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ARCHIV
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene,
unter besonderer Berücksichtigung der
Pathologie und Therapie
unter Mitwirkung von
Prof. Dr. HA ELZ, Tokio, Dr. BELOW, Berlin, Dr. KROHN, Madeira,
Dr. BOMBARDA, Lissabon, Dr. VAN BRERO, Buiteiuorg, Dr. DE BRUN,
Beirut, Dr. BRUNHOFF, Kiel, Prof. Dr H. COHN, Breslau, Dr. DAEUBLER,
Berlin, Dr. DRYEPONDT, Brüssel, Prof. Dr. FIRKET, Lüttich, Dr. FISCH,
Aburi (Goldküste), Dr. GLOGNER, Samarang, Dr. GOLDSCHMIDT, Paris-
Madeira, Dr. HEY, Oduntase (Goldküste), Dr. MAX JOSEPH, Berlin,
Dr. LEHMANN, Schlachtensec, Prof. Dr. LEICHTENSTERN , Köln,
Dr. LIEBENDOERFER, Kalikut (Vorderindien), Dr. LIER, Mexico, Hofrat
Dr. MARTIN, München, Prof.Dr. MONCORVO. Rio de Janeiro, Dr. NOCHT,
Hamburg, Dr. A. PLEHN, Kamerun, Dr. F. PLEHN, Tanga, Prof. Dr. RENK,
Dresden, Dr. RICHTER, San Francisco, Prof. Dr. O. ROSENBACH, Berlin,
Dr. ROTHSCHUH, Managua, Dr. RÜGE, Kiel, Dr. RUMPEL, Hamburg-
Eppendorf, Dr. SANDER, Windhoek, Dr. SCHEI.LONG, -Königsberg,
Sanitätsrat Dr. SCHEUBE, Greiz, Dr. SCHOEN, Berlin, Dr. SCHWALBE,
Los Angeles. Dr.WITTENBERG, Kayintschu (Süd-China), Dr. ZIEMANN, Berlin,
herausgc$cbcn von
Dr. C. Mense, Cassel.
1. Band,
. C ASSEI. ;
Verlag von Tu. G. Fisher & Co.
1897.
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Zur Einführung.
Wenn in früheren Jahren der junge deutsche Mediziner
in die weite Welt hinauszog, um, dem Wissensdurst und der
Wanderlust folgend, auf See oder in den Tropenländem seine
ärztliche Thätigkeit auszuüben, so war er für die eigenartigen
Aufgaben seines Berufs nur mangelhaft vorbereitet. Von
manchen ihm neu entgegentretenden Krankheiten hatte er
kaum den Namen gehört, noch viel weniger Fälle derselben
gesehen, an die Besprechung hygienischer Fragen, welche
über den Rahmen europäischer Verhältnisse hinausgingen,
hatten nur wenige seiner Lehrer gedacht. In wissenschaft-
lichen Zeitschriften zerstreut fand man allerdings Abhand-
lungen über einzelne Tropenkrankheiten, ihre Verhütung und
Behandlung, aber dieselben bekam immer nur ein beschränkter
Leserkreis zu Gesicht. Die älteren kolonisirenden Nationen,
besondere Engländer, Franzosen und Holländer, hatten da
gegen schon um die Mitte unseres Jahrhunderts auf diesem
Gebiete eine reiche Litteratur und brauchbare Lehrbücher.
Das erste grosse deutsche Werk auf dem Felde der Tropen-
krankheiten und von Zone zu Zone wandernden Seuchen ist
die historisch-geographische Pathologie von Hirsch welches
1859 erschien und eine Fülle von Belehrung bot. Leider
fand die Therapie in derselben fast gar keine Berück-
sichtigung. Durch Fisch, Däublcr und andere, besondere
kürzlich durch Scheube, ist in den letzten Jahren auch für
treffliche therapeutische Handbücher gesorgt worden. Eine
Zeitschrift aber, welche fortlaufend Berichte aus warmen
Ländern sammelt, die Aussprache der verschiedenen Meinungen
vermittelt, Belehrung bietet und zur Beobachtung anregt,
war bisher nicht vorhanden. Unser Archiv will versuchen,
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diese Aufgabe zn erfüllen und richtet an die wissenschaftliche
Welt die Bitte um Unterstützung. Wenn der Unterzeichnete
die Redaktion der neuen Zeitschrift übernimmt, so geschieht
cs in der Hoffnung, durch langjährigen Aufenthalt in den
Tropen und auf Reisen in den Stand gesetzt zu sein, das
eingehende Material zur Zufriedenheit der Mitarbeiter und
Leser ordnen und sichten zu können.
Stoff zur Besprechung wird stets reichlich vorhanden
sein, denn mit dem Anwachsen des überseeischen Verkehrs
und der Entwicklung der Kolonialpolitik ist die Zahl der
auf See fahrenden und im Ausland auch in ungesunden
Tropetdiindern lebenden Europäer in steter Zunahme begriffen.
Noch manches Rätsel aber muss aufgeklärt, noch manche
wichtige Streitfrage entschieden werden, ehe das Ziel, welches
Hygiene und Medizin gemeinsam erstreben, der weissen Rasse
auch in den Tropen ein Heim zu bereiten, erreicht ist, che
das Schiff, welches die unternehmenden Reisenden hinaus-
trägt in die Ferne und die von klimatischen Krankheiten
Geschwächten auf den Ozean und in das Vaterland zurückbringt,
ein gesundes schwimmendes Haus und nie mehr ein Träger
gegenseitiger Ansteckung von Erdteil zu Erdteil sein wird.
Und da draussen auf dem Meere und in den Koloniallainlcrn
der einzige Arzt oft genug auch der einzige Hygieniker ist,
oder doch sein sollte, die prophylaktische Arbeit aber die
therapeutische nicht selten an Bedeutung überragt, so darf
das „Archiv“ sieh keine Trennung beider Wissenschaften
erlauben.
Mögen unsere Mitarbeiter und Leser im Kampfe der
Meinungen bedenken, dass verschiedene Pfade durch das
hohe .Savannengras des Unbekannten nach dem Zukunftshause
des weissen Mannes in den Tropen führen können und dass
für das Gebäude selbst aus allen Richtungen Steine licrbei-
getragen werden dürfen, wenn es nur fertig wird!
M e n s e.
Bitten nnd Vorschläge an Leser und Mitarbeiter.
Um unsere Kenntnisse über die Malariaparasiten im
Blut zu erweitern, ist es nothwendig, dass Blutuntersuchungen
in den Tropen und im gemässigten Klima Hand in Hand
gehen. Wir ersuchen unsere Leser und Mitarbeiter, solche
Studien vorzunehmen, wozu die Arbeit von A. Plehn und das
Referat über die Arbeit Ziemann’s in diesem Helte eine treff-
liche Anleitung giebt. Für Berlin und Umgegend ist Herr
Dr. K. Däubler, Tegel, Brunneustrasse, zur Vornahme dieser
Untersuchungen bereit, für Cassel der Herausgeber d. Bl. Um
Zuweisung geeigneter Patienten wird gebeten. Die Beobach-
tungen werden im „Archiv“ veröffentlicht werden.
Das Archiv ersucht ferner seine Freunde im Auslände
um Einsendung pathologischer und anatomischer Präparate,
deren genaue mikroskopische Untersuchung drausscn oft mit
Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn nicht aus besonderen
Gründen eine andere Conservirung vorgezogen wird, so mag
folgende erprobte Vorschrift benutzt werden:
1) Sublimat-Essigsäure:
Hydrarg. bichlorat 5,0
Acid. acet. glac 5,0
Aq. dest 100,0
Natr. ohiorat. q. s. ut. f. solut. . (0,5)
Die Gewebsteile müssen so bald wie möglich nach
dem Tode der Leiche entnommen werden. Aus dem lebenden
Körper entfernte Gewebsteile müssen in 1 eben s warmem
Zustaude in die Konservierungstlüssigkeit, welche vor-
her auf eine Temperatur von 25 0 C. zu bringen ist, ein-
gelegt werden. (Um ein Ankleben des eingelegten Stückchens
an dem Boden des Gefässes zu vermeiden, muss derselbe mit
einem Stückchen entfetteter Watte bedeckt werden.)
Die Grösse der einzulegenden Stücke darf bei dichten
Geweben bei 1 Q cm Fläche 0,5 cm Dicke nicht übersteigen.
Viel loses Bindegewebe enthaltende Stücke dürfen eine Dicke
von 1 cm haben. Im Allgemeinen empfiehlt es sieh, die
Stückchen so klein wie möglich cinzulegcn.
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fl
Die Stücke verbleiben 6 — 12 Stunden, je nach der
Grösse in der Sublimat-Essigsäure und werden dann in ein
möglichst grosses Gefiiss (mindestens 'Is Liter) mit reinem
Brunnenwasser übertragen, oder besser unter der Wasser-
leitung in einem Gefäss überspült (2 -3 Stunden).
Darauf folgt eine allmähliche Härtung in Alkohol von
steigender Concentration, welche sich über mehrere Tage
hinziehen kann. (Alkohol 30°'0 2 Tage, Alkohol 60 °/# 1 Tag.)
Zum Schluss werden sie in Alkohol von 80°/0 übertragen.
Diese Konservierungsmetbode eignet sich nur für Stücke
von der angegebenen Grösse und für ganz frisches Material
(aus Leichen nicht über 24 Stunden nach dem Tode).
Grössere Stücke oder Teile aus älteren Leichen werden
am Besten entweder
2) in Alkohol von 90 — 96 °/0 oder
3) in 7#,'0 Formollösung oder
4) in Müller’scher Flüssigkeit (Kal. bichrom. 2,0, Natr.
sulfuric. 1,0, Aq. dest. 100,0) konserviert und können in
diesen Flüssigkeiten mehrere Monate lang aufbewahrt und
versandt werden.
Jedes Gefäss muss mit einem Zettel versehen sein,
welcher enthält :
a. Bezeichnung des Leichenteils, der konserviert wurde.
b. „ der Krankheit und Notizen über den
Verlauf.
c. „ der Konservierungsflüssigkeit, in der
sich das Stück bei der Versendung befindet (z. B.
für 1) Alkohol) und der Art der Konservierung
(z. B. für 1) Sublimat- Essigsäure).
d. Angaben über den Zustand der Leiche bei der
Sektion und wie lange nach dem Tode die Sektion
stattfand.
Manches interessante Objekt verdirbt unbenutzt, dessen
Versand hiernach leicht bewerkstelligt werden könnte. Zur
Vervollständigung einer Beobachtungsreihe wären uns z. B.
Stücke von dysenterischem Darm u. s. w. aus den verschiedenen
Ländern sehr erwünscht.
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I. OriginalabbandJungen.
Oie Blutuntersuchung
in tropischen Fiebergegenden und ihre practische
Bedeutung
von Dr. Albert Plehn,
Kaiser!. Deutschem Regierungsarzt in Kamerun
Eine regelmässige Blutuntersuehung zu diagnostischen
und klinischen Zwecken wurde bis jetzt im tropischen
Ausland wohl ausschliesslich in einigen besonders gut
ausgestatteten Krankenhäusern, namentlich in Holländisch-
Indien und in Kamerun geübt, und das auch erst seit
wenigen Jahren. — Wunderbar wird das dem nicht er-
scheinen, welcher die ausserordentlichen Schwierigkeiten
systematischer wissenschaftlicher Arbeit für den durch eigene
Krankheit überall unterbrochenen und behinderten, und durch
die Erfordernisse des praktischen Dienstes immer wieder ab-
gerufenen Arzt in jenen heissen pesthauehenden Himmels-
strichen aus eigener Erfahrung kennt.
Die praktischen Resultate meiner Versuche, solche
Arbeiten trotz aller Schwierigkeiten in dem zum Kameruner
Regierungskrankenhaus gehörigen Laboratorium durchzu-
iühien, sollen in Folgendem gebracht werden, um dem
jungen Tropenarzt, der im Wesentlichen doch immer wird
Praktiker sein müssen, als Richtschnur zu dienen, bis er
umfangreichere eigene Erfahrung gesammelt hat.
Erhebliche klinische Bedeutung kommt vorläufig wohl
nur der mikroskopischen Blutuntersuchung auf Parasiten und
der quantitativen Hämoglobinbestimmung, eventuell combinirt
mit Blutkörperzählung, zu.
Eine zuweilen beobachtete leichte Leukocytose oder
auffallende Verringerung der weissen Blutkörperchen, waren
ebenso, wie das Auftreten kernhaltiger rother Blutscheiben
nicht constant genug, um klinisch verwerthet werden zu können.
Die betreffenden Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.
Mit der Würdigung des Malariaplasmodium in seiner
ätiologischen und klinischen Bedeutung ging es — oder geht
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cs vielmehr häutig noch — wie früher mit «lern Tuberkel-
biicillus: Der „alte Praktiker“ lächelte bei dem Gedanken,
dass er dureh’s Mikroskop sehen sollte, uni seine Schwind-
sucht zu erkennen. Natürlich bedarf cs auch hei der Malaria
in der überwiegenden Mehrzahl, resp. bei allen typischen
Fällen, des Mikroskops zur Diagnose nicht. Aber in den
Tropen giebt es eben eine sehr grosse Anzahl nicht
typischer Fälle, welche namentlich da, wo andere fieberhafte
Krankheiten häufig sind, eine rasche und sichere Diagnose,
ohne Blutuntersuehung gaDZ unmöglich machen. In Kamerun
kam in der Hinsicht in Betracht: 1) das typhoide Fieber
2) Dysenterie im ersten Beginn, 3) Hepatitis. Beim Neger
ausserdem noch die so häufige Pneumonie und einmal Cere-
brospinalmeningitis.
Nun würde in vielen fraglichen Fällen sich die Diagnose
vielleicht nach einer Beobachtungszeit von wenigen Tagen
stellen lassen, ohne das Mikroskop in Thätigkeit zu setzen;
aber diese wenigen Tage des Zuwartens und Beobachtens
können dem Patienten an einem Herde pernieiöser Fieber
direkt verhängnissvoll werden ; im günstigsten Falle schwächen
sie den Kranken enorm und verzögern die Reconvalescenz
bedeutend. Das weiss nicht nur der Tropcuarzt draussen,
sondern auch der erfahrene Laie. — Deshalb wird bei jeder
Störung des Allgemeinbefindens von ihm zum Thermometer
gegriffen, und zur „Sicherheit“ Chinin gegessen, wenn der-
selbe eine Temperatursteigerung anzeigt.
Das ist vom Laien so thöricht nicht gehandelt; der
Arzt aber sollte doch auf einem andern Standpunkt stehen.
Sonst kommt es, wie so oft: Das Chinin wirkt nicht. Es
wird dann eine höhere Dosis gegeben ; dann vielleicht noch-
mals gesteigert und öfters wiederholt. Schliesslich wird zu
anderen Mitteln gegriffen, sei es Arsen, Phenokoll, Antipyrin
oder noch anderen mehr oder minder unschuldigen Medika-
menten. Heilt die Krankheit dann inzwischen, und wieder-
holt sich diese Erscheinung öfters, — wie das z. B. bei einer
Typhoidepidemie geschehen kann, — dann kommt der Skep-
tiker und Pessimist dazu, zu sagen : „Auch das Chinin ver-
sagt zeitweise häufig bei der Malaria.“ Der Sanguiniker aber
berichtet: „Phenokoll oder Arsen wirken noch bei der Malaria,
woselbst das Chinin nicht hilft.“ Denn dass alle fieberhaften
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(utul auch viele nicht fieberhaften) Krankheiten in (len Tropen
Malaria sein müssen, verstand sich wenigstens zur Zeit meines
Aufenthalts in Hnlländisch-Indicn dort nicht blos für den
Laien von seihst.
Als „Malaria*' darf man heute aber nur
Krankheiten bezeichnen, welche durch die
als Malaria-Plasmodien bekannten amöben-
artigen kleinsten Thicrchen hervor ge rufen
werden. Diese finden sieh dann auch regelmässig im
peripheren Kreislauf, wenigstens zeitweise.
Die kleinen Malariaparasiten der tropischen, zur Perni-
ciositüt neigenden Fieber, welche den Estivoautumnalisformen
der Italiener, den Quotidianformen Munnaberg’s und van
der Scheer’s wenigstens morphologisch entsprechen, ver-
schwinden nämlich aus der peripheren Oirculation, wenn sie
ein gewisses Entwickelungsstadium erreicht haben. Ihre
Wirthe, die rothen Blutkörperchen, sind dann offenbar in
ihrer Constitution durch den Schmarotzer soweit verändert
worden, dass sie die feinsten Capillaren in Hirn, Leber, Lunge
ebensowenig mehr zu passieren vermögen, wie die Lymph-
rüume von Milz und Knochenmark, wo der Entwickelungs-
process zu Ende verläuft.
So wird bei Vorhandensein nur einer Parasitengeneration
im gleichen Entwickelungsstadium, einige Stunden vor dem
Fieberanfall, bis in den Schüttelfrost hinein, kein einziger
Parasit im peripheren Blut gefunden werden. Dies ist aber
gerade die Zeit, wo der Patient die Prodromalerscheinungen
verspürt, der Arzt also am öftesten in die Lage kommt,
wegen Diagnose und Prognose befragt zu werden. Nur zu
leicht wird auch der geübte Untersucher, der an das Ver-
schwinden der Parasiten vor dem Anfall nicht denkt, da
irre geleitet. Wer gewöhnt ist, gefärbte Präparate zu unter-
suchen. der findet oft noch stundenlang, nachdem der Anfall
begonnen, nichts, wenn nur eine Generation vorhanden ist,
denn die J u g e n d f or m e n der Parasiten färben sich
auch in ihren Randparthien erst, wenn sie etwa
Vs — ll* der Grösse eines rothen Blutkörperchen
erreicht haben.
Hierauf dürfte es zurückzuführen sein , dass auch
mikroskopisch sehr geübte Beobachter (z. B. Fischer in Kiel)
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lauge Zeit hindurch negative Resultate hatten. Für den,
welcher das Blut frisch untersucht, erscheint eine andere
Quelle der Täuschung, wenn zwei Parasitengenerationen von
verschiedenem Alter sich neben einander entwickeln, wie das
in Kamerun die Regel ist. Dann pflegt man zu der Zeit,
wo die ältere Generation sich bereits in den innern Organen
der Sporulation niibert, also aus dem peripheren Blut ver-
schwunden ist, in der äusseren Circulation die Jugendformen
der andern zu sehen, welche für den Geübten bis zu V*o
Blutkörpergrösse und weniger im lebenden Blut deutlich er-
kennbar sind. So kommt man leicht dazu auf Grund des
Entwickelungszustandes der sichtbaren Parasiten, den Fieber-
anfall erst für den nächsten Tag vorauszusagen, während er
unmittelbar bevorsteht. Der Autorität des Arztes ist das
nicht förderlich.
Zu andern Zeiten lassen sich im ungefärbten Präparat
die beiden Generationen meist deutlich unterscheiden. Aber
Vorsicht auch da mit der Prognose, namentlich wenn die
beiden Entwiekelungstypen nicht in grösserer Zahl vorhanden,
und nicht sehr scharf differenziert sind! — Bis zu dem Ge-
misch aller Entwickelungsstufcn bei Continua, wie sie aller-
dings, wenigstens in Kamerun nur beim Erstlingsfieber
öfters vorkommt, giebt es mannigfache Uebcrgänge.
Die Diagnose zu stellen, ist in solchen Fällen natürlich
besonders leicht, weil da fast stets auch färbbare Parasiten
vorhanden sind. Und glücklicher Weise sind es gerade diese
Fülle von Continua oder Remittcns, wo die Entwickelungs-
stufen sich zusammendrängen, welche am häufigsten eine
Differentialdiagnosc mit dem Mikroskop erfordern, weil sie
am wenigsten typisch verlaufen.
Dass die activen Parasitenforraen bei Auflösung der
rothen Blutkörperchen, wie sie das Wesen der Malaria
hümoglobinurica — vulgo Schwarzwasserfieber — ausmacht,
verschwinden und untergehn, führte ich an anderer Stelle aus.*)
Da nun aber die Malaria hämoglobinurica eine An-
wendung von Chinin direct contraindicirt, so kann man sich
streng daran halten, Chinin nur dann zu geben, wenn
*) „Beiträge zur Kenntnis» von Verlauf und Behandlung der
tropischen Malaria in Kamerun.“ Albert Plehn, Berlin, 1886 bei
Hirschwald.
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man die activen Parasiten formen im peripheren
Blute findet. Fehlen sic einmal vor dem Ficbcranstieg,
so wird eine nach 4—6 Stunden wiederholte Blutuntersuchung
die Diagnose sichern, und es ist danu, wie ebenfalls in dieser
Arbeit ausgesprochen, mindestens kein Fehler gewesen, dass
man den Ablauf des Paroxismus abwartete. Es ist das um
so weniger, als es nach meinen Erfahrungen in’ Kamerun
all Land niemals gelang, den kommenden Anfall durch
Chinin aufzuhalten, wenn sich schon Parasiten im Blut nach-
weisen Hessen. Demgegenüber giebt Dr. Zieinann*) an,
dass er an Bord des Kanonenboots „Hyäne“, welches auf
dem 2 klm breiten Strom liegt, mehrfach einem Fieber, das
er auf Grund des Parasitenbefundes prognosticirte, durch
eine sofortige Chiningabe Vorbeugen konnte. — Dies könnte
damit erklärt werden, dass die Entwickelungsbedingungen
für die Parasiten bei den den Bodenausdünstungen des Ufers
selten und nur vorübergehend ausgesetzten Seeleuten, im
allgemeinen ungünstiger sind, wie beim Landbewohner,
worauf auch die unvergleichlich viel niedrigeren Mor-
biditätsziffern hin weisen. — Jedenfalls steht fest, dass a n
Land die Parasiten durch Chinin nicht mehr getödtet
wurden, wenn sie die Hälfte ihrer Entwickelung erreicht
hatten. Und da fast stets mindestens zwei Entwickelungs-
stadien gleichzeitig vorhanden waren , so war fa3t stets
mindestens eine widerstandsfähig gegen das Chinin, während
die andere allerdings gewöhnlich vernichtet wurde. Es ist
also zwecklos, die Chiningaben zu häufen; die
der Chininwirkung zugänglichen Plasmodien werden durch
eine Gabe pro die vernichtet ; die älteren auch durch mehrere
nicht zerstört. Diese haben sich erst etwa 24 Stunden später
wieder in die empfindlichen Jugendformen aufgelöst, und
eine zweite mässige Chiningabe von 1 — 1 ’/t grm. nach 24
Stunden genügt somit fast stets, sämmtliche activen Parasiten-
formen, und somit die Malariaattaque, zu beseitigen.
Welches sind nun die activen Parasiten? Sie erscheinen
als kleinste endoglobuläre Ringformen, oder kleine homogene,
bewegliche Amöben, die wiederum die Ringform annehmen,
*) Vortrag in der Section für Tropenlngiene der 68. Versammlung
der Naturforscher und Aerzte zu Frankfurt a. M.
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bevor sie ubsterbcu, oder wenn sie gereizt werden. Später
bilden sie kleine Siegelringe, welche meist an der Stelle, wo
die Verdickung beginnt, ein rundes, stark lichtbrechendes
Gebilde führen, das als Kern allzusprechen sein dürfte. Ge-
wöhnlich enthalt die Peripherie des Ringes in diesem Stadium
einige feinste Pigmentstäbchen, welche dem Centrum fern bleiben.
Letzteres niuss als vakuolenartiges Gebilde angesehen werden
und ist durchsichtig, da es bei der Doppelfärbuug stets den
Farbenton des rothen Blutkörpers zeigt, während die Peri-
pherie des Ringes sich mit Methylenblau schwach färbt und der
Kern bei den gewöhnlichen Färbemethoden nicht tingirt wird,
sondern sich perlmutterartig glänzend vom Plasmascharf abhebt.
Weitere Veränderungen lassen sich im peripheren Blut
nicht verfolgen. Füllen die Parasiten etwa den vierten Theil
des rothen Blutkörperchens aus, so verschwinden diese, wie
gesagt, mit ihren Gästen aus der Circulation. Unter Um-
ständen, besonders wenn die Constitution der Erythrocyten
durch wiederholte oder anhaltende Einwirkung des Malaria-
virus in einen Zustand der Labilität gerathen ist, wie er die
Vorbedingung für den Ausbruch des „Schwarzwasserfiebers“
bildet, oder vielleicht auch, wenn man es mit besonders in-
tensiv wirkenden stark „virulenten“ Parasiten zu tliun hat,
können die Plasmodien bereits in einem noch früheren Jugend-
stadium mit ihren Wirthen verschwinden, und dann findet
man in jeder Phase der Fieberattaque nur die kleinen Ring-
formen, worauf Friedrich Plehn*) zuerst hinwies.
Die weitere Eintwickelung im Milzbiut zu verfolgen,
sah ich uus praktischen Gründen keine Veranlassung. Ledig-
lich aus wissenschaftlichem Interesse bei dem schon unter
dem Klima schwer leidenden Europäer die Milzpunction vor-
zunehmen , hielt ich mich nicht für berechtigt. Bei den
kräftigen Schwarzen fand ich im Milblut zur Zeit des An-
falls rundliche, traubenförmige Gebilde, welche die Grösse
eines Erythrocythcn nicht ganz erreichten und von ihrem
Wirtli nichts mehr erkennen Hessen. Sie dürften Sporulntions-
formen entsprechen. Ausserdem fanden sich etwas kleinere
Gebilde mit und ohne Vakuole, welche Pigmentkörnchen
*) Friedrich Plehn: „Das Schwarzwasserfieher der afrikanischen
Westküste“, Vortrag, gehnlten in der Berliner lnedicinischen Gesell
schsft, 1ÖÜ5.
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führten: wahrscheinlich Uohergünge von der Siegelring- zur
Sporulationsform. Typische Sporulationsformen , wie sie so
vielfach beschrieben sind, fand ich nicht. Aber die Unter-
suchungen waren nicht zahlreich und sind noch nicht abge-
schlossen.
Nur die Parasitenformen dieser Art haben pathogene
Bedeutung, da die bei ihrer Sporulation gebildeten toxischen
Substanzen die Fieberattaque hervorrufen. Allen den andern,
oft mehr als blutkörnergrossen, verschiedengestaltigen, meist
stark pigmentirten , exfraglobulären Gebilden, auch den
Laveran scheu Halbmonden und der echten L a -
verania — dem grossen, ge isselführenden Para-
siten — fehlen pathogene Eigenschaften. Eine
praktische Bedeutung haben sie nur insofern , als sie be-
weisen, dass vor nicht gar langer Zeit Malariaattaquen vor-
kamen, resp. dass überhaupt Malariainfection stattfand. Eine
Indication zur Chininbehandlung geben sie also
nicht, wenn sie allein zu finden sind. Wenn an
Bord von Schiffen hier Chinin ohne Schaden gegeben wurde,
so beweist das nicht, dass dies Verfahren rationell ist. —
Mit dem Chinin zu sparen, weiss man erst, wenn man nach
längerem Aufenthalt an einem der schlimmsten Malariaherde
das Maass des Missbehagens am eigenen Leibe kennen lernte,
das schon Vs grm Chinin bei einem malariadurchseuchten
Chininesser hervorzurufen pHegt, der womöglich bereits zu
Hämoglobinurie disponirt ist.
Was die Technik der Blutuntersuchung auf Malaria-
parasiten anlangt, so ist dem noch Ungeübten entschieden
das Färben der Präparate zu empfehlen. Dieselben werden
in der bekannten Weise dadurch gewonnen, dass man mit
einer feinen Lanzette oder dünnem Stilett*) einen Stich in
die gut mit Aether oder Alkohol gereinigte Fingerkappe
macht, von dem austretenden Blutstropfen ein wenig auf der
Ecke eines reineu Deckgläschen aufnimmt, das Deckgläschen
mit der nicht beschickten Seite auf eine Lage Fliesspapier
bringt und durch Andrücken der dem Blutströpfchen benach-
barten Ecke mit dem linken Zeigefinger gegen die Unterlage
fixirt. Dann wird das Blutströpfchen durch Ueberstreichen mit
*) Gewöhnliche Nadeln empfehlen sich nicht.
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der Kante einer reinen Visiten- oder Spielkarte (Friedrich Plehn
empfiehlt gestielte Glimmerplättchen) in diagonaler Richtung
vertheilt. Man lässt lufttrocken werden und fixirt 10 — 20
Minuten in absolutem Alkohol. Ist wirklich absoluter
(oder doch 90 procentiger) nicht sicher erhältlich, dann ver-
setzt man ihn zur Hälfte mit Aether. — Die Färbung kann
man direct auf dem Deckgläschen oder im Blockschälchen
vornehmen. — Gesättigte oder auch etwas verdünnte Methylen-
blaulösung genügt meist und giebt nach 10 - 20 Minuten gut
erkennbare Bilder. — Schoner werden dieselben, wenn man
unmittelbar vor dem Gebrauch 2 Theile 2 — 3procentiger
wässeriger Methylenblaulösung mit 1 Theil 1 procentiger
wässeriger Eosinlösung mischt, einige Minuten später filtrirt
und die Präparate gleich darauf für 2 — 4 Minuten in das
Filtrat bringt. Es handelt sich hier um Bildung eines „neu-
tralen“ Farbengemisches, aus dem die „basophilen“ wie die
„acidophilen“ Gewebselemente die Bestandtheile aufnehmen,
durch welche sie tingierbar sind. So kann man sehr inten-
sive Färbung und schöne Differenzierung erhalten. Aller-
dings wird man viel durch Niederschläge gestört, die sich
bei aller Uebung nicht immer vermeiden lassen.
Auch mit dieser Methode gelingt es jedoch nicht, active
Parasiten zu färben, bevor sie etwa '/* der Blutkörpergrösse
erreicht haben. Und da dieselben aus dem Kreislauf bereits
wieder verschwinden, wenn sie bis zu '/* der Blutkörper-
grösse ausgewachsen sind, so kann man mit Untersuchung
des gefärbten Präparats, nach den bisher bekannten Methoden
wenigstens, nicht mehr leisten, als in den meisten Fällen die
Diagnose stellen, was in practischer Hinsicht freilich auch
das Wichtigste ist.
Bei der Untersuchung des frischen Blutes ist man da-
gegen im »Stande, das Plasmodium in seine Jugendzustände
bis zu einer Grösse von V te Blutkörpergrösse herab, und
weiter, zu verfolgen, so dass man die zweite Generation fast
immer unterscheiden kann. Man verfährt dazu folgender-
in nssen :
Das in der vorhin skizzirten bekannten Weise ge-
wonnene Bluttrüpfchen wird mit der Mitte des Deckgläschens
aufgenommen und dasselbe mit dem Blutstropfen, der in
diesem Falle nicht zu klein sein darf, auf einen
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bereitgehaltenen Objectträger gebracht, so dass das Blut sich
in feiner Schiebt zwischen den beiden Glasplatten vertheilt.
Hierauf presst man dieselben leicht zwischen mehrfachen
Lagen trocknen, reinen Mulls durch Daumen und Zeigefinger
zusammen. Dadurch wird ein Theil des Blutes unter dem
Deckglas hervorgedriiekt und alsbald von dem hydrophilen
Stoff aufgenommen, während die Gläser rein und trocken
bleiben. Die feine Schicht Blut zwischen den Gläsern aber
trocknet an ihrem der Luft ausgesetzten Rande sofort ein,
und diese eingetrocknete Zone fixirt nicht nur die Gläschen
an einander, sondern schützt auch das flüssige Blut, das sie
umschliesst, für Stunden vor jeder Veränderung.
Die so gewonnenen Präparate steckt man in eine Papier-
düte pnd kann sie in der Brieftasche überallhin mitnehmen.
Bringt man sie dann unter das Mikroskop, so findet man die
Blutkörperchen alle flach neben einander liegen, ohne eine
Spur sichtbarer Veränderung, ausser vielleicht, dass sie manch-
mal etwas plattgedrückt erscheinen, was übrigens das Er-
kennen der Parasiten zum Mindesten uicht stört. Wenn man
dann mit einem guten Mikroskop arbeitet, das mit einem in
zwei rechtwinkelig zu einander durch Mikrometerschrauben
verschieblichen Objecttisch ausgerüstet ist , so kann auch
nicht ein Parasit im Präparat dem kundigen Beobachter ent-
gehen. Wo dieselben vorhanden, da ist die Diagnose, und
wo das überhaupt möglich, auch die Prognose in bezug auf
Zahl und Zeit der Anfalle in ft Minuten gestellt, während
ich empfehlen möchte, doch lft — 20 Minuten zu suchen, be-
vor man das Vorhandensein von Parasiten mit Bestimmtheit
ausscldiesst. Es dürfte hier der Ort sein, zu betonen, dass
die Zahl der gefundenen Parasiten durchaus in keiner Weise
für Beurtheilung der Schwere oder Leichtigkeit des kom-
menden Anfalls zu verwerthen ist. Ich untersuchte Patienten,
die mit unbestimmten Klagen zu Fuss in meine Sprech-
stunden kamen und deren Blut von Parasiten wimmelte,
während in anderen Fällen, wo der Kranke mit Temperaturen
an 42 0 C. halb besinnungslos darniederlag, nur mit äusserster
Mühe ein paar kleinste Ringformen im peripheren Blut zu
finden waren.
Finden Hessen sich die Parasiten aber aus-
uahmslos, und wo sie gefunden wurden, da hat das Chinin
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Id
auch in Gilben von nur 1 — l'/s grm auf einmal pro Tug
bei den von mir beobachteten Fallen seine Wirkung noch
stets gehabt. Im frischen Präparat mit Sicherheit zu unter-
suchen, ist nun nicht ganz leicht und erfordert immerhin
eine ganz erhebliche Hebung.
Ausserdem ist unbedingt nothwendig ein sehr gutes
Miskroskop, selbstverständlich Oelimmersion. Auch der durch
Schrauben verschiebliche Objecttisch ist kaum zu entbehren.
Wer sich nicht gleich einen theuren Zeiss anschaffen
will, dem kann ich die Seibert 'sehen Mikroskope mit den
betreffenden Vorrichtungen warm empfehlen. Sie leisten alles
Erforderliche im vollsten Maass. Vor Allem aber muss der
junge Arzt, der sich in den Tropen mit Blutuntersuchungen
beschäftigen will, die in Europa im Blut gesunder und kranker
Menschen vorkommenden Veränderungen, wie sie ganz be-
sonders durch die verschiedenen Präparntionsmcthodcn hervor-
gerufen werden, von Grund aus kennen und in hunderten
von Fällen gesehen halten, sonst kommt er aus der Unsicherheit
nicht heraus und leicht in die Lage, die ganze Mikroskopie
nach einer Anzahl von Irrthüraern und Misserfolgen, die ihm
nicht erspart bleiben werden, an den Nagel zu hängen. —
Wenn irgend thunlich, so sollte der Arzt, welcher als Feld
seiner Thätigkeit für längere Zeit eine Malariagegend wählt,
es ermöglichen, vorher in einem Hospital, das reich an Malaria-
kranken ist, unter sachverständiger Anleitung zu arbeiten.
Diese Gelegenheit dürfte zur Zeit kaum wo anders, als in
Italien, vorhanden sein, wo ich sie in Rom durch das liebens-
würdige Entgegenkommen der Herren Marchiafava,
Bastianelli, Dionisi in hervorragender Weise fand. —
Vielleicht aber kommt es auch in Deutschland noch einmal
dazu, dass das einschlägige Krankenmaterial, welches Kriegs-
marine, Kolonialtruppe und Kolonialbeamtenschaft reichlich
liefern ,auf einer Station vereinigt wird, die dann Gelegen-
heit zu Lehr- und Lemthätigkeit bieten würde.
Vorläufig empfehle ich jedem Collegen draussen, grund-
sätzlich nur die endoglobulären Formen praktisch zu berück-
sichtigen und als Plasmodien nur das anzusprechen, was
typische Ringforra oder typische amoboide Bewegung zeigt.
So wird er sich vielleicht einen Theil der Enttäuschungen
ersparen können, die Andere durchmachen mussten.
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17
Quantitative II ämoglobinbestimmungcn (auf
colori metrischen Wege) sind meines Wissens als klinische
Methode wenigstens bei Malaria systematisch sehr wenig
angewandt worden. Nur Friedrich Pie hu nimmt in seiner
citirten Arbeit „Ueber das Schwarz Wasserfieber an der
Afrikanischen Westküste“ darauf Bezug, und .Steudel*)
veröffentlicht eine Anzahl von Bestimmungen, ebenfalls bei
.Schwarzwasserfieber. Er hat aber keine praktische Conse-
quenzen daraus gezogen und war auch nicht im Stande,
Fehlerquellen immer uuszusehliessen, wie das oft im weiten
Umfang unregelmässig schwankende Verhültniss des Ilämo-
globingehalts zur Blutkörperzahl beweist, welches bei seinen
Zahlen hervortritt.
In einer Arbeit über „Vergleichende Pathologie der
schwarzen Rasse“,**) theilte ich die Beobachtung mit, dass
der Ilämoglobingehalt des Blutes beim Europäer schon nach
einem Aufenthalt in Kamerun von wenigen Monaten bis auf
% und selbst *1 s des in Europa Normalen reducirt sei. Das
einzelne Individiuum behält dann diesen reducirten Ilämo-
globingehalt constant bei, ohne in seiner körperlichen Leistungs-
fähigkeit dadurch merkbar beeinträchtigt zu sein; es passt
sich also diesem Zustand der Blutverdünnung gewissermaassen
an ; — oder aber die Rcduction des Hämoglobingehalts selbst
ist Ausdruck der Anspannung des Individiuums an die ver-
änderten Lebensbedingungen. - Nach jedem schweren Fieber
sinkt nun der Hämoglobingehalt (mit ihm beiläufig bemerkt,
die Blutkörperzahl in entsprechendem Vcrhältniss) noch mehr
oder weniger tief unter das für Kamerun Normale, um mit
Eintritt der Reconvalescenz sehr rasch die ursprüngliche
Höhe wieder zu erreichen. Nach Schwarzwasserfiebern, wo
ich nach Absinken bis auf 19%, ja 14% des in Europa
Normalen, noch Heilung eintreten sah, kann die Zunahme
an Farbstoffgehalt bis 20% pro Woche und mehr betragen.
In der Regel wird circa 10°/0 in der Woche zugenommen.
Beträgt die Zunahme schon zu Anfang er-
heblich weniger, so kann man mit Sicherheit auf
eine Störung des Vor I a u f s der (1 cnesung rechnen.
*) „Die perniciiise Malaria in Doutsch-Ostafrika" von Dr. K.
Steudel. Leipzig lä!)4 hei Vogel.
**) Virehow's Archiv, 1hl. I4(i.
Archiv f. Schiff«* u Tropenhygienc. 2
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Andererseits kann eine rasche Ergänzung der Verluste als
Zeichen angesehen werden, dass dem Organismus noch aus-
reichende Regenerationskraft iunewohnt, um weiteres Ver-
bleiben am Malariaherd zu rechtfertigen.- Zeit zur Heimkehr,
oder doch zum Klimawechsel, wird es, wenn relativ leichte
Gesundheitsstörungen tiefes Absinken des Hiimoglobingehalts
zur Folge haben, oder wenn das Einbringen der Verluste
ohne besonderen Grund anfängt, sich regelmässig zu ver-
zögern. Ein besonders tiefer Abfall, z. B. nach einem
schweren Schwarzwasserfieber, braucht keinerlei Bedenken
zu erregen, wenn es rasch wieder ausgeglichen wird. So
hat jener Patient, dessen Hämoglobingehalt bis auf l!t°/o
herabging, nachher noch ein volles Jahr bei relativ guter
Gesundheit Dienst in Kamerun gethan. — Es sei hier betont,
dass das Aussehn — die Gesichtsfarbe — sich iu keiner
Weise für Schätzung des Blutfarbstoffes verwerthen lässt.
Während äusserst bleiche, fahle Gesichter relativ blutreichen
Individuen angehören mögen, kann eine bräunliche Hautfarbe
die schwerste Anämie verdecken. Da ist es klar, welche
ausschlaggebende Bedeutung es haben muss, den Hämoglobin-
gehalt festzustellen und seine Schwankungen einige Zeit zu
beobachten, wenn man über die weitere Tropendienstfähigkeit
nrtheilen soll. Ja meistens lässt sich schon nach den ersten
Fiebern bei regelmässiger Hämoglobinbestimmung mit einiger
Wahrscheinlichkeit Voraussagen, ob der Betreffende Aussicht
auf längere Dienstfähigkeit — wenigstens in Kamerun — hat.
Es sei mir nun gestattet, Denjenigen, welche eigene
Erfahrungen in dieser Richtung noch nicht sammeln konnteu,
als vorläufigen Anhaltspunkt einige Grenzwerthe nach meinen
bisherigen Beobachtungen zu nennen. — Ich fand, dass es
zwecklos ist. Jemand im praktischen Kolonialdienst zu halten,
dessen Blut nur vorübergehend mehr als 60°,!o Hämoglobin
führt. Dementsprechend galt es mir als Regel, nur unter
besonderen Umständen, ausnahmsweise Jemand als dienstfähig
zu bezeichnen, der nicht mindestens 60°/o Blutfarbstoff besass;
auch wurden Reconvalescentcn niemals vorher aus der Be-
handlung entlassen. — Bis 50 °/o erreicht waren, pflegte ich
Reconvalescenten oder nach strapaziösen Expeditionen stark
Heruntergekommene das Bett hüten zu lassen ; doch musste
von dieser Regel öfters abgegangen werden. Es ist keine
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Hl
Kleinigkeit, in den Tropen im Bett zu liegen, und zum Zweck
eines Luftwechsels kann ein Abweichen von der Norm selbst
wünschenswert!) sein. — Ein Patient mit weniger als 40° o
gehört unter allen Umständen ins Bett, und wird einem
Transport niemals ohne grosse Gefahr ausgesetzt werden,
selbst wenn derselbe dazu dienen soll, ihn auf bequemem
Dampfer in die Heimatb zu befördern. Man glaube nur
nicht, dass solch ein Kranker dafür schon ohnehin immer
einen zu bedenklichen Eindruck macht. Ich sah einen
Bureaubeamten mit 33 °io Hämoglobin wochenlang seinen
Dienst, wenn auch mangelhaft, versehen.
Zur Hämoglobinbestimmung benutzte ich das bekannte
Elaisehl'sche Hämometer. Seine Handhabung verursacht keine
Schwierigkeiten, wenn der Untersucher ein feines Farben-
differenzvermögen und ausreichende Uebung besitzt, welch
letztere man sich wenigstens leicht verschalten kann. Ich
möchte hier nur noch einige Modifikationen des in der jedem
Apparat beigegebenen „Gebrauchsanweisung“ beschriebenen
Verfahrens zu sprechen kommen. Die grössten Schwierig-
keiten wird man haben, das Capillarröhrclien so zu füllen,
dass der Inhalt weder einen positiven, noch negativen
Meniskus bildet. Am besten kam ich zum Ziel, wenn ich
den positiven Meniskus durch vorsichtiges wiederholtes Be-
rühren mit dem Finger vom Rande der Capillare her
entfernte. Dabei ist grosse Vorsicht nöthig, damit er sich
nicht sofort in einen negativen umwandelt oder das Röhrchen
von aussen mit Blut verunreinigt wird ; ausserdem Eile, da
das Blut sonst theilweise gerinnt, undman dann zu einem andern
Röhrchen greifen muss. Das Einfüllen des Wassere habe ich,
wie das Absaugen nach zu starker Füllung stets mit einer
kleinen Augentropfenpipette vorgenommen. Die Füllung ist
möglichst so einzurichten, dass ein Absaugen unnöthig wird,
denn die Behauptung in der Gebrauchsanweisung, es sei
möglich, dass Wasser derart über das Blutgemisch zu schichten,
dass beim Absaugen nur Wasser entfernt werde, trifft doch
nicht zu. Wenn man einen positiven Meniskus über dem
ganz nach der Vorschrift mit Blut und Wasser beschickten
Cylinder vermöge weissen Fliesspapiers zu entfernen sucht,
so wird man sehn, dass das Fliesspapier sich jedesmal färbt.
Uebrigens habe ich gefunden, dass je ein flacher positiver
2 *
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Meniskus über der ßlutmischung und über dem Wasser die
Genauigkeit der Bestimmung nur fördert, wenn beide
gleich hoch sind, was ich ausreichend durch das Augen-
muss bestimmen lässt. Um sicli nun vor Fehlern zu schützen,
die auch dem Geübten gelegentlich aus oft unerfindlichen
Ursachen passieren, und die Resultate genauer zu gestalten,
darf man sich niemals mit einer Bestimmung
begnügen. Am besten besorgt man sieb 2 — 3 Cylinder
für denselben Apparat, die man aus demselben Stich gleich
hinter einander beschickt, mn den zu Untersuchenden nicht
überflüssig mit wiederholtem Anstcchen zu belästigen.
Ferner ist es zur Sclbstcontrolle unbedingt nothwendig, dass
man die Einstellungen verdeckt macht, d. li. erst abliest,
wenn die Abtönung der zu vergleichenden Halbkreisflächen
genau die gleiche ist — oder zu sein scheint. Wenn die
verschiedenen Proben mehr als 5 */ o Differenz zeigen, so
kann man die ganze Bestimmung als gescheitert ansebn, und
verwirft sie. — Sind die extremen Differenzen nicht grösser,
so nimmt man das Mittel derselben. Ist man für Farbenselin
veranlagt, eine Fähigkeit, welche übrigens auch noch be-
trächtlich entwickelt werden kann, dann werden Differenzen
von 3°/0 schon sehr selten werden. Aber niemals versäume
mau deshalb mindestens einen Controlversuch zu machen,
sonst erhält man gelegentlich ein Ergebniss, was die
Zuverlässigkeit der ganzen Versuchsreihen discrcditiercn
kann.
Eine solche Controlle ist jedenfalls einfacher, als die
durch gleichzeitiges Zählen der Blutkörperchen im Torna-
Zeiss’schen Apparat. Ich habe durch Vergleiche gefunden,
dass das Verhältniss von Hämoglobingehalt und Blutkörper-
zahl zur Norm innerhalb der durch unvermeidbare Fehler-
quellen gesetzten Grenzen stets ungefähr das gleiche war.
Wenn man also z. B. 2Ö00000 Blutkörperchen zählte, so
fand man 50°/o Hämoglobin etc. Selbstverständlich hat man,
falls die Controlle der Hämoglobinbestimmungen durch ßlut-
körperzäblung geübt werden soll, allermindestens 200 Qua-
drate des Netzes durchzuzählen, und muss sich dabei gegen-
wärtig halten, dass auch dann noch Fehler bis zu 5“'o
unvermeidbar sind. Daraus geht schon hervor, dass die Hämo-
globinbestimmung nicht nur rascher, sondern auch viel sicherer
21
und genauerer über Menge der vorhandenen Athmungsorgane
inforinirt.
Auf die besonderen Umstände einzugehen, weiche beim
Schwarzwasserfieber vor dessen Ablauf die Ergebnisse ganz
unsicher und nur cum grano salis verwerthbar machen, fehlt
mir hier der Raum, und ich muss da auf pag. 14 und 15
meiner Arbeit verweisen.
Für das über die Malariaplasmodien Gesagte wurden
ausser den eigenen Beobachtungen einige Publicationen aus
Holländisch-Indien (besonders von van der Sehe er, dessen
Ergebnisse mit den meinigen bis ins Einzelne überein-
stimmen) und Afrika (Friedrich Plelin) berücksichtigt.
Auch konnten die Arbeiten der Italiener und von
Mannaberg wegen der theilweisen Aehnlichkeit der
Befunde mit verwerthet werden, obgleich sie nicht aus
tropischen Gegenden stammen. Die einzelnen Quellen zu
bringen, kann hier nicht meine Aufgabe sein. Die Litteratur
findet sich am vollständigsten bei Mannaberg*) und Friedrich
Plehn,**) die neueste auch beim Autor.***) Den praktischen
Rathschlägen liegt grösstentheils eigene Erfahrung zu Grunde.
Das gilt ganz von dem über die Vcrwerthung der quanti-
tativen Hämoglobinbestimmung Gesagten.
Uebersicht Uber die Handhabung der
gesundheitspolizeilichen, der Abwehr der Einschleppung
fremder Volksseuchen dienenden Kontrolle der Seeschiffe
bei verschiedenen Staaten.
Von Ilafenarzt Dr. Nocht, Hamburg.
Die Abwehr der Einschleppung von Seuchen durch
den Seeverkehr hat, wie die Bekämpfung der Infections-
krankheiten überhaupt, erst durch die moderne, actiologisehe
Forschung eine feste Grundlage erhalten. Früher konnten
*) Man na borg, „Die Malariaparasiton, auf Grund froinder und
eigener Beobachtungen dargestollt.“ Wien 1893 bei Holder.
**) Friedrich Plehn. „Klinische und actiologisehe Malaria-
studien“ Berlin 1890 bei Hirschwald.
***) Albert Plehn. „Beiträge zur Kenutniss von Verlauf
und Behandlung der tropischen Malaria in Kamerun.'' Berlin 189G bei
Hirschwald.
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sich die Ansichten über die Gcliihrliehkeit suis der Fremde
ankommender Seeschiffe in dieser Hinsiclit nur auf vereinzelte
und fast niemals eindeutige Beobachtungen und Erfahrungen
stützen; im Ganzen waren es alter mehr Vermuthungen und
Annahmen, die bei der gcsundhcitspolizcilichen Behandlung
dieser Schiffe massgebend waren. Die Anschauungen standen
sich dabei z. Th. schroff gegenüber. Allgemeine Ab-
sperrungen und Quarantänen konnten wenigstens theoretisch
noch vertheidigt werden, wenn sich auch bei wachsendem
Verkehr mehr und mehr herausstellte, dass sie undureh
führ bar waren und dass ihr praktischer Nutzen in grellem
Widerspruch zu den wirthschaftlichen Schädigungen, die
solche Massregcln mit sich brachten, stand.
Es ist ein Irrthum, wenn behauptet wird, die über-
wiegend bakteriologische Richtung der modernen Gesund-
heitslehre habe den Anhängern allgemeiner Absperrmassregeln
in Epideiniezeiten neue Stützen gegeben; das Gegeilt heil
ist richtig: auf Grund genauerer Kenntnisse von der Natur
und Verbreitung der Krankheitserreger halten wir jetzt
zwar eine allgemeine Ueberwachung des Verkehrs für
die Seuchenbekämpfung nothwendig; besondere, verkehr-
beschränkende Massnahmen sind aber nur in ganz be-
stimmten Ei uz elf Ul len erforderlich. Der allgemeine Ver-
kehr kann auch in Seuchenzeiten ungehindert bleiben. Dazu
hat die praktische Erfahrung der letzten Cholerajahre gelehrt,
dass auch bei der Verkehrsüberwachung noch manche
theoretisch begründete Forderung als praktisch unwichtig bei
Seite gelassen werden konnte. Der Meister der aetiologischen,
wissenschaftlichen Erforschung der Infectionskrankheiten,
Robert Koch, leitete auch die praktische, so erfolgreiche Be-
kämpfung der Cholera in Deutschland und war immer der erste,
wenn es galt, Verkehrsheschränkungen, die sich als unwichtig
oder hei geringem Nutzen belästigend erwiesen hatten, fallen
zu lassen. Die übertriebenen Absperrungen von 1892 sind
lediglich der Unkenntniss von Laien und nicht genügend
bakteriologisch gebildeten Mcdicinern über die Verbreitungs-
wege der Krankheitserreger der Cholera zur Last zu legen
und haben mit den wissenschaftlichen Anschauungen hierüber
nichts zu thun. Wer die Verhandlungen liest, die zu der
Dresdener Uebcreinkunft vom April 1898 geführt haben,
23
kann sieh davon überzeugen, dass der „einseitig kontu-
gionistische“ Standpunkt Koch’s uns vor manchen uns noch
zugedachten Beschränkungen bewahrt hat und an der Bei-
behaltung der einen oder anderen, überflüssigen Massregel
nicht Schuld ist.
Auf der Dresdener Conferenz einigten sieh die Staaten
Deutschland, Oesterreich, Russland, Italien, Frankreich, Hol-
land, Belgien, die Schweiz und England über gewisse Grund-
sätze bei der Bekämpfung der Cholera. Es handelte sieh
aber dabei nicht, wie vielfach irrtümlich angenommen wird,
um gemeinsame, „internationale“, positive Abwehr-
massregcln, sondern nur um die Festsetzung einer oberen
Grenze, über welche hinaus Handel und Wandel zwischen
den vcrtragsehliessenden Staaten auch in Cholerazeiten nicht
belästigt werden soll. Die für unsere Zwecke in Betracht
kommenden, allgemeinen Festsetzungen der Uebereinkunft
bestehen darin, dass nicht mehr ganze Länder und Küsten-
strecken beim Auftreten einzelner Cholerafülle als „verseucht“
erklärt werden dürfen, sondern höchstens einzelne Städte,
Häfen oder begrenzte Bezirke, und zwar auch nur dann,
wenn sich ein Choleraheerd gebildet hat. Von dem
Auftreten solcher Choleraheerde haben sich die Regierungen
gegenseitig Mittheilung zu machen. Ferner würden Ein- und
Durchfuhrverbote erheblich beschränkt, der allgemeine Waaren-
verkehr soll freibleiben. Auf die Ueberwachung des See-
verkehrs bezieht sich Titel 8 der Convention wie folgt:
Seeverkehr. Massnahmen in den Häfen.
Als verseucht gilt ein Schilf, welches entweder Cholera im Bord
hat oder auf welchem während der letzten sieben Tage neue Cholera-
fälle vorgekommen sind.
Als verdächtig gilt ein Schill', auf welchem zur Zeit der Abfahrt
oder während der Reise Cholerafälle vorgekommen sind, auf dom aber
während der letzten sieben Tage kein neuer Fall sich ereignet hat.
