 
herrschen  Land-,  Tags  Seewinde;  letztere  schwanken  je  nach  der 
Jahreszeit  zwischen  NO.  und  SO.  Anhaltende  Landwinde  während 


*)  In  den  „Nachrichten  für  Kaiser  Wilhelms-Land“  veröffentlicht. 


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136 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


des  Tags  sind  sehr  selten.  Aus  der  allgemeinen  Erfahrung  sind  die 
angenehm  kühlen  Nächte  hervorzuheben. 

Das  ist  das  Milieu:  ein  oceanes  Tropenklima,  modificirt  durch 
ein  Hochgebirge  im  Hinterland. 

Die  Niederlassungen  der  Europäer  liegen  sämmtlicli  an  der  Küste, 
theilweise  auf  kleinen,  dicht  dabei  gelagerten  Inseln.  In  ihrer  Um- 
gebung ist  nur  so  viel  Urwald,  als  dringend  noth wendig,  gelichtet; 
am  meisten  — etwa  600  ha  — durch  die  Pflanzung  Stephansort. 

Die  Zahl  der  Europäer  betrug  auf  allen  Stationen  an  der 
Astrolabe-Bai  zusammen  40 — 60;  im  Bereich  meiner  Tliätigkeit  durch- 
schnittlich 20 — 25,  darunter  vier  Frauen.  Ausser  diesen,  einem 
Sammler  und  einigen  Durchreisenden  waren  es  sämmtlicli  Angestellte 
der  Neu -Guinea-Compagnie  oder  Missionare  — alle  in  Europa  auf 
Tropentauglichkeit  ärztlich  untersucht,  die  meisten  in  den  zwanziger 
Jahren. 

Die  Farbigen  (abgesehen  von  den  freien  Eingeborenen),  also  die 
angeworbenen  Arbeiter  der  Compagnie,  waren  ein  buntes  Gemisch 
verschiedener  Rassen:  Chinesen,  Javanen,  Melanesen  und  Papuas, 
im  Ganzen  durchschnittlich  2000,  wovon  zu  meinem  Wirkungskreis 
aber  nur  etwa  300  gehörten,  meist  Melanesen.  Auch  diese  waren 
angeblich  auf  Tropen-  resp.  Arbeitstauglichkeit  geprüft,  aber  von  Laien, 
die  an  einer  möglichst  quantitativen  Anwerbung,  infolge  des  Kopf- 
geldes, mehr  Interesse  hatten,  als  an  einer  qualitativen  Auslese. 

Die  freien  Eingeborenen,  die  Tamul,  kamen  nur  gelegentlich, 
direct  oder  durch  Vermittlung  der  Missionare,  zu  mir  in  ambulante 
Behandlung. 

Die  Lebensbedingungen  für  Europäer  wne  für  die  farbigen  Arbeiter 
waren  wesentlich  verschieden  auf  den  Pflanzungen  und  der  Ver- 
waltungsstation. Da  ich  hauptsächlich  auf  letzterer,  in  Friedrich- 
Wilhelmshafen  zu  thun  gehabt  habe,  so  beschränke  ich  mich  von 
hier  ab,  die  hygienischen  Verhältnisse  dieser  Station  zu  schildern. 

Bei  uns  waren  die  Wohnhäuser  für  Europäer  aus  Holz  und  Well- 
blech leicht  und  luftig  errichtet,  und  ruhten  durchweg  auf  etwa  2 m 
hohen  Pfählen.  Die  Arbeiter  waren  in  Gebäuden  aus  demselben 
Material  kasernirt;  ihre  geräumigen  Schlafstätten  ruhten  theils  auf 
2 m,  theils  auf  1 m hohem  Pfahlrost. 

Für  Nahrung  war  derartig  gesorgt,  dass  allwöchentlich  ein  Rind 
geschlachtet  wurde;  ausserdem  war  an  Schweinen,  Hühnern,  Fischen 
und  durch  Vogeljagd  stets  frisches  Fleisch  zu  beschaffen.  Für 
Europäer  war  ausser  an  einheimischen  oder  im  Land  gezogenen  Erd- 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


137 


und  Baumfrüchteu  und  Gemüsen  noch  Conserven  und  Coloniulwaaren 
aller  Art  erhältlich,  freilich  zu  oft  überaus  hohen  Preisen.  Für  die 
Farbigen  war  im  Reis  eine  gesunde  Hauptkost  geboten,  zu  der  es 
neben  Fleisch  als  Zukost  genug  Taro,  Kokosnüsse  und  Fische  von 
den  freien  Eingeborenen  einzutauschen  gab  (mit  Ausnahme  der  Monate, 
als  der  Blattern  halber  der  Verkehr  mit  diesen  verboten  war). 

Ausser  den  im  Lager  vorrätliigen  alcoholischen  Getränken  und 
kohlensauren  Wassern  für  Europäer  — Farbigen  durfte  Alcoliol  nur 
als  Arznei  verabfolgt  werden  — , und  ausser  der  aus  der  Viehzucht 
sich  ergebenden  Milch  diente  das  von  den  Wellbleehdächem  in  Tanks 
aufgefangene  und  eventuell  noch  filtrirte  Regenwasser  zum  Getränk. 
In  der  langen  Trockenperiode  August  bis  October  1895  ist  das  Wasser 
aus  einem  Brunnenschacht  auf  der  Station  ohne  Schaden  getrunken 
worden. 

Zu  erwähnen  ist  hier  noch,  dass  der  Tabak  als  Genussmittel 
den  schwarzen  Arbeitern  obligatorisch  im  Lohn  eingehändigt  wurde, 
und  dass  viele  Melanesen  und  fast  alle  Javanen  Betel  kauten,  fast 
alle  Chinesen  Opium  rauchten. 

Die  Arbeit  auf  unserer  Verwaltungsstation  häufte  sich  zu.  einer 
Arbeitslast  nur  zur  Zeit  des  Postdampfers,  also  auf  14  Tage  alle 
2 Monate.  Sonst  war  für  Europäer  Bureauzeit  von  9 — 12  Uhr  Vor- 
mittags und  3 — 5 */j  Nachmittags,  und  für  Farbige  Arbeitszeit  von 
6 — 6 mit  Mittagspause  von  12 — 2 Uhr.  Die  arbeitsfreien  Sonntage 
wurden  regelmässig  innegehalten. 

Die  übliche  Bekleidung  bestand  für  Europäer  in  Baumwollhemd, 
weissem  Waschanzug,  Socken,  Segeltuchschuhen  und  lvorkhut,  für 
Farbige  im  Hüfttuch.  Nachts  bediente  sich  Jedermann  eines  Mosquito- 
netzes;  Wolldecken  waren  auch  für  jeden  Arbeiter  obligatorisch. 

Für  hygienische  Zwecke  hat  die  Neu-Guinea-Compagnie  stets 
sehr  viel  getlian;  wenn  ich  nicht  irre,  werden  10 °/0  aller  Ausgaben 
hierauf  verwendet.  Auf  jeder  grösseren  Station  ist  ein  Arzt  angestellt, 
dem  ein  bis  zwei  Heilgehülfen  zur  Seite  stehen.  Eine  Schwester  vom 
rothen  Kreuz  leitet  und  verwaltet  ein  grosses  Europäer-Hospital  (jetzt 
in  Stephansort,  damals  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen);  überall  bestehen 
Hospitalanlagen  für  Farbige,  von  denen  die  in  Stephansort  die  ge- 
räumigsten — 7 Gebäude  — sind. 

Unser  Europäer-Hospital  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  war  sehr 
schön  auf  der  Insel  Beliao.  angesichts  der  Dalmanneinfahrt,  unmittel- 
bar am  Meer  gelegen.  Es  stellte  eine  2 m hohe  Plattform  dar,  die 
von  weit  überhängendem  Dach  beschattet  wurde.  Auf  dieser  standen 


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138 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


die  sechs  grossen  Räume  derart,  dass  noch  eine  3 m breite  Veranda 
rund  herum  frei  blieb.  Diese  Räume  wurden  nach  Bedürfniss  ab 
Krankenzimmer  abwechselnd  benutzt;  einer  blieb  für  die  Schwester 
reservirt,  ein  anderer  diente  als  gemeinsames  Speisezimmer.  In 
gleicher  Höhe  mit  dem  Hauptgebäude,  durch  Gänge  verbunden,  lagen 
die  Wirthschaftsräume,  Badezimmer  und  Dienerwohnungen.  Geflügel- 
hof und  kleiner  Garten  lagen  dicht  dabei. 

Auch  die  Hospitalanlagen  für  Farbige  befanden  sich  in  Friedrich 
Wilhelms-Hafen  auf  einer  kleinen  Insel,  die  nur  diesen  Zwecken  diente. 
Es  standen  da  ein  Wohngebäude  für  den  europäischen  Heilgeh ülfen 
nebst  Wirthschaftsräumen,  ein  grosses  Männerhospital,  ein  kleineres 
Weiberhaus,  an  das  sich  die  Küche  schloss,  und  ein  Leichenhaus. 
Das  Männerhospital  ist  der  Beschreibung  werth,  weil  es  sich  als  sehr 
practisch  erwiesen  hat.  Es  stellte  eine  hohe,  luftige  Scheune  mit 
Holzwänden  und  Atapdach  dar  („atap“  sind  geflochtene  und  ge- 
trocknete Blätter  der  Nipapalme),  in  deren  Inneren,  2 m von  den 
Wänden  ab,  sich  eine  Tenne  auf  1,5  m hohen  Pfählen  erhob,  mit 
3 zuführenden  Treppen.  Auf  dieser  Plattform  standen  1 m hohe 
Tische,  die  — mit  Matte,  Decke  und  Mosquitonetz  — als  transpor- 
tabele  Krankenlager  dienten.  Die  ganze  Anlage  war  kühl,  hell  und 
übersichtlich,  jeder  Platz  von  allen  Seiten  zugänglich,  leicht  zu  reinigen 
und  desinficiren.  An  einer  Seite  waren  verschli essbare  Räume  für 
das  Bureau  des  Arztes  und  die  Apotheke,  die  von  Deutschland  aus 
mit  allem  ärztlicherseits  Erwünschten  reichlich  ausgestattet  wurde.  — 
Das  Weiberhospital  war  kleiner  und  hatte  keine  Tenne,  dafür  Fliesen 
auf  dem  Boden.  — Aborte  waren  nicht  vorhanden:  die  Abfellstoffe 
gingen  hier  wie  auf  der  ganzen  Station  in’s  Meer,  das  durch  Ebbe 
und  Fluth  genügend  für  Reinigung  sorgte. 

Ferner  befanden  sich  bei  Friedrich  Wilhelms-Hafen  ein  Isolirhans 
für  Seuchen  an  einer  abgelegenen  Stelle  des  inneren  Hafens  und 
Quarantäneanlagen  — 2 Scheunen  und  eine  Küche  — auf  der  3 km 
entfernten  unbewohnten  Insel  Piawey.  Alle  diese  Gebäude  waren  nur 
aus  Pfählen  und  Atap  zu  ebener  Erde  errichtet 

Ein  Sanatorium  besassen  wir  an  der  Astrolabe-Bai  leider  nicht 
weder  für  Europäer  in  den  Bergen,  noch  für  Farbige  auf  einer  Insel 
so  oft  auch  der  Wunsch,  ja  das  Bedürfhiss  laut  wurde.  Aber  die 
900  m hoch  auf  dem  Sattelberg  bei  Finschhafen  gelegene  Missions- 
station hat  wiederholt  Patienten  aufgenommen,  und,  wie  es  scheint 
in  ihrer  Iieconvalescenz  erheblich  gefordert.  Auch  die  Station  Con- 
stantinhafen  ist  für  invalide  Arbeiter,  namentlich  für  Beriberi  leidende 


I 

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Aeritliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


139 


von  grossem  Nutzen  gewesen.  Doch  wird  — meiner  Ueberzeugung 
nach  — erst  die  Lösung  der  Sanatoriumsfrage,  für  Weisse  wie  für 
Farbige,  die  hygienischen  Bedingungen  der  Colonie  so  heben,  dass 
sie  ihren  schlechten  Ruf  verliert  und  nicht  mehr  so  viel  Menschen- 
material verbraucht,  wie  heutzutage. 

Zu  den  hygienischen  Einrichtungen  meines  Ressorts  gehörten 
auch  die  gesundheita-polizeilichen  Untersuchungen  aller  Arbeiter,  der 
Impfzwang,  dem  alle  neu  angeworbenen  Farbigen  unterworfen  waren 
und  die  Quarantäneordnung  für  alle  einlaufenden  Schiffe.  — Fleisch- 
beschau und  Wasseruntersuchungen  waren  nicht  eingeführt;  ebenso- 
wenig bestanden  Wasserleitung,  Canalisation , Drainage  u.  dgl.  Es 
war  das  bei  dem  jungen  Bestehen  der  Niederlassung  — seit  1891  — 
wohl  selbstverständlich,  auch  hat  sich  meiner  Zeit  kein  Anlass  ge- 
funden, dergleichen  Einrichtungen  anzuregen. 

Infectionsquellen  bestanden  nur  für  Malaria  — nach  Localität 
und  näheren  Bedingungen  natürlich  unbekannt.  Dysenterie,  Beriberi, 
Cholera  u.  dgl.  sind  nicht  heimisch.  Eine  Pockenendemie  im  Früh- 
jahr 96  wurde  völlig  ausgemerzt. 

Unter  den  freien  Eingeborenen,  die  übrigens  nur  wenig  Ver- 
kehr mit  der  Station  hatten,  gab  es  keine  ansteckenden  Krank- 
heiten, ausser  einigen  Pockenfällen.  Nur  Malaria  herrscht  auch 
unter  ihnen. 

Nun  ist  der  Friedrich  Wilhelms-Hafen  gleich  nach  seiner  Ent- 
deckung (October  1884  durch  Dr.  Finsch  und  Capt.  Dallmann)  für 
ein  besonders  schlimmer  Fieberheerd  gehalten  worden*).  Auch  spätere 
Schilderungen**)  pflanzen  dieses  Vorurtheil  fort.  Seit  seiner  Be- 
siedelung (1891/92)  hat  sich  aber  ein  wesentlich  anderes  Resultat 
ergeben,  wie  aus  den  ärztlichen  Berichten  hervorgeht,  die  seit  1893 
sehr  genau  sind  und  bis  Ende  1 896,  bis  zur  provisorischen  Aufhebung 
der  Station,  gehen. 

Aus  diesen  geht  bezüglich  der  Europäer  nur  hervor,  dass  von 
7ö  polizeilich  Angemeldeten  4 gestorben  sind  und  20  krankheitshalber 
heimgesandt  wurden.  Dazu  kommen  von  unseren  Schiffsbesatzungen, 
die  im  Ganzen  20 — 25  Europäer  im  Wechsel  betragen  haben  mögen, 
4 Todesfälle;  endlich  von  einem  fremden  Schiff  ein  Todesfall,  — zu- 
sammen 9 Gräber  auf  unserem  Europäer- Friedhof. 


*)  Finsch:  Samoafahrten  p.  94  und  135. 

**)  Beschreibung  der  Entrecasteaux  - Inseln  und  der  N.O.- Küste  von  Neu- 
Guinea  p.  67. 


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140 


I)r.  Otto  Dempwolff. 


Von  den  Farbigen  sind  erkrankt: 

1893  bei  einem  Durchschnittsbestand  von  270  monatlich  90 

1894  „ „ „ „ 260  „ 99 

1895  „ „ „ „ 308  „ 41 

1896  „ „ „ „ 211  „ 26. 

Es  sind  im  Ganzen  auf  der  Station  gestorben: 

1893:  68;  1894:  46;  1895:  29;  1896:  26  (davon  9 an  den  Blattern). 

Eine  Besserung  ist  seit  Aufhebung  der  nahe  gelegenen  Pflanzungs- 
station Jomba  im  Herbst  1894  unverkennbar;  es  hörte  damals  das 
Aufbrechen  des  Urwaldbodens  so  gut  wie  ganz  auf.  Wenn  man 
noch  hinzuhält,  dass  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  bei  Aus-  und  Ein- 
schiffung der  Contractarbeiter  fast  immer  einige  Kranke  liegen  blieben, 
dass  Centralgefängniss  und  Quarantänestation  mit  ihren  ungünstigeren 
Lehensbedingungen  dem  Hospital  ihre  Beiträge  lieferten,  so  konnte 
unser  Gesundheitszustand  sich  immer  mit  dem  anderer  Stationen 
in  Neu-Guinea  messen  — wenn  er  auch  an  und  für  sich  nicht  glän- 
zend war. 

Mein  ärztlicher  Antheil  an  diesen  Zahlen,  zusammen  mit  denen 
meiner  kürzeren  Thätigkeit  in  Stephansort,  erstreckt  sich  auf  die  Be- 
handlung von  57  Europäern  in  225  Krankheitsfällen  und  von  etwa 
500  Farbigen  in  768  Erkrankungan.  Davon  verlor  ich  einen  Europäer, 
65  Farbige.  Das  ist  mein  Material.  Es  ist  viel  zu  klein,  um  irgend- 
welche Art  von  Statistik  abzugeben.  Aber  es  gab  mir  Gelegenheit 
und  Müsse  zu  eingehenderen  Einzelbeobachtungen,  welche  die  Grund- 
lage der  folgenden  Capitel  bilden  sollen. 


II.  Malaria  bei  Europäern. 

Mit  dem  Schlagwort  „Malaria“  wurde  draussen  von  uns  jedes 
Fieber,  jedes  Unwohlsein  belegt,  und  auch  bei  evident  anderen 
Leiden,  ja  bei  chirurgischen  Leiden  wurde  jede  scheinbare  oder  wirk- 
liche Störung  und  Verzögerung  der  Genesung  mit  „Malaria“  in  Ver- 
bindung gebracht. 

Dass  die  in  ihrem  klinischen  Bilde  wohl  characterisirte  Krankheit 
mit  ihren  unregelmässigen  Temperaturerhöhungen,  der  geschwollenen 
Milz  und  den  subjectiven  Symptomen  des  Nervensystems  auch  ohne 
jedesmaligen  Plasmodiennachweis  sicher  jeden  Europäer  und  jeden 
in  den  Beobachtungskreis  tretenden  Farbigen  von  Zeit  zu  Zeit  befiel 
führte  zu  dem  Schlüsse,  dass  der  Infectionsstoff  ubiquitär  sein  muss. 


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Aerztiicho  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


141 


Und  daraus  ergab  sich  der  Rückschluss,  dass  wir  alle  fortwährend 
latente  Malaria  im  Körper  hatten,  die  sich  bei  besonderen  Anlässen 
zu  acuten  Fiebern  steigern  liess,  die  bei  jeder  intercurrirenden  Krank- 
heit complicirend  eingriff,  und  die  sich  auch  auf  jeden  sonst  unbe- 
merkt gebheben  „locus  minoris  resistentiae“  im  Körper  werfen 
konnte. 

Ab  und  zu  sind  mir  auch  Fälle  vorgekommen,  in  denen  die 
Differentialdiagnose  zwischen  Malaria  und  anderen  fieberhaften  Krank- 
heiten Schwierigkeiten  bereitete. 

Nr.  1.  (Malaria  oder  Pleuritis-Recidiv.)  August  96.  Bei  einem 
wochenlang  anhaltenden  Fieber  um  38°,  das  jeder  Hydrotherapie  trotzte,  weil  der 
Kranke  auf  keine  Weise  in  Schweiss  zu  bringen  war,  kam  der  Patient  selbst  in 
Folge  seiner  Bückenschmerzen  auf  den  Gedanken,  es  könne  sich  um  eine  chro- 
nische trockene  Rippenfellentzündung  handeln,  an  der  er  bereits  vor  Jahren  in 
Europa  mit  wochenlangem  Fiober  gelitten.  Nun  war  wohl  etwas  Knarren  der 
alten  Schwarten  zu  hören,  aber  es  fehlten  frische  Adhäsionsgeräusche,  Respirations- 
störungen und  jede  Spur  von  Erguss;  dabei  sassen  die  Schmerzen  im  Kreuz,  nicht 
im  Thorax.  — Pat.,  welcher  Chinin  wegen  Hämoglobinurie  nicht  vertrug,  genas 
durch  eiue  Höhenluftcur  in  Java.  — (Ausführliche  Krankengeschichte  in  Capitel  HI, 
unter  Nr.  24.) 

Nr.  2.  (Maläria  oder  Abscess.)  Pat.,  Officier  eines  Passagierdampfers, 
erkrankte  Anfang  Juli  97  an  intermittirendem  Fieber,  gegen  das  Chinin  bis  14  g 
in  8 Tagen  wirkungslos  war.  Schmerzen  in  der  Milzgegend  führten  das  Augen- 
merk auf  den  Traube’schen  Raum,  wo  eine  unregelmässige,  druckempfindliche 
Dämpfung  oberhalb  der  Milz  als  subphrenischer  Abscess  ausgelegt  wurde.  Das 
entscheidende  Ergebniss  der  Function  ist  mir  unbekannt  geblieben,  da  ich  den 
Kranken  nur  am  13.  VH.  in  Consultation  gesehen  habe,  und  er  Tags  darauf  aus- 
geschifft wurde. 

Einige  andere  diesbezügliche  Beobachtungen  sind  unter  Nr.  11, 
Nr.  12  und  Nr.  13  geschildert.  — 

Unter  den  Symptomen  des  Malarialeidens  ist  das  hervor- 
springendste das  Fieber;  wenn  wir  draussen  vom  „Fieber“  sprachen, 
so  meinten  wir  die  Malaria,  gerade  wie  man  in  Südamerika  unter 
diesem  Wort  stets  das  Gelbfieber  versteht. 

Ich  habe  die  alte  Eintheilung  in  intermittens,  remittens  und 
continua  stets  an  wenden  können,  aber  die  drei  Stadien  Frost,  Hitze, 
Schweiss  nicht  immer  rein  beobachtet.  Der  Initialschüttelfrost  fehlte 
Häufig.  Langsam,  schleichend  stieg  die  Temperatur  meistens  an, 
und  ebenso  wies  die  Abfieberung  Schwankungen  auf,  so  dass  ich,  an  s 
Krankenbett  tretend,  oft  nicht  sofort  entscheiden  konnte,  ob  sich  der 
Pat.  im  aufsteigenden  oder  absteigenden  Ast  des  Fiebers  befand. 
Das  Gefühl,  die  Aussage  des  Kranken  ist  dabei  wenig  von  Belang: 
„der  Mensch  kann  sich  irren,  aber  das  Thermometer  lügt  nie“  — 

Archiv  f.  Schifft-  u Tropenhygiene.  II.  1 1 


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, 142 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


diesen  Ausspruch  des  Collegen  von  S.  M.  S.‘  Moewe  fand  ich  auch 
bei  alten  Tropenleuten  bestätigt,  die  mit  38° — 39°  umherliefen  und 
behaupteten,  normal  zu  sein. 

Nr.  8.  (Intermittens  mit  atypischem  Schüttelfrost)  19.  VLL  95. 
8 h.  a.  m.  88,1°  Subjectives  Wohlbefinden.  — 10  h.  a.  m.  39.4°  Schüttelfrost.  — 
11  h.  a.  m.  39,7°  Erbrechen.  — 1 h.  p.  m.  40,1°  — 2 h.  p.  m.  89,4°  Schweiss.  -» 
8 h.  p.  m.  38,7°  5 h.  p.  m.  38,2°  Abwaschung.  8 h.  p.  m.  87,4°  Chinin  1,0.  — 
Die  folgenden  Tage  unter  fortgesetzter  Chinintberapie  fieberfrei. 

Nr.  4.  (Bemittens  mit  atypischer  Curve;  zwei  Tage  aus  einem 
mehrtägigen  Anfall.)  16.  V.  96. 

6 h.  a.  m.  37,7°.  — 8 h.  a.  m.  39,1°.  — 10  h.  a.  m.  88,6*.  — 12  h.  a.  m. 
88,0°.  — 2 h.  p.  m.  38,1  — 4 h.  p.  m.  88,6°.  — 6 h.  p.  m.  39,8°.  — 8 h.  p.  m. 

89.0°.  — 12  h.  p.  m.  87,7°. 

17.  V.  96.  8 h.  a.  ra.  86,9°.  — 6 h.  a.  m.  87,1°.  — 8 h.  a.  m.  36,6°.  — 
10  h.  a.  m.  87,0°.  — 12  h.  a.  m.  36,9°.  — 2 h.  p.  m.  87,0°.  — 4 h.  p.  m.  37,2°.  — 
6 h.  p.  m.  37.4°. 

18.  V.  96.  Temp.  dauernd  unter  87°. 

Die  höchsten  Temperaturen,  die  ich  selbst  in  Neu-Guinea  be- 
obachtet habe  (Laien  renommirten  mitunter  mit  noch  höheren),  waren 
zweimal  41,3°  und  einmal  41,4°,  die  auf  kühle  Bäder  bald  sanken 
und  ohne  Folgen  für  Herz  und  Gehirn  blieben. 

Dagegen  kommen  an  Bord  von  Schiffen,  namentlich  unter  dem 
Slaschinenpersonal  noch  extremere  Temperaturen  vor.  Ich  selbst 
wurde  einst  zur  Consultation  zu  einer  Stewardess  geholt,  die  ihre 
Malaria  aus  Indien  hatte,  wo  das  geprüfte  Thermometer  in  ano 
110°  Fahrenheit  = 43,5°  Celsius  zeigte.  Es  war  im  rothen  Meer  am 
12.  VH.  97.  Die  Kranke  lag  im  Koma,  lebte  aber  noch  einige  Stunden, 
währenddess  die  Temperatur  durch  Eiswasserpackungen  bis  39 c C. 
gedrückt  wurde. 

Ist  das  „Fieber“  auch  die  hervorspringende  Erscheinung  bei 
Malaria,  so  ist  der  eigentliche  Sitz  der  Krankheit  doch  das  Blut 

Auf  Plasmodien  habe  ich  fast  nur  zu  Anfang  untersucht;  stets 
mit  Zeiss  Oelimmersion  '/,,,  Ocular  2 und  4,  im  ungefärbten 
Präparat  Uebrigtns  hielt  sich  das  Mikroskop  vorzüglich;  nach  münd- 
lichem Rath  Dr.  F.  Plelin’s  behandelt:  unter  grosser  Glasglocke,  die 
abgeschliffen  und  mittelst  Vaselin  luftdicht  auf  einer  Marmorplatte 
abgeschlossen  war,  und  die  durch  Calcium  chloratum  feuchtigkeits- 
frei, zum  „Exsiccator“,  gemacht  wurde. 

Nr.  5.  (Plasmodien.)  Pat.  ist  91—94  in  Neu-Guinea  gewesen,  94/95 
in  Deutschland,  und  befand  sieb  zur  Zeit  ausreisend  im  indischen  Ocean.  — 
27.  El.  95.  10  h.  a m.  37,4°.  Leichtes  Unwohlsein.  Keine  sicheren  Plasmodien 
ün  Blute  4 h.  p.  m.  39,7°  Schüttelfrost.  Im  Fingerblut  reife  Plasmodien,  das 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


143 


rothe  Blutkörperchen  ganz  ausfüllend,  und  theilweise  vergrössernd,  mit  feinst- 
kömigem  Pigment;  ein  Plasmodium  in  Ringform. 

Nr.  6.  (Plasmodien.)  Pat.  ist  ein  Jahr  in  Neu-Guinea,  leidet  an  typischer 
Tertiana  8.  TV.  95.  89,8°.  Im  Fingerblut  nicht  sehr  häufige  reife  Plasmodien 
in  und  meist  ausserhalb  der  rothon  Blutkörperchen.  Diese  freien  Plasmodien 
sind  etwas  grosser  als  die  rothen  Blutkörperchen,  rund,  lassen  den  durchscheinen- 
den Leib  kaum  erkennen,  zeigen  aber  in  dem  fein  körnigen  Pigment  sehr  deut- 
liche Margueritenformen  von  etwa  .6—8  Theilkörperchen. 

Nr.  7.  (Plasmodien.)  Pat.  hat  Neu-Guinea  vor  fast  einem  Jahr  verlassen. 
8.  II.  98.  11  h.  a.  m.  88,0°.  Im  Fingerblut  spärliche  Plasmodien  in  den  rothen 
Blutkörperchen,  kleiner  als  diese,  unregelmassig  oontourirt,  ohne  , .typische“ 
Form,  mit  feinkörnigen  Pigment 

Andere  als  diese  Formen  habe  ich  in  Neu-Guina  nie  gefunden, 
weder  die  grobkörnig  pigmenti rten  noch  die  pigmentlosen. 

Blutkörperzählungen,  die  ich  in  den  ersten  Monaten  mit  dem 
Thoma-Zeiss’schen  Apparat  ausführte  — ohne  bemerkenswerthe  Er- 
gebnisse — musste  ich  aufgeben,  weil  sie  meine  Augen  zu  sehr 
an  griffen. 

Dagegen  habe  ich  Hämoglobinbestimmungen  mit  Fleischl’schem 
Apparat  in  jedem  einigermaassen  schweren  Fall  im  Fieber,  wie  im 
fieberlosen  Zustand  vorgenommen.  Ich  habe  leider  nur  noch  von 
60  Hämoglobinbestimmungen  aus  jenen  zwei  Jahren  die  Notizen  zur 
Hand  (abgesehen  von  denen  bei  Schwarzwasserfieber;  cf.  Cap.  HI), 
deren  Zusammenstellung  folgendes  Resultat  giebt: 

105%  einmal,  bei  einem  zum  ersten  Mal  in  die  Tropen  kommenden 
21  jährigen  Maschinisten; 

100%  zweimal,  gleichfalls  vor  den  ersten  Malariaattacken; 

95%  siebenmal; 

90%  fünfzehnmal; 

85%  elfmal; 

80%  dreimal; 

75%  neunmal; 

70%  siebenmal; 

60%  dreimal,  darunter  ein  Fall  von  malignem  Tumor; 

50%  zweimal,  bei  einem  Cachektiker  und  bei  einer  Frau,  die  seit 
90  in  Neu-Guinea  und  Java  ohne  Klimawechsel  lebt,  keine 
Hämoglobinurie  gehabt  hatte  und  draussen  zwei  kräftige 
Kinder  geboren  hat 

Demnach  hält  sich  die  Anämie  bei  gewöhnlicher  Malaria  in 
denselben  Grenzen,  wie  anderwärts  die  „Tropenanämie“  auch. 

Respirations-  und  Circulationsorgane  waren  in  der  Regel  nicht 
mehr  in  Mitleidenschaft  gezogen,  als  der  Höhe  der  Temperatur  ent- 
sprach: vermehrte  Frequenz  des  Pulses  und  der  Athmung. 

Jene  grosse  Störung  der  Circulation,  die  gewöhnlich  den  Anfang 

11* 


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144 


Dr.  Otto  Dempwolff, 


vom  Ende  bedeutet:  Oedeme,  habe  ich  nur  einmal  in  ihrem  ersten 
Beginn  gesehen.  Da  der  Fall  auch  eine  gleich  zu  erwähnende 
Complication : Dickdarmcatarrh , bietet,  so  setze  ich  die  Kranken- 
geschichte als  Auszug  aus  zwei  Gutachten,  deren  Copie  vor  mir 
liegt,  hin. 

Nr.  8.  (Malaria  mit  Oedemen  und  Dickdarmgescbwüren.)  Attest 
vom  8.  VI.  95.  Pat.  giebt  an,  in  Ost -Afrika,  darauf  in  Europa  und  auf  seiner 
Ausreise  nach  Neu-Ouinea  Anfang  1893  an  häufigen,  aber  meist  leichten  Malanz- 
nnfiillen  gelitten  zu  haben.  Seit  Beginn  seiner  hiesigen  Tbätigkeit  als  Schiffs- 
fiikror  seien  dann  dio  Anfälle  zahlreicher  und  schwerer  geworden , bis  im  Sep- 
tember 94  sich  die  ersten  Complicntionen  von  Seiten  des  Darmes  eingestellt 
hätten.  Der  damals  ärztlicherseits  constatirte  Dickdarmcatarrh  verschwand  stets 
nur  vorübergehend , trat  jedoch  regelmässig  nach  jedem  Fieber  wieder  auf  und 
hielt  dann  in  wechselnder  Stärke  noch  geraume  Zeit  an.  Dieser  Zustand  wurde 
Anfang  1895  und  namentlich  durch  eine  Reise  nach  Sidney  im  April  und  Mai 
immer  schlimmer,  so  dass  Pat.  nach  seiner  Rückkehr  am  4.  VI.  in  das  Europäer- 
Hospital  aufgenommen  wurde.  Daselbst  hat  er  zwei  Intermittensanfälle  und  häufige 
schmerzhafte  Stuhlgänge  — schleimig-blutig  mit  Eiterpfropfen  — gehabt  — Die 
körperliche  Untersuchung  orgiebt  folgendes:  Pat  ist  von  kräftigem  Körperbau, 
schlaffer  Muskulatur,  geringem  Fettpolster  . . . Unterleib  etwas  aufgetneben, 
nirgends  druckempfindlich.  Leberdumpfung  innerhalb  der  normalen  Grenzen. 
Milz  stark  vergrössert;  ihr  Rand’  überragt  in  Rückenlage  des  Pat.  den  Rippen- 
wand um  Zweifingerbreite,  ist  halt,  glatt,  druckempfindlich  ...  An  Lungen, 
llcrz,  Niereu  . . . keine  krankhafte  Veränderung  nachzuweisen.  "Weder  Oedeme 
noch  Exantheme  . . . Zusatzattest  vom  30.  VII.  95:  Pat  hat  seit  dem  8.  VI. 
sein  Schiff  auf  einer  vierwöchentlichen  und  mehreren  kleinen  Reisen  geführt  und 
don  Kost  der  Zeit  im  Europäer- Hospital  zugebracht.  Er  giebt  an,  unterwegs 
leichtere  Fieber  mit  Milzstechen  gehabt  zu  haben.  Dabei  seien  zwar  die  Dann- 
erscheimingeu  nicht  so  heftig  anfgetreten  wie  früher,  dagegen  habe  sich  starke 
Anschwellung  der  Fasse  bis  zur  Hälfte  der  Unterschenkel  eingestellt  . . . Die 
uedematöse  Schwellung  der  Füssc  ist  nuch  von  mir  mehrfach  gesehen;  sie  be- 
stand in  verschiedenem  Grade,  und  verschwand  stets  nach  längerer  Ruhe  und 
Schonung.  Dagegeu  bleibt  auch  dann  noch  — und  dies  ist  das  einzig  bemerkens- 
wertho  Neue  zu  dem  Befunde  vom  8.  VI.  — eine  Druckempfiudlichkeit  und  fühl- 
bare, unregelmässig  begrenzte  Knocheubautveidickung  an  beiden  Schienbeinen.  Für 
dieso  Circulatiousstörungen  hat  sich  weder  am  Herzen  noch  an  den  Nieren  eis« 
Ursachp  linden  lassen,  vielmehr  ist  ein  directer  Zusammenhang  mit  chronischer 
Malaria  anzunchmen  . . . Pat.  leidet  demnach  an  häufig  wiederkebrendem  Mal  un- 
lieber mit  Milztumor,  gcschwürigem  Dickdarmkatarrh  und  Circulationstörungen. 
Gemäss  j 14  u.  s.  w.  (Pat.  im  August  95  nach  Deutschland  heimgekehrt,  ist  dort 
im  März  9ß  au  „Herzschwäche“  gestorben.)  — 

Dio  Organe  der  Bauchhöhle  waren  fast  immer  beim  Fieber  stark 
affieirt. 

Nach  der  vergrösserten  Milz  fragte  ich  kaum  noch:  sie-  über- 
ragte. bei  Jedem,  der  einige  Fieber  durchgemncht,  den  Rippenrand; 


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Aerztlicbe  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  145 

und  selbst  da,  wo  sie  bis  an  und  über  den  Nabel  vordrang,  habe 
ich  an  ihr  keine  besonderen  Symptome  und  Beschwerden  beobachtet. 

Ebensowenig  boten  die  Nieren  (ausser  im  Schwarzwasserfieber) 
Störungen:  jene  Spuren  von  Eiweiss,  die  bei  hoher  Temperatur  in 
jeder  Krankheit  zu  sehen  sind,  verschwanden  mit  dem  Fieber. 

Dagegen  war  die  Verdauung  stets  in  Unordnung,  der  Appetit 
reducirt,  und  schon  dadurch  der  ganze  Kräftezustand  ein  miserabler. 
In  der  Hälfte  der  Fälle,  die  dem  Hospital  und  der  trefflichen  Pflege 
unserer  Schwester  zugewiesen  wurden,  war  „Malaria  dyspeptica“  der 
Anlass.  Einen  Fall  hebe  ich  hervor: 

Nr.  9.  (Malaria  „dyspeptica“-.)  Pat.  hat  vom  9.— 12.  V.  95.  ein  Re- 
mittens  durchgemacht.  Seither  Dyspepsie  und  Erbrechen,  wobei  am  17.  V.  durch 
Brausepulver- Auftreiben  Gastrectasie  constatirt  ist.  Nachts  vom  17.  zum  18.  V. 
Fieber,  Morgens  Aufnahme  in's  Hospital.  Daselbst  noch  am  18.  und  19.  je  ein 
Intermittensanfall ; Chinin  verbrauch  3,5  g.  20.— 25.  V.  Allmälige  Reconvalescenz 
unter  guter  Diät.  25.  V.  völlig  genesen  entlassen.  — Pat.  hat  spater  noch  manch- 
mal Verdauungsbeschwerden,  aber  nie  mehr  Gastrectasie  gehabt.  Am  21.  XI.  95 
verlässt  er  Neu-Guinea. 

Hier  war  „Gastrectasie“  offenbar  eine  Fehldiagnose;  denn  ein 
pathologisch  erweiterter  Magen  verkleinert  weder  sein  Volumen  so 
schnell,  noch  functionirt  er  nach  acht  Tagen  wieder  dauernd  normal. 
Vielmehr  behielt  die  Schwester  Recht,  wenn  sie,  ihrer  Erfahrung 
mehr  trauend  als  meiner  Percussion,  statt  der  von  mir  beabsichtigten 
Magenspülungen  kräftige  Diät  anwandte.  — 

Besonders  häufig  waren  diese  Malariadyspepsien  unter  den  Schiffs- 
besatzungen, welche  auf  die  vom  Seegesetz  vorgeschriebene  Kost  an- 
gewiesen waren,  die  für  die  Tropen  recht  unzweckmässig  und  als 
Krankenkost  werthlos  ist. 

Viel  ernster  waren  jene  Complicationen,  wo  sich  zur  Malaria 
Dickdarmkatarrh  gesellte.  Dieser  artete  alsbald  mit  Blut-  und  Eiter- 
absonderungeu,  mit  Tenesmus  und  Kräfteverfall  zu  einem  Bilde  aus, 
das  von  echter  tropischer  Dysenterie  kaum  zu  unterscheiden  war 
(ganz  abgesehen  davon,  dass  der  Laie  draussen  nach  Vorgang  der 
Engländer  jeden  Dickdarmcatarrh,  ja  jeden  heftigen  Durchfall  mit 
„Dysenterie“  bezeichnet).  Nur  das  vereinzelte,  nicht  epidemische 
Auftreten,  der  unmittelbare  Anschluss  an  Malariaattacken,  und  der 
günstige  Einfluss  des  Chinins  veranlassen  mich,  diese  Fälle  hierher 
zu  reihen.  Der  obigen  Mittheilung  No.  8 lasse  ich  noch  den  inten- 
sivesten  Fall,  den  ich  sah,  folgen. 

Nr.  10.  (Malaria  „dysenterica“.)  Pat.  ist  seit  Sept.  95  im  Lande.  Am 
20.  VI.  96  Durchfall.  Seit  dem  27.  VI.  Malariaanfälle,  trotzdem  im  Dienst.  Nachts 


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146 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


vom  4.  «um  5.  VII.  plötzlich  blutigen  Durchfall,  15 mal.  5.  VH.  96  Abends  Auf- 
nahme ins  Hospital.  Kräftiger  Mann ; Abdomen  nicht  druckempfindlich,  nirgends 
Besonderheiten.  Stuhlzwang  mit  mässigen  Schmerzen.  Stuhl:  helles  und  ge- 
ronnenes Blut  und  Schleim.  Temp.  87,2°  P.  90.  — 01.  Ricin.  6,0  in  Cspseln. 

6.  VH.  Fieberfrei.  Lang  dauernde,  äusserst  schmerzhafte  Stuhlgänge,  blutig. 

— 01.  Bicin.  9,0,  Ipecac.  5,0.  Heisses  Sitzbad.  — Thee,  Milch. 

7.  VH.  Status  idem.  — 01.  Ricin.  12,0,  Ipecac.  anemetin.  8,6.  Heisse  Sitz- 
bäder. — 

8.  VH.  Status  idem.  Nachts  noch  4,  Tags  8 schleimigblutige  Stühle.  — 

— 01.  Ricin.  9,0,  Tct  Opii  croc.  1,0,  Chin.  mur.  1,0.  — Milch  mit  Ei. 

9.  VU.  — Chin.  mur.  1,0.  Erster  blutfreier  Stuhl. 

10—13.  VII.  Chin.  mur.  3,0,  Ipecac.  anemetin.  2,4.  Zunehmende  Besse- 
rung. Geformte,  blutfreie  Stühle.  Appetit.  Am  18.  VH.  geheilt  entlassen.  — 

Zu  deu  regelmässigen  classischen  Symptomen  der  Malaria  ge- 
hören die  „nervösen“.  Wir  hatten  sie  alle  draussen:  Kopfschmerz 
und  Gliederreissen , Tremor  und  Nausea,  Schlaflosigkeit,  ab  und  zu 
auch  ein  kleiner  Collaps.  Hallucinatorische  Delirien  habe  ich  zwei- 
mal beobachtet;  beide  äusserten  Verfolgungsideen.  Ein  Kranker  war 
mir  besonders  interessant  dadurch,  dass  er  in  dramatischer  Lebhaftig- 
keit, wie  es  in  Criminalromanen  geschildert  wird,  seine  Gewissens- 
hisse projidrte. 

Nicht  verschweigen  will  ich  jene  seltsamen  moralischen  Ver- 
irrungen, die  von  den  Laien  unter  das  Schlagwort  „Tropenkoller“ 
subsummirt  werden.  Es  handelt  sich  oft  um  Ungerechtigkeiten  gegen 
Farbige,  zuweilen  um  laxe  Auffassung  in  Geldsachen,  einige  Male 
auch  um  offenbare  Verstösse  gegen  die  europäischen  Rechtsbegriffe. 
Die  Fälle  sind  psychologisch  schwer  zu  analysiren.  Aber  es  machte 
meist  den  Eindruck , als  ob  unter  dem  Einfluss  schwerer  Malariafieber 
und  dauernder  Lebensgefahr  gewisse  Hemmungsvorstellungen,  die  als 
moralische  Motive  zu  wirken  pflegen,  geschwächt  waren,  und  nach 
der  Genesung  wieder  derart  erstarkten,  dass  die  Betreffenden  mit- 
unter ihre  eigene  Handlungsweise  nicht  mehr  begriffen.  Es  ist  dies 
ein  auch  in  anderen  Colonien  auftauchendes,  vorläufig  noch  un- 
gelöstes forensisches  Problem. 

Wirkliche  Geisteskrankheiten  habe  ich  bei  Europäern  draussen 
nicht  gesehen ; sie  sind  aber  zu  anderer  Zeit  ärztlich  constatirt  worden. 
Eine  vorübergehende  Gedächtnissschwäche  findet  unter  Nr.  29  Er- 
wähnung. 

Im  Koma  wurde  ein  Maschinist  unmittelbar  von  der  Reise  ein- 
geliefert: er  starb  wenige  Stunden  darauf.  Derselbe  war  in  Sidney 
ohne  ärztliche  Untersuchung  angemustert,  hatte  in  Neu-Guinea  mehrere 
Malariaanfälle  überstanden  und  war  von  mir  wegen  Herzverfettung 


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Aerztiiche  Erfahrungen  in  Neu-Ouinea. 


147 


infolge  Trunksucht  bereits  als  tropeauntauglich  eingereicht,  that  aber 
aus  Mangel  an  Ersatz  Dienst.  Dass  Koma  gerade  auf  Schiffen  häufiger 
vorkommt,  steht  wohl  im  Zusammenhang  mit  den  erwähnten  hohen 
Körpertemperaturen  daselbst.  Wie  viel  Antheil  Malaria,  wie  viel  rein 
„physikalischer“  Hitzschlag  daran  hat,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden*). 

Einer  besonderen  Erscheinung  muss  ich  hier  noch  gedenken, 
der  meningitischen  Reizung.  Was  ich  davon  sah,  war  nicht  ein 
eigentliches  Symptom  der  Malaria,  sondern  immer  ein  durch  directe 
Einwirkung  der  Sonnenstrahlen  auf  den  ungenügend  bedeckten  Kopf 
ausgelöster  Fieberanfall,  mit  qualvollem  Kopfschmerz,  geringer  Nacken- 
steife und  Pupillenenge  und  Temperaturen  zwischen  38°  und  39°. 
Diese  Erscheinungen  wurden  von  den  Laien  „Sonnenfieber“  genannt; 
eine  Bezeichnung,  die  aus  Ostafrika  stammt.  Sie  wichen  auf  Chinin 
und  Kaltwasserbehandlung  in  einigen  Tagen,  und  documentirten  sich 
so  als  zur  Malariagruppe  gehörig. 

Da  die  Haut  mit  ihren  Sch weissdrüsen  eine  wichtige  Rolle  bei 
der  Herabdrückung  der  Fieber  durch  Wärmeabgabe  sowohl,  als  auch 
bei  der  Ausscheidung  der  Stoffwechselproducte  spielt,  so  ist  jede 
Störung  oder  Abnormität  der  Schweissfunction  von  unangenehmer 
Bedeutung.  Eines  solchen  Falles  erwähnte  ich  unter  Nr.  1;  noch 
einen  zweiten  sah  ich  gelegentlich  in  collegialer  Praxis  am  27.  IV.  95, 
wo  der  Patient  trotz  stundenlanger  Ganzpackung  sich  keinen  Schweiss- 
tropfen  auspressen  liess.  Derselbe  hat  alsbald  Neu -Guinea  wegen 
schwerer  chronischer  Malaria  verlassen  müssen. 

Uebrigens  habe  ich  stets  gefunden,  dass  der  Schweiss  be;  Malaria 
einen  eigentümlichen  „specifischen“  Geruch  hat  (wie  bei  Tuberculose, 
Gelbfieber,  Diabetes  u.  s.  w.,  selbst  bei  Lues  und  Gonorrhoe).  Zwei- 
mal konnte  ich  bei  Europäern  aus  diesem  Geruch  den  bevorstehenden 
Anfall  Voraussagen,  der  zu  ihrem  Erstaunen  auch  innerhalb  24  Stun- 
den unvermutet  eintrat.  — 

Die  Malaria  ist  eine  Proteuskrankheit,  und  wohl  kein  Organ 
des  Körpers  ist  sicher,  dass  es  nicht  bei  irgend  einem  Anlass  (der 
dem  Zuschauer  wie  dem  Kranken  meist  dunkel  bleibt),  befallen  wird. 
Oft  erwachsen  daraus  diagnostische  und  demnach  auch  principiell 
terapeutische  Schwierigkeiten. 

Ich  erlebte  folgende  Complicationen : 


*)  Yergl.  die  analogen  Fälle  bei  Schellong  a.  a.  0.  p.  72  ff.  und  die  Kritik 
von  Stendel:  die  pemiciöse  Malaria  in  Deutsch -Ostafrika.  Leipzig  1894,  p-  78. 


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148 


Dr.  Otto  Dempwolft 


Nr.  11.  (Muskelinfiltration.)  17.  V.  95.  Pat.  ist  seit  einigen  Tagen 
erkältet:  Bronchialcatarrh  etc.  Hierzu  hat  sich  eine  leichte  Schwellung  des 
musc.  deltoid.  dextr.  gesellt  Dabei  abendliche  Fieberbewegungen  bis  38,0“. 
Infolge  neu  auftretender  Erkrankung  der  Adductoren  des  rechten  Oberschenkels 
Aufnahme  in’s  Hospital.  Hier  zeigen  die  genannten  Muskeln  eine  teigige  In- 
filtration, spontane  und  Druckempfindlichkeit  und  active  und  passive  BeweguDgs- 
hehinderung. 

Vom  17.— 19.  V.  angewandte  Priessnitx'sche  Umschläge  und  leichte  Massage 
sind  erfolglos. 

Vom  20. — 23.  V.  dazu  verabfolgte  Chiningaben,  1,0  pro  die,  führen  zn 
schneller  Besserung  unter  Rückkehr  zur  normalen  Temperatur. 

Am  24.  V.  wird  Pat  geheilt  entlassen. 

Nr.  12.  (Otitis  externa.)  22.  I.  96.  Pat,  der  seit  Wochen  fieberfrei 
ist,  aber  prophylactisch  kleine  Chiningaben  nimmt,  erkrankt  plötzlich  an  äusserst 
schmerzhafter  Schwellung  des  äusseren  Gehörganges  rechts.  Hörfähigkeit  normal. 
Lauwarme  Ausspülungen  befördern  nur  wenig  Ohrenschmalz  heraus. 

23.  I.  Besserung  auf  Bähungen  mit  Camillenthee. 

24.  I.  Stab  idem.  Kein  Fieber.  Zunehmende  Schmerzen. 

25.  I.  Incision  von  etwa  1 cm  Länge,  3 mm  Tiefe  im  Gehörgang,  geringe 
Eiterentleerung.  Die  Schmerzen  bleiben  trotz  Morph.  0,02. 

26.  I.  Qualvolle  Schmerzen  trotz  Morph.  0,03. 

27.  und  28.  I.  Schnelle  Besserung  und  Genesung  auf  hohe  Chiningabec 
(mehrmals  1,5). 

Nr.  13.  (Keratitis.)  Anfang  August  95.  Leichter  Intermitten sanfaü. 
Kurz  darauf  Fremdkörper,  Sandkorn,  in’s  linke  Auge,  der  zu  spät  und  ungenügend 
entfernt  wurde.  Darauf  Conjunctivitis,  wahrscheinlich  damals  schon  beginnende 
aber  übersehene  Keratitis.  Borwasser,  Zinc.  sulfocarbol  (0,3V»),  Ungt.  Hydraig. 
rubr.  (2%)  Cupr.  sulf.  (Aetzung)  verschlimmerten  den  Zustand  bis  zur  völligen 
Gebrauchsunfähigkeit  des  Auges. 

Am  28.  VIII.  wurde  die  Hornhauttrübung  constatirt  und  Atropin  verordnet 

I.  — 5.  IX.  Lichtscheu,  Orbitalschmerz,  Schlaflosigkeit  Kein  Fieber.  Linseo- 
grosse  Trübung  im  Homhautcentrum,  mit  grau  gekörnter,  feuchter  Oberfläche  und 
gelbem  erhabenem  Punkt  in  der  Mitte.  — Warnte  Umschläge.  Atropin,  Schwitz- 
bäder. — 

6.  IX.  Entfernung  eines  minimalen  Fremdkörpers  aus  dem  gelben  Central- 
punkt in  Cocainanästhesie  (durch  Missionsarzt  Dr.  Frobenius). 

7.  IX. — 10.  X.  langsames  Verschwinden  des  gelben  Centralpunktes.  Sons* 
stat  id.  et  therapia  eadem. 

II.  — 19.X.  Trockene  Schutzverbände,  Schwitzbäder,  allabendlich  0,5  Chm.: 
langsame  Besserung. 

20.— 31.  X.  Dunkeler  Schutzverband  im  Freien.  Ektropionirnng  des  entro- 
pionirten  unteren  Lides.  Chinin.  Schnelle  Besserung,  Vernarbung  des  Hornhaat- 
defectes  zu  einer  macula  corneae  superficialis. 

Pat.  hat  im  Jnli  97  im  Mittelmeer,  und  zwar  unmittelbar  anschliessend  ae 
einen  Intevmittensanfull.  ein  Rccidiv  bekommen,  das  auf  Atropin  local  und  Chinin 
innerlich  in  Deutschland  in  3—4  Wochen  ausheilte. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu -Guinea.  149 

Dass  diese  Fälle  mit  Malaria  in  causalem  Zusammenhang  stan- 
den, ist  nur  ex  juvantibus,  aus  dem  schnellen  Erfolg  der  Chinin- 
therapie, zu  schlie8sen.  Diese  ist  also  draussen  in  allen  derartigen 
dunkeln  Fällen  des  Versuches  werth. 

Die  Erscheinung,  die  noch  am  vollständigen  Bild  der  tropischen 
Malaria  fehlt,  die  Cachexie,  sah  ich  deutlich  ausgeprägt  nur  bei  einem 
Kinde,  dessen  Mutter  schon  ante  partum  an  Haemoglobinurie  gelitten. 
Der  Säugling  war  wohl  normal  gebildet,  blieb  aber  körperlich  wie 
geistig  in  seinem  ersten  Lebensjahre,  November  95  bis  December  96, 
so  lange  ich  ihn  beobachtet  habe,  sehr  zurück.  Schluss  der  Fon- 
tanellen im  vierten  Monat,  Durchbruch  des  ersten  Zahnes  im  elften 
Monat,  Unfähigkeit  sich  aufzurichten ; dabei  grosse  Milz  und  häufiger 
Darmcatarrh  setzten  das  traurige  Bild  zusammen.  Ein  ausge- 
sprochenes Fieber  habe  ich  nur  einmal  bei  ihm  als  mehrtägiges 
Remittens  gesehen,  das  auf  Chinin  0,1  mehrmals  und  Bäder  wich. 
Nachrichten  über  das  weitere  Schicksal  des  Kindes  (bis  Ende  97) 
erzählen  von  keiner  hervorragenden  Aenderung  im  Befinden  des  nun- 
mehr Zweijährigen. 

Ich  wende  mich  zur  Besprechung  unserer  Therapie  der  Malaria 
bei  Europäern  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen. 

Chinin  und  Hydrotherapie  waren  meine  ärztlichen  Verordnungen; 
eingehende  Pflege  aber  die  Hauptsache  der  Behandlung  bei  jeder 
ernsten  Erkrankung. 

Ueber  die  Grösse  der  Chiningabe  habe  ich  meine  Ansicht  lang- 
sam geändert:  ich  bin  zu  immer  kleineren  Gaben  gekommen.  Von 
2,0  pro  dosi  und  8,0 — 15,0  pro  Anfall  bin  ich  bis  0,5  oder  0,75 
pro  dosi  und  3,0 — 6,0  pro  Anfall  herabgegangen.  Dafür  aber  legte 
ich  je  länger  je  mehr  Gewicht  auf  die  Form  der  Verabreichung  und 
die  genaue  Zeitbestimmung. 

Haben  schon  die  verschiedenen  Chininsalze  einen  variirenden 
Procentgehalt  an  Chinin,  ist  schon  die  Löslichkeit  für  das  salzsaure 
Salz  eine  andere  als  für  das  schwefelsaure,  citronensaure,  bromwasser- 
stoffsaure u.  s.  w.,  so  wird  die  Resorbirbarkeit  noch  mehr  der  Con- 
trole  entzogen,  wenn  das  Präparat  in  Form  von  Pillen  gegeben  wird; 
— selbst  die  comprimirten  Tabletten  sind  sehr  ungleich  in  ihrer 
Löslichkeit  Wiederholt  habe  ich  den  Abgang  von  ungelösten  Pillen 
und  Tabletten  im  Stuhl  gesehen;  und  wenn  die  Laien  draussen  eine 
Art  Chininpillen  mit  Silberüberzug  sehr  bevorzugten,  „weil  sie  gar 
kein  Ohrensausen  machten“,  so  hiess  das  für  mich  nur:  weil  sie  gar 
nicht  oder  zu  langsam  zur  Resorption  gelangten.  Andererseits  kann 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


man  den  meisten  Menschen  Chinin  nicht  rein  in  Pulver  oder  Wasser 
geben,  ohne  durch  den  bitteren  Geschmack  Ekel  und  Brechreiz  her- 
vorzurufen. Ich  gab  deshalb  Chinin  zuletzt  nur  als  salzsaures  Prä- 
parat und  womöglich  in  Oblaten  oder  Gelatinecapsein;  und  zwar 
stets  per  os,  was  nach  Steudel’s  Rath*)  auch  mir  durch  suggerirenden 
Zuspruch  stets  gelungen  ist.  Subcutan  oder  intramusculär  habe  ich 
Chinin  nie  verabfolgt 

Um  die  concentrirte  Wirkung  einer  relativ  kleinen  aber  schnell 
resorbirbaren  Chiningabe  im  passenden  Augenblick  zu  erreichen,  habe 
ich  das  Hauptgewicht  der  Verordnung  auf  den  Zeitpunkt  gelegt,  in 
dem  es  genommen  werden  soll.  Daher  halte  ich  — was  Merenski**) 
in  einer  kleinen  Broschüre  hervorhebt  — eine  Weckuhr  neben  dem 
Thermometer  zu  den  nothwendigen  Utensilien  in  einer  Fiebergegend. 
Auch  in  Neu-Guinea  wäre  mancher  Rückfall  vermieden,  wenn  nicht 
der  Patient  die  rechte  Zeit  zum  Chininnehmen  verschlafen  hätte. 

War  das  Fieber  ein  ausgesprochenes  Intermittens  mit  Rückkehr 
zur  (und  unter  die)  Normaltemperatur,  so  verfehlte  die  Regel  „sechs 
Stunden  vor  dem  zu  erwartenden  Anfall“  nie  ihren  Zweck:  der 
nächste  Anfall  blieb  aus,  oder  spätestens  — wenn  eine  Tertiana 
duplex  vorlag  — wurde  das  Fieber  vom  übernächsten  Anfall  an  ab- 
geschnitten. 

Nr.  14.  (Chinintherapie  bei  Tertiana  duplex.)  7.1.96.  3 h.  p.  m 
40,5°.  — 5 h.  p.  m.  40,0°.  — 6 h.  p.  m.  89,5”.  — Nachts  Abfieberung.  Chinin  3fi. 

8.  I.  Th.  i.  m.  87,4°.  — 3 h.  p.  m 87,5*.  — 4 h.  p.  m.  39,2°.  — 5 h.  p.  m. 
89,2°.  — 6 h.  p.  m.  40,0°.  — 7 h.  p.  m.  39,0°.  Schweiss.  — Nachts  Abfiebeiw 
Chinin  2,0. 

fl.  I.  8 h.  a m.  38,0°.  — 2 h.  p.  m.  86,5°.  — 6 h.  p.  m.  87,0°.  — Nacks 
Chinin  2,0.  Dauernd  fieberfrei. 

Handelte  es  sich  um  Remittens,  so  wurde  Chinin,  nach  Hagge'i 
Vorgang***),  zur  Zeit  der  relativ  niedrigsten  Temperatur  verabreicht 
Es  wurde  so  das  Fieber  theils  direct  zum  Verschwinden  gebracht, 
theib  in  ein  Intermittens  umgewandelt 

Nr.  15.  (Chinintherapie  bei  Remittens.)  Pat  hat  am  10.,  11.,  ll 
und  13.  VIII.  96  tägliche  Fieber  bis  40,0°  mit  Remissionen  bis  88,0°  gehabt,  und 
ist  dabei  von  anderer  Seite  mit  Antipyrin  und  Phenacetin  behandelt  worden. 

Am  18.  VIII.  96.  4 h.  p.  m.  mit  39,5°  in 's  Hospital  aufgenommen,  hat  er 
Nachts  Remission  bis  37,5°  — um  7 h.  p.  m.  und  87.8°  — um  4 h.  a.  m.,  wobei  st 
jedesmal- 0,6  Chinin  erhält,  worauf  am  14.  VIEL  Intermission  bis  86,8°  einnia. 

*)  Steudel  a.  a.  O.  pag.  50. 

**)  Merenski:  Malaria  in  Ostafrika. 

***)  Hagge  a.  a.  O. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  15t 

Am  14.  Vin.  noch  Anstieg  bis  89,0*  um  6 ä.  p.  m.;  darnach  am  15.  VIII. 
Abfall  bis  36,5°  und  dauernde  Fieberfreiheit.  Qesammtchininverbrauch  7,2  g. 

Bestand  endlich  eine  Continua  (die  ich  nur  sehr  selten  sah),  so 
hiess  es  den  Organismus  dauernd  unter  Chinin  setzen,  womöglich  alle 
sechs  Stunden  0,6 — 1,5  g. 

Nr.  16.  (Chinintherapie  bei  Continua.)  Pat.  ist  am  6.  VUI.  95  an 
Fieber  erkrankt,  das  am  7.  VIII.  mit  39,5°  ohne  Remission  andauert.  Chinin  2,0 
Abends.  Trotzdem  am  8.  VUI.  Tags  und  Nachts  dieselbe  Temperatur.  Pat.  erhält 
nunmehr  5 g Chinin  in  24  Stunden,  worauf  am  9.  VIII.  eine  allmälige  Ab- 
fieberung  eintritt.  Nach  mehrmaligem  Chinin  1,5  bleibt  Pat.  dauernd  fieberfrei. 

Mit  solcher  Chinintherapie  sind  wir  draussen  aller  Malariaanfälle, 
die  nicht  mit  Schwarzwasser  verbunden  waren,  derart  Herr  geworden, 
dass  die  fieberfreien  Perioden  mindestens  sechs  Tage,  meistens  drei 
Wochen  dauerten. 

„Prophylactisches“  Chininnehmen  habe  ich  denen  angerathen, 
die  sich  selbst  so  beobachten  lernten,  dass  sie  die  Prodrome  ihrer 
Fieberattacken  rechtzeitig  erkannten;  die  Dosis  betrug  0,76  bis  1,6  g. 
Ich  selbst  habe  es  auf  diese  Weise  erreicht,  dass  ich  die  letzten  sieben 
Monate  meines  Neu -Guinea -Aufenthaltes  fieberfrei  geblieben  bin. 
Andere  nahmen  regelmässig  am  Sonnabend  Abend  1,0  Chinin  und 
•blieben  so  oft  monatelang  verschont.  Dass  auch  hierin  zu  weit  ge- 
gangen werden  kann,  dass  noch  so  reichliches  prophylactisches  Chinin- 
nehmen ohne  Indicationen  nichts  nützt,  gar  noch  schädlich  wirkt, 
bewies  ein  Fall,  wo  der  Patient  in  den  ersten  Monaten  seines  Aufent- 
haltes vom  18.  VI.  bis  18.  XII.  96  im  Ganzen  94  g Chinin  verbraucht 
hatte,  über  4 g pro  Woche.  Der  Betreffende  war  hochgradig  nervös 
geworden  — und  bekam  doch  am  22.  XII.  unter  Collaps  eine  hart- 
näckige Remittens,  die  erst  am  25.  XII.  lytisch  entfieberte. 

Andere  Arzneimittel,  als  Chinin,  habe  ich  im  Fieberanfall  mög- 
lichst vermieden.  Phenacetin  und  Antifebrin  gab  ich  mit  Rücksicht 
auf  das  Herz  nie,  Antipyrin  nur  bei  übergrossem  Kopfschmerz,  Chloral- 
hydrat  bei  Schlaflosigkeit. 

Dagegen  habe  ich  von  der  Hydrotherapie  ausgiebigen  Gebrauch 
gemacht:  kaum  ein  Fall,  bei  dem  sie  nicht  in  irgend  einer  Form 
zur  Anwendung  kam.  Packungen,  Klysmata,  Güsse,  Sitz-  und  genau 
temperirte  Vollbäder,  Dampfbäder,  kürz  alles,  was  draussen  unter 
den  oft  beschränkten  Verhältnissen  sich  machen  liess. 

Endlich  aber  habe  ich  immer  wieder  die  Erfahrung  gemacht, 
dass  die  Hauptsache  der  Malariatherapie  die  individualisirende  Pflege 
ist  Nicht  allein  meine  Medicamente  ufid  Vorschriften,  sondern  viel- 
mehr die  Art  ihrer  Anwendung,  die  umsichtige  Fürsorge  im  Kranken- 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


zimmer,  gut  Essen  und  Trinken  (Wein  als  Stimulans),  Zuspruch  im 
rechten  Augenblick  — jene  hundert  Kleinigkeiten  der  Krankenpflege 
waren  in  schweren  Fällen  lebensrettend.  Und  wie  einigen  Wenigen 
eine  liebende  Gattin  zur  Seite  stand,  so  fanden  wir  anderen  unbe- 
hülf liehen  Junggesellen  in  allen  schweren  Fiebertagen  in  unserer 
Schwester  vom  rothen  Kreuz  eine  unermüdliche  Wärterin,  der  wir 
alle  viel,  manche  ihr  Leben  verdanken. 

Ich  erwähne  noch,  ohne  es  näher  auszufuhren,  dass  ich  zur 
Nachkur  Eisen  in  allerlei  Formen  gegeben  habe,  als  Ferr.  reduct. 
als  Haemalbumin,  Liqu.  ferr.  albumin.,  Liqu.  ferr.  pepton.,  auch  als 
Chin.  ferrocitric.  u.  s.  w.  Deutliche  Erfolge  sah  ich  nie,  ebensowenig 
von  mehreren  streng  durchgefuhrten  Arsenkuren. 

Als  letztes  aber  sicherstes  Heilmittel  gegen  Malaria  gilt  Klima- 
wechsel. • Unsere  Vorschriften  erlaubten  die  Heimsendung  „wenn  der 
Beamte  in  eine  Krankheit  verfallen  ist,  von  der  eine  Wiederherstellung 
im  Schutzgebiet  nicht  zu  erwarten  steht“.  Auf  Grund  dieses  Para- 
graphen habe  ich  sechs.  Mann  das  Attest  zum  Klimawechsel  wegen 
Malaria  ausgestellt  Einer  ist  sieben  Monate  später  an  „Herzschwäche" 
gestorben  (Nr.  8);  von  dreien  erfuhr  ich,  dass  sie  noch  monatelang 
heftige  Fieber  durchgemacht  haben;  von  einem  bin  ich  ohne  jede 
Nachricht.  Nur  einer  ist  sofort  und  dauernd  geheilt  (Nr.  1),  der 
einzige,  der  eine  Höhencur  (in  Tosari  auf  Java)  etwa  zwei  Monate 
lang  durchgemacht  hat.  Nachdem  ich  noch  bei  einem  anderen 
schweren  Malariakranken  aus  Neu- Guinea  (nicht  meines  Clienteis) 
von  einer  sechswöchentlichen  Höhencur  im  Schwarzwald  und  Tyrol 
einen  überraschenden  Erfolg  gesehen  habe,  seitdem  werde  ich  allen 
derartigen  Kranken  nicht  Heimkehr  nach  Europa  sondern  Höhencur, 
eventuell  auch  in  den  Tropen  anrathen. 

Zum  Schluss  dieses  Abschnittes  habe  ich  noch  ein  Thema  zu  be- 
sprechen: die  verschiedene  Empfänglichkeit  der  Europäer  für  Malaria 

Die  Malariainfection  war  an  der  Astrolabe-Bai  so  ubiquitär,  das 
jeder  Neuankömmling  (ich  erlebte  hiervon  nur  eine,  hörte  von  zwei 
weiteren  Ausnahmen)  bis  zum  21.  Tage,  meist  genau  an  diesem, 
seinen  ersten  Fieberanfall  bekam.  Da  sich  aber  später  eine  grosse 
Verschiedenheit  hinsichtlich  der  Häufigkeit  und  der  Schwere  der  ein- 
zelnen Anfälle  herausstellte,  so  mussten  die  Ursachen  hierfür  in  der 
verschiedenen  Disposition  der  Einzelnen  oder  in  den  jedesmaliger 
Gelegenheitsanlässen  liegen. 

Was  nun  zunächst  die  Disposition  betrifft,  so  lag  sie  nicht  in 
der  Körperconstitution,  sondern  im  Temperament.  Sowohl  unter  den 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu -Guinea. 


153 


vollblütigen  blonden  Hünen  gab  es  zähe,  widerstandsfähige  Leute, 
die  sich  mit  seltenen,  leichten  Fiebern  begnügten,  als  auch  unter  den 
kleinen,  zarten,  behenden  Gestalten,  als  auch  endlich  unter  den 
Wenigen,  die  ihre  frische  Jugend  schon  hinter  sich  hatten,  ehe  sie 
herauskamen.  Und  umgekehrt  fielen  ebenso  von  den  offenbar  Ro- 
busten wie  von  den  zarter  Gebauten  gleich  viele  den  heftigsten  Fiebern 
anheim.  Dagegen  konnte  es  ausnahmslos  gelten,  dass  Phlegmatiker, 
religiöse  Naturen,  Fatalisten  den  Aufenthalt  in  Neu-Guinea  sehr  gut 
vertrugen,  ja  über  die  übliche  Contractzeit  von  drei  Jahren  bleiben 
konnten  oder  zum  zweiten  Male  hinausgingen,  während  Sanguiniker, 
Streber,  nervöse  Naturen  unter  jedem  Fieber  subjectiv  stark  litten, 
sich  vor  der  Zeit  aufrieben  und  meist  krank  heimgesandt  werden 
mussten.  Dies  ging  so  weit,  dass  man  neu  Ankommenden  quasi  die 
Prognose  nach  ihrem  Temperament  stellen  konnte. 

Ganz  ähnlich  verhielt  es  sich  mit  den  Anlässen,  welche  die  hef- 
tigen und  langwierigen  Malariaanfälle  auslösten.  Oft  konnte  man 
sehen,  dass  körperliche  Strapazen,  tagelange  Buschtouren,  nächtliche 
Bootsfahrten,  stundenlange  Durchnässungen  u.  dgl.  ungestraft  über- 
standen, oder  nur  mit  leichten  Fiebern  beantwortet  wurden. 

Nr.  17.  (Leichte  Malaria  nach  Strapazen.)  40jähriger  Mann.  Am 

13.  II.  96  Jagdparthie,  wobei  er  sich  Abends  vorirrt  und,  nur  mit  Hemd,  Hose, 
Hut  und  Schuhen  bekleidet,  im  Sumpfe  im  strömenden  Kegen  übernachtet.  Am 

14.  II.  fieberfrei.  Am  15.  n.  Abends  Fieber  bis  38,8°,  das  schon  Nachts  unter 
Sch  weissabfallt  und  durch  Chinin  dauernd  abgeschnitten  wird ; nächster  Anfall  am  22.  II. 

Dagegen  zogen  heftige  psychische  Erregungen,  Zank  mit  Unter- 
gebenen, Sorgen  um  Schulden  oder  Stellung,  gekränkter  Ehrgeiz, 
Aerger  über  vermeintlich  ungerechte  Behandlung  (und  wie  leicht 
fühlte  man  sich  verkannt,  benachtheiligt,  zurückgesetzt!)  u.  dgl.  un- 
fehlbar Fieber  nach  sich. 

Nr.  18.  (Auszug  aus  einem  Attest.)  „Was  gerade  in  diesem  Falle 
gegen  längere  Acclimatisationsversucho  spricht,  ist  die  geringe  Widerstandsfähig- 
keit des  Mannes,  welche  ihre  Ursachen  in  erster  Linie  in  seiner  seelischen  De- 
pression hat  ...  . In  seinen  Aeusserungen  tritt  immer  wieder  der  niederge- 
druckte Gemüthszustand  zu  Tage,  in  Gestalt  von  Reue  über  seine  hiesige  sociale 
Lage,  die  ihm  aus  pecuDiären  Gründen  und  infolge  der  Nichtverstaatlichung  seines 
Postens  so  herbe  Enttäuschungen  bereitet  habe u 

Am  schlimmsten  waren  diejenigen  daran,  die  durch  ihre  Stellung 
verhindert  waren,  sich  auszusprechen,  „den  Aerger  von  der  Leber  zu 
schimpfen“,  die  ihre  schwere  Verantwortlichkeit  mit  sich  allein  umher- 
tragen mussten.  Das  ist  meiner  Ansicht  ein  Hauptgrund,  weshalb 
die  obersten  Beamten  draussen  so  schnell  aufgerieben  werden. 

In  demselben  Sinne  wirkte  auch  schlechte  Ernährung  nicht  so 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


sehr  körperlich  (denn  Missionare,  Sammler  u.  A.  mussten  hierin  oft 
sehr  viel  entbehren  und  blieben  relativ  gesund),  als  vielmehr  durch 
die  damit  verbundenen  Sorgen,  sparen  zu  wollen,  Schulden  abzutragen 
u.  dgl.  Und  ebenso  wurden  alcoholische  Excesae  oft  staunenswerth 
vertragen,  wenn  sie  aus  Geselligkeit  hervorgingen,  rächten  sich  aber 
allemal  bitter,  wenn  ein  Aerger  weggetrunken  werden  sollte. 

Für  diese  paradox  klingenden  Behauptungen  kann  ich  nicht  alle 
Beweise  aufzählen,  weil  die  Geschichten  für  die  Betheiligten  zu  durch- 
sichtig und  ihnen  unangenehm  sein  würden.  Aber  es  ist  das  aus- 
nahmslose Resultat  meiner  Erfahrung,  dass  ebenso  wie  für  die  Malaria- 
prädisposition Temperament  entscheidender  ist  als  Körperconstätution, 
so  auch  für  die  auslösende  Veranlassung  und  Prognose  der  einzelnen 
Attacken  die  jedesmaligen  psychischen  Factoren  weit  wichtiger  sind, 
als  die  gleichzeitigen  somatischen. 


III.  Schwarzwasserfieber. 

Schwarzwasserfieber  — Malaria  haemoglobinurica  — stelle  ich 
deshalb  abseits  von  allen  anderen  Symptomen  und  Com plicationen 
der  Malaria,  weil  es  die  einzige  Art  „perniciöser“  Fieber  ist,  die  ich 
in  Neu-Guinea  zu  sehen  bekam,  weil  in  seiner  Therapie  Chinin  sich 
ganz  eigenartig  verhält,  und  endlich  weil  es  auch  sonst  in  der  deutschen 
Tropenliteratur  ein  besonderes  Thema  bildet,  zu  dem  diese  Seiten 
einen  kleinen  Beitrag  bilden  sollen. 

Bereits  von  Schellong*)  sind  in  Finschhafen  1886 — 1888  sieben 
Fälle  von  Malaria  haemoglobinurica  beobachtet  und  veröffentlicht 
worden.  Aus  den  folgenden  sechs  Jahren  sind  laut  den  Acten  der 
Neu -Guinea- Compagnie  auf  den  damaligen  Stationen  der  Colonie 
mindestens  ein  weiteres  Dutzend  solcher  Krankheitsfälle  vorgekommen; 
ebenso  nach  mündlicher  Mittheilung  unter  den  damals  dort  lebenden 
Missionaren  einige  Fälle;  aber  es  fehlen  alle  näheren  Angaben,  die 
eine  nachträgliche  Beurtheilung  erlaubten. 

Von  März  95  bis  Februar  97  habe  ich  14  Anfälle  von  dieser 
Krankheit  bei  7 Europäern  behandelt 

Ich  gebe  nachstehend  zuerst  die  Krankengeschichten  ziemlich 
ausführlich  wieder  und  schliesse  daran  ein  zusammenfassendes  Kid 
der  Krankheit,  wie  sie  damals  sich  in  mir  abspiegelte,  ohne  nach- 
trägliche theoretisirende  Betrachtungen  und  unter  Vermeidung  jeder 
literarischen  Polemik. 

*)  Sohellong  a.  a.  0.  pag.  58  ff. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu -Guinea.  155 

Krankengeschichten. 

Nr.  19.  (Tier  Anfälle  von  Schwarzwasserfieber.)  1864  geh.  — 
6 Jahre  in  Deli  (Sumatra),  Erholung  in  Deutschland;  seit  Jnni  94  in  Neu-Guinea. 
Schlanker,  bleicher,  weichlicher  Stubenmensch.  Hat  seine  Malariaanfälle  mit 
Chinin  und  Phenacetin  meist  selbst  behandelt  resp.  unterdrückt. 

1.  Anfall.  27.  XI.  95.  Seit  etwa  10  Tagen  Alcoholexcesse  und  Mattigkeit, 
seit  3 Tagen  nächtliche  Fieberanfälle,  wogegen  allabendlich  Chinin  1,0,  gestern 
1,5  und  Phenacetin  1,0.  — Mitternachts  Brechen  bitterer  Massen,  Hitzegefühl, 
Durst,  dunkler  Urin. 

10  h.  a.  m.  Status  praesens:  Relative  Frische  im  Gesammt-Eindruck. 
Temp.  88,3*.  Puls  84,  klein.  Haut  bleich,  feucht  Leichter  Icterus  der  Con- 
junctiven.  Drin  400  g dunkelbraunroth.  Ueberführung  in’s  Hospital.  Daselbst 
kommt  Pat.  in  Schweiss,  gähnt  viel,  ist  aber  geistig  klar  und  frei  von  Beschwerden. 
Herztöne  rein.  Herz,  Leber,  MUz  in  Rückenlage  innerhalb  der  normalen  Grenzen. 
Milzrand  nicht  palpabel.  Urin  noch  300  g,  heller,  sherryfarben.  Kochprobe 
ergiebt  Gerinsel  von  brauurother  Färbung  erst  als  Haut  dann  am  Boden.  Heller’sche 
Blutprobe  negativ.  Auf  Eisessig  etc.  Teichmann’sche  Crystalle.  Sediment: 
spärliche  blasse  polyedrische  Zellen  mit  kleinem  deutlichen  Kern,  einige  Rund- 
zeUen  und  ganz  seltene  rothe  Blutkörperchen,  sonst  alles  gelbrother  körniger 
Detritus,  zuweilen  in  Cylinderform  angeordnet.  Blut  der  Fingerkuppe  zeigt 
60  - 65%  Hb. 

Behandlung:  Keine  Medicamente.  Lauwarme  (36°  C.)  Waschungen. 
Viel  Getränke:  Selters,  Thee,  Lemonenwasser  mit  Rothwoin. 

28.  XI.  95.  Temp.  Nachts  87,5°,  Morgens  36,6”.  Pat  hat  gut  geschlafen. 
Puls  84,  klein,  weich.  Auf  01.  Ricin.  6,0  weicher  Stuhl.  Viel,  nicht  stark 
riechender  Schweiss.  Etwas  Nahrungsaufnahme,  Eier,  Brot,  Hühnerleber.  Bei 
S‘/m  Liter  Flüssigkeitsoonsum  nicht  ganz  1 Liter  hellrothen  satzfreien  Urin. 
Innere  Organe:  Status  idem.  2 laue  Bäder.  Mittags  1,5,  Abends  1,0  Chinin. 

29.  XI.  95.  Temp.  Nachts  38,0”,  Tags  unter  87,0”.  Subjective  Besserung, 
Viel  übelriechender  Schweiss.  Urin  wieder  hell,  blut-  und  eiweissfrei.  Chinin 
1,0.  Warme  Bäder. 

30.  XI.  Stat.  id.  Chin.  1,0.  — Hämoglobingehalt  45%. 

1.  XQ.  Pat  verlässt  gegen  ärztlichen  Rath  das  Hospital;  nach  14  Tagen 
hat  er  wieder  65%  Hb. 

2.  Anfall.  18.  U.  96.  Pat  ist  bis  zum  17.  H.  von  Fiebern  frei  gewesen, 
hat  an  diesem  Tage  Temp.  bis  38,4°  gehabt,  darauf  Chinin  1,5  und  am  18.  II. 
Morgens  bei  36,8  Temp.  noch  Chinin  1,0  genommen.  Mittags  ist  Bluthamen 
aufgetreten,  das  sich  als  Haemoglobinurie  herausstellte.  Darauf  Bettruhe,  keine 
Medicamente,  viel  Getränk.  Am  19.  H.  Urin  noch  bluthaltig,  am  20.  H.  noch 
Spuren  von  Blut.  Tags  darauf  thut  Pat.  schon  Dienst  (Die  Temperaturen  sind 
nicht  aufgezeichnet  da  Pat  Dicht  in's  Hospital  aufgenommen  ist) 

3.  Anfall.  28.  VH.  96.  Pat  ist  angeblich  seit  Februar  fieberfrei  ge- 
blieben und  bat  seither  nur  2 g Chinin  prophylaktisch  verbraucht  Seit  8 Tagen 
im  Anschluss  an  anstrengende  Arbeit  (Arbeiter -Ablohnung)  grosse  Mattigkeit 
Deshalb  als  Vorbeugung  für  geplante  nächtliche  Bootsfahrt  gestern  Abends  7 Uhr 
Chinin  1,0  in  Pillen;  um  11  Uhr  während  des  Kofferpackens  plötzlich  Er- 
brechen, dunkler  Urin,  Fieber  bis  88,6”.  Nachts  anhaltend  schlechter  Zustand, 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


Morgens  7 Uhr  Besserung,  aber  noch  schwarzer  Urin.  Um  8 h.  30  a.  m.  Ver- 
schlechterung, erneutes  Fieber  und  Brechen. 

Status  praesens.  10  h.  30  a.  m.  Pat.  sitzt  halb  aufgerichtet  im  Bett,  in 
leichtem  Schweiss.  Icterus  der  Conjunctiven,  nicht  der  Haut.  Temp.  39.2°, 
Puls  120.  Herz  etwas  matt,  aber  regelmässig  und  rein.  Leber  und  Milz 
nicht  wesentlich  vergrössert.  Urin  bordeauxfarben.  Kochprobe  ohne  Leim- 
geruch, erstarrt  fast  ganz.  Heller’ sehe  Blutprobe  negativ.  Sediment  spärlich,  der 
sehr  gelb  gefärbte  Detritus  liegt  zusammengeballt  und  lässt  einmal  eine  Becher- 
zelle deutlich  erkennen. 

Behandlung:  Keine  Medicamente.  Lemonenwasser.  Camillenthee.  12  h. 
Temp.  40,2°. 

3 h.  p.  m.  Temp.  38,2°.  Pat.  ist  apathischer,  gähnt  und  schwitzt  sehr  viel. 
Er  hat  auf  Camillenthee  nicht  mehr  gebrochen.  Urin  wie  vor. 

5 h.  p.  m.  Temp.  38,3°,  Puls  120. 

8 h.  Temp.  37,9°.  Status  idem. 

10  h.  p.  m.  Pat.  schlaft.  Urin  Tags  über  300  g. 

27.  VII.  6 h.  a.  m.  Temp.  37,2°.  Urin  500  g,  wie  gestern. 

8 h.  a.m.  Temp.  36,9°,  Puls  92  voll,  gut.  Icterus  nur  der  Conjunctivea. 
Haut  feucht  Herz  wie  gestern.  Milz  überragt  eben  den  unteren  Rippenrand. 

Um  "/4IO  Uhr  verlässt  Pat  das  Bett  zu  spontanem,  angeblich  gutem  Stuhl. 
Unmittelbar  darauf  Schüttelfrost,  Temp.  89,5°.  Erbrechen,  tintenfarbener  Urin, 
tiefe  Zerschlagenheit,  quälender  Durst. 

11  h.  a.  m.  Verschlechterter  Status:  Pat.  wirft  sich  auf  dem  Lager  um- 
her, stöhnt,  athmet  unregelmässig,  seufzend.  Erbrechen.  Haut  heiss,  trocken, 
nicht  spröde.  Conjunctiven  stark  gelb.  Lippen  sehr  blass.  Puls  klein,  weich, 
aber  regelmässig.  Herz  sehr  matt  Leber  und  Milz  wie  sonst.  Urin  schwarzroth 
ohne  Satz,  nur  am  Filtir  erscheint  etwas  Sediment:  Detritus,  ausgelaugte  rothe 
Blutkörper,  tote  Epithelzellon , keine  Crystalle.  Kochprobe  erstarrt  fast  ganz. 
Heller' sehe  Blutprobe  giebt  rothen  Satz;  aber  auch  die  Flüssigkeit  darüber  hell- 
scharlachfarben. 

Behandlung:  Keino  Medicamente.  Sect  mit  Sodawasser.  Camülenthee 
u.  dgl.,  was  theilweise  wieder  erbrochen  wird. 

3 h.  p.  m.  Temp.  88,0°,  Puls  120.  Starker  Schweiss.  Schmerzen  in  der 
Lebergegend  und  beim  Räuspern  im  ganzen  Rumpf.  — Pat.  wird  sorgfältig  über- 
wacht, so  dass  er  das  Bett  nicht  verlässt,  und  erhält  warme  Waschungen. 

6 h.  p.  m.  Temp.  37,0°,  Puls  84.  Subjective  Besserung.  Urin  Tags  über 
800  g,  bordeauxfarben , aber  trübe ; Sediment  neben  Detritus  viel  rothe  Blut- 
körperchen und  kleine  Epithelien,  keine  Cylinder;  Eiweissgehalt  geringer,  bei  der 
Heller’ sehen  Probe  tritt  neben  völliger  Aufhellung  der  Flüssigkeit  rother  Satz  auf. 

28.  VII.  96.  8 h.  a.  m.  Temp.  36,2°,  Puls  88.  Nachts  ruhiger,  beaufsich- 
tigter Schlaf.  Status  unverändert  Urin  400  g heller,  sehr  trübe;  das  suspen- 
dirte  Sediment  besteht  — neben  etwas  Detritus  und  rothen  Blutkörperchen  — 
fast  nur  aus  kurzen  hellgelben,  nadelartigen  Gebilden.  Sowohl  Teichm&nn'sche  wie 
Murexidprobe  negativ,  Heller’sche  und  Kochprobe  stark  positiv. 

Behandlung  dieselbe  mit  warmen  Bädern  und  etwas  Nahrungsaufnahme. 
Tags  über  Temp.  37 — 37,8°,  Puls  80-90,  Urin  wie  vor. 

29.  VII.  96.  Vormittags  Status  idem,  Nachmittags  wird  der  Urin  — 200  g — 
plötzlich  ganz  klar  hellgelb,  blut-  und  eiweissfrei.  Sonst  derselbe  Zustand  grosser 


Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


157 


Mattigkeit,  Schmerzen  in  der  Leber-  und  rechten  Schultergegend.  Innere  Orgaue 
ausser  der  vergrösserten  Milz  nicht  als  verändert  nachzuweisen. 

30.  VII.  96.  Dauernd  fieberfrei.  Urin  Vormittags  braunroth,  trübe,  deut- 
lich Blutfarbstoff,  kein  Eiweiss  enthaltend,  Nachmittags  auch  blutfrei.  Im  Blut 
der  Fingerkuppe  45—50%  Hämoglobin. 

81.  ID.  96.  Fieberfrei.  Urin  ganz  eiweissfrei,  Spuren  von  Blut  Besse- 
rung anhaltend.  Pat.  ist  ausser  Bett 

Im  August  96  bleibt  Pat.  matt  und  kränkelnd,  sein  Hämoglobingehalt  steigt 
nicht  über  50%.  Doch  bleibt  er  fieberfrei  bis  auf  , einen  Temperaturanstieg  bis 
89°  am  9.  VIII.  Als  er  darnach  Chinin  0,5  mehrmals  nimmt,  zeigt  der  Urin 
wieder  Spuren  von  Blut  Es  wird  ihm  dringend  wiederholt  ärztlich  gerathen,  mit 
dem  nächsten  Postdampfer  am  30.  VIU.  das  Schutzgebiet  zu  verlassen.  Er  bleibt 
jedoch  noch  in  Neu-Guinea  bis  zum  25.  X.  96  und  hat  in  dieser  Zeit  trotz  Dienst- 
befreiung und  Pflege  beständiges  Krankheitsgefühl  und  häufige  kleine  Fieber,  gegen 
welche  er  Chinin  ä 0,5  nimmt.  Vor  seinem  Weggang  wird  — zur  Attestaustei- 
lung — am  20.  X.  96  folgender  Status  aufgenommen: 

Pat.  ist  mager,  mit  schlaffen  Hautdecken,  von  bleicher  Farbe,  ohne  Oedeme. 
Die  Augenbindehaut  ist  gelblich.  Temp.  37.7.  Herz  innerhalb  der  normalen 
Grenzen,  Töne  rein,  Puls  92,  klein,  regelmässig.  Lungen  ohne  Besonderheiten. 
Milz  reicht  zum  Bippeorande.  An  den  übrigen  Organer  nichts  Ungewöhnliches. 
Urin  gelb,  klar,  frei  von  Eiweiss;  der  Niederschlag  nach  Kochen  mit  83%  Kali- 
lauge ist  röthlich:  Spuren  von  Blutfarbstoff.  Im  Blut  beträgt  der  Farbstoffgehalt 
70%  des  Normalen.  — 

Ich  habe  Gelegenheit  genabt,  den  Pat.  später  wiedeizusehen.  Er  war  weder 
nach  Europa,  noch,  wie  ihm  gerathen,  nach  Java  zur  Höhencur  gegangen,  sondern 
hatte  sich  im  November  und  December  in  Singaporo,  im  Januar  und  Februar  in 
Japan  aufgehalten.  Als  ich  ihn  Anfang  März  97  wieder  in  Singapore  traf  und 
untersuchte,  war  er  sehr  elend,  aber  ausser  Bett  Er  hatte  beständig  um  88  ' 
Temp.,  eine  handbreit  den  Hippenbogen  überragende  Milz  und  beginnende  Oedeme 
um  die  Knöchel,  die  auf  Herzschwäche  schliessen  liessen.  Trotz  allseitigen  Zu- 
spruchs verzögerte  er  seine  Abreise. 

Am  ll.  in.  97.  brach  Vormittags  ein  vierter  Anfall  von  Schwarz- 
wasserfieber bei  ihm  aus,  zu  dem  ich  gerufen  wurde.  Pat.  hatte  erst  heftigen 
Schüttelfrost,  dann  bei  40 — 40,5°  tiefe  Apathie,  so  dass  ich  nur  erfahren  konnte, 
er  habe  kein  Chinin  unmittelbar  vorher  genommen,  dagegen  eine  ihm  von  anderer 
Seite  verordnete  Arsenkur  Tags  zuvor  auf  dem  Höhenpunkt  abgebrochen. 

Ueber  den  Verlauf  dieses  Anfalls  habe  ich  nur  kurze  Notizen  ohne  Temp.- 
Angaben  zur  Hand.  Pat.  blieb  bis  zum  12.  UI.  Abends  in  hohem  Fieber  und 
entleerte  häufig  kleine  Mengen  tintenfarbenen  Urins.  Drohende  Herzschwäche 
wurde  mit  Sect  bekämpft,  sonst  erhielt  er  nur  Camillenthee  und  Sodawasser.  Am 
12.  III.  bekam  er  dann  verdünntes  Liquor  Fowleri  tropfenweis  in  Wasser.  Als  in 
der  Nacht  zum  13.  HI.  das  Fieber  abfiel  und  der  Urin  sich  bis  zur  Sbcrryfarbe 
aufhellte,  wurde  Pat.  aus  dem  Hotel  ins  englische  Hospital  überführt.  Hier  ist 
er  — nachdem  die  Hämoglobinurie  angeblich  aufgehört  — am  20.  III.  an  Herz- 
schwäche gestorben. 

Nr.  20.  (Zwei  Anfälle  von  Schwarz  Wasserfieber.)  Ehemaliger  Ma- 
rine-Unterofficier,  etwa  30  Jahre  alt,  seit  Herbst  93  im  Schutzgebiet.  Uutcr- 

ArcMr  f.  Schiff»-  u.  Tropenhjgiene.  II.  1 2 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


setztcr  muskulöser  Mann,  der  ausser  einem  heftigen  Malariaanfall  October  94  nur 
leichtere  Fieber  gehabt  hat,  die  ihn  selten  dienstunfähig  gemacht  haben. 

1.  Anfall.  16.  XII.  95.  Anamnese:  Am  14.  XII.  2,5  g Chinin  pro- 
phylactisch.  am  15.  XII.  trotzdem  Fieberanfall;  nach  dem  Abschwitzen  Abends  1.5 
Chinin,  am  16.  XII.  Morgens  1,0  Chinin,  Mittags  langer  Schüttelfrost,  hohes  Fieber, 
dunkelrother  Urin.  Abends  Aufnahme  in’s  Hospital. 

Status  praesens  16.  Xü.  Pat.  liegt  im  Schweiss.  Temp.  37,2°.  Icterus 
der  Conjunctiven.  Ausser  mässiger  Milzvergrösserung  an  inneren  Organen  nichts 
Ungewöhnliches.  Urinsediment  nur  körniger  Detritus. 

Behandlung:  Keine  Medicamente;  viel  Getränke,  warme  Bäder. 

17.  XII.  Temp.  36,0^36.7  . Leichter  Icterus  der  Haut;  Urin  hellt  sich 
auf.  Viel  Schweiss  und  Schlaf. 

18.  XII.  Morgens.  Temp.  36,1’.  Chinin  1,5.  Vier  Stunden  später 
Schüttelfrost  Stark  dunkler  Urin  mit  Detritus-Sediment.  Heller'sche 
Blutprobe  gelingt  erst  nach  Mischung  mit  normalem  Urin.  Temp.  39,2  bis  38,2* 
(Abends)  — keine  Medicamente,  warme  Waschungen,  viel  Getränk. 

19.  XII.  Fieberfrei.  Ürin  hellt  sich  auf,  wird  blut-  und  eiweissfrei. 

20. — 27.  Xü.  Vollständige  Reconvalftscenz  ohne  Verabfolgung  von  Medica- 
menten. 

Pat.  macht  vom  6. — 8.  II.  einen  leichten  Intermittensanfall  durch,  und  ver- 
braucht 8,5  Chinin  — ohne  Hämoglobinurie;  ebenso  vom  23. — 25.  II.  mit  2,75 
Chinin. 

2.  Anfall.  23.  HI.  96.  Pat.  weiss  nicht  genau  anzugeben,  wann  er  zu- 
letzt prophy laotisch  Chinin  genommen.  4 Uhr  Nachmittags  bemerkt  er  blutigen 
Urin;  dabei  Temp.  38,6°;  Abends  Temp.  37,7°.  Der  Urin  zeigt  deutlich  Blutfarb- 
stoff. Pat.  bleibt  zu  Bett  und  schwitzt  viel. 

24.  III.  Temp.  um  38,0’  bis  Mittags.  Urin  hellt  s\ph  auf. 

25.  III.  Pat.  hat  Nachts  um  10  und  um  3 Uhr  Chinin  genommen,  zu- 
sammen jedenfalls  über  1 g.  Morgens  8 Uhr:  Fieber  bis  39,4*.  Urin  dunkelroth. 
Uämoglobmhaltig.  Pat.  schwitzt  stark,  hat  Abends  36, 8e.  Kein  Chinin  mehr. 

26  III.  Pat.  ist  fieberfrei.  Urin  hell,  blut-  und  eiweissfrei. 

Pat.  ist  seitdem  matt  und  ermüdet  sehr  leicht.  Er  macht  in  den  nächsten 
beiden  Monaten  noch  zwei  leichte  Fieberanfälle  ohne  Sch w-arz wasser  durch,  gegen 
die  er  etwa  3,0  Chinin  a 0,5  verbraucht.  Am  10.  V.  96  verlässt  er  auf  Attest 
das  Schutzgebiet. 

Nr.  21  (Drei  Anfälle  von  Schwarzwasserfieber.)  Pat.  ist  Anfangs 
Zwanziger.  Hat  in  Deutschland  an  schwerer  Lues  monatelang  im  Hospital  gelegen 
Magerer,  schmaler  Mann  mit  nervösen  Bewegungen.  Seit  Februar  95  im  Schutz- 
gebiet, liat  seine  leichten  Malariaattacken,  ohne  viel  Chinin  zu  nehmen,  „abge- 
schwitzt.*1 

1.  Auf  all.  28-  XII.  95.  Pat.  erhält  nach  nächtlichem  Fieberanfall  um 
7 Uhr  Morgens  Chinin  1,0.  Mittags  Fieber  38,2*.  Urin  dunkelroth. 
Hämoglobin  haltig.  Icterus  der  Conjunctiven  und  Haut,  Erbrechen,  grosse 
Schwache.  Nachmittags  wird  Pat.  in  s Hospital  gebracht,  wo  er  unter  reichlichem 
Schweiss  abfiebert  uud  ohue  medicamentöse  Behandlung  gepflegt  wird.  Urin  hellt 
sich  schon  am  29.  Xll.  völlig  auf.  Icterus  ist  auch  am  1.  I.  96  völlig  geschwunden, 
worauf  Pat.  entlassen  wird. 

Am  4.  I.  hat  Pat.  Durchfall  im  Auschluss  au  kleine  Aicuholexcesse. 


Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guiuea. 


169 


Am  7.  I.  machte  er  ein  leichtes  Fieber  durch,  bei  dem  auch  im  Urin  deut- 
lich Blut  nachzuweisen  ist;  dabei  bat  er  keine  Arzneimittel  genommen  (ausser 
seit  dem  1.  I.  Ferr.  reduct.  0,1  tgl.  3 mal.) 

2.  Anfall.  15.  I.  96.  Nachmittags  trat  Fieber  auf,  Abends  erhält  Pat. 
Chinin  1,0.  Nachts  Schüttelfrost,  Erbrechen,  Fieber,  dunkelrotber 
Urin. 

16.  I.  fieberfrei;  kein  Chinin;  permanentes  Erbrechen,  steter  Schweins  trotz 
vielem  Wäschewechsel,  Icterus  der  Conjunctiven.  dauernd  blutiger  Urin;  schlaf- 
lose Nacht. 

17.  I.  Status  idem,  schneller  Kräfteverfall,  Ohnmachtsanwandlungon  beim 
Aufrichten.  Pat.  wird  ins  Hospital  gebracht. 

18.  I.  Pat.  ist  sehr  unruhig,  Temp.  norm.,  Puls  120 — 130.  klein,  weich. 
Urin  hellt  sich  langsam  auf;  sonst  Status  idem. 

19.  I.  Vormittags  vorübergehend  38,0°.  Erbrechen  hört  auf.  Pat.  wird 
ruhiger  und  sehr  matt  Urin  hell,  blut-  und  eiweissfrei. 

20.  — 30.  I.  Sehr  langsame  Besserung. 

31.  I.  Neuer  Fieberanfall,  Urin  klar.  Kein  Chinin. 

1.  II.  Ebenso,  heftiger.  Chinin  1.0.  Urin  bleibt  klar. 

2.  II.  Ebenso,  leichter.  Chinin  1,5.  Urin  klar.  Viel  Schv.  jiss  u.id  Brechen. 
Grosse  Schwäche. 

2.  — 21.  II.  Langsame  Reconvalescenz.  Grosse  Erregbarkeit.  Nach  see- 
lischen Erregungen  kurze  Temperatursteigerungen  bis  38,4°.  Chinin  8,0  prophy- 
laktisch. 

22.  und  28.  II.  Heftiger  Fieberanfall,  nachdem  Pat.  einen  schwer  verletzten 
Javanen  blutüberströmt  gesehen.  Chinin  8,0.  Urin  klar. 

27.  II. — 11.  HI.  Es  bilden  sich  mehrere  grosse  Furunkel  an  der  rechten 
Wange.  Da  Pat.  messerscheu  ist,  werden  sie  mit,  Reisumschlägen  behandelt. 

Am  11.  ID.  Incision  der  Furunkel  und  Eiterentleerung,  worüber  Pat.  un- 
gemein  erregt  wird,  und  ein  Fieber  befürchtet 

3.  Anfall.  11.  IH.  96.  Pat.  nimmt  deshalb  Abends  9 Uhr  Chinin  1,5 
prophylactisch.  Um  2 Uhr  Nachts  Schüttelfrost,  Athemnoth,  Temp.  39,7°.  Er- 
brechen, Urin  schwarzroth,  stark  eiweiss-  und  blutfarbstoff  haltig. 

12.  HI.  Kein  Arzneimittel.  Allmälige  Abfieberung  unter  starkem  Schweiss. 
Urin  'wird  klar,  blut-  und  eiweissfrei.  Im  Blut  25%  Hb! 

Pat.  hat  am  15.  HL  96  mit  dem  Postdampfor  das  Schutzgebiet  verlassen 
und  ist  in  Deutschland  angekommen. 

Nr.  22.  (Zwei  Anfälle  von  Schwarzwasserfieber.)  Eude  Zwanziger. 
Seit  Juni  93  im  Schutzgebiet  Weniger  Malariaanfälle  als  andere,  darunter  an- 
geblich im  ersten  Jahre  einmal  Schwarzwasserfieber.  Aversion  gegen  Chinin. 
Kleiner,  kräftiger  Mann,  Turner. 

1.  Anfall.  15.  I.  96.  Am  18.  I.  leichtes  Fieber,  das  am  14.  I.  anhält, 
trotz  zweier  Dampfbäder  und  Chinin  1,5.  In  der  Nacht  vom  14.  zum  15.  an- 
geblich drei  Schüttelfröste,  hervorgerufen  durch  unbekleidetes  Gehen  zum  Abort 
und  Wecken  des  schlafenden  Boys;  darauf  Fieber  über  40°,  dunkler  Urin,  grosse 
Schwäche,  gegen  Morgen  starker  Schweiss. 

Status  praosens:  15.  I.  7>>  » T.  39.7.  P.  140.  Pat.  liegt  unruhig 
im  Schweiss.  Icterus  der  Conjunctiven  und  der  Haut,  Sensorium  klar.  Urin 
200  g porterfarben.  Kochprobe  zeigt  scbmutzigbraunos  Gerinsel  an  der  Ober- 

12* 


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160  Dr.  Otto  Dempwolff. 

fläche.  Heller' sehe  Blutprobe  positiv.  Sediment  besteht  nur  ans  dunklem  körniges 
Detritus. 

Pat.  wird  ins  Hospital  transportirt.  Hier  schwankt  die  Temperatur  zwischen 
88,2°  und  39,7°  fallt  dann  dauernd  unter  88’.  Dabei  starker  Sohweiss,  etwas  Er- 
brechen, innere  Unruhe,  heftige  Herzpalpitationen.  Urin  noch  400  g,  wie  oben.  — 
Kein  Arzneimittel,  lauwarme  Waschungen,  Thee,  Sodawasser,  Sect 

16.  I.  Nachts  etwas  Schlaf.  Tags  fieberfrei.  Viel  Schweiss.  Grosse 
Schwäche  und  Unruhe.  Urin  hellt  sich  auf,  Blutprobe  noch  positiv.  Behandlung 
wie  vor. 

Vom  17. — 22.  I.  Fieberfrei.  Urin  dauernd  blut-  und  eiweissfrei.  Icterus 
verschwindet  Ziemlich  schnelle  Reoonvaleseenz. 

22-  I.  geheilt  aus  dem  Hospital. 

Nach  kleinen  Alcoholexcessen  vom  29.  I.  bis  2.  H.  nachmittägliche  Fieber, 
gegen  die  Pat.  erst  am  2.  II.  und  3.  H.  Morgens  Chinin  1,5  nimmt  Der  Urin 
ist  in  dieser  Zeit  dauernd  normal.  Am  3.  II.  begiebt  sich  Pat,  obwohl  noch 
schwach,  auf  eine  dreiwöchentliche  Seereise  zur  Erholung. 

2.  Anfall.  Anamnese:  Auf  dieser  Reise  am  22.  H.  Morgens  Uandausflug 
in  Sonnenhitze,  Abends  kaltes  Flussbad.  Nachts  zutn  23.  II.  Fieber.  Am  22.  H 
Abonds  und  23.  II.  Morgens  je  1,0  Chinin.  Seit  23.  II.  Mittags  schmerzhafte 
Blutharnen,  Gelbsucht,  unstillbares  Erbrechen,  Schlaflosigkeit,  tiefe  Erschöpfung. 
Schweiss,  hoi  jedem  Luftzug  Frösteln,  oft  Schüttelfröste,  Temp.  bald  36’  bald 
über  40’. 

Status  praesens  25.  II.  2b-P  m-  Pat.  liegt  in  passiver  Rückenlage  auf  einer 
Bank  in  der  Cajüte;  seine  Hautdecken  sind  dunkelgelb,  die  Augen  geschlossen, 
der  Unterkiefer  bängt  herunter,  der  Athem  geht  ziemlich  ruhig,  Puls  120,  regeln 
Temp.  37.2’.  Auf  Fragen  schlägt  er  die  Augen  auf,  und  giebt  Antwort,  ist  aber 
sofort  wieder  apathisch.  An  den  inneren  Organen  als  krankhaft  nnr  die  ver- 
grösserte  Milz  zn  finden.  Urin  dunkelroth,  Sediment  nur  feinkörniger  Detritus: 
Blut-  und  Eiweissprube  positiv. 

Pat  in’s  Hospital  gebracht  erhält  ein  hoisses  Bad  (40’  C.),  in  dem  er  4 Mi- 
nuten trotz  Widerstreben  gehalten  wird.  Darnach  starker  dreistündiger  Schweiss. 
später  Nachschweiss. 

26.  II.  Nachts  Ruhe  und  Schlaf.  Tags  Temp.  86 — 37°.  .Kein  Erbreche: 
mehr,  leichter  Schweiss.  Im  Urin  noch  Blut  und  Eiweiss.  Keine  Medicaraeste 

27.  — 29.  II.  Fieberfrei.  Icterus  verschwindet.  Urin  hell,  trübe,  kein 
Blutfarbstoff,  otwas  Eiweiss.  Tiefe  Schwäche  und  nervöse  Reizbarkeit  Klystier». 

I.  — 10.  IH.  Sehr  langsame  Reoonvaleseenz.  Urin  dauernd  gut  Liqu.  ferr 
albuminat.  tgl.  3mal  10.0. 

II.  III  Mittags  Fieber  bis  89,5’.  Kein  Chinin. 

12.  111.  Morgens  Chinin  0,7.  Darnach  Fieber  bis  88,0.’ 

13.  III.  Morgens  Chinin  0,7.  Fieberfrei.  Urin  dauernd  gut 

Tat  verlässt  am  15.  in.  das  Schutzgebiet  Damals  25 — 30*/»  Hämo- 
globin. Er  hat,  brieflichen  Nachrichten  zufolge,  im  Sommer  96  noch  einmal  is 
Deutschland  einen  Schwarzwasserfieberanfall  überstanden,  und  ist  darnach  gänz- 
lich malariafroi  geblieben. 

Nr.  23.  (Ein  Anfall  von  Schwarzwasserfieber.  Lethale  Ahnria.1 
Mitte  Zwanziger.  Ehemals  Marine-Unterofficier;  seit  Juli  95  im  Lande.  Kleiner, 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  161 

muskulöser  Mann,  hat  häufige  leichte  Fieber  gehabt,  war  Anfang  96  wochenlang 
auf  einer  Nebenstation  als  einziger  Europäer. 

Am  9.  und  10.  III.  9b.  Intermittensanfälle,  4,0  Chinin. 

Am  15.  DI.  Bootsparthie,  Durchnässung,  Alcoholexcess.  Vom  20. — 21.  III. 
Fieber,  Chinin  8,0.  Am  23.  HI.  Morgens  36 ",  Chin.  1,2.— 9 •»•  *>'*•“•  noch  von 
mir  besucht:  Temp.  36,4°.  P.  90  weich.  Schweiss,  Mattigkeit.  Mittags  angeblich 
im  Anschluss  an  das  Erbrechen  einer  Chininkapsel  einstiindigcr  Schüttelfrost, 
Delirion,  schwarzrother  Urin,  Gailerbrechen.  Die  von  anderer  Seite  gemessene 
Temp.  soll  41,3°  betragen  haben. 

Status  praesens  23.  III.  96.  Sb-P-™-  T.  41,4°.  P.  HO.  Herztöne  rein. 
Lippen  livide.  Gailerbrechen.  Im  Regen  in’s  Hospital  überführt.  Hier  T.  41,2°. 
P.  120.  Sensorium  klar.  Haut  heiss,  trocken.  Icterus  gering.  Kein  Erbrechen. 
Urin  200  g schw&rzroth.  Sediment  nur  körniger  Detritus.  Viel  Eiweiss.  Heller’sche 
Blutprobe  auf  Zusatz  von  normalem  Urin  positiv.  — Pat.  bekommt  ein  Bad  30°  C. 
10  Minuten,  später  ein  Klysma,  Abends  Ganzpackung,  kein  Medicament,  viel 
Selterwasser.  T.  sinkt  nur  bis  39,8°. 

24.  III.  Nacht  schlaflos.  Ab  und  zu  Erbrechen.  Erst  nach  zwei  Ganz- 
packungen von  je  zwei  Stunden  uud  Bad  30°  10  Minuten  tritt  Mittags  Schweiss 
und  langsame  Abfieberung  auf.  Nachmittags  ein  spontaner  Stuhl  uud  nach  21- 
stündiger  Pause  110  ccm  schwarzrothen  Urins.  Sonst  Status  idem. 

25.  III.  Pat  ist  fieberfrei.  Haut  stets  feucht,  zunehmend  icterisch.  Un- 
stillbares Erbrechen,  leichter  Singultns.  Beginnende  Apathie.  — Vollbad,  Klystna,  — 
Sodawasser,  Haferschleim,  Rothwein  u.  s.  ,w. — Kein  Urin!  Deshalb  Abends  sub- 
cutane  Injection  von  700  cm  0,6%  Kochsalzlösung  von  40°  C. 

26.  HI.  Fieberfrei.  Urin  nach  38stündiger  Pause  7 ccm,  trübe,  gelbgrün- 
lich, wenig  Blut,  sehr  viel  Eiweiss,  Sediment  nur  Detritus.  Zuehmendo  Apathie, 
Mittags  4 Stunden  Schlaf,  sonst  stetes  Erbrechen,  zunehmender  Singultus.  — 
Vollbäder,  kalte  Güsse,  heisse  Sitzbäder,  Klysmata,  Catherisation  und  Blasen- 
epülung  mit  0,6%  warmer  Kochsalzlösung.  — Viel  Getränke  und  Stimulanzen, 
die  meist  erbrochen  werden. 

27.  HI.  Stat.  id.  Kein  Urin.  — Liqu.  Kal.  aoet  erbrochen,  Diuretin  0,5 
subcutan.  Amoniacalische.  urinöse  Hautausdünstung. 

28.  HI.  Stat.  id.  Dreimal  je  3—5  ccm  Urin,  klar,  olivenfarben,  blutfrei, 
fast  ganz  zu  Eiweiss  erstarrend.  — Stuhlgang  schwarz. 

29.  in.  Stat.  id.  Urin  zweimal  wie  Tags  zuvor.  Abends  ein  urämischer 
Anfall,  clonische  Krämpfe,  5 Min.  lang,  ohne  Bewusstsein,  mit  späterer  Amnesie. 

30.  HI.  Zunehmende  Schwäche  und  Apathie,  aber  klares  Sensorium.  Zwei- 
mal im  Sitzbad  je  10  ccm  Urin,  wie  zuletzt,  mit  hyalinen  Cylindern.  Dreimal 
spontanen  Stuhl:  reine  Galle.  Erbrechen  nur  zweimal.  Stets  Singultus.  Etwas 
Schlaf.  — Neben  allerlei  Excitantien  Diuretin  1,2  subcutan. 

31.  in.  Subnormale  Temp.  35.4  Urin  10  ccm.  Sonst  Stat.  id.  Diuretin 
5,0  per  Klysma. 

1.  IV.  Nachts  sohlaflos  wegen  unstillbaren  Singultus.  Temp.  unter  86°. 
Sensorium  klar,  jedoch  ohne  Krankheitseinsicht.  Nachmittags  zunehmende  Schwäche, 
Abends  7h  45’  gleich  nach  einem  Sitzbad  urämischer  Anfall,  Nystagmus,  Chevne- 
Stoke,  auf  Aether  2,0  subcutan  noch  5 Minuten  Sopor,  dann  wieder  Krämpfe, 
und  trotz  Aether  noch  vor  8h  Exitus. 

Die  am  nächsten  Morgen  vorgenommene  Bauchseotion  ergab:  In  der 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


Bauchhöhle  2 Esslöffel  trüber  gelber  Flüssigkeit.  Netz  fettreich.  Milz  14  at 
lang.  8.7  breit,  2.8  dick;  Kapsel  derb,  Schnittfläche  blass,  Zeichnung  undeutlich 
Nieren  14,3  cm  lang,  9 cm  breit.  Kapsel  leicht  anziehbar.  Consistenz  hin. 
Zeichnung  der  Schnittfläche  stark  ausgesprochen,  unverändert,  dabei:  linke  Niert 
dunkelbauroth,  rechte  blassrosa.  Weder  an  den  Harnleitern,  noch  an  den  Nieres- 
gefässen  grob  anatomische  Veränderungen.  Harnblase  stark  zusammengezoget. 
leer.  Leber:  26,5  cm  lang,  20.5  breit,  8,7  dick.  Kapsel  ohne  Auflagerunges, 
von  glatter  Oberfläche,  unter  der  man  die  Leber  selbst  grob  gekörnt  durchfüih. 
Schnittfläche  zeigt  ockergelbe  etwas  erhabene,  durch  braunrothe  schmale  Zwischea- 
substanz  getrennte  Leberläppchen  von  Linsen-  bis  Pfenniggrösse  ohne  fernen- 
Zeichnung.  Gallenblase  mit  Galle  angefüllt,  Gallenwege  und  Lebergefässe  ohae 
sichtbaro  Veränderung.  — Auffallend  ist  der  gute  Ernährungszustand  der  Leiche. 

Nr.  24.  (Zwei  Anfälle  von  Schwarz  Wasserfieber.)  Anfang  Vier- 
ziger. Ehemaliger  Marineofficier.  Gross  und  schlank,  Germanentypus.  Lange 
in  Ost-Afrika  und  anderen  Malarialändera  gelebt  wo  er  nur  auf  Stunden  Fieber 
gehabt  hat  Seit  November  98  im  Schutzgebiet;  hier  eigentlich  nur  einmal. 
August  95  durch  dreitägige  Continua  dienstunfähig  gewesen. 

1.  Anfall.  9.  VII.  96.  Im  Mai  96  acute  Erkältung  gelegentlich  eine: 
Dienstreise;  seither  Frösteln  und  Kreuzschmerz  bei  Wind.  Am  7.  VH.  J — 2 g 
Chinin  gegen  kleine  Temperatursteigerung,  und  vermehrte  Kreuzschmerzec. 
8.  VII.  Besserung.  9.  VII-  Chinin  1,0.  Vier  Stunden  darnach  Frösteln,  erneute 
heftige  Kreuzschmerzen,  angeblich  kein  Fieber. 

Status  praesens.  9.  VII.  5&  P “■  Temp.  88,2'.  Puls  100.  Ange- 
griffenes Aussehen.  Haut  etwas  feucht.  Conjunctiven  rein.  Innere  Organe  ausser 
massig  vergrösserter  Milz  normal.  Urin  c.  100  g schwarzroth.  Sediment:  viel 
Detritus.  Rundzellen  und  sparsame  rothe  Blutkörperchen.  Koohprobe  stark  poräiv 
Heller'sche  Blutprobe  ohne  Satz.  — Kein  Medicament.  Watte  auf  s Kreuz.  Ca- 
millenthee. 

10.  VH.  Fieberfrei.  Urin  hellt  sich  auf.  Pat.  steht  auf. 

12.  VII.  Urin  blut-  und  eiweissfrei.  Zunehmende  Besserung. 

14.  VII.  Pat.  fühlt  sich  gesund  und  thut  Dienst  Im  Blut  75V»  Hb. 

2.  Anfall.  11.  Yin.  96.  Pat.  hat  Anfangs  August  neues  Fieber  be- 
kommen, das  sich  zu  einer  Remittens  ausbildet,  die  allen  Maassnahmen  trotr. 
hauptsächlich,  weil  Pat.  durch  kein  Mittel  und  keinen  hydrotherapeutischen  Ein- 
griff zum  Schwitzen  zu  bringen  ist.  Pat.  hat  vom  1. — 6.  VTU.  etwa  9 g Chine 
genommen,  dann  ausgesetzt,  in  der  Absicht,  am  10.  VIII.  eine  energische  Chiainkur 
mit  8,0  pro  die  zu  beginnen.  Er  nimmt  am  10.  VIU,  Chinin  1,0,  am  11.  VHL 
zweimal  dieselbe  Gabe.  Dabei  ist  der  wiederholt  untersuchte  Urin  hellgelb,  Hat. 
frei  von  Blut,  Eiweiss  und  Zucker. 

Am  11.  VIU.  Nachts  plötzlich  heftige,  beängstigende  Rücken-  und  Girtai- 
sehmerzen.  Hämoglobinurie,  die  nach  reichlicher  Flüssigkeitsaufnahme  schon  in 
Laufe  des  12.  VIII.  verschwindet;  dabei  kein  Erbrechen,  Icterus  u.  s.  w.  China 
wird  dauernd  ausgesetzt. 

Die  febris  remittens  hält  mit  Temp.  zwischen  87,6*  und  88,8'  noch  woefe«- 
Ituig  an.  ohne  jedoch  den  kräftigen  Pat.  wesentlich  herunterzubringen ; Schlaf  und 
Appetit  sind  gut,  nur  Neuralgien  im  Rücken  und  nervöse  Erregbarkeit  treten  ant 
Erst  Mitte  September  weicht  das  Fieber  bei  einer  Höhencur  in  Java,  zu  der  Pst 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guioea.  163 

am  80.  TIU.  das  Schutzgebiet  verlicss.  Er  ist  im  December  von  Java  voll- 
kommen gesund  nach  Deutschland  heimgekehrt. 

Nr.  25.  (Zwei  Anfälle  von  Sohwarzwasserfieber.)  Etwa  30  Jahre. 
Seit  October  94  im  Schutzgebiet.  Grosser,  mittelstarker  Mann  von  lebhaftem 
Temperament.  Häutige  leichte  Fieber. 

Der  erste  Anfall  trat  am  7.  I.  97.  im  Verlauf  eines  gewöhnlichen  Fiebers 
mit  mässigem  therapeutischen  Chininverbrauch  auf,  bestand  in  starker  Hämo- 
globinurie und  leichtem  Conjunctivalicterus  ohne  andere  Complirationen;  der 
Urin  hellte  sich  in  2 Tagen  unter  symptomatischer  Behandlung  und  Aussetzen 
aller  Medicamente  zur  Norm  auf. 

Weitere  Notizen  über  diesen  Fall  fehlen  mir,  da  ich  ihn  nur  in  Consul- 
tation  sab. 

Pat.  hat  noch  einen  zweiten  Anfall  von  Hämoglobinurie  im  März  97  über- 
standen, und  daraufhin  im  April  97  das  Schutzgebiet  verlassen. 


Epikrise. 

Das  Gemeinsame  aller  dieser  Krankheitsfälle  war  das  „Schwarz- 
wasser“. Dass  es  sich  um  Hämoglobinurie  handelte,  ist  von  mir  in 
jedem  Falle  — auch  wenn  es  nicht  jedesmal  erwähnt  ist — chemisch 
und  mikroskopisch  festgestellt.  Gleichzeitiger  Icterus  war  nicht  so 
constant.  Andere  Begleiterscheinungen  — Gallerbrechen  u.  s.  w. 
wechselten  sehr.  — Sämmtliche  befallenen  Personen  lebten  seit  min- 
destens neun  Monaten  in  einem  Malarialande,  hatten  wiederholt  ge- 
wöhnliche Fieber  gehabt,  meist  auch  unmittelbar  vor  dem  Schwarz- 
wasserfieber Anfall,  oder,  mit  anderen  Worten,  sie  bekamen  im  \ er- 
lauf einer  latenten  oder  manifesten  Malaria  einen  Anfall  von  Hä- 
moglobinurie. Hierbei  an  eine  accidentelle  neue  Krankheit  zu  denken, 
gar  an  eine  neue  Infeetionskrankheit,  war  durch  nichts  gerechtfertigt; 
der  Zusammenhang  mit  Malaria  lag  auf  der  Hand;  die  Congruenz 
mit  den  anderwärts  beschriebenen  Fällen,  bei  denen  Plasmodien  ge- 
funden sind*),  schloss  jeden  Zweifel  aus. 

Dass  Blutzersetzung  — denn  in  einem  plötzlichen  Austritt  des 
Hämoglobins  aus  den  rothen  Blutkörperchen  liegt  der  Ursprung  der 
Hämoglobinurie  — dass  Blutzersetzung  als  seltenes,  „pemieiöses* 
Symptom  gerade  bei  einer  Infeetionskrankheit,  die  sich  im  Blut  ab- 
spielt, auftreten  könne,  wäre  ein  nahehegender,  ein  „natürlicher“ 
Zusammenhang.  Trotzdem  konnte  ich  den  Vorgang  nicht  als  ein, 
wenn  auch  seltenes,  so  doch  der  tropischen  Malaria  eigenthümliches 

*)  F.  Plehn:  Ueber  das  Schwarzwasserfieber  an  der  afrikanischen  Westküste 
Deutsche  Med.  Wchschr.  1895.  N.  25 — 27. 


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164 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


Symptom  anerkennen,  sondern  hielt  sie  für  eine  von  aussen  hinein- 
getragene  Complication. 

Zunächst  hatte  ich  hierfür  einen  historischen  Grund.  Malaria, 
auch  in  den  schwersten  tropischen  Formen,  ist  seit  Jahrhunderten 
den  Aerzten  klinisch  bekannt  und  von  ihnen  oft  und  gut  beschrieben 
worden:  aber  Blutharnen  wird  nie  erwähnt.  In  dem  die  ganze  da- 
malige Literatur  verwertkenden  Buch  von  Hasper  aus  dem  J.  1831*), 
welcl  es  ich  draussen  besass,  werden  Urine  bei  Gelbfieber  und  Pest 
sehr  ausführlich  beschrieben,  aber  vom  Urin  bei  Malariafieber  ist  nur 
von  „hoch  gefärbten  und  rothen“  und  von  „grünen,  grünlichbraunen“ 
die  Rede,  nicht  von  den  unverkennbar  schwarzrothen  des  Blutharns 
Zu  diesem  negativen  kommt  noch  das  positive  Zeugniss  Hirsch’s**), 
der  mit  vielfachen  Literaturbelegen  darthut,  dass  Schwarzwasserfieber 
erst  um  die  Mitte  dieses  Jahrhunderts  beschrieben  wird.  Es  ist 
dies  dieselbe  Zeit,  wo  die  Chininsalze  erfunden  waren,  und 
schnelle  Verbreitung  fanden. 

Dazu  erschienen  in  jenem  Sommer  95  die  Arbeiten  von  Steudel 
und  F.  PI  ahn,  in  denen  u.  a.  der  Letztere  ausfuhrt:  „Das  Chiain 
vermag  ....  beim  relativ  Gesunden  Hämoglobinurie  hervorzurufen, 
ein  gewöhnliches  Fieber  in  ein  hämoglobinurisches  zu  verwandeln 
und  ein  hämoglobinurisches  in  erheblicher  Weise  zu  verschlimmern**. 
In  demselben  Sinne  hatte  mir  bereits  bei  meiner  Ankunft  der  seit 
etwa  5 Jahren  im  Land  wirksame  Missionsarzt  Dr.  Frobenius 
erzählt,  dass  er  u.  a.  bei  zwei  Missionarsfrauen  nach  kleinen  Chinin- 
gaben unter  1,0,  sei  es  therapeutisch,  sei  es  prophylactiich  gegeben, 
fast  immer  Schwarzwasser  beobachtet  habe. 

Endlich  haben  mich  die  von  mir  selbst  gesehenen  Fälle  zu  dem 
Schlüsse  geführt,  dass  die  Blutzersetzung  kein  reines  Mp.lariasymptom, 
sondern  eine  Complication  sei,  welche  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
in  causalem  Zummenhang  mit  dem  genossenen  Chinin  stehe,  also  zn 
den  Nebenwirkungen  der  Arzneimittel  zu  rechnen  sei.  Bei 
Nr.  19,  3,  Nr.  *20,  1,  Nr.  21,  1,  2 und  3,  Nr.  22,  2 und  Nr.  24,  2 
ist  das  „post  hoc“  so  rein  ausgeprägt,  dass  ich  auch  von  dem  „propter 
hoc“  überzeugt  wurde. 

Infolge  dieser  Thatsachen  und  Schlussfolgerungen  kam  ich  zu 

*)  Hasper:  Ueber  die  Natur  und  Behandlung  der  Krankheiten  der  Tropen- 
linder—  Leipzig  1831. 

**)  Hirsch:  Handbuch  der  historisch -geographischen  Pathologie  Stuttgart 
1881-86. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu -Guinea. 


166 


dem  Entschluss,  in  Uebereinstimmung  mit  Fisch*),  Kohlstock**)  und 
F.  Plehn***),  Chininauszusetzen,  so  lange  als  Blut  im  Urin  war.  Nur 
beim  ersten  beobachteten  Anfall  (Nr.  19,  1)  habe  ich  noch  geschwankt, 
und  mit  mittleren  Chiningaben  experimentirt.  Von  andern  Arznei- 
mitteln gab  ich  nur  milde  Laxantia  und  Stimulantia,  und  suchte 
durch  reichliche  Flüssigkeitszufuhr  die  Diurese  aufrecht  zu  erhalten. 
Daneben  verordnete  ich  hydrotherapeutische  Maassnahmen  und  legte 
das  Hauptgewicht  auf  die  unausgesetzte  Pflege,  kurz  eine  Behandlung, 
wie  sie  in  den  citirten  und  anderen  Arbeiten  ausführlich  beschrieben 
ist.  Hierdurch  ist  jeder  Anfall  in  mindestens  1 2,  höchstens  90  Stunden 
zum  Schwinden  gebracht,  mit  Ausnahme  von  Nr.  23,  bei  dem  das 
Hämoglobin  durch  die  functionsunfähigen  Nieren  nicht  ausgeschieden 
werden  konnte,  dafür  aber  in  Gestalt  von  Galle  sich  einen  Ausweg 
suchte,  und  die  Leber  in  exstremster  Weise  in  Anspruch  nahm,  wie 
der  Sectionsbefund  bewies.  Ob  in  Nr.  19,4  die  wieder  aufgenommene 
Arsentherapie  die  Ilaemoglobinurie  zum  Stillstand  brachte,  wage  ich 
ebenso  wenig  zu  entscheiden,  wie  ich  diesen  Anfall  selbst  dem  plötz- 
lichen Unterbrechen  der  Arsenkur  mit  Sicherheit  zuschreiben  kann. 
Noch  ein  Bekenntniss  will  ich  nicht  unterdrücken,  dass  ich  nämlich 
glaube,  in  Nr.  23  mit  der  Hydrotherapie  des  Guten  zuviel  gethan 
zu  haben,  und  durch  die  forcirten  Schwitzcuren  zwecks  Herabsetzung 
der  hohen  Temperatur  am  ersten  Krankheitstage,  bei  gleichzeitigem, 
ungestilltem  Erbrechen  eine  Eindickung  des  Blutes  herbeigeführt  zu 
haben,  welche  wiederum  die  Anurie  verursacht  oder  verschlimmert 
hat.  Es  möge  dieser  Missgriff  eine  Warnung  für  ähnliche  Fälle  sein. 

Nach  überstandenem  Anfall  gab  ich  stets  — auch  wenn  es  nicht 
in  meinen  Notizen  angeführt  ist  — Eisen,  meist  als  Albuminat,  und 
erlaubte  Chinin  in  der  Regel  erst  wieder,  wenn  der  Hämoglobin- 
gehalt sich  nach  Prüfung  mit  dem  Fleischl’schep  Apparat  gehoben 
hatte;  auch  in  der  letzten  Zeit  nur  in  kleineren  Gaben  (0,3 — 0,7), 
als  sonst  zur  Bekämpfung  und  Vorbeugung  acuter  Fieberanfälle  üb- 
lich waren  (1,0 — 2,0). 

Die  Erfolge  dieser  abwartenden  und  vorsichtigen  Therapie  waren 
derartige,  dass  ich  mich  auf  Versuche  mit  anderen  Methoden  (hohe 
Chiningaben,  Phenocoll  u.  s.  w.)  nicht  eingelassen  habe:  1 Todesfall 
unter  7 Erkrankten  und  unter  14  Anfällen. 

Wenn  ich  noch  die  6 gleichen  Anfälle  bei  weiteren  4 Europäern 

*)  Fisch:  Anleitung  zur  Behandlung  tropischer  Krankheiten.  Basel  1891. 

**)  Kohlstock:  Berl.  klin.  Wchschr.  1892.  Nr.  18. 

***)  F.  Plehn.  a.  a.  0.. 


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166 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


hinzurechne,  die  in  derselben  Zeit  und  später  (bis  Ende  97)  tos 
anderen  Aerzten  in  Deutsch-Neu-Guinea  nach  gleichen  Grundsätzen 
behandelt  wurden  und  durchkamen,  so  stellt  sich  die  Mortalität  auf 
1:11  Personen,  oder  1 : 20  Anfälle,  also  auf  9 #/0,  resp.  5°/#.  Da- 
mit steht  unser  Schutzgebiet  ähnlich  da,  wie  die  afrikanischen,  die 
(nur  Erkrankungen  rechnend),  an  verschiedenen  Stellen*)  bei  einem 
Material  von  18 — 53  Anfällen  zwischen  4 °/0  und  17,4  °/#  Mortalität 
aufweisen.  Auch  in  dieser  Hinsicht  also  verdient  Neu-Guinea  iur 
besser  als  sein  Ruf  anerkannt  zu  werden. 

Infolge  der  schnellen  Genesungen  und  oft  überraschenden  Re- 
convalescenzen  habe  ich  durchaus  nicht  gleich  Jedermann^  der  einmal 
Schwarzwasserfieber  überstanden,  für  reif  zur  Heirosendung  erklärt. 
Es  lag  dies  aber  an  den  in  Frage  kommenden,  von  Hause  aus  sek 
kräftigen  Personen  — ich  hüte  mich  deshalb  vor  Verallgemeinerung 
Auch  diese  wurden  an  Ort  und  Stelle  in  kurzer  Zeit  dienstunfähig;  die 
Seereise  in  Nr.  22  war  nur  von  ungünstigen  Einfluss;  gewöhnlicher 
Klimawechsel  ist  nicht  immer  erfolgreich,  wie  Rückfälle  beweisen,  die 
zum  Theil  veröffentlicht,  zum  Theil  mir  mündlich  mitgetheilt  sind.  Für 
die  einzig  Erfolg  völliger  Genesung  und  Tropendiensttauglichkeit  ver- 
sprechende Maassnahme  muss  ich  nach  den  jetztigen  Erfahrungen 
eine  Höhencur,  in  den  Tropen,  oder  im  Sommer  der  gemässigten 
Zonen  halten,  und  ich  komme  wieder  auf  die  Forderung  eines  Höhen- 
sanatoriums  im  Schutzgebiet  selbst  zurück. 

Ich  fasse  folgende  These  als  Ergebniss  dieses  Capitels  zusammen: 

Schwarzwasserfieber  kommt  zur  Zeit  in  Deutsch-Neu-Guinea  — 
wie  in  Afrika  — als  Complication  von  tropischer  Malaria  vor;  e 
besteht  in  Hämoglobinauflösung  im  Blut  und  -ausscheidung  durch 
Leber  und  Nieren,  und  ist  wahrscheinlich  als  Nebenwirkung  von 
therapeutisch  oder  prophjlac tisch  gebrauchten  Chininsalzen  anzusehen 
Das  Wesen  und  die  Bedingungen  dieser  paradoxen  Chinin  Wirkung 
sind  unbekannt.  Rein  abwartende  Behandlung  ohne  Chinin  mit  gute 
Pflege  hat  bisher  die  günstigsten  Resultate  erzielt  Die  Tropentaug- 
lichkeit ist  von  Fall  zu  Fall  zu  entscheiden;  es  ist  anzunehmen,  da& 
sie  durch  vorübergehenden  Höhenaufenthalt  zu  erhalten  oder  wieder- 
zugewinnen ist. 

*)  Kohlstock  in  Deutsche  med.  Wchscbr.  1865.  Nr.  48. 

A.  Plehn:  Tropische  Malaria  in  Kamerun.  Berlin  1896. 


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Zur  Frage  des  prophylactischen  Chiningebrauchs  in  tropischen 
Malaria-Gegenden 

von 

Dr.  0.  Schellong,  Königsberg. 