Als rein gilt ein Schilf, wenngleich es aus einem verseuchten
Hafen kommt, in dem Falle, wenn es weder vor der Abfahrt noch
während der Reise, noch auch bei der Ankunft einen Cholera-Todcs-
oder Krankheitsfall an Bord gehabt hat.
Verseuchte Schiffe unterliegen folgenden Bestimmungen:
1. Die Kranken werden sofort aasgeschifft und isolirt.
2. Die übrigen Personen müssen womöglich gleichfalls aus-
geschifft und einer Beobachtung unterworfen werden,
deren Dauer sich uaeh dem Gesundheitszustand des Schiffes
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und nach dom Zeitpunkt dos letzten Krankheitsfall«*»
richtet, die indessen d«*n Zeitraum von fünf Tagen nicht
überschreiten darf.
3. Die schmutzige Wüsche, die Bekleidungsgegenstände «les
täglichen Gebrauchs und sonstige Sachen der Schiffsmann-
schaft und der Reisenden sollen, sofern dieselben nach der
Ansicht der Hafengeeuudheitsbehörde als mit Cholera-
Kntleerungen beschmutzt zu erachten sind, ebenso wie das
Schiff oder auch nur der mit Cholera - Kntleerungen be-
schmutzte Theil desselben desinficirt werden.
Verdächtige Schiffe sind nachstehenden Bestimmungen unter-
worfen :
1. Aerztliche Revision.
*2. Desinfection: Die schmutzige Wäsche, die Bekleidungs-
gegenstiinde des täglichen Gebrauchs und sonstige Sachen
der Schiffsmannschaft und der Reisenden sollen, sofern
dieselben nach der Ansicht der Hafongesundheitsbehörde
als mit Cholera-Entleerungen beschmutzt zu erachten sind,
desinficiert werden.
3. Auspumpen des Kielwassers nach erfolgter Desinfection
und Ersatz des an Bord befindlichen Wasser vorraths durch
gutes Trink wasser.
Es empfiehlt sich, die Mannschaft und die Reisenden in Bezug
auf ihren Gesundheitszustand während eines Zeitraums von fünf Tagen
seit der Ankunft des Schiffes einer gesundheitspolizeilichen Ueber-
wachung zu unterziehen.
Ebenso empfiehlt es sich» das Anlandgohen der Mannschaft zu
verhindern, es sei denn, dass Gründe des Dienstes das Anlandgohen
nothwendig machen.
Reine Schiffe sind sofort zum freien Verkehr zuzulassen, wie
auch immer ihr Gesundhuitspass lauten mag.
Die einzigen Bestimmungen, welche die Behörde des Ankunft»
hafens ihnen gegenüber treffen darf, bestehen in den auf verdächtige
Schiffe anwendbaren Massregeln (ärztliche Revision, Desinfection, Aus-
pumpen des Kielwassers und Ersatz des an Bord befindlichen Wasser-
vorraths durch gutes Trinkwasser.)
Es empfiehlt sich, die Reisenden und die Schiffsmannschaft in
Bezug auf ihren Gesundheitszustand bis zum Ablauf eines Zeitraums
von fünf Tagen, dessen B«*ginn von dem Tage der Abfahrt des Schiffes
aus dem verseuchten Hafen gerechnet wird, einer gesundheitspolizei-
lichon l Überwachung zu unterwerfen.
Ebenso empfiehlt es sich, «las Anlandgehen der Mannschaft zu
verhindern, es sei denn, dass Gründe des Dienstes das Anlandgehen
nothwendig machen.
Die zuständige Behörde des Ankunftshafens ist unter allen
Entständen berechtigt, eine Bescheinigung darüber zu verlangen, dass
auf dem Schiffe im Abgangshafen keine Cholerafälle vorgekommen sind.
V.
25
Die zuständige Htifenhohörde soll bei der Anwendung dieser
Mussregeln den Umstund in Rechnung ziehen, ob sieh nn Bord der
vorbezeicbneten drei Kategoiien von Sehiffen ein Arzt und ein I)es-
infeetionsnppsrst befindet.
Besondere Msssregeln können getroffen werden für init l’ersonon
besonder» stark besetzte Schiffe, namentlich für Auswandererschifio,
sowie für alle anderen Schiffe, welche ungünstige gesundheitliche Ver-
hältnisse aufweisen.
Die zur See Ankommenden Waaren dürfen in Bezug auf Desin-
fection. Einfuhrverbote, Durchfuhrverbote und Quarantäne nicht anders
behandelt werden, als die zu Lande beförderten Waaren. (Vergl. Tit. 4.)
Jedem Schiff', welches sich den von der Hafenbehörde ihm auf-
erlegten Massregeln nicht unterwerfen will, soll es freistehen, wieder
in See zu gehen.
Das Schiff kann jedoch die Erlaubniss erhalten, seine Waaren
zu löschen, nachdem die erforderlichen Vornichtsmassregoln getroffen
worden sind, nämlich :
1. Isolirung des Schiffes, der Mannschaft und der Reisenden;
a. Auspumpen dos Kielwassers nach erfolgter Desinfection :
3. Ersatz des an Bord befindlichen Wasservorrathg durch
gutes Trinkwasser.
Auch kann dem Schiff gestattet werden, die Reisenden, welche
es wünschen, an Land zu setzen, unter der Bedingung, dass die betref-
fenden Reisenden sich den von der localen Behörde vorgeschriebenen
Massregeln unterwerfen.
Jedes Land muss wenigstens einen Hafen an der Küste jedes
seiner Meere mit ausreichenden Einrichtungen und Anstalten versehen,
um Schiffe ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand aufnehmen
zu können.
Die Küstenfahrzeuge unterliegen besonderen, zwischen den be-
theiligten Ländern zu vereinbarenden Bestimmungen.
Diesen Bestimmungen der Dresdner Uebereinkunft liegt
tlie jetzt durch zahlreiche Untersuchungen genügend sicher
gestellte Erfahrung zu Grunde, dass der Ansteckungsstoff der
Cholera im Verkehr im Wesentlichen nur durch den Kranken,
seine Abfallstoffe und seine nächste Umgebung verbreitet
wird, dass aber eine Einschleppung der Seuche durch cholera-
freie Schiffe nur in ganz bestimmten Ausnahmefällcn zu
fürchten ist (Bilsch, Ballastwasser, kurze Reisen). Beobacht-
ungen, Uebcrwachungen , sowie sonstige den Verkehr be-
lästigende Massnahmen sollen daher auf dasjenige Minimum
beschränkt werden, das sich in der Praxis im allgemeinen
noch als genügend bewährt hat, um die Kranken und ihre
nächste Umgebung für die weitere Verbreitung des Krank-
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1 1
i
I
I
I
26
heitserregers rechtzeitig unschädlich machen zu können. Für
die Art, Dauer und Ausdehnung der dazu dienlichen Mass-
nahmen ist eine obere Grenze festgesetzt. Die oben auf-
geführten Massnahmen treten erst in Kraft, nachdem an Bord
Cholerakranke aufgefunden sind oder festgestellt ist, dass
während der Reise Cholerafälle an Bord vorgekommen sind.
Die „reinen“ Schiffe sollen im allgemeinen frei ausgehen.
Hierüber lässt die Dresdener Convention keinen Zweifel auf-
kommen. Dagegen ist in den Abmachungen darüber nichts
nusgesagt, in welchem Umfange, wann und wo ankommende
Schiffe zu untersuchen sind, damit ihre sanitäre Beschaffen-
heit erkannt und sie als „reine“ Schiffe freigegeben, oder,
wenn „verseucht“ oder „verdächtig“ befunden, den weiteren
gesundheitspolizeilichen Verfahren unterworfen werden können.
In diesem Punkte, also in der Handhabung und Gestaltung
der ersten Untersuchung ankommender Schiffe vor Eröffnung
des Verkehres, unterscheiden sich die Bestimmungen der
vertragschliessenden Staaten nicht unwesentlich von einander,
während die Reglements für die Behandlung der Schiffe,
nachdem erst das Ergebniss der ersten Untersuchung fest-
steht, bei allen Vertragsstaaten in den Hauptsachen gleich-
artig sind, abgesehen von mancherlei veraltetem und umständ-
lichem Beiwerk.
Bei der Frage der ersten Untersuchung der Schiffe
handelt es sich darum, ob alle Schiffe, gleichviel welcher
Herkunft, bei ihrer Ankunft im Hafen die Erlaubniss zur
Eröffnung des Verkehrs erst nach einer — ärztlichen oder
nichtärztlichen — Besichtigung erhalten, ob also alle nn-
kommenden Schiffe von vornherein die gelbe Flagge setzen
und die Erlaubniss zum Niederholen derselben abwarten
müssen, ferner darum, ob die ankommenden Schiffe etwa vor
dem Einlaufen in den Hafen eine — mehr oder weniger weit
entfernte — Untersuchungsstation aufsuchcn müssen,
oder ob solche Massnahmen auf bestimmte Herkünfte be-
schränkt werden. Ferner kommt es dabei darauf an, ob die
Schiffe einen Gesundheitspass haben müssen und ob bei un-
reinem oder nicht vorschriftsmässigem Gesundheitspass die
Erlaubniss zur Eröffnung des Verkehrs nicht ertheilt, sondern
erst das Ergebniss einer zweiten, genaueren Untersuchung
abgewartet wird. Alle diese Dinge sind in der Dresdener
27
Convention nicht geordnet. Theoretisch sind sie unwesent-
lich und dürften denen, welche mit der ganzen Angelegen-
heit praktisch nichts zu thun haben, nebensächlich erscheinen.
Bei der Ausführung solcher Vorschriften kann aber auch
für ein Schiff ganz unverdächtiger Herkunft und Beschaffen-
heit ein Verlust von Stunden und unter Umständen selbst
der Verlust eines ganzen Tages in Frage kommen, z. B.
wenn bei ungünstigem Strom und Fahrwasser durch das
Abwarten der Sanitätsvisite an bestimmter Stelle die Hoch-
wasserzeit, in welcher das Fahrwasser genügend tief war,
ungenutzt vorüberging.
In Deutschland unterliegen der gesundheitspolizei-
lichen Kontrolle vor der Eröffnung des Verkehres nur
solche Schiffe, welche aus für verseucht erklärten Häfen
kommen oder Cholera-, Pest-, oder Gelbtieberkrankc an
Bord haben resp. während der Reise hatten. Alle übrigen
Schiffe gehen frei in den Hafen und können den Verkehr
eröffnen, ohne eine Sanitätsvisite abzuwarten. Den Gesund-
heitspässen wird bei uns kein Werth beigemessen, es braucht
gar nicht darnach gefragt zu werden. Wenn aber eine
Untersuchung vor der Eröffnung des Verkehrs vorgenommen
wird, so geschieht dies immer durch einen Arzt, welcher
über die weitere Behandlung des Schiffes entscheidet. Diese
Untersuchungen finden nur bei Tage statt. Dies Kontroll-
system bringt entschieden die geringsten Belästigungen mit
sich, da nur eine sehr beschränkte Auswahl von Schiffen
davon betroffen wird. In Hamburg werden nebenbei auch
alle übrigen eingelaufenen Schiffe gesundheitspolizeilich kontrol-
lirt, jedoch erst nach Eröffnung des Verkehrs. Die Schiffe
brauchen mit dem Löschen und Laden, Entlassen von Passa-
gieren nicht auf diese Sanitätsvisite zu warten. Diese Kontrolle
aller Schiffe bildet die Ergänzung zu der in deutschen
Häfen allgemein vorgeschriebenen einmaligen Vorkontrolle
gewisser Schiffe vor dem Einlaufen in den Hafen, und ich
habe an anderer Stelle*) ausgeführt, dass ich eine solche
dauernde allgemeine Beaufsichtigung des Schiffsverkehrs, wie
sie in Hamburg gehandhabt wird, ohne dass irgend welche
Verkehrsbelästigungen damit verbunden sind, mindestens in
*) Vergl. Ilygien. Kuuüsclmu 1896 No. 6.
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28
Epidcmiezeitcn auch in den übrigen deutschen Hufen für
erforderlich halte.
Achnlich wie in Deutschland wird die gesundheits-
polizeiliche Kontrolc der Seeschiffe in England gehandhabt.
Hierüber sind erst im vergangenen November neue Be-
stimmungen erlassen. Danach haben sich die Zollbeamten,
welche das Schiff, wenn es auf die Rhede kommt, betreten,
zu erkundigen, woher das Schiff kommt und ob sich Krank-
heits- und Todesfälle während der Reise ereignet haben.
Den Gesundheitspässen wird dabei ebenfalls kein Werth bei-
gemessen. In allen verdächtigen Füllen soll der Hafenarzt
benachrichtigt und das Schiff so lange festgehalten werden,
bis die ärztliche Untersuchung beendet und damit über das
weitere Schicksal des Schiffes entschieden ist. Der Hafen-
arzt hat aber daneben stets das Recht, auch ohne von der
Zollbehörde dazu aufgefordert zu sein, aufkommende
Schifte, wenn es ihm gut scheint, anzuhalten und zu unter-
suchen. Und so werden auf der Themse bei Gravesend seit
1892 noch bis zu diesem Zeitpunkte alle auf dem Wege
nach London befindlichen Schiffe, die von einem
ausländischen Hafen kommen, von einem Arzt besucht, dem
es überlassen ist, diesem Besuch ev. eine genauere Besichtigung
u. s. w. anzusehliesscn. Das Verfahren auf der Themse ist
also strenger als das in Deutschland. Ich möchte hier über-
haupt einmal der immer wiederkehrenden Behauptung ent-
gegentreten, als ob man der Ucbcrwachung des Schiffsver-
kehrs bei der Seuchenbekämpfung in England keinen oder
nur geringen Werth beizumessen geneigt sei. Die englischen
Vorschriften klingen milde, werden aber, was übrigens nur
zu billigen ist, streng genug durchgeführt. Es wird immer
darauf hingewiesen, dass man sich seit vielen Jahren schon
in England auch bei inticirten Schiffen mit einer sogenannten
Inspoetion, der Ausschiffung der Kranken und den sich daran
sehlicsscnden Desinfectioncn begnügt habe, die gesunden
Passagiere aber und das Schiff danach ganz frei lasse, ohne
auf Quarantaine weitere Beobachtung u. dergl. irgend welchen
Werth zu legen. Die Vorschriften lauten allerdings in diesem
Sinne, die Ausführung derselben gestaltet sich aber unter
Umständen etwas anders. Eine Schiffsdesinfection dauert in
England unter Umständen mehrere Tage, und es ist aneh
29
vorgekommen, «lass während der ganzen Zeit die Passagiere
zwecks Desinfection zuriickgelialten wurden. Also eine Be-
obachtung unter anderem Namen. In der Regel wird aller-
dings gesunden Passagieren die Weiterreise in’s Inland ge-
stattet, indessen können Reisende von beliebigen Schiffen,
einerlei ob Krankheitsfälle an Bord vorgekonnnen sind oder
nicht, so lange an Bord zurttckgchalton werden, bis die Be
bürden an dem von dein Reisenden angegebenen Reiseziel
brieflich Mittheilung von der bevorstehenden Ankunft und
Adresse der betreffenden Person erhalten haben. Die ge-
sundheitspolizeiliehe Ueberwachung des Seeverkehrs wird ge-
wiss in England vernünftig und möglichst ohne nnnöthige
Belästigungen, aber auch mit grosser Sorgfalt und in vollem
Bewusstsein ihres Werthcs für das eigene Land durchgeführt.
In Frankreich sind ebenfalls erst seit Anfang dieses
Jahres neue Bestimmungen in Kraft getreten. Der Zulassung
aller an kommen den Schiffe zum freien Verkehr hat
eine entweder summarische oder gründlichere Erkundigung
vorauszugehen (examen sommaire, reconnaissance — examen
approfondi). Diese Voruntersuchung wird ohne Aufschub,
bei Tage wie bei Nacht (wie übrigens auch in England)
durch — nicht ärztliche — Sanitätsbeamte vorgenommen.
Fällt sie unbefriedigend aus oder hat das Schiff einen un-
reinen Gesundheitspass, so folgt eine ärztliche Besichtigung
des Schiffes, der Passagiere und Mannschaften. Für die
danach zu treffenden Massnahmen gelten dann wörtlich die
Bestimmungen der Dresdner Convention.
In Italien muss jedes einen Landeshafen anlaufende
Schiff die gelbe Flagge setzen und darf ohne besondere
Erlaubniss den Verkehr mit dem Lande nicht eröffnen.
Diese Erlaubniss wird sofort gewährt, wenn der Gesundheits-
pass rein ist, die Reise ohne verdächtige Erkrankungen ver-
lief und die Angaben des Kapitaines und ev. auch des
Schiffsarztes der Behörde genügend erscheinen. Von der
Beibringung eines Gesundheitspasses sind augenblicklich alle
aus europäischen Häfen — ausgenommen sind die türkischen
Häfen — sowie die aus den atlantischen Häfen von Nord-
amerika kommenden Schiffe befreit. Wenn, abgesehen von
diesen Vergünstigungen, Schiffe ohne Gesundheitspass an-
kommen oder wenn die Gesundheitspässe nicht vorschrifts-
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massig oder „unrein“ sind, ferner bei verdächtigen Erkrankungert
an Bord während der Reise, bei mangelnder Sauberkeit,
Ueberfüllung, sowie in einer Anzahl genau bestimmter Fälle
wird das Schiff vor der Zulassung zum Verkehr erst noch
einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. Danach wird
über die Zulassung zum freien Verkehr von der Hafenbehörde
entschieden, wobei die Dresdener Uebereinkunft massgebend ist.
Ganz ähnlich sind die Verhältnisse in Oesterreich-
Ungarn und Russland, Holland, Belgien geordnet.
Schweden und Norwegen sind der Dresdener
Convention nicht beigetreten, ihre Ueberwachungsbestimmungen
sind insofern schärfer, als die vorher aufgeführten, als alle
aus verseuchten Häfen kommenden Schiffe, einerlei ob sic
Kranke an Bord haben oder nicht, erst an einen Beobach-
tuugsplatz verwiesen und dort ärztlich untersucht werden.
Diese Beobachtung soll eigentlich 48 Stunden dauern, kann
aber verkürzt werden, und das ist wohl die Regel bei allen
Schiffen, welche weder Kranke an Bord haben noch während
der Reise gehabt haben. Schiffe mit Cholera-Kranken an
Bord, sowie solche, welche Erkrankungsfälle während der
Reise hatten, gehen nach dem Quarantaineplatz und haben
sich dort einer ft tägigen Beobachtung an Bord, Desinfeetion etc.
zu unterziehen.
Aehnlieh sind die dänischen Bestimmungen.
Die übrigen, für die deutsche Schifffahrt in Betracht
kommenden europäischen Staaten haben noch das alte
Quarantainesystem, welches mit mehr oder weniger Aengst-
lichkeit, Strenge und Vollkommenheit oder vielmehr Unvoll-
kommenheit gehandhabt wird. Die Schiffe werden zunächst
nach ihrer Herkunft eingetheilt und alle Schiffe aus Hüten,
die von dem betreffenden Staat zeitweilig für verseucht oder
verdächtig erklärt worden sind, auch im Falle, dass Cholera
an Bord nicht vorgekommen ist, einer Beobachtung von
24 Stunden, 48 Stunden und länger unterworfen, während
welcher aller Verkehr mit dem Lande zu unterbleiben hat.
Aerztc treten dabei in der Regel nicht in Thätigkeit,
sondern pflegen erst an Bord zu erscheinen, wenn sich da-
selbst Kranke vorgefunden haben, ln diesem Falle wird
eine strenge Quarantaine von mehr oder minder langer Dauer,
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st
mit oder ohne Ausschiffung von Kranken und Gesunden
verhängt.
Ueber die schweren Belästigungen dieses Systems für
den Verkehr brauche ich hier wohl kein Wort mehr zu ver-
lieren, ebenso wenig darüber, dass es keinen wirksamen
Seuchenschutz gewährt und unter Umständen der Verbreitung
der Krankheit sogar Vorschub leisten kann.
Hoffen wir, dass in Zukunft noch mancher der Staaten
mit diesem veralteten Quarantainesystem der Dresdener
Convention beitritt und dass auch in der Dresdener Ueber-
einkunft die obere Grenze der für Handel und Wandel in
Seuchenzeiten noch für nöthig erachteten Verkehrs-
beschränkungen noch weiter heruntergesetzt wird. Hierbei
würde besonders die Weglassung der bei manchen Staaten,
wie wir gesehen haben für alle Schiffe, gleichviel welcher
Herkunft, noch obligatorischen Sanitätsvisite vor Eröffnung
des Verkehres in Betracht kommen. Dafür ist überall eine Or-
ganisation zu empfehlen, welche die dauernde Ueberwachung
der Schiffe im Hafen nach der Ankunft, ohne Beschränkung
des freien Verkehrs und für die Reisenden eine unauffällige
und möglichst wenig belästigende Ueberwachung an dem
Bestimmungsort gewährleistet. Wenn dann wirklich einmal,
was übrigens bei der jetzt üblichen Art der gesundheitspolizei-
lichen Controlle auch nicht ausgeschlossen ist, ein Cholerafall erst
nach der Ankunft des Schiffes im Hafen und nach der
Freigabe des Verkehrs entdeckt wird, so wird dies immer
noch rechtzeitig genug geschehen, um den Fall für die
weitere Ausbreitung der Seuche ungefährlich machen zu können.
Für die Abwehr der Einschleppung von Gelbfieber und
Pest gelten in den meisten europäischen Staaten gleichlautende
oder ähnliche Bestimmungen wie für die Cholera. Man hat
sieh auch bei diesen Krankheiten zu der Anschauung bekehrt,
dass die Schiffe nicht ihrer blossen Herkunft wegen, sondern
nur dann als gefährlich anzusehen sind, wenn sich Kranke
an Bord befinden oder befunden haben. Vielleicht darf bei
dieser Gelegenheit darauf hingewiesen werden, dass bis vor
wenigen Monaten gerade in England noch ganz schroffe, ver-
altete Quarantainegesctztc bezüglich des Gelbfiebers in Kraft
waren, die erst jetzt durch moderne, mildere Bestimmungen
ersetzt worden sind.
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42
Was die übrigen Infectionskranklieiten anlangt, so ist
es in den meisten europäischen Staaten der Hafenbehörde
überlassen, von Fall zu Fall zu handeln. Allgemeine Be-
stimmungen habe ich, ausser in England, nicht gefunden.
Die englischen Seuchengesetze machen es möglich, auch an
Bord gegen die einheimischen Infectionskranklieiten in jedem
Fall gründlich und energisch Vorgehen zu können.
In den Kolonien richtet man sich hei der gesundheits-
polizeiliehen Beaufsichtigung des Seeverkehrs meist nach dem
Mutterlande, mit dem Unterschied, dass die gesetzlichen Be-
stimmungen im Einzelnen oft etwas strenger, die Handhabung
der Aufsicht und die dazu dienlichen Einrichtungen in der
Kegel aber recht unvollkommen sind. Dies gilt besonders
von den Kolonien der lateinischen Staaten, aber auch zum
Tlieil von den englischen Kolonien, von denen noch viele
dem Quaran t än esystem treu geblieben sind. In den deutschen
Kolonien gelten wörtlich die heimischen Bestimmungen. Was
die Controle in den unabhängigen, grossen, über-
seeischen Reichen betrifft, so habe ich mich in Bezug auf
die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Brasilien und
Argentinien genauer orientiren können.
Das Land der Freiheit, die Verein igtenStaatcn von
Nordamerika, erfreut sich einer sehr ausgebildeten, streng
gehandhabten Seuchengesetzgebung. Die Bekämpfung der
Infectionskranklieiten wird von einer Centralbehörde in
Washington, — dem Marine Hospital Service — geleitet;
auch die Special-tiesctze und Veranstaltungen in den einzelnen
Staaten unterliegen ihrer Oberaufsicht. Wo die Vorkehrungen
mangelhaft erscheinen, werden von der Centralbehörde eigne
Beamte (Aerzte) entsandt, welche die Seuchenbekämpfung,
wenn nöthig unter Aufwendung grosser Mittel und ev. auch,
ohne sich an den Widerspruch der lokalen Autoritäten zu
kehren, gründlich und umfassend organisiren. So finden wir
auch für die Beaufsichtigung des Seeverkehrs in vielen Häfen
der Vereinigten Staaten sogenannte nationale Quarantaine-
Anstalten, welche dem Marine Hospital Service direct unter-
stellt sind, während in anderen, z. B. in New-York, eine
lokale Controleinrichtung besteht, die sieh aber die Ober-
aufsicht der Centralbehörde gefallen hissen muss.
33
Die auf den Seeverkehr bezüglichen Bestimmungen sind
in den Vereinigten Staaten viel strenger als in Deutschland
und den Staaten der Dresdener Convention. Es müssen aber
bei einer Kritik der amerikanischen Vorschriften die regel-
mässigen Massentransporte vieler hunderter und tausender von
Einwanderern berücksichtigt werden, welche eine strengere
Aufsicht nöthig machen und bei denen es sich nicht blos um
Ankömmlinge aus Staaten mit geordneter Sanitätsaufsicht,
sondern um alle möglichen Elemente, Asiaten, Chinesen
u. s. w. handelt. Ferner kommt in Betracht, dass das Land
zu verschiedenen Malen schweren Invasionen des gelben
Fiebers ausgesetzt gewesen ist, dass aber das jetzt dort
übliche Controlsystem sich gerade dieser Seuche gegenüber
anscheinend vollkommen bewährt hat.
In den Haupthäfen der Vereinigten Staaten wird jedes
vom Auslande kommende Schiff vor der Eröffnung
des Verkehrs ärztlich untersucht. Die dieser Untersuchung
folgende Behandlung der Schiffe kann als ein Quarant&iue-
system beschränkten Umfanges characterisirt werden. Zu
den Krankheiten, welche die Verhängung einer Quarantaine
nach sich ziehen, wenn sie an Bord vorgekommen sind, ge-
hören ausser Cholera, Gelbfieber und Pest, auch Pocken und
Flecktyphus (quarantinable diseases.) Quarantaine wird aber
nicht bloss über Schiffe verhängt, welche noch bei der An-
kunft Kranke an Bord haben, sondern auch dann, wenn die
Krankheitsfälle auf der Reise schon eine längere Zeit vor
der Ankunft vorgekommen sind. Die Bestimmungen über
den Zeitraum, welcher seit dem letzten Krankheitsfall ver-
flossen sein muss, damit das Schiff von der Quarantaine frei
kommt, werdeu nicht selten geändert, jedenfalls aber wird
dieser Zeitraum immer länger bemessen, als der in der Dres-
dener Convention für verseuchte Schiffe festgesetzte Zeitraum
von 7 Tagen. Bei gelbem Fieber an Bord waren es einmal
6 Monate, bei Cholera 20 — 30 Tuge. Innerhalb dieser Zeit
vor der Ankunft vorgekommene Fälle von Gelbfieber resp.
Cholera an Bord machten das Schiff und Insassen i|uarantaine-
pflichtig. Der Quarantaine werden ferner auch solche Schiffe
unterworfen, die keinen vorschriftsmässigen Gesundheitspass
aufweisen können. Von diesem Gesundheitspass für amerika-
nische Häfen wird weiter unten noch die Rede sein. Die
3
Archiv f. Schiff»- u. Tropenbygieoe.
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34
Quarantaine selbst dauert bei Cholera und Gelbfieber 5 Tage,
bei Flecktypus 20, bei Pocken 14 Tage, hier bei solchen
.Schiffsinsassen, bei denen die sofort nach der ersten Control-
untersuchung vorzunehinende Schutzpockenimpfung erfolglos
ausgefallen ist.
Längs der Küsten der Vereinigten Staaten sind eine
grosse Anzahl von Quarantainestationen eingerichtet. Dorthin
werden die Schiffe aus den einzelnen Häfen zur Abhaltung
ihrer Quarantaine verwiesen. Die Anstalt für New-York
befindet sich im Hafen selbst auf Hofrnan- und Swinburne-
Island und bietet Raum für mehrere tausend gesunder Indi-
viduen, die beobachtet werden sollen (Hofraan-Tsland) und
eine ausreichende Bettenzahl und gute Einrichtungen für die
Kranken (Swinburn-Island). In der Station befindet sich auch
ein bacteriologisches Laboratorium.
Sehr genau und ausführlich sind die Bestimmungen
über die Schiffsdesinfectionen.
Die Amerikaner haben sich aber mit dieser gesund-
heitspolizeilichen Behandlung der Schiffe bei der Ankunft in
ihren Häfen nicht begnügt, sondern noch ein neues, nicht
unzweckmässiges Verfahren bei der Ueberwachung des See-
verkehrs ausgebildet, das bei den europäischen Staaten nur
in Frankreich, aber weniger durchgebildet und streng, vor-
gesehen ist, übrigens aber auch im Cholerajahr 1892 von
der damaligen Rcichskontrolstation in Hamburg, deren Vor-
stand der Verfasser dieses war, nicht ohne Nutzen angewandt
wurde. Es handelt sich dabei um die Besichtigung, Des-
iinfection und ev. die mehrtägige Beobachtung der Schiffe und
ihrer Insassen vor dem Antritt der Reise im Ab-
fahrtshafen. Die nach den Vereinigten Staaten bestimmten
Schiffe sollen in jedem europäischen Hafen vor ihrer Abfahrt
von einem Konsulatsbeamten besichtigt werden. Danach
ist ein sehr genauer und ausführlicher Gesundheitspass mit
einer ausführlichen Beschreibung der sanitären Verhältnisse
an Bord auszustcllen. In Epidemiezeiten werden von der
Aufsichtsbehörde in Washington zeitweilig Regier ungsärzte
nach den verseuchten Häfen des Auslandes eutsandt, welche die
Beobachtung und Desinfection der nach den Vereinigten Staaten
bestimmten Schiffe zu leiten haben und ausserdem überden all-
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3»
gemeinen Gesundheitszustand an Ort und Stelle häufig und aus-
führlich berichten müssen. In solchen Zeiten wird die Abfahrts-
zeit und der voraussichtliche Termin der Ankunft der abge-
gangenen Schiffe in Amerika dorthin telegraphisch gemeldet.
Von Ausbruch der Cholera 1892 au bis Ende 1893 waren in
Hamburg, Bremen, Antwerpen und anderen europäischen
Häfen Aerzte der Vereinigten Staaten ihren Konsulaten
beigegeben; augenblicklich scheinen nur noch die Gelbfieber-
häfen Mittel- und Südamerikas mit solchen Aerzten besetzt
zu sein. Abgesehen von den damit verbundenen grossen
Kosten, die allerdings nicht dem Staat, sondern den besichtigten
Schiffen zur Last fallen, ist dies System sicher für europäische
Häfen mit geordnetem Sanitätswesen, vor allem eigener,
geordneter, sanitärer Aufsicht im Hafen überflüssig. Da-
gegen scheint es mir für andere Verhältnisse nicht unzweck -
mässigund unter Umständen auch für uns der Nachahmung werth.
Deutsche beamtete Aerzte könnten zeitweilig in überseeischen
Gelbfieberhäfen schon deshalb von grossem Nutzen sieh
erweisen, weil sie die dort oft sehr zahlreichen und zu
langem Aufenthalt gezwungenen deutschen Schiffe gesund-
heitlich überwachen und die Konsuln und Knpitaine durch
Untersuchungen an Ort und Stelle und darauf gegründete
Vorschläge in der Abwehr der Seuche, welche grade auf
unseren Schiffen dort oft mörderisch gewüthet hat, unter-
stützen könnten. Eine solche Massnahme wäre um so eher
ausführbar, als es dabei sich nur um sehr wenige Häfen
handelt.
Schliesslich verdient die Vorschrift über die sogenannte
Akklimatisationsbescheinigung (acclimatisation certificate) für
Reisende aus Gelbfiebergegenden nach den Vereinigten
Staaten hier eine Erwähnung. Leute, welche aus einer Gelb-
fiebergegend kommen und eine Bescheinigung eines Konsuls
der Vereinigten Staaten aufweisen können, dass sie mindestens
10 Jahre daselbst zugebracht oder selbst die Krankheit
überstanden haben, werden als immun und ungeeignet, die
Seuche einzuschleppen, angesehen. Sie dürfen sofort an
Land und wohin sie wollen, abreisen, während die übrigen
Reisenden gleicher Herkunft erst f) Tage lang auf einer
Quarantainestation beobachtet werden. In der (juarantaine-
station von New-York ist erst vor einigen Wochen ein
3*
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Passagier, welcher das Immunitätsattest nicht beihringen
konnte, am gelben Fieber erkrankt und gestorben. Die
amerikanischen Hafenärzte halten diese Einrichtung für sicher
und praktisch.
In Argentinien sind, während vorher ein unvernünftig
strenges Absperrsystem geherrscht hatte, seit April 189.r>
Controlbestimmuugen für den Seeverkehr erlassen, welche
denen der Dresdener Uebereiukunft entsprechen und sich
auch auf die Abwehr des gelben Fiebers beziehen. Schiffe,
welche Gelbfieberfälle bei der Ankunft in Buenos Aires an
Bord haben oder innerhalb der letzten 10 Tage vorher an
Bord hatten, gelten für verseucht; bei Cholera sind 5 Tage
als Grenze festgesetzt.
In B r a s i I i c n , mit dem Deutschland einen regelmässigen
und lebhaften Verkehr unterhält, ist ebenfalls erst vor wenigen
Jahren ein neues Reglement für den Hafengesundheitsdienst er-
lassen worden ; indessen kann man die Bestimmungen dabei nicht
gerade auf moderne Anschauungen gegründet nennen. Man
unterscheidet dort nicht blos verseuchte, sondern auch noch
verdächtige Häfen und rechnet zu den letzteren, von ver-
einzelten Seuchefällen zu schweigen, auch solche Häfen, die
mit verseuchten Orten einen regen Verkehr unterhalten oder
sich nicht genügend gegen solchen Verkehr schützen.
Schiffe aus solchen Häfen werden ebenfalls als v e r-
dächtig angesehen, und dazu noch manches andere Schiff
aus allerlei merkwürdigen Gründen, deren Aufzählung aber
hier zu weit führen würde. Alle verdächtigen Schiffe werden
nach einer Quarantainestation verwiesen, dort genau besichtigt
und ev. weiter beobachtet. Zu den „verseuchten“ Schiffen
gehören ausser den nach der Dresdener Convention hierunter
zu rechnenden Schiffen auch die dort als „verdächtig“
bczeichneten. Diese Schiffe werden bei Cholera 8 Tage, bei
Pest 20 Tage in strenger Quarantaine gehalten. Die
unselige Bestimmung, wonach Auswandcrerschiffen, die während
der Reise eine grössere Anzahl von Todesfällen an Bord hatten,
das Landen, dieEröffnung des Verkehrs überhaupt untersagt und
die Umkehr erzwungen werden kann und die die berüchtigten
Fälle des „Mattco Bruzzo“, „Carlo R“, „Vincenzo Florio“ u. a.
verschuldet hat, ist ebenfalls erhalten geblieben. Indessen ist bei
37
diesen Verhältnissen das Reglement noch nicht das schlimmste ;
viel grössere Störungen verursachen die mangelhaften Qua-
rnntnine c i n r ich t un gen. Seit Jahren schon ist zwar an
der langgestreckten Küste von Brasilien eine grössere An-
zahl von Quarantainestationen projectirt worden, es ist
aber bis jetzt bei den Plänen geblieben. Die Quarantainc-
station auf llha Grande ist immer noch die einzige, welche
benutzbar i-t. Alle Schiffe aus verseuchten und verdächtigen
Häfen werden erst dorthin verwiesen, ehe sie einen anderen
brasilianischen Hafen anlaufen dürfen, ebenso Dampfer mit
einem reinen Gesundheitspass, aber mehr als 400 Einwanderern
an Bord. Das bedeutet oft einen Umweg von mehreren
100 Meilen. Ausserdem scheinen die Einrichtungen in llha
Grande überaus mangelhaft zu sein. Die Epidemie, welche
im Winter 185)5/96 das italienische Kriegsschiff Lombardia ver-
heerte, auf welchem Schiff schliesslich nur wenige Mann vom
Gelbfieber verschont blieben, soll zum Theil durch die schlechten
sanitären Verhältnisse auf llha Grande verschuldet worden
sein. Hoffentlich gelingt es, den fortdauernden Anstrengungen
der dortigen Vertreter der europäischen Handelsstaaten end-
lich hierin Wandel zu schaffen.
Es bleiben zum Schluss noch die Bestrebungen zur
Organisation eines internationalen Gesundheitsdienstes
kurz zu erwähnen übrig, welche bezwecken, der Cholera an den
bekannten Einbruchsstellen den Weg nach Europa zu ver-
schliesscn. Für den Seeverkehr kommen dabei die Ueber-
wachung des Pilgertransportes nach den heiligen Städten der
Muhamedaner in Arabien, ferner der allgemeine Verkehr
im rothen Meer und im Suezkanal in Betracht. Namentlich
Frankreich und in neuester Zeit auch Oesterreich sind immer
wieder von neuem für energische, gemeinschaftliche Schutz-
maassregeln in dieser Hinsicht eingetreten, während England
die Schifffahrt, welche auch auf diesen Verkehrswegen zum
allergrössten Theil unter englischer Flagge sich vollzieht,
von Kontrollmaaaregeln möglichst frcizuhalten bemüht war
und sich für das eigene Land lieber auf die eigene Ueber-
wachung zu Hause verliess. Die früheren, internationalen
Conferenzen, welche sich mit dieser Frage beschäftigten,
hatten wegen der Uneinigkeit der betheiligteu Mächte zu
keinem nennenswerthen Ergebniss geführt. Solche Zusammen-
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38
kiinfte landen statt 1852 in Rom, 18GG in Konstantinopel,
1874 in Wien, 1885 in Rom. Seli 1 iesslicl i ist 1892 in Venedig
und 1894 in Paris eine Einigung erzielt worden. Die Ver-
einbarungen von Venedig beziehen sieb auf die Kontrole der
durch den Suezkaual nach Norden und nach Egypten aus
dem Hedjaz zurüekkehrenden Pilger und auf den allgemeinen
Seeverkehr durch den Suezkanal in der Richtung nach
Norden. Die Pariser Conferenz wollte der Gefahr noch
näher ihrem Ursprung bcikommen und beschäftigte sieh mit
der Ueberwaehung der Pilger bei der Einschiffung in Indien
und mit der sanitätspolizeilichen Kontrole derselben auf der
Reise und vor der Landnng in Arabien, sowie nach dem
Verlassen der heiligen Stätten vor Antritt der Rückfahrt (in
beiden Fällen Quarantaine auf Inseln und Stationen im rothen
Meere). Bei diesen internationalen Bestrebungen kommt es,
wie überall, auf die Ausführung an. Was wir nun über
die bisher übliche Art der Kontrolle und Beobachtung der
muhamcdanischeu Pilger in Kainaran, El Tor, an den
Mosesquellen, sowie über die Verhältnisse im Hedjaz selber
wissen, kann uns mit dem Vertrauen, dass der beabsichtigte
Erfolg dabei auch nur zum Theil erreicht wird, nicht erfüllen,
und ebensowenig dürften Hoffnungen auf eine baldige
Besserung der dortigen Zustände nach den Schilderungen
von Koch-Gaffky, Kaufmann, Bitter, Karlinski und den
französischen Konsulatsberichten berechtigt sein. Man hat
zwar seitens der Türkei umfassende Verbesserungen ver-
sprochen, und die Pariser Conferenz hat auch die Aus-
bildung eines Corps von Aerzten, Desinfectoren, Mechanikern
und Gesundheitsaufsehern beschlossen. Solange aber der
internationale Gesundheitsrath in Konstantinopel, in welchem
das orientalische Element die Oberhand hat, und die übrigen
in Betracht kommenden Behörden sich nicht ändern, so lange
die Sanitätsanstalten im rothen Meere überhaupt in orientalischen
Händen bleiben, können diese Einrichtungen lediglich als
Karrikatur einer Seuchen-Abwehr angesehen werden. Aber
auch besser gehandhabte, internationale Sehutzmaassregeln
gegen die Wanderseuchen machen die Bekämpfung dieser
Krankheiten im eigenen Lande noch lange nicht überflüssig;
man wird gut thuu, sich gerade auch auf dem Gebiete des
Seeverkehrs auf die gesundheitspolizeiliche Ueberwaehung
39
der Schiffe in den heimischen Hilfen allein zu verlassen und
der Ansicht Kochs beipflichten, dass uns mit solchen inter-
nationalen Bestrebungen nicht allzuviel genutzt wird.
Kulihospitäler an der Nordostküste Sumatras.
Von
Hofrath Dr. L. Martin,
früher Anst im Dienste der Tabakmaatächappy Arendsbarg and der Deli-Maatcbappy.
Wenn ich hiermit über die Kulihospitäler in Deli und
Langkat an der Nordostküste Sumatras berichte, deren eines
ich durch nahezu dreizehn Jahre zu leiten hatte, so geschieht
dies unter einer doppelten Reserve. Erstens sind mir von
Spitälern unter den Tropen nur die erwähnten und vielleicht
jene der Engländer in den Sumatra gegenüberliegenden
Straits Settlements (Singapore und Penang) bekannt und bin
ich deshalb ausser Stande, Parallelen zu ziehen. Es mögen
also wohl anderen Ortes zweckmässigere Anstalten existiren,
welche auf längere Zeit des Bestandes und der Erfahrung
zurücksehen, in welchen Besseres, europäischen Verhältnissen
Aehnliches geleistet wird, solche sind mir aber gänzlich unbe-
kannt und beschreibe ich nur das Kulihospital, wie e3 zur
Zeit in den Tabaksdistricten Sumatras im Gebrauche ist.
Jene der Leser, welche gleich mir unter den Tropen Hospital-
leiter waren oder noch sind, werden dann Vergleiche an-
stellen können, von denen ich nur hoffe, dass sie nicht zu
ungünstig für unsere sumatranischen Anstalten Ausfallen
mögen. Zweitens sind diese Hospitäler in der Hauptsache
nur für die Aufnahme und Behandlung einer Menschenspecies
— des chinesischen Kuli — eingerichtet, und bin ich weit
davon entfernt, das für diese Patienten als zusagend Befundene
auch für Kranke anderer Race empfehlen zu wollen. Da
aber der chinesische Kuli sowohl nach meiner persönlichen
Erfahrung, als auch nach massgebendem, anderscitigen ITr-
theila. als der Feldarbeiter par excellence für alle tropischen
Gebiete erscheint, in welchen der Europäer niemals mit
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40
körperlicher Arbeit als Coucurrent auftreten kann und deren
Eingeborene aus ihnen eigeuthümlichen, physischen oder po-
litischen Gründen zu Culturzwecken nicht tauglich sind, so
ist eine Ausbreitung der chinesischen Einwanderung nach
allen solchen Ländern nur eine Frage der Zeit und Renta-
bilität. Dann dürften auch unsere auf 30jährige Erfahrung
begründeten Kulihospitäler des allgemeinen Interesses nicht
entbehren. Ausserdem muss ich mich noch im Voraus der
Nachsicht der Leser versichern, wenn ich denselben die in
der Natur dieses Berichtes liegende und deshalb nicht zu
umgehende, trockene Schilderung der Gebäude des Hospitals
nicht ersparen kann.
Die Ende der 60er Jahre an der Nordostküste Suma-
tras in den mnlnyischen Sultanaten Deli, Langkat und Ser-
dang eingeführte, rasch aufblühende, sehr gewinnreiche
Tabakscultur war nur durch ununterbrochene Einwanderung
von Tausenden Von Feldarbeitern aus Südchina, aus Amoy,
Makao, Swatow und F uchow möglich, und so ist es erklärlich,
dass sehr rasch sowohl die englische als auch die zuständige
niederländische Colonialregierung diese Einwanderung be-
günstigte und die Immigranten in ihren Schutz nahm, erstere
gegenüber den die Einwanderung leitenden chinesischen
Kuliagenten durch Errichtung eines Protectorates für chine-
sische Einwanderer in Singapore und Penang, über welche
Hafenstädte die Feldarbeiter nach Sumatra zogen, letztere
gegenüber den europäischen Arbeitgebern, denTabakspflunzern.
Die chinesischen Kulis schlossen bei ihrer Einwanderung
einen von der niederländischen Regierung festgestellten Con-
tract mit den Pflanzern ab, welcher ihnen ausser anderen
Vortheilen freie ärztliche Behandlung und freien Arzneimittel-
bezug zusichertc. Diese Bestimmung der Kulicontracte und
noch mehr die rasch bei allen verständigen Pflanzern Platz
greifende Einsicht, dass eine rationelle, ärztliche Behandlung
des nur mit hohen Unkosten eingeführten Kulimateriales
einen wirklichen Gewinn mit sich bringe, haben unsere Hospi-
täler entstehen lassen. Zwar waren die die Pflanzer nunmehr
treffenden Ausgaben für Spital, Arzt und Arzneien erhebliche,
betrugen sie doch bei einer mittleren Ernte 1,5 — 2 Gulden-
cents auf den Herstellungspreis von einem Pfund Tabak, so
kam doch der chinesische Kuli in Sumatra selten unter,
41
meist beträchtlich über 100 Dollars zu stehen und war seine
Erhaltung für die gewinnbringende PHanzarbeit eines grossen,
tinanciellen Opfers werth. Dass unsere Hospitäler nicht sofort
auf der derzeitigen Höhe der Entwickelung standen, sondern
sieh aus kleinen, oft sehr primitiven Anfängen und Anlagen
herausbilden mussten, ist ebenso leicht verständlich wie die
andere Thatsache, dass die grossen, kapitalkräftigen Gesell
schäften bessere Einrichtungen schufen und heute besitzen,
als die oft nur mit geringem Banr-Kapitale arbeitenden, von Jahr
zu Jahr den Wechselfällen des europäischen Produkten-
marktrs unterworfenen Privatpflanzer.
Im Folgenden gebe ich eine möglichst detai Ilirte Be-
schreibung des Hospitals „Bangkatnn“, welches ich die letzten
fünf Jahre zu leiten hatte und neben welchem die Deli-
Maatschappy, die grösste und kapitalkräftigste Gesellschaft
des Landes, in deren Dienst ich stand, noch zwei weitere,
derartige Hospitäler unterhält. Ausser der Deli-Maatschappy
sind noch vier grössere Gesellschaften am Platze, welche
eigene Spitäler und Ärzte besitzen, während eine Anzahl von
kleineren Gesellschaften und Privatpflanzern ganz passende,
den Bedürfnissen entsprechende Anstalten mit farbigem
Wartcpersonal und wöchentlich einmaligem Besuche eines
europäischen Arztes eingerichtet haben.
In einem mit intensiver, endemischer Malaria behafteten
Laude ist es natürlich schwierig oder unmöglich, einen ma-
lariafreien Platz zur Anlage eines Hospitals zu Anden ;
dennoch wird man bestrebt sein, dasselbe auf einem möglichst
hohen, trockenen Punkte, z. B. einem kleinen Plateau oder
auf einer sich erhebenden Bodenwelle, sicher immer aber auf
einem Terrain anzulegen, in dessen nächster Umgebung sich
kein, höheres Niveau besitzendes Land beßudet, da von
diesem bei gewisser, entsprechender Windrichtung eine Zu-
fuhr von Infectionskeimen in die Anstalt möglich ist. Ferner
wird man auf die Nähe von fliessendem Wasser zu achten
haben, da solches sowohl zur Reinigung der Gebäude als
auch zu den täglichen Bädern der Insassen absolut nöthig
ist. Da nun die Flussläufe in der Alluvialebene Nordost-
Sumatras sich alle tief in das Terrain eingeschnitten haben
und das höchste Land sich meist auf der Uferhöhe ßndet,
so liegen selbstverständlich alle Spitäler an grösseren oder
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42
kleineren Wasseradern. Als letzte Bedingung bei der Platz-
wahl ist die der centralen Lage zu stellen, d. h. das Hospital
soll ungefähr im Centrum der dasselbe beschickenden Plan-
tagen gelegen sein. Entsprechend dem eben Gesagten liegt
das Hospital „Bangkatan“ auf dem hohen Uferrande des
Bangkatanflusses, in der Mitte von fünf, durchschnittlich
6 — 800 Kulis beschäftigenden Plantagen, ungefähr 20 Minuten
von der kleinen Garnisonsstadt Bindjei entfernt. Es besteht
aus den folgenden Baulichkeiten:
1. Drei langgestreckte, barrakenartige Gebäude, jedes
zu 50 Betten für die Krankenaufnahme, deren erstes einen
Anbau von zwei Isolirzellen besitzt, welche sowohl zu sani-
tären als auch discipliniiren Zwecken dienen und in welchen
auch Kranke mit plötzlich auftretenden Psychosen unter-
gebracht werden ; an der zweiten Barrake befindet sich der
Anbau des sogenannten, später noch zu besprechenden
Diarrhoesnals. Jedes der Gebäude ist 60 Meter lang und
6 Meter breit, besitzt weissgetünchte Bretterwände, cementirten
Boden mit cementirtem Abzugsgraben für das von den
Dächern abfiiessende Wasser und ein doppeltes, Durchzug
gewährendes Dach,' welches mit den Attap genannten Blättern
der Nipahpalme gedeckt ist. Die das Dach tragenden, vier-
eckig behauenen, mit Theer gestrichenen Balken sind in
gemauerte, mit Cement verstrichene Unterlagen eingelassen;
die Bretterwände liegen dem Ccmentbodcn nicht völlig auf,
sondern enden auf einem Abstande von einem Fuss oberhalb
desselben, wodurch auch direkt über dem Boden eine Ventilation
geschaffen wird. Die 6 Fuss langen, hölzernen Schlafstütten
sind aus gehobelten Brettern hergestellt und stehen entlang
den Längsseiten der Barraken mit dem etwas abwärts ge-
neigten Fuesende nach dem zwischen beiden Bettreiheu
laufenden, mittleren Gang gerichtet, welcher eine Breite von
2 Metern besitzt; 3 Fuss über den Betten läuft ein einfaches,
mit Theer gestrichenes Brettergesimse zur Aufbewahrung
von Essgeräthen, Gebrauchsgegenstünden und persönlichem
Besitze der Kranken; zwischen je zwei Betten befindet sich
eine mit hölzernen Läden zu schliesscnde Fensteröffnung.
2. Eine aus weissgetünchten Brettern hergestellte, mit
Wellblech gedeckte Küche mit Vorrathskammern und Wohn
raum für den Koch und seinen Gehilfen; dieselbe besitzt
43
Cementboden und cementirten Wasserabzugsgraben sowie ein
grosses Cementbassin zur Aufbewahrung des zu Küchen-
zweekcn nüthigen Wasserquantums; der Raum, in welchem
sich der lange, fünf Feuerplätze führende, gemauerte Kocli-
lieerd befindet, hat keine Wände und gestattet freien Luft-
durchzug; in drei der Feuerplätze sind grosse, eiserne Kessel
eingelassen, welche zum Garkochen des Hauptnahrungsmittels,
des Reis, dienen.
3. Ein direkt auf der Hübe des Flussufers gelegener,
mit Wellblech gedeckter Abort, dessen mit Theer gestrichene
Bretterwände ein4 längliches, mit breiter Rampe versehenes,
mit Flusswasser gefülltes Cementbassin einschliessen ; dieses
Bassin kann in den Fluss abgelassen werden und wird mit-
telst einer Säugpumpe drei'Mal täglich mit frischem Fluss-
wasser gefüllt; rund um die Kampe verläuft in Armhöhe
ein hölzernes Geländer zum Festhalten und Aufrichten für
die auf der Rampe Sitzenden ; der Boden ist cementirt und
von einem cementirten Abzugsgraben umgeben.
4. Ein 20 Meter langes, 8 Meter breites, aussen weiss-
getünchtes, innen mit weissem Oelfarbenanstrieh versehenes
Brettergebäude mit gedeckter Vorhalle, in welcher Sitzbänke
für die auf Behandlung wartenden’Kulis stehen; auch dieses
Gebäude besitzt Cementboden , ist von einem cementirten
Wasserabzugsgraben umgeben und hat unter dem Palmblättcr-
dache noch einen mit weisser Oelfarbe gestrichenen Bretter-
plafond; es enthält ein geräumiges Operationszimmer mit
zwei init Zinkblech ausgeschlagenen Operationstischen, deren
einer für Behandlung der die grosse Mehrzahl aller chirurgi-
schen Kranken bildenden Patienten mit Ulcus cruris be-
stimmt ist, während der zweite für Operationen und die
in der Folge nöthigen Verbandwechsel dient; ausserdem be-
findet sich hier noch ein Arbeits- und Consultationszimmer
für den Arzt mit grossem Qlasfenster und breitem Mikrosko-
pirtisch und eine Kammer für Verbandzeug und Materialien;
in der gedeckten Vorhalle hängen an den dieselbe tragenden
Holzsäulen doppelte Irrigateure mit Schläuchen und Hähnen,
gefüllt mit Borlösung zur Behandlung der zahlreichen Kranken
mit catarrhalischer und gonorrhoischer Conjunctivitis; letztere
kommt leider häufig vor, weil die Chinesen in Urinwasch-
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ungen der Augen ein ausgezeichnetes Heilmittel für die
catarrhalisclie Conjunctivitis scheu.
5. Ausserhalb des mit einem 8 Kuss hohen, mit Stachel
/.nundraht bespannten Staekct eingefriedeten Areals des
Hospitals ein kleines, auf Ccment stehendes, mit Wellblech
gedecktes, Bretterwände besitzendes Leichen- und Obduetinns-
häuschen.
G. Aui Haupteingange in das Areal ein grösseres, auf
Cementboden stehendes Brettergebäude mit Palmblättcrdach,
welches die Wohnräume für das farbige Personal enthält.
7. Innerhalb des Areals ein cementirter, mit Palni-
Idätterdach versehener, sonst völlig offener, quadratischer
Platz, zum Aufenthalte für die leichteren Kranken während
der heissen Tagesstunden bestimmt; im Centrum dieses Platzes
befindet sich ein gemauerter, am Grunde mit Flusssand aus-
gesehütteter, runder, mit cementirter Rampe versehener und
mit Brettern eingedeckter Grundwasserbrunnen, dem mittelst
einer Pumpe das für Hospital und Küehe nöthige Gebrauchs-
wasser entnommen wird; hier stehen auch in hölzernen Ge-
stellen die immer in Betrieb befindlichen Sandstein filter,
welche in grossen, chinesischen Thongefässen das Trink-
wasser für die Kranken ansammeln. Ein ähnlicher Sand-
steinfilter steht auch in der Küche, während im Operations-
zimmer ein Pasteurfilter die für die antiseptischen Lösungen
nöthigen, keimfreien Wassermengen liefert.
Die Umzäunung des Areals ist dringend nothwendig,
da ohne eine solche die wenig eivilisirten Patienten in ihrem
bewussten und unbewussten Drange nach persönlicher Frei-
heit nicht nur zu jeder Tages- und Nachtzeit sich im Flusse
herumtreiben, sondern auch zu häufige Besuche in dem nahe-
liegenden Städtchen unternehmen würden, um dort unpassende
Einkäufe zu machen oder zu stehlen oder allenfalls an-
wesende Bekannte und Freunde um Geld oder Opium an-
zugehen. Dass bei solchen Ausflügen auf eventuelle Ver-
bände oder sonstige ärztliche Vorschriften keinerlei Rücksicht
genommen würde, ist ohnehin klar. Die Umzäunung besitzt
drei Unterbrechungen: 1. die grosse, mit einer gusseisernen
Thüre zu schliessende Eingangspforte, 2. flussaufwärts vom
Aborte eine kleinere Thüre, von welcher ein bekiester Weg
zu den Badeplätzen am Flussufer führt und 3. eine kleine
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4r>
Ilinterpforte zum Leichenhaus. Der Zugang zu den Bade-
mützen wird drei Mal täglich auf eine Stunde geöffnet und
strömen dann die Kranken an ’s Flussufer theils zum Bade,
theils zur Reinigung von Kleidungsstücken. Eine Aufsicht
während dieser Badezeit ist unumgänglich, da sonst im Fluss-
bette Ausflüge nach dem Städtchen nusgeführt würden. Für
die Patienten mit llleus eruris bestehen für die absolut
nöthigen Bäder eigene Vorschriften, welche sie von einer
Durchnässung der Verbände abhalten sollen, da eine solche
regelmässig eine Verschlimmerung der Wunde und Randekzem
im Gefolge hat. Zwischen den zur Krankenaufnahme be-
stimmten Barraken sind die je 30 Meter breiten Zwischen-
räume mit Gartenanlagcn und bekiesten Wegen ausgefüllt;
in gleichem Zustande befindet sich auch alles übrige Terrain
innerhalb der Umzäunung. Fruchttragende Bäume oder
Pflanzen sind von diesen Anlagen ausgeschlossen, da die
Kranken deren Früchte stets vor erlangter Reife abnehmen
und zu ihrem Nachtheile verbrauchen würden. Dagegen
wird, wenn thunlich, für reichliche Anpflanzung von spani-
schem Pfeffer (Capsicum) gesorgt, dessen Schoten, reif und
unreif, ein beliebtes, sicher nicht nachtheiliges, eher heilsames
Gewürz zum Reis, dem Hauptgericht der Kranken, bieten.
Trotz der erwähnten, stacheltragenden Umzäunung und
der besprochenen Vorsichtsmassregeln, sowie trotz des weiter
unten aufzuzählenden Aufsichtspersonals kommen doch im
Laufe des Jahres in jedem Hospitale einige Wegläufer vor.
Diese- können in zwei grosse Klassen getheilt werden, in
solche, welche nach ihrer Plantage zurücklaufen, unschuldige,
nur gegen die Disciplin verstossende Wegläufer, und in
solche, welche mit der böswilligen Absicht entfliehen, sich
nicht nur der Disciplin des Hospitals, sondern auch ihren
Verpflichtungen gegenüber dem Pflanzer zu entziehen, krimi-
nelle Wegläufer. Die Letzteren sind ein grosser Schaden
für das Hospital und müssen im Falle der Wiedereinlieferung
sofort den Behörden zu strenger Bestrafung übergeben werden.
Halten sie doch den Pflanzer unter Umständen davon ab,
weitere Kulis, welche ärztliche Hilfe und Krankenhauspflege
hoch nöthig haben, in das Hospital zu senden, da er so
thuend die Gefahr läuft, seine mit grossen Unkosten ein-
geführten Feldarbeiter für immer zu verlieren. Die Motive
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4tj
für die Flucht der unschuldigen Wegläufer sind Verlangen
nach ihrer gewinnbringenden Arbeit, Angst, in der Bearbeitung
ihres Feldes zurückzubleiben oder den reifen Tabak zu ver-
lieren, ferner perverse Liebe, der die Chinesen hochgradig
huldigen, also Sehnsucht nach dem männlichen Liebchen
oder Eifersucht gegen Nebenbuhler und schliesslich in sehr
vielen Füllen Mangel an Opium. Die böswilligen Wegläufer
dagegen wollen mit gefälschten Papieren auf einer anderen
Plantage neues Handgeld erschwindeln oder eine private,
nach ihrer Ansicht höheren Gewinn abwerfender Thätigkeit
als Gcmüsepflanzer, Schweinezüchter oder Holzarbeiter an-
treten, oder sie sehnen sieh nach den Vergnügen und Auf-
regung bietenden grösseren Plätzen mit chinesischen Theatern,
Freuden- und Opiumhäusern. In sehr seltenen Fällen ent-
laufen die Kulis auch dem Hospitale, weil sie dort bei Arzt
und Personal für ihre Leiden kein Interesse linden. Obwohl
solche Fälle Ausnahmen sind, wird dennoch die jährliche
Anzahl der Wegläufer für den Wissenden einen ausgezeich-
neten Massstab für die Güte der Anstalt abgeben.
(Fortsetzung folgt.)
Neuere Untersuchungen
über
die Aetiologie und den klinischen Verlauf der
Beri-Beri- Krankheit
von Dr. Max Glogner,
Stadsgeneesheer in Sanmrang- Java.
(Vortrag, gehalten in der Section iür Tropen - Hygiene auf der
68..Versamrnlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M.)
M. H. Die Krankheit, über welche ich heute berichten
möchte, kommt auf einem grossen Theil unsrer Erde
endemisch vor.
Von denWcstindischen Inseln an der OstküsteSüdamerikas
entlang bis hinab nach Argentinien erstreckt sich ihr Gebiet ;
auf den Hochebenen Brasiliens, verschiedenen Inseln des
grossen Oceans, Neu-Guinea, Japan, China, Hinter- und Vorder-
indien, Ceylon, den Iuscln des Maleienarchipels sowie an der
Westküste Afrikas und am Congo wird sie angetroffen.
4?
Obwohl diese Krankheit in verschiedenen Ländern ver-
schiedene Namen trägt, wie Kakke in Japan, Beri-Bcri in
den holländischen Colonien, Pereinas in Brasilien, so hat eine
vieljährige Bekanntschatt und zahlreiche Beschreibungen aus
verschiedenen Ländern derselben zu der Gewissheit geführt,
dass wir es klinisch mit derselben Krankheitsform zu thun
haben.
M. II. Wenn schon die gewaltige Ausbreitung dieser
Krankheit Sie vermuthcn lässt, dass dieselbe eine grosse Ver-
wüstung an Lebeu und Gesundheit der Bewohner zur Folge
haben muss, so möchte ich Sie doch noch mit einigen Zahlen
bekannt machen, welche Ihnen diese Gefahr noch deutlicher
vor Augen führen. Allein im Maleiischen Archipel erkrankten
in der holländischen Colonialarmee bei einem Bestände
von ungefähr 30,000 Soldaten von 1879—1891 insgesammt
53,000 Soldaten an Beri-Bcri; in 1872 wurden in der
japanischen Hauptstadt Tokio ungefähr 3000 Soldaten be-
handelt, in 1H79 betrug die Zahl der Kranken unter der
Bevölkerung von 4 grossen japanischen Städten 5243. Und
wenn man die zahlreichen localen Epidemien in den ver-
schiedenen Ländern mit theilwcise sehr hoher Mortalität in
Betracht zieht, so wird man von der grossen Gefahr dieser
Krankheit und der Nothwendigkeit einer genauen Kenntniss
derselben überzeugt sein.
An Eifer, zu dieser Kenntniss zu gelangen, bat es bis-
her nicht gefehlt. Die zahlreichen Arbeiten, welche in den
verschiedensten Sprachen über die Beri-Beri-Krankheit ver-
öffentlicht sind, beweisen, dass man stets fleissig nach dem
Wesen und der Ursache geforscht hat.
Während nun die Ursache schon viele Jahrhunderte
Gegenstand der Forschung gewesen ist, wurde das Studium
über das Wesen dieser Krankheit erst nach der humoralpatholo-
gischen Aera bei einer besseren Kenntniss der europäischen
Krankheiten in Angriff genommen.
Man fasste die Beri-Beri auf als eine auf Scorbut beruhende
Constitutionsauomalie, dann erklärte sie der um die Beri-Beri-
Forschung verdiente Wernich für eine Blutdecomposition
ähnlich der pernieiösen Anaemie, später hielt man dieselbe
wegen der Lähmungserscheinungen an den Extremitäten für
eine Rückemnarksaffection, ein Schicksal, welches auch die
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48
europäische multiple Neuritis erreichte, bis dieselbe durch von
Leyden am Ende der 70er Jahre aus der grossen Gruppe
der Rückenmarksaffectionen als selbstständige Krankheit
ausgesehieden wurde.
Die Entdeckung der peripherischen multiplen Neuritis in
Europa dürfte auf die deutschen Forscher Scheube und
ßaelz nicht ohne Einfluss geblieben sein, als sie im Beginn
der 80er Jahre bei ihren Untersuchungen über Beri-Beri in
Japan in den Nerven der Extremitäten, des Herzens und
Zwerchfelles degenerirte Nervenfasern fanden und auf Grund
dieses Befundes die BeriBeri- Krankheit für eine endemische
peripherische multiple Neuritis erklärten. Seit dieser Zeit
wird die Beri-Beri-Krankheit allgemein für eine Erkrankung
der peripherischen Nerven gehalten. Wenn dies in vollem
Umfang richtig wäre, müssten alle oder doch wenigstens die
hauptsächlichsten Veränderungen, welche sich bei Lebzeiten
oder nach dem Tode uachweisen lassen, n n r aus einer
peripheren Nervendegeneration erklärt werden können.
Es gibt aber eine Reihe wichtiger klinischer wie patho-
logisch anatomischer Erscheinungen, welche inan sich aus
einer Degeneration der peripheren Nerven gar nicht oder
nur gezwungen erklären kann. So sind die Anaemien, die
Milzvergrösserungen, die Fieberanfälle, im Verlauf der Krank-
heit die Trübungen der verschiedenen Organzellen, z. B. der
Leber, nicht in einen dirccten Zusammenhang mit einer
Degeneration der peripherischen Nerven zu bringen.
Die Veränderungen der Muskelzellen sind bisweilen so
stark und in den meisten Fällen ebenso deutlich ausgesprochen,
wie die Veränderungen an den Nerven, dass man den Ge-
danken an ein myopathisches Leiden nicht von der Hand
weisen kann oder wenigstens an eine Gleichberechtigung
des myopathisehen mit dem neuropathischcn Leiden denken
muss.
M. H. Aut der anderen Seite fehlen die degeuerativen
Veränderungen an den peripherischen Nerven bisweilen, wie
Miuru die für einzelnen Fälle nachgewiesen hat. — Hage
fand die vagi und phrcnici bei 10 an Beri-Beri gestorbenen
Eingeborenen normal.
Ich will auf diese Fragen nicht näher eingehen, dieselben
werden bei weiteren Forschungen beantwortet werden —
49
vorläufig dürfte es sieh empfehlen, von dem S c li e u l> e- B a e 1 z-
sclien Standpunkt aus unsere Betrachtungen über die Beri-
Beri als eine multiplen Neuritis weiter zu führen.
M. 11. Bevor ich auf einzelne uns hier interessirende
klinische Erscheinungen eingehe, gestatten Sie mir, Ihnen
eine kurze Krankengeschichte eines Beri-Beri-Kranken rnitzu-
thcilen. Die folgenden Ausführungen dürften Ihnen dann
um vieles verständlicher sein.
Ein Eingeborener, der früher stets gesund war, kommt
mit folgenden Angaben in Ihre Behandlung. Vor einigen
Wochen hätte er 5 Tage anhaltendes Fieber gehabt, schon
während der Fieberzeit merkte er eine Müdigkeit und Schwäche
in den untersten Extremitäten, die sich in den letzten Tagen
derartig gesteigert hätte, dass ihm das Laufen schwer fiele ;
er spüre Ameisenlaufen in beiden Unterschenkeln und den
Unterarmen und wenn er dieselben anfasse oder sich einige
Haare auszöge, merke er nichts davon, bei der geringsten
Bewegung sei er kurzathmig, Beklemmung, Herzklopfen und
ein Vollsein im Epigastrium belästigten ihn häufig und wenn
es ein intelligenter Patient ist, wird er Ihnen noch mittheilcn,
dass sein tägliches Urinquantum vermindert sei.
Ihre eigene Untersuchung stellt dann folgendes fest:
Die DorsalHexion beider Füsse ist stark, die Plantar-
flexion leicht herabgesetzt, Bewegungen der Unter- und Ober-
schenkel normal, der Gang der Kranken ist unsicher, schleppend,
Ataxie fehlt. Die Erregbarkeit der Muskeln beider Unter-
schenkel auf den galvanischen und faradischen Strom sind
bei directer und indirecter Reizung herabgesetzt, auf der
Haut beider Unterschenkel anaostethisehc Stellen, Patcllar- und
Achillessehnenreflexe aufgehoben, Cremaster- und Bauchreflex
erhalten, leichtes Tibialoedem, Puls voll und kräftig, 96 p. m.,
eine Herabsetzung des Blutdruckes nicht nachweisbar, Herz
nach links und rechts vergrössert, systolisch blasende Geräusche
an der Insertion der 3 linken Rippe am deutlichsten hörbar.
Haemoglobin 70°/o mit dem v. Fleischlichen Haemomcter,
sichtbare Schleimhäute blass, Tägliche Urinmenge 300 — 400
Cubikcent., Milz vergrössert, Blasen- und Dannfunction un-
gestört, Atlnnung 26 p. m., abdominal.
M. II. Es dürfen Ihnen bei dieser Krankengeschichte
2 Punkte auflallen, zuerst, dass, wie ich bereits oben erwähnte,
Archiv f. Schifft- n. Tropeohyglen«*. 4
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M
gewisse klinische Symptome vorhanden sind, wie die Anaemie,
die Milzvergrösserung, das Initialfieber, welche sicher nicht
von einer Nervendegeneration abhängen und meistens, dass
es besonders 2 Körpergegenden gibt, an denen sich die
Krankheitserscheinungen ain deutlichsten offenbaren, nämlich
das Herz und die Extremitäten.
Was die genannten nicht von einer Nervendegenerntion
herrührenden Symptome betrifft, so werde ich auf ihre Be-
deutung später zu sprechen kommen, ich möchte nur erwähnen,
dass es leider wie früher, auch jetzt noch Sitte ist, alle Er-
scheinungen, die mit einer multiplen Nervendegeneration sich
nicht erklären lassen, einfach als Complicationen anzusehen ;
das macht die Sache allerdings sehr einfach. Es ist dies
aber um so unverständlicher, als einzelne Autoren, welche
dies thun, mehrere dieser Erscheinungen in einer grossen
Frequenz vorfinden und beschreiben. Wenn wir in dieser
Weise zu Werke gehen, werden wir schwerlich zu einem
befriedigenden Verständniss der zahlreichen Erscheinungen
gelangen, und es dürfte dies wahrscheinlich der Grund sein,
wesshalb Uber der Aetiologie der Beri-Beri bis in die letzte Zeit
ein undurchd ringbares Dunkel geschwebt hat und wesshalb
wir auch in der Erklärung einer Reihe klinischer wie patho-
logisch anatomischer Erscheinungen seit den 80. Jahren wenig
vorwärts gekommen sind. — Was die klinischen Erscheinungen
an den Extremitäten betrifft, die in leichten sensiblen und
mehr oder weniger starken motorischen Störungen bestehen,
so lassen sich dieselben mit einer Degeneration der Extremi-
tätennerven erklären. Anders ist dies jedoch mit den am
Herzen vorkommenden Erscheinungen.
Welche sind diese zunächst ?
Zuerst ist die Vergrösserung der Herzdämpfung oder
nur des rechten Herzens, die an der Leiche als eine Hyper-
trophie mit oder ohne Dilatation erkannt wurde, zu erwähnen,
zweitens, eine Beschleunigung der Ilerzthätigkeit, drittens,
systol. Geräusche am deutlichsten auf dem Ansatz der 2. und 3.
linken Rippe, sowie eine Verstärkung und Verdoppelung
des zweiten Pulmonaltones, viertens eine bisweilen eintretende
Pulsation der ganzen Herzgegend. Diese Erscheinungen sind bei
den meisten Beri-Beri-Kranken so in die Augen springend und
für die Prognosen so bedeutungsvoll, dass mau sieh wundern
51
muss, wenn bisher Niemand den ernsten Versuch einer ge-
meinsamen Erklärung für alle diese Erscheinungen gemacht
hat, und Sie werden nur zugehen, dass in der Beri-BeriForschung
eine grosse Lücke besteht, wenn gerade die wichtigsten
klinischen Erscheinungen unerklärt geblieben sind und selbst
in gewissem Widerspruch stehen zu der bisherigen Auf-
fassung der Beri-Beri-Krankheit als einer multiplen peripheri-
schen Nervendegeneration. Denn ein Widerspruch muss es
genannt werden, wenn das Herz, an dem diese wichtigen Erschei-
nungen sich abspielen, bei einer Degeneration seiner Ner-
ven eine Vergrösserung seiner Muskelzellen erfahren soll.
Während wir an anderen Muskeln gerade das Gegen -
t heil, nämlich eine Atrophie, öfters zu beobachten Gelegenheit
haben und dies am Beri-Bori-Kranken an den unteren Ex-
tremitäten auch beobachten können, hypertrophirt das Herz
bei dieser Nervendegeneration. Wenn man die Vergrössernng
der Muskelzelle als einen erhöhten vitalen Vorgang aufzufassen
berechtigt ist, so ist man zu der Annahme gezwungen, dass
die degenerirten Herznerven, die man bisher gefunden und
mit für die Auffassung der Beri-Beri als einer multiplen
Neuritis verwendet hat, dem Herzen im Allgemeinen doch
nicht so viel schaden, als man seit Scheubc und Baelz
bisher angenommen hat. — Es ist nicht unmöglich, dass
gerade dieser Punkt der bisherigen Auffassung der Beri-Beri
als einer multiplen Neuritis einmal eine andre Wendung
geben dürfte.
M. H. Gehen wir nun zur Besprechung der einzelnen
erwähnten Herzerscheinungen über. Was die Vergrösserung
und Dilatation dieses Organes betrifft, so haben zuerst die
älteren holländischen Colonialärzte darauf aufmerksam gemacht,
später ist diese Erscheinung durch vielfache Scctionsbefunde be-
stätigt worden, und namentlich sind es die zahlreichen Beobach-
tungen von Pekelharing und Winkler, welche uns des-
halb von ganz besonderem Werthe erscheinen, weil sie mit dem
geübten Auge der pathologischen Anatomen gemacht sind. Diese
Forscher behaupteten auf Grund ihrer Nectioncn, dass das
constanteste »Symptom an der Bcri Bcri-Leiehe eine Ver-
grösseruug des rechten Herzens mit Dilatation und in vielen
Fällen eine Vergrössernng des ganzen Herzens sei, aber eine
4*
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f>2
Erklärung haben auch sie nicht gegeben, sie erwähnten nnr
ilnss dieselbe grosse Schwierigkeiten bereite.
In der letzten Zeit hat der japanesische Arzt Miur.
die Herzhypertrophie durch eine Compression der Lungen-
gefässe erklärt, welche durch einen in Folge von Zwerchfell-
lähmung eingetrcteucn hohen Druck im Brustraum zu Stande
kommen soll. Dieser erhöhte Druck wäre zunächst zu
beweisen.
Es sprechen aber direct gegen diese Auffassung die
zahlreichen Herzhvpertrophien, die ohne Zwerchfelllähmung
entstehen, und anderseits die Zwechfelllähmungen, welche ohne
Herzhypertrophien verlaufen, wie ich einen derartigen Fall
in einer zu erscheinenden Arbeit mittheilen werde.
M. H. Wodurch entsteht dann die Herzhypertroph ic
beim Beri-Beri-Kranken?
Ueberall da, wo im Körper die Muskidzelle hyper-
trophirt, kommt dies durch erhöhte Arbeit zu Stande. Wir
wissen, dass im Verlauf der Beri-Beri-Krankheit das Herz in
vielen Fällen eine erhöhte Frequenz der Schläge zeigt. Nun
könnte man sich vorstellen, dass durch das Beri-Beri-Oift
auf die Herznerven zuerst ein Reiz ansgeiibt wurde, dem
dann Lähmung mit Degeneration folge. Dagegen spricht
entschieden die klinische Erfahrung, dass sich eiue be-
schleunigte, kräftige llerzthätigkeit oft über Wochen und
Monate ausdelint und bisweilen zu einer Zeit vorhanden ist,
wo an den Extremitäten paretische Erscheinungen zu Tage
treten, und es wäre ganz unverständlich, wn - n dasselbe
Gift die Nerven der Extremitäten lähmen, die Herznerven
dagegen reizen solle.
Bei der Erklärung der isolirten rechtsseitigen Ilerz-
hypcrtrophie ist die Annahme eines Reizzustandes der Herz-
nerven noch unverständlicher. Bei der gleichmässigen Function
der rechten und linken Herzhälfte, der gemeinsamen Anord-
nung der Nerven und Muskelfasern wäre eine isolirte rechts-
seitige Herzhypertrophie durch einen Reizzustand der Nerven
des rechten Herzens nicht zu verstehen. — Die Ursache
hierfür kann nur in Widerstünden liegen, welche das rechte
Herz in höherem Masse zu überwinden hat, und diese werden
im Lungenkreislauf zu Huden sein, und wenn wir der Scheube-
Baelzschen Auffassung folgen, so werden wir diese Wider-
53
stände in einer durch Gefässnervenlähmung entstandenen
schwierigen Fortbewegung des Blutes zu suchen haben, denn
Sie wissen, meine Herrn, dass einen wesentlichen Factor zur
Fortbewegung des Blutes ein intacter Zustand der Gefüss-
muskeln und -nerven bildet.
(Fortsetzung folgt.)
II. Besprechungen.
Bericht des C hefar z tes der Kaiser 1. Schutztruppe
für Ostafrika, I)r. Becker, über seine amtliche
Thlttigkeit im Jahre 1894/95 in Mittheilungen
aus deutschen Schutzgebieten; Beiheft zu den
Veröffentl. d. Kaiserl. Gesundheitsamtes. XIII*
Band. Berlin. Jul. Springer. 1896.
Die Versuche, der Truppe namentlich auf Expeditionen
mit Sicherheit keimfreies Trinkwasser zu liefern,
werden als missglückte bezeichnet; es erwies sich nämlich
als unausführbar, das mit Schlamm reichlich versetzte Wasser
durch die Filterkerzen des kleinen Berkefeld-Filter (Armee-
rilter No. III) hindurch zu pumpen; „die Handhabung der
Filterpumpe erforderte dann eine derartige Gewalt, dass die
Kraft eines Mannes daran erlahmte oder die Filterpumpe
aus den Löthstellen auseinander gesprengt wurde.“ Ein be-
friedigender Erfolg wurde mit einem grossen Pumpenfiltcr
(System Berkefeld) auf den Stationen erzielt.
0. S c h c 1 1 o n g.
Genera 1-Sanitäts-Bericht über die Kaiserliche
Schntztruppc für Deutsch-Ostafrika für das
Berichtsjahr 1894'95, von Oberarzt I)r. Gärtner;
in Mittheilungen aus deutschen Schutzgebieten;
Beiheft zu den Veröffentlichungen d. Kaiserl.
Gesundheitsamtes. XIII. Band. Berlin. Jul.
Springer. 1 896.
Der Bericht bezieht sich auf die 17 Militärstationen
des ostafrikauischen .Schutzgebiets; als die günstigste der-
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54
selben erwies sich Bnkoba am Victoria Nyansa, als die un-
günstigste die Station Ulanga. Die zahlreichsten Kranken-
zugänge bildeten die Malariakranken; die 122 deutschen
Militärpersonen der sämmtlichen Stationen erkrankten 412 Mal
an Malaria, so dass auf jeden Europäer 3,3 (= 3360 °/oo)
Erkrankungen kamen. Die eingeborenen Soldaten erkrankten
in 887,9° oo am Wechsclfiebcr. Von andern Infektionskrank-
heiten kamen Pocken und Ruhr regelmässig zur Beob-
achtung. Die gesündeste Zeit sind die Monate Januar bis
März (Trockenzeit).
Die Hygiene der Wohnungen und die bauliche Be-
schaffenheit der Lazarethe ist auf fast sämmtlichen Stationen
noch recht mangelhaft. Grössere Lazarethe existiren in Dar-
es-Salam und in Lindi; im Innern fehlen sie gänzlich, so
dass im Innern erkrankte Europäer oft unter wochenlangen
beschwerlichen Märschen nach der Küste geschafft werden
müssen. Es fehlt auch an bequem transportablen Krankcn-
barackeu; die Doeeker’sehe Baracke hat sich noch verhält-
nissmässig am besten bewährt, wiewohl die einzelnen Theile
auch dieser Baracke zu schwer sind, um gut transportirt
zu werden.
Das Wohnen und Schlafen in den oberen Wohnräumcn
wird demjenigen in dem Erdgeschoss vorgezogen. Als Dach-
deekung empfiehlt sich auch für Steinhäuser am meist das
Wellblech. Wo die Unterbringung der Mannschaften im
Erdgeschoss erfolgen muss, sollte eine Isolirsehicht am Boden,
bestehend aus Steinen, einer Ccmentlagc und einer Bedeckung
Linoleum oder Fliesen nicht fehlen. Für die Beköstigung
haben die europäischen Militärpersonen, sowie Farbige für
sieh selbstständig zu sorgen ; aut Märschen bekommen die
Mannschaften in der Regel besondere Verpflegungsgelder;
auch ist man dann vorzugsweise auf Conserven angewiesen.
Unter normalen Verhältnissen ist die Beschaffung von frischem
Fleisch und Gemüse, besonders an der Küste, nicht schwierig.
Eine ilungersnoth verursacht häutig im Innern des Landes
die Heuschreckenplage.
Die Versorgung mit Trinkwasser ist auf den Innen-
55
leicht verschmutzt werden und mit Pumpenvorrichtung ver-
söhn werden sollten.
Die Excrementc werden auf einigen Küstenstationen
durch Wasserspülvorrichtung nach dem Meere abgeführt;
indessen verdient die Gewohnheit der Eingeborenen, ihre
Xothdurft am Meeresstrande zu verrichten, entschiedene Nach-
ahmung, da so die Fiikalien auf die einfachste Art durch
die nächstfolgende Flut weggespült werden.
Zur Trockenlegung des Sumpfbodens haben sich An-
pflanzungen von Coeospalmen (besser als Eucalyptusbäuiuc)
nuf allen Küstenstationen bewährt; im Innern des Landes
gedeiht die Cocospalme nicht. Die Abfuhr des Kehrricht ist
polizeilich geregelt; auch die Bauthätigkcit der Neger-
bevölkerung wird beaufsichtigt.
Um den zahlreichen Pockenerkrankungen unter
der farbigen Bevölkerung zu steuern, wird die Zwangsimpf-
ung (bereits von dem früheren Oberarzt Dr. »Steudel em-
pfohlen) in Vorschlag gebracht. Dazu gehört an erster .Stelle
die Möglichkeit, sich genügend wirksame Lymphe zu ver-
schaffen ; gelöst würde diese Aufgabe am zweckmässigsten
durch die Begründung einer Lymphecrzeugungsanstalt werden ;
jedoch konnte auch in dem Berichtsjahre festgcstellt werden,
dass auch in Deutschland hergestellte Thierlymphe, wenn
frisch vom Thiere entnommen und alsbald zur Post ge-
geben, durchaus wirksam bleibt, sofern nur der Versand
in den Wintermonaten stattffndct. Dass die durch das
Ueberstehen der echten Pocken erworbene Immunität
nur eine begrenzte Zeit fortbesteht, scheint daraus hervor-
zugehen, dass Impfungen mit wirksamer Lymphe auch bei
pockennarbigen Eingeborenen häutig erfolgreich ausflclen.
Uebrigens war die aus dem Impfinstitut in Karlsruhe ge-
lieferte Glycerinlymphe in 62o/° der Fälle wirksam.
Aus der sich anschliessenden Besprechung der einzelnen
Krankheitsgruppen mit klinischen Beobachtungen sind hervor
zuheben die M ala r i a f ie b e r , welche in der leichten
Form und zwar dann meist als remittirende, nicht eigent-
liche intermittirende Fieber und in der Form der sog. Malaria
*) In Leopolrtvillo am Stanloy-Pool (Congo) etwa 300 Kilometer
Luftlinie von der Küste zeigten junge Cocos-Palmen gutes Waehstliuin
Amu. der Keilaktion.
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56
perniciosa, Gallentieber oder .Schwarzwasserfieber auftreten.
Unter 412 Malaria- Erkrankungen der europäischen Soldaten
kamen 21 Fälle der letzteren Form vor, mit 4 Todesfällen.
Ueber den klinischen Verlauf der Fieber ist neues nicht zu
berichten. Bei der Behandlung hat sich auch hier Arsenik
gänzlich wirkungslos erwiesen ; Chinin bleibt das einzig zu-
verlässliche Fiebermittel; die Ansichten über die Wirksam-
keit des letzteren bei der Malaria perniciosa sind freilich
noch nicht geklärt. Gegen das die Fieber häutig begleitende
Erbrechen erwies sich die Darreichung von '/* Tropfen Tinctura-
Jodi öfters von cclatantem Nutzen.
Unter den 1437 Fieberfällen der Farbigen ist die
Perniciosa nicht ein einziges Mal verzeichnet.
An Ruhr kamen zur Beobachtung 23 Erkrankungen
der deutschen Militärpersonen, und 174 Erkrankungen der
Farbigen, ln einzelnen Fällen von Ruhr waren die Anti-
dysenterie-Pillen des Dr. Schwarz in Constantinopcl von
Nutzen.
Auch 14 Fälle von acutem und chronischem Ge-
lenkrheumatismus werden bei den deutschen Militär-
personen erwähnt; diese Krankheit ist in Ostafrika sehr häutig
und verläuft meist schwerer als in Europa, auch was die
Miterkrankung des Herzens und die Neigung zu Rccidivircn
an betrifft.
Erysipel, eine in Ostairika selten verkommende
Krankheit, gelangte nur ein einziges Mal zur Beobachtuug.
Einmal trat Poliomyelitis anterior bei einem
europ. Ruhrkranken auf. Bei dem Kranken bestand starke
Abmagerung des Körpers und Schwund der Muskulatur an
den Beinen, mittelstarke Spitzfussstellung beiderseits und
schlaffes Herunterhängen der beiden grossen Zehen. Die
Gelenke waren frei; passive Bewegungen konnten schmerzlos
ausgeführt werden: dagegen waren die activcn Bewegungen
in Knie- und Fuss Gelenken stark behindert. Beim Gehen
musste Patient gestützt werden; der Unterschenkel wurde
dabei hcrvorgesehlcudcrt. Die grossen Zehen hingen auch
beim Gehen sehlaff herab. PatellarselnienreHexe fehlten.
0. Schollong.
57
Joseph, I)r. Max, in Berlin, Ueber Lepra. Zusammen-
fassender Bericht.
Da sich in Berlin in der letzten Zeit mehrere Lepröse
aufhielten und zur Kenntniss Ärztlicher Kreise gekommen
waren, so ergab sich im Anschluss an den Vortrag des Herrn
Havelburg (Berlin. Klin. Woch. 1896 Nr. 46), welcher
über seine Erfahrungen als Leiter eines Lepra-Hospitals in
Rio de Janeiro berichtete, die günstige Gelegenheit zu einer
sehr anregenden und ausgedehnten Discussion in der Berliner
Medicinischen Gesellschaft.
In Brasilien ist hiernach die Lepra ausserordentlich
verbreitet, und im Staate Sao Paolo giebt es Ortschaften,
deren gesummte Bewohner leprös afticirt sind. Der von
Havel bürg vertretenen Anschauung, dass die Lepra nach
Brasilien durch seine Entdecker und Colonisatoren, die Por-
tugiesen, eingeschleppt sei, hielt in der Discussion Virchow
entgegen, dass dies noch keineswegs erwiesen sei. ln der
letzten Zeit haben neue Untersuchungen in Amerika begonuen,
um die Frage zu entscheiden, ob es eine p rite o 1 u in bi sc h e
Lepra gegeben hat. Das auffälligste sind nach Vi rc h o w ’s
Meinung gewisse Thonliguren, die man in alten Gräbern
von Peru gefunden hat und welche allerdings Mutilationen
und Veränderungen anderer Art zeigen, die am leichtesten
auf Lepra bezogen werden können. Ob also die Lepra
nach Amerika eingeschleppt sei oder nicht, sei noch immer
discntabcl.
Wie dem auch sein mag, jedenfalls ist nach Havel-
burg’s Beobachtungen die Lepra nicht nur in Brasilien im
Allgemeinen, sondern auch in der .Stadt Rio de Janeiro in
sichtlichem Fortschreiten. Er schätzt die augenblickliche
Zahl auf gegen 3000. Die Krankheit respcctirt weder Rasse
noch Nationalität, cs erkrankten im Allgemeinen mehr Männer
als Frauen, etwa 40 Procent der Hospitalkranken gehörten
dem weiblichen Geacldeehte an. Dass die Lepra eine eon-
tagiose Krankheit sei, lehrten u. a. die Erhebungen, welche
der Vortr. bei 63 Hospitalkrankcn anstelltc. Hiervon gaben
16 die Existenz der Lepra in der Familie an, 22 ein mehr
oder weniger langes intimeres Zusammenleben mit Leprösen,
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58
während bei den übrigen 25 nichts Verlässliches zu eruiren
war. Im Hospitale selbst kamen ebenfalls Erkrankungen
von Angestellten vor. Ein Koch erkrankte nach 30jähriger
Dienstzeit ; ein Verwalter wies, nachdem er 5 Jahre func-
tionirt hatte, die Zeichen der beginnenden Lepra auf, ebenso
wurde ein Portier, welcher 4 Jahre dem Hospital gedient
hatte, leprös. Havelburg kennt auch zwei leprös erkrankte
Aerzte, in deren Familien andere Fälle nicht vorgekommen
waren und von denen der eine seine Infection ebenfalls auf
Beziehungen zu einem intimen leprösen Freund zurückführte.
Für die in Deutschland lebenden Kranken hält Ha vel bürg
eine strenge Beautsichtigurg oder besser Isolirung für durch-
aus angezeigt. Nach der prophylaetischen Seite macht er
darauf aufmerksam, dass ein Leprakranker als Cajüts-
passagier für andere Mitreisende höchst unangenehm und
immerhin bedenklich ist, ein solcher aber im Zwischendeck
eine Gefahr bedeute, zumal bei einer etwas länger dauernden
Seereise.
Auch v. Bergmann ebenso wie die übrigen Redner
in der Discussion zweifeln nicht an der Contagiosität der
Lepra. Auch Max Joseph (Referent) glaubt, dass die
Contagiosität der Lepra bewiesen ist, und durch die Isolirung
allein das Einhalten der Erkrankung ermöglicht werden
kann. ln wie weit nun in jedem einzelnen Falle die
Lepra contagiös sei, das wird von sehr vielen Umständen
ahhängeu. Zunächst' von dem Zustande der Kranken selbst,
von dem Stadium, in dem sie sich befinden, und zweitens
von der socialen Lage der Umgebung. Man werde in jedem
einzelnen Falle natürlich entscheiden müssen, in wie weit
hier nur gründliche Dcsinfcction oder Isolirung Platz zu
greifen habe. Ebenso wie Havelburg bei Wärtern und
zwei Aerzten Lepra beobachtet habe, sei auch von Arning
auf deu Sandwichsinseln bei zwei Aerzten Lepra festgestellt
worden. x\uch zu dem bekannten Experimente Arning ’s,
der Lepraimpfuug bei einem Menschen, besitzen wir ein
Seitenstück. Dr. Coffin von der Insel Reunion habe einen
Fall mitgetheilt, in dem ein Mann, der zu schwerer Zucht-
hausstrafe verurtheilt war, den Aufenthalt in der Leproseric
doch dem Aufenthalt in einem Zuchthause vorgezogen habe,
und sich Selbst mit dem Secret von leprösen (iesehwüren
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59
impfte. Er bekam einige .Jahre später eine sicher festgestellte
Lepra. Auch der Beweis, dass eine lepröse Amme durch
ihr Stillen ein Kind inlieiren könne, woran man früher oft
gezweifelt, sei jetzt erbracht. Denn Dr. Gold Schmidt hat
auf der Insel Madeira eine Familie kennen gelernt und genau
untersucht, wo mehrere andere Kinder von gesunden Ammen
gestillt wurden, ein einziges Kind aber von einer leprösen
Amme, und dieses Kind bekam später Lepra. Daher glaubt
Max Joseph, dass eine einzige solche positive Thatsache
doch mehr wiege als so und so viele negative, sodass für
ihn der Standpunkt, dass die Lepra contagiös ist, durch diese
Thatsachen, wie durch viele andere, die hier aufzuzählen
überflüssig wäre, wohl bewiesen ist. Er möchte bitten, mehr
als bisher geschehen, auf das Sputum der Leprösen zu achten.
Er hat selbst in letzter Zeit einen derartigen Fall untersucht,
wo eine lepröse Lungenerkrankung bestand und post mortem
naehgewiesen wurde. Hier war sicher Tubereulose aus-
zuschliessen, denn auf Schnitten fand sich im Lungengewebe
nichts, was irgendwie an Tuberkel erinnerte, keine Spur von
Verkäsung, keine Spur von Riesenzellen u. a. m. Daher
sei das Sputum der Leprösen besser als bisher zu dcsinticiren.
Dem Vorschläge Liebreich ’s, die Lepra mit Cantlia-
ridin Einspritzungen zu behandeln, konnte Ilavclburg beim
Schlüsse der Diseussion entgegenhalten, dass diese Methode
an 13 Patienten längere Zeit durchgeführt, sich als fruchtlos
erwiesen habe.
Im Anschluss an diese Diseussion möchte ich noch
einige Lepra- Arbeiten der letzten Zeit erwähnen. Zunächst
die ac t i o I o g isch e n Studien über Lepra (mit 22
Abbildungen. Dermal. Zeitschr. Bd. III. Berlin 1890) von
Edw. Ehlers. Er wählte zu seinen epidemiologischen
Untersuchungen Island aus, weil hier in einem kleinen
Bezirke eine Untersuchung über die Art der Einschleppung
und Ausbreitung der Lepra am meisten Aussicht auf gute
Resultate versprach. Während noch 1889 ofticiel! nur 47
Aussätzige auf Island bekannt waren, konnte Ehlers 1894
bis 1895 schon 158 Patienten auffinden. Am meisten ist
von der Krankheit der südwestliche Theil der Insel beein-
flusst. Hier ist sie wahrscheinlich als dem einzigen guten
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60
Landungsplätze zuerst in das Land gebracht und hat in der
ärmlichen Fischerbevölkerung bei den entsetzlich schlechten
Wohnungs- und Lebensverhältnissen bald kräftige Wurzeln
schlagen können. Da die meisten Isländer vollständige
Stammtafeln über ihre Geschlechter haben, welche Einzelnen
sogar gestatten, ihre Abstammung bis 874, bis zu den ersten
Colonisten zu verfolgen, so fand Ehlers, wie er ganz richtig
vorausgesehen hatte, hier ein sehr zuverlässiges und voll-
ständiges Material für seine actiologisehen Untersuchungen.
Von jenen 158 Patienten konnte er 119 Personen untersuchen
und theilt diese in 2 Gruppen: 1. 56 Individuen, in deren
Familien Fälle von Aussatz vorgekommen w'aren und 2. 63
Individuen, in deren Familie nie ein Fall von Lepra vor-
gefallen ist. Von der crsteren Gruppe waren entweder Vater
und Mutter leprös (drei Male) oder nur der Vater (15) resp.
die Mutter leprös (4 Male) oder die Eltern gesund, dagegen
Geschwister leprös (20 Male), während bei 14 Patienten nur
entfernte Verwandte aussätzig waren. Von der zweiten Gruppe,
in welcher kein Aussatz in der Familie constatirt werden
konnte, war bei 4 Patienten die Infcction wahrscheinlich in
der Ehe erfolgt, bei 16 Patienten konnte die Ansteckung
wahrscheinlich gemacht werden, während selbst unter diesen
hierfür günstigen Verhältnissen bei 43 Patienten die An-
steckung nicht nachgewiesen werden konnte. Merkwürdig ist,
dass Ehlers bei allen 4 Patienten, welche in der Ehe an-
gesteckt waren, eine Lepra anacsthetica fand.
Ein von Mersmann und Lyon berichteter Fall von
Lepra mixta 'International Medical Magazine, Juli 1896) ist
deshalb besonders interessant und ungewöhnlich, weil er einen
Knaben im Alter von 10 Jahren betraf und das Auftreten
der Lepra in diesem frühen Alter selten ist. Ein exstirpirtcr
anaesthetischcr Fleck enthielt in dem tiefsten Theile des
Oorium Leprabacillen, ein ebenfalls nicht häuliger Befund.
Radcliffe Oroeker (A promising treutment for
leprosy. — The Lancet. 8. Aug. 1896) glaubt nach seinen
Erfahrungen an zwei Leprösen Besserung durch Quccksilber-
Injectionen erzielt zu haben. Bisher haben sich alle der-
artigen Hoffnungen als trügerisch erwiesen, und Referent
veriuuthct, dass es mit diesem neuen Heilmittel das gleiche
f
61
sein wird. Dazu wird Referent um so mehr gedrängt, als
er neuerlich in der Bcrl. Med. Gesellschaft (Sitzung vom
3. Juni 1896) einen Leprösen aus Montevideo vorstellen
konnte, welcher Calomelinjectionen und noch vor einigen
Monaten eine intensive Inunctionscur gebraucht hatte. Der
Erfolg war aber vollkommen negativ. Diesen letzteren
Kranken, sowie mehrere andere von ihm beobachtete Lepröse
hat Referent vor Kurzem (Max Joseph, Ueber Lepra. —
Berl. Klin. Woch. 1896, Nr. 37) eingehender beschriebe^.
Bei einem dieser Kranken war als besondere interessant eine
Rectumstrictur einige Centimetcr oberhalb des Orificium
extemum ani zu erwähnen. Man hat bisher Rectumstricturen
bei Leprösen nicht beschrieben. Ref. glaubt aber, dass diese
Strictur nach Analogie mit anderen Organen, in welchen die
Lepra ebenfalls Stenosen erzeugt, auch hier im Rectum auf
lepröser Basis entstanden ist. Wir wissen, dass an anderen Or-
ganen, z. B. im Kehlkopf, die Stenosen nicht nur durch Knoten
und Infiltrate, sondern auch durch Narben erzeugt werden,
welche au Stelle der früher vorhandenen Ulcerationen bei
der spontanen Abheilung entstehen und nun ihrerseits eine,
Strictur herbeiführen. In diesem Falle war es noch besonders
bemerkenswert!», dass dieser Kranke Jahre lang passive
Päderastie mit Individuen der niedersten Klasse aus einer
notorischen Lepragegend getrieben hatte. Es ist wohl nicht
unmöglich, dass der Infectionskeim in Folge einer Verletzung
iles Rectum in den Körper gelangt ist und von hier aus
seine Verbreitung gefunden hat. Schliesslich sei noch erwähnt,
dass zwei meiner Patienten in sehr wohlhabenden Verhält-
nissen lebten. Bisher war aber vielfach die Meinung vor-
herrschend, dass die Lepra hauptsächlich die in den schlechtesten
Verhältnissen lebenden Individuen befalle, und auch Ehlers
meint, der Aussatz greife in unseren Tagen hauptsächlich
nur die Allerärmsten in der Gesellschaft an. Das ist im
Allgemeinen richtig, aber meine beiden Patienten stellten
eine Ausnahme hiervon dar.
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ß2
Zieniaun, Dr. Max, Uebcr Blutparasiten bei heimi*
scher und tropischer Malaria. Vortrag, gehalten
auf der G8. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzto
zu Frankfurt. Referent: Rüge (Kiel).
Z. beobachtete im Ganzen 99 Falle, darunter 14 Fülle
von einheimischer, 70 Fülle von tropischer Malaria und unter
diesen wieder 15 Falle von latenter Infection.
Die Fülle von heimischer Malaria stammten theils aus
Lehe, theils aus Wilhelmshaven und bestanden durchgehend
in einer febris tertiana.
Die Blutbefundc gestalteten sich in diesen Füllen folgcnder-
maassen: Kurz nach Eintritt des Hitzestadiums fanden sich
in der intteirten rothen Blutzelle kleine, blasse, wenig scharf
umschriebene Klümpchen von 1 — 2 fi Durchmesser mit deut-
lichen nmoeboiden Bewegungen. Kern und Kernkörperchen
waren in diesem Stadium der Entwicklung im frischen Prä-
parate nicht mit Sicherheit zu entdecken, Hessen sich aber
im gefärbten Präparate nachweisen. „Im gefärbten Präparate
sieht man an der Peripherie oder manchmal auch etwas
innerhalb der blau gefärbten Amoebe ein röthlich violettes,
scharf konturiertes, bald rundes, bald eckiges Gebilde, umgeben
von einem helleren Hofe. Ronmnowsky fasst die Gebilde
auf als das chromative Faseruetz des Kernes, umgeben von
dem farblosen Kernsaft, Mannaberg als Kern und Kern-
körperchen. Ich werde mich im Folgenden der Einfachheit
und Kürze halber der letzteren Ausdrucksweise bedienen.“
Im Schweissstadium trat Pigment int Parasiten auf in Gestalt
feiner brauner Körnchen. Auch jetzt lässt sich im frischen
Präparat nicht immer ein Kern nachweisen. Die Form des
Parasiten in diesem Stadium ist die eines Ringes oder Halb-
ringes. Unter Umständen beginnt jetzt bereits die Differen-
zierung des Kernkürpers. Oft schon nach 1(> Stunden, wenn
der Parasit etwa '/»> fast immer durchschnittlich nach 24
Stunden, wenn er ungefähr die Hälfte der rothen Blutzcllc
erfüllte, wurde festgestellt, dass der Kernkörper in eiue
Anzahl feiner Stäbchen und Körnchen zerfiel. Im frischen
Präparate ist als Kern nur eine helle, meist ovale, ziemlich
scharf konturierte, lichtbrechende Stelle zu bezeichnen, die
sich meist im Verlaufe der schleifen- oder ringförmigen Figur
63
findet. Bei dem Wachsenden und schliesslich rund werdenden
Parasiten nimmt die amoeboidc und Pigmeutbewegung ab,
die Zahl der Chromatinstäbchen des Kernkörpers und der
Pigmentstäbehen zu. Im Beginn des Fieberanfalls kann man
in manchen Präparaten neben dem einen Stäbchen bttndel des
Kernkörpers ein anderes liegen sehen, von ersterem getrennt
durch eine Brücke ungefärbter Substanz. In gelungenen
Präparaten erscheinen dann vollkommene Diasterfigurcn. Im
weiteren Verlaufe bilden sich aus den Strahlenbündeln kom-
pacte Klümpchen, die von einander abrücken und sich ihrer-
seits wieder theilen. Man sieht dann 4 — 10 — 16 Kernkörper.
Die Anordnung der neuen Kernkörper in der Sporulationsfigur
ist meist ziemlich regelmässig coneentriseh. Alle neuen
Kernkörper sin'd deutlich umgeben von dem hellen Saume
des sogenannten Kernes, an welchen sich der blaue Plas-
maleib der jungen Amoebe ansehliesst. Einmal wurde im
frischen Präparate bei heimischer Tertiana eine sonnenblumen-
artige, wie mit dem Zirkel gezeichnete Sporulationsfigur
gefunden.
Aus den vorstehenden Beobachtungen schlicsst Z. in
Uebereinstiminung mit Romanowsky, dass der heimische
Tertianaparasit sich karyokinetisch tlieilt.
Zu der Lehre Golgi’s, dass in bestimmten Fieberstadien
bestimmte Parasitenformen erscheinen und umgekehrt, dass
aus dem Vorhandensein bestimmter Parasitenformen auf das
Eintreten bestimmter Fieberstadien geschlossen werden könnte,
sagt Z. Folgendes:
„Von einer ganz strengen Gesetzmässigkeit konnte ich
in meinen Fällen nicht sprechen, indem man z. B. manchmal
bereits im Fieberan falle endoglobuläre, pigmentirte Parasiten
finden konnte. Bestimmt zu sagen, so und so viel Stunden
nach einem Anfälle haben die Parasiten die und die Grösse,
war mir unmöglich, da der Entwicklungsgang der Parasiten
manchmal ein schnellerer, manchmal ein langsamerer war.
Grosse endoglobuläre Formen mit lebhafter Pigmentbewegung
und zum Theil noch erhaltener amöboider Bewegung findet
man sowohl vor dem Anfalle, als auch noch im Schweiss-
stadium und selbst am Tage der Apyrexie. Indess diese
Formen haben mit dem Fieberausbruche gar nichts zu tliun,
da sie nicht zur Sporulation kommen. Bei der Färbung
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bemerkt man keine Kernkörper. Die Exkapsulation dieser
Formen aus den rothcn Blutkörperchen und ihre Umbildung
zu freien sphärischen Körpern habe ich weniger häufig gesehen
als andere Autoren. Die freien sphärischen Körper waren
ein sehr gewöhnlicher Befund in meinen Fällen. Nachdem
einmal Fieber vorhanden gewesen war, waren sie in allen
Stadien zu finden.“
Gcisselformen wurden ziemlich häufig gesehen — Geissein
waren 2 — 3 vorhanden — und zwar wurden diese Formen
unmittelbar nach Anfertigung des Präparates gefunden.
Bildung eines Geisselkörpers aus einer Sphäre wurde nur
einmal unter dem Mikroskop beobachtet. Sphären und
Geisselkörper, beides sporulationsunfähige Gebilde, wie der
Mangel eines Kernkörpers zeigte, wurden .auch bei voll-
kommenem Wohlbefinden gefunden. Am Schlüsse der Be-
schreibung des heimischen Tertianaparasiten sagt Z. : „Unter
Berücksichtigung der oben angegebenen Momente kann man
bei genauer Durchmusterung der Präperate dazu gelangen,
eine Tertiana duplicata zu diagnosticiren und einen Fieber-
anfall mit einiger Sicherheit einige Stunden voraus zu sagen.
Allerdings kann es unter Umständen auch passiren, dass man
eine Tertiana duplicata vor sich zu haben glaubt, wo noch
während eines allerdings sehr verlängerten Anfalles beide
Parasitengeuefationcn zur Sporulation kommen. Nach meinen
Erfahrungen können zwei Generationen manchmal nur einige
Stunden von einander getrennt sein, oder eine zahlreiche
und eine weniger zahlreiche können eine Quotidiana mit bald
höheren, bald niederen Temperaturen erzielen. Einmal sab
ich eine ziemlich heftige Tertiana, wo im Fingerblut nur
äusserst wenige Parasiten zu finden waren.“
Die Beobachtungen über tropische Malaria wurden
von Z. in Kamerun von October 1894 bis October 1895 an
Bord S. M. S. „Ilyaene“ gemacht. Es wurden meist unregel-
mässige Fieber und nur 9 mal intermittirende Fieber beob-
achtet. Aber auch bei diesen interniittirenden Fiebern, die
als Quotidiana, Tertiana und Quartana auftraten, konnte
Verf. „keine verschiedenen Parasiten entdecken,
sondern immer nur dieselben kleinen, wenig oder
l gar nicht pigmentirten, meist ringförmigen
Parasiten“.
r,r>
Sehr lehrreich war in dieser Beziehung ein Fall von
Kamerun-Quartana (Rccidiv), der gleich nach der Rückkehr
nach Europa zur Beobachtung kam, nachdem der Kranke
schon auf dem Ablösungsdampfer einen eintägigen Anfall
gehabt hatte. Hier fanden sich ausser den grossen sterilen,
der heimischen Tertiana ähnlichen Formen die kleinen wenig
pigmentirten Kamerun-Parasiten, die sonst nur in Beziehung
zu den unregelmässigen Fiebern gebracht werden, neben
zahlreichen Halbmonden und vereinzelten Geisselformen. Verf.
nimmt an, dass diese zu Sphären werdenden sterilen Formen
der kleinen Parasiten von manchen Beobachtern mit den
sporniationsfähigen Formen unser heimischen Parasiten ver-
wechselt worden sind und dass daher die Angaben stammen
über so und so viel in den Tropen gesehene Fälle von
Tertiana-, Quartana-Parasiten.