In  der  Behandlung  der  tropischen  Malaria  hat  das  Chinin  den 
ersten  Platz  behauptet  und  konnte  darin  auch  durch  kein  anderes 
Medicament,  wie  Arsenik  oder  Methylenblau  verdrängt  oder  auch 
nur  ersetzt  werden.  In  dieser  Beziehung  herrscht  unter  den  Tropen- 
ärzten aller  Nationalitäten  und  aller  Gegenden  der  Welt  eine  geradezu 
imponirende  Uebereinstimmung*).  Divergirende  Anschauungen  sind 
nur  über  die  Art  und  Weise  des  Chiningebrauchs,  z.  B.  über  die  Zeit 
der  Darreichung,  die  Höhe  der  Einzeldosis  etc.  hervorgetreten ; aber 
auch  hier  gilt  als  feststehend,  dass  man  mit  einer  energischen 
Gesammtmenge  des  Medicaments  operiren  muss,  wenn  man  einen 
guten  Heilerfolg  erzielen  will;  es  gehört  eben  — das  ist  die  Er- 
fahrung der  Practiker  — eine  Reihe  fortgesetzter  Chiningaben 
dazu,  um  die  Malaria  zu  heilen,  oder  richtiger  gesagt,  den  Kranken 
in  einen  Zustand  Zurückzufuhren,  in  welchem  er  wiederum  gesund 
erscheint,  keine  Fieberanfälle  mehr  bekommt,  keinen  Milztumor  und 
keine  auffallende  Anämie  mehr  aufweist**).  Wird  das  Chinin  dagegen 
in  ungenügender  Menge  gegeben,  so  sind  zahlreiche  neue  Fieber- 
anlälle  das  Gewöhnliche  und  die  Kranken  verfallen  schliesslich  dem 
Malariasiechthum:  das  Eine  für  den  Practiker  so  selbstverständlich 
wie  das  Andere  und  ausserhalb  jeder  Discussion  stehend. 

Hier  soll  nur  von  einer  bestimmten  Art  des  Chiningebrauchs, 
dem  sog.  prophylactischen  Chiningebrauch  die  Rede  sein.  Was 

*)  Just  Navarre  (Lyon  med.  10.  Mai  1896)  giebt  dem  Ausdruck,  indem  er 
sagt,  dass  ein  Leben  für  den  Europäer  in  den  Tropen  ohne  Chinin  überhaupt 
nicht  denkbar  sei. 

**)  Ob  die  Malariaparasiten  dann  den  Körper  verlassen  haben,  die  Heilung 
also  eine  absolute  ist,  wird  in  den  meisten  Fällen  unentschieden  bleiben,  da  man 
ja  im  Allgemeinen  nur  die  Abwesenheit  der  gerade  im  Blut  kreisenden  Parasiten 
nachzuweisen  im  Stande  sein  wird. 


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Dr.  0.  Schellong. 


bezweckt  derselbe?  Roll  er  die  Krankheit  verhüten?  oder  nur  das 
Hauptsymptom  der  Krankheit,  den  Fieberanfall?  oder  soll  das  Chinin 
vor  den  schweren  Malaria-Erscheinungen  schützen,  vor  dem 
pemiciösen  Fieber,  der  Hämoglobinurie,  der  Malariakachexie,  dem 
Impaludismus  in  seiner  schwersten  Form?  0 

Strenge  genommen  könnte  doch  nur  von  einer  Prophylaxe  der 
Krankheit,  nicht  auch  von  einer  solchen  bestimmter  Krankheite- 
symptome  die  Rede  sein,  und  consequenter  Weise  müsste  man  sich 
also  den  Begriff  des  prophylactischen  Chiningebrauchs  für  diejenigen 
selteneren  Fälle  reserviren,  in  denen  ein  Mensch  Chinin  nimmt,  noch 
bevor  er  die  Malariagegend  betreten  hat;  denn  in  dem  andern  Falle, 
in  welchem  die  Malariainfection  erst  etablirt  und  manifest  geworden 
ist,  wird  es  sich  doch  richtiger  um  therapeutische  Chininwirlamgen 
handeln,  und  der  prophylactische  Chiningebrauch  bei  Malaria  wäre 
dann  gleichbedeutend  mit  der  Malariabehandlung  durch  fort- 
gesetzten Chiningebrauch. 

Fassen  wir  zunächst  die  folgenden  Punkte  in’s  Auge:  t.  Welches 
ist  der  gewöhnliche  Hergang  einer  Malariainfection  in  einer  tropischen 
Malaria-Gegend?  2.  In  welcher  Weise  wird  dieselbe  durch  das  Chinin 
beeinflusst? 

In  ersterer  Beziehung  ist  daran  festzuhalten,  dass  die  Malaria- 
infection fast  ausnahmslos  von  einem  Jeden  acquirirt  wird,  welcher 
sich  eine  Zeit  lang  in  einer  tropischen  Malaria-Gegend  authält;  und 
zwar  ziemlich  ohne  Unterschied  vom  Europäer,  wie  vom  Farbigen; 
die  Eingeborenen  der  Malaria -Gegend  selbst  erkranken  in  einem 
ausserordentlich  hohen  Procentsatz  an  Malaria*).  Unbezweifelt  ist 
ferner  die  Thatsache,  dass  die  Malariainfection,  einmal  etablirt,  in 
den  allermeisten  Fällen  einen  chronischen  Krankheitszustand 
darstellt,  in  welchem  die  Anämie  vorherrscht  und  welcher  den 
Kranken  nicht  mehr  verlässt,  so  lange  er  an  dem  Malariaheerd 
verbleibt.  Das  beweisen  noch  deutlicher  die  Fälle,  in  denen  Eu- 
ropäer nach  der  Rückkehr  in  die  Heimath,  noch  Monate  hindurch 
Fieberattacken  bekommen,  auch  ohne  dass  dieselben  beim  Verlassen 
der  Fiebergegend  als  besonders  schwer  inficirt  anzusehen  gewesen 
waren.  Auf  der  andern  Seite  kann  man  sich  der  Thatsache  nicht 
verschliessen , dass  einige  wenige  Individuen  eine'  an  Immunität 
grenzende  Unempfindlichkeit  gegenüber  der  Malariainfection  besitzen ; 

*)  Abgesehen  davon,  dass  ich  stets  eingeborene  Papuas  der  Finschha- 
fener  Gegend  (Neu-Guinea)  am  „Fiefer“  leiden  sah,  so  konnte  ich  auch  hei 
84  V«  derselben  deutlich  palpable  Milztumoren  nach  weisen. 


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Zur  Frage  des  prophy laotischen  Chiningebrauoha  in  trop.  Malaria-Gegenden.  169 

den  gleichen  Infectionsbedingungen  ausgesetzt,  wie  die  andern,  er- 
kranken sie  überhaupt  nicht,  oder  nur  mit  geringfügigen  Krankheits- 
erscheinungen, welche  nicht  viel  mehr  als  die  Bedeutung  eines  vor- 
übergehenden Unwohlseins  beanspruchen.  Solche  bevorzugte  Indivi- 
duen sind  zugleich  die  Repräsentanten  eines  auch  sonst  brillanten 
Gesundheitszustandes;  die  anderen,  welche  der  Infection  anheimfallen, 
sind  die  körperlich  Schwächeren.  Je  mehr  Anämie,  um  so  mehr 
Malaria!  Das  gilt  auch  umgekehrt:  Keine  Heilung  der  Malaria 
ohne  gleichzeitige  Hebung  der  Anämie. 

In  einer  Gegend,  wo  Alle  fast  ausnahmslos  an  Malaria  erkranken, 
hat  die  Vorstellung  von  dem  ubiquitären  Vorhandensein  der 
Malariaerreger  nichts  Gezwungenes;  und  ich  denke  mir,  dass  an 
einem  solchen  intensiven  Malariaheerd  continuirlich  eine  mehr 
oder  minder  grosse  Anzahl  von  Malariaerregern  in  den  Körpern  eines 
jeden  Menschen,  gleichgültig  zunächst  auf  welchem  Wege,  hinein- 
gelangen; und  auch  mehr  oder  minder  vollständig  durch  die  natür- 
lichen Kräfte  des  Organismus  wieder  ausgeschieden  werden  können; 
ob  die  Infection  dann  (durch  Fieber)  überhaupt  manifest  wird  und 
ob  sie  ein  Mal  oder  wiederholt  manifest  wird  und  ob  schliesslich 
schwere  Schädigungen  des  Organismus  daraus  resultiren  oder  nicht, 
hängt  zunächst  von  der  Energie  der  dem  Körper  innewohnenden 
Schutzkräfte  ab.  Das  Gewöhnliche  sind  die  Schädigungen,  wenn 
sich  der  Mensch  auf  seine  eigenen  Widerstandskräfte  verlässt;  nur 
ausnahmsweise  fehlen  diese,  die  Anämie  und  der  Milztumor. 

Viel  schwieriger  hegt  die  andere  Frage,  in  welcher  WTeise 
das  Chinin  bei  der  Bekämpfung  der  Malariainfection  wirk- 
sam ist.  Da  Malariakranke,  wenn  auch  nur  ausnahmsweise,  ohne 
Chinin  heilen  können,  so  ist  damit  zugleich  gesagt,  dass  das  Chinin 
nur  ein  Hülfsmittel  in  der  Bekämpfung  der  Malariainfection,  d.  i. 
in  der  Herausschaffung  der  Malariaparasiten  aus  dem  Körper  sein 
kann,  wenngleich ‘ein  Hülfsmittel  von  hervorragendem  Werth  und 
naeistentheils  überhaupt  nicht  zu  entbehren.  Das  Chinin  ist  ein 
Specificum  gegen  die  Malaria;  .es  tödtet  die  Parasiten  im  Blut. 
Die  weitere  Frage  ist  nur:  tödtet  dasselbe  die  Parasiten  direct, 
nach  Art  eines  Giftes  (Binz)  oder  schafft  es  nur  besondere  Be- 
dingungen im  menschlichen  Körper  und  tödtet  die  Parasiten  indirect, 
ndem  es  neue  Schutzkräfte  im  Körper  schafft  oder  die  schon  vor- 
handenen vorübergehend  erhöht? 

Die  Malariaparasiten  werden,  wie  wiederholte  Untersuchungen 
am  lebenden  Blut  des  chininisirten  Menschen  dargethan  haben,  nach 


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Dr.  0.  Schellong. 


vorübergehender  Reizung  in  einen  gelähmten  Zustand  versetzt,  in 
welchem  sie  das  Vermögen  der  Aufnahme  gewisser  Farbstoffe  und  die 
Fähigkeit  verlieren,  aus  ihren  Sporen  neue  Amöben  zu  entwickeln*). 
Den  stärksten  Einfluss  übt  das  Chinin,  wie  A.  Plehn**)  spedell 
für  die  tropischen  Malariafieber  angiebt,  auf  die  frischen,  soeben  frei 
werdenden  Sporulationsformen  des  Malariaparasiten  aus,  demnächst 
auf  die  kleinen  etwa  l/l5  des  Blutkörperchens  betragenden,  ringförmigen 
endoglobulären  Parasiten,  während  die  grösseren,  etwa  */«  des  Blut- 
körperchens messenden  und  bereits  pigmentführenden  Formen  davon 
unberührt  bleiben  und  ihrer  vollständigen  Reife  entgegenwachsen. 
Das  geschieht,  so  nimmt  man  an,  durch  directe  Giftwirkung  des  Chinin 
auf  den  Parasiten ; dass  nicht  auch  die  ältere  Amöbe  tödtlich  getroffen 
wird,  erkläre  sich  aus  der  schützenden  Hülle  des  Globulärplasma. 
In  gleicher  Weise  tritt  auch  Laveran***)  mit  aller  Entschiedenheit 
für  diese  Auffassung  ein;  er  sagt,  das  Chinin  ist  ein  echtes  Parasiti- 
cidum;  ob  der  menschliche  Organismus  sich  an  das  Chinin  gewöhne 
oder  nicht,  sei  gleichgültig;  wenn  nur  die  Mikroben  der  Malaria 
sich  nicht  daran  gewöhnten,  was  niemals  der  Fall  sei. 

ln  dem  Sinne  dieser  Auffassung  fiele  also  dem  menschlichen 
Organismus  bei  dem  Heilungsvorgange  der  Malaria  durch  das  Chinin 
keine  weitere  Rolle  zu,  als  diejenige,  das  Chinin  auf  irgend  einem 
Wege  aufzunehmen  und  in  die  Blutbahn  zu  führen;  das  Ideal  einer 
medicamentösen  Therapie! 

Wir  müssten  dann  aber  auch  erwarten,  dass  das  Chinin  richtig 
incorporirt  und  richtig  resorbirt  unter  allen  Umständen  die  ha- 
iende Wirkung  entfalte,  und  dass  grössere  Gaben  des  Medicaments 
die  grössere  Wirkung,  ebenso,  dass  tägliche  Dosen  eine  cumulatire 
Wirkung  entfalteten;  man  dürfte  dann  auch  mit  Recht  erwarten, 
jeden  Malariakranken  durch  Chinin  mit  Sicherheit  heilen  zu  können, 
wenn  er  nur  eine  Zeit  lang  unter  kontinuirlicher  Chininwirkung  ge- 
halten werden  würde,  nämlich  so  lange,  bis  die  Jugendformen  aller 
Generationen  des  Parasiten,  welche  sich  gerade  im  Blute  befinden. 

*)  Mannaberg,  J.  Die  Malariaparasiten  auf  Grund  fremder  und  eigen« 
Beobachtungen  dargestellt.-  Wien.  A.  Holder,  1893;  Binz.  Ueber  das  Zu- 
standekommen der  Heilung  des  Malariafiebers  durch  das  Chinin.  Yerh.  d.  Nieder- 
rhein. Qesellsch.  in  Bonn,  1893. 

**)  Plehn,  A.  Beiträge  zur  Kenntnis*  von  Verlauf  und  Behandlung  der 
tropischen  Malaria  in  Kamerun.  Berlin,  1896.  Aug.  Hirschwald. 

***)  Laveran,  A.  au  sujet  de  l'emploi  preventif  de  la  quinine  contre  !e 
paludisme.  Bull  de  l’ac.  med.  1696,  Nr.  18. 


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Zur  Frage  des  prophylac  tischen  Chiningebrauchs  in  trop.  Malaria-Gegenden.  171 

der  Reihe  nach  abgetödtet  worden  wären.  Bekanntlich  treffen  diese 
Voraussetzungen  in  praxi  nicht  zu. 

Es  wäre  dann  auch  nicht  verständlich,  wie  die  Erstlingsfieber 
der  Europäer  in  den  Tropen  von  bekanntlich  häufig  remittirendem 
Character  durch  das  Chinin  gänzlich  unbeeinflusst  bleiben  sollten, 
oder  wie  Jemand,  — was  ich  selbst  beobachtete  — der  nach  Abfall 
des  Fiebers  10  Tage  hindurch  täglich  1 g Chinin  nimmt,  schon  am 
11.  Tage  sein  Recidiv  bekommen  könnte.  Jedenfalls  müsste  man,  wie 
Burot  und  Legrand*)  mit  Recht  betonen,  von  dem  Chinin,  wenn  es 
ein  absolutes  Antidotum  wäre,  gleichmässige  Heilwirkungen 
erwarten,  während  es  ziemlich  variable  Effecte  zu  Stande  bringt. 

.Ist  das  Chinin  aber  kein  Parasiten-Gift  in  dem  gedachten  Sinne, 
was  dann  sonst?  etwa  ein  symptomatisch  wirkendes  Mittel,  wie 
Just  Navarre**)  annimmt,  welches  dadurch  nützlich  wirke,  dass  es 
Fieberparoxysmen,  die  sonst  eintreten  würden,  hinausschiebt  oder 
unterdrückt,  während  die  Infection  (paludisme)  selbst  dadurch  nicht 
berührt  wird?  Thatsächlich  kann  das  Chinin  die  Fieberanfälle  hin- 
ausschieben, aber  doch  wohl  nur  dadurch,  dass  es  die  Parasiten  in 
ihrem  Entwickelungsgange  hemmt;  auch  geht  die  Unhaltbarkeit  der 
Just  Navarre’schen  Anschauung  schon  daraus  hervor,  dass  auch 
Malariaanämien  und  Milztumor  ohne  gleichzeitige  Fieber-Er- 
scheinungen auf  das  Chinin  in  promptester  Weise  reagiren***). 

Muss  man  also  daran  festhalten  und  dafür  spricht  ja  auch  die 
mikroskopische  Beobachtung,  dass  durch  das  Chinin  die  Parasiten  im 
Blut  thatsächlich  getroffen  bezw.  getödtet  werden,  so  entsteht  nur 
noch  die  weitere  Frage,  ob  der  Parasitentod,  anstatt  ein  reiner 
Gifttod  zu  sein,  nicht  auch  indirect,  nämlich  durch  bestimmte 
Reactionen  des  Chinin  auf  die  Blutelemente,  zu  Stande  kommend 
gedacht  werden  könne. 

Bacellif)  vertritt,  sofern  mir  aus  einer  freilich  nur  kurzen 
(pag.  92)  Angabe  hervorzugehn  scheint,  die  Anschauung,  dass  das 

*)  Burot  u.  Legrand.  Therapeutique  du  paludisme.  Paris.  1897.  Bail- 
iiere et  fils.  Demgemäss  sind  diese  Autoren  geneigt,  dem  Chinin  neben  seiner 
speciflschen  Einwirkung  auf  die  Malaria,  noch  eine  stimulirende  auf  das 
Nervensystem  zuzuschreiben,  womit  sie  auf  eine  frühere,  vorparasitliche  An- 
schauung zurückkommen,  welche  für  das  Verständniss  der  in  Bede  stehende  Frage 
allerdings  ziemlich  unfruchtbar  ist 

**)  Just  Navarre.  P.  la  quinine  prcventive  etc.  Lyon  med.  1896.  Mai. 

***)  Vorausgesetzt,  dass  Chinin  vorher  nicht  im  Uebermaass  genommen 
wurde. 

f)  Bacelli;  Studien  über  Malaria.  Berlin  1895.  Karger. 


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172 


Dr.  0.  Schellong. 


Chinin  die  Parasiten  durch  Sauerstoffentziehung  vernichtet;  hier- 
bei müssten  also  die  rothen  Blutkörperchen,  als  die  Sauerstoffträger, 
eine  active  Rolle  spielen ; das  Chinin  müsste  eben  die  rothen  Blutkörper- 
chen befähigen,  den  0.  begieriger,  als  sonst,  an  sich  zu  reissen. 

Durch  Binz*)  wissen  wir  nur,  dass  die  rothen  Blutkörperchen 
unter  dem  Einfluss  des  Chinin  den  0.  fester  an  das  Hämoglobin 
heranbinden  (und  dadurch  selbst  Vergrösserungen  eingehen),  nicht 
auch,  dass  sie  zur  O.-Aufnahme  befähigter  werden.  Ich  stelle  mir 
demgemäss  vor,  dass  die  chininisirten  Blutzellen  den  ihnen 
innewohnenden  0.  auch  an  die  Parasiten  schwerer  als  sonst 
abgeben,  und  den  Parasiten  gegenüber  sich  nicht  in  einer 
activen,  als  vielmehr  in  einer  gefestigten  passiven  Rolle 
befinden. 

Den  Vorgang  der  Chinineinwirkung  auf  die  Parasiten  hätte  mau 
sich  dann  folgendem! aassen  zu  denken:  die  jungen,  endoglobulären 
Parasiten  erhalten  seitens  der  chininisirten  Blutkörperchen  nicht 
den  genügenden  0.,  um  sich  weiter  zu  entwickeln,  sterben  mithin 
ab;  die  älteren  Parasiten,  welche  sich  bereits  mit  einem  Quantum 
0.  versorgt,  das  Blutkörperchen  dabei  nahezu  aufgezehrt  haben,  sterben 
nicht  mehr  ab,  sondern  erfahren  höchstens  eine  verzögerte  Entwick- 
lung; die  freigewordenen  Sporen  können  sich  in  neuen  Wirthen 
(Blutkörperchen)  überhaupt  nicht  mehr  ansiedeln,  weil  diese  den 
für  ihre  Fortentwicklung  erforderlichen  0.  nicht  hergeben;  sie  gehen 
deshalb  ebenfalls  an  O.-Mangel  zu  Grunde. 

Es  fände  also  in  allen  diesen  Fällen  eine  O.-Vorenthaltung 
von  Seiten  der  rothen  Blutkörperchen,  nicht  eine  O.-Ent- 
ziehung  der  Parasitenleiber  statt;  und  das  Chinin  tödtete 
die  Parasiten  nicht  direct,  sondern  durch  Vermittelung  der 
rothen  Blutzellen,  indem  es  deren  Widerstandsfähigkeit 
(durch  O.-Zurückhaltung)  erhöht 

Ob  diese  Hypothese  haltbar  ist,  lässt  sich  vielleicht  auch  durch 
das  Experiment  nicht  sicher  entscheiden;  a priori  könnte  dagegen 
der  Ein  wand  erhoben  werden,  dass  eine  solchermaassen  gedachte,  wenn 
auch  nur  vorübergehende  O.-Zurückhaltung  in  dem  Blut  (und  in  den 
Geweben)  doch  sehr  bedenkliche  Störungen  des  Stoffwechsels  zur 
Folge  haben  könnte;  man  müsste,  um  dieses  Bedenken  zu  beseitigen. 

*)  Binz:  Grundzüge  der  Arzneimittellehre.  Berlin.  18S1.  Hirschwald. 
Vergl.  auch  Nothnagel  und  Rossbach:  Arzneimittellehre.  Berlin  1887,  wo  w 
pag.  65h  heisst:  „Durch  Chinin  wird  der  0.  fester  an  das  Hämoglobin  gebondet 
und  in  Folge  dessen  seine  Abgabe  gehemmt“. 


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Zur  Frage  des  prophy laotischen  Chiningebrauchs  in  trop.  Malaria-Gegenden.  173 

eine  verschieden  grosse  Affinität  der  Malariaparasiten  und  der  Organ- 
zellen des  menschlichen  Körpers  für  den  0.  des  Blutes  annehmen 
und  sich  vorstellen,  dass  diese  sich  noch  mit  0.  aus  den  Blutkörper- 
chen versorgen  könnten,  wenn  jene  den  0.  den  Blutkörperchen 
nicht  mehr  zu  entziehen  vermöchten. 

Mit  einer  solchen  Hypothese  liessen  sich  andererseits  manche 
Thatsachen,  welche  sonst  nicht  recht  verständlich  sind,  erklären; 
nämlich,  dass  das  Chinin  bei  anämischen  Menschen,  bei  welchen  also 
die  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  und  der  Hämoglobin-Gehalt  her- 
abgesetzt ist,  auffallend  weniger  wirksam  ist;  ferner  die  individuellen 
Schwankungen  in  der  Wirkungsweise  des  Chinin,  welche  nur  der 
verschiedenen  Reactionsfahigkeit  des  Organismus  auf  die  Medicamente 
überhaupt  entsprechen  würde;  auJi  die  nicht  wegzuleugnende  That- 
sache,  dass  das  Chinin  bei  längerem  Gebrauch  seine  Wirksamkeit 
einbüsst 

ln  allen  diesen  Fällen  hätte  eben  ausser  dem  Chinin 
auch  der  Organismus  ein  Wort  mitzureden;  und  das  ist  mir 
das  Wesentliche  an  der  Sache.  Man  muss  sich,  wie  mir  scheint, 
gerade  beim  prophylactischen  Chiningebrauch  darüber  vergewissern, 
dass  man  durch  angehäufte  Chiningaben,  in  der  Annahme,  die  Parasiten 
wirksamer  zu  treffen,  nicht  auch  zugleich  die  natürlichen  Schutzkräfte 
des  Organismus  schädige. 

Da  Binz’  Untersuchungen  ergeben  haben,’  dass  das  Chinin,  selbst 
in  der  starken  Verdünnung  von  1 : 20000  eine  Lähmung  der  farb- 
losen Blutkörperchen  herbeiführt,  dieselben  sogar  in  ihrer  Zahl  her- 
absetzt, so  ist  es  von  vornherein  nicht  unwahrscheinlich,  da«s  auch 
die  bei  der  Elimination  der  Malariaparasiten  als  nützlich  angenom- 
menen Vorgänge  der  Phagocythose  (Barker*),  durch  häufige 
Chiningaben  eine  Beeinträchtigung  erfahren. 

Für  die  Annahme  einer  Schädigung  der  rothen  Blutkörperchen 
durch  häufige  Chiningaben  fehlt  es  zur  Zeit  an  einer  genügenden 
Unterlage.  Aber  selbst  angenommen,  eine  solche  wäre  nicht  vor- 
handen, so  ist  es  doch  andererseits  wahrscheinlich,  dass  sich  bei 
allzuhäufigen  Chiningaben  die  nützliche  Einwirkung  des  Chinin  auf 
die  rothen  Blutkörperchen  abstumpft;  die  sonst  wirksamen  Chinin- 
gaben veranlassten  dann  nicht  mehr  die  festere  Heranbindung  des  0., 
blieben  unwirksam;  und  wenn  in  diesem  Falle  also  auch  kein  Schaden 
entstünde,  so  fehlte  dafür  eben  auch  der  Nutzen. 

*)  Barker,  L.  F.  A study  of  some  fatal  cases  of  malaria.  Baltimore. 
John  Hopkins  press.  1895. 

Archiv  f.  Schiff»-  u.  Tropenhyglene.  II.  13 


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174 


Dr.  0.  Schellong. 


Bei  welcher  Dosis  das  eine  oder  das  andere  eintritt,  ist  sicher- 
lich ganz  und  gar  von  individuellen  Verhältnissen  abhängig.  Aber 
so  viel  lässt  sich  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  sagen,  dass  die  Einzel- 
und  die  Gesammtdosis  ziemlich  hoch  gegriffen  werden  darf,  da  der 
menschliche  Organismus  eine  grosse  Toleranz  für  das  Chinin  besitzt 
und  im  Allgemeinen  eine  längere  Zeit  fortgesetzte  Chininanfnahme 
gut  verträgt,  wenn  nur  zwischen  den  einzelnen  Chiningaben  Zeit- 
räume von  einigen  Tagen  dazwischen  liegen. 

Ein  Glück  für  die  Therapie  muss  es  genannt  werden,  dass  die 
per  os  verabreichten  Chininmengen  in  24  bis  36  Stunden  den  Körper 
wieder  verlassen;  denn  dann  gewinnen  die  Blutelemente  wiederum 
Zeit,  sich  von  der  Chininreaction  zu  erholen. 

Für  die  practische  Verwerthung  der  prophylactischen  Chinin- 
anwendung ist  ferner  die  auch  experimentell  festgestellte  Thatsache*} 
von  Wichtigkeit,  dass  Chiningaben  von  1,0 — 1,6  im  Allgemeinen  aus- 
reichen, um  die  gerade  im  Blut  kreisenden  Parasitengenerationen  za 
tödten. 

Damit  erschöpft  sich  das,  was  theoretisch  zur  Frage  des  pro- 
phylactischen Chiningebrauchs  angeführt  werden  kann. 

Ich  würde  den  Rahmen  des  mir  gestellten  Themas  weit  über- 
schreiten müssen,  wenn  ich  nun  auch  die  zahlreichen  pro-  et  contrs- 
Erfahrungen,  welche  sich  aus  der  Praxis  heraus  für  die  Frage  des 
prophylactischen  Chiningebraucha  ergeben  haben,  hier  aufzählen  wollte. 

Um  so  weniger  fühle  ich  mich  dazu  aufgelegt,  als  die  darauf 
bezüglichen  Thatsachen  und  Beobachtungen  von  deutschen  und  na- 
mentlich in  der  letzten  Zeit  auch  von  französischen  Autoren  häufig 
genug  berichtet  worden  sind. 

Alle  Beobachter  sind  darin  einig,  dass  die  häufigere  Anwendung 
kleinerer  oder  grösserer  Chiningaben  meistentheils  einen  nicht  zu 
verkennenden  Nutzen  gewährt. 

Principiell  tritt  ein  Untsrschied  bei  den  Vertretern  des  prophy- 
lactischen Chiningebrauchs  nur  insofern  hervor,  als  die  einen  sich  mehr 
den  kleineren  und  täglichen  Chiningaben  (Laborde**)  0,1 — 04 


*)  Vergl.  darüber: 

Plehn,  F.  lieber  die  praetisch  verwerthbaren  Erfolge  der  bisherigen  iöo 
logischen  Malariaforschung.  Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhyg.  I.  Band,  Heft  < 
Plehn.  A.  Beitrüge  zur  Kenntniss  von  Verlauf  und  Behandlung  der  tro- 
pischen Malaria  in  Kamerun.  Berlin  1896.  Hirschwald. 

**)  Laborde,  J.  V.  L'action.  preventive  de  la  quinine  dans  le  paludisnse 
Bull,  de  l'acad.  1896. 


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Zar  Frage  des  prophylactischen  Chiningebrauchs  in  trop.  Malaria-Gegenden.  176 

täglich)  zuwenden,  während  die  anderen  die  grösseren  und  selte- 
neren Gaben  [Laveran*)  0,4 — 0,6  jeden  zweiten  Tag;  F.  Plehn**) 
und  Schellong***)  1,0,  wöchentlich  einmal;  A.  Plehnf)  0,6  fünf- 
tägig; Buwaldaff)  1 g 3mal  wöchentlich]  bevorzugen. 

Welchem  dieser  Verfahren  der  Vorzug  gebührt,  ist  nicht  im 
Ganzen,  sondern  nur  von  Fall  zu  Fall  zu  entscheiden.  Es  muss 
eben  durch  die  Erfahrung  und  mit  Zuhilfenahme  wiederholter  Blut- 
untersuchungen für  den  einzelnen  Krankheitsfall  (Individuum),  und 
für  eine  bestimmte  Fiebergegend  die  ungefähre  minimale  Chininmenge 
festgesetzt  werden,  welche  noch  genule  ausreicht,  um  die  activen 
Parasiten  im  Blut  successive  zu  tödten.  Auch  die  sonstige  Einwirkung 
des  Chinin  auf  den  Magen,  Nervensystem  etc.  ist  dabei  individuell 
in  Betracht  zu  ziehen. 

Den  Endpunkt  für  die  unter  gleichzeitiger  voller  Berücksich- 
tigung aller  sonstiger  auf  die  Kräftigung  des  Individuums  gerichteter 
Factoren  fortgesetzte  Chinin therapie  bildet  die  bewirkte  Hebung  und 
wenn  möglich  Beseitigung  von  Anämie  und  Milz  tum  or. 

Denn  dass  man  auch  den  letzten  Parasiten  im  Körper  abtödten 
wird,  ist  an  sich  unwahrscheinlich,  so  lange  der  Mensch  in  der 
Malaria -Gegend  verbleibt.  Das  braucht  mit  dem  Chinin  auch  gar- 
nicht  einmal  erreicht  zu  werden;  es  genügt  schon,  dem  geschwächten 
Organismus  mit  dem  Chinin  eine  Zeit  lang  zu  Hülfe  gekommen  zu 
sein ; und  in  diesem  Sinne  ist  das  Chinin  mir  ein  therapeutisches 
Hülfsmittel,  als  welches  es  Just  Navarrefft)  aufgefasst  zu  wissen 
wünscht,  und  als  welches  ich  es  selbst  §)  schon  vordem  bezeichnet  habe. 

Unter  den  geordneten  Lebensverhältnissen  auf  einer  Station  er- 
wachsen dem  Arzt,  der  bemüht  ist,  bei  der  Chininverordnung  ganz 
ebenso  wie  bei  der  medicamentösen  Verordnung  überhaupt  zu  indi- 
vidualisiren,  keine  besonderen  Schwierigkeiten.  Anders  liegt  die  Sache, 
wenn  es,  wie  auf  Expeditionen,  wesen tlich  darauf  ankommt,  grössere 


*)  Laveran,  H.  Au  sujet  de  l'emploi  pröventif  de  la  quinine  contre 
le  paludisme;  ibid. 

**)  Plehn,  F.  Zur  Prophylaxe  der  Malaria.  Berl.  klin.  W.  1887,  Nr.  39. 

***)  Schellong,  0.  Malariakrankh eiten.  Berlin  1890.  Springer, 
t)  Plehn,  A.  Beiträge  zur  Kenntniss  etc.  der  trop.  Malaria  in  Kamerun. 
Berlin  1896.  Hirschwald. 

ft)  Buwalda.  ct  bei  Gräser.  Einige  Beobachtungen  Uber  Verhütung 
des  Malariafiebers  durch  Chinin.  BerL  klin.  ‘W.  1888.  Nr.  42. 
fff)  Just  Navarre.  S.  pag.  117  Anmerkung. 

§)  Schellong,  0.  Malariakrankheiton.  pag.  162. 

13* 


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176 


Dr.  0.  Schellong. 


Menschenmengen  schnell  zu  befriedigen  und  fortwährend  so  leistungs- 
fähig wie  möglich  zu  erhalten;  dann  wird  es  noch  am  ehesten  erlaube 
sein,  einen  bestimmten  Modus  der  prophylactischen  Chinindarreichung 
ganz  allgemein  während  der  ganzen  Dauer  der  Expedition  durch- 
zuführen; aber  auch  unter  solchen  schwierigen  Umständen  könnte 
mit  Zuhilfenahme  einer  genauen  Journalisirung  und  mittelst  öfter« 
Erhebung  des  Milzbefundes  wenigstens  annähernd  (gruppenweise) 
individualisirt  werden.  — Die  wahre  Malariaprophylaxe  hat  sich 
unter  allen  Umständen  mit  der  Hygiene  des  Wohnortes,  des 
Wohnplatzes  und  mit  der  Lebensweise  des  Individuums  zu  be- 
schäftigen.   

Das  Ergebniss  meiner  zum  Theil  hypothetischen  Erörterungen 
fasse  ich  in  die  nachfolgenden  Sätze  zusammen: 

1 . Das  Chinin  wirkt  auf  die  rothen  Blutkörperchen  durch  festes 
Heranbindung  des  0.  (Binz)  und  vernichtet  die  Malariaparasitea 
im  Blut  indirect,  wohl  dadurch,  dass  es  ihnen  den  zu  ihrem 
Wachsthum  erforderlichen  0.  (im  Blutkörperchen)  vorenthält. 

2.  Der  prophylactische  Chiningebrauch  ist  gleichbedeutend  mit 
der  über  eine  Zeit  lang  fortgesetzten  Chinin therapie,  und  nur  ein. 
wenn  auch  das  wichtigste  Hülfsmittel  in  der  Bekämpfung  der  einmal 
etablirten  Mal&riainfection. 

3.  Jede  schablonenmässige  Chinindarreichung  ist  zu  verwerten, 
die  Höhe  der  einzelnen  Chinindosis  und  die  Zeitdauer  der  Chinincsr 
individuell  zu  bestimmen. 

4.  Es  erscheint  richtiger,  etwas  grössere  Chiningaben  von  0,5 — 1.0 
zu  bevorzugen  und  zwischen  den  einzelnen  Gaben  eine  Pause  von 
wenigstens  2 aber  auch  von  mehreren  Tagen  eintreten  zu  lassen. 

5.  Es  ist  nicht  rätliüch,  den  Chiningebrauch  in ’s  Ungemessene  fort- 
zusetzeu,  weil  der  Organismus  sich  dann  gegen  die  Chininreactios 
abstumpfen,  vielleicht  sogar  geschädigt  werden  könnte,  die  nützliche 
Chininwirkung  selbst  aber  ausbleiben  wurde. 


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II.  Besprechungen  und  Litte  raturangaben. 


177 


IL  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


a)  Hygiene,  Physiologie  und  Gesundheitsstatistik. 

Ueber  Schifishygiene.  Von  Dr.  Paul  Schenk.  Vierteijahrsschi',  f.  gerichtl.  Med. 
n.  öffentl.  Sanitätswesen.  (8.  Folge,  Bd.  XV,  Heft  2). 

Der  Verfasser  beschäftigt  sich  in  seiner  Arbeit  hauptsächlich  mit  den  Aus- 
wandere rschiffen.  Die  Verhältnisse  auf  den  übrigon  Handelsschiffen  und  auf  den 
Kriegsschiffen  werden  nur  gelegentlich  gestreift.  Neues  bringt  der  Verfasser 
nicht,  wenn  er  in  seinen  Bemerkungen  auch  vielfach  an  eigene  Erfahrungen, 
die  er  als  Schiffsarzt  machte,  ankniipft.  Es  ist  aber  in  ansprechender  und  über- 
sichtlicher Form  das  Wichtigste  aus  der  neueren  Literatur  über  Schiffshygiene 
(Reineke,  Gärtner,  Haack,  Kalenkampff,  Ref.  u.  A.)  zusammengestellt,  so  dass  die 
Abhandlung  besonders  angehenden  Schiffsärzten  der  Handelsmarine  zur  schnellen 
Orienürung  und  zur  Anregung  empfohlen  werden  kann. 

Die  Arbeit  würde  noch  werthvoller  geworden  sein,  wenn  der  Verfasser  die 
vor  Kurzem  vom  Bundesrath  erlassenen  Vorschriften  über  Auswandererschiffe 
berücksichtigt  hätte.  Die  bisher  in  Hamburg  und  Bremen  hierfür  geltenden 
gesetzlichen  Bestimmungen,  welche  das  Gerippe  für  die  Abhandlung  des  Verfassers 
gebildet  haben,  sind  jetzt  nicht  mehr  in  Kraft  und  Verfasser  selbst  wird  finden, 
dass  die  neuen  Vorschriften  in  vielen  Dingen  einen  Fortschritt  bedeuten.  Na- 
mentlich gilt  dies  von  der  Krankenfürsorge  an  Bord  der  Auswandererschiffe  und 
der  Stellung  der  Schiffsärzte.  Die  Forderungen,  welche  Ref.  seit  Jahr  und  Tag 
amtlich  und  publicistisch  aufgestellt  und  vertreten  hat,  sind  jetzt,  wenigstens  für 
die  Auswanderersehiffe,  zum  grössten  Theil  Gesetz  geworden.  Vielleicht  ist  von 
den  Schiffeärzten  selbst  mehr  von  den  Reichsvorschriften  erwartet  worden.  So 
wurde  u.  a die  Forderung  aufgestellt,  dass  die  Schiffsärzte  an  Bord  Reichsbeamte 
sein  müssten  und  von  dem  Capitain  in  jeder  Hinsicht  unabhängig  sein  sollten. 
Der  Verfasser  ist  in  seiner  Abhandlung  diesen  zu  weit  gehenden  Forderungen 
nicht  beigetreten,  sondern  hat  sich  den  Vorschlägen  des  Ref.  angeschlossen  und 
sie  auf  Grund  eigener  Erfahrungen  als  früherer  Schiffsarzt  in  der  Handelsmarine 
weiter  ausgeführt  und  begründet  Hierfür  muss  ihm  Ref.  Dank  wissen.  Man 
muss  sich  auch  in  dieser  Sache  mit  dem  Erreichbaren  begnügen.  Das  Bessere 
ist  auch  hier  des  Guten  Feind.  Den  Verfasser  wird  es  freuen,  dass  viele  seiner 
Bemerkungen  durch  die  neuen  Vorschriften  für  die  deutschen  Auswandererschiffe 
ihre  Erledigung  gefunden  haben.  Ref.  möchte  sich  Vorbehalten,  auf  den  Inhalt 
und  die  Wirkungen  der  neuen  Bestimmungen,  wenn  erst  die  Uebergangsxeit 
vorbei  ist,  an  dieser  Stelle  ausführlicher  zurückzukommen. 

Dr.  Nocht-Hamburg. 


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I 


178  ü.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

Br.  med.  Danneil : Gesundheitsverhältnisse  auf  der  Gazelle-Halbinsel 
(Bismarck-Archipel). — Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelmsland  und  den  Bismarei- 
Archipel.  1897.  Berlin,  Asker  & Co. 

Verfasser  ist  der  erste  Arzt,  der  sich  dauernd  auf  der  Gazeile-Halbmst 
niedergelassen  hat;  seit  Januar  1896.  Aus  seinem  amtlichen  Bericht  sind  ehe 
„Bemerkungen  über  die  natürlichen  die  Hygiene  beeinflussenden  Facto  ren"  ia 
extenso  abgedruckt  Danach  lassen  sich  auf  der  Gazelle-Halbinsel  (4 — 5*  s.  R) 
vier  Jahreszeiten  unterscheiden,  die  weniger  nach  der  Wännedifferenz  als  nach 
der  Verschiedenheit  der  Luftbewegungen  einzutheilen  sind,  nämlich  von  April  bs 
September  der  S.O.-Passat,  von  November  bis  Februar  der  N.W. -Monsun,  und 
dazwischen  zwei  Perioden  der  Kalmen.  Dio  Zeit  des  Passats  ist  die  längste,  an- 
genehmste and  trockenste.  Die  Kalmen  sind  nicht  ganz  windstill,  sondern  Ueber- 
gangszeit  mit  Gewittern.  Die  Monsunzeit  bringt  viel  Gewitter  und  schwer» 
Regenböen  und  ist  die  nässeste.  Die  Temperaturen  sind  gleichmässig,  ohne  jähf 
Schwankungen,  Extreme  + 17°  C.  und  -f-  86°  C.,  aber  nie  an  einem  Tage.  Luft- 
feuchtigkeit und  -druck  sind  nicht  stetig  gemessen,  jedenfalls  aber  sehr  constazn. 

Die  Oberfläche  gestaltet  sich  als  schmaler  Strand,  10—15  m hohe  Terrae 
und  80 — 100  m hohes  Plateau,  auf  dem  ein  Vulkankegel  aufragt.  Der  Boden  ist 
allenthalben  Ergebniss  jung -vulkanischer  Aufschüttungen,  nicht  Lava,  sondern 
Asche  und  Bimstein  aus  sechs  nahe  liegenden  Vulkanen,  die  teilweise  noch  thiag 
sind.  Dieser  Boden  zeigt  eine  hohe  Reaction  auf  die  mechanische  Wirkung  der 
Niederschläge  und  eine  ausserordentliche  Aufsaugungsfahigkeit  für  dieselben : es  fiele 
keine  längeren  Bach-  oder  Flussläufe,  und  nur  2 Quellen.  Zur  Wasserversorgung 
wird  ferner  Grund wasser  aus  Röhrenbrunnen,  und  Regen wasser  von  den  Weh- 
blechdächern in  eisernen  Tanks  benutzt,  dessen  Güte  jedoch  nicht  eiact  geprüft  ist 
Von  den  Ausführungen  über  den  ^tatsächlichen  Gesundheitszustand  ist  be- 
merkenswert, dass  unter  den  Europäern  fast  nur  Malaria  und  Dysenterie  vorge- 
kommen; bei  dem  einzigen  Fall  von  Schwarzwasserfieber  hält  Verf.  die  Krank- 
heitsursache für  „von  aussen  mitgebracht'1.  Von  den  Farbigen  erkrankten  10*/»  ms 
5,55%  der  Krankheits-  im  Verhältniss  zu  den  Arbeitstagen,  und  zwar  davon  V» 
aller  Kranken  mit  '/«  aller  Krankheitstage  an  Malaria.  Beriberi  und  Pocken 
sind  nicht  einheimisch.  Dysenterie  erfordert  V»  aller  Kranken  und  l/» — '/»  *2® 
Krankheitstage.  Syphilis  ist  nie  beobachtet,  Gonorrhoe  nicht  häufig.  Die  Hälfte 
der  Morbidität  erfüllen  die  chirurgischen  Leiden.  — Die  Gesammtmortalitil  beträgt 
pro  Monat  0.29%  des  Arbeiterbestandes  (also  im  Halbjahr  1,74®/*,  gegen  4%. 
3,5  % in  Stephansort  und  4.6%  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen.) 

Dr.  DempwolfL 


Lat  pfcheurs  da  Terra  Neust.  De  Gazeau.  Arch.  de  med.  nav.  et  cclon.  Jmllet 
et  Aoüt  1897. 

La  France  envoie  actuellement  8000  ä 10000  pecheurs  pour  la  saisoo  de 
peche  ä Terre  Neuve:  beaucoup  sont  des  adolescents  ou  des  tont  jeunee  gas. 
parfois  m?me  des  enfants  d'une  douzaine  d’annees. 

Le  travaii  de  M.  Gazeau  montre  dans  quelles  conditions  vraiment  deplorahles. 
au  point  de  vue  de  l'hygiene  et  des  soins  medicaux,  se  trouvent  ces  pecheurs: 
l'alccolismo  et  la  tuberculose  font  parmi  eux  de  nombreuses  victime«;  en  oezrs 
Vincurie,  la  malproprete  multiplient  les  cas  de  fievre  typhoide  et  les  complTcaban- 


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U.  Besprechungen  und  Litteratu rangaben. 


179 


inflammatoires  les  lesions  cutanees,  surtout  aux  membres  superieurs.  I/>s  panaria 
et  lettre  complications,  necrose  des  phalanges,  phlegmons  etc.,  sont  tres  frequents; 
comme  lesions  professionnelles  notons  aussi  les  ulceratious  du  dos  de  la  rnain  chez 
les  individus  maniant  les  lignes  de  peche  et  celles  que  produisent  les  sucs  d’un 
oephalopode  (Loligo  Forbesi)  employe  pour  amorcer  les  lignes. 

Les  defauts  du  regime  saaitaire  existent  a Terre  Neuve  se  trahissent  par  une 
mortalite  tres  elevee,  qui  malgre  les  difficultes  d’obtenir  une  statistique  complete 
peut  etre  evaluee  ä 15  pour  1000  pour  la  saison  de  peche,  ce  qui  correspondrait 
a la  proportion,  yraiment  excessive,  de  30  pour  1000  par  an. 

C.  F.  (Liege). 


Le  reenitement  i la  Rdunion.  De  Thdron.  Arch.  de  medec.  nav.  et  colon.  Juillet  1 897. 

Ce  travail  foumit  des  renseignements  interessants  sur  les  aptitudes  tres 
inegales  des  diverses  races  vivant  dans  l'ile,  au  Service  militaire  dans  larmee 
coloniale.  Ces  renseignements,  reunis  au  oonseil  de  revision  par  un  observateur 
impartial  qui  ne  plaide  pas  pour  teile  ou  teile  these  dans  la  question  de  l’accli- 
matement,  ont  la  valeur  de  documenta  serieux. 

Dans  les  parties  centrales  le  l’ile,  montagneuses  et  salubres,  vivent  encore 
des  populations  agricoles  descendant  des  anciens  colons  de  race  blanche,  et  ü peine 
melangees  d'un  peu  de  sang  negre  ou  malgache;  le  sang  blanc  domine  de  beaucoup 
chez  elles,  d’ou  le  nom  le  Petits  blancs  des  Hauts  qu'on  leur  donne  dans  l'ile; 
eil  es  constituent  encore  maintenant  une  race  forte  douee  d'une  grandc  resistance 
physique  et  de  solides  qualites  morales. 

A la  cot«  il  n’en  est  plus  de  meme:  on  rencontre  des  races  tres  varices 
sonvent  abatardies  par  la  vie  des  villes. 

Les  Cafres,  tres  abondants,  conservent  assez  bien  leur  vigueur  native,  sauf 
dan«  les  bas  fonds  des  villes,  oü  ils  degenerent  sous  l'action  de  l’alcool  et  de  la 
vie  derbglee. 

Les  Hindous  de  la  Reunion  sont  presque  tous  des  transportes,  de  castes  in- 
ferieures,  amenes  dans  l’ile  comme  travailleura;  ils  sont  maigres,  sans  resistance, 
de  caractere  sournois,  fourbe  et  vindicatif. 

On  tronve  aussi  des  Malgaches  ete.,  et  naturellement  entre  ces  differentes 
races  il  y a de  nombreux  croisements. 

Les  Cafres  transmettent  ordinairement  un  peu  de  leur  vigueur  aux  produits 
qu’ils  donnent  avec  les  Malgaches  ou  les  Hindous. 

Quant  aux  «Creoles«  on  designe  sous  ce  nom  k la  Reunion  tous  les  metis 
nea  dans  le  pays  et  dont  le  sang  contient  une  certaine  proportion  de  sang  blanc 
melange  au  sang  africain,  malgache  ou  hindou.  Le  mot  de  «creole»  n'a  donc  pas 
le  meme  sens  k la  Reunion  qu'aux  Antilles.  Or  l’auteur  constate  que  plus  le 
metis  de  la  cöte  a de  Bang  blanc  plus  il  presente  de  causes  d'exemption  de  Service: 
c’est  chez  les  jeunes  gens  blancs  ou  ä peau  tres  claire  que  l’on  observe  le  plus 
de  signes  d'une  degenerescence  de  la  race  (debilitc  congenitale,  hernies,  hydrocele, 
adenopathies,  tuberculose). 

C.  F.  (Liege). 


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180 


II.  Besprechungen  und  Littemturangaben. 


DUrre  und  Hungersnoth  in  Vorder-Indien. 

Zusammenfassende  Besprechung  von 
Dr.  rued.  Franz  Kronecker  aus  Berlin. 

Die  verheerende  Beulenpest,  welche  seit  October  1896  mit  kurzen  Unter- 
brechungen das  unglückliche  Bombay  und  eine  Reibe  anderer  Städte  des  mittler» 
Indiens  heimsucht,  ist  ohne  Zweifel  aus  Hongkong  eingesehleppt  worden.  Xi* 
aber  hätte  die  Seuche  wohl  eine  derartig  furchtbare  Intensität  erlangt,  wäre  niete 
der  Boden  für  sie  wohl  vorbereitet  gewesen.  Hungersnoth,  nach  Qualität  ck 
Quantität  unzureichende  Nahrung  w-ar  es,  was  die  Eingeborenen  geschwächt  und 
für  die  Aufnahme  des  Pestgiftes  empfänglich  gemacht  hatte.  In  einem  so  dick: 
bevölkerten  Lande  wie  Indien,  welches  völlig  auf  den  Ertrag  seines  Bodens  an- 
gewiesen ist,  hängt  Loben  und  Gesundheit  Hunderter  von  Millionen  von  das 
rechtzeitigen  Eintritt  und  der  genügenden  Menge  der  Niederschläge  ab. 

Im  nördlichen  und  mittleren  Vorder-Indien  beginnt  nach  einer  langen  Pt- 
riode  der  Dürre  die  Regenzeit  im  Anfang  Juni  und  schliesst  gegen  Ende  August 
Eiue  kürzere  Regenperiode,  die  „Cold  weather  rains“,  pflegt  gegen  Mitte  D»- 
cember  einzutreten  und  etwa  8 'Wochen  anzudauern.  Auch  diese  letztere  ist  tos 
grösster  Bedeutung,  zumal  für  die  Wintersaat.  Nun  betrug  im  mittleren  Indüe 
nach  Ausweis  des  „Annual  Report  of  the  Sanitary  commissioner  of  the  central 
provinces“  1895,  S.  12  beispielsweise  im  District  von  Jubalpore  die  gesanuzts 
Regenmenge  des  Jahres  1895  nur  47,56  Zoll  gegen  78,41  Zoll  im  Jahre  1894 
und  72,07  Zoll  im  Jahre  1893.  Dort  heisst  es  weiter:  „Während  der  letzt»  S 
Monate  des  Jahres  1895  fiel  aber  überhaupt  gar  kein  Regen.  Die  Saat  vir 
weit  unter  Durchschnitt  und  eine  unzureichende  Versorgung  mit  Saatgetreide  für 
ein  zweites  Jahr  erzeugte  Hungersnoth  und  Schwäche  für  eine  grosse  Anzahl  «ob 
Bewohnern. 

Die  unzureichende  Niederschlagsmenge  der  Regenzeit:  Juni,  Juli  und  Angw 
des  Jahres  1895,  gefolgt  von  einer  völligen  Abwesenheit  des  Kalt- Wetter-Rege? 
hatte  eine  schlechte  Ernte  zur  Folge:  AVeizen  gab  völligen  Ausfall.  Die  Noch 
im  Anschluss  an  drei  mittehnässige  Jahre  breitete  sich  weit  aus.  Die  ärmeres 
Klassen  benutzten  allgemein  Jungle-Producte  (wild  wachsende  Erzeugnisse  der 
Sumpfgebiete)  als  Nahrung  und  litten  dementsprechend“.  Aus  anderen  Theileo 
des  mittleren  Indiens  wird  Aehnliches  berichtet  So  verlautet  aus  dem  Nerbudha- 
District:  „Das  heisse  Wetter  war  strenger  als  1894.  Es  gab  eino  Herabsetzari 
des  Regenfalls  auf  42,45  von  61,58  des  Jahres  1894“. 

An  anderer  Stelle  des  oben  angezogenen  Berichtes  und  zwar  auf  Seite  13 
heisst  es  die  mittleren  Provinzen  Indiens  im  Allgemeinen  betreffend:  „Wäh- 
rend des  Jahres  1895  war  der  Regenfall  44,81,  das  heisst  8,73  Zoll  unter  dem 
Durchschnitt.  Leinsamen  verdarb  völlig  durch  rothen  Schimmel“. 

Dass  unter  solchen  Verhältnissen  die  in  dem  übervölkerten  Indien  schoe 
ohnehin  heftig  wiithendnn  Infections-Krankheiten  eine  besonders  starke  Ausdeh- 
nung erlangen  mussten,  darf  kaum  WuDder  nehmen.  Dass  der  Boden  für  he 
grässliche  Beulenpest  vorbereitet  wurde,  ist  bereits  Anfangs  erwähnt.  Aber  auch 
andere  Seuchen  traten  schon  Mitte  1895  mit  ungewöhnlicher  Heftigkeit  im  mitt- 
leren Indien  auf.  So  lesen  wir  in  dem  „Report  of  the  Sanitary  administiaüs 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


181 


of  the  Hyderabad  assigned  districts  for  the  year  1895“:  „Cholera  wüthete  das 
ganze  Jahr  hindurch  in  jedem  District“.  Der  „Depnty  Commissioner“  constatirt, 
dass  Cholera  in  „Berad“  gemeiniglich  im  August  und  September,  also  am  Schlüsse 
der  Regenzeit  ihren  Höhenpunkt  erreicht.  In  „Amaranti“  und  „Akola“  hingegen 
vor  Beginn  derselben,  so  zwar,  dass  die  ersten  Regen  die  Krankheitserreger  gleich- 
sam wegschwemmen.  Er  äussert  daher  die  Ansicht,  die  Cholera  habe  bei  tiefstem 
Grundwasserstande  ihre  Ursache  in  dem  Genuss  verdorbenen  Trinkwassers.  Der- 
selbe Districts-Commissar  stellt  fest,  dass  jede  der  erwähnten  Gemeinden  schwere 
hygienische  Mängel  besitze,  welche  das  Auftreten  jeder  Infectionskrankheit  dort- 
selbst  zur  Genüge  erklären  würde.  Er  meint,  das  beste  Schutzmittel  gegen  en- 
demische und  eingeschleppte  Cholera  liege  in  der  Versorgung  mit  reinem  Trink- 
und  Kücheuwasser. 

An  anderer  Stelle  dieses  Berichts.  Seite  21,  findet  sich  die  Desinfection  der 
Brunnen  mittelst  „Permanganate  of  Potash“  (Kali  hypermanganicum)  erwähnt. 
„Die  Mehrzahl,  welche  diese  Methode  versueht  haben,  sprechen  sich  sehr  günstig 
über  sie  aus“.  Auch  in  dem  „Report  of  the  Sanitary  administration  on  the  Hy- 
derabad assigned  District  for  the  year  1895“  finden  wir  die  Bemerkung:  „Cholera 
war  im  letzten  Jahre  die  verderblichste  Krankheit.  11919  Cholera- Todesfälle, 
d.  h.  4,2  pro  Mille  der  Gesammtbevölkerung  der  Provinz  Hyderabad  waren  zu 
verzeichnen.  Die  8 Oberland -Districte:  Basim.  Buldana  und  Wua  litten  am 
meisten  in  der  angeführten  Reihenfolge,  ln  Basim  kamen  10  Todesfälle  an  Cholera 
auf  1000  Bewohner!  Die  Sterblichkeit  an  Fieber  im  District  war  gross:  66203 
gegen  67070  im  Jahre  1894,  ein  Jahr,  welches  sich  durch  hohe  Fiebersterblich- 
keit besonders  hervorthat.  Dieselbe  widerspricht  den  frühren  Erfahrungen,  nach 
denen  die  Fieber- Mortalität  in  geradem  Verhältniss  zu  der  Niederschlagsmenge 
stand.  Denn  das  Jahr  1895  war  ein  besondere  trockenes  mit  nur  27  Zoll  (54 
Centimeter)  Regen!  Und  doch  betrug  die  Fieber-Mortalität  23,2  auf  das  1000 
gegenüber  dem  Durchschnitt  von  17,7  pro  mille  der  früheren  Jahre! 

Wir  sind  eben  noch  sehr  weit  davon  entfernt,  das  Verhältniss  des  Fiebere 
zu  klimatischen  Einflüssen  zu  kennen,  obwohl  seiD  Vorwiegen  zu  gewissen  Zeiten 
des  Jahres  sicher  gestellt  ist.“ 

Aber  nicht  allein  in  den  mittleren,  auch  in  den  noch  weit  ausgedehnteren 
nördlichen  Districten  Indiens  herrschte  im  Jahre  1895  eine  verderbliche  Dürre. 
Insbesondere  fielen  auch  hier  die  3 wöchentlichen  Winterregen , welche  sonst 
regelmässig  um  die  Jahreswende  das  ausgedürrte  Land  zu  erquicken  pflegen, 
völlig  ans. 

Referent  vermag  dies  aus  eigener  Anschauung  zu  bestätigen,  da  er  gerade 
um  jene  Zeit  Indien  bereiste.  Unter  solchen  Verhältnissen  war  der  Gesundheits- 
zustand auch  in  den  weiten  Ebenen  und  grossen  Städten  des  indischen  Nordens 
ein  sehr  trauriger.  So  lesen  wir  in  dem  „Report  of  the  Calcuttas  medical  insti- 
tutions  for  the  year  1895  by  Surgeon  general  Georges  C.  Ross“  auf  S.  1 und  2: 
„Der  Gesundheitszustand  Calcuttas  war  1895  um  Vieles  schlechter  als  in  den 
vorangegangenen  Jahren.  Die  Totalsumme  der  Todesfälle  war  die  grösste  für  die 
7 Jahre,  für  welche  Daten  zu  erhalten  sind  und  betrug  auf  1000  Bewohner  6,7 
mehr  als  in  den  letzten  Jahror. 

In  Hon  12  mit  insgesamn.t  1768  Betten  ausgestatteten  Krankenanstalten  der 
Stadt  wurden  im  Jahre  1895  bis  26879  Kranke  verpflegt,  gegen  24912  des  Vor- 
jahres ; poliklinisch  behandelt  wurden  266672.  Von  den  Hospitalkranken  starben 


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182 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


8779  d.  h.  14,32 %•  Von  der  Gesammtzahl  der  Patienten  litten  881  an  Pocken, 
683  an  Cholera,  8383  an  Ruhr,  39256  an  Malaria,  81  an  Skorbut,  13346  an 
rheumatischen  inneren  Leiden,  842  an  Tuberkulose,  825  an  Lepra.  3926  grössere 
Operationen  wurden  ausgeführt. 

Die  Unterhaltungskosten  sämmtlicher  Anstalten  beliefen  sich  für  das  Be- 
richtsjahr auf  878298  Rupies  (ca.  1317447  Mark  nach  dem  damaligen  Cure“. 

Sind  jene  Daten  für  Calcutta,  die  Hauptstadt  des  Landes,  wo  sich  die  Ver- 
hältnisse gut  übersehen  lassen,  durchaus  zuverlässig,  so  ist  der  Statistik  der  offi- 
ciellen  Berichte  der  indischen  Beamten,  soweit  das  flache  Land  in  Betracht 
kommt,  ein  weit  geringerer  Werth  beizumessen.  Jene  Berichte  selbst  gestehen 
dies  nicht  selten  unumwunden  zu. 

So  lesen  wir  in  dem  „28  th.  annual  Report  of  the  Sanitary  commission er 
for  Bengal  year  1895  by  Surgeon  Capt  H.  J.  Dyson“  auf  Seite  16: 

„Wie  gewöhnlich  waren  die  kalten  Monate  October  bis  Januar,  und  darnach 
April  (in  welch’  letzterem  Monat  die  Hitze  ganz  plötzlich  mit  grosser  Heftigkeit 
einzusetzen  pflegt;  der  Refer.)  die  ungesundesten.  Neben  dem  wohlbekannten 
Factum,  dass  die  Eingeborenen  jener  Gegenden  in  der  Regel  dem  Einfluss  der 
kalten  Witterung  nur  geringen  Widerstand  entgegen  zu  setzen  vermögen,  ist  die 
höhere  Sterblichkeitsziffer,  welche  wir  in  den  amtlichen  Tabellen  für  die  Periode 
nach  der  Regenzeit  verzeichnet  finden,  auf  Rechnung  der  grösseren  Thitig- 
keit  der  Statistiken-Sammler  zu  setzen.  Während  des  Regens  ist  nämlich  das 
Bereisen  der  ländlichen  Districte  sehr  schwer,  und  in  der  heissesten  Periode  des 
Jahres:  Anfang  April  bis  Mitte  Juni  fehlt  den  Beamten  die  physisohe  Kraft 
zu  Arbeit  des  Sammelns  der  Zahlenmaterialien. 

Den  April  betreffend,  so  ist  seine  hohe  Sterblichkeitsziffer,  abgesehen  von 
dem  rapiden  Einsetzen  der  grossen  Hitze,  auf  Conto  des  Wüthens  der  Cholera 
zu  schreiben.“ 

Dürre  und  Hungerenoth  ist  und  bleibt  die  grösste  Geissei  Yorder-Indiens. 
Durch  ein  ausgedehntes  Bahnnetz,  welches  es  ermöglicht,  grosse  Massen  Getreide 
schnell  in  die  bedrohten  Gegenden  zu  schaffen,  hat  man  der  furchtbaren  Gefahr 
zu  steuern  gesucht,  freilich  mit  nur  theilweisem  Erfolge.  Noch  grössere  Be- 
deutung ist  der  künstlichen  Bewässerung,  der  Irrigation,  beizumessen, 
welche  die  englische  Regierung  in  richtiger  Erkenntniss  ihrer  Pflicht  angelegt  hat 
Hierdurch  wird  weiten  Strecken  von  Culturland  die  nothwendige  Feuchtigkeit  aof 
künstlichem  Wege  zugeführt.  Besitzen  doch  die  Ströme  des  Landes  selbst  in  der 
trockensten  Zeit  des  Jahres  Wasser  genug,  um  viele  tausend  Quadratmeilen  cultur- 
fähigen  Bodens  zu  versorgen.  Freilich  wird  auf  jene  Weise  viel  neues  Sumpf- 
land geschaffen,  welches  verderbliche  Fiebermiasmen  ausbrütet  Aber  immer 
besser,  die  Bevölkerung  bietet  in  gutgenährtem  Zustande  der  Malaria  Trotz, 
als  sie  hungert  und  darbt,  und  fällt  schliesslich  elend  und  ausgemergelt  doch  einer 
der  Seuchen  zum  Opfer,  welche  das  Land  periodisch  heimsuchen.  Hierzu  kommt, 
dass  der  fromme,  gottergebene  Inder  dem  Ende  durch  Krankheit  ruhig  in's  Auge 
schaut,  die  Qualen  des  Hungers  aber  mehr  fürchtet  als  den  martervolbten  Tod. 
Eine  sehr  bemerkenswerthe  Auseinandersetzung  in  jenem  Sinne  finden  wir  in  der 
, Report  of  the  8anitary  administration  of  the  Punjab  for  the  year  1895  by  Sur- 
geon Lieut.  Colonel  W.  A.  Crowford“. 

Nachdem  er  festgestellt  hat,  dass  das  vergangene  Jahr  549  Cholera-Todesfälle 
brachte,  davon  allein  511  in  dem  Umballa-District,  heisst  es  weiter  auf  Seite  20: 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


183 


„Sumpffieber  (Paludisme)  betreffend,  so  suche  ich  das  Verhältniss  zwischen 
Geburten,  Todesfällen  und  Tod  am  Fieber  für  jede  Provinzialstadt  und  jeden 
ländlichen  Kreis  festzustellen  mit  Rücksicht  auf  die  Versumpfung  und  Beriese- 
lung eines  jeden  Districtes.  Mit  Hülfe  der  Civilärzte  hoffe  ich  ein  Zahlenmaterial 
zu  erhalten,  welches  dazu  ausreicht,  sich  ein  Urtheil  darüber  zu  bilden,  ob  die 
Schlüsse,  welche  ich  mir  nach  allgemeinem  Eindruck  gebildet  habe,  richtig  Bind. 

Ich  habe  nämlich  den  Eindruck  gewonnen,  dass  die  Frage  nach  der  Be- 
rieselung (Irrigation)  im  Verhältniss  zu  der  Sterblichleitsziffer  von  allergrösster 
Bedeutung  für  die  Cultur  des  ganzen  Landes  ist.  Ob  nun  aber  die  Sterblichkeit 
mit  der  fortschreitenden  Irrigation  des  Landes  zunimmt  oder  nicht,  eines  ist 
sicher,  dass  nämlich  letztere  nicht  gehemmt  werden  darf!  Die  Frage  stellt  sich 
einfach  so:  Sollen  wir  periodische  Hungersnöthe  haben  oder  höhere  Fieber-Sterb- 
lichkeit? Wollte  ich  derartige  Fragen  an  die  Eingeborenen  direct  stellen,  so  würde 
mir  ein  jeder  antworten,  ob  hoch  oder  niedrig:  „Gebt  uns  Brod!  Wenn  Gott 
will,  so  mögen  wir  am  Fieber  sterben!“ 

Ich  selbst  bin  der  Ueberzeugung,  dass  die  Irrigation  sicherlich  höhere 
Fieber-Mortalität  zur  Folge  hat,  und  glaube  aus  diesem  Grunde,  dass  die 
Regierung  ihre  volle  Aufmerksamkeit  auf  rationelle  Dränage  zu  richten  haben 
wird.  Kein  Zweifel:  Die  Frage  ist  eine  reine  Geldfrage.  Indessen  Dränage 
ist  die  einzige  richtige  Lösung  beider  Probleme,  der  Berieselung  und  der  Fieber- 
Sterblichkeit  Denn  wenn  einem  zu  hohen  Steigen  des  Wassers  vorgebeugt  und 
ein  guter  Abfluss  geschaffen  wird,  so  werden  wir  ohne  Zweifel  die  Fieber-Sterb- 
lichkeit in  bescheidneren  Grenzen  zu  halten  vermögen.“ 


Bravi  cennl  zulle  condizloni  cllmallco-iglenlche  del  Benadlr  (Kurze  Winke  über  die 
klimatisch -hygienischen  Verhältnisse  der  Benadir-  Küste),  von  8.  Accurso, 
medico  di  2 a classe.  Annali  di  medicina  navale,  März  1898. 

Die  Beobachtungen  des  Verfassers  beziehen  sich  vorzugsweise  auf  den  Küsten- 
ort Magadiscio  (Magadischu)  mit  9000  Einwohnern.  Der  Schmutz  in  dem  Orte  ist 
gross,  der  Boden  tbonig  mit  Sanddecke,  welche  stellenweise  mit  Salzcrystallen 
überzogen  ist  Die  ebene  Strandlandschaft  wird  durch  eine  Dünenkette  von  dem 
ebenfalls  flachen  Binnenlande  getrennt  Das  Klima  an  der  Benadirküste  ist 
gleichmässig  warm,  der  trockene  Nordost-Monsun,  welcher  von  October  his  April 
yveht,  wird  nach  einigen  Wochen  mit  unregelmässigen  Winden  vom  feuchten 
8üdwest-Monsun  abgelöst,  welcher  etwas  niedrigere  Temperaturen  bringt  In  der 
ersten  Periode  schwankt  das  Thermometer  zwischen  25—80,5°  C.,  in  der  letzten 
zwischen  24—28,5*  C.  Das  Maximum  fällt  in  die  Monsun-Pause  im  Mai  mit 
85°  C.  Die  stärksten  Regen  fallen  in  die  Zeit  des  Monsunwechsels. 

Das  Trinkwasser  wird  reichlich  und  gut  von  zahlreichen  Brunnen  geliefert. 

Was  die  Krankheiten  angeht,  so  hat  A.  nur  während  der  Regenzeit  Malaria 
in  leichter  Form  beobachtet,  dagegen  sind  Krankheiten  des  Verdauungscanala 
häufig.  Beim  Uebergang  von  der  wärmeren  zur  kälteren  Jahreszeit  traten  massen- 
haft rheumatische  und  respiratorische  Erkrankungen  auf,  auch  suchte  eine  In- 
fluenza-Epidemie die  Küste  heim.  Lungentuberoulose  will  A.  bei  den  Eingeborenen 
häufig  gefunden  haben,  giebt  aber  zu,  seine  Diagnose  nicht  auf  den  Nachweis 
von  Tuberkel-Bacillen  stützen  zu  können. 


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184  II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

Die  Blattern  sind  im  Sultanat  Obbia  endemisch,  es  lassen  sich  die  Somali 
jedoch  unschwer  zur  Impfung  überreden.  Lepra  maculosa  kommt  vor,  meistert, 
von  der  Suaheli  - Küste  und  Zanzibar  eingeschleppt,  der  Guinea -Wurm  war  in 
allen  beobachteten  Fällen  von  anderswo  her  mitgebracht  worden.  Lichen  tropicts 
peinigt  allgemein  die  Weissen  besonders  während  der  windstillen  heissen  Jahres- 
zeit. Unter  den  Eingeborenen  sind  die  gewöhnlichen  entzündlichen  Dermatosen 
(Eczeme  n.  s.  w.)  nnd  besonders  die  Dermatomvcosen  sehr  verbreitet.  In  zahl- 
reichen Fällen  konnte  der  Verfasser  Alopecia  areata  beobachten  nnd  glaubt  be- 
sonders, nachdem  er  selbst  von  dem  Leiden  dort  befallen  ist,  an  den  parasitäres 
Ursprung  dieser  Affection. 

Augenleiden,  deren  Entstehung  durch  die  starken  den  Sand  anfwirbelnd« 
Winde  begünstigt  wird,  auch  Trachom,  sind  eine  häufige  Krankheit,  nicht  weniger 
phagedänische  Geschwüre,  Elephantiasis  Arabum,  endlich  Hydroeele,  deren  Bildung 
wohl  weniger  durch  das  Klima,  wie  Hirsch  annimmt,  als  durch  die  landesübliches 
Excesse  in  Venere  und  die  den  Hoden  keinen  Stützpunkt  bietende  Kleidung,  be- 
fördert wird. 

Von  dem  gefürchteten  Pfeilgift  der  Somali  (Ouabain;  hat  Verfasser,  obsehon 
er  wiederholt  Verletzungen  durch  vergiftete  Pfeile  zu  behandeln  hatte,  nie  eine 
Wirkung  beobachten  können.  Syphilis  und  Tripper  waren  bei  den  Eingeborenes 
um  so  häufiger  zu  finden,  besonders  als  Folge  der  Blenorrhoeen  zahllose  Strikturea ! 

Die  Pathologie  der  Benadir-Küste  entspricht  nach  dem  Gesagten  einem 
gemässigten  Klima,  welches  dem  Europäer  zusagt.  Moderne  hygienische  Ein- 
richtungen könnten  die  Küstenstädte  noch  wohnlicher  und  gesunder  machen. 

M 

Pestnachrichten. 

Während  in  Bombay  die  Seuche  beständig  abnimmt  (erster  Maiwochenbe- 
richt 280  Pesttodesfälle),  tritt  dieselbe  in  Karraehe  heftiger  auf.  Auch  in  Japan 
und  Hongkong  ist  dio  Krankheit  noch  im  Zunehmen.  In  Suez  und  Calkutta  sind 
nur  einzelne  Fälle  beobachtet  worden  und  innerhalb  der  zweiten  Hälfte  des  Mai 
sind  keine  neuen  Erkrankungen  mehr  bekannt  geworden.  Auch  aus  Djeddak 
fliessen  die  Nachrichten  spärlicher,  woraus  auf  eine  Besserung  der  Lage  geschloewsi 
werden  darf.  Ein  in  Smyrna  am  10.  Juni  beobachteter  verdächtiger  Fall  wurde 
als  harmlos  erkannt.  M. 


b)  Pathologie  und  Therapie. 

Beri-BerU 

Karl  Däubler.  Die  Beri-Berikrankheit  Virchow's  Archiv.  152.  Bd.  1894. 

Seite  218. 

Verfasser,  dem  wir  schon  mehrere  Arbeiten  über  Beriberi  verdanken,  giebt 
in  vorliegender  Veröffentlichung,  der  ein  von  ihm  auf  der  68.  Versammlung 
Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Frankfurt  a.  M.  gehaltener  vortrag  za 
Grunde  liegt,  einen  kurz  gefassten  Ueberblick  über  den  augenblicklichen  Stand 
unserer  Kenntnisse  dieser  Krankheit  Er  sieht  die  Beriberi  für  eine  hauptsächlich 
tropische  Infectionskrar.kbeit  an,  die,  wenn  Kranke  in  die  gemässigte  Zone  kommen, 
völlig  erlischt  Innerhalb  ihres  Verbreitungsgebietes  tritt  dieselbe  vorzugsweise 
da  auf,  wo  auf  bestimmtem,  engbegrenztem  Terrain  viele  Menschen  eng  zusammen 


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11.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


185 


oder  in  bestimmten  Gebäuden  wohnen.  So  ist  sie  in  Atjeh,  dem  gefürchtetsten 
Krankheitsherde,  in  den  holländischen  Befestigungen  unter  Farbigen  und  selbst 
Europäern  ausserordentlich  häufig  während  die  eingebornen  Atjoher  in  ihren  einen 
Büchsenschuss  davon  entfernten  Dörfern  verschont  zu  bleiben  pflegen.  Den  von 
verschiedenen  Seiten  als  Krankheitsursache  angesprochenen  Mikroorganismen  gegen- 
über verhält  sioh  Däubler  ablehnend.  Als  Gelegenheitsursachen  konnte  er  nament- 
lich anstrengende  Märsche,  unregelmässige  Verpflegung  und  zu  kurze  Bast  nach- 
weisen. 

Verfasser  unterscheidet  eine  acute,  eine  subacute  und  eine  chronische  Form 
der  Krankheit  Die  erste  umfasst  die  acute  pernieiöse  Form  und  zu  einem  kleinen 
Theile  auch  die  hydropische  bezw.  fcydropisch-atrophische  Form  des  Referenten, 
während  die  subacute  im  Allgemeinen  der  letzteren  und  die  am  häufigsten  ver- 
kommende chronische  der  atrophischen  Form  entspricht  Zur  rudimentären  Form 
des  Referenten  zu  rechnende  Fälle  scheinen  Däubler  nicht  zur  Beobachtung 
gekommen  zu  sein.  Erwähnt  zu  werden  verdient  dass  derselbe  in  einer  Anzahl 
von  Fällen  mit  acutem  kurzen  Verlauf  die  Kniescheibensehnenreflexe  gesteigert 
sah,  während  diese  in  andern  Fällen  mit  längerer  Dauer  und  geringerer  Heftig- 
keit der  Symptoino  stets  herabgesetzt  waren,  und  dass  er  in  allen  Fällen  der 
acuten  Form  Temperaturerhöhung  (bis  zu  40")  beobachtete.  Unter  den  Symptomen 
der  subacuten  Form  führt  er  auch  Flüssigkeitsergüsse  — Verfasser  spricht 
übrigens  immer  von  Exsudaten  statt  von  Transsudaten  — in  den  Fuss-  und  Knie- 
gelenken an,  welche  meines  Wissens  von  keinem  andern  Autor  erwähnt  werden. 

Auf  die  Schilderung  des  Krankheitsbildes  folgt  die  Besprechung  der  patho- 
logischen Anatomio.  Die  die  Beriberi  charakterisirende  Nervenerkrankung  hält 
er  nicht  wie  Pekelharing  nur  für  eine  Degeneration,  sondern  in  Übereinstim- 
mung mit  Referenten  für  eine  entzündliche.  Verfasser  machte  selbst  11  Sectionen 
von  acuten  Fällen  und  nahm  ausserdem  noch  an  20  von  subacuten  und  chroni- 
schen Theil.  Seine  Befunde  waren  im  Wesentlichen  Hautodem,  Hydropericardium, 
Ascites,  Lungenödem,  in  einem  Falle  linksseitiges  pleuritisches  Exsudat,  ferner 
Schlaffheit  und  Dilatation  des  Herzens,  namentlich  des  rechten  Ventrikels,  mehr 
oder  weniger  hochgradige  Fettentartung  des  Herzfleisches,  fettige  Degeneration  der 
Unter-  und  Oberschenkel muskeln  und  einmal  auch  des  N.  tibialis.  Bei  acuter 
Beriberi  zeigte  der  N.  vagus  stets  fettige  Degeneration. 

Bei  der  Differentialdiagnose  wird  namentlich  der  Unterschied  zwischen  Beriberi 
und  Malaria  eingehend  erörtert  und  besonders  hervorgehoben,  dass  letztere  nicht 
so  wie  eretere  durch  Personen  und  Menschen  verschleppt  werden  kann.  Dass 
Beriberi  nicht  als  Nachkrankheit  anderer  Infectionskrankheiten  beobachtet  w'orden 
sei,  ist  nicht  richtig.  Referent  sah  dieselbe  im  Verlaufe  oder  im  Anschlüsse  an 
die  verschiedensten  Infectionskrankheiten,  als  Unterleibstyphus,  Cholera,  Ruhr, 
Malaria,  acuten  Gelenkrheumatismus,  Syphilis,  TubercuJose  sich  entwickeln. 

Zum  Schlüsse  wird  kurz  die  Therapie  besprocheu,  welche,  abgesehen  von 
der  Transferirung  der  Kranken  nach  beriberifreiem  Terrain,  eine  symptoma- 
tische ist. 

. Schade  ist,  dass  Verfasser  auf  zwei  Fragen,  die  gerade  jetzt  im  Vorder- 
gründe des  Interesses  stehen,  nämlich  das  neuerdings  beobachtete  epidemische  Auf- 
treten der  Beriberi  bezw.  einer  dieser  sehr  nahestehenden  Kraukheit  in  bisher 
beriberifreien  Ländern  der  gemässigten  Zone,  wie  in  den  Irrenanstalten  in 
Dublm  und  Tuscaloosa  (Alabama),  und  der  jüngst  von  Eykman  behauptete 


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186 


IT.  Besprechungen  und  Litte  rat  uran gaben. 


ätiologische  Zusammenhang  der  Krankheit  mit  geschältem  Reise  als  Nahrung,  nicht 
näher  eingeht  Letzterer  wird  nur  ganz  kurz  erwähnt. 

Scheube. 


Z.  Hirota.  Ueber  die  durch  die  Milch  der  an  Kakke  (Beriberi)  leiden- 
den Frauen  verursachte  Krankheit  der  Säuglinge.  Centralblatt  für 
innere  Med.  1898.  Nr.  16.  S.  385. 

Verfasser  beobachtete  bei  Kindern  im  1.  Lebensjahre,  die  von  beribenkranlac 
Müttern  oder  Ammen  gesäugt  wurden,  ein  eigentümliches  Krankheitsbild,  be- 
stehend in  Unruhe,  Erbrechen  (selten  mit  Durchfall),  tiefer  oder  aphoniseber 
Stimme,  Cyanose,  frequentem,  weichem  und  schnellem  Puls,  gesteigerter  Hert- 
action,  verstärktem  2.  Pulmonalton,  bisweilen  nach  rechts  verbreiteter  Hsra- 
dämpfung,  Beschleunigung  der  Respiration,  V erminderung  der  Hammenge,  Oedem. 
In  den  meisten  Fällen  hatte  Wechsel  der  Nahrung  rasche  Besserung  und  Hei- 
lung zur  Folge.  Einige  Male  trat  trotzdem  der  Tod  ein, 

Hirota  ist  der  Ansicht,  dass  diese  Krankheit  durch  Intoxication  mit  d« 
Milch  der  an  Beriberi  leidenden  Frauen  hervorgerufen  wird,  und  hält  diese  11« 
gleichfalls  für  Beriberi,  die  er  überhaupt  für  eine  Intoxications-Krankheit  aissieht 
Dass  in  keinem  Falle  Lähmungserscbeinungen  constatirt  werden  konnten,  spricht 
seiner  Meinung  nach  nicht  gegen  diese  Annahme,  da  natürlich  leichte,  motorische 
und  sensible  Störungen  sich  bei  Säuglingen  der  Beobachtung  entziehen.  Aber  auch 
die  für  Beriberi  charakteristischen,  pathologisch-anatomischen  bezw.  -histologisch« 
Veränderungen,  insbesondere  die  Erkrankung  der  peripheren  Nerven,  sind  vo» 
Verfasser  nicht  naehgewiosen  worden.  In  dem  einen  zur  Section  gelangten  Falle 
werden  als  Obductionsbefunde  nur  Dilatation  und  Hypertrophie  des  rechten  Ven- 
trikels, Oedema  universalis  und  frische  Bronchopneumonie  angeführt  Solange  diese 
beiden  Postulate  aber  nicht  erfüllt  sind,  möchte  Referent  die  ‘Frage  nach  der 
• Natur  der  von  Hirota  beobachteten  Säuglingskrankheit  noch  als  eine  offene  ac- 
sehen.  Scheube. 


Malaria. 

Aerztlicha  Beobachtungen  in  den  Tropen,  von  Geh.  Rath  Prot  Dr.  Robert  Koch. 

Vortrag  gehalten  am  9.  Juni  in  Berlin.  Deutsche  Colonialgeeellschaft,  Abthaduag 
Berlin-Cbarlottenburg. 

Einleitend  beschreibt  kurz  Geh.  Rath  R.  Koch  seine  1*/»  jährige  Reise  narb 
Indien  (Bombay),  Süd-  und  Ost-Afrika,  indem  er  bemerkt,  dass  fünf  Hauptpunkte 
dabei  ihn  beschäftigten:  1)  Die  Rinderpest,  2)  die  menschliche  Pest,  8)  Lepra. 
4)  Malaria  und  neben  allen  5)  Tropenhygiene.  Am  meisten  interessirt  das  Tropen- 
fieber, die  Malaria  und  speciell  soll  sich  der  Vortrag  darüber  verbreiten.  Die 
Malaria,  welcher  man  in  den  Tropen  auf  Schritt  und  Tritt  begegnet,  bedingt 
Unmöglichkeit  der  Colonisation  für  weisse  Ansiedler.  Ihre  Bedeutung  hierfür  ist 
ao  hervorragend,  dass  der  V ortragende  dabei  stehen  bleibt;  er  führt  Beispiele  ac. 
welche  Verheerungen  die  Malaria  unter  don  Weissen  in  Ostafrika  und  in  den 
übrigen  deutschen  Colonien  anrichtet,  darunter  solche,  die  er  selbst  beobachtet«. 
Auch  in  den  Ostafrika  benachbarten  Colonien  geht  es  nicht  viel  besser,  in  Mo- 
zambique ist  das  für  250  Kranke  berechnete  Spital  fast  nur  mit  Malariakrankeo 
gefüllt 


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n.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


187 


Um  die  Aetiologie  und  das  Wesen  der  Malariakrankheit  zu  erklären,  zieht 
der  Vortragende  eine  Parallele  mit  dem  Texasfieber,  zeigt,  dass  die  Zecken  die 
Wirthe  eines  eigenen  Parasiten  des  Pyrosoma  bigeminum  sind,  so  genannt,  weil 
gewöhnlich  zwei  mit  einander  verbundene,  bimförmige  Parasiten  im  rothen 
Blutkörperchen  gefunden  werden,  welche  ihre  Jungen,  nachdem  sie  auf  knfnken 
Thieren  sassen,  auf  gesunde  Rinder  übertragen  und  Blut  saugen.  Dieser  Parasit 
findet  sich  dann  in  den  Erythroeyten  an  Texasfieber  erkrankter  Rinder.  Aus 
Texas  stammende  Rinder  aber  sind  durch  solche  Zecken  nicht  zu  inficiren,  sie 
bleiben  gesund  und  haben  durch  das  Ueberstehen  der  Krankheit  seitens  ihrer 
Eltern  Immunität  erworben. 

Die  texasfieberkranken  Thiere  an  der  Küste  Ostafrikas  stammen  natürlich 
nicht  aus  Texas.  Die  Krankheit  ist  nach  Aussage  der  Eingebornen  bereits  von 
ihren  Voreltern  in  sehr  verbreitetem  Maasso  beobachtet  Ebenso  ist  es  in  Ru- 
mänien, der  Campagna,  ja  auch  in  Australien  heimisch.  Sodann  verbreitet  sich 
Herr  Geh.  R.  Koch  über  die  Versuche  Smith’s,  der  nach  Afrika  Thiere  mit  Zecken 
aus  Texas  kommen  liess,  diese  aber  steckten  andere  gesunde  Thiere  nicht  an, 
wohl  aber  ihre  jungen  Zecken.  Aehnliche  Versuche  stellte  der  Vortragende  nun 
in  Ostafrika  an  und  erläutert  dieselben  in  der  Weise,  wie  in  selber  im  Colonial- 
blatt erschienenen  Arbeit  Seine  Thiere  erkrankten  am  22.  Tage,  und  nur  solche 
Rinder,  welche  mit  Zecken-Abkömmlingen  von  kranken  Thieren  besetzt  wurden. 

Indem  der  Vortragende  auf  Malaria  übergeht  und  bemerkte,  dass  sich 
Malaria  betreffe  ihrer  Uebertragung,  wie  später  erörtert  werden  solle,  mit  dem 
Texasfieber  der  Rinder  vergleichen  lasse,  erörtert  er  die  Laveran’sche  Entdeckung 
der  Malariaparasiten,  scheidet  die  nordeuropäische  Malaria  von  der  tropischen, 
und  setzt  als  Zwischenglied  die  Malaria  der  südlichen  Länder  ausserhalb  der 
Tropenzone.  Er  beschreibt  die  europäische  Tertiana  als  Grundtypus  für  Nord- 
europa, die  südlichen  Länder,  aber  auch  in  gewisser  Richtung  für  die  Tropen. 
Quotidiana  ist  nach  seinen  Beobachtungen  nur  doppelte  Tertiana.  Der  Malaria- 
anfall wird  beschrieben,  die  Temperatur  soll  stets  graphisch  aufgestellt  werden. 
Vor  dem  Fieber  schwankt  die  Temperatur  immer  in  Zehntelgraden  über  87  'C, 
steigt  dann  bis  89°,  40°  und  fällt  in  8 — 8 Stunden  zur  Norm  ab.  Nachdem 
die  morphologisch  bekannten  Tertianaformen  und  ihre  ebenso  bekannte  Ent- 
wicklung zu  reifen,  sporulirenden  Formen  beschrieben  wurde,  wobei  Vortragender 
hervorhob,  dass  die  in  keinem  Falle  zu  unterlassende  Blutuntersuchung  die  Be- 
ziehungen dos  Parasiten  zum  Fieber  klarstellt,  indem  die  Sporulation  mit  dem  An- 
fall einsetzt  und  auf  der  Höhe  des  Fiebers  sich  schon  kleine  Formen  finden,  sagt  er, 
dass  beim  Autumnalfieber  nur  Ringformen  gefunden  wurden,  es  sei  aber  bisher 
nicht  aufzuklären,  welches  die  Beziehungen  dieser  Art  der  Form  zu  dem  Fieber 
sind.  In  den  Tropen  sind  diese  Ringe  feiner.  Diese  Verhältnisse  seien  aber  in 
verschiedenen  Tropenländem  verschieden  von  denen  in  Ostafrika  Obschon  ee 
vier  verschiedene  Formen  der  Tropenmalaria  gäbe,  kämen  nur  10%  äller  in 
Ostafrika  auf  Tertiana  90%  seien  Tropenmalaria  Für  Tropenärzte  sei  es 
schwierig,  dem  eigentlichen  Gange  der  Tropenmalaria  nachzuforschen,  weil  ge- 
wöhnlich mit  der  Beobachtung  die  Chininbehandlung  beginne.  Vortragender  gab 
kein  Chinin  und  fand  dann,  dass  die  Tropenmalaria  genau  die  gleichen  typi- 
schen Tertianaanfälle  aufwies  als  anderswo.  Der  Hochstand  der  Fieber- 
temperatur währt  aber  länger  als  in  Europa,  die  Incubationszeit  10—14  Tage. 


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188 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Der  Iniicirte  vermehrt  durch  Sporulation  bei  jedem  Anlalle  um  das  20 fach« 
seine  Parasiten.  Sind  mehrere  Parasitengenerationen  im  Blute  anwesend,  ent- 
stehen Continua,  Remittens.  Das  Verhalten  der  Tropenparasiten  ist  dasselbe 
als  bei  Tertiana.  Die  Beziehungen  der  Tropenparasiten  zur  Curve  sich  ru  er- 
klären bleibt  die  Hauptsache. 

Betreffs  der  nach  solchen  Beobachtungen  zu  bestimmenden  Behandlung  zeigt 
der  Vortragende,  dass  wir  wissen  müssen,  warum  und  wann  wir  Fiebermittel. 
Chinin,  zu  geben  haben.  Chinin  hemmt  nur  die  Entwicklung  der  Parasiten,  wir 
haben  unser  Augenmerk  auf  die  ganz  jungen  gegen  Chinin  empfindlichen  Formen 
zu  richten.  Diese  trifft  man  schon  auf  der  Höhe  des  Anfalls.  Alte  Regel  ist  es, 
wenn  der  Anfall  bevorsteht,  das  Chinin  zu  geben,  welches  dann  beim  Auftreten 
der  jüngsten  Formen  wirksam  werden  kann.  Da  bei  Tropenmalaria  aber  der 
Anfall  vorher  nicht  so  zu  bestimmen  ist,  wie  bei  unserer  typischen  Tertiana,  so 
hat  man  ganz  irregulär  Chinin  gegeben  und  damit  wenig  erreicht,  oft  geschadet 
Wenn  möglich,  gebe  man  das  Chinin  nicht  höher  als  1 Gramm  (pro  dosi)  us 
Beginn  des  Anfalls,  oder  zu  Ende  des  Anfalls,  um  die  dann  vorhandenen  junges 
Formen  in  ihrer  Entwicklung  aufzuhalten.  Wird  die  Behandlung  so  und  unter 
mikroskopischer  Oontrole  eingerichtet,  so  ist  es  ebenso  leicht,  die  Iropenmalaria 
zu  heilen,  als  die  aussertropische  resp.  unsere  heimatliche.  Die  Tropenparasiten. 
welche  bekanntlich  nicht  imperiphoren  Blut  sporuliren,  sondern  in  den  Organen, 
thun  dieses  in  ganz  gleicher  Weise  als  die  Tertianparasiten,  wie  im  Milzblut  zu 
beobachten  ist,  nur  geschieht  Alles  im  verkleinerten  Maassstabe , sie  pigmenti  reo 
sich  auch  nicht  so  stark.  Die  Tropenmalaria  recidivirt,  im  Gegensatz  zur 
aussertropischen,  in  intenaer  Weise,  und  ehe  nicht  die  Parasiten  alle  aas  dem 
Blut  entfernt  sind,  erhält  der  Exanke  sein  Recidiv.  Daher  ist  es  nothwendig, 
jeden  5.  Tag,  einen  Monat  lang  1 Gramm  Chinin  zu  geben;  hierauf  tritt  Gene- 
sung ein.  Vortragender  lässt  auch  2 Gramm  Chinin  nehmen. 

Das  Schwarzwasserfieber  bat  mit  Malaria  nach  R.  Koch's  Beobachtungen 
nichts  zu  thuu,  es  kommt  nicht  nur  in  den  Tropen  vor,  ist  wahrscheinlich  nicht 
vod  Malariaparasiten  abhängig,  eher  von  vorgängigem  Gebrauch  sowohl  von  Chinin 
als  Areen,  Methylenblau  und  anderen  Fiebermitteln,  bei  geschwächten  Individuen 
Die  hygienische  Seite  der  Malariafrage,  die  Prophylaxe,  muss  sich  auf  die  Kenntnis 
der  Entstehung  der  Malaria,  Verbreitung  und  Nachweis  der  Parasiten  ausserhalb 
des  Körpers  stützen.  Die  Malaria  ist  nicht  ansteckend,  daher  kann  sie  nicht 
durch  die  Luft  übertragen  werden,  auch  nicht  durch  das  Trinkwasser,  wofür  da 
italienische  Beweis  spricht  (man  Hess  Menschen  das  Sumpfwasser  der  Campagsa 
trinken,  ohne  dass  sie  an  Malaria  erkrankten).  Nach  Hinweisen  auf  Malariablut- 
impfungen und  Bodentheorie  spricht  der  Vortragende  es  aus,  dass  die  Uebertragung 
durch  Btutimpfung  seitens  blutsaugender  Insekten,  in  den  Tropen 
durch  Mosquitos,  höchst  wahrscheiuHch  sei.  Er  stützt  seines  Ausspruch  ad 
viele  Hinweise,  besondere  folgende:  Malaria  wird  nur  zur  Nachtzeit,  wo  Mos- 
quitos schwärmen,  acquirirt,  „wo  Mosquitos  fehlen,  da  keine  Malaria",  Thier- 
krankheiten, welche  ähnlich  wie  Malaria  durch  Parasiten  im  Blute  bedingt  sind, 
worden  durch  blutsaugende  Thiere  übertragen,  hierher  gehören  die  Nasgasa 
oder  Tsetsekrankheit  der  Rinder  durch  die  Tsetsefliege  (nach  Bruce)  übertragen, 
Filaria  sanguinis  durch  Mosquitos,  endlich  das  so  genau  erforschte  Texasfieber, 
deren  Erreger  in  den  Zecken  ihre  Wirtbo  und  Uebermittler  finden-  Nachdem 
solche  Hinweise  gegeben  sind,  müsse  die  Frage  betreib  der  Malariaübertraguaz 


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m.  Sonstige  Werke. 


189 


experimentell  gelöst  werden.  Bezüglich  der  Malariaätiologie  giebt  Vortragender 
die  Möglichkeit  des  Einflusses  der  Flussbitdnngen  und  Sümpfe  zu.  Auf  kleinen 
Inseln  giebt  es  oft  keine  Malaria,  ebenso  nicht  im  Gebirge,  bestimmt  von  1200  Meter 
Höhe  an.  Es  wäre  daher  Besiedlung  solcher  Höhenlagen  und  der  Tropen  durch 
Weisse  sehr  wohl  möglich,  wenn  sie  nicht  unterwegs,  von  der  Küste  bis  dahin, 
sich  mit  Malaria  inficirten.  R.  Koch  hat  unter  ärztlicher  Führung,  nach  seinen 
Vorschriften,  5 Trappisten  nach  Westusambara  in  1200  Meter  Höhe  geschickt 
bei  passender  Benutzung  von  guten  Mosquitonetzen,  sie  kamen  nicht  nur  gesund 
an,  sondern  blieben  gesund,  5 andere  Trappisten  ohne  diese  Prophylaxe,  erkrankten 
oben  und  starben.  Es  stellt  dieses  geradezu  ein  Experiment  dar.  Nachdem  noch 
die  in  einem  früheren  Aufsätze  im  Colonialblatt  erörterten  Immunitätsverhältnisse 
der  Küstenneger  und  die  Disposition  der  Gebirgsneger  für  Malaria  besprochen 
wurde  und  dabei  auf  künstliche  Immunität  hingewiesen  wurde,  welche  man  ohne 
Culturen,  ähnlich  wie  bei  den  Pocken  vielleicht  erzielen  könnte,  hält  Herr  Geh.  R. 
Koch  für  die  wichtigste  Maassregel  zur  Bekämpfung  der  Malaria,  der  wir  völlig 
Herr  werden  können,  die  Hinaussendung  von  Aerzten,  welche  die  Sache  genau 
kennen  und  hier  genau  vorgesohult  sind,  sowie  Benutzung  genau  eingerichteter 
Mosquitonetze.  Der  Malariaforschung  neue  Ziele  zu  zeigen  sei  einer  der  Haupt- 
zwecke des  Vortrags.  Wir  würden  der  Malaria  vollständig  Herr  und  könnten 
so  die  herrlichsten  Länder  der  Erde  colonisiren. 

Dr.  C.  Däubler. 


Dysenterie. 

Contribution  ä la  pathogönle  de  la  dysenterie.  Mlcrobet  et  toxlnee  de  l'lnteetin 
dytentdrique.  De  L.  E.  Bertram.  Revue  de  medecine  10  Juillet  1897,  p.  477. 

Le  travail  n’apporte  pas  beaucoup  de  faits  novrveaux  ä l’etude  de  la  dysenterie; 
il  constitue  plutöt  une  oritique  des  hypotheses  defendues  dans  ces  demieres 
annees  quant  ä la  nature  de  cette  affeetion. 

L’auteur  admet  que  la  dysenterie  est  la  memo,  dans  son  essence,  sous  toutea 
les  latitudes. 

II  rejette  l’idee  d’un  parasite  specifique  (nematode,  amibe  ou  bacille) ; il  admet 
que  la  dysenterie  est  produite  par  l’action  de  plusieurs  bacteries  intestinales  non 
specifiques,  penetrant  dans  l'organisme  par  1’appareil  digestif,  et  peut-etre  ausdi 
par  les  voies  respiratoiree.  Lee  microbes  pourraient  rester  ä l’etat  de  parasites 
latente  et  inoffensifs  jusqu’au  jour  oü  une  circonstance  accidentelle  exalte  leur 
virulence. 

Des  analyses  chimiques  ont  montre  dans  les  selles  dysenteriques  «des  com- 
poses  qui  ont  donne  les  reactions  caracteristiques  des  ptomai'nes» ; l’auteur  Signale 
que  les  deux  chimistes  oecupes  ä ces  analyses  ont,  malgre  les  preoautions  prises, 
ete  atteints  de  rectite  et  de  diarrhee  avec  tenesme  (1). 

C.  F.  (Liege). 


HL  Sonstige  Werke. 

Malattte  predominanti  nei  paesi  caldi  • temperati,  von  Dr.  Filippo  Rho,  Turin 

1897.  Rosenberg  & Selber.  (Fortsetzung). 

Capitel  IX  gilt  den  Pyrexien,  welche  nicht  in  der  Malaria-Infection  ihren 
Ursprung  haben.  Mit  Recht  weist  Rho  auf  die  Verwirrung  hin,  welches  bis- 

Archiv  t.  Schiff«*  u.  Tropenhygiene.  II.  \\ 


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UI.  Sonstige  Werke. 


her  in  der  Eiutheilung  der  klimatischen  Fieber  herrschte.  Bald  wurden  Malaris- 
Fieber  und  solche  anderer  Ursache  durcheinander  geworfen,  bald  wurden  die 
Krankheiten  nach  den  auffälligsten  Symptomen  und  Complicationen , bald  nach 
ihrer  geographischen  Verbreitung  geordnet  Eine  Gruppirung  auf  symptomatischer 
oder  geographischer  Grundlage  bat  nur  vorläufige  Berechtigung,  wenn  es  giit, 
neue  oder  unvollständig  bekannte  Krankheitsbilder  zu  kennzeichnen.  Rho  reiht 
alle  diese  klimatischen  fieberhaften  Erkrankungen,  welche  weder  Malaria  noch 
Gelbfieber,  weder  exanthematischer  Typhus  noch  Recurrens  noch  acute  Exanthem? 
sind,  in  zwei  Abtheil unngen  ein:  1.  Fieber  aus  „gewöhnlicher“  Ursache,  2.  Fieber 
aus  typhöser  Infection. 

Unter  den  erateren  versteht  der  Verfasser  die  Fiebererscheinungen,  welche 
von  einer  Ueberanstrengung  oder  Selbstvergiftung  vom  Magendarmcanal  (Sapro- 
hämie)  herröhren.  Die  Behandlung  besteht  in  ersterem  Falle  in  Ruhe  und 
Erholung,  im  zweiten  in  der  Darreichung  von  entleerenden  und  gährungswidrigec 
Mitteln  (Calomel,  Salol,  Milch,  Darmausspülungen  u.  a.). 

Viel  schwerwiegender  sind  die  typhösen  Fieber,  deren  Vorkommen  in  deo 
Tropen  früher  geleugnet  wurde.  Mancher  früher  auf  Malaria  bezogene  Krankheits- 
fall wird  als  typhös  und  typhoid  erkannt,  besonders  seitdem  das  Mikroskop  die 
Diagnose  sichert  Lehrreich  sind  die  in  Massauah  gemachten  Beobachtungen,  wo 
wenig  deutliche  Fälle  von  Typhus  abdominalis,  aber  zahlreiche  abgeschwächte 
„typhoide“  oder  „gastrische“  Formen  endemisch  Vorkommen,  obschon  die  Ein- 
wohner nur  destillirtes  Wasser  trinken.  Der  Krankheitserreger,  bacillus  Eberth. 
verträgt  eben  längere  Austrocknung  und  kann  durch  den  Staub  verbreitet  werdet. 
Die  in  gemässigten  Klimaten  häufigste  Uebertragung  durch  Trinkwasser  bewirkt 
meistens  ein  epidemisches  Auftreten,  während  die  endemischen  atypischen  Formen, 
welche  in  heissen  Ländern  überwiegen,  sehr  häufig  auf  andere  Weise  verbreit« 
werden. 

C&pitel  X,  Hitzschlag,  geht  auf  die  einzelnen  Arten  dieser  Erkrankung  ein. 
Der  eigentliche  Sonnenstich  entsteht  durch  die  unmittelbare  Einwirkung  der 
Sonnenstrahlen  und  ist  besonders  im  militärischen  Leben  bei  Paraden  u.s.  w.  häufig. 
Der  autothermische  Hitzschlag  durch  gesteigerte  Muskelthätigkeit  kommt  aaefc 
in  der  gemässigten  Zone  auf  Märschen  vor,  der  heterothermische  Hitzschlag  da- 
gegen vorwiegend  in  den  Tropen,  weil  durch  die  gesteigerte  Lufttemperatur  selbst 
im  Ruhezustände  oder  bei  massiger  Arbeit  die  Wärmeregulierung  des  Körpers 
gestört  wird.  Hierbei  erörtert  der  Verfasser  die  Physiologie  dee  Wännehaushals 
und  die  Pathogenese  seiner  Störungen. 

Nach  den  Krankheitserscheinungen  unterscheidet  Rho  1.  eine  kardiale  oder 
synkopale  Form  mit  unbedeutender  Erhöhung  der  Körpertemperatur,  bleichem 
Gesicht,  blasser  Haut,  kalten  Extremitäten,  kleinem  oft  aussetzenden  Pulse  und 
unregelmässiger  Athmung;  2.  eine  cerebrospinale  oder  meningitische  Form  mit 
massigem  Fieber,  geröthetem  Gesicht,  warmer  oder  brennender  Haut,  vollem  und 
beschleunigtem  Pulse;  8.  eine  pulmonaxe  oder  asphyktische  Form  mit  bedeuten- 
der Ueberhitzung,  brennendem  Gesicht,  entzündeten  Augenbindehäuten,  sehr 
raschem  Pulse  und  lauter  erst  gegen  das  Ende  starte  roser  Athmung.  Die  beste 
Behandlung  aller  Formen  besteht  in  der  innerlichen  und  äusserlichen  Anwendung 
von  Kälte  (stete  Temperatuxmessnng  wegen  Collapsgefahr!  Ref.),  Abkühlung 
kann  auch  durch  subcutane  Anwendung  von  Antipyrin  und  verwandten  Mitteln 
erreicht  werden.  Einige  ziehen  lauwarme  Bäder  den  kalten  vor,  besonders  be 


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HL  Sonstige  Werke. 


191 


Erregungszuständen.  Letztere  können  von  heftigen  klonischen  Krämpfen  begleitet 
sein.  Gegen  diese  gefahrdrohenden  Zustände  empfiehlt  KÖrfer  stundenlange 
Chloroformnarkose  verbunden  mit  einer  Morphiumeinspritzung,  um  das  Erregungs- 
stadium der  Narkose  zu  vermeiden.  Die  übrigen  Erscheinungen  werden  sympto- 
matisch wie  bei  anderen  Krankheiten  behandelt 

Ausführlicher  als  in  den  meisten  ähnlichen  Werken  sind  die  thierisohen 
Parasiten  (Capitel  XI)  besprochen.  Die  für  alle  Tropenärzte  beherzenswerthe 
Mahnung  Rho’s,  die  so  einfache  mikroskopische  Untersuchung  der  Faeces  bez. 
ries  in  einem  Spitzglase  nach  Wasserzusatz  gebildeten  Bodensatzes  derselben  auf 
Eier  von  Eingeweidewürmern  wird  durch  die  zahlreichen  Abbildungen  in  dem 
Werke  leicht  befolgbar.  Die  Studien  Monoorvo's  über  die  Bedeutung  des  strepto- 
ooccus  Fehleisen  neben  den  Filarien  für  die  Entstehung  der  Lymphangitiden  (vgl. 
Besprechung  in  Nr.  3 Band  I dieses  Archivs)  waren  bei  Abfassung  des  Werkes 
noch  nicht  bekannt  und  haben  in  der  reichen  Literatur -Wiedergabe  deswegen 
keinen  Platz  gefunden. 

In  § 2 dieses  Capitels,  Arthropoden,  haben  auch  die  Pentastomen  und 
Acariden  Platz  gefunden,  welch'  letztere  in  der  Tropenpathologie  für  die  Ent- 
stehung mancher  Dermatosen  wichtig  sind,  während  die  Larven  der  enteren 
einige  Male  in  inneren  Organen  gefunden  wurden. 

Die  giftigen,  den  Menschen  verletzenden  Thiere  kommen  in  Capitel  XTT 
an  die  Beihe.  Der  § 1 dieses  Abschnitts  wird  durch  eine  durch  Abbildungen 
veranschaulichte  zoologische  Beschreibung  der  Giftschlangen  oingeleiteL  Ueber 
das  Schlangengift  selbst  urtheilt  Rho  nach  Aufführung  der  verschiedenen  Hypo- 
thesen und  Ansichten,  dass  noch  nichts  über  das  Wesen  desselben  feststeht,  dass 
aber  alle  Versuche  und  Beobachtungen  auf  eine  innige  Verwandtschaft  mit  den 
Diastasen  und  den  Toxinen,  also  mit  den  Encymen  hindeuten.  Das  Blut  der 
Schlangen,  sowie  der  Muränen  und  Aale  enthält  dasselbe  Gift,  welches  jedoch 
nach  Calmette  durch  eine  leichtere  Zerstörbarkeit  durch  Abkühlung,  langsamere 
Wirkung,  aber  grössere  örtliche  Beizung  sich  von  dem  Drüsengift  der  Schlangen 
unterscheidet  Der  Tod  bei  Schlangenbiss  tritt  durch  Lähmung  des  Athmungs- 
centrums  ein,  das  Herz  schlägt  noch  mehrere  Minuten  nach  dem  Aufhören  der 
Athmung  fort.  Die  der  Gattung  Coluber  ungehörigen  Schlangen  besitzen  ein  Gift, 
welches  weniger  stark  auf  das  Blut  und  die  Gewebe  einwirkt,  als  das  Viperngift 

Die  Behandlung  bestand  bis  vor  Kurzem  in  einer  Neutralisirung  des  Giftes 
durch  chemische  Mittel:  Uebermangansaures  Kali  in  1%  Lösung,  wovon  2 — 8 
Cubikcentimeter  in  die  Umgebung  der  Wunde  eingespritzt  werden,  Chromsäure 
in  1 % Ijösung,  Soda  und  Pottasche  in  10%  Lösung.  Von  örtlichen  unangenehmen 
Nebenwirkungen  freier  ist  das  Goldchlorid  (1 : 100),  und  endlich  der  Chlorkalk, 
von  welchem  öoc  einer  frischen  Lösung  (1:12)  mit  45  cc  abgekochtem  Wasser 
gemischt  und  10 — 20  Injectionen  von  loc  in  die  Umgebung  der  Wunde  nach 
Abschnürung  der  Glieder  gemacht  werden.  Letztere  Behandlung  verspricht  noch 
innerhalb  20 — 30  Minuten  nach  dem  Bisse  Erfolg,  während  die  erstgenannten 
Mittel  nur  binnen  4 — 5 Minuten  helfen  können.  Starke  Doeen  Aloohol  und  nach 
Müller  als  Reizmittel  Strychnin  (1 : 120),  besonders  aber  künstliche  Athmung, 
unterstützen  die  Heilung  des  Kranken,  welchen  man  am  ersten  Tage  nicht  ein- 
schlafen  lassen  darf.  Alle  diese  Methoden  werden  wahrscheinlich  duroh  die 
Serumtherapie  nach  Calmette  in  den  Schatten  gestellt  worden  (vergl.  hierüber 
Archiv  Band  H,  Heft  2,  8.  115). 

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HI.  Sonstige  Werke. 


Giftwirkung  hat  ferner  der  Biss  der  Scorpione,  der  Soolopendra  insigm» 
(Afrika),  Soolopendra  morsitans  (Indien)  und  der  Spinnen  Latrodectus  und 
Mygale. 

Beachtenswerth  sind  die  Angaben  über  die  besonders  in  tropischen  Meeren 
häufigen  Fischarten,  welche  entweder  durch  Verletzungen  mittelst  ihrer  Stachel- 
flossen oder  ihres  Gebisses  schwere  Vergiftungsersoheinungen  hervorrufen  können. 
Nach  Bottard  unterscheidet  man  fünf  Typen  der  Giftfische.  Beim  ersten  Typus, 
welchem  Synanoea  (Polynesien)  und  Flotosus  (Indien)  angehören,  fehlt  ein  Ans- 
führungsgang  der  unter  den  Stachelflossen  sitzenden  Giftdrüsen,  das  Gift  entleert 
sich  erst  durch  Abbrecben  der  Stacheln,  oder  dieselbe  ist  hatbgeschlossen  (Tba- 
lassophryne)  oder  steht  offen  (Scorpaena  und  Trachynusj.  Zum  4.  Typus  gehören 
die  in  allen  Meeron  vorkommenden  Muränen,  deren  Giftzähne  durch  die  am  Gaumen 
sitzenden  Drüsen  gespeist  werden.  Die  fünfte  Art  z.  B.  Perca  fluviatilis  ist  am 
wenigsten  giftig,  das  Gift  wird  von  oberflächlichen  Zellen  der  Stacbelflossen  abge- 
sondert. Die  Schmerzeracheinungen  bei  Verletzungen  durch  Giftfische  sind  äussera. 
heftig  und  vermögen  rasende  Wuthanfälle  hervorzurufen.  Die  Heilmittel  sind  über- 
mangansaures Kali  und  alkalische  Hypochloride  wie  bei  Schlangenbiss  angewandt 

(Fortsetzung  folgt.)  M. 


Red  actions- Briefkasten. 

Robert  Koch  und  die  Schwarzwasserfieber  - Frage. 

Die  kurze  und  bündige  Erklärung  Koch’s  über  das  Schwarzwasserfieber  har 
nicht  verfehlt,  Manche,  die  das  Gegentheil  vielleicht  erwarteten,  in  Staunen  n 
versetzen. 

Koch  erklärte  in  seinem  Bericht  am  9.  VI.  vor  der  glänzenden  Versammlung 
im  Kaiserhofe,  das  Schwarzwasserfieber  sei  eine  Chinin  Vergiftung,  wo  es  nicht  asf 
anderer  Ursache  beruhe;  es  sei  jedenfalls  auszuscheiden  aus  der  Reihe 
der  Malariakrankheiten  — eine  Bestätigung  meiner  bisher  vereinzelt  da- 
stehenden Ansicht*)  Daraus  geht  hervor,  dass  wenn  jene  in  Afrika  beobachtetes 
Fälle  von  Melanurie,  die  sich  nicht  durch  Chininmissbrauch  erklären  lassen,  nicht 
zur  Malariagruppe  gehören,  sie  mit  ihren  in  die  Augen  springenden  von  mir  be- 
te. iten  fünf  Qelbfiebermerkmalen  eben  woh]  oder  übel  zur  Gelbfiebergruppe  ge- 
hören müssen. 

Sowie  es  ausser  der  ansteckenden  Cholera  auch  Sorten  von  cholerineartigM 
Erkrankungen  giebt,  die  zur  Choleragruppe  gerechnet  werden  müssen,  so  haben 
wir  uns  daran  zu  gewöhnen,  dass  es  ausser  der  epidemischen  und  ansteckenden 
Gelbfieberform  auch  nicht  ansteckende  leichtere  Formen  dieser  Krankheitsgruppe 
giebt  und  dass  da,  wo  solche  nicht  ansteckende  Fälle  öfters  Vorkommen,  «ah 
gelegentlich  einmal  an  die  Möglichkeit  des  Auftretens  der  eigentlichen  anstecken- 
den und  verheerenden  Epidemie  gedacht  werden  muss.  Es  wird  sich  dann  di# 
Frage  anreihen:  Welche  Schutzvorrichtungen  haben  wir  an  unseren  afrikanisches 
Küsten  gegen  die  Verwüstungen  des  Gelbfiebers  getroffen? 

*)  die  loh  eueeer  enderwelUg  euch  eie  Mitarbeiter  em  Meyer'echen  ConTereettonelerihca 
•chon  vor  Jehr  und  Teg  vertreten  hebe,  und  die  nun  zu  meiner  rreude  nur  dem  Munde  >■— 
Geringeren , eie  Robert  Koch  eelbet  Beetitigung  gefunden  hat , nachdem  aie  eo  hart  engefoohtei 
worden  let  (elehe  Supplementbend  tu  Mejere  Cour  -Lei.  peg.  101  eub  „SchwereweeeerSeber 


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HL  Sonstige  Werke. 


193 


Sind  in  den  Häfen  Versuchsstationen  für  die  bis  jetzt  vorgeschlagenen 
Impfungen  gegen  Gelbfieber  eingerichtet,  um  im  entscheidenden  Moment,  oder 
womöglich  früher,  in  Thätigkeit  zu  treten  zur  Immunisirung  oder  doch  zu  Im- 
munisirungsversuchen,  zum  Zwecke  der  wissenschaftlichen  Beobachtung  des  ver- 
schiedenen Verhaltens  der  weissen  und  farbigen  Rassen  aus  den  verschiedenen 
Generationen? 

Weil  die  dahin  zielenden  Bestrebungen,  die  einst  bei  Gelegenheit  der  tropen- 
hygienischen  Fragebogen-Enquete  von  mir  eingeleitet  wurden,  in  einer  sehr  be- 
dauernswerthen  Weise  vereitelt  worden  sind,  so  fehlen  alle  solche  Einrichtungen, 
indem  man  sich  mit  einer  Formsache  — der  Instal  lirung  eines  Beamten  mit 
einem  neuen  Titel  (statt  der  Einrichtung  einer  tropenbygienischen  Centralstelle 
im  welthygienischen  Sinne  wie  ich  sie  vorgeschlagen)  begnügte. 

Sind  die  nöthigen  Vorkehrungen  getroffen,  um  durch  internationalen  Nach- 
richtendienst von  Beobachtungsposten  an  Ort  und  Stelle  zur  rechten  Zeit  über 
das  Nahen  einer  Seuche  informirt  zu  sein? 

Nein.  Unsere  Beobachtungen  und  Versuche  beschränken  sich  noch  immer 
auf  unsere  Grenzpfähle.  Und  statt  den  Nationen  in  welthygienischen  Einrich- 
tungen voranzuschreiten,  fühlen  wir  uns  geehrt,  wenn  wir  unsere  Gelehrten  für 
andere  Nationen,  um  ihre  Gebiete  von  Seuchen  zu  säubern,  ausleihen  dürfen. 

Es  muss  dem  Begründer  der  neueren  Bacteriosoopie  einen  harten  inneren 
Kampf  gekostet  haben,  ehe  er,  der  dazu  neigte,  in  der  Bacteriosoopie  das  Uni- 
versalmittel der  Tropenbygiene  zu  sehen,  sich  zu  dem  Umschwung  verstand,  vou 
dem  seine  neuerdings  in  dem  berühmten  letzten  Vortrage  niedergelegte  An- 
schauung Zeugniss  giebt:  Zu  dem  Umschwünge  von  der  Alleinherrschaft  der 
Bacteriosoopie  auf  tropenhygienischem  Gebiet  hinüber  zu  der  erweiterten  und 
verallgemeinernden  Forschung,  wie  ich  sie  seit  Jahren  vorgeschlagen,  wo  der 
neuen  Wissenschaft  der  Bacteriologen  der  ihr  zuiommende  Platz  neben  den 
andern  Naturwissenschaften  eingeräumt  wird,  der  Platz  neben  rassen-  und  zonen- 
vergleichender Physiologie  und  Pathologie,  der  Platz  als  Capital  in  der  ange- 
wandten Cellularpathologie  und  Anthropometrik. 

Dass  Koch  zu  diesem  Umschwünge  gekommen  ist  und  dazu  beizutragen 
gesonnen  ist,  dass  solcher  Umschwung  Platz  greife  in  unseren  Einrichtungen, 
dazu  müssen  gewisse  zwingende  Erfahrungen  der  letzten  Zeit  beigetrag-.n  haben. 

Der  Umschwung  ist  da,  dafür  bürgen  seine  Berichte,  worin  er  neben  dem 
bacteriologischen  Factor  den  anderen  Facto  ren  der  Troponfieber  die  grösste  Auf- 
merksamkeit zollt:  Zecken  und  Milben,  die  sich  in  die  Hufi  des  Vieh3  einnisten 
und  Uebertragung  von  Texasfieber  besorgen,  sind  für  ihn  heute  neben  der  Ueber- 
tragung  der  Malaria  durch  Mosquitos  ebenso  wichtig  wie  die  Wohnungs-Hygiene 
und  das  Studium  der  Rassenimmunität,  wegen  der  er  zu  grossartigeren  Nachfor- 
schungen an  Stelle  der  üblichen  Polar-  und  Tiefseeforschungen  auffordert,*)  die 
vielleicht  nicht  so  dringend  wichtig  wären,  wie  die  Assanirung  des  Tropengürtels 
von  Tropenfiebem.  Denn  ohne  wirksamen  Schutz  gegen  die  Malaria  so  sagte 
Koch,  können  wir  uns  unseres  Colonialwesens  nicht  erfreuen. 


*)  eine  Seche , die  loh  aoeta  «Chon  188»  ln  Heidelberg  auf  der  Neturforacberrereammlung 
befürwortete , wo  loh  die  trvpenhygienieche  Fragebogen ■ nqnite  anregte  im  Anechlose  an 
meinen  Vortrag  ela  Referent  der  D.  0.  G. : „Sanltitapolirellldhe  Zuatinde  in  Mexico  und  Inter- 
nationale Ziele  der  Hygiene.** 


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194 


in.  Sonstige  Werke. 


Ihn,  der  gekommen  war,  um  der  Binderpest  Herr  zu  werden,  musste  die 
Unvollkommenheit  selbst  der  besten,  der  englischen,  Colonial  Verhältnisse  auf  Schritt 
und  Tritt  hindern,  die  Unvollkommenheiten  der  internationalen  Statistik  in  Bezug 
auf  Zonenausbreitung  der  Arten  bei  Pflanze,  Thier  und  Mensch,  in  Bezug  auf  di* 
Aoclimatisationsfähigkeit  und  die  Arten-Neubildung  unter  Krankheits-  und  Ver- 
nichtungserscheinungen, wie  ich  sie  ausführlich  dargethan  in  allen  meinen  uf 
dies  Thema  bezüglichen  früheren  Vortrügen  und  Arbeiten  gelegentlich  der  Natur- 
forscherversammlungen in  den  Abtheilungen  für  Tropenhygiene. 

Ihn  mussten  die  auf  die  nationalen  Grenzen  beschränkten  Sectionsbericht* 
und  Hospitalprotokolle,  die  allen  Naturgesetzen  durch  ihre  nationale  Beschränkung 
Hohn  sprechenden  lokalen  Hinrichtungen  gegen  die  Tropenseuchen  überall  stören, 
wo  er  daran  gehen  wollte,  um  Näheres  über  Rassenresistenz  gewissen  AfFectionec 
gegenüber  zu  ermitteln. 

Ein  weiterer  Ueberblick  als  der  in  den  kleinen  deutschen  Laboratorien  beim 
Mikroscop  gewonnene  that  noth,  um  nicht  Irrthümer  zu  begehen  wie  der  mit 
dem  Sohwarzwasaerfieber,  ein  Ueberblick  über  Bassen  und  Arten,  über  Immunität 
und  Aoclimatisation  an  den  Ursprungsstätten  des  Gelbfiebers  in  der  neuen  Welt. 

Darum  schliesst  Koch  seinen  Vortrag  mit  der  dringenden  Aufforderung  rar 
thätigen  Inangriffnahme  der  Welthygiene,  denn  das  und  nichts  anderes  bedeutet 
die  Ausrüstung  von  Forschungseinrichtungen  im  umfangreichsten  M assstabe  unter 
Mitwirkung  aller  nur  denkbaren  ärztlichen  Kräfte.  Ein  internationaler  Nach- 
richtendienst unter  einer  abwechselnden  Centralleitung,  wie  ich  ihn  befür- 
wortete, darf  davon  nicht  ausgeschlossen  sein,  eine  internationale  Statistik  der 
Hoepital beriohte  und  der  botanischen  wie  landwirthschaftlichen  Institute  in  da 
Colonieen  muss  dazu  beitragen,  dass  der  Tropenforscher  seine  Blicke  vergleichend 
von  einer  Zone  zur  andern  ausdehnen  kann  und  so  nach  und  nach  auf  das  ewige 
Entwicklungsgesetz  hingelenkt  wird,  wovon  auch  mein  für  unser  coloniales  Vor- 
gehen so  wichtiges  Gesetz  der  Artenbildung  durch  Zonenwechsel  abhängig  ist,  wii 
ich  es  s.  Z.  beschrieben  habe. 

Der  Umschwung  von  der  alles  monopolisirenden  Bacteriologie  zur  Einrei- 
hung dieser  neuen  Wissenschaft  in  den  grossen  central  geleiteten  Plan  ist  eine 
Bestätigung  meines  auf  dem  internationalen  medicini sehen  Congress  1890  in  Beriia 
angeregten  Planes  zu  einem  medicinischen  Welthygiene-Parlament. 

Sollte  der  Streit  um  das  Schwarzwasserfieber  dazu  wenn  auch  auf  Umweges 
geführt  haben,  so  war  er  nicht  vergeblich. 

Dr.  E.  Below. 


Anmerkung  der  Redaktion. 

Ohne  mit  obigen  nach  Redaktionsschluss  eingegangenen  Ausführungen  ein- 
verstanden zu  sein,  glaube  ich  dieselben  auf  dringenden  Wunsch  des  Verfassers 
aufnehmen  zu  müssen , um  dem  Grundsätze  der  Unparteilichkeit  nicht  untreu  m 
werden.  M. 


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i«  Archiv  ^ 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene. 

Band  2. 


L Originalabhantllungeii. 

Klima  und  Krankheiten  von  SUdcalifornien 

von  I)r.  Carl  Schwalbe 

pract.  Arzt  in  Los  Angeles. 

I.  Klima. 

Südcalifomien  liegt  zwischen  35°  und  33°  n.  H.,  nach  Westen 
durch  den  stillen  Oceau  begrenzt,  nach  Osten  durch  den  Colorado- 
fluss. Das  ganze  Land  ist  mehr  oder  weniger  mit  Gebirgen  bedeckt, 
welche  sich  sehr  mannigfaltig  verzweigen,  und  mehr  oder  weniger 
grosse  Ebenen,  Valleys  genannt,  umschliessen.  In  diesen  Ebenen 
ist  aber  kein  Punkt,  von  dem  man  nicht  benachbarte  Gebirge  sehen 
könnte.  Während  im  nördlichen  Californien  ein  KUstengebirge  von 
dem  Hauptgebirgskannn  der  Sierra  Nevada  durch  die  Flussthäler  des 
Sacramento  und  San  Ioaquiu  scharf  geschieden  ist,  zeigen  die  Ge- 
birge in  Südcalifomien  nicht  ganz  eine  so  vollkommene  Gliederung. 
Das  Küstengebirge  verbindet  sich  ungefähr  unter  dem  35°  n.  D.  mit 
der  Sierra  Nevada  und  hat  nach  Süden  einen  mehrfach  gegliederten 
Abfall.  Von  dem  ungefähr  120°  w.  L.  gelegenen  l’t.  Couception  bis 
zur  Einmündung  des  kleinen  St.  Clara -Flusses  verläuft  die  Küste 
von  West  nach  Ost,  und  das  Gebirge  fällt  bei  St.  Barbara  und  Um- 
gebung bis  zum  Meere  steil  ab , reichlich  von  der  mittäglichen 
Sonne  beschienen  und  von  den  südlichen  und  westlichen  Seewinden  mit 
Kegen  und  Nebel  versorgt.  Weiter  östlich  schneidet  das  Thal  des  St. 
Clara-Flusses  tief  von  Osten  nach  Westen  in  den  Gebirgsstock  und  wird 
durch  den  fast  ständigen  Seewind  mächtig  ventilirt.  Noch  weiter  nach 
Osten  in  der  Gegend  des  Teliachapipasses  liegt  das  grosse  weite 
Hochthal  der  Mojavewüste,  welche  sich  bis  zum  Coloradofluss  fort- 
setzt. Die  Wüste,  fast  vollständig  eben,  nur  hier  und  da  von  kleinen 
Berggruppen  unterbrochen,  fällt  sanft  nach  dem  Coloradoflusse  zu  ab. 

Archiv  f.  Schiff«-  u Tropeubygieue.  II.  15 


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196 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


Während  dieselbe  westlich  beim  Tejonpass  sich  3000'  über  den  Meeres- 
spiegel erhebt,  hat  sie  im  Osten  am  Coloradoflusse  nur  eine  Boden- 
erhebung von  wenigen  Fussen.  Die  südÜche  Begrenzung  der  Wüste 
bildet  die  Sierra  Madre  mit  Wilsons  Peak  und  Old  Baldey  und  mehr 
im  Osten  die  San  Bernardino  Mountains.  Diese  Gebirge  sind  durch- 
schnittlich 6000  Fuss  hoch,  bestehen  hauptsächlich  aus  Granit,  der 
sehr  stark  verwittert,  und  haben  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  von  tiefen 
Thälem  und  Schluchten.  Am  Südabhange  dieser  Berge  ist  das  San 
Gabriel  Valley  mit  seinen  reichen  Fruchtgärten,  mit  der  Hauptstadt 
von  Südcalifomien , Los  Angeles.  Nach  Osten  zu  am  Fusse  der  San 
Bernardino  Mountains  beginnt  wieder  ein  Theil  der  Wüste,  Colorado- 
wüste genannt,  welche  hier  in  einer  ziemlichen  Ausdehnung  sich  unter 
dem  Niveau  des  Meeres  befindet  und  im  Süden  durch  die  hohen  San 
Jacinto  Montains  mit  ihrer  Fortsetzung  in  die  San  Juliankette  be- 
grenzt wird.  Hier  an  der  Südgrenze  Califomiens  befindet  sich  der 
prachtvolle  Naturhafen  von  San  Diego,  ein  weitberühmter  Winterauf- 
enthalt für  Brustkranke.  An  der  ganzen  Westküste  von  Californien 
strömt  ein  400  km  breiter,  kalter  Polarmeeresstrom  (8 — 1G°C.  Wärmei 
entlang,  der  sich  bei  dem  schon  erwähnten  Pt.  Conception  (35 3 n.  B.) 
von  der  Küste  abbiegt  und  ausserhalb  einer  Reihe  von  Inseln,  Santa 
Itosa,  Santa  Cruz,  San  Nicolas,  Santa  Catalina,  San  Clemente  nach 
Süden  strömt,  während  zwischen  den  Inseln  und  dem  Festlande  von 
Südcalifomien  ein  unbedeutender  Meeresstrom  mit  wärmerem  Wasser 
von  Süden  nach  Norden  fliesst.  Die  mittlere  Temperatur  des  Was- 
sers in  diesem  Strome  beträgt  in  den  einzelnen  Monaten:  Jan.  1 5.5% 
Febr.  16.0°  C.,  März  16.0°,  April  16.0°,  Mai  16.0°,  Juni  16.5%  Juh 
18.0°,  Aug.  18.5°,  Sept.  19.0°,  Oct.  17.5°,  Nov.  16.0°,  Dez.  16.5CC. 
Das  sind  Temperaturen  welche  das  Seebaden  das  ganze  Jahr  hindurch 
gestatten.  Eine  Aenderung  des  Landklimas  findet  selbstverständlich 
durch  diesen  unbedeutenden , wärmeren  Meereastrom  nicht  statt, 
während  der  mächtige,  kalte  Polarstrom  einen  grossen  Einfluss  auf 
die  ganze  californische  Küste  ausübt. 