Es gelang dem Verfasser auch, die Bildung eines Halb-
mondes aus einer grossen endoglobulären Form unter dem
Mikroskope zu beobachten. „Mit einem plötzlichen Ruck
schnellte sich der runde, mit beweglichem Pigment versehene
Körper in die Breite. Es bildete sich die nierenförmige
Figur d es Halbmondes, an der konkaven Seite überspannt
von der schon oft beschriebenen, feinen, bogenförmigen Linie,
die man als Rand des entfärbten rotlien Blutkörperchens
auffasst. Aus dem einen Pol des Halbmondes ergoss sich
das Pigment in den hyaliven Raum zwischen diesem Bogen
und der konkaven Seite des Parasiten. Wie wenn es wieder
aufgeschlürft würde, strömte es gleich darauf wieder nach
der Mitte des Halbmondes. Das wiederholte sieh fünf Mal,
während der Halbmond heftige, zuckende Bewegungen aus
führte, wobei sich die Pole einander näherten. Nach dem
fünften Male blieb der Halbmond ruhig. Auch verharrte
das Pigment jetzt in kranzförmiger Stellung in der Mitte
zeigte aber noch zehn Minuten lang eine geringe, tanzende
Bewegung. Sonst bemerkte ich an Halbmonden und ihrem
Pigment keine Bewegung.“
Die beim Kamerunfieber durchschnittlich beobachteten
Parasiten waren dieselben wie sie von Manuabcrg und den
Italienern bei den schweren Fiebern beschrieben worden sind.
Sie li essen sich, wenn auch schwieriger als die jungen Formen
der heimischen Tertianaparasitcn, blau färben und erschienen
Archiv f. Schiff*- u. Tropenbygic uc. •>
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RÖ
als Ringelchen bis von etwa '/« Blutkörperebengrösse. Oft
wurde die Siegelringform beobachtet. „Die Entdeckung der
unpigmentirten Formen im nativen Präparat ist nicht leicht.“
In keinem Falle von Kamcrun-Tertiana fand sich die Fieber-
kurve, wie sie von den Italienern als charakteristisch für
ihre maligne Tertiana angesehen wird.
Sonstige Blutbefunde. Leukocytose war in der
Mehrzahl der Fälle vorhanden. Eine Vermehrung der eosino-
philen Zellen, welcher Grawitz eine diagnostische Bedeutung
bei Malaria zuspricht, war nicht constant nachzuweisen. Es
wurde ferner bei sofort gehärteten Präparaten nie be-
obachtet, dass sporulationsfähige, endoglobuläre Parasiten sich
in Leukocyten fanden. Bei heimischer Tertiana wurde mehrere
Male beobachtet, dass Geisselformen und Sphären von grossen
Leukocyten umflossen wurden. Das eine Mal hörte die Be-
wegung des Pigments auf, das andere Mal war sie noch nach
40 Minuten vorhanden.
Beeinflussung der Parasiten durch the-
rapeutische Eingriffe. Der Anwendung von Methy-
lenblau in den Tropen steht Verf. mit Reserve gegenüber,
weil es leicht Verdauungsstörungen hervorruft. Auch hat er
nicht den Eindruck gewonnen, dass Methylenblau das Fieber
stärker als das Chinin beeinflusse. Chinin in Tabletten erwies
sich als unverdaulich. Chinin wurde auch bei Remittens
gegeben, sobald die Temperatur Neigung zeigte, herunter-
zugehen und zwar 1,0; nach einer Stunde ebensoviel, ohne
erst die Intermittens abzuwarten. Es wurde pro die bis 3,0
gegeben. Chinin wurde solange gegeben, als sich sporulations-
fähige Parasiten im Fingerblute zeigten und auch nach der
Entfieberung wurden in den ersten 2 —4 Tagen täglich, sodann
bis zum 8. Tage jeden 2. Tag 1,0 Chinin gegeben. „Für
die nächsten 14 Tage, manchmal noch länger durfte Patient
nicht an Laud gehen und blieb auch später unter ärztlicher
Blutkontrolle. Von anstrengendem Dienste in der Sonne blieb
er befreit. Waren noch Halbmonde zu sehen, so wurde
meist jeden dritten Tag Abends Chinin gegeben, oft ziemlich
lange Zeit. Wenn ich auch die Halbmonde nicht als activc
Parasiten auffasste, da sie manchmal bei relativem Wohl-
befinden gefunden wurden, so war ihre Gegenwart meiner
Meinung nach öfter noch der Ausdruck einer latenten Infek-
67
tion. Einigcmalo waren übrigens auch deutliche Störungen
des Allgemeinbefindens zu finden, wenn sie den einzigen
Befund bildeten.“
Da nach subkutanen Chinininjektionen wiederholt Haut-
gangiän beobachtet wurde, so wurde Chinin, bimuriat 0,f>
auf 2,0 gekochtes Wasser intramuskulär eingespritzt. Be-
schwerden oder Abscesse wurden danach nicht beobachtet.
Verf. empfiehlt diese Anwendungsweise des Chinins auf's
Wärmste. Wenn die Temperatur nicht heruntergehen wollte,
so wurden V* — 1 Stunde nach Verabreichung von 1,0 Chinin
feuchte Einpackungen gemacht und die Kranken in wollene
Decken gehüllt, um Schweiss hervorzurufen. Dies geschah
einerseits, um eine Erweiterung der Hautbiutgefässe und
somit Entlastung der inneren Organe an Blut zu bewirken,
andererseits unter der Annahme, dass durch den oft übel-
riechenden Schweiss schädliche Stoffwechselprodukte aus dem
Körper entfernt wurden.
Prophylaxe. „D i e M e t h o d e d e r P r o p h y la xe
■wird vorläufig die beste sein, die die Para-
siten vor dem Fiebern usbruc he im Blute
n a c h w e i s t und durch Chinin a b t ö d t c t.“ Sie
lässt sich natürlich nur bei einer geringen Zahl von Personen
durchführen, wie es der Verf z. B. bei den Mitgliedern der
Offizier- Messe that. „Obgleich die Messern itglieder bis auf
eines fast alle sehr viel auf Jagd gingen, durch Mangrove-
wälder und Sümpfe, erkrankte nur eines ganz leicht unter
einmaliger Temperatursteigerung auf 37,8° C. Alle waren
unter beständiger Blutkontrolle. Traten Parasiten auf, so
wurde sofort Chinin gegegeben. . . . Bei dem Vorhanden-
sein von Parasiten wurde von Jagdpartien abgerathen, auch
vom Besuche des Landes.“ So unternahm z. B. Verf. zu-
sammen mit einem Offizier erst eine Partie auf den grossen
Kamerunberg, nachdem er festgestellt hatte, dass ihrer beider
Blut frei von Parasiten war, denn die Partie dauerte 5 Tage,
war sehr anstrengend und für den Ausbruch eines etwa
latenten Fiebers in Folge der starken Temperaturdifferenz
in 14000 Fuss Höhe sehr geeignet. Beide Theilnehmer
blieben gesund.
Von der Mannschaft wurden diejenigen auf Parasiten
untersucht, die die Prodromalsymptome des Fiebers zeigten.
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08
„In 15 Füllen, in mehr als die Hälfte der überhaupt vor-
gekommenen Malariaerkrankungen gelang es auf diese Weise,
den Fieberausbruch zu verhüten. . . . Trotz der erwähnten
Beschränkung sind alle Leute bis auf vier im Laufe des
Jahres durclisehuittlich einige Dutzend Male untersucht worden.
Manchmal waren neben den Malariakranken noch 0—8 Ma-
lariaverdächtige täglich zu untersuchen.“
Die Resultate seiner Beobachtungen und Untersuchungen
fasst Verf. in folgenden Punkten zusammen:
1. Die Zelltheilung der heimischen sogenannten Tertian-
parasiten ist eine karyokinetische.
2. Das Dasein der die .Sporulation erreichenden heimischen
Tertian parasiten ist an die rothen Blutzellen gebunden.
Freie pigmentirte Formen mit Kcm und Kernkörper
sind selten und verdanken ihr extraglobuläres Dasein
voraussichtlich entweder einer Auswanderung aus den
rothen Blutzellen oder mechanischen Insulten. Zur
Sporulation scheinen sie nicht zu kommen.
3. Grosse endoglobulürc Parasiten ohne Kernkörper sind
steril und können zu freien Sphären und Geisselkörpcrn
werden. Dieselben zeigen noch innerhalb der rothen
Blutzellen eine anomale Bewegung des Pigments.
4. Von freien Sphären und Geisselkörnchen können sich
kleine, ebenfalls wieder rund werdende Theile abschnüren,
die ebenfalls Pigmentbewegung zeigen. Beziehung zum
Fieber haben diese Gebilde nicht.
5. Die freien Sphären und Geisselkörper bei heimischer
Tertiana sind von denen mancher Tropenfieber im
nativen Präparate nicht zu unterscheiden.
6. Bei meinen Fällen war nur die Annahme von 2 Para-
sitenarten möglich, von einer grossen Art, welche die
heimischen Tertianfieber bedingte, und von einer kleinen)
meist ringförmigen, welche die Tropenfieber bedingte.
7. Bei den kleinen Parasiten der Tropenfieber scheint ein
zweifacher Entwicklungsgang möglich zu sein. Entweder
die Parasiten sporulieren, oder sie werden zu grossen,
endoglobulären Formen mit lebhuft beweglichem Pigment,
zu Sphären, Geisselkürpem oder Halbmonden. Eine
Fortpflanzung der letzteren Gebilde scheint nicht vor-
zukommen.
H9
8. Es kann eine durch die kleinen ringförmigen Parasiten
bedingte Malaria mit echtem Quartanatypus auftreten.
9. Es gelingt, an Bord durch prophylaktische Blutunter-
suchungen viele Fälle von Malariainfektion vor dem
Fieberausbruche zu erkennen und auch vor dem Fieber-
ausbruchc bei folgenden Chiningaben zu heilen.
10. Bei längerem Aufenthalte in Kamerun nahm die prophy-
laktische Wirksamkeit des Chinins an Bord allmählich ab.
1 1. Intramuskuläre Chinininjektionen von Chinin, bimuriat.
0,5: 2,0 sind zu empfehlen.
Die vorliegende Arbeit ist in doppelter Beziehung
werthvoll. Erstens weist sie nach, dass die Theilung der
Mnlariaparasiten karyokinatisch erfolgt und zeigt dabei zu-
gleich, dass es sterile und sporulationsfähigc Formen des
Parasiten giebt. Dieser Umstand ist für die Beurtheilung
eines Blutbefundes von entscheidender Bedeutung. Der
zweite Hauptpunkt der Arbeit liegt aber darin, dass es dem
Verf. gelungen ist, die Blutuntersuchungen für die Prophylaxe
der Malaria in grösserem Massstabe praktisch zu verwerthen
und dadurch eine rationelle Malariaprophylaxe zu schaffen.
Denn bis jetzt wurde die prophylaktische Darreichung von
Chinin von der einen Seite ebenso lebhaft befürwortet als
von der anderen Seite verworfen Die Vorschläge, die ich
1892 in meiner Arbeit „Ueber die Plasmodien bei Malaria-
Erkrankungen“ gemacht hatte und die darin bestanden,
Chinin erst zu geben, wenn die Infektion mit Malariaparasiten
miskroskopisch nachgewiesen wäre, sind von Z. in erweitertem
Maasse mit Erfolg durchgeführt worden. Wenn er nun an-
giebt, dass es ihm in mehr als der Hälfte der Fälle gelang,
mit Hülfe der Blutuntersuchungen die Infection mit Malaria-
parasiten zu erkennen und durch sofortige Gaben von Chinin
den Ausbruch des Fiebers zu verhindern, ist das als ein
hervorragender Fortschritt in der Malariaprophylaxe zu be-
zeichnen. Es ist dies meines Wissens überhaupt das erste
Mal, dass eine auf mikroskopische Untersuchungen gegründete
rationelle Malariaprophylaxe durchgeführt wurde.
Wenn man ferner die Schwierigkeiten kennt, die solche
Untersuchungen an Bord eines kleinen Schiffes haben, so
muss dem Verf. für seine Ausdauer und seinen Fleiss ein
unbeschränktes Lob gezollt werden. Rüge, Kiel.
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70
A. Glasberg und verschiedene Mitarbeiter.
Die Beschnei düng in ihrer geschichtlichen,
ethnographischen, religiösen und medizinischen
Bedeutung. Berlin, C. Boas Nachfolger. 1896.
Es wohnen verschiedene Seelen in dem Werke. Die
erste Abtheilung von Dr. M. Rawitzky bespricht „die
Nützlichkeit des Vorhautsclinitts (Posthctomie) hei Neu-
geborenen“ vom medizinischen Standpunkte aus, nennt die
Völker, welche der Beschneidang huldigen und gibt eine
Darstellung der histologischen Entwicklung der Vorhaut.
Dann erörtert er „die Krankheiten und Krankheitszustände,
welche durch eine zu enge Beschaffenheit der Vorhautöffnung
bedingt sind, d. h. die Phitnosis und ihre Folgen“. Ein ge-
wisser Pessimismus ist hierbei nicht zu verkennen, wenn
Verfasser neben den allgemein bekannten Complikationen der
Phitnosis auch Kropf, Herzklopfen, Magenkrampf und Kopf-
schmerzen u. a. nennt. Verfasser betont mit Recht die
lästigen Erscheinungen der Balanoposthitis. geht aber teilt,
wenn er die diabetische B. für eine seltene Begleiterscheinung
der Zuckerharnruhr hält. Sic ist ja oft genug die erste
Andeutung des Leidens, welche durch ihre Hartnäckigkeit
den Arzt zur Harnuntersuchung bewegt.
Die zweite Abhandlung in dem Sammelwerke, verfasst
von Dr. Ke hl borg und Dr. Loewe', betrachtet „die
rituelle Cirkttmzision vom medizinischen Standpunkte aus",
beschreibt das bisher übliche Verfahren in seinen verschiedenen
Theilen, Mila (die Abtrennung des Vorhautrandes), Pria
tdas Aufreissen des Vorhantrcstes) und Meziza (die Aus-
saugung der blutenden Wunde), besonders aber die Blut-
stillung, den Verband und etwaige üble Folgen. Diese Ab-
theilnng des Werkes sucht durch Ratschläge, Belehrungen
und Warnungen, welche an die Beschneider gerichtet werden,
den altehrwürdigen religiösen Akt in die Balm einer chi-
rurgischen Operation nach modernen medizinischen Vor-
schriften hinübcrzuleiten. § 922 des Strafgesetzbuchs ist
hierbei jedoch inhaltlich ganz unrichtig wiedergegeben.
Der grösste Theil des von verschiedenen Fachgelehrten
verfassten Buches (315 von 355 Seiten) kann kurz als eine
theologisch-philosophische Apologie der rituellen Beschucidung
71
unter breiter Entwickelung rabbinischer Anschauungen be-
zeichnet werden. Derselbe weiset einen reichen Zitatenschntz
aus der Literatur aller Zeiten auf, führt das Urtheil von
Christen und Muhammen dauern über die Beschneidung an,
betrachtet das Verhältniss der aus verschiedenen Gründen
unbeschnitten gebliebenen Israeliten zu den beschnittenen
und fordert zum Festhalten an dem alten, von Gott eingesetzten
Brauche auf. Auch für den Arzt und Forscher, welcher
diesen religiösen Standpunkt nicht einnimmt, ist das Werk
interessant und vermag Leser, welche unter Naturvölkern
leben, zu manchcu Beobachtungen und Studien über diese
älteste und verbreiteste hygienische Operation anzuregen.
M.
Scheube, I)r. B., Die Krankheiten der warmen
Länder.
Auf 462 Seiten werden die nachfolgenden Krankheiten
in der untenstehenden Eintheilung abgehandelt.
I. Allgemeine Infektionskrankheiten.
1. Die Bubonenpest,
2. Das Dengue-Fieber,
6. Das Gelbfieber,
4. Das Mittelmeerfieber,
5. Das indische Nasha-Fieber,
6. Das japanische Fluss- oder Ueberschweinmungs-
Fieber,
7. Die Malaria-Formen der warmen Länder,
8. Die Beri-Beri-Krankheit,
9. Der Aussatz,
10. Die Framboesia tropica,
11. Der Bonos von Spetza und Hydra.
II. Intoxicationskrank beiten.
Die Pellagra.
III. Durch thierische Parasiten verursachte
Krankheiten.
1. Die Lungendistomen-Krankhcit,
2. Die Leberdistomen-Krankheit,
3. Die Bilharzia-Krankheit,
4. Die Medinawurm-Krankheit,
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7 2
ft. Die Kilaria-Kranklicit,
6. Die Ankylostomcn-Krankheit,
7. Seltener vorkommende und weniger wichtige Pa-
rasiten :
1. Distomum crassum (Busk),
2. Taenia nanu (v. Siebold),
3. Botrioceplialus liguloides (Leuckart),
4. Filaria loa (Quyot),
ft. Der Sandfloh,
6. Fliegenlarven.
IV. 0 rgan k rank h e i tc n.
1. Die tropischen Aphthen,
2. Die tropische Dysenterie,
3. Die Hepatitis der warmen Länder,
4. Die Schlafsucht der Neger,
ft. Das Amok-Laufen der Malayen,
6. Die Latah-Krankheit.
V. Aeussere Krankheiten.
1. Der rothe Hund,
2. Tinea imbricata,
3. Mal del pinto,
4. Die endemische Beulenkrankheit,
ft. Der tropische Phagcdänismus,
6 Die Ohrgeschwulst von Nepal,
7. Die Nasengeschwulst der Elfenbeinküste,
8. Der Madura-Fuss,
9. Ainhum.
Bei der näheren Abhandlung ist jeder der genannten
Krankheiten eine Definition ihres Begriffes vorangeschickti
ihre Synonyma sind in den verschiedenen Sprachen aufgeführt
und ein kurzer Abriss ihrer Geschichte, sowie ihres Verbrei-
tungsgebietes ist vorangeschickt. (Ein für die allgemeine
Orientirung des Lesers sehr geeignetes Verfahren. Ref.)
Eigene Beobachtungen liegen nur zum Theil zu Grunde, zu
welchen eine mehrjährige klinische Thätigkeit in Japan, sowie
ausgedehnte Reisen des Verf. durch verschiedene Länder
Asiens Gelegenheit geboten hatten. Im übrigen war er
lediglich auf das Studium der einschlägigen Litteratur an-
gewiesen, das, wie die den einzelnen Abschnitten angefügten
73
Verzeichnisse zeigen, ein ausserordentlich ausgedehntes ge-
wesen ist.
1 . Die Bubonenpest wird entsprechend den Unter-
suchungen von Yersin, Kitasato und Aoynnia als eine Misch -
infektion angesehen von einem dicken, kurzen, sehr geringe
Bewegungen zeigenden Bacillus und Streptokokken. Die
Inkubationsdauer schwankt zwischen 2-7 Tagen. Das Krank-
heitsgift kann sowohl durch Personen als auch durch leblose
Gegenstände (Kleider) und zwar noch nach Monaten über-
tragen werden, wie der von Hirsch mitgetheilte Fall von Pest-
übertragung aus der Epidemie von Wetljanka 1878/79 zeigt.
Das Krankheitsgift selbst scheint am Boden zu haften. Hierfür
spricht das Vorkommen der Pest bei Thieren, die in oder
auf dem Boden leben, namentlich bei Ratten, die beim Aus-
bruche einer Epidemie, wie das Öfter in Indien und China
(Canton) beobachtet worden ist, erkrankten. Am meisten
erkranken Frauen und Kinder, die sich ja mehr in den
Häusern aufhalten, sowie Bewohner der Erdgeschosse. Die
Bootsbevölkerung auf dem Cantonfluss blieb fast verschont,
so dass viele Leute eine Zeit lang ihre Wohnung auf dem-
selben aufschlugen. Massige Wärme und Feuchtigkeit sind
der Ausbreitung einer Epidemie am günstigsten. Daher ist
die Bubonenpest vielmehr eine Krankheit der gemässigtpn
Klimate als der Tropen. Wenn in einer Stadt die verschie-
denen Rassen in ungleichem Maasse befallen werden, so ist
das weniger auf den Rassenunterschied als vielmehr auf die
verschiedenen hygienischen Bedingungen, unter denen sie
leben, zu beziehen. Während der jüngsten Epidemie in
Canton blieben die auf der Insel Shamien hygienisch günstig
wohnenden Fremden samt ihren eingeborenen Dienern von
der Seuche vollkommen verschont, während jenseits des etwa
50 Fuss breiten Flussarmes, welcher die Insel von der Stadt
trennt, viele Chinesen befallen wurden. Nach Griesinger
werden selten Leute, die viel mit Wasser zu thun hüben, wie
Wasserträger, Badediener, und noch weniger Oelträgcr, Oel-
und Fetthändler von der Seuche ergriffen.
Der Ausbruch der Krankheit erfolgt meist schnell
unter Temperaturen bis 41® C., am 2. bis 5. Krankheitstage
erscheinen dann die Bubonen und zwar am häutigsten Leisten-,
seltner Achsel-, am seltensten Halsbubonen. An letzteren
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erkranken Kinder am häutigsten. Mit dem Auftreten der
Bubonen bessert sich der Allgemcinzustand. Je, früher die
Bubonen auftreten, desto günstiger ist die Prognose. Kar-
bunkel und Lungenblutungen werden selten beobachtet.*) Die
Sterblichkeit ist sehr hoch, sie schwankt zwischen fO und
95 Procent.
Auf der Haut der Pestleichen finden sich häufig grössere
und kleinere Blutungen, die mitunter so zahlreich sind, dass
der ganze Körper ein schwarzes Aussehen hat (daher die
Bezeichnung „schwarzer Tod“). Ebenso finden sieh Ekchymosen
auf allen serösen Häuten.
Die beste Behandlung der Pest besteht in der Pro-
phylaxe. Verf. redet einer strengen Absperrung und Qua-
rantaine das Wort. Die Einzelheiten darüber müssen im
Original eingesehen werden. Zur persönlichen Prophylaxe
werden Einreibungen des Gesichtes und der Hände mit Oel
empfohlen. Eine Empfehlung, welche auf die oben angeführte
Beobachtung, dass Oelträger, Oel- und Fetthändler sehr selten
von der Seuche befallen werden, sich gründet.
Die Therapie ist rein symptomatisch.
2. Das Dengue-Fieber tritt an den Mittelmeer-
küsten und in Westindien auf. Das Dengue-Fieber wird
durch ein speeifisches, bis jetzt aber noch vollkommen unbe-
kanntes Krankheitsgift hervorgerufen. Das häutige Befallen-
werden von Aerzten und Krankenwärtern spricht für die
Contagiosität des Dengue-Fiebers.
Die Inkubationsdauer beträgt nie länger als
4 — 5 Tage, gewöhnlich 1 — 2 Tage, oft nur wenige Stunden
und mitunter sogar noch weniger (? Ref). Das Krankheits-
gilt wird nicht nur durch den menschlichen Verkehr, sondern
wahrscheinlich auch durch leblose Gegenstände verschleppt
Zur Ausbreitung und Entstehung einer Epidemie
ist eine hohe Temperatur nöthig. Die eigentliche Dengue-
Saison ist der Sommer und Anfang Herbst, namentlich in
den nicht eigentlich tropischen Gegenden. Die Ausbreitung
der Epidemie erfolgt sehr rasch. Geschlecht, Alter, Rasse,
Beruf sind in Bezug auf das Befallenwerden ohne Einfluss.
*) Bei einigen Epidemien werden reichliche Blutungen aus ver
schiedenen Organen beobachtet. Anmerk, der Red.
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75
Der Beginn der Erkrankung ist meist plötzlich
und erfolgt gewöhnlich nachts oder früh morgens beim Auf-
stehen : Frostschauer, schweres Krankheitsgefühl, Kopf-,
Gelenk- und Muskclsehmerzen, sowie ein über einen mehr
oder weniger grossen Theil des Körpers sich verbreitendes
Exanthem bestimmen das Krankheitsbild. Die Temperatur
kann bis 42 Grad C. steigen, von den Gelenken sind haupt-
sächlich die Kniegelenke befallen. Der Schmerz in den
Kniegelenken ist charakteristisch für das Dengue-Fieber. Das
Exanthem kann sehr verschieden sein : masern- oder scharlach-
ähnlich, erythematös, manchmal nicht von einem Erythema
exsudativum multiformc zu unterscheiden. Namentlich be-
fallen davon sind Gesicht, Hals, Hände und Vorderarme.
Dabei bestehen katarrhalische Angina, Laryngitis und Bronchitis.
Die Dauer der akuten Erkrankung beträgt zwar durch-
schnittlich nur 5 — 6 Tage, aber die Rekonvalescens kann
sich oft monatelang hinziehen. Es können Gelcnkschmerzeu
und nervöse Störungen fortbestehen Recidive sind sehr
häutig. Trotzdem beträgt die Sterblichkeit noch nicht Vs °/o.
Das Ueberstehen von Dengue-Fieber erhöht die Disposition
zu anderen Infektionskrankheiten. Verwechslungen mit
akutem Gelenkrheumatismus, Masern, Scharlach und Influenza
können Vorkommen.
Die Therapie ist symptomatisch.
(Fortsetzung folgt.)
Die Blattern in Afrika und die Schutzpocken-
iinpfung daselbst. Vortrag , gehalten auf der 68.
Aerzte- und Naturforschervcrsammlung zu Frankfurt a. M.,
von I)r. Ernst Schoen, Hilfsarbeiter am Kaiser). Gesund-
heitsamt. Abdruck aus dem Centralblatt für Bacteriologie,
Parasitenkunde und Infectionskrankheiten.
Die Eingeborenen unseres wichtigsten Koloniallandes
Afrika leiden unter keiner Seuche so sehr, wie unter den
Blattern, ihre Empfänglichkeit für die Krankheit ist sehr
gross, die Opfer unzählbar. Alte Frauen pflegen die Kranken,
den befallene» Ort selbst verlassen die Neger gern und ver-
brennen Häuser und Kleidung der Kranken. Redner nennt
die am schwersten heimgesuchten Gebiete in Afrika (das
Congogebiet, welches anfangs der 80er Jahre verheert wurde,
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low, E., Die pracf.se he». i*otocber
hygenie. Vortrag in der OwIjW von F.C.W.Vogel.
forscher und Aerzte 1896. Leipmg, Verlag wie d.o
Dr. Below stellt sich die Aufgabe, - nntet, neues
ngste Forschung uns vor ein bmher hgel ^stellt
nrgesetz der Artenbildung durch Zone»
76
wird nicht erwähnt. Ref.). In den östlichen Ländern mit
ihrem lebhaften und alten Handelsverkehr ist die Seuche
häutiger und verbreiteter und die Bevölkerung theilweise
innnunisirt, im Westen erscheinen die Blattern in grossen
Bausen, befallen war dann oft genug die Gesammtbevölke-
rung. Die arabischen Marabus kennen durch die Beobachtung
der Immunisation nach Ueberstehung der Pocken gewitzigt
eine Art Schutzimpfung. Expeditionen, Pilgerzüge und
Karawanen begünstigen die Verbreitung der Blattern, wovon
die Verkehrszentren und Hafenplätze, wie Bagamoyo und
Dar-es-Salaam, zu erzählen wissen.
Wie ist dieser schweren Geissei des schwarzen Erdtheils
beizukommen? Die Impfung schützt dort wie in Europa,
stösst jedoch auf grosse organisatorische Schwierigkeiten.
Ausser den Aerzten sind auch Missionare, Lehrer, Lazarett-
gehülfen, Krankenschw'estern mit der Impftechnik vertraut
zu machen. Die Franzosen haben in Tonkin erfolgreich
fliegende Impfkolonnen eingerichtet, wie früher die Aegypter
im Sudan. Auch in den deutschen Kolonien haben gute
Verordnungen schon viel erreicht. Die schwierigste Frage
ist die der Beschaffung des Impfstoffes. Die bequemste Form
ist die Arm- zu Armimpfung, welche in den englischen
Kolonieu beliebt ist. Es ist aber nicht zu vergessen, dass
die Anfangsimpfung mit wirksamer Kälberlymphe zu geschehen
hat, dass sich die Virulenz und damit auch die Schutzwirkung
abschwächt, dass die Eingeborenen es scheuen, Impfstoff von
sich entnehmen zu lassen und besonders dass Uebertragung
der Syphilis, Tuberculose und Lepra nicht unmöglich ist.
Man muss also dahin streben, Thierlymphe zu erhalten,
sei cs aus Europa, sei es aus andern Gegenden, sei es am
Ort selbst. Verschiedene Methoden, Präparate und Ver-
packungen sind versucht worden mit verschiedenen ander
weitig veröffentlichten Erfolgen. Alle Ergebnisse, welche
bisher veröffentlicht sind, erscheinen noch unsicher und an-
fechtbar. Als wichtigste praktische Aufgaben schlägt Schoen
vor: 1. Impfzwang besonders an Punkten, wo Massenanhäufung
statttindet, 2. Ausübung der Impfung durch geeignete Laien
und fliegende Impfexpeditionen, 3. Beschränkung der Arm-
zu Armimpfung auf den Nothfall drohender Epidemie,
4. Versuche über die Wirksamkeit der Versandlymphe,
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77
5. Versuche über Beschaffung von Thierlymphe an Ort und
Stelle. Die Kosten werden durch den Segen der Impfung
reichlich aufgewogen. M.
Premierlieutenant v. Carnap-Quernheimb, der Führer der
Togo -Hinterland -Expedition, macht über seine Beobachtung
Uber die Wirkung der animalen Lymphe, welche ans dem
Provinzialimpfinstitut in Cassel bezogen wurde, der Redaktion
folgende Angaben:
Die Lymphe wurde durch den Geh Sani tUtsrat h Dr.
Giessler in Cassel am 8. Oktober 189f> vom Kalbe des
Schlachthauses in C. entnommen.
Während der Seereise vom 1 1. Oktober bis 4. November
nach Westafrika wurde die Lymphe im Eisraum des Dampfers
gelagert.
In der Zeit vom 6. November bis 12. November wurden
geimpft 84 Personen von 12—25 Jahren, mit Erfolg 46
Personen, nach wenig heissen Märschen in der Zeit vom 4.
Dezember bis 10. Dezember 35 Personen, mit Erfolg 22.
Lymphe, die ich Lt. Graf Zech Ende Dezember (sehr heisse
Zeit) überliess, hatte keinen Erfolg.
Lymphe, die ich Anfang November dem Stabsarzt Dr.
Wicke in Togo überliess, hat recht günstigen Erfolg gehabt.
Lymphe durch Dr. Wicke an Station Kete (Lt. Grat
Zech) geliefert, hat Drüsenanschwellung in grossem Maasse zur
Folge gehabt.
Obgleich meine Expedition 95/96 verschiedene Pocken-
karawanen antraf, wurde kein Pockenfall ernstartig, während
bei der Expedition 94/95 von den nicht geimpften Ein-
geborenen ca. 32 starben, einige geimpfte die Pocken aber
nur schwach erhielten. Von einem Uebertragen von Arm zu
Arm wurde aus Besorgnis« von einer ev. Ansteckung von
Syphilis abgesehen. von Carnap.
Below, E., D ie practischcn Ziele der Tropen-
hygenie. Vortrag in der Gesellschaft deutscher Natur-
forscher und Aerzte 1896. Leipzig, Verlag von F.C.W.Vogel.
Dr. Below stellt sich die Aufgabe, zu zeigen, wie die
jüngste Forschung uns vor ein bisher unbekanntes, neues
Naturgesetz der Artenbildung durch Zonenwechsel gestellt
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78
hat und wie dadurch der Weg der weiteren Forschung und
dringlicher praktischer Maassnahmen vorgeschrieben ist.
Hierzu benutzt er die tropenhygienischen Fragebogen, welche
aber gar nicht allein aus den Tropen, sondern auch aus den
Subtropen stammen, die nichts mit der eigentlichen Tropen-
hygiene zu thun haben. 25 Mitarbeiter gaben Anomalien
und Abnormitäten im Verhalten von Europäern in diesen
Gebieten an, welche auch Below gefunden hatte. Die stabile
Norm der Rassen zeigte sich unverändert, ebenso die physio-
logische Norm, so des Pulses, Athmung, Grosse und Zahl
der Blutkörperchen, spcc. Gewicht des Urins, nach Angaben
des Dr. Fichtner und Dr. Funk auf Apia. Das ist im
Wesentlichen das Material für Herrn Bclow’s Beweisführung,
welches sich grösstentheils mit den längst unbestrittenen
Forschungsrcsultaten Eykmann’s, Marestang's, Glogner’s,
F. Plehn’s, des Referenten und anderer im Widerspruch
befindet. Geringe Abnahme in der Zahl der rothen
Blutkörperchen bei sonst gesunden Europäern im Tropen-
tieflandc hat Glogner nachgewiesen, Zunahme des spec.
Gewichtes des Blutplasmas. Ref. und Dr. Gryns im Labora-
torium zu Weltevreden, hauptsächlich aber funktionelle Unter-
schiede zwischen Europäern in den Tropen und ausserhalb
derselben einerseits, sowie zwischen Weissen und Pigmentirten
in den Tropen andererseits. Selbst aus diesen herausgegriffenen,
Below anscheinend nicht bekannten Thntsachcn ist es aber
nicht möglich, auf ein neues Naturgesetz der Artenbildung
durch Zoncnwechscl zu schliessen, denn die Art wird dadurch
nicht verändert, höchstens wird der Ahlauf der Funktionen
im Organismus ein anderer. Somit fitllt der erste Theil der
Aufgabe, welche Below sich stellte, in sich zusammen. Below
berücksichtigt auch zu wenig die neuere einschlägige
Literatur. Seme Formel für das Acclimatisationsgesetz
zeigt, dass ein Factor entweder grösser, gleich oder kleiner
ist als ein anderer, wie Alles in der Welt. Diese Formel
wäre am besten niemals gedruckt worden.
Wie der Weg weiterer Forschung und dringlicher,
practischer Maassnahmen auf dem Gebiete der Tropenhygiene
vorgeschrieben wird, ist aus den nachfolgenden Ansführungen
über Drogenhandel und ideelle Erfolge nicht zu ersehen.
Zuletzt stellt Below 7 Forderungen practischer Art auf,
79
welche die Grundlage «eines hygienischen Weltparlamentes
bilden sollen und den Lesern aus seinen früheren Schriften
genugsam bekannt sein dürften. K. D kubier.
A Pellagra em Portugal, a tetania, a catalepsia
e a confusäo mental von Miguel ßombarda.
Klinische Arbeit aus dem Hospital von Rilha-
folles, Lissabon. Typographie der Zeitung Dia I89G.
(Auszug aus der Rivista portugueza de Medicina et de
Cirnrgia Practicas )
Obschon in dem benachbarten Spanien, besonders den
Provinzen Galizien und Asturien, die Pellagra oder das Mal
de rosa in bedeutender Ausdehnung seit langer Zeit beob-
achtet wurde, war von dem Auftreten der Krankheit in
Portugal in der Literatur bisher nicht berichtet worden.
Gleich nach Feststellung der ersten beiden Fälle, welche der
Verfasser im Krankenhause von Rilhafolles im September v. J.
und Mai d. J. zu Gesicht bekam, wurde ermittelt, dass die
Pellagra im Norden des Landes, wo Maisbrod die Haupt-
nahrung bildet, häutig ist Bei dem genauer studierten
zweiten Falle Bombarda’s fehlten die sonst so charakteristischen
Erscheinungen von Seiten des Verdauungskanals, das pella-
giose Irresein war dagegen stark entwickelt. Besonders
deutlich ist jedoch in dem beschriebenen Falle das Verhalten
der Muskulatur. Wie bei der Tetanie setzten die leicht
kontrahierten Beugemuskeln der Extremitäten Bewegungs-
versuche einen starken Widerstand entgegen, der nur ge-
waltsam überwunden werden konnte. Verfasser möchte diese
pellagröse Bewegungsstörung der Katatonie Kahlbaum’s
untcrordnen. M.
Leiehtenstern, 0., Influenza und Dengue. Noth-
nagel’s Specielle Pathologie und Therapie. IV. Band.
II. Theil. I. Abtheilung. Wien 1896, Alfred Holder.
196 Seiten des vorliegenden 222 Seiten starken Werkes
sind der Influenza gewidmet, von welcher Verfasser eine
ausgezeichnete Darstellung giebt, die ebenso von hervor-
ragender eigner klinischer Beobachtung als von sorgfältigen
literarischen Studien zeugt. Dieselbe zerftillt in zwei Theile.
Der erste behandelt die Geschichte, Epidemiologie und
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Aetiologie dor Krankheit, wobei namentlich die Ergebnisse
der Forschungen, welche die letzte Pandemie gezeitigt bat.
eingehend berücksichtigt werden. L e i c h t e n st cm unter-
scheidet mit Recht scharf zwischen Influenza vera und
Influenza liostras, welche zwei ebenso verschiedene Krankheiten
sind als Cholera asiatica und liostras. Die Influenza vera
wird durch den R. Pfeiffer’schen Bacillus hervorgerufeu,
während die der Influenza liostras zu (i runde liegenden Mikrobien
noch unbekannt sind. Erstere tlieilt Verfasser ein in die
pandemische und die nach abgelaufener Pandemie aus den
von derselben zurückgebliebenen Keimen sich entwickelnde
und an einzelnen Orten viele Jahre bestehende, endemisch-
epidemische Influenza, welche beide namentlich in der Art ihrer
Verbreitung verschiedenen epidemiologischen Regeln folgen.
Der zweite Theil umfasst die Pathologie und Therapie der
Influenza. Ein näheres Eingehen auf den reichen und
gediegenen Inhalt desselben ist begreiflicherweise an dieser
Stelle unmöglich. Erwähnt sei nur, dass L e i c h ten s t er n
klinisch die rein toxischen Formen, zu welchen das ein-
fache Influenzafieber und die nervöse Form gehören, vou
den toxisch-entzündlichen Formen, zu denen die katarrhalisch-
respiratorische und die gastrointestinale Influenza zu rechnen
sind, trennt. .
Weniger eingehend als die Influenza ist das Dengue-
fieber behandelt, was seinen Grund wohl darin hat, dass
dem Verfasser eigene Beobachtungen und Untersuchungen
über dasselbe abgehen. Gleichwohl hat er cs verstanden,
namentlich unter Vcrwerthung der geläuterten und wichtigen
Erfahrungen der jüngsten, der letzten Influenza-Pandemie
unmittelbar vorausgehenden und auch auf Europa über-
greifenden Epidemie ein abgerundetes, dem gegenwärtigen
.Stande der Wissenschaft entsprechendes klinisch-epidemi-
ologisches Gcsammtbild dieser Krankheit, welche er für eine
contagiös - miasmatische In fections- Krankheit erklärt, zu
entwerfen. Von den bisher bekannt gewordenen grösseren
Dengue-Epidemien giebt er eine kurz geflieste, aber gut
geordnete Zusammenstellung, und am .Schlüsse werden die
epidemiologischen und klinischen Unterscheidungsmerkmale
zwischen Influenza und Dengue übersichtlich einander gegen-
übergestellt.
Heiden Abschnitten sind werthvolle Literaturverzeichnisse
beigefügt.
Leichtenste ms Arbeit bildet eine Zierde des N o t h-
nngel 'sehen Sammelwerkes und wird sicher eine weite
Verbreitung finden.
Scheu li e.
Pinean, J., Les viteei nat io ns antirabiques pra-
tiquees ä Saigon dn 1. Mai 1893 au 1. Mai 1894.
Areh. de ined. nav. et colon., 1895, I., p. 125.
Lepinay. Service des vaccinations contre la rage
pendant l’annue 1895 ä l’Institut bacteriologi -
que colonial de Saigon. Ibidem, 1896, II, p. 129.
L’institut baeteriologique cree par lc Gouvernement
fran^ais ä Saigon (Cochincliine), oü il lut orguuisd par M.
le docteur Calmette, est frequente par des personncs venues
de divers pays de l’Extreme Orient pour etre preservees de
la rage par le traitement Pasteur.
Du 1. Mai 1893 au 1. Mai 1894, on y a soignd 49
personnes mordues, dont 31 Europeens et 18 indigenes. II
y a eu 2 Decds, dont un chez un enfant mordu au
visage. Pendant l’amde 1895, on a soigne 55 personnes;
un deces (enfant de onze ans, morsures nombreuses, inen-
bation courte).
Les morsures observees sont en general nombreuses et
graves; dans beaucoup de cas les accidents se sont produits
dans de pays fort eloignes de Saigon (Tonkin, Batavia,
Singapore, Shang-Hai, Vladivostock) de sorte que le
traitement n’a pu commencer qu’assez tard. Sur les 55
personnes soignees par M. Lepinay, 33 n'ont commened les
injections que plus de dix jours apres la morsure.
La frequcnce de la rage diminue k Saigon sous l’influ-
enee des mesures de police; eile reste assez gründe dans
l’intdrieur de la Cochincliine et au Tonkin; il en est de
menie ä Batavia ou le gouvernement hollandais a cree en 1895
un institut antirabique. Par contre la rage parait etre rare
au Cambodgc. A Singapore, ou eile etait frequente autre-
fois, eile a presque disparu gruce ä des mesures energiques
prises par 1’autoritd anglaise pour empdeher la divagation
des chiens. Cli. Firket (Lüttich).
Archiv f. Schiff«- t*. Tropenbygicm*.
B
82
Rüge, I)r. R., Die der ZanzibarkUste eigentümlichen
klimatischen Leistend rüsen-Entzün düngen.
Verfasser führt aus, dass 1888/89 die Mannschaft seines
Schiffes oft mehr als 3 Monate lang nicht an das Land kam,
das Schiff „Pfeil“ zum Blokadegeschwader gehörig, kreuzte
an der Küste Deutsch- Ostafrikas, auf vielleicht 2000 Meter
vom Lande und Verf. glaubt, dass damit die Besatzung völlig
unter dem Einflüsse des tropischen Küstenklimas stand, was
nacli den heutigen Anschauungen dahin zu berichtigen wäre,
dass sic sich unter dem Einfluss des Tropenklimas im
Allgemeinen, mit Ausschluss des directen Einflusses der Boden-
schüdlichkeiten befand. Von August 1888 bis October 1889
wurden bei den Mannschaften des Blokadegeschwaders 81
Leistendrüsenentzündungen beobachtet, wovon 36 mit Sicherheit
auf geschlechtliche Ansteckung zurückzuführcn waren, 7 ent-
standen nach kleinen Verletzungen durch septische Infection,
für 38 macht Verf. beim anscheinenden Fehlen anderer
aetiologischer Momente das Tropenklimas verantwortlich.
Als die „Leipzig“ mit 450 Mann Besatzung nach Capstadt
kam, hatte sic in einem einzigen Monat 35 Geschlechtskranke.
Es ist in der sonst sehr sorgfältigen Arbeit nicht angegeben,
ob in Capstadt, in den Subtropen, die eventuell klimatischen
Bubonen verschwanden. Wäre dieses der Fall, so würde
Verf. Meinung, dass es sich bei seinen Beobachtungen um
klimatische Bubonen handelte, dadurch eine Stütze gewinnen.
Nur ab und zu wurden von den Schiffen in 14 Monaten
Boote an das Land gesandt. Die Namen der Mannschaften
wurden nicht gebucht, daher entsteht in der Beweisführung
eine Lücke. Charactcristische Symptome, Unterschiede im
Verlauf oder der Fieberen rve waren zwischen venerischen
und klimatischen Bubonen nicht zu finden. Indessen war
ersteren Fällen die scbnelleEntwickelung der Drüsenschwellungen
eigen und dass sie, auch die grösseren (23), grösstentheils sich
zurückbildeten. Einmal wurde intermittirendes Fieber beob-
achtet, welches nach Ausräumung der Drüsen verschwand.
Das Vorkommen der s. g. klimatischen Bubonen in den
Tropen kann ebensowenig geleugnet werden, als dasjenige
der in Folge von Trauma auftretenden Leberabseesse und
solcher Leberabseesse, bei welchen sich weder Dysenterie
noch Malaria als Ursachen naehweisen lassen, wo die mikro-
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83
scopischc Untersuchung im Eiter keine Batterien nachweist,
höchstens, wie Geill, Evkmann und van der Scheer zeigten,
pyogen«' Batterien in der Absccsswaml. Jdns Vorkommen
von Aehseldriisenabeeessen in den Tropen ist auch hei weitem
liäutigcr als bei uns. Auffallend ist uns die grosse Zahl
— 38 von 81 — der eventuell klimatischen Buhouen, welche
nicht zu eruirendc gcschleehtliehc Ansteckung vormuthen lüsst.
In Ostindien, auch auf Aden und ' Mozamkirjuc beob-
achtete Referent bei Tripper und Schanker auffallend oft die
Complieation mit Bubonen, «ler<‘n Verlauf, wie auch der kli-
matischen Bubonen ein langsamer und gelinder war.
Uin die Aetiologie hei dieser allerdings nicht häufigen
in «len Tropen vorkommenden Krankheitsform fcstzustcllen»
sind in jedem Fall ausser Blutuntersuchungon die des Eiters
nicht zu entbehren. Interessant ist diese Erkrankung schon
deshalb, weil sie die Lehre von der »Spccificität der Tropen
Schädlichkeiten illustrirt. K a r 1 D ä u b 1 e r.
Die neueste Nummer (No. III) des „Janus“, internatio-
nales Archiv für die Geschichte der Medizin und medizinische
Geographie, Amsterdam, enthält an erster Stelle einen Nach-
ruf für den rühmliehst bekannten französischen Chirurgen
Nicaise. Ein Aufsatz von Geo. M. Sternberg bespricht die
Geschichte und geographische Vertheilung «h-s Gelbfiebers
und scheint der Ansicht zuzuncigen, dass «lic Seuche von
Afrika’s Westküste nach den früher gesunden westindischen
Inseln verschleppt sei, weil die Einschleppung für die dortigen
Haupthcerdc geschichtlich nachgewiesen werden könne. Afrika
kann allerdings nach Ansicht des Referenten der Gegenbeweis
nicht zugeinutet werden, denn an dessen Westküste setzt
die geschichtliche Forschung später ein als in Amerika, aber
bloss, weil Unbekanntes «lern Unbekannten bequem zuge-
schoben werden kann, darf doch eine Krankheit nicht als
aus einem Lande stammend betrachtet werden, «lessen Be-
wohner beinahe immun gegen dieselbe sind, auch wenn sie
aus Gegenden des Binnenlamles kommen, wo die Krankheit
nie gehaust hat
Dr. Beugnies erörtert „Waschungen und Bäder bei «len
Semiten“, deren älteste Gesetzgeber schon den Segen des
Wassers erkannten und ohne Kcnntniss des Infcktionsvor-
6*
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ganges doch instinktiv das richtige Schutzmittel gegen die
Uebertragung mancher Krankheiten trafen. Moses und
Mohamet waren in ihren Lebensvorschriften gleich warme
Verfechter der Waschungen und Bäder, wie der Verfasser
durch zahlreihe Zitate und Einzelaugabcn aus Koran, Bibel
und Talmud beweist, in der Jetztzeit ist die rituelle
Waschung bei den Juden im Orient mehr zum Formelkram
geworden als bei Arabern und Türken.
James Finlayson nimmt in einem kurzen Artikel
die Ehre der Ausführung der ersten Ovariotomie für Robert
Houston aus Glasgow in Anspruch, welcher 1701 diese
Operation erfolgreich zum ersten Male vollzog.
Hu setnann setzt seine interessanten Studien über die
Vorgeschichte des Lanolins, welche den Ausspruch „nichts
Neues unter der Sonne“ zu rechtfertigen scheinen, fort
„Augenärzte in alten Zeiten, besonders in Scandinavien,“
betitelt sich eine Arbeit von Gordon Norrie und bringt
köstliche Kurpfuschergcschichtcn von wandernden Quacksalbern,
von denen jedoch dem Titel entgegen die meisten Deutsche
oder Engländer sind, welche ihre Fahrten bis Dänemark,
Norwegen und Schweden ausdehnten.
Eine geschichtlich-medizinische Frage von höchster Be-
deutung beginnt F r a n z S p a e t zu besprechen unter dem Titel :
„Der gegenwärtige Stand der Ilippocrates -Frage und des
Corpus Hippocraticum vom Standpunkt der Menon-Aristote-
lischen Ueberlicfcrung aus. Das als Corpus Hippocraticum
bekaunte Sammelwerk altgriechischer Medizin bekommt durch
einen neu aufgefundenen vom britischen Museum erworbenen
Papyrus eine ganz neue Beleuchtung, denn der unbekannte
Schreiber des wertvollen uralten Schriftstücks gibt Ansichten von
Aristoteles und Menon wieder, welche Ilippocrates nicht als
den Begründer der exakten naturwissenschaftlichen Forschung
auf den Gebiete der Mcdiziu erscheinen lassen. Referent
befürchtet, dass der nichtdeutsche Leser des „Janus“ an dem
verwickelten Satzbau der Arbeit ein Hinderniss des Ver-
ständnisses Hilden wird.
Der Herausgeber des „Janus“, Peypers, setzt seine ein-
gehende Wiedergabe und Besprechung des seltenen Werkes
von Boyle aus dem Jahre 1726 „Systeme d un Medecin
Anglois sur la cause de toutes les especcs de maladies“
85
fort. Mit Recht nennt er Boyle einen pseudo-pr&surseur
de Pasteur, denn Boyle wollte die neue, auf die Entdeckung
der mikroskopischen Lebewesen begründete neue Anschauung
durch übertriebene und phantastische Schilderungen von
Mikroparasiten verspotten, erdichtete aber ein System, welches
wie eine Vorahnung heutiger Kenntnisse anmuthct.
Zahlreiche Referate und vermischte Mittheilungen be-
scldiessen die III. Nummer des Janus, dessen Bestrebungen
den unsrigen verwandt und sympathisch sind. M.
III. Verschiedenes.
Die Lissaboner Zeitung „0 Seculo“ bringt in No. 5289
eine Zuschrift von Dr. Manuel Ferreira Ribeiro, dem
Direktor des Sanitätsdienstes auf San Thome und Principe,
worin der von den Gelehrten aller Kolonialvölker eifrig be-
triebenen Studien über die Akklimatisationsfrage gedacht
wird. Dr. Ribeiro meint zwar, die Deutschen hielten
von ihnen gemachte Beobachtungen und Untersuchungen
für neu, während die Portugiesen ihnen längst vorausgeeilt
wären, spricht sich aber warm zu Gunsten der besonders von
Dr. Below befürworteten und betriebenen internationalen
Tropenforschungen aus und verweist auf die zahlreichen
statistischen Arbeiten aus den portugiesischen Kolonien, welche
den Wiener Vorschlägen vollständig entsprächen. Die Länder,
welche der weisse Rasse gestatteten, auf ihrem Boden weiter-
zuleben , nennt Ribeiro assimilirende , im Gegensatz zum
eliminirenden Boden der Aeijuatorialgegenden, deren dauernde
Besitzergreifung durch die kaukasischen Völker den Ruhm
des XX. Jahrhunderts bilden müsse.
Dr. Vers in, der Entdecker der Schutzimpfung gegen
die Bubonenpest, welche augenblicklich in Bombay zahlreiche
Opfer fordert, darunter den Oberarzt des städtischen Hospitals
Dr. Mauser und dessen europäischen Wärter, war erst
Ende November nach Europa zurückgekehrt. Nach
französischen Zeitungen schien es nicht unwahrscheinlich,
dass die chinesische Regierung in Canton unter Leitung
Yersin’s eine Art Institut Pasteur errichten würde, um das
betreffende Serum in grösseren Massen hersteilen zu können,
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als es dem französischen Gelehrten in seinem primitiven
Laboratorium in Nha - Trang bei Saigon möglich war.
Die Erfolge der Impfungen sollen glänzend gewesen sein,
nicht nur in Clinton, wo Ycrsin seine Thätigkeit erst beim
Erlösehen der Epidemie begann, sondern auch in Amoy,
wo er die Seuche noch in voller Hlüte antraf.
Ycrsin ist am 28. Dcccmber schon wieder in See ge-
gangen und wird seine Methode zunächst in Bombay zur
Anwendung bringen, dessen städtische Behörden ihn dringend
eingeladcn haben. Für später hat er die Absicht, nicht in
China, sondern wieder in Nha-Trang an der Küste von Annam
ein grösseres Institut für die Gewinnung des Heilserums gegen
die Pest anzulcgen. Das Pferdematerial ist dort reichlich
und billig vorhanden, sodass er 100 — 200000 Dosen jährlich
herzustellcn hofft. Inzwischen hat sich die Pest in Indien
weiter verbreitet. Bombay hatte in der 3. Decembcr- Woche
eine Sterblichkeitsziffer von 100 auf Jahr und Bevölkerungs-
tauseud berechnet. Insgesammt erlagen bis zum Jahresschluss
der Seuche in Bombay 1735 Personen bei 2437 Erkrankungen.
In der zweiten Januarwoche hat die Mortalität in Bombay
die hohe Ziffer 402 auf das Jahr und Tausend der durch
Massenauswanderung verminderten Bevölkerung berechnet,
erreicht. Und von nordwestlicher Grenze aus Karrachee
wurden Ende Dezember plötzlich 03 Erkrankungen und
50 Todesfälle gemeldet, welche Zahl bis zum 8. Januar auf 220
bez. 214 und bis zum 15. Januar auf320bez. 203 gestiegen ist.
Durch Anlage einer Rühren* Wasserleitung hofft man
in Funchal auf Madeira den Typhus, welcher bisher dort
zahlreiche Opfer unter den Einheimischen forderte und auch
gelegentlich Fremde nicht verschonte, zu bekämpfen. Bisher
wurde das Wasser in offenen Rinnen aus den Bergen herbei-,
geführt und in der Stadt vertheilt, sodass jedes Haus eine
schlecht verschlossene Cisterne als Wasserbehälter besass.
Sämmtliche (?) Leprakranke, von welchen man zur
Zeit in Preussen Kenntnis» hat, haben nach Angabe der
Bcrl. Wisscnsch. Correspondenz sich zum Eintritt in das bei
Memel seitens der Regierung geplante Aussätzigenheim bereit
erklärt. Gesetzliche Zwangsmittel zur Intcrnirung gibt es
bekanntlich in Deutschland nicht.