Am  wichtigsten  für  das  Klima  sind  die  Wärmeverhältnisse.  Be- 
trachten wir  zunächst  Los  Angeles  (250 — 500'  über  dem  Meere  und 
ungefähr  22  Kilometer  von  demselben  entfernt).  Die  mittlere  Jahres- 
temperatur berechnet  sich  auf  16.5°.  Die  mittlere  Temperatur  der 
einzelnen  Monate  (aus  18  Jahren  berechnet)  ist:  Jan.  12.0°,  Febr. 
12.5%  März  14.0°,  April  15.0%  Mai  17.5%  Juni  19.5%  Juli  21.5% 
August  22.5%  Sept.  19.0%  Oct.  18.0%  Nov.  15.2%  Dec.  10.4%  Der 
Unterschied  zwischen  dem  wärmsten  und  kältesten  Monat  beträgt  11.8% 


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Klima  und  Krankheiten  von  Südcaliformen.  197 

Diese  Mittelzahlen,  nothwendig,  um  das  Klima  von  Los  Angeles  mit 
anderen  Klimatcn  vergleichen  zu  können,  geben  keine  Vorstellung 
Von  dem  Verlaufe  der  Wärmecurve  an  den  einzelnen  Tagen.  In  Los 
Angeles  sind  die  Nächte  mit  den  seltenen  Ausnahmen  der  wenigen, 
in  welchen  der  heisse  Wüstenwind  weht,  kühl,  zum  Theil  recht  kühl, 
die  Mittage  sind  warm,  im  Sommer  öfter  recht  warm.  Es  sind  also 
die  täglichen  Temperaturschwankungen  recht  bedeutend.  Das  Mittel 
der  grössten  täglichen  Temperaturschwankungen  ist  für  die  einzelnen 
Monate  folgendes:  Jan.  18.3°,  Febr.  18.3°,  März  19.3°,  April  ‘20.0°, 
Mai  19.7°,  Juni  20.2 °,Juli  18.9°,  August  18.5°,  Sept.  21.0°,  Oct.  22.7°, 
Nov.  21.7°,  Dec.  17.1°.  Die  Morgenteraperaturen  sind  im  Winter 
meistens  sehr  niedrig  und  gar  nicht  selten  unter  dem  Gefrierpunkt. 
Am  häufigsten  kommen  Nachtfröste  in  den  drei  Monaten  December, 
Januar  und  Februar  vor;  aber  auch  März  und  April,  October  und 
November  haben  bisweilen  eine  Morgentemperatur  unter  0°  und  selbst 
im  Mai  wird,  wenn  auch  sehr  selten,  noch  ein  Nachtfrost  beobachtet 
Ein  Frosttag  nach  meteorologischen  Regeln,  d.  h.  ein  Tag,  an  welchem 
die  mittlere  Tagestemperatur  unter  dem  Gefrierpunkte  liegt,  ist  bis 
jetzt  in  Los  Angeles  nicht  beobachtet  worden.  Trotzdem  sind  die 
Nachtfröste  stark  genug,  um  Schaden  zu  thun.  Die  reifen  Orangen 
erfrieren  gar  nicht  selten;  Callas,  Heliotrop,  junge  Gemüse  haben 
fast  jeden  Winter  an  gefährdeten  Orten  zu  leiden.  Sobald  die  Sonne 
scheint,  und  das  ist  Regel,  wenn  ein  Nachtfrost  stattfindet,  beginnt 
die  Luft  sich  schnell  zu  erwärmen,  und  des  Mittags  ist  die  Tem- 
peratur meistens  behaglich  warm,  an  den  meisten  Tagen  im  Winter 
wohl  über  15.0°.  Eine  Mittagstemperatur  unter  10.0°  dürfte  zu  den 
grossen  Ausnahmen  gehören.  Je  höher  die  Sonne  steigt,  je  grösser 
ihre  wärmende  Kraft  wird,  desto  energischer  macht  sich  für  Süd- 
californien  der  Einfluss  des  kalten  Polarstroms  geltend;  je  mehr  sich 
das  Land  erwärmt,  desto  stärker  strömt  die  kühle  Luft,  welche  über 
dem  kalten  Meeresstrome  lagert,  nach  dem  Lande,  und  kühlt  es  ab. 
Daher  kommt  es,  dass  auch  die  Abende  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen 
kühl  sind.  Eine  Temperatur  von  20.0°  nach  Sonnenuntergang,  mitten 
im  Sommer,  ist  selten.  Von  Nachmittags  3 — 4 Uhr  findet  meistens 
beträchtliche  Abkühlung  statt.  Beobachtet  man  die  Temperatur  eine 
Stunde  vor  Sonnenuntergang  und  um  Sonnenuntergang,  so  findet  in 
dieser  Zeit  recht  häufig  eine  Temperaturabnahme  von  1.7 — 3.4°  statt, 
die  um  so  empfindlicher  wird,  als  die  Zunahme  der  Luftfeuchtigkeit 
eine  beträchtliche  (20 — 40  °/0  und  mehr)  ist.  Im  Sommer  sind  Mittags- 
temperaturen zwischen  24.0°  und  30°  die  gewöhnlichen.  Ausnahms- 

15* 


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198 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


weise  kommen  aber,  wenn  der  Wüstenwind  weht,  viel  höhere  Tem- 
peraturen, 32.0°,  35.0°,  38.0°,  44.0°  vor.  Da  diese  Wüstenwinde 
aber  sehr  trocken  sind  (6 — 10  °/0  relative  Feuchtigkeit),  so  sind  auch 
diese  Temperaturen  sehr  erträglich.  Dann  und  wann  tragen  auch 
ausgedehnte  Feuer  in  den  Bergen  zu  einer  beträchtlichen  Steigerung 
der  Temperatur  bei.  Dennoch  kann  man  mit  vollem  Rechte  sagen, 
dass  die  Menschen  in  Südcalifornien  mehr  Unbequemlichkeiten  von 
der  Kühle  der  Witterung,  als  von  der  Hitze  zu  leiden  haben.  Es 
wird  kein  Wunder  nehmen,  wenn  ich  hervorhebe,  dass  die  Wärme- 
unterschiede  zwischen  Schatten  und  Sonne  sehr  grosse  sind.  Unter- 
schiede von  28.0°  und  mehr  sind  Sommer  und  Winter  ganz  ge- 
wöhnlich. Selbst  auf  hohen  Bergen  ist  dies  sehr  auffallend.  So 
beobachtete  ich  auf  Mt.  Lowe  (5500')  im  September  Vorm.  9.45  Mb. 
eine  Temperatur  von  15.0°  im  Schatten  und  45.0°  in  der  Sonne. 
Unterschied  30.0°,  bei  Crystal  Springs  gleichfalls  am  Mt.  Lowe  (4500i 
Mittags  12  Uhr  im  Schatten  21.2°,  in  der  Sonne  53.3',  Unterschied 
32.1°.  Auch  den  Stubentemperaturen  im  Vergleich  zur  freien  Luft- 
temperatur habe  ich  meine  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet. 
Im  Winter  sind  in  nach  Westen  gelegenen  Zimmern  des  Morgens, 
bevor  geheizt  ist,  Temperaturen  von  8.0°  bis  10.0°  und  12.0°  die 
gewöhnlichen.  Selbst  im  Mai  und  Juni  ist  die  Morgentemperatur 
in  den  Stuben  meistens  nur  15.0°;  im  Juli  und  August  20.0 — 22.0  . 
im  September  meistens  schon  wieder  unter  1 9.0° . Es  folgt  aus  dieser. 
Zahlen  ohne  Weiteres,  dass  das  Heizen  der  Stuben  am  Morgen  im 
Winter  ganz  angenehm,  ja  nothwendig  ist,  um  sich  behaglich  zu  fühlen, 
wenn  man  sich  nicht  in  Pelze  hüllen  will.  In  Stuben  nach  Süden 
oder  Siidosten  gelegen,  ist  die  Temperatur  etwas  höher,  besonders 
in  Backsteingebäuden.  An  Regentagen  kann  es  nöthig  sein,  den 
ganzen  Tag  zu  heizen.  Des  Abends  reicht  in  sonnig  gelegenen  Häusern 
meistens  die  Lampe  aus,  um  im  Winter  die  Zimmerwärme  behaglici 
zu  machen.  Aus  allen  diesen  Angaben  geht  hervor,  dass  die  täg- 
lichen Temperaturschwankungen  recht  beträchtliche  sind.  Ausge- 
nommen sind  nur  die  wenigen  Regentage.  An  diesen  Tagen  sind 
die  Unterschiede  zwischen  Maximum  und  Minimum  nur  2.0 — 3.0 ;. 
Von  einem  Tage  zum  anderen  sind  die  Wärmeunterschiede  meistens 
nicht  bedeutend,  jedoch  kommen  bisweilen  bedeutende  Wechsel  vor. 
Es  werden  öfter  von  einem  Tage  zum  andern  Unterschiede  in  der 
Mittagstemperatur  von  10.0 — 12.0°  wahrgenommen.  In  Südcalifor- 
nien wird  die  Wärme  mit  Ausnahme  der  wenigen  Tage,  wo  der 
Wüstenwind  weht,  an  Ort  und  Stelle  durch  den  Sonnenschein  erzeugt 


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Klima  und  Krankheiten  von  Siidealifornion.  1^9 

und  wird  gemildert  durch  die  kühlen,  westlichen  Oceanwinde.  Im 
•westlichen  Europa  wird  die  Wärme  sehr  häutig  durch  die  Seewunde 
bei  bedecktem  Himmel  von  weit  her  gebracht,  während  sehr  häufig 
besonders  im  März  und  April  beim  schönsten  Sonnenschein  ein  kalter 
Nord  ostwind  eine  schneidende  Kälte  erzeugt.  — Die  Windverhältnisse 
sind  im  südlichen  C’alifornien  sehr  einfache.  Der  Westwind,  der 
locale  Seewind  ist  unbedingt  vorherrschend;  daun  und  wann  bricht 
ein  heisser,  trockner  Wüstenwind  herein,  der  die  Luft  mit  Staub  er- 
füllt. Etwas  häufiger  weht  der  Nord-  oder  Nordostwind,  besonders 
in  den  Wintermonaten.  Es  ist  dies  der  Nordostpassath.  Süd-  und 
Südostwind  bringen  in  Los  Angeles  am  häufigsten  Regen.  Dieselben 
sind  als  der  Antipassath  zu  betrachten.  Bisweilen  werden  aber  auch 
unbedeutende  Schauer  durch  Nordwestwind  gebracht.  Stürme  sind 
in  Los  Angeles  und  Umgebung  selten,  Gewitterstürme  ganz  unbekannt. 
Kin  bis  zweimal  im  Jahre  kommt  ein  kurzer  Sturm  vor,  der  einige 
M;de  einige  kleine  Schiffe  an  den  Strand  geworfen,  leicht  gebaute 
Gebäude  umgeworfeu  und  viele  Früchte  von  den  Bäumen  abgeschüttelt 
hat.  Die  Sturmgeschwindigkeit  hat  14  Meter  in  der  Secunde  nicht 
überschritten.  Da  die  Abende,  die  Nächte  und  die  Morgen  mit 
wenigen  Ausnahmen  windstill  sind,  so  berechnet  sich  die  mittlere 
Geschwindigkeit  des  Seewindes  auf  3,6 — 4,6  Meter  in  der  Secunde. 
Der  Unterst  hied  in  der  Häufigkeit  und  Schnelligkeit  der  Winde 
zwischen  den  einzelnen  Monaten  ist  nicht  bedeutend;  die  windigsten 
Monate  sind  Mär/,  April,  Mai,  die  windstillsten  November  und  October. 
Von  der  allergrössten  Bedeutung  für  den  Südcalifornier  sind  die  Regen- 
verhältnisse. Von  der  Regenmenge,  von  der  mehr  oder  weniger 
günstigen  Yertheilung  des  Regens  auf  die  einzelnen  Monate  der  Regen- 
zeit hängt  das  Wohl  und  Gedeihen  der  Laudwirthschaft  und  Viehzucht 
ab.  Aus  der  beigefügten  Tabelle  ist  ersichtlich,  dass  die  Menge  und 
die  Yertheilung  des  Regens  auf  die  einzelnen  Monate  und  Jahre 
sehr  unregelmässig  ist.  So  fielen  im  Januar  1886  7.78  Zoll  Regen, 
im  Januar  1887  0.20;  im  Februar  1884  13.37,  im  Februar  1885  0.00; 
im  März  1884  12.24,  im  März  1885  0.01;  im  April  1880  5.06,  im 
April  1894  0.13;  im  October  1889  6.96,  im  October  1891  0.00; 
im  November  1885  5.55,  im  November  1894  0.00;  im  December 
1889  15.80,  im  December  1882  0.08.  So  unregelmässig  die  Regen- 
verhältnisse  in  den  Wintermonaten  sind,  so  regelmässig  sind  sie  in 
den  Sommermonaten:  Juni  bis  September  fällt  kein  Regen  von  irgend 
welcher  Bedeutung.  Südcalifomien  ist  also  ein  Land  mit  Winter- 
regen, einige  unbedeutende  Ausnahmen  abgerechnet.  Da  das  Wachs- 


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•200 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


thum  der  Culturpflanzen  vom  Regen  abhängt,  so  folgt  daraus,  dass 
das  Pflanzenwachsthum,  wo  nicht  künstliche  Bewässerung  angewaai: 
wird,  wesentlich  auf  die  Wintermonate  beschränkt  ist,  also  auf  die 
Zeit,  wo  nur  mässige  Wärme  zugeführt  wird.  Nur  der  Umstand, 
dass  in  der  Nähe  der  Küste  in  den  Sommermonaten  fast  regelmässc 
starke  Nebel  in  der  Nacht  und  am  Morgen  auftreten,  ermügbeLt 
auch  im  Sommer  das  Wachsen  des  Mais  ohne  Bewässerung.  Nur 
selten  fällt  anstatt  des  Regens  für  kurze  Zeit  Hagel,  sehr  sehen 
Schnee.  Bisweilen  sieht  man  einzelne  Schneeflocken  mit  Regen  ge- 
mischt. Im  Februar  1880  fiel  in  Annaheim  (ungetähr  50  Kilometrr 
südlich  von  Los  Angeles)  sehr  reichlich  Schnee  und  blieb  an  ein- 
zelnen Stellen  bis  zum  anderen  Morgen  liegen.  Man  könnte  nun 
sehr  leicht  zu  dem  Schluss  kommen,  dass  es  viele  Regentage  iss 
Winter  geben  muss,  weil  der  Regen  nur  in  den  Wintermonaten  fallt 
Dies  ist  aber  durchaus  nicht  der  Fall.  Die  Wetterwarte  von  Los 
Angeles  giebt  die  Zahl  der  Tage,  an  welchen  0.01  Zoll  und  mehr 
Niederschlag,  sei  es  Regen  oder  Nebel  oder  Tliau,  gemessen  werden 
konnte,  wie  folgt:  1878:  54,  1879:  48,  1880:  51,  1881:  24,  1882:  39. 

1883:  33,  1884:  71,  1885:  26,  1886:  32,  1887:  37,  1888:  40. 

1889:  50,  1890:  35,  1891:  26,  1892:  37,  1893:  38,  1894:  3*. 

1895:  41,  1896:  38.  Eine  sehr  merkwürdige  Erscheinung  ist  es. 

dass  in  Los  Angeles  Gewitter  so  gut  wie  gar  nicht  Vorkommen. 
Ich  habe  während  6 Jahren  ein  kleines  Gewitter  mit  massigen: 
Regenfall  im  Sommer  beobachtet,  auserdem  dann  und  wann  einmal 
einen  Blitz  mit  Donner.  Ebenso  unregelmässig,  wie  die  Regenmenge 
in  den  einzelnen  Tagen  und  Monaten  in  Los  Angeles  ist,  ebenso 
verschieden  ist  diesell>e  zu  derselben  Zeit  an  verschiedenen  Orten, 
die  nur  wenige  Stunden  von  einander  entfernt  sind.  So  fielen  x.  B. 
am  4.  December  1891  in  Whittier  0.40  Zoll,  Pomona  0.50,  Spadra 
0.65,  St  Monica  0.79,  Los  Angeles  0.88.  Rodeo  de  las  aguas  1.14: 
alle  diese  Orte  sind  nur  wenige  Meilen  von  Los  Angeles  entfernt. 
In  der  Sierra  fällt  in  der  Regel  bedeutend  mehr.  So  beträgt  <be 
mittlere  Regenmenge  von  Giendora  (30  Kil.  von  Los  Angeles),  un- 
mittelbar am  Fusse  der  Sierra,  noch  einmal  so  viel  als  in  Los  Angeles. 
— Die  Feuchtigkeit  der  Luft  als  ein  Regulator  der  Wärmeverhältni» 
ist  von  nicht  zu  unterschätzender  Wichtigkeit.  Auch  hier  geben  die 
Mittel  der  einzelnen  Monate  nur  eine  sehr  unvollkommene  Vorstellung 
von  dem  mannigfaltigen  Wechsel  der  relativen  Feuchtigkeit  an  den 
einzelnen  Tagen.  Das  Mittel  der  relativen  Feuchtigkeit  aus  fünf  Jahren 
für  die  einzelnen  Monate  beträgt:  Januar  68.1%,  Februar  72.7',. 


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Klima  und  Krankheiten  von  Siidcalifirnien. 


201 


März  75.0 °/0 , April  72.4%,  Mai  75.8 °/0,  Juni  73.0 °/0,  Juli  77.3 %, 
August  76.3 %,  September  7 1 .7  %,  October  74.7  %,  November  7 1 .0 %, 
December  63.7%.  Es  folgt  hieraus  die  wichtige  Thatsache,  dass 
die  relative  Feuchtigkeit  im  Sommer,  wo  es  nicht  regnet,  grösser  ist 
als  im  Winter  resp.  der  Regenzeit.  Während  im  Winter  eine  relative 
Feuchtigkeit  von  100.0%  selten  ist,  beträgt  im  Sommer  an  allen 
Morgen,  wo  Nebel  ist,  und  das  ist  häufig,  die  relative  Feuchtigkeit 
selbstverständlich  100.0%.  Nach  und  nach  wirkt  die  Sonne  auf- 
lösend auf  den  Nebel  und  um  Mittag  ist  die  relative  Feuchtigkeit 
gewöhnlich  ungefähr  50%;  dann  nimmt  dieselbe  im  Laufe  des  Nach- 
mittags wieder  zu  und  erreicht  recht  häufig  nach  Sonnenuntergang 
90%  und  mehr.  An  vielen  Tagen  ist  der  Unterschied  noch  grösser. 
Es  werden  um  Mittag  nur  40 — 30%  beobachtet.  Tritt  Wüstenwind 
ein,  so  bewegt  sich  die  relative  Feuchtigkeit  zwischen  10 — 30%. 
Ich  habe  an  meinem  Psychrometer  selbst  6 0 0 und  weniger  beobachtet 
Nach  Aufhören  dieses  Windes  tritt  dann  plötzlich  wieder  Nebel  mit 
100%  ein.  Die  Bildung  des  Nebels  ist  sehr  leicht  zu  verstehen. 
Während  des  Tages  bringt  der  Seewind  fortwährend  feuchte  Luft 
vom  Meere  über  das  Land.  Am  Abend  hört  nach  und  nach  der 
Wind  auf,  weil  sich  die  Wärmeunterschiede  zwischen  Meer  und  Land 
ausgleicben;  es  findet  bei  dem  klaren  Himmel  eine  starke  Wärme- 
strahlung statt,  und  nun  kühlen  sich  die  unteren  Schichten  der  Luft 
so  stark  ab,  dass  Dunstsättigung  und  Nebelbildung  eintritt.  Bei  der 
sehr  starken  Wärmestrahlung  des  Grases  gehört  Thau  zu  den  ge- 
wöhnlichsten Erscheinungen  in  Los  Angeles.  Es  sind  nur  wenige 
Morgen,  wo  das  Gras  trocken  ist.  Die  Luft  ist,  wie  schon  erwähnt, 
meistens  ungemein  klar  und  durchsichtig.  Ferne  Gegenstände  er- 
scheinen sehr  nah.  Der  nächtliche  Himmel  ist  von  einer  wunder- 
baren Pracht,  am  schönsten  natürlich  in  der  Wüste.  Es  sind  viel- 
leicht 50—  60  Tage  im  Jahre,  wo  der  Himmel  den  ganzen  Tag  mit 
Wolken  bedeckt  ist;  dann  sind  noch  eine  Reihe  von  Vormittagen 
mit  Nebel  und  grauem  Himmel;  aber  sicher  sind  250—300  Nach- 
mittage im  Jahre,  wo  die  Sonne  beständig  scheint  und  wärmt.  Ver- 
gleichen wir  nun  das  Klima  von  Los  Angeles  mit  Orten,  welche 
unmittelbar  an  der  Küste  gelegen  sind,  so  sind  manche  Unterschiede 
zu  bemerken.  Leider  sind  mit  Ausnahme  von  San  Diego,  welches 
1.4°  südlicher  hegt,  und  St.  Barbara,  nördlich  von  Los  Angeles 
nicht  viel  meteorologische  Beobachtungen  an  der  Meeresküste  an- 
gestellt. Ich  gebe  hier  Aufzeichnungen,  welche  im  Redondo-Hotel 
(22  Kil.  von  Los  Angeles)  gemacht  sind.  (Siehe  Tabellen).  Aus 


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‘202 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


diesen  Beobachtungen  geht  hervor,  dass  die  täglichen  Temperatur- 
schwankungen  nicht  so  gross,  dass  die  Winter  etwas  wärme: 
und  die  Sommer  kühler  sind  als  in  Los  Angeles.  Besonder? 
ist  dies  Mittags  und  Abends  auffallend.  Im  Sommer  1892  machte 
ich  des  Nachmittags  3 Uhr  häutig  Temperaturvergleichungen  zwi- 
schen dem  Seebade  St.  Monica  (23  Kil.  von  Los  Angeles)  und 
Los  Angeles  und  fand  die  Temperatur  in  St.  Monica  meistens  5 — 6 1 
niedriger  als  in  Los  Angeles.  Die  Nebel  sind  an  der  Küste  häufiger 
und  dauern  länger.  Der  Regenfall  ist  wahrscheinlich  etwas  geringer, 
jedoch  fehlen  mir  genaue  Beobachtungen.  Der  vorherrschende  Wied 
ist  wie  in  Los  Angeles  der  Seewind,  der  Westwind,  bisweilen  im 
Sommer  so  stark,  dass  er  lästig  wird.  Der  Wüstenwind  weht  selbst- 
verständlich zu  derselben  Zeit  an  den  Küstenplätzen,  wo  er  in  Lo 
Angeles  sich  unangenehm  macht.  Ungemein  wohlthuend  ist  unmittel- 
bar am  Strande  die  absolut  staubfreie,  reine  Meeresluft.  Ungefähr 
120  Kilometer  südlich  von  Redondo  liegt  das  schon  erwähnte  San 
Diego,  das  sich  von  Redondo  klimatisch  nur  wenig  unterscheidet 
Der  Hauptunterschied  liegt  in  der  bedeutend  geringeren  Regenmenge, 
woraus  selbstverständlich  folgt,  dass  die  Winter  in  San  Diego  sonnen- 
reicher und  wärmer  sind  als  in  Redondo.  Da  in  San  Diego  die 
Wetterbeobachtungen  durch  die  U.  St  Signal  Oftice  gemacht  werden, 
so  gebe  ich  dieselben  ausführlich  (siehe  Tabelle).  In  San  Diego  sind 
Nachtfröste  entschieden  sehr  selten.  Nebel  natürlich  viel  häufiger 
als  in  Los  Angeles.  In  Los  Angeles  wird  die  Zahl  der  wolkigen  Tage 
auf  51  für  das  Jahr  angegeben,  in  San  Diego  auf  85.  Gewitter 
scheinen  in  San  Diego  noch  seltener  zu  sein  als  in  Los  Angele?. 
Dr.  Ilemoudino  hat  in  18  Jahren  einmal  Donner  gehört.  Betrachten 
wir  nun  die  klimatischen  Verhältnisse  in  Riverside  (70  Kil.  in  der 
Luftlinie  vom  Ocean  entfernt  und  ungefähr  900'  ül>er  dem  Meeres- 
spiegel). Die  mittleren  Temperaturen  sind:  Januar  10.2,  Februar  1 1.3. 
März  13.8,  April  16.1,  Mai  19.0,  Juni  22.2,  Juli  25.4,  August  25.4. 
September  22.8,  Üctober  17.6,  November  14.2,  December  12.0. 
Die  Temperatur-Minima  und  Maxima  bewegen  sieh  in  9 Jahren: 


Minima:  Maxima: 


Januar 

— 

3.3° 

und  — 

0.55° 

+ 

18.9 

bis 

22.9 

Februar 

— 

3.3° 

0.O» 

+ 

21.2 

77 

28.9 

März 

— 

0.5° 

77  4“ 

5.1 0 

+ 

25.5 

77 

31.7 

April 

+ 

2.3° 

„ + 

4.5° 

+ 

27.7 

77 

37.8 

Mai 

+ 

3.7° 

V + 

8.3° 

+ 

33.9 

77 

40.0 

Juni 

+ 

6.2° 

••  4“ 

10.0° 

4- 

i 

C6.7 

77 

44.4 

Juli 

+ 

8.9° 

..  + 

13.4° 

+ 

39.4 

jj 

42.8 

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Klima  und  Krankheiten  von  Südealifornien. 


203 


Minima:  Maxima: 

August  -f  10.0°  „ -f-  12.9®  + 37.8  „ 45.0 

September  -j-  6.7°  „ -f-  11.2°  -j-  35.0  „ 41.7 

Oetober  + 3.4°  .,  -f-  6.2®  + 28.4  „ 38.9 

November  — 1.7°  „ 3.4°  + 24.4  „ 35.0 

December  — 0.5°  „ -f-  1.8°  17.4  n 25.5 

Die  Differenzen  zwischen  Maximum  und  Minimum  schwanken  zwischen 
20.0°  und  30.0°  an  demselben  Tage.  Die  Winde  sind  ungefähr 
dieselben  wie  in  Los  Angeles.  Die  Regenmenge  ist  entschieden  be- 
deutend geringer  (s.  Tabelle).  In  San  Bernardino  (1100'  Uber  dem 
Meeresspiegel  und  näher  an  den  San  Bernardino  Mt.)  ist  die  Regen- 
menge wieder  beträchtlich  grösser,  ungefähr  so  gross  als  in  Los 
Angeles.  Es  scheint  sogar,  als  wenn  in  den  recht  trockenen  Jahren 
es  in  San  Bernardino  mehr  regnet,  als  in  Los  Angeles,  lieber  die 
relative  Feuchtigkeit  sind  in  Riverside  nur  wenige  Beobachtungen 
gemacht;  es  geht  daraus  hervor,  dass  dieselbe  entschieden  bedeutend 
geringer  ist,  als  in  Los  Angeles;  Nebel  sind  selten  nnd  unbedeutend. 
In  Riverside,  San  Bernardino  und  Umgebung  sind  Gewitter  häufiger, 
als  in  Los  Angeles,  aber  immer  noch  selten,  während  in  den  Bergen 
in  manchen  Jahren  während  der  Sommermonate  Gewitterschauer  oft 
Vorkommen.  Am  11.  August  1891  war  in  San  Bernardino  und  Um- 
gebung ein  starkes  Gewitter.  Es  wurde  in  der  Nähe  durch  Blitz- 
schlag eine  Scheune  in  Brand  gesetzt;  zwei  Pferde  wurden  getödtet. 
Auf  den  Hügeln  hinter  Redlands  ging  ein  Wolkenbruch  nieder,  der 
Redlands  unter  Wasser  setzte.  Klare  Tage  sind  in  Riverside,  San 
Bernardino  und  Umgebung  noch  häufiger  als  in  Los  Angeles. 
Dr.  Sawyer  zählte  von  Juli  1885  bis  Juli  1886  280  absolut  klare 
Tage;  an  38  Tagen  fiel  Regen,  die  kleinsten  Schauer  eingerechnet. 
Aus  allen  Angaben  geht  hervor,  dass  an  diesen  Plätzen  im  Winter 
Nachtfröste  häufiger  und  vor  allen  Dingen  stärker  als  in  Ix)s  Angeles 
sind,  dass  die  Mittagstemperaturen  höher,  dass  die  Regen  meistens 
geringer  als  an  der  Küste  oder  im  Gebirge  sind.  Nebel  sind  viel 
seltener  und  die  Luftfeuchtigkeit  ist  viel  geringer.  Ich  habe  bis  jetzt 
die  Barometerbeobachtungeu  nicht  erwähnt,  weil  dieselben  nicht  von 
grosser  Bedeutung  sind.  Im  Grossen  und  Ganzen  ist  der  Barometer- 
stand ein  sehr  gleichmässiger,  tägliche  und  monatliche  Schwankungen 
sind  sehr  gering.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  bei  den  erwähnten 
Regenverhältnissen  die  Staubbildung  besondere  im  Sommer  an  allen 
bewohnten  Plätzen  eine  sehr  bedeutende  ist.  Zur  Zeit  des  Wüsten- 
windes ist  die  ganze  Luft  mit  Staub  erfüllt,  der  aus  der  Wüste  über 
ganz  Südealifornien  verbreitet  wird.  Hiermit  schliesse  ich  die  kurze 


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204 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


Schilderung  des  Klimas  der  südcalifornisclien  Valleys  und  Küsten  ah. 
Es  ist  dies  der  Theil  des  Landes,  in  welchem  die  grösste  MehraL 
der  Bevölkerung  wohnt.  Eine  kurze  Schilderung  des  Wüstenklim*? 
wird  ganz  beträchtliche  Unterschiede  zeigen.  Die  Haupt  Verschieden- 
heit des  Wüstenklimas  von  dem  Küstenklima  besteht  in  noch  grösseren 
täglichen  Temperaturschwankungen,  sehr  geringer  Regenmenge,  sehr 
geringer  relativer  Luftfeuchtigkeit  und  fast  beständig  klarem  Himmel. 
Nebel  kommen  an  einzelnen  beschränkten  Stellen  in  3 — 4 Jahres 
ein  oder  zweimal  vor.  Ganz  besonders  wichtig  ist  die  grosse  Häufig- 
keit ziemlich  starker  Winde,  die  auch  oft  des  Nachts  mit  grosser 
Heftigkeit  wehen.  Gar  nicht  selten  bedecken  Staubstürme  die  junge 
Saat  im  Antelope  Valley,  einem  Theil  der  Mojave-Wüste,  mit  Stans 
und  vernichten  die  Hoffnungen  auf  eine  Ernte.  Im  Winter  sind 
Nachtfröste  häufig.  Es  giebt  Plätze,  wo  seit  8 Jahren  die  Bliithei 
der  Pfirsichbäume  regelmässig  erfroren  sind.  Im  Winter  fällt  Schnee, 
doch  sind,  wie  schon  erwähnt,  die  Niederschläge  in  der  W üste  über- 
haupt sehr  gering.  Im  Antelope  Valey,  Lancaster  2350'  über  dem 
Meeresspiegel  als  Hauptplatz,  hatte  sich  eine  Ackerbaucolonie  ent- 
wickelt. Bei  den  sehr  unsicheren  Ernteergebnissen  aber  sind  di« 
Ansiedelungen  zum  Theil  wieder  verlassen.  In  der  ‘Coloradowüste 
ist  eine  nicht  unbeträchtliche  Strecke  unter  dem  Spiegel  des  Meeres 
gelegen.  In  früheren  Zeiten  dehnte  sich  der  Busen  von  California 
bis  zu  diesen  Stellen  aus.  Die  Coloradowüste  ist  gleichfalls  von 
heftigen  Winden  besonders  im  Sommer  heimgesucht.  Es  sind  di« 
die  Seewinde,  welche  am  Tage  nach  der  stark  erwärmten  Wüste 
strömen.  Der  Umstand,  dass  die  St.  Bernardino  und  San  Ja  dato 
Mountains  am  Beginn  der  Wüste  nur  eine  wenige  Meilen  breite  Schluckt 
zwischen  sich  lassen,  giebt  dem  Winde  im  Beginn  der  Wüste  eine 
ungemeine  Stärke;  derselbe  wirkt  wie  ein  Pressstrahl  und  schleudert 
ziemlich  grosse  Steinstückchen  dem  Wüstenwanderer  in  das  Gesicht 
Noch  schlimmer  wirkt  der  Nordwind,  der  eigentliche  Wüstenstarm. 
dessen  ich  auch  schon  bei  der  Schilderung  des  Klimas  von  Los  Angel« 
erwähnte.  Nicht  selten  werden  ganze  Strecken  der  Wüstenbaho 
durch  diese  Staubstürme  verschüttet  Es  giebt  selbstverständlich 
Plätze  in  der  Wüste,  welche  durch  hohe  Berge  vor  dem  regelmässige» 
Oceanwinde  geschützt  sind.  So  liegt  der  Curort  Pidmsprings  am 
Eusse  des  Mt.  San  Jacinto  nach  Osten  und  wird  dadurch  gegen  den 
Seewind  vollständig  geschützt,  während  die  nahliegende  Eisenbahn- 
station der  vollen  Kraft  des  Windes  ausgesetzt  ist.  Das  Klima  der 
höheren  Berge  (4000'  und  mehr)  ist  im  Ganzen  noch  wenig  studirt 


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Kliina  uni  Krankheiten  von  Südcalifornieu. 


•205 


obgleich  eine  ziemliche  Anzahl  von  Gcbirgscurorten  bestehen.  Ich  gebe 
in  den  beiliegenden  Tabellen  XX-XXIII  einige  Beobachtungen,  die  aber 
noch  sehr  der  Ergänzung  bedürfen.  Beobachtet  man  auf  dem  Kamme 
der  Sierra  Madie,  z.  B.  auf  dem  Mont  Wilson,  so  ereignet  es  sich  nicht 
selten,  dass  die  Temperatur  dort  höher  ist  als  in  Los  Angeles. 
Die  warme  Wüstenluft  strömt  über  die  Berge  weg  zum  Ocean  und 
die  kühle  Oceanluft  breitet  sich  in  den  Thälern  von  Südcalifornieu 
aus,  um  von  dort  durch  den  schon  erwähnten  San  Gorgoniopass 
nach  der  Wüste  zu  strömen.  Auch  auf  den  Bergen  ist  die  Luft- 
feuchtigkeit geringer  als  in  den  Küstenplätzen;  es  kommen  jedoch 
einige  hochgelegene  Thäler  vor,  in  denen  im  Sommer  locale  Gewitter- 
bildung mit  Regenschauern  wenigstens  in  einzelnen  Jahren  häufig  ist. 
Thaubildung  findet  an  den  meisten  Gcbirgscurorten  nicht  statt.  Im 
Grossen  und  Ganzen  kann  mau  sagen,  dass  mit  der  Entfernung  vom 
Meere  die  relative  Luftfeuchtigkeit  proportional  geringer  wird,  dass 
alle  Orte,  östlich  von  den  Gebirgen  gelegen,  sich  durch  grosse  Luft- 
trockenheit auszeichnen,  dass  die  täglichen  Temperaturschwankungen 
mit  der  Entfernung  von  der  Küste  zunehmen,  dass  windstille  Tage 
in  ganz  Südcalifornien  selten  und  windstille  Nächte  an  vielen  Stellen 
die  Regel  sind,  einen  Theil  der  Wüsten  ausgenommen;  dass  Stürme 
an  der  Küste  nur  selten  — und  von  massiger  Stärke  Vorkommen. 
Südcalifornien  ist  ein  Land  des  Sonnenscheins.  Nur  an  den  Küsten 
sind  die  Nebel  im  Sommer  in  der  Nacht  und  am  Morgen  häufig; 
je  weiter  von  der  Küste  entfernt,  desto  weniger.  Die  beigefügten 
Tabellen  werden  die  ausführliche  Begründung  dieser  klimatischen 
Schilderung  gehen.  Am  Schlüsse  dieser  Betrachtungen  erachte  ich 
es  für  meine  angenehme  Pflicht,  Herrn  George  E.  Franklin,  U.  St. 
Weather  Bureau,  für  die  Liebenswürdigkeit  zu  danken,  mit  der  der- 
selbe mir  die  Bibliothek  des  Weather  Bureaus  zur  Verfügung  ge- 
stellt hat. 


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•206 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


Tabelle  I. 


Monatsmittel  in  mm. 


Barometer 

San  Diego 

Los  Angeles 

Januar 

762.8 

751.4 

Februar 

761,3 

758.3 

März 

761.0 

753.3 

April 

75.8,9 

750.8 

Mai 

758.9 

751.1 

Juni 

758,6 

750,6 

Juli 

757.6 

745.0 

August 

758.6 

751.1 

September 

757,3 

749.8 

October 

759.5 

751,6 

November 

761.0 

754,1 

December 

761,0 

753.6 

Tabelle  II. 

Los  Angeles  250'  über  dem  Meere. 


Regenmenge  in  Zollen. 


Jahr  Jan. 

Febr.  März  | April 

Mai 

Juni 

Juli  jAug.  Sept. 

OcL 

Nov. 

Deo. 

Sa 

1877 

1878 

0.33 

7,68 

2.57 

1.71 

0.66 

0.07 

1 

0,15 

0.45  | 3.93 
— 14.70 

1 4.88 

2 >.  35 

1879 

3.59 

0,97 

0.49 

1.19 

0.24 

0.03 



— 

0.93 

3.44 

6,53 

17.43 

1880 

1.33 

1.56 

1.45 

5.06 

0,04 

— 

Spur  Spur 

— 

0.14 

0.67 

8.40 

18.65 

1881 

1,43 

0,36 

1.66 

0.46 

0,01 

— 

— jSpur 

Spur 

0,82 

0.27 

0.52 

5.63 

1882 

1,01 

2,66 

2,66 

1.83 

0.63 

Spur 

| 

Spur 

0.05 

1.82 

0.08 

10.71 

188  J 

1.62 

3,47 

2,87 

0.15 

2.02 

0.03 

Spur | — 

— 

1.42 

— 

2.56 

14.11 

1884 

3.15 

13.37  12,36 

3.58 

0.39 

1.34 

I 

Spur 

0.39 

1.07 

4.65 

40.59 

1865 

1,05 

— 

0,01 

2.01 

0.06 

Spur 

Spur • Spur 

— 

0.30 

5.55 

1.65 

10.6« 

1686 

7.78 

1.41 

2.52 

3.32 

— 

0.11 

0.24  1 0.2  t 

— 

('.02 

1.18 

0.26 

17.09 

1887 

0.20 

9.25 

0.29 

2.30 

0.20 

0.07 

0,07  — 

0,15 

Spur 

0.17 

0.80 

2.68 

16.22 

1888 

6.04 

0.80 

3.17 

0.12 

0,05 

0.01 

0,03  0.08 

0.40 

4.02 

6.26 

20.73 

1689 

0.25 

0.92 

6.48 

0.27 

0.65 

0.01 

Spur  0,61 

— 

6,96 

1.35 

15.80 

33.50 

1890 

7.80 

1,36 

0.66 

0,22 

— 

0.02 

— 0,03 

0.06 

0,03 

0.13 

2.32 

12.69 

1891 

0.25 

8,56 

0.41 

1.26 

0.31 

— 

Spur | — 

0.06 

— 

— 

1.99 

1 2.84 

1892 

0.88 

3.19 

3.39 

0,22 

2,07 

0.06 

— lo.oi 

— 

0.33 

4.40 

4.18 

18.72 

1 89S 

6,29 

2.27 

8,52 

0.19 

0,06 

0.03 

1 

Spur!  0.75 

0.20 

3.65 

21.9« 

1894 

0.94 

0,49 

0,37 

0.13 

0,20 

Spur  Spur  i 0,01 

0,73 

Spur 

0.02 

— 

4.62 

7JI 

1895  5,84 

0.46 

3.77 

0.46 

0.19 

0.01 

Spur  Spur 

0.24  | 0.80 

0.78  | li.'A 

Digitized  by  Google 


Klima  und  Krankheiten  von  Südcalifornien. 


207 


Tabelle  III. 

Loa  Angeles.  Geschwindigkeit  des  Windes 
(englische  Meilen  in  24  Stunden). 


Jahr 

Jan.  Kehr. 

März 

April 

Mai  1 Juni 

Juli  Aug. 

| Sept. 

Oct. 

Nov. 

Dec. 

1890 

2947 

2375 

| 31 15 

2479 

2666  2727 

2501  2597 

2317 

2313 

2686 

2744 

1 89 1 

3015 

3261 

- 3016 

273  1 

2732  — 

2613  2579 

2532 

2086 

1990 

3514 

1892 

238t) 

2251 

1 2833 

2937 

2935  2737 

2539 , 2437  i 

2193 

2292 

,2253 

2770 

1893 

2403 

2667 

3150 

3018 

304  ti  2633 

2778  ! 2704 

2687 

2589 

i 2362 

2676 

1894 

2511 

2794 

3188 

3021 

3077  3143 

2633  2711 

2492 

2113 

1481 

2655 

1895 

2868 

2230 

| 2650 

2726  1 

2953 , 2667 

2380  I 2094 

| 2377 

2305 

2201 

2547 

1 16124 

15632:17935,16918 

1 741 1|  16634  15141i  16125 

14598 

1369842973 

l690i 

Grösste  Geschwindigkeit  des  Windes  und  Windrichtung  dabei. 
Englische  Meilen  in  1 Stunde. 


1390 

17  E. 

181 

24  KW. 

1911 

151. 

81 

131, 

14  1 

15  S 151. 

141. 

1S91 

19  II. 

24  E 
24  W 

24  W 

16  E 

— 

16  1 

15  1. 

131 

2011  16  f. 

121. 

1892 

18  E. 

20  E 

301 

261 

221. 

30  I. 

151. 

13  SW. 

11  1.  1 6 SW. 

211. 

1893 

24  E 

301 

29  E. 

30* 

14  W 

141 

15  W. 

17  W 

131.  20  E. 

20  E 

1894 

14  W. 

30  n 

301 

24  *W 

18  W 

181 

15  1 

17  SE. 

18  W 1 131 

121. 

1 »95 

18  SW. 

19*ff 

20  SW 

24  KW 

26  W. 

15  W 

14  I 

121 

14*1  141. 

121. 

Wenn  100  Meilen  in  24  Stunden  per  Stunde  4 Meilen, 


weht  der  Wind  nur 


12  Stunden  so  per  Stunde  8 Meilen, 
9 ..  ,,  ,i  11 

6 17  .. 


18  W. 


24  KE 

30  l 
23  W 
18  E, 


Tabelle  IV. 

Los  Angeles. 


Vorherrschende  Windrichtung. 


Jah  r 

Jan.  | 

Kehr. 

März  | 

April 

Mai 

Juni  ' 

Juli 

Aug.  [ 

Sept. 

Oct  j 

Nov.  | 

Dec. 

1890 

KB. 

"TI 

¥ 

W 1 

W 

ff. 

W. 

W.  1 

I. 

W. 

ff. 

K. 

1 -.91 

ff 

i 

W 

ff. 

w 

ff 

ff 

ff. 

ff. 

ff 

W 

ff. 

1892  ; 

SE, 

W 

W 

w. 

w 

ff 

ff 

w 

ff 

ff. 

ff 

ff. 

1893 

Kl 

KE 

KE.  ! 

w 

ff. 

ff. 

ff. 

w 

ff 

ff  1 

ff 

KE 

1891' 

1. 

I. 

W. 

1. 

w 

ff 

W 

w 

ff. 

ff. 

V 

E. 

ls&5 

E. 

! KE. 

1 w 

w 

ff 

W 

ff. 

ff 

ff  | 

ff 

KE 

Kff. 

2 I. 

3 1. 

5 W 

5 ff. 

2 ff 

2 KE 

1 K 

1 KE. 

1 KE. 

1 X. 

1 E 

2 KE 

1 KE. 

1 SW 

1 E 

1 

1 

1 Kff 

Mittlere  relative  Feuchtigkeit. 

1890 

— 





j 





1 ~ 

1 

— 

1891 

— 

— 

70 

72 

73 

73 

fehlt 

70 

68 

75 

73 

58 

1892 

60 

80 

79 

71 

75 

72 

76 

74 

71 

69 

61 

fehlt 

1893 

66 

73 

79 

71 

75 

74 

76 

77 

77 

73 

71 

63 

1891 

70 

69 

70 

71 

SO 

fehlt 

fehlt 

fehlt 

fehlt 

fehlt 

84 

7 1 

1895 

76.5 

69 

77 

71 

76 

73 

80 

81 

68 

82 

60 

Mittel 

68,1 

72,7 

1 <5 

1 72,4 

75.8 

I 73 

77.3 

76,7 

71.7 

7 1,7 

71,0 

63.7 

Digitized  by  Google 


•208 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


Digitized  by  Google 


Klima  und  Krankheiten  von  Südcalifornien. 


209 


Tabelle  VL 

Los  Angeles. 

Tage  mit  Nachtfrösten. 


1888  Deeember  11.,  12.,  24.,  31.  4 

1889  Januar  1.,  2.,  8.,  8.,  19.,  20.,  21.,  22..  23..  24-  16.  11 

Februar  17.,  18-  19.  3 

März  keine 

1889  Deeember  5.,  19.,  28-  29.,  30-  31.  6 

1890  Januar  2.,  6-  7.,  8.,  9.,  11-  15.,  19.,  20.  9 

Februar  20.,  23.,  21.  3 

März  keine 

April  keine 

Mai  einer 

October  10.  1 

November  8.  1 

1890  Decembor  6-  9.,  31.  3 

1891  Januar  1,  6.,  8.,  9.,  10-  11-  12-  13-  29-  30.  10 

Februar  9-  10.  2 

Deeember  5-  6-  7-  8-  9-  22-  23-  21-  25.  9 

1892  Januar  II.,  12.,  18.  3 

Februar  keine 

März  28-  31.  2 

April  20-  21.  2 

November  25.  1 

Deeember  6-  7.,  8.  9-  10-  12-  13-  14-  15.  9 

1893  Januar  10-  11-  18-  19.  4 

Februar  keine 

März  keine 

April  keine 

Deeember  28  , 29-  CO.  3 

1894  Januar  3-  4-  5-  6-  7-  8-  9-  10-  11-  17-  19-  21-  23-  25-  27.  15 

Fobruar  2-  9.,  11-  12-  13-  17-  18.  26-  27.  9 

März  3-  4-  5-  21-  22-  23.  6 


1830 

1881 

Tabelle  VII. 
Riverside. 

11  egen  menge  in  Zollen. 
1882  1883  1884 

1885 

1886 

Mittel 

Januar 

— 

0,48 

1,70 

0,09 

0,81 

0.77 

2.21 

1,01 

Februar 

— 

0,25 

1,40 

0,83 

12,00 

— 

1,38 

2,64 

März 

— 

1,30 

1,03 

0,89 

6,26 

0,01 

1,95 

1,91 

April 

— 

0,74 

0,72 

0,26 

1,67 

2,15 

1.43 

1,16 

Mai 

— 

0.03 

0,08 

0,25 

1,99 

0,24 

— 

0,43 

Juni 

— 

— 

0.18 

— 

0,52 

— 

— 

0,10 

Digitized  by  Google 


210 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


1880 

1881 

1882 

1883 

1884 

1885 

18S6 

Mittel 

Juli  — 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

August  — 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

September  — 

0,10 

— 

— 

— 

— 

— 

0.10 

October  — 

0,40 

0,13 

0,97 

0.12 

0.02 

— 

a27 

November  0.20 

0.25 

0,29 

— 

0,12 

1,34 

— 

0.36 

December  2.26 

0,40 

0,24 

2,25 

2.56 

0,62 

— 

1.38 

3,95 

5,78 

5,54 

26,08 

5,15 

9.3-. 

Tabelle  VIII. 
Redondo-Hötel. 

(22  km  von  Los  Angeles  an  der  Küste  gelegen.) 
Temperaturen. 

1891  1890 


6 Vorm. 

Mittag 

6 Abends  Mittel 

6 Vorm. 

Mittag 

6 Abends  Mittel 

Januar 

9,4'  C. 

16.3°  C. 

17.4 » C. 

10,7 

16.3 

16.4 

Februar 

10.0 

15.2 

15,7 

11.8 

15,7 

14.8 

März 

12,3 

16,7 

17,4 

11,8 

16,7 

16.7 

April 

12,3 

17,7 

17.4 

11,2 

17,4 

18.5 

Mai 

15,7 

18,9 

17.8 

14,6 

18.5 

185 

.Juni 

16,7 

20,7 

20,0 

14,6 

18,5 

18.5 

Juli 

20,0 

22,3 

21,8 

16,7 

20,0 

20.7 

August 

21,2 

24,0 

22,9 

18,9 

21,8 

23.4 

September  20,0 

23,4 

22,3 

15.7 

18,9 

19.6 

October 

17.4 

20,7 

18,9 

13,4 

18,9 

18.5 

November  12,9 

18,5 

17.4 

10,7 

18,5 

18-5 

December 

9.4 

15,2 

13,4 

8,9 

15,2 

14.6 

Die  Abendtemperaturen  sind  entschieden  zu  hoch,  ich  vermuthe,  dass  du? 
Abendsonne  das  Thermometer  beschienen  hat. 


Tabelle  IX. 


U.  St.  San  Diego. 

Government  Signal  and  weather  Station. 


Mittel  aus  16  Jahren 
Mittel  um  7 U.  Vorm.  1887 
Mittel  um  SU.  Nachm.  1887 
Mittel  um  10  U.  Ab.  1887 
Maxima  1887 
Minima  1887 


Jan. 

Febr  1 März 1 April 

Kai 

Juni  | Juli 

Ans- f 

Snpt  Del 

JpT 

fc 

Il2,l 

12.7 

13.4 

14.7 

15.8 

18.119.7 

20.7 

19.3  17.2 

14.7 

13.4 

8.6 

8.4 

11.1 

12.6 

14.4 

16.0  17.6 

17.7 

17.0  15.5 

12.2 

SU 

16.2 

14.3 

16,9 

17.6 

19.1 

20,3  21.0 

21.0 

20.9  21,0 

18.0 

16.0 

12,6 

12.3 

14,2 

15.3 

16.9 

18.3  19.2 

18.7 

18.5  1S.1 

15.4 

li« 

23.4 

24.1 

27.7 

26.6 

26.2 

25.’.  26.2 

25.0 

26.2  29.5 

27.7 

2i4 

3.4 

8.4 

6,7 

6.7 

8.9 

12,3  15.7 

12.3 

14.6  10.0 

6.7 

*-S 

Mittlere  relative  Feuchtigkeit. 

|B8"/o:  74  i 78]  74  [ 77T76';-7iT7Tr 7d]  73  55  ll 


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Klima  und  Krankheiten  von  SüdcalifornieD. 


211 


Regenmeugo  in  Zollen. 


Mittel  aus  t6  Jahren 
besonderes  trocknes  Jahr 
Juli  1876 
bis  Juni  1877 
besonders  regenreiches 
Jahr 

Juli  1883  bis  Juni  1884 


2,05 


2,33 


1,55  0,93  0, 41 


0,06  |o, 03 '0,09-0,04 


1,05,0,18,1,44  0,26  0,43 


;0,03|0,06 


1,34  9,05  6,23,2,84  2, 17|0, 31 


0,44 


|0,03!0,08 

2,01 


0,73 

0,04 

0.20 


2,09 

0,15 

1,82 


Tabelle  X. 

St.  Barbara. 


(Nordhof!.  California.) 


Jan.  | Febr.  j Hin  1 April 

Hai  Joai  | Juli  i Agg.  j SepL 

öd 

Ko?. 

Dbc. 

mittlere  Temperatur  9,1  13.5  12,7  17,0 

relative  Feuchtigkeit  71  °,  0 72  * 73  67 

mittlere  Temperatur  des 
Seewassers  1 5,5  16.1  16,1  16,1 

17.1 
65 

16.1 

21.6  22,6  20,7 
69  72  73 

16.7  17,8  18,3 

19,6 

74 

18,9 

18,5  15,5  13,3 
70  64  64 

17,2  16,1  15,5 

1870 

1»71 

1872 

1873 

1874 

1875 

1876 

1877 

1878 

1879 

1880 


Regenmenge  in  Zollen. 


0,25  5.87  0,83  0,99  0.74  0,07!  — 
0,86  2,92.0.02  2,02  0.37;—  — \ 

2.53  1,81  0, 18,1,80  — 1 0,1 41  — | 
0,58  5,48  0,05;  — — — — 

4.54  3,17  0.78  0,28  0,14,—  ! — 

14,Mi0,18  0,88  0,10  — — — 
7,56  5,6712,73  0,27'  — — | — 

3,04'—  0,61  0.39  0,45  - 
7,87  12,32  2.68  3,3410.29  0,05|  — 
4,83  0,7 2 0.34 j 1 ,80j0,30  0,1 1 0,07 
1,4 1 11,5t  1,22  6,25  — - 




1,04  0,27  1,11 

— 

0,09  1,83  6.56 

— 

— — 4.34 

— 

— 0,27.5,26 

— 

1,91  < 1 ,30j  - ■ 

— 

— 6,53  0.31 



- 1.413.55 

— 

0,35  — |6,89 

0,11 

0,44  1,93  5.01 

— 

0,17  0,26  9,94 

Zahl  derTage,  an  welchen  die  Temp. 

unter  6,2°  0. 
über  28,4°  C. 


1873  1874  1875  1876 

1877  1878 

1879 

1880  1881 

79  4 1 17 

15  23 

43 

48  29 

1 1 6 : 22  1 4 

10  1 8 

15 

1 i 2 

Tabelle  XL 

Yuma  ün  Colorado  River. 

Mittlere  Temperatur. 


| Jan.  j 

Febr. 

März  ) April  | 

Mai  | 

Juni 

Juli 

Aug.  | Sept. 

| Oot. 

2- 

| Dec. 

1891 

12,0 

13.0 

17,6 

21,1 

27,7 

fehlt 

33,3 

33,3 

28,4 

24,4 

18,5 

10,7 

1892 

13.9 

15,2 

18.5 

21,2 

24,8 

28,9 

32,2 

32.2 

30,6 

22,3 

17,4 

11,8 

1893 

15,2 

15,7 

16,7 

20,7 

24,4 

30,6 

32,2 

i 32,8 

27,7 

22.3 

15,7 

14,6 

1894 

11,2 

11.2 

17.4 

21,8 

25.0 

26,2 

32,8 

32,2 

28,4 

21,0 

20,0 

12,9 

1895 

12,9 

16,3 

17,8 

21,2 

26,2  , 

29,5 

31,7 

32,8 

28,9 

24,4 

16,3 

12,3 

ArclilT  f.  Schlfli-  u.  Tropenbygleoe.  II.  46 


Digitized  by  Google 


212 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


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Jahr 

Digitized  by  Goqgh 


Windrichtung  und  Geschwindigkeit,  Htitrko  dos  Winde«,  englisch*!  Meilen  in  24  Stunden. 


Klima  und  Krankheiten  von  Südcalifornien. 


2t 


Tabelle  XIII. 

Yuma 


Relative  Feuchtigkeit. 


Jahr  | 

Jan. 

Febr.  j 

März  | 

| April  | Mai  | 

Juni  | 

Juli 

Aug.  | Sept.  | 

Oct.  | 

Nov.  | 

| Dec. 

1890 

1891 

1892 

36,0 

57,2 

46.0 

34.0 

37,6 

33,6 

39,0 

43.0 

42,0 

83,0 

40,0 

1893 

28.0 

33,0 

50.0 

32,0 

41,0 

35,0 

52,0 

54,0 

44,0 

43,0 

52.0 

46.0 

1894 

•46,0 

47,0 

40.0 

31,0 

86,0 

42,0 

45.0 

47,0 

46.0 

46,0 

34.0 

63,0 

1895 

51,0 

37,0 

88.0 

36,0 

33,0 

36,0 

41,0 

46,0 

40,0 

1 

50,0 

47,0 

34,0 

"1 

39,7  j 

42,8 

43,5 

33,2 

36,9 

| 36,6 

1 44,2 

47,5 

43,0 

46,3 

41,5 

45,7 

Regenmenge  Summa 


1890 

1891 

1892 

1.85 

0,87 

0,52 

0,05 

0,02 

0,04 

8,33 

1893 

— 

1 

1.29 

— ! 

0,29 

— 

0,50 

0,38 

0,08 

0,01 

0,19 

0,26 

3,00 

1894 

fehlt 

0.74 

fehlt 

— 

— 

0.36 

0,10 

0,51 

0.84 

— 

0,40 

2,95 

1895 

0,78 

0,02 

— 

— 

— 

— 

0,01  j 

— 

— 

0.15 

0,37 

— 

1,33 

Regentage  Summa 


1890 

1891 

1892 

4 

6 

2 

— 

2 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

16 

1893 

— 

0 

5 

— 

2 

— 

2 

3 

1 

1 

1 

3 

18 

1894 

fehlt 

0 

2 

fehlt 

— 

— 

1 

2 

1 

1 

— 

6 

13 

1895 

1896 

1 

1 

1 

— 

1 

1 

3 

2 

8 

Tabelle  XIV. 

Salton  (33 0 25'  nB.  115“  56'  wL.) 
263  Fuss  unter  dom  Meeresspiegel. 


Tomperatur 


Max. 

Min. 

Mittel 

Regen 

Januar 

44,4°  C. 

- 1,1 

17,7 

0,18  Zoll 

Februar 

35,0 

+ 0,6 

19,58 

0,00  „ 

März 

40,0 

4,5 

20,92 

IT 

April 

37,8 

6,2 

23,4 

0,00  „ 

Mai 

51,1 

16,7 

28,96 

0,00  „ 

Juni 

53,3 

24,0 

38,13 

0,00  „ 

Juli 

48,8 

28,9 

36,81 

0,00  ,, 

August 

48,8 

26,6 

36,81 

0,51  „ 

September 

fehlt 

October 

43,9 

17,4 

29.61 

0,93  „ 

Novomber 

31,7 

8,3 

21,64 

0,46  „ 

December 

22,3 

7.2 

13.62 

0,62  „ 

16* 


Digitized  by  Google 


214 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


Tabelle  XV. 

Port  Mojave  am  Colorado-Fluss. 

Aus  Dr.  Oscar  Loew.  Expedition  durch  das  südliche  Califomien. 
Mittlere  Temperatur 


Morgens  7 Uhr 

Mittags  12  Uhr 

Abends  9 Uhr 

Januar 

13,3°  C. 

8,8 

17,6 

13,6 

Februar 

12,1 

8,6 

16,8 

12.0 

März 

20,9 

14,8 

27,7 

20,2 

April 

22,3 

17,8 

28,3 

20,9 

Mai 

25,8 

20.6 

31,2 

25,6 

Juni 

83,0 

27,2 

40,0 

31,8 

Juli 

37,8 

38,0 

43,4 

87,0 

August 

38,2 

29,8 

38,5 

31.2 

September 

82,0 

25,7 

38,8 

31,2 

October 

27,1 

17,8 

30,1 

23.3 

November 

18,9 

12.3 

25,0  . 

19,5 

December 

10,7 

7,2 

14,4 

10,6 

Die  Regen  sind  meistens  im  Sommer. 
Es  fielen  1870  93,9  mm 


1871  53,3  mm  Die  Regen  kommen  aus  dem  Meerbusen  von 

1872  81,3  mm  Califomien. 

1873  86,4  mm 

Die  relative  Feuchtigkeit  ist  sehr  gering.  Dieselbe  schwankt  zwischen 
9,3%  und  52,8%. 

Die  Hauptwindrichtung  ist  von  Südost. 


Tabelle  XVI. 
Colorado  Desert. 

33°  53™  nB.  116°  28'  wL. 
Palmsprings  580'  über  dem  Meere. 


17.  September  1895 

Temperatur 

relative  Feuchtigkeit 

4,10  m Nachmittags 

31,5°  C. 

2% 

5 » 

30,5  „ 

0% 

5,40“  „ 

29,5  „ 

0% 

e 

29,2  „ 

0% 

6.50“  „ 

28.8  „ 

0% 

Ungefähr  10  Fuss  vom 

Hygrometer  wurde  die  ganze  Nacht  bewässert. 

8 Uhr  Nachmittags 

26,0°  C. 

5% 

18.  September 

5,15“  Morgens  17,2 

25% 

Sonnenschein  5,45“  „ 

17.5 

24% 

6 

17,5 

26% 

eigene  Beobachtung 


Digitized  by  Google 


Klima  und  Krankheiten  von  Südcalifornien. 


215 


Tabelle  XVII. 

Palmdale,  2700'.  Antelope  Valley.  Station  d.  South.  Pacific  R.  R. 


nach  San 

Francisco, 

eigene  Beobachtung. 

21.  Mai  1897 

Nachm.  5 Uhr  Temp. 

22,5»  C. 

rel.  Feuchtigkeit  32 

Stubentemp.  23,9 

Wind:  West 
Himmel  bedeckt  5,40 m 

22,5 

31 

23,5 

klärt  auf  6,40 m 

21,0 

31 

22,5 

7,45 

18,0 

36 

22,1 

3.  Mai  5 Uhr  Morgens 

Sonnenaufgang 

Himmel  hell  u.  klar  „ 

11,0 

57 

17,2 

Windstille  und  5,30 m „ 

14,0 

49 

16,8 

Sonnenschein  6,10m  „ 

16,0 

45 

16,6 

7 Uhr  „ 

18,2 

37 

17,0 

7,30"*  „ 

19,0 

34 

18,2 

sehr  heftiger  Wind  5 U.  Abends  21,0 

35 

21,8 

den  ganzen  Tagl  . 
sehr  windig  j ” ” 

19,5 

33 

20.2 

Wind  lässt  nach  7 „ „ 

18,0 

40 

19,2 

4.  Mai  5 „Morgens  11,2 

64 

16,6 

windstill  5,45 m „ 

13,5 

58 

17,0 

Sonnenschein  6,10"*  „ 

15,5 

55 

17,0 

6,30"*  „ 

17,0 

49 

17,6 

leichter  Wind  7,15  "*  „ 

19,0 

42 

17,5 

Wind  stärker  9 

21,0 

35 

19,8 

Wind  heult  10,10"*  „ 

21,3 

33 

21,2 

aus  Westen  1 , 
sehr  stürmisch}  1,au  ” 

25,5 

20 

25,0 

Tabelle  XVIII. 

Del  Sur. 

80  km  nordwestlich  von  Palmdale,  ungefähr  2800'. 


5-  Mai 

Temp. 

relative  Feuchtigkeit 

1,30"* 

Nachm. 

28.5 

0%  massig  windig,  Westwind 

2 Uhr 

3» 

28,2 

0%  Wind  stärker,  heult 

Sonnenschein  3 n 

11 

27,3 

0%  sehr  stürmisch 

4 „ 

91 

26,5 

4% 

5,30“ 

11 

25,5 

5%  Wind  viel  schwächer 

8.  scheint  noch  8, 80  “* 

11 

22,2 

9% 

Sonne  unter  6,38"* 

11 

21.8 

9% 

Mondsichel  7,15"* 

11 

19,0 

14% 

6.  Mai 

Nachts  stürmisch 

vor  Sonnenaufgang  5 U.  Morg. 

10,0 

58%  sehr  stürmisch  NW. 

ll,40m  Vorm. 

24,0 

10%  massig  windig 

1,30“  Nachm. 

22,2 

14%  sehr  windig 

2 

11 

>1,3 

17%  99  9) 

5,5“ 

11 

18,5 

28  % 99  99 

5,50“ 

11 

17,2 

82%  99  99 

Digitized  by  Google 


216 


Dr.  Carl  Schwalbe. 


Sonne  unter 

7,45 

m 

15,0 

42%  noch  starker  Wind 

7.  Mai 

6 Uhr  Morgens 

13,0° 

42%  windig 

7,20 

m 

15,0® 

87% 

10,15“  „ 

23,0° 

19% 

eigene  Beobachtung. 

Tabelle  XIX. 

Julian  aus  U.  St  Weather  Rep. 

Temperatur  in  Cels.  Regenmenge  in  Zollen. 

1896. 

Maxim. 

Minim. 

Mittel 

Januar 

21,8 

— 0,55 

13,2 

4,55 

Februar 

22,9 

— 2,8 

9,3 

0,40 

März 

28,9 

— 5,0 

9,5 

6,10 

April 

23,4 

- 2,2 

8,1 

1,40 

Mai 

33,9 

- 1,1 

13,6 

0,10 

Juni 

41,1 

+ 2,9 

21,1 

0,00 

Juli 

fehlt 

fehlt 

August 

fehlt 

fehlt 

September 

88,3 

16,7 

27,9 

— 

October 

fehlt 

fehlt 

November 

fehlt 

fehlt 

December 

fehlt 

fehlt 

Niederschläge  in  West-Palmdate  2700'  Antelope  Valley 

(Mojave  Desert). 

August  1896 

1,35  Zoll 

Januar  1897 

8,78  Zoll 

(30  Zoll  Schnee) 

September 

0,32  „ 

Februar 

8,71  „ 

(19  „ * > 

October 

1,42  „ 

März 

1,31  „ 

November 

0,43  „ 

April 

0,04  „ 

December 

0,98 

Tabelle  XX. 

Julian  38,°04“nB.  116,°30mwL. 


Regenmenge  in  Zollen  resp.  Schnee 


1880 

1831 

1882 

1883 

1884 

Januar 

1,50 

5,18 

5,13 

10.04 

2,25 

Februar 

5,75 

4,88 

8.38 

6,63 

20,63 

März 

9,25 

8,13 

7,31 

9,13 

15,63 

April 

7,50 

2,75 

4,88 

4,13 

10,03 

Mai 

— 

— 

— 

— 

8.63 

Juni 

— 

— 

— . 

— 

— 

Juli 

— 

— 

— 

— 

— 

August 

— 

— 

— 

— 

— 

September 

— 

— 

— 

— 

— 

October 

— 

— 

— 

2,75 

— 

November 

2,25 

1,88 

5,13 

— 

— 

December 

2,75 

6,88 

6,25 

6,00 

— 

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Klima  und  Krankheiten  von  Südcalifornien . 


217 


Tabelle  XXL 
Mt.  Wilson  (62000. 


20.  September  1895. 

Temperatur 

relative  Feuchtigkeit 

Sonne  unter  6 Uhr  7“ 

16,0 

32% 

6 

17 

15“ 

13,0 

39% 

6 

11 

20“ 

11,5 

41% 

6 

11 

40“ 

11,0 

45% 

7 

11 

10,5 

41% 

8 

11 

20“ 

10,0 

35% 

Nacht  windig  2 

H 

15“ 

Morgens 

8,0 

40% 

im  Zelt  5 

11 

11 

8,0 

3% 

im  Freien  1 , 
starkerWindj 

11 

30“ 

11 

7,5 

22% 

Sonnen-  1 . 
aufgang  | 0 

11 

45“ 

11 

7,8 

20% 

Sonnenschein  6 

11 

11 

7,3 

23% 

windig  6 

im  Thal  Nebel 

11 

30“ 

11 

7,9 

21% 

eigene  Beobachtung. 

Tabelle  XXII. 

Mt.  Wilson.  Los  Angeles. 

Beobachter:  Herr  Kingsbacker.  eigene  Beobachtung 

1892.  11.  August 

1 Uhr  Nachm.  22,3°  C.  1,30“  Nachm.  24,3°  C. 

5 „ ,,  17,8  „ 9 „ 16,4  „ 

12.  August 

5 Uhr  Morgens  7,2°  C.  5 U.  Morgens  12,8°  C. 

7 „ „ 10,0  „ 

9,30“  „ 20,7  „ 

12  Uhr  Mittags  25,0  „ 12  Uhr  Mittags  25,7  „ 

2,40“  Nachm.  26,6  „ 5 Uhr  Abends  22,6  „ 

6 Uhr  Abends  18,9  „ 7 „ „ 18.9  „ 

13.  August 

6,30“  Vorm.  11,8  „ 6,45“  Vorm.  14,6  „ 

12,45“  Nachm.  26,6  „ 2 UhrNachm.  29,5  „ 

6 Uhr  Abends  21,2  „ 6,1 5 “Abends  22,3  „ 

14.  August 

8 Uhr  Vorm.  22,9  „ 8 Uhr  Vorm.  20,7  „ 

12,45 “Nachm.  29,5  „ 11  „ „ 29,5  „ 

5,45“  „ 20,0  „ 5, 80  “Nachm.  25,0  „ 


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Zustände  in  spanischen  Militärlazarethen  der  alten  und 
neuen  Welt  und  die  Krankenbewegung  sowie  Sterblichkeits- 
verhältnisse des  spanischen  Heeres  auf  der  Insel  Cuba 
während  des  Jahres  1897 

von  Dr.  Reinhold  Rüge,  Marine-Stabsarzt. 

Auf  einer  Reise  im  vergangenen  Herbst  und  Winter  hatte  ich 
Gelegenheit,  spanische  Militärlazarethe  in  verschiedenen  Gegenden 
der  Erde  zu  sehen  und  es  dürfte  jetzt,  wo  der  Krieg  zwischen 
Spanien  und  Nordamerika  allgemeine  Aufmerksamkeit  erregt-  nicht 
ohne  Interesse  sein,  zu  sehen,  in  wie  weit  die  Spanier  in  sanitärer 
Beziehung  ausgerüstet  sind. 

Im  September  1897  befand  ich  mich  in  Vigo,  einer  kleinen 
Stadt  von  etwa  30  000  Ew.,  die  in  der  Nordwestecke  von  Spanien 
an  einer  tiefen,  gut  geschützten  Bucht  liegt  und  im  Sommer  viel 
als  Badeort  benutzt  wird.  Ich  hatte  das  Civilhospital  Elduayen  (so 
nach  seinem  Stifter  genannt)  bereits  besucht  und  recht  gut  uiid 
brauchbar  eingerichtet  gefunden  und  ging  am  nächsten  Tage  zum 
spanischen  Stadt -Commandanten,  um  mir  die  Erlaubniss  zur  Be- 
sichtigung des  Militärhospitals  zu  erbitten.  Die  Erlaubniss  wurde 
mir  sofort  ohne  jede  Schwierigkeit  ertheilt,  obgleich  ich  mich  in 
Civil  befand.  Eine  Ordonnanz  führte  mich  nach  dem  am  Quai  ge- 
legenen Hospital  militar.  Dieses  Lazareth  lag  dicht  neben  dem 
Landungsplatz  unserer  Boote.  Trotzdem  hatte  ich  es  vorher  nicht 
bemerkt.  Das  kam  aber  daher,  dass  es  sich  in  einer  alten  verfallenden 
Capelle  befand  und  nur  ein  graues  Schild  mit  den  Worten:  Hospital 
militar  zeigte  an,  dass  man  es  nicht  mit  einer  Capelle,  sondern  mit 
einem  Militärlazareth  zu  thun  hatte. 

Um  einen  viereckigen,  schlecht  gehaltenen  und  schmutzigen 
Lichthof  herum,  der  mit  spärlichem  Grün  bepflanzt  war,  lagen  die 
verschiedenen  Krankenzimmer.  Es  waren  öde,  niedrige,  grosse, 
düstere  Räume,  von  deren  Wänden  der  Kalk  gefallen  war  und  an 
deren  Decke  die  tragenden  Balken  unverschalt  und  unverputzt  ber- 


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Zustände  in  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  219 

vortraten.  Die  Dielen  des  Fussbodens  waren  löcherig  und  schmutzig. 
Die  eisernen  Bettstellen  waren  alle  mehr  oder  weniger  invalide,  die 
Bettwäsche  war  schmutzig,  die  wollenen  Bettdecken  waren  vielfach 
zerrissen.  Krankentischchen  gab  es  nicht. 

In  auffallendem  Gegensatz  zu  dieser  elenden  Krankenzimmer- 
ausrüstung stand  die  gute  Ausrüstung  der  Lazarethapotheke.  Das 
hatte  aber  seinen  guten  Grund.  Die  Apotheke  war  nämlich  stark 
in  Anspruch  genommen:  nicht  etwa  von  den  18  Kranken,  die  das 
Lazareth  beherbergte,  sondern  von  den  Officieren  und  den  im 
(Jfficiersrang  stehenden  Beamten  der  Garnison.  Diese  sind  nämlich 
berechtigt,  alle  Medikamente,  die  sie  für  sich  oder  ihre  Familien 
brauchen,  zu  einem  weit  niedrigeren  Satze,  als  er  in  den  Civil- 
apotheken  Brauch  ist,  aus  den  Lazarethapotheken  zu  beziehen. 

Fs  war  auch  der  Apotheker,  der  mich  im  Lazareth  herumfuhrte. 
Militärärzte  waren  zur  Zeit  nicht  im  Lazareth.  Man  sagte  mir, 
diese  befanden  sich  alle  in  Cuba  oder  auf  den  Philippinen.  Ein 
Civilarzt  besorgte  augenblicklich  die  Behandlung.  Zu  thun  war  da 
nicht  viel.  Denn  die  häufigsten  Erkrankungen  waren:  Mandelent- 
zündung, Darmkatarrhe  und  Geschlechtskrankheiten.  Ausserdem 
fehlte  ein  brauchbares  Instrumentarium,  so  dass  jeder  operative  Fall 
nach  Corufta  geschickt  werden  musste.  Auf  deutsche  Verhältnisse 
übertagen  würde  das  etwa  heissen:  jeder  operative  Fall,  der  in 
Flensburg  zugeht,  muss  zur  Operation  nach  Hamburg  geschickt 
werden. 

Es  wurden  in  dem  Lazareth  übrigens  Krankenblätter  und  ein 
Hauptkrankenbuch  geführt. 

Ueber  die  Art  der  Verpflegung  konnte  ich  leider  nichts  in  Er- 
fahrung bringen.  Ebenso  wenig  konnte  ich  den  Abort  besichtigen. 
Er  wurde  mir  als  Nichtgegenstand  einer  ärztlichen  Besichtigung  be- 
zeichnet. Ich  habe  ihn  nur  gerochen!  Er  wurde  „muy  mala“  d.  h. 
„sehr  schlecht“  genannt  — Eine  kleine  Kammer  für  Geschirr  und 
Wäsche  war  vorhanden,  aber  nur  mangelhaft  ausgerüstet. 

Am  anderen  Tage  liess  mir  der  Arzt,  der  inzwischen  von  meinem 
Besuch  gehört  hatte,  sagen:  er  wüsste  ganz  gut,  dass  das  Lazareth 
in  keiner  Weise  modernen  Anforderungen  entspräche,  er  könnte 
aber  nichts  machen,  denn  es  fehlte  das  Geld  zu  Neubeschaffungen. 

Im  October  befand  ich  mich  in  Las  Palmas  (Canarisclie  Inseln). 
Hier  waren  die  kranken  Soldaten  in  einer  Abtheilung  des  städtischen 
Hospitals  untergebracht.  Ein  selbstständiges  Militärlazareth  war 
nicht  vorhanden.  Die  ganze  Einrichtung  und  die  allgemeinen  Ver- 


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2 "20  Dr.  Reinhold  Rüge. 

fakltnisse  in  diesem  Hospital  waren  so  eigenartig,  dass  ich  sie  nicht 
übergehen  kann. 

Das  Hospital  war  ein  weitläufiges,  unregelmässiges  Gebäude, 
das  von  aussen  einem  Gefängniss  weit  ähnlicher  sah  als  einem 
Krankenhaus.  In  diesem  Krankenhaus  befanden  sich : das  städtische 
Hospital,  ein  Asyl  für  arme,  arbeitsunfähige,  alte  Fraueu,  ein  Pensionat 
für  Töchter  besserer  Stände,  eine  Schule  und  eine  Kleinkinder- 
bewahranstalt. Ausserdem  waren  darin  noch  kranke  Soldaten  unter- 
gebracht. 

In  der  Krankenabtheilung  dieses  Gebäudes  lagen  in  den 
Krankensälen  innere  und  äussere  Kranke,  sowie  Kinder  und  Er- 
wachsene*) bunt  durcheinander.  Die  Krankensäle  waren  lang, 
schmal  und  finster.  Denn  die  viel  zu  kleinen  Fenster  lagen  2,0  m 
über  dem  Erdboden.  Der  Boden  selbst  war  mit  Ziegelsteinen  ge- 
pflastert. Die  Reinlichkeit  war  sehr  mässig.  Das  Letztere  hatte 
seinen  Grund  in  dem  vollständigen  Mangel  jeglichen  Pflegerpersonals. 
Wie  mir  der  begleitende  Arzt  sagte,  gab  es  weder  männliche  noch 
weibliche  Krankenpfleger,  noch  Krankenwärter,  die  für  die  Reinlich- 
keit in  den  Krankensälen  sorgten.  Der  Arzt  sowie  die  Kranken 
waren  in  dieser  Beziehung  gänzlich  auf  den  guten  Willen  von 
Leichtkranken  angewiesen. 

Die  düstem  Säle  waren  mit  30 — 35  Betten  belegt,  deren  Rein- 
lichkeit und  Instandhaltung  gleichfalls  sehr  zu  wünschen  übrig  liess. 
Jeder  Saal  hatte  ausser  den  kleinen,  hochgelegenen  Fenstern  nur  ein 
einziges  grosses  Fenster**).  In  einem  derartigen  Saal  waren  auch 
die  kranken  Soldaten  untergebracht.  Dieser  Saal  unterschied  sich  von 
den  anderen  durch  eine  grössere  Reinlichkeit  Die  vorherrschenden 
Krankheiten  waren  dieselben  wie  in  Vigo.  Nur  war  an  Stelle  der 
Mandelentzündung  die  Ruhr  getreten. 

Mit  guten  Einrichtungen  war  die  Küche  versehen,  die  Kost  war 
aber  schlecht.  Sie  bestand  aus  einem  Fisch,  der  vorm  Brateu  nicht 
einmal  ordentlich  geschuppt  war  und  aus  Fleischstücken,  die  der- 
artig von  Sehnen  und  Knochen  durchsetzt  waren,  dass  sich  die 
eigentliche  Art  des  Fleisches  nicht  erkennen  liess.  Geniessbar  waren 
nur  die  Kartoffeln. 

Auch  in  diesem  Hospital  konnte  nicht  operirt  werden.  Der 
Arzt,  der  in  Oesterreich,  England  und  Frankreich  studirt  hatte,  ein 

*)  Getrennt  waren  nur  die  Männer-  und  Frauenabtheilungen. 

**)  Die  Schlafsäle  in  dem  Mädchenpensionat  waren  so  gross  als  die 
Kranliensäle,  hatten  aber  an  Stelle  des  einen  grossen  Fensters  deren  acht! 


Zustände  in  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  221 

eigenes  gutes  Instrumentarium*)  besass  und  mit  den  Kegeln  der 
Antiseptik  voll  vertraut  war,  sagte  mir:  „Ich  kann  hier  nicht 
operiren.  Denn  es  fehlt  mir  an  Assistenz  und  an  geeignetem  Ver- 
bandmaterial. Die  Operirten  gehen  meist  an  Sepsis  zu  Grunde“. 
Al»  ich  das  erbärmlich  ausgestattete  Operationszimmer  sah,  wurde 
mir  der  Grund  der  Sepsis  allerdings  sofort  klar. 

Ira  Januar  1898  kam  ich  nach  Habana.  Leider  war  der  Aufent- 
halt so  kurz,  dass  ich  nur  eins  der  Militärlazarethe  besichtigen 
konnte.  Es  gelang  mir  aber  dank  der  liebenswürdigen  Unterstützung 
eines  der  ansässigen  deutschen  Herren  das  grosse  Feldlazareth  — 
Alfons  XIII.  — im  Fort  Principe  bei  Habana  zu  sehen.  Das  Fort 
liegt  auf  einem  steil  ansteigenden  Hügel  im  Nordwesten  der  Stadt 
dicht  an  der  See  und  ist  bequem  mit  der  Pferdebahn  in  einer  halben 
Stunde  zu  erreichen.  Ich  wurde  auf  das  Zuvorkommenste  von  dem 
Chefarzt  und  4 Oberärzten  empfangen.  Einer  der  Herren  sprach 
etwas  deutsch,  erzählte  mir,  dass  er  sich  die  deutsche  Militärärztliche 
Zeitschrift  hielte  und  kam  mit  den  Bildern  von  Excellenz  von  Coler 
heraus  u.  s.  w.  Ich  wurde  in  diesem  Riesenlazareth  2 '/,  Stunde  lang 
herumgeführt. 

Es  bestand  aus  einer  grossen  Anzahl  von  Holzbaracken,  die  unter- 
einander durch  gedeckte  Gänge  verbunden  waren.  Ueberall  war 
reichlich  Licht  und  Luft  vorhanden  und  die  frische  Seebrise  strich 
frei  über  die  kleine  Barackenstadt. 

F.s  lagen  im  Ganzen  2900  Kranke  und  Verwundete  im  Lazareth. 
Diese  wurden  von  13  Militär-  und  7 Civilärzten  behandelt  In  der 
Apotheke  arbeiteten  2 Apotheker  mit  13  Gehülfen.  Sie  hatten  täg- 
lich 7000  (!)  Verordnungen  auszuführen.  Es  kamen  aber  die  ge- 
bräuchlichsten Medikamente  bereits  fertig  zum  Gebrauch  in  den 
nöthigen  Mischungen  aus  der  Centralstelle  in  Madrid,  so  dass  sie 
nur  abgewogen  zu  werden  brauchten**).  Sie  waren  gezeichnet  mit 
Sanidad  militar.  Neben  den  20  Aerzten  waren  47  Schwestern, 
150  Lazarethgehülfen  und  170  Krankenwärter  im  Lazareth  thiitig. 
Für  den  Monat  Januar  wurden  83  000  Behandlungstage  berechnet. 
Der  Tag  kostete  80  cent  Silber  = 2.40  Mk. 

Diese  Zahlen  geben  ungefähr  einen  Begriff  von  der  Grossartig- 
keit der  Anlage  im  Allgemeinen.  Die  Einrichtungen  im  Besonderen 
waren  folgende. 

*)  Das  Hospital  bosass  keines. 

**)  Chinin  wurde  nach  tons  (! ) bezogen.  Das  spanische  Heer  auf  Cuba  batte 
im  Monat  Jnni  1897  allein  11  752  Zugänge  an  Wechselfieber. 


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222 


Dr.  Reinhold  Rüge. 


Die  einzelnen  Baracken  waren  durchschnittlich  fiir  24  Mann 
eingerichtet  und  ähnelten  sehr  der  Baracke,  die  zur  chirurgischer 
Abtheilung  der  Berliner  Charite  gehört.  Doch  waren  an  Stelle  der 
Betten  sogenannte  Bettesel  in  Gebrauch.  Diese  Bettesel,  die  ao- 
einem  über  einen  Bock  gespannten  Segeltuch  bestehen,  sind  kühler 
als  Betten.  Jeder  Kranke  hatte  ein  Krankentischchen,  das  ungefähr 
den  in  unseren  Lazarethen  gebräuchlichen  entsprach,  ausserdem  ein 
Nachtgeschirr.  In  jeder  Baracke  fand  sich  ein  Raum,  der  zum 
Aufenthalt  für  die  I<azarethgehülfen  diente  und  demgegenüber  ein 
Raum,  der  die  nöthigen  Instrumente,  Medikamente  und  Verband- 
mittel  enthielt.  Die  Trennung  der  inneren,  chirurgischen  und  ge- 
mischten Station  war  vorhanden.  Das  Operationszimmer,  das  ich 
sah,  war  sehr  einfach , aber  den  Anforderungen  der  modernen 
Chirurgie  entsprechend  eingerichtet.  Es  war  ein  besonderes  Dunkel- 
zimmer für  Augenuntersuchungen  vorhanden.  (Die  chirurgischen 
Instrumente  waren  aus  Paris  bezogen.) 

Es  herrschte  überall  eine  blendende  Sauberkeit. 

Ausser  den  allgemeinen  Krankenbaracken  waren  noch  Isolir- 
baracken  für  ansteckende  Kranke  vorhanden.  Sie  waren  z.  Zt 
nicht  belegt  Es  war  z.  B.  kein  einziger  Fall  von  Gelbfieber  oder 
Pocken  im  Lazareth. 

Es  war  ein  Badehaus  mit  Einrichtungen  für  Voll-,  Sitz-  und 
Doucliebäder  vorhanden. 

In  der  vorzüglich  eingerichteten  und  sauber  gehaltenen  Küche 
wird  mit  Dampf  gekocht*).  Die  maschinellen  Vorrichtungen  stammten 
aus  New-York,  die  Apparate  der  Desinfectionsanstalt  gleich- 
falls, ebenso  wie  diejenigen  der  gut  gehaltenen  Dampfwäscherei. 
W äsche-  und  Kleiderkammern  waren  wie  bei  uns  eingerichtet 
Alle  diese  eben  genannten  Einrichtungen  und  Apparate  waren  in 
besonderen,  alleinstehenden  Baulichkeiten  untergebracht.  Besonder- 
zu  bemerken  ist,  dass  eine  grosse  Maschine  aufgestellt  war,  die  das 
für  die  Barackenstadt  nöthige  Wasser  nach  2 Wasserthürmen  in  die 
Höhe  hob,  von  wo  aus  es  bequem  mit  dem  nöthigen  Druck  nach 
allen  Theilen  des  Lazareths  geleitet  werden  konnte.  Dementsprechend 
waren  auch  alle  Aborte  mit  Spülvorrichtung  versehen  und  es  waren 
Kläranlagen  vorhanden. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  einige  kurze  Bemerkungen  über 
die  Art  der  hauptsächlich  zur  Behandlung  kommenden  Krankheiten 

*)  Ich  habe  das  Essen  wiederholt  versucht  und  alle  die  versuchten  Speisea 
gut  und  schmackhaft  gefunden. 


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Zustände  in  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  223 

machen.  Allen  anderen  Krankheiten  an  Zahl  standen  voran: 
Wechseln  eher  und  Ruhr.  Namentlich  war  diesen  beiden  Krank- 
heiten gegenüber  die  Anzahl  der  Verwundeten  verschwindend 
klein.  Ich  sah  auf  der  chirurgischen  Station  nur  einzelne  Fälle 
von  Resektionen  grosser  Gelenke  und  Amputationen.  Sie  waren 
alle  gut  geheilt,  Wundinfektionskrankheiten,  sagte  mir  der 
Chefarzt,  wären  sehr  selten.  Wundstarrkrampf,  der  sonst  in  den 
Tropen  viel  häufiger  als  bei  uns  ist,  wäre  gar  nicht  vorgekommen. 
Es  wären  nur  vereinzelte  Fälle  von  Rose  beobachtet  worden. 

Auf  der  gemischten  Station  sah  ich  drei  Fälle  von  schwerer 
Syphilis.  Von  Hautkrankheiten  war  Krätze  sehr  häufig. 

Ausser  diesem  grössten  Militärlazareth  — Alfonso  XIII  — gab 
cs  z.  Zt.  meines  Besuches  noch  b weitere  Militärlazarethe  in  Ilabana. 
Diese  6 Militärlazarethe  waren  rund  mit  9000  Kranken  und  Ver- 
wundeten belegt.  Auf  der  ganzen  Insel  Cuba  gab  es  nach  Aussage 
des  Chefarztes  60  Militärlazarethe. 

Als  ich  gegen  Abend  das  Lazareth  verliess,  kam  mir  ein  Trans- 
port von  411  Kranken  und  Verwundeten  entgegen.  Die  Leute 
schleppten  sich  zum  Theil  zu  Fuss  den  Berg  hinauf,  zum  Theil 
wurden  sie  in  Wagen  gefahren,  zum  Theil  in  Tragen  befördert,  die 
gedeckt  waren  und  aussahen  wie  ein  Sarg.  Die  Leute  machten  in 
ihren  abgenutzten  graublauen  Uniformen  einen  traurigen  Eindruck. 
Sie  sahen  alle  mehr  oder  weniger  wie  chronisch  Kranke  aus,  die 
aufs  Aeusserste  erschöpft  waren. 

Ich  lasse  nun  die  Tafeln  über  die  Krankenbewegung  und  Sterb- 
lichkeitsverhältnisse dieses  Riesenlazareths,  die  mir  in  liebens- 
würdigster Weise  auf  meine  Bitte  vom  Chefarzt  zusammengestellt 
wurden,  sowie  den  Sanitätsbericht  über  das  ganze  spanische  Heer 
auf  Cuba  für  das  Jahr  1897  folgen,  so  weit  ich  das  noch  in  Arbeit 
befindliche  Material  benutzen  konnte. 

Tafel  I giebt  einen  Begriff  von  den  Anforderungen,  die  an  die 
Aerzte  und  das  Lazarethpersonal  im  Hospital  Alfonso  XIII.  ge- 
stellt wurden.  Ich  kann  leider  nicht  angeben,  wie  lange  Zeit  die 
Aufnahme  und  das  Unterbringen  der  am  31.  I.  zugegangenen 
411  Kranken  und  Verwundeten  in  Anspruch  nahm.  Die  Versorgung 
einer  so  grossen  Anzahl  von  Kranken  auf  einmal  ist  jedenfalls  selbst 
für  ein  so  grosses  Pflegerpersonal,  wie  es  im  Hospital  vorhanden 
war,  eine  ganz  ungeheure  Aufgabe. 

Tafel  II  giebt  eine  allgemeine  Uebersicht  Uber  die  Kranken- 
bewegung im  Hospital  Alfonso  XIII  während  des  Jahres  1897  und 


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224 


Dr.  Reiuhold  Kuge. 


giebt  zugleich  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Krankenbewegung 
und  Sterblichkeit  in  einzelnen  Krankheitsgruppen. 

Tafel  111  giebt  die  Krankenbewegung  und  Sterblichkeit  im 
ganzen  spanischen  Heere  auf  der  Insel  Cuba  während  des  Jahres 
1897,  soweit  mir  eine  Gesammtdaretellung  nach  dem  vorliegenden 
Material  möglich  war. 

Tafel  IV  endlich  giebt  die  Krankenbewegung  und  Sterblichkeit 
im  spanischen  Heere  für  einzelne  wichtige  Krankheiten  an.  Leider 
konnte  ich  hier  nur  Angaben  für  das  erste  Halbjahr  1897  erlangen 
und  auch  diese  Angaben  waren  nicht  zahlenmässig  genau,  sondern 
bereits  graphisch  dargestellt. 

Ich  wende  mich  nun  zur  Besprechung  der  Tafeln. 

Die  Zahlen  auf  Tafel  I sprechen  für  sich  selbst  und  bedürfen 
keiner  weiteren  Erläuterungen. 

Die  Tafeln  II — IV  will  ich  zusammen  besprechen.  Denn  die 
Zahlen  der  Tafel  II  geben  ja  doch  nur  im  Kleinen,  was  die  Tafeln 
III  und  IV  im  Grossen  geben. 

Ich  muss  zunächst  die  als  durchschnittliche  Iststärke  des 
spanischen  Heeres  angegebene  Zahl  erläutern.  Direkt  konnte  ich 
diese  Zahl  nicht  erhalten.  Auf  meine  diesbezüglichen  Fragen  erhielt 
ich  ausweichende  Antworten.  Die  Herren  sagten  mir,  sie  wüssten 
es  nicht  genau  und  che  sie  mir  eine  falsche  Zahl  sagten,  wollten 
sie  mir  lieber  gar  keine  nennen.  Diese  Antwort  war  aus  militärisch- 
politischen  Gründen  leicht  begreiflich. 

Auf  der  graphischen  Darstellung  der  Krankenhewegung  für  das 
eiste  Halbjahr  1897  finden  sich  aller  folgende  Angaben: 

Aut  1000  Maua  der  Iststärke  erkrankten  1000  Mann 

Von  „ „ „ „ starben  19  „ 

„ „ „ „ ,,  wurden  dienstunbrauchbar  9 „ 

„ „ „ „ „ wurden  in  die  Heimath  gesendet  35  „ 

Leider  mussten  diese  Verhältnisszahlen  auch  wieder  einer 
graphischen  Darstellung  entnommen  werden,  so  dass  ein  Schätzungs- 
fehler bis  ‘/so  unvermeidbar  wurde.  Mit  Hülfe  dieser  Zahlen  lässt 
sich  aber  die  durchschnittliche  Iststärke  leicht  berechnen.  — 

Es  gingen  im  Ganzen  zu  (nach  der  graphischen  Darstellung 
für  das  erste  Halbjahr  1897)  204  550  Mann.  Da  aber  von  1000 
Mann  immer  1000  Mann  im  ersten  Halbjahr  1897  erkrankten,  so 
musste  die  durchschnittliche  Iststärke  des  spanischen  Heeres 
204  550  Mann  betragen  haben.  Ich  habe  diese  Zahl  zur  Berech- 
nung nicht  mit  herangezogen.  Denn  die  Schätzungsfehler  wurden 
hier  bei  den  grossen  Zahlen  (graphische  Darstellung)  zu  bedeutend. 


Zustande  io  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  225 

Es  finden  sich  aber  folgende  absolut  genaue  Summen  für  das 
erste  Halbjahr  1897: 

Zahl  der  Todten  8685  | 

„ „ Dienstunbrauchbaren  1700  1 Siehe  Tafel  III 

„ „ in  die  Heimath  gesandten  7104  I 

Setzt  man  nun  folgende  3 Gleichungen  an: 


19 

3685 

so  erhält 

man  X = 194  000  (runde  Zahl) 

1000 

— x , 

9 

1000 

1700 

— X ' 

11  11 

„ X = 189  000 

35 

7101 

„ X = 203  000  „ „ 

1000 

— X 

*1  11 

Iin  Durchschnitt  195  0O0 


Es  käme  nun  darauf  an,  das  Yerhältniss  zwischen  den  durch 
Krankheit  und  äussere  Gewalteinwirkung  (im  Gefecht  gefallen,  an 
Verwundungen  gestorben)  bedingten  Todesfällen  darzustellen. 

Ich  kann  hierfür  leider  nur  annähernde  Zahlen  gehen.  Denn 
in  dem  mir  zu  Gebote  stehendem  Material  fehlt  jede  Angabe  über 
die  im  Gefecht  Gefallenen  sowie  über  die  Vermissten*).  Da  alter 
die  Zahl  der  Verwundeten  im  Vergleich  zu  der  Zahl  der  Erkrankten 
ausserordentlich  gering  ist  und  andererseits  die  Zahl  der  Verwun- 
deten auch  absolut  sich  auffallend  niedrig  stellt,  so  ist  anzunehmen, 
dass  die  Zahl  der  Gefallenen  noch  weit  geringer  ist  und  bei  der 
Herechnung  nicht  wesentlich  ins  Gewicht  fallen  dürfte. 

Für  das  ganze  Jahr  1897  stellt  sich  das  Verhältniss  der  Todes- 
fälle durch  Krankheiten  zur  Anzahl  der  Todesfälle  durch  äussere 
Gewalt  (Verwundungen  etc.)  wie  60:1.  Im  deutsch-französischen 
Kriege  1870/71  war  das  Verhältniss  3:7  (!)**).  Im  Feldzug  der 
Franzosen  gegen  Tonkin  1884  wie  7 : 3***). 

Also  haben  wir  in  Cuba  ein  Verhältniss 
Tod  durch  Krankheit : Tod  durch  äussere  Gewalt  = 1160:21 

„ „ „ : „ „ „ „ = 9:21  iin  deutsch-franz. 

Krieg 

„ „ „ „ =49:21  im  Feldz.  d.  Franz. 

geg.  Tonkin  1884. 

Es  wäre  nun  noch  festzustellen,  wie  oft  das  spanische  Heer  im 
Jahre  1897  erkrankte.  Für  das  erste  Halbjahr  ist  die  Zahl  ge- 
geben. Von  1000  Mann  erkrankten  1000.  Das  Heer  erkrankte 


*)  Im  deutsch-franz.  Kriege  kamen  auf  40  881  Todte,  4009  Vermisste. 
Deutsch-militärärztl.  Zeitschr.  1885  S.  157. 

**)  Deutsch,  militärärztl.  Zeitschr.  1882  S.  26. 

***)  Deutsch,  militärärztl.  Zeitschr.  1885  S.  190. 


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226 


Dr.  Reinhold  Rüge. 


also  in  der  guten  Jahreszeit  gerade  einmal.  Die  entsprechende 
Zahl  für  das  2.  ungesunde  Halbjahr  lässt  sich  aber  nur  annähernd 
berechnen,  weil  mir  für  diese  Zeit  nur  die  Gesammtzahlen  des  Be- 
standes + Zuganges  zu  Gebote  stehen.  Bestand  : Zugang  verhält 
sich  im  1.  Halbjahr  wie  1 : 2.  Nimmt  man  dieses  Verhältniss  auch 
für  das  2.  Halbjahr  an  — was  sicherlich  zu  niedrig  gegriffen  ist 
— , so  erhält  man  einen  Krankenzugang  von  386  105  Mann  für  das 
2.  Halbjahr.  Das  spanische  Heer  erkrankte  also  in  der  ungesunden 
Jahreszeit  ungfähr  2 mal,  im  ganzen  Jahre  also  etwa  3 mal.  Das 
ist  allerdings  eine  ganz  ausserordentlich  hohe  Zahl.  Denn  es 
erkrankte : 

Das  englische  Heer  im  Krimkrieg  in  2 Jahren  3'/|mal*) 

„ amerikanische  Heer  während  des  Bürgerkrieges  in  4 Jahren  7‘/t  „ 

„ Kaukasusheer  1877/78  in  26  Monaten  4‘/i  ,, 

Dabei  betrug  der  Gesammtverlust  des  spanischen  Heeres  für 
das  Jahr  1897  nur  6,6%,  während 

im  Krimkrieg  die  Franzosen  in  2 Jahren  verloren  51  %**) 

„ „ „ Engländer  „ „ „ „ 39  •/, 

„ Bürgerkrieg  „ Amerikaner  in  4 Jahren  „ 23,3  V» 

„ Russisch-türk.  Krieg  „ Kaukasusarmee  in  26  Mon.  „ 14.3  V« 

Uebertroffen  werden  diese  Zahlen  nur  durch  die  Verluste,  die 
die  Franzosen  im  Jahre  1895  während  ihrer  lOmonatlichen  Ex- 
pedition in  Madagascar  hatten.  Das  französische  Heer  verlor  in 
dieser  Zeit  25%  (.•)***)  an  Todten. 

Ich  will  mich  nun  zur  Besprechung  der  besonderen  Verhält- 
nisse wenden,  die  die  beistehenden  Tafeln  erkennen  lassen.  Die 
wesentliche  Verschlechterung  des  allgemeinen  Gesundheitszustandes 
beginnt  im  Juni.  In  diesem  Monat  des  ersten  Halbjahres  ist  die 
Morbidität  am  höchsten,  während  die  Mortalität  im  Januarf)  am 
höchsten  ist.  Das  lässt  sich  dadurch  erklären,  dass  im  Januar  die 
Leute  noch  unter  den  Nach  wehen  der  heissen  Zeit  gelitten  haben 
und  weniger  widerstandsfähig  als  zu  Anfang  der  heissen  Zeit  sind. 
— Gelbfieber,  Wechselfieber,  Dysenterie,  Tuberkulose  zeigen  im  Juni 
ein  deutliches  Ansteigen  und  namentlich  Gelbfieber,  Wechselfieber 
und  Dysenterie  erreichen  im  Juni  eine  doppelt  so  hohe  Erkrankungs- 
ziffer als  im  Mai.  Die  meisten  Todesfälle  (absolut  und  procentarisch) 
verursacht  das  Gelbfieber,  ihm  folgt  die  Dysenterie. 

*)  Deutsch,  militärärztl.  Zeitschr.  1885  S.  156. 

**)  Deutsch,  militärärztl.  Zeitschr.  1885,  S.  156. 

***)  Citirt  uach  Laveran,  Traitc  du  paludisme  1898,  S.  15. 
f)  Eine  Ausnahme  hiervon  macht  das  tlelbfieber  (s.  S.  17). 


Zustände  in  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  227 

Zum  Scliluss  möchte  ich  noch  einige  Bemerkungen  über  einzelne 
Krankheiten  anschüessen. 

Pocken  sind  nur  in  sehr  massigem  Grade  im  spanischen  Heer 
aufgetreten,  obgleich  sie  unter  der  Civilbevölkerung  ziemlich  häufig 
sind*).  Das  hat  seinen  Grund  in  dem  Bestehen  des  Impfzwangs 
für  das  spanische  Heer.  Sonst  besteht  Impfzwang  nur  noch  in  den 
collegios  (höheren  Schulen).  Die  Civilbevölkerung  ist  einem  solchen 
Zwange  nicht  unterworfen,  und  so  kommt  es,  dass  Pockenepidemien 
in  Spanien  und  spanischen  Colonien  häufig  sind.  Bekannt  wegen 
der  Häufigkeit  der  Pocken  ist  z.  B.  die  Insel  Puerto  Rico. 

Gelbfieber.  Die  Mortalität  des  Gelbfiebers  unter  der  Civil- 
bevölkerung Habana’s  beträgt  für  gewöhnlich  20%,  steigt  aber  bei 
schweren  Epidemien  bis  25  % und  kann  bei  den  während  der  guten 
Jahreszeit  auftretenden  Fällen  eine  Höhe  von  50%  erreichen. 
Diese  Angaben  verdanke  ich  dem  Chefarzt  der  Quinta  de  Salud  in 
Habana.  Während  des  ersten  Halbjahres  1897  erkrankten  an  Gelbfieber 
im  spanischen  Heer  von  1000  Mann  35.  Es  starben  auf  1000  Mann 
6.9,  Nach  der  beifolgenden  Tabelle  IV  schwankte  die  Mortalität 
des  Gelbfiebers  ungefähr  zwischen  10%  (Juni)  und  23%  (März)**) 
Diese  Zahlen  bestätigen  die  Angaben  des  Chefarztes  der  Quinta  de 
Salud. 

Der  Typhus  zeigt  sich  im  ersten  Halbjahr  1897  in  seiner  Zu- 
nahme bis  zu  einem  gewissen  Grade  unabhängig  von  der  Zunahme 
der  Wanne.  Denn  wir  haben  bereits  einmal  im  März  ein  bedeuten- 
des Ansteigen  der  Krankenziffer.  Es  erkrankten  durchschnittlich  von 
1000  Mann  im  ersten  Halbjahr  1897  7 Mann.  Die  durchschnitt- 
liche Mortalität  für  diese  Zeit  beträgt  1 3 % % und  erreicht  im 
Januar  sogar  16%***).  Man  kann  also  den  Typhus  von  Habana 
nicht  eben  gerade  gutartig  nennen.  Ich  hebe  das  besonders  hervor, 


*)  Währe  ad  der  letzten  Hälfte  des  Januar  gingen  in  der  Stadt  Habana  — 
rund  150000  Ew. — 50  Fälle  von  Pocken  mit  5 Todesfällen  zu  (laut  Angabe  des 
vom  amerikanischen  Consulat  ausgestellten  Gesundheitspasses). 

**)  Diese  Zahlen  sind  zu  niedrig,  weil  bei  der  Berechnung  immer  der  ge- 
sammte  Bestand  zu  dem  Zugang  hinzugezählt  worden  musste.  Dadurch  werden 
Doppelzählungen  unvermeidlich.  Die  graphische  Darstellung  giebt  sogar  eine 
Mortalität  von  85°/o  für  das  erste  Halbjahr  an,  und  diese  Zahl  dürfte  richtig  sein. 

***)  Bei  der  russischen  Donau-Armee  betrug  die  Sterblichkeit  von  Typhus 
(Flecktyphus  und  Rückfalltyphus  ausgeschlossen)  im  2.  Kriegsjahr  23,3%.  Deutsch, 
inilitärärztl.  Zeitschr.  1882,  S.  236.  Bei  der  Kaukasischen  Armee  aber  •während 
der  beiden  Kriegsjahre  86%.  Deutsch,  inilitärärztl.  Zeitschr.  1885,  S.  155.  — 
Von  1000  Mann  der  Iststärke  erkrankten  99,1. 

ArchlT  1.  Schiff»-  u.  Tropenhygiene.  II.  17 


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228 


Dr.  Reinhold  Rage. 


weil  einzelne  Autoren,  die  in  bestimmten  Tropeugegenden  Typhus 
mit  leichtem  Verlauf  beobachtet,  den  tropischen  Typhus  überhaupt 
als  milde  hingestellt  haben.  In  dieser  allgemeinen  Fassung  stimmt 
das  nicht*),  wenngleich  ich  durchaus  nicht  in  Abrede  stellen  will, 
dass  der  Typhus  in  gewissen  Tropenländem  im  Allgemeinen  milde 
verlaufen  kann. 

Man  könnte  nun  sagen,  die  hohe  Typhussterblichkeit  sei  durch 
die  Unbilden  und  Strapazen  des  Krieges  bedingt.  Sicherlich  haben 
diese  dazu  beigetragen,  die  Sterblichkeit  zu  erhöhen.  Aber  wenn 
wir  darnach  fragen,  welchen  Ursachen  für  gewöhnlich  das  Steigen 
der  Sterblichkeit  zugeschrieben  wird,  so  finden  wir  beim  spanischen 
Heer  auf  Cuba  nur  eine  derselben  vertreten  und  das  ist  die  theil- 
weise  sehr  mangelhafte  Verpflegung  der  Truppen  im  Felde.  Alter 
Unbilden,  z.  B.  wie  sie  die  russische  Kaukasusarmee  77/78  auszu- 
stehen hatte:  schroffer  Klimawechsel,  forcirte  Märsche,  Mangel  an 
Kleidung  und  Brennmaterial , Unmöglichkeit  die  Kranken  zu  trans- 
portiren  und  zu  zerstreuen,  gänzlicher  Mangel  an  Lazarethen,  ist 
das  spanische  Heer  im  Jahre  1897  auf  Cuba  nicht  ausgesetzt 
gewesen. 

Die  Cap  Verdischen  Inseln  sind  übrigens  ein  Beispiel  dafür, 
dass  der  Typhus  in  den  Tropen  auch  unter  gewöhnlichen  Umständen 
recht  bösartig  sein  kann.  Im  October  1897  betrug  daselbst  in  Porto 
Grande  die  Typhusstcrbhchkeit  25  °/0  (!)**). 

Wechselfieber.  Hier  fallen  die  ausserordentlich  hohen  Zahlen 
auf.  Von  1000  Mann  der  Iststärke  erkrankten  während  der  guten 
Jahreszeit  (1.  Halbjahr  1897)  260.  Die  Mortalität  betrug  0,4°°. 
Dies  ist  nicht  viel  und  zeigt,  dass  die  schlecht  genährten  spanischen 
Soldaten  dem  Wecbselfieber  sehr  viel  besser  widertanden  als  dem  Typhus. 

Aber  auch  hier  dürfte  ein  Vergleich  mit  anderen  Armeen  zeigen, 
dass  die  so  ausserordentlich  hoch  erscheinenden  Ziffern  schon  über- 
troffen worden  sind.  Es  erkrankten  nämlich  an  Wechselfieber  auf 
1000  Mann  der  Iststärke  der  rassischen  Kaukasusarmee  77/78  in 
26  Monaten  2477,5  mit  einer  Mortalität  von  0,2  °/0  d.  h.  die  ganze 
Armee  erkrankte  während  dieser  Zeit  allein  2 */,  mal  an  Wechsel- 
fieber***). 

*)  Die  Typhussterblichkeit  unter  dem  französischen  Expeditionscorps  in 
Tonkin  1884  von  März  bis  October  betrug  40°/«  (■}■  Deutsch,  militärärztl. 
Zeitschr.  1885.  S.  198. 

**)  lieber  diese  Vorgänge  werde  ich  noch  besonders  berichten. 

***)  cf.  1.  e. 


Zustande  iu  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1697.  229 

Nehmen  wir  für  das  ungesunde  Halbjahr  1897  in  Cuba  selbst 
die  doppelte  Erkrankungszahl  an  als  im  Halbjahr  vorher*),  so 
kommen  wir  doch  immer  erst  auf  780  Wechselfiebererkrankungen 
pro  1000  Mann  der  Iststärke  in  einem  Jahre. 

Ruhr.  Hier  kann  ich  nur  annähernde  Werthe  geben.  Denn 
in  der  graphischen  Darstellung  finden  sich  verschiedene  Fehler. 

Ich  habe  die  nachfolgenden  Zahlen  lediglich  berechnet,  um  nur 
überhaupt  einen  Vergleich  aufstellen  zu  können. 

Im  span.  Heer  auf  Cuba  erkrankten  1897  im  1.  Hulbj.  auf  1000  Mann  anRuhr22 
In  der  russ.  Kaubasusarmme  77/78  in  26  Monaten  „ „ „ „ „ 93 

Im  franz.  Heer  1884  in  Tonkin  in  6 Monaten  „ „ „ „ „ 52 

Die  Mortalität  betrug  im  spanischen  Heer  auf  Cuba  9'/»% 

„ „ „ in  der  Kaukasusarinee  15,4% 

.,  „ „ im  französischen  Heer  in  Tonkin  15,2% 

Bei  der  Tuberkulose  ist  zu  beachten,  dass  die  Erkrankungs- 
ziffer mit  der  Wärme  ansteigt  Dieser  Umstand  zeigt,  wie  ausser- 
ordentlich nngünstig  die  Hitze  der  Tropen  den  schwindsüchtigen 
Europäer  beeinflusst.  Die  Mortalität  der  Tuberkulose  lässt  sich  auf 
11,2%  berechnen**).  Auf  1000  Mann  der  Iststärke  erkrankten 
während  des  ersten  Halbjahres  1897  5.  In  der  russischen  Kau- 
kasusarmee 77/78  erkrankten  an  Schwindsucht  während  26  Monaten 
nur  3,7  Mann  auf  1000  Mann  der  Iststärke.  Die  Mortalität  betrug 
hier  aber  42%  (!). 

Die  vorstehende  Arbeit  weist  manche  Lücken  auf  und  enthält 
verschiedene  Ungenauigkeiten.  Ich  habe  an  den  betreffenden  Stellen 
stets  darauf  hingewiesen.  In  Folge  der  Verschiedenartigkeit  des  mir 
zu  Gebote  stehenden  Materials  Hessen  sich  diese  Uebelstände  leider 
nicht  vollständig  beseitigen.  Der  Bericht  giebt  aber  immerhin  ein 
gutes  Bild  des  Krankheitszustandes  des  spanischen  Heeres  auf  Cuba 
und  zeigt  einerseits  die  Schwierigkeiten,  mit  denen  die  Kriegsführung 
iu  einem  solchen  Klima  zu  kämpfen  hat,  andererseits  den  Einfluss, 
<Ien  das  Tropenklima  auf  manche  Krankheiten  hat.  — 

Sollte  den  Amerikanern  ihre  „Invasion“  nach  Cuba  gelingen, 
so  würden  sie  wohl  mehr  gegen  Krankheiten  als  gegen  Feinde  zu 
kämpfen  haben. 

*)  leb  rechne  so,  weil  im  Juni  ungefähr  doppelt  so  viel  Wechselfieber- 
Jkranke  zugingen  als  im  Mai. 

**)  Aus  dem  bereits  früher  erwähnten  Grunde  ist  diese  Zahl  zu  niedrig. 


17* 


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230 


Tafel  I.  Hospital  „Alfonso  XIH.“  Monat:  Januar  1898. 

Allgemeine  Krankenbewegung  im  „Hospital  Alfonso  XIII.“ 
für  den  Monat  Januar  1898. 


Tage 

Es  waren 
im  Bestand 

Zugänge 

Abgänge 

Gestorben 

Bleibt 

Bestand 

1 

2571 

36 

2 

6 

2599 

2 

2599 

87 

44 

9 

2633 

S 

2633 

168 

46 

10 

2745 

4 

2745 

50 

49 

4 

2742 

5 

2712 

25 

40 

3 

2721 

6 

2724 

44 

84 

8 

2676 

7 

2676 

20 

59 

7 

2630 

8 

2630 

37 

49 

9 

2609 

9 

2609 

152 

53 

8 

2700 

10 

2700 

72 

363 

9 

2400 

11 

2400 

101 

54 

4 

2443 

12 

2443 

102 

38 

7 

2500 

13 

2500 

374 

120 

5 

2749 

14 

2749 

39 

54 

6 

2728 

15 

2728 

26 

39 

6 

2709 

16 

2709 

55 

35 

5 

2724 

17 

2724 

24 

45 

5 

2698 

18 

2698 

39 

64 

6 

2667 

19 

2667 

42 

75 

9 

2625 

20 

2625 

64 

54 

10 

2625 

21 

2625 

25 

63 

7 

2580 

22 

2580 

40 

36 

7 

2577 

23 

2577 

65 

32 

10 

2600 

21 

2600 

SO 

42 

7 

2581 

25 

2581 

24 

49 

3 

2553 

26 

2553 

25 

34 

6 

2538 

27 

2538 

50 

47 

11 

2530 

28 

2530 

27 

68 

1 

2483 

29 

2488 

114 

51 

6 

2545 

30 

2545 

82 

146 

10 

2471 

31 

2471 

411 

30 

4 

2848 

Im  Ganzen 

2450 

1965 

208 

Zustände  in  spanischen  Militärlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  231 


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1 Sind  vermuthlich  in  die  Heimath  gesendet  und  durch  ein  Versehen  als  geheilt  bezeichnet  worden. 


Tafel  III. 


232 


Dr.  Reinhold  Rüge. 


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Krankenzugang  in  einzelnen  Krankheitsgruppen  im  spanischen  Heere  auf  Cuba  im  ersten  Halbjahre  von  1897. 

Die  durchschnittliche  Iststärke  des  spanischen  Heeres  betrug  195  000  Mann. 


Zustande  in  spanischen  Militürlazarethen  auf  der  Insel  Cuba  1897.  233 


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April 

Mai 

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der  Rubrik 
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Die  bisher  mit  dem  sogen.  Euchinin  (Zimmer)  gemachte 

Erfahrungen 

von  Dr.  Albert  Plehn,  Kaiserl.  Regierungsarzt 
(Aus  dem  Kaiserl.  Regierungshospital  in  Kamerun.) 

Seit  reichlich  einem  halben  Jahr  wende  ich  bei  Malariakrank 
sowie  auch  prophylactisch  zur  Verhütung  von  Malariarecidiven,  i-  j 
Stelle  des  sonst  gebrauchten  Chininum  muriaticum  oder  bimuriatiac 
vielfach  das  sogenannte  Euchinin  an,  welches  die  Frankfurts 
Chininfabriken  von  Zimmer  dem  Hospital  für  Versuchszwecke  rar 
Verfügung  stellten.  Meine  Anfrage  bezüglich  der  Constitution  der 
Drogue  blieb  wegen  der  grossen  Entfernung  bisher  unbeantwortet.’; 
Zweifellos  steht  dieselbe  nach  ihrer  Wirkungsweise  den  verschiedene: 
Chininsalzen  ausserordentlich  nahe.  Sie  stellt  ein  leichtes,  sehr  vo'c- 
minöses,  weisses,  krystallinisches  Pulver  dar,  welches  geruchlos  iS 
und  intensiv  bitter  schmeckt.  Der  bittere  Geschmack  ist  aber  nicht 
so  überwältigend,  wie  der  des  Chinins  und  vor  Allem  verschwinde: 
er  leicht  und  rasch,  während  der  nach  allgemeinem  Urtheil  noch  vsl 
unangenehmere  Chiningeschmack  sich  oft  stundenlang  in  lästiger  Weise 
geltend  macht  und  die  Verabreichung  des  Chinins  in  Lösung  anssrf- 
ordentlich  erschwert.  Euchinin  kann  dem  Fieberkranken  in  Cacse 
oder  Chocolade  gelöst  und  mit  Zucker  versetzt  bis  zu  1 g bei  einiger 
Sorgfalt  gegeben  werden,  ohne  dass  die  Beimischung  erkannt  wird. 
Allerdings  löst  sich  das  Euchinin  in  kalten,  wie  in  heissen  Flüssig- 
keiten gleich  schwer,  und  die  Zubereitung  eines  angenehmen  Tranks 
ist  daher  etwas  mühsam.  Dass  sie  aber  in  durchaus  geniessharer 
Form  überhaupt  möglich  ist,  das  ist  der  grosse  Vorzug  des  Euchinin 
vor  dem  Chinin,  welches  sich  im  Allgemeinen  nur  in  Form  tos 
Tabletten  oder  in  Gelatinekapseln  nehmen  lässt 

Zunächst  bewirkt  die  Euchininlösung  eine  geringere  Reizung 
der  Verdauungsorgane.  Durchfall  und  Erbrechen  sind  auch  be 
Schwerkranken  danach  selten,  und  die  Resorption  geht  viel  rascher 
von  Statten,  was  die  schneller  und  intensiver  auftretende  Wirkung 
auf  das  Nervensystem  beweist.  Ich  habe  mich  auch  dem  Eindruck 
nicht  entziehen  können,  als  wenn  in  Folge  dieser  raschen  Aufnahme 

*)  Euchinin  ist  der  Aethylkohlensaureester  des  Chinins.  Anm.  d.  Red. 


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Die  bisher  mit  dem  sogen.  Euchinin  (Zimmer)  gemachten  Erfahrungen.  235 

der  Euchininlösung  öfters  noch  eine  Wirkung  auf  den  in  Aussicht 
stehenden  MalarianfaU  geübt  wurde,  die  das  Chinin  nicht  erzielt 
hätte.  Dass  die  Schonung  des  Verdauungscanals  ganz  besonders 
* auch  der  Abkürzung  des  Recon  valescenten Stadium s zu  Gute  kommt, 
versteht  sich  von  selbst.  Jedenfalls  hat  die  Menge  der  intramusku- 
lären Chinininjectionen , welche  ich  sonst  mit  Vorliebe  bei  stärkeren 
Verdauungsstörungen  anwende*),  erheblich  eingeschränkt  werden 
können,  seitdem  das  Euchinin  in  Gebrauch  ist,  und  damit  wird  dem 
Kranken  immerhin  eine  kleine  Belästigung,  und  dem  Arzt  Zeit  und 
Mühe  erspart. 

Was  die  Wirkung  auf  das  Nervensystem  anlangt,  so  unter- 
scheidet sich  dieselbe  insofern  von  der  des  Chinins,  als  sie  sich 
lediglich  durch  Ohrenklingen,  Schwerhörigkeit  und  Tremor  in  ihren 
individuell  so  vielfach  wechselnden  Modificationen  zu  äussern  pflegt, 
während  die  offenbar  vom  Magen  reflectorisch  ausgelösten  Erschei- 
nungen des  sogenannten  „Chininkaters“  — Uebelkeit,  Schwere  im 
Kopf,  Schwindelgefühl  — ganz  fehlen,  oder  doch  nur  angedeutet 
sind.  — 

Die  Giftwirkung  auf  die  rothen  Blutkörperchen  ist 
durchaus  die  gleiche  wie  beim  Chinin.  Man  wird  ausserdem 
in  den  Fällen,  wo  Blutkörperchenzerfall  (Schwarzwasserfieber)  even- 
tuell in  Aussicht  steht,  bei  der  Dosirung  des  Euchinins  noch  ganz  be- 
sonders mit  der  raschen  Aufnahme  desselben  zu  rechnen  haben, 
welche  es  bewirkt,  dass  bei  gleichen  Gaben  eine  grössere  Menge  des 
Mittels  auf  einmal  in  die  Circulation  gelangt,  wie  beim  Chinin.  — 
Stellt  nun  dieser,  für  die  Stärke  der  therapeutischen  Wirkung 
günstige  Umstand  eine  specifische  Eigenschaft  des  Euchinins  dar, 
oder  erfolgt  die  Resorption  nur  deshalb  schneller,  weil  das  Mittel 
in  Lösung  gegeben  werden  kann?  — Ich  will  diese  Frage  vor  der 
Hand  offen  lassen.  Die  Thatsache,  dass  die  Euchininlösung  rascher 
aufgenommen  wird  und  deshalb  schneller  und  energischer  wirkt, 
wie  das  in  comprimirter  Form  genossene  Chinin,  dürfte  kaum  Wider- 
spruch erfahren,  und  damit  ist  dem  Euchinin  ein  Ehrenplatz  in  der 
Tropenapotheke  gesichert.  Ob  es  denselben  behaupten  wird,  wenn 
man  erst  anfängt,  es  in  Pastillen  und  Kapseln  zu  pressen,  bleibt 
abzuwarten.  Erwünschter  wären  zunächst  Versuche,  die  Löslichkeit 
in  verschiedenen  Vehikeln  zu  erleichtern. 

*)  Vergl. : Beiträge  zur  Kenntniss  von  Verlauf  und  Behandlung  der 

tropischen  Malaria  in  Kamerun,  von  Dr.  Albert  l’lehn,  Berlin  1896. 


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Brief  aus  Kiautschou. 

Von  Marine-Stabsarzt  Dr.  Arimond, 

Oberarzt  des  See-Bataillons  Kiautschou. 

Tsingtau,  den  9.  Mai  1898. 

Keine  andere  ausländische  Action  Deutschlands  hat  sich  von 
vornherein  einer  solch’  allgemeinen  Sympathie  in  der  Heimath  erfreut, 
wie  die  neueste,  die  Erwerbung  der  Kiautschou-Bucht.  Und  mit 
liecht,  denn  die  grossen  militärischen  und  commerziellen  Vortheile 
unserer  kleinsten  aber  zukunftsreichsten  Colonie  liegen  auf  der  Hand. 
Auch  die  deutsche  Forschung  wird  nicht  leer  ausgehen,  auch  ihr  ist 
ein  weites,  noch  brach  liegendes  Feld  zu  fruchtbringender  Thätigkeit 
erschlossen.  Das  gilt  nicht  in  letzter  Linie  für  die  ärztliche  Wissen- 
schaft. Der  an  mich  gerichtete  Wunsch  der  Iledaction  dieser  Zeitschrift, 
einige  Mittheilungen  medicinischen  Inhalts  über  Deutsch-China  zu  er- 
halten, erscheint  daher  verständlich.  Aber  wer  in  China  gelebt  hat 
und  die  ungeheueren  Schwierigkeiten  kennt,  welche  der  Erkenntniss 
und  dem  Verständniss  chinesischen  Culturlebeiis  entgegenstehen,  wild 
von  einem  erst  dreimonatlichen  Aufenthalt  in  diesem  Lande,  fast  ohne 
Strassen  und  Eisenbahnen  und  dazu  unter  halb  kriegerischen  Verhält- 
nissen, ein  nennenswertes  Ergebniss  nicht  erwarten.  Es  kann  sich 
nur  um  eine  lose  Reihe  verschiedener  Eindrücke  und  Wahrnehmungen, 
eine  flüchtige  Skizze  gleichsam,  handeln.  Nur  als  solche  wollen  daher 
nachstehende  Zeilen  über  hygienische  Zustände  in  Kiautschou  auf- 
gefasst werden. 

Kiautschou,  der  in  letzter  Zeit  so  vielgenannte  Ort,  der  aber 
ausserhalb  der  Grenze  unseres  engeren  Pachtgebietes  und  etwa  75  km 
weit  landeinwärts  von  Tsingtau,  der  deutschen  Garnison  und  dem 
Sitz  des  Gouverneurs  hegt,  war  ehemals  die  blühende  Hauptseestadt 
der  südlichen  Schantung-Küste.  Aber  die  gute  alte  Zeit  ist  längst 
vorbei.  Keine  Dschunke  sichtet  mehr  ehe  ehrwürdigen  Mauerzinnen, 
und  die  stolzen  Worte  über  dem  Südthor  „Du  sollst  das  Meer  be- 
herrschen“, dünken  dem  Beschauer  eine  bittere,  in  Stein  gehauene 
Ironie  des  Schicksals.  Eine  weite,  von  Bächen  und  Sümpfen  durch- 
schnittene Ebene,  das  Product  gewaltiger  Bodenanschwemmungen, 
trennt  heute  die  gesunkene  Grösse,  die  unbedeutende  stille  Kreisstadt, 


Brief  aus  Kiautschou. 


237 


von  der  See,  der  Quelle  all’  ihres  früheren  Lebens  und  Reichthums 
und  von  der  Bucht,  der  sie  einst  den  Namen  gab.  Mit  Ausnahme 
von  durchreisenden  Missionaren  betritt  höchst  selten  ein  rother  Teufel*) 
ihren  ehrwürdigen  Boden.  Aber  diese  weltabgeschiedene  Lage,  fern 
von  der  ausgetretenen  Strasse  des  internationalen  Verkehrs,  ist  es, 
die  Kiautschou  vor  fremden  Einflüssen  bewahrt  hat.  Der  Ort  bietet 
daher  mit  seinem  rein  erhaltenen  nationalen  Gepräge  dem  Fremden 
ein,  wenn  auch  nicht  gerade  anziehendes,  so  doch  sehr  getreues  Bild 
echt  chinesischen  Lebens.  Dieses  vom  ärztlich-hygienischen  Stand- 
punkte aus  zu  beobachten  gaben  mir  die  5 Wochen  eine  willkommene 
Gelegenheit,  welche  ich  als  Arzt  des  vorgeschobensten  deutschen  De- 
tachements innerhalb  der  Stadtmauern  von  Kiautschou  verlebt  habe. 

Die  Lage  Kiautschous  wird  bezeichnet  durch  eine  Einsenkung 
der  ausgedehnten  und  von  zahllosen  Flussläufen  und  ungeheuren 
Morästen  durchsetzten  Ebene,  welche  sich  nördlich  der  Bucht  gleichen 
Namens  viele  Meilen  weit  in’s  Innere  hinein  erstreckt  Die  Erde 
besteht  grösstentheils  aus  schwerem,  lehmreichem  Ackerboden,  der 
einen  intensiven  Getreidebau  begünstigt  und  eine  ziemlich  dichte  Be- 
völkerung ernährt. 

Eine  hohe  und  etwa  eine  deutsche  Meile  lange,  mit  alterthüm- 
lichen  Zinnen  gekrönte  Mauer  umgiebt  in  riesigem  Oval  die  Stadt, 
sie  macht  daher  von  ferne  auf  den  Fremdling,  wenn  er  sich  nach 
mehrtägigem,  beschwerlichem  Ritt  dem  ersehnten  Ziele  nähert,  einen 
ganz  stattlichen,  vielversprechenden  Eindruck  und  ist  wohl  geeignet, 
ihn  mit  hohen  Erwartungen  zu  erfüllen.  Aber  sein  Optimismus  weicht 
bald  einer  grausamen  Ernüchterung,  sobald  er  die  altersschwache, 
theilweise  schon  eingestürzte  Schutzwehr  in  der  Nähe  schaut  und  gar 
das  erst,  was  sie  umschliesst. 

Nur  ein  verhältnissmässig  kleiner  Raum  des  von  der  äusseren 
Mauer  umschlossenen  Stadtgebietes  wird  von  der  eigentlichen  Stadt 
eingenommen,  der  grösste  entfällt  auf  Ackerland,  ausgetrocknete  Fluss- 
betten und  Begräbnissplätze. 

Mehrere  kleinere  und  grössere  Bäche  und  andere  Wasserläufe, 
die  untereinander  ein  vielverzweigtes  Netz  bilden,  durchfliessen  in 
trägem  Lauf  die  Stadt.  Für  gewöhnlich  wasserarm,  pflegen  sie  zur 
Regenzeit  gewaltig  anzuschwellen  und  ihre  trüben  Fiuthen  fusshoch 
in  die  anliegenden  Häuser  zu  treiben.  Im  Gegensatz  zu  der  Spär- 
lichkeit des  fliessenden  Wassers  steht  die  grosse  Zahl  von  Pfützen, 
Gräben  und  Teichen  an  allen  Ecken  und  Enden,  welche  zur  Auf- 

*)  Chinesischer  Spottname  für  Europäer. 


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238 


Dr.  Arimoml. 


nähme  alles  dessen  dienen,  was  sonst  im  Wege  ist,  und  wegen  ihres 
widerwärtigen  Aussehens  und  Gestankes  Auge  und  Nase  eines  Cultur- 
menschen  in  gleicher  Weise  aufs  Gröbste  lieleidigen. 

Von  der  etwa  15000  Seelen  zählenden  Einwohnerschaft  besteht 
die  Mehrzahl  aus  kleinen  Handwerkern,  Bauern  und  Arbeitern  (Kulis). 
Ein  arbeitsames  Völkchen,  das  sich  früh  und  spät  abmiiht,  um  in 
dem  harten  Kampf  um’s  Dasein  nicht  zu  unterliegen!  Der  allgemeines 
Armuth  des  Ortes  entsprechen  die  dürftigen,  durchweg  einstöckiger 
Wohnungen  aus  Lehm  bezw.  schlechten  Ziegeln  und  einem  Schilf- 
dach darüber.  Nur  die  der  Wohlhabenderen  im  innersten  Stadttheil. 
welchen  eine  besondere  Mauer  einschliesst,  zeichnen  sich  durch  bessere 
Bauart  aus. 

Die  engen,  ungepflasterten,  holperigen  und  winkeligen  Strassen 
starren  von  Schmutz  und  Unrath.  Der  Gestank  wird  stellenweise 
athmungbehindemd.  Dient  ja  dem  Chinesen  die  Strasse  nicht  blos- 
zu  Verkehrszwecken,  sondern  auch  als  hauptsächliche  Ablagestätte 
für  Abfallstoffe  und  Käcalien  jeglicher  Art.  Von  hier  gelangen  die 
flüssigen  Theile,  soweit  sie  nicht  an  der  Luft  verdunsten  oder  vom 
Erdboden  aufgesogen  werden,  direct  oder  auf  allerlei  Umwegen 
schliesslich  in  einen  der  oben  gedachten  Wasserläufe  oder  Teiche 
innerhalb  der  Stadt.  Die  festen  menschlichen  und  tierischen  Excre- 
mente bilden  ein  yon  Garten-  und  l'eldbesitzem  hoch  geschätztes 
Düngmittel.  Alt  und  Jung  sieht  man  daher  mit  Korb  und  Schaufel 
beständig  unterwegs  und  auf  der  Suche  nach  Funden  dieser  Art. 
aus  welchen  dann  die  sorgfältig  behandelten,  umfangreichen  Compost- 
haufen  entstehen,  welche  gewöhnlich  in  grosser  Zahl  die  Grundstück? 
der  glücklichen  Besitzer  zieren,  wie  denn,  nebenbei  bemerkt,  kein 
europäischer  Bauer  den  Chinesen  in  der  Werthschätzung  und  ratio- 
nellen Verwendung  des  Düngers  übertreffen  dürfte.  Mir  fällt  hierbei 
manch’  ergötzliche  Scene  „unlauteren  Wettbewerbes“  ein,  die  sich 
auf  unseren  Expeditionen  abspielte,  wenn  die  Truppe  nach  beendeter 
Rast  ihren  Marsch  fortsetzte  — . Auch  eine  Art  von  Abfuhrwesen 
also,  aber  auch  die  einzige  hier  zu  Lande,  man  müsste  denn  noch  der 
vielen,  mit  allerhand  ekelhaften  Krankheiten  behafteten  Hunde  Er- 
wähnung thun,  die  Tag  und  Nacht  die  Strassen  durchstreifen,  am 
sich  an  den  von  den  Menschen  verschmähten  Leckerbissen  gütlich 
zu  thun. 

Die  menschlichen  Leichen  werden  wie  bei  uns  eingesargt  und 
bestattet.  Die  Beerdigung  findet  aber  erst  statt,  nachdem  die  Särge 
Wochen,  ja  selbst  viele  Monate  lang  in  bewohnten  Häusern  oder 


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Brief  aus  Kiautschou. 


239 


Tempeln  gestanden  haben,  gleichgültig  aus  welcher  Ursache  der  Tod 
eingetreten  ist.  Die  Angehörigen  wollen  den  gebebten  Toten  mög- 
lichst lange  in  ihrer  Nähe  sehen,  eine  Sitte,  die  an  und  fiir  sich  ja 
ein  schönes  Zeugniss  von  dem  tiefen  Gemüthsleben  der  Bevölkerung 
ablegt  (welches  bekanntlich  in  dem  sogenannten  Ahnencultus  seinen 
höchsten  Ausdruck  findet),  aber  wieviel  Menschenleben  mag  diese 
„menschenfreundliche“  Sitte  schon  gekostet  haben! 

Ganz  besonders  übel  steht  es  mit  der  Trinkwasserversorgung. 
Diese  geschieht  nämlich  mittelst  Schöpfgefässen  aus  denselben  Wasser- 
läufen, die,  wie  oben  bemerkt,  alle  Abwässer  der  angrenzenden  Grund- 
stücke aufnehmen,  mitten  in  der  Stadt,  an  stark  bevölkerten  und 
belebten  Punkten.  Es  ist  aber  eine  bemerkenswerthe  und  interes- 
sante Thatsache,  dass  die  Eingeborenen  — in  der  Stadt  Kiautschou 
wenigstens  — das  Wasser,  ausser  im  Nothfall,  nur  warm  (abgekocht?) 
zu  trinken  pflegen.  An  der  Peripherie  der  Stadt  trifft  man  ganz 
vereinzelte,  aber  vollkommen  verwahrloste,  offene  Brunnen  primi- 
tivster Art. 

Kann  es  Wunder  nehmen,  wenn  ein  Ort  in  solch’  ungesunder 
Lage  und  dazu  mit  solch’  höchst  bedenklichen  hygienischen  Zuständen 
in  gesundheitlicher  Beziehung  weit  und  breit  verrufen  ist?  Am  gün- 
stigsten der  menschlichen  Gesundheit  ist  die  Winterszeit  mit  ihrer 
dem  continentalen  Klima  der  Provinz  entsprechenden  mehr  oder  we- 
niger strengen  Kälte  und  den  häufigen  rauhen  Nordstürmen,  welche 
Tage  lang  über  die  nackte  Ebene  dahinfegen.  Anders  aber  im  Hoch- 
sommer, wenn  Feuchtigkeit  und  Wanne  sich  vereinigen,  um  die 
schlummernden  Krankheitskeime  in  dem  wohlvorbereiteten  Nährboden 
zu  entwickeln  und  zu  vermehren.  Malaria,  Ruhr  und  Typhus  sind 
dann  häufige  und  gefürchtete  Gäste  der  Stadt,  die  unter  der  Bevöl- 
kerung, und  zwar  vorzugsweise  der  in  den  denkbar  schlechtesten 
hygienischen  Verhältnissen  lebenden  ärmsten  Klasse,  gewaltig  auf- 
räumen. 

Nach  der  erstaunlich  hohen  Zahl  von  Blatternarbigen  jeglicher 
Altersstufe  zu  schliessen,  müssen  auch  die  Pocken  sehr  häufig  zum 
Ausbruch  kommen  und  weit  verbreitet  sein.  Fast  jeder  dritte,  vierte 
Mensch  sozusagen  zeigt  Spuren  der  überstandenen  Krankheit  Das 
Verfahren  der  Schutzimpfung  mittelst  Kuhlymphe  ist  nicht  unbekannt. 
Gewisse  Personen,  sowohl  in  der  Stadt  wie  auf  dem  Lande,  befassen 
sich  mit  dem  Impfgeschäft,  doch  geschieht  die  Impfung  nur  im  Früh- 
jahr und  auf  besonderen  Wunsch  und  ausserdem  nur  an  Kindern 
und  Unverheirateten,  weil  die  Landessitte  den  Verheirateten  einen 


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Dr.  Arimond. 


derartigen  körperlichen  Eingriff  verbietet.  Auch  der  oberste  Mandarin 
der  Stadt  pflegt  in  patriarchalischer  Fürsorge  von  Zeit  zu  Zeit  solche 
impf  kundigen  Personen  anzustellen,  welche  alsdann  seinen  Unter- 
thanen  unentgeltlich  zur  Verfügung  stehen.  In  welchem  Umfange 
von  dieser  Gelegenheit  Gebrauch  gemacht  wird,  war  jedoch  nicht  zu 
erfahren. 