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s?
Im Sommer 1807 wird in Brüssel ein Congress für
Tropenhygiene und Tropenmedizi n stntttindcn, dem
Forscher aus den meisten Kolonialländern beiwohnen werden.
IV. Pharmakologische Mitteilungen.
Neue Arzeneimittel. Als „Argonin“ bringen die
Hocehster Farbwerke ein ihnen patentirtes lösliches Casein-
silberprttparat in den Handel, welches dem Argent. nitrie.
ähnliche bactericide Wirkung hat, sich .her vor demselben
durch seine völlige Reizlosigkeit auszeichnet. Es wird in
1 — 2°/o Lösungen bei Gonorrhoe angewandt und cs sind bereits
zufriedene Resultate damit erzielt worden. Betreffs der
Bereitung von Losungen, die opalcseirend und in dunkeln
Gläsern aufzubewahren sind, halte man sich genau an die
von der Fabrik beigegebene Erläuterung. Ueberhaupt
bereite man die Lösung öfters frisch, da dieselbe sich nicht
lange hält. Die Fabrik stellt Litteratur und Proben des
Argonin’s in der freigiebigsten Weise gratis zur Verfügung.
Jodofbrinin. Unter den Bestrebungen, Ersatzmittel für
Jodoform zu finden, ist auf eine Arbeit Rosensterns hinzu-
weisen, welche die in der Münchener chirurgischen Poliklinik
gesammelten Erfahrungen über Jodoformin in Folgendem zu-
sa nt inengefasst : Das Präparat ist ein vollwerthigcs Ersatz-
mittel des Jodoforms; cs wirkt ebenso stark oder noch
stärker als dieses, granulationsanregend, antiseptisch, aus-
trocknend und desordorirend, ohne dessen unangenehme
Eigenschaften, wie Geruch, Reizwirkung und Giftigkeit, zu
theilen. Es kann als Pulver, Salbe, Gaze, Glycerin-Emulsion,
mit Quecksilber und in Bougies Verwendung finden. Es
wird bekanntlich aus Jodoform, von dem es 7:">#/o enthält,
und Hexamethylentetramin erhalten. Der Preis desselben
dürfte sich um ungefähr die Hälfte höher stellen als der-
jenige des Jodoforms.
Sodann wird unter dem Namen Xeroform das Tribrom-
pbenolvvisniuth in den Handel gebracht. Inwieweit die zu
seiner Empfehlung in einer 10 Seiten starken Brochüre mit-
getheilten Untersuchungen für den praktischen Arzt Werth
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SS
haben, ob wirklich, wie der Titel auf dem Deckblatt
sagt : „Xeroform das Jodoform der Zukunft“ hier ein voll-
ständiger Ersatz für das Jodoform gefunden ist, dem alle
die oben bereits besprochenen Eigenschaften zukommen resp.
fehlen, dürfte wohl noch weiteren Untersuchungen Vorbe-
halten bleiben müssen. Für den praktischen Arzt hat es
in jedem Fall wenig Werth, wenn z. B. auf S. IC gesagt
wird: „Aus den Resultaten von Hesse und Shirminsky kann
man folgende Schlüsse ziehen,“ da dieser sich doch nur an
feststehende Thatsachcn halten muss. Nagel 1 -Cassel.
Unter der Bezeichnung „Paraplaste“ werden von Beiers-
dorf & Co. neue Pflaster in den Handel gebracht, welche
sich den Pflastermüden gegenüber durch bedeutende Kleb-
kraft auszeichnen. Ueber die Haltbarkeit des Präparats im
feuchten und heissen Klima werden wir Versuche anstellen.
M.
V. Zur Besprechung eingegangene Bücher.
Caccini, Dr. Vittorio, Contributo sdlo Studio della infezioni nelle
puerpere. Rom 1896, Inocenzo Artero.
Riiuhler, Dr. Karl, Die Grundzüge der Tropenhygiene. Milnehen 1895,
J. F. Lehmann.
Kraschntzkl, Dr. F., Die Versorgung von kleineren Städten, Land-
gemeinden und einzelnen Grundstücken mit gesundem Wasser.
Hamburg und Leipzig 1896, Leopold Voss.
Meinecke, U,, Katechismus der Auswanderung. 7. Auflnge, Leipzig 1896,
J. J. Weber.
I'raussnitz, Dr. W«, Grundzüge der Hygiene. München 1897, J. F.
Lehmann.
Rcichenbach, Dr. Ernst Freiherr Stromer von, Die Geologie der
deutschen Schutzgebiete in Afrika. München und Leipzig 1890,
R. Oldcnbonrg.
Schmidt, Dr. Meinhard, Ärztlicher Ratgeber für Sohiffsführer. Ham-
burg und Leipzig, Leopold Voss.
Schmidt, Itochns, Deutschlands Kolonien. Berlin 1896, Schall & Grund.
v. Sudihausen, Sprachführer für die ärztliche und pharmazeutische
Praxis. Leipzig 1896, E. Besold.
Rosenbach, Die Seekrankheit als Typus der Kinetosen. Wien 1896,
Alfred Höhler.
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I. Originalabhandlungen.
lieber die Abwehr der Pest.
Von Hafenarzt Dr. Nocht, Hamburg.
Als vor nicht ganz 4 Jahren die Pest in Kanton, Hong-
kong und einigen südchinesischen Vertragshäfen in grosser
Heftigkeit ausbrach, sahen trotz des grossen Verkehrs dieser
Handelsplätze mit Europa weder die öffentliche Meinung
noch die Regierungen der europäischen Reiche darin eine
unmittelbare und dringende Gefuhr für unsern Welttheil.
Man begnügte sich fast überall damit, die Massregeln zur
Abwehr der Einschleppung der Cholera durch den See-
verkehr auch gegen die Pestgefahr, d. h. gegen die aus
Hongkong etc. kommenden Schiffe und Waaren anzuwenden.
Diese Massnahmen waren aber in Folge der bei den letzten
Choleraepidemien gewonnenen Erfahrungen und Anschauungen
gegenüber den früher beliebten und auch noch 1892 in der
ersten Cholerafürcht ausgeübten, übertriebenen Verkehrs-
beschränkungen sehr milde geworden. Man hatte einge-
sehen, dass der Nutzen allgemeiner, strenger Absperrmass-
regeln ein sehr problematischer ist und zu der schweren
Schädigung, die Handel und Wandel dadurch erleiden, in
keinem Verhältnis steht. Durch die Dresdener Sanitäts-
convention war eine obere Grenze festgesetzt worden, über
welche hinaus der Verkehr zwischen den vertragschliesBenden
Staaten nicht gestört werden sollte. Man begnügte sich da-
bei, wie ich des Näheren im vorigen Heft dieser Zeitschrift
ausgeführt habe, mit denjenigen Massnahmen, die sich in
der Praxis als genügend gezeigt hatten, um ohne unnöthige
Belästigung des Verkehrs die an Bord Vorgefundenen
Kranken sammt ihrer nächsten Umgebung für die Weiter-
verbreitung der Seuche unschädlich zu machen (Isolirung,
Beobachtung, Desinfection). Die für „rein“ befundenen
Schiffe gingen im allgemeinen frei aus. Auch die Ein- und
Durchfuhrverbote waren in der Dresdener Uebereinkunft
7*
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92
erheblich beschrankt worden. Die eigentlichen Handels-
wuaren blieben frei. Verboten war mir die Einfuhr von
getragenen Kleidern, Wäsche, Bettzeug und solchen Hadern
mul Lumpen, die nicht in festen Ballen verpackt waren.
Bei diesem Verfahren blieb es nun auch der an der
chinesischen Küste ausgebrochenen Pest gegenüber während
mehr als dreier Jahre und man durfte daraus schliessen,
dass man an den massgebenden Stellen dieser moderneren
Art der Seuchenabwehr nicht blos bei der Cholera, sondern
auch bei der Pest Vertrauen schenkte. In Kanton scheint
die Pest mittlerweile erloschen zu sein ; in Hongkong nahm
die Seuche zwar 1894 schon erheblich ab, hörte aber nie
ganz auf ; im vorigen Sommer erlangte sie wieder eine ganz
erhebliche Verbreitung in diesem Welthafen, ebenso wie in
den befallenen, chinesischen Küstenplätzen und auf Formosa.
Während der ganzen Zeit aber ist trotz des ungehinderten,
beträchtlichen Handelsverkehres dieser Gegenden mit Eu-
ropa auch nicht ein einziger Fall von Verschleppung der
Pest nach Europa weder durch Personen, noch durch
Ilandelswaaren bekannt geworden. Eine Uebertragung der
Seuche durch Reisende und Schiffsmannschaften
war allerdings dadurch erheblich erschwert, dass die aus
China zu uns bestimmten Schiffe vorher mehrere ausser-
europäische Häfen — Singapore, Ceylon, Aden, Suez, Port
Said — anlaufen und dort gesundheitspolizeilich krontrolirt
werden, ehe sie in europäische Gewässer gelangen. Was
aber die Gefahr der Einschleppung von Pestkeimen durch
Handelsgüter anlangt, so war derselben in den letzten
3 Jahren überhaupt keine Schranke gezogen. Die deutschen
Dampferlinien nach China betreiben fast ausschliesslich
directen Frachtverkehr, die Güter bleiben während der
ganzen Reise unberührt im Laderaum des Schiffes, bis sie
in Hamburg oder Bremen gelöscht werden. Aehnlich ver-
hält es sich mit den directen Linien der übrigen euro-
päischen Länder. Die Einfuhr aus China nach Europa ist
zwar nicht so beträchtlich, wie die Einfuhr aus Ostindien,
indessen kommen auch aus China sehr grosse Mengen von
solchen Waaren, die vor der Dresdener Convention im all-
gemeinen als giftfangend und seuchengefährlich galten, wie
Hänte, Borsten, Federn u. dergl.
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93
Im September v. J. ist nun diu Pest in Bombay aus-
gebrochen und wüthet dort seitdem ungemindert in heftigster
Weise. Von Bombay aus hat die Seuche aucli Kurrae hec
und Puna erfasst und viele Orte im Innern des Punjab und
des westlichen Innern überhaupt ergriffen. Vereinzelte Fülle
haben sich schon in Bassora und einigen anderen persischen,
sowie in den beludschistanischen Häfen gezeigt. Auch auf
einigen nach Mekka bestimmten Pilgersehiffen sollen Pest-
falle vorgekommen sein und neuerdings werden von Singa-
pore verdächtige Erkrankungen gemeldet.
Angesichts dieser grösseren Ausbreitung und Nähe der
Seuche haben die Regierungen aller Länder Europas — mit
Ausnahme von England — einschneidendere Verkchrs-
hcschränkungen und schärfere Abwehrmassregeln für ange-
zeigt gehalten als der chinesischen Pest gegenüber. Man
verliess dabei die bei der Bekämpfung der Cholera ge-
wonnenen und durch internationale Vereinbarungen fest-
gclegten Grundsätze und griff auf die rigorosen Massnahmen
des älteren Absperrungs- und Quarantainesy Sterns zurück.
Diesem Vorgehen stimmt auch die Presse und die öffentliche
Meinung fast durchweg zu. Namentlich in Südeuropa hat
die Gemüther Erregung und Furcht ergriffen. Die Behörden
wurden dort zu geradezu mittelalterlichen Massnahmen ge-
drängt. ln den französischen Häfen wurde die Einfuhr
von Waaren jeglicher Art aus den pestverseuehten Häfen
Indiens kurzweg verboten. Auch die aus Pestgegenden
kommenden gesunden Reisenden dürfen nicht in den fran-
zösischen Mittelmeerhäfen, sondern nur in Pouillac, St. Na-
zaire, Havre und Dünkirchen landen und haben sich dort
noch einer ärztlichen Beobachtung von 4 resp. 8 Tagen zu
unterziehen, ehe sie Weiterreisen durften. In Marseille wurden
mehrere englische aus Bombay ankommende Schiffe einfach
aus dem Hafen verwiesen, sie mussten die Rhede verlassen.
Auch in Sicilien ist den aus Indien kommenden Schiffen
«las Anlaufen sicilianiseher Häfen verboten worden und in
Malta hat man solche Schiffe mit Kanonen aus dem Hafen
getrieben. Auf dem Festland von Italien begnügt man sich
vorläufig mit geringen Verschärfungen des allgemeinen Con-
trolverfahrens und umfassenden Einfuhrverboten. Deutsch-
land hat zwar das rigorose Vorgehen Frankreichs, das
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94
namentlich in Marseille schon ernste Folgen, Darniederliegen
des Handels, Ausbleiben der Rohstoffe für wichtige Industrien
und in Folge dessen Arbeitslosigkeit und Nothstand nach
sich gezogen hat und schon jetzt dort bitter bereut wird,
nicht nachgeahmt, aber man ist doch auch bei uns über die
bei der Cholerabekämpfung berührten Grundsätze hinaus
und zu sehr einschneidenden Massnahmen übergegangen.
Von den im Februar erlassenen Einfuhrverboten werden
nicht blos solche Waaren betroffen, welche erfahrungmässig
den Keim der Post verbreiten können und ihrer ganzen Art
nach der Beschmutzung durch menschliche Abfallstoffe und
durch Kranke besonders ausgesetzt sind — Leibwäsche, ge-
tragene Kleider, Bettzeug, Teppiche, Menschenhaarc, Federn
und Lumpen ; — es sind auch allerhand thierischc Stoffe,
wie ungegerbte Häute, Borsten, Klauen, verboten. Und was
die gesundheitspolizeiliche Kontrole der Seeschiffe anlangt,
so sollen auch auf den „reinen“ Schiffen in jedem Fall das
Bilschwasser, der Wasserballast, desinfieirt und das an Bord
befindliche Trinkwasscr nach erfolgter Desinfcction aus-
gepumpt und durch unverdächtiges Wasser ersetzt werden.
Ferner soll das Gepäck der Reisenden und der Schiffsmann-
schaften, welche in einem verdächtigen Hafen an Bord ge-
nommen sind, desinfieirt werden. In dem bisher mass-
gebenden Rundschreiben des Reichskanzlers vom 2. April
1895 war dagegen bestimmt, dass die Schiffe, welche an
Bord keine Pestfälle gehabt haben, nachdem das ärztlich
festgestellt ist, zum freien Verkehr zugelassen werden
dürfen.
Sind auf einem Schiff während der Reise Pestfälle vor-
gekommen oder hat es noch Pestkranke an Bord, so gilt
das Schiff nach unsern neuen Bestimmungen in jedem Fall
als „verseucht“, einerlei ob nach dem letzten Pestfall an
Bord Tage, Wochen oder Monate verstrichen sind. Auf
den Schiffen, welche noch Kranke an Bord haben, sind die-
selben natürlich auszuschiften und zu isoliren; auch die ge-
sunden Personen an Bord eines solchen Schiffes sollen bis
zu 11 Tagen auf ihren Gesundheitszustand beobachtet
werden. Auch auf den Schiffen, welche vor der Abfahrt
aus dem verseuchten Hafen oder während der Reise, oder
vielleicht schon viele Wochen vor der Ankunft einen Pest-
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lall au Bord gehabt haben, sind alle Wohn raume uud Gegen-
stände des täglichen Gebrauches, einschliesslich der Kleider
und des Gepäckes der Reisenden und Mannschaften, zu
desinficiren.
Es soll selbstverständlich hier nicht bestritten werden,
d.iss die Gelegenheit zur Einschleppung der Pest nicht blos
durch ihre grössere Nähe, sondern auch durch ihre grössere
Ausbreitung vermehrt ist. Kamen für die deutschen Häfen
bisher nur drei ostasiatische Dampferlinien, die des Bremer
Lloyds, die Kingsinlinie und die Rickmcrslinie in Betracht,
welche den directen Personen- und Frachtverkehr mit China
vermitteln, so treten jetzt die ostindischen Linien, ferner
einige englische Dampfer und eine Anzahl von Segelschiffen
hinzu, welche zwischen Deutschland und Bombay, Kurraschee
und Kalkutta verkehren. Die oft als erschwerend für die
Pestgefahr hervorgehobene Reiseverkürzung von Bombay,
gegenüber den aus Hongkong kommenden Schiffen ver-
mindert sich dadurch bedeutend, dass die meisten .Schiffe
nach Hongkong — Postdampfer — bedeutend schneller sind,
als die im indischen Verkehr fahrenden deutschen Fracht-
dampfer.
Auf der anderen Seite aber darf nicht vergessen werden,
dass fast sämmtliche in Betracht kommende Dampfer indische
resp. chinesische Mannschaften als Heizer verwenden. Die
Anmusterung und Auswechselung dieser Leute geschieht in
indischen oder chinesischen Häfen. Dass einmal ein solcher
frisch angeworbener, farbiger Feuermann noch vor der Abfahrt
oder wenige Tage nach dem Verlassen des verseuchten
Hafens, an Bord an Pest erkrankt, erscheint durchaus nicht
unwahrscheinlich. Sind doch sogar in London drei indische
Seeleute der Seuche zum Opfer gefallen, welche während der
Reise ganz gesund waren und erst in London erkrankten,
wie man annimmt, durch Kleidungsstücke, die sie ihrem
während der Reise verschlossenen Reisegepäck entnahmen
und in London als Ausgehstaat anlegten und die vielleicht
in einem Trödlcrladen in Bombay gekauft waren und von
Pestkranken stammten. Man wird deshalb die Bestimmung,
dass das Reisegepäck der in Indien an Bord genommenen
Leute desinficirt werden soll, für wohl begründet erklären
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müssen. War es aber nötliig, dass in allen Füllen aucli
auf den „reinen“ Schiffen das Trink wasser an Bord,
auch wenn es während der ganzen Reise von den Schiffs-
insassen ohne Schaden genossen, und in der Regel mehrfach
in pestfreien Häfen erneuert worden war, desinficirt und
durch neues ersetzt werden muss? Wir wissen zwar nur
sehr wenig über die Verbreitungswege der Pest, aber das
Trinkwasser scheint doch dabei nur eine untergeordnete
Rolle zu spielen. In Kanton ist gerade die auf dem Wasser
lebende Bootsbevölkerung, die das furchtbar verunreinigte
Flusswasser trinkt, im Gegensatz zu der übrigen Einwohner-
schaft von der Pest in auffallender Weise verschont geblieben.
Der Cholera gegenüber, die doch durch infieirtes Wasser
besonders häufig und reichlich verbreitet wird, hat man sich
darauf beschränkt, die Desinfection des Trinkwassers uur für
den Fall vorzuschreiben, dass die an Bord während der Reise
vorgekommenen Krankheitsfälle mit Wahrscheinlichkeit auf
den Genuss dieses Wassers zurückzufüliren sind. Sollte eine
solche Bestimmung nicht auch für die Pest genügend erscheinen V
Ebensowenig war es vielleicht nötliig, in allen Fällen die
Desinfection des Bilschwassers zu fordern. Indessen erfordern
diese Massnahmen, vorausgesetzt, dass man das nöthige, nicht
unbeträchtliche Aufgebot von Leuten und Material zur Ver-
fügung hat, verhältnissmässig wenig Zeit und Umstände.
Setzen wir nun aber einmal den Fall, dass einer der grossen,
prächtigen Lloyddampfer in Hongkong einen chinesischen
Heizer wegen Pestverdachts ausgcschifft oder in den ersten
Reisetagen nach der Abfahrt aus diesem Hafen verloren hat,
so sollen, einerlei was Kapitän und Schiffsarzt schon während der
Reise zum eigenen Schutz und aus eigenem Antrieb desin-
ficirt haben, und einerlei, was in den angelaufenen Zwischen-
häfen mit dem Schiff geschehen ist, auch dann, wenn in den
ca. 6 Wochen, die die Heimreise erfordert, kein weiterer
Pestfall an Bord vorgekommen ist, alle Wohnräumo an Bord
desinficirt werden. Also auch die von den Heizern nie
betretenen Salons und die inzwischen wochenlang ohne Schaden
bewohnten Offiziers- und Passagierkammern. Das erscheint
mir überflüssig; man hätte in solchen Fällen dem Ermessen
des kontrolirenden Arztes einigen Spielraum bezüglich der
Ausdehnung der Desinfection lassen sollen.
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„Mit allein Nachdruck ist dahin zu wirken, dass eine
„Verschleppung der Seuche durch an Bord befindliche Ratten
„und Miiuse verhindert wird.“ Leider sind über die Art
und Weise, wie das gemacht werden soll, keine bestimmten
Vorschriften gegeben. Die Vertilgung von Ratten und Mäusen
an Bord gehört zu den bisher noch ungelösten Aufgaben.
Zur Ausführung dieser neuen Vorschriften im hamburgi-
sclien Seeverkehr sind unter Aufwendung beträchtlicher Geld-
mittel die Einrichtungen zur Schiffsdesinfeetion in Cuxhaven
schleunigst beträchtlich vergrössert worden.
Dem dort stationierten Hülfsarzt des Hafenarztes sind
ein Oberdesinfeetor, drei Desinfcctoren und drei ausgebildete
Ilülfsdesinfectoren beigegeben worden. Bisher wurden ca.
12 Schiffe nach dem neuen Verfahren behandelt. Die Unter-
suchung und Desinfection (Bilseh, Wasser, Reisegepäck) hat
jedesmal ca. 4 Stunden Zeit erfordert, so dass den „reinen“
Schiffen in Cuxhaven unter Einrechnung der für das Vor-
holen in uns aus dem Hafen nöthigen Zeit nur ein Verlust
von ca. G — 8 »Stunden erwächst. Für „verseuchte“ »Schiffe
ist das Quarantaine - Lazareth in Cuxhaven soweit mobil
gemacht, dass dort ungefähr 12 Kranke und 40—50 gesunde
Personen Aufnahme finden können. Das Lazareth hat, ebenso
wie die Bchiffsdesinfectionsbaracke, einen grossen Dampf-
desinfectionsapparat, ferner einen zu bacteriologiscben Unter-
suchungen eingerichteten Raum und eine Sectionshallc.
Abgesehen von einigen Härten, die vermeidbar waren,
ist somit die gesundheitspolizeiliehe Kontrole der aus pest-
verseuchten Häfen kommenden »Schiffe in Deutschland
immer noch in erträglichen Grenzen gehalten. Für unnäthig
weit getrieben möchten wir dagegen die hier erlassenen
Einfuhrverbote halten. Weder von den letzten 3 Jahren,
noch auch von den früheren Restepidemien her sind Fälle
von nachweislicher Verschleppung der Pest durch llandels-
waaren bekannt. Hierfür haben wir als Gewährsmann die
Autorität von Griesinger, dessen Beschreibung der Pest noch
jetzt als klassisch gelten kann und dessen sorgfältige Beob-
achtungen und Anschauungen über die Verbreitungswege
der einzelnen »Seuchen, was die Cholera anlangt, durch ] die
moderne, actiologisehc Forschung durchaus bestätigt worden
sind. Gegenüber den Einfuhrverboten anderer Länder, nament-
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lieh Frankreich, scheinen ja die deutschen Einfuhrverbote uner-
heblich ; es findet sich aber unter den für pestverdächtig erklärten
Waarcn ein Handelsartikel, der von keinem anderen Lande her
in so grossen Mengen, wie von Ostindien zu uns gebracht wird.
Das Ausbleiben der ostindischen Häute, welche überdies zum
grössten Theil aus dem Hinterlande von Kalkutta stammen,
wird sieh nicht blos bei den Importeuren, sondern in jeder
Gerberei, und bei jedem Schuhmacher auf das unangenehmste
fühlbar machen. Wir vermögen nicht einzusehen, dass bei
dieser Waare mehr als eine blosse Möglichkeit der Ein-
schleppung vorliegt und dass diese Möglichkeit grösser sei
als bei anderen llandelswaaren. Sichere Beobachtungen
darüber, dass etwa Kinder und Büffel spontan an der
Mcnschenpcst erkranken, sind nicht vorhanden. Es wird
zwar von massenhaftem Sterben der Ratten, aber nirgends
vom Erliegen von Wiederkäuern berichtet. Die Bereitungs-
weisc dieser Häute macht es ferner im höchsten Grade wahr-
scheinlich, dass Pestkeime, die etwa daran sitzen, vielleicht
beim Sehlachten durch pestkranke Arbeiter übertragen sind,
nbgetödtet werden. Die Häute werden an der indischen
Sonne langsam getrocknet und dann züm Schutz gegen In-
sccten und Ungeziefer mit einer arscnikhaltigen Flüssigkeit
oder anderen Chemikalien bepinselt. Sie kommen bretthart
und trocken, ohne jede Spur von Fäulnissgeruch hier an.
Mit viel mehr Grund als wie diese Häute hätte man die
Einfuhr von Getreide verbieten können, das immer mit
Ratten- und Mäuscunrath massenhaft verunreinigt ist. Dasselbe
gilt von Reis und Reisabfällen. Und ebenso wie Wolle
dürfte auch die Baumwolle zu behandeln sein.
Es liegt mir nun nichts ferner, als etwa für ein Verbot
der Einfuhr auch dieser Waarcn einzutreten. Es sollte nur
gezeigt werden, dass die einmal gezogene Grenze ziemlich
willkürlich gewählt ist. Wir meinen, dass man, sobald über-
haupt mit der blossen Möglichkeit der Einschleppung der
Pest durch llandelswaaren gerechnet werden und dieser Weg
abgeschnitten werden soll, folgerichtiger Weise nicht bloss
Häute, Wolle und Klauen, sondern so ziemlich alle Waarcn,
welche ihrer Beschaffenheit oder ihrer Menge wegen nicht
desinficirt werden können, verbieten müsste. Ebenso
gut wie Häute intieirt werden können, ist dies auch bei
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Elephnntcnzähnen, Baumwolle und allen anderen Dingen
denkbar. In den Speichern von Bombay lagern alle diese
Waaren nebeneinander und werden von denselben Menschen,
Ratten und Mäusen besucht. Und ob sich der Pestbacillus
besser auf trockenen Häuten als im Getreide, in der Baum-
wolle oder auf indischen Industrie- und Kunstgegenständen
halten soll, darüber besitzen wir absolut keine Kenntnisse.
An Bord liegen ebenfalls verdächtige und unverdächtige
Waaren neben- und übereinander. Die verbotenen Waaren
müssen beim Löschen, um an die übrige Ladung gelangen
zu können, angefasst, bei Seite gebracht, hin- und hergetrimmt
werden. In Hamburg werden zwar die bei solcher Arbeit
beschäftigten Leute jetzt am Feierabend desinticirt. Da man
aber annimmt, dass der Pestkeim durch kleine Wunden und
Sehrunden, sowie durch die Athmungsorganc oinwandern
kann, so wird eine nachträgliche Desinfcction, wenn solches
Unglück einmal geschehen ist, nichts mehr gut machen können.
Einzelne Einschleppungen können durch keine noch so
rigorosen Absperrungen und Einfuhrverbote abgehalten werden.
Das hat die Geschichte aller Epidemien gelehrt und wir
werden auch bei der jetzigen Pestgefahr damit zu rechnen
haben, dass nicht nur in den Hafenstädten, sondern auch im
Innern plötzlich einmal ein Pestfall entdeckt wird. Wir
dürfen ja auch Schiffe mit Pestkranken an Bord nicht zurück -
weisen. Die Gewähr, dass aus solchen Einzelteilen keine
grösseren Heerde sich entwickeln, liegt neben günstigen,
allgemeinen, sanitairen Verhältnissen darin, dass die ersten
Fälle eben rechtzeitig entdeckt werden. Einfuhrverbote
können solchen Einzelfällen nicht Vorbeugen, sie können nur
den Zweck haben, die massenhafte Einschleppung von
Seuchenkeimen zu hindern. Hierfür konnte man sich auf
diejenigen Dinge beschränken, von denen es bekannt ist,
dass der Ansteckungsstoff der Pest sich darin längere Zeit
conscrvirt und die zugleich die nahe Gefahr der Beschmutzung
durch Abfallstoffe von Kranken bieten. Das sind getragene
Kleider, Wäsche, Bettzeug, Teppiche, Menschen haare, Hadern
und Lumpen. • • *-•
Wenn man darüber hinausgeht, werden' die Grenzen
schliesslich ganz willkürlich irgendwo gezogen und ohne Jfotti
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100
weite Kreise des Handels, der Industrie und des Handwerks
anderen und dem Auslande gegenüber geschädigt.
Ueber die Beschlüsse der jetzt tagenden, internationalen
Sanitätsconferenz zu Venedig ist noch nichts Sicheres bekannt.
Zeitungsnachrichten zufolge sollen die über Einfuhrverbote
getroffenen Vereinbarungen ungefähr den jetzt bei uns
erlassenen Bestimmungen entsprechen und sich somit auch
auf die ostindisehen Iliiute erstrecken.
Wir dürfen aber wohl hoffen, dass die nach Bombay
zum Studium der Pest entsandten Kommissionen, namentlich
die Autorität Robert Koch’s,dcm Grundsatz wieder Anerkennung
verschaffen werden, dass auch der Pest gegenüber weder
Einfuhrverbote noch das Unterbinden des Verkehrs überhaupt
zuverlässige und wirksame Kampfmittel sind und dass der
zweifelhafte Nutzen solcher Massrcgcln in keinem Verhältnis»
steht zu den dadurch erzeugten wirtschaftlichen Schädigungen.
Die Ueberwachuug des überseeischen Handels und des
Seeverkehrs ist eine Aufgabe, welche auch ohne übertriebene
Belästigungen verhältnissmässig sicher gelöst werden kann.
Bedrohlicher für Europa wird die Pestgefahr, wenn die
Seuche, wie cs fast den Anschein hat, den Landweg nehmen
und etwa in Beludschistan, Persien, Mesopotamien, im türkischen
Orient und den mohamedanischcn Pilgerstätten festen Euss
fassen sollte. Hier eine wirksame Seuchenbekämpfung zu
sehaffeu, den Pilgerverkehr zu beschränken und zu über-
wachen und die dazu dienlichen Einrichtungen endlich einmal
zuverlässiger zu gestalten, als es bisher internationale Ver-
einbarungen vermocht haben, darin besteht die wichtigste,
aber überaus schwierig zu lösende Aufgabe internationaler
Conferenz.cn.
Nachtr a g.
Erfreulicherweise hat der Reichskanzler neuerdings das
Verbot der Einfuhr von Häuten aus Ostasien soweit ermässigt,
dass bis auf weiteres von dort wenigstens aus denjenigen
IhifcA- Häute und Felle (Kipse) eingeführt werden dürfen,
welch« von der Pest noch nicht befallen sind (Kalkutta),
vora-usgesetzt; dass die Waare am Hafcnplatz selbst oder
seiner ' näcltsttsl; -Umgebung für den Schiffstransport her-
3
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101
gerichtet und zu Ballen gepresst worden ist und ausserdem
die Sendung in völlig lufttrockenem Zustande hier ankommt.
Der Nachweis, dass die Bearbeitung für den Transport im
Abgangshafen stattgefunden hat und dass dieser Platz zur
Zeit der Abfahrt des Schiffes von der Pest noch verschont
geblieben, muss durch Consulutsat teste oder sonst glaubhaft
erbracht werden.
Nicht einbegriffen in diese Vergünstigung sind die
Sendungen, welche aus Bombay, Kurraehee, Hongkong, Kanton,
Swatau, Amoy, Makao und der Insel Formosa stammen.
Damit ist man wenigstens in Deutschland zu dem auf
der Dresdener Conferenz für die Abwehr der Cholera ver-
einbarten Grundsätze — wenn auch nur bezüglich der
Einfuhrverbote — zurückgekehrt, beim Ausbruch einer #
Epidemie in irgend einem Orte oder Bezirk die Abwehr
innssregeln auf die Ilerkünfte aus den ergriffenen Orten oder
Bezirken zu beschränken und nicht gleich das ganze Reich,
zu dem der befallene Platz gehört, für verseucht anzusehen.
N o c h t (Hamburg).
Impaludismus, Bakteriologie und Rassenresistenz.*)
Von Dr. Below (Berlin).
Fragen wir uns nach genauer Controlle der inter
nationalen hygienischen Congresse und der tropenhygienischen
Verhandlungen auf den Naturforscherversammlungen des
letzten Jahrzehnts: welches sind unsere Erfolge den Tropen-
seuchen gegenüber? so müssen wir, wenn wir ehrlich gegen
uns selber sein wollen, uns eingestehen: wir sind wenig
vorwärts gekommen, wenigstens sind wir den beiden
grossen Hauptgruppen der Tropenfieber gegenüber (Malaria -
gruppe und Gelbfiebergruppe) nicht so glücklich gewesen,
wie die Prophylaxe den nordischen Seuchen gegenüber ge-
wesen ist.
*) Mit don nachstehenden Ausführungen sind wir in den moisten
l’uncten nicht einverstanden, glauben aber denselben die Aufnahme
nicht versagen zu dürfen, da das Hauptziel derselben, die gemeinschaft-
liche Forschung aller colonisierenden Nation ein höchst erstrebens-
werthes ist. P. Red.
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102
Wir sehen zwar ein emsiges Streben auf allen Punkten
des weiten Arbeitsfeldes der Engländer, Holländer und
Deutschen einerseits (der bakteriologischen Richtung) und
der Franzosen, Spanier, Portugiesen andererseits (der Lo-
calisten oder Paludisten). Wir sehen, dass die Bodentheorie
mehr bei den romanischen, die bakteriologische mehr bei
den angelsächsischen und deutschen Forschern geübt und
verbreitet wird, dass aber wirkliche Erfolge zur Ermittlung
der Entstehungsursache und Bekämpfung der Malaria, des
Gelbfiebers und ihrer Ab- und Unter-Arten weder mit Mi-
kroscop noch mit Chinin, weder mit Drainage und Boden-
verbesserung noch mit Immunisirungs-Einspritzungen erzielt
werden !
Wiewohl man die Bereicherung der Kenntnisse, die
durch die Versuche in beiden Lagern erzielt wird, durchaus nicht
verkennen darf, haben weder Prophylaxe noch Therapie den
beiden grossen Gruppen der Tropenfieber gegenüber Erfolge
aufzuweisen, auf die man stolz sein dürfte.
Lassen wir einmal Alles, was Stückwerk ist, in der
Behandlung der Tropenfieber bei Seite, hören wir auf, von
Heilerfolgen, von Heilmethoden zu sprechen, wo wir doch
höchstens mit Ausnahme der ganz empirischen Chininan-
wendung und der Derivantien, Diaphoretica, Purgantien etc.
auf das Temporisiren angewiesen sind, und stellen wir da-
nach zusammen, wie viel von sicheren Anhaltspunkten für
unser concretes Wissen und Handeln übrig bleibt, — so ist
das herzlich wenig.
So wenig, dass wir endlich einmal den Schleier der
Gelehrtthuerei, der sich immer mehr anstauenden neuen
Nomenclatur und der Phraseologie sinken lassen und — Tabula
rasa machen sollten — wie ein ehrlicher Kaufmann, der
„realisirt“, der Activa und Passiva sondert, um sich lieber
seinen Bankerott selbst einzugestehen, als weiter in der
Selbsttäuschung fortzufahren.
Es lässt sich, um ehrlich zu sprechen, Alles was wir
w i r k 1 i c h wissen, auf einer knappen Druckseite tabella-
risch übersichtlich zusammenzustellen.
Denn wie die jüngsten Verhandlungen der tropen-
hygienischen Sektion auf der Naturforscherversannnlung in
Frankfurt a. M. gezeigt haben, sind die Plasmodien-
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103
forschungen bei der Malaria noch nicht soweit gedielten,
um deutlich zu zeigen, oh diese Halbmondformen und diese
kometenartig vorschiessenden, schwärmenden, sporulisirenden,
sich in die Blntkörper eindrängenden Wesen acciden-
telle oder essentielle Begleiter der verschiedenen Ma-
leriaformen sind, wie weit sie zu den Rassen und wie weit
sie zu den Bodenbesekaffenheiten Affinitäten besitzen, wie
weit sie sich bei pigmentirten und bei unpigmentirten, bei
acclimatisirten und bei unacclimatisirten Generationen mit
Vorliebe finden. Wir wissen nicht, ob sie die Erreger der
Malaria wirklich sind, ob in anderen Zonen andere Formen
derselben Art auftreten. Wir wissen nicht, warum die
Marchiafava- und Cellischen Formen z. B. in Sumatra nicht
gesehen werden wie in Italien bei denselben Fieberformen.
Wir wissen nicht, warum die Zahl oder Form dieser räthsel
haften protensartigen Amoeben durchaus nicht gebunden ist
an die verschiedenen Fieberepochen. Zur Zeit des Anfalls
sind sie nicht vermehrt vorhanden.
Wir müssen den Impaludisten ebenso dankbar sein für
ihre aufs Gerathewohl hin unternommenen Boden Verbesse-
rungen durch Canal isationen, Eucalyptus- Anpflanzungen etc.
wie wir den Bakterioskopikern dankbar sein müssen für die
Entdeckung der Plasmodien, aber ebensowenig wie durch
diese sind wir durch jene dem Grund und Wesen der Sache
näher getreten. Es sind alles tastende Versuche ohne ein-
heitlichen leitenden Gedanken und deshalb ohne durch-
schlagenden Erfolg.
So wie man im bürgerlichen Leben zu sagen pflegt:
Reinlichkeit, Gottesfurcht und Ordnung sind zu allen guten
Dingen nütze, könnte man auch sagen : Bakterioskopiren,
fleissiges Spritzen und Drainiren sind als Zeichen von Fleiss
und Reinlichkeit auf hygienischem Gebiete zu allen guten
Dingen immer etwas Nütze, aber damit fehlt noch immer
die Direction des Ganzen. Es gelang einmal deutscher
Schneidigkeit, Nüchternheit und Mannszucht, den schwarzen
Continent zu durchqueren ohne schwerere Fieber zu acqui-
riren, dafür können aber mehrere der nächsten Ex-
peditionen desto unglücklicher verlaufen.
Wir fangen aber gerade an, uns spielend mit den
Elements cognitionis zu befreunden, wir stellen uns da aus
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den Bruchtheilcn eines grossen Zukunftswerkes probirend
und tastend etwas zusammen, wie Kinder, die mit den
Stangen, Rädern und Schrauben einer auseinander genom-
menen Maschine spielen ; um aber die Maschine zur geord-
neten Wirkung zu bringen, dazu gehört es, dass sie zu-
sammengefügt wird, eine Arbeit, die auf diesem Gebiete
nicht möglich ist ohne internationale Zusammenarbeit unter
centraler Leitung. Die Impaludisten pflanzen, drainiren
und graben, die Bakterioskopiker spritzen und mikroskopiren
fleissig, aber an Malaria und Gelbfieber und ihren Unter-
arten erkranken, wenn die böse Zeit kommt, gerade soviel
wie je zuvor. Wir beschäftigen uns mit dem Schädling
einerseits und mit der Bodenfrage andrerseits, aber es
scheint, es muss einen dritten Faktor geben, den wir con-
sequent vernachlässigen, denn wir sind dem Wesen der
Sache nicht näher getreten.
Wir wissen nun, wenn wir Alles zusammenfassen : es
giebt eine Unmenge von Formen und Unterarten : Intermittens,
Remmittens, Perniciosa einerseits, biliöses hämorrhagisches
Fieber nach B<5rcngcr, Melanurie und Gelbfieber andrerseits,
jedes davon wieder mit so und soviel leichteren und
schwereren Formen, die Nomenclatur schwillt bis in’s Un-
gemessene an. Die Dift’erentialdiagnosen werden immer sub-
tiler, und dabei kommt es im Golf von Mexico vor, dass
eine neue Epidemie alle früheren schönen differential
diagnostischen Schemata, die bei der vorigen Epidemie sti -
pulirt worden waren, plötzlich über den Haufen wirft, so
dass man froh ist, sich bei der Vereinfachung der Fieber-
eintheilung begnügen zu dürfen und es vermeidet, von
Epidemie zu Epidemie neue Unterarteneinthcilungen zu fa-
briciren — denn was nützen Nomcncluturen und Worte,
wo die Begriffe für das verborgene Wesen der Sache
fehlen ?
Unterdessen arbeitet Jeder auf eigene Faust ruhig
weiter und wenn die Bakteriologen Recht behalten, so blüht
der Menschheit das Glück, dass für jede der 6 Hauptfieber-
arten ein neues Spritzmittel zur Immunisirung entdeckt wird
und behalten die Bodenhygieniker Recht, so beschränken
wir uns vorzüglich auf Drainage und Anpflanzungen und
Auswahl des „assimilirenden“ Bodens, dem wir den Vorzug
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vor dem „eliminirenden“ (Gifte ausstrümenden) *) Boden
geben und — vergessen bei all den schönen Sachen : die
Rassenresistenz, vergessen, dass chinesische Kulis du
prächtig gedeihen, wo indische Kulis untergehen, dass Pig-
raentirte dort gut leben können, wo Weisse sterben, der
Bodentheorie zum Trotz, weil gewisse Pigmentirte und durch
Generationen Acclimatisirte den schädlichen Bodenaus-
strömungen gegenüber gefeit sind.
Wir wissen, dass, wo die Milz geschwollen ist und die
bekannte Fiebercurve sich im charakteristischen intermit-
tirenden Malaria-Typus zeigt, dass da tapfer Chinin gegeben
werden muss und wo die andere Categorie mit Gelbsucht
und Blutabgängen ohne Milzschwellung und intermittirende
Curve auftritt, dass da das Chinin nichts nutzt, sondern
schadet und — im Uebrigen forscht Jeder auf eigene Faust
weiter in den eng begrenzten Terrains der Colonien zwischen
Weissen, Schwarzen und Gelben ohne Rücksicht auf Natio-
nales und Statistik, denn das giebt es dort gewöhnlich nicht
in deD ungeordneten politischen und socialen Verhältnissen.
So wie wir aber die Masse von Tropenfieberabarten
und Unterarten von einem etwas erhöhten Standpunkte be-
trachten, der bis jetzt von Iinpaludisten wie von Bakterio-
logen trotz meiner zehnjährigen Mahnungen vernachlässigt
wurde, vereinfacht sich vor unsern Augen das wüste Durch-
einander der Menge von Tropenfiebernamen, es wird über-
sichtlich und wir gewinnen eine neue klarere Einsicht in
den bisher räthselhaften Vorgang, der sich da auf beiden
Seiten vor uns abspielte, auf Seiten der Gelbfiebergruppe
wie auf Seiten der Malariagruppe.
Bisher waren wir gewohnt, die Tropenfieber wie alle
Krankheiten als Störungen des Wohlbefindens anzusehen,
die entweder durch Bodenunreinigkeiten oder durch Bacterien
oder durch Plasmodien in den Körper gedrungen seien und
man nahm die Seuchen als ein Geschick hin, gegen das
nichts weiter zu machen sei als Chinin geben, Drainiren etc.
Seit wir aber durch das von mir im Jahre 1894 auf-
gestellte Gesetz der Artenbildung durch Zonenwechsel auf
*) siehe Dr. Manuel Ferreira Kibeico, Chefe di Servicio de
Sande „Saneamento di Cidade di S. Thonie“, Lisboa 1896
Archiv f. Schiffs* u. Tropenbyjlene. 3
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das Zusammenwirken der drei Faktoren: Localitiit, Bacillen
und Resistenz von Individuum und Rasse aufmerk-
sam gemacht sind auf diesen letzten dritten Faktor fitr Ent-
stehung der Seuche, wissen wir (!? D. Red.), dass „Krank-
heit“ ein Theil des ,, Ra ssenum Wandlungs-Prozesses“ ist, ein
natürlicher nothwendiger Vorgang im Laufe der Entwick-
lung der Organismen auf der Oberfläche des bewohnten
Planeten.
Wir wissen, dass die Erddrehung nicht nur die Luft-
schichten regenerirt (Passatwinde), sondern auch die Orga-
nismen fortwährend mit verschiedenen Keimen in neue Be-
rührung bringt, dass Pflanze, Thier und Mensch durch die
Neigung zu Wanderzügen von den kalten zu den heissen
Zonen und umgekehrt einem steten Umwandlungsprocess durch
Berührung mit fremden Keimen unterworfen sind, und die
Völkerwanderungen mit ihren bald darauf folgenden Epidemien
und Seuchen bestätigen, dass alle Krankheiten mehr oder
weniger nur Rassenumwandlungsprocesse, Störungen derselben,
gesteigerte, gestörte, überstürzte Acclimatisationsvorgänge sind,
die Thier, Pflanze und Mensch beim Zonenwechsel behufs
neuer Artenbildting durchzumachen haben. Beiläufig be-
merkt ist dies die einzige uns übrigbleibende Ausfüllung
der grossen Lücke im Darwinismus, der für die Tausende
von verloren gegangenen Arten und Uebergängen unendliche
Zeiträume bisher supponiren musste. Jetzt wissen wir, dass in
den Tropen tagtäglich vor unsern Augen der Rassenumwand-
lungsprocess vor sich geht, wo wir Portugiesen den X oger-
typus annehmen sehen u. a. m. Des Näheren muss hier ver-
wiesen werden auf meine bei Jäger in Frankfurt a. M. er-
schienene Abhandlung: Artenbildung durch Zonenwechsel
' Dr. E. Bclow 1 894).
Dieser bisher vernachlässigte dritte Faktor im Tropen-
seuehcnentstchungsgesetz, das ich unter der Formel x L >, =,
^ r R zusammenfasste *), ist der Schlüssel für eine verein-
fachte Eintheilung und Uebersicht der Tropenfieber und für
ein gründlicheres, methodischeres Vorgehen zur Assanirung
des Tropengürtels von dieser Plage, die der weissen Russe
*) * -= Bacillen, L = Localitiit. r — Resistenz des Individuums
und R = Resistenz der Rasse.
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die Ausbreitung über den Aequatorialgürtel streitig
machen will.
So wie wir ausser dem Impaludismus der Romanen
und dem bacillären Schädling der nordischen Forscher den
Rassen widerstand bei der Tropenseuchenentstehungs-
frage berücksichtigen, drängt sich jedem Arzt, der unter
Mischrassen, wie in Centralamerika und Südamerika lange
gelebt hat, bei Vergleich der Malariagruppe mit der Gelb-
fiebergruppe das Gleichartige dieses gestörten oder über-
stürzten Acclimatisationsprocesses, dieses Rassenumwaud-
lungsprocesses auf beiden Seiten auf : in beiden Fällen, bei
der Malariagruppe wie bei der Gelbfiebergruppe handelt es
sich um Störungen, dort in der Milz, hier in der Leber, die
in beiden Fällen mit Zerstörung von Lymph- und Blut-
körperchen enden, die zu Pigmentablagerungen führen, so
dass endlich das Individuum nach Ueberstehen des Processes
sich dem Typus des Acclimitisirten nähert — allerdings auf
Kosten seines Kräftematerials. Das vom Tropenfieber auf
die eine oder die andere Weise befallene Individuum hat
an sich selbst das durchgemacht, was sonst langsam in
mehreren Generationen mit oder ohne Mischungen beim
Uebergang vom helleren in den dunkleren Typus durch-
gemacht wird.
Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die
vielen, in sechs Hauptklassen bis jetzt geschiedenen Tropen-
fieber (Intermittens, Remittens, Perniciosa, hämorrhagische
Biliosa (Berenger), Melanurie, Gelbfieber), so muss auffallen,
wie einfach Alles sich in die zwei grossen Hauptgruppen
einigt, während wir bisher, verleitet durch die Sucht nach
neuen Nomenclaturen ohne richtigen Begriff für das
Wesen der Seuche, uns selbst den Ueberblick über
diese Acclimatisationskrankheiten erschwerten.
Wir sehen in der Malaria- wie in der Gelbfieber-Gruppe
Anomalien grosser Drüsenfunctionen und den Umwandlungs-
und Zerstörungsproeess von Blutkörperchen.
Wir sehen diesen Typen- oder Rassenumwandlungs-
Process in beiden Fällen enden mit dem Verlust von rothen
Blutkörperchen und mit Pigmentablagerungen. Was dem
Impaludisten, was dem Bacteriologen bisher bei all seinem
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mühsamen aber einseitigen Forschen ein Räthsel blieb, wird
ihm hier klar im Lichte des Rassennmwandluugsprocesses,
im Lichte des Gesetzes der Artenbildung durch Zonen-
wechsel :
Leichtere, mittlere, schwere Formen giebt es auf beiden
Seiten, je nachdem der Fall ambulatorisch, oder schwerer
oder gar unter flagranten Vergiftungsei-scheinungen verläuft
(Perniciosa und Gelbfieber).
Die Tabelle, wie ich sic auf der Naturforscherversamm
lang in Frankfurt und danach in No. 95 der Allgem. Medi-
cinischen Centralzeitung veröffentlicht habe, giebt hiervon
ein übersichtliches Bild :
Schema zur Rubricirung der
zur Malariagruppe (A) und zur Gelbfiebergruppe (B) ge-
hörenden sechs Unterarten: 1. Intcrmittens, 2. Remittens,
3. Perniciosa, 4. Biliosa (hämorrh., Berenger), 5. Melannrie
und <5. epidemisches Gelbfieber.
Ilauptcharaktcristica :
A.
1. Milzscbwellung
2. Intermittens-Curve
3. Chininwirkung
4. es fehlt
5. es fehlen
li. alle Rassen ziemlich gleich
empfänglich
Intermittcns, Remittens.
Perniciosa.
B.
1. fehlt.
2. fehlt.
3. fehlt.
4. Icterus.
5. Blutabgänge.
fl. Immunität der Neger.
Biliosa, Melanurie, Gelb-
fieber.
Hieraus ist leicht ersichtlich, dass Intermittens, Re-
mittens, Perniciosa unter die Malariagruppe A gehört und
Biliosa, Melanurie, Gelbfieber unter die Gruppe B der Gelb-
fieber- und damit verwandten Krankheiten. Gelegentlich
des Streites über Schwarzwasserfieber braucht hier kaum
noch erwähnt zu werden, dass Melanurie unter die Gelb-
fiebergruppe gehört und die leichtere, nicht epidemische und
nicht ansteckende, aber chronische und endemische Form
der Gelbfiebergruppc reprüsentirt.
Zur leichteren, meist ambulant behandelten Form ge-
hört auf Seite der Malariagruppe Intermittens, auf Seite der
109
Gelbtiebcrgruppo Biliosa, wie sieh das in nachfolgender
Tabelle übersichtlich zeigt:
A. Malaria-Gruppe. B. Gelbfiebergruppe.
ambulant: 1. Intermittens I. Febr. gastr. biliös,
schwerer: 2. Remittens II. Biliosa haeinorrhaga und
Melanurie.
pernieiös: 3. Perniciosa III. epidemisches Gelbfieber.
Aus diesem Beispiel der Vereinfachung der Tropen-
ticbcr-Eintheilung ist ersichtlich, wie der erhöhte Stand-
punkt vom Gesichtspunkte des Rassenumbilduugspro-
cesses uns den Ueberbliek erleichtert. Die doetrinären
Unterschiede und Nomcnclaturhäufungen schwinden zu
Gunsten der Zweitheilung mit ambulanter, schwerer und
pernieiöser Form der beiden Acclimatisationsprocesse. Impa-
ludisten und Bacteriologen reichen sich auf dieser Höhe
des Ueberblicks die Hand, indem sie die Krankheit als einen
Rassenumbildungsprocess anerkennen und die Schädlinge als
accidentell dabei auffassen.
Von diesem Gesichtspunkte aus wird es auch klar,
warum sich an grössere Wanderzüge immer eine neue
Souchen-Epoche anzuschlicssen pflegte: die an das neue
Klima nicht gewöhnten Organismen boten irgend welchen
neuen ungewohnten Schädlingen und Krankheitskeimen einen
locus minoris resistentiae ; so wissen wir aus der Scuchen-
entstehungs- Geschichte, tauchte nach der Wanderung der
Portugiesen nach Brasilien zuerst die Lepra auf, die auch
im Anschluss an die jüdische Wanderungsepoche ins ge-
lobte Land auftritt. Auch die Wanderungen der Kreuz-
fahrer nach Palästina und der Conquistadoren nach der neuen
Welt folgte die in Italien sieh massenhaft ausbreitende Syphilis
und die erste Kunde vom Gelbfieber kam nach der Er-
oberung von Mexico durch Cortez zu uns.
All’ fliese noch in tiefes Dunkel gehüllten Sachen
können nur klargestellt werden, wenn wir diesem 3. Factor,
der bisher zu sehr vernachlässigt wurde, in der mcdicinischen
Forschung in Zukunft mehr Rechnung tragen durch möglichst
reichliche Obduetions-Protoeolle von Schwarzen, Weissen,
Gelben unter Berücksichtigung der Gcschlechtsregistcr. Besser
als in Afrika lässt sich solches durchführen in den Anden -
Ländern, wo nicht nur die 3 Zonen, kältere, heisserc und
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110
gemässigte sich in Andenthftlern und Küstenstrichen eng
aneinander schieben, sondern wo auch die Abkömmlinge der
verschiedensten Rassen sich mit einander vermischen.
Die Losung heisst demnach hier für die Zukunft:
Das eine thun und das andere nicht lassen.
Ebenso wie jede Culturnalion heute, unbeschadet aller
ihrer eignen und privaten nationalen Bestrebungen die hohe
internationale Cultur-Mission des Altruismus*), die auf die
Zukunft gerichtet ist, nicht ausser Acht lassen darf, so heisst
es auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Forschung: un-
beschadet aller weiterfortzuführenden localistischen und bak-
terioskopischen Versuche, der Bodenverbesserung und
Immunisirung gegen Seuchen doch dem grossen Zukunfts-
problem des Rassenumwandlungsprocesses, als welcher sich
die Tropenseuchen, wie gezeigt, darstellen, in internationalem
centralgeleiteten Zusammenarbeiten jetzt schon Rechnung
tragen.