Auffällig  ist  die  Unmenge  von  Blinden.  Auf  Schritt  und  Tritt 
begegnet  man  ihnen  — es  sind  viele  Bettler  und  Musikanten  dar- 
unter — wie  sie,  lange  Stöcke  vor  sich  her  schiebend  und  meist 
ohne  fremde  Hülfe  ihren  Weg  selbst  durch  die  belebtesten  Strassen 
verfolgen.  Augenkranke  giebt  es  dementsprechend  zu  Hunderten,  meist 
handelt  es  sich  anscheinend  um  Conjunctivitis  granulosa. 

An  venerischen  Krankheiten  aller  Art  ist  ebenfalls  kein 
Mangel. 

Eine  von  englischer  Seite  aufgestellte  Behauptung,  wonach  Lepra 
gerade  an  der  Schantung-Ivüste  häufig  vorkomme,  veranlasst«  mich 
auf  diese  Krankheit  besonders  zu  achten,  bisher  aber  ohne  positiven 
Erfolg;  nicht  ein  einziger  Fall  ist  mir  noch  begegnet. 

Unter  diesen  Umständen  wird  man  es  begreiflich  finden,  dass 
die  Nachricht  von  dem  glücklichen  Abschluss  der  Verhandlungen  mit 
der  chinesischen  Regierung  von  uns  mit  Befriedigung  aufgenommen 
wurde.  Das  Detachement  konnte  hiernach  Kiautschou  noch  vor  Ein- 
tritt der  gefährlichen  Jahreszeit  verlassen,  die  doch  bei  allen  Vor- 
sichtsmaassregeln wahrscheinlich  manches  Opfer  an  Gesundheit  und 
Leben  gefordert  haben  würde. 

Hier  an  der  Küste  liegen  die  Dinge  in  gesundheitlicher  Be- 
ziehung erfreulicherweise  wesentlich  günstiger.  Zwar  als  ein  Luft- 
curort  kann  Tsingtau  vorläufig  noch  nicht  gelten,  schon  wegen  des 
vielen  Staubes,  der  an  besonders  windigen  Tagen,  namentlich  im 
Winter  zur  Zeit  der  Nordstürme,  zur  wahren  Plage  werden  kann 
Der  Staub  dringt  dann  durch  die  feinsten  Ritzen,  durch  die  ge- 
schlossenen Fenster,  er  hüllt  Land  und  See  in  einen  dichten  Nebel, 
der  selbst  die  Sonne  verdunkelt.  An  diesem  unerfreulichen  Zustand 
ist  aber  lediglich  die  Jahrhunderte  lange,  empörende  chinesische 
Misswirtschaft  schuld,  die  keinen  Wald,  keinen  Grashalm  aufkommen 
lässt.  Daher  die  Düne,  die  ausgetrockneten  Bäche,  und  die  Staub- 
bildung im  Winter  und  Frühjahr,  und  die  Ueberschwemmungen  zur 
Regenzeit.  Unsere  Aufgabe  muss  es  sein,  Abhülfe  zu  schaffen.  Und 
sie  ist  sicher  möglich.  In  Hongkong  sah  es  anfänglich  ähnlich  au? 
wie  hier,  ja  vielleicht  noch  schlimmer.  Und  doch,  was  ist  aus  dieser 


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Brief  aus  Kiautschoa. 


241 


Colonie  in  den  paar  Decennien  ihres  Bestehens  geworden!  Sie  ist 
vor  Schönheit  nicht  wieder  zu  erkennen.  Folgen  wir  daher  dem 
englischen  Beispiel,  forsten  wir  die  kahlen  Berge  auf,  legen  wir  in 
der  Ebene  Bauinpflanzungen  und  Wiesen  an  und  sorgen  wir  — last 
not  least  — für  ein  gutes  Bewässerungssystem.  Das  sind  vielleicht 
hohe,  aber  für  ein  grosses  Reich  keineswegs  unerschwingliche  For- 
derungen, und  ihre  Erfüllung  wird  sich  reichlich  lohnen.  Denn,  ab- 
gesehen von  dem  eben  berührten  aber  hoffentlich  in  nicht  zu  ferner 
Zeit  gehobenem  Uebelstand,  verleiht  die  geographische  Lage  unserer 
Colonie  eine  Reihe  von  Vorzügen,  welche  als  Grundlage  für  eine  ge- 
deihliche Entwicklung  von  ausserordentlicher  Bedeutung  sind.  In 
erster  Linie  hervorzuheben  ist  ein  dem  Bedürfniss  des  Nordeuropäers 
angemessener  Wechsel  der  Jahreszeiten,  indem  auf  den  heissen  Sommer 
ein  kalter  Winter  folgt.  Dann  die  Nähe  der  See  mit  ihren  er- 
frischenden Brisen,  die  von  allen  Seiten  die  Halbinsel  bestreichen 
und  die  sommerliche  Hitze  ebenso  wie  die  strenge  Winterkälte  mil- 
dem, ferner  das  Vorhandensein  von  gesundem  Trinkwasser  in  aus- 
reichender Menge,  endlich  ein  trockener,  felsiger  Untergrund. 

Der  chinesischen  Misswirtschaft,  der  Unsauberkeit  und  Gleich- 
gültigkeit in  hygienischen  Dingen,  hat  das  letzte  Stündlein  geschlagen. 
Schon  sind  die  ersten  Anfänge  einer  hygienischen  Verwaltung  be- 
merkbar. Die  Strassen  werden  regelmässig  gefegt,  die  Pfützen  be- 
seitigt, neue  sachgemässe  Brunnen  sind  im  Bau,  das  Abfuhrwesen 
ist  in  der  Regelung  begriffen,  ein  Krankenhaus  für  die  eingeborene 
Bevölkerung,  wo  Arme  und  mit  ansteckenden  Krankheiten  Behaftete 
unentgeltliche  Behandlung  finden  sollen,  sieht  seiner  Vollendung  ent- 
gegen, die  Prostitution  untersteht  einer  strengen  Aufsicht  u.  s.  w. 

Soweit  daher  jetzt  schon  ein  Urtheil  erlaubt  ist,  erscheint  die 
Hoffnung  nicht  unbegründet,  dass  hier  unter  einer  verständigen,  vor 
ullem  nicht  zu  sparsamen,  deutschen  Verwaltung  dereinst,  wenn  nicht 
die  bedeutendste,  so  doch  gesundeste  und  schönste  Stadt  des  ganzen 
chinischen  Ostens  erstehen  wird.  Ja,  ich  glaube  sogar,  dass  dieje- 
nigen Recht  behalten,  w elche  einer  solchen  wegen  der  ausgezeichneten 
Beschaffenheit  des  hiesigen  Strandes  auch  als  Badeort  eine  grosse 
Zukunft  prophezeien,  und  dass  über  kurz  oder  lang  die  tropenge- 
schwächte und  erholungsbedürftige  Menscliheit  Ost- Asiens,  welche 
bisher  noch  in  Ermangelung  eines  Besseren  das  höchst  ungünstig 
gelegene  Tschifu  aufzusuchen  pflegte,  an  der  deutschen  Küste  Hei- 
lung und  Erquickung  finden  wird. 


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II.  Besprechungen  und  Litteratnrangaben. 

a)  Hygiene,  Physiologie  und  Gesundheitsstatistik. 

Die  Krankheiten  einet  Bergvolkes  der  Intel  Java,  von  I.  H.  F.  Kohlbrugge.  Janus, 
Arcbives  internationales  pour  l'histoire  de  la  med.  etc.  1897,  Nov.— Dec. 

Verfasser,  der  schon  in  mancher  anderen  Hinsicht  die  heutigen  Forschungs- 
methoden einer  scharfen  Kritik  unterzogen  hat,  geisselt  in  der  Einleitung  der 
vorliegenden  Abhandlung  mit  Recht  die  Unsitte  mancher  „Forschungsreiscnden\ 
über  die  Sitten,  Gebräuche,  Zustände  etc.  der  von  ihnen  besuchten  Völkerschaften, 
d.  h.  eigentlich  solcher,  mit  denen  sie  nur  oberflächlich  in  Berührung  gekommen 
sind,  zu  urtheilen.  Um  hierzu  berufen  zu  sein,  gehört  nicht  nur  ein  längerer 
Aufenthalt  unter  den  betreffenden  Volksstämmen,  sondern  ein  wirkliches  Hinein- 
leben in  ihre  Lebensanschauungen,  was  wieder  nicht  anders  möglich  ist,  als  dass 
man  von  dem  hohen  Piedestal  des  Culturmenschen  herabsteigt  und  mit  den 
Leuten  wie  mit  seinesgleichen  verkehrt  Ausserdem  werden  bei  derartigen 
Untersuchungen  vielfach  zu  wenig  die  ethnischen  Grundelemente  berücksichtigt, 
aus  denen  sich  heutigen  Tages  zumeist  wohl  die  Bevölkerung  jeden  Himmelsstriches 
zusammensetzt.  Besonders  trifft  dieser  Fehler  nach  des  Verfassers  Ansicht  die 
rassen pathologischen  Untersuchungen.  Daher  erscheint  der  vorliegende  Beitrag  am 
so  werth voller,  weil  er  sich  mit  eiuern  Volke  beschäftigt,  das  seit  Jahrhunderten 
isolirt  in  den  Bergen  Javas  (1700—2000  m über  dem  Meere)  lebte,  bis  zu  An- 
fang unseres  Jahrhunderts  fast  von  jedem  Verkehr  mit  den  eingeborenen  Bewohnern 
der  Ebene  abgeschlossen  war,  dann  auch  nur  auf  Fusspfaden  von  Touristen  ge- 
legentlich erreicht  wurde  und  erst  seit  5 Jahren,  seitdem  ein  breiter  Weg  in 
jene  Berge  führt,  dem  Verkehre  erschlossen  worden  ist:  den  Tenggeresen,  einem 
Ueberrest  der  einst  auf  Java  ursprünglichen  indonesischen  Bevölkerung,  die 
durch  die  Einwanderung  der  Malaien  in  die  Berge  zurückgedrängt  wurde. 

Die  Untersuchungen  des  V erfassers  beziehen  sich  im  Einzelnen  auf  die  Be- 
völkerung der  Tenggeresen-Dörfer  Tosari,  Purwono,  Ngadiwono,  Podokoyo, 
AVonokitri-Pedaheng  und  Keduwung.  Die  mittlere  Jahrestemperatur  beträgt  für 
diese  Gegend  17°  C.,  die  Regenmenge  1500—2000  mm,  der  Barometerstand  für 
Tosari  (1777  m)  622  mm. 

Zunächst  beschäftigt  sich  Verfasser  mit  den  Natalitäts-  und  Mortalitätsver- 
hältnissen der  Tenggeresen.  Da  die  officiellen  Zählungen  im  Allgemeinen  wenig 
Vertrauen  verdienen,  so  liess  er  sich  während  des  Jahres  1895  aus  den  genannten 
6 Dörfern  wöchentlich  mündliche  Berichte  zugehen.  Es  starben  von  der  Ge- 
sammtbevölkerung  während  dieser  Zeit  2,5%  (davon  58%  Männer  und  42  V# 
Frauen),  es  wurden  geboren  5,38%  (52%  Knaben,  48%  Mädchen),  mithin  war 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


243 


ein  Ueberschuss  der  Bevölkerung  von  2,88%  zu  verzeichnen.  Uebrigens  hat 
die  ganze  Bevölkerung  auf  .lava  beständig  in  diesem  Jahrhundert  zugenotnmen. 
Trotzdem  nämlich  fast  gar  kein  Zuzug  von  aussen  stattfindet,  hat  sie  sich  in 
60  Jahren  vervierfacht,  in  40  Jahren  verdreifacht  — Die  Sterblichkeit  der  kleinen 
Kinder  ist  trotzdem  eine  ungeheure  grosse,  besonders  für  das  erste  Lebensjahr;  auf 
dieses  fallen  allein  59%  sämmtlicher  Todesfälle.  Der  anfängliche  Ueberschuss  an 
Knaben  wird  sogleich  wieder  verringert,  denn  es  sterben  bald  nach  der  Geburt 
mehr  Knaben  als  Mädchen  (84:25%).  AVenn  die  Klippe  des  ersten  Lebensjah res 
überwunden  ist,  dann  stellt  sich  die  Sterblichkeit  sowohl  im  Allgemeinen,  als 
auch  für  das  männliche  Geschlecht  günstiger.  Verfasser  vergleicht  die  Sterb- 
lichkeit der  Kinder  bei  den  Tenggoresen  mit  der  bei  anderen  A'ölkern , im  Be- 
sonderen bei  der  Bevölkerung  im  Oberengadin,  die  unter  gleichen  klimatischen 
"Verhältnissen  lebt.  Er  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  — abgesehen  von  dem 
1.  Lebensjahre  — bei  jenen  die  Sterblichkeit  eine  weit  geringere  ist,  als  bei 
allen  anderen  A'ölkern  (z.  B.  während  des  ersten  Jahres  bei  den  Tenggereseu 
59%  der  gesammten  Mortalität,  in  Oberengadin  12,86%,  Bayern  86,6%i  Island 
38,8%,  jedoch  vom  1. — 10.  Jahro  unter  den  Tenggoresen  2,7%  der  gesammten 
Mortalität,  in  Oberengadin  10,31%;  nach  dem  10.  Jahre  unter  jenen  38%,  in 
Oberengadin  76,8%)-  Von  56  Todesfällen  unter  Erwachsenen  während  1895 
waren  49  durch  Krankheit  bedingt,  die  übrigen  durch  Unfall  oder  Selbstmord. 

Die  durchschnittliche  Anzahl  der  Geburten  für  eine  Frau  betrugen  8;  jedoch 
waren  auch  noch  häufig  11 — 12  Kinder.  Einmal  wurden  unter  122  Frauen  von 
einer  15  Kinder  geboren,  6 mal  Zwillinge;  8 Frauen  waren  steril  geblieben  und 
24  hatten  abortirt.  Dio  Ausstossung  der  Frucht,  sowie  die  Behandlung  der 
Niedergekommenen  und  des  Kindes  spielen  sich  normal  ab.  Der  Austritt  der 
Placenta  erfolgt  zumeist  spontan  wenige  Minuten  nach  dem  des  Kindes.  Erst 
wenn  sie  heraus  ist,  wird  das  Neugeborene  abgenabelt.  Die  Mutter  ruht  höchstens 
4 — 5 Stunden  aus  und  geht  dann  an  ihre  gewohnte  Arbeit. 

Die  durchschnittliche  Pulsfrequenz  belief  sich  bei  den  Männern  auf 
73  Schläge,  ihre  Athemfrequenz  in  einer  Minute  auf  21,4  Züge.  Die  mittlere 

Anzahl  der  rothen  Blutkörperchen  stellte  Verfasser  auf  4 851  500.  den  Hg-Gehalt 
auf  92%  fest.  Die  mittlere  Körpergrösse  der  Männer  beträgt  1604  mm.  — 
Eine  auf  die  Häufigkeit  von  Blinden,  Taubstummen  und  Irrsinnigen  angestellte 
Untersuchung  ergab,  dass  auf  beiden  Augen  Blinde  sowie  Geisteskranke  nicht 
vorhanden  waren  — später  erwähnt  Verfasser  allerdings  2 Psychosonfälle  — , 
6 Personen  in  Folge  eines  Unfalls  auf  einem  Auge  blind,  7 taub  und  14  Idioten 
waren.  Die  meisten  der  letzteren  lebten  in  Gegenden,  wo  Kropf  endemisch  zu 
sein  schien;  indessen  bot  bloss  ein  Individuum  das  Aussehen  eines  Kretins.  A’on 
dem  Kropfe  waren  fast  nur  Frauen  befallen. 

Bezüglich  der  Morbidität  machte  A’erfasser  folgende  Beobachtungen.  Im 
Ganzen  wurden  von  ihm  innerhalb  4 Jahre  1359  Personen  behandelt;  er  giebt 
ein  detaillirtes  Arerzeichniss  der  Krankheitsformen  und  ihrer  Häufigkeit.  Von 
letzterer  will  ich  nur  einige  Punkte  horvorheben.  Am  meisten  wurden  die  Ein- 
geborenen von  Malaria  (855  Fälle),  nächstdem  von  AVunden,  Geschwüren,  Ver- 
brennungen (160  Fälle),  ebenso  häufig  von  Katarrhen  der  Respirationsorgane  (159), 
wohl  in  Folge  der  allzu  dünnen  Kleidung,  der  zu  luftigen  Wohnungen  und  dor 
grossen  Temperaturunterschiede  zwischen  Mittag  und  Abend,  und  von  Darmkrank- 
heiten (134)  befallen.  Aron  den  Infectionskrankheiten  waren  am  häufigsten  Masern 
Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene.  II-  18 


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244  U-  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

(84  Fälle),  die  indessen  zumeist  gutartig  verliefen,  von  den  Hautkrankheiten 
Scabies  (44),  von  den  Augenkrankheiten  Conjunctivitis  (89).  Aeusserst  selten 
kamen  dem  Verfasser  zu  Gesicht:  Krankheiten  des  Herzens  (nur  lmal  Perkar- 
ditis, nie  Herzfehler),  der  Nieren,  des  Magens,  ferner  Syphilis  (nur  in  den  beiden 
Dörfern,  in  denen  Europäer  wohnen),  Nerven-  und  Geisteskrankheiten,  (nur  9mal 
Neuralgie.  1 mal  Hemiplegie,  1 mal  Epilepsie  und  2 mal  Psychosen).  Gar  nicht 
gelangten  zu  seiner  Kenntniss:  Diphtheritis,  Scharlach,  Küthein,  Cholera.  Typhus, 
diathetische  Krankeiton,  wie  Chlorose,  Gicht,  Diabetes,  Rachitis  etc-,  Blattern  uni 
Wind|>ocken  (seit  Jahren  Vaccination).  — Eine  eigentümliche  Krankheit,  deren 
Genese  ihm  unbekannt  ist,  beobachtete  Verfasser  in  4 Fällen.  Es  entwickelte 
sich  Ascites  und  zumeist  folgte  allgemeiner  Hydrops;  der  Ausgang  war  der  Tod. 
Dabei  ergab  die  Section  gesundes  Herz,  gesunde  Nieren,  Leber.  Milz  und  Lungern. 
Die  punktirte  Flüssigkeit  war  in  einem  daraufhin  untersuchten  Falle  serös. 

G.  Buschan-Stettin. 


Zur  geographischen  Pathologie  der  Westküste  Südamerikas  von  Dr.  Reinhold  Rage, 

Marine-Stabsarzt.  (Berl.  Klin.  Wochenschrift  1897,  No.  46). 

Der  interessante  Aufsatz  entstammt  einer  Kreuzfahrt  längs  der  Westküste 
von  Südamerika  an  Bord  'S.  M.  S.  Marie  vom  März  1898  bis  Februar  1894 
Verfasser  giebt  einen  l'eberblick  über  die  klimatischen  und  meteorologischen  Ver- 
hältnisse der  amerikanischen  Westküste,  welche  sich  durch  ihre  scharf  abee- 
greuztcu  klimatischen  Zonen  auszeichnet.  Südlich  dem  Cap  Blanoo.  4.17’ 
s.  Br.,  liegt  die  Zone  der  kühlen  Winter,  Chile  und  Peru,  deren  niedrige  Winter- 
temperatur durch  die  kalte  süd-nördliche  Meeresströmung  bedingt  sind.  Nöidhcfc 
von  diesem  Vorgebirge,  den  Küsten  von  Ecuador  und  Columbia  entsprechend, 
herrscht  tropische  Wärme  auch  während  der  Wintermonate.  Der  mittlere  TheC 
der  ersten  Zone,  im  Küstenstrich  von  Valparaiso  bis  Arica,  zeichnet  sich  in  Folge 
von  kalten,  ziemlich  regelmässig  in  den  Nachmittagsstunden  einsetzenden  Süd- 
winden durch  schroffen  Temperaturwechsel  aus. 

Die  kühlen  Winter  bewirken  auch  in  den  innerhalb  der  Tropen  gelegener 
Küstenländern  günstige  gesundheitliche  Verhältnisse.  Im  Sommer  tritt  allerdings 
Malaria  und  Ruhr  mit  ihren  Folgekrankheiten,  besonders  Leberabscess,  auf 

Der  Bezirk  der  schroffen  Temperaturwechsel  weist  eine  unserer  Cholera 
nostras  entsprechende  epidemische  Krankheit,  dort  Lepidia  genannt,  auf  uai 
ausserdem,  wie  anscheinend  die  ganze  Zone  der  kühlen  Winter,  „katarrhal ade 
Eintagsfieber“,  bei  welchen  Rüge  nie  Malaria-Parasiten  im  Blut  fand,  und  wirkte 
auch  ohne  Behandlung  heilten.  Gelenkrheumatismen  waren  an  Bord  von  ausser- 
gewöhnlicher  Hartnäckigkeit,  Geschlechtskrankheiten  kamen  allenthalben  tot. 
am  häufigsten  Tripper  und  nicht  selten  bei  den  stets  berittenen  Chilenen  ver- 
eiternde Hodenentzündungen.  Die  Verruga,  weiche  R.  im  Hospital  zu  T im»  re 
Gesicht  bekam,  hielt  derselbe  wegen  der  Beschränkung  auf  ein  bestimmtes  Tba 
und  auf  die  weisse  Bevölkerung  nicht  für  Framboesia. 

ln  der  Zone  der  tropisch-warmen  Winter  besuchte  Rüge  die  Hafenstädte 
Guayaquil  und  Panama,  erste  res  in  flachem  Schwemmlande  gelegen  und  zur 
trocknen  Jahreszeit  frei  von  Malaria  und  Rnhr,  letztere  als  Fiebemeet  beisnrt 

M. 


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II.  Besprechungen  und  Litteratursuigaben. 


245 


Weiterer  Bericht  Dber  die  Ergebnis»  der  Forschungen  aus  Deutsch-Ostafrika  von 

Robert  Koch.  Deutsches  Kolonialblatt  No.  9.  1./5.  98. 

„L'eber  Westusambara  ln  sanitärer  Beziehung.“ 

Verfasser  beantwortet  in  iiusserst  klarer,  praciser  Weise  und  wohlthuender 
Kürze  die  Frage  nach  der  Besiedelungsfähigkoit  des  Westusambaragebirges  für 
Deutsche  und  Anlago  eines  Sanatoriums,  indem  er  die  in  Ostafrika  verbreitete 
irrige  Meinung  widerlegt,  dass  oben  in  Westusambara  in  1000  bis  1200  m Hohe, 
■weder  ein  sogenanntes  Acclimatisationsfieber  existirt,  noch  die  Insolationsgefahr 
eine  grosse  ist.  Er  fand  durch  Messungen  mit  dem  Vacuumthermometer,  dass 
in  Usambara  die  Sonnentemperatur  Mittags  nur  52  — 64  Grad  erreicht,  dagegen 
in  Dar-es-Salain  62 — 68  Grad.  Was  ihm  im  Gebirge  darüber  mitgethoilt  wurde, 
konnte  durch  Malaria  und  Malariarecidive  erklärt  worden.  R.  Koch  verbreitet 
sich  über  das  Vorkommen  von  Malaria  in  Usambara  in  genannter  Höhe  und  führt 
alle  dort  ihm  zur  Beobachtung  gekommenen  Fälle  auf  Rocidive  in  der  Küsten- 
ebene acquirirter  Malaria  zurück.  Er  schliesst  daraus,  dass  die  Eingeborenen 
keine  Malaria  kennen,  wenn  sie  aber  in  die  Steppe  oder  an  die  Küste  hin- 
untersteigen, dagegen  sehr  empfänglich  sind,  auf  das  Malariafreisein  des  Usam- 
baraplateaus.  In  800  m Höhe  fand  er  mittlelschwere  Tertiana,  von  da  an  nieder- 
steigend die  perniciöse  tropische  Malaria.  Wenn  Europäer  nach  ihrer  Ankunft 
in  zweckmässiger  Weise  von  der  Küste  nach  Westusambara  transportirt  werden 
könnten,  so  würde  kein  einziger  Malariafall  dort  Vorkommen.  Jetzt  muss  man 
7 — 8 Tage  durch  Sumpf  und  Steppen  dorthin  marschiron  und  inficirt  sich,  wenn 
nicht  schon  an  der  Küste,  auf  der  Reise.  R.  Koch  führt  zum  Beweise  eine  An- 
zahl beobachteter  Fälle  auf  den  Missionsstationen  und  der  Station  Kwai  auf.  Mos- 
fjuitos  sieht  Koch  als  Wirthe  resp.  Verbreiter  der  Malaria  an.  Das  sonst  sehr 
zuträgliche  und  gesunde  Höhenklima  soll  keinen  heilsamen  Einfluss  auf  Malaria 
ausüben.  Würden  deutsche  Einwanderer  gefahrlos  nach  Westusambara  geführt, 
so  könnte  man  mit  einer  Besiedelung  sehr  wohl  beginnen.  Westusambara  übte 
-demnach  nicht  wie  andere  Höhensanatorien  in  den  Tropen  die  bekannte,  neuerdings 
besonders  von  Kohlbrugge  beschriebene,  oft  überraschende  Wirkung  auf  Malaria 
aus,  dagegen  stellt  es  sich  nach  Koch’s  Auffassung  doch  als  malariafrei  für  seine 
nicht  anderswo  inficirten  Bewohner  dar.  Die  günstige  Wirkung  von  Höhensana- 
torien wird  höchstwahrscheinlich  zugleich  mit  bedingt  durch  ihre  leichte  Erreich- 
barkeit, Comfort,  Beaufsichtigung  der  Kranken  und  Ueberwiegen  frischer  Malaria- 
infectionen,  während  ältere,  schwere  Infectionen  mit  Kräfteverfall  langsam  heilen 
oder  letal  ondigen.  An  der  Küste  acquirirte  Infection  kommt  auch  auf  der  See- 
reise zum  Ausbruch.  C.  Däubler. 


lieber  den  Einfluss  des  Tropenklimas  auf  das  Nervensystem  von  Chr.  Rasch.  Allgem. 

Zeitschr.  f.  Psychiatrie.  1897.  Bd.  54.  S.  745. 

Auf  Grund  eigener  Erfahrungen  und  Beobachtungen  bringt  Vorfasser  einen 
werth vollen  Beitrag  zur  Pathologie  des  Nervensystems  in  den  Tropon.  Er  be- 
gegnet zunächst  dem  weit  verbreiteten  Irrthum,  dass  mit  der  Zeit  für  den  Eu- 
ropäer oine  Gewöhnung  an  das  Tropenklima,  das  sich  durch  hohe  Wärme  (im 
Schatten  25°  C.  und  mehr)  und  gleichzeitigen  hohen  Wassergehalt  kennzeichne, 
«inträte ; im  Gegentheil,  seine  und  anderer  Erfahrungen  lehren,  dass  bei  längerem 

18* 


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246 


ET.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Aufenthalte  sich  progressiv  eine  Verminderung  der  Widerstandsfähigkeit  des 
menschlichen  Organismus  bemerkbar  macht.  Die  enorme  Schweissecretion , der 
dadurch  bedingte  gewaltige  Wasserverlust  des  Körpers,  der  wieder  zu  überreich- 
lichem Trinken  verleitet  und  dann  Magenbeschwerden,  Dyspepsie,  Appetitlosigkeit 
Diarrhoe  zur  Folge  hat,  der  zur  Beseitigung  dieser  Uebelstände  mehr  und  mehr 
über  Hand  nehmende  Genuss  von  Alcohol  und  anderen  Reizmitteln,  weiter  an- 
genügende körperliche  Bewegung,  mangelhafter  Schlaf  etc.,  alias  dieses  führt  za 
einer  allgemeinen  Erschlaffung,  einer  geistigen  Indifferenz  und  einer  geringen 
körperlichen  Widerstandsfähigkeit  gegen  herandrängende  Krankheiten,  d.  h.  zu 
einer  verminderten  Vitalität  des  Organismus.  Die  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen 
wird  herabgesetzt,  diese  selbst  erscheinen  kleiner  (Anaemia  tropica).  — Nach  diesen 
einleitenden  Bemerkungen  wendet  sich  Verfaser  zu  den  Störungen,  welche  das 
Tropenklima  im  besonderen  auf  dem  Gebiete  des  Nervensystems  hervorruft.  Die 
einschlägigen  Lehrbücher  bringen  über  diesen  Punkt  leider  gar  nichts,  oder  messen 
dem  Tropenklima  keine  Bedeutung  weiter  bei.  In  Uebereinstimmung  mit  Martin, 
van  der  Burg,  Schollong,  Hasper  und  anderen  Kennern  der  Tropen  betont  Ver- 
fasser hingegen,  dass  gerade  das  Nervensystem  stark  in  Mitleidenschaft  gezogen 
wird,  dass  vor  allem  eine  bedenkliche  Neurasthenie  sich  einzustellen  pflegt,  die  sich 
in  erster  Linie  durch  quälende  Schlaflosigkeit,  leichte  Empfänglichkeit  für  Gemüths- 
eindrücke,  Apathie  und  Gedächtnisssch wache  characterisirt.  Im  Zusammenhänge 
hiermit  berichtet  Verfasser  über  11  Fälle  von  tropischen  Neuro-Psy chosen  (dar- 
unter auch  2 echten  Psychosen),  die  er  während  seines  3jährigen  Aufenthaltes  in 
Bangkok  unter  70  Landsleuten  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte.  In  der  Haupt- 
sache characterisirten  sich  dieselben  in  einem  völligen  geistigen  Bankerott;  Rück- 
kehr in  ein  günstigeres  Klima  schuf  schnell  Besserung.  Weiter  lässt  sich  Ver- 
fasser über  den  schädlichen  Einfluss  aus,  den  Malaria  in  ihrer  proteusartigen 
Form,  Dysentie,  Tropendiarrhoe,  Cholera,  Beriberi.  Lepra,  Tetanus  und  Lyssa  auf 
das  Nervensystem  ausüben.  Er  fasst  das  Resultat  seiner  Beobachtungen  dahin 
zusammen,  dass  Leute,  welche  nach  irgend  einer  Richtung  hin  zu  Nervenkrank- 
heiten disponirt  sind,  noch  mehr  aber  Personen,  die  bereits  an  einer  solchen 
leiden,  vor  allem  Epileptiker,  den  Aufenthalt  in  den  Tropen  meiden  sollten. 

G.  Busch  an -Stettin. 


Pestnachrichten. 

Die  Abnahme  der  Seuche  dauert  in  Indien  und  Arabien  fort.  In  Karachi 
kamen  nach  den  letzten  amtlichen  Berichten  vom  30.  Juni  täglich  nur  mehr 
3—6  Neuerkrankungen  vor,  nach  neueren  Zeitungsberichten  wurden  an  einigen 
Tagen  schon  gar  keine  neuen  Fidle  mehr  beobachtet  In  Djeddah  ist  nach  offi- 
ciellen  türkischen  Mittheilungen  die  Krankheit  erloschen,  Privatbriefe  sprechen 
jedoch  noch  von  vereinzelten  Erkrankungen.  Der  Hauptheerd  der  Epidemie  liegt 
jetzt  au  der  chinesischen  Küste.  Die  Ankunft  eines  pestkranken  I^tskaren  auf 
dom  Dampfer  „Carthage“  in  Plymonth  erregte  Ende  Juli  einiges  Aufsehen.  Der- 
selbe war  schon  an  Bord  in  einem  Rettungsboote  isolirt  worden  und  den  Fahr- 
gästen wurde  nach  ärztlicher  Untersuchung  die  Landung  gestattet. 

Von  den  europäischen  Häfen  dürfte  die  Pestgefahr  endgültig  ahge  waadt 
sein.  M. 


11.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


247 


b)  Pathologie  und  Therapie. 

Malaria. 

Ä.  Laveran,  Traitä  du  paludiime.  Paris  1898. 

Nach  einer  Auseinandersetzung  über  die  verschiedenen  Synonyma  für 
„Wechselfieber“,  kommt  Verf.  in  der  Einleitung  zu  dom  Schluss,  dass  das  Wort 
„paludisme“  für  „Wechselfieber“  das  beste  sei  und  fügt  hinzu,  dass  man  in 
einem  wissenschaftlichen  Werke  ein  und  dieselbe  „Sache“  mit  einem  einmal 
angenommenen  Worte  dauernd  bezeichnen  müsse.  Trotzdem  finden  wir  gleich 
am  Eingang  des  ersten  Capitels  die  Ueberschrift:  Repartition  de  l'endemie 
palustre  ä la  surfaee  du  globe,  nicht  repartition  „du  paludisme“.  Auf  Seito  3, 
12,  2t,  23,  25,  27  etc.  kommt  dann  das  vorher  als  minderwerthig  bezeichnete 
„fievres  palustres“  zur  Anwendung,  so  dass  der  Verf.  über  seine  einleitenden 
Bemerkungen  selbst  das  Urtheil  spricht. 

Das  483  Seiten  starko  Buch  enthält  27  Zeichnungen  (darunter  sind  auch 
die  Temperaturkurven  begriffen)  im  Text  und  eine  bunte  Tafel.  Ein  alpha- 
betisches Sachregister  fehlt  leider.  Die  beigefügte  „Table  des  Matieres“  hat 
wenig  Zweck. 

Der  ganze  Stoff  wird  in  12  Capiteln  abgehandelt  und  zwar  umfassen  die 
Capitel  1 — 4 die  Aetiologie,  die  Capitel  5 — 7 das  klinische  Bild,  das  Capitol  8 
die  pathologische  Anatomie,  das  Capitel  9 die  Diagnoso  und  Prognose,  das 
Capitel  10  die  Behandlung,  das  Capitel  11  die  Prophylaxe  der  Malariafieber  und 
endlich  das  Capitel  12  die  Beschreibung  der  bei  gewissen  Thieren  vorkommenden 
Blutparasiton,  die  denen  der  Malarialiebor  verwandt  sind. 

I.  Capitel.  1.  Verbreitung  der  Malariaendemio  auf  der  Oberfläche  der  Erde. 
2.  Meteorologische  und  tellurische  Verhältnisse,  die  die  Entwicklung  der  Malaria- 
fieber fördern  oder  hemmen:  Wärme,  Sonne,  Vegetation,  Feuchtigkeit,  Regen, 
Uebersehwemmungen,  Sümpfe,  Höhenlage  etc. 

Im  ersten  Abschnitt  der  ersten  Abtheilung  wird  die  Verbreitung  der 
Malariafieber  in  Europa  besprochen.  Die  Bearbeitung  der  einzelnen  Lander  ist 
sehr  ungleichmässig.  AVährend  Frankreich  in  eingehendster  Weise  besprochen 
wird,  und  z.  B.  die  Daten  aus  der  Geschichte  der  Malariafieber  in  der  Sologne 
mit  dem  Jahre  1586  beginnen,  fehlt  für  Deutschland  sogar  das  berühmte  Beispiel 
von  Wilhelmshafen,  das  sonst  in  jedem  grösseren  Werke  über  Malariafieber  citirt 
wird  und  sich  auch  in  der  histor.-geogr.  Pathologie  von  Hirsch  findet.  Das 
letztere  Buch  ist  zwar  angezogen  aber  anscheinend  nur  wenig  benutzt.  Auch 
Russland  wird  recht  schnell  abgemacht  Fernerhin  wäre  es  erwünscht,  zu 
erfahren,  in  welchen  5 Jahren  die  40  000  Malariakranken  im  Militairhospital  zu 
Athen  in  Behandlung  kamen  (S.  8). 

Im  zweiten  Abschnitt:  Die  „Malariafieberverbreitnng  in  Asien“  finden  wir 
dieselbe  Erscheinung.  Während  die  Malariafieber-Statistik  der  russischen  Armee 
für  1890  und  1893  mit  ihrer  Morbidität  angegeben  ist,  finden  wir  Angaben 
über  die  Wechselfieber-Mortalität  der  englischen  Armee  in  Indien  vom 
Jahre  1860  (die  Morbidität  ist  hier  nicht  angegeben),  und  für  Tonkin  werden 
schliesslich  die  verschiedenen  Malariafieberarten  ihrer  Häufigkeit  nach  aufgeführt. 
Eine  solche  Zusammenstellung  macht  jeden  Vergleich  unmöglich. 

Dieselbe  Erscheinung  wiederholt  sich  bei  der  Abhandlung  der  Verbreitung 
der  Malariafieber  in  Afrika  und  Amerika.  Ueberall  da,  wo  es  sich  um  französische 


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248 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Colonico  handelt,  finden  wir  genaue,  bis  ins  Einzelne  gehende  Angaben.  Der 
Rest  des  betreffenden  Erdtheils  wird  aber  stiefmütterlich  behandelt  So  werden 
z.  B.  die  Cap  Verdischen  Inseln  an  der  Westküste  Afrikas  völlig  übergangen, 
obgleich  sie  reich  an  Wechselfieber  sind.  Es  finden  sich  dafür  aber  bei  der  Be- 
sprechung Amerikas  die  kleinen  Inseln  von  Französisch- Guyana  einzeln  aufgezählt 

Auf  S.  17  findet  sich  das  plötzliche  Auftreten  des  Malariafiebers  auf  La 
Reunion,  Mauritius  und  Rodriguez  erwähnt.  Eine  befriedigende  Erklärung  dafür 
giebt  es  nach  Ansicht  des  Verf.  nicht.  Kohlbrugge  hat  in  dieser  Zeitschrift 
Bd.  II.  S.  11  darauf  hingewieseu,  dass  das  Auftreten  der  Malariafieber  auf 
Mauritius  vermuthlich  mit  der  Entwaldung  der  Insel  zusammenhängt  Er  führt 
aus:  Die  Malariakeime  waren  wohl  bereits  im  Boden  vorhanden,  konnten  sich 
aber  nicht  entwickeln,  weil  der  stets  feuchte  Waldboden  ungünstig  dafür  war. 
Erst  nach  der  Entwaldung,  als  Feuchtigkeit  und  Trockenheit  schnell  wechseln 
konnten,  kamen  die  Keime  zur  Entwicklung. 

Westindien  wird  in  4 Zeilen  abgemacht,  obgleich  doch  gerade  über  diese 
Gegend  viel  englische  und  spanische  Berichte  vorliegen. 

Auf  S.  21  tritt  uns  dann  plötzlich  der  Malayische  Archipel  mit  den 
Philippinen  unter  der  Rubrik  Oceanien  entgegen.  Wir  in  Deutschland  rechnen 
diese  Gebiete  zu  Asien.  Diese  Gegend  wird  auch  recht  schnell  abgemacht  Die 
zahlreichen  Arbeiten  der  Holländer  über  Malaria  werden  mit  keinem  Worte 
erwähnt.  Dafür  folgen  aber  die  auffallenden  Sätze:  „Aux  coutraire  les  autre» 
lies  de  l'Oceanie,  malgre  l'existence  de  nomhreux  marais,  jouissent,  au  point  de 
vue  du  paludisme,  d une  salubrite  tres  grande.*4  Dann  folgt  die  Bemerkung,  dass 
Neu-Caledonien  nach  den  Berichten  verschiedener  französischer  Autoren  malaria- 
frei ist  und  den  Schluss  bildet  der  Satz:  „Les  iles  de  la  Polynesie,  de  la  Melamsie. 
de  la  Micronesie  sont  egalement  indemnes.“  Derartige  Behauptungen,  wie  sie 
die  beiden  französisch  angeführten  Sätze  enthalten,  sollten  von  einem  Autor  wie 
Laveran  nicht  aufgestellt  werden.  Man  denke  nur  an  dio  Berichte  von  Schelloog 
(99%  Malariamorbidität  in  Finschhafen  auf  Neu-Guinea)  oder  man  lese  einen 
Sanitätsbericht  der  Kaiserlichen  Marine  durch,  so  wird  man  stets  finden,  dass 
die  Besatzungen  unserer  Schiffe  in  der  Südsee  (Bismarck-Archipel,  Apia,  Salomons- 
Inseln)  bis  zum  heutigen  Tage  ständig  unter  Wechselfiebern  zu  leiden  haben,  die 
sie  sich  an  den  genannten  Plätzen  zugezogeu  haben. 

Gegen  die  allgemeinen  Schlussfolgerungen  am  Ende  der  ersten  Abtheüung 
des  1.  Kapitels  ist  kein  Ein  wand  zu  erheben.  Sie  enthalten  allbekannte  That- 
sachen. 

2.  In  der  zweiten  Abtheilung  bespricht  der  Verf.  zunächst  den  Einfluss,  den 
die  Wärme  auf  die  Entstehung  der  Malariafieber  hat  Er  stellt  dabei  den  Satz 
auf : „Dans  les  pays  chauds  ou  temperes  . . . pendant  l’hiver  on  n'observe  <jue  des 
rechutes  de  fievre.“  Das  stimmt  nun  in  dieser  allgemeinen  Fassung  nicht  Ich 
selber  habe  in  Westindien  im  December  und  Januar  Neu-Erkrankungen  von 
Wechselfieber  bei  unseren  Leuten  an  Bord  beobachtet*).  Wechsel  fieberfalle  werden 
ja  natürlich  in  der  Winterszeit  sehr  selten  sein,  aber  sie  kommen  doch  vor. 
Auch  dem  Satz:  „Dans  les  rcgions  les  plus  chaudes  du  globe  les  marins  sont 
ä l’abri  du  paludisme  tant  qu’ils  ne  descendent  ä terre“  kann  ich  in  dieser  all- 

*)  Wir  kamen  auf  der  Auereiae  tua  Kiel  erat  am  leisten  November  nach  Weatindien  oa i 
hatten  vorher  nur  malaiiafreie  Plätze  angelanfen.  Der  erste  Wechsel  Aeberfall  ging  Anfiag 
December  in  Port  au  Printe  in.  Ich  fand  die  groaecn  Formen  der  Malariaparasiten  im  Blatt- 


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IT.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


249 


gemeinen  Fassung  nicht  beistimmen.  Man  denke  nur  an  das  Beispiel,  das  Leon- 
hardt von  der  Rhede  von  Arica  erzählt.  Das  Schiff  lag  2 Seemeilen  vom  Lande 
ab.  Wegen  Kriegszustand  kam  die  Mannschaft  nicht  an  Land.  Das  Schiff  kam 
aus  den  fieberfreien  Gegenden  Südchiles  und  hatte  bis  dahin  keine  Wechselfieber- 
kranken gehabt.  An  Land  war  Wechselfieber  weit  verbreitet.  Mit  der  Zeit 
traten  zahlreiche  derartige  Erkrankungen  an  Bord  auf. 

Es  wird  nun  der  Einfluss  des  Bodens  und  der  Feuchtigkeit,  der  Regen, 
Ueberschwemmungen  und  der  verschiedenen  Arten  von  Sümpfen  besprochen. 
Verf.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  der  Erdboden,  der  abwechselnd  trocken  und 
feucht  wird,  der  zur  Entwicklung  von  Malariafiebern  geeignetste  ist.  Zwischen- 
durch wird  noch  der  eigenthümlichen  Erscheinung  Erwähnung  gethan,  dass  dicht 
□eben  verseuchten  Plätzen  ganz  gesunde  liegen  können. 

Es  findet  sich  ferner  hier  dio  Thutsachc  angeführt,  dass  Malariafieber 
namentlich  nach  Umbrechen  des  Bodens  entstehen.  Es  wird  dies  durch  ver- 
schiedene Beispiele  belegt.  Dass  das  Fehlen  von  Malariafiebern  auf  Tahiti  und 
Neu-Caledonien  durch  das  ständige  Wehen  des  Monsuns  bedingt  sein  könnte, 
wie  Pauly  meint,  hält  Verf.  für  eine  „evidente  exageration“.  Der  Einfluss  des 
Windes  auf  das  Auftreten  und  Nichtauftreten  von  Malariafiebem  darf  aber  nach 
Ansicht  des  Ref.  nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden.  Es  müssen  natürlich 
die  lokalen  Verhältnisse  eingehend  dabei  berücksichtigt  werden.  Denn  es  ist 
klar,  dass  ein  ständig  wehender  Wind , der  direct  vom  Meere  kommt,  anders 
wirken  muss,  als  einer,  der  vorher  über  malariadurchseuchte  Strecken  ge- 
gangen Ist. 

Zum  Schluss  wild  der  günstige  Einfluss  der  Höhenlage  besprochen  und 
durch  Beispiele  illustrirt  Aber  auch  hier  ist  der  Verf.  zu  allgemein.  Er  be- 
rücksichtigt auch  hier  nicht,  dass  stets  die  lokalen  Verhältnisse  eingehend  zu 
untersuchen  sind,  und  dass  nicht  die  Lehre,  die  ein  Beispiel  giebt,  unverändert 
auf  andere  Verhältnisse  übertragen  werden  darf.  Wozu  das  in  praxi  führen 
kann,  lässt  sich  aus  den  von  Menso*)  angeführten  Thatsachen  ersehen.  „Stanley 
hatte,  als  er  die  Grundlagen  des  Congostaates  legte,  mit  Vorliebe  die  Bergspitzen 
und  Höhen  zum  Stationsbau  ausgewählt  So  fand  Mense  auch  die  Wohnungen 
der  Europäer  in  Leopoldville  auf  dem  Gipfel  des  70  m hohen  Mont  I/eopold  an- 
gelegt, einen  zweiten  Theil  derselben  auf  halber  Bergeshöhe  nach  NO  hin.  Die 
auf  dem  Gipfel  wohnenden  Europäer  orkrankten  stets  sämmtlich  und  lieferten  die 
schwersten  hämoglobinurischen  Fieber.  Dio  in  halber  Höhe  Wohnenden  erkrankten 
alle  leichter  und  weniger  häufig.  Den  Grund  für  diese  Erscheinung  sucht  M. 
darin,  dass  der  Gipfel  des  Mont  Leopold  voll  von  dem  SW -Wind  getroffen 
wurde,  der  vorher  über  die  malariadurchseuchten  Flussthiiler  gestrichen  war, 
während  die  Häuser  auf  halber  Bergeshöhe  vor  diesem  Winde  ziemlich  geschützt 
.waren.  Dio  Häuser  oben  mussten  schliesslich  geräumt  werden.  Als  sie  wegen 
Kaummangels  wieder  belegt  werden  mussten,  erkrankten  die  Europäer  in  gleicher 
W eise  schwer  wie  früher.  „In  dem  hochgelegenen  Vivi  sah  ich  denn  auch 
in  drei  Monaten  mehr  Schwarzwasserfieber,  als  in  dem  unteren  Theilo  von 
I^eopoldville  in  der  sechsfachen  Zeit  Nord- Man yanga,  stolz  auf  einem  steilen 
Hügel  über  dem  Strome  gelegen,  hatte  seinerzeit  die  grösste  Morbidität  und 


*)  Vortrag,  gehalten  auf  der  68.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Acrzte. 
Bonderabdruck  aus  der  Wiener  Klinischen  Rundschau  S.  6 u.  folgd. 


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250 


EL  Besprechungen  und  Litte  raturangaben. 


Mortalität  allor  Stationen  am  Congo,  bis  es  geräumt  und  auf  das  andere  Ufer 
hart  an  den  Fluss  verlegt  wurde.  Die  hohen  Missionsorte  ETnderhill  und  Pala- 
balla  weiter  stromabwärts  litten  in  gleicher  Weise“*). 

Im  zweiten  Capitel  bespricht  Verf.  zunächst  die  Versuche,  die  vor 
seiner  epochemachenden  Entdeckung  angestellt  worden  sind,  um  den  Erreger  der 
Malariafieber  aufzufinden.  Besonders  eingehend  beschäftigt  er  sich  mit  dem 
bacillus  malariae.  Denn  Marchiafava,  der  ihm  später  die  Priorität  der  Entdeckung 
der  Malariaparasiten  streitig  machen  wollte,  hat  noch  bis  1884  den  Malariabacillus 
vertheidigt.  Es  ist  also  dem  Verf.  nicht  zu  verdenken,  wenn  er  gleich  hier  im 
Anfang  seine  Priorität  wahrt.  Der  Vollständigkeit  halber  hätte  L.  auch  noch 
die  Arbeiten  von  Mosso  und  Maragliano  anführen  können,  die  darauf  ausgingen, 
die  Malariaparasiten  für  Degenerationszustände  der  rothen  Blutkörperchen  zu  er- 
klären und  die  Arbeiten  von  Cattaneo  und  Monti,  die  diesen  Einwand  endgültig 
widerlegten.  Die  Arbeit  von  Ziehl  ist  gleichfalls  nicht  erwähnt. 

Es  folgt  sodann  die  Mittheilung,  dass  L.  am  6.  November  1880  in  Constantine 
im  Blute  eines  Wechselfieberkranken  zum  ersten  Male  die  Malariaparasiten  in 
ihren  8 Formen:  Geissein,  Halbmonde  und  Sphären  sah.  Im  Anschluss  hieran 
führt  der  Verf.  alle  die  Arbeiten  an,  die  seitdem  erschienen  sind,  und  seine 
Beobachtung  bestätigt  haben.  Er  hat  sie  nach  den  verschiedenen  Erdtheilen 
geordnet 

Für  die  Europa  betreffenden  Arbeiten  ist  zu  bemerken,  dass  Mannaberg 
seine  Hauptstudien  nicht  in  Wien,  sondern  in  den  malariaroichen  Gegenden  von 
Istrien  machte.  Die  Arbeit  von  Jancso  und  Rosenberger  ist  nicht  angeführt 
Sonst  ist  aber  die  Literatur  in  ausgiebigster  Weise  berücksichtigt.  Das  Letztere 
gilt  auch  für  die  folgenden  Abschnitte.  Nur  die  Arbeiten  der  Holländer  sind 
bis  auf  eine  unbenutzt  geblieben.  Zu  bemerken  wäre  noch,  dass  Grawitz  (siehe 
S.  51)  seine  Beobachtungen  nicht  an  Kranken  machte,  die  aus  West-,  sondern  aas 
Ostafrika  stammten.  Fernerhin  giebt  L.  an,  dass  es  ihm  gelang  in  Blutpräparaten, 
die  ihm  aus  Calcutta,  Peking  (S.  56),  Mauritius  (S.  52)  und  Rio  de  Janeiro 
(S.  55)  geschickt  wurden,  Malariaparasiten  zu  finden.  Es  wäre  interessant  zu 
erfahren,  ob  diese  Blutpräparate  gefärbt  oder  ungefärbt  eingesandt  wurden. 
Mir  persönlich  ist  es  nie  gelungen,  Blutpräparate,  die  mir  ungefärbt  aus  Kamerun 
geschickt  wurden,  in  Deutschland  nachträglich  mit  Hülfe  der  gewöhnlichen 
Methoden  zu  färben.  A.  Plehn  ist  es  (nach  einer  brieflichen  Mittheilung  an  mich) 
ebenso  ergangen. 

Am  Schluss  spricht  sich  der  Verf.  dahin  aus,  dass  die  zahlreichen  Be- 
stätigungen, die  seine  Entdeckung  in  allen  Gegenden  der  Erde  gefunden  hat, 
dafür  spricht,  dass  der  von  ihm  gefundene  Parasit  der  Erreger  der  Malariafieber 
sei.  Dem  kann  nur  beigestimmt  werden. 

Das  dritte  Capitel  ist  der  eingehenden  Beschreibung  des  Malaria' 
parasiten  gewidmet.  Da  L.  nach  wie  vor  auf  dem  Standpunkte  steht,  dass  es 
nur  einen  Malariaparasiten  und  nicht  verschiedene  Arten  giebt,  so  kann  es 
nicht  Wunder  nehmen,  wenn  wir  im  ersten  Abschnitt  des  3.  Capitels,  das  dessen 
Beschreibung  gewidmet  ist.  Alles  das  zusammen  verarbeitet  finden,  was  bis  jetzt 
über  Formen  und  Bauart  des  Parasiten  bekannt  ist.  Etwas  Neues  finden  wir 
hier  nicht**).  Es  sei  nur  erwähnt,  dass  L.  die  Halbmonde  nicht  für  sterile 

a)  Mense  I.  c. 

••)  Obgleich  Ziemann’s  erste  Arbeit  wiederholt  citirt  ist,  ist  doch  in  diesem  Capitel  tob 
der  chromatischen  Kernfirbung,  durch  welche  Z.  sterile  und  nicht  sterile  Formen  Unterschiedes 
wissen  will,  nicht  erwähnt. 


II.  Besprechungen  und  Li  tteratu  rangaben. 


251 


Formen  hält,  weil  er  bei  verschiedenen  Fällen  von  Wechselfiebem  nur  Halb- 
monde und  keine  andern  Parasitenfonnen  im  Blute  fand.  Mannaberg’s  Syzygien- 
Theorie  erkennt  er  nicht  an,  weil  sich  die  Halbmonde  in  Spindeln  und  Sphären 
verwandeln  können,  und  es  dem  Verf.  unwahrscheinlich  ist,  dass  eine  Form,  die 
sich  durch  Aneinanderlegung  zweier  Elemente  bildet,  sich  später  stets  nur  in 
einfache  und  nicht  in  gedoppelte  Formen  verwandeln  sollte.  Ausserdem  hat  L. 
die  von  Mannaberg  beschriebene  Syzygienbildung  bei  den  Halbmonden  nie 
beobachtet. 

Die  letzte  Arbeit  von  Ziemann  hat  L.  nur  kurz  in  den  Addenda  benutzt. 
Im  3.  Capitel  des  Werkes  ist  daher  die  Ansicht  Ziemann’s:  Die  Halbmonde  sind 
steril,  weil  bei  ihnen  die  chromatische  Kernsubstanz  nicht  nachweisbar  ist,  noch 
nicht  berücksichtigt. 

Die  Geisselformen  hält  L.  nicht  für  Involutionsformen  1.  weil  sie  nach 
Chiningebrauch  verschwinden,  2.  weil  sie  in  der  Milz  häufiger  als  im  Fingerblut 
zu  finden  sind.  Geisselformen  werden  am  meisten  gesehen,  wenn  ein  Fieber- 
anfall bevorsteht.  — Auch  behauptet  L.,  dass  die  weissen  Blutkörperchen  mitunter 
lebende  Parasiten  einschlössen. 

Bedauerlich  ist,  dass  sowohl  die  Zeichnungen  der  Parasiten  im  Text  als  auch 
die  bunte  Tafel  so  schematisch  gehalten  sind. 

Nachdem  der  Verf.  noch  angeführt  hat,  dass  man  die  Parasiten  am  sichersten 
kurz  vor  dem  Fieberanfall  findet,  dass  es  vorkommt,  dass  boi  manchen  Kranken 
wochenlang  trotz  Chininbehandlung  sich  Halbmonde  zu  jeder  Zeit  im  Blute  finden 
können,  und  dass  auf  der  anderen  Seite  bei  perniciösen  Fiebern  die  Anzahl  der 
Parasiten  im  Fingerblut  gering  ist,  während  man  bei  der  Leicheneröffnung  die 
inneren  Organe,  wie  Milz,  Leber  und  Gehirn  überfüllt  davon  sieht,  kommt  er 
zur  wichtigsten  Frage  des  Capitels:  giebt  es  eine  oder  mehrere  Malaria- 
Parasitenarten? 

Nachdem  L.  die  bekannte,  von  Golgi  aufgestellte  Dreitheilung  der  Malaria- 
Parasiten  gebracht  hat,  fügt  er  hinzu,  dass  die  von  Golgi  gemachten  Unterschiede 
„sont  bien  loin  d'etre  constants“.  Das  stimmt  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade- 
Wenn  ferner  L.  behauptet,  dass  der  einzige  Unterschied  zwischen  den  Tertian- 
und  Quartan-Parasiten  die  Anzahl  der  gebildeten  Sporen  sei,  so  vergisst  er,  dass 
das  von  Tertian-Parasiten  befallene  rothe  Blutkörperchen  entfärbt  wird  und  bis 
auf’s  IV» fache  seiner  natürlichen  Grösse  aufgebläht  werden  kann,  was  beides 
beim  Quartan-Parasiten  nicht  beobachtet  wird.  Von  der  verschiedenen  Entwicklungs- 
dauer der  beiden  Parasiten  will  ich  absehen.  Denn  die  Dauer  der  Entwicklung 
ist  nicht  ganz  constant.  Dass  aber  jedem  Beobachter  zunächst  auffällt,  dass 
zwischen  den  Parasiten  einer  Kamerun-Malaria  und  denjenigen  einer  in  Deutsch- 
land erworbenen  ein  ganz  ungeheurer  Grössenunterschied  und  ein  deutlicher 
Unterschied  im  ganzen  Habitus  der  Parasiten  besteht,  das  erwähnt  L.  nicht. 
Wenn  L.  ferner  als  seine  Ansicht  stützend  den  Umstand  anführt,  dass  man 
Halbmonde  und  amoeboido  Formen  der  Parasiten  zusammen  finden  kann  und 
dass  man  bei  demselben  Kranken  bald  nur  Halbmonde,  bald  nur  amoeboide 
Formen  fände,  so  ist  das  für  die  Einheit  des  Parasiten  nichts  Beweisendes. 
Etwas  anderes  wäre  es,  wenn  er  den  Beweis  führen  könnte,  dass  die  Halbmonde, 
die  ja  nur  von  den  kleinen  Parasitenformen  gebildet  werden,  auch  zusammen 
mit  den  grossen  Formen  unserer  heimischen  Malariafieber  beobachtet  würden. 
Das  behauptet  nun  L.  auch.  Er  sagt  S.  81  wörtlich:  ,,Nous  avons  vu  que  dans 


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252 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


tous  les  pays  palustrcs  on  retrouve  1' hcmatozoaire  sous  ses  differentes  forme 
les  corps  en  croissant  ont  ete  vus  ä cötö  dos  corps  amiboi'des  en  Algerie.  a 
Tunisie  . . . . en  Allemngne“.  Das  ist  nicht  richtig.  Halbmonde  sini 
in  keinem  einzigen  Falle  bei  den  in  Deutschland  heimischen  Wachse  • 
fiebern  gefunden  worden.  Damit  verliert  aber  auch  der  folgende  Satz  seiet 
Beweiskraft:  „C'est  lä,  ce  me  semble,  une  excellente  preuve  <ju’il  s'agit  d'rn« 
meme  parasite;  s’il  v avait  des  especes  differentes  il  est  probable  <|ue,  dans 
taiues  loealitcs,  l’une  d'elles  se  rencontrerait  ä l’exclusion  des  autres“.  Es* 
solche  „local  ite“  ist  nun  Deutschland.  Bei  unseren  heimischen  "Wediselßebcr. 
finden  wir  nur  die  grossen  Formen  der  Malariaparasiten  unter  Ausschluss  ce 
Halbmonde. 

Die  Frage,  ob  der  Malariaparasit  einheitlich  ist  oder  nicht,  erscheint  dam 
entgegen  der  Ansicht  L.'s  immer  noch  discutabel. 

Die  anderen  Gründe,  die  L.  als  beweisend  für  seine  Ansicht  anführt,  sk 
ebenfalls  nicht  stichhaltig.  Er  sagt: 

Dieselbe  Behandlung  ist  bei  allen  Fieberarten  anwendbar.  Ganz  recht! 
Man  giebt  immer  Chinin  als  Specificum.  Das  beweist  aber  für  L.’s  Ansicht  niche. 
Denn  Jodoform  wirkt  z.  B.  entwicklungshemmend  sowohl  auf  Strepto-  als  J*i 
auf  Staphylococcen.  Deshalb  hat  aber  noch  Niemand  diese  beiden  Coceeoart* 
für  identisch  erklärt.  Ferner:  Der  Fiobertypus  wechselt  auch  noch  bei  Krankri 
die  langst  die  Malariagegenden  verlassen  und  gesunde  Erdstriche  aufgesucht  halw. 
Die  Gelegenheit  zur  neuen  Ansteckung  fehlte  also.  Um  das  zu  erklären  * * 
für  die  Gegner  der  Einheit  des  Parasiten  nöthig,  eine  Mischiufection  anzunehmtc. 
Das  ist  nicht  nöthig.  Dieser  Vorgang  lässt  sich  auch  durch  Eot wicklungshemmt.' 
erklären.  Dass  übrigens  durch  Mischinfoction,  d.  h.  durch  Infection  mit  wr- 
schiedenen  Malaria-Parasiten  der  Fiebertypus  bei  ein  und  demselben  Kraute 
geändert  werden  kann,  beweisen  die  Impfungen  von  di  Mattei.  M.  rajicct' 
einem  Kranken,  der  eine  Febris  quartana  hatte,  und  in  dessen  Blut  nur  yoirac- 
parasiten  nachgewiesen  werden  konnten,  eine  kleine  Quantität  Blut,  das  die  klei*<* 
halbmondbildenden  Parasiten  enthielt.  Die  letzteren  Parasiten,  die  den  Quart»- 
Parasiten  gegenüber  in  verschwindender  Menge  eingeführt  wurden,  verfranzte 
die  Quartan-Parasiten  vollständig,  und  es  entstand  ein  unregelmässiges  Fieber 

Es  folgen  dann  die  Aufzählungon  aller  der  vergeblich  angestellten  Verand* 
die  das  Auffinden  der  Malaria-Parasiten  ausserhalb  des  Körpers  bezwecktet  ft* 
vergeblichen  Culturversuche,  und  die  gleichfalls  vergeblichen  Versuche,  die  Mslzn 
Parasiten  auf  Thiere  zu  übertragen,  werden  ausführlich  besprochen. 

Auch  die  bei  Thieren  vorkommenden,  den  Malariafiebern  ähnliche  Erkruu- 
ungen  werden  angeführt. 

Es  folgt  sodann  die  Tochnik  der  Blutuntersuchung.  Nachdem  Verl 
ausdrücklich  darauf  hingewiesen  bat,  dass  es,  um  Parasiten  sicher  zu  M» 
nöthig  ist,  nur  solche  Kranke  zur  Blutuntersuchung  zu  nehmen,  die  in  der  lt* 
einen  Anfall  haben  und  in  der  letzten  Zoit  kein  Chinin  bekommen  haben.  (Skrt 
er  aus,  dass  es  am  besten  ist,  das  unter  den  bekannten  Vorsichtsmaassregeln  **• 
nommene  Blut  im  frischen  Präparate  ohne  jeden  Zusatz  zu  untersuchen. 
verwirft  dabei  die  Abbe’sche  Beleuchtung.  Sie  machte  die  Parasiten  zu  trat-- 
parent  Um  Trockenpräparate  herzustellen,  zieht  er  zwei  Deckgläschen  voo  är 
ander  ab  (das  Verfahren  von  Jan  eso  und  Bosen  berger  ist  nicht  erwähnt.  D* 
Verfahren  scheint  dem  Ref.  am  besten.)  und  lässt  die  Blutschicht  dann  dufb 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben.  263 

Hitze  oder  in  einer  Mischung  von  halb  Aether  und  halb  Alcohol  (absolutus)  auf 
den  Beckgläschen  fixiren.  Von  den  verschiedenen  D< ippelfiirbungsmethoden  (es 
werden  alle  angeführt)  zieht  Verf.  die  mit  Eosin  und  Methylenblau  vor.  Er  be- 
merkt sehr  richtig,  dass  man  die  besten  Resultate  erhält,  wenn  man  mit  den 
verschiedenen  Farblösungen  nach  einander  färbt.  Das  Mischen  der  Losungen 
giebt  beim  (jebrauch  oft  Niederschläge.  Nach  SacharofTs  Angabe  färben  sich  die 
Oeisseln  am  besten  mit  Gcntianaviolett. 

Rüge  (Kiel). 


Berichte  Robert  Koch’s  Ober  die  Ergebnisse  seiner  Forschungen  In  Deutsch-Ostafrika. 

Arbeiten  aus  dem  K.  Gesundhoitsamto.  14.  Band,  2.  Heft,  1898. 

Nachdem  der  Autor  in  erster  Linie  die  Malaria  in  Deutsch-Ostafrika  ab- 
handelt, worüber  bereits  in  diesem  Archiv  berichtet  wurde,  beschreibt  er  ad  II. 

Das  ISchwars Wasserfieber.  Vor  seinen  Untersuchungen  darüber  entnahm 
R.  Koch  aus  der  Literatur,  dass  es  von  den  Tropenärzten  für  eine  besondere 
Form  der  Malaria  gehalten  wurde,  wobei  verschiedene  Forscher  regelmässig  im 
Blut  der  Kranken  die  Malariaparasiten  nachgewiesen  haben  wollten. 

Beides  wird  durch  die  Forschungen  R.  Koch’s  widerlegt.  Während  Geh. 
Rath  R.  Koch  die  Symptomatologie,  wie  wir  sie  kennen,  und  wie  sie  so  oft 
beschrieben  ist,  bestätigen  konnte,  ging  er  daran,  sich  über  das  eigentliche  Wesen 
der  Krankheit  Gewissheit  zu  verschaffen.  Sein  Material  bestand  aus  16  Kranken, 
abgesehen  von  75  mit  in  Berechnung  gezogenen  Fällen,  über  welche  die  Medicinal- 
Abtheilung  der  Gouvernements  Angaben  erthoilte.  In  3 Fällen  trat  der  Tod  ein, 
= 19%  Mortalität,  welcher  Procentsatz  sich  mit  den  in  erwähnten  75  Fällen 
deckt.  In  zwei  Fällen  war  Verstopfung  der  Harncanälchen  mit  geronnenem 
Haemogiobin  die  Todesursache,  im  dritten  Falle  trat  der  Tod  ein  während  des 
Anfalles,  in  Folge  massenhaften  Zerfalls  von  Erythrocyten  und  dadurch  verursachten 
tiefen  Störungen  des  Lebensprocesses  ohne  zu  reichliche  Haemoglobinausschoidung. 
Insgasammt  nur  in  2 Fällen  fanden  sich  im  Blute  Malariaplasmodien,  aber  unter 
solchen  Umständen,  dass  ein  unmittelbarer  Zusammenhang  zwischen  diesem 
Befunde  und  dem  Schwarzwasserfieber  ausgeschlossen  werden  musste.  In  den 
übrigen  14  Fällen  wurden,  trotz  wiederholter  aufmerksamster  Untersuchung  in 
den  verschiedenen  Krankheitsstadieu,  keine  Spuren  von  Malariaparasiten  gesehen, 
ebensowenig  andere  Mikroorganismen,  auch  nicht  die  von  Yersin  angegebenen. 
Die  Krankheitsursache  musste  demnach  eine  andere  sein  und  hierüber  gaben 
unter  anderen  gerade  die  beiden  Falle  mit  Parasitenbefund  Aufschluss.  Der  erste 
Kranke,  8 Monate  in  Ostafrika,  hatto  vor  Aufnahme  in's  Krankenhaus  mehrfach 
Fieber,  vor  vier  Wochen  Schwarzwasserfieber  nach  Chiningebrauch.  Nach  einer 
Woche  Aufenthalt  im  Krankenhause  plötzlich  Fieber  mit  Parasitenbefund,  darauf- 
hin eine  Chiningabe  von  1 Gramm  während  der  Apyrexie,  einige  Stunden  hier- 
nach ein  Schwarzwasserfieberanfall.  Nachdem  keine  Symptome  mehr  bemerkbar 
und  auch  die  Parasiten  im  Blut  verschwunden  waren,  musste  der  Kranke  zur 
Verhütung  von  Recidiven  noch  zwei  Chinindosen  nehmen,  einige  Stunden  nach 
der  ersten  erfolgte  ein  typischer  Anfall  von  Schwarzwasserfieber  und  genau  zu 
derselben  Zeit  ein  ebensolcher  nach  der  zweiten,  am  fünften  Tage  nach  dem  Ver- 
schwinden seiner  Malaria  Dieser  Kranke  genas.  Im  2.  tödlich  verlaufenen 


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254  II.  Besprechungen  und  Litteraturangabeu. 

sehr  schweren  Falle  war  die  Veranlassung  zur  Chininbehandlung  eine  Tertiac- 
Malaria.  Der  Kranke  gab  an,  lOmal,  jedesmal  nach  Chiningebrauch,  Schwan- 
wasserfieberanfülle  gehabt  zu  haben,  Arsen  war  bei  ihm  ohne  Erfolg  und  ms 
seine  Malaria]>arasiten  zu  beseitigen,  wurden  0,5  Gramm  Chinin  subeutan. 
4 Stunden  vor  dem  zu  erwartenden  Anfall  angewendet.  Schon  2 Stunden  dar- 
nach Schüttelfrost  von  halbstündiger  Dauer,  Entleerung  von  250  ccm  schwarz- 
rothen  Urins,  Erbrechen,  Icterus,  hierauf  nach  8Vi  Stunden  Abgang  von  150  ccm 
ebensolchen  Crins,  Coma,  Herzschwäche,  10  Uhr  Abends,  12  Stunden  nach  der 
Injection,  exitus.  Bei  der  Obduction,  ausser  starker  Milzschwellung  und  icteriscber 
Färbung  aller  Organe,  keine  Veränderungen.  Im  Blut  des  Kranken  hatte  Verl 
nur  Tertianparasiten  in  2 Generationen  gefunden,  kurz  vor  dem  Tode  nur  noch 
eine  Generation,  die  andere,  in  deren  Sporulationzeit  die  Chinininjection  gefallen, 
war  verschwunden.  R.  Koch  nimmt  daher  an,  dass  bei  gewissen  Kranken  eine 
Idiosyncrasie  gegen  Chinin  vorhanden  sein  muss,  so  dass  das  Chinin  dann  ab 
Gift  wirkt  und  Schwarzwasserfieber  hervorruft,  dabei  entfaltet  es  auf  etwa  vor- 
handene Malariaparasiten  seine  bekannte,  entwicklungshemmende  Wirksamkeit 
wie  die  hier  mitgetheilten  Fälle  beweisen.  Die  übrigen  14  Falle  lagen  auch 
so,  dass  sie  als  Chininvergiftungen  (bei  empfänglichen  Personen  — Ret)  ge- 
deutet werden  konnten  und  viele  andere  nicht  selbst  beobachtete  Fälle  wei-en 
ebenfalls  darauf  hin,  in  den  ersteren  14  bewiesen  die  Gestalt  der  ffiebercurre. 
das  Fehlen  der  Parasiten  und  das  Ausbleiben  von  Recidiven,  dass  keine  Mal  an 
vorhanden  war,  sie  kann  sich  aber  gelegentlich  dabei  zeigen  und  die  Veran- 
lassung zu  Chiningaben  werden , welche  bei  vorhandener  Idiosyncrasie  der. 
Schwarzwasserfieberanfall  verursacht.  Es  braucht  deshalb  aber  nicht  jede» 
Schwarzwasserfieber  eine  Chininvergiftung  zu  sein.  Der  Mensch  kann  auch  an! 
andere  Substanzen  mit  einer  Haemoglobinurie  reagiren.  Wichtig  wäre  die  Er- 
mittelung des  Zustandekommens  dieser  Idiosyncrasie  in  den  Tropen  und  ob 
zu  beseitigen  ist.  Da  Frauen  und  Eingeborene  nicht  an  Schwarzwasserfieber  leiden, 
vermuthet  R.  Koch  Veränderungen  der  Blutbeschaffenheit  bei  thätigen  männlicher 
Europäern.  Die  Feststellung  des  Wesens  des  Schwarzwasserfiebers  dorei 
R.  Koch  kann  bei  den  bisherigen  differenten  Anschauungen  und  therapeutisches 
Maassnahmen  nur  mit  Freuden  begrüsst  werden,  die  Chinintherapie  dabei  oa« 
aufhören. 

C.  Däubler. 


Ein  Baitrag  zur  Kenntnis«  der  Kamerum-Malaria  nebst  Bemerkungen  Ober  saaiOn 
Verhältnisse  des  Schutzgebietes  Kamerun  von  Dr.  Döring,  Assistenzarzt  I.  Oasse. 
Sonderabdruek  aus:  Arbeiten  aus  dem  Kaiserlichen  Gesundbeitsnachr.  1898. 

Verfasser  behandelte  vom  1.  Mai  1896  bis  1.  Februar  1897  in  Karne nn 
169  Malariaerkrankungen  darunter  40  Schwarzwasserfieber.  Von  den  Kranket 
mit  Malaria  ohne  Hämoglobinurie  ist  ein  Patient  gestorben.  Zwei  Schiffsepidem« 
kamen  zur  Beobachtung,  die  eino  mit  einer  Krankenliste  von  17  bei  31  Maas 
Besatzung  betraf  einen  Küstendampfer,  die  andere  das  spanische  Kriegsscftil 
„Pelicano“.  Die  „Pelicano“  war  durch  einen  Unfall  beim  Aufslipen  behufs  Re- 
paratur so  auf  das  Slip  gelagert  worden,  dass  es  noch  theilweise  vom  Wasse: 
bespült  wurde  und  der  wechselnde  Wasserstand  eine  Ansammlung  von  Schlanuz 
und  l nrat  ringsum  bedingte.  Es  erkrankten  iD  einem  Zeitraum  von  zwei  Mooaac 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


255 


trotz  regelmässigen  prophylactischen  Chiningebrauchs  von  88  Europäern  und  12 
Negern  36  Europäer  und  1 Schwarzer  zusammen  an  98  Malariafällen.  Der  erste 
Fall  trat  14  Tage  nach  dem  Aufslipen  ein.  Die  Diagnose  wurde  auch  durch  das 
Microscop  gesichert 

Auffallend  ist  iu  dem  Berichte  die  grosse  Zahl  von  hämoglobinurischen 
Fiebern,  vierzig  in  zehn  Monaten ! Acht  von  diesen  zeichneten  sich  durch  heftiges 
anhaltendes  Erbrechen,  schweren  Icterus  und  verminderte  zeitweise  ganz  aufge- 
hobene Harnausscheidung  bei  niedrigem  spezifischen  Gewicht  des  Urins  aus,  fünf 
endigten  tödtlich  bei  ehininloser  Behandlung.  Da  der  Obductionsbefund  auf  der 
Magenschleimhaut  dicke  zähe  Schleimauflagerungen  ergab,  welche  als  Ursache  des 
Erbrechens  angesehen  werden  konnten,  so  versuchte  D.  dieselben  bei  den  übrigen 
Kranken  durch  die  von  ihm  schon  früher  angewandten  Magenausspülungen  mit  alka- 
lischen Lösungen  zu  beseitigen.  Der  Erfolg  war  gut,  die  Anwendung  selbst  aber  für 
die  geschwächten  Kranken  zu  angreifend.  Deswegen  ging  D.  zur  inneren  Anwendung 
von  künstlichem  Karlsbader  Salz  über  und  erzielte  in  mehreren  Fällen  Schleim- 
lösung, Aufbüren  des  Erbrechens  und  wohlthuende  Durchfälle.  In  einem  andern 
Falle,  wo  D.  das  Erbrechen  als  urämische  Erscheinung  auffasste,  hatte  ein  Ader- 
lass von  100  ccm  ausgezeichnete  Wirkung. 

Mehrere  Male  sah  D.  anstatt  der  Hämoglobins  Gallenfarbstoff  im  Blut  auf- 
treten.  Die  mitgetheilten  Krankengeschichten  erläutern  die  Verschiedenheiten  im 
Verlauf  der  einzelnen  Fälle. 

Die  microscopische  Untersuchung  ergab  im  Anfänge  des  Schwarzwasser- 
fiebers fast  stets  typische  Malariaplasmodien,  ein  besonderer  Erreger  wurde  nicht 
gefunden.  In  einem  Falle  trat  Schwarzwasserfieber  mit  Plasmodien  ohne  vorher- 
gehenden Chiningenuss  auf,  in  einen  andern  wurde  Hämoglobinurie  ohne  Plas- 
modien anfangs  ohne,  später  mit  Temperatursteigerung  wiederholt  nach  prophy- 
laktischen Chiningebrauch  beobachtet. 

Obschon  D.  den  Standpunkt  vertritt,  dass  der  Ausbruch  des  Schwarzwasser- 
fiebers fast  stets  durch  das  Zusammentreffen  von  Chinin  mit  activen  Malaria-Er- 
regern bewirkt  wird,  empfiehlt  er  doch  zur  Verhütung  desselben  eine  regelmässige 
Chininprophylaxe,  um  das  Blut  an  das  Heilmittel  zu  gewöhnen.  Im  hämoglobi- 
nurischen Anfalle  selbst  vermeidet  er  Chinin. 

Nach  den  bisherigen  Aufstellungen  der  Kameruner  Aerzte  tritt  das  Schwarz- 
wasserfieber von  Jahr  zu  Jahr  häufiger  auf. 

Eine  vergleichende  Statistik  der  Sterblichkeit  bei  Männern  und  Frauen  nach 
den  Listen  der  Baseler  Mission  ergiebt  eine  Mortalität  von  26,  2%  bezw.  25% 
in  einem  Zeitraum  von  zehn  Jahren.  Die  ersten  Monate  und  Jahre  des  Aufent- 
halts in  Kamerun  sind  die  gefährlichsten.  M. 


Pest. 

lieber  die  Pest.  Nach  eigenen  Beobachtungen  von  Geh.-Rath  Prof.  Dr.  R.  Koch, 
Vortrag  in  der  Gesellschaft  für  öffentl.  Gesundheitspflege  zu  Berlin,  7.  Juli  1898. 
Der  Vortr.  betont  eingangs,  dass  die  Expansionskraft  der  Pest  sich  geändert 
habe,  während  sie  früher  über  ganze  Ertheile  sich  verbreitete,  kann  sie  jotzt  mehr 
und  mehr  localisirt  worden.  Aber  zugleich  verschieben  sich  die  Pestheerde  und  die 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Verbreitungswege.  In  der  neuesten  Zeit  konnten  au  der  Südkiiste  Chinas  1 891 
in  Hongkong  Aerzte,  welche  mit  unseren  heutigen  wissenschaftlichen  Forschungs- 
methoden  vertraut  waren,  feststellen,  dass  die  dort  herschende  vielfach  beschriebene 
Krankheit  die  alte  Beulenpest  sei  Vor  kaum  zwei  Jahren  war  diese  Krankhe  • 
uns  von  Bombay  aus  bis  London  bedenklich  nahe  gerückt,  jetzt  noch  wurde  erst 
vor  einigen  Wochen  ein  pestverdächtiges  Schiff  in  Suez  in  Quarantäne  gelegt 
Die  genaue  Erkennung  der  Krankheit  ermöglicht  ihre  Verbreitung  zu  hindern: 
wir  verdanken  dieses  dem  Japaner  Kitasato,  der  uns  den  Pesterreger  kennet 
lehrte.  So  konnte  R.  Koch  jetzt  in  Indien  den  Schleier  lüften,  der  das  Wes« 
der  Krankheit  verhüllte  und  über  Ausbreitungsweise,  Immunitätsverhältnisse,  pa- 
thologische Veränderungen  orientireu. 

Die  Pest  stellt  sich  nach  R.  Koch’s  Auffassung  als  eine  Rattenkrankhe:: 
dar;  die  Ratten  übertragen  sie  erst  auf  den  Menschen,  da  sie  eine  Bacterienm- 
fection  ist,  so  muss  sie  irgendwo  endemisch  vorhanden  sein,  sie  muss  Heerde  besitzen, 
von  wo  aus  sie  sich  vorbreitet.  Der  Vortr.  bespricht  dann  die  alten  schon  bekannten 
asiatischen  Heerde,  1.  Mesopotamien,  2.  Assir  in  Arabien,  3.  Tibet  und  den  süd- 
lichen Theil  Chinas,  die  Provinz  Junnam.  Den  vierten  Pestherd  den  R Koch 
entdeckte,  kannte  man  bisher  nicht,  er  liegt  in  Ostafrika  am  Vietoria-Nyaoza  i* 
Kisiba  und  dem  benachbarten  Uganda 

Die  Entdeckung  dieses  Heerdes  schildert  Vortr.  eingehend,  indem  er  Stahs- 
arzt  Dr.  Kubitza's  Verdienste  hervorhebt,  welcher  für  ihn,  der  mit  der  Malans- 
forschung  beschäftigt  war,  von  der  ostafrikanischon  Küste  aus  am  31.  8.  Is97 
nach  Kisiba  gesandt  wurde,  um  die  R.  Koch  gemeldete,  von  ihm  für  Pest  ge- 
haltene Krankheit  zu  untersuchen  und  nach  seinen  Vorschriften  angefertigte  Deck- 
glaspräparate vom  Blut  der  Kranken  und  von  Ratten  zu  senden,  sowie  Organe  und  ia 
Spiritus  gesetzte  Cadaver  spontan  erkrankter  Ratten.  Dr.  Kubitza  machte  ausser- 
dem an  Ort  und  Stelle  5 Obductionen.  Die  Krankheit  wird  von  den  Eingeborner, 
l/obunga  oder  Mbunga  genannt,  sie  fürchten  jeden  Rattencadaver,  denn  sie  wisse:, 
dass  der  Krankheit  unter  ihnen  die  Rattensterblichkoit  vorangeht.  Die  Krankte' 
selbst  gleicht  in  ihren  Symptomen  völlig  der  Bnbonenpest,  beginnt  mit  Hinfälligkeit 
Schüttelfrost,  Kopfschmerz,  hoher  Fiebertemperatur  am  2.  resp.  3.  Tage,  daraai 
sind  die  bekannten  Drüsenschwellungen  zu  bemerken  und  verläuft  fast  immer 
tödlich,  in  10  als  echte  Pest  erkannten  Fällen  starben  9.  Der  Vortr.  verfass 
dann  einige  kurze  Krankengeschichten  von  der  Hand  des  Dr.  Kubitza,  die  eu» 
betrifft  eine  26  jährige  Negerfrau,  welche  Abends  Schüttelfrost  hatte,  am  anderen 
Morgen  wallnuss  bis  pflaumengrosse  Bubonen  in  der  linken  Leistengegend,  jcf 
Druck  schmerzhaft,  oben  rechts  am  nals  eine  geschwollene  Drüse.  Ueber  de» 
Drüsenschwellungen  zeigte  sich  kein  Oedem.  Am  4.  Tage  leichte  Durchfalle,  ss 
5.  Tage  exitus.  Bei  der  Section  zeigten  sich  in  den  hacmorrhagischen  Drüsec 
eine  solche  Menge  von  Pestbacillen,  dass  die  Drüsen  davon  erfüllt  erschien« 
Im  zweiten  Fall,  wo  die  gleichen  Symptome  neben  Aufgetnebensein  des  Abd-rs« 
zuerst  auftraten  und  am  3.  Krankheitstage  der  exitus  erfolgte,  fanden  sich  be 
der  Section  in  der  linken  Leistengegend  wallnussgrosse  Drüsen,  auf  dem  Dursci- 
schnitt  dunkelrothes  Zellgewebe  zeigend,  eine  andere  sah  auf  den  Schnitt  rsth- 
grau  aus.  Die  Gefässe  des  Netzes  waren  stark  mit  Blut  gefüllt,  mesenterial  and 
retroperitoneale  Drüsen  vergrössert  Hämorrhagien  in  derSerosa  des  Darms,  die  JEi 
sehr  gross,  weich,  die  Nieren  sehr  blutreich.  Die  Leistendrüsen  beiderseits  bildet« 
eine  Kette,  ln  Leber  und  Milz,  besonders  in  letzterer,  fand  R Koch  so  viel  P«s- 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


257 


bacterien,  dass  deren  mehr  waren  als  Milzzellen.  Die  gefundenen  Bacterien 
gleichen  in  Aussehen  und  Verhalten  gegen  Farbstoffe  völlig  denen  in  Indien  bei 
der  Pest  beobachteten. 

Die  Verhältnisse  in  Kisiba  sind  der  Pestentwicklung  sehr  günstig.  Die 
Bewohner  loben  fast  nur  von  Bananen,  die  Bananenhaine,  welche  sich  über  das 
ganze  land  erstrecken,  sind  undurchdringlich  und  in  diesem  für  Luft  und  Licht 
unzugänglichen  Dickicht  wimmelt  es  von  Batten.  Erkranken  die  Ratten,  so  ist 
eine  Uebertragung  auf  Menschen  durch  die  Bananen  und  auch  durch  die  Haut, 
erklärlich,  ebenso  wie  durch  Getreide,  da  in  den  Getreidesäcken  oft  verendete, 
pestkranke  Ratten  gefunden  werden.  (Ref.)  Die  Ratten  inficiren  sich  auch  unter- 
einander, wie  durch  Fütterung. 

Kisiba  sieht  R.  Koch  nur  als  den  Ausläufer  eines  Postheerdes  an,  dor  sein 
Centrum  im  benachbarten  Uganda  am  Kagera-Nil  hat,  Kisiba  liegt  in  einem 
Winkel  zwischen  Kagera-Nil  und  Victoria-Nyanza  ausser  allem  Verkehr.  Nach 
den  Aussagen  von  Missionaren  soll  in  Uganda  seit  undenklichen  Zeiten  die  Pest 
endemisch  sein.  Ugandas  Verkehr  mit  der  Aussenwelt  wird  nach  Osten  zu  durch 
die  Eisenbahn  nach  Mombassa  eröffnet,  nach  Norden  haben  jedenfalls  Sclaven- 
transporte  die  Krankheit  verschleppt,  so  hat  Emin  Pascha  in  seiner  Provinz,  nach 
Aussage  Dr.  Stuhlmann’s,  Pestfälle  beobachtet,  und  die  isolirten  Pestausbrüche  in 
Aegypten  kann  man  sich  auch  nur  auf  solche  Weise  erklären. 

Vortr.  ist  der  Ansicht,  dass  bald  auch  der  letzte  Pestheerd  gesäubert  werden 
könne.  Nachträglich  bemerkt  derselbe,  dass  die  Pestbacterien  aus  China  und  von 
überallher  dieselben  seion.  Der  Einwand,  dass  für  Afrika  Beweise  "durch  ange- 
legte Culturen  fehlten,  sei  nicht  stichhaltig,  weil  förmliche  Reincultnren  auch  in 
den  ihm  zugosandten  Organen  vorhanden  waren,  besonders  bei  den  Ratten.  Dieser 
Beweis  sei  besser,  als  der  durch  Culturen  auf  künstliche  Nährböden,  die  man 
in  der  Wildniss  nicht  herstellen  kann. 

C.  Däubler. 


Icterus. 

Een  geval  van  Icterus  febrills,  beschrieben  von  Goedhnis  Rail  und  Eykman. 

Geneeskundig  tijdschrift  voor  Ned-Indie,  Deel  36  Aflevering  4.  1896. 

Patient,  ein  eingeborener  Soldat,  litt  an  stark  remittirenden  Fieber,  Morgens 
37 — 38'  C.  Bluttomperatur,  Mittags  40 — 40,5°,  unter  Chiningebrauch  blieb  er 
in  den  ersten  Tagen  nach  der  Aufnahme  am  1./10.  95  subfebril.  Am  12./10.  trat 
Icterus  ein.  Die  Herzdämpfung  ging  nach  rechts  in  den  gedämpften  Ton  des 
infiltrirten  mittleren  Lungenlappen  über.  Am  Mitral-  und  Pulmonalostium  starke 
systolische  Geräusche,  der  2.  Pulmonalton  verstärkt,  Leber  und  Milz  vergrössert, 
Druck  auf  die  Leber  sehr  schmerzhaft.  Der  dunkelbraune  Urin  enthielt  viel 
Eiweiss,  dessen  Sediment  Leucocyten  und  granulirte  Cylindor.  Die  Blutunter- 
suchung auf  Malariaplasmodien  fiel  negativ  aus.  Unter  Zunahme  der  Herzschwäche 
Collaps,  am  16.  Tage  exitus  letalis. 

Resultat  der  Obduction  (6  Stunden  nach  dem  Tode):  Hepatitis  parenchymatosa 
acuta  cum  ictero  hepatogeni.  Foci  bronchopneumonici.  Pleuritis  et  Pericarditis 
serofibrinosa  recens.  Endocarditis  chronica  fibrosa  valvulae  mitralis.  Dilatatio 
cordis  totius  et  degeneratio  parenchymatosa.  Degeneratio  parenchymatosa  renura. 
Perisplenitis  adhaesiva. 


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258 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Sowohl  vom  Herzblut,  als  von  Leber,  Milz  und  Nieren  wurden  Agar-  und 
Blutserumculturen  ohne  Erfolg  angelegt  Deckglaspräparate  zeigten  keine  Mikroben. 

C.  Däubler. 


Over  den  Icterus  febrilit,  de  acute  gele  leveratrophie  en  de  acute  phosphorusinto- 
xlcatie  door  C.  L.  Bense.  Geneeskund.  tijdschrift  voor  N.  Indie.  Deel  37.  Afl. 
3.  u.  4.  1897. 

Im  Anschluss  an  einen  im  grossen  Militärepital  zu  Soerabaya  beobachteten 
Fall  von  Weil’scher  Krankheit,  welcher  nach  allen  Richtungen  genau  analysm 
wurde  und  durch  Vergleichung  mit  anderen,  auch  in  der  Literatur  bekannt  ge- 
wordenen Fallen  von  obengenannten  drei  Krankheiten  in  verschiedenen  Klimaten. 
kommt  Yerf.  zu  folgenden  Schlüssen. 

Während  bei  der  acuten  Phosphorvergiftung  der  Tod  bereits  durch  Läh- 
mung der  Herznervencentra  eintreten  kann,  ehe  die  parenchymatöse  Degeneration 
vorgeschritten  ist,  muss  die  acute  gelbe  Leberatropie  nur  als  ein  Symptom  der 
acuten  parenchymatösen  Degeneration  im  Verlaufe  des  icterus  catarrhalis  ange- 
sehen werden,  welche  durch  Resorption  eines  Enzyms  verursacht  wurde,  das  sich 
durch  Fermentation  abnormen  Darminhaltes  bildete. 

Die  Weil'sche  Krankheit  sei  eine  Infectionskrankheit,  verursacht  durch  Pro- 
teustluorescens  und  mit  Unrecht  oft  für  acute  gelbe  Leberatrophie  angesehen. 

Der  Icterus  epidemicus  in  Europa  ist  die  epidemische  Form  von  icterus 
febrilis.  • 

In  Gegenden,  wo  der  icterus  febrilis  endemisch  ist  (Aegypten,  Südamerika!, 
sind  die  Epidemien  mörderisch.  Das  ganze  klinische  Bild  vom  biliösen  Typhoid 
und  tropischen  Gelbfieber,  und  auch  die  Obducti onsresultate  stimmten  mit  Wefl'- 
scher  Kraukheit  überein.  Es  schiene,  dass  Boden  und  Klima  und  noch  andere 
Factoren  (?)  in  den  Tropen  eine  intensivere  Infection  verursachten.  Ueber  die 
Art  des  Enzyms  und  dessen  Darstellung  schweigt  Verfasser. 

C.  Däubler. 


Parasitäre  Krankheiten. 

Weitere  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  der  Bllharzia  (Distoma  haematobiu«. 
Cobbold).  1 Tafel,  Fig.  1 von  Dr.  St.  Kartulis.  Arzt  am  Regierungshospitsi 
zu  Alexandrien.  (Virchows  Archiv,  Band  152,  Heft  3.) 

Nachdem  der  bokannte  Autor  über  einen  Fall  von  Epitheliom  des  Fasses 
und  Unterschenkels  mit  Bilharzia-Eiem  behaftet  berichtete,  der  nach  Amputation 
genau  microscopirt  wurde,  wodurch  in  der  Granulationszone  des  Hautepithelice» 
und  an  der  Peripherie  der  Epithelzapfen,  Bilharziaeier  nachgewiesen  werden 
konnten,  zeigt  er,  dass  um  die  Eier  das  Bindegewebe  hypertrophirt.  In  dem  fettig 
entarteten  Gewobo  der  Muskeln  befanden  sich  keine  Bilharziaeier.  Die  Frage,  wie 
die  Eier  in  Fuss  und  Unterschenkel  gelangt  sind,  kann  Verf.  nicht  ohne  Zuhilfe- 
nahme von  Untersuchungsresultaten  anderer  Forscher  beantworten,  er  schliesst 
sich  für  seinen  Fall  der  Ansicht  von  Harley  Brock  und  besondere  Loos  an.  dass  die 
Parasiten  direct  durch  die  Haut  übertragen  werden,  z.  B.  beim  Baden.  Die  Stachel- 
drüsen der  Billiarzia  finden  sich  in  solcher  Ausdehnung  nirgends  bei  andere® 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben.  259 

Trematoden-Embryonen  und  ihr  Secret  übt  eine  erweichende  Wirkung  auf  die 
Haut  von  Froschlarven  aus.  Dass  die  Parasiten  entgegen  dem  Blutstrom  von  den 
Unterleibsvenen  in  die  des  Unterschenkels  hinabechwimmen , sei  weniger  wahr- 
scheinlich. Verf.  giebt  dann  noch  eine  Uebersicht  des  Vorkommens  von  Ge- 
schwülsten bei  Bilharzia,  woraus  besonders  die  Häufigkeit  der  Blasentumoren, 
darnach  der  des  Bectums  erhellt,  da  fast  in  jedem  Falle  von  fortgeschrittener 
Bilharzia-Blasenentzündung  dio  Schleimhaut  mit  Knötchen  besetzt  ist,  die  je  nach 
ihrer  Grösse  als  Papillome,  Polypen  und  Fibrome  bezeichnet  werden  können  und 
welche  in  ihrem  Gewebe  eine  grosse  Menge  von  Distomeneiern  beherbergen.  In 
300  Biiharziafällen  beobachtete  Verf.  10  mal  Carcinom  der  Blase,  davon  9 primär, 
eins  von  der  Prostata  ausgehendes,  in  deren  Bindegewebsstroma  die  Distomeneier  frei 
lagen.  Sarcom  bei  Bilharziainfection  beobachtete  Kartulis  nur  einmal.  Im  Rectum 
verursachen  die  Distomeneier  Blutungen,  Verschwärungen  und  sehr  häufig  kleine 
aus  gefässreichem  mit  Eiern  durchsetzten  Bindegewebe  bestehende  Polypen. 
Primäres  Rectumcarcinom  bei  Distomeninfection  fand  Verf.  nur  einmal. 

C.  Däubler. 


Rinderpest. 

Berichte  Ober  die  Fortchungsergebnitte  aus  Deutsch-Ostafrika  von  Robert  Koch. 

Deutsches  Kolonialblatt.  8 Nummern  vom  12./2.  bis  1./5.  1798. 

Kurz  vor  seiner  Excursion  zum  Usambaragebirge  entnahm  R.  Koch 
Rinderzecken  von  Thieron,  welche  einer  mit  Texasfieber  inficirten  Herde  ange- 
hörten und  scheinbar  gesund  waren.  Sie  wurden  in  ein  mit  Wattoverschluss 
versehenes  Glas  gesetzt.  Zecken  von  einem  texasfieberkranken  Kalbe,  das  am 
nächsten  Tage  starb,  wurden  ebenso  abgenommen  und  aufbowahrt.  In  den  nächsten 
Tagen  legten  die  Zecken  Eier,  woraus  während  des  14  tägigen  Transportes  sich 
junge  Zecken  entwickelten.  Diese  jungen  Zecken  wurden  auf  zwei  gesunde,  aus 
dem  Inneren  (texasfieberfrei)  stammende  Rinder  gesetzt,  auf  zwei  ebensolche 
Rinder  setzte  R.  Koch  die  vom  texasfieberkranken  Kalbe  stammenden  Zecken. 
Nur  im  Blut  dieser  letzteren  fanden  sich  vom  zweiten  Tage  nach  dem  Ansetzen 
der  Zecken  in  den  Erythrocyten  Exemplare  von  Pyrosoma  bigeminum  (von  bim- 
förmiger Gestalt).  Diese  beiden  Rinder  wurden  auch  nur  krank,  die  anderen 
blieben  gesund  und  parasitenfrei.  Im  Blut  der  beiden  leicht  erkrankten  Rinder 
hielten  sich  die  Parasiten  10 — 12  Tage.  Ais  diese  zwei  Versuchstiere,  ausser 
den  beiden  obengenannten  und  zwei  frischen  Rindern,  jo  mit  20  ccm  defibrinirten 
Blut  von  texasfieberkranken  Thieren  durch  Unterhautinjection  geimpft  waren, 
erkrankten  sie  nicht,  hingegen  die  4 anderen  Thiere,  deren  Erkrankung  sich  durch 
Verminderung  der  Fresslust,  Mattigkeit,  Temperatursteigerung,  Muskelzittern 
äusserte.  Vom  5.  Tage  an  fanden  sich  Pyrosomen,  welche  sich  10  Tage  lang  im 
Blut  zeigten.  Vorher  hatte  R.  Koch  in  gleicher  Weise  4 frische  Rinder  geimpft, 
■welche  ebenso  erkrankten. 

Die  Schlüsse,  welche  Verfasser  aus  diesen  Versuchen  zog,  waren:  1.  Junge 
Zecken  können,  ohne  mit  kranken  Thieren  in  Verbindung  gekommen  zu  sein, 
Texasfieber  erzeugen,  wenn  ihre  Eltern  auf  kranken  Thieren  sassen.  2.  Ueber- 
stehen  der  leichtesten  Texasfieberform  verleiht  Immunität  gegen  Infection 
mit  erheblichen  Mengen  von  Texasfieberblut.  R.  Koch  will  weiter  prüfen,  ob 

Archiv  f.  Schiff»-  u.  Tropenhygiene.  II.  19 


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260 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


diese  immunisirten  Thiere  auch  gegen  natürliche  Infeetion  im  rerseuchten 
Küstengebiet  immun  sind,  und  wie  sie  sich  gegen  Injection  von  Blut  mit  den 
Jugendformen  der  Parasiten  verhalten.  C.  Däubler. 


Chirurgie. 

Bydragen  tot  de  Kennit  van  den  aard  der  verwondingen  in  den  toekometigen  zeeoorlog 

(Beiträge  zur  Kenntniss  der  Art  der  Verwundungen  im  zukünftigen  Seekriege) 
von  Dr.  J.  A.  Portenga.  Sonderabdruck  aus  dem  holländischen  Marineblad. 
18.  Jaargang,  1.  all. 

Verfasser  giebt  einen  Auszug  aus  den  japanischen  Statistiken  über  die  Ver- 
wundungen und  Verluste  im  Seekriege  gegen  China  im  Jahre  1894.  Unter  Be- 
rücksichtigung der  eigenartigen  Verhältnisse  in  jenem  Kriege,  wo  die  Japaner 
keinem  so  heftigen  Schnellfeuer  ausgesetzt  waren,  wie  sie  es  seihet  gegen  die 
Chinesen  unterhielten,  kommt  P.  zu  dem  Schlüsse  dass: 

1.  In  den  Seegefechten  der  Zukunft  auf  sehr  zahlreiche  und  schwere  Ver- 
wundungen gerechnet  werden  muss. 

2.  Das  Verhältniss  zwischen  Verwundeten  und  Getödteten  ein  sehr  un- 
günstiges sein  wird. 

8.  Nach  Möglichkeit  alle  Gegenstände,  welche  zu  Verwundungen  Ver- 
anlassung geben  können,  weggeräumt  werden  müssen. 

4.  Eine  grosse  Zahl  von  Brandwunden  zu  erwarten  sind. 

Im  Gegensatz  zum  Landkriege  überwiegen  im  Seekriege  die  Verletzungen 
des  Kopfes  und  der  oberen  Gliedmassen. 

Die  Erfahrungen  in  den  spanisch-amerikanischen  Seeschlachten  dürften  diese 
Ausführungen  bestätigen.  M. 


IH  Sonstige  Werke. 

Maiattie  predominantl  nei  paesl  caidl  • tamperati,  von  Dr.  Filippo  Rho,  Turin 
1897,  Rosenberg  & Selber  (Fortsetzung). 

Bei  „Vergiftungen  durch  den  Genuss  giftiger  Fische“,  Caphel  XIII,  muss 
man  unterscheiden:  1.  Fische,  welche  nur  schwer  verdaulich  sind  z.  B.  wegen 
öligen  Fleisches,  sodass  Verdauungsstörungen  entstehen,  welche  in  dein  Tropen 
leicht  den  Charakter  einer  Vergiftung  annehmen;  2.  solche  Fische,  welche  in 
Folge  Veränderung  ihres  Fleisches  durch  Ptomain-Bildung  giftig  werden-,  8.  an- 
dere, die  durch  die  Zubereitung  oder  schlechte  Conservirung  schädlich  wirken. 
4.  einige,  welche  in  Folge  Aufnahme  giftiger  Stoffe  bei  dem  Menschen  Giß- 
wirkung  hervorrufen  können.  (Ein  Chaetodon  (Borstenzähner)  von  Java  z.  B.  bat 
köstliches  Fleisch.  Sein  Genuss  kann  aber,  wenn  er  sich  von  giftigen  Korallen 
genährt  hat,  bedrohliche  Erscheinungen  bei  Menschen  nach  sich  ziehen.)  8.  die 
eigentlichen  Giftfische,  welche  entweder  dauernd  oder  regelmässig  zu  gewisse^ 
Zeiten  giftig  sind. 

Manche  Fische  bewirken  nur  Urticaria,  andere,  wie  ein  Serranns  (Zacke- - 


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III.  Sonstige  Werte. 


261 


barsch)  von  den  Antillen  Erbrechen  und  Durchfälle.  Das  Fleisch  einer  japani- 
schen Sardellenart,  EDgranlis  japonica.  ist  während  der  heissen  Jahreszeit  für  den 
Menschen  gefährlich,  für  Katzen  und  Hunde  stets  todtbringend.  Die  in  deu 
tropischen  Meeren  vorkommenden  Sardinenarten  Dessumieria  und  Meletta,  die 
Sphyraenen  (Spitzhechte)  der  Antillen,  die  Diodon-  (Igelfische)  und  Ostiacion- 
(Kofferfische)  Arten  haben  giftiges  Fleisch.  Der  giftigste  Fisch  ist  wohl  der  Te- 
tradon  (Vierzähner)  vom  Kap  der  guten  Hoffnung.  Selbst  kleine  Mengen  seines 
Fleisches  tödten  bald  nach  dem  Oenusse.  Das  Gift  desselben  hat  seinen  Hauptsitz  in 
den  Genitalien  und  ist  ein  Leucomain , welches  weder  durch  Kochen  noch  durch 
Alkohol  zerstört  wird  und  selbst  von  der  Haut  aufgenommen  noch  wirksam  ist. 
Die  spanischen  Aerzte  der  Antillen  bezeichnen  den  oft  schwankenden  Symptom- 
komplex der  Fischvergiftungen  mit  dem  Namen  Siguatera  (richtiger  Ciguatera  - = 
Gelbsucht  nach  Fischvergiftung.  Ref.)  Brechmittel,  Magenausspülung  und  Reiz- 
mittel sind  bei  Fischvergiftung  je  nach  den  Symptomen  und  äusseren  Umständen 
anzuwenden. 

Hautkrankheiten  (Kapitel  XIV)  und  chronische  Infektionskrankheiten  mit 
kutanen  Manifestationen  (Kapitel  XV)  beanspruchen  nur  sieben  bezw.  dreizehn 
Seiten , weil  manche  Krankheiten , welche  auch  hierhin  passten , an  anderer  Stelle 
besprochen  werden,  wie  z.  B.  Madura-Fuss  (Kap.  XVJ)  und  Ainhum  (Kap.  XVII). 

Der  Ansicht  Rho’s,  dass  der  Lichen  tropicus  ein  Erythem  sei,  kann  Ref. 
nicht  beistimmen,  da  das  Leiden  Effloreszenzen  zeigt,  welche  Ekzemcharakter 
haben,  dagegen  wird  Verruga  peruviana  mit  Recht  von  der  Framboesia  getrennt 
und  die  Differentialdiagnose  zwischen  diesen  Krankheiten  und  der  endemischen 
Beulenpest  deutlich  dargelegt 

In  Kapitel  XVTH,  Neurosen,  konnte  die  Entdeckung  von  Cagigal  und  La- 
pierre  (siehe  Band  II,  Heft  2 S.  HO  dieses  Archivs)  leider  noch  nicht  berück- 
sichtigt sein.  Betreffs  der  Latah  der  Malaien  betont  Rho,  dass  diese  oder  eine 
ganz  ähnliche  Nervenkrankheit  nach  Hammond  auch  in  Sibirien  unter  dem  Namen 
Miryachit  und  in  Nord-Amerika  nach  Beard  unter  dem  Namen  „jumping“  be- 
obachtet worden  ist,  erinnert  an  den  mittelalterlichen  Veitstanz  und  gibt  einige 
von  Charcot,  Melotti  und  Capozzi  herrührende  Krankengeschichten  aus  europäi- 
schen Kliniken,  welche  Verwandtschaft  mit  der  Latah  zeigen. 

Ein  guter  Gedanke  des  Verfassers  war  es  in  Kap.  XIX  das  Auftreten  und 
den  Verlauf  einiger  in  den  warmen  Klimaten  häufigen  Krankheiten  zu  erörtern, 
welche  keine  Tropenkrankheiten  sind..  Durch  die  Einreihung  der  Anämie  in 
dieses  Kapitel  kennzeichnet  Rho  seinen  Standpunkt.  R.  bespricht  nicht  die  „tro- 
pische1* Anämie,  sondern  die  Anämie,  wie  dieselbe  durch  die  sonstigen  Tropen- 
krankheiten begünstigt  wird.  Einen  grösseren  Einfluss  räumt  er  den  rein  physi- 
kalisch-klimatischen Verhältnissen  auf  die  Entstehung  der  Dyspepsie  in  warmen 
Ländern  ein,  welche  man  als  gastrische,  intestinale  oder  hepatische  Form  beob- 
achten kann.  Magenkrankheiten  sind  in  warmen  Ländern  von  grösster  Bedeu- 
tung, sei  es,  dass  dieselbe  als  gestörter  Chemismus  oder  als  Atonie  des  Magens 
auftreten.  In  beiden  Formen  sind  sie  auch  bei  den  Eingebornen  häufig.  Das- 
selbe gilt  von  der  intestinalen  Dyspepsie,  welche  meistens  durch  die  dritte  Form, 
die  hepatische  Dyspepsie,  bedingt  wird.  Diese  wichtige  Krankheit  beruht  auf 
Störungen  der  Leberthätigkeit.  Die  Gallenabsonderung  ist  vermindert  und  es 
entstehen  abnorme  Gährungsvorgänge  im  Darme.  Die  Gallenbestandtheile  werden 
dagegen  im  Blut  zurückgehalten  und  die  Zersetzung  der  Eiweisstoffe  bleibt  un- 

19* 


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262 


III.  Sonstige  Werke. 


vollkommen.  Stickstoffreiche  Nahrung  begünstigt  das  Auftreten  der  hepatische!! 
Dyspepsie  (deren  scharfe  Abgrenzung  von  dem  Anfangsstudium  des  Hepatitis  wohl 
unmöglich  ist,  Ref.)  während  die  Kohlenhydrate  trotz  der  verminderten  Gallen- 
absonderung oxydirbar  sind  und  nur  durch  Erzeugung  primärer  Magenkat&rrh« 
schädlich  wirken  können.  Behandlung  und  Verhütung  decken  sich  vielfach. 
Gleichgewicht  zwischen  stickstoffhaltiger  und  stickstofffreier  Nahrung,  Vermeidung 
von  Alkoholexcessen , körperliche  Bewegung,  alkalische  Wasser  sind  empfehlen*- 
werth.  Die  medikamentöse  Behandlung  muss  nach  den  Symptomen  verschieden 
sein. 

Die  Diarrhöe  tritt  in  wannen  ländern  in  mannigfaltigen  Formen  und  Be- 
ziehungen auf.  Man  kennt  praemonitorische  Diarrhöen  bei  Cholera  und  Dysenterie, 
symptomatische  Durchfalle  bei  Organerkrankungen  besonders  bei  Leberentzüs- 
dungen,  diarrhöische  Verdauungsstörungen  nach  Genuss  von  ungeeigneten  oder 
leicht  gährenden  Nahrungsmitteln  oder  schlechtem  Wasser,  Diarrhöen,  weh he 
durch  atmosphärische  Einflüsse,  besonders  durch  Schwankungen  der  Luftfeuch- 
tigkeit bedingt  sind.  Besonders  bemerkenswerth  ist  aber  die  specifische  endemische 
Diarrhöe  der  heissen  Länder,  deren  Trennung  von  der  chronischen  Dysenterie 
zuerst  von  den  französischen  Aerzten  in  Cochinchina  versucht  wurde,  und  welch« 
auch  als  Aphthae  tropicae  bezeichnet  wird. 

Von  den  exanthematischen  Fiebern  haben  die  Pocken  ihre  schlimmsten  Bnr- 
stätten  in  Indien,  Centralafrika  und  im  tropischen  Amerika.  Die  Masern  dagegen 
haben  unter  allen  Breitengraden  denselben  Verlauf.  Wenn  auf  einzelnen  ln«e!« 
z.  B.  Fidschi  die  erste  Epidemie  der  neu  eingeschleppten  Krankheit  einen  heben 
Procentsatz  der  Bevölkerung  dahinraffte,  so  ist  die  Ursache  der  hohen  Sterblich- 
keit weniger  im  bösartigen  Charakter  der  Krankheit  zu  suchen  als  in  dem  Um- 
stande, dass  die  erschrockene  Bevölkerung  die  Kranken  entweder  sich  selbst 
überliess  oder  doch  in  ungeeigneter  Weise  pflegte  und  behandelte.  Die  euro- 
päischen Missionen  hatten  unter  den  von  ihnen  behandelten  eingebornen  Kranken 
nur  die  Durchschnittsmortalität.  Scharlach  tritt  im  Allgemeinen  in  den  Tropa: 
milder  und  seltener  als  im  kälteren  Klima  auf.  Immerhin  sind  im  tropisch« 
Südamerika  einige  schwere  Epidemien  beobachtet  worden.  (Fortsetzung  folgt! 

U. 

lustu*  Perthes'  Deutscher  Marine-Atlas,  bearbeitet  von  Paul  Langhans  mit  Begieit- 
worten  von  Kapitänlieutenant  a.  D.  Brnno  Weyer.  Gotha,  Jnstus  Pertfc«. 
1898.  Preis  1 Mk. 

Der  preiswerthe  Kleine  Atlas  enthält  fünf  übersichtliche  Karten: 

1.  Die  Deutsche  Kriegsmarine  im  Anslande,  auf  welcher  die  heimisch« 
und  aussereuropäischen  Stationen  veranschaulicht  werden. 

2.  Die  Deutsche  Küsto  (westlicher  Theil). 

3.  Die  Deutsche  Küste  (östlicher  Theil)  mit  Angaben  über  die  Küstae- 
befestigungen,  Kü-stenbezirke,  Brandschatzungen  und  Bombardements  *st- 
gesetzten  Küstenplätze,  Flaggen-  und  Signaleinrichtungen. 

4.  Die  Deutschen  Schutzgebiete. 

5.  Das  Deutsche  Reich  in  Ostasien  (Darstellung  des  Kiautschou-Gebiets,  dar 
Consulate  und  Dampferlinien). 

Der  begleitende  Text  erleichtert  das  Studium  der  Karten  und  gedenkt  der  bb- 
herigen  Thätigkeit  der  Deutschen  Flotte  und  des  neuen  Flottengesetzes. 

M 


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Anzeigen. 

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Die  Behandlung  der  Diphtherie. 

mit  dem  Natrium  sozojodolicum1’  hat  folgende  Vorzüge: 

1.  Die  Art  der  Application  dieses  Mittels  ist  sowohl  für  den  Arzt,  dio  Fa- 
milie, wie  auch  für  die  kleinen  Patienten  die  relativ  angenehmste,  die  niemals 
an  dem  Widerstande  der  letzteren  seheitert. 

2.  Nach  1 — 2inaliger  Anwendung  sinkt  das  Fieber  rasch,  der  Foetor  ex  ore 
verschwindet,  die  Membranen  lockern  sich  allmählich  und  stossen  sich  innerhalb 
24  bis  48  Stunden  ab,  worauf  die  Geschwürsfläche  bereits  vollkommen  geheilt 
erscheint. 

3.  Die  Mortall tätszahl  Ist  die  denkbar  niedrigste,  sie  erreicht  noeh 
nicht  10  Vo- 

4.  Das  Natrium  sozojodolic.  tödtet  nicht  nur  den  Löffler’schen  Bacillus  schnell 
und  sicher,  sondern  auch  die,  diesen  fast  stets  begleitenden  Streptococcen, 
Staphylococcen  etc.*) 

5.  Selbst  der  Aermste  ist  in  der  Lage,  die  Behandlungsmethode  durchzuführen, 
weil  nur  ein  kleines  Quantum  des  an  und  für  sich  billigen  Medicamentes  zur 
Verwendung  kommt. 

6.  Selbst  wenn  das  Pulver  nicht  direct  auf  die  erkrankten  Stellen  gebracht 
wird,  gelangt  es  doch  in  Folge  der  Kan-  und  Schlingbewegungen  auf  diese,  bleibt 
dort  längere  Zeit  haften  und  löst  sich  im  Speichel  allmählich,  wodurch  es  in  die 
Lakunen  der  Tonsillen  dringt  und  die  pathogenen  Stoffe  zerstört  Dadurch  wird 
eine  längere  Zeit  anhaltende  Desinfection  zu  Stande  gebracht,  was  bei  Pinselungen 
nicht  der  Fall  ist 


7.  Das  Natrium  sozojodolic.  ist  absolut  ungiftig  und  kann  in  Mengen  von 
8 g und  darüber  pro  die  dem  Organismus  einverleibt  werden,  ohne  dass  unan- 
genehme Nebenwirkungen  sich  zeigen. 

Behandlungsmethode:  Man  blase  vermittels  eines  Zerstäubers  oder  eines 
langen  Papierrohres  4stündlich  in  die  Mund-  resp.  Nasenhöhle  ein: 


Bei  Kindern  unter 
3 Jahren: 

Kp. : Nitril  lozojodolic.  pulv. 
•bt.  2 g. 

Flor,  «olfur.  6 g. 

D8.  Zum  Einbluen. 


Bei  Kindern  unter 
5 Jahren: 


Bei  Erwachsenen; 


Rp. : Natrli  sozojodolic.  palv. 

•bt.  Flor,  snlfur.  » 

2 R- 

DS.  Zam  Einbläsern  || 


Rp.: 


Natrli  sozojodolic.  palv. 
sbt.  6 g. 

D8.  Zam  Einbissen. 


i)  Conf.  Prof.  Dr.  Setter , Monatsschrift  für  Ohrenheilkunde,  sowie  für  Kehlkopf- , Nasen-, 
Rachenkrankhel teu.  No.  3,  1896. 

K Prof.  A.  Fasane,  Archivio  internazlonale  dl  Medlcina  e Chirurgla,  No.  12,  1897. 

„ Dr.  Schwarz.  Internat,  klln.  Randschau,  No.  21,  1892. 

„ Dr.  Dräer,  Deutsche  med.  Wochenschrift,  No.  27  and  28,  1894. 

„ Dr.  Maximilian  Bresgen,  Krankheit*-  and  Behandlungalehre  der  Nasen-,  Mond-, 
Rachenhöhle  etc.,  2.  Aufl.,  pag.,  161. 

* Dr.  Schwarz,  Wiener  klin.  Wochenschrift,  No.  43,  1895. 
k)  Oonf.  Prof.  Dr.  Langgaard,  Therapeut.  Monatshefte,  Septemberheft,  1888. 

„ Prof.  A.  Fasano,  Archivio  interaazionale  di  Medlcina  e Chirurgla,  No.  12,  1897. 

„ Dr.  A.  Lübbert,  Fortschritte  der  Medicin  No.  22  und  23,  1889. 

„ Dr.  Dräer,  Centralblatt  für  Bacterlologie  and  Parasitenkunde.  Band  XIV, 
No.  7,  1893. 

„ Dr.  Spirlg,  Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infectionakrankheiten.  Band  XIII, 
Heft  1,  1893. 

„ Dr.  Dräer,  Deutsche  med.  Wochenschrift,  No.  27  and  28,  1894. 

„ Dr.  L.  Sallnger , Assist.  • Arzt , Arbeiten  a.  d.  Ambulatorium  und  der  Privatklinik 
für  Ohren-,  Nasen-  und  Halsleiden  von  Professor  Dr.  Stetter,  Königsberg, 
Heft  H,  1895. 

Broschüren  und  Krankengeschichten  gratis  nnd  franco  von 

H.  Trommsdorff,  Chemische  Fabrik,  Erfurt. 


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s<hUu-  ,Tabloid  h-,v' 

Hand-  und  Taschenapotheken 


mit  comprimirten  ,Tabloid‘-Medicamenten  ausgeruestet,  sind  die 
compacteste  und  bestmoeglichste  medicinische  Ausruestung  fuer 
den  Arzt.  Wir  halten  eine  grosse  Auswahl  von  solchen  ,Tabloid  - 
Apotheken  auf  Lager  und  koennen  dieselben  nach  Belieben  aus- 
gestattet werden.  .Tabloid'- Apotheken  wurden  in  den  Feldzuegen 
von  Chitral,  Aschanti,  Soudan  und  waehrend  des  tuerkisch- 
griechischen  Krieges  benutzt.  Stanley,  Nansen,  Jackson  und  die 
kuerzlich  stattgehabten  hauptsaechlichsten  Expeditionen  wurden 
mit  denselben  ausgeruestet.  Es  wurde  gefunden,  dass  die  .Tabloid- 
Medicamente  noch  nach  dreijaehrigem  Reisen  in  den  tropischen 
Zonen  ihre  therapeutische  Wirkung  beibehalten  hatten.  Die  oben 
illustrirte  Hand-Apotheke  (Modell  K)  ist  vollstaendig  ausgeruestet 
mit  ,Tabloid‘-Medicamenten,  Pravazspritze  etc. 

Von  Mk.  160  an. 

BURROUGHS  WELLCOME  & CO.,  London. 

Fner  fernere  Ansknnli,  ll!a:tnti<meo  etc.  «ende  man  sieh  netint  an 

P , Linkenheil  & Co.,  Berlin  W.,  Genthinerstr.  19. 


Dr.  Ernst  Sandoir's 

künstliche  Mineralwasser- Salze 


Rationeller  Ersatz  der  versendeten  natürlichen  Mineralwässer. 


Beit  1880  in  den  Arzneischatz  eingefübrt. 


Sie  mscben  keine  Schwierigkeiten  beim  Transport  und  der  Aufbewahrung,  eignen  sich  des- 
halb sowohl  für  den  Hausgebrauch,  als  auch  für  die  Reise  und  für  den  Versand  in  ferne  Gegenden. 


Die  Sandowschen  Mineral* aasersalze 
gewähren  bis  über  20C0  pCt  Ersparnis. 


Trinkkuren  hierdurch  auch  für  Un- 
bemittelte möglich. 


Ea  kostet  z.  B.  eine  3-  bis  4-wöchentl.  Kur  mit  künstl.  Emser  oder  Carlsbader  Salz  nur  75  Pf. 
resp.  1 Mk.  gegen  18  bis  25  Mk.  mit  versend,  natürl.  Wasser. 


Verzeichniss  der  dargestellten  Mineralwassersalze  In  Gl&sern  mit  Maassglas  zur  Abmessung 
einer  Dosis  (Trinkglas). 


Name  der  Quelle, 
deren  Analyse  der 
Darstellung  zu  Grunde 
gelegt  ist. 

N 

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Name  der  Quelle, 
deren  Analyse  der 
Darstellung  zu  Grunde 
gelegt  ist. 

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Name  der  Quelle, 
deren  Analyse  der 
Darstellung  zu  Grunde 
gelegt  ist. 

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O ||  H 

Assmannshäuaer .... 

450 

Kissinger  (Rakoczy)  . . 

100 

Sslzbrun.  (Kronenq.)  . . 

200 

Baden-Badener  . . . . 

200 

Krankenheiler  . . . . 

750 

Salzschlirfer 

75 

Biliner  (Joeepbq.)  . . . 

100 

Kreuznacher  (Elisen-Q.) 

60 

Sedlitzer 

25 

Carlsbader  (Sprudel)  . . 

100 

Marienbader 

10C 

Sodener  (Milchbr.)  . . 

150 

Ef?er  (Balsq.) 

100 

Mergentheimer  . . . . 

25 

. (Warmbr.)  . . 

120 

Elster  (Salzq.)  . . . . 

100 

Neuenahrer  (8pr.)  . . . 

200 

„ (Soolbr.)  . . . 

40 

Emser  (Kränchen,  Kessel- 

ufener  (Hunyadi  Janoa) 

15* 

Taraaper  (Luclusq.)  . . 

50 

brunnen,  Victoriaq.) 

150 

Offenbacher 

120 

Vichy  (gr.  grille)  . . . 

100 

Fachlnger 

100 

PüUnaer 

20# 

Weilbachcr  (Natr.-Lith.) 

150 

Friedrichshaller .... 

25 

Pyrmonter  (Salzq.)  . . 

100 

Wiesbadener  (Kocbbrun.) 

100 

Haller  Jodquelle  (Taaailo- 

Radeiner 

100 

Wildunger  (Georg-Victor- 

quelle) 

50* 

Saidschützer 

25* 

qnelle) 

300 

Heilbr.  (Adelbeidq.)  . . 

100 

Sslvatorq.  (Eperies)  . . 

150 

Wildunger  (Helenenq.)  . 

120 

Homburger  Elisabeth-Q. 

60 

Salzbrun.  (Oberbr.)  . . 

150 

• Reep,  doppelte  Anzahl  Weingläser. 

In  loser  Form  werden  die  Mineral wasseraalze  nicht  abgegeben. 

I>r.  Ernst  Sandow’s 

medizinische  Brausesalze. 

Diese  Präparate  haben  folgende  Vorzüge: 

Man  erreicht  die  Heilwirkung,  welche  man  für  vielo  Fälle  mit  sogenannten  Trinkkuren 
beabsichtigt : z.  B.  durch  die  Eisen-,  Kalk-  und  Lithiumpräparate,  Jodsalz,  Selterssalz  u.  a. 

Die  Medikamente  werden  dem  Patienten  in  angenehm  schmeckender  und  leicht  zu  neh- 
mender Form  geboten. 

Die  bei  der  Löaung  im  Wasser  sich  entwickelnde  Kohlensäure  wirkt  erfrischend  und  an- 
regend auf  die  Magenschleimhaut  und  unterstützt,  ebenso  wie  das  begleitende  Natrium-  oder 
Alkalicitrat  (die  Brausemischung)  die  Wirkung. 

Die  pflanzensauren  Alkalien,  speziell  die  citronensauren,  sollen  bei  längerem  Gebrauch 
und  in  Fällen,  wo  ea  sich  darum  handelt,  dem  Blute  grössere  Mengen  kohlensauren  Alkalis 
zuzuführen,  besser  vertragen  werden,  als  die  kohlensauren  (n.  Btadelmann-Dorpat:  Ueber 
den  Einfluss  der  Alkalien  auf  den  menschlichen  Stoffwechsel.) 

Gebrauchsanweisung:  Man  füllt  ein  Trinkglaa  (ca.  200  Cbc.)  zu  */8  mit  Wasser,  schüttet 
das  mit  dem  Maassglas  oder  einem  Löffel  abgemessene  Brausesalz  hinein,  rührt  schnell  mit 
einem  Löffel  etwas  um  und  trinkt  die  Lösung  während  der  Kohlensäure -Entwickelung  aus. 
Einem  Weinglase  entspricht  1/|  Maassglas. 

Verzeichnis  der  Braueesalze  in  Gläsern  mit  Maatsglas  zur  Abmessung  einer  Dosia. 


F.  Dos. 

F.  Dos. 

F.  Dos. 

Trink  gl. 

Trinkgl. 

Trinkgl. 

Br.  Alkalicitrat  (für  Dia- 

Br.  Eisencarbonat  . . . 

80 

Br.  Jod-Lithiumsalz  . 

50 

betlker) 

80 

Eiaencitrat  . . . . 

30 

a Lysidinsaiz  . . . 

20 

Bromaals 

15 

75 

Eisen-Manganaalz  . . 
Eisen-Pyrophosphat  . 

30 

30 

• Magnesiumoltrat  . 

. 

löffel- 

weise 

Brom-Eisensalz  . . . 

15 

Jodsalz  6pCt.  schwach 

80 

. , mit  Eisen 

30 

Calclumphospholactat 

30 

, 15  pCt.  stark. 

30 

, Natrlumsalicylat 

20 

Calclumphoepholactat 

Karlsbader  Salz  . . 

35 

. Piperazinsalz  . . 

20 

mit  Eisen 

30 

Litbiumbenzoat  . . 

50 

a Wismuthsalz . . . 

20 

Chinin-Eisencitrat . . 

so 

Lithiumcarbonat  . . 

50 

Rhabarber-Brausesalz 

20 

Coffeinsalz 

Brom- Coffeinsalz  . . 

20 

20 

Lithiumcitrat  . . . 
Lithlumsalicylat  . . 

50 

50 

Selters  • Erfrlschungssalz 

löffel- 

weise 

„ . . | tu  | a . . | «/V  | I w«»- 

Auch  die  oben  verz.  Mineralw.-Salze  werden  in  Bransesalzform  angefertigt,  pr.  Gl.  Mk.  1,20. 
Die  Ban4ow*echeii  Salze  sind  zu  beziehen  durch  die  Apotheken,  sowie  direkt  von  der 
Fabrik.  Prospekte  gratis  von  der  Fabrik. 


Chemische  Fabrik  von  Pr.  Ernst  Sandow- Ham  bürg. 


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Verlag  von  Johann  Ambrosius  Barth  in  Leipzig. 


Soeben  erehien  und  sei  bestens  empfohlen: 

Lieber  das  Pathologische 

bei 

GOETHE 

• von 

Dr.  P.  J.  Möbius, 

Nerremrit  io  Le  lpiig. 

broschirt  M.  2.40,  gebunden  M.  3.20. 


Goethekenner,  Goetheforscher,  Goethefreunde,  die  ganze  grosse 
Goethegemeinde,  sie  alle  werden  überrascht  sein  von  diesem  Buche. 
Für  sie  Lst  es  ein  Ereigniss.  Also  auch  Goethe,  dessen  classische  Ruhe 
nicht  zum  wenigsten  ihm  den  Namen  Olympier  eingetragen,  auch  er  ein 
Kranker?  Nun  so  schlimm  ist's  nicht.  Aber  es  ist  wohl  das  erste  Mai 
dass  er  von  einem  Mediciner  ausschliesslich  wissenschaftlich  pathologisch 
aufs  Korn  genommen  wird.  Der  Verfasser  prüft,  nachdem  er  einen  er- 
läuternden Abriss  des  Wesens  der  Psychiatrie  vorausgeschickt  und  Goethes 
Verhältniss  zu  dieser  und  der  Pathologie  überhaupt  eingehend  beleuchtet 
hat,  die  Figuren  Goethes  auf  ihre  pathologisch  richtige  Zeichnung  hin. 
Schliesslich  kommt  Goethe  selbst  an  die  Reihe.  Ihm  und  dessen  Familie 
widmet  er  die  grössere  Hälfte  des  208  Seiten  umfassenden  Buches.  Da> 
Pathologische  in  Goethe  selbst  aber  zu  besprechen  nennt  der  Verfasser 
die  schwierigste  Aufgabe.  Sie  ist  ihm  aber  gelungen.  Bei  der  ihm  eigenen 
flüssigen  Sprache  ist  er  so  klar,  leichtverständlich  und  überzeugend,  dass 
dem  Leser  gar  keine  Ahnung  kommt  von  der  »Schwierigkeit  der  Auf- 
gabe, die  ein  sehr  exactes  Quellenstudium  erfordert  hat.  Das  hoch- 
interessante Werk  schliesst  mit  der  empfindsamen  Betrachtung:  .Mac 

sagt , dass  die  Familien  wie  die  Einzelnen  eine  bestimmte  Lebensdauer 
haben.  Der  Stamm  Goethes  ist  verdorrt;  seine  Familie  trieb  in  ihm 
eine  köstliche  Blüthe  und  strömte  damit  ihre  Kraft  aus.  Nach  ihm  aber 
folgten  nur  noch  lebensschwache  Triebe.  Der  Genius  erscheint  auf  der 
Erde  nicht,  um  die  Zahl  der  Menschen  zu  vermehren;  seine  Werke  sind 
seine  unsterblichen  Kinder.* 


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nach  Dr.  P.  G.  Unna 


schreibt  das  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropen -Hygiene  auf  Seite  855  des 
Jahrgangs  1897: 

„Um  die  Haltbarkeit  der  oiedlcamentöaen  Pflaater  su  prüfen,  hatten  wir  lm 
Februar  und  März  d.  J.  an  verschiedene  Aerzte  in  den  Tropen  in  Blechbüchsen  ver* 
packte  Pflaatermulle  der  Firma  P.  Beiersdorf  k Co.  in  Hamburg  versandt  and  am 
Bericht  über  die  Brauchbarkeit  derselben  sowie  Rücksendung  eines  Probestückchens 
gebeten.  Zwei  Antworten  sind  jetzt,  Mitte  August,  eingegangen,  nämlich  von  den 
Herren  Dr.  Glogner  in  Samarang  (Java)  and  Dr.  Klee  in  Pita*  (Britisch-Nord-Borneo). 
Beide  Herren  haben  besonders  das  Collemplastrum  Hydrargyri  carbolisatum  und  daa 
Collemplastrum  chrysarobini,  ersterea  gegen  Furunkulose,  letzteres  gegen  parsaltäre 
und  seborrhoische  Ekzeme  und  dergl  verwandt  und  sprechen  sich  über  die  Kleb- 
fähigkeit, Haltbarkeit  und  Wirkung  dieser  Pflastermulle  sehr  befriedigt  aus.  Die 
Probestücke  sind  im  Juni  bezw.  Juli  einfach  ln  Papier  geschlagen  durch  Brief  nach 
Deutschland  zurückgeaandt,  haben  aber  auch  diese  ungünstigen  Transportbedingungen 
ohne  Einbusse  ihrer  Eigenschaften  ertragen,  wie  Referent  ln  praktischer  Anwendung 
an  Kranken  fest« teilen  konnte.“ 


Zur  Verhütung  von  Erkrankungen  der  Zähne  und  dos  Mundes  eignet 
sich  in  den  Tropen  in  hervorragendem  Maasse 


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Soeben  erschien: 


Mytekiiiiiiii  duodenale. 

Ueber  seine  geographische  Verbreitung  und 
seine  Bedeutung  für  die  Pathologie 

von 


Dr.  W.  Zinn  und  Dr.  Martin  Jacoby 

Assistenten  der  II.  medicinisch.  Universitätsklinik  in  Berlin. 

Mit  2 Karten. 

Preis  2 Mark. 


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Wien  1873.  * Paris  1855.  * London  1862. 

SS 

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MQnchen  1854.  * Melbourne  1880. 

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Allgem.  Gartenbau -Ausstellung  Hamburg  1897: 

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reitet, enthält  sämmtliche  wirksamen  Bestandteile  (Alkaloide)  in  möglichst 
wohlschmeckender  Form  und  wird  in  allen  Fällen,  wo  Chinarinde  indicbt 
ist,  angewandt,  besonders  gegen  Verdauungsstörungen,  Appetitlosigkeit, 
Magenbeschwerden  und  Schwächezustände. 

Dieses  Präparat  ist  in  verschiedenen  Nervenheilanstalten  und  Kliniken 
eingeführt  und  Ist  als  Stärkungsmittel  allgemein  beliebt. 

Als  Stärkungsmittel  nach  heftigen  Fiebern,  besonders  nach  Influenza. 
Typhus,  Ruhr,  Malaria  u.  s.  w.  bewährt  es  sich  ausgezeichnet  und  wird 
von  medizinischen  Autoritäten  bestens  empfohlen. 

Für  die  Tropen  ein  .ehr  geelrnetes  Mittel. 

Litteratur  mit  Gutachten  und  Attesten  gratis  zur  Verfügung. 

Man  hüte  sich  vor  Nachahmungen  und  achte  ant  die  Schutzmarke  der  Firma. 