Ich habe zu dem Zwecke eine internationale tropen-
hygienische Centralstelle für die Forschung als Sanitäts-
Departement neben Gesetzgebung und Verwaltung im Staate
vorgeschlagen unter Vorantritt Deutschlands. Sie würde
demnach zuerst in Berlin tagen. Die Besetzung könnte alle
4 Jahre auf den internationalen Sanitätseongressen wechseln.
Ein Entwurf dafür liegt in grossen Zügen von mir aus-
gearbeitet bei dem Altmeister deutscher Forschung, Geheim-
rath Virchow, vor.
Anthropologisches und Anthropometrischcs ist von
Seiten einer Preisaufgaben-Comraission in Berlin bei Er-
mittelung der Tropenseuehen-Ursprüngc ebenso zu berück-
sichtigen wie r.-issen- und zonen-vcrgleicliende Pathologie
und Physiologie, die ich auf der Naturforscher-Versammlung
in Frankfurt a. M. und auch schon 1894 in Wien vorschlug,
wo dieser mein Antrag angenommen wurde. Er zielte
darauf, die deutsche Reichsregierung möge, nachdem die
Colonialgesellschaft 10 Jahre hindurch unter meiner Führung
die Vorarbeiten der tropenhygienischen Fragebogen geliefert
hat, sich der Sache iin Sinne meines Antrages annehmen.
*)W ie Weltpostverein, Welttelegraphen-, Welttcleplioiiverband etc.
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Ich selbst wurde damit beauftragt, die weiteren Ver-
handlungen in Berlin cinzuleiten (siehe Wiener Verhandlungen
1894 pag. 492).
Zum Zwecke einer centralgeleiteten, tropenhygienischen
Forschung, wo die Frage der Rassenresisten/, ebenso zur
Geltung käme wie die der Localisten und Impaludisten und
die der Bacteriologen, müssten wir uns das statistische und
polizeiliche Material aller colonisirenden Nationen zugänglich
machen auf dem von mir durch die tropenhygienischeu
Fragebogen eingeschlagenen Wege. Die verschiedenen Na-
tionen müssten zusammen arbeiten und pathologisch anatomisches
wie physiologisches Material von Schwarzen, Weissen, Gelben,
von neu zugewanderten und altansässigen müsste verglichen
werden. Der Rassenumbildungsprocess müsste an Milz, Leber,
Nieren und Pigmentirungen der verschiedenen lang und kurz
ansässigen Weissen und der Pigmcntirten in den Tropen
studiert und verglichen werden.
Die polizeilich geführten Geschlechtsregister spielen
dabei die wichtige Rolle zur Orientierung über den Acclima-
tisationsgrad, den das Individuum wie die Rasse bei dem Um-
wan dlungsprocessc erlangt hat. Alle Krankheitsbeobachtungen
ohne diesen Anhalt sind mehr oder weniger werthlos. Alle
Plasmodien-, Milz , Blut-Beobachtungen etc. ohne das genaue
Nationale der Person, ohne Angabe über begonnene Pig-
mentirungen sind mehr oder weniger in der Luft schw'cbend.
Denn es kommt darauf an, diese einzelnen Beobachtungen
in die grosse Tabelle einzureihen, wo für jede weitere Ge-
neration und für jede weitere Farbennüance eine neue Rubrik
eingerichtet ist.
Erst der Gesnmmtübcrbliek über die Reihen der Ge-
schlechter, der mehr und der weniger Pigmcntirten und
Acclimatisirten, wird dann, wenn die Rubriken ausgefüllt
sind, ergeben eine wie grosse Rolle unter den 3 Factoren
der bisher am meisten vernachlässigte Factor der Rassen -
resistenz bei der Tropentiebcrentstehung spielte.
Dass er von allen drei Factoren der wichtigste ist
würden diese Obductionsresultate und diese anthropometrisehen
Daten erweisen, durch die wir die Tropenfieber als Rassen-
uimvandlungsprocesse, als überstürzte oder verzögerte Aecli-
masatitionsproeesse kennen lernen und durch die wir auch die
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112
richtigen Mittel gegen diese Seuchen kennen lernen würden.
So gut und anerkennenswerth die Bemühungen der Impalu -
disten um die Bodenverbesserung und der Bakteriologen um
die Immunisirung sind, wir würden mit Hülfe der rassen-
und zonenvergleichenden Physiologie und Pathologie und der
Rassenumwandlungslehre, wie ich sie zu studieren vorgeschlagen
habe, erst lernen, welche Auswahl zu treffen wäre unter den
Typen , die hinausgeschickt werden dürften und welche
Rassenunterschiede uns auf die loci minoris resistentiae in
unserem Körper hinweisen im Vergleich mit den gewissen
Krankheiten gegenüber nahezu immunen Rassen, wie z. B.
der Neger beim Gelbfieber.
Organmessungen, Vergleiche der Nahrungsaufnahme, der
Hautthätigkeit — nicht im kleinen Massstabe wie bisher,
sondern im Grossen mit Hülfe der holländischen und englischen
jahrzehntelangen Messungen angestellt, würden sehr bald über
diese dunklen Punkte der Tropenfieber- und Tropenseuchen-
Entstehung grösseres Licht schaffen.
Wer den Verhandlungen der Tropenhygiene-Sektion
auf den Naturforscherversammlungen gefolgt ist, wird die
Einzelheiten, die hier nothwendig sind, einsehen.
So viel ist für Jeden ersichtlich, dass ein längeres
Säumen mit solchem methodischen, internationalen, central-
geleiteten Vorgehen nur Zeitverlust und vom Uebel ist für
alle an der Colonisation der Tropen Betheiligten, für die
Wissenschaft am meisten, für die es endlich Zeit ist, dass
sie aus ihrer Stellung als dienende Magd oder doch wenigstens
als Stiefkind des Staats endlich erlöst wird.
Und das kann nur geschehen durch den von mir zu
dem Zwecke vorgeschlagenen Welthygiencverband, das Welt-
hygiene-Parlament, zu dem die von mir angeregte tropen-
hygienische Centralstelle die Vorstufe bilden würde.
Wenigstens führte diese in erster Linie zu einem
Sanitätsministerium, das wir längst haben sollten.
Das Ueberschcn so wichtiger Forderungen nach centraler
Leitung hat manche fühlbare Schäden nach sich gezogen :
Das Quacksalberthum der Homöopathie hätte sich nicht so
ausbreiten können, hätten wir, als wir die Maxiinal-Dosen
der Arzneimittel erforschten, auch die Minimal-Dosen nicht
vernachlässigt. Seitdem kann jeder Homöopath mit geheim-
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113
nissvoller Miene von seinen mysteriösen Minimaldosen sprechen,
an deren Wirkung wir zwar nicht glauben, deren Unwirk-
samkeit aber bis jetzt noch der wissenschaftlich experimentellen
Feststellung ermangelt, weil kein praktischer Arzt es der
Mühe werth hielt, sich darum zu bekümmern. Die Central-
Leitung fehlte eben.
Diese Betrachtungen zeigen uns, dass wir die Behandlung
der Tropenfieber von einem erhöhten Gesichtspunkte aus in
Angriff nehmen müssen. Weder der bakterioskopischc Stand-
punkt allein noch der der Impaludistcn allein genügt. Beide
gehen in ihren Endzielen weit auseinander. Wie überall,
wo zwei ehrlich Suchende sich nicht einigen können, müssen
wir die Wahrheit zwischen ihnen suchen. Beide haben in
gewissem Sinne Recht, sie werden sich aber erst miteinander
vereinen im Studium des Rassen- und Typcn-Umwand
lungsprocesses, welcher laicht verbreitet über die bisherige
grosse Lücke in unserer darwinistischen Welt- und Natur
anschauung.
Dr. E. Below.
Kulihospitäler an der NordostkUste Sumatras.
Von
Hofrath Dr. L. Martin,
früher Artt im Dienste der Tabak mimt «chappy Arenduburg und der Dali-MaMchappy.
(Fortsetzung und Schluss.)
Die kranken Kulis, welche je nach ihrem Zustande zu
F us8 oder auf Ochsenkarren im Hospitale anlangen, erhalten
bei ihrer Aufnahme eine eigene, durch besondere Farbenwahl
leicht erkennbare Hospitalkleidung, wogegen sie ihre meist
defccte und oft ungenügende Garderobe zur Reinigung,
eventuell Dcsinfection und Aufbewahrung einliefern. Die
Einrichtung einer besonderen Ilospitalkleidung ist ein für
Aufrechterhaltung der Disciplin nicht unwichtiger Factor, da
entlaufene oder sonst per tiefas ausserhalb des Hospitals ver-
weilende Kranke sich durch die Kleidung schnell verrathen
und so zur Rückeinlieferung Veranlassung geben. Die Hospi-
tal-Kleidung besteht für Chinesen aus einer kurzen, mit
Schnüren zu schliessenden Jacke aus blau-roth earrirtein
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114
durcheilt und einer weiten, dem chinesischen »Schnitte ent-
sprechenden Ilose uus dunkelblauer, dicker Leinwand. Ja-
vnnon, Klings, Tamils, Eingeborene von Madras und
der Malabarküste, und Malaien erlialten die gleichen Jacken
und dunkelblaue Sarongs, Hüfttücher, aus gleichem Stoffe
wie die chinesischen Beinkleider. Ausser der Kleidung em-
pfangen die Leute noch je drei irdene Essgefksse, ein blechernes
Wassergefäss, ein chinesisches, aus überlacktem Papiermache
gefertigtes Kopfkissen, eine Palembang - Schlafmatte und
eine unter Umstunden auch zwei aus Europa importirte,
dicke Wolldecken. Die Verabreichung von guten Woll-
decken ist eine für tropische Verhältnisse höchst werthvolle,
sanitäre Massrcgcl, erstens schon der Unzahl von Mosquito’s
halber, welche in ihrer Men"e bei ohnehin schwachen und
blutarmen Kranken nicht zu unterschätzende Blutverluste
verursachen können und gegen welche die Decken wirksamen
Schutz verleihen. Zweitens aber haben die Kranken, be-
sonders Malaria patienten, trotz der verhültnissmüssig hohen
nächtlichen Luittemperatur (meist über 20° R.) und trotz des
Umstandes, dass sie ausserhalb des Hospitals in gesundem
Zustande häufig die Nächte ohne Decke zubringen, eine
warme Bedeckung zur Erhaltung ihrer Eigenwärme dringend
nüthig, denn zahlreiche, des Morgens beim Erwachen ausge-
führte Messungen bei Kranken, welche die Nacht ohne Decke
verbracht hatten, haben subnormale Werthe ergeben. Unter
Tags werden die Patienten angehalten, Schlafmatte, Decken,
Kopfkissen und eventuell der Wärme halber abgelegte
Kleidungsstücke ordentlich zusammengefaltet am Kopfende
der hölzernen Schlafstätte zu bewahren. Matratzen sind ein
dem gewöhnlichen chinesischen Kuli völlig unbekannter
Luxus und werden solche deshalb nur bei besonderen, solchen
Schutz erfordernden Fällen verabreicht; die geflochtenen Palern-
bangmatten dagegen entsprechen den Bedürfnissen der Kulis,
bilden eine kühle, angenehme Unterlage, lassen sieh von
jeder Beschmutzung leicht reinigen und bieten dem Ungeziefer
keine unerreichbaren Schlupfwinkel.
Kranke mit profusen Diarrhoeen, Blutdiarrhoe und
Cholera linden sofort in dem hier zu besprechenden Diarrhoe-
saal Aufnahme, während die meist reichlich mit Abgängen
beschmutzten Ochsenkarren einer gründlichen Dcsinfection
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unterworfen werden. Die ganz enorme Häufigkeit der Ent-
leerungen, die damit verbundene unglaubliche Beschmutzung
des Materials und der ganz ungewöhnlich unangenehme,
besonders den schweren ßlutdiarrhocen anhaftende, penetrante
Geruch erfordern gebieterisch das Bestehen eines eigenen
Diarrhoesaals. Derselbe wird 2 — 3 stündlich mit Purifier-
lösung, einem englischen, dem Creolin sehr ähnlichen Präpa-
rate, ausgewaschen, wodurch einigermassen für Reinlichkeit
und athembare Luft gesorgt ist, da der Purifier rasch und
dauernd andere Gerüche beseitigt. Beschmutzte Schlafstätten,
hier die Kegel, weil die Mehrzahl der Kranken die bereit-
stehenden, blechernen Leibschüsscln unbenutzt und unter sich
gehen lässt, werden ebenfalls sofort mit Purifierlösung abgo-
spiilt und dann direkt den tropischen Sonnenstrahlen bis zur
völligen Trockenheit ausgesetzt. Einige der Betten haben
auch da, wo ungefähr der Anus des Patienten zu liegen
kommt, eine in die Bretter eingesetmittene Öffnung, unter
welcher dann die Lcibschüssel steht. Besonders Kranke mit
Blutdiarrhoe mit 60 — 80 Entleerungen im Tage ziehen solche
Betten allen anderen vor, da sie so weder Liegestatt noch
Decke beschmutzen und auch des mühsamen Ganges
zum Nachtstuhlc enthoben sind. Chinesische Cholerakranke
klagen ständig über innere Hitze und ertragen keinerlei Be-
deckung, müssen sogar oft mit Gewalt davon abgehalten
werden, sich völlig unbekleidet auf den kalten, nassen Cement-
boden des Saales zu legen — im grossen Gegensätze zu am
gleichen Leiden erkrankten Europäern, welche nicht warm
genug bedeckt werden können und fortgesetzt Kältegefühl
äussern. Der Wärter des Diarrhoesaals hat beständig einen
kleinen Petroleum-Kochapparat zur Hand, mit dein er sofort
die nöthigen Wassermengen erwärmt für die oft Wunder
wirkenden, häufig in Anwendung kommenden, heissen Tannin-
einläufe. Zu erwähnen ist hier, dass niemals einer der Wärter
des Diarrhoesaals, an welche grosse Anforderungen gestellt
werden, an Blutdiarrhoe oder Cholera erkrankte. Es Hessen
sich jedoch zur Ausfüllung dieses Postens nur Opiumraucher
herbei, welche durch die höhere Besoldung dieser Stelle eine
ausgiebige Befriedigung ihrer Leidenschaft erzielten.
Das Personal des Hospitals hat folgende Zusammen-
setzung: 1. Ein europäischer Arzt, dem ein europäischer
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Assistent, meist ein gelernter Apotheker, zur Seite steht;
letzterer besorgt auch die Herstellung der nöthigen Arzneien
und Präparate.
2. Ein chinesischer Oberaulseher, der das gesummte
chinesische Personal unter sich hat und für Aufrechterhaltung
von Ordnung, Disciplin und Reinlichkeit verantwortlich ist ;
er theilt auch die kleinen, in einem tropischen Hospitalhnus-
lialte unumgänglichen Disciplinarstrafen aus.
3. Ein javanischer Oberaufseher, verantwortlich für die
lnohamedanischen und Ilindu-lnsassen des Hospitals, Javancn,
Tamils und Malaien.
4. Je ein chinesischer Wärter für die drei Barraken
und den Diarrhoesaul.
5. -Ein Chinese, dem Ordnung und Reinlichkeit im
Operationszinuncr und die zahlreichen, täglichen Temperatur-
messungen aufgetragen sind.
6. Zwei aus dem Punjab stammende, früher in der
englischen Colonialarmee gedient habende .Sikhs, denen der
uöthige Polizeidienst, Nachtwachen mit Stundenschlagen aut
einem Gong, Rücktransport der geheilten Kranken auf die
Plantagen und die Besorgung der Lampen obliegt.
7. Ein javanischer Gärtner mit zwei ebenfalls java-
nischen Gehilfen, welche für die Gartenanlagcn im Areal des
Hospitals und für Niedrighalten des hohen Grases in der
nächsten Umgebung des Hospitals zu sorgen haben. Letzteres
ist wegen der häutigen, stets Feuergefahr mit sich bringenden
Grasbrändc unumgänglich nöthig.
8. Ein chinesischer Gemüsegärtner, welcher auf einem
zum Hospitale gehörigen, aber ausserhalb des Areals gelegenen
Terrain das für die Insassen täglich uöthige Quantum von
frischem Gemüse zu ptlanzen hat, wofür er ausser einem
testen, monatlichen Gehalt eine dem Werth der abgelieferten
Vegotabilien entsprechende Entschädigung erhält — eine sehr
gesuchte Stelle, welche ihren Inhaber meist rasch bereichert,
da er von den Abfällen der Gärtnerei Schweinezucht treiben
kann. Zu diesem Zwecke verkauft ihm auch der Koch des
Hospitals alle Abfälle der Anstalt um ein Billiges.
S). Ein Tamil Wäscher aus Madras zur Reinigung der
Hospitalkleidung; auch Bengalen aus Calcutta linden (dt
Verwendung in dieser Stelle.
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10. Ein chinesischer Koch mit einem chinesischen
Gehilfen.
Die monatliche Besoldung des geflammten , farbigen
Personals, welches mit wenigen, auf religiöse Vorschriften
begründeten Ausnahmen freie Kost im Tlospitul bezieht,
betrügt ungefähr 130 Dollars, früher nahezn Mk. 520, zur
Zeit bei dem niedrigen Silbcrwerthe nur ungefähr Mk. 260.
Der tägliche Dienst wurde in der folgenden Weise
gehandhabt : Morgens um sechs Uhr mit dem in jenen
Breiten zu jeder Jahreszeit glcichbleibenden Tagesanbruch
werden die Barraken durch den die Schlüssel führenden
Sikhwächter im Beisein des europäischen Assistenten geöffnet,
welcher sich nun bei einem ersten, raschen Gange durch die
Locale von dem Zustande der schweren Patienten und der
Zusammensetzung der Stühle, ob mit oder ohne Blut, in den
während der Nacht gebrauchten Leibschüsseln überzeugt.
Die chinesischen Wärter sorgen nun für die nüthische Reini-
gung nnd für Wegbringung der Nachtstühle und Uringefasse,
deren je drei in jeder Barrake stehen — Leibschüsseln
erhalten nur die besonders zu beobachtenden Kranken — ,
während die Patienten zum Flusse eilen, um ihr Morgenbad
zu nehmen. Kurz nach sieben Uhr erscheint der Arzt zur
Visite und werden auf diese folgend allenfalls nöthig
gewordene Verbandwechsel und die Behandlung der stets
anwesenden Augenkranken vorgenommen, auch erhalten die
zur Entlassung kommenden Kulis letzte Vorschriften und ihre
Papiere. Während dieser Maassnahmen sind in der Vorhalle
des Operationszimmers sämmtliche Luetiker, denen Ein-
reibungen verordnet sind, angetreten und reiben corarn medico
und unter den aufmunternden Augen des chinesischen Ober-
anfsehers kräftig ein — die einzige Manier, um bei diesen
Patienten eine erfolgreiche Inunctionskur durchzusetzen.
Frisch an Lues Erkrankte erhalten während der arbeits-
reichen Pflanzzeit Calomelinjectionen, um schwere Symptome
bis zur Einbringung der Ernte hintan zu halten. Vor
Reengagement von Luetikern werden die Pflanzer vom Arzte
gewarnt, da Inficirte meist im zweiten Jahre nicht ira Stande
sind, ein Feld zu bearbeiten und besser bei leichterer
Arbeit fahren, abgesehen davon, dass sie die Pflanzung
schwer durch fortgesetzte Hospitalunkosten belasten. Um
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elf Uhr erfolgt die zweite ärztliche Visite, zu welcher die
Morgentemperaturen von säinmtlichen Fieberkranken vor-
liegen. Der mit den Temperaturmessungen betraute Chinese,
stets ein höchst verlässiger und gewissenhafter Mann, dem
durch die zahllosen Messungen eine grosse Routine eigen
ist, hat zu diesem Zwecke alle Patienten, so weit sie im
Stande sind zu gehen, in der Vorhalle des Operationszimmers
vereinigt. Dort liegen sie reihenweise auf Matten und
werden mit Maximalthermometern in ano gemessen. Der
Chinese vermerkt auf einer Liste die gewonnenen Tempera-
turen, welche dann der Arzt unter Aufrufung des betreffenden
Patienten in dessen Krankengeschichte einträgt, worauf dann
sofort die Verabreichung der nöthigen Chininmenge in
Lösung erfolgt. Nach Abschluss der Krankengeschichten
erhalten sämmtliche Fieberkranke noch ein ungefähr
200 grammes fassendes Glas Cocktail, eine der Stokes’schen
Mixtur nicht unähnliche Mischung aus Milch, Ei und Cognac
oder Genever unter Zusatz von Zucker; auch diese Ordination
hat coram medico zu erfolgen, weil die Kranken ohne Zusicht
den heilsamen Trank einfach verweigern oder an aus-
gesprochene Alkoholliebhaber, wie sie auch unter Chinesen
Vorkommen, vertauschen oder verkaufen würden. Jene
Kranken, welche nicht im Stande waren, auf eigenen Füssen
zur Temperaturmessung zu kommen, werden nun noch an
ihren Betten besucht und erhalten dort Chinin und Cocktail.
Nachmittags gegen ein halb vier Uhr beginnt der Verband-
wechsel für die stets in grosser Zahl im Hospitale befindlichen
Patienten an Ulcus cruris, wobei auch alle nöthigen Opera-
tionen ausgeführt werden. Die Menge dieser Kranken ist in
zwei Abtheilungen geschieden, von denen immer eine jeden
zweiten Tag frische Verbände erhält. An ein längeres
Liegenlassen der Verbände ist unter den Tropen nicht zu
denken , sowohl wegen der starken Hautsekretion als auch
wegen der raschen Zersetzung von selbst gut inprägnirten
Verbandsstoffen; am häufigsten, besser zwei Mal als ein Mal
täglich, müssen feuchte Verbände gewechselt werden. Sofort
auf den Verbandwechsel folgt die zweite, tägliche Temperatur-
aufnahme mit abermaliger Verordnung von Chininlüsung und
Cocktail. Abends um acht Uhr, zwei Stunden nach der
Abendmahlzeit der Kranken erfolgt die letzte Visite. Die
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Kranken befinden sieh dann auf ihren Betten, bereit zum
Schlafe. Assistent und die Aufseher begleiten den Arzt und
der sonst mit den Temperaturmessungen betraute Chinese
trägt einen offenen Kasten, in welchem alle in der Regel
zur Verwendung kommenden Arzneimittel in Lösung oder
Pillenform vorhanden sind. Die Lösungen sind für jene
nicht allzu seltenen Patienten, welche unter Markirung einer
Sehluekbewegung die Pillen im Munde bewahren würden f
um sie nach der Visite ungebraucht wieder zu entfernen,
theils aus Misstrauen gegen europäische Arzeneien, theils
aus Angst vor den technischen Schwierigkeiten des Pillen-
sehluekens. Nun kommt Eisen, Arsen, Jodkali, Opium und
im Diarrhocsaal die offiziellen, aus Rismuth, Dermatol und
Opium bestehenden Diarrhoepulver je nach Bedarf zur Aus-
theilung, ausserdem werden allenfalls noch nöthige subcutane
Injectionen mit Chinin, Morphium oder Campher ausgeführt
und die letzten für die Naeht geltenden Anordnungen
getroffen. Jeder Kranke hat nochmals Gelegenheit, sich
direkt an den Arzt zu wenden, der von Bett zu Bett geht.
Nach dieser letzten Visite bringen die Wärter Nachtstühle
und ITringefiisse in die Barraken , die seit sechs Uhr
brennenden Lampen werden bis auf eine gelöscht und der
Sikhwächter schliesst dann die Gebäude ab. Die meisten
Kranken fallen in ihre Decken gehüllt rasch in Schlaf, nur
da und dort glüht auf einer Lagerstätte ein kleines Lämpchen,
dessen matter Schimmer in regelmässigen Intervallen von
narkotisch riechenden Dämpfen verdüstert wird; die Flüster-
stimmen einiger dort lagernder Zopfträger lassen uns erkennen,
dass da der geliebtesten Leidenschaft, dem Opiumrauchen,
gefröhnt wird.
Die im Hospitale verabreichte Kost ist selbstverständlich
der Lebensweise und Gewohnheit der Leute ausserhalb der
Anstalt angepasst. Der gesunde chinesische Kuli isst nur
drei Mal im Tage und bestehen seine Mahlzeiten in der
Hauptsache aus Reis mit Zuthat von Gemüsen und gesalzenem
Fisch ; die Zuthaten bereitet er reichlich mit Schweinefett
zu. Fleisch dagegen ist eine Leckerei, welche er sich meist nur
an seinen Feiertagen erlaubt. In China mit seiner überreichen
Bevölkerung ist auch der Reis nicht für Jedermann erreichbar
und nähren sich dort Tausende nur von den sogenannten
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chinesischen Kartoffeln, den Knollenfrüchten von Batatas
edulis, einer Convolvulusart. Unsere Kranken erhalten Morgens
sofort nach Eröffnung der Baracken einen wannen, steifen
Reisbrei mit Beigabe eines Stückchens Salzfisch und einer
Hortion in Schweinefett geschmorter, schon am vorhergehenden
Tage eingeweichter, brauner Rohnen. Mittags uni zwölf Uhr
ist die Hauptmahlzeit, welche aus drei Gerichten besteht:
I . weich, doch trocken gekochter Reis, 2. mit Salz und
Schweinefett in Wasser gekochtes Gemüse, meist Spinat, Kohl,
Lobak, d. s. chinesische Rettige, Bohnen, Bobnenkeime oder
Eierfrüchte, d. s. die Früchte von Solanum edulis, 3. mit
Fleischsuppe gekochter, dicker Reisbrei, dem nach chinesischer
Art in kleine Stücke gehacktes Rindfleisch beigemischt ist.
Der Koch und sein Gehilfe bringen diese Gerichte in grossen
Holzkübeln vor den Haupteingang der Barracken und die
Kranken erscheinen mit ihren Essgefässen, um sich von jeder
Speise das nöthige Quantum zu holen. Für die Schwerkranken,
welche nicht gehen können, holen die Nachbarn möglichst
grosse Portionen, um auf das von jenen Uebriggelassene
Anrechte zu erwerben. Die Austheilung der Portionen wird
mit grossen, aus halben Kokosnüssen hergestellten Schöpf-
löffeln bewerkstelligt. Vorher erhielt schon jeder Kranke
zur Würze der Speisen ein abermaliges, grösseres Stück
Salzfisch, welches er sich zum Gebrauche kleingerieben oder,
wenn er in der Küche in Gunst steht, dort mit etwas
Schweinefett hat rösten lassen. Bei der Speisenaustheilung
geht es nicht immer ganz friedlich zu ; jeder will die grösste
und schönste Portion und schimpft, wenn er sich in seinen
Erwartungen getiluscht sieht, auf den Koch, welcher seiner-
seits die harten Worte mit Zinsen zurückgiebt, so dass
europäische Aufsicht oder doch mindestens die Anwesenheit
des chinesischen Oberaufsehers hier sehr wohl am Platze ist.
Nachmittags kommen die Extrakosten zur Vertheilnng, welche
aus frischen Früchten, in Salz eingelegten Enteneiern, Weiss-
brod und Milch bestehen. Als Früchte eignen sich am Besten
die billig am Platze zu erstehenden Bananen (Pisangs), ferner
Orangen, für welche fiebernde Chinesen eine besondere Vor-
liebe besitzen, und noch mehr die sehr schmackhaften und
gesunden Früchte von Carica Papaya. Die Papnyab&amc
geben nach 6 — 7 Monuten bereits eine reichliche Ernte und es
121
sollte bei jedem tropischen Hospitale eine grosse Pflanzung
derselben bestehen. Die Lieferung der Milch besorgt ein
bengalischer Milchbauer, welcher mit seinen Kühen einen
dem Hospitale gehörenden Kuhstall bewohnt und dem die
Benutzung der umliegenden Grasplätze zugestanden ist. Dafür
giebt er die Flasche Milch zu einem billigen Ausnahmspreis
(12 Dollarcents) an das Hospital ab. Im nahen Städtchen
besitzt die Milch mindestens den doppelten Werth. Die mit
Sonnenuntergang um sechs Uhr verabreichte Abendmahlzeit
besteht aus den gleichen Gerichten wie das Mittagsmahl, nur
befinden sich nun im Reisbrei an Stelle des Rindfleisches
grosse Stücke von weichgekochten, chinesischen Kartoffeln.
Dieselben bezieht das Hospital von den Gemüsegärtnern
in der Umgebung des Städtchens für 70 Dollarcents das
Pikol (60 gf). Als Getränke steht den Kranken den ganzen
Tag Aufguss von chinesischem Thee, kalt und warm, zur
Verfügung. Alkohol, soweit nöthig, kommt in den schon
erwähnten Cocktails zur Verabreichung, während Wein, den
Chinesen etwas völlig Unbekanntes und Unerwünschtes, nur
auf specielle, ärztliche Verordnung gegeben wird.
Erwähnung verdient noch das Opium, welches in einem
Hospitale mit chinesischen Patienten natürlich eine grosse
Rolle spielt. Im Allgemeinen besteht der Grundsatz, keinerlei
Rauchopium an die Kranken zu geben, jene aber, welche
den nöthigen Vorrath mit sich bringen, am Gebrauche dieses
Genussmittels nicht zu hindern. Doch bestehen Fälle, in
denen eine Ausnahme gemacht werden muss. Es sind dies
in erster Linie plötzlich zu Schaden gekommene Opium-
raucher mit schweren Verletzungen, Knochenbrüchen oder
Wunden; sie dürfen unter keiner Bedingung der Unruhe
und .Jactation der Abstinenzerscheinungen ausgesetzt werden
und ist ein normaler Krankheitsverlauf ohne ihr gewohntes,
tägliches Quantum von Opium nicht zu erreichen. In zweiter
Reihe dürfen auch Patienten an schweren, internen Krank-
heiten, besonders Darmleiden, nicht ohne das ihnen noth-
wendig gewordene Genussmittel bleiben. Die tägliche, im
Hospitale gereichte Opiumration entspricht dem Durchschnitts -
quantum, welches ein gesunder, opiumrauchender Kuli bedarf,
und beträgt 2 Hun (chinesisches Gewicht), ungefähr 1,5 gram.,
welche auf 8 Dollarcents zu stehen kommen. Der chinesische
Srthlr r. Schiff*- u. Tropcchyglen*. 9
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Oberaufseher hat den Opiumvorrath in Hilmlen und giebt in
einer kleinen Muschelschale den Heilsaft an die vom Arzte
bczeichncten Kranken ab. Nun befindet sich aber im Hospi-
tale noch eine grosse Anzahl von Chinesen, welche ausser-
halb der Anstalt täglich Opium gebrauchen, nun aber in
Folge eines Fussgeschwüres oder einer Malariainfection zum
Spitalaufenthalt gezwungen, ohne Verdienst sich ihr Genuss-
mittel nicht verschaffen können. Wollte man allen diesen
Gästen Rauchopium verabreichen, so würde ganz abgesehen
von den hohen Unkosten das Hospital erstens einer Opium-
hühle gleichen, zweitens würden aber auch alle Krankheiten
und Wunden einen äusserst schleppenden, langsamen Verlauf
nehmen, wenn die Kranken mühelos im Hospital das Genuss-
mittel erhalten könnten, welches sie im Leben zur Arbeit
anspornt. In diesen so sehr zahlreichen Fällen behilft man
sich mit Opiumpillen k 0,03 oder Opiumtinctur und erhalten
dann die Betreffenden 2 — 3 Mal täglich eine Pille oder
15 — 20 Tropfen der Tinctur. Sie erklären dann, wohl nicht
den Genuss den Rauchens zu haben, bleiben aber von allen
lästigen Abstinenzerscheinungen frei. Bei der letzten, abend-
lichen Visite spielt deshalb das Tropffläschchen mit Opium-
tinctur eine grosse Rolle und muss ein scharfes Auge auf
dasselbe gehalten werden. Nur zu oft fand ich es bereits
per nefas geleert, wenn es frisch gefüllt zum Gebrauche hätte
kommen sollen. Moribunde, welche nicht mehr im Stande
sind, mit Löffel oder Glas einzunehmen, öffnen schmachtend
die Lippen, um sich direkt in den Mund den braunen Saft
einträufeln zu lassen.
Die oben erwähnte Verpflegung kommt bei den zur
Zeit in Sumatra herrschenden Preisen auf ungefähr 8 Dollar-
cents pro Mann und Tag zu stehen. Diese Verpflegung ist
eine völlig genügende, denn die Mehrzahl der Patienten,
welche längere Zeit im Hospital haben verbleiben müssen,
verlässt dasselbe unter deutlicher Gewichtszunahme. Dennoch
ist sic nicht im Stande, wenn ihr überhaupt in dieser Richtung
Wirkung zukommt, ab und zu auftretende Symptome von
Beriberi hintanzuhalten, welche sich an eine bereits bestehende
Malariainfection anschliessen. Auch die Reconvalescenten
von schwerer Rcmittens künnen sich im Hospitale nicht
völlig erholen und müssen deshalb, wenn nicht bald Ödeme
123
und motorische Störungen auftreten sollen, bei Zeiten evac-
cuirt werden. Öftere wird die gesammte Verpflegung an
einen chinesischen Lieferanten ausgegeben, welcher meist 10
Dollarcents pro Mann und Tag verlangt. Dieses Verfahren
besitzt gewisse Vor- und Nachtheile, erfordert aber vor
Allem eine minutiöse Überwachung. Es versteht sich von
selbst, dass den chinesischen Insassen des Hospitals an ihren
hohen Festtagen, Neujahr, Tjapgomeh, Aller Seelen, auch
jene Leckerbissen zu Thcil werden, au denen sie sich sonst
an solchen Tagen erfreuen, das sind frisches Schweinefleisch
mit möglichst viel Speck und verschiedenes Gebäck. Ausser-
dem habe ich keine sich bietende Gelegenheit vorübergehen
lassen, den Kranken die eine oder andere, von ihnen hoch-
geschätzte Extrakost zu gewähren. Da die Chinesen keine
Kostverächter sind und für Leckerei erklären, wovon sich
Europäer mit Abscheu abwenden, so gab es solche Gelegen-
heiten des Öfteren. So wurde jede grosse von den Malaien
gefangene Pythonschlange angekauft, auf die grossen Schild-
kröten im Flusse eifrig Jagd gemacht, jeder in das Areal
des Hospitals sich wagende Pariahhund ohne Erbarmen nieder-
geschossen und den Fleischtöpfen einverleibt — besonders
schwarze Hunde sind Delikatesse für Chinesen — und kein
Tiger auf den umliegenden Pflanzungen gefangen und ge-
tödtet, dessen Fleisch nicht den Insassen d**s Hospitals einen
frohen Tag bereitet hätte.
Die im Hospitale zur Anwendung kommenden Arznei-
mittel stammen aus Deutschland und sind von der Dresdener
Finna Gehe & Co. bezogen, welche auch den Ankauf von
Instrumenten und Apparaten vermittelt. Die Leistungen
dieser Firma waren stets vorzügliche und die Präparate vor-
wurfsfrei; sie übertrafen an Güte stets Produete englischer
Herkunft, nur Chloroform und Guttaperchapapier waren
besser, wenn aus England bezogen. Das Chinin — es wurde
immer mehr muriaticum gebraucht., welches grosse Vorzüge
vor dem sulturicum besitzt — stammt aus der Stuttgarter
Fabrik von Jobst und sind jährlich 15 — 20 Kilo nöthig,
welcher enorme Verbrauch sich eben nur aus der grossen
Anzahl von Malariakranken erklärt. Neben Chinin werden
Bismuth, Tannin, Dermatol und Opium zur Bekämpfung der
Diarrhoeen, Borsäure und Argentum nitricum für die zahl-
9*
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reichen Augcnkranken, Chrysarobin, sogenanntes Gonpnlver,
und Schmierseife bei den hiiutigen Hautmykosen und Vaselin,
Zinkoxyd und Jodoform bei dem Heere von Patienten mit
Ulcus cruris in grösserer Menge verbraucht. Als Antiseptica
genügen Carbol- und .Sublimatlösungen vollständig. Sepsis
ist im Übrigen ein bist nie gesehenes Vorkommniss, stellt
doch das Hospital auf noch nie von Menschen und deren
schlimmsten Parasiten, den Strepto- und Staphylokokken,
bewohntem Terrain in einem noch vor wenigen Jahrzehnten
nur von jungfräulichem Urwalde bedeckten Lande.
Unheilbare Kranke, Lepröse und Geisteskranke werden
in ein von der Liberalität der Pflanzervereinigung gegründetes
Asyl abgeschoben, während durch Malaria zur Arbeit un-
tauglich gewordene Cachecticcr oft von ihren Arbeitsgebern
die Mittel zur heilenden Seereise und Heimkehr in die Heiniuth
erhalten.
Das Hospital besitzt ausserhalb des Areals einen eigonen
Bcerdigungsplatz, wo die Leichen in hölzernen Särgen, auf
welche die Chinesen hohen Werth legen, 6 Fuss tief beige-
setzt werden unter Beobachtung der gewöhnlichen, religiösen
Ccremonieen China’s, Feuerwerk und Ausstreuung von be-
drucktem Goldpapier, wofür stets 50 Dollarcents bezahlt
werden. Sektionen sind nur in Ausnahmsfällen, z. B. zu
forensen Zwecken, möglich, da Chinesen wie Mohamedaner
solche gleichmässig verabscheuen. Eine im wissenschaftlichen
Interesse so sehr wünschenswerthe, häufigere Vornahme von
Obduetionen würde zweifellos eine unheilvolle und unheil-
bare Angst vor dem Hospitale unter der Kulibevölkerung
hervorrufen.
Zum Schlüsse möchte ich noch einige Zahlen über den
Besuch und die Mortalität des Hospitals sowie betreffend
die Häufigkeit von Malariaerkrankungen geben; ich entnehme
dieselben den stets am 1. November an die Direction der
Dcli-Maatschappy abzuliefernden, ärztlichen Jahresberichten:
In 1891 kamen 991 Kranke ein, von denen 196= 19, 8°/0 starben,
n
1892
* H65 „
n
1)
7!
107= 9, 2°/0 „
n
1893
» 1357 „
17
7)
11
83= 6,l°/0 „
n
1894
. nifl ,
17
»
77
121= 7, °/0 „
n
1895
, 1731 „
17
n
11
106= 6,1°/,
125
Diu hohe Mortalität des Jahres 1 ->111 erklärt sieh durch
eine aussergewöhnlich schwere, nach einer längeren Trocken -
periode in Mai und Juni auf tretende Malariaepidemie mit
zahlreichen Fällen von Febris algida, cholerica. 1892 und
1893 gab es in Folge eines plötzlichen Sturzes der Tabak -
preise nur wenig frische Einwanderer aus China und damit
besserte sich das Verhältniss, da ja begreiflicher Weise die
frisch aus China angekommenen Kulis in ihrem Akklima-
tisationskampfe das grösste Contingent für Hospital und
Friedhof stellen. Die wachsende Frequenzzahl des Hospitals
entsteht nicht durch Zunahme der Kulibevölkerung oder zu-
nehmende Morbidität, sondern ist einfach der Ausdruck des
vermehrten Vertrauens in geregelte Hospitalbehandlung so-
wohl bei Pflanzern als auch bei Kulis.
In 1891 zeigten v. 564 internen Kranken 355t»ymptomov. Malaria,
„ 1»92 „
„528
n
t)
419 „
rt
„ 1893 „
„604
n
n
495 „
7)
n
, 1894 „
„913
n
rt
820 „
n
n
womit die
enorme
Präpondcranz
der Malaria
unter allen
internen Krankheiten und auch der riesige Chininverbrauch
zur Genüge illustrirt ist.
Neuere Untersuchungen
Uber
die Aetiologie und den klinischen Verlauf der
Beri-Beri- Krankheit
von Dr. Max Glogner,
Stadsgeneosheer in Sainarnng- Java.
(Vortrag, gehalten in der Soction tür Tropen - Hygiene auf der
fiS. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M.)
(Foitsetzung und Schluss.)
Gibt es nun pathologisch-anatomische Veränderungen,
welche makroskopisch oder mikroskopisch erkennbar uns
diese Lungengefiisslähmung wahrscheinlich machen?
W as die mikroskopische Untersuchung der Gefassc
betrifft, so ist dieselbe zuerst von den holländischen Colonial
ärzten ausgeführt. Lodewyk und Weiss fanden eine constantc
Veränderung der Arterieuwand , die in einer fettigen
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Degeneration der intima bestand. Von Leent sagt auf dem
internationalen Aerztecongress in Amsterdam 1879, dass die
Arterienwand ungen bisweilen atheromatös entartet seien und
dass der abnormale Zustand der Gcfiisswände, der mit Ver-
lust der Elasticitttt einhergebt, den Widerstand erhöht, den
das Blut in den Gefässen findet, und als Ursache der Herz-
hypertrophie betrachtet werden muss. Aber die eigentlichen
die Bewegungen vermittelnden Elemente der Gefässc, nämlich
die Nerven und Muskeln, wurden nicht untersucht, nur Baelz
fand in einem einzigen untersuchten Falle die Nierennerven
degenerirt. — Man muss demnach sagen, dass nach einem
pathologisch-anatomischen Substrat für die pathologisch-anato-
mischen wichtigsten klinischen Erscheinungen beim Bcri-Beri-
Kranken bisher nicht geforscht wurde und dass deshalb von einer
Erkenntniss des Wesens der Beri-Beri-Krankheit noch keine
Rede sein kann. Denn wir wissen nicht, ob die Gefäss-
lahmung neuro- oder myopathischen Ursprunges ist, und es
ist nach der Analogie der am Herzen, Zwerchfell und Extremi-
itäten gefundener degenerirten Nervenfasern nur eine Ver-
muthung, dass hier die GefBsslähmung durch eine De-
generation der Gefässnervcn entstanden sei.
Was die makroskopischen Veränderungen an der Beri-
Beri-Leiehe betrifft, so ist zunächst der längst bekannte, meist
mit Oedem gefundene Blutreichthum der Lungen zu
erwähnen. Bisher hatte man diese Erscheinung in Zu-
sammenhang gebracht mit einer Herzlahmung, die in den
allermeisten Fällen als Todesursache angeschuldigt wird.
Man dachte sich dies so, dass durch einen paretischen Zu.
Btand des Herzens das Blut nicht mehr in vollständiger
Weise durch die Lungengefilssc durch getrieben würde und
sich hier anhäufe und nun das Oedem zur Folge hätte. Der
Befund am Herzen, M. H., stimmt aber nicht mit der An-
nahme einer Herzlähmung als Todesursache. In den meisten
Fällen wird nämlich der linke Ventrikel leer oder wenig
Blut enthaltend und in Systole stehend gefunden, während
derselbe bei einer Lähmung mit Blut gefüllt in Diastole
stehen sollte. Es spricht gegen die Herzlähmung als Ursache
der Lungenhyperämie, ferner der nicht selten zu beobachtende
Befund einer partiellen Hyperämie, öfters sind es nur einzelne
Lappen und zwar nicht immer die untersten oder nur eine
127
Lunge, die hypertonisch sind. 51. H. Dilatation des rechten
Herzens, Lungenhyperitmie mit Ocdem, allgemeiner wie
partieller Natur, können zweifellos am besten durch Gefiiss-
lühmungen im kleinen Kreislauf erklärt werden. In Folge
dieser Goftisslähmungen staut sich das Blut im rechten
Herzen, dadurch entsteht die erwähnte Erweiterung, cs
entsteht ein höherer Druck im Pulmonalsystem, der uns das
häufige Vorkommen der Verstärkung und Verdoppelung des
zweiten Pulmonaltones erklärt, es entstehen grosse Wider-
stände, deren Ueberwindung dem rechten Herzen zufällt
und die Hypertrophie zu Stande bringt.
Ich habe oben bemerkt, dass in der Gegend des
Pulmonalostium die systolischen Geräusche am deutlichsten
und häufigsten gehört werden. Wodurch entstehen dieselben ?
Da möchte ich erst eines Befundes gedenken, den man
häufig an der Beri-Beri-Leiche antrifft, nämlich eine bisher nicht
hervorgehobene Dilatation des unteren Theiles der Arteria
pulmonalis. die zweifellos auf dieselbe Ursache zurückzu-
führen ist, wie mehrfach erwähnte Dilatation des rechten
Herzens. Wenn man den Umfang der Arteria pulmonalis
und Aorta 1 Ccntimcter über der Ansatzstelle misst, dann
findet man Differenzen, welche bisweilen das dreifache und
vierfache des Normalen erreichen. Wenn die unteren Ab-
schnitte der Arteria pulmonalis durch Blutstauung gedehnt
sind, dann kann man sich vorstellen, dass bei jeder Systole
die gedehnten und erschlafften Pulmonalwände in abnormale
Schwingungen gerathen und die systolischen Geräusche
erzeugen. — Wir hätten somit in den Gefiisslähmungen im
Lungenkreislauf für die am rechten Herzen vorkommenden
Erscheinungen eine Erklärung gefunden. — Besitzen wir
nun auch für die Hypertrophie der linken Ventrikel Beobaeh
tuugen, welche auf GefUsslähmungen im grossen Kreislauf
Hinweisen?
Da ist zunächst einer klinischen Erscheinung zu
gedenken, die längst bekannt ist, sehr häufig am Bcri-Bcri-
Kranken beobachtet wird, aber trotzdem noch von keinem
der zahlreichen Beri-Beri-Forseher zu erklären versucht
wurde. — Es ist dies die Verminderung der Urinmenge ; das
tägliche Urin<iuantum ist bisweilen auf das Drittel des
Normalen herabgesetzt. Von einer Herzschwäche als Ursache
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128
kann deshalb nicht die Rede sein, weil man Zeichen hierfür
nicht nachweisen kann und die Hcrzhypertrophic sich mit
einer Herzschwäche schwer vereinbaren Hesse.
Von einer Nephritis kann ebenfalls nicht die Rede sein,
da in der überwiegenden Zahl der Fälle die Zeichen an der
Leiche hierfür fehlen. Ein sehr häutiger Befund an der
Leiche sind dagegen Hyperaemien der Nieren. Dieselben
sind bisweilen nur an einer Niere vorhanden, während die
andre Niere blutarm ist, und wir werden auch hier an Ge-
fässerkrankung denken müssen. Wir wissen durch Versuche,
dass Strömungshindernisse die Urinmenge herabsetzen. Die
Physiologen, besonders Senator und Munk, haben dafür
experimentelle Beweise geliefert, und wir werden uns diese
Gefässerkrankungen wohl am besten als Paresen oder Para-
lysen vorstcllen, die einerseits Strömungshindernisse, Herab-
setzung der Stromgeschwiudigkeit, erhöhten Widerstand für das
linke Herz zur Folge haben. Aber es sind von den Unterleibs-
organen nicht nur die Nieren, die so häufig hyperämisch ge-
funden werden, auch Leber, Milz, Därme zeigen bisweilen eine
starke Blutfüllung, bisweilen allein, bisweilen alle zusammen,
so dass man sich den Tod ähnlich wie beim Goltz’schen Klopf-
versuch durch eine Unterleibsgefässlähmung erklären kann.
Jedenfalls darf man aus allen diesen Beobachtungen,
für die man in der Litteratur in genau gehaltenen Seetions-
berichten hinlängliche Beweise finden kann, den Schluss
ziehen, dass nicht eine Herzparalyse, wie ein Autor dem.
selben nachgeredet hat, die Ursache dieser Blutüberfüllungen
sind, d. h. dass es Stauungshyperämien sind, sondern dass
wir hier locale Gefässerkrankungen und zwar Gefässlähmungen
vor uns haben. Dieselben setzen grössere Widerstände,
welche das Herz durch erhöhte Thätigkeit zu überwinden
trachtet, sodass es hypertrophirt. Diese Erkrankung der
Gefässwände ist aber ferner noch an mehreren andern klini-
schen Erscheinungen zu erkennen. Die Veränderungen der
Pulscurve einzelner Arterien, die localen Blutdruckherabsetz-
ungen, die erhöhte Wärmeabgabe der Extremitäten weisen,
wie ich dies in Virchow’s Archiv auseiuandersetzen werde,
entschieden auf Gefässerkrankungen hin.
Die vierte von mir erwähnte Erscheinung, die Pulsation
der ganzen Herzgegend, beruht zweifellos auf einer grösseren
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129
Füllung des dilatirten rechten Herzens und einer durch die
gegebenen Widerstände erhöhten Kraftanstrengung des hyper-
trophsten Herzens. Der Zustand des Herzens, wie ich ihn
zu schildern mich bemüht habe, ist der Spiegel, in dem
sich der krankhafte Zustand der Gefässe zu erkennen gibt,
da die directe Beobachtung des krankhaften Zustandes der
Gefässc mit Schwierigkeiten verbunden ist, sind wir gezwungen,
oft in diesen Spiegel hinein zu blicken, und deshalb ist eine
fortlaufende Beobachtung des Herzens beim Bcri-Beri-Kranken
von der allergrössten Bedeutung.
M. H. Die Erscheinungen am Herzen und Gefiisssystein
stehen bisweilen ganz im Vordergrund, während die motorischen
und sensiblen Störungen an den Extremitäten gering sind oder
ganz fehlen, sodass ich in der in Virchow’s Archiv noch zu ver-
öffentlichenden Arbeit eine vasomotorische Form der Beri-Beri-
Krankheit aufgestellt habe, der ich eine zweite Form an die Seite
stellte, bei der die motorischen Erscheinungen stark hervortreten.
Die dritte am häufigsten in den Malaienländern vorkommende
Mischform vereinigt beide Gruppen von Erscheinungen.
Im November 1892 beobachtete ich an einer Reihe von
Beri-Beri-Krankcn einen noch nicht beschriebenen Zustand
der Herzthätigkeit. — Untersucht man bei einem Kranken,
der noch nicht zu lange an dieser Affcetion leidet, die An-
zahl der Pulsschläge in der Minute täglich in Ruhelage, die
der Kranke einige Zeit vor der Untersuchung einnehmen
muss, dann findet man, dass an einzelnen Tagen die Herz-
thätigkeit beschleunigt ist, um zur Norm zurückzukehren
und hierauf wieder zu steigen. Wenn man diese Beob-
achtungen mehrere Wochen fortsetzt und die Anzahl der
Pulsschläge in Curvcn überträgt, dann bekommt man eine
graphische Darstellung der Herzthätigkeit, wie Sie dieselbe
hier in intermittirender Form, mit Exacerbationen und Re-
missionen auf diesen Tafeln I, II und III sehen.*) Ich habe
bei einer grossen Anzahl Kranker derartige Curvcn gezeichnet,
und es hat sich ergeben, dass dieselben in den Fällen, wo
Herzerscheinungen vorhanden sind , meist einen unregel-
mässigen, intermittirenden Verlauf zeigen und nur in einzel-
*) Der schon wieder in Indien befindliche Verfasser hat leider
die Tafeln nicht beigefügt. D. Ked.
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130
nen wenigen Fällen in regelmässigen Zwischenräumen inter-
mittirend gefunden werden, wie hier bei der II. Curvc.
Wenn man nun während der Exacerbation des Pulses
auf die andern klinischen Erscheinungen achtet, dann findet
man meist ebenfalls eine Zunahme derselben. Die Kranken
klagen über Steigerung der Parästhesien, der Appetitlosig-
keit, der Schwäche in den Extremitäten, und bisweilen tritt
mit oder direct nach einer solchen Pulsbeschleunigung Fieber
ein. In wenigen Fällen nehmen die motorischen Störungen
in dieser Zeit so erheblich zu, dass eine Lähmung der unteren
Extremitäten erfolgt.
M. II. Es galt nachzuweisen, ob die Gipfel der Puls-
curve mit einer Herabsetzung der Nervenerregbarkeit auf
den elcctrischen Strom zusammen fiele, denn nur so konnten
die meist subjectiven Klagen des Patienten auf objective
Weise sicher gestellt werden. Es ist dies im allgemeinen
äusserst schwierig, da einerseits derartige Untersuchungen
an den Gefässnerven nicht auszuführen sind, und andrerseits
die krankhaften Erscheinungen an den Nerven der Extremi-
täten nicht gleichmässig und bei den meisten Kranken in
nicht allzu starker Weise auftreten.
Die Fälle, welche man in der Littcratur beschrieben
findet, sind meist schwerer Art und der diesen Verhältnissen
ferner Stehende kommt dann zu dem Schluss, dass diese
schweren motorischen Störungen an den Extremitäten zu den
häufigeren Erscheinungen der Beri-Beri-Krankheit gehören.
Dies ist keineswegs der Fall. Es gibt wohl auf der ganzen
Welt kein Gebiet, wo die Beri-Beri so häutig vorkommt,
und wo zu derartigen Beobachtungen sich bessere Gelegen-
heit bietet, als in Atjeh, dem Norden von Sumatra. Von
hier werden monatlich 2 — 300 Kranke nach den Bergen
Westsumatras cvaeuirt. Die Entfernung von den Kranken-
sälen bis zum Zuge, der die Kranken nach dem Hafen von
Oleh-leh führt, beträgt einige hundert Meter, sodass die
Kranken mit cinigennassen schweren motorischen Störungen
an den unteren Extremitäten in Tragbahren nach dem Zuge
befördert wurden. — Von uns Aerztcn wurde cs nun schon
als eine schwere Evacuation bezeichnet, wenn für 150 — 200
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131
Kranke 20 — 30 Tragbahren nöthig waren, meist waren nur
10 — 15, bisweilen noch weniger erforderlich.
M. H. Trotz dieser Schwierigkeiten, das Zusammengehen
der Pulsexacerbation mit der Zunahme der Herabsetzung
der Nervenerregbarkeit fcstzustellen, ist mir doch dieser
Nachweis bei einigen Fällen gelungen. Die Untersuchungen
werden in der Weise ausgeführt, dass die Muskeln der
Unterschenkel dureh Reizung der nervi peronei und tibiales
mit dem constanten Strom zur Contraetion gebracht wurden
und zwar wurde täglich bei Kathodensehl iessung die mini-
malste Zuckung am Galvanometer festgestellt, die Anzahl
der Milliamperes, bei denen diese minimalsten Zuckungen
erfolgten, können in Curven übertragen werden und es zeigt
sieh dann, dass mit den Exacerbationon der Puls- und
Nervencurve erhöhte Temperatur eintritt, so dass man wohl
für alle diese Erscheinungen eine gemeinsame Ursache an-
nehmen darf, die sich in bestimmten Zeiten entwickelt und
dann dem Körper deletär wird.