Albert  C.  Dung,  Freiburg  i.  B. 

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Wichtig  bei  Neubildungen  nnd  zur  Normalislrung  der  Magenfunctionen  während  und  nach  *2- 
gemeinen  Erkrankungen.  Herr  Qehelmrath  Stöhr,  Kisaingen,  schreibt:  „ ..  . . Ich  bin  so  n* 
frieden  mit  demselben,  wie  noch  nie  mit  einem  neuen  Mittel!  Es  ist  von  höchstem  Werthe  förd« 
tägliche  Praxis  nnd  hat  mir  — so  zu  sagen  — schon  förmlich  Wunder  gewirkt  — namentlich  -■« 
alten  und  chronisch  Leidenden  . . “ Pllul.  Condurango  ferro-conchlnlnl- 
In  Original  • Flaschen.  Mit  Immermann'schem  Extrakt  bereitet.  Durch  seinen  Gehalt  u Pt? 
sin  bestverträgliches  Mittel  bei  mit  Magenleiden  einhergehender  Blntarmnth  and  Nervea!eW<e. 
Marasmus,  Malaria  and  Tropenleiden.  — Za  haben  in  den  Apotheken.  Wo  noch  nicht  «*• 
rithig,  bitte,  event.  unliebsamer  Irrthümer  wegen,  Bezug  unter  gleichzeitiger  Mittheflon» 
genauen  Fabrik adresse  zn  veranlassen  (vide  Gebhard  - Michaelis'sches  Referat).  — Proben  tsd 

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Apotheker  F.  WALTHER,  STRASSBIRG,  Eis.,  Rheimiegelstrose. 


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CUUnmini  husten,  Neuralgie  und  ala  Koboran«.  Kurhialn  schmeckt  nicht  bitter  beläatilgt 
den  Magen  nicht  und  wirkt  viel  schwächer  auf  daa  Nervensystem  ala  Chinin. 
Lltteratar:  von  Noorden,  Overlach,  Ooliner,  Panegro«Mi,  < onti.  Klein,  Fridrlch,  Muggia, 
Gray,  Suchomlln,  Plchn,  Tauner,  Solout/eff.  Filatow,  Alexieff  etc.  etc. 

Vorzügliches  Cholagogum  bei  Gallenatein  und  anderen  Gallen*  und  Leber- 
krankheiten; wird  in  Form  der  Eunatrol-Pillen  ohne  jede  üble  Neben- 
erscheinung monatelang  genommen. 

Lltteratar:  Blum:  Der  ärztliche  Praktiker  1897,  No.  3. 

II  A | mm  Energiachea  und  dabei  lokal  rtlzloaea  Analepticum:  wirkt  vortrefflich  bei 
YrAl.il/UL  hyateriachen  und  neuraatheniachen  Zuatinden;  ebenso  ist  ea  ein  gutes  8to- 
machicum 

Litteratur:  Dr.  Schweraensky:  Therapeutische  Monatshefte,  Nov.  1897.  — Scog- 
n am  1 gl  io;  Giornale  Internazionale  di  Mcdlcina  Pratlca,  1898,  Heft  4. 

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nasionale  di  Medicina  e Chirurgia  Faac.  XII,  Dezember  1896 

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Mikrophotographischer 

Atlas  der  Bakterienknnde 

von 

Dr.  GEORG  ITZEROTT  «cd  Dr.  FRANZ  NIEMANN 

Königlichem  Kreiapbyaikua  Assistenten  am  hygienischen  Institut 

in  Belzig.  der  Universität  zu  Berlin. 

XII  und  115  Seiten  Text  mit  126  mikrophotograpkischen  Abbildungen 
in  Lichtdruck  auf  21  Tafeln  Klein  Folio.  1895. 

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Der  vorliegende  Atlas  zeichnet  sich  durch  die  grosse  Anzahl  verschiedener 
Bakterienarten,  welche  in  vorzüglich  ausgeführtem  Lichtdruck  zur  Darstellung 
kommen,  durch  den  Massstab  (meist  1:1000)  der  Vergrösserung  und  durch  seinen 
billigen  Preis  aus.  Der  Text  beschränkt  sich  nicht  auf  eine  Beschreibung  der 
Photogramme  allein,  sondern  bringt  auch  ausser  der  Beschreibung  des  mikro- 
photographischen  Verfahrens,  das  Wissenswerteste  über  dio  in  Frage  kommenden 
Mikroorganismen. 

Die  Zeitschrift  für  Medizinal  beamte  aagt  über  den  Atlaa : ,.Er  bringt  nicht  nur  Darstellungen 
der  wichtigsten  Erscheinungsformen  der  Bakterien,  sondern  auch,  und  darin  unterscheidet 
er  sich  von  dem  Atlas  von  Fränkel  und  Pfeiffer,  die  wichtigsten  pathogenen  und 

saprophytlschen  Mikroorganismen  ln  Reinkultur  und  Schnitten. Daa  schön  ausge« 

stattete  Werk  kann  den  betheiligten  Kreisen  warm  empfohlen  werden,  zumal  der  Preis 
trotz  der  zahlreichen  beigegebenen  Photogramme  ein  verhältnismässig  niedriger  lat.“ 


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Schmidt’*  Jahrbücher:  Han  kann  nicht  gut  mehr  des  Thatsächl lohen,  Wlssenwerteu  auf 
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nisse zn  Hilfe  kommende  Schreibweise  vorteilhaft  ab. 

Excerpta  m edles : ...  Es  verdient  noch  hervorgehoben  zu  werden,  dass  es  dem  Verfasser 
trotz  aller  Kürze,  die  geboten  war,  gelungen  ist,  uns  ein  vollständiges  Bild  von  dem  zu  geben, 
wu  die  moderne  Hygiene  fordert  und  vermag. 

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1898. 


No.  5. 


Archiv 

für 

Schiffs-  und  Tropen-Hygiene. 

Band  2. 


I.  Originalabliandl ungen. 

Malaria  in  der  Hauptstadt  Mexiko 

von  Dr.  Friedrich  Semeleder,  Cordova,  Staat  Veracruz,  Mexiko. 

Im  ersten  Hefte  dieser  Zeitschrift,  1898,  in  einem  werthvollen 
Aufsatz  von  J.  H.  F.  Kohlbrugge,  „Malaria  und  Höhenklima  in  den 
Tropen“,  auf  Seite  13  in  einer  Fussnote  finde  ich: 

„Oefter  las  ich  die  Behauptung,  in  Mexiko  ist  Malaria  unbe- 
kannt, weil  die  Stadt  so  hoch  liegt“,  u.  s.  w. 

Es  ist  aber  ganz  und  gar  unrichtig,  dass  in  Mexiko  die 
Malaria  unbekannt  ist;  im  Gegentheile  ist  sie  ziemlich  häufig.  Da- 
rüber, dass  und  warum  es  so  ist,  wünsche  ich  mit  Ilirer  gütigen  Er- 
laubnis» Einiges  zu  sagen. 

Als  ich  vor  dreissig  Jahren  begann  in  der  Hauptstadt  Mexiko 
zu  prakticiren,  war  Wechselfieber  allerdings  selten,  aber  es  kam  doch 
vor.  Gegen  Ende  der  trockenen  Zeit,  also  im  März  und  April,  sah 
ich  jedes  Jahr  4 — 5 Fälle  von  Wechselfieber,  allerdings  ganz  leichte. 
Seither  hat  aber  das  Wechselfieber  in  Mexiko  stetig  zugenommen, 
und  in  den  letzten  Jahren  kamen  mir  jedes  Jahr  25 — 30  Fälle  in 
Behandlung;  ja  sogar  wirkliche  Perniciosa  kommt  vor,  wenn  auch 
bei  weitem  nicht  so  häufig  als  man  annimmt.  Denn  als  das  Vor- 
kommen der  Perniciosa  einmal  festgestellt  war,  wurde  so  mancher 
Fall,  der  ohne  Diagnose  geblieben  war,  für  Perniciosa  erklärt.  Ich 
erinnere  z.  B.  an  zwei  Fälle  von  Kindbettfieber,  die  für  Perniciosa 
angesprochen  wurden. 

Wir  haben  in  Mexiko  alle  Bedingungen,  die  Kohlbrugge  auf- 
stellt, als  erforderlich  zur  Entwickelung  der  Malaria:  einen  über- 
schwemmten und  versumpften  Boden,  wo  sich  die  Plasmodien  ent- 
wickeln können  (zu  Ende  der  Regenzeit),  Austrocknung  der  ober- 
flächlichen Schichten,  wodurch  die  Plasmodien  beweglich  werden 

Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene.  XL  20 


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264 


Dr.  Friedrich  Semeleder. 


(zu  Ende  der  trockenen  Zeit),  und  Luftströmungen,  die  den  Stank 
und  die  Plasmodien  auf  geringe  Entfernungen  (einige  Kilometer)  za 
tragen  haben. 

Es  ist  gewiss  sonderbar  zu  lesen,  dass  eine  Stadt  lieber- 
schwemmungen  ausgesetzt  und  von  Sümpfen  umgeben  ist,  (fe 
2282  Meter  über  dem  Meere  liegt  (Toluca,  die  Hauptstadt  de- 
Staates  Mexiko,  im  Thale  von  Toluca,  westlich  von  Mexiko,  64  Kilo- 
meter, liegt  sogar  2680  Meter  hoch,  wird  ebenfalls  überschwemmt  nnd 
hat  auch  Malaria). 

Die  Lösung  des  Räthsels  wird  sich  leicht  finden,  wenn  wir  anf 
die  Topographie  Mexikos  zu  sprechen  kommen. 

Als  ich  in’s  Land  kam  und  den  grosseu  Wassermangel  auf  der 
Hochebene  bemerkte,  frag  ich,  warum  man  keine  Windmühlen  auf- 
setzte,  um  Wasser  aus  der  Tiefe  zu  heben,  wo  es  sich  ja  über»!! 
findet.  Man  antwortete  mir,  der  Wind  wäre  nicht  stark  und  nick 
anhaltend  genug.  Jetzt  gibt  es  aber  doch  Windmühlen,  die  Waser 
pumpen.  Wahrend  der  Trockenzeit  kann  man  auf  dem  Tafelland' 
oft  Staubsäulen  sehen  und  zuweilen  mehrere  auf  einmal,  die  über 
die  Fläche  ziehen,  bis  sie  endlich  platzen  und  sich  auflösen.  Wem 
es  also  auch  richtig  ist,  dass  Mexiko  kein  sehr  windiges  Klima  hat,  st 
giebt  es  doch  fast  immer  etwas  Bewegung  in  der  Luft  und  zuweilen 
förmliche  Wirbelwinde  und  zwar  gerade  in  der  trockenen  Zeit  Ifc 
herrschende  Windrichtung  ist  von  Norden  und  Nordosten,  wo  ja  eben 
jene  Wasserflächen  liegen,  die  im  Winter  austrocknen,  und  die 
Malaria  in  der  Hauptstadt  Mexiko  zunächst  heimgesuchten  Stadttheik 
sind  die  im  Norden  und  im  Osten. 

Was  nun  die  Ueberschwemmungen  betrifft,  so  sei  bemerk; 
dass  die  Hauptstadt  Mexiko  in  einem  weiten  Thale  liegt 
mehr  als  2000  Quadratkilometer  Grundfläche,  rings  umgeben  n» 
Bergketten,  von  denen  einzelne  Spitzen  eine  beträchtliche  Höht 
erreichen,  z.  B.  der  Popocatepetl  5423  Meter,  der  Iztaccibuat. 
4900  und  der  Ajusco  4153  Meter  über  der  Meeresfläche.  Kein 
Fluss  durchbricht  diese  Wälle,  und  die  Hauptstadt  nimmt  nahezu  & 
tiefste  Stelle  ein.  Die  Flüsse  des  Thaies  sind  theilweise  künstks 
eingedämmte  Wasserläufe. 

In  diesem  Thale  finden  wir  sechs  Seen:  die  von  Chalco  ob! 
Xochimilco  im  Südosten,  die  süsses  Wasser  haben  und  nur  durct 
einen  Damm  getrennt  und  durch  eine  Schleuse  verbunden  sißd- 
Ihre  mittlere  Wasserhöhe  ist  1,17  und  1,2  Meter  über  dem  Boden  der 
Stadt.  Im  Osten  liegt  der  See  von  Texcoco,  der  grösste  von  allen. 


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Malaria  in  der  Hauptstadt  Mexiko. 


265 


mit  stark  salpeterhaltigem  Wasser,  im  Mittel  1,9  m uuter  der  Boden- 
fläche der  Stadt;  und  im  Norden  San  Christobal  (1,6  m),  Xaltocan 
(1,56)  und  Zumpango  (4,15)  über  der  Thalsohle.  Die  Seen  von 
Xochimilco  berühren  sich  beinahe,  sie  sind  ebenfalls  durch  einen 
Damm  getrennt  und  durch  Canäle  und  Schleussen  verbunden.  Vom 
Xochimilcosee  führt  ein  schiffbarer  Canal  nach  der  Stadt  Mexiko 
und  durch  deren  östlichen  Theil  nach  dem  See  von  Texcoco.  Dieser 
letzte  Theil  des  Canals  führt  dem  Texcocosee  seit  300  Jahren  allen 
Unrath  der  Stadt  zu. 

Nur  die  beiden  ersten,  Chalco  und  Xochimilco,  haben  so  ziem- 
lich bestimmte  Grenzen,  die  anderen  breiten  sich  bei  starken  Regen- 
güssen weit  aus  und  überschwemmen  das  anliegende  Land  in  grosser 
Ausdehnung. 

Der  See  von  San  Christobal  bestand  zur  Zeit  der  Eroberung 
noch  nicht;  erst  im  Jahre  1604  unter  dem  Yicekönig  Marquez  de 
Montesclaros  wurde  dort  ein  Damm  gebaut,  um  die  von  Norden  an- 
stürmenden  Wasser  aufzuhalten,  damit  sie  nicht  den  See  von  Texcoco 
höher  schwellen  machten  und  die  Stadt  Mexiko  überschwemmten. 
Die  gesammte  Wasserfläche  der  Seen  beträgt  im  Mittel  etwa 
400  Quadratkilometer. 

Es  finden  sich  also  alle  Verhältnisse  gegeben,  damit  die  Stadt 
Mexiko  überschwemmt  werde,  wenn  starke  Regengüsse  eintreten,  oder, 
wie  Humboldt  es  erwähnte,  die  Vulkane  um  Mexiko,  der  Popoca- 
tepetl  und  der  Iztaccihuatl,  beide  die  Grenzen  des  ewigen  Schnees 
überragend,  wieder  thätig  und  die  grossen  Schnee-  und  Eismengen, 
die  sie  tragen,  binnen  kurzer  Zeit  schmelzen  würden. 

In  der  That  ist  der  Fall  oft  genug  eingetreten,  dass  die  Haupt- 
stadt für  kürzere  oder  längere  Zeit  unter  Wasser  gesetzt  wird. 
Wenn  so  ein  tropischer  Regenguss  eine  ganze  Nacht  liindurch 
dauert,  wird  ein  grosser  Theil  der  heutigen  Stadt  Mexiko  über- 
schwemmt, da  die  Wasser  nicht  schnell  genug  nach  dem  Texcocosee 
abfliessen  können.  Vor  einigen  Jahren  hat  man  daher  im  Osten 
der  Stadt  mächtige  Dampfpumpen  aufgestellt,  welche  die  Wasser- 
mengen binnen  einigen  Stunden  bewältigen  und  nach  dem  See  von 
Texcoco  werfen.  Als  ich  in’s  Land  kam  (1864)  war  eine  so  schwere 
Regenzeit,  dass  noch  im  Mai  1865  in  vielen  Strassen  der  Stadt 
Wasser  stand,  und  man  nur  auf  Stegen  verkehren  konnte.  Und  was 
war  das  für  Wasser,  schmutzig,  stinkend  und  von  dicken  Schichten 
grüner  Vegetation  bedeckt! 

20* 


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266 


Dr.  Friedrich  Semeieder. 


Im  Jahre  1446  nach  der  Rechnung  Clavigero ’s,  als  Moteuczoma*) 
llhuicamina  regierte,  war  die  Stadt  überschwemmt;  ebenso  1498,  als 
Ahuitzotl  herrschte;  dann  1553  unter  dem  Vicekönig  Don  Luis  Ye- 
lasco  II.,  dann  1580  und  1604,  ferner  1607  und  1629.  Seit  jener 
Zeit  haben  die  Spanier  grosse  und  kostspielige  Bauten  unternommen, 
um  die  Ueberschwemmungsgefahr  abzuwenden;  Canäle  und  Dämme 
wurden  gebaut.  Es  wurde  sogar  ein  Wasserbaumeister,  Adrian  Boot, 
aus  Holland  berufen.  An  eine  gründliche  Abhülfe  war  nicht  zu 
denken  wegen  der  grossen  Kosten  und  der  technischen  Schwierig- 
keiten, die  zu  bewältigen  damals  nicht  möglich  war. 

Man  beschloss  also  im  Norden  des  Thaies,  wo  sich  eine  Ein- 
senkung  befindet,  einen  Stollen  zu  graben  und  dnrch  denselben 
einen  der  grösseren  Flüsse  abzuleiten,  der  sich  bis  dahin  in  den 
See  von  Zumpango  ergossen  hatte.  Im  November  1607  begann  die 
Arbeit  und  im  Mai  1608  war  der  Stollen  in  einer  Länge  von  8279 
Metern  fertig,  3,4  m hoch  und  4,2  m breit  am  Boden;  dazu  kam 
ein  offenes  Gerinne  vom  Zumpangosee  zum  Stollen  in  einer  Länge 
von  1592  m.  471000  Indier  sollen  daran  gearbeitet  haben  und  die 
Kosten  betrugen  3$  73600  Gold;  viele  Indier  sollen  dabei  um 's  Leben 
gekommen  sein. 

Bei  der  grossen  Fluth  von  1629  erwies  sich  der  Stollen  als 
ungenügend,  da  er  stellenweise  verschlämmt  war,  und  man  beschloss, 
denselben  in  einen  offenen  Canal  zu  verwandeln.  Diese  Arbeit  ging 
sehr  langsam  und  wurde  erst  1789  vollendet.  Dies  ist  der  berühmte 
Tajo  (Graben)  von  Nochistongo,  durch  welchen  der  Fluss  von 
Cuautitlan  in  den  Fluss  von  Tula  stürzt  und  dort  einen  Wasser- 
fall bildet. 

Wiederholt  wurden  Verbesserungen  und  neue  Arbeiten  geplant, 
wie  wiederholt  Geld  dafür  zusammengelegt.  Unter  Maximilian 
bildete  man  wieder  einen  besonderen  Fonds.  Aber  jedesmal  kam 
etwas  dazwischen.  Das  Land  lebte  seit  der  Unabhängigkeit  von  der 
Hand  in  den  Mund,  und  wenn  das  Geld  knapp  wurde,  griff  man 
auch  den  Entwässerungsfonds  an.  Es  war  Porfirio  Diaz,  dem  gegen- 
wärtigen Präsidenten,  Vorbehalten,  dem  Lande  dauernden  Frieden 
und  Beständigkeit  zu  geben.  Da  nahm  die  Stadt  Mexiko  die  Sache 
in  die  Hand;  vom  Osten  der  Stadt,  wo  der  Canal  von  Xochimilco 
(Viga)  die  Stadt  verlässt,  um  nach  dem  Texcocosee  sich  zu  wenden, 


*)  Verfasser  folgt  bei  den  Eigennamen  der  aztekisclien  Schreibweise,  inm. 

d.  Red. 


Malaria  in  der  Hauptstadt  Mexiku. 


267 


soll  ein  grosser  Canal  nach  Norden  fuhren.  Derselbe  ist  an  seinem 
nördlichen  Ende  20  m tief  und  fuhrt  die  Wasser  dort  in  einen  ge- 
mauerten Stollen  von  10  Kilometer  Länge.  Die  Mittel  der  Stadt 
erwiesen  sich  als  ungenügend;  man  machte  in  England  ein  grosses 
Anlehen,  die  Bundesregierung  steuert  jährlich  eine  bedeutende  Summe 
bei  und  eine  englische  Firma,  Pearson  and  Son,  übernahm  die 
Arbeit  und  führte  sie  so  weit,  dass  man  der  gänzlichen  Vollendung 
jeden  Tag  entgegen  sehen  kann. 

Daran  schliesst  sich  eine  neue  Canalisirung  der  Stadt. 

Die  nächste  Folge  ist  schon  jetzt,  dass  die  beiden  höchst  ge- 
legenen Seen  gänzlich  und  dauernd  austrockneten,  aber  auch  die 
Bruunen  der  benachbarten  Ortschaften  versiegten.  Eine  weitere 
Folge  wird  sein,  dass  ein  grosser  Theil  des  Thalbodens  des  Texcocosees 
trockengelegt  wird,  was  eine  grossartige  Entwickelung  von  Malaria 
mit  sich  bringen  muss,  die  wahrscheinlich  durch  Jahre  dauern  wird. 
Eine  Abhülfe  wird  darin  bestehen,  dass  die  oberflächlichen  Schichten 
fiir  immer  trockengelegt  werden  und  nach  und  nach  unter  Cultur 
kommen. 

Wir  sind  oft  in  grösster  Verlegenheit,  wohin  wir  unsere  Malaria- 
kranken schicken  sollen,  denn  in  den  tief  gelegenen  und  heissen 
Theilen  des  Landes  ist  die  Malaria  erst  recht  zu  Hause,  und  auf  der 
Hochebene  ist  der  exanthematische  Typhus  endemisch. 

Es  wird  nach  der  völligen  Entwässerung  des  Thaies  von  Mexiko 
auch  noch  ein  anderes  wichtiges  Ergebniss  eintreten.  Wo  immer 
man  in  der  Stadt  einen  halben  Meter  tief  gräbt,  trifft  man  Wasser 
und  oft  rieselnde  klare  Quellen.  Die  verschiedentlich  dicke  Schicht 
von  Schlamm  und  Sumpf  ruht  auf  einer  Lage  undurchgängigen 
Mergels.  Man  hat  es  oft  nicht  nöthig  gefunden,  auf  Pfählen  oder 
Rosten  zu  bauen,  sondern  macht  einfach  einen  Graben,  schöpft  das 
Wasser  aus,  wirft  Steine  hinein  und  baut  dann  munter  darauf  los 
in  die  Höhe.  In  Mexiko  geschieht,  was  in  allen  alten  Städten  vor  sich 
geht:  der  Boden  erhöht  sich  fortwährend,  theils  auf  natürliche,  theils 
absichtlich  durch  künstliche  Anschüttung.  Ganze  Stockwerke  alter 
Häuser  sind  vergraben  worden,  und  man  geht  jetzt  ein  und  aus,  wo 
früher  der  Halbstock  war.  Anderseits  sind  viele  alte  und  schwere 
Gebäude  theilweise  in  den  Sumpf  versunken,  und  es  ist  mit  Grund  an- 
zunehmen, dass,  wenn  einmal  der  Boden  w irklich  entwässert  sein  wird, 
vielfache  Beschädigungen  an  den  Gebäuden  sich  einstellen  werden. 

Wie  sehr  man  sonst  rief  nach  Entwässerung,  so  sehr  bekommt 
man  jetzt  Angst  davor. 


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268 


Dr.  Friedrich  Semeledej. 


Es  möge  noch  bemerkt  werden,  dass  die  Versorgung  der  Stad: 
mit  Trinkwasser,  bei  dem  fortschreitenden  Wachsthum  und  der  zu- 
nehmenden Entwaldung,  immer  ungenügender  wird,  dass  aber  das 
Thal  noch  zahlreiche  und  ergiebige  Quellen  des  besten  Wassers  hat 
die  man  nutzbar  machen  kann  und  wird.  Auch  besitzt  die  Stadt 
und  Umgebung  hunderte  artesischer1  Brunnen,  die  fast  ausnahmsl^ 
gutes  and  reichliches  Trinkwasser  geben,  einige  davon  enthalt» 
allerdings  etwas  Schwefelwasserstoff. 

Eine  andere  Frage  ist  oft  aufgeworfen  worden.  Warum  er- 
baute Cortez  die  Stadt  Mexiko  (Tenoxtitlan  hiess  sie  damals)  nach- 
dem er  sie  erobert  und  zerstört  hatte,  als  die  Hauptstadt  des  neues 
Reiches  von  Neu-Spanien  an  derselben  Stelle  und  nicht  auf  den 
umgebenden  Hügeln? 

Cortez  selbst  giebt  Antwort  darauf  in  einem  seiner  merkwürdiges 
Briefe  (Berichte)  an  Kaiser  Karl  V.:  weil  die  Mexikaner  gewohnt 
waren,  von  diesem  Orte  beherrscht  zu  werden,  und  er  ihnen  auch 
zeigen  wollte,  was  die  neuen  Herren  daraus  machen  konnten.  Auch 
ist  sehr  zu  bemerken,  dass  Tenoxtitlan  nicht  in  einem  Sumpfe  lag. 
sondern  in  einem  grossen  See,  der  wohl  dreimal  grösser  war  als  die 
Oberfläche  der  Seen  heute  ist.  Es  giebt  in  der  Sadt  Mexiko  manche 
Strassen,  die  Namen  von  Brücken  führen,  die  sich  früher  dort  be- 
fanden; manche  Strassen  von  heute  waren  vor  hundert  Jahren  noeh 
schiffbare  Canäle,  die  nach  und  nach  ausgefüllt  wurden. 


Zur  Calomelbehandlung  der  Dysenterie. 

Nachträgliche  Bemerkung  zu  der  Arbeit:  Die  Dysenterie  in  Karnerum  rac 
Dr.  A.  Plehn,  Kaiserlicher  Regierungsarzt. 

In  Heft  3 dieses  Jahrgangs  des  Archivs  für  Schiffs-  und  Tropen- 
hygiene theilte  ich  meine  Beobachtungen  über  die  Calomelbehandlung 
der  Dysenterie  mit.  Die  inzwischen  angestellten  weiteren  Versuche 
welche  darauf  hinzielten,  die  empfohlenen  Calomelgaben  von  0.05  g 
durch  solche  von  0,03  g zu  ersetzen,  haben  durchaus  die  gleichen 
günstigen  Resultate  ergeben,  ohne  dass  Stomatitis  als  unangenehme 
Nebenwirkung  in  bemerkenswerthen  Grade  aufgetreten  wäre.  Ihe 
Dosierung  zu  0,05  g wird  jetzt  nun  mehr  bei  Schwarzen  angewandt. 

A.  Plehn. 


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Hygienisches  und  Sanitäres  aus  Habana 

von 

I)r.  Reinhold  Rüge,  Marine-Stabsarzt. 

Habana  ist  zur  Zeit  eine  Stadt  von  etwa  200000  Einw.  Die 
Strassen  in  den  guten  Stadttheilen  sind  regelmässig  angelegt  und 
schneiden  sich  im  rechten  Winkel.  Doch  sind  die  Strassen  so  eng, 
dass  sich  zwei  W'agen  nur  mit  Mühe  ausweichen  können.  Ueber 
die  Strassen  hinweg  können  zum  Schutz  gegen  die  Sonne  grosse 
Leinwandsegel  gezogen  werden.  Die  Häuser  sind  in  der  inneren 
Stadt  alle  aus  Stein  gebaut  und  zeigen  meist  den  für  spanische 
Häuser  characteristischen  viereckigen  Hof. 

Die  Reinlichkeit  in  den  Strassen  ist  massig,  obgleich  jede 
Nacht  eine  Reinigung  der  Strassen  stattfindet.  Auch  besteht  eine 
Abfuhr  von  Unrath  insofern,  als  Küchenabfälle  und  Müll  des 
Nachts  in  Kästen  auf  die  Strasse  gesetzt  und  dann  von  Müllwagen 
abgefahren  werden.  Es  giebt  4 Markthallen.  Ich  habe  nur  die 
grösste  besichtigen  können.  Von  der  mangelhaften  Reinlichkeit  ab- 
gesehen, entsprach  ihre  Einrichtung  im  Ganzen  der  in  Deutschland 
üblichen.  Ein  grosses  schönes  neues  Schlachthaus  liegt  im  Westen 
der  Stadt  in  der  Nähe  der  Bahnstation  Cristina.  Es  wird  täglich 
2 mal  geschlachtet.  Die  Thiere  werden  durch  Genickstich  getödtet 
und  dann  die  Halsadern  geöffnet.  Es  besteht  Schlachtzwang. 

Die  Stadt  besitzt  eine  Wasserleitung,  die  aber  nur  gewisse 
Theile  der  Stadt  versorgt.  Daher  kommt  es  auch,  dass  nur  einzelne 
Theile  der  Stadt  canalisirt  sind  und  Closets  mit  Spülvorrichtungen 
besitzt  Wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  werden  die  Kothmassen  in 
grossen  Gruben  aufgefangen  und  der  Porosität  des  Bodens  das  Ueb- 
rige  überlassen.  — 

Für  Kriegsschiffe  ist  das  Vorhandensein  der  eben  genannten 
Wasserleitung  sehr  angenehm.  Denn  die  spanische  Regierung  liefert 
täglich  30  tons  von  diesem  Wasser  kostenfrei  in  einem  Prahm. 
Das  Wasser  wird  aus  der  Leitung  direct  in  den  Prahm  gepumpt, 
der  allerdings  von  einem  Dampfbeiboot  des  betreffenden  Kriegsschiffes 


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270 


Dr.  Reinhold  Hugo. 


Hingsseit  geschleppt  werden  muss,  damit  das  Wasser  direct  an  Bonl 
tibergepumpt  werden  kann.  Chemisch  und  physikalisch  hat  das 
Wasser  alle  Eigenschaften,  die  man  von  einem  guten  Trinkwasser 
verlangen  muss.  Eine  bacteriologische  Untersuchung  konnte  ich  an 
Bord  nicht  vornehmen.  Es  wurde  daher  dies  Wasser  nur  zum 
Waschen  und  Kesselspeisen  benutzt  und  in  den  Doppelboden,  nicht 
aber  in  die  Trink  Wassertanks  gepumpt.  (Als  Trinkwasser  wurde  nach 
wie  vor  nur  destillirtes  Wasser  benutzt.)  Dem  gegenüber  steht  aller- 
dings das  Hafenwasser  von  Habana  in  sein-  schlechtem  Rufe.  Das 
hat  seinen  guten  Grund.  Die  Hafeneinfahrt  ist  an  der  engsten  Stelle 
etwa  600  m breit  und  das  Hafenbecken  selbst,  das  fast  rund  ist 
hat  einen  Durchmesser  wie  etwa  die  Kieler  Föhrde  bei  Wyk.  Alle 
Kloaken  münden  in  den  Hafen,  aller  Unrath  der  Schifte  wird  in  den 
Hafen  entleert,  und  das  will  bei  dem  lebhaften  Dampferverkehr  im- 
merhin etwas  heissen. 

In  den  Acten  der  deutschen  Marine  — betreffend  die  ostameri- 
kanische Station  — finden  sich  folgende  Angaben. 

Ein  Schiff,  das  von  Habana  aus  einen  nordamerikanischen  Hafen 
anlaufen  will,  erhält  vom  nordamerikanischen  Consulat  nur  dann 
einen  reinen  Gesundheitspass,  wenn 

1.  nicht  mit  Hafenwasser  Deck  gewaschen  ist, 

2.  kein  Verkehr  mit  dem  Bumboot  stattgefunden  hat. 

3.  M asche  an  Land  nur  in  einer  vom  Consulat  als  nicht 
infectionsverdächtig  bezeichnten  Anstalt  gewaschen  wor- 
den ist*). 

Alle  diese  Punkte  kommen  aber  natürlich  erst  in  Frage,  nach- 
dem die  Versicherung  abgegeben  ist,  dass  kein  Gelbfieberfall  an  Bord 
vorgekommen  ist.  In  der  Zeit  vom  April  bis  zum  1 . December  reicht 
aber  selbst  dies  nicht  mehr  aus.  Denn  während  dieses  Zeitraumes 
legen  die  Nordamerikaner  alle  aus  Habana  kommenden  Schiffe  eo 
ipso  in  Quarantaine.  Die  dänischen  Behörden  in  St.  Thomas  legen 
sogar  in  jeder  Jahreszeit  jedes  Schiff,  das  von  Habana  kommt  und 
kürzere  Zeit  als  14  Tage  unterwegs  gewesen  ist,  in  Quarantaine. 
gleichgültig  ob  Gelbfieberfälle  an  Bord  vorgekommen  sind  oder  nicht. 

Als  ich  im  Februar  dieses  Jahres  mit  S.  M.  S.  „Charlotte“  im 
Hafen  von  Habana  lag  und  den  für  das  nahe  gelegene  Key  West 
nöthigen  Gesundheitspass  besorgte,  fand  ich,  dass  auf  dem  Pass- 
Formular  unter  den  vielen  Fragen  nur  eine  auf  die  oben  genannten 

*)  Es  giebt  jetzt  eine  gute  Dampfw&schanstolt  in  Habana. 


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Hygienisches  und  Sanitäres  aus  Habana. 


271 


Punkte  abzielte.  Neben  vielen  anderen  Fragen  über  den  Gesund- 
heitszustand an  Bord  wurde  Auskunft  über  die  Bezugsquelle  des 
Wassers  verlangt.  Aber  selbst  nachdem  der  Pass  in  der  verlangten 
Weise  ausgefüllt  und  den  Thatsachen  entsprechend  mitgetheilt  war, 
dass  der  Gesundheitszustand  an  Bord  durchaus  gut  wäre  und  Gelb- 
fiebererkrankungen an  Bord  nicht  vorgekommen  wären,  kam  der  zum 
amerikanischen  Consulat  besonders  als  Quarantainearzt  kommandirte 
amerikanische  Marinearzt  noch  au  Bord,  um  die  vorhandenen  Kranken 
persönlich  zu  sehen.  So  vorsichtig  sind  die  Amerikaner  selbst  Schiffen 
gegenüber,  die  Habana  in  der  guten  Jahreszeit  verlassen  und  einen 
nordamerikanischen  Hafen  anlaufen  wollen.  — 

Im  Februar  1898  besass  Habana  9 grosse  Krankenhäuser, 
von  denen  6 Militairlazarethe  waren.  Bei  dem  kurzen  Aufenthalt, 
den  S.  M.  S.  „Charlotte“  in  Habana  nahm,  konnte  ich  nur  das  grösste 
Militairlazareth  und  eins  der  grossen  Privatkrankenhäuser  besuchen.*) 
Stabsarzt  Dr.  Bassenge,  der  an  Bord  S.  M.  S.  „Stosch“  im  Jahre 
1894  Habana  besuchte,  hatte  Gelegenheit,  das  zweite  grosse  Civil- 
hospital  „de  las  Mercedes“,  das  alte  Militairlazareth  (am  Hafen  ge- 
legen), sowie  das  Leprahospital  „San  Lazaro“  zu  besuchen.  Er 
schildert  das  Hospital  „de  las  Mercedes“  als  ein  Musterhospital  ersten 
Ranges**)  und  hebt  zu  gleicher  Zeit  die  liebenswürdige  Art  und 
Weise  hervor,  in  der  ihm  die  spanischen  Aerzte  bei  seinem  Besuche 
entgegenkamen.  Ich  kann  ihm  in  letzterem  Punkte  nur  beistimmen. 
Auch  mir  sind  die  spanischen  Collegen  in  Habana  stets  in  liebens- 
würdiger Weise  entgegengetreten. 

In  dem  Hospital  „de  las  Mercedes“  wird  täglich  Klinik  abge- 
halten; für  theoretische  Collegien  ist  ein  besonderer  Saal  bestimmt. 
Ausserdem  dienen  der  Obductionsraum,  das  Laboratorium  und  der 
Operationssaal  zu  Unterrichtszwecken***). 

Das  grosse  Civilkrankenhaus  Habanas,  das  ich  sah,  die  „Quinta 
de  Salud“,  ist  ein  Privathospital.  Es  liegt  im  Westen  der  Stadt 
und  ist  leicht  mit  der  Pferdebahn  zu  erreichen. 

Dies  Hospital  ist  nach  und  nach  entstanden  und  die  einzelnen 
Gebäude  mit  iliren  Einrichtungen  haben  dementsprechend  verschie- 
denen Werth.  Während  die  älteren  Gebäude  mit  ihren  Einrichtungen 


*)  Siehe  Heft  8,  S.  218  dieser  Zeitschrift. 

**)  Bassenge,  Bemerkungen  über  die  sanitären  Verhältnisse  einiger  Häfen 
in  Westindien.  Marine-Rundschau  1895,  8.  Heft. 

***)  Bassenge,  1.  o.  3.  452. 


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272 


Dr.  Heinhold  Rüge. 


nur  wenig  höher  stehen,  als  die  Krankensäle  in  der  alten  Charite  zs 
Berlin  — die  einzelnen  Zimmer  sind  nur  viel  kleiner  und  duni- 
schnittlich  für  4 — 6 Kranke  eingerichtet  — sind  die  neueren  Anlage: 
nicht  nur  mustergültig,  sondern  sogar  luxuriös  ausgestattet,  fe 
ganze  Anlage  ist  im  Blocksystem  erbaut. 

Besonders  hervorzuheben  ist  der  neuste  Block,  das  sogenannt 
„Fieberhaus“.  In  diesem  Hause  waren  vorwiegend  Wechselfieber- 
Gelbfieber-  und  Influenzakranke  untergebracht.  — NB.  Die  Gelb- 
fieberkranken wmrden  nicht  isolirt  !*).  — Dieser  neue  Block  har 
Treppenstufen  aus  Marmorplatten,  der  Boden  der  Krankenzimmer 
und  Corridore  besteht  aus  buntfarbigen  Kacheln,  die  Wände  and 
gleichfalls  bis  ca.  1 m über  dem  Fussboden  mit  Kacheln  belegt  so 
dass  jeder  Zeit  schnell  eine  allgemeine  Desinfection  stattfinden  kann 
Jedes  Krankenzimmer  ist  gross,  hell,  luftig  und  geräumig  und  ent- 
hält nur  2 Betten,  jedes  Bett  hat  ein  Mosquitonetz  (das  Letztere  ist 
auch  in  dem  älteren  Block  der  Fall).  Die  sonstige  Einrichtnng  de 
Krankenzimmer  lässt  nichts  zu  wünschen  übrig.  Die  grosse  Reinlich- 
keit in  diesem  Block  fiel  angenehm  auf. 

Von  besonderen  Einrichtungen  sind  noch  zu  erwähnen: 

1.  Der  Operationspavillon,  der  allein  für  sich  steht,  aa 
Zimmer  für  septische  und  eins  für  aseptische  Operationen  enthalt 
Ausserdem  befinden  sich  die  entsprechenden  Auskleidezimmer  dabd 
Die  Einrichtungen  dieses  Pavillons  entsprechen  durchaus  den  Anfor- 
derungen der  modernen  Chirurgie.  Die  Instrumente,  Desinfections- 
apparate  pp.  waren  aus  Berlin  von  Lautenschläger  bezogen. 

2.  Das  Badehaus.  Dieses  Haus  enthält  neben  Voll-,  Sitz- 
und  aller  Arten  von  Douche-  und  Dampfbädern  ein  vollständig* 
Schwimmbassin.  Ich  habe  bis  jetzt  noch  nie  so  ausgezeichnet  ein- 
gerichtete Badevorrichtungen  in  einem  Krankenhaus  gesehen. 

3.  Die  Desinfectionsanstalt.  Sie  dient  zur  Desinfection  <k 
Kleider  der  Neuaufgenommenen  etc.  Die  Apparate  stammten  »a- 
New-York. 

4.  Die  Küche,  in  der  mit  Dampf  gekocht  wird,  war  reinlich 
und  gut  eingerichtet.  Sie  bildete  einen  Block  für  sich. 

5.  Isolirpavillons.  Diese  Pavillons  waren  hauptsächlich  fir 
Pockenkranke  bestimmt  Sie  waren  zur  Zeit  meines  Besuches  nkfc 
belegt. 

Der  Aufnahmepreis  in  diesem  Hospital  betrug  für  einen  Krank«*. 


*)  Vergl.  in  dieser  Beziehung  auch  Bassenge,  1.  c.  S.  452. 


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Hygienische»  und  Sanitäres  aus  Habana. 


273 


der  sieh  nicht  durch  einen  laufenden  Beitrag  eingekauft  hatte,  2 $ 
(»old  pro  Tag  = 8 Mk. 

Diesem  Hospital  gegenüber  erscheint  das  alte,  am  Hafen  ge- 
legene Militairlazareth  nach  den  Schilderungen  Bassenge’s*) 
stellenweise  minderwerthig.  Das  neue  grosse  Militairlazareth  im 
Fort  Principe  mit  seinen  vorzüglichen  Einrichtungen  habe  ich  ja  be- 
reits erwähnt 

Das  Lepra-IIospital  „San  Lazaro“  hat  zwei  grosse  Säle  (einen 
für  Männer  und  einen  für  Frauen),  ist  reinlich  gehalten,  mit 
83  Kranken  belegt  und  untersteht  der  Leitung  von  2 Aerzten  und 
6 Schwestern.  — „Heilungsversuche  werden  nicht  gemacht;  man 
lässt  der  Krankheit  ihren  Lauf  und  begnügt  sich  in  seltnen  Fällen 
mit  einer  symptomatischen,  lokalen  Behandlung“**).  — 

Es  lag  mir  natürlich  daran,  nachdem  ich  die  Krankenhäuser 
gesehen  hatte,  die  Meinung  der  einheimischen  Aerzte  über  die  Frage 
der  Contagiosität  oder  Nichtcontagiosität  des  Gelbfiebern,  sowie  ihre 
Ansicht  über  die  Differentialdiagnose  zwischen  Gelbfieber  und  Schwarz- 
wasserfieber kennen  zu  lernen. 

Der  Chefarzt  der  Quinta  de  Salud  sagte  mir  Folgendes:  „Gelb- 
fieber steckt  nicht  von  Mann  zu  Mann  an.  Ich  persönlich  habe 
wenigstens  bis  jetzt  nie  einen  ein  wandsfreien , überzeugenden  Fall 
der  Uebertragung  von  Mann  zu  Mann  gesehen“.  Der  amerikanische 
Quarantainearzt  stand  auf  dem  entgegengesetzten  Standpunkte  und 
erzählte  mir  als  für  seine  Ansicht  beweisend  folgende  Thatsache. 
Im  alten  Militairlazareth  lagen  Gelbfieberkranke.  Das  Lazareth  ent- 
leert seine  Abwässer  in  den  Hafen.  Die  Besatzungen  derjenigen 
Schiffe,  die  in  der  Nähe  der  Mündungsstellen  dieser  Abwässer  lagen, 
erkrankten  an  Gelbfieber.  (Es  erkrankten  aber  auch  andere.  Verf.) 
Während  der  letzten  Hälfte  des  Januar  1898  erkrankten  in  Habana 
32  Personen  an  Gelbfieber  und  starben  8. 

Fernerhin  sind  nach  Ansicht  des  genannten  Chefarztes  Gelbfieber 
und  fieberhafter  Magendarmkatarrh  in  den  ersten  Erkrankungstagen 
nicht  von  einander  zu  scheiden,  bis  Eiweiss  im  Urin  auftritt.  Ausser 
etwaigem  Eiweissgehalt  ist  der  Puls  diagnostisch  wichtig.  Beim 
Gelbfieber  steigt  er  nämlich  nicht  zugleich  mit  der  Temperatur,  son- 
dern bleibt  niedrig.  Steigt  er  aber  beim  Gelbfieber  am  2.  Tage 
plötzlich  hoch  und  tritt  viel  Eiweiss  im  Urin  auf,  so  ist  das  ein 
signum  malum.  — Schwarzwasserfieber  und  hämaturisches  Gelb- 


*)  1.  c.  8.  452.  **)  Bassenge  1.  c.  8.  453. 


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Dr.  Keinhold  Rüge. 


yeber  sind  nur  durch  die  Anamnese  und  die  Blutuntersuchung  za 
unterscheiden.  Denn  hier  lässt  der  Eiweissgehalt  des  Urins  im  SticL 
weil  er  hei  beiden  Erkrankungen  Vorkommen  kann,  und  Milzschwel- 
lung ist  ja  durchaus  kein  stetiges  Symptom  bei  Schwarzwassertieber. 

Bestätigt  gefunden  habe  ich  die  bereits  von  Bassenge  mitg<- 
tlieilte  Erfahrung,  dass  europäische  Frauen  während  der  Gravidit  : 
dem  Gelbfieber  am  ehesten  unterliegen.  So  waren  z.  B.  von  den 
deutschen  Frauen,  die  s.  Z.  in  Habana  gelebt  batten,  nur  noch  i 
übrig  geblieben,  die  anderen  waren  am  Gelbfieber  gestorben.  Na- 
mentlich genannt  wurden  mir  allein  drei,  die  in  den  letzten  beiden 
Jahren  während  der  Gravidität  gestorben  waren. 

Ebensowenig  wie  andere  Gegenden  der  Erde  war  Habana  uw 
der  Influenza  verschont  geblieben.  ZurZeit  meines  Besuches  lagen 
noch  zahlreiche  Influenzakranke  in  der  Quinta  de  Salud.  Die  In- 
fluenza wurde  merkwürdigerweise  in  Habana  mit  dem  deutschen  (?  di- 
Red.)  Ausdruck  „Grippe“  bezeichnet. 

Pocken  kommen  dauernd  in  Habana  vor.  Während  der  letzt« 
14  Tage  des  Januar  kamen  in  der  Stadt  50  Fälle  von  Pocken  mit 
5 Todesfällen  vor. 

Nach  Bassenge’s  Bericht  sind  ausserdem  noch  Diphtherie  und 
Ilotz  häufig.  „Die  Ausbreitung  und  Gefährlichkeit  von  Diphtherie 
in  Habana  beweist  eine  im  Sitzungssaal  der  medicinischen  Gesellschaft 
angebrachte  Gedenktafel,  wonach  in  den  letzten  15  Jahren  mehr  al- 
20  Aerzte  in  Ausübung  ihres  Berufes  an  Diphtherie  erkrankt  und 
gestorben  sind.“  — Rotzkranke  fand  Bassenge  mehrere  im  Ciril- 
hospital  „de  las  Mercedes“.  — 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea 

von 

Dr.  Otto  Dempwolff, 

ehemaligem  Arzt  der  Neu-Guinea-Compagnie. 

IV.  Andere  Leiden  bei  Europäern. 

Wenn  es  keine  Malaria  gäbe,  so  wäre  Neu-Guinea  ein  Paradies 
und  für  Aerzte  an  Europäern  so  gut  wie  gar  nichts  zu  thun. 

Die  57  ausgewählten  auf  Tropentauglichkeit  geprüften,  meist 
jugendlichen  Leute,  die  mein  damaliges  Clientei  bildeten,  waren  ein 
viel  zu  gutes  Menschenmaterial,  als  dass  man  an  ihnen  besonders 
interessante  klinische  Beobachtungen  — abgesehen  eben  von  der 
Malaria  — hätte  machen  können. 

Allgemeine  Constitutionskrankheiten  habe  ich  nicht  zu  sehen 
bekommen;  die  Anaemie  wurde  durch  die  universelle  Malaria  ge- 
nügend erklärt,  und  auch  sie  war,  wie  ich  früher  gezeigt,  nur  nach 
Schwarzwasserfieber  hochgradig. 

Eigentliche  Tropenkrankheiten  — ausser  Malaria  — kamen  bei 
den  Weissen  nicht  vor. 

Von  den  auch  bei  uns  heimischen  Infectionskrankheiten  habe 
ich  nur  eine  einzige  zu  behandeln  gehabt;  diese  freilich  häufiger, 
und  in  einigen  bösen  Formen:  die  Gonorrhoe. 

Aus  meiner  damaligen  Praxis  führe  ich  als  Beispiel  folgende 
Krankengeschichten  an. 

Nr.  26.  (Acute  Urethritis  gonorrhoica.)  Infeetiou  2.  III.  95  in 
Colombo  (Ceylon).  Urethritis  am  13.  III.  in  Singapore  bemerkt  und  Oonoeoecen 
nachgewiesen.  Am  14.  III.  Abortivcur  durch  2%  Argent.  nitric.  c.  Butyr.  Caeao 
in  Stäbchen  versucht,  jedoch  ohne  Erfolg.  Darnach  0,5  % Zinc.  sulfocarbol.- 
Lijsung,  Besserung  Anfang  April.  Dauerndes  Aufhören  jedes  Ausflusses  mit 
dem  ersten  Malariaanfall  (Fieber  bis  40.2°)  am  21.  IV. 

An  diesem  Fall  habe  ich  die  schnelle  Genesung  der  hohen 
Temperatur  zugeschrieben,  die  ja  als  tödtlich  für  Gonococcen  an- 
gegeben wird. 


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“276 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


Nr.  27.  (Arthritis  gonorrhoica.)  Pat.  seit  Oetober  94  in  der  Gilouie. 
hat  (neben  häufigen  Malariafiebern)  im  April  95  eine  acute  Gonorrhoe  aquinrt. 
die  angeblich  im  Juni  ausgeheilt  war.  Vom  22.  VIII.  bis  13.  IX.  hartnäckiges 
intermittirendes  Fieber,  bei  dem  entzündliche  Schwellungen  an  den  Metatarv- 
phalangeal-Gelenken  und  am  Calcaneus  des  rechten  Fusses  auftraten,  Mitt- 
November  95  neue  gonorrhoische  Infection,  anfänglich  selbst  mit  Injectionen  be- 
handelt. 

Am  22.  XI.  95  schwere,  zehnstündige  Durchniissung  bei  I/jscharbeitea ; 
sofort  daran  anschliessend  Gelenksteifigkeit,  die  sich  unter  Schmerzen  bis  zur 
Bewegungsunfähigkeit  steigerte. 

Am  25.  XI.  trat  Pat.  in  Behandlung  des  Collegen  in  Stephansort.  Damals 
bestand  Entzündung  des  linken  Hüft-  und  beider  Fussgelenke,  erst  in  den 
folgenden  Tagen  schwollen  die  Knie  an.  Dabei  Herz  intact.  Milz  massig  ver- 
grössert,  leichte  Fieberbewegungen.  Dieser  Status  hat  fere  idem  gedauert  bis 
Mitte  December;  nur  die  Urethritis  wurdo  gelinder.  In  dieser  Zeit  hat  Pat 
erhalten  Natr.  salicyl.  20.0  Chloralhydrat  8,0  Salipyrin  38,0  Morph,  mur.  0.23. 
Chinin,  mur.  6,25  Phenocoll  9,0  innnerlich,  0,5%  Zinc.  sulfocarbol.  äusserliea. 
2 Vollbäder  und  Wickelungen  der  Gelenke  — alles  ohne  deutlichen  Erfolg. 
Am  14.  XII.  Transport  in’s  Enroiäier-Hospital  FrWhfn..  Uebernahme  in  meine 
Behandlung. 

15.  XII.  95.  Status  praesens:  Starke  Abmagerung,  hohle  Augen,  hektische 
Wangenröthe,  Rückenlage.  Genick  vorgeschoben,  hist  unbeweglich.  — An  inneren 
Organen  nur  geringe  Milzvergrösserung  bis  zum  Rippenrand.  Urin  eiweissfre- 
zeigt  Tripperfäden.  Herz  frei.  — Gelenke:-  Kopf  fast  ganz  fixirt,  nur  geringe 
Nickbewegung  ausführbar;  dabei  keine  Schwellung  oder  Dmckempfindlichkeit. 
auch  nicht  in  den  anliegenden  Muskeln.  Schultern  und  Ellenbeugen  frei.  Von 
den  Handgelenken  nur  das  Metacarpo-phalangeal-Gelenk  des  rechten  Daumens  ge- 
schwollen, steif.  Hüftgelenke  frei,  linke  lleosacralverbindung  druckempfindlich. 
Knie-  und  Sprunggelenke  stark  geschwollen,  geröthet,  heiss,  auf  Druck  schmerz- 
haft, steif.  Metatarso-phalangeal-Gelenke.  namentlich  der  grossen  Zehe,  geschwollen 
Druekempfindlichkeit  an  der  rechten  Hacke.  — Sonst  nur  Schlaflosigkeit.  Appetit- 
tnangel.  Reizbarkeit. 

Bis  zum  19.  XII.  bleibt  unter  Watteeiu Wickelung  der  Gelenke  der  Status 
idem;  Probepunction  im  linken  Knio  resultatlos. 

Vom  20. — 28.  XII.  fünf  heisse  Bäder  (40 — 44°  C.)  mit  nachfolgendem 
Schweiss.  Darnach  Abschwellung  beider  Kniee.  Geringe  Beweglichkeit  derselben. 

Am  29.  XII.  infolge  Erkältung  Nachschub  in  beide  Knie.  Zeitweise  kleine 
Fieber.  Chin.  mur.  12,0. 

Anfang  Januar  96  wieder  heisse  Bäder,  Massage  der  Muskulatur.  Sten- 
Morphium  Abends.  Darnach  gänzliches  Abschwellen  an  Knie-  und  Fussce- 
lenkon.  Hackenschmerz  und  Nackensteifo  bleiben.  — Nunmehr  Ichthyolsalbe 
an  den  Gelenken,  Jodtinctur  am  Knie.  — Allmälig  gesteigerte  Gehversuche.  — 

Ende  Januar  noch  sieben  Dampfbäder  mit  folgender  Ganzpackung.  Nock 
immer  abends  Morphium.  Zunehmende  Gehfähigkeit.  Hackenschmerz  schwiudec 
Nackensteifo  bleibt  Sichtliche  Hebung  des  Allgemeinbefindens. 

Am  9.  II.  96  als  gebessert  zur  weiteren  Reconvaleseenz  auf  die  Stabc-n 
entlassen. 

Hier  entzieht  sich  Pat.  möglichst  der  ärztlichen  Controle,  äusserst  wechselnde 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guiuea. 


277 


Beschwerden  ohne  erneuten  anatomischen  Befund,  wird  am  15.  III.  in  die  Heimath 
gesandt.  In  Deutschland  „völlig  steif'*  angekommen,  hat  er  noch  mancherlei 
Curen,  u.  a.  Rechtsanwalt  Glünicke’sche  Iloiltriinke  (!)  durchgomacht , und  soll 
Herbst  97  noch  invalide  gewesen  sein. 

Dieser  Fall  war  der  complieirteste,  den  ich  je  gesehen  habe. 
Ob  das  „Tropenklima“  oder  die  Malaria  bei  der  Verzögerung  der 
Genesung  mitgespielt  hat,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Nr.  28.  (Arthritis  gonorrhoica.)  Pat.  ist  7 Jahre  in  Australien,  4 Jahre 
in  Neu-Guinea  gewesen.  Ende  Deeember  95  in  Stephansort  gonorrhoische  In- 
fectioD,  Urethritis,  Selbstbehandlung  mit  Injectionen.  Am  5.  I.  96  Ausbruch  des 
Gelenkrheumatismus.  Es  waren  ergriffen  beide  Knie-  und  Sprunggelenke;  in  den 
ersten  Tagen  gingen  die  ohnehin  geringen  Erscheinungen  rechts  zurück,  während 
am  linken  Bein,  auf  dem  Pat.  bereits  dreimal  schwere  Lymphnngitis  durchgemacht, 
pralle  Spannung  des  Kniegelenks,  fixirte  FlexionssteUung  desselben,  Oedem  von 
der  Mitte  des  Oberschenkels  bis  zu  den  Zehen,  Druckgeschwiir  am  linken  äusseren 
Knöchel  auftrat.  Alles  unter  leichten  Fieberbewegungen  um  38’.  Während 
des  ganzen  Monats  Januar  blieb  dieser  Status,  nur  die  Gonorrhoe  war  subacut 
und  es  trat  leichte  psychische  Verwirrtheit  auf.  Pat.  verbrauchte  Chin.  mur. 

17.0  Natr.  salieyl.  20,0  Salol  21,0,  Chloral.  hydrat.  30.0  Morph,  mur.  0,2,  benutzte 

0. 5%  Zinc.  sulfocarbol.- Injectionen,  und  bekam  alle  ein  um  den  anderen  Tag 
heisse  Vollbäder,  sowie  Wattewickelung  der  Gelenke. 

Am  1.  II.  wurde  eine  Consultation  über  ihn  abgehalten,  die  Uoberführung 
in’s  Europäer-Hospital  verlangte,  und  damit  schloss:  „die  Vorhersage  ist  zweifel- 
haft. Wiederherstellung  der  Gesundheit  im  Schutzgebiet  ist  ausgeschlossen. 
Besserung  des  Zustandes  bis  zum  Abgang  des  nächsten  Postdampfers,  welcher 
die  Ueberfiihrung  nach  Europa  gestattet,  liegt  wohl  im  Bereich  der  Möglichkeit.1' 
Am.  2.  II.  wurde  Pat.  nach  Friedrich  Wilhelms-Hafen  transportirt. 

Am  3.  H.  lautete  der  Status  praesens:  Passive  Rückenlage.  Temp.  38.2°. 
Innere  Organe,  ausser  grosser  Milz,  frei.  Urin  eiweissfrei.  Sonsorium  klar. 
Gedäehtnissschwäche,  resp.  Erinnerungstäuschungen.  Bleiche  Hautfarbe.  Schmerz- 
hafte, druckempfindliche,  heisse  Schwellung  des  linken  Kniees,  das  in  höchster 
spitzwinkliger  Flexionsstellung  fixirt  ist;  Oedem,  weiss,  prall,  spindelförmig  da- 
rüber; Oedem  an  den  Knöcheln  und  dem  Fussriicken.  Decubitus  am  äusseren 
Knöchel.  Druckrüthung  der  Haut  über  dem  linken  Gesiiss.  — Eiterausfluss  aus 
dem  Penis. 

Vom  3. — 14.  II.  erhielt  Pat.  ausser  Morph.  0,01  Abends  und  einmal  Sulfonal 

1.0  kein  Arzneimittel,  wohl  aber  Priessnitz  um  Knie  und  Knöchel  und  ein  heisses 
Bad,  sowie  besorgteste  Allgemeinpflege.  Dabei  blieb  der  Status  idem,  nur  der 
Decubitus  heilte;  Pat.  war  fieberfrei  und  nahm  jedenfalls  an  Kräften  nicht  ab. 

Am  14.  II.  Operation  (mit  Dr.  Wendland  und  Stabsarzt  Matthisson),  Chloro- 
formnarkose, langsam  und  schwierig,  aber  ohne  Zufälle.  Auf  der  Höhe  derselben 
Streckung  des  Unken  Beines,  die  ohne  Kraftaufwand  gelingt,  Anlegung  zweier 

1 . einenbinden  als  ..ansae“  an  Ober-  und  Unterschenkel  mittelst  Leimverband. 
Endlich  Anschienen  des  gestreckten  Beines  auf  je  eine  Holzpelotte  am  Ober- 
und Unterschenkel,  die  durch  Eisenstangeu  verbunden  sind,  mittelst  1.0 imver- 
band. — Nach  der  Operation  viel  Schmerz  bis  zu  Wuthanfällen.  Morph.  0,01  5. 
Fieber. 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


17.  II.  (ledern  am  ganzen  Oberschenkel,  während  der  Unterschenkel  abge- 
schwollen ist.  Ersatz  des  Leimverbandes  durch  Flanelibinden.  Liiin.  alumio. 
acct.  auf  das  Knie.  Fieberfrei. 

20.  II.  Decubitus  am  Steissbein.  Ungt.  einer. 

22.  II.  Stat.  id.  Oedem  am  Oberschenkel  im  Abschwellen.  Ersatz  der 
Pelottenschiene  durch  Drahtbose,  Flanellbinden  und  Extension. 

24.  II.  Oedem  abgeschwollen.  Mercurialexanthem.  — Warme  Vcllbäler. 
Priessnitz  am  Knie.  Reispuder. 

28.  II.  Exanthem  und  Decubitus  schwinden.  Drahthose  weg.  Keine 
Schlafmittel  mehr.  Merkliche  Besserung  des  Allgemeinbefindens. 

Anfang  März:  Zunehmende  Besserung. 

Am  15.  III.  verlässt  Pat.  die  Colonie  mit  folgendem  Status:  Allgemeinbe- 
finden gut.  Psyche  klar.  Appetit,  Verdauung  vorzüglich.  Kein  Fieber.  Ausser 
PulsbeBchleunigung  und  Milztumor  innerlich  nichts  Abnormes.  Gonorrhoischer 
Ausfluss  unmerklich.  Kein  Decubitus.  Leichtes  Oedem  des  linken  Beines  von 
der  Mitte  des  Oberschenkels  bis  zu  den  Knöcheln.  Darunter  ein  Knie-  und 
Fussgelenkserguss  nicht  nachweisbar.  linkes  Bein  gebrauchsunfähig:  Pat  wird 
im  Stuhl  an  Bord  gebracht.  — Pat.  hat  4 Wochen  in  Singapore  im  Hospital  ge- 
legen und  später  in  Deutschland  gymnastische  Curen  gebraucht  Er  soll  nnr 
eine  Steifheit  des  linken  Knies  nachbehalten  haben,  sonst  völlig  genesen  sein. 

Dieser  Fall  war  sicher  sehr  schwer,  dass  der  Kranke  mit  dem 
Leben  davon  gekommen,  verdankt  er  nur  der  aufopfernden  Pflege 
unserer  Schwester.  — 

Selbstständige  Krankheiten  des  Circulationssystems  kommen 
nicht  vor. 

An  den  Respirationsorganen  habe  ich  einige  Erkältungskrank- 
heiten behandelt,  Rachen-  und  Bronchialcatarrhe,  auch  dreimal  trockene 
Pleuritiden.  Alle  diese  Fälle  genasen  schnell  ohne  wesentliche 
Therapie.  Diese  geringe  Empfänglichkeit  für  Erkältungen  musste 
um  so  mehr  auffallen,  als  einerseits  jeder  Einzige  oft  genug  unver- 
muthet  und  auf  längere  Zeit  durchnässt  wurde,  andererseits  alle 
Farbigen  sehr  unter  Husteu  und  Catarrhcn  litten.  Es  lag  der  Ge- 
danken nahe,  dass  wir  Weissen  aus  unserer  rauhen  Heimath  eine 
grössere  Widerstandsfähigkeit  gegen  Witterungseinflüsse  mitbrachten, 
im  Kampf  um’s  Dasein  mit  dem  meteorologischen  Milieu  seit  Genera- 
tionen erworben.  — 

Auch  von  selbstständigen  Krankheiten  des  Yerdauungstractus 
habe  ich  wenig  zu  berichten:  ein  Tumor  abdominis  wurde  rar 
Operation  heimgesandt;  bei  zwei  Fällen  von  Taenien  gelang  dis 
Abtreibung  ohne  Rückfall. 

Am  Urogenitalsystem  — abgesehen  von  der  Gonorrhoe  — habe 
ich  nur  dysmenorrhoische  Beschwerden  bei  den  verheiratheten  Frauen 
zu  verzeichnen,  Ausfall  der  Menses,  oder  profuse  Blutverluste.  Nur 


Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Gtiinea.  079 

gegen  letztere  habe  ich  therapeutische  Erfolge  gehabt,  diese  aber 
stets  und  prompt:  mit  Extr.  Hydrast.  Canad. 

Von  Hautleiden  waren  wir  Europäer  wenig  geplagt:  vor  Allem 
gab  es  nicht  so  viel  Ungeziefer,  wie  anderwärts,  keine  Flöhe, 
Wanzen  u.  s.  w.,  nur  Mosquitos  der  milderen  Art,  die  auch  au  der 
See  in  der  trocknen  Zeit  fast  ganz  ausst&rben.  Ah  und  zu  belästigte 
ein  Erythema  solare  (durch  Lanolin  zu  vermeiden)  oder  „rother 
Hund“  ( — in  einem  ganz  schlimmen  Fall  halfen  tägliche  heisse 
Süsswasserbäder  — ),  und  zuweilen  auch  Ringwurm  (herpes  ton- 
surans?),  durch  die  Farbigen  angesteckt,  theils  direct  (cherchez  la 
feinme),  theils  indirect  durch  die  Leibwäsche,  welche  unsere  Boy ’s 
oft  zu  faul  waren  auszukochen.  Gegen  diese  peinliche  Flechte  sah 
ich  von  einer  5 °/0  Chrysorabinsalbe  stets  Erfolg,  während  Naphtol, 
Schwefel  etc.  nicht  so  prompt  halfen. 

Beim  Thema  „Hautleiden“  will  ich  noch  eine  Affection  erwähnen, 
die  meines  Wissens  nur  in  Indonesien,  besonders  häufig  anscheinend 
auf  Neu-Guinea  vorkommt.  Es  sind  kleine  juckende  Papeln  an  den 
unteren  Extremitäten,  die  man  von  einer  Buschtour  mitbringt,  die 
unter  dem  Kratzeffect  bald  in  flache,  eiternde  Geschwüre  übergehen, 
und  die  erst  in  Wochen  heilen,  unter  Hinterlassung  eines  jahrelang 
fortbestehenden  bräunlichen  Pigmentfleckes.  Sie  hiessen  bei  uns 
„Buschmucker“;  es  sind  angeblich  minimale  rotlie  Milben  darin  ge- 
funden worden.  Jedenfalls  giebt  es  ein  sicheres  prophylactisches 
Mittel,  dessen  Kenntniss  ich  den  protestantischen  Missionaren  ver- 
danke: Balsam.  I'eruv.,  rein  oder  bis  1 0 °/0  spirituös  verdünnt,  zur 
sorgfältigen  Einreibung  der  unteren  Körperhälfte  vor  jeder  „Busch- 
tour“. Dieses  Mittel  half  auch  therapeutisch  am  ersten  Tage  gegen 
die  rotlien  Papeln  angewandt,  während  die  Geschwüre  mit  feuchten 
Umschlägen  und  Borsalbe  sehr  langsam  ausheilten. 

Damit  wäre  ich  bei  den  Fussgeschwüren  im  Allgemeinen  ange- 
langt, — dem  einzigen  Thema  aus  allen  „chirurgischen“  Fällen,  bei 
dem  ich  eine  Erfahrung  zu  verzeichnen  hätte.  Die  alten  Tropen- 
leute nehmen  an,  dass  man  keine  Malariaattaque  bekäme,  solange 
offene  Beinschäden,  überhaupt  Eiterungen  am  Körper  bestünden, 
und  „die  schlechten  Säfte  ableiteten“.  Dies  kann  ich  halbwegs  l>e- 
stätigen;  d.  h.  während  im  Allgemeinen  alle  Verletzungen  bei  Weissen 
sehr  langsam  heilten,  liessen  Eiterungen  unmittelbar  nach  einer 
Malariaattaque  sichtlich  nach,  und  speciell  Beinschäden  wurden  der 
üblichen  Behandlung  zugänglicher.  Ich  fasse  dies  aber  so  auf,  dass 

Archiv  (.  Schiffs-  u.  Trope  »Hygiene.  II.  21 


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Dr.  Otto  Dempwolff. 


die  hohen  Fiebertemperaturen  den  Mikroorganismen  der  Eiterung 
ebenso  schädlich  sind  wie  denen  der  Gonorrhoe.  — 


V.  Krankheiten  der  Farbigen. 

Die  Farbigen  meines  Klienteis  waren  ein  buntes  Gemisch  ver- 
schiedenster Rassen:  Halfcast’s  von  Europäern,  Javanen  mit  ihren 
Weibern  und  Kindern,  Chinesen  (nur  Männer),  Melanesen  von  der 
Gazelle-Halbinsel,  aus  Neu-Mecklenburg  (hierher  auch  WTeiber),  von 
Buka  und  den  Salamonsinseln,  Papuas  von  den  French  Islands  und 
vom  Huongolf,  und  endlich  ab  und  zu  freie  Eingeborene  — „Tamul“ 
— von  der  Astrolabebay.  Umgangssprache  mit  den  gelben  Rassen 
war  das  brauchbare  Küstenmalayisch,  mit  den  Schwarzen  aber  die 
jämmerliche  Carricatursprache  „Pitchenenglish“  (aus  busiuess-englisi 
corrumpirt),  so  dass,  namentlich  bei  Neuankömmlingen,  mangels  ge- 
nügender Verständigung  der  ärztliche  Beruf  zur  Veterinärprast- 
wnrde.  Dazu  kamen  erschwerend  die  eigentümlichen  Anschauungen 
der  verschiedenen  Völker  über  Krankheiten  und  Therapie.  Es  ist 
dies  ein  interessantes  Thema  der  Ethnologie,  in  das  ich  nur  lang- 
sam und  unvollständig  eingedrungen  bin.  Das  Wesentlichste  Mir  die 
Praxis  war,  dass  die  gelben  Rassen  häufig  Leiden  zu  übertreiben  und 
zu  simuliren  suchten,  um  der  Arbeit  zu  entgehen,  die  Schwärzet 
dagegen  dissimulirten,  um  nicht  in ’s  Hospital  zu  müssen.  Die  Javanen 
und  Chinesen  benutzten  in  ihrem  starken  Arzneiglauben  gern  hei- 
mische Mittel  uncontrolirbarer  Art,  die  Schwarzen  waren  einem  tiei- 
gewurzelten  und  stark  suggestiven  Aberglauben  unterworfen:  der 
Furcht  vor  Gespenstern  und  Zauberei,  womit  sie  alle  Leiden  erklärten, 
für  die  sie  keine  nahe  liegende  Ursache  sahen.  Glücklicherwet* 
bezog  sich  diese  Furcht  nicht  auf  den  Weissen  und  seine  Arzneimittel: 
für  chirurgische  Eingriffe  und  für  Sectionen  boten  die  Iteminiscenar. 
aus  der  früheren  Cannibalenzeit  der  meisten  Schwarzen  sogar  ein 
günstiges  Yorurtheil.  Im  Allgemeinen  also  brachten  die  Farbigen  der 
europäischen  Behandlung  kein  grosses  Yerständniss  entgegen,  sondern: 
unterwarfen  sich  derselben  aus  gewohnter  Subordination ; besten  Falls 
hatten  sie  das  Zutrauen,  dass  der  Doktor  ein  „guter  Mann“  sei.  wesi 
er  sie  nicht  zur  Arbeit  anhielt  und  sie  nicht  strafte. 

Den  einzelnen  Krankheitsbildern,  die  ich  der  Mittheilung  fir 
werth  halte,  schicke  ich  eine  Uebersicht  voraus,  wie  stark  sich  die 
verschiedenen  Leiden  an  der  Morbidität  und  Mortalität  betheiligten 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


281 


ich  betone  hier  nochmals,  dass  dies  nur  für  Friedrich  Wilhelms-Hafen 
und  die  Jahre  1895  und  96  gilt. 

An  der  Morbidität  betheiligten  sich  äussere  Leiden  mit  37  °;0 
aller  Krankheitställe  und  30  % der  Behandlungstage;  Malaria  be- 
anspruchte 17,7%  und  resp.  3,6%,  Beriberi  2,4 % resp.  7,0%, 
Dysenterie  0,3%  resp.  0,8%,  Pocken  2,2%  resp.  4,4%,  Gonorrhoe 
19,7%  resp.  30,4  °/0,  Lungen-Tuberculose  0,3%  resp.  1%,  alle 
anderen  Krankheiten  zusammen  20,4%  resp.  22,8%. 

I/epra,  Cholera,  Syphilis  sah  ich  nie,  Elephantiasis  nur  bei 
freien  Papuas. 

Die  Mortalität  setzte  sich  zusammen  aus  2 Todesfällen  au 
äusseren  Leiden,  12  an  Malaria,  5 an  Beriberi,  8 an  Pocken  und 
28  an  mannigfachen  inneren  Leiden. 

Grössere  Verletzungen  von  Bedeutung  sind  mir  nur  bei  zwei 
Leuten  vorgekommen. 

Nr.  30.  (Complicirtc  Schiidelfractur.)  20.  VI.  95.  Etwa  18 jähriger Mela- 
nese  hat  von  einem  Javanen  einen  Beilhieb  von  hinten  her  über  die  rechte  Schädel- 
seite  erhalten.  6 cm  lange  Hautwunde  mit  glatten  Kündern;  unregelmässiger 
Kiss  von  derselben  Länge  im  Os  parietale,  dessen  obere  Partie  derart  eingedrückt 
ist.  dass  der  rauhe  Rand  des  unteren  Knoehentheil  vorsteht.  Sensorium  klar, 
keine  Hirnsymptome.  — Jodoformtrockenverband.  Heilung  per  secundam  in  drei 
Wochen  ohne  Fieber  oder  andere  Reactionen. 

Nr.  8t.  (Verstümmelung  von  Gesicht  und  Unterarm.)  22.  II.  96. 
Javanischer  Halfcast.  Beim  Fischeschiessen  mit  Dynamit  ist  eine  Patrone  ver- 
früht in  seiner  Hand,  wahrscheinlich  als  er  die  Zündschnur  an  der  Cigarre  ent- 
zündete, explodirt.  Ueber  eine  Stunde  lang  im  Boot  zur  Station  transportirt, 
kam  er  bei  Bewusstsein  an  und  bot  folgenden  Anblick:  von  der  rechten  Hand 
standen  nur  noch  die  Reste  von  drei  Metacarpalknochen ; Sehnen.  Muskeln  und 
Hautfetzen  hingen  herum;  die  rechte  Gesichtshälfte  war  eine  Breimasse,  das 
Auge  ausgelaufen,  die  Wange  am  Mundwinkel  in  Thalergrösse  so  weggerissen, 
dass  der  Finger  vom  Munde  aus  durchdrang;  Quetschwunden  auf  Stirn,  Schläfe. 
Kinn  und  Hals. 

In  Chloroform-  und  Morphium betäubung  wurden  Mitteihand  und  die  meisten 
JJandwurzelknoehen  entfernt,  so  dass  zur  Bedeckung  des  Restes  die  Hautfetzen 
ausreichten.  Am  Gesicht  wurde  nur  Reinigung  vorgenommen  und  relativ  asep- 
tischer Verband  angelegt.  Tiefer  Collaps  verbot  weitere  Eingriffe.  — Am  Abend 
war  Pat  etwas  erholt  und  fieberfrei;  ebenso  am  23.  II. 

Am  24.  II.  zeigten  sich  Armstumpf  und  Wange  gangraenos;  es  werden 
mehrstündige  Spülungen  mit  1 % Liquor  Alurn.  acet.  verordnet.  Pat.  blieb  fieber- 
frei und  bei  völlig  flüssiger  Diät  und  reichlichem  Weinconsum  — er  war  Potator 
— relativ  bei  Klüften. 

In  den  nächsten  4 Wochen  begrenzte  sich  das  Gangrän,  das  übrigens  nur 
die  Haut  betroffen,  allenthalben  deutlich.  Aus  den  Granulationen  zuweilen  auf- 
tretende Blutungen  standen  auf  Liqu.  ferr.  sesquichlor.  Die  gut  vernarbten  Ver- 
letzungen im  Gesicht  und  im  geschrumpften  Bulbus  machten  ein  Einschreiten 

21* 


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282 


Pr  Otto  Dempwolff. 


nnnöthig.  Nur  au  dem  Armstumpf  wurde  am  28.  III.  uoch  — in  Gemeinseiaf: 
mit  Hm.  Stabsarzt  Matthisson  — die  Amputation  bis  zum  oberen  Drittel  da 
l'uterarmes  ausgeführt.  Der  Heilungsprocess  verlief  glatt;  Ende  April  thitf  Pit 
wieder  als  Aufseher  Dienst;  er  erlernte  schnell  mit  der  linken  Hand  zu  Schreiber, 
sogar  wieder  Fische  schlossen. 

In  leiden  Fällen  ist  die  grosse  Widerstandsfähigkeit,  die 
„Lebenskraft“  bemerkenswert!!.  Die  schnelle  Heilläkigkeit,  nameDt- 
licb  von  Schnittwunden,  die  liier  nicht  so  deutlich  war,  habe  ich 
in  anderen  Fällen  von  Messerstichen,  Säbelhieben  etc.  bei  Farbigen 
häutiger  bewundert 

Nr.  32.  (Schnittwunde.)  8.  IV.  96.  Etwa  30jähriger  Baka;  Poliz--- 
soldat.  Hat  sich  durch  Treten  auf  ein  scharfes  Messer  am  Hacken  verletzt 
damit  noch  etwa  2 Stunden  Posten  gestanden , so  dass  er  durch  den  Blutverlust 
fast  collabirt  ins  Hospital  kommt  6 cm  lange.  2 cm  tiefe,  glatte  Schnittwunde, 
stark  blutend,  lu  der  dicken  Epidennis  brechen  die  Wundnadeln  ab.  deshalb 
Heftpflasterverband,  llocblagerung  des  Beines. 

11.  IV.  Pat.  hat  den  Verband  abgerissen.  Wunde  ist  frisch  vernarbt  un: 
bricht  nicht  mehr  auf,  obwohl  Pat.  umhergeht 

Weitaus  die  grösste  Anzahl  äusserlich  Kranker  hatten  Ulcera 
cruris.  Aehnlich  wie  bei  unserer  Arbeiterbevülkerung  entwickelt«; 
sich  aus  kleinen  Epidermisdefecten  in  Folge  von  Stössen  und 
Quetschungen  durch  Vernachlässigung  Geschwüre,  deren  dünne 
Narben,  namentlich  Uber  dem  Schienbein  immer  wieder  aufbrachen. 
Varicen  spielten  keine  Rolle  bei  der  Entstehung  dieser  Geschwüre. 
Besonders  böse  und  oft  brandige  Geschwüre  traten  bei  Leuten  auf 
die  mit  dem  Löschen  und  Laden  von  Kohlen  beschäftigt  gewesen 
waren. 

Die  meisten  Fälle  wurden  ambulant  behandelt,  und  über  se 
kein  Buch  geführt.  Im  Hospital  wurde  folgender  Behandlungsplan 
durchgeführt,  nachdem  ich  anfangs  Jodoform,  Aristol,  Dermatol  u.  s.  w. 
ohne  gute  Erfolge  durehprobirt.  Zunächst  gründliche  Reinigung  des 
ganzen  Reines,  und  speciell  des  Geschwürs  mit  dem  scharfen  Löffel, 
bei  brandigen  Stellen  10°/u  Alaunbäder  oder  Alum.  ust.  pulver 
direct  auf  die  Wunden.  Alsdann  feuchte,  täglich  gewechselte  Um- 
schläge  (Watte  mit  abgekochtem  Wasser  getränkt,  Pergamentpapier. 
Mullbinde)  bis  sich  eine  eiterfreie,  rosige  Granulationsfläche  gebildet 
hatte,  eventuell  dabei  Höllensteintouchirung.  Darnach  Zinkleim  ver- 
band, alle  3—4  Tage  gewechselt,  bis  zur  völligen  Heilung.  Eudbdi 
zmveilen,  bei  grossen  Defecten,  Massage  der  Haut  resp.  Narbe.  So 
kam  ich  in  3 — 6 Wochen  immer  zum  Ziel.  Transplantationen,  roc 
fremder  oder  des  Kranken  eigener  Haut  sind  mir  — und  auch 
anderen  Kollegen  draussen  — stets  missglückt. 


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Aerztliclie  Erfahrungen  in  Neu-Guinoa. 


283 


Phimosen-Operationen  musste  ich  in  10  Füllen  wegen 
häufiger  und  vernachlässigter  Balanitis  vornehmen.  Daltei  wünschten 
die  Iieute  stets  Incision,  weil  sie  mit  dem  Verlust  des  ganzen 
Fraeputium  abergläubische  Vorstellungen  verbanden.  Aehnlich  wider- 
strebten sie  Zalmextractiouen,  mit  der  Begründung,  sie  würden  der- 
einst getötet  und  verspeist  werden,  wenn  in  der  Heimath  ihre 
Landsleute  die  Zahnlücken  sähen.  Es  betraf  dies  natürlich  nur 
Melanesen. 

Zwei  vereinzelte  Fälle  von  Erysipel  kamen  vor,  am  9.  II.  96 
bei  einem  javanischen  Viehhirten  und  am  25.  VII.  96  bei  einem 
Melanesen,  der  Anfang  Juli  schwere  Blattern  Überstunden  hatte. 
Bei  Beiden  wunderte  das  Oedem  vom  Gesicht  Uber  den  Schädel  und 
Hals  in  grossen  Zacken  bis  auf  Brust  und  Rücken.  Die  pigmentirte 
Haut  blieb  unverfärbt,  nur  bei  dem  Javaneu  war  der  jeweilige  Rand 
rüthlich  abgegrenzt.  Beide  Kranke  genasen  unter  äusserer  Behand- 
lung mit  Amylum  und  Collodium  ohne  innere  Mittel;  sie  haben 
keine  anderen  Kranken  augesteckt,  obwohl  eine  Isolirung  nicht 
durchzufiihren  war. 

Ich  komme  nun  zur  Beschreibung  eines  Leidens,  das  weder  ich 
noch  die  sechs  anderen  deutschen  Aerzte,  die  es  draussen  gesehen 
haben,  unter  eins  der  uns  bekannten  pathologischen  Bilder  bringen 
konnten. 

Das  Ijeiden  sah  ich  nur  hei  Schwarzen,  Melanesen  und  Papuas. 
Bei  neun  Leuten,  sechs  Männern  und  drei  Weibern,  habe  ich  es 
behandelt. 

Bei  den  genannten  Völkern  sind,  wie  ich  vorausbemerken  muss, 
bei  allen  Individuen  beider  Geschlechter  von  früher  Kindheit  an  die 
leisten-  und  noch  mehr  die  Oberschenkel-  (Rosenmüller’schen)  Drüsen 
derb  und  schmerzlos  bis  Wallnussgrösso  geschwollen,  wohl  in  Folge 
der  mannigfachen  inficirten  Epidermisverletzungen  der  unteren  Ex- 
tremitäten. Von  diesen  Lymphdrüsen  (bei  freien  Papuas  sah  ich 
auch  andere,  z.  B.  in  der  Achselhöhle  ergriffen)  beginnen  nun  einige 
schmerzhaft  zu  schwellen  und  zu  erweichen;  die  überliegende  Haut 
wird  straff,  glänzend,  dünn,  und  bricht  an  einigen  Stellen,  oft  sieb- 
artig, auf,  sondert  ein  spärliches,  klebriges  Secret,  mit  etwas  Blut 
und  Eiter  vermischt,  ab,  und  bedeckt  sich  bald  mit  eintrocknenden 
Borken.  Entfernt  man  diese  nach  eiuigen  Tagen,  so  tritt  eine  weiche 
Grauulationsmasse  hervor,  die  bei  priiparirenden  Incisionen  sich  als 
erweichte  Lymphdrüse  erweist,  über  der  die  Haut  weggefressen 
ist.  Räumt  man  nun  das  ganze  Drüsenpacket  weg,  so  bleibt  über 


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284 


I)r.  Otto  DempwoUf. 


der  Höhlung  die  Haut  von  normalem  Aussehen  zurück,  nur  am 
Rand  — abgesehen  von  operativen  Incisionen  — verdünnt,  wie  bei 
einem  spontan  aufgebrochenen  kalten  Abcess.  Die  tief  gelegenen, 
iiusserlich  intacten  Drüsen  zeigten  theil weise  auf  der  Schnittfläche 
einen  Streifen  rahmig-klebriger  Einschmelzung. 

Diese  Drüsenaffection  fehlte  in  keinem  Falle.  Häutig  befürchtete 
ich  bei  Leuten,  die  mit  weichen  schmerzhaften  Bubonen  ins  Hospital 
kamen,  dasselbe  Leiden,  verordnete  Einreibung  mit  grauer  Salbe  und 
sah  Besserung:  solche  Fälle  zähle  ich  natürlich  nicht  mit.  Bei  dreien 
der  neun  von  mir  behandelten  Kranken  blieb  die  geschilderte  Xee- 
bildung  der  Drüsen  das  einzige  Symptom.  Nach  der  Exstirpation 
der  ganzen  Drüsenpackete  trat  Genesung  ein:  ein  Recidiv  blieb 
während  der  vier  resp.  16  Monate,  welche  die  Leute  noch  in  meinem 
Wirkungskreis  sich  aufhielten,  aus.  Der  dritte  Kranke,  auch  nur 
mit  Drüsenaffectionen , kam  bald  nach  der  Exstirpation  auf  eine 
andere  Station,  von  wo  aus  ich  noch  ein  halb  Jahr  später  hörte, 
dass  es  ihm  gut  gehe. 

Bei  zwei  anderen  Kranken  entwickelte  sich  etwas  später  als  in 
den  Drüsen  dieselbe  schwammige,  klebrig-secemirende  Granulaöoa- 
masse  an  circumscripten  Hautstellen  an  den  Genitalien  da,  wo  kein« 
Lymphdrüsen  unter  der  Haut  sassen.  Dieselben  Hessen  sich  mit  dem 
scharfen  Löffel  auskratzen  und  erwiesen  sich  dabei  als  begrenzt 
Einer  dieser  Patienten  blieb,  operirt,  die  13  Monate  über,  während 
deren  ich  ihn  noch  sah,  recidivfrei;  der  andere,  ein  Weib,  wurde 
dreimal  operirt;  am  5.  XI.  95,  18.  XII.  95  und  19.  IX.  96;  dann 
büeb  sie,  so  lange  ich  sie  sah,  gesund  und  gab  einem  gesunden 
Kinde  Anfang  97  das  Leben.  Dieser  Fall  stellte  ein  deutliches 
Recidiv  dar. 

Die  vier  übrigen  Kranken  kamen  mit  den»  Leiden  an  Drüsen 
und  anderen  Organen  in  Behandlung.  Zwei  Patienten  fand  ich  be 
Uebemahme  meines  Postens  bereits  in  einem  Zustand,  der  eine 
Operation  unthunlich  erscheinen  Hess:  über  handgrosse  Hautstellen 
waren  in  schwammige  Granulationen  verwandelt,  die  äusseren  Geni- 
talien angefressen:  bei  dem  Manne  die  Glans  penis  und  der  mon> 
veneris,  bei  dem  Weibe  die  ganzen  Schamlippen  und  der  Damm: 
bei  beiden  bestand  hochgradiger  Kräfteverfall;  sie  starben  nach 
einigen  Monaten.  Die  beiden  letzten  Kranken  meiner  Beobachtung, 
auch  mit  multipeln  schwammigen  Granulationsheerden  in  Drüsen  und 
äusseren  Genitalien,  genasen  nach  eingreifenden,  an  mehreren  Terminen 
vorgenommenen  Exstirpationen. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Xeu-Gninea. 


285 


Bei  den  freien  Eingeborenen  sollen  Spontanheilungen  Vor- 
kommen. 

Als  ich  nach  Neu-Guinea  kam,  galt  dies  Leiden  als  „phagae- 
daenischer  Schanker“.  Mit  Ulcus  molle  hatte  es  aber  sicher  nichts 
zu  thun,  ebensowenig  mit  Syphilis.  Etwas  erinnerte  es  an  Lymplio- 
sarcom;  mit  der  Beschreibung  der  Frnembosia  deckte  es  sich  nicht. 
Leider  sind  mir  sämmtliche  exstirpirten  Driiseu,  die  ich  in  Spiritus 
aufbewahrt  hatte,  auf  der  Heimreise  verloren  gegangen. 

Ich  komme  nun  zu  den  „inneren  Krankheiten“. 

Malaria  in  Gestillt  von  Fieberantällen  und  Milzvergrösserung 
hatte  jeder  Farbige,  eingeboren  oder  eingefuhrt.  Die  allermeisten 
Attaquen  aber  waren  ephemer,  und  heilten  spontan  in  '/» — 2 tägiger 
Arbeitsbefreiung  mit  einer  von  dem  jeweiligen  Abtheilungsleiter  ver- 
abreichten Chiningabe  oder  ohne  dieselbe.  Solche  Fälle  bekam  ich 
nur  unter  meinen  Hausdienern  etc.  zu  sehen;  sie  verliefen  genau  so, 
wie  die  leichtesten  Anfälle  bei  uns  Europäern,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  sie  viel  seltener  recidivirten. 

Nr.  33.  (Malaria  intermittens.)  14 jähriger  Javane.  Drei  Monate  im 
Lande,  im  letzten  angeblich  regelmässige  tertiana,  Nachmittags  3 Uhr  einsetzend; 
kein  Arzneimittel. 

27.  VII.  12  h.  a.  in.  37,3.  — 4 h.  p.  m.  39,2.  — 6 h.  p.  m.  38.0  Schweiss. 

28.  VII.  7 h.  a.  in.  37,6.  — 12  h.  a.  m.  40,0  Bad.  3 h.  p.  m.  38,0.  — 
6 h.  p.  m.  39,0. 

29.  VII.  7 h.  a.  m.  36,0  Chinin.  0.75.  — 3 h.  p.  m.  37,2.  — 6 h.  p.  m.  88.0. 

30.  VII.  8 h.  a.  m.  37.2  Chinin  0,75.  — 3 h.  p.  in.  36,4. 

31.  VII.  u.  1.  VIII.  fieberfrei;  noch  dreimal  0,75  Chinin;  geheilt  entlassen. 

Nur  schwerere  Fälle  kamen  in  Hospitalbehandlung;  Remittens 

war  häufig,  Continua  selten;  der  Uebergang  in  Cachexie  war  in 
mehreren  Fällen  zu  beobachten. 

Nr.  34.  (Malaria  remittens.)  18jähriger  Melauese. 

24.  IV.  95.  a.  in.  36,9  Chinin  1.0.  — p.  m.  89,5  Chin.  2,0,  erbrochen. 

25.  IV.  a.  m.  89,5  Chin.  1,0.  — p.  m.  87,2  Chin.  1,0,  erbrochen. 

26.  IV.  a.  m.  39,2  Chin.  1,0.  — p.  m.  37.6  Chin.  1,0,  erbrochen. 

27.  IV.  a.  m.  37,6  Chin.  1,0.  — 12  h.  a.  m.  36.3.  — 6 h.  p.  m.  86,9 
Chin.  1,0. 

28.  IV.  a.  m.  37,2  Chin.  1,0.  — 12  h.  a.  m.  86,8.  — li  h.  p.  m.  37,4 
Chin.  1,0. 

Vom  29.  IV.  fieberfrei,  kein  Chinin  mehr. 

Nr.  35.  (Malaria  remittens,  Cachexie,  Exitus.)  Etwa  löjähriger 
Melanese. 

13.  V.  95.  p.  m.  38,4  Chin.  1,0. 

14.  V.  6 h.  a.  m.  87,5.  — 12  h.  a.  m.  38,4.  — 6 h.  p.  m.  38,9  Chin.  1,0. 

15.  V.  6 h.  a.  m.  87,3  Chin.  1,0.  — 12  h.  a.  m.  38,7.  — 6 h.  p.  m.  88,3 
Chin.  1,0. 


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286 


Dr.  Otto  Dempwollf. 


16.  V.  (La.  m.  37.1  Chin.  1,0.  — 12  h.  a.  m.  37.2.  — 6 h.  p.  m.  37A 
Cliiu.  1,0. 

17.  V.  6 h.  a.  m.  ? — 12  h.  a.  m.  37,9.  — 6 h.  p.  m.  37,7  Chin.  1,0. 

18.  V.  6 h.  a.  in.  37,6.  — 6 h.  p.  m.  37,3  Chin.  1,0. 

19.  Y.  6 h.  a.  m.  36,8.  — 6 h.  p.  in.  37,2  Chin.  1,0. 

20.  Y.  6 h.  a.  in.  37,1  Collaps.  Camphora  0,3.  — 6 h.  p.  m.  37,0. 

21.  V.  6 h.  a.  m.  36,1.  — 6 h.  p.  m.  37,0.  ) 


22. 

V. 

3» 

36,0.  — 

11 

36.4. 

23. 

V. 

11 

35.8.  — 

»1 

36.3. 

24. 

V. 

!* 

35,5.  — 

IV 

35.6, 

mehrfach  Cliampher, 

25. 

V. 

11 

84,8.  — 

1* 

36,2. 

Aether  etc. 

26. 

V. 

17 

35,8.  — 

11 

36,2. 

27. 

y. 

11 

36,2.  — 

1« 

38,8. 

28. 

Y. 

11 

35,9.  — 

Exitus. 

Complicationen  waren  seltener  als  beim  Europäer.  Ein  Theil 
der  vielfachen  Darmcatarrhe  mag  mit  Malaria  zu  thun  gehabt  haber 
so  wahrscheinlich  wie  bei  den  Weissen  in  Nr.  8 und  Nr.  10  war 
aber  der  causale  Zusammenhang  nie. 

Ilaemoglobinurie  sah  ich  nur  bei  meinem  chinesischen  Koch 
zweimal  auftreten. 

Nr.  36.  (Malaria  haemoglobinurica.)  25jähriger  Chinese,  aus  EU- 
nau;  seit  März  95  in  Neu-Guiuea.  Schwächlicher  Mann,  massiger  ( »piumrauehe 
Hat  häufige,  kurze  Fieber,  gegen  die  er  viel  Chinin  verbraucht. 

25.  XII.  95.  Tag  über  Fieber,  gegen  das  Fat.  noch  bei  hoher  Temperatur 
1,0  Chin.  nimmt.  — Nachts  Haemoglobinurie. 

26.  XII.  Dauernd  über  40°.  Anhaltende  Haemoglobinurie.  Panaritius 
am  rechten  Mittelfinger. 

27.  XII.  T.  zwischen  S8,0  und  39,4;  Abends  36,5.  Status  idem.  Ker. 
Medicament. 

28.  XU.  Morgens  T.  37.1.  Urin  blutfrei.  Panaritium  geschnitten.  Dareas 
Fieber  bis  39,5,  aber  klarer  Urin. 

Ab  29.  XII.  lieberfrei,  Urin  normal.  — 

Nachdem  Pat.  am  12.  I.  96,  am  20.  u.  22.  I.  96  und  am  9.  II.  96  klen» 
Fieber  ohne  Blutharnen  mit  Chiningaben  unter  1,0  überwunden  bat,  bekommt 
er  am  28.  II.  Fieber  bis  39,0  mit  einem  zweiten  Anfall  von  Haemoglobinort. 
der  auch  am  29.  II.  anhält.  Ob,  resp.  wann  Pat  vorher  Chinin  genommen,  si 
nicht  ermittelt  — Er  erhält  keine  Medicameute,  trinkt  viel  Thee,  ist  ohne  Pflee- 
Am  1.  III.  ist  Pat.  fieberfrei,  sein  Urin  hell,  ohne  Blut  und  Eiweiss. 

Am  15.  III.  verlässt  Pat.  das  Schutzgebiet,  kehrt  aller  im  Mai  zurück,  a»; 
ist  bis  December,  ohne  schwere  Fieber  zu  haben,  dort  geblieben  und  arbeii- 
fähig  gewesen,  hat  aber  seinen  früher  übermässigen  Chiningenuss  auf  die  wr- 
ordneten  Gaben  beschränkt. 

Differentialdiagnostische  Schwierigkeit  habe  ich  manchmal  gehabt 
ich  erwähne  nur  einen  Fall: 

Nr.  37.  (Malaria  oder  Abscess).  Etwa  22jähriger  Melanose. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Ncu-Guinca.  287 

3.  VI.  95.  Aufgenuiiimen  mit  37,8  Tenip.  und  Gliederschmerzen.  In  den 
nächsten  sechs  Tagen  unregelmässige  Temperaturen  bis  39,0  mit  Remissionen  bis 
37  8.  38.1,  einmal  bis  36,8.  — In  dieser  Zeit  verabreichte  5.0  C'hin.  sind 
erfolglas. 

Am  10.  VI.  zunehmende  Schmerzen  im  linken  Unterschenkel,  der  in 
Flexionsstellung  fixirt  ist.  l’riessnitz'sche  Umschläge.  Fieber  nur  zwischen 
3S.0  und  37.2. 

Am  12.  VI.  Tiefe  Ineision,  Eröffnung  eines  unter  dem  Gastrocnemius  ge- 
legenen Abcessos.  Darnach  Temperaturabfall  bis  36.1. 

Iu  den  nächsten  Tagen  Drainage,  secundäre  Naht  und  schnelle  fieberfreie 
Genesung. 

Die  Therapie  der  Malaria  war  bei  den  Farbigen  viel  unzu- 
länglicher, als  bei  den  Europäern.  Vor  allein  mangelte  es  an  ge- 
nügender Pflege;  weder  der  europäische  Heilgchülfe,  noch  die  beiden 
farbigen  Wärter  konnten  ihre  40 — 50  Kranken  so  warten,  wie  die 
Schwester  ein  bis  fünf  Europäer.  Auch  war  an  Krankenkost  nicht 
immer  das  zu  beschaffen,  was  dem  Gaumen  der  verschiedenen  Kassen 
genehm  war.  Schliesslich  war  auch  Hydrotherapie  nur  in  geringem 
Maasse  anzuwenden,  schon  deshalb,  weil  von  den  Indicationen  für 
die  farbige  Haut  nicht  mehr  bekannt  ist,  als  dass  sie  andere  sein 
müssen,  wie  für  die  pigmentlose;  — ich  habe  mich  auf  Bäder. 
Güsse  und,  bei  Javanen,  Packungen  beschränkt.  Also  blieb  im 
Wesentlichen  nur  die  medicamentöse  Behandlung,  das  Chinin,  das 
natürlich  sehr  ungern  genommen  und  oft  erbrochen  wurde;  am  besten 
ging  es  noch  mit  etwas  Cognac,  Salzsäure  und  Wasser,  und  indem 
der  Nachgeschmack  durch  Trinken  einer  frischen  Cocosnuss  weg- 
gespült wurde. 

Von  alledem  ist  die  Folge,  dass  22%  — fast  ein  Viertel  — 
aller  Todesfälle  durch  Malaria  verursacht  wurden. 

Beriberi  sah  ich  nur  in  vereinzelten  Fällen  von  Chinesen  und 
Javanen  eingeschleppt  und  auf  einige  Melanesen  übertragen,  lieber 
dies  Thema  kann  ich  mich  dem,  was  l)r.  Wendland**)  über  sein 
viel  grösseres  Material  mittheilt,  ganz  anschliessen,  und  muss 
die  Ansicht  Dr.  Hagges*),  die  Beriberi  in  Neu-Guinea  sei  eine 
Malariafomi  und  durch  Chinin  zu  heilen,  für  meine  Fälle  abweisen. 

Echte  Dysenterie  bekam  ich  nur  aus  dem  Bismarckarchipel 
eingeschleppt  an  Keconvalescenten  (Strafgefangenen)  zu  sehen;  ich 
kann  nichts  darüber  berichten. 

Dagegen  muss  ich  der  Fülle  und  wechselvollen  Bilder  anderer 

*)  Dieses  Archiv  I.  p.  237. 

**)  AerztL  Rundschau  1894. 


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288 


Dr.  Ott»  Derapwolff. 


Darmleiden  gedenken.  Acuter  Durchfall,  chronischer  Dünndann- 
catarrh,  Dickdarmcatarrh  und  -geschwüre,  fiebernd  und  mit  sub- 
normalen Temperaturen,  einige  Male  mit  Mundfaule  verbunden;  auf 
Ipecacuanha  oder  Tannin  etc.  sich  bessernd,  oft  spontan  heilend, 
zuweilen  mit  langsamer  Abzehrung,  mitunter  in  plötzlichem  Tode 
endigend;  immer  neue  Bilder,  oft  bei  demselben  Kranken  wechselnd, 
vorgestern  dünnflüssiger,  gestern  schleimig-eitriger  Stuhl,  heute  ge- 
formt mit  frischen  Blutgerinscln ; — ich  habe  bei  meinem  kleinen 
Material  die  Aetiologie  nicht  entwirren  können.  Worauf  ich  am 
meisten  fahndete,  Darmparasiten  habe  ich  nie  mit  Sicherheit  naeh- 
weiseu  können.  Ein  ursächliches  Moment  war  wohl  W echsel  in  der 
Ernährung  (für  Melanesen  ungewohnter  Reis),  ein  anderes  Erkältungen; 

— Verdacht  auf  ein  specifisehes  Contagium  habe  ich  nie  schöpfen 
können. 

Gonorrhoe  war  weit  verbreitet  unter  den  Farbigen,  wie  ich 
bereits  in  Cap.  IV.  erwähnt.  Ihre  zeitraubende,  monatlange  Be- 
handlung, namentlich  der  Weiber  — desinficirende  Waschungen  und 
Ausspülungen,  Ichthyoltampons  u.  s.  w.  — machte  diese  Art  Kranken 
zu  Stammgästen  des  Hospitals.  Dabei  war  eine  besondere  Crux  die 
Absperrung  derselben  aus  gesundheitspolizeilichen  Gründen,  die  um 
so  schwieriger  durchzufüliren  war,  als  fast  niemals  subjective  Be- 
schwerden die  Libido  sexualis  einschränkten.  Es  fehlten  nämlich 

— im  Gegensatz  zu  den  Europäern  — alle  schweren  Complicationen, 
wie  Cystitis,  Epididymitis,  Pyosalpinx  u.  s.  w.;  nur  spitze  Condylome 
und  Erosionsgeschwüre  kamen  vor. 

Den  Blattern  widme  ich  ein  besonderes  Capitel. 

Lungentuberculose  kam  zu  meiner  Zeit  nur  bei  drei 
Melanesen  vor,  allemal  bei  Leuten,  die  als  Besatzung  des  Compagnie- 
dampfers in  Sidney  gewesen  waren.  Alle  drei  hatten  massenhaft 
Tuberkelbacillen  im  Sputum  und  erlagen  ihrem  Leiden. 

Bronchitis  war  häufig,  aber  nie  schlimm. 

Ilerzklappenfehler  constatirte  ich  zweimal  an  Leuten,  die 
kurz  vorher  die  Blattern  Überstunden  hatten. 

Ein  Empyema  pericardii  ergab  einmal  die  Section  bei  einem 
Melanesen,  den  ich  bei  Lebzeiten  als  Simulanten  angesehen.  Er 
hatte  kein  Fieber  und  reine  Herztöne  gehabt;  und  ich  hatte  versäumt, 
die  Herzgrenzen  genau  zu  bestimmen. 


AerzÜiehe  Erfahrungen  in  Neu-Guinea. 


289 


die  bei  Tage  schärfer  sahen  als  ich,  konnten  Nachts  z.  B.  nicht  als 
Bootssteuerer  benutzt  werden,  weil  sie  nicht  über  eine  Bootslänge 
hinaus  wahrschauten. 

Von  Hautleideu  sah  ich  echte  Psoriasis  nur  einmal.  — Krätze 
und  Ringwurm,  oft  universell,  waren  unter  den  Schwarzen  ungemein 
häufig,  bei  den  gelben  Rassen  seltener.  Den  Pilz  des  Herpes  ton- 
surans  habe  ich  nicht  nachgewiesen,  Krätzmilben  jedoch  wiederholt 
gefunden.  Styrax  und  Peiubalsam  gegen  Scabies,  Chrysorabin 
(5 — 1 0 °/0)  gegen  Ringwurm  waren  die  üblichen  Heilmittel.  Nur 
universeller  Ringwurm  war  äusserst  hartnäckig,  doch  habe  ich  für 
die  Behauptung,  dass  er  marantisch  mache  und  für  andere  Leiden 
prädisponire,  kein  überzeugendes  Beispiel  gesehen. 

Hier  mögen  noch  die  vereinzelten  Fälle  von  Giftwirkung, 
die  ich  gesehen,  ihren  Platz  finden.  Gar  nicht  selten  kamen  Schwarze 
mit  der  Klage  über  „Fischbisse“.  Sie  zeigten  minimale  aber  sehr 
schmerzhafte  Verletzungen  an  den  Extremitäten,  bekamen  hohes 
Fieber,  lagen  2 — 4 Tage  arbeitsunfähig  herum,  und  gingen  dann, 
ohne  besondere  Behandlung  (ausser  Wundreinigung,  Umschläge, 
Wein  etc.),  genesen  wieder  zur  Arbeit.  Es  ist  von  Steinbach*)  aus 
Jaluit  aufmerksam  gemacht,  dass  einige  Fische  der  Südsee  erectile 
Stachelflossen  mit  Giftdrüsen  besitzen.  Ich  habe  vermuthet,  dass  es 
dergleichen  auch  in  den  Gewässern  Neu-Guineas  giebt. 

Wirkliche  Fischvergiftung  mit  tödtlichem  Ausgang  kam  ein- 
mal vor. 

Nr.  38.  (Fischvergiftung.)  Etwa  SOjähriger,  äusserst  kräftiger  Javane. 
18.  II.  96.  Der  Mann  hat  sich  die  lieber  eines  Fisches  gebraten,  den  die 
Papuas  „buliii“  nennen  (den  mir  Niemand  zoologisch  bestimmen  konnte),  und 
dieselbe  trotz  der  Warnungen  der  Neupommern,  welche  eben  diese  Leber  als 
„no  good“  weggeworfen  hatten,  verspeist.  Zw'ei  Stunden  später  war  er  tot  auf- 
gefunden. Die  alsbald  in  Gemeinschaft  mit  lim.  Stabsarzt  Matthisson  von  S.  M.  S. 
Möwe  vorgenommene  Section  ergab  keinen  Anhaltspunkt  für  eine  andere  Todes- 
ursache, so  dass  „Vergiftung“  die  wahrscheinlichste  Diagnose  blieb.  Im  Magen 
fanden  sich  noch  theilweise  unverdaute  Reste  der  gebackenen  lieber. 

Endlich  muss  ich  noch  verschiedene  dunkle  Fälle  erwähnen, 
in  denen  die  Diagnose  bei  Lebzeiten  gamicht  und  auch  auf  dem 
Secirtisch  nicht  genügend  aufgeklärt  wurde. 

Nr.  89.  Etwa  20jährige  Melanesin.  Die  kräftige  und  gut  genährte  Frau 
hat  Ende  Januar  96  einen  fieberhaften  Bronchialcatarrh  durchgemacht. 

In  der  Nacht  vom  6.  zum  7.  II.  96  bekommt  Pat.  plötzlich  Haemoptoc, 


*)  Veröffentlichungen  von  Gelehrten  und  Forschungsreisenden  aus  deutschen 
Schutzgebieten  1895. 


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290 


I)r.  Otto  Denipvvolff. 


die  aber  auf  Ruhe  bald  steht.  Tags  über  hustet  sie  wenig,  hat  geringes  Fieber 
und  behauptet  krank  gezaubert  zu  soin  und  sterben  zu  müssen.  Der 
Zustand  ihrer  Organe  bietet  keinen  Anlass  zu  irgend  welcher  Besorgnis.«.  specteG 
das  Herz  functionirt  kräftig  und  regelmässig. 

In  der  Nacht  zum  8.  11.  treten  Beängstigungen  auf  und  Morgens  lh.S0a.rn. 
stirbt  sie,  ehe  ich  gerufen  werden  konnte. 

Sectiousprotocoll  vom  8.  II.  96.  11  h.  a.  m.  Gut  genährte  weibliche 
Leiche  einer  Mclanesin.  Totenstarre  in  allen  Glicdmaassen.  Uedem  beider  Unter- 
schenkel. Spuren  äusserer  Verletzungen  nicht  zu  finden.  — Pupillen  eng.  Zunge 
zwischen  die  Zähne  geklemmt.  Aas  dem  Munde  quillt  etwas  Speichel.  — 

Beim  Oefihen  der  Bauchhöhle  fliesst  etwa  V«  Liter  klarer  gelber  Flüssigkeit 
heraus.  Vorgelagerte  Eingeweide  blass.  Rechter  Leberlappen  durch  Binde- 
gewebsstränge  an  den  Rippenrand  geheftet.  Zwerchfellstand  beiderseits  4 Rippr 

In  den  Brusthöhlen  keine  Flüssigkeit,  im  Herzbeutel  vier  Esslöffel  klarer 
gelben  Ergusses.  Im  rechten  Herzen  dünnes  rothes  Blut  und  Speckgeriu-ei: 
linkes  Herz,  stark  zusammengezogen,  enthält  nur  wenig  geronnenes  Blut.  Rla]>pec 
intact.  Endocard  sehr  blass,  von  spiegelndem  Glanz.  Myocard  derb,  blass,  frv: 
von  Fettzeichnung.  — 

Rechte  Lunge:  Ober-  und  Mittellappen  zeigen  an  der  Oberfläche  punkt- 
förmige Blutaustritte,  die  an  einer  markstückgrossen  Stelle  confluiren.  Di.~ 
Stelle,  der  ganze  rechte  Unterlappen  und  der  rechte  Überlappen  sind  von  derber 
Consistenz  und  zeigen  auf  der  Sclmittfläche  dunkelrothbraune  Farbe,  feinst 
Kornelung  und  leberartiges  Aussehen.  Alle  anderen  Paiticn  der  Lungen  sind 
vou  normaler  Beschaffenheit. 

Die  Milz  ist  zum  Tbeil  bindegewebig  mit  dem  Zwerchfell  verwachsen,  i.nr» 
22  cm  lang,  15  cm  breit,  8 cm  dick,  von  derber  Consistenz.  zeigt  auf  der  Schnitt- 
fläche deutliche  Follikel  und  Balken. 

Nieren  klein;  Capsel  ziemlich  adbäreut,  zeigt  stellenweise  Blutustritte 
Oberfläche  grob  gekörnt,  blass  gelbbraun;  Schnittfläche,  namentlich  in  der  Rmdea- 
substanz  deutlich  gezeichnet. 

Blase  contrahirt.  Uterus  nicht  vergrössert.  Ovarien  enthalten  mehrere  lo 
Haselnuss  grosse  Cysten. 

Von  einer  weiteren  Section  der  Unterieibsurgnne  muss  aus  äusseren  Grund« 
Abstand  genommen  werden. 

Diapuose:  Multiple  Lungenentzündung  (deren  Ansdehnung  den  plötzlicher 
Tod  kaum  erklärte),  Milzgeschwulst. 

Nr.  40.  Etwa  18jühriger  Yabim.  6.  XII.  96.  Hat  Tags  über  gearbeitet 
ist  Abends  unter  Schmerzen  zusammengebrochen,  ins  Hospital  gebracht,  alstal- 
veretorben. 

Section  am  7.  XII.  96.  12  h.  a.  m.  Kräftig  gebaute  laiche.  Totenstarr 

in  allen  Gliedern;  Borken  und  Narben  von  Kratzpusteln.  Kein  Zeichen  äusserer 
Verletzungen.  Mund  geschlossen,  ohne  Aetzungen.  After  dgl.  Nase  und  Ohre« 
frei.  Pupillen  weit.  Keine  Oedeme.  — In  der  Bauchhöhle  keine  freie  Flissi- 
keit.  Dünndarm  massig  aufgetrieben,  nirgends  verfärbt,  blass.  Zwerchfellstast 
rechts  3.,  links  4.  Rippe.  Beim  Ablösen  des  Brustbeins  findet  sich  hinter  de® 
Griff  desselben,  durch  lockeres  Bindegewebe  befestigt,  eine  blassrothe  Drüsec- 
iiiasse,  die  beim  Freipr&pariren  nach  oben  bis  V,  cm  von  der  gut  entwickelt!» 
Schilddrüse  reicht,  nach  unten  bis  5 cm  liiuter  das  Sternum  sieh  erstreckt,  utri 


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Aerztliche  Erfahrungen  iu  Xeu-üoinea. 


•29  t 


die  ganze  obere  Brustapertur  ausfüllt.  Unterhalb  derselben,  im  vorderen 
Mediastinum,  sitzen  einige  weiche,  nussgrosse  Lymplidrüsen. 

ln  beiden  Brusthöhlen  keine,  im  Herzbeutel  ein  Theelöffel  klarer  Flüssigkeit. 
Herz  grösser  als  die  Faust  des  Mannes ; beide  Kammern  schlaft  und  bis  weit  in 
die  Schlagadern  mit  Speckgerinseln  gefüllt.  Klappen  frei,  Eudocard  glatt,  Musku- 
latur ohne  besondere  Zeichnung.  Beide  Lungen  stark  durch  Luft  aufgetrieben, 
überall  von  polsterartiger  Consisteuz.  glatter,  blasser  Oberfläche,  glatter  dnokel- 
rother  Schnittfläche,  auf  der  sich  weisser.  blasiger  Schaum  ausdrücken  lasst 

An  Leber,  Milz  und  Nieren  ist  makroskopisch  nichts  Krankhaftes  zu 
'dien.  Bei  der  Herausnahme  des  Darmes  findet  man  im  Mesenterium  zahl- 
reiche weiche,  hasolnnssgrosse  Lymphdriisen.  — Der  Wurmfortsatz  ist  10  cm 
lang,  nicht  verwachsen.  Speiseröhre  und  Dünndarm  dicht  am  Duodenum  werden 
abgebunden  und  sammt  dem  Magen  herausgenommeu.  ln  der  Speiseröhre  dünner, 
weisslicher  Speisebrei;  der  Mageninhalt  besteht  aas  grünlicher  ((«alle),  mit  Fett- 
tröpfchen durchsetzter  (01.  Ricin.),  nicht  besonders  übelriechender  Flüssigkeit,  in 
welcher  als  einziger  fester  Bestandtheil  ein  erb.sougros.ser,  grünlicher  Brocken 
von  pflanzlicher  Stmctur  sich  befindet.  — Im  Duodenem  nur  dünnflüssige  Galle. 

Diagnose:  Herz-  und  Lungenlähmung  aus  unbekannter  Ursache.  Restirende 
Thymus,  multiple  Lymphdriisenschwelluugen.  — 

In  diesen  und  ähnlichen  Fällen  hätte  eine  chemische,  histo- 
logische und  bacteriologische  Untersuchung  wohl  mehr  Licht  in  den 
Zusammenhang  gebracht,  und  die  Forderung  einer  kleinen  Labora- 
toriumseinrichtung drausscu  ist  nicht  nur  wissenschaftlich  erwünscht, 
sondern  verspricht  auch  practischen  Nutzem  — 

Zum  Schluss  will  ich  nur  kurz  einen  Blick  aut'  die  Ursachen 
unserer  ungünstigen  Morbidität  und  Mortalität  werfen. 

Die  Ungewissheit  der  Diagnose  intra  vitam,  wie  ich  sie  an 
einigen  Beispielen  illustrirt  habe,  lässt  sich  erweitern  zu  einer  grossen 
Unwissenheit  über  die  natürliche  Hygiene  und  Pathologie  bei  den  so 
verschiedenen  Menschengruppen,  aus  derten  unser  Arbeitermaterial 
zusammengewürfelt  war:  ihr  Leben  unter  normalen  Bedingungen 
kannten  wir  zu  wenig,  um  unsere  abnormen  Verhältnisse  thunlichst 
darnach  einrichten  zu  können.  Directe  Folge  davon  ist  die  Unsicher- 
heit in  der  Therapie,  die  sich  nicht  weit  vom  Nihilismus  des  „nil 
nocere‘*  entfernt.  Ein  weiterer  Factor  war  der  in  Cap.  I erwähnte 
Umstand,  dass  unser  Arbeitermaterial  nicht  eine  Auslese  der  Besten, 
sondern  einen  Ausschuss  der  Ueberzähligen  ihres  Volkes  darstellte; 
speciell  die  chinesischen  Kuli  waren  oft  der  Auswurf  der  Itasse.  — 
Den  dritten  Factor  endlich,  das  Klima  Neu-Guineas,  können  wir 
erst  dann  beurtheilen,  wenn  die  beiden  ersten  ungünstigen  Momente 
ausgeschaltet  sein  werden.  Wie  drausseu  versucht  wird,  Erfahrungen 
zu  sammeln  und  zu  hygienischen  Maassnahmen  zu  verwerthen  — 
durch  Ueberwachung  des  Anwerbegeschäftes , durch  vorzügliche 


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202 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


Arbeiterwolmungen,  durch  Versuche  in  der  Massenemährung,  durch 
Ansiedelung  ganzer  Arbeiterfamilien  u.  s.  w.  — das  auszuführen,  ist 
hier  nicht  der  Ort. 


VI.  Eine  Blatternendemie. 

Musste  das  vorige  Capitel  sich  auf  eine  dürftige  Mosaik  von  ver- 
schiedenartigen und  oft  unvollkommenen  Beobachtungen  beschränken, 
so  will  ich  versuchen  hier,  ein  zusammenfassendes  Bild  von  einer 
Seuche  zu  geben,  die  von  April  bis  Juli  96  unsere  Station  heimsuchte: 
eine  Blatternendemie  unter  den  Farbigen. 

Blattern  hat  es  offenbar  lange  vor  unserer  deutschen  Colonisation 
unter  den  Eingeborenen  gegeben:  das  beweisen  die  Pockennarben 
an  den  Nasen  alter  Tamul,  die  sie  angeben,  seit  ihrer  Kindheit  zu 
haben,  das  beweist  der  eigene  Name,  den  diese  Seuche  jedenfalls  in 
einigen  Dialecten  hat. 

Freilich,  als  man  1885  Kaiser  Wilhelms-Land  zu  besiedeln  be- 
gann, war  nirgends  eine  derartige  Epidemie  zu  bemerken,  und  erst 
die  Kulieinfuhr  aus  Java  und  Singapore  — wo  beständig  Blattern 
endemisch  Vorkommen  — machte  den  Impfzwang  aller  angeworbenen 
Arbeiter,  namentlich  auch  der  Schwarzen,  nothwendig.  Dazu  wurde 
Lymphe  vom  staatlichen  Vaccine  Institut  aus  Batavia  bezogen. 

Diese  Lymphe  wurde  auf  dem  Postdampfer  im  Kühlraum  unter  Auf'-ict: 
des  Arztes  mitgebracht  und  im  Schutzgebiet  möglichst  bald  nach  der  Abholung 
von  Bord  verbraucht  Die  recht  günstigen  Resultate  meiuer  Impfungen  bi.- 
April  96  waren: 


26.  VII. 

95  von  32  Erstimpfungen  31  erfolgreich 

22.  IX. 

95  „ 22 

22  „ 

22.  XL 

95  „ 32 

1 

6.  I. 

96  „ 17 

15  „ 

26.  n. 

86  „ 11 

43  „ 

Zusammen  112  Erfolge  bei  147  Erstimpfungen  = 76%.  Am  22.  XI  95 
war  das  schlechte  Resultat  dadurch  zu  erklären,  dass  die  Lymphe  bereits  13 Tag' 
an  Land  war. 

Trotzdem  ist  es  im  Juni  93  durch  Infection  von  Java  aus  zu 
einer  bösen  Epidemie  in  Stephansort  und  anderen  Stationen  ge- 
kommen, die  erst  94  erlosch;  und  es  ist  leider  wahrscheinlich,  dass 
von  dort  aus  durcli  heimkehrende  Contractarbeiter  die  Seuche  zum 
Huongolf  verschleppt  ist.  Dort  hat  sie  jedenfalls  95  gewiithet  und 
ist  von  Süden  nach  Norden  vorgedrungen,  so  dass  wir  Anfang  96 


Aorztliclie  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  293 

niedrigen  Inseln  nach  Neu-Pommem  übergreifen.  Während  deshalb 
dort  für  die  Ansiedelungen  auf  der  Gazellehalbinsel  umfassende 
Quarantaine-Maassregeln  inscenirt  wurden,  stattete  che  Seuche  un- 
vennuthet  uns  auf  der  Hauptstation  einen  Besuch  ab. 

Am  21.  IV.  96  trafen  104  neu  angeworbene  Farbige  mit  dem 
Dampfer  „Ysabel“  in  Friedrich  Wilhelms-Hafen  ein,  87  aus  den 
Inseln  östlich  von  Neu-Mecklenburg,  8 aus  Neu- Lauenburg  — nur 
auf  Monate  für  den  Schilfsdienst  geheuert  — und  9 von  kleinen 
Inseln  um  Rook-Island.  Von  letzteren  wurde  ein  Knabe,  Samal  mit 
Namen,  von  dem  Anwerber  als  fieberkrank  in's  Hospital  geliefert 
lind  die  Leiche  eines  Mannes  zur  Beerdigung  ausgeschifft.  Die 
Section  dieses  bot  nichts  Besonderes,  constatirte  nur  gänzliche  Ina- 
nition  und  als  Todesursache  Herzlähmung.  Eine  Besichtigung  der 
übrigen  103  ergab  keinen  hospitalbedürftigen  Kranken. 

Der  Knabe  Samal,  mit  dem  sich  Niemand  verständigen  konnte, 
•wurde,  weil  er  Nachts  delirirend  auf  der  Insel  umherwaudelte,  in 
den  einzigen  verschliessbaren  Hospitalraum,  in  die  Weiberabtheilung 
eingesperrt. 

Am  23.  IV.  brachte  der  Postdampfer  Stettin  die  frische  Lymphe 
aus  Batavia,  mit  der  am  näclisten  Morgen  95  der  Neuangeworbenen 
geimpft  wurden. 

Am  selben  Tage,  am  24.  IV.,  zeigte  sich  bei  Samal  ein  ver- 
dächtiger Ausschlag:  linsengrosse  Papeln  mit  oedematösem  Hof  und 
kleiner  Delle  an  Brust  und  Bauch,  von  derselben  Farbe  wie  seine 
Haut;  dazu  Oedem  der  Augenlider.  Meine  Diagnose  „Blattern“  be- 
stätigte mir  der  Missionsarzt  Dr.  Frobenius,  der  die  Epidemie  1893 
mitgemacht  hatte.  Das  war  am  Vonnittage.  Bereits  am  selben 
Nachmittage  werden  folgende  Maassregeln  ausgeführt: 

p.  Samal  wurde  in’s  Isolirhaus  am  Prinz  Heinrichs-Hafen  gebracht 
und  ihm  zwei  Schwarze  als  Wärter  beigegeben,  die  angeblich  1893 
schon  die  Blattern  überstanden  hatten;  — deutliche  Narben  wies 
keiner  unserer  Farbigen  auf.  Sämmtliche  neu  angekommenen 
103  Leute  wurden  auf  die  Quarantäne-Insel  Piawey  gebracht,  und 
ihnen  drei  alte  erprobte  Melanesen  als  Aufseher  mitgegeben.  Die 
Habe  dieser  Leute  wurde  verbrannt,  das  Schiff  Ysabel  gründlich  mit 
heisser  Sodalösung  gewaschen  und  mit  Carbolkalk  ausgestreut. 
Endlich  wurden  sowohl  unsere  Arbeiter  und  durch  Vermittlung  der 
Missionare  die  freien  Eingeborenen  vor  dem  Verkehr  mit  dem 
Isolirhaus  und  der  Quarantäne-Insel  gewarnt,  als  auch  die  benach- 
barten Stationen  polizeilich  benachrichtigt. 


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294 


Dr.  Otto  Dein|)wolff. 


Bei  dem  Samal  verbreitete  sich  am  nächsten  Tage  der  Aus- 
schlag über  den  ganzen  Körper;  die  l’apeln  wurden,  ohne  ihre  Farbe 
zu  verlieren,  zu  Pusteln,  secernirten  wässerig,  confluirten  theilweise, 
bedeckten  sich  hier  und  da  mit  Borken,  und  wurden  von  zahlreichen 
Schmeissfliegen  umschwärrat,  deren  Stiche  die  qualvollen  Schmerzen 
offenbar  noch  erhöhten.  Ilabei  waren  die  Augen  total  Tersch wollen, 
und  die  Lippen  trocken  zerrissen;  die  geschwollene,  alter  nicht 
diffus  gerütliete  Mund-  und  Rachenschleimhaut  war  von  schwarzen 
Pusteln  mit  dunkelrothem  Hof  durchsetzt,  die  Temp.  blieb  hoch  und 
der  ganze  Kranke  war  ein  Bild  des  Jammers.  Kühlende  Bäder. 
Waschungen  mit  1/4#/,  Lysollösung,  Borsalbe,  sowie  Getränke  und 
Früchte  waren  alles,  was  ich  ihm  zur  Linderung  bieten  konnte. 
Eine  innerlich  medicamentöse  Therapie  habe  ich  weder  in  diesem 
noch  in  späteren  Fällen  versucht. 

Am  26.  IV.  erlag  der  Kranke  seinem  Leiden  und  wurde  un- 
weit des  Isolirhauses  tief  im  Korallenkalk  beerdigt;  die  beiden  Wärter 
wurden  zur  Nachquarantäne  in  -ein  ehemaliges  Pulverhäuschen  auf 
der  Insel  Beliao  isolirt. 

Die  nach  Piawey  gebrachten  Leute  blieben  während  der  nächsten 
Tage  gesund.  Aber  gerade  in  diesem  wichtigen  Fall  versagte  die 
Lymphe  gänzlich:  nur  ein  Imptling  bekam  Pusteln.  Inzwischen 
bauten  die  Leute  die  seit  94  vorhandenen,  aber  arg  schadhaften 
Atapschuppen  zu  kleineren  Häusern  in  Eingeborenmanier  um,  legten 
Wege  und  Taropflanzungeil  an,  und  benahmen  sich  bei  meinen  last 
täglich  ausgefiihrten  Revisionen  ganz  einverstanden  mit  ihrem  Schick- 
sal, um  so  mehr,  als  sie  wenig  zu  arbeiten,  aber  genug  Lebensmittel 
an  Reis,  Salzfleisch  und  Tabak  vor  sich  hatten. 

Da  traten  am  4.  V.  unter  ihnen  zwei  neue  Blatternanfälle  aut 
am  selben  Tage  erkrankte  ein  Säugling  aus  dem  Weiberhospital,  ia 
dem  Samal  intemirt  gewesen  war,  alle  unter  denselben  Symptomen: 
nach  dreitägigem  prodromalem  Fieber  mit  „specitischem“  Kreuz- 
schmerz kamen  kleine  Papeln  mit  oedematösem  Hof  zum  Vorschein. 
Nun  musste  das  Pockenhospital  am  Prinz  Heinrich-Hafen  wieder  be- 
zogen werden,  diesmal  unter  einem  javanischen  Mandoer  aus  Stephani- 
ort, der  nachweislich  die  Seuche  durchgemacht  hatte;  neue  Gräber 
wurden  für  alle  Fälle  6 Fuss  tiet  in  die  Koralle  gehackt,  das  Weiber- 
hospital gründlich  desinlicirt  u.  s.  w. 

Am  5.  V.  folgten  zwei  weitere  Erkrankungen  in  Piawey  unc 
eine  aus  dem  Weiberhospital.  Der  Tags  zuvor  eingelieferte  Säugling 
starb,  während  seine  Mutter  — auch  späterliin  — gesund  blieb. 


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Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  095 

• 

Bei  diesen  Kranken  konnte  ich  schon  zwei  Formen  unterscheiden : 
die  schweren,  deren  Bild  dem  geschilderten  bei  Samal  glich,  und 
leichtere,  wo  nach  denselben  dreitägigen  Prodromen  die  Papeln  über 
Rumpf,  Glieder  und  Gesicht  verstreut  und  zu  zählen  waren,  nach 
1 — 2 Tagen  sich  in  Pusteln  mit  oedematösem  Hof  und  Delle  ohne 
Farbveränderung  verwandelten,  die  in  weiteren  4 — 6 Tagen  ohne 
zu  confluiren  eine  Borke  bekamen,  welche  allmälig  trocknete  und 
abfiel,  so  dass  nach  etwa  2 Wochen  vom  Ausbruch  der  Krankheit 
an  nur  circumscripte  helle  Narben  ohne  Vertiefung  zurückblieben,  die 
in  1 — 2 Monaten  das  normale  Hautpigment  wiederhatten. 

Ich  wäll  hier  gleich  erwähnen,  dass  die  leichteren  Fälle  sämmt- 
licli  — ohne  Arzneimittel  — heilten,  von  den  schweren  aber  nur 
2 und  dies  auf  folgende  Art:  das  Stadium  der  oft  in  Handteller- 
grosse  contluirenden  und  nässenden  Pusteln  mit  stellenweisen , oft 
abgekratzten  und  wieder  getrockneten  Borken  dauerte  etwa  2 Wochen; 
die  Leute  sahen  mit  ihren  verschwollenen  eiternden  Augen,  mit  der 
oedematösen,  rünstigen  Haut  schrecklich  aus  und  litten  offenbar 
grosse  Schmerzen.  Während  dieser  Zeit  waren  indifferente  Salben, 
kalte  Bäder,  Lysolwaschungen  (gegen  die  Fliegen)  die  einzige  Ver- 
ordnung, Wein,  Cocosnussmilcli,  Bananen  die  einzige  Ernährung. 
Heilten  dann  die  Borken  langsam  ab  — und  gleichzeitig  die  Schleim- 
liautaffectionen  aus  — , so  kam  unter  dem  abschilfernden  Epithel 
ein  ganz  abgemagertes  Individuum  mit  hohlen,  aber  offenen  Augen, 
eingefallenen  Wangen,  schlotternden  Gliedern  und  marmorirter  oder 
scheckiger  Pigmentirung  zum  Vorschein.  Unter  guter  Ernährung 
rundeten  sich  dann  in  einigen  Wochen  die  Formen,  die  Haut  wurde 
glatt  und  nahm  ilir  ursprüngliches  universelles  Pigment  wieder  an. 
Narben  — Oberflächenveränderung  — hatten  auch  diese  schwersten 
F'älle  fast  nirgends,  nur  um  die  bei  allen  diesen  Rassen  sehr  derbe 
Nase,  allenfalls  am  Mund  und  Stirn  blieben  unregelmässige  Ver- 
tiefungen zurück,  die  dem  Antlitz  etwas  verwittertes  gaben.  Dieses 
waren  auch  die  einzigen  Zeichen,  welche  jene  alten  Tamul  aufwiesen, 
die  nach  eigener  Angabe  vor  vielen  Jahren  die  „siasxi“  ül>erstanden 
hatten.  — 

Ich  kehre  zum  chronologischen  Bericht  zurück. 

Am  6.  V.  erkrankte  noch  eine  Frau  aus  dem  Weiberhospital. 
Ich  rapportirte  damals  folgende  U ebersicht  meines  Ressorts:  Pocken- 
lazareth  1 Wärter  6 Kranke;  Qarantänestation  Piawey  7 Geimpfte, 
97  ohne  Erfolg  Geimpfte;  im  Hospital  2 Wärter,  35  Kranke,  sämmt- 
lich  geimpft;  in  Nachquarantäne  auf  Beliao  2 frühere  Pockenwärter. 

Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene.  II.  22 


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Pr.  Otto  Dempwolff. 


296 

• 

Am  selben  Tage  machte  ich  noch  die  unliebsame  Entdeckung, 
dass  eine  Anzahl  gerade  der  ältesten  Arbeiter  ungeimpft  auf  der 
Station  umherlief.  Einige  intelligente  Schwarze,  die  den  Sinn  der 
Schutzimpfung  begriffen,  meldeten  sich  freiwillig,  andere  gestanden 
es  bei  einer  Generalvisite,  die  ich  sofort  abhielt  Auf  Impfharben 
war  nicht  viel  zu  geben,  da  solche  sich  oft  sehr  schnell  wieder  normal 
pigmentiren,  andererseits  manche  Leute  ähnliche  Tätowirungsnarben 
hatten.  Alle  vermuthlich  Ungeimpften  wurden  mangels  anderer 
Localitäten  im  Getängniss  isolirt.  Zu  erklären  war  diese  betrübende 
Thatsache  hauptsächlich  dadurch,  dass  vor  meiner  Zeit  keine  Impf- 
listen geführt  waren. 

Bald  darauf  ereignete  sich  ein  anderer  unangenehmer  Zwischen- 
fall. In  der  Nacht  vom  7.  zum  8.  V.,  während  eines  wüsten  stunden- 
langen Regens  hatten  einige  der  in  Piawey  Quarantainirten  erst  ein 
Canoe  und  dann  ein  Boot  gestohlen,  das  unglücklicherweise  mit 
Rudern  am  Ufer  bei  der  Station  lag,  und  waren  ihrer  20,  alle  von 
einem  Dorf  Lil  der  Geryt  I)enys-Inseln  stammend,  vor  Tagesanbruch 
entflohen.  Als  zwei  farbige  Aufseher  auf  selbst  gefertigtem  Floss 
mit  der  Meldung  auf  der  Station  ankamen,  war  es  schon  8 Uhr 
Morgens,  die  um  9 */»  Uhr  von  mir  mittelst  Dampfpinasse  unter- 
nommene Verfolgung  wurde  durch  ein  Mi-ssverständniss  in  falscher 
Richtung  ausgeführt  — die  Flüchtlinge  entkamen.  Nach  Gerüchten 
der  Tamul  sind  Leichen  in  der  Vitiazstrasse  angetrieben,  was  glaub- 
würdig war,  da  das  Boot  nicht  seetüchtig  war,  und  die  Leute  keine 
Lebensmittel  mitgenommen  hatten. 

Am  8.  V.  war  auch  der  Postdampfer  rückkehrend  wieder  ein- 
gelaufen, und  konnte  uns  zufällig  zwei  Platten  Kuhlymphe,  die  über- 
zählig waren,  überlassen.  Damit  impfte  ich  am  10.  V.  die  10  alten 
Ungeimpften  im  Getängniss  und  verwandte  den  Rest  zur  Ueber- 
impfung  auf  2 Kälber  behufs  Selbstbereitung  grösserer  Mengen 
Vaccine.  Ich  hatte  kein  Glück  damit:  die  Impfpusteln  verwandelten 
sich  bald  in  confluirende  Krusten,  von  denen  keine  brauchbare 
Lymphe  zu  gewinnen  war. 

Am  11.  V.  erkrankten  wiederum  2 Leute  von  Piawey,  und  der 
eine  der  in  Nachquarantäne  befindlichen  Pockenwärter  bekam  unter 
leichten  Fielierbewegungen  einen  papulösen  Ausschlag,  der,  ohne  sich 
in  Pusteln  zu  verwandeln,  in  14  Tagen  abheilte  — Variolois. 
Dann  starben  in  den  nächsten  Tagen  die  beiden  erkrankten  Weiber 
und  ein  Mann,  so  dass  bis  dahiu  die  Seuche  1 1 Kranke  und  5 Tote 
gefordert  hatte. 


Aerztliohe  Erfahrungen  in  Neu-Guiuea.  297 

Dieser  langsame  aber  unaufhaltsame  Fortgang  der  Endemie 
veranlasst*:  mich  zu  einer  Maassnahme,  die  sich  in  der  Folge  glänzend 
bewährte:  die  humane  Weiterimpfung  auf  alle  ohne  Erfolg  Geimpften, 
und  späterhin  auch  auf  alle  überhaupt  auf  der  Station  anwesenden 
Farbigen,  die  nicht  in  meine«  Impflisten  als  immunisirt  verzeichnet 
waren.  Ich  führe  hier  das  Resultat  sämmtlicher  humanen  Impfungen 
zusammen  an: 


Datum 

Stammimpflinge 

Impflinge 

Erfolg  bei 

17.  V. 

2 

7 

7 

18.  V. 

1 

9 

9 

25.  V. 

8 

62 

58 

8.  VI. 

33 

187 

164 

12.  VI. 

1 

5 

4 

Demnach  sind  innerhalb  5 Wochen  von  270  Impflingen  250 
mittelst  45  Stammimpflingen  erfolgreich  human  geimpft  (93°/„). 
Der  Rest  von  20  Mann  ist  am  18.  VI.  nochmals  mit  Kuhlymphe 
geimpft  worden  — ohne  Erfolg  — und  darf  als  vorher  immun  an- 
gesehen werden. 

Ehe  diese  Immunisirung  durchgeführt  worden  war  und  ihre 
Erfolge  entfaltet  hatte,  finden  sich  am  21.  und  23.  V.  noch  zwei 
I’ockenfälle  unter  der  Bedienungsmannschaft  meines  Quarantäneboots 
«in,  — alten  Jungen,  die  angeblich  längst  geimpft  waren;  der  eine 
starb  am  29.  V. 

Dazu  kamen  auf  der  Station  und  auf  Piawey  einige  merkwürdige 
Fälle  vor:  mit  oder  ohne  Prodromalfieber  zeigten  die  zum  Theil 
sicher  geimpften  Leute  vereinzelte  mit  Borken  bedeckte  Pusteln  ohne 
Hof  auf  der  Haut,  die  eine  glatte  helle,  später  pigmentirende  Narbe 
hinterliessen,  sehr  ähnlich  den  Pusteln  bei  den  leichteren  Pocken- 
fallen. Ich  hatte  damals  keine  Gelegenheit  einen  anderen  Arzt  zu 
consultiren;  in  meinen  Lehrbüchern  waren  „Blattern  bei  Farbigen“ 
nicht  besonders  beschrieben,  so  nahm  ich  — in  dubio  pejus  — 
Variolois  an  und  isolirte  diese  Leute  — im  Ganzen  fünf  — zu  den 
in  Nachquarantäne  befindlichen. 

Am  30.  V.  erkrankte  ein  alter  Arbeiter  mitten  auf  der  Station 
an  schweren  Pocken  (er  starb  am  6.  VI)  und  gab  Anlass,  dass  „die 
Hauptstation  polizeilich  als  verseucht  erklärt“  wurde.  Dieser  etwas 
zu  krasse  Ausdruck  hatte  strenge  Absperrmaassregeln  seitens  unserer 
Nachbarstation  Stephansort  und  Verkehrsbehinderungen  für  den  am 
15.  VI.  eingelaufenen  Postdampfer  zur  Folge. 

Aber  die  Seuche  hatte  ihren  Höhepunkt  schon  überschritten. 
Am  1.  VI.  konnten  die  ersten  2 Geheilten  in  Nachquarantkne  ent- 

22* 


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298 


I)r.  Otto  Dempwolff. 


lassen  werden;  am  8.  VI.  folgten  die  anderen  nach,  so  dass  das 
Isolirhaus  leer  stand. 

Am  12.  VI.  kam  auch  der  grösste  Theil  der  nunmehr  erfolg- 
reich Geimpften  von  Piawey  zur  Entlassung  auf  die  Station. 

Am  selben  Tage  erfolgten  zwei  unerwartete  Nachschübe: 

Ein  eben,  eine  Woche  zuvor,  geimpfter  Mann,  der  sich  heimlich 
den  Nachlass  seines  an  den  Pocken  verstorbenen  Landsmannes  an- 
geeignet hatte,  erkrankte  an  der  leichten  Form  der  Krankheit  Dieser 
Fall  hat  noch  ein  besonderes  klinisches  Interesse:  Pat.  hatte  die  ge- 
wöhnlichen Prodrome  von  hoher  Continua,  40,2°,  Kopf-  und  Kreuz- 
schmerzen, entfieberte  aber  am  dritten  Tage  unter  heftigem  Schweiss 
und  Erbrechen  bis  36,4°  und  bekam  sein  Exanthem  in  Gestalt  ver- 
einzelter Papeln  unter  leichten  Temperaturerhöhungen  erst  am 
vierten  Tage. 

Die  beiden  anderen  am  1 2.  VI.  auftretenden  Blattemfalle  waren 
schwer  — und  für  mich  sehr  betrübend.  Die  Kranken  gehörten 
zu  jenen  fünf  Leuten,  die  von  mir  als  an  Variolois  erkrankt  zu  den 
in  Nachquarantäne  Befindlichen  isolirt  waren;  und  jene  Annahme 
„Variolois“  bedeutete  eine  Fehldiagnose.  Sie  klärte  sich  jetzt  auf: 
jene  mit  Borken  bedeckten  Pusteln  rührten  von  Brandwunden  her, 
die  als  „Moxen“  bei  einzelnen  Stämmen  der  Südsee  zur  einheimischen 
Therapie  gegen  Schmerzen  gehören.  Das  hatte  ich  nicht  gewusst; 
mein  Fehler  lag  aber  darin,  dass  ich  nicht  die  Abwesenheit  des  für 
Blattern  charakteristischen  oedematösen  Hofes  um  die  Papeln,  resp. 
Pusteln  beachtet  hatte. 

So  musste  das  Isolirhaus  wieder  bezogen  werden.  Ein  Kranker 
starb  am  19.  VI.;  die  beiden  anderen  genasen  — der  Schwerkranke 
offenbar  nur  durch  die  gute,  europäische  Ernährung,  welche  ihm  die 
Dame,  in  deren  Hause  er  Diener  gewesen,  andauernd  zukommen 
liess  — ; beide  Pat.  wurden  am  5.  VII.  genesen  entlassen. 

Da  auch  längst  — am  18.  VI.  — die  letzten  Leute  aus 
Quarantäne  von  Piawey  weggeholt  waren,  da  auch  vier  Wochen  lang 
kein  Fall  mehr  vorgekommen  war,  so  konnte  das  Erlöschen  der 
Seuche  auf  der  Hauptstation  Anfang  Juli  96  amtlich  ausgesprochen 
werden;  2 '/«  Monate  nach  dem  Ausbruch.  Im  Ganzen  waren 
17  Schwarze  erkrankt,  9 genesen,  8 gestorben. 

Noch  ein  Nachspiel  hat  die  Seuche  gehabt,  eine  begrenzte  Ver- 
breitung unter  den  freien  Eingeborenen,  den  Tamul. 

Am  9.  VII.  kam  mein  Freund  Labetot,  Stammeshäuptling  von 
Gragett  zu  mir  und  erzählte:  „beliatamol  taimon  mat,  — siasxi 


Aerztliche  Erfahrungen  in  Neu-Guinea.  299 

funilak;  am  dangan  asiis“  — „ein  Mann  vom  Dorf  Beliao  ist  ge- 
storben, die  Pocken  haben  ihn  geschlagen;  wir  alle  sind  in  Angst“. 
— In  der  That  ergaben  Nachforschungen,  dass  in  den  Dörfern 
Beliao  (auf  derselben  Insel,  wo  unsere  Nachquarantäne-Gebäude, 
und  auch  das  Europäer  - Hospital  lagen) , in  Siar  und  Lilibob 
einige  Fälle  vorgekommen  und  sogar  den  Missionaren  verheimlicht 
waren.  Offenbar  waren  dieselben  durch  unerlaubten  Verkehr  und 
Tauschhandel  mit  den  Stationsarbeitem  eingeschleppt.  Es  wurden 
in  den  nächsten  Wochen  6 Kranke  constatirt,  von  denen  2 starben. 
Die  Symptome  waren  die  nämlichen,  wie  bei  unseren  Schwarzen;  die 
einheimische  Behandlung  bestand  in  sehr  sorgtältiger  Pflege  seitens 
der  Verwandten;  als  quasi  Medicament  wurde  nur  die  rothe  Farbe, 
mit  der  sich  die  Tamuls  sonst  festlich  bemalen,  als  Streupulver  auf 
die  Pusteln  benutzt  Dieses  ist  meist  Bleimennige,  selten  rothe 
Erden;  erstere  haben  wohl  eine  gewisse  desinficirende  Wirkung, 
letztere  sind  austrocknend:  diese  Therapie  also  recht  vernünftig. 
Eine  weitere  Ausbreitung  der  Seuche  unterblieb,  wohl  weil  seit  Jahren 
•durch  die  Missionare  und  uns  alle  Kinder  imentgeltlich  geimpft 
waren  — die  alten  Leute  aber  die  Ueberlebenden  früherer  Epidemien 
darstellten.  Anfang  September  konnte  auch  hier  die  Seuche  als 
erloschen  betrachtet  werden;  und  Anfang  October  konnte  ich,  beauf- 
tragt zu  Recherchen  in  den  umliegenden  Eingeborenendürfem,  nach 
fünftägiger  Buschtour  berichten,  dass  „zur  Zeit  das  Herrschen  einer 
Blattemepidemie  unter  den  Eingeborenen  auf  Inseln  wie  in  Berg- 
dörfern in  Abrede  zu  stellen  sei“,.  — So  ist  denn  auch  bis  zu  den 
letzten  Nachrichten  von  Anfang  98  die  Astrolabe-Bai  von  fernerem 
Auftreten  der  Seuche  verschont  geblieben. 

Als  Ilesume  der  Erfahrungen  bei  dieser  Blatternendemie  fasse 
ich  zusammen: 

Die  durch  einen  Kranken  aus  der  Gegend  von  Rook-Island  ein- 
geschleppte Seuche  fand  ihre  Verbreitung  auf  und  bei  der  Station 
aus  folgenden  Ursachen:  ein  Theil  der  älteren  Arbeiter  war  noch 
nicht  erfolgreich  geimpft,  ohne  dass  Jemand  darum  wusste;  die 
innere  Absperrung  einzelner  Theile  der  Station  gegen  andere  uni 
gegen  die  nähere  Umgebung  liess  sich  aus  Mangel  an  zuverlässigem 
Aufsichtspersonal  nicht  strikt  durchführen;  die  frische  Kuhlymphe 
für  die  Neuankömmlinge  versagte.  Dazu  vermehrte  die  Zahl  der 
Kranken  um  zwei  Fälle  die  Fehldiagnose:  für  Variolois  gehaltene 
Moxen. 


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300 


Dr.  Otto  Dempwolff. 


Zur  Bekämpfung  der  Seuche  erwiesen  sich  alle  Isolirungsvor- 
kehrungen  als  unzweckmässig,  vielmehr  erstickte  dieselbe  an  der 
Immunisirung  aller  in  Frage  kommenden  Farbigen  durch  humane 
Weiterimpfung. 

Die  zum  Theil  seit  Jahrzehnten  nicht  revacdnirten  Europäer 
wurden  von  der  Krankheit  nicht  berührt. 


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II.  Besprechungen  und  Littera turangaben 


a)  Hygiene.  Physiologie  und  Statistik. 

Lm  Troupei  Coloniales.  Statistique  de  la  Mortalitd.  F.  Borot  et  U.  A.  Legrand. 

Paris-Bailliere  et  FiLs,  1897. 

In  sechs  Capiteln  behandeln  die  Verfasser  die  Mortalitätsstatistik  der  Colonial- 
truppen von  1891  bis  1895  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus.  Diese 
bestehen  in  der  Hauptsache  in  Vergleichen  der  allgemeinen  Mortalität  der  ein- 
zelnen Jahre,  des  Alters  der  Soldaten  und  Unterofficiere,  denen  ein  Vergleich  mit  * 
fremdländischen  Colonialtruppen  folgt,  sowie  eine  Gegenüberstellung  der  Mann- 
schafts-Mortalität zu  der  der  Officiere  verschiedener  Grade.  Dann  ist  hervorge- 
hoben  die  Mortalität  je  nach  den  einzelnen  Colonien,  die  Ursachen  der  Mortalität, 
die  Mortalität  der  einzelnen  Expeditionen  der  colonisirenden  Mächte,  worunter 
Deutschland  fehlt,  und  die  Mortalität  in  den  einzelnen  Epidemien.  Während  die 
allgemeine  Mortalität  der  Mannschaften  des  französischen  Heeres  in  Frankreich 
1896  auf  5,29  pro  1000  festgestellt  ist,  führen  Schlussfolgerungen  aus  Resultaten 
einzelner  Jahre  bei  den  Colonialtruppen  irre,  da  die  Curven  der  einzelnen  Jahre 
sehr  unregelmässig  sind;  deshalb  haben  die  Verf.  dieselbe  aus  einer  5jährigen 
Periode  bestimmt,  sie  beträgt  darnach  42,95  pro  1000  und  nach  den  einzelnen  Jahren 
von  1891  bis  incl.  1895  41,  88,  25,  27,  76  pro  1000.  Davon  hatten  die  Marine- 
infanterie 44,38,  die  Disciplinarabtheilung  der  Füsiliere  nur  4,99.  Das  Alter 
spielt  eine  grosse  Rolle.  Soldaten  von  21  Jahren  zeigten  10,  92  pro  1000  Mor- 
talität, von  20  Jahren  6,72,  vom  21.  bis  26.  Jahre  etwas  mehr,  das  Alter  von 
27 — 30  Jahren  hatte  die  geringste  Ziffer  mit  7,14.  Da  nachweislich  im  2.  Dienst- 
jahre des  Soldaten  die  höchste  Sterbeziffer  vorhanden  ist,  im  1.  Jahre  die  nied- 
rigste, und  die  Zahl  der  Soldaten  im  Alter  von  20  Jahren  fast  nur  in  das  1.  Dienst- 
jahr fällt,  so  ist  deren  niedrigerer  Mortalität  kein  grosses  Gewicht  beizumessen. 

Es  stellten  vielmehr  weitere  Untersuchungen  fest,  dass  Soldaten  unter  28  Jahren 
sich  am  schlechtesten  akklimatisiren,  vom  25.  Jahre  erst  ist  ein  bedeutendes  Her- 
absinken der  Mortalität  bemerkbar,  welche  am  geringsten  wird  mit  34—85  Jahren. 
Der  Vergleich  zwischen  der  Officiers  und  Mannschaftsmortalität  giebt  als  Resultat 
eine  nur  etwas  geringere  Sterbliehkeitsziffer  für  die  Oficiere  = 39,8  und  7 mal 
grösser  als  in  Frankreich  selbst,  sie  wurde  geringer  1894/95,  höher  in  den  früheren 
3 Jahren.  Unter  den  Premierlieutenants  und  Capitänen  (Hauptleuten)  war  die 
Mortalität  am  höchsten,  78  u.  51,  von  da  an  abnehmend  je  nach  der  höheren 
Charge  mit  Ausnahme  der  Bataillonchefs,  die  Militärärzte  stellen  15,78  auf  1000. 
Während  die  englische  Colonialarmee  eine  Mortalität  von  ca.  17  pro  1000  aufwies,  die 


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302 


11.  Besprechungen  und  Litteraturangahen. 


niederländische  (jedoch  im  Verlaufe  des  Atjehkrieges)  1892  bis  1804  46  pro  tOOu 
betrag  (welche  nachher  his  auf  19  sich  verminderte),  und  die  spanische  zwischen 
12,  96.  40  und  die  auf  den  Philippinen  67,  80,  soll  die  der  Franzosen,  wie  dä» 
Verf.  daraus  schliessen  wollen,  „im  grösseren  Theile  ihrer  mehr  oder  weniger 
pacificirten  Colonien  bedeutend  geringer  sein“.  Dieses  ist  durchaas  willkürlich, 
wenn  nicht  je  nach  dieser  Eintheilung  ihrer  Colonien,  auch  die  Mortalität  der 
fremdländischen  Truppen  berechnet  wird,  was  im  Folgenden  nicht  immer  geschieht 
Vielmehr  werden  nur  Vergleiche  zwischen  den  Expeditionen  der  französischer 
Truppen  mit  denen  der  englischen,  holländischen,  italienischen  und  spanischen  ge- 
macht, die  sich,  wie  auch  die  vorgenannten  Vergleiche,  nicht  auf  die  gleichet 
Jahre  beziehen,  sondern  oft  bis  zu  20  Jahren,  wie  auch  geographisch-klimatisch 
sehr  auseinander  liegen.  Z.  B.  war  1874  die  Mortalität  der  Holländer  im  schlimm- 
sten Kriegsjahre  auf  Atjeh  (während  im  indischen  Archipel  Cholera  herrschte. 
92,  1894  aber  16,35  auf  1000  Europäer  und  22,94  auf  1000  malayische  Sol- 
daten, und  1862  iin  mexikanischen  Feldzuge  verhielt  sich  die  Mortalität  durch 
feindliche  Geschosse  zu  der  durch  Krankheiten  bei  den  Franzosen  wie  49  zu  14a 
ln  Daliomey  hatten  die  Franzosen  1892 — 1893  eine  Gesammtmortalität  von  154.1c 
auf  1000  Europäer  und  36,20  auf  1000  Eingeborne;  die  Spanier  1876  auf  des 
Philippinen  mit  109,  auf  Cuba  von  1895  bis  1896  mit  101.30  übertreffen 
Mortalitätsziffer  der  französischen  Expeditionen.  Unter  gleichen  klimatisch*! 
-Verhältnissen  wäre  es  übrigens  billig  gewesen,  sowohl  diese  Vergleiche  als  aiie 
übrigen  anzustellen,  dann  Algerien  und  Tunesien  z.  B.  mit  in  Rechnung  zu  bringen, 
wo  bei  Engländern,  Holländern  und  Spaniern  nur  Tropencolonieo.  bei  Holländer: 
sogar  nur  solche  in  den  äquatorialen  Gebieten  in  Frage  kommen,  führt  diese 
Aufstellung  leicht  zu  Gunsten  der  Franzosen  irre.  Die  Mortalität  durch  ver- 
schiedene Krankheiten,  speciell  Cholera,  Gelbfieber,  Typho-Mularia,  Dysenter, 
belehrt  uns,  dass  während  der  Expedition  der  letzten  Jahre  günstigere  Verhält- 
nisse durch  Verbesserungen  auf  hygienischem  Gebiete,  obwalten. 

In  ihren  „Conclusions“,  welche  fast  in  jedem  Satze  patriotische  Ansrufe  ent- 
halten, kündigen  die  Verf.  als  nachfolgende  Arbeiten  an:  „Maiadies  des  Soldat- 
aux  pays  chauds“  und  „L’hygiene  des  soldats  dans  les  regions  intertropicales". 
welche  ebenso  willkommen  sein  sollen,  als  das  hier  besprochene,  lehrreiche  tu>: 
fieissig  zusammengestellte  Buch. 

C.  Dä übler  (Berlin). 


Statistiqa  tanitarla  dell'  armata  per  gli  anni  1895  • 1896,  Ulnittero  della  aiarim. 

Rom  1898,  Ludovico  Cecchini. 

Aus  der  amtlichen  mit  Kurven  und  Tabellen  ausgestatteten  Gesundheit- 
Statistik  der  italienischen  Flotte  für  die  Jahre  1895—96  geht  hervor,  das- 
die  gesundheitlichen  Verhältnisse  sich  gegen  die  früheren  Jahre  bedeutend  ge- 
bessert haben.  Die  Jahresziffer  der  Erkrankungen  welche  in  den  Jahnen  1874 
—92  von  700  °/oo  auf  400  Voo  U[>d  1898—94  auf  882  •/«  bez.  352  %»  gesunkee 
war,  ist  für  1895  und  1896  375'/«  bez.  854%o-  Die  Tagesziffer  der  in  ärzt- 
licher Behandlung  Befindlichen  war  29°/oo  bei.  28%,  gegen  32 — 33  in  frühe- 

ren Jahren.  Die  Zahl  der  als  untauglich  Zuriickgewiesenen  war  8-41  •/„  Rri 
7.72'«).  die  der  Todesfälle  1895  3.95 °/M,  womit  der  niedrigste  bisher  berech- 


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If.  Besprechungen  und  Litteratu  rangaben. 


303 


nete  Durchschnitt  von  1890  wieder  erreicht  wurde.  Die  hohe  Sterblichkeit 
des  Jahres  1896  ist  durch  den  Ausbruch  des  Gelbfiebers  an  Bord  der  „Lom- 
bardia“  im  Hafen  von  Rio  de  Janeiro,  auf  das  Ertrinken  von  8 Mann  beim 
Sinken  eines  Torpedoboots  und  auf  die  Xiedermetzelung  von  10  Mann  durch  die 
Somali  bedingt. 

Syphilitische  und  venerische  Erkrankungen  sind  ain  zahlreichsten,  zeigen 
aber  eine  leichte  Abnahme. 

Die  an  Land  befindlichen  Truppen  hatten  eine  grossere  Morbidität  als  die 
Eingeschifften. 

Der  Bericht  stellt  mit  Befriedigung  fest,  dass  Dank  der  strengeren  Aus- 
wahl bei  der  Aushebung  und  den  Fortschritten  der  medizinischen  und  hygieni- 
schen Fürsorge  die  ausgedienten  Leute  fast  in  derselben  Zahl  zu  den  Familien 
und  ins  Erwerbsleben  zurückkehren  wie  sie  gekommen  sind! 

M. 


Zur  geographischen  Pathologie  Siams  von  Chr.  Rasch.  Janus  1897.  Bd.  1,  März- 
April. 

Gelegentlich  seines  Aufenthaltes  in  Siam  sammelte  Verfasser  über  die  Häufig- 
keit pathologischer  Erscheinungen  folgende  Erfahrungen,  die  zugleich  seine  frü- 
heren Mittheilungen  über-denselben  Gegenstand  (Yirchow’s  Archiv,  Bd.  1 40,  Heft  2) 
ergänzen  sollen. 

Sehr  selten  scheinen  in  Siam  vorzukommen  — wenigstens  begegnete  Ver- 
fasser ihnen  nur  sehr  vereinzelt  oder  auch  gar  nicht  — Nephritis  (auffällig  in 
einem  so  exquisiten  Malarialando,  bestätigt  von  Gowan),  Rachitis,  Carcinom  (auch 
Gowan),  Hämophilie,  Noma;  verhältnissmässig  selten  oder  wenigstens  nicht  häufiger 
als  bei  uns  dürften  Vorkommen:  Erkrankungen  des  Herzens  und  der  Gefässe, 
gelbe  Leberatrophie  und  perniciöse  progressive  Anämie.  Zu  recht  häufigen  Er- 
scheinungen dagegen  zählen  Struma  (Cretinismus  dagegen  indessen  wohl  selten), 
Erolithiasis  (auch  von  Campbell,  Gowan,  Scheube  beobachtet),  besonders  bei  den 
Farbigen  auftretend  (ausschliesslicher  Genuss  des  rohen  Menamwassers),  Furun- 
culosis  (vorzugsweise  zur  heissen  Jahreszeit),  Angina  follicularis,  sowie  Hämato- 
Cbylurie,  Elephantiasis  Arabum,  gewisse  Erysipelformen,  varieöse  Leistendrüsen, 
Hodenentzündungen.  Hydrocele  und  Lymphosarcom,  die  letzten  7 Krankbeitszu- 
stände  neuerdings  nur  für  Symptome  der  Filariakrankheit  erklärt  (nur  bei  Far- 
bigen constatirt). 

Von  thierischen  Giften  erwähnt  Verfasser  die  Schädlichkeiten,  welche  die 
Mosquitoplage  hervorruft,  ferner  die  sehr  häufigen  Stiche  der  Scorpione  und  Sco- 
lopender,  sowie  die  verhältnissmässig  seltenen  Bisse  giftiger  Schlangen.  Von 
pflanzlichen  Giften  verdienen  Beachtung  der  Saft  und  die  Ausdünstungen  des 
Lackbaumes  und  die  Lamphongf  nicht,  die.  um  beherzt  zu  werden,  genossen 
wird,  aber  Schwindel  und  bei  höherer  Dosis  auch  Geisteskrankheit  hervorzu« 
rufen  im  Stande  ist.  Die  I,amphong-Intoxication.spsychosen  erinnern  lebhaft 
an  die  narkotischen  Rauschzustände  der  Jakuten  und  Jukagiren.  Cannabis  indira 
wird  nur  selten,  und  dieses  zumeist  von  den  in  Siam  lebenden  Hindus,  geraucht.  — 
Da  Siam  das  einzige  Ijmd  sein  soll,  wo  Albinos  unter  den  Elephanten  Vorkommen, 
so  befremdet  der  Umstand  einigermassen,  dass  unter  den  Eingeborenen  dies« 
Zustand  nur  sehr  selten  angetroffen  wird. 


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304  II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

Des  weiteren  giebt  Verfasser  ein  Verzeichniss  der  einheimischen  Bezeiii- 
rrangen  für  ein«  Reihe  von  Krankheiten  und  ihrer  Symptome.  Er  sch li esst  sei»? 
Mittheilungen  mit  einer  Mortalitätsstatistik  der  Fremdenlegion.  Wir  ersehen  m 
dieser  Zusammenstellung,  die  sich  auf  die  Jahre  1864  bis  1892  bezieht,  dass  sei 
die  Sterblichkeit  im  Laufe  der  letzten  Jahrzehnte  gebessert  hat.  Dank  der  grösser« 
Beachtung,  welche  die  Europäer  jetzt  mehr  der  Hygiene  schenken,  und  ihrer  je« 
massigeren  I .ebenswei.se.  Auffällig  ist  unter  den  Sterblichkeit™ rsaehen  der  ge- 
ringe Procentsatz,  den  dieselben  für  Malaria  stellen;  unter  96  Todesfällen  in  das 
angegebenen  Zeiträume  nur  6 Fälle,  was  möglicher  Weise  aber  darauf  beruh  es 
mag,  dass  mancher  derartiger  Kranker  des  Klimawechsels  halber  ausserhalb  des 
lindes  geht  Für  die  Eingeborenen  besteht  nicht  die  von  manchen  Autoren  ihnea 
nachgerühmte  Immunität  Auch  für  Cholera  ist  das  Sterblichkeitsverhältniss  der 
Europäer  ein  niedriges:  unter  96  Todesfällen  nur  5 Fälle.  Hingegen  erfordert 
die  meisten  Opfer  die  Dysenterie:  unter  96  Todesfällen  15.  — Bezüglich  der  Yer- 
theilung  der  Sterblichkeit  auf  die  Jahreszeit  findet  Verfasser,  dass  diese  am  grössten 
in  den  Monaten  März,  April,  Mai,  August  und  September  (heisse  Jahreszeit  und 
Hegenzeit),  am  niedrigsten  in  den  Monaten  Oetober  bis  Ende  Februar  (trockne 
und  kalte  Jahreszeit)  ist. 

0.  Busch  an-  Stettin. 


Les  yeux  et  les  fonction*  visuelles  des  Congolais  von  E.  Pergens.  Janus,  März- 
April  1698.  p.  459—463. 

Aus  der  kurzen  Mittheilung  von  P.  interessirt  besonders  das  Resultat,  wel- 
ches die  Untersuchung  der  Sehschärfe,  besser  Sehleistung  von  50  Congobewohner: 
ergab.  Es  wird  dadurch  die  Liste  der  bis  jetzt  nach  dieser  Richtung  hin  unter- 
suchten Naturvölkern  in  anerkennenswerther  Weise  vervollständigt.  Die  Prüfung 
wurde  mit  der  Steiger’schen  Hakentafel  für  Analpheten  vorgenommen  (im  Freien  '-  ; 
da  aber  diese  Tafel  im  V ergleieh  zur  Snell’schen  4/>  mal  so  leicht  zu  erkennen 
ist,  muss  jedes  einzelne  Resultat  mit  */«  multiplicirt  werden,  so  dass  also  besst-ieö- 
weise  eine  mit  der  ersteren  erhaltene  4 fache  Sehleistung  in  Wirklichkeit  eet 
einer  3fachen  entspricht.  Demgemäss  müsste  die  ganze  Tabelle  reducirt  wer!« 


P.  fand  nur: 

8 = 1 

S = 1,5 

ESI 

ISI 

ESI 

bei  40  Männern 

2 

16  | 

18 

^ | 

l 

„ 10  Frauen 

— 

2 

6 

1 

- 1 

— 

2 

2 

22 

19 

* 1 

i 

also  S > 1 in  ca.  92  %i  da  die  ersten  Columnen  mit  S = 1 und  S = 1,5  nach  vsr- 
genommener  Reduction  auszuscheiden  hätten.  Die  ursprüngliche  Annahme,  des 
die  Naturvölker  den  Culturvölkem  mit  ihren  Sehleistungen  so  gewaltig  überleget 
seien,  hat  auf  Grund  vergleichender  Untersuchungen  modificirt  werden  müssea. 
Aus  der  Cohnschen  Zusammenstellung*): 

•)  B«rl.  KUn.  Wocbentchr.  1898.  3Jo.  20. 


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11.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


305 


S 1 — 2 

S 2 — 8 ; 

S 3 — 4 

S 4 — 8 

8>1 

238  Uncivilisirte 

48% 

40% 

1% 

5? 

00 

© 

90  V. 

2620  Civilisirte 

62  „ 

23  „ 

3,6  „ 

0,3  „ 

90  „ 

2858  Untersuchte 

61% 

25% 

CO 

0,8  V. 

90  Vo 

geht  hervor,  dass  auf  beiden  Seiten  S>  1 bei  90%  der  Untersuchten  vorhanden 
war,  wobei  allerdings  zugestanden  werden  muss,  dass  die  Naturvölker  mit  42% 
S>2  die  Culturvölker  mit  rund  27 % über  ein  Beträchtliches  überragen. 

Sehlaefke  (Cassel). 


Pestnachrichten. 

Die  Hoffnung  auf  ein  baldiges  Erlöschen  der  Seuche  in  Indien  hat  sich 
nicht  erfüllt.  Mitte  August  meldete  die  Stadt  Bombay  das  Wiederauf  flackern 
der  Krankheit.  Die  dritte  Augustwoche  brachte  103  Todesfälle  gegen  83  in  der 
Vorwoche.  Die  Verschlimmerung  der  large  dauert  an.  Die  erste  September- 
woche forderte  in  der  Präsidentschaft  Bombay  aus  167  Districten  über  2000 
Todesfälle  gegen  7 im  ganzen  übrigen  Indien,  die  folgende  Woche  wies  für  die 
Präsidentschaft  2800,  für  die  Stadt  170  Todesfälle  auf.  Die  letzten  Nachrichten 
vom  30.  September  verzeichnen  119  Todte  in  der  Woche  für  die  Stadt 
Bombay,  3000  für  die  Präsidentschaft,  1 für  Karachi,  2 für  Kalkutta,  2 für 
die  Präsidentschaft  Madras. 

Der  Bestätigung  bedarf  noch  die  Nachricht  von  dem  Auftreten  der  Pest  in 
X all -T rang  (Französisch -Hinterindien),  wo  sich  das  Inipfungs-I-ahoratorium  von 
Dr.  Yersin  befindet.  M. 


b)  Pathologie  und  Therapie. 

Malaria. 

lieber  die  Wirkung  des  Chinin*  auf  die  Leukocyten  von  C.  Binz.  Ann.  internst,  de 
Pharmacodynamie.  VoL  IV,  fas.  III  et  IV. 

Binz  nimmt  gegenüber  den  von  Laveran  (traite  du  paludisme)  mehrfach  ge- 
äusserten  Zweifeln  Veranlassung,  seine  schon  in  den  70er  Jahren  gefundene  und 
seither  durch  zahlreiche  Untersucher  bestätigte  Beobachtung  über  den  lähmenden 
Einfluss  des  Chinins  auf  die  Leukocyten  von  neuem  nachdrücklichst  zu  betonen. 
In  dieser  Beziehung  theilen  die  Leukocyten  genau  das  gleiche  Schicksal  mit  den 
Malariaamöben.  Damit  soll  aber  keineswegs  die  Frage  berührt  werden,  ob  die 
I.eukocyten  bei  der  Heilung  der  Malaria  unter  Umständen  doch  eine  Rolle  spielen 
könnten.  Da  Laveran  selbst  hervorhebt,  dass  das  Chinin  die  Malariaparasiten 
sicher  tödte,  so  ist  zunächst  nicht  einzusehen,  warum  noch  die  Leukocyten  bei 
dem  Heilungsvorgange  neben  dem  Chinin  in  Action  zu  treten  hätten.  Wohl  aber 
ist  auch  Binz  davon  überzeugt,  dass  diese  Körperchen  bei  der  Spontanheilung 
der  Malaria  (ohne  Chinin)  durch  Phagoeythose  betheiligt  sind. 

0.  Schellong. 


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306 


II.  Besprechungen  und  Littcraturnngabcn. 


Ueber  Malaria-  und  andere  Blutparatiten  nebst  Anhang:  Eine  wirksame  Methode  der 
Chromatin-  und  Blutfärbung  von  Dr.  Hans  Ziem&nn,  Marinestabsarzt.  180  Seiten 
mit  165  farbigen  Abbildungen  und  Photogrammen  auf  5 Tafeln  und  10  Fieber- 
curven.  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer,  1898. 

Im  Vorwort  giebt  Verf.  au,  dass  seinen  Studien  Malaria-Fälle  zu  Grunde 
liegen,  die  er  1894  im  Mariuelazareth  zu  Wilhelmshaven,  1894/95  an  Bord 
8.  M.  S.  „Hyäne“  in  Kamerun  und  auf  einer  sechsmonatlichen  Studienreise  v»»n 
April  bis  September  1897  in  den  Fiebergegenden  Italiens  beobachtete.  Ausserdem 
wurden  noch  eine  grosse  Anzahl  von  Vögeln  und  Kaltblütern  untersucht,  um 
Material  für  ein  vergleichendes  Studium  der  betreffenden  Blutparasiten  zu  ge- 
winnen. 

1.  Historischer  Ueberblick. 

Nachdem  der  Verf.  kurz  die  grundlegenden  Arbeiten  Golgi's  und  der 
Italiener  gestreift  hat.  kommt  er  unter 

2.  Eintheilung  der  Malaria-Parasiten 
auf  seine  eigenen  Untersuchungen  zu  sprechen.  Er  verfügt  über  ein  Material 
von  254  Malaria-Fällen,  und  zwar  umschliesst  dieses  Material  heimische,  italienische 
und  tropische  Malaria.  Mannaberg’s  Eintheilung  in  Parasiten  mit  Halbmond- 
bildung  und  ohne  Halbmondbildung  nimmt  er  an.  Allerdings  weist  er  die  An- 
sicht M's.f  dass  die  Halbmonde  durch  Vereinigung  zweier  Parasiten  entstünden, 
zurück.  Er  tritt  sodann  Laveran’s  Ansicht,  dass  der  Malariaparasit  einheitlich 
aber  polymorph  sei,  mit  demselben  Grund  entgegen,  den  Ref.  in  seinem  Referat 
über  Laveran's  neuestes  Werk  „Tratte  du  paludisme“  auch  schon  angeführt  batte: 
Z.  sagt  wörtlich:  „die  degenerirenden  Parasiten  der  leichten  heimischen  Malaria 
werden  aber  nie  zu  Halbmonden.  Letztere  gehören  vielmehr  nur  den  Parasiten 
der  bösartigen  Tropen-  bezw.  estivo-autumnalen  Fieber  an.“  — Auch  erkennt  er 
den  Unterschied  zwischen  dem  Golgi'schen  Tertiana-  und  (Junrtana- Parasiten  an. 
Ob  der  sogenannte  kleine  Parasit  verschiedene  Abarten  hat,  lässt  Z.  noch  offeu. 
Einen  Parasiten  der  Tertiana  maligna  will  er  eventuell  noch  gelten  lassen.  Die 
Fieber  mit  langen  Zwischenräumen  erklärt  er  dadurch,  dass  einzelne  Parasiten 
durch  das  Chinin  nicht  vernichtet  würden  und  nun  lange  Zeit  brauchen,  bis  sie 
sich  wieder  so  weit  vennehrt  haben,  um  einen  neuen  Anfall  auszulösen.  Beweis 
für  die  Richtigkeit  seiner  Annahme  scheint  ihm  der  Umstand  zu  sein,  dass  solche 
Fieber  mit  langen  Zwischenräumen  nach  einer  energischen  und  zeitig  genügend 
anhaltenden  Cbininbehandluug  selten  oder  gar  nicht  beobachtet  werden. 

3.  Allgemeine  Morphologie  und  Biologie  der  Malariaparasiten. 

Nachdem  die  Ansichten  der  Italiener  und  Mannabergs  über  den  feineren 
Bau  der  Parasiten  und  über  die  Veränderungen,  die  sie  während  der  Foit- 
pflanzungsperiode  erleiden  sollen,  mitgetheilt  sind,  werden  die  Ausdrücke  ..Plas- 
modien, Sporen  und  Sporulation“  als  unrichtig  bezeichnet.  letztere  beiden  des- 
halb, „weil  die  sogenannten  Sporen  von  den  jungen  Parasiten  in  der  Struktur 
gar  nicht  zu  unterscheiden  sind“.  Es  ist  das  nach  Verf. ’s  Ansicht  wichtig,  weil 
man  den  Sporen  eine  ganz  besondere  Widerstandskraft  gegen  Chinin  bounass. 
Die  Darstellung  des  allgemeinen  Entwicklungsganges  der  Parasiten  entspricht 
dem  in  den  früheren  Arbeiten  gegebenen.  Ausdrücklich  bemerkt  Z.  noch,  dass 
die  Entwicklung  sümmt lieber  zur  Fortpflanzung  kommenden  Malaria- 
parasiten  an  die  rothen  Blutzellen  gebunden  ist,  und  dass  er  eine 


II.  Besprechungen  und  Litteratu rangaben . 


307 


sei bstständi  ge  Fortentwicklung  im  Pias ma,  wie  sie  La veran  annimmt, 
■vorläufig  nicht  anerkennen  kann.  Dies  schliesst  aber  nicht  aus,  dass  die 
Parasiten  manchmal  'len  Blutkörperchen  nur  angeheftet  sind.  Als  Beweis  für 
dieses  Vorkommen  wird  der  Umstand  angeführt,  dass  man  öfters  in  gefärbten 
Präparaten  die  Parasiten  — und  zwar  die  kleine  Parasitenart  — theilweise  den 
Hand  des  inficirten  Blutkörperchens  überragen  sieht.*)  Andererseits  erklärt  diese 
Thatsacho  wiederum  die  Erscheinung,  dass  die  kleinen  Parasiten  mechanische 
Hindernisse  im  Capillarkreislauf  finden  und  sich  in  den  Capillametzen  der  inneren 
Organe  ansammeln. 

Viele  der  Parasiten  werden  steril  und  erscheinen  dann  als  grosse,  ninde, 
freie  Körper,  deren  Pigment  lebhaft  beweglich  ist  (Sphären).  Ein  Unterschied 
zwischen  den  Sphären  der  Tertiana-  and  ljuartanaparasiten  liess  sich  nicht  er- 
nennen. Sowohl  von  den  Sphären  der  grossen  als  auch  der  kleinen  Parasitenart 
können  sich  kleine  runde  Stücke  abschnüren,  die  ebenfalls  lebhafte  Pigmentbe- 
wegung zeigen,  uud  diese  Körperchen  sind  es,  die  wahrscheinlich  Laveran  zum 
Glauben  an  ein  extraglobuläres  Dasein  der  Parasiten  gebracht  haben.  Der  Ein- 
wurf Mannaberg’s,  dass  es  sich  bei  diesen  kleinen  runden  Körperchen  wegen  der 
grossen  Beweglichkeit  des  Pigments  nicht  um  kadaveröse  Formen  handeln  könne, 
erscheint  nicht  stichhaltig,  da  Verf.  in  2 Fällen  von  Perniciosa  bei  der  Section 
noch  11  bezw.  14  Stunden  nach  dem  Tode  im  Milzsafte  solche  kleine  runde 
Körperchen  mit  lebhafter  Pigmentbewegung  fand,  während  die  amoeboide  Be- 
weglichkeit der  endoglobulären  Formen  bereits  erloschen  war.  Ausserdem  lässt 
sich  an  diesen  runden  freien  Formen  im  gefärbten  Präparat  der  allmälige 
Untergang  des  Chromatins  nachweisen.  Natürlich  kann  man  auch  chromatinhaltige 
Sphären  finden,  wenn  ein  rothes  Blutkörperchen  zerrissen  und  der  fortpflanzungs- 
fähige Parasit**)  damit  frei  geworden  ist. 

Zwischen  entwicklungsfähigen  und  sterilen  Parasiten  giebt  es  natürlich  eine 
Menge  von  Uebergangsformen.  Der  erste  Anfang  zum  Sterilwerden  der 
Parasiten  ist  durch  staubförmige  Beschaffenheit  des  Chromatins  gegeben.  Dann 
tritt  eine  auffallend  starke  Pigmententwicklung  und  Pigmentbeweglichkeit  hinzu. 
Das  Pigment  wird  grobkörniger  oder  stäbchenförmig,  und  es  lässt  sich  eine  Vo- 
lumenzunahme des  betreffenden  Parasiten  über  das  Normale  hinaus  feststellen. 
..Zwischen  der  Abnahme  der  vitalen  Eigenschaften,  speciell  der  Fortpflanzungs- 
fähigkeit der  Parasiten  und  der  Zunahme  des  Pigmentes  besteht  ein  directes 
proportionales  Verhältniss1'  und  umgekehrt. 

In  Bezug  auf  die  jüngsten  Formen  bemerkt  Verf.:  „Im  ungefärbten  Prä- 
parat Ist  indess  ihre  Unterscheidung  von  Trümmern  von  rothen  Blutzellen  nur  dann 
leicht,  wenn  die  jungen  Parasiten  sich  noch  nicht  getrennt  haben  und  noch  in 
der  Nähe  des  Pigmenthaufens  liegen.  Starke  Beweglichkeit  können  auch  die 
ebenfalls  runden  oder  ovalen,  abgeschnürten  Stücke  von  rothen  Blutzellen  zeigen  . . . 
Aber  auch  hier  (bei  Quartana)  getraute  ich  mich  nie,  einen  jüngsten  noch  extra- 
globulären, einzelnen  (Juartana-Parasiten  im  lebenden  Präparat  als  solchen  zu 
diagnosticiren”.  (Mit  dieser  vorsichtigen  Auffassung  stimmt  Ref.  vollkommen 
überein.)  Die  allerjüngsten , extraglobulären,  chromatinhaltigen  Parasiten  der 


*)  Vom  Ref.  wiederholt  bei  Kamerun-Malaria  beobachtet. 

••)  Junge  extraglobuläre  cbromatinloae  Parasiten  wurden  nie  beobachtet,  wohl  aber  bei 
leichten  Recidiven  jüngere  endoglobuläre  Parasiten  mit  wenig  oder  keinem  Cbromatin. 


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308 


II.  Besprechungen  und  Litternturaagabcn. 


Sommer-  Herbst-  und  Tropenfieber  wurden  nie  im  peripherischen,  sondern  nur 
im  Milzblut  gefunden.  Die  Geisselformen  sieht  Z.  als  „untergehende“  Formen 
an,  weil  sie  gleich  den  freien,  sterilen  Sphären  häufig  eine  Beute  der  Leukocyten 
werden  und  lebhafte  Pigmentbewegung  haben.  Im  gefärbten  Präparat  wurden 
sie  nie  gefunden. 

4.  Der  Quartauaparasit  und  5.  Der  Tertianaparasit 
werden  gemeinschaftlich  abgehandelt.  Für  die  erstere  Parasitenart  standen 
10  Fälle  italienischer  Quartana  und  ein  Fall  aus  Mittelamerika,  für  das  Studium 
der  Tertiana  15  Fälle  aus  Deutschland,  18  Fälle  aus  Italien  und  Trocken präparate 
aus  St.  Louis  (Amerika)  zur  Verfügung.  Es  ist  nicht  möglich,  in  einem  Referat 
die  eingehende  Beschreibung  des  Entwicklungsganges  der  beiden  Parasitenarten, 
wie  sie  Verf.  giobt,  ausführlich  zu  besprechen.  Ich  will  nur  einzelne  wichtigere 
Punkte  hervorheben.  Entgegen  seiner  früheren  Ansicht,  dass  in  den  Tropen 
möglicherweise  häufiger  die  sterilen  Formen  der  kleinen  Parasiten  für  erwachsene 
Tertian-  oder  Quartanparasiten  gehalten  worden  sind,  giobt  Verf.  jetzt  zu,  dass 
der  Tertian-  und  Quartanparasit  nicht  allein  an  die  gemässigte  Zone  gebunden 
sind.*)  Ein  allmäligerj  l'ebergang  einer  Parasitenart  in  die  andere,  speciell 
des  Quartanaparasiten  in  den  Tertianaparasiten,  wurde  niemals  beobachtet.  „Nach 
dem  jetzigen  Stande  unsorer  Kenntnisse  ist  der  Quartanaparasit  jedenfalls  mor- 
phologisch wie  biologisch  als  wohl  charactorisirt  zu  betrachten.“ 

Nachdem  die  bereits  von  Golgi  aufgestellten  Unterscheidungsmerkmale  der 
beiden  Parasitenarten  mit  Ausnahme  der  regelmässigen  Theilungsformen  aner- 
kannt sind,  hebt  Verf.  noch  besonders  hervor,  dass  die  {»orcellanartige  Beschaffen- 
heit des  Protoplasmas  des  (Quartanparasiten  der  hyalinen  Beschaffenheit  des  Pr*- 
toplasmas  des  Tertianparasiten  **)  gegenüber  sehr  charakteristisch  ist.  Auch  behält 
der  wachsende  junge  Quartanparasit  in  Folge  seiner  geringen  amöboiden  Be- 
weglichkeit eine  mehr  runde  Form  oder  erstreckt  sich  als  breites  Band  von 
einem  Rande  des  Blutkörperchens  zu  dem  gegenüberliegenden,  während  der 
Tertianparasit  die  abenteuerlichsten  Formen  zeigt.  Das  Chromatin  liegt  beim 
Tertianparasiten  fast  immer  excentrisch,  oft  wie  ohne  Zusammenhang  mit  dem 
Protoplasmaleibe,  beim  (Quartanparasiten  in  der  Peripherie  oder  in  der  Nähe  der 
Peripherie,  jedenfalls  nie  so  excentrisch  wie  beim  Tertianparasiten.  Während 
nun  bei  Tertian parasiten  die  Chromatintheiluug  erst  12  Stunden  vor  dem  Aufall 
beginnt,  tritt  sie  beim  Quartanparasiten  schon  24  Stunden  vorher  ein. 

Dabei  ist  die  beim  Tertianparasiten  sehr  deutliche  achromatische  Zone  beim 
Quartanparasiten  selten  zu  finden.  „War  das  Chromatin  des  erwachsenen  Tertian- 
parasiten schon  in  eine  Anzahl  feinster  Chromatinfäserchen  zerfallen,  so  gestaltet 
sich  die  folgende  Theilung  ganz  ähnlich,  wie  beim  Quartanparasiten,  jedoch  derart, 
dass  sie  nach  im  Ganzen  etwa  48  Stunden  schon  vollendet  ist.  Die  Zahl  der 
neuentstandenen  Parasiten  betrug  in  der  Mehrzahl  16.“  Die  Theilungsfonn  der 
Margarethenblume  hat  Verf.  im  lebenden  Blute  beim  Quartanaparasiten  zwar 
gefunden  — namentlich  wenu  nur  5 — 6 junge  Parasiten  bei  der  Theilnng  ent- 

*)  Kef  beobachtete  sowohl  Id  Westindien  (Port  an  Princc)  als  mach  bei  einem  aas  TjUltJM' 
(Java)  stammenden  Malarlafleberrückfall  Malariaparasiten,  die  von  den  Parasiten  der  heimisch** 
Tertiana  nicht  zu  unterscheiden  waren. 

**)  Diese  Form  beobachtete  Kef.  auch  bei  einem  aus  Java  stammenden  doppeltes 
Tertianfieber. 


LI.  Besprechungen  und  Ijtteraturangaben. 


309 


standen  — aber  auch  die  Morulafonu.  wie  sie  sich  bei  der  Reifung  des  Tertian- 
parasiten  findet.  „Ueberhaupt  konnte  ich  eine  solche  Gleichmässigkeit  der  Ent- 
wicklung, wie  sie  Golgi  beschreibt,  nicht  immer  finden.  . . . Die  Lagerung  der 
jungen  Parasiten  (Tertiana)  im  Mutterparasiten  bot  nur  selten  die  regelmässige, 
von  Golgi  beschriebene  Sonnenblumenform.  Meist  zeigten  sie  die  Morulaform.“ 

6.  Die  Parasiten  der  estivo-autumnalen  Fieber  der  Italiener 
(der  Perniciosa  der  Tropen). 

Hier  standen  210  Fälle  zur  Verfügung.  87  stammten  aus  Kamerun,  einer 
aus  Persien  (Moliammerah),  einer  aus  Ostafrika  (Erythrüa)  und  121  aus  ver- 
schiedenen Gegenden  Italiens.  Einen  deutlichen  Unterschied  zwischen  den  kleinen, 
aus  verschiedenen  Gegenden  der  Erde  stammenden  Parasiten  konnte  Yerf.  nicht 
finden*);  auch  keine  Veränderung  in  den  Parasiten  bei  Rückfällen,  die  später  in 
Deutschland  auftraton.  „Oefter  schon  bei  diesen  kleinen  Formen  (1  % p)  sieht 
man,  im  Gegensatz  zu  den  Parasiten  der  leichteren  Fieber,  sjieciell  der  Qnartana. 
wie  sich  das  Chroniatinkörnchen  in  die  Dingo  streckt,  Stäbchenform  annimmt 
und  nach  vorhergegangener  Einkerbung  in  2 — 3 sich  wieder  rundende,  kleine 
Chromatinkörnchen  zerfällt“  Häufig  sind  die  Blutkörperchen  mehrfach  inficirt. 
Es  wurde  ein  Fall  von  fünffacher  Infection  eines  rothen  Blutkörperchens  be- 
obachtet. Hat  das  Chromatinkorn  eine  Grösse  von  etwa  1 p erreicht,  so  ver- 
schwinden bei  der  Kameruner  Malaria  die  Parasiten  aus  dem  peripherischen 
Blute,  um  ihre  Entwicklung  in  bekannter  Weise  in  inneren  Organen  zu  vollenden. 
Bei  den  Sommer -Herbstfieborn  Italiens  erscheint  80 — 3ü  St.  nach  Beginn  des 
Anfalls  der  Parasit  als  kleine  Scheibe  von  */«  Blutkörperchengrösse.  Das  Chro- 
matin entfaltet  nunmehr  eine  intensive  Thatigkeit  durch  Theilung  und  Ab- 
schnürungen. „Niemals  sah  ich  indess  wie  immer  bei  der  (juartana  und  häufig 
bei  der  Tertiana,  einen  Zerfall  des  Chromatins  in  einzelne  kleinste  Fäserchen.“ 
Es  entsteht  vielmehr  ein  kurzer,  etwas  aufgelockerter,  mit  Einbuchtungen  ver- 
sehener Chromatinstrang.  Das  allerletzte  Stadium  der  Reifung  ging  aber  auch 
in  Italien  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  in  inneren  Organen  vor  sich.  Es  bilden 
sich  8 — 16  junge  Parasiten  unter  gleichzeitigem  Verblassen  und  Zerfallen  des 
nicht  vergrösserten,  infioirten  Blutkörperchens.  Die  Theilungsform  ist  die  Morula- 
form. I)a  es  wegen  des  zeitweisen  Verschwindens  der  kleinen  Parasitenart  aus 
dem  peripherischen  Blute  nicht  möglich  ist,  eine  genaue  Bestimmung  ihrer  Ent- 
wicklungsdauer vorzunehmen  und  da  sonst  durchgreifende  Unterschiede  nicht 
nachweisbar  sind,  so  fasst  Z.  die  kleinen  Parasiten  zu  einer  einzigen  Gruppe 
zusammen. 

7.  Die  sterilen  Formen  der  kleinen  Parasiten. 

Zu  diesen  Formen  rechnet  Yerf.  neben  den  freien  Sphären  und  Geissel- 
körpern  auch  die  Halbmonde.  Eine  Membran  konnte  er  an  letzteren  nicht  er- 
kennen. Bei  den  italienischen  Halbmonden  wurde  öfters  ausgesprochene  Sichel- 
form mit  spitz  ausgezogenen  Enden  und  starke  Einknickung  beobachtet,  die  so 
weit  gehen  konnte,  dass  zwei  mehr  oder  weniger  gleich  grosse  Theilstüeke  ent- 
standen, die  nur  noch  durch  eine  dünne  Brücke  mit  einander  in  Verbindung 

*)  Die  Thellungsformen  der  italienischen  Sommer-Herbstfieberparoaiten  hatten  durch- 
schnittlich 3 4 Blutkörperchengrösse , die  der  Kameruner  Malaria  manchmal  sogar 

nur  » * 


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310 


II.  Besprechungen  und  Litteratur&ngaben. 


standen.  Verf.  hält  das  nicht  für  ein  Anzeichen  von  Fortpflanzung,  sondern 
setzt  diese  Erscheinung  in  Parallele  mit  den  Abschnürungen,  die  er  bei  den 
Sphären  der  heimischen  Malaria  beobachtete. 

„Einer  der  Hauptunterschiede  zwischen  sterilen  Formen  der  benignen 
und  malignen  Parasiten  ist  jedenfalls  die  eigenartige  Starrheit,  welche  das 
Protoplasma  der  Halbmonde  und  der  entsprechenden  Sphären,  im  Allgemeinen, 
wenigstens  Anfangs  zeigt,  ausserdem  die  dunklere  Farbe  des  Pigments.“  Chro- 
niatin  Hess  sich  zum  Theil  in  verkümmerter  Form  in  den  Halbmonden  nach- 
weisen.  in  der  übergrossen  Mehrzahl  der  Fälle  verschwand  es  aber  gänzlich,  und 
an  seiner  Stelle  blieb  ein  hellerer  Fleck  übrig,  der  sich  ebenso  wenig  wie  die 
achromatische  Zone  färben  liess.  Daher  kommt  es  auch,  dass  die  Halbmonde 
gewöhnlich  nur  an  den  Enden  Farbe  annehmen.  An  den  Sphären  Hessen  sich 
nur  degenemtive  Vorgänge  beobachten. 

8.  Klinische  Bedeutung  des  Parasitenbefundes  bei  tropischen 
bez.  estivo-autumnalen  Fiebern. 

Der  Parasitenbefund  steht  zuweilen  im  Widerspruch  mit  den  klinischen 
Erscheinungen.  Verf.  beobachtete  in  Grosseto  (Italien)  4 derartige  Fülle,  wo  der 
Milztumor,  die  übrigen  klinischen  Symptome  und  die  prompte  Wirkung  des 
Chinins  die  Diagnose  auf  Malaria  stellen  Hessen  und  wo  trotzdem  in  einigen 
Dutzenden  von  Präparaten  keine  Parasiten  zu  finden  waren.  Umgekehrt  be- 
obachtet man  Fälle,  in  denen  bei  relativer  Geringfügigkeit  der  klinischen  Symp- 
tome die  Anzahl  der  Parasiten  auffallend  gross  ist.  Um  dies  zu  erklären,  muss 
einmal  eine  grosse  Empfänglichkeit  des  Erkrankten  für  das  Malariagift  bezw. 
eine  starke  Virulenz  der  Parasiten  oder  eine  gewisse  Immunität  bezw.  eine 
mangelhafte  Virulenz  der  Parasiten  augeuommen  werden. 

Bei  Fällen  von  italienischer  Tertiana  maligna  konnte  der  jeweilige  Parasiteo- 
befund  mit  dem  jeweiligen  Krankheitsstadium  in  Uebereinstimmung  gebracht 
werden  ähnlich  wie  bei  der  Tertiana  siinplex.  Während  des  Aufalls  fanden  >ich 
die  ganz  jungen  Fonnen  schon  in  erheblicher  Zahl,  am  Tage  der  meist  kurz 
dauernden  Apyrexie  die  grösseren  Siegelring-  oder  die  bereits  gerundeten  Formen 
mit  Pigmentbildung,  vor,  und  während  des  Beginnes  des  Anfalls  die  grosseren 
homogen  aussehenden  Fonnen  mit  Pigmentblock.  Wie  bei  der  gewöhnlichen 
Tertiana,  so  veranlasst  auch  bei  der  malignen  Tertiana  nur  die  Mehrzahl  «ier 
zeitlich  auf  derselben  Entwicklungsstufe  stehenden  Parasiten  die  jeweiligen  An- 
fälle. „Eine  ganz  gleichzeitige  und  gleichartige  Entwicklung  sämintlicher  Mit- 
glieder einer  Parasitengeneration  findet  sich  eben  nicht  Dieselben  sind  oft 
mindestens  12 — 14  Stunden  auseinander  Hegend.  Dies  ist  auch  wohl  der  Grund 
für  die  oft  ausserordentlich  lange  Dauer  der  Anfälle,  so  dass  die  Apyrexie  zu- 
weilen nur  einige  Stunden  beträgt.“  Bei  den  übrigen  Fiebertypeu  der  Sommer-, 
Herbst-  und  Tropeufieber  war  es  nicht  mögUch  die  Gesetze,  die  Golgi  für  Quar- 
tana  und  Tertiana  aufgestellt  hat,  praktisch  verwerthen  zu  können.  ,.In  der 
überwiegenden  Mehrzahl  der  eben  erwähnten  Fieber  findet  man  während  und 
gleich  nach  dem  Anfalle  eine  Anzahl  jüngster  endoglobuhirer  Parasiten,  welche 
einen  Rückschluss  auf  die  vorher  stattgehabte  Reifung  der  kleinen  Parasitenart 
gestatten.  Im  Stadium  der  Apyrexie  findet  man  grössere  Ring-,  Siegelring-  "der 
schon  unregelmässige  Formen.  Die  weitere  Entwicklung  findet  in  inneren  Or- 
ganen statt.“  — Nun  giebt  es  sicherlich  typische  intermittirende  Tropenlieber, 


II.  Besprechungen  und  Littcreturangaken. 


311 


die  durch  verkehrte  Behandlung  irregulär  gemacht  werden  können,  indess  be- 
obachtete Z.  in  Kamerun  trotz  symptomatischer  Behandlung  Fieber,  die  von 
vornherein  irregulär  waren. 

9.  Beeinflussung  der  I’arasiten  durch  Einwirkungen  irgend  welcher 
Art  mit  therapeutischen  Bemerkungen. 

A.  Durch  Tod  des  Patienten. 

11 — 14  Stunden  nach  dem  Tode  wurden  die  endoglobulären  Parasiten  ruhend 
und  in  Scheibenform  gefunden.  Die  Ringform  wurde  nicht  mehr  beobachtet. 
Das  Chromatin  erschien  rundlich,  war  aber  noch  gut  färbbar.  Im  Gegensatz 
hierzu  fand  sich  das  Pigment  der  Sphären  in  lebhafter  Bewegung.  Diesen 
letzteren  Umstand  sieht  Z.  für  einen  Beweis  dafür  an,  dass  diese  letzteren 
Formen  Kadaverformen  sind. 

B Beeinflussung  der  Parasiten  durch  Conservirung  von  Malariablut  in 

BltUegt’n. 

Es  wurden  folgende  Resultate  gewonnen : 

1.  Die  Parasiten  lassen  sich  anscheinend  24  St.  lang  im  Blutegel  erhalten, 
ohne  sich  morphologisch  zu  verändern. 

2.  Eine  Weiterentwicklung  im  Blutegel  findet  uieht  statt,  im  Gegentheil 
von  einem  bestimmten  Zeitpunkte  ab  degenerative  Vorgänge. 

3-  Das  Chromatin  bleibt  länger  färbbar  als  das  Protoplasma 

4.  Die  jungen  Parasiten  des  Sommer -Herbst -Fiebertypus  fangen  nach 
2 — 3x24  Stunden  an,  ein  extraglobuläres  Dasein  zu  führen. 

Infeetionsversuche  konnten  mit  dem  im  Blutegel  conservirten  Blut  nicht 
vorgenommen  werden. 

C.  Beeinflussung  der  Parasiten  durch  Phenocollum  hydrochloricum. 

Es  wurden  zur  Prüfung  Fälle  von  Malariafiebern  genommen,  die  keine 
Neigung  zur  Spontanheilung  zeigten.  Weder  auf  die  grossen  noch  auf  die  kleinen 
l’arasitenarten  wirkte  es  irgendwie  hemmend  ein.  Die  Parasiten  entwickelten 
sich  weiter. 

D.  Beeinflussung  der  Parasiten  durch  Methylenblau ■ 

Es  wurden  zur  Prüfung  dieses  Mittels  ebenfalls  nur  Fälle  ausgesucht,  die 
keine  Neigung  zur  Spontanheilung  zeigten.  Neigung  hierzu  kann  man  annehmen, 
wenn  man  „bei  Tertiana  und  Quartana  zu  einer  Zeit  noch  Parasiten  mit  beweg- 
ichem  Pigment  findet,  wo  die  Pigmentbewegung  schon  längst  hätte  aufhören 
müssen,  wo  sich  mit  anderen  Worten  schon  vor  dem  Fieberanfalle  eine  Anzahl 
ler  grossen  sterilen  Formen  im  Blute  finden“  und  wenn  sich  bei  Sommer-Herbst- 
iebern  oder  Tropenficbern  eine  Menge  steriler  Formen  wie  Halbmonde  etc.  im 
Blute  finden.  Das  Methylenblau  hatte  absolut  keine  Wirkung  auf  die  Parasiten 
md  wurdo  wegen  seiner  Nebenwirkungen : Strangurie  — trotz  Muskatnuss  — 
Appetitlosigkeit  und  Erbrechen  ungern  genommen.  Versuche  mit  kleinen  Tages- 
losen 0,4 — 0,6,  die  wochenlang  angewendet  wurden,  konnten  nicht  gemacht 
venien.  Das  Mittel  konnte  im  Durchschnitt  bei  einer  Tagesdosis  von  0,9 — 2,0 
.ielmehr  nur  3 Tage  lang  gegeben  weiden.  Bei  diesen  Versuchen  fand  Verf. 
iugleich,  dass  die  entwicklungsfähigen,  ringförmigen,  endoglobulären  Parasiten 
Ier  Sommer-Herbstfieber  im  lebenden  Präparat  sich  nicht  mit  Methylenblau 
Archiv  {.  Schiff«-  o.  Tropenhygiene,  n.  23 


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312 


II.  Besprechungen  und  Ijtteraturangaben. 


färben  Hessen,  wohl  aber  Sphären.  Dieser  Umstand  mag  seine  "Wirkungslosigkeit 
in  der  Blutbahn  erläutern. 

E.  Spontanheilung. 

Wie  die  Spontanheilung  zu  Stande  kommt,  ist  noch  unentschieden.  .Jeden- 
falls ist  der  Vorgang  des  Absterbens  der  Parasiten  bei  Spontanheilung  verschieden 
von  der  Abtödtung,  wie  sie  durch  Chinin  erfolgt.“  Die  Leukocytose  als  Heil- 
factor weist  Z.  zurück.  Denn  er  konnte  nie  chromatiuhaltige  (also  fortpflanzung- 
fähige)  Parasiten  im  Innern  von  Leukocyten  finden,  vielmehr  waren  es  immer 
nur  sterile  Formen,  insbesondere  die  Sphären  und  Geisselkörper.  die  von  Leuko- 
cyten umflossen  wurden.  Bemerkenswerth  erschien  in  einigen  Fällen  lang  an- 
dauernder Fieber  die  auffallend  starke  Vennehrung  der  Blutplättchen.  Dasselbe 
geschah  in  dem  in  Blutegeln  aufbewahrten  Malariablut. 

F.  Beeinflussung  der  Parasiten  dureh  Chinin. 

„Während  bei  der  Spontanheilung  das  Chromatin  der  Parasiten  schwindet, 
und  darauf  auch  die  anderen  schon  beschriebenen  characteristischen  Veränderungen 
im  Parasiten  eintreten  (Zunahme  des  Volumens.  Zunahme  des  Pigments  etrl 
wird  nach  meinen  Untersuchungen  durch  Chinin  in  erster  Linie  der  Protoplasmi- 
leib  des  Parasiten  betroffen.  Das  Chromatin  wird  scheinbar  erst  durch  die  Zer- 
störung des  Protoplasmas  in  Mitleidenschaft  gezogen  ....  Je  weiter  der  Para-;- 
in  der  Entwicklung  fortschreitet,  desto  schwieriger  wird  es,  die  zerstören;» 
Wirkung  des  Chinins  wahrzunehmen  . . . Giebt  man  also  das  Chinin  so.  da* 
die  Hauptwirkung  desselben  in  die  Zeit  der  Bauptthätigkeit  der  Chromatintheilur.- 
fällt,  so  geht  die  Entwicklung  der  Parasiten  ruhig  weiter,  d.  h.  die  Theilung  des 
Chromatins  schreitet  fort“  Der  Grund  zu  dieser  Erscheinung  liegt  darin.  (!*>■ 
das  Chromatin  beim  erwachsenen  Parasiten  etwa  die  Hälfte,  beim  jungen  aber 
nur  V»  des  Volumens  einnimmt  Es  können  also  die  jungen  Formen  dem  Chinin 
nur  wenig  Widerstand  entgegensetzen,  weil  sie  zum  grössten  Theil  aus  Prx- 
plasina  bestehen,  das  vom  Chinin  zerstört  wird.  Bei  den  reifen  Formen  ist  da- 
Verhültniss  nahezu  umgekehrt.  Also  wirkt  das  Chinin  wenig  oder  gar  nicht  zaf 
sie  ein.  Dazu  kommt  noch,  dass  bei  den  reifen  Formen  die  Vitalität  des  Chr- 
matins  besonders  stark  Ist  was  seinen  Ausdruck  in  der  Theilung  desselben  find-  ; 
„Es  Ist  durchaus  rationell,  das  Chinin  in  einem  möglichst  frühen  Stadium  mS 
die  Parasiten  wirken  zu  lassen,  wenn  irgend  möglich  noch  auf  die  extraglobulärs 
Formen,  dieses  sowohl  bei  der  heimischen  wie  bei  der  tropischen  Malaria"  . 
Eine  ältere  Vorschrift  sagt  bereits,  dass  das  Chinin,  welches  nach  5 — 6 Stunde! 
seine  Hauptwirksamkeit  entfaltet,  5—6  Stunden  vor  dem  Anfalle  zu  geben  sei. 
da  dann  im  Anfalle  selbst  das  Chinin  auf  die  neu  entstandenen  Parasiten  wiri‘ 
Es  ist  aller  auch  rationell,  das  Chinin  im  Fieberabfall  zu  geben,  wenn  sich  sch« 
jüngste  endoglobuläre  Formen  finden.  Meist  gab  ich  das  Chinin  bei  tropisch* 
und  estivo-autumnalen  Fiebern  beim  ersten  T.-Abfall,  um  nicht  die  Wirkung  de 
Chinins  mit  der  des  Anfalls  zusammenfallen  zu  lassen.  Bei  heimischer  Miiir- 
braucht  man  derartige  Rücksichten  weniger  zu  nehmen,  da  die  betreffenden  An- 
fälle an  sich  schon  leichter  sind.  Aehnlich  wird  schon  längere  Zeit  von  4« 
Marineärzten  gehandelt.  . . . Empfehlenswerth  ist  es  im  Allgemeinen,  bei  Tertücu 
und  ljuartana  an  dem  alten  Modus  festzuhalten  und  1,0  Chinin  5 bis  6 Stand-' 
vor  dem  Anfälle  einzugeben.“  Da  aber  in  allen  den  Fällen,  in  denet 
Neigung  zur  Spontanheilung  besteht,  die  Parasiten  auch  in  vors!- 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturaugahcn. 


313 


schritteneren  Stadien  leichter  vom  Chinin  beeinflusst  werden,  so 
können  derartige  Fälle  nicht  dazu  benutzt  werden,  um  aus  ihnen 
allgemein  gültige  Gesetze  für  eine  rationelle  Chininthorapie  her- 
zuleiten. 

Chinin  giebt  Verf.  fernerhin  auch  dann,  wenn  sich  nur  die  sterilen  Halb- 
monde im  Blute  zeigen;  nicht  der  sterilen  Halbmonde  wegen,  sondern  um  die 
eventuell  noch  in  inneren  Organen  befindlichen  kleinen  Parasiten  zu  tüdten. 

„Die  Höhe  der  einzelnen  Dosis  überschritt  bei  der  Tertiana  und  Quartuna 
sinipl.  nicht  1,0.  Wenn  5 bis  6 Stunden  vor  dem  erwarteten  Fioberanfalle  1,0  Ch. 
gegeben  war,  so  wurde  diese  Dosis  auch  an  dom  folgenden  Tage  wiederholt. 

Seihst  schwerer  verlaufende  Fälle  von  Tertiana  wichen  durchaus  den  gewöhn- 
lichen Chinindosen  ....  Nach  der  Entfieberung  wurde  auch  bei  heimischer 
Malaria  noch  3 bis  4 Tage  täglich  1,0  Chinin  gegeben,  oin  Verfahren,  das  ich 
Golgi  in  Pavia  ebenfalls  amvenden  sah.  Man  hat  dadurch  die  Möglichkeit,  etwa 
noch  übrig  gebliebene  Krankheitskeime  ebenfalls  abzutodten  und  dadurch  spätore 
Kecidive  nach  Möglichkeit  zu  verhüten.  Bei  Tropen-  und  estivo-autuiunalen 
Fiebern  war  die  höchste  Tagesdosis  3,0  Ch.  Es  war  das  nur  in  allarmirenden 
Fällen,  wo  es  sich  um  einen  enormen  Parasitenreichtlium  handelte.  Meist  kam 
ich  mit  1 — 2,0  vollkommen  aus.  Indication  zu  sofortiger  Chiningabe  war  das 
'Vorhandensein  einer  Anzahl  kleinster  endoglobulärer  Parasiten  (steht  im 
directen  Widerspruch  mit  R.  Koch’s  Ansicht.  Ref.).  Fehlten  dieselben  einmal 
nach  Eintritt  des  Fiebers  und  ging  die  Temperatur  nicht  herunter,  wurde  trotz- 
dem Chinin  gegeben,  in  der  Annahme,  dass  sie  sich  noch  in  inneren  Organen 
aufhielten  . . . Eine  Verzettelung  des  Chinins  in  kleine  Dosen  fand  nicht  statt 
Im  Gegcntheil  wurden  eine  Stunde  nach  Verabreichung  des  ersten  gr.  Chinin, 
eventuell  noch  0.5 — 1,0  Chinin  gegeben,  nach  einigen  Stunden  im  Bedarfsfälle 
noch  einmal  0,5 — 1,0.  Handelte  es  sich  bei  Remittens  in  Kamerun  um  Parasiten 
verschiedener  Entwicklungsstufen,  so  muss  man  jedenfalls  versuchen,  durch  auf 
■den  Tag  vertheilte  Chinindosou  eine  fractionirte  Sterilisation  des  Blutes  zu  er- 
zielen . . . Nach  unseren  Beobachtungen  schwinden  die  kleinen  Parasiten  bei 
durchschnittlich  2,0  Chinin  pro  die  schnell  aus  dem  Blute.“ 

Warm  empfiehlt  Z.  Einspritzungen  von  Chinin,  bimur.  0,5  auf  2,0  Wasser 
in  die  Glutäen.  Diese  Einspritzungen  sind  schmerzlos  und  nicht  von  unange- 
nehmen Nebenwirkungen  wio  subcutane  Chinineinspritzungen  begleitet  (Intra- 
muskuläre Chinineinspritzungen  von  höherer  Concentration  als  die  angegebenen 
sind  schmerzhaft ) 

„Während  der  Infection  wurden  solange  täglich  1 — 2,  selten  auch  3 gr. 

■Chinin  gegeben,  als  sich  noch  fortpflanzungsfähige  Parasiten  im  Blute  fanden  . . . 

Auch  nach  der  Entfieberung  wurde  Anfangs  täglich,  etwa  2 bis  4 Tage  lang, 
später  bis  meist  zum  8.  Tage  jeden  2.  Tag  1 gr.  Chinin  gegeben,  ev.  noch  weitere 
8 Tage  jeden  3.  Tag  . . . Bei  diesem  Verfahren  gelang  es,  speciell  in  Kamerun, 
die  Zahl  der  Recidive  ganz  aussorordentlich  einzuschränken.  Bei  meinen  Fällen 
verhielten  sich  die  Neuerkrankungen  zu  den  Recidiven  wie  2,8 : 1,  dies  in  einem 
schweren  Fieberjahre.  Früher  war  das  Verhältnis«  oft  umgekehrt.“  Durch 
prophylactisch  angestellte  Blutuntersuchungen  gelang  es  Z.  in  15  Fällen,  die 
Fiebererreger  vor  dem  Anfall  zu  erkennen,  durch  Chinin  zu  tödten  und  so  die 
Infection  überhaupt  zu  beseitigen. 

„Wenn  es  nicht  gelingt,  durch  Chinin,  gegeben  in  der  Apyrexie,  den 

23« 

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314 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


2.  Anfall  bei  einer  Quotidiana  zu  verhüten,  so  ist  damit  noch  nicht  gesagt,  dass 
das  Chinin  nicht  im  Stande  wäre,  eino  stärkere  Wirkung  im  sogenannten  Incu- 
bationsstadium  auszuüben.  In  diesem  ist  die  Zahl  der  Parasiten  noch  klein,  der 
Körper  durch  die  erste  Fieberattacke  noch  nicht  geschwächt  Bekanntlich  müssen 
die  Parasiten  erst  eine  gewisse  Anzahl  erreicht  haben,  ehe  sie  im  Stande  sind, 
einen  Anfall  auszulösen.  Ich  will  gerne  zugeben,  dass  der  Aufenthalt  an  Bord 
des  gesunderen  Schiffes  möglicherweise  günstigere  Bedingungen  schafft  für  eine 
derartige  prophy  laotische  Anwendung  des  Chinins  wie  an  Land. 

Ich  will  ferner  zugeben,  dass  diese  Art  der  Prophylaxe  in  den  Tropen  io 
erster  Linie  nur  wird  von  den  Schiffsärzteu  geübt  werden  können,  die  ihre  Leute 
auf  dem  Schiff  immer  beisammen  haben.  Bei  der  angedeuteten  Behandlungs- 
weise erkrankte  in  Kamerun  und  überhaupt  in  Afrika  nur  31,39  % der  Besatzung 
incl.  Neuerkrankungen  und  Recidive,  obgleich  die  Mannschaft  viel  an  Land  kam. 

Von  den  Officieren,  die  sehr  viel  auf  Jagd  gingen  in  gefährlichstem  Malaria- 
terrain,  erkrankte  überhaupt  nur  einer  mit  einmaliger  T.  Steigerung  auf  37.8 
mit  gleichzeitig  massigem  Parasitenbefunde.  Die  Zahl  31,39%  bleibt  noch  um 
6%  hinter  entsprechenden  Zahlen  in  sogenannten  guten  Jahren  zurück. 

Gestatten  äussere  Verhältnisse  nicht  systematische  Blutuntorsuchungen.  so 
rathe  ich  dringend,  bei  Aufenthalt  in  gefährlicher  Malariagegend  z.  B.  bei  Jagd- 
parthien,  jeden  3.  Tag  1.0  g Chinin  zu  nehmen,  bei  längerem  Aufenthalt  viel- 
leicht jeden  4.  Tag  0,5  g,  und  zwar  immer  Abends,  um  die  Chininwirkung  währeod 
der  Nacht  abklingen  zu  lassen.“  — 

(Ref.  hat  dies  Capitel  desshalb  so  ausführlich  behandelt,  weil  die  Frage  der 
Chinintherapie  ja  in  letzter  Zeit  von  Robert  Koch  aufgerollt  worden  ist.) 

10.  Leben  der  Parasiten  in  der  Aussenwelt  und  der 
Infectionxmodus. 

Ueber  das  lieben  der  Parasiten  in  der  Aussenwelt  und  über  den  Infection*- 
modus  ist  Sicheres  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt.  Vert  versuchte  in  Fliegen,  die 
er  mit  parasiten haltigem  Blute  gefüttert  hatte,  die  Parasiten  später  vergeblich 
nachzuweisen.  Ebenso  wenig  Erfolg  hatte  die  Untersuchung  von  Erde  aus 
Malariagegenden.  Die  Uebertragung  durch  Mosquitos  ist  nur  eine  Hypothese, 
ebenso  wie  alle  die  anderen  Vermuthungen  und  Ansichten,  die  über  den  In- 
fectionsmodus  ausgesprochen  sind. 

11.  Incubation. 

Ein  Incubationsstadium  von  wenigen  Stunden  erkennt  Z.  nicht  an.  Denn 
selbst  die  kleinen  Parasiten  brauchen  mindestens  eine  24stündige  Entwieklungs- 
dauer.  Wer  eine  wenige  Stunden  betragende  Incubationsdauer  annimmt,  muss 
dann  auch  annebmen,  dass  in  solchen  Fällen  die  Parasiten  sich  bereits  tm 
Theilungsstadium  befandeu,  als  sie  in  den  Körper  eindrangen.  „Damit  wirs 
aber  gesagt,  dass  der  Parasit  eine  ähnliche  Entwicklung  in  der  Aussenwelt  durefa- 
machte  wie  im  menschlichen  Organismus  ....  Sicher  erscheint  mir,  dass  der 
Parasit  nicht  sofort  so  doch  mindestens  sehr  bald  nach  erfolgtem  Eindringen  in 
den  Organismus  dieselbe  Form  zeigt  wie  während  der  Malariaerkrankung  selb«. 
Das  zeigen  die  festgestellteu  Fälle  von  etwa  4 8 ständiger  Incubationsxeit“  — 

Für  gewöhnlich  wird  eine  Incubation  von  8—20  Tagen  angegeben. 


II.  Besprechungen  und  Litteraturaiigaben. 


315 


12.  Stellung  der  Blutparasiten  im  Thierreiche  und  Eintheilung. 

„Als  Nichtzoologe  habe  ich  von  einer  eingehenden  Erörterung  dieser 
interessanten  Frage  absehen  zu  müssen  geglaubt,  umsomehr,  als  es  sich  dabei 
nur  um  Hypothesen  bis  jetzt  handelt“  Bis  jetzt  erscheint  es  am  practischsten, 
alle  Parasiten  der  rothen  Blutkörperchen  von  Menschen  und  Thieren  unter  dem 
Sammelnamen  Haemosporidien  zusammenzufassen,  ihre  Stellung  im  zoologischen 
System  aber  offen  zu  lassen. 

Die  Haemosporidien  oder  Blutkörperparasiten  wären  dann  einzutheilon  in : 

t.  Haemosporidien  des  Menschen  oder  eigentliche  Malariaparasiteu  mit 
folgenden  Arten  oder  Varietäten: 

a)  Parasiten  der  Tertiana 

b)  „ ,,  (juartana 

c)  „ „ Tropen-  bez.  estivo-autumualen  Fieber. 

2.  Haemosporidien  anderer  Sängethiere.  Zu  ihnen  gehörte  als  den  Malaria- 
parasiten nahestohond 

a)  Der  Parasit  der  febris  malarioformis. 

b)  Parasiten  des  Texasfiebers  der  Rinder  und  des  Carceag  der  Schafe. 

c)  Parasiten  der  Ictero-Haematurie  der  Schafe. 

d)  Parasiten  des  Hundes.  Es  handelt  sich  dabei  um  kleine  bimförmige 
bewegliche,  endo-  und  extraglobuläre  Gebilde,  färbbar  mit  Methylen- 
blau und  nach  Chinin  verschwindend.  Sie  fanden  sich  bei  einem 
Hunde,  der  nach  einer  Jagd  im  Sumpfterrain  unter  Fieber,  Schwäche 
und  etwas  Icterus  erkrankt  war. 

Ob  und  welcher  Zusammenhang  unter  den  Formen  von  a — d besteht,  kann 
nach  dem  jetzigen  Stande  unserer  Kenntnisse  noch  nicht  entschieden  werden. 

3.  Huemosporidien  der  Vögel. 

4.  Haemosporidien  dor  Kaltblütler. 

13.  Untersuchungen  über  die  Parasiten  des  Texasfiebers  des  Rindes. 

Verf.  konnte  Trockenpräparate  von  Rinderblut  untersuchen,  das  von  Rindern 
stammte,  die  an  Blutpissen  zu  Grunde  gegangen  waren.  Ein  Fall  stammte  aus 
der  Nähe  von  Venedig  (Codigoro),  die  anderen  aus  dem  ager  romauus.  Die  auf- 
gefundenen  Parasiten  bestanden  aus  einem  Chromatinklümpchen,  einer  achro- 
matischen Zone  und  dem  Protoplasmaleib.  Die  kleinen  Formen  waren  rundlich, 
die  grösseren  bimförmig,  zeigten  aber  kein  Pigment.  Einmal  wurde  ein  chromatin- 
und  pigmentloses  Gebilde  angetroffen,  das  einem  Halbmonde  der  menschlichen 
Malaria  ähnelte,  nur  3 bis  4 mal  so  klein  war.  Ueberhaupt  ähnelten  diese 
Parasiten  morphologisch  ganz  ausserordentlich  den  Parasiten  der  Sommer- 
Herbstfieber. 

14.  Die  Blutparasiteu  bei  Vögeln. 

Untersucht  wurden  im  Ganzen  190  Vögel  und  zwar  auf  Helgoland  102  und 
in  Italien  88.  Von  den  auf  Helgoland  im  October  und  November  untersuchten 
Vögeln,  die  von  Norden  nach  Süden  zogen,  war  kein  einziger  inficirt,  von  den 
von  Mitte  April  bis  Mai  von  Süden  nach  Norden  ziehenden  Vögeln  hingegen  20 
und  zwar  am  stärksten  Buchfinken,  dann  Thurmfalken,  Sumpfohreulen,  braunkehlige 
Wiesenschmätzer  und  rothrüc-kige  Würger.  In  Italien  waren  die  Sperlinge  und 
Nachtigallen  am  meisten  inficirt.  3 Steinkäuze  zeigten  eine  neue  Parasitenart. 
Es  gelang  nichtinficirte  Vögel  durch  parasitenhaltiges  Blut  von  Vögeln  derselben 


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316 


II.  Besprechung»; n und  I.itteraturangaben. 


Art  zu  inficiren  und  im  Blute  der  Impflinge  stets  dieselben,  wohl  charaeterisirtei 
Parasiten  wieder  nachzuweisen.  Auch  gelang  es,  einen  Grünling  durch  das  Bin: 
eines  iuficirten  Buchfinken  und  eine  I /ich  taube  durch  das  Blut  einer  in  heilten 
Turteltaube  zu  inficiren.  In  beiden  Fällen  aber  verschwanden  die  Parasiten  aß- 
mälig  wieder  aus  dom  Blute  der  Impflinge. 

„Allen  Vogelblutparasiten  war  gemeinsam,  dass  sie  auch  in  kernlosen  rothec 
Blutzellen  schmarotzen  konnten,  und  dass  die  gestreckten,  endoglobulären , ver- 
wachsenen Formen  bei  der  Beobachtung  des  lebenden  Blutes  nach  einiger  Zeit 
z.  Th.  das  Bestreben  zeigten,  extraglobulär  zu  werden  und  sich  abzurunden." 

Eintheilung. 

Verf.  nimmt  8 Typen  an: 

1.  Typus  A.  Eine  Fortpflanzung  liess  sich  innerhalb  der  rothen  Blut- 
körperchen nicht  mit  Sicherheit  feststellen.  Dieser  Typus  hatte  2 ünterab- 
theilungen : 

a)  Parasiten  von  gestreckter  Form,  mit  oft  typischer  Hantelfigur. 

b)  Parasiten  von  oft  mehr  plumper  Form  mit  abgerundeten  Ecken  z.  Tb. 
auch  mit  kurzen,  amöboiden  Fortsätzen.  In  der  äusseren  Form  nähern  die 
letzteren  sich  schon 

2.  Typus  B,  bei  dem  eine  Theilung  des  Chromatins  vorzukommen  schien, 
und  der  in  seinem  ganzen  morphologischen  Verhalten  eine  Mittelstellung  zwischen 
A und  C einnahm. 

3.  Typus  C,  mit  schneller  Entwicklung,  die  in  einem  Falle  höchstens 
etwa  48  Stunden  dauerte.  Der  Typus  ist  klein,  dreht  den  Kern  des  infkirten 
rothen  Blutkörpers  in  typischer  Weise  um  seine  Längsachse,  bildet  oft  nur  6 — i 
junge  Parasiten  und  kann  pathogen  sein. 

1.  T ypu*  A. 

Aus  der  Fülle  der  Beobachtungen  und  der  eingebenden  Beschreibungea 
können  nur  verschiedene  Thatsachen  hervorgehoben  tverden.  Einzelheiten  müssen 
im  Original  nachgelesen  werden. 

Der  Typus  A wurde  in  Italien  bei  Nachtigallen,  Sperlingen.  Lerchen  und 
Steinkäuzen,  in  Deutschland  bei  Buchfinken,  braunkehligen  Wiesenschmätzern.  Thunn- 
falken,  Sumpfohreulen,  Sperbern  etc.  gefunden.  Sie  sind  schwerer  zu  erkennen 
als  die  Malariaparasiten  dos  Menschen,  denn  ihre  Conturen  sind  weniger  scharf. 
Ihre  Lage  ist  vorwiegend  an  der  Längsseite  des  Blutkörperchenkernes.  Sie  büdea 
Pigment.  Amöboide  Beweglichkeit  ist  nicht  wahrzunebmen.  Typisch  war  die 
schwache  Entwicklung  des  Chromatins.  Von  den  inficirten  Blutkörperchen  btieh 
oft  nur  der  freie  Kern  übrig.  Der  dadurch  extraglobuliir  gewordene  Parasit  nahm 
runde  Form  an.  Diese  freien  runden  Formen  kamen  häufig  beim  Typus  A und 
B vor  und  erwiesen  sich  oft  in  Folge  lebhafter  Pigmentbewegung.  Abnahme  der 
Färbbarkeit  des  Protoplasmas  etc.  als  steril.  Nach  Ueberimpfungen  auf  gesunde 
Vögel  wurden  bei  den  Impflingen  die  ersten  Parasiten  am  7.  bezw.  8.  Tage  ge- 
sehen. Diese  Impfungen  fanden  auf  Helgoland  statt,  wo  eine  natürliche  nach- 
trägliche Infection  ausgeschlossen  war.  Verfütterungen  von  stark  inficirten  Yogei- 
organen  an  Schwarzdrosseln  führten  auf  Helgoland  zu  keinem  Erfolge.  Ibe 
inficirten  Vögel  zeigten  nie  Spuren  von  einer  Krankheit  oder  von  verminderter 
Fresslust. 


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IJ.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


317 


2.  Parasiten  des  Typus  B. 

Dieser  Parasit  ähnelt  dem  vorher  genannten  sehr  und  wurde  an  einem 
ThunnfalJieu  beobachtet.  Er  hat  im  Allgemeinen  Neigung,  sieh  abzurunden  bezw. 
ovale  Form  anzunehmen.  Die  erwachsenen  Formen  sind  etwas  grösser  als  beim 
Typus  A,  sterile  Formen  kommen  auch  hier  vor.  Neben  runden  sieht  man  auch 
gestreckte  freie  Formen.  Chromatintheilungen  wurden  beobachtet.  Sie  ähnelten 
denen  der  Quartanaparaaiten.  Die  Dauer  des  Entwieklungscyklus  konnte  ans 
Mangel  an  Material  nicht  festgestellt  werden.  Verfiitterung  von  Organtheileu 
eines  Thurmfalken  an  Athene  noctua  blieb  erfolglos. 

3.  Parasiten  des  Typus  C. 

Diese  Farasiteuart  wurde  bei  einem  Kirschkembeisser  und  bei  2 Grünlingen 
beobachtet.  Hier  zeigten  dio  Thiore  deutliche  Krankheitssymptome.  Der  Kirech- 
kembeisser  starb  sehr  rasch,  der  eine  Grünling  nach  2,  der  andere  nach  3 Tagen. 

Die  Parasiten  zeigen  eine  geradezu  erstaunliche  Proliferationsfähigkeit  des 
Chromatins,  „so  dass  es  zur  Fortpflanzung  kommen  kann  ohne  jede  Spur  einer 
Pigmentbildung,  ferner  die  häufige  2-,  8-  ja  10-faehe  Infection  eines  rothen  Blut- 
körperchens.“ Merkwürdigerweise  wurde  eine  Drehung  des  Blutkörperchenkernes 
um  seine  Längsaclise  in  den  inficirten  Blutscheiben  wiederholt  beobachtet  Der 
wachsende  Parasit  behält  im  Allgemeinen  seine  rundliche  Form.  Das  Chromatin 
theilt  sich  ähnlich  wie  bei  den  Parasiten  der  Sommer-Herbstfieber.  Die  grösseren 
Formen  können  die  Blutzellen  oft  bis  zu  */5  ausfüllen.  Unter  den  mittelgrossen 
und  besondere  den  grossen  Formen  lassen  sich  sterile  erkennen.  Alle  Formen 
kommen  extraglobulär  vor. 

15.  Eine  neue  Parasitenform  beim  Steinkautz  (Athene  noctua.) 

(Das  sogenannto  I^ukocytozoon  Danilewsky?) 

Auch  hier  können  aus  der  eingehenden  Beschreibung  nur  dio  wichtigsten 
und  interessantesten  Thatsachen  herausgenommen  werden.  Verf.  unterscheidet 
3 Phasen. 

1.  Phase.  Man  bemerkt  runde  oder  ovale  zarte  Parasiten,  die  etwa  */$  oder 
volle  Blutkörperchengrösse  haben  und  frei  sind.  Amoeboide  Bewegungen  nicht 
mit  Sicherheit  festzustellen.  Sie  enthalten  Chromatm. 

2.  Phase.  Neben  den  eben  erwähnten  freien  Formen  finden  sich  auch  solche, 
die  den  ebengenannten  sehr  ähnlich  aber  mit  einer  äusserst  fein  contourirten  und 
stellenweise  granulirteu  Masse  umgeben  sind.  Di&se  Masse  Hess  sich  nur  matt 
„grauröthlich“  färben.  Innerhalb  derselben  fand  sich  noch  ein  Leukoeytenkern. 
Ob  es  sich  bei  diesen  Gebilden  um  Parasiten  handelte,  dio  in  einem  Leukocyten 
schmarotzten,  konnte  Verf.  nicht  mit  Bestimmtheit  entscheiden.  Der  Parasit  wächst 
bis  zu  IV,  Grösse  eines  Blutkörperchens  von  Athene  noctua,  färbt  sich  auffallend 
viel  dunkler  als  eine  freie  Form  und  zeigt  neben  einem  Chromatinkern  ein  Chro- 
matinbüschel.  Das  ganze  Gebilde  wird  wetzsteinförmig.  Es  fanden  sich  bis  8 
dieser  Gebilde  im  Gesichtsfeld. 

3.  Phase.  Der  Parasit  wird  oval  und  schliesslich  rund,  der  degenerirte 
Leukoeytenkern  löst  sich  ab,  der  runde  Körper  des  Parasiten  zerfällt  Eine  Thei- 
lung  des  Chromatins  konnte  mit  Sicherheit  nicht  beobachtet  werden.  In  inneren 
Organen  fanden  sich  ebenfalls  keine  Theilungsformeu.  Trotz  mehrwöchentlicher 
Dauer  der  Blutuntersuchungen  wurde  stets  doreelbe  Blutbefund  erhoben.  Der 
Vogel  zeigte  nio  Krankheitssymptome. 


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318 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Es  wurden  häufig  Geissein  beobachtet.  Die  Geisselkörper  war  etwa  von  Blnt- 
körporchengrosse.  Sie  waren  unpigmentirt  und  hatten  2 — 4 GeLsseln.  Sie  fand« 
sich  fast  immer  schon  unmittelbar  nach  Anfertigung  des  Präparates. 

16.  Blutparasiten  bei  Kaltblütern. 

Positives  Resultat  hatten  die  Untersuchungen  nur  bei  Rana  eseulenta.  Ifc- 
Jugendform  des  Parasiten  stellt  sich  hier  als  3 n langes,  ovales  oder  bimförmiges 
Körperchen  ohne  amooboide  Bewegung  dar.  Im  gefärbten  Präparat  zeigt  sich  ec 
compactes  Chrumatinkorn.  Der  Parasit  streckt  sich  beim  Wachsen  in  die  fängt, 
der  Rand  zeigt  zuweilen  amneboide  Beweglichkeit.  Die  Theilung  des  Climmatins 
ist  der  bei  Malariaparasiten  ähnlich.  Schliesslich  wird  der  Parasit  mehr  und  mehr 
rund,  seine  nmoeboide  Beweglichkeit  deutlich,  die  lichtbrechende  Stelle,  in  der  di? 
Chromatin  liegt,  verschwindet  ebenso  wie  bei  dem  reifenden  Malariaparasiten,  in- 
dess  das  Chromatin  verschwindet  nicht.  „Es  wird  wegen  der  jetzt  stattfindend« 
Theilungsvorgänge  nur  unsichtbar  im  ungefärbten  Präparate“  — . Der  Parse:* 
kommt  zur  Ruhe.  Es  tritt  eine  Differeucirung  im  Protoplasma  auf  und  zuletzt 
tauchen  immer  deutlicher  werdende,  kleine  lichtbrechende  Stellen  auf.  und  es 
bilden  sich  10 — 12  kleine,  junge  Parasiten,  die  dann  anfs  Neue  rothe  Blutzoll« 
infieiren  können.  — Im  gefärbten  Präparat  stellt  sich  die  Theilung  des  Chromatins 
ähnlich  wie  beim  Tertianaparasiten  dar. 

Ob  ein  Unterschied  zwischen  diesen  eben  beschriebenen  Froschblutparasif« 
und  den  sogenannten  Gaule'schcn  Würmchen  besteht  oder  nicht,  konnte  Verf. 
nicht  entscheiden.  „Denn  im  gefärbten  Präparat  liessen  die  Jugendformen  d-*r 
beiden  keinen  Unterschied  entdecken,  die  von  Labbe  als  Cvstenbüdungen  be- 
schriebenen Formen  repräsentirten  in  meinen  Präparaten  keine  Cysten,  und  end- 
lich konnte  ich  eine  Fortpflanzung  der  Gaule'schen  Würmchen  nicht  entdecken.' 
Verf.  hält  es  für  möglich,  dass  diese  Gebilde  den  Halbmonden  der  menschlichen 
Malaria  entsprechen,  also  steril  sind.  Z.  machte  noch  die  Beobachtung,  dass 
Frösche,  die  anfangs  sieh  bei  der  Blutuntersuchung  als  nicht  inficirt  erwiesen  haften 
und  dann  mit  inficirten  Fröschen  zusammengesperrt  wurden,  nach  einigen  Tag« 
mit  amoeboiden  Blutkörperchen parasiten  inficirt  waren.  Er  lässt  die  Frage  offen, 
ob  wirklich  eine  Infection  stattfand,  oder  ob  es  sich  bei  den  scheinbar  gesund« 
Fröschen  um  einen  Zustand  der  Iätenz  gehandelt  hat. 

17.  Die  sogenannte  Cytamoeba  bacterifera  Labbc. 

Diesen  Parasiten  erkennt  Verf.  nicht  an.  Er  glaubt,  dass  es  sich  einfach 
um  Bactericn  handelt,  die  zufällig  mal  auf  einem  Blutparasiten  oder  in  einer 
Blutknriterchenvncuole  lagen.  Diese  Bacterienbündel  fanden  sich  auch  frei  ie 
Blute. 

Eine  wirksame  Methode  der  Chromatin - und  Blutfärlmng. 

Nachdem  die  Färbemethoden  von  F.  Plehn,  Grassi  und  Feletti,  sowie  tob 
Mannaberg  kurz  erwähnt  sind,  bespricht  Verf.  die  Methode  von  Romanowskv 
Das  Verdienst  R.’s  besteht  nach  Ansicht  des  Verf.  darin,  dass  R.  er- 
kannte, dass  sich  bei  der  Mischung  von  wässerigen  Methyl enblau- 
und  wässerigen  EosinlösungeD  ein  dritter  neutraler  Farbkörper  er- 
geben kann,  dereine  besondere  Affinität  zu  den  chromatiren  Kern- 
netzeu  besitzt.  Verf.  färbte  nach  der  Romanowsky 'sehen  Methode,  erhielt  aber 
.stets  unbrauchbare  Präparate.  Er  ging  also^nun  darauf  aus,  ein  Verfahren  sus- 


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II.  Besprechungen  uii'i  Litteratuiangaben. 


319 


findig  zu  machen,  bei  dem  es  gelingt,  den  vorerwähnten  neutralen  Farbkörper  so 
zu  erhalten,  dass  sich  mit  ihm  brauchbare  Chromatinfärbungen  erzielen  lassen. 
Bei  diesen  Versuchen  stellte  sich  zunächst  heraus,  «lass  die  verscliiedenen  Methylen- 
blausorten der  verschiedenen  Fabriken  sich  verschieden  verhielten.  Als  brauch- 
bar erwiesen  sich  nur  das  Methylenblau  med.  pur.  der  Höchster  Farbwerke  und 
das  Methylenblau  reetificat  nach  Ehrlich  von  Dr.  Grübler.  Aber  auch  diese  beiden 
Methylenblausorten  waren  verschieden  in  ihrer  Wirksamkeit.  Ja!  selbst  das 
Methylenblau  der  Höchster  Fabrik,  das  Yerf.  später  ausschliesslich  benutzte,  war 
in  seinen  verschiedenen  Lieferungen  von  verschiedener  Wirksamkeit.  Das  wasser- 
lösliche Höchster  Eosin  hingegen  — Marke  BA  und  AG  — verhielt  sich  fast 
constant,  auch  dasjenige  anderer  Fabriken. 

Beim  Arbeiten  mit  diesem  Höchster  Methylenblau  und  Eosin  fand  nun  Z.. 
dass  der  dritte  neutrale  Farbkörper,  der  beim  Mischen  wässeriger  Losungen  der 
vorgenannten  Farben  sich  bildete,  sich  sowohl  in  einem  Ueberschuas  von  Methyleu- 
blau  als  auch  von  Eosin  wieder  löste.  Es  kam  also  darauf  au.  auf  empirischem 
Wege  eine  Mischung  herzustellen,  iu  der  der  dritte  neutrale  Farbkörper  weder  in 
dem  Methvleublau  noch  in  dem  Eosin  der  Mischung  sich  wieder  auflöste. 

Die  mühsamen  Versuche,  die  hierzu  uöthig  wurden,  beschreibt  Verf.  aus- 
führlich. Sie  müssen  im  Original  eingesehen  werden.  Das  Resultat,  das  schliess- 
lich gewonnen  wurde,  ist  folgendes.  Die  besten  Chromatin -Färbungen  wurden 
mit  nachstehender  Mischung  erzielt: 

1 % 24  Stunden  alte,  wässrige  Methylonblaulösung:  0,1  % wässeriger  Eosinlösung*) 

= 1:5  oder  1 : 6. 

„Nach  durchschnittlich  80  Minuten**)  hat  man  ein  prachtvoll  klares  Präparat 
mit  intensiver  Färbung  des  Chromatins.  Nach  etwa  8 Wochen  ist  das  Mischungs- 
verhältniss  der  beiden  F'arbencomponeuten  manchmal  schon  wie  1:4  V*  oder 
1 : 5l/i“. 

Dies  ist  dos  allgemeine  Schema.  Da  aber  selbst  das  Methylenblau  der  Höchster 
F'arbwerke  in  seiner  F'arbkraft  verschieden  ist,  so  ist  es  nothwendig,  dass  der  je- 
weilige Untersucher  sich  seine  Farbmischung  immer  erst  einstellt.  Er  muss  von 
vornherein  darauf  gefasst  sein,  dass  die  Chromatinfärbung  schon  bei  einem  Ver- 
hältniss  des  Methylenblaus  zum  Eosin  von  1 : 4 eintritt  oder  aber  auch  erst  bei 
einem  Verhältniss  von  1:7.  Es  ist  daher  uöthig,  sich  die  zwischen  diesen  Grenz- 
werthen  liegende  Mischungsverhältnisse  herzustellen,  alle  Mischungen  mit  Prä- 
paraten zu  beschicken  und  von  10  zu  10  Minuten  den  Erfolg  der  Färbung  zu 
prüfen.  Da  sieh  nun  die  Kerne  der  weissen  Blutkörperchen  ebenso  färben  wie 
das  Cbromatin  der  Malariaparasiten,  so  kann  man  zur  Einsteihing  der  Farb- 
lösung einfache  Blutpräparate  verwenden  und  braucht  keine  Malariapräparate 
zu  opfern. 

■)  Wird  am  besten  durch  entsprechende  Verdünnung  einer  1 % wässerigen  Eosinlösung 
hergestellt.  Verf.  versuchte  später  sc  Stelle  dee  Eosins  diesem  nahe  stehende  Verbindungen 
wie  Phloxin,  Rose  Bengale,  Uranic  und  Erythrosin  r.n  verwerthen.  Aber  nur  das  letztere  er- 
wies «ich  in  nachstehendem  Verhältniss  anwendbar:  1 o,o  Methylenblaulösung  0,1%  Erythrosin- 
lösung = 2 : 3 bis  3 : 4.  Ee  dauerte  aber  45  Mim,  bis  die  Chromatlnfärbung  eintrat,  und  die 
Resultate  waren  wenig  sicher  und  weniger  gut  als  Eoslc. 

Kann  unter  Umständen  aber  such  60  Minuten  dauern.  — Umgekehrt  erzielte  Verf. 
schon  nach  1 1 r Minuten  wundervolle  Chromat  in  firhun  gen  bet  Anwendung  folgender  Mischung : 
Com-  , Sltrirte  Methylenblaulöaucg  gemischt  mit  1°0  Eosinlösnng  im  Verhältniss  S : tl.  Durch 
sehr  vorsir-htigee  Erwärmen  der  Mischung  konnte  die  Färbezeit  bis  auf  1 , Min.  abgekürzt 
werden.  Dann  waren  die  erstellen  Resultate  sber  oft  ungletchmässig. 


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320 


II.  Besprechungen  und  Tjtteraturangaben. 


Bei  der  Herstellung  der  Farbmischung  sind  aber  verschiedene  Vorsiete- 
manssregeln  zu  beobachten.  Um  eine  vollständige  Lösung  des  Methylen  Was? 
zu  erzielen  ist  es  nöthig,  das  Methylenblau  in  kleinen  Mengen  nach  und  a»± 
unter  fortwährendem  Schütteln  und  Umrühren  in  siedend  heisses  "Wasser  n 
schütten.  Es  darf  die  ganze  Menge  des  Methylenblaus  nicht  auf  einmal  zugesetz 
werden,  auch  das  Wasser  nicht  etwa  auf  das  Methylenblau  gegossen  werden,  wa 
sonst  ungelöste  Methylenblaustückchcn  sich  erhalten  und  die  Farbreaction  di- 
el u roh  unsicher  gemacht  wird.  In  gleicher  Weise  ist  die  wässerige  Beinloses: 
herzustellen.  Filtrirt  zu  werden  brauchen  die  Lösungen  nicht.  Filtration  ~ch»»-r 
ausserdem  die  Färbekraft  für  Chromatin. 

Sind  diese  beiden  Lösungen  fertig,  so  wird  zunächst  die  erforderliche  Mes« 
Methylenblaulösung  im  Messcylinder  abgemessen  und  dieser  unter  stetem  Ft- 
rühren,  das  wenigstens  zwei  Minuten  lang  fortgesetzt  werden  muss,  die  eben« 
genau  abgemessene  Menge  Eosinlösung  zngesetzt.  Ein  dicker  Niederschlag*!  = 
wie  bei  der  Mischung  von  stärker  concentrirten  Methylenblau-  und  Eosinl-ösuue^ 

— bildet  sich  bei  diesen  dünnen  Lösungen  zwar  nicht,  wohl  aber  ein  meullisti 
schimmerndes  Häutchen.  Dies  Häutchen  ist  für  gewöhnlich  das  Zeichen,  I 
die  Mischung  das  richtige  Verbältniss  und  damit  eine  gute  Farbkraft  für  ds 
Chromatin  hat. 

Die  Farbllüssigkeit  wird  nun  in  ein  Blockschälchen  gegossen,  indem  beiws 
ein  beschicktes  Deckgläschen  liegt  und  zwar  mit  der  Blutschicht  nach  unten.  E.- 
ist  nöthig,  in  der  Flüssigkeit  zu  färben  und  das  Deckgläschen  nicht  etwa  schwirrest 
zu  lassen.  Denn  das  vorerwähnte  metallisch  schimmernde  Häutchen,  das  dis 
Flüssigkeit  überzieht  und  auf  welches  das  Deckgläschen  zu  liegen  kommen  würfe 
enthält  Niederschläge  und  Crystalie,  die  das  Präparat  verunreinigen.  Dieses  Hjk’- 
chen  ist  daher  auch  mittelst  Fliespapiers  zu  entfernen,  sobald  man  das  Präpaiv 
aus  dem  Blockschiilchen  nimmt. 

Das  herausgenommene  Präparat  wird  in  frischem  Wasser  abgespült  oed 
untersucht 

„Es  sind  dann  die  rotheu  Blutzellen  rosa  gefärbt,  die  Kerne  der  sämmtikfe* 
Leukocyten  in  einem  beinahe  leuchtenden  wundervollen  Carminviolett,  die  Fr- 
toplasmaleiber  der  Lymphocyten  blau,  der  grossen  mononukleären  Leukocyta 
hlassblau,  oft  bis  auf  eine  schmale  Randzone  beinahe  farblos,  der  Mastzellen  ebee- 
falls  bläulich.  Der  Protoplasmaleib  der  neutrophilen  Leukocyten  erscheint  M* 
carminviolett  gefärbt,  die  Granulationen  derselben  noch  etwas  dunkler  oanm> 
violett  ....  Die  Granulationen  der  eosinophilen  Zellen  erscheinen  tiefreti. 
Findet  man,  wie  nicht  ganz  selten  bei  Perniciosa,  kernhaltige  rothe  BlutzeU-c.  s- 
ist  auch  deren  Kern  dunkel  carminviolett  gefärbt . . . Die  Blutplättchen  nebtwe 
ebenso  wie  das  Chromatin  der  Kerne  der  weissen  Blutzellen  die  eanninvioWst 
Färbung  an  . . . bandelt  es  sich  um  Malariablut,  so  erscheint  das  Chromatin  der 
Parasiten  ebenfalls  carminviolett,  oft  umgeben  von  einem  deutlich  sichtbare 
bellen  Hofe,  das  Protoplasma  der  Parasiten  blau.  Bei  Tertianablut  färben  ja 
die  rothen  Blutzellen,  die  schon  etwas  herangewachsene  Parasiten  beherberge, 
nur  schwach  rosa,  entsprechend  der  schon  im  lebenden  Präparat  zu  bemerkend« 


•)  Den  dicken  Niederschlag,  der  eich  bei  der  Miachung  concentrirtcrer  Methylenblau- 
Eoeinlösungen  bildet,  nahm  Verf.  vom  Filter  auf  und  versuchte  Ihn  direct  zur  Färbung  zu  br* 
nutzen.  Der  Versuch  misslsng,  weil  sich  der  Niederschlag  nicht  löten  lieaa. 


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11.  Besprechungen  uml  Litteraturangaben.  32 1 

Entfärbung  ....  Die  Nüaneen  der  speeifisehen  Chromatinfärbung  schwankten 
zwischen  einem  zarten  Both  bis  zu  einem  kräftigen,  leuchtenden  Carminviolett,  das 
zuletzt  in  eine  beinahe  schwärzliche  Färbung  übergehen  konnte.  Diese  letzteren 
Nüaneen  erhält  man  bei  Anwendung  besonders  wirksamer  Mischungen  und  hei 
längerer  Dauer  der  Färbung.“  „ . . Die  Kerne  der  Lymphocyten  nehmen  die 
spezifisch  zu  nennende  Färbung  früher  an  wie  die  anderen  Leukozyten  und  ver- 
lieren sie  auch  schwerer.  Andererseits  nehmen  die  kleinen  Cbromatiukiirner  der 
jungen  Parasiten,  die  sich  bei  Tropen-  und  estivo-autumnalen  Fiebern  finden,  die 
spezifische  Färbung  eher  an  als  die  Kerne  der  Lymphocyten.  Ferner  ist  die 
Färbung  der  Chromatintheilungsfiguren  der  erwachsenen  Parasiten  schwerer  zu 
erzielen  als  die  der  jungen  Parasiten.  Präparate  von  Vogelblut  erfordern  länger 
dauernde  Färbung  als  die  von  Menschen  oder  F’roschblut,  vorausgesetzt,  dass 
mau  auch  die  Kerne  der  rothen  Blutkörper  carminviolett  färben  will.“ 

..Noch  an  */«  fahr  alten  ungefärbten  Trockenpräparaten  vermochte  ich  das 
Chromatin  der  Leukocyten  und  der  Malariaparasiten  zur  Darstellung  zu  bringen. 
Zum  Einbetten  der  Präparate  nehme  man  am  besten  Xylolcanadabalsarn.  Meine 
Präparate  erhielten  sich  bis  jetzt  1 */»  Jahr  z.  Th.  vollkommen  unverändert.“ 

Zum  Schluss  ist  noch  zu  bemerken,  dass  jede  für  Chromatinfärbung 
bestimmte  Lösung  nur  einmal  benutzt  werden  kann.  Schon  bei  zweiter 
Benutzung  derselben  Lösung  weiden  die  Kesultate  unsicher.  Misch-  und  Mess- 
gefässe  sind  vor  jedem  Gebrauch  auf  das  Peinlichste  zu  reinigen.  Die  Peinigung 
ist  bei  dem  Gebrauch  von  dünnen  Losungen  sehr  viel  leichter  als  bei  der  An- 
wendung von  concentrirten  Lösungen. 

Weiterhin  machte  Verf.  Färbeversuche  mit  seiner  Methode  bei  verschiedenen 
Ba'terienarten.  Bei  Oidium  lactis,  Oidium  albicans,  Aspergillus  uiger,  Torula 
rosacea,  Torula  alba  und  nigra,  Sacharomyces  cerevisiae,  Spirillum  undula  majus 
und  minus,  Spirillum  rugula  etc.  gelang  es  ihm,  neben  dem  blaugefärbten  Protoplas- 
inaleib  das  enrmingefärbte  Chromatin  darzustellen.  Hierbei  kam  es  nun  öfters 
vor,  dass  die  Präparate  überfärbt  wurden.  Anfangs  entfärbte  Verf.  mit  •/» — 1% 
Essig-  oder  Salzsäure.  Späterhin  aber  verworthete  er  mit  grossem  Ge- 
schick den  Umstand,  dass  sich  der  dritte  neutrale  Farbkörper  so- 
wohl in  einem  Ueberschuss  von  Methylenblau  als  auch  von  Eosin  löst. 
Er  legte  die  überfärbten  Piäparate  entweder  in  eine  1%  Methylenblau-  oder  0,1% 
Eosinlösung,  je  nachdem  eine  zu  starke  Färbung  des  Chromatins  oder  des  Pro- 
toplasmas stattgehabt  hatte  und  erzielte  mit  diesem  Verfahren  ganz  ausgezeichnete 
Kesultate.  Die  Lösungen  wurden  so  dünn  genommen,  weil  in  stärkeren  Lösungen 
eine  zu  rasche  Entfärbung  erfolgte.  — 

Das  vorliegende  Buch  enthält  vorwiegend  die  Resultate  eigener  Beobachtungen. 
Der  Verf.  hat  alle  Typen  der  Malariafieber  in  verschiedenen  Theilen  der  Erde  ge- 
sehen und  ist  somit  in  den  Stand  gesetzt,  Vergleiche  anstellen  zu  können.  Das 
reichhaltige  Material  ist  gut  durchgearbeitet,  die  Thatsachen  sind  nicht  wie  z.  B. 
in  dem  neusten  Werke  iaveran’s  (Traitö  du  paludisme  1898)  nur  einfach  anein- 
ander gereiht.  Im  Gegentheil!  — An  der  Hand  der  durch  eigene  Beobachtung 
gewonnenen  Ansichten  bespricht  der  Verf.  die  Ansichten  anderer  Autoren  und 
erörtert  eingehend  das  „F'ür“  und  „Wider“  in  den  verschiedenen  Streitfragen. 
Ob  er  dabei  immer  das  Richtige  getroffen  hat,  wird  ja  die  Zukunft  lehren.  Im 
Grossen  und  Ganzen  aber  kanu  Ref.  ihm  nur  beistimmen. 

Durch  die  neue  Färbemethode  ist  Z.  im  Stande  gewesen,  verschiedene  bis 


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322 


II.  Besprechungen  und  Litteraturaugal >ei\. 


jetzt  offene  Fragen  zu  lösen.  Einerseits  erscheint  die  Alt  der  Fortpflanzung  der 
Malariaparasiten  endgültig  feslgestellt  und  andererseits  ist  uns  ein  VerstänJniss 
dafür  möglich  gemacht  worden,  wie  und  warum  das  Chinin  sehr  viel  mehr  auf 
die  jüngeren  Malariaparasiten  als  auf  deren  reife  Formen  wirkt.  Wir  haben  durch 
die  Chromatinfärbungen  endlich  einen  positiven  Anhalt  für  die  Behandlung  und 
Beurtheilung  der  Malariafieber  erhalten. 

Die  beigegebenen  Tafeln  sind  nicht  nur  sachlich  richtig,  sondern  auch  künst- 
lerisch schön.  Namentlich  gut  getroffen  ist  der  Farbenton  auf  Tafel  1U  — einen 
gn >ssen  Quartana-  Parasiten  darstellend  — und  die  feinen  Farbennüancen  der 
sterilen  und  chininisirten  Formen  auf  Tafel  I.  Diese  Tafeln  sind  eine  Zierde 
des  Buches  und  stechen  vortheilhaft  gegen  die  nichtssagenden  Abbüdungeo  in 
dem  eben  erwähnten  Buche  Laveran's  ab.  Das  vorliegende  Buch  bedeutet  jeden- 
falls einen  wesentlichen  Fortschritt  in  der  Malariaforschung. 

Buge.  Kiel. 


Beri-Beri. 

Heber  Beri-Beri  von  Dr.  F.  Grimm,  Berlin.  Deutsche  Med.  Wochenschrift  No.  29. 

1898. 

Der  Aufsatz  stellt  einen  Auszug  dar  aus  eiuem  1897  bei  S.  Karger  er- 
schienenen Buche  „Klinische  Beobachtungen  über  Beri-Beri“  von  A.  Grimm, 
welches  in  diesem  Archiv  von  Scheube  und  mir  s.  Z.  besprochen  wurde.  Der  Verl 
widmet  in  seinem  Aufsatz  ganz  besonders  der  Symptomatologie  der  Beri-Beri 
seine  Aufmerksamkeit  und  behauptet,  wie  auch  in  seiner  Brochüre,  dass  von  einem 
anerkannten,  einheitlichen  Krankheitsbild  der  Beri-Beri  nicht  die  Rede  sein  könne, 
ohne  übrigens  auch  hier  seiner  bereits  besprochenen  Arbeit  irgend  etwas  Neues 
hiuzuzufügen.  Das  Anfangsstadium  der  Beri-Beri,  meint  der  Verf.,  sei  ausser  von 
ihm , niemals  genauer  notirt  resp.  gesehen,  und  er  unterscheidet  je  nach  ein- 
maliger oder  wiederholter  Aufnahme  des  hypothetischen  Virus,  das  einfache  wo 
von  dem  complieirten  Beri-Beri  accumulntum.  Da,  wie  erwähnt,  die  Abhandlung 
auch  in  diesem  Abschnitt  nichts  Neues  bringt,  aber  unserer  allgemeinen  Auffas&um: 
der  Krankheit  als  eine  degenerative  Neuritis  entgegentritt,  ohne  sie,  wie  man  fordern 
muss,  dafür  pathologisch -anatomisch  anderweitig  zu  characterisiren,  kann  man 
darüber  nur  auf  die  früheren  Recensiouen  hinweisen,  welche  eine  solche  Art  der 
Publication  ablelinen.  Dasselbe  gilt  von  Verf.'s  hypothetischem  Virus,  als  aetwh- 
gischem  Moment,  welches  er  sich  in  Seeth ieren  vorhanden  denkt,  und  welche* 
durch  richtige  Zul>ereituug.  Garkocheu  z.  B.  unschädlich  zu  machen  sei  Die* 
richtige  Zubereitung  kann  doch  ebensogut  in  Privat-  oder  Krankenhäusern, 
auch  in  einem  Gebiet,  wo  solche  Seetliiere  vorzugsweise  genossen  werden,  erfolgen- 
überhaupt  stets  bei  ärztlicher  Coutrole,  und  doch  empfiehlt  Verf.  in  erster  Luü? 
als  Therapie  und  zur  Verhinderung  wiederholter  Aufnahme  der  Noxe  die 
anderer  Auffassung  gehandhabte  und  erfolgreiche  Translocatiou  in  Beri-Ber* 
freie  Gegenden,  und  giebt  zugleich  au.  dass  Beri-Beri  von  Chinesen  n*h 
Australien  verschleppt  sei.  In  seinen  Angriffen  gegen  meine  Recension  sein« 
Buches,  sowie  gegen  andere  Beri-Beriforseher,  so  besonders  in  Bezug  auf 
grundlegenden  Arbeiten  Sehenbe’s,  auch  auf  die  Glogner's  machte  Verf.  ua- 
riehtige  und  geringschätzige  Bemerkungen.  So  sagt  er,  dass  Scheube  in  seine» 


II.  Besprechungen  und  I.itteraturangaben. 


323 


'Werke:  „Die  Krankheiten  der  wannen  linder“  das  Fehlen  des  I’atellarreflexes 
als  ein  Zeichen  beginnender  Beri-Beri  ansähe,  während  Scheube  pag.  157/58  nur 
sagt:  Dagegen  fehlen  die  Kniescheibensehnenrellexe.  auch  nach  Jendrasik  (Pekel- 
haring  u.  Winkler)  sehr  häufig,  namentlich  fast  ausnahmslos  in  allen  Fällen  mit 
ausgeprägten  p:\retischen  Erscheinungen.  Dies  Symptom  ist  manchmal  schon 
wenige  Tage  nach  Beginn  der  Erkrankung  nachzuweisen  und  überdauert  oft 
Monate  lang,  ja  ein  Jahr  lang  und  darüber  alle  übrigen  Krankheitserscheinungen. 
Zu  Anfang  der  Krankheit  und  in  galoppirenden  Fällen  beobachteten  Pekelhariug 
u.  Winkler  auch  Steigerung  der  Kniescheibensehnenrellexe  mit  Fussclonus." 
Vorher  sagt  Scheube:  „Was  die  Reflexthätigkeit  der  Beri-Berikrnnken  botrilft,  so 
verhalten  sich  nach  meinen  Beobachtungen  die  von  der  Haut  ausgelösten  Re- 
flexe in  der  Regel  normal,  nur  ausnahmsweise  sind  dieselben  vermindert  oder 
gesteigert."  Pekelharing  und  Winkler  lässt  Grimm  aber  dazu  im  Gegensatt 
erscheinen. 

Wie  Herr  Dr.  F.  Grimm  Thatsaehen  behandeln  zu  müssen  glaubt,  zeigt  er 
weiter,  indem  er  pag.  460  Zeile  22  u.  23  in  Bezug  auf  einzelne  Anschauungen 
M.  Glogner's,  die  übrigens  durchaus  nicht  richtig  aufgefasst  zu  sein  scheinen, 
einfach  sagt:  „Karl  Däubler  empfiehlt  die  Lehren  dieses  Autors  als  fundirt".  That- 
sachlich  habe  ich  pag.  213  im  8.  Heft  dieses  Archivs  im  Hiublick  auf  Herrn 
Grimms  Schrift  pnblicirt:  „Aber  er  (der  Anfänger)  wird  auch  sonst  in  Bezug 
auf  die  unvergleichlich  besser  fundirten,  verdienstvollen  Arbeiten  Scheube’s, 
Pekelhariugs's,  Bälz's,  auch  Glogner's  und  Anderer  irregeleitet  etc.“  Auch  in  seinem 
polemischen  Artikel  braucht  er,  wie  früher  die  Trichinosis  zum  Vergleich  bei  der 
t ’onstruction  seiner  verschiedenen  Krankheitsformen  und  verwahrt  sich  dabei  gegen 
die  Ansicht  Gelpke's,  dass  Beri-Beri  mit  der  Trichinosis  grosse  Uebereinstiminung 
zeige.  Herr  Grimm  verlangt  bei  Reeension  seiner  Arbeit  weitere  Nachprüfungen, 
wo  er  selbst  nur  Vermuthungen,  aber  keine  experimentellen  Nachweise  auf 
ätiologischem  und  pathologisch -anatomischem  Gebiete  aufstellen  kann,  während 
wir  durch  eigene  klinische  Beobachtungen  an  grossem  Material  in  verschiedenen 
Tündern,  verbunden  mit  mikroseopischen  Arbeiten  und  Sectionsergebnissen,  wohl 
im  Stande  sind,  sein  angegebenes  klinisches  Material  und  daraus  abgeleiteten 
Schlüsse  zu  beurtheilen. 

Weder  durch  geringschätzige  Hinweise  auf  seine  Recensenten,  noch  dadurch, 
dass  Herr  Grimm  seine  ,. 20jährige  naturwissenschaftliche  und  ärztliche  Thätigkeit“ 
hervorhebt,  kann  er  das,  was  haltlos  ist  und  wissenschaftliche  Principien  verletzt, 
ausgleichen.  Dass  bei  sehr  acuter  Beri-Beri  mit  kurzem,  nicht  ganz  48stüudigem 
Verlauf  in  den  äquatorialen  Trepenländem  fettige  Degeneration  der  Nerven,  auch 
des  N.  vagus  vorkommt,  habe  ich  früher  nachgewiesen,  dieser  Befund  ist  anderer- 
seits bestätigt,  aber  auch  bei  nicht  acuten  Fällen  ist  dieses  vom  ersten  Anfang  an 
beobachtet  worden,  besonders  in  der  indischen  Armee,  wo  von  Soldaten  anstrengen- 
der Dienst  gefordert  wird.  Daher  muss  die  Zumuthung  Dr.  Grimm's,  worauf  er 
einen  Theil  seiner  Symptomatologie  stützt,  alle  vorgängigen  Beobachter  hätten 
den  Anfang  der  Beri-Berierkrankung  nicht  gesehen,  zurückgewiesen  werden. 

K.  Däubler. 


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324 


111.  Sonstige  Werke. 


III.  Sonstige  Werke. 

Malittle  predominantl  nei  paeai  caldi  e iemperati.  von  Dr.  Filippo  Rho,  Turin  1S97. 

Rosenhorg  & Sellier.  (Fortsetzung.) 

Der  exanthematische  Typhus  Ist  in  wannen  Ländern  selten,  das  Riiek- 
fallfieber  bricht,  da  es  nichts  mit  klimatischen  Verhältnissen  zu  thitn  hat. 
in  Indien  in  Hungerjahren  aus  und  ist  auch  in  Aegypten  schon  beobachtet  wor- 
den. DerTetnnus  kommtauf  der  ganzen  Erde  vor.  nimmt  jedoch  in  den  Tr- 
pen  an  Häufigkeit  zu.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  nicht  die  heissesten  Mona- 
te die  meisten  Erkrankungen  an  Starrkrampf  aufweisen . sondern  die  Mona:- 
vor  und  nach  der  Regenzeit,  welche  die  grössten  Temjieraturschwankungen  zei- 
gen. Die  Neger  zeigen  eine  grössere  Disposition  dem  Tetanus  gegenüber,  al- 
die  Weissen,  wohl  weil  die  zahlreichen  leichten  Haut  Verletzungen  das  Emdring-t 
des  Giftes  erleichtern.  Neugeborene  weiden  vom  Nabel  aus  infieirt  und  sterben 
z.  B.  in  Rio  de  Janeiro  alljährlich  in  grosser  Zahl  am  Tetanus. 

Die  Tuberkulose  verheert  den  ganzen  Erdball.  Trockene  heisse  Lander 
weiden  jedoch  weniger  von  derselben  heimgesucht  als  feuchte,  trotz  der  grösseren 
täglichen  Temperaturunterschiede.  Schlechte  hygienische  Verhältnisse  leisten  der 
Krankheit  auch  in  den  Tropen  Vorschub. 

Auch  der  Aussatz  ist  allenthalben  zu  finden,  alle  Kassen  weiden  befal- 
len, in  jeder  mit  Vorliebe  die  ärmeren  Classen  wegen  der  schlechten  Körper- 
pflege und  Unreinlichkeit  Die  Frage  der  Ansteckung  bei  Lepra  hält  Rho  für 
noch  nicht  entschieden.  Selbst  bei  Rater  Damien  ist  es  möglich,  dass  die  Über- 
tragung nicht  von  Person  zu  Person,  sondern  durch  Luft,  Wasser.  Nahrungs- 
mittel u.  s.  w.  erfolgt  ist. 

Es  steht  nicht  sicher  fest,  ob  die  Syphilis  durch  klimatische  Verhält- 
nisse überhaupt  beeinflusst  wird.  Nach  Rho  spricht  sich  die  Mehrzahl  der 
Beobachter  dahin  aus,  dass  der  Verlauf  in  den  Tropen  ein  milderer,  die  »Jueck- 
silberwirkung  eine  leichtere  und  raschere  ist  und  zwar  sowohl  bei  Europäern 
wie  liei  Eingeborenen.  Betreffs  des  Scorbut  schliesst  sich  Rho  den  I-eitsätzen 
Moores,  welche  für  Indien  aufgestellt  siud,  aber  auch  für  widere  Troj>enländer  gelten 
können,  an:  1.  Scorbut  herrscht  in  latenter  Form  l>ei  den  ärmeren  Classen.  2.  Der- 
selbe kann  in  dieser  Form  ohne  deutliche  Symptome  bestehen,  aber  den  Ver- 
lauf anderer  Krankheiten  ungünstig  beeinflussen.  8.  Unzureichende  Nahrung 
auch  mit  frischer  Pflanzennahrung,  kann  die  Krankheit  hervorrufen,  rascher 
ensteht  dieselbe  bei  Mangel  an  Pflanzenkost.  4.  Mangel  an'  Sonnenlicht  ist  für 
die  Krankheit  im  höchsten  l inule  begünstigend.  5.  Es  giebt  kein  wirklich 
antiskorbutisches  indisches  Kraut  als  Hausmittel.  6.  Citronensnft  verliert  rasch 
seine  günstige  Wirkung  hei  längerer  Aufbewahrung  in  warmen  Ländern.  7.  Von 
allen  Früchten  ist  die  Mango- Eracht  im  unreifen  Zustande  getrocknet  als  diä- 
tetisches Mittel  am  meisten  zu  empfehlen. 

Ueber  diu  erste  Classe  der  chirurgischen  Krankheiten  (Cnpitel  XX.  1) 
„lufectiöse  W undk  rank  hei  ton”,  widersprechen  sich  anscheinend  die  Be- 
obachter. Alts  allen  Tropenländern  liegen  Berichte  über  don  Heilungsverlauf  bei 
schwer  Verwundeten  und  0|>e  rillen  in  den  grossen  Hospitälern  und  auf  Kriee~- 
schiffen  vor.  Während  einer  Reihe  von  Jahren  ist  z.  B.  in  den  Kranken- 
häusern von  Calcutta  kein  Fall  von  Hüftgelenksresection  durehgekommen.  Dem- 


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III.  Sonstige  AA'erke. 


325 


gegenüber  stehen  die  günstigsten  Ergebnisse  nicht  nur  der  modernen  antiseptischen, 
sondern  auch  der  einheimischen  Wundbehandlung  mit  Kameelmist,  Kuhdünger, 
(gekauten  oder  zu  Brei  gekochten  Blättern  verschiedener  Pflanzen.  Ref.)  sowie  die 
häufig  vorkommende  rasche  Heilung  von  völlig  vernachlässigten  schweren  Ver- 
letzungen. worüber  Mittheilungen  von  Aerzten  aller  Nationen  aus  den  Colonieu  vor- 
liegen. Der  Unterschied  liegt  in  der  Oertlichkeit.  Massemmhäufung  von  Kranken 
begünstigt  die  Entwickelung  der  betreffenden  Krankheitserreger,  welche  in  freier 
Luft  entweder  nicht  vorhanden  sind  oder  nicht  zur  Entwicklung  gelangen  und 
anscheinend  erst  eingeschleppt  worden  sind. 

Oberflächliche,  leichte  Verletzungen  zeigen  dagegen  allenthalben  in  den 
Tropen  oft  die  Neigung  sich  in  „atonische  oder  phagedänische  Beschwüre  um- 
zuwandeln; da  ein  bacteriologisches  Criterium  für  ein  selbstständiges  Krankheits- 
bild fehlt,  und  Uebertragungsversuehe  vergeblich  gehlielten  sind,  so  muss  man 
annehmen,  dass  individuelle  Schwächezustände,  imgünstige  gesundheitliche  äussere 
Verhältnisse  und  klimatische  Einflüsse  dem  Leiden  das  eigenthiimliche  Gepräge 
verleihen. 