Die Ursache der Beri-Bcri ist seit Jahrhunderten
Gegenstand der Forschung gewesen. Ganz zu Anfang hielt
man dieselbe für ein nicht näher detinirtes Gift, welches
wegen der häutigen Erkrankung der unteren Extremitäten
von unten her in den Körper eindringen sollte. In der
neueren Zeit spielten die Ernährung, das Wetter, verdorbener
Reis und Fisch, Würmer, besonders das Anchylostoma duo-
denale als Aetiologie ihre Rolle, bis die bacteriologischo Aera
in Europa begann. Sofort fanden eine Anzahl Forscher in
den verschiedensten Ländern Bactcricn thcils im Blut allein,
oder in allen Organen sowie dem Nervcn-System. Ich kann
alle diese entdeckten Baetcrien als Ursache der Beri-Bcri
angeschuldigten Organismen hauptsächlich deshalb nicht als
solche anerkennen, weil sie hier nicht den intermittirenden
Verlauf, wie ich ihn soeben geschildert habe, erklären können,
der allerdings den betreffenden Autoren unbekannt war. Die
Entwicklung der Bactcricn erfolgt allmählich, nicht so stoss-
weise, wie man es den kleinsten Verhältnissen gemäss von
der Ursache der Beri-Beri erwarten muss.
Es musste hier etwas vorhanden sein, welches der
Ursache der Malaria ähnlich war. Als ich meine Unter-
suchungen begann, fand ich bei den ersten Fällen, die grade
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in den Fiebermonaten Javas behandelt wurden, im Finger-
blute extra- und cndoglobuläre Amoeben, die ich, weil bei
den meisten mit den Fiebererscheinungen auch die motorischen
Störungen Zunahmen, trotz ihrer morphologischen Ueberein-
stimmung für eine von den Malaria-Amoeben verschiedene
Art hielt. Im Laufe der festgesetzten Untersuchung hat sich
dann herausgestcllt, dass diese Plannodien wirkliche Malaria-
erreger waren und dass dieselben in einzelnen Fallen auch
die Erscheinungen der Beri-Beri-Krankhcit hervorzurufen
im .Stande sind.
Ich habe in Virchows Archiv mehrere dieser Fälle, bei
denen diese Malariaplasmodien gefunden wurden, mitgethcilt,
wo zugleich mit den Fiebern die Erscheinungen der Beri-
Bcri-Krankhcit eintraten und bei Verabreichung von Chinin
mit dem Schwinden der Fieber die Symptome des Beri-Beri
zurückgingen. Ein aetiologiseher Zusammenhang ist bei
diesen Fällen zweifellos.
M. H. Ich habe vorhin bereits erwähnt, dass ich diese
Malariaamoeben bei Beri-Beri-Kranken in den Fiebermonaten
Java’s fand. Als in den folgenden Monaten Dcccmbcr und
Januar die Malariafieber geringer wurden, war der Befund
bei den neuhinzugekommeneu Fällen im Fingerblut negativ.
Ich ging deshalb an die Untersuchung des Milzblutes, weil
dieses Organ häufig vergrössert gefunden wurde, ein Befund,
den frühere Untersucher wieder als Complication angesehen
hatten, dessen Zusammenhang mit der Beri-Bcri-Krankheit
Fiebig zuerst betont hat und mir auf Grund meiner Beob-
achtung wahrscheinlich war.
Unter aseptischen Cautelen wurde auf der Stelle der
deutlichsten Dämpfung mit einer ausgeglühten Iridiumnadel
cingc8tochen. Man kommt hierbei mit der Spitze entweder
in die Pulpe, grössere Arterien oder Venen. Die näher zu
beschreibenden Organismen, welche ich im Milzblut fand,
kommen nur in der Milzpulpe vor, und wenn man recht un-
glücklich ist und mit der Nadelspitze in grössere Arterien
oder Venen geräth, wird die Untersuchung stets negativ
ausfallen.
Die Milzpunetion unter aseptischen Cautelen ausgeführt,
muss als ungefährlich bezeichnet werden, sie ist weniger
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schmerzhaft als der Einstich in den Finger, wenn man sich
vor der Verletzung einer Kippe in Acht nimmt.
Von 98 Beri-Beri-Kranken habe ich hei (53 den folgenden
Organismus gefunden :
Es sind meist rundliche bisweilen ovale, meist stark
pigmentirte cxtraglobulär lebende. Gebilde, die bei einer
Grösse von ‘/io — '/is eines rothen Blutkörperchens sich Uusserst
lebhaft bewegen und mit einem Pigmontkörnehen versehen
sind. Bei einer Grösse von V« — V* eines rothen Blut-
körpers findet man im Centrum meist mehrere Pigmentkörner,
welche in deutlicher Bewegung sind und um diese herum am
Rande einzelne Pigmentkörner, die meist unbeweglich sind.
Je grösser der Organismus wird, um so deutlicher wird der
Randpigmentkrcis , der eine Masse beweglicher Pigment-
kömer einschliesst. Die Farbe des Pigments ist meist
schwarz, bisweilen mehr braunroth. Die Pigmentbildung ist
bisweilen so stark, dass man von dem Zellenleib so gut wie
gar nichts zu sehen bekommt. Das Ganze erscheint dem
Beobachter dann bei oberflächlicher Betrachtung als Pigment-
haufen, in dem man aber bei genauerem Zusehen die Pigment-
körner sich durch einander bewegen sieht. Bei den schwach
pigmentirten Gebilden kann man das weissliche Uusserst zarte
Protoplasma deutlich erkennen. Die Fortentwicklung findet
auf ähnliche Weise statt, wie bei den Malariaplasmodien.
Ihr Rand theilt sich in eine Anzahl blasser Protoplasmastücke,
welche Pigment besitzen, das wahrscheinlich vom Randpigment
abstammt. Die Grösse dieser Organismen bei demselben
Patienten ist meist verschieden, bisweilen besitzen sie ungefähr
gleiche Grösse, aber meist sind sie in verschiedenen Ent-
wicklungsstadien vorhanden, eine Erscheinung, welche die
Zunahme der klinischen Erscheinungen in unregelmässigen
Zwischenräumen am besten erklärt, denn wir werden nun
ähnlich wie bei den Malariafiebern die Zunahme der klinischen
Erscheinungen mit der Sporulation in Zusammenhang bringen.
M. H. In den Milzen von Beri-Beri-Kranken findet
rann öfters einen grossen Reichthum von Pigmentkörnchen,
die einzeln oder in Haufen vereinigt gefunden werden, die
auch einmal eine rundliche Form annehmen können, ausser-
dem in Pigment verwandelte rothe Blutscheiben, ferner weisse
Blutkörperchen, die stets mit Pigment gefüllt sind, und es ist
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du bisweilen schwer, sich zurecht zu finden, besonders in
Präparaten, wo diese Orgunisnien abgestorben sind. In
frischen Präparaten ist die Entscheidung leicht, man sieht
dann eine deutliche Bewegung der Pigmentkörner. Da ich
diese Organismen in Fällen fand, welche mit Milzvergrüsserung
uml Fieber verliefen, so hielt ich sie anfangs für stark pig-
mentirte Malariaplasmodien. Bei weiteren Untersuchungen
überzeugte ich mich jedoch, dass zwischen ihnen und dm
letzteren gewisse Unterschiede beständen. Diese Milzplas-
modien sind viel stärker pigmentirt als die Malariaplasmodien
und unterscheiden sich in den meisten Fällen durch die be-
schriebene Gruppirung des Randpigments. Bisweilen fehlt
diese Randpigmentirung, das Pigment ist dann gleichmässig
über den Zellenleib vertheilt und wenn dann zugleich weniger
Pigment vorhanden ist, dann ist eine Aehnlichkeit mit den
extraglobulftren Malariaplasmodien sehr gross. Ein weiterer
biologischer Unterschied ist der, dass diese Milzplasmodien sich
nur im Milzblut vorfinden, es soll damit natürlich nicht ge-
sagt sein, dass die kleineren beweglichen Formen nicht auch
einmal ins circulirende Blut gerathen, aber es wird dies
immerhin als eine Seltenheit bezeichnet werden müssen. Sie
scheinen ein grosses Haftungsvermögen zu besitzen, was man
daran erkennt, dass ihre Zellenleiber in frischen Präparaten
am Deckglas bei Druck haften bleiben ähnlich den weissen
Blutkörperchen, mit denen sie jedoch wegen der Form der Pig-
mentirung, der Bewegung der Pigmentkörnchen, den ver-
schiedenen Entwicklungsstadien sowie ihrer geringen Farbe-
aufnahme nicht zu verwechseln sind. M. H. Es wäre wunder-
bar, wenn diese pigmentirten Organismen bei dem grossen
Fleiss, der die Beri-Beriforseher stets beseelt hat, nicht schon
gesehen worden wären. In der Litteratur findet man zu
häufig Angaben über starke Piginentirungen der Milz, dass
man wohl Annahmen darf, dass das Pigment dieser Organis-
men bereits erkannt wurde, wenn auch das Plasma unge-
sehen blieb und das Ganze als parasitär nicht aufgefasst wurde.
Am frühesten hat der holländische Colonialarzt Neeb auf
diese Milzpigmentirungen aufmerksam gemacht.
Von den 63 Kranken, bei denen diese Milzplasmodien
gefunden wurden, waren bei 12 die endoglobulären oder
rundlichen und halbmondförmigen extraglobulären Malaria-
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135
plasmodien vorhanden. Diese Fälle zeichneten sich den
andern gegenüber, wo nur der Milzparasit vorhanden war,
durch die Schwere der motorischen Lähmungen aus, und man
sieht auch hier, wie deletär der Einfluss des Malariaerregers ist.
Von den Fällen, wo nur die Milzparasiten vorhanden
waren, waren bei 87°/o Milzvergrüsserung und 70, 2°/# Fieber
zu beobachten, während bei den Fällen mit negativem Befund
25% Milzvergrüsserung und 25°/0 Fieber vorhanden waren.
Es ist mir wahrscheinlich, dass auch bei den Fällen mit
Fiebererscheinungen, die übrigens meist 39° nicht überschreiten,
diese Organismen doch vorhanden und dass dieselben bei
der einmaligen Untersuchung nicht gefunden wurden.
Dass Milzvergrüsserung und Fieber zu häufigen Er-
scheinungen gehüren, beweisen die Beobachtungen anderer
Autoren. Scheube und Baelz fanden 45 und 50% Fieber-
temperaturen, der englische Autor B e n 1 1 y 70,6%, also ebenso-
viel wie ich. Auch andere Autoren geben in ihren Krankenge-
schichten häufig Temperatursteigerungen an, und man kann, wie
manche Autoren diesthun, die Beri-Beri nur dann für eine fieber-
lose Erkrankung halten, wenn man die Fieber für Compli-
cationen hält. Fiebig hat die Milz häufig vergrüssert ge
funden und hält sie für eine der Beri-Beri -Krankheit zuge-
hörige Erscheinung, Pekclharing und Winkler erklären,
dass die Milz bei ihren Sectionen häufig vergrüssert war,
beziehen dies aber ebenso wie einige andere Autoren auf
die Erscheinung, dass man in Indien, den Malarialändern,
häufig vergrösserte Milzen vorfinde. Die ist aber nach meiner
Erfahrung entschieden nicht richtig, einen so grossen Procent-
satz von 50 — 70% an vergrösserten Milzen hat das indische
eingeborene Publicum nicht aufzuweisen. Pekclharing und
Winkler geben selbst keine näheren Zahlen hinsichtlich der
Milzvergrüsserung an.
Bei einem so grossen Procentsatz von Fieber und Milz-
vergrösserung bei meinen Beri-BerifiUlen mit Mikroorganismen-
befund war wohl ein aetiologischer Zusammenhang mehr als
wahrscheinlich. Nun ist mit den Fieberanfällen auch eine
Exacerbation der Pulscurve und Herzeurve zu erkennen und
wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir für alle diese
Erscheinungen die Ursache in diesem Milzparasiten und seiner
Vermehrung suchen.
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136
M. H. Damit ist aber die Ursnclie für die Beri Bern
Krankheit dnrcliaus nicht erschöpft. Es giebt zweifellos
Falle, wo die Erscheinungen der Beri-Beri zugleich oder im
Anschluss an eine Dysenterie auftreten, wo ein aetiologischer
Zusammenhang nicht bezweifelt werden kann, ich habe in
Virchow’s Archiv bereits ein Beispiel dafür gegeben. —
Bei einer Reihe von Fällen, und dies sind diejenigen, bei
denen die Untersuchung des Milzblutes negativ ausfiel, waren
anfangs Fiebererscheinungen vorhanden, an welche sich die
Erscheinungen der Beri-Beri-Krankheit anschlossen.
M. II. Eine ähnliche Erscheinung ist auch bei der
europäischen multiplen Neuritis bekannt. Dieselbe kommt
nicht selten als Nachkrankheit einer ganzen Reihe infeetiöser
Erkrankungen, wie Diphtheritis, Typhus u. s. w., vor. Dieser
letzte Punct darf bei der Beri-Beri-Krankheit nicht ausser
Acht gelassen werden, und ich fasse auch die Fälle ohne
Mikroorganismenbefund mit Initialfieber als Nachkrank-
heiten einer ursprünglich vorhanden gewesenen fieberhaften
Erkrankung auf.
Aber nicht jede Dysenterie, nicht jede Malariaerkrankung
macht Beri-Beri, ebenso wenig wie jede Diphtheritis, Typhus
die Erscheinungen der multiplen Neuritis hervorbringt und
so bringt auch nicht in allen Fällen der beschriebene Milz
parasit die Erscheinungen der Beri-Beri-Krankheit hervor.
Es giebt atypische Fieber mit Milzvergrösserung, wo der
Milzparasit vorhanden ist und die Erscheinungen der Beri-
Beri-Krankheit fehlen, auch hierfür habe ich bereits ein
Beispiel gegeben.
Nach meinen Untersuchungen ist die Ursache der Beri-
Beri-Krankheit, ähnlich der multiplen Neuritis in Europa,
eine vielfache, für die Malarialänder glaube ich die Haupt
Ursache in dem Milzparasiten und den Malariaplasmodien
sehen zu müssen. Ob diese Ursachen auch in andern Ländern,
wie Japan, Brasilien, den anderen Hauptheerden der Beri-Beri,
dieselben sind, wie in den Malaienländern, müssen weitere
Untersuchungen feststellen.
M. H. Ich habe mich bemüht, im Vorgetragenen Ihnen
eine Uebersicht über die Untersuchungen zu geben, welche
mich in den letzten 3 Jahren in Samarung beschäftigt haben.
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13?
Sie sehen, dass noch eine ganze Reihe weiterer Fragen be-
antwortet werden muss, bis wir zu einem vollen Verständuiss
dieser interessanten Krankheit gelangt sein werden.
II. Besprechungen.
Seheube, Dr. B., Die Krankh eiten der warmen
Länder.
(Fortsetzung.)
Gelbfieber. Das Gelbfieber wird durch ein speci-
fisclies Krankheitsgift hervorgerufen, dessen Natur noch
unbekannt ist. Die von verschiedenen Seiten in den Geweben,
Se- und Exkreten der Kranken gefundenen Mikroorganismen,
die die Erreger des Gelbfiebers sein sollten, haben einer
kritischen Nachprüfung nicht Stand gehalten. Auf welchem
Wege das Krankheitsgift in den Körper eindringt, wissen
wir nicht. Die Inkubationsdauer beträgt gewöhnlich 2 bis
3 Tage. Nach der jetzt wohl allgemein geltenden Ansicht
ist die Krankheit nicht contagiös: nicht der Gelbfieberkranke
ist es, welcher ansteckt, sondern die Gelbfieberlokalität.
Unzählige Male ist beobachtet worden, dass Kranke nach
gelbfieberfreien Orten gebracht werden, ohne in diesen auch
nur eine einzige Erkrankung nach sieh zu ziehen, wenn die
Oertlichkeiten der zur Entstehung einer Epidemie nöthigen
Bedingungen ermangelten. Das Gelbfiebergift ist auf weitere
Strecken verschleppbar. Die Verschleppung erfolgt vorzugs-
weise durch den Schiffsverkehr. Als Träger dienen sowohl
Menschen als auch leblose Gegenstände (Kleider).
Das Gelbtiebergift hat zu seiner Entwickelung eine
hohe Temperatur nöthig. Die mindeste mittlere Winter-
temperatur muss circa 22 0 C. betragen. Das Gelbfieber
pflegt an bestimmte Oertlichkeiten geknüpft zu sein und
zwar an volkreiche Städte, die an der Meeresküste oder an
schiffbaren Flüssen liegen und in Folge, dessen Schiffsverkehr
haben. Gelbfieber bleibt meist in der Ebene und zeigt sich
nur ausnahmsweise im Gebirge.
Von allen Rassen besitzen die Neger die geringste, die
Weissen die höchste Empfindlichkeit für das Krankheitsgift.
Archiv t Schifft u. Tropanbygiene. 10
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Neu Angekommenc sind für die Ansteckung melir empfänglich
als solche, die bereits längere Zeit im Lande sind. Frauen
erkranken seltener als Männer, ebenso Greise und Kinder.
Leute, die viel mit Feuer zu tliun haben, Heizer, Küche,
Bäcker erkranken am leichtesten, Cigarrenarbeiter am
seltensten.
Der Antang der Krankheit setzt für gewöhnlich
plötzlich unter Schüttelfrost ein. Zuweilen gehen 2 — 3 Tage
vorher Prodrome voraus. Hohes Fieber 39 0 C., Kopf- und
Lendenschmerzen, gedunsenes Gesicht, injicirte Bindehaut,
Erythem des scrotums. Brechneigung findet sich im Beginn
der Krankheit. Manchmal findet sich schon jetzt etwas Eiweiss im
Urin. In den nächsten 2 — 3 Tagen erfolgt eine Zunahme der
Symptome. Die Temperatur steigt bis 41 0 0. Es tritt Icterus
ein, der aber in sehr akut und tüdtlich verlaufenden Fällen
fehlen kann. Am 4. Tage tritt bedeutender Nachlass fast
aller Symptome ein, die Temperatur sinkt bis zur Norm, der
Puls geht auf 40 — 30 Schläge in der Minute herunter.
Häufig schliesst sich unmittelbar hieran die Reconvalescenz,
häufiger aber erfolgt wieder eine Verschlimmerung und die
Krankheit geht in das dritte oder Collapsstadium über. Die
Temperatur steigt wieder an, es stellt sich remittirendes
Fieber ein — manche Fälle verlaufen fieberlos — und
es tritt Blutbrechen auf. Es werden schwarze kaffee-
satzartige Massen erbrochen. Der Stuhl wird diarrhöiseh,
enthält schwarze Massen wie das Erbrochene, cs tritt Anurie
auf und die Kranken gehen im Collaps zu Gruude. Diesem
Krankhcitsbilde stehen andere gegenüber, bei denen einmal
nur so geringe Zeichen vorhanden sind — Kopfweh, Lenden-
schmerz, Druck im Magen — dass die Kranken ihren Geschäften
nachgehen, bis plötzlich Blutbrechen anftritt und die schwere
Erkrankung erkennen lässt, andererseits solche Fälle, die in
36 Stunden tüdtlich verlaufen. Der Prozentsatz der Sterb-
lichkeit schwankt zwischen 15 — 75°/o, je nach den einzelnen
Epidemien.
Die Gelbfieberleichen zeigen gewöhnlich äusseren und
inneren Icterus, Blutungen in die verschiedensten Organe,
parenchymatöse Degeneration der Leber und der Nieren
und die fettige Degeneration der Capillaren und des Herzens.
139
Die Diagnose des Gelbfiebere bietet keine Schwierig-
keiten dar, wenn es sich um ausgebildete Fälle desselben
während einer Epidemie in seiner engeren Heimat handelt.
Anders dagegen in vereinzelten ausserhalb derselben auf-
tretenden Fällen. Daun kommen namentlich Icterus gravis
und biliöse Remittens (Schwarzwasserfieber) in Betracht.
Die Prognose ist schlecht, sobald das Initialfieber
über 41° C. steigt und der Urin bei hohem Eiweissgehalt
spärlich ist. Als ungünstige Vorzeichen gelten ferner das
frühzeitige Auftreten von Icterus und schwarzem Erbrechen
Bei derProphy laxe werden Besserung der hygienischen
Verhältnisse der Städte und Quarantainemaassregeln empfohlen.
Die Einzelheiten darüber sind im Original einzusehen.
Die Therapie ist symptomatisch. Bei Beginn der
Erkrankung wird gewöhnlich ein Abführmittel gegeben,
später zum diaphoretischen Verfahren übergegaugen, gegen
das Blutbrechen Liquor Ferri sesquichlor 15,0/1000, 0 mit
Zucker 1. stdl. 1 Esslöffel.
Das Mitt eimeerfieber, das früher für eine eigen-
thümlichc Form des Abdominaltyphus oder eine Combination
von Typhus und Malaria angesehen wurde, wird nach den
Untersuchungen von Bruce durch einen Mikrokokkus bedingt,
den er Mierococcus Maltensis nannte und der für Affen
pathogen ist. Die Thiere bekommen Fieber und sterben
nach 13 — 20 Tagen. — Die Inkubationsdauer schwankt wahr-
scheinlich zwischen wenigen und 20 — 30 Tagen. Die Haupt-
zahl der Erkrankungen fällt in die Monate Juli bis Sep-
tember. Das Mitteimerfieber ist nicht kontagiös. Mit der
Besserung der hygienischen Verhältnisse hat die Anzahl der
Erkrankungen wesentlich abgenommen. 1859 erkrankten
269,5°/00, 1888 nur 71,2°/n0 der englischen Soldaten in Malta.
Die Krankheit beginnt mit Fieber, das bis 40,5° C.
steigen kann, und Stirnkopfsehraerzen, Glieder-, Lenden-
schmerzen und Appetitlosigkeit verbunden mit Uebelkeit ge-
sellen sich hinzu. Der Stuhl ist in der Regel angehalten,
manchmal aber tritt Durchfall von typhusähnlicher Beschaffen-
heit ein. Gewöhnlich ist eine profuse Schwcissabsonderung
vorhanden. Daher ist die Krankheit auch als Febris sudoralis
bezeichnet worden. Das Fieber besteht länger als 1 — 2
Wochen. Mitunter treten rheumatische Affektionen ein, die sich
io*
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140
in Schwellung der Schulter und Kniet- und Hüftgelenke
Kusse m. Neuralgien und Orchitis treten im Laufe der
Krankheit hinzu.
Charakteristisch sind für das Mittclmcerfieber die Rück-
titlle, die die Krankheit Uber Monate hinziehen kennen. Der
lJrocentsatz der Sterblichkeit betrügt 2
An den Leichen erscheint der ganze Darm geröthet,
im Dickdarm finden sich noch ausser der Röthung Geschwüre.
Die Milz ist vergrössert, weich und zerfliessend.
Bei der Diagnose macht mitunter die Unterscheidung
von Abdominaltyphus Schwierigkeiten.
Die Therapie ist symptomatisch. Vorsichtig muss
man mit der Diüt sein. So lange Fieber besteht, ist Hüssigc
Nahrung geboten.
Ueber das indische Nasha-Fieber berichtete
Fernandez 1894 auf dem indischen medicinischen Congress.
Es tritt vorzugsweise in Bengalen auf und ist durch mehr-
tägiges Fieber charakterisirt, dem eine eigentümliche Hyper-
aemie der Nusenschleimlmut gewöhnlich vorausgeht. Das
Fieber ist resistent gegen Chinin. Tödtlieher Ansgang ist
selten.
Dasjapan ische Fluss- oder U eberschwemm ungs-
fieber ist 1879 zuerst vomßälz beschrieben worden. Es
ist auf einen kleinen Bezirk an der Westküste der japanischen
Hauptinsel beschrankt. Es ist charakterisirt durch fieber-
haften Verlauf, umschriebene Hautnekrose, Lymphdrüsen-
schwellung und Hautexanthem und tritt zur Zeit der regel-
mässigen Ueberschwemmungen auf. Meist ohne Vorboten
treten Schwellungen der Lymphdrüsen einer Körpergegend,
z. B. einer Leiste, einer Achselhöhle, des Halses, auf. In
deren Nähe findet sich dann eine umschriebene Hautnekrosc.
Mit Vorliebe sitzen diese Nekrosen an feuchten Hautstellen,
z. B. an den Genitalien, in der Achselhöhle. Der Schorf
hat etwa 2 — 4 mm im Durchmesser. Es finden Bich bis 4
solcher Stellen. Die entsprechend befallenen Lymphdrüsen
sind hart und sehr druckempfindlich. Die Temperatur be-
trügt bis zu 40° C., es besteht fast stets Bindehautkatarrli.
Am 6. oder 7. Tage tritt unter Steigerung des Fiebers ein
Exanthem nuf, das zuerst an Schläfen und Wangen erscheint
und aus dunkelrothcn Papeln besteht. Gleichzeitig mit dem
141
Exanthem und zwischen diesem treten an den Unterarmen
und am Rumpfe zahlreiche kleine dunkelrothe Knötchen auf.
Die Kranken jammern viel, wahrscheinlich in Folge einer
allgemeinen Ilyperaesthesie. Der Schorf löst sieh und unter
ihm findet sieh ein rundes Kratergcachwür mit steilen, scharfen
Rändern, das nur wenig Eiter absondert. Die mittlere Dauer
des Flussfiebers beträgt 3 Wochen. Die Mortalität wird von
Bälz auf 15°/0 angenommen.
Das unbekannte Krankheitsgift haftet an dem aufgc-
sehweinmten Lande, und die Ucbcrsehwemmungen spielen
zweifelsohne eine Rolle bei der Entwicklung der Krank-
heitserreger. Die Ucbersehwemmungcn finden regelmässig
im Frühjahr statt. Fast ausschliesslich werden Schnitter be-
fallen und Leute, «lic den geernteten Hanf sortiren und
reinigen.
Die Therapie ist symptomatisch.
(Fortsetzung folgt.)
Le d i agnostie bac 1 6 r iologiquc d u pnl ud isme par le
Dr. du Bois, Saint Scrvin, mödeein de premiere classe de
la marine. (Archives de medecine navale et coloniale.
1896. N. 5 p. 335, T. 65.
Verfasser giebt in seinem Aufsätze zunächst einen
ganz kurzen historischen Ueberblick über die Entdeckung
der Malaria-Parasiten durch Lavcran und weist auf die
diagnostische Wichtigkeit der entsprechenden Blutbefundc hin.
Seine Resultate gewann er hauptsächlich durch Blut-
untersuchungcn während der Dahomey-Expedition im Jahre
1892 — 93 und bei den aus Madagaskar heimgekehrten
Mannschaften.
Er unterscheidet zunächst bei der Blutuntersuchung
2 Fälle, erstens die Untersuchung während eines Fieber-
Antnlles, zweitens die Untersuchung während der Apyrexic
bei einem „Kachektischen oder einem Anämischen“, der
vorher ISumpffieber üherstanden hatte.
Im ersten Falle soll das Blut des Malariakranken im
Beginne des Anfalls immer Parasiten enthalten, gleichgültig,
ob er Chinin genommen oder nicht.
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142
Da du B. gar nicht angiebt, für welche Fiebertypen
das EUtreffen soll, ist die Analyse derartig allgemein ge-
haltener Angaben unmöglich. A. Plehn hat in Kamerun
bei dem Vorhandensein von nur 1 Parasitengeneration einige
Stunden vor dem Fieberanfalle bis in den Schüttelfrost hin-
ein im peripheren Blute keine Parasiten finden können, da
diese dann in inneren Organen ihre Sporulation durch-
machen. Referent sah in Kamerun bei den remittirend ver-
laufenden Erstlingsfiebern, die in überwiegender Mehrzahl
an Bord zur Beobachtung kamen, Parasiten von verschiedener
Entwicklungsstufe oft in allen Stadien der Krankheit. Hier
handelte es sich eben um mehrere Parasitengenerationen.
Bei 2 Fällen von genau beobachteter Quotidiana konnten
ebenfalls in allen Stadien der Krankheit Parasiten nach-
gewiesen werden. Indess kamen auch schon bei heimischer
Tertiana Anfälle vor, während deren nur eine äusserst sorg
same Beobachtung das Vorhandensein von Blut-Parasiten
feststellen konnte. Wenn dann ferner du B. sagt, dass im
lebenden Blute nur die etwa sich findenden Geisselfonnen,
Halbmonde und die grossen pigmentirten freien oder endo-
globulären Körper sich gut finden Hessen, dass aber die
kleinen, noch pigmentlosen und gewisse kleine Theilungs-
formen in der Mehrzahl der Fälle unbemerkt blieben, so
trifft das für den geübten Beobachter nicht zu. Wer öfter
mit einem guten Miskroskop die kleinen, oft lebhaft beweg-
lichen, blassen Parasiten gesehen hat, die jeden Augenblick
von der Ring- in die Scheibenform und umgekehrt über-
gehen, wird bald lernen, sich vor Verwechslungen mit den
napfförmigen Ausbuchtungen der rothen Blutzellen zu be-
wahren. Letztere sind durchschnittlich grösser, erscheinen
stärker lichtbrechend, bedeutend schärfer konturirt und viel
weniger beweglich. Ihre Form bleibt meistens eine runde
oder ovale. Bei den jungen Parasiten der Tropenfieber
sieht man sehr oft durch Verdünnung des Plasmas im
Centrum des Parasiten die dunklere Substanz der rothen
Blutzellen durchschimmern, du B. geht auf diese hier nur
kurz angedenteten differential diagnostischen Momente nicht
ein. Da er aber gerade die Wichtigkeit des schnellen Auf-
findens der Malaria-Erreger betonte, war es nothwendig, die
relative Einfachheit der Untersuchung im lebenden Blute
143
hervorzuheben. Referent hatte anfänglich auch che Leb-
haftigkeit der amöboiden Beweglichkeit der jungen tropischen
Malaria-Parasiten unterschätzt. Nach du B. sind die vor-
erwähnten kleinen Formen nur durch dio Färbung leicht
nachzuweisen. Zu erwähnen ist, dass er mit Recht gerade
diesen kleinen unpigmentirten Formen die grösste Wichtig-
keit beimisst. Für wünsehenswerth hält er die Färbung auch
bei der Blutuntersuchung bei einem Kachetiker im Zustande
der Apyrexie, der sich unter Chininbehandlnng befindet.
Häufig hat er dann Halbmonde und grosse, starke pigmen-
tirte, sphärische Körper finden können, wenn auch in sehr
geringer Anzahl in dem jedesmaligen Präparat. Ucbrigens
sind die grossen stark pigmentirton Sphären und Halbmonde
so charakteristisch in ihrem Aussehen, dass es allein zu ihrem
Nachweise nicht der Färbung bedarf.
Behufs Anfertigung von Präparaten wäscht und bürstet
du B. dem Patienten einen Finger mit Seife, dann mit
Sublimat und zuletzt mit Alkohol, trocknet ab, legt eine
Ligatur um das erste Fingerglied und sticht in die Finger-
kuppe mit einer ausgeglühten Nadel. Dann fängt er das
Blutströpfchen, das nicht zu dick und nicht zu dünn sein darf,
mit der Mitte eines Deckgläschens auf und legt ein anderes
kreuzförmig darüber. Wenn sich der Blutstropfen ausbreitet,
zieht er die Deckgläsehen vorsichtig voneinander ab, um
Fonnveränderungcn der rothen Blutkörper zu vermeiden.
Wünsehenswerth wäre hier gewesen, wenn der Verfasser
eine genauere Schilderung der zu Täuschungen möglicher-
weise Anlass gebenden eventuellen Kunstprodukte gegeben
hätte. Specicll die kleinen, bei leichtem Druck auf das
Deckglas sich von den rothen Blutzellen abschnürenden
runden Stücke haben durch ihre oft äusserst lebhafte Be-
weglichkeit schon häufig junge, extraglobuläre Parasiten vor-
getäuscht. Das Waschen mit Sublimat erscheint bei Blut-
untersuchungen zur Orientirung, ob Parasiten da sind oder
nicht, entbehrlich, in jedem Falle auch die Anlegung einer
Ligatur. Es schien, als ob sich bei Anlegung einer Ligatur
die rothen Blutzcllcn im frischen Präparat leichter ver-
änderten. Auch die Anwendung der ausgeglühten Nadel
scheint weniger geeignet.
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144
Referent sali an der westafrikanischen Kliste, wie
seihst kräftige Männer direkte Furcht hatten vor dem
Stich mit der Nadel. Ein Stich mit einem Stilet mit kurzer,
vierkantiger Spitze wurde viel weniger schmerzhaft em-
pfunden.
Ob man das Blut auf dem Deckglase verstreicht oder
die Vertheilung zwischen 2 Deckgläschen vornimmt, wie
du B., macht wenig Unterschied. Nur muss man in letz-
terem Falle, was du B. vergisst, sich die die Deckgläschen
haltenden Finger mit Seife und Alkohol vorher waschen,
da sonst durch den die Hand umgebenden Dunstkreis Bich
die Deckgläschen beschlagen und die rothen Blutzellen Ver-
änderungen eingehen können.
Du B. lässt dann die Präparate trocken werden und
fixirt durch Uebergiessen eines Tropfens aus einer Mischung
von Alkohol und Aether as. Wenn die Präparate trocken
sind, 1 — 3 Minuten einlegen in filtrirte Eosin- Lösung
(wasserlöslich) '/ ioo. oder in einer Mischung von
Eosin .... 1,0
Alkohol . . . 60,0
Aq 40,0
abspUlen und einlegen in eoncentrirte wässerige, filtrirte
Methylenblaulösung einige Sekunden bis 4 oder 5 Minuten.
Man soll dann, wenn sich nicht noch eine Nachbehandlung
mit einem der Farbstoffe nöthig zeigt, abspUlen, trocknen
lassen, in Xylol waschen und darauf in Canada-Bnlsam
betten. Man soll dann die rothen Blutzcllen rosa gefärbt
sehen, die weissen Blutkörper verschieden gefärbt. Bei Anä-
mischen und Kachektikern sah er die Zahl der eosinophilen
Zahlen bisweilen enorm vermehrt. Die Parasiten selbst sah
du B. blassblau gefärbt. Ihre Zahl sollte im Beginn des
Fiebers sehr beträchtlich sein, während des Anfalles aber sich
vermindern und während der Apyrexie sehr gering werden.
Die ein- oder mehrfach inficirten rothen Blutkörper zeigen
nach du B. oft eine geblähte Form mit verringerter Färbe-
fähigkeit.
Heber die Grössenverhältnisse giebt du B. keine An-
deutungen. Die kleinsten sind noch unpigmentirt. Wachsend
zeigen sie einige Pigmentkörnchen. Ihre Form soll meist
unregelmässig sein im gefärbten Präparat. Diese Angabe
145
erscheint merkwürdig. Die Mehrzahl der Autoren fand iin
geftrbten Präparat meist typische Ring- oder Sicgclring-
form hei den jungen Formen, bei den etwas älteren mehr
rundliche. Auch dass du B. die jungen Formen z. Th.
noch frei im Blute fand, und ausserdem oft Segmentations-
formen im peripheren Blut, ist bemerkenswert!]. Ueber das
seltene Vorkommen der letzteren Gebilde im peripheren
Blut sind wohl alle Autoren einig, wenigstens soweit cs sieh
um Fieber handelt, die dein estivo-autumnalen der Italiener
entsprechen. Man neigt durchschnittlich der Ansicht zu,
dass die Theilung in inneren Organen statttindet. Freie
junge Formen hat Referent sowohl hei heimischer wie bei
tropischer Malaria nicht sehr oft gefunden. Es schien,
als ob die jungen Parasiten sofort nach dem
Verlassen des Mutterkörpers die rothen Blut-
zellen inficirten. Bei den Segmentationskörpern sah
du B. bis 20 sehr kleiner Sporen. Das Auffinden dieser
Körper giebt du B. die Indikation zu Chinin-Injektionen,
da die erwähnten Formen leicht durch Chinin zu beeinflussen
seien. Einen selteneren Befund bildeten ihm bei Beginn des
Anfalls sphärische Körper und Halbmonde. Dieselben Ge-
bilde sah er auch in der Apyrexie. Bei den Halbmonden
beschreibt er eine regelmässige Gruppirung des Pigments
im Centrum des Gebildes.
Sicherlich kommen indess auch Formen mit zerstreutem
Pigment vor. Auf die gelegentliche Lagerung innerhalb
von rothen Blutzellen geht er gar nicht ein. Eine unge-
wöhnlich grosse Anzahl von Parasiten während der Apyrexie
war ihm das Zeichen, dass ein neuer Anfall bevorstand.
Fand er keine Parasiten, so liess er die Diagnoso
zweifelhaft und suchte sich durch die Befunde der weissen
Blutkörper, wie sie oben angedcutet, zu orientiren. Es ist
das ein sehr trügerisches Mittel.
Um die Geisselforinen im lebenden Blut zu sehen,
schloss du B. das Präparat in Paraffin ein, stellte sich einen
regelmässig pigmentirten Körper ein und beobachtete dann
im Laufe der nächsten 10 — 15 Minuten das Hervorschiessen
der schon so oft geschilderten Geissein. Auch hier ist zu
betonen, dass man die erwähnten Formen sofort nach Ver-
lassen der Blutbahn im lebenden Blute beobachten kann.
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146
Auf die Diagnose der für die Prognose so wichtigen
sterilen Formen, wie überhaupt auf die Verhältnisse des
Kernes wird nicht cingegangen. Wie Referent demnächst
zeigen wird, zeigen die Parasiten der Tropenfieber nämlich
ein ähnliches Verhalten ihrer Kerne, wie die Parasiten der
heimischen Malaria. Die sterilen Formen der tro-
pischen Parasiten, die Sphären, G eisse 1 k ör pe r
und Halbmonde können sich, wie schon an an-
derer Stelle* *) auseinandergesetzt ist, bei voll-
kommenem Wohlbefinden zeigen. Eine Be-
ziehung zum Fieber haben sie nicht. Wegen
ihres Chrom« t inina n g eis scheinen sic unfähig
zur Fortpflanzung.
Am Schlüsse der Arbeit giebt du B. einige ganz all-
gemein gehaltene Thesen, die neues nicht bringen.
Berlin, Februar 1897. Dr. Ilans Ziemann,
Mar.-Ass.-Arzt I. CI.
De l’orc hi te ma I ar i en ne par le Dr. P 1 an t e. Modi ein
de p rentiere classc de la marine. Archives de
med. na vale et colon. 1896. Nr. 5. 1. 65 p. 347.
Ilodencntzündung im Verlaufe von Malaria ist bereits
von Gorrc'), Le Dentu’), Charvot3) und anderen in Frankreich
beschrieben. Von deutschen Autoren ist Martin4) zu nennen,
der sie in Sumatra beobachtete.
In der deutschen Marine ist sic ebenfalls mehrfach
beobachtet. (Statistischer Sanitätsbcricht 1891 — 93. Ostasicu,
Afrika.)
Referent sali nur 1 leichten Fall in Kamerun bei dein
SehifFskneh der Hulk „Cyklop“ und zwar gelegentlich einer
febris irregularis, nachdem vorher schon durch Blutunter-
*) Ueber Blutparasiten bei heimischer und tropischer Malaria.
Von I >r. H. Ziemann, Centralbl. f. Bacteriologie u. Parasitenk. 189fi.
B<1. 20, Nr. 18,' 19.
*) Pathologie exotiipic. 1 1 Orchite paludeenne. Bullet, et mein,
de In soc. de Chir. in Vircli. Hirsch. Jahresbericht 1888 p. 325. *) Ktude
cliniquo sur l'orchite paludeone, revue de Chirurg. VIII. 8. Schmidts
Jahrbücher 1888 p. 120. 4) Aerztliclie Krfahrungen Uber die Malaria
der Tropen-Länder. Berlin, 1889. p. 34.
147
Buchungen festgestelltc latente Malaria bestanden hatte. Die
Orchitis ging fast gleichzeitig mit dem endgiltigcn Fieber-
Abfall und dem Schwinden der Parasiten aus dem peripheren
Blute zurück.
Das schnelle Einsetzen ohne Prodromalsymptome, die
oft sich findende Verschlimmerung und Verbesserung des
Zustandes je nach dem Malaria Stadium, die intensive Schmerz-
haftigkeit, die Beeinflussharkeit durch Chinin, die schnellere
Heilung werden als Unterscheidungsmerkmale gegenüber der
gewöhnlichen gonorrhoischen Affection hervorgehoben.
Bei der letzteren kommt es zuerst zu Entzündung des
Nebenhodens und bleibt die Entzündung in der Mehrzahl
auf dieses Organ beschränkt. Bei Orchitis ex malaria soll es
nach Martin fast gleichzeitig zu Hoden- und Nebenhoden-
entzündung kommen.
Wie fast alle anderen Autoren, giebt auch Plante an,
dass sich diese Komplikation hauptsächlich fände bei Leuten,
die schon mehrfach Malaria-Anfälle überstanden. Hoden-
Atrophie sah er nie Zurückbleiben, niemals auch Vereiterungen
des Hodens bezw. zurückbleibende Schwellung des Neben-
hodens. Im Ganzen sah er 5 Fälle, von denen 2 einen und
denselben Patienten betrafen.
Letzterer hatte schon vorher gelegentlich einiger Fieber-
Anfälle an Neuralgie in der Lumbar-Gegend gelitten mit
ausstrahlenden Schmerzen nach dem einen Hoden und Neben-
hoden. Im Verlaufe eines heftigen Fieber Anfalles traten
heftige Entzündung eines Hoden und Nebenhoden auf. Die
Erscheinung verschwand und wiederholte sich mit den regel-
mässig wiederkehrenden Anfällen.
Nach einem solcher Anfälle kam es zu einer Phlegmone.
Nach Einschnitt reichliche Eitcrentleerung und schnelle Heilung
auch der Orchitis. (J Wochen später wieder heftige Fieber-
Anfälle und Ilodenentzündung. Es kam zu einem oher-
Hächlichen Abscess des scrotum, der nach Ineision zuriickging.
Die Ilodenentzündung hielt noch 3 Wochen mit dem Fieber
an. Zuletzt Heilung. Bei den 3 anderen kam cs zu keiner
Abseessbildung. Die Heilung trat sehr schnell ein, in dem
einen Falle mit dem Ende des Anfalles, der 24 «Stunden
gedauert hatte. In derselben Zeit ging das Volumen des um
das doppelte vergrosserten entzündeten Hodens zui Norm
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148
zurück. In allen Fällen hatte sich die Hodenentzündung
hcrausgobildet im Verlaufe eines ungewöhnlich heftigen
Fieberanfalles.
Es ist sehr zu bedauern, dass Plant«! nicht gleiclizeitig
Blutuntersuchungen angestcllt hat. Dieselben sind unbedingt
notwendig, wenn derartigen kasuistischen Mitteilungen eine
gewisse beweisende Kraft innewohnen soll.
Plant«! glaubt, dass cs sich bei der erwähnten Krankheit
um eine Entzündung des Lympl.-Gefässnetzes des Hoden
und Nebenhoden handle. Da in den heissen Ländein das
Lymph-Gefässsystem überanstrengt würde, sei in demselben
ein locus minoris resistentine gegenüber den Krankheits-
erregern geschaffen. Auf diese Weise sei es auch zu erklären,
warum die Krankheit nicht in der gemässigten Zone aufirätc.
Diese Erklärung erscheint durchaus noch nicht beweisend.
Bei der tropischen Malaria findet, wie durchgehend»
beschrieben ist, die Sporulation vorwiegend oder allein in
inneren Organen statt, möglicherweise, weil die inficierten
Blutzellen, nachdem sie gewisse Veränderungen erlitten, in
den betreffenden Kapillarnetzen zurückgchalten werden.
Vielleicht ist dieses rein mechanische Moment zu einer unge-
zwungenen Erklärung der orchitis ex malaria heranzuziehen.
Berlin, Februar 1897. Dr. Hans Ziemann.
1) L. Breaudat, Contribution ä l’etude bactcriolo-
gique de la „fievre bilieuse hfimaturique“ au
Tonkin. (Arehives de m&lecine navalc, 1896, tomc
soixante-cinquieme.)
Breaudat fand, wie vor ihm Yersin,*) im häiuo-
globinhaltigen Urin von 5 Schwarzwnsserfiebcrkranken, sowie
in dem grüngetärbten Stuhl ein«'» sechsten, 24 Stunden nach
dessen Tode, einen „Cocco-bacillus“, den er auf Grund
genauer bacteriologischer Prüfung für identisch mit dem
„bacterium coli“ hält.
Dass demselben in den mitgcthi-ilten Fällen eine patho-
logische oder gar ätiologische Bedeutung zukomme, behauptet
auch Breaudat nicht.
*) Dasselbe Blatt, Juli 1800.
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140
Referent hat bei zahlreichen Untersuchungen des hämo-
globinurischen Urins Malariakranker bis jetzt nur Fäulniss-
bacterien gelegentlich gesehen. Albert Plelin.
2) Clavac Dr., mddecin principal des colonies. Notes de
pathologie exotique; Deux cas d’heinoglobi-
nurie quinique. Ebenda.
Verfasser berichtet über einen Fall, wo bei einem
jungen Mädchen, das nach sechsmonatlichem Aufenthalt in
der Colonie (wo? ist nicht gesagt) an öfteren leichten Ficber-
an fällen zu leiden begann, deren wegen es drei Monate später
vierzehn Tage lang täglich 0,5 g Chinin nahm, die letzte
Gabe dann Hämoglobinurie mit hohem Fieber und leichten
Jcterus auslöste.
Nachdem der Urin am zweiten Tage normale Beschaffen-
heit wieder angenommen hatte und die Temperatur zur
Norm zurückgekehrt war, wurde am dritten Tage danach
bei völligem Wohlsein wiederum 0,75 g Chinin gereicht.
Zehn Stunden später wiederholten sich die stürmischen Er-
scheinungen : Fieber, Hämoglobinurie, Jcterus. — Als auch
dieser Anfall ohne weiteren Chiningebrauch rasch überwunden
war, wurde vier Tage später (experimeuti causa) nochmals
1 g Chinin gegeben, was ebenfalls Hämoglobinurie, diesmal
ohne Fieber, hervorrief. Rasche vollständige Reconvalescenz
nach Aussetzen des Medicaments.
Ein zweites Mal machte ein fieberkranker, stark malaria-
durchseuchter Ordensbruder, dem Verfasser Chinin verordnetc,
selbst darauf aufmerksam, dass er jedesmal nach Chinin-
gebrauch blutigen Urin entleere. .Schliesslich willigte er i..
einen Versuch, der seine Angaben bestätigte. Heilung.
Verfasser erörtert im Anschluss an diese Mittheilungen
die Frage, ob es sich hier und in den von anderer Seite
beschriebenen Fällen um „Hämoglobinurie durch Chinin“,
oder „Fi£vre bilieusc hämaturique“ gehandelt habe. Er
scldiesst sehr richtig, dass eine Prädisposition, wie sie
(vielleicht neben anderen Momenten, als Lues, Heredität)
ganz besonders Malariaerkrankungen schallen können, für
eine derartige Giftwirkung des Chinins unerlässlich sei. —
Aber leider kommt er nicht so weit, die Consequenz daraus
zu ziehen, dass man vom Chiningebrauch ganz absehen muss,
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150
wenn es seinen verderblichen Einfluss auf Grund wie immer
auch entstandener Disposition zum Blutzerfall bethätigt bat.
Wenn aber Clavak so auch die Frage des Chinin-
gebrauchs bei hfimoglobinurischem Fieber offen lässt, so hat
er doch das grosse Verdienst, wenigstens grösste Vorsicht
im Gebrauch des Mittels anzurathen und nur ganz kleine
Gaben zu empfehlen, die man eventuell öfters wiederholen
soll. Ob die Chinarinde, durch welche Verfasser das Alcaloid
ersetzen will, specifisch anders wirkt, ist doch wohl die
Frage. — Die einschlägige Deutsche T.itteratur der letzten
Zeit ist ihm offenbar noch nicht bekannt.
Jedenfalls ist es sehr erfreulich, hier von ganz anderer
Seite aus den Tropen die Erfahrungen bestätigt zu finden,
welche Friedrich P I e h n und Referent an der Afrikanischen
Westküste in Bezug auf die unter Umständen gefährliche
Wirkung des Chinins auf Malaiiakranke machten, die zu
Blutzerfäll neigen. Albert Plehn.
Winterschlaf und Infection von Dr. Otto Billinger.
Wiener klinische Rundschau. 8. November 189G, Alfred
llülder.
Von der Thatsache ausgehend, dass Bakterien zwar
im thierischen Organismus bei einer stark über die
Norm erhöhten Temperatur getödtet werden können, der
Organismus selbst aber ebenfalls hohe Temperatur dauernd
nicht verträgt, hat Verfasser versucht, auch den Ein-
fluss abnorm niedriger Wärmegrade auf die Bakterien
im Thierkörper experimentell zu studiren. Die einen Winter-
schlaf haltenden Thiere mit ihrer nur weniger über Null sich
erhebenden Körperwärme boten hierfür geeignete Objekte.
Es zeigte sich, dass die Einimpfung von Rotz und Milzbrand
die schlafenden Thiere zwar erweckte, dass dieselben aber
bald wieder einschliefen und im Winterschlaf durch das
eingeführte Gift getödtet wurden. Anders verhielt sich das
Murmelthier gegen Tuberkelbacillen. Es erwachte durch die
kleine Operation nicht, sondern erst zur gewöhnlichen Zeit
nach beendetem Winterschlaf, erkrankte aber dann rasch
und starb an akuter Miliartuberkulose nach einigen Tagen.
Die interessanten Experimente beweisen, dass die Krankheits-
erreger im Organismus gegen Kälte widerstandsfähiger sind
als im Laboratorium. M.
15t
DieSeekrankheitalsTypus der Kinetosen, Versuch
einer Mechanik des psychosomatischen Betriebes von Prof.
Dr. 0. Rosen hach -Breslau. (Wien, Alfred Ilöldcr 18l>ß.)
Als Kinetosen bezeichncte Rosen buch eine Gruppe
von Betriebsstörungen des Organismus, deren Eigentümlich-
keit ist, dass sie verursacht sind durch ungewohnte von
aussen auf den Körper einwirkende Bewegungen. Die Haupt-
bewegungen dieser Art sind: 1. ein rein psychischer Vorgang,
2. die Schaukelbewegung, 3. die Kreisbewegung, 4. Bewegung
in senkrechter Richtung zur Horizontalebene, 5. Rtiekwärts-
bewegung, 6. die schnelle Hemmung bei Bewegungen oder
schneller Uebergang zur Bewegung aus dem Ruhezustände.
Durch diese ungewohnten Bewegungseinwirkungen wird
der dem Normalzustand entsprechende Tonus der feinsten
Gewebsteilchen und deren Schwingungen verändert. Ist auch
der Körper mittels empfindlicher Reguliervorrichtungen bis
zu einem individuell verschiedenen Grade im Stande, den
Einflüssen zu begegnen, so wird die Widerstandskraft doch
oft überschritten, cs treten Störungen, Erkrankungen auf.
Die Seekrankheit hat als Typus der Kinetosen zu gelten.
Die Schiffsbewegungen sind derartige, dass ihnen fast jeder
Organismus, Menschen und Thiere, unterliegt. Besonders ist
es die Drehung des Schiffes um die Querachse, das sog.
Stampfen, welche seekrank macht, also die Auf- und Ab
bewegung und der schnelle unberechenbare Wechsel, welcher
es unmöglich macht, dass die Reguliervorrichtungen in Tliütig-
keit treten.
Die Seekrankheit tritt in zwei Hauptlormen auf, einmal
mit hauptsächlicher Beteiligung des centralen Nervensystems
und zweitens der Bauehorgane; häufig sind Mischformen.
Der Grad der Erkrankung wechselt von leichtem Unbehagen
bis zu den qualvollsten Zuständen vollständigen Vernichtungs-
gefühls, Willenlosigkeit, Versagen aller aktiven vegetativen
Verrichtungen bei unstillbarem Erbrechen, Stuhl- undUrindrang
Die Therapie stellt sich nach dieser Theorie recht trost-
los dar, denn natürlich lassen sich die einmal in abnormen
Tonus gerathenen und abnormen schwingenden Moleküle
durch nichts anderes in ihren alten Zustand zurückbringen
als durch Beseitigen der Ursache, Betreten festen Bodens.
Narcotica können für kurze Fahrten, im Anfang gereicht, den
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152
Ausbruch durch Herabsetzung der Erregbarkeit verhindern,
schliesslich aber muss ihre Wirkung in das Gegentheil Um-
schlagen infolge ihrer lähmenden Eigenschaften. Am besten
hat sich Cocain 0,03 — 0,05 mehrmals gereicht bewährt und
die Morphiumeinspritzung, wohlgemerkt, Anfangs und fiir
kürzere Fahrten. Günstiger ist die Prophylaxe. Durch
Gewöhnung an abnorme Bewegung kann die Regulierfähig-
keit der Gewebe sehr gesteigert werden. Von unmittelbaren
Vorschriften sind bewährt, vor der Abreise überhaupt ruhig
und mässig zu leben, das Schiff erst nach Genuss von etwas
Speise und Trank zu betreten, auch geringer Alcoholgenuss
ist vorteilhaft, Aufenthalt in frischer Luft, horizontale Lage
möglichst in der Nähe der Mitte des Schiffes, Tragen einer
festen Leibbinde, Femhalten von Sorgen, Aufregung und
Angst.