Lymphangitis  perniciosa,  welche  besonders  in  Brasilien  auftritt.  und 
Elephantiasis  Arabum  behandelt  Rho  in  zwei  getrennten  Abschnitten. 
Die  Studien  von  Moncorvo  filho  (siehe  Besprechung  in  Band  I,  Heft  3,  Seite  215 
des  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropenhygiene),  welcher  die  Lymphangitiden  und  Ele- 
phantiasis wenigstens  im  Kindesalter  auf  den  Erysipel -Streptocoeous  Fehleisen’s 
zurückführt  scheinen  dem  A'erfasser  noch  nicht  bekannt  gewesen  zu  sein.  Rho 
neigt  betreffs  der  pemieiösen  Lymphangitis  zu  der  Ansicht,  dass  dieselben 
durch  Streptococcen  hervorgerufen  wird,  nimmt  aber  für  die  Elephantiasis,  so- 
weit dieselbe  endemisch  auftritt,  die  Filariosis  als  Ursache  an.  Die  sporadischen 
Fälle  können  durch  die  verschiedenartigsten  Störungen  des  Lymphumlaufs  ent- 
stehen. Die  operative  Behandlung  des  elephantiastischen  Scrotums  wird  eingehend 
besprochen. 

Die  Stomatitis  intertropicalis  hätte  bei  der  tropischen  Diarrhöe  oder 
den  Aphthae  tropicae  ihren  Platz  finden  können,  Roh  giebt  hierbei  wie  bei  Er- 
örterung des  in  Aegypten  häufigen  Vorkommens  der  Mund  beule  der  Kinder, 
bouton  de  l’enfanee,  brufalo.  die  Ausführungen  von  August  Hirsch  in  dem  be- 
kannten grundlegenden  Werke  wieder.  Auch  die  Angaben  über  A’erbreitung 
der  Hämorrhoiden  bei  den  Europäern  in  wannen  (Andern,  während  dieselben 
bei  den  Negern  nicht  Vorkommen  (?  lief.),  und  über  die  Entstehung  der  bei  Tro- 
penvölkem  so  häufigen  Hydrocele  in  Folge  sexueller  Excesse  und  der  Beklei- 
dung mit  weiten  Gewändern,  welche  nicht  wie  der  europäische  Hoscuboden  den 
Hoden  stützen  sind  dem  oft  citirten  deutschen  Buche  entnommen. 

Bezüglich  der  Augenkrankheiten  der  wannen  Länder  tlieilt  Rho  die  in 
ilassauah  von  den  italienischen  Aerzten  gemachten  Erfakningen  mit.  Europäer 
und  Eingeborene  zeigten  auf  diesem  Gebiete  der  Pathologie  eine  ganz  verschiedene 
Morbidität.  Die  Unreinlichkeit  der  Eingeborenen  zeitigt  kartarrhalische  und  eitrige 
Erkrankungen  der  Augenbindehaut  und  Hornhaut  in  allgemeiner  Verbreitung,  Ka- 
tarakte sind  sehr  häufig,  auch  die  Pocken  gehen  auf  den  Augapfel  über,  sodass 
Blinde  in  grosser  Zahl  in  den  Strassen  zu  finden  sind.  Die  Italiener  dagegen 
erkrankten  nach  den  amtlichen  Statistiken  womger  häufig  iui  Augenleiden  als  im 
Mittelmeer  oder  im  indischen  Ocean.  Nur  die  Hemeralopie,  welche  bei  den  Einge- 
boroen  fehlt,  wurde  in  mehreren  hartnäckigen  Fällen  beobachtet,  die  Heiin- 


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326 


III.  Sonstige  Werte 


Sendung  dos  Kranken  nöthig  machten.  Das  grelle,  durch  lein  Gebüsch  gemil- 
derte Licht  der  sonnigen  Colonie  erklärt  das  Auftreten  derselben.  Bemerkens- 
werth ist  es.  dass  die  kühlere  Jahreszeit  mehr  Fälle  von  Conjunctivitis  und 
Hemeralopie  aufweist  als  die  heisse. 

Wohl  nur  wenigen  colonialen  Aerzten  ist  es  heute  noch  vergönnt,  die  Aus- 
führungen Bho’s  über  die  Verletzungen  durch  Pfeilscbüsse  pracrisch 
verwerthcn.  Ihre  Behandlung  ergiebt  sich  nus  den  Grundlehren  der  Chirurgie. 
Die  vergifteten  Pfeilwunden  sind  nach  der  Art  des  Giftes  verschieden  gefährlich. 
Die  Somali  verwenden  das  Ouabain,  ein  Glycosid,  welches  durch  Kochen  der  Wur- 
zeln mehrere  Arten  von  Apoeineen  (Apoeynaceen.  Ref.)  mit  etwas  Gummizusatz 
gewonnen  wird,  und  ein  starkes  Herzgift  ist  Derselben  Pflanzengattung  ent- 
stammt das  Kuua  der  Bambaras  im  Sudan;  die  Körner  einer  Strnphanthus-Art  lie- 
fern im  wässerigen  Extraet  unter  Zusatz  von  Euphorbiaceen  - Früchten  dieses  Gift. 
Die  Buschmänner  sollen  Schlangengift  für  ihre  Weile  verwenden,  die  Hotten- 
totten Saft  von  Wolfsmilcharten. 

Diu  wenig  bekannten  asiatischen  Weilgifte  rufen  llerzlähmung  und  Krämpfe 
hervor.  Das  bekannte  Curare  ist  durch  die  Giftpfeile  der  Indianer  am  Orinoe» 
und  Amazonen -Strom  bekannt  geworden.  DasUpas-Gift  der  Eingels »ronen  Bor- 
neos quillt  aus  Rindeneinschnitten  von  Antiaris  Toxicnris  und  wirkt  ähnlich : doch 
sollen  sieh  die  holländischen  Colonialtruppen  durch  rasches  Aufsehneiden  und 
sorgfältiges  Aussaugen  erfolgreich  gegen  die  Wirkung  desselben  schützen.  Wenn 
schwerere  Erscheinungen  nuftreten,  so  ist  künstliche  Athmung  sorgfältig  und 
lange  durchzuführen.  Geradezu  fin  de  siede  erscheinen  die  Melanesier,  deren 
Weilgift  aus  Sumpferde  gewonnene  pathogene  Mikroben  enthalten  soll,  nämlich 
den  Tetanushacillu-s  und  den  Vibrio  septicus! 

(Fortsetzung  folgt.)  M. 


I)r.  Borei:  Comment  on  deviant  Mddecin  d’un  Paquetbot.  — Paris.  Georges  Car  re 
et  C.  Naud.  — 1898. 

lieber  Rechte  und  Pflichten,  über  specielle  Ausbildung,  Stellung  und  Hono- 
rirung,  kurz  über  den  Sonderberuf  der  Schiffsärzte  ist  in  letzter  Zeit  mehrfach 
in  der  hanseatischen  Tagespreise  und  in  ärztlichen  Fachblättern  geschrieben 
worden.  Namentlich  ist  der  Vorschlag  einer  besonderen  Vorbildung  mit  an- 
schliessender Prüfung  und  einer  staatlichen  Ueberwachung,  ja  Verstaatlichung 
dieses  Berufszweiges  gemacht  worden.  Da  eischeint  die  Mittheilung  zeitgemkss, 
wie  unsere  Nachbarn,  die  Franzosen,  dieselbe  Frage  geregelt  haben. 

Dr.  Borei,  selbst  „Medecin  sanitaire  maritime“,  schreibt  darüber  in  dem 
oben  genannten  Werkchen  kurz,  aber  klar  und  sachlich.  Er  theilt  seinen  Stoff 
in  fünf  Abschnitte:  1.  Die  Schiffsarztprüfung.  2.  Die  grossen  Dampfergesell- 

schaften. 3.  Formalitäten  bei  der  Abfahrt.  — Verzeichniss  der  Arzneimittel  und 
Instrumente.  4.  Der  Gesundheitspass.  — Formalitäten  im  Ausland.  5.  Der  ärzt- 
liche Dienst  an  Bord. 

Für  uns  hat  hauptsächlich  das  erste  Capitel  Interesse.  DerVerf.  citirt  aus 
der  Polizeivorschrift  für  die  Schifffahrtshygiene,  „regiement  de  police  sanitaire 
maritime“,  deren  Cap.  III.,  Art.  15  u.  16: 

„Jedes  französische  Dampfschiff,  das  für  den  Postdienst  oder  für 
den  Transport  von  mindestens  100  Passagieren  bestimmt  ist,  und  das 


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ID.  Sonstige  Werke.  327 

eine  Reise  von  mehr  als  48  Stunden,  einschliesslich  der  Anl&ufsplätze, 
macht,  ist  verpflichtet,  einen  geprüften  Schiffsarzt  am  Bord  zu  haben.“ 
„Dieser  Arzt  muss  Franzose  sein  und  das  ärztliche  Doctordiplom 
besitzen;  er  führt  den  Titel  eines  Medecin  sanitaire  maritime“  — (was 
wir  mit  „geprüfter  Schiffsarzt“  verdeutschen  können). 

„Art  18.  Die  geprüften  Schiffsärzte  werden  aus  einem  vom 
Minister  des  Inneren  aufgestelltem  Verzeichniss  ausgesucht,  nach  einer 
Prüfung  vor  einer  Commission,  die  vom  Minister  auf  Vorschlag  des 
Gesundheitsamtes  (Comite  de  direction  des  Services  de  l’bygiene)  be- 
rufen ist“  u.  s.  w. 

Die  Prüfungsvorschrift  (programme  de  l’examen)  vom  8.  XII.  98  beschränkt 
sich  auf  einige  schriftliche  und  mündliche  Proben  (epreuves).  Die  schriftliche 
Prüfung  umfasst  einen  Aufsatz  über  die  Pathologie  der  ansteckenden  Krankheiten, 
und  einen  Aufsatz  über  die  hygienische  Gesetzgebung,  zu  dem  der  Candidät  die 
einschlägigen  Werke  vorgelegt  erhält;  für  den  ersten  sind  1 */»,  für  den  zweiten 
ist  1 Stunde  Frist  gegeben.  Die  mündliche  Prüfung  besteht  aus  einer  Frage  über 
dieselben  Themen,  einem  practischen  Versuch  (cpreuve)  aus  der  Bakteriologie 
(„Färbung  und  Diagnose  der  hauptsächlichen  pathogenen  Mikroben“),  und  einer 
Desinfectionsprobe  („Herstellung  und  Anwendung  der  gebräuchlichen  antiseptischen 
Flüssigkeiten,  Sterilisation  mit  den  im  Laboratorium  und  an  Bord  gebräuchlichen 
Apparaten.“  Für  diese  practischen  Versuche  ist  je  eine  halbe  Stunde  bewilligt. 

Yerf.  selbst  sagt,  dass  es  für  einen  Mediciner,  der  frisch  von  der  Univer- 
sität kommt,  nichts  Leiohteres  giebt,  als  dieses  Examen  zu  bestehen. 

Hoffentlich  wird  man  sich  in  Deutschland  nicht  mit  einer  solchen  Prüfungs- 
vorschrift begnügen,  die  nicht  viel  mehr  als  eine  Formalität  bedeutet,  sondern 
vor  allem  Stätten  eröffnen,  wo  der  angehende  Schiffsarzt  sich  auf  seinen  Sonder- 
beruf — durch  Specialcurse  an  den  Krankenhäusern  der  Hansastädte  u.  s.  w.  — 
vorbereiten  kann.  Borei  weiss  dem  französischen  Arzt  zu  Vorstudien  für  jene 
Prüfung  nur  eine  Reihe  guter  Bücher  zu  empfehlen,  welche  allerdings  den  Ein- 
druck erwecken,  als  würde  in  Frankreich  mehr  auf  dem  Gebiet  der  Schifffahrts- 
nygiene veröffentlicht,  als  bei  uns.  In  der  That  scheint  mir,  wenn  ich  die  deutsche 
Litoratur  über  Schiffshygiene  durchgehe  — das  Werk  von  Kuleokampff,  die  Ab- 
handlungen von  Nocht,  Reineke  u.  A„  die  Rathgeber  von  Schmidt  und  Gärtner, 
die  Broschüre  von  Jentsch  u.  s.  w.  — das  Bedurfniss  nach  zwei  Büchern  vor- 
zuliegen: nach  einem  Sammelwerk  der  bestehenden  Vorschriften  für  Hafen-  und 
Schiffshygiene  aus  der  ganzen  Welt,  als  Handbuch  mit  Formularen  und  Mustern, 
das  an  Bord  jedes  ins  Ausland  gehenden  Schiffes  sein  müsste,  und  zweitens  nach 
einer  kleinen  sachlichen  Schrift,  die  dem  jungen  Arzt  sagt,  nicht  nur,  wie  er 
eine  Stelle  als  Schiffsarzt  erlangen  kann,  sondern  vor  allem,  wie  er  sich  am  besten 
darauf  practisch  vorbereiten  muss,  — solange  die  Vorbildung  der  Schiffsärzte  nioht 
officiell  geregelt  ist. 

Dr.  D— ff. 


Zur  Besprechung  eingegangene  Werke: 

Compte  rendu  de  la  Conference  internationale  concemant  les  Services  sanitaires 
et  Vhygiene  des  chemins  de  fer  et  de  la  navigation. 

Bruxelles  1898,  van  de  Weghe. 

Archiv  für  Schiff»-  a.  Tropenhygiene.  1L  24 


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328 


UL  Sonstige  Werke. 


Dr.  Paaquale  Moscato,  Sulla  emoglobinnria  parossistica  da  chinina. 

Milano  1898,  Francesco  Vallardi. 

„ Sülle  localizzazioni  multiple  che  l’infezione  palustre  puö 

produrre.  Milano  1892,  Leonardo  Vallardi 
„ Sulla  malattia  del  Tomaselli  owero  sulla  febbre  ittero- 

ematurica  da  chinina.  Milano  1889  ib. 
„ Infezione  palustre  chronica,  Napoli  1897,  Detken  u.  Rocholl. 

,.  Sulla  intossicazione  chinica  nella  infezione  tifoide  e nella 

leucemia.  Milano  189S.  A.  Roncati. 

Conun.  Salvatore  Tomaselli,  La  intossicazione  chinica  e l'infezione  malarica. 

Catania  1897,  C.  Calatola. 

Dr.  P.  Just  Navarre,  Le  prophylaxie  du  paludisme. 

Lyon  1896,  Association  typographique. 
Dr.  Bonnasy,  Secours  aux  marins  des  grandes  peches. 

Toulouse  1898,  Lagarde  et  Sebille. 
Dr.  L.  Leiatikow,  Therapie  der  Hautkrankheiten. 

Hamburg  u.  Leipzig  1897,  Leopold  Voss. 
Dr.  Friedrich  Plehn,  Die  Kamerunküste.  Studien  über  Klimatologie,  Physio- 
logie und  Pathologie  in  den  Tropen.  Berlin  1898,  August  Hirschwald. 
Dr.  Willibald  Qebhard,  Die  Heilkraft  des  Lichtes.  Leipzig  1898,  Th.  Grieben. 
Prof.  Dr.  Leichtenstern,  Ueber  Ankylostoma  duodenale. 

Wiener  klin.  Rundschau  1898,  No.  23 — 27. 
Dr.  W.  Zinn  und  Dr.  Martin  Jacoby,  Ankylostoma  duodenale. 

Leipzig  1899,  Georg  Thieme. 

Sanitätarat  Dr.  Scheube.  Pest.  Separatabdruck  aus  der  Realencyklopaedie  der 
gesammten  Heilkunde.  Wien,  Urban  u.  Schwarzenberg. 

Prof.  Dr.  C.  Eykman,  Over  Gezoudheid  eu  Ziekte  in  heete  Gewesten.  An- 
trittsrede gehalten  am  1.  October  1898. 

Utrecht,  J.  van  Druten. 


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Die  Behandlung  der  Syphilis 

mit  dem  Hydrarg.  sozojodolic.  wird  von  vielen  Seiten  mit  Recht  gerühmt,  denn 
sie  bietet  folgende  Vortheile: 

1.  Sie  führt  zu  einer  Heilung,  die  von  den  internen  Mitteln  in  dem  gleichen 
Zeiträume  keinesfalls,  sondern  höchstens  von  der  Inunctionscur  erreicht  werden  kann. 

2.  Die  Infiltration  nach  der  Injection  ist  viel  geringer  als  bei  dem  grauen 
Oel  und  anderen  Quecksilberverbindungen. 

3.  Das  Hydrarg.  sozojodolic.  hat  nicht  nur  den  Vorzug  der  Leichtlöslichkeit, 
sondern  vereinigt  auch  in  sich  die  günstigen  Eigenschaften  der  schwerlöslichen 
Präparate  in  Bezug  auf  eine  andauernde  und  energische  Wirkung. 

4.  Wöchentlich  eine  Injection  entspricht  einer  wöchentlich  15—18  gr  in  sich 
fassenden  Inunctionscur,  wodurch  die  Anwendung  eine  sehr  billige  und  bedeutend 
angenehmere  für  den  Patienten  wird. 

5.  Die  Injectionen  sind  fast  schmerzlos,  wenn  ca.  6 Minuten  vorher  eino 
Pravaz  - Spritze  voll  einer  4—5  proc.  Cocain,  muriat.  Lösung  — an  der  betreffenden 
Stelle  injicirt  wird. 

Bp.  Hydrarg  sozojodolic.  0,8  gr,  nommiice  cum  aq.  deat  5,0  gr.  adde  Kalii  jodati  1,6  gr, 
aq.  dest.  ad  10  gr  M.  Filtra!  D.  S.  Bubcutanlöaung. 

Conf.  Prof.  Dr.  Schwimmer,  Wiener  kiin.  Wochenschrift , No.  26,  1891. 

„ Prof.  Dr.  Stetter,  Arbeiten  a.  d.  Ambulatorium  und  d.  Privatklinik  etc.,  Heft  II.  pag.  19  ff. 

,,  Prof.  Dr.  V.  Janovsky,  Caaopis -Lekaru  Cenkych,  No.  21  und  22,  1892. 

„ Prof.  A.  Faeann,  Archirlo  internationale  di  Medicina  e Chirurgia,  No.  12,  1897. 

„ Prof.  Dr.  Seifert,  Münchener  med.  Wochenachrift , No.  47,  1888. 

H Dr.  Oaudin  am  Hupital  8t.  Louia,  Paris,  Specialbroschüre. 

„ Dr.  M.  Endlitz  am  Ilopital  8t.  Louis,  Paria,  Bpecialbroachüre. 

„ Dr.  Thoman,  Wiener  klin.  Wochenschrift,  No.  38,  1889. 

„ Dr.  Herzog,  Therapeut.  Monatshefte,  August -Heft  1889. 

Dr.  Rosinski,  Therapeut.  Monatshefte.  Dez. -Heft  1893. 

,,  Dr.  Mario  Qro,  Le  Injezloni  di  Sozojodolato  di  Mercurio.  Clinica  dermopath.  di 
Prof,  de  Amids,  Napoli  1894. 

„ Dr.  Payet,  Journ.  des  Malad,  cutan.  1895,  pag.  200- 

„ Dr.  Alfred  Berliner  (Dr.  B.  Ledermanns  Poliklinik  f.  Hautkrankheiten,  Berlin),  Allgem. 
Med.  Gentral  - Zeitung.  No  38,  1896. 

„ Dr.  Eugen  Berneick,  Inaugural  - Dissertation , Königsberg  1.  Pr.,  1897,  pag.  28. 


Wie  behandelt  man  Ulcus  molle? 


Dr.  Th.  Trapesnikow,  Docent  an  der  kaiserl.  militärmedicinischen  Akademie 
in  St.  Petersburg,  schreibt  hierüber  (Therap.  Blättor  1893,  No.  2)  unter  anderem: 
„Bei  Tagliihnern,  die  ihre  Geschwüre  ausserordentlich  schmutzig  halten,  und 
bei  solchen  Kranken,  die  nur  1 — 2 mal  wöchentlich  ambulatorisch  behandelt 
werden,  genügten  1 — 2 Einstreuungen  mit  feinverriobenem  Natrium  sozojodolic. 
pulv.  (pure),  um  die  Ulcera  zur  Heilung  zu  bringen.  Bei  gaugrünescironden 
und  phagedäni schon  Geschwüren  genügte  ebenfalls  eine  2 — 3 malige  Applikation 
des  Pulvers,  um  diese  Komplikation  zum  Stillstand  zu  bringen.  Wenn  man 
den  Hoilungsprocess  des  Ulcus  molle  bei  Anwendung  von  Jodoform 
einerseits  und  Natrium  sozojodolicum  andererseits  mit  einander 
vergleicht,  so  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  die  letztgenannte  Be- 
handlungsweise der  ersteren  bedeutend  überlegen  ist  und  es  scheint 
mirdurchaus  nicht  übertrieben,  wenn  ich  mir  zu  behaupten  erlaube, 
dass  man  das  Natrium  sozojodolicum  geradezu  als  ein  Speeiflcnm  gegen  das 
Ulcus  molle  ansehen  kann.'1 

In  gleicher  und  ähnlichen  Weise  äusserten  sich: 

Prof.  A.  Fasano,  Archivio  intornazionalo  di  Medicina  e Chirurgia, 
No.  12',  1897, 

und  in  Privatmittheilungen  viele  Herren  Aerzte. 

Broschüren  und  Krankengeschichten  gratis  und  franco  von 

H.  Trommsdorff , Chem.  Fabrik,  Erfurt. 

24* 


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Schutz-  ,Tabloid‘  Marke. 

Hand-  und  Taschenapotheken 

mit  comprimirten  ,Tabloid‘-Medicamenten  ausgeruestet,  sind  die 
compacteste  und  bestmoeglichste  medicinische  Ausruestung  fuer 
den  Arzt.  Wir  halten  eine  grosse  Auswahl  von  solchen  .Tabloid'- 
Apotheken  auf  Lager  und  koennen  dieselben  nach  Belieben  aus- 
gestattet werden.  .Tabloid'-Apotheken  wurden  in  den  Feldzueger. 
von  Chitral,  Aschanti,  Soudan  und  waehrend  des  tuerkisch- 
griechischen  Krieges  benutzt.  Stanley,  Nansen,  Jackson  und  die 
kuerzlich  stattgehabten  hauptsaechlichsten  Expeditionen  wurden 
mit  denselben  ausgeruestet.  Es  wurde  gefunden,  dass  die  ,Tabloid- 
Medicamente  noch  nach  dreijaehrigem  Reisen  in  den  tropischen 
Zonen  ihre  therapeutische  Wirkung  beibehalten  hatten.  Die  eben 
illustrirte  Hand- Apotheke  (Modell  K)  ist  vollstaendig  ausgerueste: 
mit  / Tabloid'-Medicamenten,  Pravazspritze  etc. 

Von  Mk.  160  an. 

BURROUGHS  WELLCOME  & CO.,  London. 

Fifr  ferner«  Auskunft,  IlloMrationrn  «Ir.  wrnde  nu  sich  netits»  u 

P , Linkenheil  & Co.,  Berlin  W.,  Genthinerstr.  19. 


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Jchthyol 


Die  Ichthyol-Präparate  tc i r- 
den ton  Klinikern  um i vielen 
Aerzten  aufs  Wärmste  em- 
pfohlen und  stehen  in  Uni- 
rersiliita - u.  slädt.  Kranken- 
häusern in  ständig.  Gebrauch. 

wird  mit  Erfolg  ungewandt: 

bei  Frauenleiden  und  Chlorose,  bei  Gonorrhoe,  bei  Krank- 
heiten der  Haut,  der  Verdauungs-  und  Circulations-Organe, 
bei  Iiungentuberculose,  bei  Hals-,  Hasen-  und  Augenleiden, 
sowie  bei  entzündlichen  und  rheumatischen  Affectionen  aller 
Art,  tkeils  infolge  seiner  durch  experimentelle  und  klinische 
Beobachtungen  erwiesenen  reducirenden,  sedativen  und  anti- 
parasitären  Eigenschaften,  anderntheils  durch  seine  die  Resorption 
befördernden  und  den  Stoffwechsel  steigernden  Wirkungen. 

Wissenschaftliche  Abhandlungen  nebst  Receptformeln  versenden 
gratis  und  franco  die  alleinigen  Fabrikanten 

Ichthyol-Gesellschaft,  Cordes  Hermann!  & Co., 

-h  Hamburg.  -j— 


nach  Dp.  P.  G.  Unna 

schreibt  das  Archiv  für  Schiffe-  und  Tropen -Hygiene  auf  Seite  855  des 
Jahrgangs  1897: 

„Um  die  Haltbarkeit  der  medicamentösen  Pflaster  zu  prüfen,  batten  wir  im 
Februar  und  März  d.  J.  an  verschiedene  Aerzte  in  den  Tropen  ln  Blechbüchsen  ver- 
packte Pflaatermulle  der  Firma  P.  Beiersdorf  & Co.  in  Hamburg  versandt  und  um 
Bericht  über  die  Brauchbarkeit  derselben  sowie  Rücksendung  eines  Probestückchens 
gebeten.  Zwei  Antworten  sind  jetzt,  Mitte  August,  eingegangen,  nämlich  von  den 
Herren  Dr.  Glogner  ln  Samarang  (Java)  and  Dr.  Klee  in  Pitas  (Britisch-Nord-Borneo). 
Beide  Herren  haben  besonders  das  Collemplaatrum  Hydrargyri  carbolisatum  und  das 
Collemplaetrum  chrysaroblni,  erste  res  gegen  Furunkulose,  letzteres  gegen  parasitäre 
und  seborrhoische  Ekzeme  und  dergl.  verwandt  und  sprechen  sich  über  die  Kleb- 
fähigkeit, Haltbarkeit  und  Wirkung  dieser  Pflaatermulle  sehr  befriedigt  aus.  Die 
Probestücke  sind  im  Juni  bezw.  Juli  einfach  in  Papier  geschlagen  durch  Brief  nach 
Deutschland  zurückgesandt,  haben  aber  auch  diese  ungünstigen  Transportbedingungen 
ohne  Etnbusse  ihrer  Eigenschaften  ertragen,  wie  Referent  in  praktischer  Anwendung 
an  Kranken  feststellen  konnte.1* 

Zur  Verhütung  von  Erkrankungen  der  Ziilino  und  des  Mundes  eignet 
sieh  in  den  Tropen  in  hervorragendem  Maasse 


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Chemische  Fabrik,  Hambarg. 


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ein  wohlschmeckendes  Chinapräparat,  aus  bester  China-Calisaya-Rinde  le- 
rntet, enthält  sämmtliche  wirksamen  Bestandteile  (Alkaloide)  in  möglichst 
wohlschmeckender  Form  und  wird  in  allen  Fällen,  wo  Chinarinde  indicirt 
ist,  angewandt,  besonders  gegen  Verdauungsstörungen,  Appetitlosigkeit, 
Magenbeschwerden  und  Schwächezustände. 

Dieses  Präparat  ist  in  verschiedenen  Nervenheilanstalten  und  Kliniken 
cingeführt  und  ist  als  Stärkungsmittel  allgemein  beliebt 

Als  Stärkungsmittel  nach  heftigen  Fiebern,  besonders  nach  Influenza, 
Typhus,  Ruhr,  Malaria  u.  s.  w.  bewährt  es  sich  ausgezeichnet  und  wir! 
von  medizinischen  Autoritäten  bestens  empfohlen. 

Flr  die  Tropea  ela  »ehr  geeignetes  Mittel. 

Litteratur  mit  Gutachten  und  Attesten  gratis  zur  Verfügung. 

Man  Note  sich  »or  Nachahmungen  und  achte  auf  die  Schutzmerke  der  Fkma. 

Albert  C.  Dang,  Freiburg  i.  B. 

English  correspondence  also  solicited. 


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Wichtig  bei  Neubildungen  und  zur  Normalieiruug  der  Magenfunctionen  während  und  narb  *ö- 

gemeinen  Erkrankungen.  Herr  Geheimrath  Stöhr,  Klaeingen,  schreibt:  „ Ich  bin  so  a- 

frieden  mit  demselben,  wie  noch  nie  mit  einem  neuen  Mittel!  Et  Itt  von  höchstem  Werth«  Wr* 
tägliche  Praxlt  und  hat  mir  — so  zu  sagen  — schon  förmlich  Wunder  gewirkt  — namentlich  bc 
alten  und  chronisch  Leidenden  . . .**  Pllul.  Condurango  ferro-conchlnlnl 
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sin  bestverträgliches  Mittel  bei  mit  Magenleiden  einhergehender  filutarmuth  und  Nervenleiden 
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räthlg,  bitte,  event  unliebsamer  Irrthümer  wegen,  Bezug  unter  gleichzeitiger  Mitiheiion* -*•' 
genauen  Fabrikadrease  zu  veranlassen  (vide  Gebhard  - Michaells’sches  Heferat).  — Proben  aa- 
Drucksachen  zu  Diensten. 

Allein  autorlslrter  Fabrikant: 

Apotheker  F.  WALTHER,  STRASSBIRG,  Eis.,  Rheinziegelstrassf. 


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Dr.  Ernst  Sandow's 

künstliche  Mineralwasser  - Salxe 

Rationeller  Ersatz  der  versendeten  natürlichen  Mineral wässer. 


Seit  1880  in  den  Arzneiachatx  eingefübrt. 

Sie  machen  keine  Schwierigkeiten  beim  Transport  und  der  Aufbewahrung,  eignen  eich  des- 
halb sowohl  für  den  Hausgebrauch,  als  auch  für  die  Reise  und  für  den  Versand  in  ferne  Gegenden. 

Die  Sandowschen  Mineral wasaersal/.e  Trinkkuren  hierdurch  auch  für  ün- 

gewahren  bis  über  20CO  pCt  Ersparnis^.  • bemittelte  möglich. 

Ee  kostet  z.  B.  eine  3-  bis  4-wöchentl.  Kur  mit  künstl.  Einser  oder  Carlebader  Salz  nur  75  Pf. 
resp.  1 Mit.  gegen  18  bis  35  Mk.  mit  versend,  natürl.  Wasser. 


Verzeichniss  der  dargestellten  Mineralwassersalze  in  Gläsern  mit  Maassglas  zur  Abmessung 
einer  Dosis  (Trinkglas). 


Name  der  Quelle, 
deren  Analyse  der 
Darstellung  zu  Grunde 
gelegt  ist. 

M 

- 5- 

03  s u 

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Name  der  Quelle, 
deren  Analyse  der 
Darstellung  zu  Grunde 
gelegt  ist. 

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X 2 K 

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Name  der  Quelle, 
deren  Analyse  der 
Darstellung  zu  Grunde 
gelegt  ist. 

"3  o— • 

33  g s 
Jal 
« ii 

Assmannshäuser . . . . 

450 

KiBsinger  (Rakorzy)  . . 

100 

Sslzbrun.  (Kronenq.)  . . 

200 

Baden-Badener  . . . . 

200 

Krankenheiler  . . . . 

750 

8alzachlirfer 

75 

Biliner  (Josepbq.)  . . . 

100 

Kreuznacher  (Eliscn-Q.) . 

60 

Sedlitzer 

25 

Carlebader  (Sprudel)  . . 

100 

Marienbader 

10C 

Bodener  (Milchbr.)  . . 

150 

Eger  (Saliq.) 

100 

Mergentheimer  . . . . 

25 

« (Warrnbr.)  . . 

120 

Elster  (Saliq.)  . . . . 

100 

Neuenahr er  (Hpr.)  . . . 

200 

• (Soolbr.)  . . . 

40 

Einser  (Kränchen,  Kessel- 

Ofener  (Hunyadi  Janos) 

15* 

Taraaper  (Luciusq.)  . 

50 

brunnen,  Victoriaq.)  • 

150 

Offenbacher  .... 

120 

Vichy  (gr.  grille)  . . . 

100 

Fachlnger 

100 

Püllnaer 

20* 

Weilbacher  (Natr.-Lith  ) 

150 

Friedrichshaller  .... 

25 

Pyrmonter  (Salzq.)  . . 

100 

Wiesbadener  (Kochbrun.) 

100 

Haller  Jodquelle  (Tassilo- 

liadetner 

100 

Wildunger(Georg-Victor- 

quelle) 

50* 

Saidschützer 

25* 

quelle) 

300 

Hellbr.  (Adelheid.*  > . . 

100 

Salvatorq.  (Eperies)  . . 

150 

Wildunger  (Hclcnenq.)  . 

120 

Homburger  Elisabeth-Q. 

60 

Sslzbrun.  (Oberbr.)  . . 

150 

* Besp.  doppelte  Anzahl  Weingläser. 

ln  loser  Form  werden  die  Mineralwassersalze  nicht  abgegeben. 

I>r.  Ernst  Sandow’s 

medizinische  Brawsesalzo. 


Diese  Präparate  haben  folgende  Vorsüge: 

Man  erreicht  die  Heilwirkung,  welche  man  für  viele  Fülle  mit  sogenannten  Trinkkuren 
beabsichtigt : z.  B.  durch  die  Eisen-,  Kalk-  und  Lithiumpräparate,  Jodsalz,  Selterssalz  u.  a. 

Die  Medikamente  werden  dem  Patienten  in  angenehm  schmeckender  und  leicht  zu  neh- 
mender Form  geboten. 

Die  bei  der  Lösung  im  Waaner  sich  entwickelnde  Kohlcnaäuro  wirkt  erfrischend  und  an- 
regend auf  die  Magenschleimhaut  und  unterstützt,  ebenso  wie  das  begleitende  Natrium-  oder 
Alkalicitrmt  (die  Brauaemiacbung)  die  Wirkung. 

Die  pflanzensauren  Alkalien,  speziell  die  cltronensauren,  sollen  bei  längerem  Gebrauch 
und  in  Fellen,  wo  es  sich  darum  handelt,  dem  Blute  grössere  Mengen  kohlensauren  Alkalis 
zuzuführen,  besser  vertrsgen  werden,  als  die  kohlensauren  (n.  Btadelmann-Dorpat:  Ueber 
den  Einfluss  der  Alkalien  auf  den  menachlichen  Stoffwechsel.) 

(•ehranrhKsn Weisung:  Man  füllt  ein  Trinkglas  (ca.  200  Cbc.)  zn  >/g  mit  Wasser,  schüttet 
das  mit  dein  Maassglas  oder  einem  Löffel  abgemessene  Brauscsalz  hinein,  rührt  schnell  mit 
einem  Löffel  etwas  um  und  trinkt  die  Lösung  während  der  Kohlensäure  - Entwickelung  aus. 
Kinem  Wr Jnglaso  entspricht  *,  Maassglas. 

Verzeichnis  der  Brausesalze  in  Glüsern  mit  Maassglas  zur  Abmessung  einer  Dosis. 


F.  Dos. 
Trink  gl. 


F.  Dos. 
Trink  gl. 


F.  Dos. 
Trlnkgl. 


Br.  Alkallcitrat  (für  Dia- 
betiker)   30 

Bromsais j 15 

75 
15 
30 


I 


, Brom-Eiscnsalz  . . 
Cslciuxnpbospholactat 
Calciumphospholactat 

mit  Eiaen 

, Chlnin-Elsencitrat . . 

, Coffeinsalz | 

Brom- Coffeinsalz  . 


Br.  Eisencsrbonat 
s Eisencitrat  ...  .1 
„ Eisen-Mangansalz  . 

, Elsen-Pyrophosphat  J 
. Jodsalz  6 pCt,  schwach 

• » 15  pCt.  stark . 

• Karlsbader  Salz  . 
a Lithiumbenzoat 
„ Lithiumcarbonat  . . 

• Lithiumcitrat  . . . 

» Lithinmsalicylat  . ,| 

Auch  die  oben  verz.  Mineral w.-Salze  werden  in  Brauseaalzform  angefertigt,  pr.  öl.  Mk.  1,20. 
Die  Santlon’ sehen  Balze  sind  su  beziehen  durch  die  Apotheken,  sowie  direkt  von  der 
Fabrik.  Prospekte  gratis  »on  der  Fabrik 


30 

30 

20 

20 


Br.  Jod-Lithinmsalz  . . 
. Lysldinsalz  . . . . 

* Magncsinmcitrat  . . 
„ . mit  Eiaen 

. Natriumsallcylat  . . 
« Piperazinsalz  . . . 
. Wlsmuthsalz . . . . 

Rbabarber-Bransesalz 


50 
20 

löffel- 
weise 
30 
20 
20 
20 
20 

Selters  - Erfrlacbungssalz 


Chemische  Fabrik  ron  Dr.  Ernst  Sandow-  Hamburg. 


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Vorlag  von  Gustaf  Flacher  in  Jena. 

Soebou  erschien: 

Ueber  Malaria 
und  andere  Blntparaslten 

nebst  Anhang 

Eine  wirksame  Methode 
der  Chromatin-  und  Blutfärbung. 

Von 

Dr.  Hans  Zieinniiii, 

Marinestabsarzt. 

Mit  165  farbig.  Abdg.  u.  Photogrammeu 
auf  5 Tafeln  uud  10  Fieberkurven. 
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Colmar-Elsass. 

Klsässische,  Kaiserstüliler  und  Markgräfler  Weiss-  and  Rothweine. 

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Goldene  Medaille:  Hamburg  1880  u.  1889. 

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Wien  1873.  * Paris  1855.  * London  1862. 

L 

München  1854.  * Melbourne  1880. 

| 

Allgem.  Gartenbau -Ausstellung  Hamburg  1897: 

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Goldene  Medaille. 

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Preislisten  stehen  auf  Wunsch  gratis  u.  franco  zur  Verfügung. 

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VERLAG  VON  JOHANN  AMBROSIUS  BARTH  IN  LEIPZIG. 


Therapeutischer  Wegweiser 

für  Ärzte  und  Studierende. 

Von. 

Dr.  med.  G.  Wothe 

in  Berlin. 

VIII.  u.  268  Seit.  8°  mit  vielen  Rezepten.  Auf  ganz  dünnes  Papier  gedruckt  in 
Taschenformat.  1896.  Preis  M.  4. — , gebunden  und  durchschossen  M.  5. — . 

Der  Amtliche  Praktiker:  In  dem  vorliegenden  Wegweiser  ist  ein  Gedenken  von  solcher 
Originalität  zum  Ausdruck  gekommen,  dass  ce  allgemeine  Bewunderung  erregen  muss.  Das 
vorliegende  Werkchen  stellt  nämlich  eine  höchst  gelungene  Kombination  eines  diagnostisch- 
therapeutischen  Kompendiums  mit  einem  Rezept  tischenbuch  vor,  und  zwar  von  solcher  Voll- 
ständigkeit, dass  man  Aber  keine  irgendwie  belangreiche  Frage  einen  Aufschluss  vermisst. 
Verfasser  hat  ein  mit  erstaunlichem  Kleies  zusammengetragenos,  ungeheures  Material  mit  echter 
deutscher  Gründlichkeit  nud  grossem  Geschicke  bcarpeltet  und  für  die  Bedürfnisse  des  Prak- 
tikers zugestnzt.  Die  Rezepte  sind  ausserdem  sämtlich  austaxiert  und  der  Preis  ist  ln  Pfen- 
nigen nebenbei  angegeben.  Ala  besonders  vorzüglich  muss  noch  das  Sachregister  h.  rvorge- 
hoben  werden,  dessen  sorgfältige  Bearbeitung  und  Ausiührlichkeit  das  Werkchen  erst  so  recht 
praktisch  gestaltet.  Dasu  ist  das  Format  desselben  bei  aller  Fülle  des  Inhalts  ein  sehr  hand- 
liches, wie  auch  seine  Ausstattung  eine  kusserst  splendide  ist.  Der  „Wegweiser"  zeigt  demnach 
alle  Eigenschaften,  die  erforderlich  sind,  um  sich  einen  grossen  Freundeskreis  zu  erwerben 
Exeerpta  medlca;  Der  Verfasser  hielt  sich  bei  der  Abfassung  seines  kleinen  Werkes  nicht 
an  die  Schablone,  sondern  wandelte  eigene  Wege.  Er  schuf  ein  wirklich  originelles  und  prak- 
tisch sehr  brauchbares  Büchlein,  das  dem  Arzte  die  besten  Dieuste  erweisen  Wird. 


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Band  2. 


I.  Originalabliandlungen. 

Die  Beriberi-Epidemien  im  Richmond  Asylum  in  Dublin. 

Von  Dr.  B.  Scheube. 

In  den  letzten  Jahren  hat  das  im  Richmond  Asylum  in  Dublin 
beobachtete  epidemische  Auftreten  einer  eigentümlichen  Krankheit, 
welche  mit  der  Beriberi  identificirt  wurde,  grosses  Aufsehen  eiTegt. 
Bisher  lagen  jedoch  über  dieselbe  nur  kurze  Notizen  der  englischen 
medicinisehen  Presse,  namentlich  des  British  Medical  Journal,  vor, 
welche  kein  Urtheil  über  sie  gestatteten.  Vor  Kurzem  hat  nun  der 
Director  des  Richmond  Asylum  Conolly  Norman  in  einem  auf  der 
diesjährigen  Versammlung  der  British  Medical  Association  in  Edin- 
burgh gehaltenen  Vortrage,  welcher  im  British  Medical  Journal 
veröffentlicht  worden  ist*),  einen  ausführlicheren  Bericht  über  die 
Dubliner  Epidemien  erstattet.  Wegen  des  Interesses  und  der  Be- 
deutung, welche  die  letzteren  gerade  für  die  Tropenmedicin  haben, 
dürfte  eine  eingehendere  Besprechung  derselben  au  dieser  Stelle  ge- 
boten erscheinen.  Ich  will  daher  im  Nachfolgenden  an  der  Hand 
des  Berichtes  von  Norman  eine  möglichst  genaue  Darstellung  von 
ihnen  geben,  damit  der  beriberi-kundige  Leser  in  den  Stand  gesetzt 
wird,  sich  selbst  ein  Urtheil  über  die  Natur  der  Krankheit  zu  bilden. 

Die  erste  Epidemie  im  Richmond  Asylum  wurde  1894  beobach- 
tet. Den  eigentlichen  Beginn  derselben  vermag  Norman  nicht 
genau  anzugeben,  da  anfangs,  wie  derselbe  überzeugt  ist,  viele  leichte 
Fälle  übersehen  oder  falsch  gedeutet  wurden.  Im  Ganzen  kamen 
bei  einer  durchschnittlichen  Belegung  der  Anstalt  mit  1 503  Kranken 
174  Fälle  zur  Beobachtung,  von  denen  127  Männer  >md  47  Frauen 

*)  On  beri-beri  occurring  in  temperate  climates.  Bvit.  Med.  Journ.  1898. 
Sept.  24.  S 87*. 

Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenbygicne.  II.  25 


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330  Dr.  B.  Schaube. 

betrafen.  Die  Erkrankungen  nahmen  von  Juni  bis  September  anfangs 
allmälig,  später  rapid  zu,  und  im  October  fand  wieder  eine  rasche 
Abnahme  statt.  Nach  diesem  Monate  traten  keine  frischen  Fäik 
mehr  auf.  18  Männer  und  7 Frauen  fielen  der  Krankheit  zum  Opfer, 
was  einer  Sterblichkeit  von  14,3  °/0  entspricht. 

Im  Laufe  des  folgenden  Jahres  kamen  keine  neuen  Erkran- 
kungen vor. 

Aber  im  Juli  1896,  in  welchem  Jahre  die  mittlere  Krankenzahl 
1686  betrug,  brach  die  Krankheit  von  neuem  aus  und  nahm  bis 
zum  September  zu,  und  noch  bis  zum  Schlüsse  des  Jahres  zeigten 
sich  Fälle.  Im  Ganzen  wurden  114  Personen,  31  Männer,  76  Frauen 
und  7 Wärterinnen,  befallen,  und  es  starben  2 Männer  und 
6 Frauen,  also  7 % der  Kranken.  Von  den  Wärterinnen  erlag 
keine. 

Im  Jahre  1897,  während  die  Anstalt  durchschnittlich  mit 
1800  Irren  belegt  war,  nahm  die  Krankheit  eine  noch  grössere  Aus- 
breitung an.  Es  erkrankten  246  Personen,  47  Männer  und 

199  Frauen,  darunter  2 Wärter  und  6 Wärterinnen.  4 Fälle, 
welche  in  den  Januar  fielen,  gehörten  noch  der  Epidemie  de»  vor- 
hergehenden Jahres  an.  Bis  zum  Juli  kam  keine  weitere  Er- 
krankung vor.  Dann  häuften  sich  aber  die  Fälle:  im  Juli  wurden 
134,  im  August  50,  im  September  7,  im  October  3,  im  November 
37  und  im  December  6 beobachtet.  Die  Sterblichkeit  stellte  sich 
auf  4,4  %,  indem  bei  1 1 Patienten,  3 Männern  und  8 Frauen,  die 
Krankheit  einen  tödlichen  Verlauf  nahm.  Vom  Warte  personal 
starb  Niemand. 

Die  Gesamnitzahl  der  Erkrankten  in  den  3 Epidemien  betrug 
demnach  534,  die  der  Gestorbenen  44  = 8,23%. 

Was  das  Krankheitsbild,  welches  die  Patienten  darboten, 
betrifft,  so  schildert  Norman  dasselbe  folgendermassen : 

Die  erste  Erscheinung,  welche  beobachtet  wurde,  war  gewöhn- 
lich Oedem  auf  der  Vorderfläche  der  Tibia.  In  der  Regel  bestand 
auch  schon  frühzeitig  Empfindlichkeit  auf  tiefen  Druck  (wo?  ist  nicht 
angegeben),  und  meistens  konnte  ein  leichter  Grad  von  ober- 
flächlicher Anästhesie  nachgewiesen  werden.  Bei  Geisteskranken 
ist  es  natürlich  unter  Umständen  schwierig,  Auskunft  über  subjective 
Empfindungen  zu  erhalten,  und  oft  ganz  unmöglich,  das  Vorhanden- 
sein von  Sensihilitiitsstörungen  festzustellen.  Solche  Kranke,  welche 
sieb  über  ihre  Empfindungen  aussprechen  konnten,  klagten  in  diesem 
Stadium  der  Krankheit  gewöhidich  über  Krämpfe  in  den  Wadeo- 


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Die  Beriberi-Epidemien  im  ßicbmond  Asylum  in  Dublin.  331 

muskeln  und  auch  über  ain  mehr  oder  weniger  starkes  schmerz- 
haftes Geflihl  von  Ameisenlaufen  sowie  eine  unangenehme  Em- 
pfindung von  Taubsein. 

Immer  bei  etwas  vorgeschrittener  Krankheit,  gewöhnlich  vom 
ersten  Beginn  an,  machten  sich  ferner  Störungen  von  Seiten  des 
Herzens  geltend.  Diese  waren  etwas  variabel.  Am  constantesten 
■war  eine  ungewöhnliche  Erregbarkeit  desselben,  indem  schon  eine 
ganz  leichte  Anstrengung  genügte,  eine  bedeutende  Beschleunigung 
der  Herzthätigkeit  hervorzurufen.  Tachy-cardie , unabhängig  von 
Bewegungen,  war  allgemein.  Häufig  bestand  ein  eigenthiimliches 
Missverhältniss  zwischen  Herz  und  Puls:  das  Herz  schlug  anscheinend 
kräftig,  und  der  Puls  war  doch  äusserst  schwach.  Starke  Herzthätig- 
keit mit  sichtbarer  Hebung  der  Brust  war  nichts  ungewöhnliches. 
Die  Herzdämpfung  war  in  der  Regel  vergrössert,  besonders  nach 
rechts,  und  diese  Vergrösserung  trat  oft  ganz  plötzlich  ein.  Manch- 
mal zeigte  sich  der  Rythmus  der  Herztöne  verändert.  Der  2.  Pulmonal- 
ton war  gewöhnlich  accentuirt.  Verdoppelungen  waren  häufig,  ge- 
wöhnlich des  2.  Tons  an  der  Spitze,  bisweilen  auch  des  1.  Mitunter 
waren  Geräusche  von  variablem  und  inconstantem  Charakter  zü 
hören,  am  häufigsten  ein  weiches  blasendes  Geräusch  über  der 
Pulmonalis,  weniger  häufig  ein  Geräusch  neben  dem  1.  Ton  an  der 
Spitze,  manchmal  nur  nach  Anstrengungen  wahrnehmbar.  Präcordial- 
druck  und  Augst  waren  nicht  selten,  selbst  in  leichten  Fällen. 

Gewöhnlich  bestand  auch  Beschleunigung  der  Athmung  und 
Oppression.  Verlust  oder  Schwäche  der  Stimme  wurde  mitunter  be- 
obachtet. Bisweilen,  selbst  in  günstigen  Fällen,  vermochten  die 
Kranken  nicht  tief  zu  husten  und  zu  messen.  Die  Athmung  war  oft 
costal,  augenscheinlich  in  Folge  von  schwacher  Thätigkeit  des  Zwerch- 
fells. Häufig  ward  über  ein  Gefühl  von  Druck  in  der  Magengegend 
geklagt.  Erbrechen  trat  in  etwa  5°/0  der  Fälle  auf.  In  der  ersten 
Epidemie  leitete  dasselbe  gewöhnlich  den  tödtlicheu  Ausgang  ein; 
in  den  späteren  schien  es  nicht  diese  übele  Vorbedeutung  zu  haben. 
In  einigen  wenigen  Fällen  begann  die  Erkrankung  mit  Erbrechen 
und  manchmal  auch  Durchfall. 

Motorische  Störungen.  Die  erste  und  auffallendste  Er- 
scheinung war  Schwäche  der  Peronealmuskeln  und  der  Flexoren  des 
Fusses.  Die  Folge  hiervon  war  fast  immer  die  Neigung  den  Fuss 
hängen  zu  lassen  und  einwärts  zu  drehen.  In  fortschreitenden  Fällen 
wurden  alle  Beinmuskeln  afificirt.  Der  Gang  war  sehr  verschieden. 
Die  meisten  Kranken  gingen  langsam  und  schwankend.  Einige 

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332 


Br.  B.  Scheube. 


schrieben  diese  Störung,  vielleicht  ganz  richtig,  bloss  den  Schmerzen 
zu.  Andere  klagten  über  Schwäche  in  den  Beinen,  welche  sie  un- 
fähig machte,  dieselben  frei  zu  gebrauchen.  Bisweilen  war  der 
Gang  der  Kranken  vollständig  normal. 

Eine  sehr  gewöhnliche  Erscheinung,  durch  welche  der  Gang 
am  charakteristischsten  verändert  wurde,  war  eine  Neigung,  den  Fus* 
sehr  hoch  zu  heben,  um  zu  verhüten,  dass  die  herabhängenden 
und  kraftlosen  Zehen  den  Boden  schleiften.  Der  Fuss  wurde  dann 
stampfend  ähnlich  wie  bei  Tabes  auf  den  Boden  aufgesetzt,  und 
wenn  der  Kranke  sich  auf  die  Füsse  stützte,  trat  ein  Hm-  und 
Herschwanken  nach  vorn  und  hinten  ein.  Auch  noch  andere 
Störungen  des  Ganges  kamen  zur  Beobachtung,  So  ging  ein  Patient 
mit  dem  einen  Bein  in  der  beschriebenen  Weise,  während  das  andere 
wie  von  einem  Hemiplegiker  leicht  geschleift  wurde. 

In  einer  kleinen  Zahl  von  Fällen  waren  die  Muskeln  des  Vorder 
und  Oberarmes  empfindlich  und  die  Strecker  kraftlos.  Der  Hände 
druck  war  oft  schwach.  Wirkliche  Lähmung  der  Strecker  der  Hand 
wurde  in  weniger  als  1 °/0  aller  Fälle  beobachtet  und  war  nur  in 

1 Falle  vollkommen. 

Die  Strecker  des  Oberschenkels  waren  oft  gelähmt.  Viele 
Kranke  konnten,  wenn  sie  am  Boden  sassen,  nicht  ohne  Hülfe  ach 
aufrichten.  Oft  waren  die  Patienten  unfähig  sich  zu  bücken,  ohne 
zusammen  zu  sinken.  Sie  konnten  ganz  gerade  stehen,  aber  sobald 
die  Kniee  gebeugt  wurden,  fielen  sie  in  Folge  der  Schwäche  des 
Quadriceps  zu  Boden.  Eine  allgemeine  Muskelschwächo  mit  Abneigung 
gegen  jedwede  Anstrengung  war  gewöhnlich  vorhanden.  Oft  boten 
die  Waden,  manchmal  auch  andere  Muskeln,  in  den  früheren  Stadien 
ein  hartes  Gefühl  dar-.  Dies  war  mitunter  beschränkt  auf  eigec- 
thümliche,  längliche  Maasen,  besonders  am  äussem  Kopfe  des 
Gastrocnemius. 

In  1 Falle  wurde  einseitige  Lähmung  des  Oculomotorius,  Ptosis. 
Erweiterung  der  Pupille  und  Strabismus  divergens  beobachtet 

Neigung  zu  Contractureri  in  den  gelähmten  unteren  Extremi- 
täten zeigten  sich  in  etwa  l/i  Dutzend  von  Fällen,  aber  nur 

2 Patienten  blieben  in  Folge  derselben  lahm.  Eine  sehr  interessante, 
constante  und  auffallende  Erscheinung  war  hochgradige  Erschlaffung 
der  Gelenke,  besonders  der  Knie-  und  Fussgelenke,  welche  zweifel- 
los theils  auf  Muskelschwund,  theils  auf  eine  Erschlaffung  der  Ränder 
zuriickzufiihren  war. 

Muskelntrophie  zeigte  sich  selten,  ohne  dass  vorher  Oedeir 


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Die  Beriberi-Epidemien  im  Richmond  Asylum  in  Dublin.  333 

beobachtet  worden  war,  gewöhnlich  wurde  erstere  nach  Verschwinden 
des  letzteren  bemerkt.  Manchmal  war  das  Oedem  nur  leicht  und 
flüchtig,  und  etwas  später  konnte  man  Muskelatrophie  wahrnehmen. 
Diese  war  oft  sehr  ausgeprägt,  und  die  Muskeln  waren  dabei  weich 
und  schlaff. 

Was  die  elektrischen  Reactionen  anlangt,  so  konnten  in 
einigen  Fällen  gar  keine  Veränderungen  derselben  nachgewiesen 
werden.  Häufig  waren  diese  sehr  unbedeutend  und  verschwanden 
frühzeitig  in  der  Reconvalescenz  wieder,  lange  bevor  die  Erscheinungen 
von  Seiten  des  Herzens  sich  verloren.  Oft  bestanden  sie  lediglich 
darin,  dass  bei  galvanischer  Reizung  die  Gontractionen  träge 
und  die  .latente  Periode  lang  war.  Die  Fälle  mit  ausgeprägter 
Muskelatrophie  zeigten  Entartungsreaction.  An  den  Muskeln  und 
Nerven  der  oberen  Extremitäten  wurden  keine  elektrischen  Ver- 
änderungen beobachtet.  Der  Trapezius  wurde  nicht  untersucht. 

Sensibilitätsstörungen.  Bei  den  geistig  normalen  Kranken 
bildete  oft  ein  Gefühl  von  Müdigkeit  in  den  Wadenmuskeln  die 
erste  Krankheitserscheinung.  Die  Patienten  klagten  über  Schwäche 
und  Schwere  der  Füsse.  Krämpfe  und  Taubsein  waren  häufig. 
Eine  der  Wärterinnen  gab  an,  dass  sie  weder  ihre  Fussohlen  auf 
den  Pedalen  ihres  Zweirades,  noch  die  Feder  in  der  Hand 
deutlich  fühlen  konnte.  Stechende,  brennende,  bohrende  Schmerzen 
waren  regelmässig  in  der  Haut  der  Beine  vorhanden.  Eine  sehi 
gewöhnliehe  Klage  war  ein  Gefühl  ähnlich  dem  Stechen  von  Nesseln. 
Einige  Kranke  klagten  über  Schmerzen  in  den  Fussohlen.  Einer 
hatte  eine  Empfindung,  als  ob  sein  Fuss  in  heissen  Leim  ge- 
taucht wäre. 

Schmerzen  in  den  Muskeln  wurden  in  einigen  Fällen  geklagt 
und  waren  manchmal  sehr  heftig.  Bei  vielen  bestanden  abwärts 
schiessende  Schmerzen  in  den  Gliedern.  Die  häufigste  Klage  war 
ein  mitunter  sehr  heftiges,  schmerzhaftes  Gefühl,  als  ob  Insecten  über 
eine  wunde  Fläche  kröchen,  welches  Norman  mit  dem  Piri-piri  der 
Japaner  ideritificirt. 

Hautanästhesie  war  mit  verschiedenen  Parästhesien  gemischt. 
Eine  sehr  gewöhnliche  Erscheinung  war  Unempfindlichkeit  für  ganz 
leise  Berührung,  z.  B.  das  leichte  Darüberstreichen  mit  einem  Pinsel, 
während  stärkerer  Druck  auf  derselben  Stelle  Schmerz  von  dem 
oben  beschriebenen  Charakter  hervorrief.  Oft  bestand  rund  um  jede 
Zone  von  Hypästhesie  herum  eine  solche  mit  sehr  ausgesprochener 
Hyperästhesie.  In  einigen  Fällen  wurde  das  Gefühl  von  Tauhseip, 


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334 


Dr.  B.  Scheube. 


die  verminderte  Empfindung  von  Objecten,  Entfernungen  u.  s.  vr. 
von  Schmerzen  begleitet. 

Anästhetische  oder  hyperästhetische  Flecken  oder  Streifen  fanden 
sich  in  verschiedenen  Fällen  au  vielen  Körperstellen,  am  häufigsten 
aber  an  den  Unterschenkeln,  wo  sie  auch  meistens  zuerst  auftraten, 
aber  auch  an  Oberschenkeln,  Rumpf,  oberen  Extremitäten,  Nacken  und 
Gesicht.  In  2 Fällen  wurden  isolirte  anästhetische  Stellen  an  den  Lippen 
nachgewiesen.  Die  Anästhesie  hielt  manchmal  eine  beträchtliche 
Zeit  an  und  schien  sich  allmälig  auszubreiten,  um  dann  allmälig 
wieder  abzunehmen.  Häufiger  zeigte  sie  kleine  tägliche  Schwankungen 
und  verschwand  oft  mit  wunderbarer  Schnelligkeit.  In  einigen  Fällen 
war  das  schmerzhafte,  oft  mit  Anästhesie  verbundene  Ameisenkriechen 
am  schlimmsten  in  der  Nacht  In  anderen  konnte  man  häufig  die 
flüchtige  und  variable  Natur  der  Anästhesie  beobachten.  Mehr  als 
einmal  wurde  letztere  nur  am  Morgen  wahrgenommen.  In  einzelnen 
Fällen  wurde  auch  der  Pharynx  untersucht  und  anästhetisch  ge- 
funden. 

Die  Wadenmuskeln  erwiesen  sich  immer,  wenn  der  geistige  Zu- 
stand der  Kranken  eine  Untersuchung  zuliess,  auf  tiefen  Druck 
empfindlich.  Auch  die  oberflächlichen  Nerven  waren  empfindlich, 
mitunter  sogar  sehr  stark,  besonders  der  Peroneus. 

Die  Reflexe,  sowohl  die  oberflächlichen  als  tiefen,  waren  in 
Fällen,  welche  frühzeitig  unter  Beobachtung  kamen,  gewöhnlich  ver- 
stärkt. Wenn  die  Krankheit  fortschritt,  wurden  die  Patellarsehnen- 
reflexe  in  der  Regel  herabgesetzt,  nicht  immer  auf  beiden  Seiten 
gleichmässig,  und  wenn  ausgesprochene  Schwäche  bestand,  waren  sie 
immer  erloschen. 

Wassersucht.  Oedem  bildete,  wie  Norman  glaubt,  eine 
constante  Erscheinung,  wenn  es  auch  in  einzelnen  Fällen  so  unbe- 
deutend war,  dass  es  übersehen  wurde  und  die  Krankheit  daher 
direct  in  das  atrophische  Stadium  überzugehen  schien.  In  leichten 
Fällen  und  zu  Beginn  der  Erkrankung  war  es  am  deutlichsten  längs 
der  innern  Fläche  der  Tibia.  Weniger  constant  waren  Füsse  UDd 
Unterschenkel  allgemein  geschwollen.  Oedem  konnte  ferner  ge- 
wöhnlich auch  über  dem  Kreuzbein,  oft  über  Brustbein  oder  Rippen, 
über  dem  Uluarrande,  des  Vorderarmes  entdeckt  werden,  und  nicht 
selten,  selbst  in  leichten  Fällen,  zeigte  sich  das  Gesicht  gedunsen. 
Manche  Fälle  boten  allgemeines  Anasarka  dar.  Lungenödem  war 
häufig,  und  auch  llydropericardium  und  Hydrothorax  wurde  be- 
obachtet. Das  Hautödem  war  wunderbar  verschieden:  in  einigen 


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Die  Benberi-Epidernien  im  Richmond  Asylum  iti  Dublin.  336 

Fällen  erzeugte  Fingerdruck  leicht  eine  Grube,  in  andern  war  dies 
nicht  der  Fall,  indem  eine  teigige,  rayxödematoide  Schwellung  be- 
stand. Mitunter  wechselte  das  Oedem  schneller  seinen  Ort,  als 
dies  bei  anderen  Formen  von  Anasarka  zu  geschehen  pflegt,  und  es 
verschwand  auch  in  manchen  Fällen  mit  ausserordentlicher  Ge- 
schwindigkeit. In  einigen  Fällen  wurde  auch  Oedem  des  Augen- 
hintergrundes  nachgewiesen.  Bisweilen  bestand  leichter  Erguss  in 
die  Gelenke,  insbesondere  das  Kniegelenk. 

Was  den  Verlauf  der  Krankheit  betrifft,  so  war  der  Beginn 
derselben  in  der  Regel  ein  schleichender.  Bei  den  geistig  normalen 
Patienten  konnte  festgestellt  werden,  dass  ein  Gefühl  von  Müdigkeit 
in  den  Unterschenkeln  mit  gelegentlichen  Krämpfen  oft  eine  be- 
trächtliche Zeit  bestimmteren  Symptomen  voranging,  während  es  bei 
den  Geisteskranken  im  Allgemeinen  schwierig  war,  Prodromal- 
erscheinungen nachzuweisen.  Manchmal  waren  die  Anfangssymptome 
von  einer  lebhaften  Steigerung  der  Temperatur  begleitet,  welche  aber 
bald  wieder  verschwand.  2 Fälle  entwickelten  sich  in  der  Re 
convalescenz  von  Typhus,  und  verschiedene  Kranke  wurden  nach  dei 
Genesung  von  Dysenterie  befallen.  Der  Verlauf  der  Krankheit  war 
ein  ausserordentlich  variabler:  mitunter  war  derselbe  ein  stetiger, 
viel  häufiger  dagegen  ein  ruckweiser.  Ganz  characteristisch  waren 
die  auch  sonst  bei  Beriberi  beobachteten  Erscheinungen:  plötz- 
liche Aenderungen  zum  Schlechten  bei  Kranken,  die  sich  an- 
scheinend wohl  befanden,  ausserordentliche  Häufigkeit  von  Relapsen, 
manchmal  ganz  plötzliche  Todesfälle,  welche  nicht  selten  bei  an- 
scheinend gut  fortschreitender  Reconvalescenz  eintraten.  Die  Dauer 
eines  Anfalles  war  vollkommen  imbestimmt;  im  Ganzen  zeigten  die 
schwereren  Fälle  der  ersten  Epidemie  einen  schnelleren,  sei  es 
günstigen  oder  ungünstigen,  Verlauf,  als  die  leichteren  Fälle  der 
späteren  Epidemien.  Im  Allgemeinen  neigten  die  Fälle  im  frühen 
Stadium  der  Krankheit  zu  zunehmender  Wassersucht  und  Schwäche, 
dann  verschwand  die  Wassersucht,  und  ausgesprochene  Muskel- 
atrophie trat  zu  Tage,  welche  sich  wieder  allmälig  besserte,  während 
Lähmung  und  Anästhesie  sich  gleichzeitig  verloren. 

Der  Tod  erfolgte  auf  verschiedene  Weise.  Jener  furchtbare 
Zustand,  der  so  oft  bei  Beriberi  beschrieben  und  den  Japanern  unter 
dem  Namen  Shiyo-shin*)  bekannt  ist  und  offenbar  durch  Insufficienz 
eines  überanstrengten  und  geschwächten  Herzens  hervorgerufen  wird, 


*)  Deutsch:  das  Herz  wird  geetosseu. 


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336 


Dr.  B.  Scheute. 


raffte  verschiedene  Kranke  nach  kürzerem  oder  längerem  Bestände 
der  Krankheit,  oft  mit  blitzartiger  Geschwindigkeit  einsetzend,  unter 
den  bekannten  Erscheinungen  (Unruhe,  Erbrechen,  heftige  Pulsation 
des  Herzens,  Dyspnoe,  Cyanose,  Orthopnoe  u.  s.  w.)  dahin.  Oft  war 
der  Tod  anscheinend  hauptsächlich  durch  Lungenödem  bedingt 
Auch  Synkope,  offenbar  in  Folge  von  Degeneration  des  Herzmuskels, 
die  auch  nach  dem  Tode  gefunden  wurde,  war  keine  seltene  Todes- 
ursache, manchmal,  wie  erwähnt,  in  scheinbarer  Reconvalescenz. 
Hydropericardium  und  Hydrothorax  trugen  wahrscheinlich  in  ver- 
schiedenen Fällen  zum  tödlichen  Ausgange  bei.  In  manchen  Fällen, 
namentlich  bei  alten  und  geschwächten  Kranken,  schien  lediglich 
allgemeine  Erschöpfung  die  unmittelbare  Todesursache  zu  sein. 
Bisweilen  führte  Lähmung  der  Athmungsmuskeln,  besonders  des 
Zwerchfells,  allein  oder  in  Verbindung  mit  Herzinsuffidenz,  den 
Tod  herbei.  Auch  anderen  Krankheiten  erlagen  die  Patienten  leicht 

Wie  schon  aus  der  oben  angegebenen  Sterblichkeitsziffer  hervor- 
geht, bestanden  bemerkenswerthe  Unterschiede  zwischen  den  3 Epi- 
demien. In  der  ersten  war  die  Sterblichkeit  hoch,  Sbiyo-shin  häufig, 
es  gab  eine  grosse  Zahl  von  Fällen  mit  allgemeinem,  ausgeprägtem 
Oedem  und  die  Lähmungen  waren  ausgesprochen.  In  der  zweiten 
Epidemie  war  die  Sterblichkeit  geringer,  Shiyo-shin  war  allgemein, 
Anasarka  selten  und  die  motorischen  Störungen  weniger  in  die 
Augen  springend.  In  der  dritten  endlich  zeigte  die  grosse  Mehrzahl 
der  Fälle  den  milden  Typus,  welcher  von  mir  als  rudimentäre  Form 
bezeichnet  worden  ist;  allgemeines  Anasarka  wurde  kaum  beobachtet 
Unmöglichkeit  zu  gehen  bestand  sehr  selten,  und  es  war  eine  ganz 
besondere  Neigung  zum  Auftreten  von  schmerzhafter  Formication 
(Piri-piri)  vorhanden.  In  jeder  der  späteren  Epidemien  kamen  aber 
Fälle  vor  — - es  handelte  sich  oft  um  ,.Uelapse“  — welche  an  die 
während  der  ersten  vorherrschenden  Erkrankungen  erinnerten. 

Die  Angaben,  welche  Norman  über  den  pathologisch-ana- 
tomischen Befund  macht,  sind  etwas  dürftig.  Abgesehen  von 
den  weniger  wesentlichen  Veränderungen  und  den  hydropischen  Er- 
scheinungen wurde  in  den  peripheren  Nerven  (V  agusäste,  Phrenicus. 
Peronei  u.  s.  w.)  parenchymatöse  Degeneration,  in  manchen 
Fällen  mit  einem  leichten  Grade  interstitieller  Besserung  gefunden. 
Gehirn  und  Rückenmark  boten  nichts  Besonderes  dar.  Das  Herz- 
muskel zeigte  fast  immer  fettige  Degeneration,  manchmal  ausser- 
ordentlich ausgesprochen.  Die  Muskeln  der  Extremitäten,  welche 
betroffen  gewesen  waren,  wiesen  körnige  Degeneration  auf. 


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Die  Beriberi-Epiiiemien  im  Riehniond  Asylmn  in  Duolin.  337 

Die  Aetiologie  der  besprochenen  Epidemien  ist  dunkel.  Die 
1 »akteriologischen  Untersuchungen,  welche  angestellt  wurden,  führten 
zu  keinem  positiven  Ergebnisse.  Anfangs  glaubte  man  einen  dem 
Pek  elbaring 'sehen  gleichenden  Coccus  isolirt  zu  haben,  später 
stellte  sich  aber  heraus,  dass  man  sich  geirrt  hatte.  Eine  Ein- 
schleppung von  auswärts  konnte  nicht  nachgewiesen  werden.  Weder 
bevor  noch  während  die  Krankheit  in  der  Anstalt  herrschte,  kamen 
ähnliche  Fälle  anderswo  in  Dublin  zur  Beobachtung. 

Norman  giebt  eine  genaue  Beschreibung  der  Lage  und  des 
Zustandes  des  Richmond  Asylum,  welcher  ich  Folgendes  entnehme. 
Dasselbe  ist  für  die  geisteskranken  Armen  der  Stadt  Dublin  und 
der  Grafschaften  Wicklow  und  Louth  bestimmt,  und  etwa  s/s  seiner 
Insassen  stammen  aus  der  Stadt.  Es  befindet  sich  auf  einem  un- 
gefähr 59  Acres  (24  ha)  grossen  Grundstücke,  das  innerhalb  der 
Stadt  gelegen  ist,  und  wird  zum  Theil  von  dem  dicht  bevölkerten 
Armenviertel  umgeben.  Unmittelbar  grenzen  ein  grosses  öffentliches 
Hospital,  ein  grosses  Arbeitshaus  und  ein  Getängniss  an.  Die  Ge- 
bäude liegen  verhältnissmässig  hoch,  90 — 120  Fugs  über  dem 
mittleren  Wasserstande  des  Liffey-Flusses,  an  welchem  die  Stadt 
erbaut  ist  Der  Untergrund  besteht  aus  festem,  undurchlässigem 
Thou,  welcher  von  einer  dünnen  Schicht  „gemachter  Erde*1  be- 
deckt ist. 

Der  ältere  Theil  der  Gebäude,  welcher  jetzt  die  Frauen- 
abtheilung bildet,  ist  etwa  84,  der  neuere,  die  Männerabtheilung 
umfassende,  ungefähr  45  Jahre  alt,  und  die  hygienischen  Verhältnisse 
derselben  sind  in  mancher  Hinsicht  schlechte,  was  sich  durch  die 
grosse  Häufigkeit  von  Schwindsucht,  Dysenterie  und  anderen  In- 
fectionskrankheiten  sowie  die  hohe  Sterblichkeit  in  der  Anstalt  aus- 
spricht. Da  bis  vor  12  Jahren  die  Canalisation  sich  im  denkbar 
schlechtesten  Zustande  befand,  ist,  obwohl  seitdem  ein  ganz  neues, 
gutes  Drainage-System  eingeführt  worden  ist,  der  Boden  unter  und 
in  der  Umgebung  der  Gebäude  mit  Abfallstoffen  gesättigt.  In  sehr 
schlechtem  Zustande  befanden  sich  ferner  die  Fussböden  und  die 
Ventilationseinrichtungen,  und  dabei  war  die  Anstalt  seit  mindestens 
1886  in  hohem  Grade  überfüllt:  wo  etwa  1000  Kranke  Platz  ge- 
habt hätten,  waren  über  1500  untergebracht. 

Das  Trinkwasser  der  Anstalt,  welches  der  städtischen  Wasser- 
leitung entstammt,  ist  dagegen  von  guter  Beschaffenheit  Auch  die 
Kost  war  gut  und  hinreichend.  Die  Insassen  der  Anstalt  bekommen 
überhaupt  keine  Nahrung,  welche  nicht  auch  in  der  Stadt  allgemein 


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338 


Dr.  B.  Scheube. 


gegessen  wird.  Besonders  zu  erwähnen  ist,  dass  Reis,  welcher  neuer- 
dings wieder  verschiedentlich  in  ätiologischen  Zusammenhang  mit  der 
Beriberi  gebracht  worden  ist,  nur  wenig,  eigentlich  nur  zu  thera- 
peutischen Zwecken,  verabreicht  wurde.  Eine  Aenderung  in  der 
Kost  trat  zu  Anfang  des  Jahres  1894,  also  kurze  Zeit  vor  dem  Aus- 
bruche der  ersten  Epidemie,  ein,  indem  von  da  an  die  Kranken, 
welche  bisher  Freitags  weder  Fisch  noch  Fleisch  bekommen  hatten, 
an  diesem  Tage  getrockneten  Fisch  erhielten.  Da  letzterer  wahr- 
scheinlich von  Neu-Fundland,  wo  vielleicht  Beriberi  endemisch  ist, 
kommt,  konnte  daran  gedacht  werden,  in  demselben  die  Ursache 
der  Krankheit  zu  suchen.  Aber  derselbe  Fisch  wird  allgemein 
Freitags  von  der  Arbeiterbevölkerung  Dublin’s  gegessen,  und  durch 
einen  Zufall  unterblieb  die  Fischverabreichung  auf  der  Abtheilung 
der  Epileptischen,  und  gerade  unter  diesen  traten  1894  verhältniss- 
mässig  die  meisten  Erkrankungen  aut.  Endlich  wurde  gegen  Ende 
1894  der  importirte  getrocknete  Fisch  durch  frischen  einheimischen 
Fisch  ersetzt,  und  gleichwohl  brach  die  Krankheit  1896  und  1897 
wieder  aus. 

Dies  sind  in  der  Hauptsache  die  Mittheilungen,  welche  Norman 
über  die  Dubliner  Epidemien  macht.  Der  beriberi-kundige  Leser  wird 
durch  dieselben  gleich  mir  den  Eindruck  erhalten  haben,  dass  die 
Krankheit,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  in  der  That  Beriberi 
ist.  Nicht  nur  das  allgemeine  Krankheitsbild,  der  Beginn  und  der 
weitere  Verlauf  der  Erkrankung,  sondern  auch  die  einzelnen  Symp- 
tome entsprechen  ganz  den  Krankheitserscheinungen  der  Beriberi. 
was  bei  den  sporadisch  bei  uns  vorkommenden  Fällen  multipler 
Neuritis  gewöhnlich  nicht  der  Fall  zu  sein  pflegt  Die  verschiedenen 
von  mir  aufgestellten  Formen  der  Beriberi,  die  acute  pemiriöse,  die 
hydropisch-atrophische,  die  atrophische,  die  rudimentäre,  sind  sämmt- 
lich  in  der  von  Norman  gegebenen  Darstellung  der  Krankhat 
wieder  zu  erkennen.  Auch  der  pathologisch-anatomische  Befund  ist 
in  den  wesentlichen  Punkten  derselbe.  Das  secundäre  Hinzutreten 
zu  andern  Krankheiten  (Typhus)  wurde  gleichfalls  wie  bei  Beriben 
beobachtet. 

Die  Vertheilung  der  Krankheitsfälle  auf  die  einzelnen  Monate, 
wie  sie  für  die  letzte  Epidemie  angegeben  ist,  erinnert  an  die,  welche 
ich  bei  der  Beriberi  in  Japan  gefunden  habe.  Es  ist  zu  bedauern, 
dass  dieselbe  nicht  genauer  auch  für  die  anderen  Epidemien  mit- 
getheilt  worden  ist  und  Angaben  über  die  die  Epidemien  begleiten- 
den Witterungsverhältnisse  gänzlich  fehlen.  Ueberhaupt  ist  eine 


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Die  Beriberi-Epideinien  im  Richtnond  Asyl  um  in  Dublin.  339 

Vervollständigung  des  Nor  man 'sehen  Berichtes,  welcher  gewiss  dem- 
nächst in  einer  ausführlicheren  Veröffentlichung  erfolgen  wird,  in 
manchen  Punkten  dringend  zu  wünschen.  Ueber  die  Dauer  der 
Krankheit  lauten  die  Angaben  sehr  unbestimmt.  Das  Vorkommen 
von  Recidiven  — Norman  spricht  von  „Relapses“  — wird  zwar  er- 
wähnt, etwas  Näheres  über  dieselben  erfahren  wir  jedoch  nicht.  Vor 
Allem  ist  aber  die  Mittheilung  von  Krankengeschichten  und  Sections- 
protokollen  unumgänglich  nöthig.  Erst  nach  Ausfüllung  dieser  Lücken 
wird  man  in  den  Stand  gesetzt  sein,  ein  ganz  bestimmtes  Urtheil 
über  die  Natur  dieser  Krankheit  abzugeben,  doch  zweifle  ich  nicht, 
dass  dasselbe  ebenso  ausfallen  wird  wie  das  oben  ausgesprochene. 
Persönlich  habe  ich  ausserordentlich  bedaueit,  dass  ich  durch  äussere 
Umstände  behindert  war  der  freundlichen  Einladung  Norm  an ’s, 
welche  dieser  im  Juli  v.  J.,  als  die  letzte  Epidemie  eben  aus- 
gebrochen war,  an  mich  richtete,  Folge  zu  leisten  und  mir  durch 
eigenen  Augenschein  ein  Urtheil  über  dieselbe  zu  bilden. 

Hat  man  es  bei  den  Dubliner  Epidemien  wirklich  mit  Beriberi 
zu  thun,  so  steht  man  bei  der  Frage  nach  dem  Ursprung  derselben 
bis  jetzt  vor  einem  vollkommenen  Käthsel.  Dass  die  Nahrung, 
welche  man  neuerdings  wieder  als  Ursache  der  Beriberi  beschuldigt 
hat,  in  ätiologischer  Hinsicht  nicht  in  Frage  kommt,  hat  Norman 
überzeugend  dargethan.  Die  ungünstigen  hygienischen  Verhältnisse, 
welche  in  der  Anstalt  herrschten,  namentlich  die  starke  Ueberfullung 
d eise  Iben,  haben  zweifellos  eine  wichtige  Rolle  in  der  Aetiologie  ge- 
spielt, wie  es  ähnliche  Verhältnisse  auch  sonst  bei  der  Beriberi  zu 
thun  pflegen,  aber  an  sich  können  dieselben  nach  unsem  An- 
schauungen vom  Wesen  der  Beriberi  unmöglich  die  Krankheit 
erzeugt  haben.  Gehen  wir  von  der  Annahme  aus,  dass  es  sich  bei 
der  Beriberi  um  eine  infectiöse  multiple  Neuritis  handelt,  welche 
durch  die  schädigende  Einwirkung  von  toxischen,  von  einem  speci- 
flschen  Mikroorganismus,  sei  er  pflanzlicher,  sei  er  thierischer  Natur, 
gebildeten  Stoffen  hervorgerufen  wird,  mag  derselbe  nun  selbst  in 
den  menschlichen  Körper  eindringen  oder  sich  nur  in  der  Umgebung 
des  Kranken,  im  Boden,  in  Gebäuden  u.  s.  w.  befinden  und  von 
hier  aus  seine  Wirkung  entfalten  — welche  letztere  Ansicht  zuerst 
von  Fiebig  ausgesprochen  und  neuerdings  von  Manson  adoptirt 
worden  ist  — gehen  wir  also  von  dieser  Annahme  aus,  so  können 
wir  uns  das  Auftreten  der  Beriberi  an  einem  Orte,  wo  dieselbe  vor- 
her nicht  existirt  hat,  nur  so  vorstellen,  dass  die  Krankheitserreger 
von  irgend  einem  Beriberi-Herde  eingeschleppt  worden  sind.  Dass 


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340 


Dr.  B.  Scheube. 


dieselben  sowohl  durch  Menschen  als  auch  durch  leblose  Gegenstände. 
Kleider  u.  dergl.,  verschleppt  werden  können,  ist  als  eine  feststehende 
epidemiologische  Tliatsache  anzusehen.  Wenn  man  bedenkt,  dass 
Dublin  eine  Hafenstadt  ist,  die  mit  der  ganzen  Welt  in  Schiffsver- 
kehr steht  — auf  den  in  die  englischen  und  auch  die  deutschen 
Häfen  einlaufenden  Schiffen  sind  Beriberi-Fälle  keine  grossen  Selten- 
heiten — ferner,  dass  zwischen  der  Einschleppung  der  Krankheits- 
erreger und  dem  Ausbruche  der  Epidemie,  welches  zudem  in  seinem 
Beginn  übersehen  wurde,  vielleicht  eine  geraume  Zeit  liegen  kann, 
und  dass  bei  Geisteskranken  es  oft  ausserordentlich  schwierig  oder 
selbst  ganz  unmöglich  ist,  anamnestische  Erhebungen  über  ihr  Vorleben 
anzustellen,  dürfte  eine  Einschleppung  der  Krankheit,  welche  sich 
vollkommen  der  Beobachtung  entzogen  hat,  durchaus  nicht  in  das 
Bereich  der  Unmöglichkeit  gehören.  Bei  dem  feuchten  Klima  Dublins 
und  den  schlechten  hygienischen  Verhältnissen,  welche  das  Richmond 
Asyl  um  darbot,  können  die  Krankheitserreger  hier  einen  günstigen 
Nährboden  für  ihre  Entwickelung  gefunden  haben.  Dass  die  Ben- 
beri  nicht  auf  tropische  und  subtropische  Länder  sich  beschränkt, 
sondern  auch  im  gemässigten  Klima  auftritt,  ist  eine  längst  be- 
kannte Thatsache.  Schon  im  Jahre  1881,  nach  einer  durch  Yezo 
unternommenen  Reise,  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass  auf  dieser 
nördlichen  japanischen  Insel,  welche  ein  durchweg  gemässigtes  Klima 
und  einen  6 — 7 Monate  langen,  kalten  Winter  hat,  Beriberi  vor- 
kommt. 

Es  ist  eine  eigenthümliche  Erscheinung,  dass  fast  zu  gleicher 
Zeit  wie  im  Richmond  Asylum  in  Dublin  auch  in  mehreren  anderen 
Irrenanstalten  Englands  und  Nordamerikas  Beriberi  oder  beriberi- 
ähnliche  Krankheiten  beobachtet  worden  sind.  So  im  Suffolk  County 
Asylum  in  Melton  (Suffolk)  im  Winter  1894/95  und  1896/97,  im 
Alabama  State  Asylum  in  Tuscaloosa  (Alabama)  1895  und  1896  und 
im  Arkansas  State  Asylum  in  LitÜe  Rock  (Arkansas)  1895.  Ueber 
die  Epidemien  in  Melton  und  Little  Rock  liegen  meines  Wissens  bis- 
her keine  genaueren  Mittheilungen  vor,  so  dass  man  keine  Ansicht 
Uber  dieselben  äussem  kann.  Ueber  die  Epidemien  in  Tuscaloosa  hat 
Bondurant  einen  vorläufigen  Bericht  erstattet,  den  ich  leider  nur 
nach  einem  Referate  im  Janus  (H.  5.  1898,  S.  492.)  kenne.  Durch 
dies  bin  ich  nicht  vollkommen  überzeugt  worden,  dass  es  sich  bei 
den  im  Ganzen  84  Erkrankungen  wirklich  um  Beriberi  gehandelt 
hat.  Das  Krankheitsbild  ähnelte  nicht  so  auffallend  dem  der  Beri- 
beri, wie  dies  bei  den  Dubliner  Epidemien  der  Fall  war,  und  zeigte 


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Die  Bariberi-Epidemien  im  Rioiunond  Asyluni  in  Dublin.  341 

mehrere  Besonderheiten  (manchmal  sehr  heftige  Erscheinungen  von 
Seiten  des  Verdauungskanals,  Reizung  der  Nieren).  Die  Ursache 
der  Krankheit  sucht  Bondurant  in  dem  schlechten,  einem  gestauten 
Flusse  entnommenen  Trinkwasser  der  Anstalt,  deren  sonstigen'  sani- 
tären und  diätetischen  Verhältnisse  gute  waren. 

Die  von  Orthmann  (Grafenberg-Ludenberg)  und  Tippei  (Alt- 
scherbitz) in  deutschen  Irrenanstalten  beobachteten  vereinzelten 
Fälle  von  multipter  Neuritis,  welche  von  Norman  gleichfalls  der 
Beriberi  zugerechnet  werden,  haben  sicher  nichts  mit  echter  Beri- 
•>eri  zu  thun.  Zu  einer  so  weit  gehenden  Ansicht,  wie  sie  Balz  be- 
reits vor  Jahren  ausgesprochen  hat,  dass  die  bei  uns  sporadisch 
vorkommenden  Fälle  von  multipler  Neuritis  nichts  Anderes  sind 
als  sporadische  Falle  von  Beriberi,  kann  ich  mich,  wie  ich  schon 
früher  geüussert  habe,  nicht  bekennen.  Meiner  Meinung  nach  sind 
beide  Krankheiten  zwar  mit  einander  verwandt,  aber  nicht  identisch, 
indem  sich  dieselben  zu  einander  verhalten  mögen  etwa  wie  die 
Cholera  nostras  zur  Cholera  aaiatica. 


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Therapeutische  Mittheilungen  aus  der  Tropenpraxis 

von  Dr.  J.  H.  F.  Kohlbrugge, 

pract  Arzt  am  Sanatorium  Tosari  (Ost-Java). 

I.  Zur  Behandlung  der  tropischen  Leberhypertrophie  oder  Leberhärte. 

Eine  auf  Entzündung  beruhende  Hypertrophie  der  Leber  kommt, 
wie  wir  alle  wissen,  sehr  häufig  in  den  Tropen  vor,  auch  ist  jedem 
Tropenarzte  bekannt,  dass  diese  Hypertrophie  (zuweilen  auch  nur 
Hyperämie)  durch  sehr  verschiedene  Krankheiten  hervorgerufen  wer- 
den kann.  Ich  will  hier  auf  diese  Dinge  nicht  näher  eingehen. 

In  Bezug  auf  die  Therapie  ist  natürlich  die  erste  Forderung 
diese,  dass  man  der  Indicatio  causalis  genügt,  dass  man  z.  B.  durch 
Chinin  erst  die  Malaria  heilen  muss,  welche  die  Leberech wellung 
hervorrief.  Nun  ist  aber  auch-  allgemein  bekannt,  dass  nach  Elimi- 
nirung  der  Ursache  die  secundäre  Leberschwellung  (Leberhärte)  oft 
noch  lange  Zeit  bestehen  bleiben  und  den  Patienten  sehr  belästigen 
kann.  Ausserdem  giebt  es  noch  eine  Leberschwellung  sui  generis, 
deren  Ursache  uns  oft  unbekannt  ist  und  die  man  darum  klima- 
tischen Einflüssen  in  die  Schuhe  schiebt  (Indian  liver).  Solche 
primären  Leberschwellungen  zeigen  oft  ein  sehr  unregelmässiges,  re- 
mittirendes  Fieber,  welches  zeitweise  oder  bleibend  verschwinden  kann, 
die  Hypertrophie  der  Leber  bleibt  in  letzterem  Falle  aber  oft  noch 
lange  bestehen.  Wer  einmal  solch’  eine  Leberschwellung  acquirirte, 
der  ist  meist  vielen  Recidiven  unterworfen,  und  sehr  oft  endet  die 
Krankengeschichte  mit  einem  Leberabscess,  den  man  bei  lange  an- 
haltendem Fieber  und  nach  überstandener  Dysenterie  stets  ver- 
rauthen  muss. 

Solche  Kranke  thun  gut,  die  Tropen  zu  verlassen,  ehe  es  so  weit 
gekommen  ist 

Es  fragt  sich  nun,  wie  soll  man  solche  primären  Schwellungen, 
um  der  Abscessbildung  vorzubeugen,  wo  dies  überhaupt  möglich  ist 
und  die  obengenannten  secundären  Schwellungen  nach  Wegnahme 
der  Ursache  heilen? 


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Therapeutische  Mittheilungen  aus  der  Tropenpraxis.  343 

Ich  beachte  dabei  flir  die  primäre  Hepatitis  nicht  jenes  Stadium, 
wo  die  Entzündung  noch  in  vollem  Gange,  das  Fieber  erheblich,  die 
Leber  sehr  schmerzhaft  ist  und  man  die  antiphlogistische  Behand- 
lung einleiten  muss;  ich  will  hier  nur  die  Therapie  des  zweiten 
Stadiums  betrachten,  in  welchem  die  acuten  Symptome  schon  nach- 
gelassen haben*)  und  nun  die  Leberschwellung  Monate,  Jahre  lang 
bestehen  bleibt,  den  Patienten  belästigend  und  ihn  stets  mit  neuer 
Entzündung  oder  Recidiven  der  oft  der  Entzündung  zu  Grunde  lie- 
genden Malaria  bedroht;  von  solchen  Patienten  mit  vergrösserter 
oder  zuweilen  auch  nur  verhärteter  Leber  findet  man  unzählige  in 
den  Tropen,  viele  sind  sioh  dabei  Anfangs  dieses  locus  minoris  resi- 
stentiae  gar  nicht  bewusst.  Am  besten  bezeichnet  man  diesen  chro- 
nischen Zustand  wohl  mit  „Leberhärte“,  und  diese  wird  auf  Java 
mit  den  folgenden  Arzneimitteln  behaindelt:  Calomel,  Karlsbader 
Salz,  Arsenik,  Jodkali,  Jodtinctur  (äusserlich)  und  besonders  auch 
mit  den  Toemoelawak-Knollen**). 

Ferner  schreibt  man  eine  geeignete  reizlose  Diät  vor  und  schickt 
die  Kranken  oft  in’s  Gebirge,  wo  die  Leber  häufig  sehr  schnell  ab- 
schwillt bei  gleichzeitiger  Verbesserung  des  Ernährungszustandes. 

Ich  will  auf  diese  Heilmittel,  die  alle  ihren  eignen  Werth  haben, 
nicht  weiter  eingehen  und  hier  nur  ein,  wie  ich  glaube,  neues  thera- 
peutisches Verfahren  beschreiben,  dass  ich  den  Collegen  empfehlen 
möchte,  die  nur  zu  oft  erfahren  haben  werden,  dass  sie  ihre  Patienten 
aus  der  Behandlung  entlassen  mussten,  ohne  die  Hypertrophie  der 
Leber  ganz  zum  Schwinden  gebracht  zu  haben. 

Ich  suchte  nach  einem  Mittel,  um  die  Blutcirculation  in  der  Leber 
zu  beschleunigen,  da  die  Hypertrophie  in  den  Tropen  mit  Hyperämie 
gepaart  ist.  Diese  Beschleunigung  glaubte  ich  erst  durch  äusseren 
Druck,  also  Massage  erreichen  zu  können,  sah  aber  bald  ein,  dass 
diese  Methode  nicht  geeignet  sei : Erstens  weil  die  Fälle  relativ  selten 
sind,  wo  die  Leber  so  weit  unter  dem  Rippenbogen  hinabreicht,  dass 
inan  sie  leicht  massiren  kann,  denn  oft  handelt  es  sich  nur  um  einen 
harten  Leberrand,  den  man  nur  bei  tiefer  Inspiration  erreichen  kann. 
Die  Leber  ist  in  solchen  Fällen  eher  atrophisch  als  hypertrophisch, 

*)  In  einigen  Füllen  von  „Indian  liver“  fehlt  das  acute  Stadium  überhaupt 
ganz  und  ist  das  Leiden  von  vornherein  ein  langsam  vorechreitendes . chro- 
nischer Art. 

**)  Toemoelawak  von  Curcuma  zerumbeh  Roxb.  Am  besten  wirkt  der  aus 
den  Knollen  frisch  ausgepresste  Saft,  weniger  gut  das  Deeoct  oder  Pillen  der  ge- 
trockneten Knollen. 


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344 


Dr.  J.  H.  F.  Kohlbrugge. 


aber  sehr  hart.  Zweitens  war  die  Massage  bei  den  meisten  Patienten 
sehr  schmerzhaft  und  ausserdem  ermüdend,  da  man,  um  Erfolg  zo 
haben,  doch  einen  Widerstand  hersteilen  musste,  also  nur  bei  durch 
Inspiration  fixirtem  Diaphragma  massiren  konnte.  Drittens  kann 
man  immer  nur  den  Leberrand  und  nicht  die  Leberfläche  mit  den 
Fingern  kneten. 

Ich  suchte  also  ein  anderes  Verfahren,  um  einen  geringen,  mehr 
indirecten  aber  gleichmässigeren  Druck  auszuüben  und  dabei  gleich- 
zeitig die  Circnlation  zu  beschleunigen. 

Solch’  ein  Mittel  fand  ich  in  tiefen  Inspirationen  mit  gleichzeitigen! 
Druck  auf  den  Bauch. 

Jede  Inspiration  vermindert  den  Druck  in  den  grossen  Venen 
der  Venenstrom  wird  beschleunigt,  das  Venenblut  schneller  dem 
Heizen  zugeführt.  Der  Einfluss  der  Athmung  ist  bei  den  grossen 
Venenstämmen  am  grössten,  in  denen  ja  stets  ein  negativer  Druck 
herrscht,  der  positiv  wird  und  stets  zunimmt,  je  weiter  die  Stammt 
sich  vom  Herzen  entfernen.  Es  war  also  anzunehmen,  dass  der  Blut- 
druck iu  den  Venae  hepaticae,  den  letzten  Seitenzweigen  der  Yens 
cava  inferior,  welche  gerade  dort  in  diese  einmünden,  wo  die  untere 
Hohlvene  durch  das  Foramen  quadrilaterum  des  Zwerchfells  in  den 
Brustkorb  tritt,  sehr  dem  Einfluss  tiefer  Athemzüge  unterworfen  sein 
müsse,  dass  tiefe  Athemzüge  also  viel  Blut  aus  der  Leber  zum  Herrn 
führen  würden.  Auch  wird  durch  solche  tiefe  Inspirationen  ein  Druck 
durch  das  Diaphragma  auf  die  Leber  aurgeübt  Dieser  Druck  ist 
aber  nicht  erheblich,  da  die  Leber  in  die  Bauchhöhle  hinabsteigei; 
kann;  verhindert  man  die  Leber,  bauchwärts  auszuweichen,  dann  muss 
durch  diesen  künstlichen  Widerstand  jede  Inspiration  einen  starker 
Druck  auf  die  Leber  ausüben. 

Von  diesen  Erwägungen  ausgehend,  lasse  ich  nun  meine  Patien- 
ten recht  oft  (mehrmals  täglich)  eine  Art  Gymnastik  üben.  Sie 
.schnüren  den  Bauch  mit  den  Händen  zusammen,  indem  sie  die 
Daumen  auf  die  Hüften  legen  und  mit  den  Fingern  den  Bauch  zu- 
sammen drücken,  dabei  inspiriren  sie  langsam  aber  so  tief  wie  nur 
rgend  möglich. 

Durch  dieses  einfache  Verfahren,  das  man  jedem  Patienten  in 
einer  Sitzung  lehren  kann,  sah  ich  die  chronische  taberhärte  sehr 
schnell  schwinden,  weit  schneller  als  früher  durch  die  alleinige  An- 
wendung (intern  oder  extern)  von  Arzneien,  welche  man  übriges* 
mit  diesem  Verfahren  combiniren  kann. 

Tosari,  16.  Juni  1898. 


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Kurze  Bemerkungen  Uber  die  Theorie  der  Malaria-Ueber- 
tragung  durch  Mosquitos  und  Uber  Geisseiformen  bei  Blut- 
körperparasiten 

von 

Dr.  Hans  Ziemann,  Marine-Stabsarzt. 

Den  Anlass  zu  den  folgenden  kurzen  Bemerkungen  gab  ein 
sehr  interessanter  Vortrag*),  den  Patrick  Manson  im  Juli  1898  zu 
Edinburg  gelegentlich  der  British  Medical  Association  gehalten. 

In  demselben  giebt  M.  zunächst  eine  ganz  kurze  Darstellung 
der  Malariaparasiten,  wie  sie  sich  im  lebenden  Blute  und  innerhalb 
des  menschlichen  Körpers  darstellt.  Eine  Anzahl  der  neuentstan- 
denen jungen  Parasiten  lässt  er  eine  Beute  der  Ieukocyten  werden, 
was,  in  dieser  bestimmten  Form  ausgesprochen,  wohl  keine  allge- 
' meine  Gültigkeit  haben  dürfte.  Dies  nebenbei. 

Die  chromatinhaltigen,  entwicklungsfähigen  Parasiten  werden 
jedenfalls  nach  meinen  Untersuchungen  nicht  eine  Beute  der  Leuko- 
cyten,  sondern  nur  die  sterilen,  bez.  chromatinarmen. 

Im  Anschluss  an  jene  kurze  Schilderung  kommt  er  auf  die  be- 
kannten Geisselkörper  der  Malariaparasiten  zu  sprechen,  Gebilde,  die 
sich  erst  eine  Zeit  nach  Anfertigung  des  Deckglaspräparates  aus 
runden,  sphärischen,  pigmentirten  Körpern  bilden  und  mit  einer  An- 
zahl lebhaft  beweglicher  Geissein  versehen  sind.  Die  betreffenden 
Körper  sind  schon  mehrfach  in  dieser  Zeitschrift  beschrieben,  sodass 
eine  ausführliche  Darstellung  unnöthig  erscheint 

Manson  glaubte  nun,  dass  die  Geisselkörper,  da  sie  sich  erst 
bildeten  nach  der  Entnahme  des  Blutes,  in  Beziehung  ständen  zu 
dem  Leben  des  Malariaparasiten  ausserhalb  des  menschlichen 
Körpers. 

Die  Malariaparasiten,  die  nicht  von  selbst  den  menschlichen 

*)  An  Exposition  of  tbe  Mosquito-Malaria  Theory  and  its  recent  Develop- 
ments. Journal  of  Tropical  Medicine  N.  1.  Vol.  I.  Fast  derselbe  Vortrag 
erschien  auch  im  Brit.  med.  Journ.  Sept.  24.  1898.  N.  1909.  cf.  auch  Lanoet  1898. 
N.  3912.  S.  488. 

Archiv  f.  Schiff*-  u.  Trop«uhy^lene.  II.  26 


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346 


Dr.  Hans  Ziemann. 


Körper  verlassen  könnten,  würden  mit  dem  Blute  von  Mosquitos 
aufgesogen,  in  deren  Mägen  sich  dann  die  Geisselkörper  bildeten. 
Hier  brächen  die  Geissein  ab,  um  alle  Eingeweide  der  Mosquitos 
zu  durchdringen  und  so  das  extracorporale  Leben  der  Parasiten 
gewissermaassen  cinzuleiten.  Er  hält  also  die  Geissein  selbst  für  den 
wesentlichsten  Bestandtheil  der  Geisselkörper.  Wenn  der  so  inficirte 
Mosquito  im  Wasser  stürbe,  könnte  nach  M.  sich  der  Mensch  infi- 
ciren  entweder  durch  Genuss  des  betreffenden  Wassere,  oder  durch 
Einathmung  etwaiger  staubförmiger  Rückstände. 

Freie  Geissein,  die  sich  von  den  Geisselkörpem  gelöst  haben 
und  nun  mit  ziemlich  lebhafter,  schlängelnder  Beweglichkeit  durch 
das  Gesichtsfeld  schiessen,  kann  man  nicht  selten  sehen.  Ich  sah 
dieselben  namentlich  in  den  Blutpräparaten  inficirter  Vögel  mehr- 
fach*). Dass  die  Mosquitos  die  Wirthe  des  Malariavirus  sein 
könnten,  ist  bekanntlich  schon  von  anderen  Autoren  behauptet 
cf.  Laverans**)  neuestes  Buch  und  die  Berichte  R.  Kochs  aus  Ost- 
Afrika.  Die  neueren  Arbeiten  von  Bignami  in  Rom  standen  mir  noch 
nicht  zur  Verfügung***).  Manson  speciell  kam  zu  jener  Hypothese 
durch  das  Verhalten  der  Mosquitos  als  Wirthe  der  Filarien. 

Gehen  wir  nun  nach  diesen  Vorbemerkungen  zu  den  Unter- 
suchungen des  englischen  Oberstabsarztes  Ronald  Ross  in  Ostindien 
Uber.  Ross  fand,  dass  TO*/,  von  den  Halbmonden,  die  mit  Malaria- 
blut von  Mosquitos  aufgesogen  wurden,  sich  im  Magen  derselben 
in  Geisselkörper  verwandelten,  worauf  die  Geissein  abbrachen. 
Warum  nicht  auch  die  anderen  30  "/„  von  den  Halbmonden  sich 
im  Mosquitomagen  in  Geisselkörper  verwandeln,  wird  nicht  gesagt. 
Später  entdeckte  er  in  den  Magenwandungen  von  einigen  ge- 
sprenkelt ausseheudcn  Mosquitos,  die  mit  estivo-autumnalen 
Parasiten  gefüttert  waren,  einige  kleine  ovale,  pigmentirte  Zellen. 
Zur  selben  Zeit  traf  er  ähnliche  Gebilde  in  den  Magenwandungen 
eines  grauen  Mosquito,  der  einige  Tage  vorher  das  Blut  eines 
Tertianakranken  gesogen.  Das  Pigment  war  in  jenen  Zellen  angeb- 
lich nicht  von  dem  der  Malariaparasiten  zu  trennen.  Ross  mass 
diesen  Befunden  gleich  eine  grosse  Bedeutung  bei. 

In  der  ausgesprochenen  Absicht,  die  Mosquitotheorie  weiter 

*)  H.  Ziemann,  ITeber  Malaria-  und  andere  Blutpamsiten  nebst  Anhang. 
Eine  wirksame  Methode  der  Chromatin-  uod  Blutfärbuog.  (?.  Fischer.  Jena  1898. 

•*)  A.  Laveran:  Traite  du  Paludisme.  Paris  1898,  Seite  66. 

***)  Zeitungsnotizen.  Yergl.  indess  A.  Bignami:  Le  ipotesi  sulla  biolcgu  dei 
parassiti  malarici  fuori  dell'  uomo.  Policlinieo.  1896.  Vol.  111. 


Kurz»  IkmierkoDgen  über  die  Theorie  der  Malariaübertragung  etc.  347 


auszubauen,  arbeitete  er  zunächst  weiter  mit  inticirten  Vögeln. 
Menschenniaterial  stand  ihm  angeblich  bei  Beginn  jener  grösseren 
Reihe  von  Untersuchungen  noch  nicht  zur  Verfügung.  Er  benützte 
Vögel,  die  inficirt  waren  durch  einen  Parasiten,  Proteosoma  Labbö. 
Derselbe  ist  kleiner  als  der  hantelförmige  Blutkörperparasit,  den 
man  auch  Halteridium  Labbe  nennt,  dreht  den  Kern  des  rothen 
Blutkörpers  zur  Seite  und  zerfallt  in  eine  verhältnissmässig  geringe 
Zahl  junger  Parasiten.  Dagegen  war  es  mir  bis  jetzt  trotz  einer  sehr 
grossen  Reihe  von  Untersuchungen  unmöglich,  eine  Fortpflanzung  der 
Halteridien  in  der  Blutbahn  zu  finden*).  Die  entgegengesetzten 
Befunde  von  Labbe,  der  eine  regelmässig  auftretende  Sporulation 
beschreibt,  glaube  ich  mit  Bestimmtheit  als  irrig  erwiesen  zu 
haben,  (cf.  v.  WasielewBki**).  Auf  die  Unterschiede  der  verschie- 
denen Vogelblutparasiten  habe  ich  ausführlich  aufmerksam  gemacht***). 
Proteosoma  Labbö  entspricht  in  meinem  Buche  dem  Typus  C.  der 
Vogelblutparasiten.  Wenn  nun  R.  graue  Mosquitos  mit  dem  Blute 
von  Sperlingen,  Lerchen  und  Krähen  futterte,  welches  Proteosoma  ent- 
hielt, konnte  er  sehr  oft  in  den  Magenwandungen  die  schon  früher 
erwähnten  kleinen  pigmentirten  Zellen  wiederfinden.  Von  245  grauen 
Mosquitos,  die  mit  proteosomahaltigem  Sperlingsblute  gefüttert  waren, 
zeigten  72  °/0  — also  doch  nicht  alle  — der  Verf.  — die  pigmen- 
tirten Zellen  in  den  Magenwandungen.  Mosquitos,  die  parasiten- 
freies Blut  gesogen,  zeigten  pigmentirte  Zellen  in  den 
Magenwandungen  niemals. 

Was  wird  jetzt  nach  Ross  aus  den  pigmentirten  Zellen  in  der 
Magen  wand  des  Mosquito? 

Letztere  besteht  aus  verschiedenen  Schichten,  einer  äusseren, 
bestehend  aus  den  Verzweigungen  der  Luftsäcke,  2 Schichten  von 
Muskelfasern,  und  zwar  longitudinalen  und  circulären,  die  mit- 
einander ein  Gitterwerk  von  rechteckigen  Maschen  bilden,  ferner  einer 
strukturlosen  Membran.  Die  innerste  Schicht,  gewissermaassen  die 
mucosa  des  Magens,  bestand  aus  verschiedenen  Zelllagen. 

R.  fand  nun  die  pigmentirten  Zellen  nicht  in  der  sogenannten 
mucosa  des  Magens,  sondern  auf  der  äusseren  Oberfläche  der 
strukturlosen  Membran,  bez.  zwischen  den  Maschen  der  Muskel- 
schichten. Das  früheste  Stadium,  am  1.  Tage  der  Infektion  des 
Mosquitos,  konnte  er  noch  nicht  entdecken. 

*)Nur  einmal  habe  ich  eine  Art  von  Sporulntionskörper  bei 
Halteridien  vom  Fichtenkreuzschnabei,  Loxia  europaea,  gesehen. 

**)  v.  Wasielewski:  Sporozoenkunde.  0.  Fischer,  1896. 

***)  L c. 


26* 


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348 


I)r.  Hans  Zientaan. 


Am  2.  Tage  zeigt  sich  der  Parasit  als  oraler  Körper  von 
6 — 7 (x  Durchmesser,  bestehend  aus  homogenem  Protoplasma  mit 
etwa  20  intensiv  schwarzen  Pigmentkömehen  und  deutlicher 
Aussenkontur.  Allmälig  wächst  der  Körper,  sodass  er  am  3.  und 
4.  Tage  3 oder  4 mal  so  gross  ist  wie  am  2.  und  gewinnt  unter 
Umständen  ein  granulirtes  Aussehen, 

Am  4.  oder  5.  Tage  wird  er  mehr  sphärisch  mit  einem  Durch- 
messer von  60  bis  70  g.  Die  Wandung  ist  jetzt  dicker.  Im  Inneren 
kann  man  dann  Körnchen  in  concentrischer  Anordnung  finden.  Nach 
6 oder  7 Tagen  ragt  der  Parasit  als  ein  warzenähnlicher  Körper  in 
das  Lumen  der  Magenhöhle  hervor.  Er  nennt  denselben  jetzt  Proteo- 
8oma-Coccidium. 

Ross  fand  ferner,  besonders  bei  den  Mosquitos,  bei  denen  die 
erwähnten  warzenähnlichen  Parasiten  geplatzt  waren,  in  allen  Ge- 
weben sehr  kleine  spindelförmige  Körper.  Er  konnte  dieselben  auch 
erhalten,  wenn  er  die  grossen  pigmentirten  Zellen  in  der  Magen- 
wandung  der  Mosquitos  durch  leichten  Druck  zum  Platzen  brachte 
und  dann  den  Inhalt  in  Kochsalzlösung  untersuchte.  Da  sie  keine 
deutliche  lokomotorische  Eigenschaft  Insassen , leitete  er  ihre 
Verbreitung  in  den  Geweben  von  der  Blutbewegung  her.  Die  kleinen 
Gebilde , die  er  germinal  rods  nannte , fand  er  auch  in  den 
Zellen  von  2 Drüsen,  die,  je  eine,  an  der  Kopfseite  der  Mosquitos 
liegen  und  durch  einen  gemeinsamen  Ausführungsgang  mit  dem 
Rüssel  in  Verbindung  stehen. 

Ross  glaubte  auf  diese  Weise  den  Weg  gefunden  zu  haben, 
auf  dem  die  germinal  rods  möglicherweise  den  Körper  der 
Mosquitos  wieder  verliessen. 

Er  nahm  zum  Beweise  Mosquitos,  die  mit  pfoteosonrahaltigem 
Spatzenblute  gefüttert  waren  und  bewahrte  sie  6 — 7 Tage  auf,  bis 
er  glaubte,  dass  die  germinal  rods  sich  gebildet  hatten,  und  auch 
bereits  in  die  erwähnten  Drüsen  gedrungen  waren.  Dann  setzte  er  die 
infizirten  Mosquitos  artf  Sperlinge,  deren  Blut  bei  genauester  Unter- 
suchung keine  Blutparasiten  gezeigt  hatte.  Nach  wenigen  Tagen 
zeigten  sich  grosse  Mengen  von  I’roteosoma  in  dem  Blute  der  von 
den  Mosquitos  gestochenen  Sperlinge. 

Gerade  hier  wäre  eine  Zahlenangabc  äusserst  wünschenswerth 
gewesen,  da  nur  grosse  Zahlen  unter  den  Verhältnissen,  unter 
denen  Ross  arbeitete,  etwas  beweisendes  haben. 

Zweifellos  bieten  die  Untersuchungen  von  Ross  äusserst  Interes- 
santes dar.  Schade  nur,  dass  sie  irr  einent  Lande  angestellt  sind,  wo 


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Kurie  Bemerkungen  über  die  Theorie  der  M&l&riaübertragung  etc.  349 

die  natürliche  Infection  der  Vögel  eine  so  äusserst  häufige  ist,  wo  also 
nicht  inficirte  Vögel  noch  während  der  Untersuchungsperiode  eine 
nachträgliche,  natüi  liehe  Infection  mit  grösster  Leichtigkeit  erwerben 
können.  Ich  habe  derartige  Vorgänge  in  Italien  bei  Vögeln  mehr- 
fach gesehen*).  Dass  erwachsene,  vollbefiederte  Vögel  eine  natür- 
liche Infection  davontragen  sollten  durch  Stiche  inficirter  Mosquitos, 
erscheint  mir  bis  jetzt  nicht  recht  glaublich,  oder  es  müssten  nur 
besondere  Mosquitoarten  dazu  befähigt  sein.  Andererseits  ist  es 
ja  möglich,  dass  junge,  noch  nackte  Vögel  ihre  etwaige  Infection 
durch  inficirte  Mosquitos  davontragen  können,  und  dass  diese  Infection 
sich  unter  Umständen  lange  Zeit  erhält.  Dann  fehlt  vor  Allem 
auch  noch  die  Nutzanwendung  der  letzterwähnten  Versuche  auf  die 
malarische  Infection  des  Menschen. 

Ich  will  zwar  nicht  leugnen,  dass  dieselben,  oder  ganz  ähnliche 
Factoren,  die  speciell  die  Proteosoma-Iufection  der  Vögel  veranlassen, 
mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  auch  die  Infection  mit  den  sehr  nahe 
verwandten  Malaria-Parasiten  des  Menschen  veranlassen  können. 
Indess  die  Beschreibung  der  Biologie  jener  pigmentirten 
Körper,  die  sich  in  den  Magenwandungen  saugender 
Mosquitos  finden  können,  ist  doch  noch  eine  äusserst 
lückenhafte.  Das  allererste  Stadium  kann  uns  Ross  nicht  zeigen. 

Auf  welche  Weise  sich  die  germinal  rods  im  Blute 
von  Vögeln,  die  jene  germinal  rods  von  Mosquitos  ein- 
geimpft erhielten,  nun  in  echte  Proteosoma-Parasiten 
verwandeln,  wird  uns  ebenfalls  nicht  verratben.  Das 
wäre  doch  nothwendig,  um  die  Beweiskette  zu  schliessen,  wenigstens, 
wenn  diese  Versuche  in  einem  Malaria-Lande  angestellt 
werden. 

In  Bezug  auf  die  Befunde  von  R.  sagt  Manson  selbst,  dass  er 
die  Malariaübertragung  durch  Mosquitos  nicht  für  den  auschliess- 
lichen  Modus  der  Infection  ansähe.  In  der  That  sind  mit  der 
Mosquitotheorie  manche  Thatsachen,  wie  das  plötzliche  Auftreten 
schwerer  Malariaerkrankungen  nach  stärkeren  Bodendurchwühlungen, 
bis  jetzt  noch  nicht  recht  in  Einklang  zu  bringen.  Eine  weitere  Er- 
örterung dieser  höchst  interessanten  Frage  würde  den  Rahmen  der 
kurzen  Abhandlung  überschreiten.  In  meinem  Buche  hatte  ich  auch 
die  Möglichkeit  einer  Uebertragung  der  Malaria  durch  stechende 
Insekten  zugelassen. 


*)  1.  c.  8.  104  u.  folgende. 


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350 


Dr.  Hans  Ziem&nn. 


Vor  Allem  sagen  uns  die  Untersuchungen  von  Ross  noch  nicht, 
wie  sich  das  Malariavirus  ausserhalb  des  menschlichen  Körpers  fort- 
pflanzt. Das  Malariavirus  ist  zweifellos  schon  vorhanden  in  (legenden, 
in  denen  hieb  keine  Menschen  aufhalten.  Es  muss  sich  also  auch 
unabhängig  von  Menschen  fortpflanzen  können.  Manson  hält  aber 
eine  Infection  von  Mosquito  durch  Mosquito  für  möglich  und  glaubt, 
dass  möglicher  Weise  bestimmte  Mosquitosorten  auch  nur  bestimmte 
Malariaparasitenformen  beherbergen.  Alle  diese  Fragen  werden 
jedenfalls  Gegenstand  der  eingehendsten  Untersuchungen  in  der 
nächsten  Zeit  sein"  müssen.  Handelt  es  sich  doch  um  Dinge  von 
grosser  practischer  Bedeutung.  Auch  das  wird  zu  prüfen  sein,  ob 
nicht  etwa  das  Malariavirus  von  einem  Mosquito  auf  seine  Nach- 
kommenschaft übergehen  kann,  wie  die  Parasiten  des  Texasfiebers 
der  Rinder  von  der  Rinderzecke  auf  deren  Eier  übergehen.  Jeden- 
falls existiren  nach  meinen  Untersuchungen  die  Blutkörperparasiten 
ausserhalb  der  inficirten  Menschen  oder  Thiere  entweder  in  einer 
anderen  Form,  als  innerhalb  des  Organismus  oder  als  Parasiten  von 
Lebewesen,  die  ihnen  einen  Ersatz  bieten  für  das  parasitäre  Dasein 
bei  höherem  Organismen*). 

Bestätigen  sich  die  wichtigen  Befunde  von  Ross,  so  träfen  beide 
Vermuthungen  zu.  Wir  würden  dann  möglicherweise  auch  nur 
einen  Infectionsmodus,  den  durch  Stich  von  Insocten  haben.  In 
diesem  Zusammenhänge  sei  auch  der  von  Manson  citirten  Befunde 
von  Mac  Callum**)  von  der  Jobn-Hopkins-Universität  in  Nord- 
Amerika  Erwähnung  gethan.  Derselbe  studirte  die  hantelformigen 
Blutkörperparasiten  der  Vögel,  die  sogenannten  Halteridien,  und 
beobachtete,  was  schon  von  anderen  und  auch  von  mir  gesehen 
war,  wie  im  Deckglaspräparate  die  hantelförmigen  Parasiten  die 
Blutkörper  z.  Th.  verliessen  und  rund  wurden.  Diejenigen  von 
ihnen,  welche  mehr  hyalines  Aussehen  hatten,  wurden  dann  zu 
Geisselkörpem,  von  denen  die  Geissein  abbrachen.  Letztere 
drangen  darauf  in  andere,  mehr  granulirt  aussehende  Sphären  ein. 
Nach  einiger  Zeit  hätten  dann  die  so  gewissermaassen  befruchteten 
Sphären  Würmchenform  gewonnen  und  lokomotorische  Eigenschaften, 
die  es  ihnen  gestatteten,  durch  weisse  Blutkörper  hindurchzudringen. 
Nach  Mac.  Callum  wäre  durch  die  erwähnten  Eigenschaften  den 


*)  L o.  Ziemaun:  lieber  Malaria  etc.  8.  90. 

**)  On  tbe  Hämatozoou  lafections  of  Birds.  The  Joum.  of  Expertin. 
Medicine.  Vol.  UI.  N.  I.  98. 


Karze  Bemerkungen  über  die  Theorie  der  Malariaübertragung  etc.  351 

Parasiten  vielleicht  die  Möglichkeit  gegeben,  aus  dem  inticirten 
Organismus  wieder  in  die  Aussenwelt  zu  gelangen. 

Es  ergiebt  sich  jetzt  die  Kombination  von  selbst,  dass  in  den 
Mitgen  von  mit  Proteosoma  inficirten  Mosquitos,  mit  denen  Koss 
experimentirte,  sich  ebenfalls  Blutwürmchen  bildeten,  ähnlich  denen, 
die  Mac  Callum  bei  Halteridien-lnfection  fand,  und  dass  diese  Blut- 
würmchen erst  sich  zu  den  erwähnten  Proteosoraa-Coccidien  im 
Mosquitomagen  umwandelten.  Ross  indess  scheint  die  Bildung 
der  beweglichen  Blutwürmchen  aus  den  sphärischen  Körpern 
nicht  gesehen  zu  haben.  Ich  habe  in  vielen  hunderten  von  sogleich 
untersuchten  Präparaten  von  inficirtem  Vogelblut  niemals  ge- 
sehen, wie  freie  Geissein  in  Sphären  eindrangen.  Wohl  alter  konnten 
sie  zeitweise  sich  an  eine  freie  Sphäre  heranlegen.  Vielleicht  hätte 
aber  die  Beobachtung  des  lebenden  Blutes  noch  länger  ausgedehnt 
werden  können.  Jedenfalls  scheint  Glück  dazu  zu  gehören,  den 
eventuellen  Befruchtungsact  zu  sehen.  Nach  Mac  Callum  würden, 
wie  wir  gesehen,  aus  Sphäre  und  eingedrungener  Geissei  ein  Blut 
würmchen  mit  lebhafter  Beweglichkeit.  Sollte  sich  diese  Be- 
obachtung bestätigten,  so  wäre  sie  allerdings  von 
principieller  Bedeutung.  Wir  hätten  dann  eine  Bildung, 
die  in  gewisser  Beziehung  an  die  Bildung  der  Zygoten 
aus  Gameten  bei  manchen  Algen  erinnerte. 

Thatsache  ist,  dass  man  spedell  bei  den  hantelförmigen  Para- 
siten schon  im  intraglobulären  Stadium  öfter  zwei  Formen  unter- 
scheiden kann,  eine  mehr  hyaline  mit  oft  ziemlich  reichlichem,  aber 
aufgelockertem  Chromatin  und  eine  mehr  granulirt  aussehende,  sich 
dunkler  blau  färbende  mit  wenigem  oder  gar  keinem  Chromatin. 
Jedenfalls  ist  dasselbe  sehr  viel  schwerer  färbbar  wie  bei  der  ersten 
Form*).  Ich  beobachtete  schon  vor  Kenntniss  der  Befunde  Mac 
Callums  dieses  Verhalten  im  letzten  Sommer  auf  Helgoland  speciell 
bei  Kreuzschnäbeln  häufiger.  Beide  Formen  wurden  im  Deckglas- 
präparate zu  freien  sphärischen  Körpern,  bei  denen  ebenfalls  das 
Chromatin  sich  verschieden  verhielt  Auf  Tafel  IV,  Fig.  11  u.  13. 
meines  Buches  ist  die  Verschiedenheit  der  beiden  Formen 
ebenfalls  schon  angedeutet  Die  dunkelblau  gefärbten  Sphären 
zeigten  bei  den  Fichtenkreuzschnäbeln,  Loxia  europaea,  weniger,  dann 
meist  compactes,  oder  gar  kein  Chromatin,  dagegen  eine  helle 
Stelle  an  dem  Orte,  wo  sonst  das  Chromatin  liegt,  die  hyalinen 


*)  Ziemanu  1.  c. 


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362 


Dr.  Hans  Ziemann. 


Sphären  oft  eine  wirre  Aufknäuelung  von  Chromatinfaden,  oft  auch 
eine  Art  staubtörmiger  Auflösung  derselben.  Das  Chromatin  trat 
dann  aus  den  hyalinen  Körpern  heraus,  nachdem  es  zunächst 
an  die  Peripheiie  gerückt.  Taf.  IV.  Fig.  1 3.  Einige  Male  sah  mau 
die  ganze  Masse  des  Chromatins,  in  anderen  Fällen  nur  einige  auf- 
geknäuelte Fäden  desselben  neben,  aber  ausserhalb  des  Parasiten 
hegen.  Einmal  sah  ich  einem  solchen  Chromatinfädchen  etwas 
schwach  gefärbtes  Protoplasma  anhängen*).  Was  weiter  aus  dem 
Chromatin  wurde,  konnte  ich  damals  nicht  sagen.  Die  Mac  Callumsche 
Combinatiou,  dass  cs  sich  bei  den  erwälmten  2 Formen  möglicher- 
weise um  eine  männliche  und  eine  weibliche  Form  des  Parasiten 
handelte,  ist  mir  nicht  gekommen.  Jedenfalls  dürfte  es 
interessant  sein,  dass  mir  der  Nachweis  von  der  Aus- 
wanderung bez.  Ausstossung  von  Chromatin  aus  sphäri- 
schen Körpern  gelungen  ist.  Das  Chromatin  ist  bekanntlich 
eines  der  wichtigsten  Elemente  der  Blutkörpcrparasiten.  Daher 
ist  meine  Feststellung  auch  für  die  Mac  Callum’schen 
Untersuchungen  vielleicht  von  Wichtigkeit.  Eine  Aus- 
stossung bez.  Auswanderung  von  Chromatinelementen 
habe  ich  übrigens  auch  schon  bei  den  von  mir  ent- 
deckten eigenartigen  Blutparasiten  von  Athene  noctua 
in  Italien  gefunden.  Vergl.  darüber  den  betreffenden  Passus  in 
meinem  Buche.  Eine  solche  Auswanderung,  bez.  Ausstossung  von 
Chromatin  kommt  bei  den  Sporozoen  mehrfach  vor. 

Leider  ist  es  mir  bis  jetzt  nur  eimsd  im  gefärbten  Präparate 
gelungen,  eine  hyaline,  pigmentirte  Sphäre  zu  entdecken,  aus  der 
zwei  Chromatinfäden  heraushiugen,  und  die  als  echte  Geisselform 
anzusprechen  war.  Die  Chromatinfädcn  fingen  zusammen  mit 
einem  pheripher  gelegenen  Cliromatinklumpen.  Es  handelte  sich  um 
ein  Präparat  von  inficirtem  Buchfinkenblut.  Schon  früher  hatte 
der  russische  Forscher  Sacharow  die  Chromatinnatur  der  Geissel- 
liiden  darzuthun  gesucht.  Weiteres  habe_  ich  darüber  in  der 
Literatur  bis  jetzt  nicht  gefunden.  Sacharow  glaubte  bei  den 
Malariaparasiten  eine  karyokinetische  Zelltheilung  annehmen  zu 
müssen.  Wenn  diese  gestört  würde,  träte  die  Chromatinsubstanz  aus 

*)  Von  den  Protoplasmaf&den,  die  von  absterbenden  Zellen,  z.  B.  rotben 
lllutzellen,  zuweilen  ausgehen  und  Goisselbewegung  zeigen,  hatte  ich  die  Gensei- 
fiideu  unserer  Blutlorperparasiten  schon  früher  getrennt  wegen  ihrer  gteich- 
mässigen  Gestalt  und  der  bestimmten,  wenn  auch  äusserst  zarten  Kontur,  d. 
Ziemann  1.  e.  S.  31. 


Kurze  Bemerkungen  über  die  Theorie  der  Malariaüberiragung  etc.  353 

den  runden  Parasiten  heraus  und  hülfe  zur  Bildung  der  Geisselfäden 
beitragen.  Wie  ich  schon  früher  gezeigt,  ist  indess  eine 
karyokinetische  Zelltheilung  der  Malariaparasiten  nicht 
anzunehmen. 

Nachdem  das  Chromatin  aus  den  hyalinen  Sphären  heraus- 
getreten, zerfallen  letztere  und  werden  als  sterile  Körper  eine  Beute 
der  Leukocyten. 

Nach  der  Auffassung  von  Mac  Callum  wirkten  die  Geissein  also 
wie  Spermatozoen.  ln  diesem  Falle  aber  könnten  sie  nicht  nur  aus 
Cliromatin  bestehen,  sondern  müssten  auch  etwas  Protoplasma  haben. 
Vergl.  die  obige  Beobachtung.  Die  Untersuchungen  darüber  werden 
noch  fortgesetzt.  — Die  Beweglichkeit  des  Pigments  hängt  bei  den 
hyalinen  Sphähren,  bez.  den  Geisselformen  möglicherweise  zusammen 
mit  der  Beweglichkeit  der  austretenden  Chromatinfädchen.  Zweifel- 
los ist  die  Bedeutung  der  Geisselfäden  bei  den  Vogelblutparasiten 
eine  ähnliche,  wie  bei  den  Parasiten  der  menschlichen  Malaria. 
Dann  würden,  die  Richtigkeit  der  Mac  C'allum’schen  und  der 
Ross’schen  Beobachtung  vorausgesetzt,  die  Geisselkörper  nicht  als 
sterile  Körper  zu  betrachten  sein,  also  auch  nicht  die  Halbmonde, 
aus  denen  bei  estivo-autumnalen  Fiebern  sich  die  sphärischen  und 
Geisselkörper  bilden.  Die  meisten  Beobachter,  darunter  die  ganze 
römische  Schule  und  ich,  betrachteten  sie  für  sterile  Gebilde,  weil 
bei  ihnen  keine  Fortpflanzung  zu  sehen  war,  weil  sie  auftraten, 
ohne  das  gleichzeitig  Fieber  zu  bestehen  brauchte.  Ich  speciell 
hatte  bei  Halbmonden  wohl  noch  Chromatin  gefunden  Taf.  II. 
Fig.  24  meines  Buches,  indess  in  sofort  gehärteten  Präparaten 
meist  eine  derartige  feine  Auflösung  desselben,  dass  es  unter  den 
Pigmentkömehen  sich  meiner  Beobachtung  entzog. 

Zweifellos  werden  auch  eine  ganze  Anzahl  von  Halb- 
monden in  Wirklichkeit  steril;  da  ihr  Chromatin  ver- 
kümmert, wenn  es  nicht  Gelegenheit  erhält,  in  einem 
Geisselfäden  wieder  als  befruchtendes  Agens  zu  wirken. 
Ein  endoglobulärer  Parasit  dagegen  macht  seine  Entwickelung  stetig 
durch  bis  zur  sogenannten  Sporulation,  wenigstens  bei  menschlicher 
Malaria.  Die  früher  von  mir  steril  genannten  Formen,  die  Halb- 
monde etc.  treten  dagegen,  wie  ich  stets  betont,  erst  dann  auf,  wenn 
der  Körper  eine  Art  Schutzkraft  erlangt.  Diese  lässt  es  nicht  mehr 
zur  Bildung  von  Parasiten  kommen,  die  aus  sich  selbst  heraus  die 
Fähigkeit  schöpfen,  sich  allein  weiter  zu  vermehren.  Fassen  wir 
als  Resume  zusammen,  so  baben  wir,  immer  vorausgesetzt,  dass  Ross 


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364 


Dr.  Hans  Ziemano. 


und  Mac  Callum  Recht  haben,  bei  den  Blutkörperparasiten  Welleicht 
2 Arten  der  Fortpflanzung. 

a)  eine  ungeschlechtliche  (die  gewöhnliche  bei  Menschen-Malaria) 

b)  eine  geschlechtliche  (meist  bei  Halteridien). 

Die  erstere  glaube  ich  endgültig  festgelegt  zu  haben. 
Ueber  die  Häufigkeit  der  zweiten  sind  weitere  Untersuchungen  noth- 
wendig.  Die  von  mir  als  steril  bezeichneten  Formen  müssten  dann 
nur  als  männliche  bezeichnet  werden. 

In  diesem  Zusammenhänge  sei  noch  besonders  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  ich  bei  inficirten  Exemplaren  von  Buchfink, 
Fringuilla  coelebs  L.,  und  Sumpfohreule,  Asio  accipitrinus  Fall.,  dem 
Sperber,  Ascipiter  nisus,  der  Turteltaube,  Turtur  communis,  und 
Fichtenkreuzschnäbeln,  Loxia  europaea,  neben  den  pigmentirten 
eigentlichen  Blutkörperparasiten  auch  unpigmentirte,  deutlich  chro- 
matinhaltige,  z.  Th.  auch  mit  Geissein  versehene  freie  Parasiten 
gefunden  habe. 

Es  waren  Gebilde,  die  sich  im  gefärbten  Präparat  als  kleine 
rundliche  oder  mehr  längsovale  freie  Körper  darstellten,  mit  zart 
blaugefärbtem  Protoplasmaleibe,  einer  ziemlich  grossen  achromatischen 
Zone  im  centralen  Theile  und  einer  compacten,  bez.  aufgefaserten 
Chromatinmasse  im  Inneren  der  achromatischen  Zone.  Die  ev.  Be- 
ziehungen zu  den  eigentlichen  Blutkörperparasiten  wurden  noch  offen 
gelassen.  Am  deutlichsten  waren  ähnliche  Gebilde  bei  der  Athene 
noctua  zu  sehen,  (cf.  die  Abbildungen  in  meinem  Buche  auf  Tafel  111. 
Fig.  29  u.  33.)  Die  Mac  .Callum 'sehe  Beobachtung  regt  jedenfalls  zu 
erneuten  Untersuchungen  Uber  die  Rolle  dieser  noch  unerforschten 
Parasiten  an. 

Das  Eine  erscheint  sicher,  dass  die  von  mir  beschriebene 
Färbemethode  zur  Klärung  dieser  wichtigen  Frage  beitragen  wird 
Mac  Callum  selbst  betont  die  Noth  Wendigkeit  einer  wirksamen  Kern- 
lärbung,  um  seine  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  der  ge- 
schilderten Blutwürmchen  zu  Ende  zu  fuhren.  Speciell  der 
fernere  Vorgang  der  Verschmelzung  eines  Geisselfadens  mit  einem 
sphärischen  Körper  würde  sich  mit  unserer  Färbemethode  ohne  grosse 
Schwierigkeit  aufklären  lassen  müssen.  Sehr  wünschenswerth  wäre 
es,  wenn  auch  die  in  den  Magenwandungen  der  Mosquitos  von  Ros 
gefundenen  pigmentirten  Zellen,  die  zur  Bildung  seiner  germinal  rods 
führen,  sich  der  Färbung  zugänglich  erwiesen. 

In  Bezug  auf  die  Färbungsmethode  verweise  ich  auf  das  Referat 
Ruges  im  vorigen  Hefte  dieser  Zeitschrift.  In  neuerer  Zeit  ge- 


Kurze  Bemerkungen  über  die  Theorie  der  Malamübertraguug  etc.  355 

lang  es  mir,  meine  Doppelfärbung  des  Chromatins  und  des 
Protoplasma  schon  in  5 Minuten  zu  erzielen. 

Recept:  Methylenblau  med.  pur.  Höchst  1,0 

Borax  2,5 

Aq.  destill.  100,0 

davon  1 Theil  gemischt  mit  4 Theilen  einer  0,1  °/0  Eosin  (A.-G. 
Höchst)  Lösung.  Auch  bei  Anwendung  dieser  Lösung  muss  vor 
Herausnahme  der  Präparate  das  ev.  gebildete  Häutchen  von  der 
Lösung  abgestreift  werden,  da  sich  sonst  Niederschläge  bilden.  Ueber 
weitere  Einzelheiten,  speciell  auch  die  Anwendung  mit  Kalilauge 
versetzter  Methylenblaulösungeu , vergleiche  einen  demnächst  im 
Centralblatt  für  Bacteriologie  erscheinenden  Aufsatz:  Ueber  Doppel- 
färbung bei  Flagellaten,  Pilzen,  Spirillen  und  Bacterieu. 
Auf  das  obige  Thema  werde  ich  bald  noch  zurückkommeu. 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Transformation  des  Archives  de  m6decine  navaie  et  coloniale. 

1,68  Archives  de  medecine  navaie  et  coloniale  publiees  en  Francs 
depui8  trente-quatre  ans  ont  c&sse  de  paraitre  ou  plutot  se  sont  transformees. 

On  sait  quelle  riebe  mine  de  renseignements  constitue  ce  recueil  qoi  jus- 
que  dass  ces  dernieres  annees  etait  le  seul  qui  füt  consacre  k l'etude  de  1’hygteD* 
navaie  et  de  la  pathologie  exotique. 

Le  corps  de  sante  de  la  marine,  qui  avait  assure  los  Services  de  la  flotte 
et  des  colonies  francaises  jusqu'en  1890,  ayant  ete  scinde  en  deux  brauch« 
distinctes,  le  recueil  oii  so  publiaient  ses  tinvaux  devait  cesser  d'etre  ootnmuü 
aux  deux  corps.  Ce  dcdoublement  a ete  realise  depuis  eette  an  nee  (1898). 

Le  Ministero  de  la  Marine  continue  de  publier  les  Archives  de  medeciae 
navaie,  qui  font  directement  suite  i\  l’ancienne  publication  fondee  en  1864  per 
le  Comte  de  Chasseloup  Laubat 

D’autre  part  le  Minister«  des  Colonies  publie  les  Annales  d’hygiene  et 
de  modecine  coloniales,  dont  la  redaction  est  confiee  i M.  le  docteur  Ker- 
morgant,  inspecteur  general  du  Service  de  sante  des  Colonies  franeaises.  Cee 
Annales  formeront  une  oollection  de  materiaux  rolatifs  a l’hygiene,  a la  ptthe- 
logie,  a la  climatologie  exotiques,  a l’ethnographie  et  aux  Sciences  naturelles. 

Nous  sommes  beureux  de  saluer  ce  nouveau  recueil,  auquel  la  baute  wa- 
jietence  de  son  Redacteur  en  cbef  garantit  le  succes.  C.  F. 


a)  Hygiene,  Physiologie  und  Statistik. 

Notes  sur  la  mortaliti  des  troupe*  d’lntanterie  et  d'artlllsrle  de  marlae  eaeemdee  w 
Cochinchine  (1890  i 1896).  Fontaine.  Annales  d'hygifcne  et  de  mededne  colo- 
niales, 1898  p.  114. 

De  1890  it  1896  les  tronpes  franpaises  casemeee  en  Cochincbine  ontfoars: 
la  mortalite  suivante: 

Mortalite  pour  1000 


Annee 

Infanterie  de  marine 

Artillerie  de  marine 

1890 

10,58 

12,00 

1891 

5,83 

28,00 

1892 

10,00 

12,00 

1893 

10,58 

10,00 

1894 

5,00 

16,00 

1893 

8,18 

18,33 

1896 

19,99 

22,85 

Moyenne  de  sept  annees  ■ 9,93 

16,41 

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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


357 


. Moyenne  de  sept  annees  pour  Iee  deux  armes  11,22  pour  1000. 

L’amölioration  des  condition»  sanitaires  de  la  Oochinchine,  signalee  dbjä  par 
le  travail  de  M.  Bounafy  *)  s'est  donc  confirmee.  I/augmentation  de  la  mortalite 
en  1896  est  due  au  deces  d’un  certain  nombre  de  soldats  venus  du  Tonkin  et 
debarques  a Saigon  pendant  leur  vovage  de  retour. 

La  mortalite  plus  consider&ble  des  soldats  d’artillerie  parait  due  k ce  que 
ceux-ci  s’occupent  sonvent,  en  dehors  de  leur  Service  regulier,  a des  travaux 
fatigimnts  de  construction  et  de  surveillance. 

Des  deces  observee  on  Cochinchine  le  tiers  seulement  est  du  aux  affections 
sporadiques,  chirurgicales  ou  vcneriennes,  qui  s'observent  aussi  en  Europa;  gräoe 
au  recrutement  plus  soigneux  des  soldats  designos  pour  les  colonies,  cos  affections 
y sont  plus  rares  qu’en  Kurope;  les  deces  rösultent  surtout  des  maladies  ende- 
mique*,  la  moitie  environ  est  due  it  la  dysenterie  et  ä l’hepatite  suppuree. 

La  dysenterie  et  la  diarrhde  chronique  restent  les  maladies  dominantes, 
matgre  une  diminution  de  frequeuce  et  de  gravite  tres  apprcciable  dans  les  lo- 
calites  oü  l'on  a pu  ameliorer  les  eaux  de  boissons. 

Le  paludisine  tend  a disparuifre  a mesure  que  les  ri vieres  sont  cultivees: 
on  no  constate  plus  les  fornies  gravee  que  dans  les  postes  eloignes  et  dans  les 
localites  oü  l'on  affectue  de  grands  travaux  de  terrassement. 

La  fievre  typhoide  est  beauoonp  plus  frequente  que  le  cholera  eher,  les 
Europeens,  tandis  que  le  cholera  sovit  ebaque  anneo  chez  les  indigenes. 

Outre  les  deces,  les  rapatriements  ont  eto  tres  nombreux,  228  |iour  1000 
pour  rinfaiiterio  do  marine,  349  |iour  mille  pour  l’artillerie  de  marine;  une  assez 
g lande  proportion  de  ces  rapatriements  est  due  a des  maladies  sjioradiques,  mais 
ce  sont  les  maladies  endemiques,  surtout  la  dysenterie,  qui  on  'ont  necessitc  le 
plus  grand  nombre.  C.  F.  (Liege). 


Ltt  Troupe«  Colonialei.  II.  Maladlot  du  toldat  aux  payt  chaudt  p.  F.  Burot  et  M. 

A.  Legrand.  Paris.  Boiliiere  et  Fils  1897. 

Nachdem  die  Verf.  im  ersten  in  diesem  Archiv  referirteu  Theil  ihres 
dreibändigen  Werkes  ziffemmässig  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus,  in 
5jährigen  Perioden  die  Statistik  bearbeiteten  und  bis  vor  einigen  Jahren,  um  es 
hier  voranzustellen,  42,95  pro  1000  Mann  als  allgemeine  Mortalitätsziffer  fanden, 
gehen  sie  in  diesem  Bande  darauf  aus,  zu  bestimmen,  welche  Krankheiten  diese 
Zahl  in  den  Colonien  bedingen,  welches  ihre  Ursachen  speciell  im  militärischen 
Leben  waren,  seien  sie  örtlicher  Natur  in  Tropen  und  Subtropen,  oder  abhängig 
von  anderen  Einflüssen,  und  weshalb  sie  hier  und  da  die  Malignität  der  Krank- 
heiten befördern. 

Nach  diesem  Plane  werden  in  12  Capiteln  abgehandelt  Paludismus,  Diarrhoe 
und  Dysenterie,  Hepatitis,  Insolation  und  Hitzschlag.  Cholera,  Gelbfieber,  Typboid- 
fieber,  Tuberculose.  Im  9.  Capitel  unter  verschiedenen  Krankheiten  die  gleichen 
wie  in  Europa,  so  Nervenkrankheiten,  Lungen-,  Magenkrankheiten,  Hautkrank- 
heiten. Syphilis  u.  s.  w.  Daun  in  besonderen  Capiteln  chirurgische  Krankheiten 
resp.  Verwundungen  im  Kriege,  Unglücksfälle.  In  einem  kürzeren  Referate  ist 
es  unmöglich,  den  ganzen  knapp  besprochenen  aber  reichen  Inhalt  des 
Bandes  wiederzugeben,  aus  der  Fülle  des  Gebotenen  möge  aber  Einzelnes  hervor- 

* B.  Archiv  Mr  Schiffe-  und  Tt()penbyg1*nCi  1897,  Bud  I,  8.  20 S (Bet.). 


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358 


II.  Besprach ungen  und  Litte  ratu  rangaben. 


gehoben  werden.  Die  Malaria,  Paludisme  der  Franzosen,  rafft  unter  1000 •Ge- 
storbenen der  Colonialtruppen  f.00  dahin,  also  60%,  die  Diarrhoe,  Dysenterio 
und  Hepatitis  200  pro  1000.  Noch  nicht  35  Verwundungen  kommun  auf 
1000  Krankheitsfälle,  während  in  Dahomey  104  Todesfälle  auf  1000  Verwundungen 
überhaupt  entfielen,  eine  nicht  so  kleine  Zahl!  Allein,  betrachtet  man  die  Art 
(Schussfracturen)  der  Verwundungen,  bei  denen  in  grosser  Anzahl  vergiftete 
Wunden  geschaffen  wurden,  so  erscheint  sie  viel  geringer  als  die  in  europäischen 
Kriegen.  Ausserdem  starben  in  den  Colonialkriegen  an  Verwundungen  unmittel- 
bar auf  dem  Schlachtfelde,  wo  Colonialtruppen  oft  in  nächster  Nähe  des 
Feindes  sich  befinden,  resp.  mit  ihm  haudgemein  werden,  mehr  als  */,,  aller  durch 
V erwundungen  Eingegangener.  Die  Distanz  der  Kämpfenden  in  Dahomey,  Tonkio  etc. 
betrug  meistens  nur  50 — 200  Meter,  niemals  war  sie  höher  als  500  Meter. 
An  anderen  Orten  in  den  Tropen  giebt  uns  die  Statistik  von  1890  z.  & nur 
16,4  Todesfälle  auf  1000  Verwundungen  an.  Der  Tetanus  spielt  unter  den 
Todesursachen  der  Verwundeten  die  Hauptrolle,  selbst  bei  Phagedaenismus 
tropicus.  Die  Verfasser  fanden,  dass  die  hauptsächlichsten  Krankheitsursachen 
für  Tropenkrankheiten  und  eigenartige  Zustände  sonstiger  Krankheiten,  wio  man 
sie  in  den  Tropon  antrifft,  im  Boden  und  im  Klima  wurzelten  In  der  Periode 
der  grossen  Endemien  überwogen,  wie  auch  sie  fanden,  die  tellurischen  Einflüsse, 
die  Rolle  des  Klimas  hingegen  sei  eine  secundäre.  Diese  Sätze  suchen  die  Ver- 
fasser mit  Geschick  und  indem  sie  eine  hervorragende  Beobachtungsgabe  zeigen, 
zu  beweisen,  sowohl  bei  dem  Capitel  Paludisme-Malaria  — als  bei  denen 
über  Enteritis  und  Dysenterie  in  Verbindung  mit  Hepatitis.  Man  kann  ach 
nicht  dem  Eindruck  entziehen,  dass  ihre  Beobachtupgen  und  Versuche  beweis- 
kräftig sind,  besonders,  wenn  man  die  Ziffern  der  Mortalität  und  Morbidität  der 
Europäer,  welche  permanent  am  Lande  blieben,  mit  denen  vergleicht,  welche  an 
Bord  von  Schiffen,  und  wie  Verfasser  hervorheben,  auch  nur  300  Meter  vom 
Lande  entfernt,  vorherrschten  und  dazu  die  Erfolge  der  Krankenbehandlung  an 
Bord  in  Beziehung  auf  die  von  an  Land  Erkrankten  oder  bereits  Beliandelten 
in  Betracht  zieht.  — Man  überzeugt  3ich  dann,  welcher  eclatante  Unterschied 
zu  Gunsten  der  Ausschaltung  des  Bodens  am  Schiffe,  (mehr  als  %)  wenn  auch 
ganz  in  der  Küstennähe,  hervortritt.  Nach  Verf.  Untersuchungen  ist  lehmiger 
Untergrund,  worin  Wasserstanung  und  Ansammlung  stagmrender  Feuchtigkeit  in 
den  obersten  Bodenschichten,  nöthig  zur  massenhaften  Entwicklung  von  Malana- 
keimen,  sowie  denen  der  Dysenterie.  Die  Malariakeime  denken  sie  sich  so  an 
der  Bodenoberfläche  und  Pflanzendecke  haftend,  welche  besonders  bei  be- 
ginnender Austrocknung  gegen  Ende  der  Regenzeit  mit  der  Luft  leichter  io 
Contact  kommen  können.  (Insecten?  Ref.)  Der  Infectionsmodus  gebt  narb 
Verff.  vor  sich  nicht  von  Organismus  zu  Organismus,  sondern  durch  Dazwischen- 
kunft  des  Bodens  mit  stagnirendem  Wasser.  Die  Dyseuterieamöben  befinden 
sich  auch  hauptsächlich  im  Stauwasser,  resp.  Pfützen  und  dem  Wasser  aus 
oberflächlichen  Bodenschichten.  Am  meisten  beweiskräftig  für  die  Anschauungen 
der  Verf.  ist  das  glänzende  Resultat  der  Franzosen  in  den  jüngst  verflossenen 
Jahren,  welches  sie  theils  durch  Bodenassanirung  — Verbindung  künstlicher 
Drainage  mit  schon  vorhandener  natürlicher  — erreichten,  theils  dadurch,  da» 
sie  Truppencantonnements  auf  Boden  mit  Wasserstau  vermieden  und  das  Tnnk- 
wasser  sanirten.  An  den  betreffenden  Plätzen  sahen  sie  dabei  die  Mortalität  der 
Colonialtruppen  von  42,95  auf  5,4  pro  1000  Manu  herabsinken.  Die  i® 


II.  Besprach ungen  und  Litteraturangaben. 


369 


III.  Bande  gegebenen  Verhaltungsmaassregeln  für  die  Truppen  in  den  Tropen 
und  Administrationsoinrichtungen  reihen  sich  diesen  grundlegenden  Haassnahmcn 
nur  an.  C.  Bäubier  (Berlin). 


Conaidlrations  gdndrales  sur  la  morbidlM  et  ia  mortallM  de  l’annde  1897.  Apercu 
demographiqne  de  la  Martinique.  Gries.  Annales  d'hygiene  et  de  medeeine 
coloniales,  1898,  p.  234. 

la  population  totale  est  d'environ- 190000  habitants.  La  mortalite  et  la 


nataiite  annuelles  (par  1000)  ont  ete: 

Annee  Mortalite  Nataiite 

1894  32,3  28,5 

1895  23,7  27,4 

1896 22,3 26,9 

Moyenne  annuelle:  28,1  27,6 


La  mortalite  considerable  de  1894  est  accidentelle  et  due  A uno  epidemie 
de  grippe;  la  moyenne  des  deux  annee»  1895 — 1896  soit  23  pour  1000,  est  ä 
jieine  superionre  ii  la  mortalite  franoame,  malgro  la  densite  beaucoup  plus  grande 
de  la  population  dans  l'ile.  Celle-ci  compte  en  effet  191  habitants  par  kilometre 
carre,  alors  que  la  France  en  compte  seulement  72. 

La  nataiite  (27,6  pour  1000)  est  plus  elevee  qu'en  France;  le  nombre  des 
naissances  illegitimes  parait  etre  considerable,  la  nuptialite  etant  tres  faible. 

Dans  la  gamison  la  mortalite  a ete 


en  1893  6,14  pour  1000 

» 1894  7,tö  „ „ 

» 1895  11,40  „ „ 

„ 1897  20,8  „ „ 


L'augmentation  de  la  mortalite  en  1897  est  due  & une  epidemie  de  fievre 


jaune. 

Une  statistique  oomparative,  ne  portant  malheureusement  que  sur  une 
Periode  de  quatre  mois,  tendrait  ä etablir  que  les  troupes  creoles  ont  une  mor- 
bidite  plus  grande  que  les  troupes  europeennes  de  la  garnison. 

Du  l«r  Septembre  au  31  Decembre  1897  la  morbiditn  a ete 
pour  les  soldata  europeens  172  pour  1000 
„ „ „ creoles  249  „ „ 

Parmi  les  diverses  inaladies  observees  en  1897  dang  la  garnison  nous  notons 
26  cas  de  fievre  jaune  dont  10  (leces 
4 „ » grippe  dont  0 decös 

101  „ „ malatlies  endemiques  diverses  dont  2 deces 
81  „ „ mal.  sporad.  (f.  typhoide)  dont  3 deces 

48  „ „ inaladies  chirurgicales  dont  0 deces 
34  „ „ inaladies  veneriennes  dont  0 dece» 

10  „ „ maladies  cutanees  dont  0 deces. 

C.  F.  (Liege). 


L’attlgtince  publique  aux  coloniet.  A.  Kermorgant.  Annales  d’hygiene  et  de 
medeeine  coloniales,  1898,  p.  244. 

M.  le  docteur  A.  Kermorgant,  inspecteur  general  du  Service  de  sante  des 
colonies  fran^aises,  a consacre  une  etude  tres  interessante  & la  qnestion  si  deli- 
cate  de  Tassistanco  publique  dans  les  possessions  franvaises. 


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360 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


On  sait  que  le  Ministers  des  Colonies  possede  en  France  un  persoonei 
medical  special ; ces  inedecins  sont  adjoints  aux  gouvorneurs  des  colonies  non 
seulement  pour  soigner  les  malades,  mais  pour  lui  servir  de  conseillers  dans  le 
regiement  des  questions  d’hygiene  et  de  polioe  sanitaire.  On  cherclie  k eviter 
ainsi  que  daos  certaines  possessions  oü  les  lüttes  de  partis  sont  tri»  aigues,  1'ia- 
teret  des  |>opulations  ne  soit  sacrifiö  a des  interets  electoraux. 

Le  departeinent  des  colonies  a pris  a sa  Charge  les  anciens  höpitaux  rnili- 
taires  et  en  a fait  des  höpitaux  coloniaux,  oü  sont  re$us  non  seulement  les 
fonctionnaires  de  la  oolonie,  europeens  ou  indigenes,  mais  les  colons,  les  femmes 
et  les  enfants.  On  fixe  chaque  anoee,  pour  les  malades  autres  que  les  militaires, 
un  prix  de  la  journee  d'höpital,  etabli  on  faisant  intervoair  Ta  supputation  des 
frais  göncraux;  on  arrive  ainsi  ä faire  rembourser  par  le  budget  local  et  par 
les  particuliers  une. notable  partie  des  depenses.  L’Etat  garde  k sa  Charge  les 
frais  d’hospitalisation  des  militaires  et  une  partie  de  la  solde  du  personnel  me- 
dical; de  la  sorto  les  sommes  dcpensees  par  l'Etat  sont  relativement  faibies,  toat 
en  assurant  aux  fonctionnaires  ct  aux  colons  un  reel  confort  et  des  soins  eclaires. 

C’est  ainsi  qu  a la  Guadeloupe  le  fonctionnement  de  tout  le  Service  medical, 
y compris  les  soins  donnes  aux  militaires  de  la  garnison,  ne  coüte  ä l’Etat  qnt* 
26651  francö  (20699  pour  le  personnel  et  5952  pour  le  materiel). 

Dans  les  colonies  qui  jiossedeut  des  ressources  süffisantes  (Mayotte;  Nossi- 
Be,  Dahomey,  Congo,  Cote  d’ivoire,  Guinee  franvaise)  le  Ministere  fait  aujour- 
d’hui  supporter  tous  les  frais  au  budget  local;  mais  il  lui  prete  son  personnel. 
survoille  les  achats  de  vivros,  de  inedicaments,  de  materiel  et  controle  les  de- 
penses. 

A coto  de  cette  assistance  hospitaliere,  destinee  surtout  au  jiersonncl  eu- 
ropeen,  il  existe  dans  beaucoup  de  colonies  fran«;aises  une  assistance  publique 
pour  les  indigenes;  ce  sont  « des  hospicos,  dos  leproseries,  des  asiles  d’alieo*. 
« des  dispensaires,  des  ouvroire,  des  creches,  des  bureaux  de  bienfaisance.  Les 
« hospices  n’admettent  en  general  que  les  natifs  indigents.  Quelques  uns  cepen- 
« dant  peuvent  recevoir  d'autres  categories  de  malades;  mais  les  (»ersonnes  qui 
« sont  on  mesure  de  payer  preferent  de  beaucoup  so  faire  traiter,  malgre  U 

• differonce  de  prix,  & l’höpital  colonial  oü  ils  sont  sür  de  trouver  le  confort  et 
« les  soins  que  ne  sauraient  leur  procurer  les  hospices.  Ceux-ci  ne  sont  en  effet 
« que  des  ötablissements  assez  rudimentaires  ...  On  ne  saurait  songer  ä y diriger 

• un  fonctionnaire,  si  modeste  füt-il.  » 

M.  Kermorgant  fait  une  Enumeration  detaillee  de  ces  ötablissements  d’issi- 
stance  publique  destines  plus  specialemeut  aux  indigenes  a la  Martinique,  a 1» 
Guadeloupe,  ä la  Reunion,  ü la  Guyane  et  en  Cochinchine;  il  fournit  des  ren- 
seignements  tres  precis  sur  leurs  budgets.  L’auteur  expose  la  necossite  de  eon- 
server  ooncurremment  ces  deux  systemes  d’assistance  publique,  qui  s’adressint 
a une  « clientele  » tres-differente,  ont  besoin  d'une  Organisation  distiocte.  La  pre- 
sence  des  * medecins  coloniaux  » nommes  par  l’Etat  pennet  ii  celui-ci  d'exercer 
une  inflnence  directrice  eminemment  utile  sur  lVeuvre  si  diffteile  et  si  complexe 
de  rassainissement  des  colonies,  et  lü  meine  oü  l’occupation  militaire  est  reduite 
k url  minimum  et  semblerait  rendre  inutile  un  personnel  medical  special  offidelle- 
inent  attache  k la  colonie,  il  importe  que  l’Etat  conserve  sa  part  d’autorit1  dao* 
le  Service  des  höpitaux  destines  aux  fonctionnaires  et  aux  colons. 

Nous  ne  pouvons  que  uous  associer  aux  idees  de  M.  Kermorgant:  il  oons 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben.  361 

parait  que  dans  les  colonies,  oü  le  laisser-ailer  domine  trop  souvent  la  vie,  il  y 
aurait  un  reel  danger  it  laisser  entierement  aux  autorites  locales,  et  surtout  4 des 
autorites  electives,  l'initiative  et  la  direction  dee  mesures  d’hygiüno.  Nous 
connaissc  ns  trop  la  repugnance  des  communee,  en  Europa  meme,  4 inscrire  4 
leur  budget  des  depenses  d'assainissement,  pour  douter  un  instant  des  avantagee 
d'une  intervention  du  pouvoir  central,  et  aux  colonies,  oü  il  y a plus  de  choses 
4 faire  dans  cette  voie,  cette  intervention  doit  etro  encore  plus  energique,  pour 
assurer  la  protection  des  fonctionnaires  et  des  soldats  envoyes  par  la  metropole. 

M.  Kermorgant  termine  son  etude  par  l'expose  des  mesures  d’interet  general 
prises  par  le  Service  de  sante  des  colonies  pour  oombattre  diverses  maladies  evi- 
tables  qui  frappaient  surtout  les  populations  indigenes. 

Un  institut  vaccinogene  a ete  fonde  4 Saigon  (Cochinchine)  en  1890;  il 
donne  d’excellents  resultats,  gräce  4 l'emploi  de  jeunes  buffles  pour  l'obtention 
de  la  lymphe  vaccinale.  Pendant  l’annoe  1895  on  a prepare  4 l'aide  de  250  bufflons, 
80000  tubes  de  vaccin  dont  chacun  pent  servir  4 l’inoculation  de  40  personnes; 
une  grande  partie  de  ces  tubes  a ete  distribuee  non  seulement  dans  les  colonies 
francaises  de  l’Extreme  Orient  mais  ä Hong-Koog,  Shanghai,  Singapore,  Bangkok, 
Canton,  Yunnan,  Manille.  On  a meme  pu ' envoyer  de  ce  vaccin  4 la  Reunion, 
4 Mayotte,  Nossi-Be,  Diego-Suarez,  Obock,  oü  il  a donne  des  resultats  superieurs 
au  vaccin  d’Europe.  En  Cochinchine  meme  on  a pendant  cette  annee  1895 
vaccine  182153  individus,  dont  116144  pour  la  premiere  fois,  avec  90  pour  100 
de  sucoes. 

Les  resultats  n’ont  pas  tarde  4 se  faire  sentir:  la  mortalite  par  variole,  si 
elevee  dans  certaines  colonies,  a beauooup  diminue  et  en  Cochinchine  notamment, 
oü  le  nombre  des  vaccinations  a ete  considerable,  la  population  indigöne  a 
augmente  de  pres  d’un  quart:  jusqu'en  1885,  la  Cochinchine  eomptait  moins  de 
1800000  Smes,  chiffre  qui  ne  paratt  pas  avoir  etc  depasse  anterieurement;  en 
1891,  quelques  annees  apres  la  pratique  en  grand  des  inoculations  vaccinales, 
la  population  s’elevait  4 2034453  babitants;  4 la  fin  de  1896  on  en  eomptait 
2262813. 

Un  second  institut  vaccinal  a ete  installe  4 St-Louis  du  Senegal,  et  un 
troisieme  va  l’etre  4 Madagaskar. 

A ces  instituts  a ete  annexe  un  Service  special  pour  la  vaccination  antira- 
bique*). 

Enfin  un  institut  bacteriologique  a ete  fonde  4 Nha  Trang,  dans  l’Annam 
pour  l’etude  de  la  vaccination  antipesteuse. 

Ajoutons  que  le  serum  antivenimeux  du  Dr.  Calmette,  medecin  principal 
des  colonies  et  directeur  de  l’Institut  Pasteur  de  Lille,  a ete  repandu  gratuitement 
par  ce  savant  dans  les  colonies  franqaises  oü  il  rend  de  grands  Services. 

Puissent  les  pouvoire  publics  pereeverer  dans  cette  voie  et  se  penetrer  de 
cette  idee  si  simple  et  si  souvent  meconnue  que  dans  les  colonies  les  depenses 
les  plus  urgentes  sont  celles  qui  assurent  la  vie  et  la  sante  des  colons. 

C.  F.  (Liege). 

Dia  Akklimatisation  das  Euraplars  In  den  Tropan  von  Stabsarzt  Dr.  Koerfer  in 

Schlettstadt,  Deutscb-med.  Wochenschr.  1898,  Nr.  27  u.  28. 

Die  Erschwerung  der  Akklimatisation  des  (Nord-)  Europäers  in  den  Tropen, 

•)  8.  Archiv  für  Schiff*-  and  •jv0pcnbygieoe>  B*nd  I,  i897,  B.  81  (Ref.) 

Archiv  far  Schifft-  a Tropenhy^  U.  27 


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362  11.  Besprechungen  und  Litte  raturangaben. 

und  das  chronische  Siechthnm,  welchem  er  dort  anheimfiült,  basiren  nicht  uf 
einer  Erschwerung  der  Wärmeabgabe.  Hierfür  sprechen  die  bekannten  Unter- 
suchungen Eykman’s,  welche  ergaben,  dass  „im  ruhenden  Körper  Wärmeabgabe 
und  Wärmeproduction  beim  Malaien  und  Europäern  im  wesentlichen  dieselbe  »ist 
und  die  Körpertemperatur  bei  keinem  von  beiden  eine  Erhöhung  erfährt1,  ferner 
die  Thatsache,  dass  Europäer  sich  in  den  Tropen  bei  körperlicher  Arbeit  im  all- 
gemeinen wohler  fühlen,  als  bei  müssigem  Leben  auf  der  Station,  endlich  die 
grosse  Seltenheit  des  Hitzschlages  in  den  Tropen  — K.  sah  in  27,  Jahren  keines 
einzigen  Fall.  — Verfasser  sieht  die  Ursache  der  Erschwerung  der  Akklimatisa- 
tion des  Europäers  in  den  Tropen  in  einer  unzweckmässigen  Lebensweise  und 
zwar  einer  zu  reichlichen  Zufuhr  von  Fetten,  zum  Theil  schädlichen  Sorten, 
und  von  Alcohol  d.  h.,  in  einer  chronischen  Intoxication  mit  Propylalcohol  und 
Aethylalcohol.  K.  erinnert  daran,  dass  vom  Aequator  nach  dem  Nordpol  die 
Menge  der  vegetabilischen  Nahrungsmittel  allmälig  ab-,  die  Quan- 
tität der  animalischen  Nahrungsmittel  und  damit  auch  des  Fettes 
zunimmt,  dass  ferner  jede  der  bekannten  3 Zonen  auf  unserem  Planeten  ihr 
bestimmtes  Fett  hat  (Thranzone,  Schweinefettzone  [nach  dem  Hauptfettrepräsen- 
tanten der  warmblütigen  Thiere]  und  Oelzone).  Es  ist  nicht  gleichgültig, 
welche  Art  und  welche  Menge  von  Fett  man  in  den  verschiedenen 
Zonen  geniesst:  die  Fette  der  jeweilig  kälteren  Zone  sind  in  der 
nächstwärmeren  gesundheitsschädlich,  ln  diesem  Sinne  zu  verwerten 
sind  die  Facta,  dass  fettreiche  Nahrung  im  Sommer  schlechter  vertragen  wird, 
als  im  Winter,  die  Wintermonate  sich  zu  Leberthrancuren  besser  eignen,  der 
Leberthran  in  der  kalten  Zone  ein  Nahrungsmittel,  in  der  gemässigten  ein  Arznei- 
mittel ist,  nicht  zum  wenigsten  das  Verbot  des  Schweinefleischgenusses  in 
Talmud  und  Koran,  hervcrgegangen  aus  der  Erkenntniss  der  Schädlichkeit  dieser 
Fettsorte  im  heimathlichen  Klima.  — Wahrscheinlich  erklären  sich  die  Tropen- 
diarrhöen zum  Theil  durch  übermässigen  und  un zweckmässigen  Fettgenuss,  die 
Tropenanämie  durch  chronischen  langsamen  Zerfall  der  rothen  Blutkörperdien 
infolge  fortgesetzter  geringer  Ueberladung  des  Blutes  mit  Glycerin,  wie  sie  bei 
überreichlichem  Fettgenuss  in  den  Tropen  eintritt  (?  Ref.).  Vielleicht  (?  Bei) 
beruhen  die  Schwarz  Wasserfieber  auf  einer  combinirten  Giftwirkung  der  Malaria- 
toxine  und  des  Glycerins  und  zeigen  sich  nur  deshalb  nicht  bei  dem  Eingebo- 
renen, weil  er  ebeu  nicht  fortgesetzt  seinen  Körper  mit  Glycerin  vergiftet  — 
Intravenöse  und  subcutane  Glycerininjectionen  erzeugen  bekanntlich  Hämoglo- 
binurie, Glycerin  ist  andererseits  in  jedem  Fette  enthalten. 

R.  Pfeiffer-Cassel. 


Dl«  KamerunkDst«.  Studien  zur  Klimatologie,  Physiologie  und  Pathologie  in  den 
Tropen  von  Dr.  Friedrich  Plehn.  Berlin,  Hirschwald  1898. 

Die  sehr  hübsch  geschriebene,  356  Seiten  umfassende  Monographie  Plehn* 
giebt  ein  anschauliches  und  abgerundetes  Bild  über  alle  diejenigen  Verhiltnaw 
der  Colonie,  welche  den  Arzt  interessiren,  und  kann  in  dieser  Hinsicht  geraden 
vorbildlich  wirken.  Denn  es  ist  nicht  nur  Krankheit  und  Gesundheit,  sondern 
in  feinem  zu  erschliessenden  Colonisations-Gebiet  noch  mancherlei  Anderes,  wo- 
rauf der  Arzt  zugleich  in  seicer  weiteren  Eigenschaft  als  Naturforscher  und 
Mensch  sein  Augenmerk  zu  richten  hat;  und  als  ein  solcher  tritt  uns  der  Ver- 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


363 


fassor  überall  entgegen.  Dass  er  das  Ganze  unter  dem  grosseren  Gesichts- 
winkel einer  langjährigen  tropischen  Erfahrung  siebtet  und  der  Literatur  dabei 
eine  ausgedehnte  Berücksichtigung  angedeihen  lässt,  gereicht  dem  Buche  noch 
zu  höherer  Werthschätzung;  und  in  dieser  Hinsicht  hebt  sich  dasselbe  aus  dem 
Rahmen  einer  localen  Monographie  weit  heraus  und  wirkt  anregend  und  belehrend 
auf  jeden  Gebildeten,  welcher  an  der  Eigenartigkeit  tropischer  Lebensverhältniase 
überhaupt  Gefallen  findet. 

Aus  dem  reichen  Inhalt  des  Buches  hebe  ich  nur  das  Folgende  hervor: 

I.  Klimatische  Verhältnisse.  In  Kamerun  besteht  eine  Regen-  und 
eine  Trockenzeit;  die  Regenzeit,  von  Ende  Mai  bis  October  ist  zugleich  trotz  des 
höchsten  Sonnenstandes,  die  kühlste  des  Jahres;  die  tiefste  mittlere  Temperatur 
hatte  (1.93/94)  der  October  mit  24,3°,  die  höchste  mittlere  Temperatur  der 
Januar  mit  26,6°.  Januar,  Februar  und  März  sind  die  wärmsten  Monate.  Während 
der  Trockenzeit  ist  die  tägliche  Teperaturkurve  eine  ziemlioh  gleicbmässige; 
in  die  Zeit  kurz  vor  Sonnenaufgang,  also  zwischen  6 — 6 Uhr,  fällt  das  Temperatur- 
minimum; dann  steigt  die  Tagescurve  steil  an,  erreicht  ihr  Maximum  gegen 
2 Uhr  Mittags,  um  von  da  ab,  langsam  und  stetig  bis  zum  Minimum  wieder 
abzufallen.  Die  Tagestemperaturkurve  während  der  Regenzeit  ist  dagegen  eine 
unregelmässige.  Die  mittleren  Tagesmaxima  liegen  zwischen  26,2°  und  30,2°; 
der  höchste  Werth  überhaupt  betrug  32,8°  (Mai  1894);  die  mittleren  Tages- 
mini ma  schwankten  zwischen  21,4°  und  23,4°;  die  niedrigste  beobachtete 
Temperatur  betrug  20,1  ° (März  und  Juni  1893).  Die  durchschnittliche  tägliche 
Temperaturschwankung  betrug  6,8°.  Das  bezieht  sich  Alles  jedooh  nur  auf  die 
Küstenebene.  Das  Klima  im  Gebirge  nähert  sich  mehr  den  europäischen 
Temperaturverhältnissen,  auch  hinsichtlich  der  täglichen  Temperaturschwankung, 
welche  bereits  auf  der  c.  500  m hohen  Barombistation  14,4°  betrug. 

Die  Luftfeuchtigkeit  ist  eine  ausserordentlich  hohe,  88%  im  Mittel 
(1898/94)  an  der  Küste,  75%  im  Binnenlande. 

Trotz  der  fast  völligen  Sättigung  der  Luft  mit  Wasserdampf  ist  Nebel- 
bildung dank  der  kräftigen  See-  und  Landbrise  im  Kamerunthaieselten,  anders 
ist  es  in  den  tiefer  eingeschnittenenen,  die  Richtung  der  Brise  mehr  oder  weniger 
kreuzenden  Nebenflüssen. 

Am  Tage  weht  der  Wind  von  Westen  (Seebrise),  in  der  Nacht  von  Osten 
(Landbrise).  Die  Tornados  sind  stark  webende  Landwinde  von  nordöstlicher  oder 
südöstlicher  Richtung;  erst  wenn  sie  das  Meer  erreichen,  nehmen  sie  den 
Charakter  des  gefürchteten  Wirbelwindes  an;  die  Dauer  des  Tornado  währt 
höchstens  2 Stunden. 

n.  Ueber  die  Beeinflussung  einiger  physiologischen  Funktionen 
des  Europäers  durch  das  tropische  See-  und  Tiefland-Klima. 

Wie  Plehn  bei  vorübergehendem  Aufenthalt  in  heisseD  Räumen,  z.  B.  den 
Maschinenraum  des  Dampfschiffes,  eine  vorübergehende  Steigerung  der 
Körpertemperatur  von  im  Mittel  0,4°  C-  konstatirte,  welche  durch  körper- 
liche Anspannung  noch  erheblich  erhöht  werden  konnte,  so  fand  er  bei  seinen 
Selbstvereuchen , beim  Uebergang  aus  der  gemässigten  in  die  Tropenzone,  und 
zwar  proportional  dem  Ansteigen  der  Luftemperatur,  eine  unverkenn- 
bare Zunahme  der  Körperwärme  von  86,6°  auf  37,6°,  und  an  5 weiteren  Ver- 
suchspersonen einen  mittleren  Anstieg  um  0,46°.  Dabei  kommt  es  auf  die 
Zeit  der  Ausreise  an;  fällt  di^e]be  in  den  Sommer,  so  kann  diese  Temperatur- 

27* 


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364 


II.  Besprechungen  und  Litteraturang&bcn. 


differenz  auch  ganz  fortfallen.  „Bei  längerem  Tropenaufenthalt  tritt  als  eins  der 
Zeichen  erfolgter  Äccliinatisation  ein  Ausgleich  der  Körpertemperatur  in  der  Art 
ein,  dass  der  in  den  Tropen  lebende  Europäer  dieselbe  Körpertemperatur  hat, 
wie  in  den  gemässigten  Breiten“.  Die  Davy’sche  Annahme,  dass  die  Körper- 
wärme des  Tropenbewohners  um  1°  F.  erhöht  sei,  konnte  demnach  nicht  be- 
stätigt werden.  Die  Körpertemperatur  der  westafrikanischen  Neger  zeigt 
keine  charakteristische  Abweichung  gegenüber  der  des  acclimatisirten  Europäer*. 
Auch  hinsichtlich  des  Pulses  war  ein  besonderes  abweichendes  Verhalten  weder 
bei  Europäern,  noch  bei  Schwarzen,  zu  konstatiren.  Dagegen  ergaben  Blut- 
druckv ersuche  an  der  Art.  temporal,  dextra,  im  Allgemeinen  niedrigere  Werthe 
(um  0.6 — 16,7  mm  Hg)  als  in  der  Heimath.  Hinsichtlich  der  Respiratioos- 
frequenz  ergab  sich  keine  wesentliche  Verschiedenheit  beim  Europäer  in  ge- 
mässigten Breiten  und  bei  längerem  Aufenthalt  in  den  Tropen.  Das  Gleiche  gilt 
von  der  Urinmenge,  welche  nur  relativ,  d.  h.  im  Verhältniss  zu  der  Flüssig- 
keitsaufnahme verringert  ist,  dem  specifischem  Gewicht  (1022  bis  1027)  und 
der  Reaction  des  Urins  (sauer).  Auch  charakteristische  Veränderungen  des 
Blutes,  besonders  hinsichtlich  der  Zahl  und  Grösse  der  Blutelemente,  konnteo 
bei  gesunden  Individuen  in  den  Tropen  nicht  festgestellt  werden;  die  sogen&nute 
Tropenanämie  ist  demnach  auch  nach  der  Annahme  Plehns  eine  pathologische 
Erscheinung.  Alles  in  Allem  scheint  auch  nach  Plehns  Beobachtungen  ein  ab- 
weichendes Verhalten  der  hauptsächlichen  physiologischen  Funktionen  in  den 
Tropen  nicht  zu  bestehen. 

III.  Die  Malaria  in  Kamerun.  Dieses  Capitel  ist  mit  grosser  Aus- 
führlichkeit behandelt  und  umfasst  nicht  allein  eine  Klinik  der  Kameruner 
Malaria,  sondern  der  Malaria  der  Tropen  überhaupt  Plehn  hat  hierbei  -seine 
neuesten  ostafrikanischen  Forschungen  vielfach  mit  heranzieben  können.  Inter- 
essant sind  seine  Nachprüfungen  der  Ross  (Manson-) sehen  Muskito-Versucbe. 
wiewohl  dieselben  zu  einem  positiven  Ergebniss  nicht  führten.  Er  fand  in  den 
mit  Malariablut  gefütterten  Mosquitokörpem  die  grossen  pigmentirten 
Amoeben  nach  2 — 3 Stunden  nach  der  Aufnahme  lebens-  und  beweguogs- 
fähig;  doch  konnte  er  „sporulationsähnliche  Vorgänge“  bei  ihnen  nicht  beobachten: 
„nach  *4 — b Stunden  waren  die  Parasiten  ausnahmslos  abgestorben,  uufarbbar  und 
unbeweglich,  soweit  sic  sich  in  den  veränderten  Blutkörpern  überhaupt  noch  er^ 
kennen  Hessen  ....  Nach  noch  kürzerer  Zeit  starben  auscheineud  die  kleinen 
pigmentlosen  amöboiden  Formen  ab",  nämlich  schon  nach  */*  Stunde. 
Halbmonde  erweisen  sich  als  widerstaudfähiger;  doch  konnte  die  Umwandlung 
derselben  in  die  ovaläre  oder  anuere  Formen  (Ross)  ebenfalls  nicht  bestätigt 
werden.  Auch  die  Versuche,  durch  mit  Malariablut  gefütterte  Mosquitos,  beim 
Menschen,  eine  Infection  hervorzubringen,  ergaben  kein  ein  wandsfreies  Resultat. 
Immerhin  mag  die  Möglickeit,  dass  solches  einmal  geschehen  könne,  zugegeben 
werden.  Doch  sprechen  die  Kameruner  Verhältnisse  ganz  und  gar  dagegen, 
dass  dieses  etwa  der  gewöhnliche  lnfectionsmodus  sei.  Auch  die  Trink wasser- 
thoorie  erfährt  durch  die  Kameruner  Beobachtungen  keinerlei  Stütze.  Mit  be- 
kannter Vorliebe  verweilt  der  Verf.  bei  dem  „Schwarzwasserfieber“.  Die  zahl- 
reichen aufgeführten  Krankengeschichten,  z.  Thl.  mit  den  dazu  gehörigen  Sectioo*- 
protokullen  lassen  an  Ausführlichkeit  nichts  zu  wünschen  übrig.  Interessant  ist 
der  Hinweis,  dass  das  Schwarzwassel  lieber  durch  das  gelegentliche  Auftreten  von 
Herzthront  bösen,  intra  vitam  durch  Spitzengeräusch  wahrnehmbar,  sehr  an- 


II.  Besprechungen  und  IJtteruturangabon. 


365 


günstig  komplicirt  werden  kann.  Wie  bei  dem  Sch  warzwas.se  rfiebcr  so  nimmt 
Plehn  übrigens  bei  jedem  Malariafieber  in  mehr  oder  weniger  ausgesprochenem 
Orado,  einem  Zerfall  rother  Blutkörperchen  an  und  erblickt  event.  darin  sogar 
(wie  Kef.)  die  direkte  Ursache  des  Fieberanfalls.  Neben  dem  Schwarzwasserfieber 
ist  auch  der  eng  damit  zusammenhängenden  Chininbaemoglobinurie  ein 
breiter  Raum  gewidmet,  ohne  dass  es  mit  Bestimmtheit  ersichtlich  ist,  ob  I’lebn 
diese  beiden  Begriffe  vollkommen  identificirt. 

Zwei  weitere  Capitel  sind  den  nicht  auf  Malariainfection  beruhenden  Krank- 
heiten und  den  allgemeinen  sanitären  und  hygienischen  Verhältnissen  der 
Kameruoküste  gewidmet.  Hervorzubeben  ist  daraus  ein  Fütterungsversuch  bei 
2 Affen  mit  den  Embryonen  der  Ftlaria  medinensis,  welche  bei  einem  Affeu 
anscheinend  ein  positives  Ergebnias  hatte,  und  wodurch  dio  Uebertragbarkeit 
des  Guineawurms  durch  den  Genuss  von  embryonenhaltigem  Wasser,  ohne 
das  Dazutreten  von  Zwiscbenwirtben,  bewiesen  erscheint. 

Die  sanitären  Erfahrungen  bezüglich  der  Colonisationsaussichten  von  Kamerun 
fasst  Plehn  dahin  zusammen,  dass  von  dem  ungesunden  Küstengebiet  ein  Rück- 
schluss auf  die  Verhältnisse  der  höher  gelegenen  Partien  der  Coloniu  nicht  statt- 
haft sei.  Hier  kommen,  wie  schon  auf  der  Yaundestation  ersichtlich,  weit 
günstigere  sanitäre  Verhältnisse  in  Betracht,  und  bleiben  in  dieser  Richtung 
weitere  Beobachtungen  Vorbehalten.  Eine  Acclimatisation  des  Europäern  an  der 
Küste  sei  nicht  denkbar. 

0.  Schellong. 


Pestnachrichten. 

Der  Monat  September  hatte  mit  1800  Erkrankungen  an  Pest  in  Bombay 
den  höchsten  Stand  der  Seuche  bezeichnet. 

In  der  ersten  Octoberhälfte  hielt  die  Zunahme  der  Krankheit  iu  Bombay 
an.  Am  3.  October  wurdon  209  Todesfälle  für  die  verflossene  Woche  gemeldet, 
aus  der  ganzen  Präsidentschaft  aber  4000.  Besonders  heftig  trat  die  Epidemie 
in  Bangalore  auf.  Der  Stand  blieb  in  der  ersten  Octoberhälfte  fast  unverändert, 
am  17.  October  berichtete  Bombay  200  Todesfälle  und  die  Präsidentschaft  4300. 
Iu  Mysore  und  Baroda  trat  die  Krankheit  stärker  auf.  In  Nordmdien  erlosch 
die  Seuche,  Kalkutta  wurde  in  der  zweiten  Octoberwoche  amtlich  für  pestfrei 
erklärt.  Mitte  October  machte  sich  eine  leichte  Besserung  bemerkbar,  soweit  die 
Stadt  Bombay  in  Betracht  kommt,  denn  am  25.  October  wurden  dort  118,  am 

1.  November  98  Pesttodte  für  die  Woche  festgestellt,  in  der  Präsidentschaft  aber 
noch  4700  bez.  5000.  In  verschiedenen  Landestheilen  nimmt  nach  Mittheilungeu 
aus  Madras  vom  19.  Nov.  die  Seuche  stark  zu.  In  Samarkand  wurde  nach  einem 
Berichte  vom  22.  October  die  Pest  in  dem  Dorfe  Anzob  amtlich  zugegeben,  wo- 
hin dieselbe  anscheinend  durch  von  einer  Karawane  eingehandelte  Kleidungs- 
stücke verschleppt  worden  ist.  Die  Krankheit  hatte  bis  zu  dem  genannten  Tage 
schon  32  Opfer  gefordert,  die  örtliche  Begrenzung  ist  jedoch  gelungen,  denn  am 

2.  November  waren  von  den  noch  vorhandenen  14  Kranken  9 genesen,  4 ge- 
storben, ein  neuer  Fall  kam  am  6.  November  hinzu,  sodass  noch  2 Kranke  iu 
Behandlung  verblieben.  Bia  Jütte  November  sind  dann  keine  weiteren  Er- 
krankungen vorgekommen. 


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366 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaberi. 


In  Wien  starb  am  19.  October  der  Laboratoriumsdiener  Bariscb.  weich« 
sich  beim  Reinigen  der  Käfige  für  Versnchsthiere  angesteckt  hatte;  der  ihn  be- 
handelnde Arzt  Dr.  Müller  und  die  pflegende  Wärterin  Pecba  erkrankten  h(M 
darauf  und  wurden  am  23.  bez.  80.  October  Opfer  ihres  Berufs.  In  Folgt 
strenger  Isolierungsmaassregeln  sind  weitere  Erkrankungen  nicht  voigekommea 

M 


b)  Pathologie  und  Therapie. 

Malaria. 

Noles  sur  le  paludisme  obssrv*  ä Dakar  (Sdntgall.  Clarac.  Annales  d'hygieot 
et  de  medecine  coloniales  1898  p.  9. 

La  Situation  de  Dakar  comme  port  d'escale  donne  aux  observations  de  1L 
Clarac  un  interet  particulier.  Les  tronpes  europeennes  de  Dakar  et  des  camp! 
representent,  avec  les  fonctionnaires  et  les  employes  de  commerce,  un  total  ie 
hnit  Cents  Europeens  environ,  qui  presque  tous  se  font  soigner  ä Fhüpital. 

La  dysenterie,  la  diarrhee  sont  rares  parmi  cette  populaüon,  et  prae 
que  toujours  benignes;  Dakar  est  en  effet  pourvu  d'une  bonne  distribution  d'eaa. 
et  l’on  pourrait  considerer  cette  rille  comme  une  des  stations  coloniales  les  plus 
saines,  si  le  paludisme  n’y  regnait  en  maitre  pendant  quatre  ou  cinq  moa  de 
l'annee  (Aoüt  — Novembre). 

Dn  des  traits  principaux  du  paludisme  ä Dakar  est  sa  disparition  k peu  pr» 
oomplete  pendant  les  septs  premiers  rnois  de  l'annee,  et  l'explosion  brusque  dimt 
Epidemie  violente  vers  la  fin  de  la  saison  des  pluies  et  dans  les  mois  qui  lui  sac- 
cedent.  La  morbidite  s'eleve  alors  k 100  % de  la  population  blanche. 

Les  malades,  k ce  moment,  ne  presentent  d’ordinaire  pas  les  trois  stad« 
bien  tr&nches  de  l'acces  paludeen  classique.  Celui-ci  ne  s’ubserve  guere  qu'aa 
debut  de  la  saison  seche,  chez  les  sujets  anterieurement  impaludes,  surtout  eher 
les  cachectiques.  In  fievre  remittente  avec  temperatures  plus  ou  moins  elevees. 
mais  prolongee  avec  des  periodes  de  remission  plus  ou  moins  nettes,  est  ie  type 
le  plus  frequent.  Selon  le  moment  et  surtout  selon  le  sujet,  ce  type  s’accompagi» 
de  symptömes  bilieux,  parfois  tres  marques.  Le  frisson  du  debut  manque  sw- 
vent  ou  passe  in  aper,- u. 

La  periode  febrile  dure  trois  ou  quatre  jours;  la  temperature,  quelle  que 
soit  dailleurs  la  medication  suivie,  tombe  ä la  fin  du  troisieme  jour  ou  *- 
oommencement  du  quatrieme. 

Dans  certains  cas,  soit  parce  que  la  remission,  tres  courte,  a passe  inapervue. 
soit  par  1 Intervention  d’acces  subintrants,  ia  fievre  affecte  la  marche  continue  et 
le  trace  thermometrique  a de  grandes  analogies  avec  celui  de  la  fievre  typhoid«. 
Toutefois  ces  cas  sont  rares  et  l auteur  considere  comme  rares  k Dakar  lee  maai- 
festations  de  la  veritable  infection  typhoide. 

Notons  qne  chez  tous  les  malades  qu'il  ränge  sous  la  rubrique  du  Psiu- 
disme,  Fauteur  a pu  constater  la  presence  de  l'hematozoaire  de  Laveran;  mais 
il  ne  donne  auctui  detail  sur  Im  forme«  parasitäres  obeervees  et  il  ne  fait  aucsa 
rapproehement  entre  ces  formes  et  la  marche  de  la  temperature  ou  les  pbeoo- 
menes  subjectifs  observos. 

Les  acchs  percicieux  ont  ete  plutöt  rares,  et  la  mortalite,  assez  faible.  aa 


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II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


36t 


pas  depasse  2, IS  pour  100  cas  de  fievre  paludeenne. 

Quant  aux  causes  de  cette  explosion  si  soudaine  du  paludisme,  l'auteur  les 
trouve  surtout  dans  l’impregnation,  par  les  pluies,  des  couches  superficielles  du 
sol,  forme  de  roches  poreuses,  riches  en  fer,  impregnatioa  suivie  d une  Evaporation 
assez  considerable,  les  ondees  etant  presque  toujours  Separees  par  des  periodee 
de  plusieurs  jours  sans  pluie. 

L'auteur  consacre  un  cbapitre  special  4 l'etude  de  la  fievre  hemoglobi- 
nurique, endemiquj  4 Dakar,  oü  eile  parait  etre  cependant  moins  frequente  que 
ne  l’ont  dit  d’anciens  auteurs. 

M.  Clarac  a constate  au  spectrosoope  la  presence  de  l’hemoglobiue  dans 
l'urine  de  oas  malades  toutes  les  fois  qu’il  l'a  recherchee;  l’examen  microscopique 
lui  a montre  l'absence  d’hemorrhagies  renales  et,  du  cöte  du  sang,  la  brusque 
destruction  des  globules  rouges,  dont  le  nombre  peut  tomber  4 1000000  seule- 
ment  au  ’oout  de  24  4 48  heures.  Mallieureusement  il  ne  parait  pas  avoir  re- 
cherche,  chez  les  27  malades  qu'il  a observes,  la  presence  dans  le  sang  de  l'he- 
matozoaire  de  Laveron  ou  de  tout  autre  parasite.  Du  moins  il  est  muet  sur  ce 
point.  tout  en  se  prononyant,  apres  discusaion,  pour  le  rattachement  de  la  fievre 
hemoglobinurique  au  paludisme.  Signalous  un  fait  interessant  observe  4 Dakar, 
c'est  que  l’hemoglobinurie  n’apparait  pas  dans  cette  ville,  au  cours  de  i’epidemie 
annuelle  de  fievre  remittente;  eile  se  montre  surtout  dans  tout  le  Senegal  de 
Decembre  4 Avril,  c’est  4 dire  4 un  moment  oü  les  statistiques  hospitalieres  in- 
diquent  que  le  paludisme  a commence  4 disparaitre  ou  a disparu  4 peu  pres  com- 
pletement  Mais  chez  les  malades  observes  par  M.  Clarac  il  y avait  eu  anterieure- 
ment  des  attaques  de  paludisme  et  pour  cet  auteur  1'iufection  paludeenne  chro- 
nique  et  l’empreinte  qu’elle  laisse  dans  l’organismo  constituent  tout  au  moins  cne 
cause  predisposante  tres  importante  de  la  fievre  hemoglobinurique. 

Quant  4 la  fievre  jaune,  qui  s’est  montree  au  Senegal,  et  4 laquelle  certains 
observateurs  ont  cru  pouvoir  rattacher  la  fievre  hemoglobinurique,  M.  Clarac  la 
oonsidere  oomme  absolument  distincte.  D signale  l'app&rition  de  l’ictere  comme 
precoce  et  brusque  dans  l'bemoglobinurie  et  comme  tardivo  dans  la  fievre  jaune, 
oü  le  facies  au  debut  est  rouge  acajou,  avec  injection  des  sclerotiques. 

La  mortalite  de  la  fievre  hemoglobinurique  4 Dakar  s’est  elevee,  de  1892  4 
1896,  4 80%  du  nombre  des  cas  observes. 

M.  Clarac  discute  la  question  du  traitement.  Presque  toujours,  l’hemoglo- 
binurie  etant  preoedee  d’acces  febriles  semblables  aux  acces  paludeens  ordinaires, 
le  malade  a dej4  pris  de  la  qu'nine  quand  lemission  d'urines  colorees  vient  pre- 
ciser  le  diagnostic.  Des  lors  M.  Clarac  renonce  4 la  quinine  si,  ce  qui  arrive 
souvent,  la  temperature  baisse;  l’encombroment  des  reins,  l'anurie  est  aussi  une 
contre-indicatioD.  Si  la  fievre  persiste  il  donne  des  doses  moderees,  seit  par 
jour  1 gramme  ou  1 gr.  50  par  la  bouche  ou  0,75  4 1 gramme  en  injection»,  en 
aoutenant,  s’il  y a lieu,  le  oeur  par  la  cafeine. 

La  medication  Chloroformee  n’a  donne  4 l'auteur  que  des  resultats  douteux, 
et  n'a  pas  artete  les  vomissements  aussi  sürement  que  l'ont  obeerve  d'autres 
auteurs. 

Quant  4 la  tisane  de  Kinkelibah  oonsideree  4 la  cöte  occidentale  d’Afrique 
comme  un  specifique,  eile  a ete  difBcilement  sup[>ortee  et  sa  valeur  therapeutique 
ne  r essort  pas  des  essais  irregmjers  faits  par  l’auteur.  C.  F.  (Liege.) 


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368 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


Lepra. 

Rapport  sur  lei  condition«  dana  letquellot  ta  trouvent  actuollement  los  Idpronx  h 
Nouveile  Calddonio.  L.  E.  Pierre  Annales  d’hygieno  et  de  medeciue  colo- 
niales, 1898,  p.  149. 

La  lepre  a pris  une  grande  extension  a la  Nouveile  Caledooie  non  seole- 
ment  dans  la  population  indigene,  mais  chez  les  Europeens.  L'auteur  estime  i 
une  soixantaine  le.  nombre  des  lepreux  d’origine  europeenne:  les  deux  tiers  eo- 
viron  sont  des  condamnes  trans  portes,  les  autres  sont  soit  des  surveillants,  sott 
des  colons  libres.  Quant  aux  indigenes  canaques,  les  evaluations  sont  tres  diffi- 
ciles  et  varient,  suivant  les  auteurs,  entre  1500  et  4000  malades.  Les  Canaques 
ont  conscience  de  la  contagiosite  de  la  lepre,  mais  ils  ne  se  soumettent  quetns 
difficilement  aux  mesures  d'isolement  qui  leur  sont  presentes,  et  qui  comportent 
une  Separation  complete  d'avec  leur  tribu;  il  en  res  ulte  que  sur  ce  nombre  ouo- 
siderable  de  malades  uno  ceutaine  seulement  sont  internes  dans  une  leprosene. 

Pour  remedier  k cette  Situation,  on  a propose  de  creer  pour  les  Canaques 
des  leproseries  particulieres,  annexees  aux  villages  indigenes  et  placees  sous  U 
surveillance  dun  officier  du  corps  de  sante  des  Colonies.  Une  leprosene  speciale 
sera  installee  pour  les  blancs  dans  une  des  iles.  Mais  riuternementen'y  sera  pas 
obligatoire:  « Tout  individu  qui  justifiera  de  ressources  süffisantes  pourra  etre 
« autorise  ä se  faire  soigner  chez  lui,  ä la  conditiou  de  se  soumettre  aux  me- 
« eures  antiseptiques  prescrites  par  les  medecins.  » C.  F.  (Liege). 


Lepra  bericht. 

Seit  den  Verhandlungen  der  Lepraconferenz  ist  auf  unserem  Gebiete  eine 
gewisse  Ebbe  eingetreten  und  die  Ausbeute  in  der  Literatur  nur  eine  geringe. 

Die  Untersuchungen  über  den  Leprabacillus  und  über  die 
Histologie  der  Lepra  von  V.  Babes  (Berlin,  Karger,  1898,  8 M.)  sind  die 
directe  Frucht  der  Lepraconferenz.  Denn  diese  gab  dem  Verf.  nur  wenig  Ge- 
legenheit, auf  seine  Befunde  näher  einzugehen.  Wohl  aber  konnte  er  eine  An- 
zahl von  Präparaten  unter  dem  Mikroskop  und  mittelst  Projection  demonstrier. 
Daher  empfahlen  ihm  zahlreiche  Mitglieder  der  Conferenz,  seine  Befunde  genau 
abzubilden  und  zu  beschreiben.  Diesem  Wunsche  kam  er  um  so  bereitwilliger 
nach,  als  seiner  Ueberzeugung  nach  einstweilen,  bis  es  gelingen  wird,  positive 
Kultur-  und  Thierversuche  mit  Leprabacillen  anzuführen,  die  pathologische 
Histologie  der  Lepra  berufen  ist,  uns  in  manchen  allgemeinen  und  practischec, 
die  Lepra  betreffenden  Stadien  eine  sichere  Basis  zu  gewähren. 

Ausser  den  anschaulichen  Bildern  der  Histologie  der  Lepra  kommen  be- 
sonders eine  Reihe  practischer  an  diese  Untersuchungen  sich  anschliesseuder 
Fragen  in  Betracht}  welche  Babes  näher  betrachtet  und  zu  beantworten  sacht. 
Dass  der  Leprabacillus  die  Ursache  und  zwar  die  alleinige  Ursache  der  Er- 
krankung ist,  wird  wohl  heute  kaum  mehr  angezweifelt.  Die  Fälle,  in  welchem 
der  Bacillus  nicht  gefunden  wurde,  sind  auf  diagnostische  oder  Versuchsfehler 
oder  darauf  zurückzuführen,  dass  die  Stellen,  an  welcher  die  Bacillen  sitzen,  nicht 
entdeckt  wurden.  Weniger  wahrscheinlich  ist  die  Annahme,  dass  die  Bacillen 
periodisch  verschwinden  und  wieder  auftauchen  köuneu. 

Ob  der  Leprapilz  ein  Bacillus  ist,  hat  hauptsächlich  theoretisches,  botanisches 


II.  Besprechungen  '»«1  litteraturon  gaben. 


369 


Interesse.  Viele  Anzeichen  sprechen  dafür,  dass  der  Leprapilz  mit  dem  Tuberkel- 
pilz verwandt  ist.  Auch  der  von  Babe«  erbrachte  Nachweis,  dass  der  Lepra- 
bacillus  eine  tuberkulinartige  Substanz  enthalt,  und  dass  der  Lepröse  auf  Tuberkulin 
allgemein  und  local  reagirt,  sind  weitere  Beweise  für  diese  Annahme.  Babes 
konnte  auch  beim  Leprabacillus  Kolbenbildung  und  Verzweigungen  wie  beim 
Tuberkelpilz  nachweiscn.  Die  feinere  Structur  des  I/eprapilzes  ist  jener  des 
Tuberkelpilzes  sehr  ähnlich,  dennoch  ist  es  leicht  auf  Grund  der  Form,  der 
eigentümlichen  Färbungsweise,  sowie  der  Topographie  der  beiden  Bacillen,  be- 
sonders der  eigentümlichen  Coloniebildung  des  Leprabacillus,  dieselben  scharf  zu 
unterscheiden.  Ein  richtiges  Unterscheidungsmerkmal  der  beiden  Bacillen  be- 
steht noch  dariu,  dass  es  bisher  nicht  gelang,  einwandsfrei  Culturen  des  Lcpra- 
bacillus  zu  gewinnen  und  denselben  auf  Thiere  zu  übertragen. 

Bemerkenswert  ist,  dass  Babes  bisher  in  allen  tödtücben  Fällen  von 
Lepra  und  oft  auch  im  Lebenden  Bakterienassociationen  namentlich  mit  Eiter- 
coccen  und  diphteroiden  Bacillen  fand.  Unter  den  letzteren  constatirto  er  fast 
regelmässig  eine  nach  Ehrlich  nicht  gänzlich  entfärbte  Form,  welche  auch 
mikroskopisch  dem  Leprapilz  ähnlich  erscheinen  kann. 

Der  von  Babes  erbrachte  Nachweis  des  Vorhandenseins  der  Bacillen  in 
den  Haarfollikeln  und  an  der  Oberfläche  der  Haut,  dann  in  den  verschiedenen 
Secreten,  sowie  der  massenhafte  Bacillengebalt  des  Geschwürseiters  Lepröser, 
spricht  für  die  Möglichkeit  einer  Infection  durch  einfachen  Contact.  Dennoch 
aber  hält  Babes  eine  Erkrankung  auf  diesem  Wege,  ja  sogar  durch  Impfung 
mit  Bacillenmaterial  durchaus  nicht  für  einwandsfrei  nachgewiesen.  Es  sei  un- 
zweifelhaft, dass  die  ausgeschiedenen  Bacillen  zum  Theil  lebensfähig  sind,  zum 
Zustandekommen  der  Infection  seien  aber  offenbar  noch  andere  Momente 
nothwendig. 

Nach  Babes  Anschauung  sind  wir  nicht  im  Stande,  die  Wege  zu  be- 
stimmen, auf  welchen  die  Invasion  der  Bacillen  in  den  Organismus  stattfindet. 
Wahrscheinlich  können  äussere  Verletzungen  oder  die  Ausführungsgänge  der 
Drüsen  als  solche  angesehen  werden,  vielleicht  auch  die  Tonsillen,  sowie  jene 
Schleimhäute,  wie  die  Nasenscbleimhaut  oder  die  Conjunctiva,  an  welcher  primäre 
Leprome  gefunden  werden.  Die  tieferen  Verdauungs-  und  Bespirationswege 
kommen  für  die  Infection  vielleicht  ebenfalls  in  Betracht,  während  in  einzelnen 
Fällen  primäre  Leprome  an  den  äusseren  Genitalien  (Kaposi)  auch  für  die 
Möglichkeit  eines  Eindringens  der  Bacillen  auf  geschlechtlichem  Wege  hinweiseo. 
Die  lufectionswege  sind  bei  Nervenlepra  noch  dunkler,  es  wäre  ja  möglich,  mit 
Dellio  die  hyperämischen  Flecken  bei  derselben  als  primäre  Leprome  aufzu- 
fassen,  von  welchen  dann  die  Invasion  der  Hautnerven  erfolgen  würde.  Doch 
wissen  wir  andererseits  durch  Philippson,  dass  derartige  Flecken  auf  metasta- 
tischem Wege  ztt  Stande  kommen  können  und  also  vielleicht  immer  eine  secun- 
däre  Localisation  darstellen  könnten.  Als  Wege  dagegen,  auf  welchen  die  Bacillen 
den  Organismus  verlassen  können,  sind  uns  die  meisten  Secrete  und  Excrete, 
vielleicht  mit  Ausnahme  des  Harns,  bekannt. 

Merkwürdig  ist,  dass  die  Gewebszellen  sich  dem  Eindringen  der  Bacillen 
gegenüber  auffallend  indiffereut  verhalten.  Was  die  Streitfrage  betrifft,  ob  die 
l>eprabacillen  innerhalb  oder  ausserhalb  von  Zellen  liegen,  so  ist  Babes  in 
Uebereinstimmung  mit  fast  allen  Lepraforschern  aber  im  Gegensätze  zu  Unua 
der  Meinung,  dass  die  Bacillen  sowohl  iutra-  als  extracellulär  vorkommeu.  Die 


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370 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


hauptsächlichste  Wirkung  des  Leprabacillus  auf  die  Zelle  besteht  in  Vergrösserang. 
Vacuolisirung,  Pigmentschwund,  Kernseguientirung  und  Fragmentirung,  manch- 
mal Durchtränkung  des  Protoplasma  mit  säurefester  Substanz  und  in  Bildung 
fettartiger,  sowie  gelblicher  homogener  Massen  im  Protoplasma. 

Babes  glaubt  nicht,  dass  die  Nervenlepra  stets  durch  lepröse  Veränderungen 
der  Hautnerven  im  Niveau  der  Flecken  und  aufsteigender  Bacillen  in  entsprechen- 
den Nervenstämmen  (Dehio),  noch  durch  die  von  Jeanselme  in  einzelner 
Fällen  gefundenen  Veränderungen  der  weissen  Substanz  des  Rückenmarks  xn 
erklären  sei. 

Auf  die  Frage,  inwiefern  sich  die  histologischen  Ergebnisse  der  Lepra- 
forschung für  die  Therapie  der  Krankheit  verwerthen  lassen,  bemerkt  Babes, 
dass  diu  Verwandtschaft  der  Bacillen  mit  den  Tuberkelbacillen  in  Betracht  komme. 
Weiter  spricht  er  sich  ziemlich  günstig  über  die  Wirkung  des  Tuberkulin,  wis 
Referent  freilich  nach  seinen  eigenen  Erfahrungen  nicht  bestätigen  kann.  Pie 
von  Babes  beobachtete  augenfällige  Besserung,  Abflachung  und  Erblassung  der 
Leprome  beobachtet  man  eben  nach  den  verschiedensten  aber  durchaus  nicht 
specifischen  Maassnahmen.  Von  der  Surumbehandlung  nach  Carasquilla  er- 
wartet auch  Babes  keine  wesentliche  Beeinflussung  des  Lepraprocesses. 

Für  die  Prophylaxe  der  Lepra,  glaubt  Babes,  wird  erst  dann  ein  sicherer 
Boden  gewonen  werden  können,  wenn  es  gelungen  ist,  die  Existenzbedingungen 
des  Leprabacillus  zu  erforschen.  Die  Isolirung  der  Kranken,  namentlich  in 
zweckmässigen  Asylen  wird  umsomehr  von  Nutzen  sein,  als  die  Entfernung  der 
Leprösen  aus  ihrer  Familie  wohl  am  wirksamsten  die  Verbreitung  dieser  exqui- 
siten Familienkrankheit  hintanbalten  wird.  Ueberhaupt  ständen  ja  bei  der  ge- 
ringen Anzahl  von  Leprösen  in  Europa  und  bei  deu  in  der  Regel  schlechten 
socialen  Verhältnissen  derselben  deren  Internirung  in  Asylen  viel  weniger 
Schwierigkeiten  entgegen,  als  jener  der  Tuberkulösen, 

Bemerkenswerthe  Untersuchungen  über  die  Verbreitung  der  Lepra- 
bacillen von  den  oberen  Luftwegen  aus  liegen  von  Schäffer  aus  der 
Breslauer  dermatologischen  Universitätsklinik  (Ach.  f.  Dermat.  u.  Syph.  Bd.  44) 
vor.  Man  hatte  sich  schon  vielfach  mit  der  Ausscheidung  der  Leprabacillen  be- 
schäftigt, indess  bezogen  sich  diese  Untersuchungen  hauptsächlich  auf  die  Haut 
Wenn  uns  allerdings  neuere  Untersuchungen  gelehrt  habenv  dass  eine  Bacillen- 
abgabe auf  diesem  Wege  vorkommt,  so  scheint  sie  doch  nicht  allzu  gefährlich  xu 
sein,  da  ja  eine  Uebertragung  auf  andere  für  gewöhnlich  nur  durch  Be- 
rührung oder  indirect  durch  Wäsche,  Kleidungsstücke,  Gebrauchsgegenstände  etc. 
zu  Stande  kommen  könnte.  Ferner  sind  die  Bedingungen  für  eine  längere  Er- 
haltung der  Lebensfähigkeit  nicht  sehr  günstig,  da  wahrscheinlich  die  Lepra- 
bacillen  bei  längerem  Aufenthalt  auf  der  trockenen  Epidermis  allmälig  absterben. 
Dagegen  wurde  bisher  ein  Weg  der  Ausscheidung  der  Leprabacillen  ganz  ver- 
nachlässigt oder  viel  zu  wenig  beachtet,  der  aus  mehrfachen  Gründen  bedeutungs- 
voller als  die  übrigen  Arten  der  Bacillenabgabe  an  die  Aussenwelt  erscheint,  die 
Verbreitung  der  Mikroorganismen  von  den  Schleimhäuten  der  oberen  Respirations- 
wege, insbesondere  der  beim  Sprechen  betheiligten  Organe. 

Die  leprösen  Infiltrate  sind  zumal  bei  der  tuberösen  Form  sehr  häufig 
der  Schleimhaut  des  Mundes,  der  Nase  und  des  Kehlkopfes  localisirt  und  ent- 
halten ausserordentlich  grosse  Bacillenmengen.  In  der  That  ergab  nun  die 
Untersuchung,  welche  Schäffer  an  2 Patienten  mit  tuberöser  Lepra  aus  dem 


II.  Besprechungen  und  Litteratu  ran  gaben. 


371 


Memeler  Bezirk  aufstellte,  ganz  überraschende  Resultate.  Zherst  wurde  die 
practisch  wichtigste  Frage  der  Bacillenausscheidung  beim  gewöhnlichen  Sprechen 
geprüft.  Die  oft  wiederholten  Untersuchungen  gaben  stets  positive  Resultate, 
ln  10  Minuten  wurden  mehrere  Tausend  gut  färbbarer  Leprabacilien  ausgeworfen. 
Bei  einigen  Versuchen  Hessen  sich  Bacillen  in  einer  Entfernung  von  1 '/»  Meter 
nachweisen,  nach  längerem  Suchen  auch  noch  in  etwas  grösserem  Abstand. 

Es  wurden  ferner  auch  von  Schaffer  Versuche  über  die  Möglichkeit, 
durch  therapeutische  Maassnahmen,  dem  Auswerfen  von  Bacillen  Einhalt  zu  thun, 
angestellt.  Am  meisten  schien  noch  eine  gründliche  Ausspülung  der  Mundhöhle 
mit  nachfolgender  Aetzung  der  zugänglichen  erodirten  oder  ulcerirten  Flächen 
mit  dem  Argentum  nitricum-Stift  zu  bieten.  Indessen  waren  doch  noch  stets 
mehrere  hundert  Bacillen  nach  10  Minuten  langem  Sprechen  auf  den  Objectträgern 
nachweisbar;  auch  nahm  die  Zahl  der  ausgeworfenen  Bacillen  schon  nach  einigen 
Stunden  wieder  erheblich  zu. 

Beim  Husten  konnte  Schaffer  eine  geringere  Verschleppung  der  Bacillen 
constatiren.  Auch  die  Exspirationsluft  wurde  auf  ihren  Gehalt  an  Leprabacilien 
geprüft.  Sie  kann  im  Allgemeinen  als  baclllenfrei  bezeichnet  werden.  Auch  beim 
Niessen  werden  ausserordentlich  zahlreiche  Leprabacillen  entfernt,  die  Mikro- 
organismen werden  hierbei  noch  weiter  verbreitet  als  bei  Sprech versuchen. 

Darnach  kommt  Schaffer  zu  dem  practisch  sehr  wichtigen  Ergebnisse, 
dass  von  Leprösen  mit  Schleimhauterkrankungen,  die  nicht  etwa  als  ungewöhn- 
lich hochgradig  anzuxehen  sind,  Tausende  von  Bacillen  beim  Sprechen,  Räuspern, 
Husten  und  Niessen  in  weite  Entfernungen  verbreitet  werden,  und  dass  diese 
Bacillenverschleppung  durch  therapeutische  Maassnahmen  nicht  zu  verhindern  ist. 

Hiernach  erörtert  Scbäffer  die  Frage,  welche  Bedeutung  diesen  Be- 
funden znkommt  Diese  grösste  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  dass  die  aus- 
geschiedenen Bacillen  lebensfähig  sind,  zumal  sie  in  feuchtem,  schleimigen  Stadium 
nach  aussen  kommen  und  gerade  wegen  der  Eigenart  des  Ausscheidungsmodus 
in  kürzester  Zeit  auf  Gesunde  gelangen  können.  Andererseits  sieht  aber  Scbäffer 
selbst  in  der  Annahme,  dass  die  Bacillen  auf  dem  geschilderten  Wege 
den  Körper  grossentheils  lebensfähig  verlassen,  hierin  noch  kein  allzusehr  be- 
unruhigendes Moment,  weil  die  klinische  Erfahrung  stets  gelehrt  bat,  dass  die 
Gefahr  der  Lepraübertragung  thatsachlich  ausserordentlich  gering  ist. 

Spronck  (In  Semaine  med.  Sept.  1898.  — La  culture  du  bacille  de  Hansen 
et  le  serodiagnostic  de  la  lepre)  hat  zahlreiche  Colturversuche  auf  den  ver- 
schiedensten Nährmedien  mit  dem  Leprabacillus  angestellt  In  3 Fallen  von 
Lepra  mixta  erhielt  er  einen  dem  Leprabacillus  morphologisch  ähnlichen  Bacillus, 
der  zur  Serodiagnose  dienen  könnte.  Die  Bacillen  entnehmen  ihren  Nährstoff 
den  leprösen  Geweben  and  eignen  sich  schlecht  zu  künstlichen  Kulturen.  Auf 
Kartoffeln  liegen  sich  noch  am  besten  kleine  Colonien  bei  38  Grad  in  10  Tagen 
anlegen.  Es  gelang  nicht,  die  Colonien  auf  Kartoffeln  weiter  zu  cultiviren, 
doch  wurden  sie  leicht  auf  Löffler'sches  Gelatinepferdeserum  übertragen.  Die 
nnbewegUchen,  chromogenen,  faculativ  aeroben  Bacillen  gediehen  nicht  in  Fleisch-, 
wohl  aber  in  Fischbouillon.  Die  Kultur  erzielt  einen  vom  Leprabacillus  etwas 
verschiedenen  Bacillos,  welcher  durch  die  Flemming’sche  Lösung  nicht  schwarz 
gefärbt  wird  und  sich  bei  dem  Ehrlich'schen  Verfahren  schneller  entfärbt  als 
dieser.  Er  ist  für  Thiere  nicht  pathogen  und  dem  diphtheritischem  resp.  pseu- 
dodiphtheritischen  Bacillus  ähnlicher  als  dem  Tuberkel bacillus.  Das  Serum 


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37*2  II*  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 

Lepröser  agglutfnirte  mit  den  cuitivirten  Bacillen  im  Verhältniss  von  */»  bis  */,*. 
bei  3 alten  Fällen  anaesthetischer  Lepra  betrug  die  Agglutination  20  bis  40. 
Klinische  Symptome,  Dauer  oder  Intensität  der  Krankheit  sind  hierbei  ohne  Eia- 
tluss.  Das  lepröse  Serum  bewahrt  unter  Abschluss  von  Luft  und  Licht  seine 
Agglutinationsfahigkeit  6 Wochen,  getrocknetes  Serum  haftet  noch  nach  einem 
Monat  Zur  Serodiagnose  lassen  sich  nur  frische,  lebende  Kulturen  verwerthen. 

Ueber  viscerale  Lepra  berichtet  der  Referent  (Arch.  f.  Dermat  o. 
Syph.  Bd.  43.  1888).  In  einem  Falle  von  tuberöser  Lepra  ergab  die  Unter- 
suchung von  Leber,  Niere  und  Zunge  keine  Leprabacillen,  während  dieselben 
in  der  Milz  geradezu  enorm  zahlreich  waren.  Das  hierbei  gefundene  constante 
Vorkommen  der  Bacillen  in  Zelleu  und  die  zunehmende  Vacuolisirung  dieser 
Zellen  macheu  es  ausserordentlich  wahrscheinlich,  dass  die  Leprabacillen  ge- 
wissermaassen  das  Zellprotoplasma  aufzehren.  Man  kann  mit  Sicherheit  erkennen, 
dass  die  Leprazellen  die  durch  Bacillen masseu  veränderten  Zellen  der  Milzfollikel 
sind.  Darnach  hält  Ref.  mit  Neisser  an  der  Thatsache  der  intracellulären 
Existenz  für  den  überwiegenden  Theil  der  im  Organismus  befindlichen  Bacillen 
fest.  Die  Bacillen  fanden  in  meinem  Falle  unzweifelhaft  durch  die  Lytnphge- 
fässe  und  Lymphspalten  ihre  Vorbreitung.  Ref.  vermuthet,  dass  die  Milz  eine 
Art  Filtrirkörper  darstellt  und  die  Leprabacillen  aus  dem  Blute  hierhergeschwemmt 
und  deshalb  in  so  grosser  Zahl  in  der  Milz  zu  finden  sind,  weil  sie  hier  gewisser- 
maossen  unschädlich  gemacht  und  als  Depot  reservirt  werden  können.  Freilich 
liege  darin  auch  wieder  eine  Gefahr,  denn  jetzt  könne  bei  jeder  neuen  Steigerung 
der  physiologischen  Zellthätigkeit  z.  B.  bei  Fieberzuständen  aus  der  Milz  wieder 
ein  reichliches  Conglomerat  von  Leprabacillen  in  die  Blutbahn  geschwemmt 
werden  und  dort  Verheerungen  anrichten.  Vielleicht  sei  auch  so  der  schädigende 
Einfluss  des  Jodkalium  bei  Leprösen  aufzufassen,  wie  ja  auch  andererseits  der 
Nachweis  von  Leprabacillen  im  Blute  während  der  Fieberattaquen  ausschliesslich 
oder  wenigstens  leichter  gelänge. 

Mit  der  Serumtherapie  der  Lepra  beschäftigte  sich  ueuerdings  Dehi« 
(St  Petersburger  Med.  Woch.  27,  1898)  und  A.  Grünfeld  (Dermat  Zeitschr. 
Bd.  V,  1898).  Beide  bedienten  sich  des  von  Carrasquilla  empfohlenen  Serams, 
und  beide  kommen  zu  verschiedeneu  Resultaten.  Dehio  bereitete  sich  da» 
Lepraheilserum  durch  Uebertragung  auf  ein  Pferd  selbst,  während  Grünfeld  das 
Serum  aus  der  Fabrik  von  E.  Merck  in  Darmstadt  bezog,  wohin  er  primäres 
Serum  von  zwei  Leprösen  seiner  Beobachtung  gesandt  hatte.  Dehio  hat  seme 
Kranken  fast  2 l/i  Monate  lang  mit  Seruminjectionen  behandelt,  aber  was  die 
therapeutischen  Erfolge  anlangt,  so  bedauert  er,  erklären  zu  müssen,  dass  die- 
selben gleich  Null  waren.  Kein  einziger  seiner  Leprakranken  wurde  geheilt  j* 
kein  einziger  hatte  auch  nur  die  geringste.  Besserung  erhalten.  Im  Gegensätze 
hierzu  beobachtete  Grünfeld  bei  zwei  Leprösen  eine  bedeutende,  ja  bei  den 
einen  sogar  eine  erstaunliche  Besserung  nach  der  Behandlung.  Er  ist  überzeugt, 
dass  wir  in  dem  Serum  ein  Mittel  haben,  welches  Nutzen  bringen  kann.  Dehio 
dagegen  hält  es  für  noch  nicht  bewiesen,  dass  in  dem  Carasquilla'schen  Heilseron-, 
ein  specifisches  Antitoxin  der  Lepra  vorhanden  ist.  Er  vermuthet  vielmehr,  das* 
sich  in  diesem  Heilserum  Proteine,  Albuinosen  und  sonstige  nicht  specifische 
Eiwei8öderivate  vorfinden,  welche  die  von  Carasquilla  beschriebenen  Ver- 
änderungen bewirken  und  die  Resorption  der  leprösen  Infiltrate  und  die 
Heiluugavorgänge  an  den  leprösen.  Geschwüren  hervorzurufen  vermögen.  Er 


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II.  Besprechungen  und  LitteraturangabeD. 


373 


sieht  hierin  ein  Analogon  der  Tuberkulinwirkung  und  die  Zukunft  müsse  lehren, 
ob  die  therapeutischen  Erfolge  Carrasquilla’s  auf  die  Dauer  Vorhalten  werden  oder 
ebenso  vergänglich  sind  wie  die  Effecte  des  Tuberkulin. 

Eine  interessante  Mittheilung  liegt  von  Dr.  J.  A.  Yoorthuis  (Apeldoorn) 
vor  (Experiments  with  Dr.  Unna's  new  method  of  treating  leprosy.  Janus. 
Juli-August  1898).  Verf.  practicirte  in  Deli  an  der  Ostküste  Sumatras,  i.  J.  1894 
hatte  er  mehrere  Europäer  wegen  Lepra  io  Behandlung.  Die  Erkrankung  ist 
daselbst  unter  den . chinesischen  Kulis  und  den  Tabakspflanzern  sehr  häufig. 
Unna  hatte  nun  gefunden,  dass  eine  Substanz  im  menschlichen  Körper  existire, 
welche  eine  vollkommene  Immunität  gegen  den  Leprabacillus  zeigt,  die  Muskel- 
subetanz.  Verf.  glaubt,  dass  es  von  der  grössten  Wichtigkeit  wäre,  Lepröse  mit 
einem  Präparat  zu  behandeln,  welches  aus  Muskelsubstanz  bestehe.  Er  benutzte 
dazu  Valentine’s  meat  juice  in  Form  von  subcutanen  Injeetionen.  Der  Erfolg 
war  ein  negativer.  Dann  brachte  er  die  Substanz  direct  in  das  Blut  duroh 
intravenöse  Einspritzungen.  Hier  schien  der  Erfolg  ein  besserer  zu  sein.  Es 
wurde  begonnen  mit  0,2  ccm  Meat  juice,  welches  mit  der  gleichen  Menge 
künstlichen  Serum  (NaL  chlorat,  0,5  Natr.  pbosphor.  bas.  0,1  Aq.  dest  100,0) 
verdünnt  war.  Es  wurden  4 Fälle  bei  chinesischen  Kulis  nnd  Tabakspflanzern 
behandelt.  Wenn  der  Erfolg  auch  kein  sehr  grosser  war,  so  konnte  doch  immer- 
hin eine  bemerkcnswerthe  Besserung  des  Allgemeinzustandes  und  Zurückgehen 
einzelner  Knoten  constatirt  werden.  Jedenfalls  scheint  es  ihm  von  Wichtigkeit, 
eine  weitere  Prüfung  der  Muskelextracte  auf  die  Lepra  vorzunehmen.  Einen 
genaueren  Bericht  darüber  wird  noch  Dr.  Broee  van  Dort  aus  Rotterdam  ver- 
öffentlichen. 

Schliesslich  sei  noch  ein  Artikel  von  Prof.  Sommer  in  Buenos  Ayres  (La 
Settimana  medica.  28.  Juni  1 898)  erwähnt.  Er  weist  darauf  hin,  dass  in  heissen 
Gegenden  die  Lepra  da  am  häutigsten  ist,  wo  viel  Wasser  und  daher  zahlreiche 
Mosquitos  existiren.  Auch  Kaposi  berichtete  auf  der  Lepraconferenz  zu  Berlin 
(Oct.  1897.  Bd.  II,  S.  69)  von  einem  Menschen,  welcher  bis  zu  seiner  Fahrt  im 
Suczcanal  nichts  au  sich  wahrgenomtnen  hatte  und  während  dieser  Fahrt  an 
seinem  Finger  ein  Bläschen  bekam.  Er  nahm  an.  dass  vielleicht  eine  Mücke 
ihm  gestochen  haben  könnte.  Unmittelbar  darauf  entwickelten  sich  die  Er- 
scheinungen der  Lepra. 

Max  Joseph  (Berlin). 


Pocken. 

Mlsilon«  de  meine  au  Cambodge.  J.  Nogud.  Annales  d'hygiene  et  de  medecine 
coloniales,  1898,  p.  169. 

La  variole  est  tres-frequente  au  Cambodge,  oü  eile  existe  depuis  un  temps 
jmmemorial:  endemique  dans  toute  l'etendue  du  royaume,  eile  revet  frequemment 
le  caractere  epidemique.  I/es  indigenes  connaissent  bien  Ie  caractere  contagieux 
de  cette  maladie,  mais  ils  ignorent  les  fa^ons  variees  dont  se  fait  la  contagion 
et,  leur  incurie  naturelle  aidant,  le  fleau  fait  d enormes  ravages.  On  peut  estimer 
ä 90  pour  100  la  proportion  des  enfants  qui  en  sont  atteints;  la  mortalite  est 
considerable  et  atteint  60  ä 70  pQU1-  100  du  nombre  total  des  malades. 


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374 


II.  Besprechungen  und  Idtteraturangaben. 


Depuis  quelques  annees  les  medecins  cambodgiens  ont  com  mente  ä pratiquer 
la  variolisation,  suivant  en  cela  l'exemple  des  Chinois  et  des  Malais:  ils  prennent 
du  pus  varioleux  sur  des  sujets  porteurs  d une  variole  benigne,  et  avec  la  pointe 
d’un  couteau  ils  font  trois  scarifications  assez  profondes  ä chaque  bras,  determi- 
nant  ainsi  de  1 arges  cicatrices  de  la  dimension  d une  piece  d un  fr&nc;  les  paysan* 
paient  au  medecin  cambodgien  une  piastre  par  enfant  ainsi  variolise. 

M.  Nogue  a entrepris  de  nombreux  voyages  dans  l’interieur  pour  pratiqoer 
des  vaccinations  jenneriennes;  il  employait  le  vaocin  prepare  ä l’institut  de  Saigon 
(Cochinchine);  son  rapport,  tres  dctaille,  rend  compte  des  difficultes  multiples  qa'il 
a rencontrees  dans  raccomplissement  de  sa  mission.  On  regrette  de  devoir 
oompter  parmi  ces  difficultes  l’indifference  ou  1’opposition  de  divers  resident»  en- 
ropeens.  II  est  ä remarquer  que  des  le  debut  la  population  chinoise  s'est  moo- 
tree  beaucoup  moins  refractaire  que  les  indigenes  cambodgiens  k l'adoption  de  U 
vaccination.  Dans  ces  derniers  temps  meine,  les  medecins  chinois  exenjant  au 
Cambodge  ont  une  tendance  tres  marquee  ä abandonner  la  variolisation  et  k 
pratiquer  la  vaccination  europeenne;  ils  achetent  ä Singapore  du  vaccin  provenant 
de  rinstitut  frau^ais  de  Saigon.  # C.  F.  (liege). 


Parasitäre  und  Hautkrankheiten, 

M.  E.  Odrlosola,  Professeur  ä la  Faculte  de  medicine  de  Lima.  La  maMie 
da  Carrion  ou  la  vtmiga  pdruvienne.  Carre  et  C.  Naud,  Paris  1898. 

Die  in  Peru  unter  den  Indianern  endemische  Krankheit  Berrugas  oder 
Verruga,  maladie  de  Carrion  (nach  einem  Studenten  der  Medicin  genannt,  welcher 
sich  den  Ansteckungsstoff  einimpfte  und  39  Tage  später  an  der  Krankheit 
zu  Grunde  ging),  ist  auf  Bezirke  der  Departements  von  Aniacks  und  Lima  be- 
schränkt, und  zwar  hat  sie  ihren  Sitz  in  bestimmten  „Quebradas“,  tiefen  von 
Flussläufen  durchquerten  Gebirgseinschnitten  mit  tropischer  Hitze  und  Vegetation. 

Die  Einwohner  dieser  Quebradas  bleiben  von  der  Krankheit  verschont  oder 
sind  nach  einmaligem  Ueberstehen  derselben  immun.  Für  den  Fremden  bringt  eio 
Aufenthalt  von  wenigen  Stunden  die  Gefahr  der  Infection  mit  sich.  Ausser  dem 
Menschen  werden  auch  Hund,  Pferd,  Maulesel,  Lama,  Esel,  Kuh,  Schwein,  Huhn 
und  Puter  befallen,  besonders  schwer  meist  die  Einhufer. 

Eine  Epidemie  mit  erschreckender  Sterblichkeit  breitete  sich  bei  Gelegen- 
heit von  Vorarbeiten  für  die  Oroya-Eisenbahn  aus. 

Die  Inkubationsdauer  schwankt  zwischen  15  und  40  Tagen.  Als  Vorläufer 
treten  Kopfschmerz,  Hinfälligkeit,  Gelenk-  und  Muskelschmerzen,  besondere  in 
den  Beinen,  auf.  Nach  Verlauf  von  weiteren  8 — 10  Tagen  bricht  Fieber  mit 
einmaligen  oder  wiederholten  Schüttelfrösten  unter  Steigerung  der  Schmerzen  bis 
zur  Unerträglichkeit  auf. 

Den  Verlauf  kennzeichnet  schwere,  schnell  sich  steigernde  Anämie  bisweilen 
verbunden  mit  vielfachen  Hämorrhagien,  Schwindel  und  Ohnmächten.  Leber  und 
Milz  sind  geschwollen  ebenso  wie  die  meisten  Lymphdrüsen. 

Deliren  und  Koma  mit  schweren  Erscheinungen  von  Seiten  der  Lungen  uod 
des  Verdauungssystems  stehen  gegen  Ende  im  Vordergründe  des  Krankheitsbflde* 

Ein  Symptom  der  Krankheit  ist  das  Auftreten  der  eigentlichen  verruga  „der 
Blattern  der  Anden“  (bouton  des  Andee).  Es  giebt  indessen  Fälle,  welche  k 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


376 


schnell  verlaufen,  dass  dieses  Symptom  nicht  zum  Ausbruch  kommt.  Tritt  die 
Eruption  deutlich  hervor,  so  bessern  sich  die  Allgemeinerscheinungen.  Es  giebt 
auch  Fälle,  in  denen  die  Krankheit  bis  zum  Ausbruch  der  verruga  milde  ver- 
läuft und  sogar  unbemerkt  bleiben  kann.  Die  genaue  Nachfrage  vermag  aber 
auch  dann  die  Vorläufer  des  Exanthems  meist  festzustellen:  Mangel  an  Appetit, 
Schwäche,  unerklärliche  Anämie,  unbestimmte  Schmerzen  in  den  Gliedern, 
Oedeme  der  Unterschenkel,  subfebrile  abendliche  Temperaturstoigerungen.  Un- 
gewöhnlicher ist  das  Auftreten  eines  rheumatoiden  Tortikollis,  von  Haemoptoe 
oder  pseudotabiscben  Symptomen.  Es  wird  die  miliare  oder  knotige  Form  der 
verruga  unterschieden. 

Die  miliare  Verruga  kann  sich  aus  einer  Patechie  entwickeln,  über  welcher 
sich  eine  rothe,  spitze  Pustel  von  glänzendem  Aussehen  erbebt  ln  anderen 
Fällen  sehen  die  Anfangs  tstadien  wie  Thautropfen  oder  Sch  weissperlen  aus  und 
gewinnen  später  das  Aussehen  eines  Variolabläschens,  bisweilen  bilden  sie  eine 
weisse  matte  Erhebung. 

Die  Grösse  variirt  zwischen  der  eines  Stecknadelknopfes  und  einer  Erbse, 
der  Inhalt  ist  röthlich,  bisweilen  weinroth.  Die  grösseren  neigen  zur  Stiel- 
bildung. Nach  verschieden  langem  Bestehen  stösst  sich  die  Epidermis  ab,  die 
Knötchen  bluten  dann  und  verblassen.  Grössere  zerfallen  schnell  und  be- 
decken sich  dann  mit  braunen  Borken.  Bisweilen  trocknen  kleine  Bläschen  ein, 
ohne  sich  zu  öffnen  und  verschwinden  spurlos. 

Das  Exanthem  tritt  zuerst  an  den  unteren  Gliedurmaassen  auf  und  breitet 
sich  in  Schüben  meist  symetrisch  aufsteigend  auf  den  übrigen  Körper  aus.  Der 
Ausbruch  ist  mit  Jucken  und  selbst  Schmerzen  verbunden.  Prädilectionsstellen 
sind:  vordere  Seite  der  Ober-  und  Unterschenkel,  Hinterseite  der  Vorderarme, 
Stirn,  Backen,  Ohr,  Nase.  Am  Knie  und  Ellenbogen  bilden  sie  häufig  warzige 
Auflagerungen. 

Alle  Schleimhäute  werden  von  der  miliaren  Form  befallen,  besonders  die 
Conjunctiva.  Bei  Autopsien  werden  miliare  Knötchen  in  allen  Organen 
gefunden. 

Von  grossen  Knoten  (verrugas  noduleuses  ou  mulaires),  die  aus  kleinen 
Knoten  der  Haut  oder  des  Unterhautgewebes  sehr  schnell  entstehen,  werden  be- 
sonders Gesicht  und  Gliedmaassen  befallen.  Farbe  und  Ferm  erinnern  an  den 
Milzbrand-Karbunkel,  die  gespannte  Haut  ist  schmerzhaft,  die  Knoten  werden 
kugelig  und  stielen  sich.  Die  Grösse  schwankt  zwischen  der  einer  Haselnuss 
und  einer  Orange.  Sie  sind  von  abschuppender  Epidermis  bedeckt  Am  Stiel 
ist  die  Haut  pigmentirt,  häufig  rissig.  Die  Oberfläche  ulcerirt  im  weiteren 
Verlauf,  heftige  Blutungen  und  Nekrosen  sind  nicht  selten.  Die  Eiterung  kann 
in  der  Tiefe  fortschreiten,  bisweilen  mumificirt  die  Gesohwulst  unter  allmäliger 
Schrumpfung. 

Die  verrugas  mulaires  sind  auf  die  Haut  beschränkt  In  den  Organen 
findet  man  nur  miliare  Knötchen  bis  zur  Grösse  einer  kleinen  Erbse. 

Von  Complicationen  sind  Bronchopneumonien,  Darmkatarrhe,  Sumpffieber 
und  Tetanus  die  häufigsten. 

Die  histologische  Untersuchung  der  miliaren  nicht  ulcerirten  Hautknötcben 
zeigt  reichliche  Leukocyteninfilteration  auch  der  Epidermislager.  Die  Papillen 
sind  zu  erkennen:  Jede  Spur  der  Drüsen  und  des  Fettgewebes  ist  verschwunden. 
Das  ganze  Knötchen  ist  von  Entzündungselementen  eingenommen,  von  denen 


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376 


II.  Besprechungen  und  Litteratu rangaben. 


viele  in  Mitose  getroffen  wurden.  Es  fanden  sich  auch  hier  und  da  mit  fibrin- 
armer  seröser  Flüssigkeit  gefüllte  Höhlen.  Riesenzellen  und  käsiger  Zerfall 
kommen  nicht  vor. 

Ausser  diesen  fand  sich  in  den  verruga-Knötchen  ein  Bacillus,  welcher 
unter  anderen  auch  der  Weigert-Gram 'sehen  und  Ziehl'schen  Färbung  sich  zu- 
gänglich erwies,  die  Grösse  und  Form  ist  den  Koch’schen  Bacillen  fast  gleich. 
Sie  liegen  meist  in  den  Zwischenräumen,  seltener  in  Zellen  und  verursachen  nie- 
mals Riesenzellbildung. 

Im  Blut  fand  der  Verfasser  gemeinsam  mit  einem  Schüler  einen  kurzen 
Bacillus  (de  2 ä 5 p).  Die  Bacillencultur  brachto  denselben  zur  Entwicklung. 
Iinpfversuchc  an  einem  Hunde  waren  erfolglos. 

Das  Werk  ist  mit  Abbildungen  und  Karten  vortrefflich  ausgestattet. 

Dr.  Drüner. 


Discovery  of  tho  parental  ferm  ef  a British  Guiana  bloodworm.  By  C.  W.  Daniela. 

British  Medical  Journal.  April  16.  1898.  p.  1011. 

Die  erwachsene  Form  einer  der  kürzlich  von  Patrick  Manson  bei  Indianern 
beschriebenen  Filaria  hat  D.  bei  der  Section  von  zwei  Indianern  entdeckt,  bei 
denen  die  embryonalen  Formen  während  des  Lebens  im  Blute  vorhanden  waren. 
Die  erwachsenen  Formen  fanden  sich  im  Mesenterialfette  und  in  der  Umgebung 
des  Pankreas,  bei  der  einen  Leiche  auch  im  subperitonealen  Fett. 

Victor  Lehmann. 


The  Texas  Screw-Worm.  Leading  Artide.  The  New-York-Medical  Journal  1898 
Vol.  LXVII.  Nr.  I. 

In  der  Decombemummer  der  Zeitschrift  „The  Laryngoscope“  sind  mehrere 
Artikel  über  die  Störungen  enthalten,  welche  der  sogenannte  Texas-Schrauben- 
wurm im  menschlichen  Organismus,  besonders  in  der  Nase  und  den  Nachbar- 
höhlen, hervorrufen  kann.  Nach  Dr.  Goldstern  ist  der  Schraubenwurm  die  Urre 
von  Coinpsomyia  (Lucilia)  macellaria,  er  ist  •/*  Zoll  lang.  V*  Zoll  breit,  aus  ea- 
zelnen  Segmenten  aufgebaut , zwischen  welchen  Borsten  ringförmig  angeoidnet 
sind,  wodurch  ein  schraubenähnliches  Aussehen  bedingt  wird.  Die  einzelnen 
Entwickelungsstadien  des  Wurmes  werden  in  der  Goldstein’schen  Arbeit  durch 
Abbildungen  illustrirt,  entlehnt  dem  Bulletin  of  the  Texas  Agriculture  Experi- 
ment Station  (1890).  Menschen  mit  Ozaena,  Otorrhoe  sind  besonders  gefährdet; 
die  Larven  haften  sehr  hartnäckig  an  den  Geweben  und  sind  oft  nur  schwer  zc 
entfernen,  am  leichtesten  gelingt  die  Beseitigung  der  Larven  nach  Abtötung  durch 
Chloroform  mittelst  einer  Zange. 

R.  Pfeiffer-Cassel. 


Gelb/Uber, 

Sanarelll:  L’immuniti  e la  aieroterapia  contro  la  febbra  gialla.  (Annali  di  medi- 

cioa  navale.  Settembre-Ottobre  1897.) 

Das  zur  Immunisirung  der  Thiere  nothwendige  Serum  wird  entweder  a® 
der  Leiche  sofort  oder  kurz  nach  dem  Tode  oder  durch  Aderlass  von  Recoovate* 


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II.  Besprechungen  and  Litteraturangaben,  37? 

oenten  entnommen.  Znr  Immuniairung  von  Meerschweinchen  gegen  Gelbfieber 
sind  6 bis  7 Monate  sehr  vorsichtiger  Behandlung  nöthig.  Ebenso  sind  Hunde 
and  Pferde  schwer  und  erst  nach  langer  Zeit  za  immanisiren.  Immerhin  hat 
Verfasser  die  schützende  and  heilende  Wirkung  seines  Meerschweinchen-,  Hunde- 
und  Pferdeserums  erwiesen.  Entsprechende  Versuche  mit  normalem  8erulil  von 
Menschen  und  Thieren  haben  keine  specifische  Wirkung  desselben  ergeben. 

Dreyer  (Köln). 

Sanarelll:  Prfme  aaperlenzs  intorno  all’  Implego  4el  alere  curatito  • preventlve 
eontro  la  fsbbr*  glalla.  (Annali  di  medicina  navalo.  Maggie  1898). 

Die  Hoffnungen  auf  eine  erfolgreiche  8erumtherapie  beim  Gelbfieber 
stützten  sich  auf  die  Verhältnisse  der  Akklimatisation  und  der  Immunität  nach 
Ueberstehen  eines  einmaligen  Fiebers. 

Das  Serum  zur  Gelbfieberbehandlung  des  Menschen  muss  von  einem  Thiere 
gewonnen  werden,  dessen  Serum  die  Gelbfleberinfection  beim  Thiere  verhütet 
und  heilt.  Dieses  Serum  wirkt  bactericid  und  nicht  antitoxisch.  Es  kann  also 
nur  bei  frühzeitiger  Anwendung  von  Erfolg  sein.  Wenn  bereits  Anurie  oder 
Delirien  bestehen,  so  ist  es  für  die  Anwendung  des  Serums  zu  spät. 

Von  acht  mit  Serum  behandelten  Kranken  starben  4,  die  nach  diesen 
Grundsätzen  hätten  ausgeschlossen  werden  müssen.  Ein  sehr  schwer  Kranker, 
der  aber  keine  Anurie  und  keine  Delirien  hatte,  wurde  gerettet,  ebenso  drei 
mittelschwere  Fälle.  Nach  jeder  Seruminjection  ging  die  Temperatur  herunter. 
Bei  einem  Kranken  genügte  am  zweiten  Krankheitstage  eine  Seruminjection,  um 
Abfall  des  Fiebers  und  Heilung  herbeizuführen.  Später  hatte  Verfasser  Gelegen- 
heit, reichere  Erfahrungen  in  der  Provinz  S.  Paulo  zu  sammeln.  Zunächst 
wurden  2 Kinder  am  2.  bezw.  8.  Tage  des  Gelbfiebers  in  Behandlung  genommen. 
Sie  erhielten  je  20  und  65  cbm  und  wurden  gerettet  Von  6 weiteren  Kranken 
starben  2,  von  denen  einer  bereits  anuriBche  Erscheinungen  beim  Beginn  der 
Behandlung  hatte.  Später  wurden  die  Injectionen  immer  intravenös  und  in 
grösseren  Mengen  gemacht.  Hierbei  zeigte  sich,  dass  Fiebersteigerungen  auf- 
traten, auf  die  aber  alsbald  Remissionen  folgten  Uebrigens  vertrugen  die  be- 
ginnenden Fälle  und  solche,  welche  an  Affectionen  der  Milz  und  Leber  infolge 
von  Malaria  oder  an  Herzmuskelerkrankungen  litten,  diese  Injectionen  schlechter. 
Von  22  mit  Serum  behandelten  Kranken  starben  6.  Diese  27  % Mortalität  hält 
Verfasser  für  einen  Erfolg  der  Serumtherapie,  da  die  Mortalität  beim  Gelbfieber 
sonst  45  bis  50*/o  im  Mittel  beträgt  und  bei  der  vorhandenen  Epidemie  80% 
erreichte.  Auch  der  prophylactische  Werth  des  Serums  konnte  in  einem  Ge- 
fangniss  erprobt  werden,  in  derh  Gelbfieber  ausgebrochen  war,  das  mit  der 
propbylactischen  Impfung  der  übrigen  Insassen  sistirte. 

Es  ist  beschlossen,  ein  Institut  für  Serumtherapie  des  Gelbfiebere  in  der 
Hauptstadt  von  S.  Carlos  de  Pinhal  zu  errichten. 

Dreyer  (Köln). 


lirri-Berri. 

Walther  K.  Hunter,  A contrlbutlon  Io  tha  etiology  of  btri-berl.  The  Lancet  1897. 

July  31.  S.  240. 

Derselbe,  A nolt  on  the  »tlology  of  borl-beri.  Ebenda  1898.  June  25.  8.  1748. 

Verf.  bricht  in  diesen  beiden  Arbeiten  eine  Lanze  für  den  Pekelharing- 
Archlv  t.  Bchlffi-  u.  Tropenhygiene.  11. 


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378 


EI.  Besprechungen  und  Litteraturangaben. 


and  Winkler’ sehen  Beriberi-Coccus,  welcher  in  den  letzten  Jahren  schon  tut 
der  Vergessenheit  anheim  gefallen  schien.  Es  gelang  Hunter  in  Glasgow,  in 
4 Fällen  von  Beriberi,  welche  8 Laskaren  und  1 Eingebomen  von  Zanzibar  be- 
trafen, aus  dem  Blute  Staphylococcen  (mehrmals  neben  verschiedenen  Bacillen, 
einmal  neben  Streptococcen)  zu  züchten,  die  er  mit  Pekelharing  und 
Winkl  er’ 8 weissem  Staphylococcus  identificirt,  und  welche,  bei  Kaninche 
wiederholt  in  die  Bauchhöhle  injidrt  Lähmung,  Tod  und  parenchymatöse  Di 
generation  der  Nerven  der  Hinterbeine,  bei  2 Thieren,  bei  denen  Injectioneu 
auf  41  • C.  erwärmter  Culturen,  die  vielleicht  immunisirt  hatten,  vorausgegangen 
waren,  nur  Nervendegeneration  (mehrmals  auch  kleine  Leberabßcesse)  hervor- 
riefen.  Die  nämlichen  Staphylococcen,  nur  weniger  virulent,  indem  Injectionen 
von  ihnen  bei  Kaninchen  bloss  Nervendegeneration  ohne  Lähmungserscheinungen 
verursachten,  fand  er  auch  in  dem  Reise,  welcher  2 der  Kranken  zur  Nahrung 
gedient  hatte,  und  ist  daher  geneigt  die  letztere  als  die  Ursache  der  Krankheit 
anzusprechen. 

Ref.  hat  in  seiner  Monographie  über  die  Beriberi  (Jena  1804.  8.  188  ff.) 
die  Untersuchungen  Pekelharing  und  Winkler's  einer  eingehenden  Kritik 
unterzogen.  Das  dort  Gesagte  gilt  im  Wesentlichen  auch  von  den  Arbeiten 
Hunter’s.  Scheube. 


Sonstige  InfecHonskrankheitetu 

Un  Cat  4e  Tätanee,  traltd  par  l’lnjectlon  Intra-c4r4braj«  d’anUtoxIne. 

Unter  diesem  Titel  erfolgen  An  Nummer  70,  72,  78  und  77  der  Presse 
medicale  1898  kurze  casuistische  Mittheilungungen  von  M.  Garnier.  M.  Robert, 
M.  L.  Ombredanne  und  M.  Leon  Delmas.  Die  Behandlung  geschah  nach 
der  Methode  von  Roux  und  Borrel,  die  Fälle  von  Robert  und  Delmas 
endeten  letal,  die  beiden  anderen  mit  Genesung.  Garnier  empfiehlt  neben  der 
intracerebralen  gleichzeitige  subcutane  Seruminjectionen  und  Anwendung  von 
Chloral',  er  führt  die  in  seinem  Falle  während  der  Reconvalescenz  auftretende, 
vorübergehende  psychische  Störung  nicht  auf  die  intracerebrale  Injection  zurück, 
hält  sie  vielmehr  für  den  Ausdruck  einer  verzögerten  Reparation  bei  einem 
atheromatösen  Kranken.  Ombredanne  injicirte  7 ccm  Serum  intracerebral, 
60  ccm  auf  subcutanem  Wege  innerhalb  86  Stunden  bei  einem  11  jährig« 
Kinde  und  gab  am  Tage  der  Aufnahme  2 g Chloral.  — Der  ungünstige  Aus- 
gang in  Robert 's  Falle  beruhte  möglicherweise  auf  einem  — nicht  sioher  ver- 
meidbaren — Injeotionsfehler,  bei  Delmas  auf  einer  Combination  der  Tetanus- 
bacillen  mit  Eitercoocen,  gleichzeitiger  lymphatischer  Constitution  und  Tubercula«. 
Delmas  empfiehlt  prophylactische  Seruminjeoüon  bei  irgendwie  tetanusver- 
dächtigen Wunden  und  sofortige  Injeotion  bei  sioher  ausgebrochenem,  diagnostici> 
barem  Tetanus.  R.  Pfeiffer-Cassel 


•acterlolofllacäe  Befund«  bei  Pneumonien  der  Neger  von  Dr.  W.  Kölle  in  Kimberiej 

(Süd-Afrika).  Deutsch-med.  Wochenschr.  1898,  Nr.  27. 

Die  vielfach  verbreitete  Ansicht,  dass  die  Negerpneumonie  eine  Krankheit 
■ui  generis  und  aetiologisch  scharf  von  der  croupösen  Pneumonie  der  weis« 


II.  Besprechungen  und  Litteraturangaben.  379 

Race  in  trennen  sei,  ist  irrthumlich.  Nach  Kolle  sind  die  klinisch  mehrminder 
einheitlichen  Fälle  pathologisch-anatomisch  in  2 Groppen  zu  theilen:  die  eine  mit 
dem  anatomischen  Bilde  der  Pneumonia  crouposa,  die  andere  mit  dem  Character 
der  Inflaenzapneumonie.  K.  konnte  aus  15  infiltrirten  Langen  11  mal  den  Fränkel- 
schen  Diplococcus,  4 mal  den  Influenzabacillus  cultiviren,  in  18  Sputis  16  mal  die 
Diplococcen,  2 mal  die  Influenzabacillen  bacterioscopisch  und  culturell  nachweisen, 
und  zwar  waren  die  genannten  Infectionserreger  in  Menge  in  den  Sputis  vor- 
handen, ihre  biologischen  Eigenschaften  zeigten  keine  Abweichung.  Beide  Infec- 
tionskrankheiten  traten  gleichzeitig  in  Epidemien  auf,  diese  verliefen  ungemein 
bösartig  (60—70%  Morbidität  bei  über  1000  Fällen);  gemischte  Infection  mit 
Inflnenzabacillen  und  Diplococcen  kamen  nicht  zur  Beobachtung.  Geeignete  Des- 
infectionsmaass regeln,  Verbesserung  der  Lüftungsanlagen  und  Cementirung  des 
Bodens  der  Sohlaf räume  brachten  beide  Epidemien  zum  Schwinden.  — Das  Vor- 
kommen einer  besonderen  Negerpneumonie  mit  unbekannter  Aetiologie  ist  dem- 
nach sehr  fraglich. 

R.  Pfeiffer-Cassel. 


WMaft  raactlen  In  natives  ot  Indla.  By  W.  C.  Brown.  British  Medical  Journal. 

March  12,  1868.  p.  684. 

Es  wird  vielfach  angenommen,  dass  die  eingeborene  Bevölkerung  Indiens 
immun  gegen  Typhus  sei  und  zwar  deshalb,  weil  die  meisten  als  Kinder  leichte 
Typhusanfälle  durcbgemacht  hätten.  Surgeon-major  Freyer  glaubte  einen  Beweis 
hierfür  darin  zu  finden,  dass  nach  seinen  Untersuchungen  das  Blutserum  der 
Erwachsenen  bei  der  WidaT schon  Agglutinationsprobe  einen  positiven  Ausfall  gäbe. 
B.  hat  nun  das  Blutserum  Eingeborener  vielfach  geprüft  und  kann  den  positiven 
Ausfall  nicht  bestätigen.  Er  glaubt,  dass  der  Irrthum  durch  falsche  Klumpen- 
bildung entstanden  ist,  die  häufiger  und  schneller  im  tropischen  als  im  gemässigten 
Klima  einträte. 

Victor  Lehmann. 


Epidemie  Carebro-Spinal  Fever  In  Indla,  wlth  three  cases  by  Surg.-Capt.  Buchanan, 
J.  M.  8 , Read  at  the  British  Medioal  Association,  Edinburgh.  The  Journal 
of  Tropical  Medicine  Vol.  I No.  1. 

Der  kurzen  Mittheilung  dreier  eigener  Beobachtungen  folgt  ein  historisch- 
statistischer  Ueberblick  über  die  in  den  einzelnen  Theilen  Indiens,  besonders  den 
grossen  Gefängnissen  Bengalen«  beobachteten  Epidemien.  Der  Abschnitt  über 
die  Symptomatologie  zeigt  die  sehr  weitgehende  Aehnlichkeit  zwischen  dem 
Cerebro-8pinalfieber  nnd  der  Meningitis  oerebro-spinalis  epidemica,  auch  die  Aetio- 
logie beider  Krankheiten  ist  die  gleiche.  — Der  historische  Theil  bringt 
mancherlei  Interessantes,  die  übrigen  Abschnitte  der  Arbeit  kaum  etwas  Neues. 

R.  Pfeiffer-Cassel. 


Ei*  Fall  vor  Maltafleber  durch  Agglutination  das  Mlkrococcus  MolKsntls  nachträglich 
dtagsostlclri  von  Dr.  B.  Kratz.  — 'Wiener  kün.  Wechenacar.  i897,  No.  49. 
Der  F«ll  betrifft  einen  Arzt,  der  im  Winter  1896 — 97  in  Ajaocio  weilte 
und  im  Februar  1897  acut  mit  hohem  Fieber  erkrankte,  welches  mit  wechseln- 
den Remissionen  und  längeren  Exacerbationen  vier  Monate  andauerte,  ohne  dass 

28* 


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380  II-  Besprechungen  und  Litte  ratu  ran  geben. 

ausser  Milztumor  und  massiger  Anaemie  greifbare  klinische  Symptome  anfgetreten 
wären.  Ein  leichtes  Recidiv  schwand  spontan,  dann  folgte  dauernde  Genesung. 
Gestützt  auf  die  Mittheilung  von  Wright  und  Bensaude  konnte  Kr.  nachträg- 
lich oonstatiren,  dass  das  Serum  des  mitgetheilten  Falles  exquisit  agglutinirend 
auf  den  Microooccus  Melitioensis  (Bruce)  wirkte  und  zwar  hei  einer  Verdünnung 
des  8erums  auf  das  300 fache,  ja  wenn  gleich  mit  weniger  prompten  Erfolge, 
auf  das  1000 fache!  — Somit  war  die  Diagnose  sicher.  — Der  Agglutinations- 
process  ermöglicht  es,  sporadische  Fälle  von  Maltafieber  zu  erkennen  und  die 
geographische  Verbreitung  wie  die  epidemiologischen  Verhältnisse  dieser  interes- 
santen Infectionskrankheit  näher  zu  studiren. 

R.  Pfeiffer-Cassel. 

SUvestrinli  Pouvoir  agglutlnant  du  sang  inr  Iw  euRmw  es  boulllon  de  staghyfewgM 
Sana  deux  ca»  dlnfecUon  itaptiylococclque.  — Riforma  medica  1898,  Vol.  E 
No.  82.  — Referat  von  E.  Feindei  in  Nummer  78  der  Presse  medicale  1898. 
An  der  Hand  zweier  einschlägiger  Fälle  schlieest  S.,  dass  das  Blutserum 
von  Individuen  mit  8taphylococceninfection  agglutinirende  Kraft  auf  diese 
Staphylocoooen  ausübt  Diese  Reaction  ist  eine  Infectionsreaction  und  tritt  an 
Bouillonculturen  auf  auch  bei  Anwesenheit  der  Mikroben  im  Blute. 

R.  Pfeiffer-Cassel 


OrgankrankKciUm. 

Treplcal  Haart  by  Surgeon-Colonel  X.  Kaokleod,  Professor  of  Clinical  and  Military 
Medicine,  Army  Medical  School,  Netley.  — The  Journal  of  Tropical  Mediane. 
Vol  L,  No.  1. 

Verf.  betont  die  grosse  Häufigkeit  der  Herzstörungen  in  der  britischen 
Tropenarmee:  es  handelt  sich  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  nicht 
um  schwere  anatomische  Veränderungen,  sondern  mehr  um  eine  functioneile 
Schwäche:  Irritabilität,  Irregularität  der  Herzaction,  leichte  Dilatation,  aocid  ec  teile 
Geräusche  eto.  Bei  geeigneter  d.  h.  schonender  und  ruhiger  Lebensweise  können 
sich  solche  Pat.  vollkommen  wohl  fühlen,  die  Symptome  schwinden,  dagegen  re- 
agiren  sie  auf  grössere  körperliche  Anstrengungen  sofort  mit  Herzbeschwerden, 
sind  daher  für  den  Militärdienst  meist  dauernd  untauglich.  Aetiologisch  wichtig 
sind  vor  Allem  die  Anstrengungen  des  Dienstes,  welchen  sich  die  noch  nicht 
voll  entwickelten  Herzen  — 60%  der  englischen  Soldaten  sind  unter  23  Jahres 
— oft  nicht  gewachsen  zeigen,  ferner  Aloohol-,  Nicotinmissbrauch,  Excesse  ia 
Venere  und  die  schädigende  Einwirkung  der  Tropenhitze  auf  den  Organismus  mit 
den  erhöhten  Anforderungen  an  das  Herz.  — Es  ergiebt  sich  die  richtig« 
Consequenz  daraus,  nur  Leute  mit  absolut  normalem  Herz  und  Gefäsi- 
system  zur  Arbeit,  bez.  zum  Militärdienst,  in  den  Tropen  zuzulassen ; nur  so 
wird  und  kann  es  gelingen,  die  hohe  Frequenz  der  Herzaff ectionen  bei  Europäern 
in  den  Tropen  ländern  herabzusetzen.  Irgendwie  ein  tretende  Störung  der  Hera- 
action  sollte  sorgsam  beobachtet  worden,  derartige  Leute  müssen  in  weitwar 
ärztlicher  Controls  bleiben. 

R.  Pfeiffer-CasaeL 


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Sachverzeichniss, 


(Die  fett  gedruckten  Zahlen  bezeichnen  Originalarbeiten.) 


Abdominaityphus  61. 

Aeclimatisation  361. 

L’Afrique  äquatoriale  58., 

Anaemie,  tropische  60.  143,  261.  S62. 
Anchyloetoma  duodenale  62. 

Archive8  de  medicine  oavale  et  co- 
loniale 356. 

Arthropoden  Iflt. 

Astrolabe-Bay  186. 

Angenkrankheiten  86.  240.  288.  825. 
Aussatz  s.  Lepra. 

B. 

Balanitis  288. 

Bandwürmer  86. 

Bekleidung  und  Gepäck  bei  Landungen 
in  den  Tropen  38. 

Benadir-Küste  188. 

Beri-Beri  39.  19,  60,  103,  104.  111,  184. 
186,  287.  822.  377. 

Epidemie,  Die,  Im  Richmond  Asyl  um 

in  Dublin  329. 

Bilharzia  258. 

Blattern  s.  Pocken. 

Blntparasiten  806. 

— bei  Vögeln  315  n.  i. 

— bei  Kaltblütern  818  u.  1 
British  New-Ouinea  bloodworm  875. 
Bronchitis  288. 

Bubonen  109. 


Calomel  bei  Dysenterie  129. 
Cerebrospinalfieber  879. 


Chinin,  Zur  Frage  des  prophylaktischen 
Gebrauchs  in  tropischen  Fieber- 

gegenden 167. 

— 149  u.  f.  164  u.  f.  187  u.  f.  306,  812. 
Cholera  117.  182. 

Cochinchine,  Mortalite  des  troupe; 

casemees  en  856. 

Colonies,  L'assistance  publique  aux  361 
Colorado  Desert  214, 

Congolesen  304. 

Cuba,  Sterblichkeitsverhältnisse  des 
spanischen  Heeres  auf  218, 
Cytamoeba  bacteriiera  818. 

D. 

Dakar  866. 

Dannkatarrhe  288. 

Del  Sur  215. 

Dengue  6L  117. 

Deutsch-Ostafrika  253.  259. 

Diarrhöe,  tropische  61,  262. 

Diphtherie  274, 

Dysenterie  67,  61.  96,  109,  UL  189, 
223.  229.  289,  287, 

— in  Kamerun  126. 

Dyspepsie  262. 

K. 

Eczeme  83,  95. 

Elephantiasis  97,  825. 

Empyema  pericardii  288, 

Erysipel  288. 

Euchinin  108. 

— Die  bisher  mit  E.  gemachten  Er- 
fahrungen 284, 

Exantheme,  acute  fieberhafte  85, 


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382 


Ssch  Verzeichnis«. 


F. 

Farbige,  Krankheiten  derselben  280. 
Febris  perniciosa  1Q5. 

Filaria  Kilimarae  28. 

— medinensis  36.  43  363. 

Fort  Mojave  2U. 

Friedrich  Wilhelms-Hafen  187. 

O. 

Gelbfieber  SL  222.  220  u.f.  876.  377. 
Geologie,  der  deutschen  Schutzgebiete  1 UL 
Geschlechtskrankheiten  31,  275  u.  (.  288. 
824. 

Geschwüre  62.  97  282. 

Giftfische  192.  280,  282, 

Gonorrhoe  215  n.  f.  288. 
Grünspanvergiftung,  Eine,  beobachtete  zu 
Pangani  U 
Guinee-Wurm  62. 

H. 

Habana,  Hygienisches  und  Sanitäres  aus 

m 

Habana  221. 

Harn,  Parasiteneier  im  114, 
Hautkrankheiten  83,95.114.244,281.212, 
Heart,  tropical  880. 

Hepatitis  117. 

Herzfehler  288. 

Hitzechlag  60.  120, 

Höhenklima  5.  88, 

L ' 

Java  241, 

Ichtyol,  Das,  in  der  8ohifts-  und  Tropen- 
prazis  23, 

Icterus  227,  258. 

Impfung,  gegen  Pooken  84.  239.  292, 
Influenza  117.  274.  379. 

Julian  218. 

K. 

Kamerun  254. 

— -Küste  362. 

Keuchhusten  86. 

Kiautschou,  Brief  aus  333. 

Kisiba  256. 


jClima,  von  Tunisien  102. 

— von  Südkalifornien  19t. 

— von  Kamerun  368. 

L. 

Las  Palmas  219. 

Leberbärte  343. 

— hypertrophie  343, 

Lepra  61,  92,  109,  240,  218,  324. 3«8n.f 
Lepraconierenz  63. 

Lethargia  intermittens  90. 

Lipome  8(L 

Loa  Angeles  196  u.  £. 

Lymphadenitis  81,  288. 

Lymphangitis  perniciosa  326. 

M. 

Maladie  de  Carrion  s.  Verruga. 

Malaria,  und  Höhenklima  in  den  Tropen». 

— 88-  106.  108.  HL  IAO  u.  £.  ISA  223. 
228.  239.  243.  245.  247.  23A  213  n-i 
285  n.  f.  805.  864.  366. 

— Blutbefund  bei  106.  250.-  306  u-  i 

— haemoglobinurica  92.  154.  286.  3&L 
r—  in  der  Hauptstadt  Mexico  2ßSL 

— -Uebertragnng  durch  Moequitoe  861. 
Maltafieber  379. 

Managua  18  u.  f. 

Marine-Atlas  262. 

Martinique  859. 

Masern  244.  262. 

Matagalpa  73  u.  f. 

Med  ec  in  de  paquetbot  826. 

Melannrie  104.  192. 

Methylenblau  811.  819. 

Militärlazarethe,  Zustände  in  spanischen 
218. 

Mosqnitos  188.  861  u.f. 

Mount  Wilson  217. 

ir. 

Nervenkrankheiten  8L  261. 
Neu-Guinea,  Aerxtiiche  Erfahrungen  in 
186.  276. 

Neuritis,  multiple  841- 

Nicaragua,  Tropenmodiciniache  EAk* 

rangen  aus  69. 

O. 

Orchitis  8L 


Sachverzeichnis». 


383 


P. 

Palmdale  215. 

Paludismus  s.  Malaria. 

Parasiten  fit  114,  181. 

Parotitis  81. 

Pelantoengan  107. 

Peru  878. 

Pest  102,  25a. 

Pestnachrichten  89.  100.  184.  24fi.  805. 
888. 

Pfeilgift  828. 

Pfeilsehüsse  828. 

Phenooollum  hydrochloricum  an, 
Pneumonie  der  Neger  377. 

Pocken 84. 227. 239. 282. 292 n. f 868.  878. 
Polyneuritis  89. 

Pyrexien  189. 

Q. 

Qarantäne  970. 

B. 

Reis  nah  rung  St  49. 

Reunion  175. 

Rotz  274. 

Ruhr  s.  Dysenterie. 

S. 

Salton  213. 

Sandflöhe  82.  72, 

San  Diego  186  u.  f. 

Scharlach  262. 

Schiffahygiene  177. 

Schiffearzte  826. 

Schlafkrankheit  61  HO. 

SchlangengUt  62.  80.  115  191. 
Schwarzwasserfieber, Umfrage  über  das92. 
— 168,  182.  248,  258,  265,  26t  382. 
Soorbut  824. 

Scorpione  62,  80,  122, 

Siam  808. 

Statistica  sanitaria  802. 

St.  Barbara  201  u.  f. 

Stomatitis  825. 


Südamerika,  Pathologie  der  Westküste  von 

244. 

Südkaliformen , Klima  und  Krankheiten 
von  126. 

Syphilis  324. 

T. 

Tausendfüssler  62.  182. 

Tenggeresen  242. 

Terre  neuve  (Neufundland)  178. 

Tetanus  78.  824.  378. 

Texasfieber  187.  286,  316, 

Texas  screw-worm  376. 
Toemoelawak-Knollen  343. 

Trinkwasser  100. 

Tropenklima,  Einfluss  desselben  auf  3— 
Nervensystem  245. 

Tropenpraxis,  Therapeutische  Mitthei 
lungen  aus  der  342. 

Tropical  medicine,  education  in  100. 
Troupes  coloniales  301.  387 
Tuberculose  229.  288.  824. 

Typhiitis  127. 

Typhus  22L  232,  379. 

— exanthematicus  287.  324, 

TT. 

Ulcera  cruris  989. 

V. 

Verruga  244,  374 
Verwundungen  im  Seekriege  2*0. 

Vigo  218. 

Vorder-Indien  180. 

W. 

Waffen,  vergiftete  62. 

Wechselfiober  s.  Malaria. 

Westusambara  245. 

Widals  Reaction  lOfi,  879. 

Wundheilung  78,  281. 

Wundkrankheiten  824. 

T. 

Yuma  211  u.  f. 


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Namenverzeichniss. 


(Die  fett  gedruckten  Zahlen 


Abraham,  Phineas  HO. 
Accureo  iaa. 

Alvarez  ÖL 
Arimond  235. 

Armaaer  Hansen  66. 
Araing  65 
Ashmead  63. 

B. 

Babes  368. 

Bacelli  171. 

Baelz  LLL  äiA 
Bassonge  271. 

Beard  26JL 
Below  104.  192. 

Bense  258. 

Bensaude  380. 

Berge8grün  65, 
v.  Bergmann,  A.,  62.  109. 
Bertram  188. 

Besnier  6iL 
Bignami  18. 

Binz  305. 

Bo  eck  65. 

Bondurant  340. 

Boorema  17. 

Borei  826.  318, 

Brieger  66, 

Brown  108,  379. 

Bruce  880. 

Buohanan  879. 

Burot  llL  801.  357. 
Buzzi  65. 


bezeichnen  Originalarbeiten.) 

o. 

Cagigal  110. 

Calmette  115. 

Carasquilla  65.  370. 

Castellan  102. 

Clane  366, 

D. 

Daniela  376. 

D&nilssen  f<5. 

Danneil  176 
Darier  66. 

Däubler  U,  ISA.  32«. 

Davidson  9. 

Dehio  66,  870. 

Delmas  87S. 

Dempwolff  106.  131.  276. 
Dieudonne  112. 

Diettrich  105. 

Döring  25«. 

Do  hi  64. 

Doysen  35. 

Dryepondt  60, 

E. 

Edauw  106. 

Ehlers  6L 
Ehrlich  368. 

Eykman  38.  103.  166,  257. 

r. 

Fiebig  339. 

Firket  62. 

F'isch  165. 

Fontaine  856. 


Namenverzeichnis.1! 


386 


Franklin  206. 

Freyer  879. 

Freymadl  88. 

Frobenius  164. 

O. 

Garnier  378. 

Gazeau  178. 

Glogner  108. 

Goedhuis  Rail  287. 

Goldstein  376. 

Golgi  2iL  30t 
Grawitz  250. 

Gray  198. 

Gries  859. 

Grimm  322. 

Growford  85. 

Grünfeld  372. 

H. 

Hagge  134.  150.  287. 

Eallopeau  fit 
Hasper  164. 

Hellat  fib. 

Hirota  186. 

Hirsch  164.  32t 
Hüppe  117. 

Hunter  104.  377. 

X. 

Judassohn  9t 
Jeanselme  65. 

Joseph,  Max  fit  872. 

K. 

Kaposi  389. 

Kartulis  5L  258. 

Kermorgant  859. 

Koch,  Robert  186. 192.  245.  258.255.259. 

Körfer  861. 

Köster  105. 

Kohlbrugge  t fit  24t  24t  24t  842. 
Kohlstook  165. 

Kolb  2t 
Kolle  878. 

Kretz  379. 

Kronecker  180. 

Kruse  51. 

Kubitza  256. 

L. 

Labbe  818. 

Labonde  114. 


: Langhaus  262. 

Laurence  65. 

Laveran  1L  110.  175.  247.  861  u.  f. 
Lawrie  108. 

Legrand  171.  801.  357. 

Leistikow  93. 

Lepierre  110. 

Löffler  371. 

Lu  barsch  fit 
Lubbers  107. 

M. 

Mac  Call  um  108.  350  u.  f. 

Maclaud  114. 

Macleod  380. 

Mannaberg  18  u.  f.  170.  250.  306. 
Manson  fit  100.  114,  33t  34t 
Marchiafava  250. 

Mense  33.  61.  92.  249. 

Metschnikoff  18. 

Moncorvo  filbo  325. 

Moore  824. 

Morris  86. 

Musehold  64. 

N. 

Nagel  109. 

Navarre,  Just  171. 

Neisser  84.  372. 

Nieuwenhuis  t 
Nogue  368. 

Norman  329  u.  f. 

O. 

Odriozoda  374. 

Ombredanne  378. 

Orthmann  341. 

P. 

Pasqualo  57. 

Pekelharing  13t  877. 

Pergens  804. 

Philipson  869. 

Pierre  368. 

Plehn,  A.  UL  128,  170.  174.  284.  250. 
263. 

Plehn,  F.  10t  16t  114.  862. 

Portenga  260. 

Poskin  58. 

Pugibet  118. 


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386 


Nem  enrerx  eiche  ;js. 


B. 

Basch  245.  #08. 

Rho  118.  189.  280.  324, 

Robert  878. 

Roes  108.  348  u.f.  384, 
Rothschuh  69. 

Roux  878. 

Rüge  115.  216.  244.  26». 

8. 

Sanarelli  117.  376.  877. 

Schneller  83.  870. 
Schellong  134.  134.  167. 
Schenct  177. 

Scheube  117.  322-  829. 
Schreber  1. 

Schumburg  100. 

Schwalbe  195. 

Sederholm  67. 

Semeleder  268. 
Siedamgrotzky  103. 
Silrestrini  380. 

Sommer  378. 

Spengel  80  u.  f. 

Spronck  371. 

Stammeshaus  105. 
Steinbach  289. 


Steudel  150. 

Stromer  ▼.  Reiohenbach  119. 
Strube  114. 

Suess  120. 

T. 

Therou  179. 

Thibierge  68. 

Tippei  341. 

U. 

Unna  63.  369. 

V. 

Voorthuis  108.  873. 
Vordermann  48. 

W. 

Wassiliewaky  847. 

Wendland  184.  287. 

Weyer  262. 

Wigglee  worth  109. 

Winkler  878. 

Wrigth  880. 

Wyatt  Smith  169. 

T. 

Yersin  117. 

SS. 

Ziemann  808.  845. 


1 o 9 2 Z 6 

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