Die hauptsächlichsten sonst aufgestellten Theorien über
das Wesen der Seekrankheit erfahren eingehende Besprechung
und Widerlegung. Diese Theorien sind 1. die Theorie der Cir-
culationsstörungen, wonach abnorme Blutverteilung, besonders
Anämie des Gehinis, das Wesen der Erkrankung ausmachen,
2. die Theorie der Centrifugalkraft, nach welcher die Flüssig-
keitsteilehen im Kürperinnern umhergeschleudert werden, 3.
die centrale Theorie, welche eine Art Gehirnerschütterung,
4. die abdominale Theorie, welche ein Aneinanderschlagen
und Umherwerfen der Baucheingeweide annimmt, 5. die
Theorie des statischen Centrums, 6. die Theorie des optischen
Schwindels infolge des Mangels eines ruhenden Punktes für
das Auge.
Mit der Theorie des Verfassers, welche immerhin die
Anerkennung des hypothetischen Tonus nöthig macht, sonst
aber trefflich begründet ist, kann von allen diesen nur die
Theorie der Circulationsstörungen in Wettbewerb treteu.
Diese erklärt gleicherweise alle Erscheinungen der Seekrank-
heit befriedigend und bleibt dabei auf dem Boden der Tliat-
suclicn. Man kann sich unschwer vorstellen, dass infolge der
dem ganzen Körper erteilten Bewegung hin und her, auf
und nieder, schliesslich die beweglichen Bestandteile, also
das Blut, am Ort des geringsten Druckes, dem Abdomen, sich
stauen, es tritt also eine Uobcrfüllung der Bauchvenen ein,
während das Gehirn anämisch wird. Daher das Gefühl von
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153
Völle, Bleischwere im Abdomen und das Erbrechen, welche
ja im allgemeinen das Bild beherrschen.
Rosen bachs’ eigenartige Ausführungen sind insbe-
sondere den Freunden biologischer Forschung zu empfehlen,
werden aber auch jedem, der die Seekrankheit aus eigener
Anschauung kennt, ein tieferes Verständnis dafür erschliessen,
wenn es auch hier und da nicht leicht wird, dem Verfasser
in seinen Gedankengängen, gehemmt durch die schwere
Schreibweise, zu folgen.
Ein reiches Literaturverzeichnis ist der Arbeit beigegebeu.
Möhring-Cassel.
Uralt, Poree et Vincent. Beribdri en Nou veile
Caledonie. Arch. de mdd. nav. et col., 1895, I p. 134,
187 et 2o0.
Le memoire, malgrd des lacunes qu’il n’a pas dependu
des auteurs de combler, constitue une contribution intdressante
ä la question de l’dtiologie du Beriberi.
Depuisl891 legouvernementfransaisäfavorisdrimportation
a la Nouvelle Caledonie d’ouvriers asiatiques, qui sont eraployds
dans les mines de Nickel; le memoire de Mil. Gral!, Porde
et Vincent reud cornpte de deux dpidemies de Bdribdri
observees, l’une chez des travaillenrs Indo chinois, l’autre
ehez des Japonais.
Parmi les Indo-chinois, sur 785 individus ddbar-
quds en une fois ä Noumda et originaires de 1’Annam, du
Tonkin et de la Cochinchine, on comptait 561 prisonniers
de guerre, 184 prisonniers de droit commun, 40 engages
libres, dout 12 femmes. II est a reinarquer que les prisons
de l’Annam et du Tonkin ne sont pas habituellement
attaquees par le Beribdri; les auteurs attribuent ce fait ä
ce que les prisonniers qui s’y trouvent sont nourris par
leur famille et re<joivent du dehors une alimentation assez
variee. Parmi les condamnes importds ä Noumda um certain
nombre avaient passd par la prison de Poulo Condor (Cochi-
chine) oü le Beribdri est endemique.
Pendant la traversde (15 Fdvrier — 15 Mars) les hommes
recevaient par jour 1 Kilogr. de riz et 200 grammes de
poisson sald. II se produisit 5 ddcds dont 1 par Beribdri.
ArebiT f. Seblffi« u. Tropenhygiene. 11
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154
Aprfes le dcbarquement (17 Mars) la ration fut sen-
siblcment la meine, mais »vec un Supplement d’environ 50
grammea d’abatis de viande fraiehe; pas de pain, presque
pas de I6gnmes. Le riz et le poisson qne continuaicnt ä
former 1c fond de la nourriture provenaient des approvi-
sionnements apportös par le navire : or pen de jours apres le
debarquement l’attention fut attiree snr l'insufliance de la
ration et surtout snr la mauvaise Conservation d’une
partie des denrdes distribudes; toutes ces caisses de poisson
mal seche exhalent une odeur putride et les panvres gens,
ne recevant rien d'autre en sont reduits ä choisir dans clinque
poisson les parties les moins avariees. C’est dans ce monient
qn’apparureut les premiers eas de Berib6ri, dont plnsienrs
ä marche aiguti, foudroyante. Neamnoins le rögime resta le
meine ; et le 25 avril seulement, en prdseene des progres de
l epidemie, le poisson aale fut supprime de l’alimentatiou
et jete a la mer k cause de sa manvaise qualitc.
L’dpideniie ddbuta vers le 1. Avril, alors que les
importes ötaient soumis depuis six semaines au regime exclnsif
dn riz et du poisson. Elle dura quatre mois et atteignit
plus de l’effcctif avec une mortalite de plus de 10®/o.
F irke t- Lütt ich.
III. Verschiedenes.
Zur Mitarbeit an dem „Archiv für Schilfs- und Tropen-
liygiene nsw.“ haben sich ferner bereit erklürt die Herren:
Dr. van Brero, Buitenzorg, Dr. Hey, Odumnse
(Goldküste), Dr. Krohn, Funchal, Dr. Lehmann,
Schlaclitensee, Professor Dr. Moncorvo, Rio de Janeiro,
Dr. Richter, .San Francisco, Dr. Rothschuh, Managua
(Nicaragua), Dr. Sander, Windhoek, Dr. Wittenberg,
Kayintschu (Süd-China).
Die Kolonialabt heilung des Auswärtigen
Amts und das Kaiserliche Gesundheitsamt zu Berlin
haben dem „Archiv“ das von den beamteten Kolonialärzten
eingehende und sonstiges wissenschaftliches Material zur Ver-
öffentlichung in Aussicht gestellt. Gleiche Unterstützung ver-
sprach die Regierung des unabhängigen Congo-Staates zn Brüssel.
155
Unser Mitarbeiter Dr. Dä übler hat zur Fortsetzung
seiner Studien seine Wohnung von Tegel nach Berlin verlegt
(NW. BredowstrasBe 121) und ersucht um Uobor Weisung heini-
kehrender Kranker und Rekonvalescenten zwecks mikro-
skopischer Blutuntersuchung .
Durch eine Verordnung des Königlichen Polizeipräsidiums
zu Berlin und des Regierungspfäsidenten zu Potsdam und
Schleswig ist die Anzcigepiiicht bei ansteckenden Krankheiten
auf den Aussatz (Lepra) ausgedehnt worden.
Die Pest scheint in Bombay etwas abzunehmen. In
der dritten Märzwoche erlagen der Seuche dort 113b Per-
sonen gegen 1258 in der Vorwoche. Bis zum 21. März sind
in dieser Stadt 10045 Menschen an der Pest erkrankt und
8475 daran gestorben. In der ganzen Präsidentschaft waren
bis Mitte März 16 720 Erkrankungen und 13629 Todesfälle
vorgekommen.
Ausser in Karrachee wilthet die Krankheit besonders
in dem wichtigen Garnisonorte Puna und soll auch in Bulsar
ausgebrochen sein. Ueber das Vordringen der Pest auf dem
Landwege lauten die Nachrichten verschieden. In Kandahar
(Afghanistan) soll die Krankheit heftig aufgetreten sein.
Seitens Russlands werden Vorkehrungen zur Verhütung ihres
Vordringens nach Samarkand und Buchara getroffen. Die
vereinzelten Fälle und verdächtigen Erkrankungen auf
Schiffen haben bis jetzt noch zu keiner Einschleppung auf
dein Seewege geführt.
Die von der deutschen Keiehsregierung nach Bombay
zum Studium der Pest und ihrer Behandlung entsandte Ex-
pedition, bestehend aus den Herren: Professor Pfeiffer und
G a f f k y , D r. D i c u d o n n c und D r. S t i c k e r ist in I ndien
angekommen. Yersin und Haftkinc, welcher letzterer von
seinem Pestanfall genesen ist, berichten günstige Ergebnisse
ihrer Schutzimpfung.
Selbst schwere Erkrankungen sollen günstig beeinflusst
werden. Für das Vorhandensein einer grösseren Anzahl
immunisierter Pferde zur Gewinnung des Impfstoffes müssten
die bedrohten Länder rechtzeitig Sorge tragen.
Wie Kolle in der Sitzung der Berliner medizinischen
Gesellschaft am 24. Februar d. J. auseinandersetzte, findet
ll*
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156
man die Pestbacillen, welche denen der Hühnercholera
gleichen, leicht in grosser Zahl die gefärbten Präparate von
Pestbuboneneiter, jedoch auch im Blute, in den inneren
Organen und nach W i 1 m in dem Auswurf bei Pestbronchitis.
Da der Bacillus sich nur an den Polen färbt, so ähnelt der-
selbe einem Diplokokkus. Der Bacillus gedeiht auf allen
Nährböden, wird durch Desinficientien leicht vernichtet,
widersteht dagegen der Austrocknung mehrere Tage.
In der Acad^mie de M4d6cine zu Paris am
16. Februar d. J. besprach Laveran (L’Indöpendance
medicale Nr. 7) das Verhalten der Milz gegenüber der Ma-
lariainfektion. Er kam zu dem Schlüsse, dass die bei der
akuten Malariaerkrankung erweichte und vergrösserte Milz
eine Unzahl von Malariaparasiten in miskrophagen und ma-
krophagen Zellen eingeschlossen beherberge und nicht ein
Schutzwall gegen die Erkrankung dasselbe, sondern als Haupt-
nest des Giftes eine verhängnissvolle Rolle spiele. Laveran
stützt sich auf die Beobachtung, dass Malariakranke nach
Exstirpation der Milz nur mehr sehr leichte Fieber-
anfälle hatten. Diese Ansicht Laverans deckt sich mit der
Anschauung, dass die Phayocythen den Malariaerregern gegen-
über nicht die aktiven Vertheidiger des Organismus sind,
sondern die Angegriffenen.
In der Sitzung der Societe medicale des Höpi-
taux berichtete nach der „Ind^pendance medicale“
Guinon über einen Fall von Chininvergiftung. Ein Neurasthe-
niker versuchte sich durch eine Dosis von 8 Gramm
Chinium sulfuricum zu tödten. Ein lOstündiger Collaps mit
völliger Taubheit und Blindheit war die Folge. Der Kranke
erholte sich jedoch, als nach llstündiger Anurie reichliche
Harnabsonderung eintrat.
In den „Annales de l’institut Pasteur“ vom
25. Februar 1897 bespricht R. Sabouraud seine Beobachtungen
über den Erreger der Seborrhoe der Haut und der „Pelade“,
d. h. der Alopecia areata, als deren gemeinschaftlichen Er-
reger S. einen Bacillus gefunden haben will, welcher durch
Aetherextraktion aus dem seborrhoischen Hautfett gewonnen
und nach Gram gefärbt werden kann. Der Bacillus soll in
saurem Nährboden gezüchtet werden können. Die Beobachtungen
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157
dürften bei der Häufigkeit seborrhoischer Hauterkrankungen
in warmen Ländern unsere Leser intcressiren, bleiben aber
nicht unwidersprochen.
Hutchinson Merrill beschreibt im „New-York medical
Journal“ vom 6. März d. J. erfolgreiche Culturversuche mit
einem Diplococcus. den er als den spezifischen Erreger der
Seborrhoe ansieht.
In derselben Zeitschrift giebt Norton seine Beobach-
tungen von 61 Fällen von Sonnenstich wieder, welche im
heissen Sommer 1896 dem Presbyterian-Hospital zugingen.
Bass im Gegensatz zu anderen Statistiken nur 9 Todesfälle
vorkamen, von welchen 4 Alkoholiker betreffen, schreibt Norton
der rasch, sorgsam und ausdauernd durchgeführten Eis- bezw.
Kaltwasserbehandlung zu, welche jedoch nur unter fort-
laufender Tempcraturniessung stattfinden darf, um tödtliche
Collapsc, wie in einem Falle, zu vermeiden.
Die 69. Versammlung Deutscher Naturfor-
scher und Aerzte zu Braunsehweig ist auf die Tage vom
19. bis 25. September festgesetzt worden. Die Abteilung für
Tropenhygiene bleibt bestehen.
Der internationale Aerzte- und Naturfor-
scher-Congrcss zu Moskau wird vom 19. bis 20. Au-
gust d. J. abgehalten werden (7. bis 14. August russischen
Stils). Fragen, welche die Schiffs- und Tropenhygiene und
-Medizin berühren, stehen in verschiedenen Sektionen auf
der Tagesordnung. Die Sektion für Hygiene, Gesundheits-
Statistik und Epidemiologie hat ihr Programm noch nicht
veröffentlicht. Wir ersuchen Mitarbeiter, welche zur Bericht-
erstattung bereit sind, sich mit uns rechtzeitig in Verbindung
zu setzen.
Eine internationale C o n f e r e n z über den Ge-
sundheitsdienst und die Hygiene auf Eisen-
bahnen und Seeschiffen findet im September d. J. in
Brüssel statt. Der vorbereitende Ausschuss hat, dem Bei-
spiele der entsprechenden Versammlung zu Amsterdam im
Jahre 1895 folgend, folgende Hauptpunkte zur Bcrathung
gestellt: A. Einrichtung des «ärztlichen Dienstes. B. Siche-
rung der Tauglichkeit der Angestellten. C. Hygienische Mass-
regeln und Vorschriften auf Eisenbahnen, See- und Fluss-
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158
schiffen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 5 Franks. Anmel-
dungen sind an den Schriftführer Dr. J. de Lantshccrc,
Brüssel, rue de 1* Association 56, zu richten. Ueber die
maritimen gesundheitlichen Fragen sind besondere noch
Redner erwünscht.
Der j ähr liehe Pr eis von 25 000 Franks, welchen
der König der Belgier alljährlich für die beste wissenschaft-
liche Arbeit über ein von Sr. Majestät zu bestimmendes Thema
ausgeschrieben hat, ist in diesem Jahre auch Ausländern zu-
gänglich. Der Preis winkt dem besten Werke über die
klimatologischeu, hygienischen, pathologischen und therapeuti-
schen Fragen im äquatorialen Afrika mit besonderer Rück-
sicht auf das Congo-Becken. Zu näherer Auskunft ist die
Redaktion des Archivs gern bereit. Die Arbeiten müssen
bis zum 1. Juli d. J. dem belgischen Ministerium des Innern
und des Unterrichts eingereicht werden.
Der internationale Congress zur Berathung der Massregcln gegen
<lio Pest zu Venedig hat seine Arbeiten beendet. In den Beschlüssen
ist man nur wenig über dio Bestimmungen der früher in Venedig,
Paris und Dresden getroffenen Vereinbarungen hinausgegangeu. E*
sind im einzelnen einige Aenderungeu in Bezug auf Gebühren und
Strafbestimmungen zu vermerken. Die Strafe der Schiffskapitänc
z. B., welche den Quarantänebestimmungen und gesundheitlichen Vor*
schriften entgegcnhandeln, ist auf 200 Mark erhöht worden. Die
Mekkapilger haben oino auf 10 Piaster (20 Mark) erhöhte Taxe zu
zahlen. Die ursprüngliche Absicht, den Einzelstaaten die Aktions-
freiheit gegen die Seuche zu nehmen und internationale verbindliche
Massrogoln festzustellen, ist aufgegeben worden, da die Mehrzahl der
Theilnehiner an eine drohende Einschleppungsgefahr der Seuche nach
Europa nicht glaubte. Die Convention wurde von den Vertretern von
Oesterreich-Ungarn, Belgien, Frankreich, England, Luxemburg, Italien,
Montenegro, Rumänien und Holland ohne Vorbehalt unterzeichnet, ad
referendum von «len Delegierten von Spanien, Griechenland, Persien,
Portugal, Serbien und der Türkei. Dio Vertreter Deutschlands unter-
schrieben unter Vorbehalt einiger in Europa zu treffenden Massregeln,
während die Schweiz dieselben ohne Ausnahme anualmi. M.
Professor Sanarelli in Montevideo soll den Bacillus doB Gelb
tiebers entdeckt haben. Einzelheiten folgen später. M.
IV. Pharmakologische Mittheilungen.
Aus der Fabrik Pharmaceutischcr Präparate von Karl
Engelhard in Frankfurt a. M. wird uus ein äusaerst
159
praktischer Blechknsten, enthaltend Medikamente für Expedi-
tionen nacli Tropenlitndern, für Ileer und Marine übersandt.
In einem verhültnissinii.ssig sehr kleinen Raume sind eine
grosse Anzahl Glascylinder, in Fächern einzeln stehend, zu-
samraengestellt , welche die wichtigsten Medikamente in
eomprimirter Form enthalten. Der uns vorliegende Kasten,
welcher eine Länge von 17 und Höhe von 7 Centimeter hat,
enthält 50 Röhren, welche mit Korkstopfen verschlossen sind,
auf denen Inhalt und Dosis, ebenso wie noch einmal an der
Seite der Röhre, gedruckt sind. Die comprimirten Medi-
kamente sind theils rein, wie z. B. Antipyrin, Phenacetin,
theils aus technischen Gründen mit einem indifferenten Binde-
mittel, wie Rad. liqniritiae z. B , vermischt und werden
praktischer Weise von starken Wattestopfen festgehalten,
sodass ein Zerbrechen, welches etwa durch Schwankungen
des Schiffs u. s. w. stattfinden könnte, völlig ausgeschlossen
erscheint. Selbstverständlich können derartige Medikamenten-
kasten in jeder beliebigen Grösse und mit jedem Medikament
gefüllt hergesteilt werden. Ein Umstand, der namentlich
des Kostenpunkts nach sehr zu berücksichtigen ist, dürfte
der sein, dass hier jeglicher Luxus vermieden und ausschliess-
lich nur die Praxis massgebend gewesen ist, weshalb auch
ausser den Kosten für die Arzneimittel fast gar keine Neben-
kosten entstehen. In der Schriftleitung dieses Blattes ist
eine derartige Muster- Reise-Apotheke für die Herren In-
teressenten aufgestellt und werden über Füllung derselben
auf Befragen gern Rathschläge, die sich auf praktische Er
fnlirungen stützen, ertheilt.
Nagell-Cassel.
Tannalhin.
Speziell für die Tropenländer von ganz besonderer
Bedeutung kann ein von der Firma Knoll & Comp, in
Lndwigshafen dargestclltes Tanninpräpnrat sein, welches von
der genannten Firma unter dem Namen Tannalbin in
den Handel gebracht wird. Es stellt ein braunes, völlig
geruch- und geschmackloses Pulver dar, das in Dosen von
1 Gramm für Erwachsene, mehrmals täglich, am besten
2 — 3 Pulver in 1 — 2 stdlch. Pausen, 0,5 für Kinder 1 — 2
auch 3 mal täglich bei Diarrhöen und Dyssenterie gereicht,
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160
ausgezeichnete Dienste leistet. Der Vorzug des Tannalbins
(Tunninalbuminat) ist der, dass es durch geeignetes Erhitzen
bei der Darstellung in Mund und Magen vollständig un-
wirksam gemacht ist, wiihrend es sich im Darm allmählich
unter Abspaltung der unwirksamen Eiweisscomponenten
zersetzt. Dadurch kommt das Ganze in der Gabe enthaltene
Tannin (circa 50°/0) bis in den Darm und erst dort zur
Wirkung. Die Fabrik bringt das Präparat auch in coni-
primirter Form als Tabletten in den Handel, was für
überseeische Zwecke sehr angenehm sein dürfte. Der
billige Preis desselben dürfte die Anwendung in allen Fällen
gestatten. Nach den bisherigen Erfahrungen empfiehlt es
sich, bei Anwendung des Tannalbins den Darm vorher durch
Ricinus-Oel zu reinigen.
Na gell - Cassel.
V. Zur Besprechung eingegangene Bücher
und Schriften.
Dr. Moncorvo (Sohn). Das Lymphangites na infancia e suaa conse-
quencias. Rio de Janeiro 1897, Typographia Moraes.
Br. Paul Tlilmm, Therapie der Haut- und Geschlechtskrankheiten nebst
einer kurzen Kosmetik. Leipzig 1896, Georg Thieme.
Dr. Ernst Schoen, Ergebnisse einer Fragebogenforschung auf tropen-
hygienischem Gebiete. Sonderabdruck aus: Arbeiten aus dem Kaiser-
lichen Gesundheitsamte. Berlin 1897, Julius Spinger.
Prof. Burley und Dr. Noch!. Die gesundheitlichen VerhUltnisse in
der Handelsmarine und auf den modernen Dampfschiffen. Sonder-
abdruck aus der Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Ge-
sundheitspflege. Braunschweig 1897, Friedrich Vieweg & Sohn.
Dr. Doering, Aerztliche Beobachtungen und Erfahrungen auf der
deutschen Togoexpedition 1893/94. Sonderabdruck aus : Arbeiten
aus dem Kaiserlichen GesundheitsAmte. Band XIII.
Dr. Ernst Schoen, Ueber Tropenhygiene. Vortrag. Berlin 1897, Diet-
rich Reimer.
Dr. Widemann, Kriegschirurgisches aus Deutsch-Ostafrika. Sonder-
abdruck aus: Deutsche militärUrztliche Zeitschrift. Berlin 1*97.
Mittler & Sohn.
Dr. Below, Die Epidemie von Aransa. Allgemeine Medicinische Cen-
tralzeitung 1896 No. 100, 1897 No. 7. Berlin, Oscar Coblentz.
Giornale medico del Regio Esercito. Roma, Enrico Voghera.
I. Originalabhandlungen,
Rapport mddical de Boma
du 1 Mars au 30 Novembre 1896.
A. Personnel blanc.
Tableau des prinoipales maladies obaerveea a Boma ohes las agents de l'Etat
pendant les mois de
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Le tableau qui prdcMe, dressd aussi fidelement que
poseible, renferine pour la pdriode susdite In nomenclature
des maladies principales, qui se sont ddclardes parmi le
IS*
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164
personnel blanc de l’Etat comprenant les agents ayant leur
residence k Boma et ceux venant de l’interieur du pavs.
J’ai cru inutile d’y consigner un grand nombre d’affections
banales sans aucune importance. Les chiffres en um eres dans
lesgroupes des fievres simples, des affections gastro-intestinales
et des affections cutanöes sont aussi, comme certains autres
du reste, en dessous de la r^alite : ä l’encontre de la plupart
des nouveaux arrivds que les premiers malaises ddmoralisent
souvent, beaucoup d’anciens agents supportent ces sortes
d’affections avcc une pliilosophique insoucieuce. estimant,
pour employcr l’expression courante „qu’il ne valait pas la
peine de deranger le mddicin pour cela“. Ce qui enleve
ii celui-ci de dresser plus tard une statistique rigourense.
En rdsumd les cas susdits se rapportent ä des cas plus ou
moins sdrieux dans Icsqucls l’intervention du m^dicin a ite
ndcessaire. Sauf pour les affections graves, ils ne nous
donnent, il faut en convenir, que des indications assez vagues.
Pour qu’un tableau de ce gen re ait quclque valeur, surtout
au point de vue de l’etat sanitaire de toute la localitd, il eut
fallu-travail impossible- y consigner tous les cas morbides
observds, tant chez les particuliers que cliez les agents de
l’Etat. Aussi tel qu’il est, n’a-.t-il d’autre pretention que de
donner une idee gdnerale de la repartition des diverses
maladies au cours de la pdriode susmcntionnce.
Fassons en revue les principales.
Fi&vrc simple.
J’entends par lk ces fidvrcs climatiques ou paludeeunes
se bornant k quelques acciis, souvent un ou deux , sans
rdcidives, ou revenant periodiquement pendant un eertain
temps, a quinze jours, trois semaines, un mois d Intervalle.
Degagdes de toute complieation elles dvolucnt si rapideuient
qu’elles n’exigent qu’une Suspension de travail de deux ou
trois jours, quelques fois de quelques lieures, ne laissant
guere aprds elles qu’un ldger embarras gastrique. Comme
l’indique le tableau, ces fi&vres ont eu pour ainsi dire une
egale frdquence de Mars k Novembre. La difference si peu
sensible entre chaque pdriodc mensuelle et le manque de
renseignements sur tous les cas qui peuvent s'etre presentes
ne me permettent pas de faire une distinction bien tranchee
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165
pour une periode determinee. Ccpendant en admcttant comme
seuls serieux les cas ou l’intervention du mcdecin lut reelainüc,
c’est h dirc tous ceux repris daus ce tableau, on voit que
ces fievres ont eu lour maximum de frcquenee en Mai
(periode de transition entre les deux saisons), on Juillet et
surtout en Aoüt (les deux mois les plus froids: Juillet,
moyenne 22° 55 -Aoüt 22° 50). Je ne parle ici que des
agents de Boma, y corapris ceux du fort de Shinka. Quant
a ceux venant de l’inteiieur, les causes des acces de fievre
qui les attendent a Boma sont souvent d’ordre difforents:
il n’y a donc pas a faire entrer ces fievres en ligne de
compte avec cellcs des agents rcsidant dans la loealite.
Fievre inflammatoire simple.
Deux cas: Tun en Juin, l’autre on Aoüt.
Cettc fievre, dite a calore, affecte principalement les
nouveaux arrivds (ce qui est le cas actuel) la forme continue
ou röraittentc pendant un ou meme deux semaines. Ces deux
cas ont dvolud favorablcment mais il n’en a pas dtc de meme
des cinq qui suivont.
Fievre inflammatoire avcc acces pernicieux.
Le premier cas, de forme comateuse, fut observd en
Mars. Un agent depuis neuf mois en Afrique, qui avait
cneore fait sa promenadc habituelle le soir, fut pris subite-
ment la nuit d’un acces de fiüvre. La temperature ne cessa
de monter, sans reaction possible, et ä 10 lieurcs du matin
le malade rendait le dernier soupir.
Les sept mois suivants, aucune fiüvrc de ce genre ä
signaler. Mais en Novembre les acces pernicieux font leur
reapparition : un cas pendant la premierc quinzaine, trois cas
pendant la derniere ddcade: tous morteis.
Le premier se remarque chez un jeunc agent, de haute
taille, au teraperament tres lymphatique, arrivd seulcment
<lepuis deux mois. Duree dix jours. Fievre inflammatoire
de forme remittentc avec troubles gastriques peu prononces
mais grande tendance ä 1’adynaraie. Quarante-huit heures
avant la terminaison fatale, survient un delire agite qui ne
disparait que quelques heures avant la mort pour faire place
au corna final.
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166
Les deux cas suivants, identiques entre eux, se presen-
tcnt ä deux jours d’intervalle chez deux agents d’un certain
äge, maries, peres de famille, en Afrique depuis trois ou
quatre inois. Tous deux passaient pour avoir des liabitudcs
d'intemperance. L’un etait commis travaillant dans un bureau,
l’autre agriculteur. Des le debut des acces ils accuserent
tous deux une forte cephalalgie laquelle persista avec plus
ou moins d’intensite pcndant toute la maladie. Fifevre de
forme remittcnte. üötail caractöristique: le jour de leur
mort, l’apyrexie etait si complcte et l’amelioration semblait
teile que les malades pouvaient circuler dans leur chambre
(l’un d’eux B'etait meme rendu seul au tram pour monter ä la
Croix- Rouge) lorsque le soir la temperature s’clevait de
nouveau pour atteindre une hypertliermie, qui les jetait
dans le coma et les emportait en quelques hcures. La duree
avait <5t6 ehez Tun de quatre jours, chez l’autre de cinq.
Eutin le dernier cas nous est foumi ü la meme öpoquc par
un agent qui avait environ six mois de sejour. II n'avait
jusque lä cprouvö qu’une Indisposition gastro-intestinale, pour
laquelle il s’ctait alite pcndant trois jours, lorsqu'il fut attaint
subitemcnt le lendemain d’une fete, a l’organisation de laquelle
il avait pris une grande part, d’une fievre caractörisee au
debut par des vomissements bilieux trös abondants. Cette
fievre revetit bientöt la forme continuc. Elle ne voulait ceder
h aucun des moyens antithermiques mis en usage, et eile se
termina egalement, apres une döfervescence trompeuse par
un acces pernicieux, qui emporta la malade le septiöme jour.
A quelle cause faut-il rattacher l’explosion de ces fievres,
qui ressemblent singulierement k des insolations ou mieux a
des coups de chalcur?
Il est ä remarquer, que les individus atteints (je parle
des cas de Novembre) etaient tous les quatre de nouveaux
arrivös ; que la fievre les visitait pour la premiöre fois;
qu’ils ont etc frappes tous a la memo epoque, dans un mois
oü la moyenne de la tempörature (Avril, moyenne : 28° 15 —
Mai: 26» 35 — Juin: 23° 15 — Juillet: 22 »55 — Aoüt:
22 »50 — Septembre: 24° 76 — Octobre: 27» 14 —
Novembre: 27 »73 — ) ötait la plus elevöe qu’ils aient jamais
subie, oü probablcment la tension de la vapeur d’eau ötait
tres elevöc, oü l’atmosphere etait plus chargee d electricitc j
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167
que trois d’entre eux präsentaieut des tares, qui devaient
diminucr leur force de rdsistanee vis-ä-vis d’une attaque de
fievre serieuse. Etant donnees ces circonstanees, en admettant
que la force reactionelle de l’organisme varie dans de larges
limites d’un individu ä un autre, il n’y a pas lieu de s’ötonner
outre inesurc de cette mortalitö en apparence exagerde en
egard ä la coincidenee des cas. II est des organ isations
impuissantes ä rdagir contre une p remi^re atteinte sdrieuse:
elles sont fatalement emportees au premier choc. Tous ceux
qui ont passe quelques annöcs dans ces parages, en ont vu
de nombreux exeinples. Et malheureusement il y en aura
toujours, car il n’est pas toujours possiblc de diagnostiquer,
lors de l’engagcment, le plus ou moins de chance de resistance
qu’offrira le nonvel engagö au cliniat tropical.
Fievre bilieuse hemoglobinuriquc
(vulgo : hömaturique).
En raison de l’importancc de cette fievre et pour donner
une idec de sa frdqucnce au cours de la pcriodc qui nous
occupe, j’ai cru dcvoir consigncr dans le tableau suivant tous
les cas, les seuls d'ailleurs, qui sc sont produits, qu'ils m’a
ete donne d’observer tant chez les particuliers que ehez les
agents de l’Etat.
La fievre hemoglobinurique a revetu cette ann6e une
frequenee exceptionnclle. C’cst du moins l’opinion gdnerale
des anciens, car, je n’ai pas sous les yeux les statistiques
des ann4es precddcntes. Sur les 17 cas, 14 ne sont que des
recidives. Deux morts parmi ces recidivants : un agent de
l’Etat (arrive de l’intärieur deux mois auparavant: 27 mois
de söjour), un particulier (5 ans de sdjour). Deux deces ä
signaler parmi les trois cas de premiere atteinte: un agent
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168
de l’Etat (resident ä Boina, dans sa troisieme annee de
Service), un particulior (9 mois de sejour).
Coimne on le voit cotte rcdoutable visiteuse a surtout
feit son apparition pendant les mois de .luillct, Aoüt,
Septem hre, Octobre. Faut-il en rechereher la cause dans
une infiuence metöorologique ? II serait interessant, a ce
sujet, de consulter les statistiques des annees antörieures et
de voir quelles sont les öpoques les plus frequentes de son
apparition. Faut-il plutot y voir coimne je suis portö ä le
croire, une Sorte de genie epidemique, inconnu dans son
essence , independant de toute influence metiorique , et
revcnant il des periodes plus ou moins fixes, comme on le
remarque dans nos contröes pour bien des maladies?
Quoi qu’il en soit, il est ii remarquer, je le röpfete, quc
tous les sujets atteints sauf trois avaient deja subi a differentes
reprises les atteintes de cette ficvre (3 cas chez des agents
descendus de l’interieur pour expiration de tcrme de
Service, quelques jonrs avant lcur ombarquement). Chez
quatre d’cntre eux, je ne suis pas eloigne de croire, que
l’appreliension causöe par la vue de ces cas multiples a pu
suftir pour provoquer l’cclosion d’un acces de ce genrc.
Dans ces difförents cas, l’hemoglobinuric proprement
dite coi'ncidait presque toujours avec un ictere plus ou moins
marquö, a dure de deux ä cinq jours. Pour quelques uns
la fifevrc tombait au bout de ce laps de temps et la con-
valescence dtait franche et rapide ; pour d'autres la con-
valescence itait retard^e pendant cinq ou six jours par des
accös de ficvre ordinaire, laissant apres eux une depression
que ne se dissipait qu’avec lenteur.
Les deux cas morteis obscrvös parmi les röcidivants
ont 6vulu4 identiquement de la meine maniere: hömoglobinurie
pendant quatre ou cinq jours, ensuite apyrexie avec urines
de couleur normale sur albumine, mais obstruction incomplete
des reins, lesquols qu’une quantite d’urine beaucoup cn
dessous de la normale. De lit empoisonnement urömique
lent, tcrminaison funeste retardee, mais se produisant fatale-
ment, chez Tun le douzieme jour, chez l’autre le quatorzieme
jour k partir du döbut de la maladie.
Un des deux malades qui ont suecorabe a leur preiniere
atteinte, fut empörte on cinq jours de temps: l’autre deux
169
jours apres l’apparition des urines noires. Chez le premier
sujet, tres jeune, tres lymplratique, de taille demesurec pour
soll äge, au Congo depuis neuf mois, la maiadie se ddelara
pres(|ue subitement. L’adynaniie fut profonde des le debut.
Chez le second sujet egale ment lymphatique, obese, au coenr
graisseux, l’apparition des urines coloröes fut precedee de
quelques acees de fievre bilieuse, que le malade mettait sur
le compte du surmenage aui|uel il 6tait astreint en cc moment
(vailles prolongees pour terminer une expertise de compta-
bilite). Des l’apparition des urines foncees le malade, tres
tiinore, se sensit perdu. Cette tuneste apprehension, jointe
au mauvais etait du coeur, pröcipita le denouement fatal.
Chez tous deux l’anurie 4tait completc des le deuxieme jour.
Traitement. Pour tous ces cas, Ia base du traite-
ment fut outre les 6vacuants du d6but et le quinine, l’ad-
ministration du chloroforme en solution gommeuse par voie
stomacliale, plus tard du chloral en lavement, et les grandes
irrigations intestinales d'eau salöe, jointes aux frietions
stimulantes sur toute. la surface du corps et parfois aux
grands bains tiedes. J’avais soin d’administrer en eas de
fievre les granulcs defervescents du Doeteur Burggraevc, et
dans l’apyrexie les granulös d'arseniate de strychniue, l’inci-
tant vital par excellence dans cette maiadie si döprimante
par elle-meme.
Je n’ai eu qu’a me louer de l’administration du chloro-
forme. .Un malade ayant eu un jour une rechute pendant
sa convalescence le chloroforme fut administrä sans retard,
moins d’une heure apres les urines de noires et albumineuses
qu’elles etaient, redevenaient parfaitement limpides, sans trace
d'albumine, et cependant la fievre n’avait disparue. Elles
conserverent dans la suite cette limpidite non obstant la
continuation de la fievre, qui ne cessa que cinq jours plus
tard. Bien que parfois le chloroforme n’ait pas tenu toutes
ses promesses, je ne saurais trop le rceommander ä l’attention
de mes confreres et de ceux, qui peuvent un jour se trouver
en presence de cas scmblables.
Vu les heureux r6sultats obtenus par cc inedicament
et l’imminence du danger, lequel ne donne souvent pas le
temps de se livrer ä de« experienees, je n’ai gu6re fait
l’essai d’autres medications.
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170
C’est ainsi que je n’ai administre qu’une seule fois le
Kinkelihat, et cela, apres avoir constate 1'inefHcacite da
chloroforme, dans un des cas enumcres plus haut, d’obstructiou
incomplete des reins: Je n’ai pas obtenu de succes.
J’ai peu ou point administre l’antipyrine a cause de sa
tendance a diminuer la seerötion urinaire.
Fifevre bilicuse raclanurique.
Ce cas se difförencie des precedents par la composition
des nrines colorees, qui n’ont pas donne les röactions caracte-
ristiques observees dans les urines hömoglobinuriques. La
coloration noire des urines avait disparu au bout de deux
jours ainsi que la tievre. La quuntite d’urine ömise fut
toujours asscz abondante : mais des vomissements incocrcibles,
de Hots de bilc rcndirent tonte alimcntation impossible.
Une auto-intoxication sc produisit bientöt caractörisöo par
des symptömes typhoides et des petcchies d’apparenee
scorbutique. Le malade mourut le quatorzieme jour ä partir
du debut de la maladic.
Gmbarras gastro-intestin aux.
Dyspepsie avec rclachcment. On cn observe pcndant
toute l’annee des cas sporadiqucs, mais cctte affection
a regneo a l’etat öpidemique pendant tout le mois de
Novembre. II faut y voir une influence saisonniöre
caractörisee par le retour deB premieres fortes clialcurs, et
l'ötat de l humidite absoluc de l’atmosphöre, voisin de la
Saturation. Sous cette influence de suraetivitö du foie pro
duit une quantitd de bilc plus considerable. Parmi les causcs
occasionnelles de ccs Hux de vcntre, il faut citcr cn premiere
ligne les refroidissemcnts, beaueoup plus facile k contracter
a cette cpoque. Je ne pcnse par qu’il faille incriminer la
qualite nocive de l’eau; pourquoi tant d’agents’approvisionnant
ä la meme source, sont-ils restes indemmes?
Dy se n t erie.
II est ä remarquer qu’aucun cas de dysenterie pro-
prement dite n’a etc observe parmi la population blanche de
Iioma. Les ctis signales appartiennent tous a des agents
de l’intericur descendus k la cote soit pour s’y retablir, soit
pour etre repatries.
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171
Eczemas.
Les diverses formes d’eczümas, papuleux, vesiculeu x,
pnstuleux, ont assez frequentes au cuurs de la saison
söche. Plusieurs etaient accompagnees d'un prurigo intense,
tenace, qui n’a cede qu’au retour de la saison chaude.
A b c ü s du Foie.
II s’agit d’un agent arrive quelqueB inois auparavant
de I’int4rieur, oü il avait contractu une dysenterie et un
coramencement d’höpatite aigue. Apres un scjour de quel-
ques semaines k Banana, oü il se erut un moiucnt guöri, il
fut cnvoye au camp de Zambi. La il commeuca de nouveau
ä d^perir, lorsqu'un beau jour, il fut pris soudain d’une
vöritable vomique pulmonaire : un abcüs du foie venait de
se faire jour k travers les poumons. Il fut dirigö sür Boma
oü il düt rester six semaines en attendant le moment de
rembarquement. Pendant son söjour ici, 1c pus continua
k se diverser en abondance par les voies a^riennes, tandis
que le malade ctait pris chaque soir d’une petite fievre
hectique. C’est dans ces conditions qu’il s’embarqua: mais
il mourut au cours de la traversüe.
Conclusions.
J’ai dit plus haut qu’il n’etait pas toujours possible
lors de l’engagement, de diagnostiquer le plus ou moins de
resistance qu’offrira le nouvel engage aux influcnces döl^tf-res
du cliraat tropical. Quelques individus sont iinpressionn^s
si vivement et surtout si profond&nent par le climat congo-
lais, qu’ils ne peuvent y resister. Ils sont en quelques
semaines tellement affaiblis, qu’il faut les renvoycr en toute
hüte en Europe. La caohexio paludüenne est survenue cliez
eux apres trois ou quatre mpis, coinme cboz les autres apres
deux ou trois ans. On ne saurait etre trop sövere dans le
choix des agents. Si l’on veut ne pas s’exposer k bien des
mecomptes, on doit ücarter iinpitoyablement les buveurs, et
s’entourer pour les autres de tous les renseignements possibles
sur leurs antecedants et leur maniere d’ßtre actuelle. Soit
que leur Constitution laisse un pcu k ddsirer, qu’un ctat
d’anemie mfime lügere ou de lymphatisme, qu’unc maladie
ant^rieure grave puisse etre övoquöe, la decision doit etre
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172
irrevocablc : car le moindrc oulili ou la plus petitc negligence
sous ce rapport peut avoir lcs plus funcstes conscquenccs.
Pour les agents qui viennent de l’intdrieur, soit pour
expiration de terrae de Service, soit pour raaladie, il est
a desirer que leur arrivöe dans le Bas-Congo s’effectue de
manifere a ce qu’ils y sejournent le moins possible avant leur
embarquemcnt. Le cbangement d’air, le desoeuvreinent, et
trop souvent, il faut bien le dire, l'intemperance et les ecarts
de regirae, sont des causes trop frequentes de raaladie.
Comme mesure prophylactique de la fievre, je ne saurais
trop conseiller a cliaque agent, comme d’autres l’ont fait
avant raoi, d’inscrire regulioretncnt dans un carnet special les
dates ou ils ont eprouvö quelque raalaise, quelquo monveiuent
föbrile. La plupart des acces de fievre ont une tendance
a une periodieite de retour bien marqnee, de quelques jours,
de quelques seraaines, de quelques mois meine, periodieite
qui passe completement inapercue quand on n’a pas eu sein
d’en tenir note. Inutile de dire que ceux, qui se conforment
scrupeuleusement h cette prescription, onrayeraient souvent
des accfcs jusque lii imprövus, en prenant ä temps l’antiperi-
odique, et qu’ils procureraient en merae temps au m6decin
un sujet d’ötudeB du plus haut interet.
B. Personnel noir.
Mouvement de l’höpital des noires pendant la pi5riodc
semestrielle du 15 Mai au 15 Novembre:
Restaient en traitement au 15 Mai: 50 malades
entres du 15 Mai au 15 Novembre: 223 „
restaient en traitement au 15 Novembre: 67 „
Nombre des jourmies d’hospitalisation des 223 entrants: 4911
journees, soit une moyennc de 22 par malade
Igueris : 1(J4
non gueris ou evades: 7
morts: 45
sur les 223 entrants, 14 femmes, 3 pour Syphilis, 11, dont 2
fillcttcs pour affections diverses.
Nombre des entrees par mois:
Mai (2® quinzaine) — Juin — Juillet — Aoüt
18 45 35 22
173
Septembre — Octobre — Novembre 1 r — 15®e
25 49 29
Lcs principalcs maladies so classent coinrae suit, par ordre de
frequence :
affections de poitrine 38 cas (broncbite 16, pleur^sie 13
pnenraonie 9).
caehexie 35 eas
affections intestinales 26
ulceres de diverses natures 24
plaies diverses 12
phleginons 9
affections syphilitiques 8
varioloide 5
affections rhumatismales 4
affections du foie 4
pian 2
ver de Guinöe 1
malad ie du sonuneil 1
ataxic locomotrice 1
tetanos 1
Les autres cas ne prdsentcnt rieu de bien saillant.
Je serai bref sur la plupart de ccs affections. N’ayant repris
le service du personnel noir qu’au niois d’Aout, je n’ai pu
en observer qu’une partie.
Les affections de poitrine ont eu lenr maximuin de
frequence en Juin et Juillct:
Juin: 10 cas. 1 pncumonie, 9 pleuresies,
Juiilet: 10 cas. 4 pneumonies, 2 pleuresies, 4 bronehitos,
Aout: 5 cas. 1 pneumonies, 3 broncliites.
Sous le nom de caehexie il faut coinprendre ces
deperisseinents de causes complöxes: anömic d’origine palu<l6-
enne, anemic due a la filaire ou h d’autres parasites,
insuftisance on mauvaise qunlit6 de l’aliinentation, etc
Gelte affection se remarque en tous temps ; le plus ou moins
grand nombre de cas observt'-s depend snrtout du plus moins
grand nombre de recruos venant de l’interieur, en particulier
du Kwango ou du Manyema.
Les affections intestinales ont cu leur maximum de
frequence en Octobre et en Novembre: mais on les observe
en toutes saisons. Le refroidissement et la mauvaise qualite
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174
des eaux de boissons que le noir consomme n’importe ou il
se trouve, sont ä mon avis, les deux facteurs principaux qui
intervienncnt dans la production de ces flux de ventre.
Les trois femmes atteintes d’affeetions syphilitiques ont
6t4 imm6diatement dirigdes sur l’ile des princes. Des
27 lemines isolees dans l'tle, 17 en sont revenues en
Septembre, gueries ou du moins n’offrant plus de I&ions
apparentes, aprös un sdjour d’un ä trois ans.
Aucun cas de variole k signaler: seulement cinq eas
de varioloi'de, tres benins.
Professions. Sur les 223 entrees, les soldats y figurent
pour la moitid; 113 entrants dont 25 du camp de Zarabi;
les differentes categories de travailleurs pour 83; les pri-
sonniers pour 19, les boys pour 6; les policemen pour 2.
Mais ces chiffres pour avoir toute leur valeur, devraient etre
donnes en pour cent du nombre d'individus de ckaque
profession.
Nationalitds. Relativement k la nationale, voici,
avec les chiffres de la mortalitd en regard, les principaux
groupes qui ont fourni le plus grand contingent de malades:
Kwangos : 35 entrees — 7 ddces
Manyemas : 31 „ — 8 „
Bas-Congo : 27 „ — 8 „
Mongos : 25 „ — 3 „
Batetelas : 19 „ — 3 n
Haoussas : 14 „ — 3 „
Sierra-Leonaies : 12 „ — 3 „
Meme remarque que plus haut quant au pourcentage
qu’il m’est impossible de donner n’ayant pas les donn^es
süffisantes.
Mortalitä. Le nombre des deces s’elijve k 45. Mai
(k partir du 15) : C — Juin : 13 — Juillet : 7 — Aout : 5 —
Septembre : 4 — Octobre : 9 Novembre (du premier au
quinze) : 1.
On voit, que c’est au debut de la saison froide, qu'ont
eu Iieu les plus grands ddehets. Dix cachectiques succom.bent
aux premiers froids du 15 Mai au 30 Juin.
Voici par ordre de frequence, les diverses causts de
mortalite :
Cachexie — 16 döc&s
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175
Affections de poitrine — 10
Dyssenterie — 4
Fikvres — 4
Affections du foie — 3,
Septic4mie — 3, individus d6ja impaludds k leur entrke.
Maladie du sommeil — 1
Aliknation mentale — 1
Affection cardiaque — 1
Affection rhumatismale 1
Ataxie locomotrice 1
Le Service des consnltations dont la moyenne jour-
naliere reste assez elevke, n’a present 6 que des affections
d’importance secondaire.
Conclusions.
Pour diminuer les causes des flux de ventre et de la
dysenterie chaque Soldat devrait ßtre muni d’une ceinture
supple mentaire de flanelle, qu'il porterait surtout la nuit, si
pas d’une manikre continue k toutes les kpoques de l’annee,
du moins a l’kpoque des premiers symptömes caractkristiques.
Je sais, qu’il sera difficile d’etre obei des le debut, mais la
persuasion et au besoin la menace pourront avoir quelque
chance de suecks.
Cette affection m’amene k parier d’un fruit dont je
ne saurais trop recommander l'usage soit comme aliment,
soit comme medicament. Je veux parier de la noix de Kola.
Les propriktks de ces noix sont trop connues pour que j'en
fasse I’knnmkration. Qu’il me suffise de rappeier que par sa
tlieobromine et sa cafkine, eile eBt un type d’aliment, dit
d’kpargne, en meme temps qu’un tonique du coeur et un
excellent diurktique. Elle favoriserait en outre la digestion
et serait un antidiarrhkique puissant. Le mode de plus
simple d’administration serait de faire consommer les noix
en nature. On en ferait une distribution reguliere, soit
sous forme de noix skches, ou mieux, si possible, fraiches.
Dans le cas oü l’approvisionnemcnt serait insuffisant pour
faire cette distribution, je demande k ce que tout au moins
il en soit mis k ms disposition une certaine quantitk qui
serait utiliske sous diverses prkparations comme mkdicament
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176
tonique et antidiarrheique, non seuleraent pour les noirs,
rnais aussi pour les blancs.
Borna, le 1. Döcembre 1896.
Le Mcdeein de l’E tat
(s) Docteur Etienne.
Die Steinkrankheit in Canton und Bangkok.
Von B. Scheube.
Die geographische Verbreitung der Steinkrankheit ist
in den einzelnen Erdtheilen eine sehr ungleichmässige.
Ländern, in welchen dieselbe sehr selten vorkommt, stehen
andere gegenüber, wo sie ein wahrhaft endemisches Leiden
darstellt. Das letztere ist namentlich der Fall im russischen
Gouvernement Moskau, in den nördlichen Distrikten, be-
sonders den Nordwestprovinzen von Vorderindien, in Aegypten
und auf den zu Afrika gehörigen Inseln Reunion und Mauritius.
Ein weiterer endemischer Bezirk der Steinkrankheit, auf
welchen ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, ist die
Provinz Canton in China. Dr. Kerr, der langjährige
Leiter des Hospitals der Medical Missionary Society in Canton,
theilte mir bei meinem Aufenthalte daselbst im Jahre 1882
mit, dass er dort nicht weniger als 600 Steinoperationen.
1881 allein 66, ausgeführt habe. Die Ursache dieser Häufig-
keit vermochte mir derselbe aber nicht anzugeben. Von
anderer Seite hörte ich als solche theils den Kalkgehalt
des F lusswassers, welches vielfach als Trinkwasser dient,
theils das in Canton sehr verbreitete Betel kauen, bei
welchem bekanntlich ausser Aracanüssen und Betelblättern
roher Muschelkalk zur Anwendung kommt, anschnldigen.
Canton liegt am PerlHusse, und ein grosser Theil der
Bevölkerung wohnt sogar auf demselben, theils auf ver-
ankerten Schiffen, theils in Häusern, welche auf in den Fluss
geschlagenen Pfühlen oder auf Flössen erbaut sind. Von
dieser Flussbevölkerung wird das Flusswasser zum Trinken
und Kochen benutzt, dasselbe Wasser, an welches dieselbe
natürlich auch ihre Excremente abgiebt. Dagegen, dass der
Kalkgehalt dieses Wassers die Ursache der Häufigkeit der
Harnsteine ist, spricht die Thatsuche, dass die letzteren in
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177
den allermeisten Fällen nicht aus Phosphaten , sondern aus
Harnsäure bestehen. Carrow berichtet in den von dem
chinesischen General-Zollinspector herausgegebenen Medical
Reports (18th Jssue S. 52) über 140 im Hospital der Medical
Missionary Society ausgeführte Steinoperationen und machte
in allen Fällen ausser einem auch Angaben über die chemische
Zusammensetzung der entfernten Steine: nur in 3 Fällen
lagen Phosphatsteine vor, in allen anderen handelte es sich
um Harn säurest eine. Durch diese Thatsache wird zu-
gleich auch die zweite Annahme widerlegt, der auch die
allgemeine Verbreitung, welche das Betelkauen nicht nur
in Canton, sondern überhaupt in Südasien gefunden hat,
widerspricht.
Wenn auch nicht wegen des Kalkgebaltes seines Wassers,
so scheint doch der Fluss aus irgend einem anderen Grunde
eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Steinkrankheit
zu spielen. Es geht dies daraus hervor, dass von letzterer
hauptsächlich solche Leute ergriffen werden, welche durch
ihren Beruf in nahe Berührung mit dem Flusse gebracht
werden. Bei 103 von Carrow ’s 140 Kranken wird die
Beschäftigung derselben angegeben: von denselben waren
54, also über die Hälfte, allein Bootsleute. Es liegt daher
nahe, an einen Parasiten zu denken, der in seinem Jugend-
zustande im Flusse lebt, nachdem vielleicht seine Eier mit
den Excreten von Kranken in denselben abgesetzt worden
sind, und von hier, sei es, wenn sein Wasser getrunken
wird, sei es, wenn in ihm gebadet wird, in den menschlichen
Körper hineingelangend die Veranlassung zur Steinbildung
giebt. Ein solcher Parasit ist die B i 1 h a r z i a haematobia,
auf welche die Häufigkeit der Harnsteine in Aegypten zurück-
zuführen ist. Ausserhalb Afrikas ist die Bilharzia-Krankheit
bisher nur an wenigen Punkten (Mauritius, Syrien, Mekka)
zur Beobachtung gekommen, könnte aber sehr wohl in dem
tropisch gelegenen Canton Vorkommen, zumal nach einer
bei Below (Die Ergebnisse der tropenhygienischen Frage-
bogen S. 30) sich findenden Notiz „die Eier der ßilharzia
haematobia im Harn der Einwohner von Shanghai oft von
Dr. Zedclius beobachtet wurden“. Der Zweck dieser
Zeilen ist es daher, die C o 1 1 e g e n , welchen Ge-
legenheit zu ärztlichen Beobachtungen iu Canton
Archiv f. Schiff«* n. Tropenhygiene. 13
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178
geboten wird, zu veranlassen, auf das Vorkommen
des Distomum haematobium daselbst zu achten.
Aelinliche Verhältnisse wie in Canton liegen auch in
Bangkok in Siam vor. Auch hier haben wir einen grossen
Fluss, den Menam, auf dem ein grosser Theil der Bevölkerung
wohnt, und dessen Wasser in gleicher Weise benutzt wird
wie das des Perlflusses, und auch hier herrscht die Stein-
krankheit als endemisches Leiden, wie ich bei an Ort und
Stelle angcstellten Nachforschungen erfuhr und mir neuer-
dings von Dr. Rasch, der eine Reihe von Jahren dort als
Arzt gewirkt hat, bestätigt wurde. In dem nördlich von
Siam gelogenen Laos-Lande kommt, wie mir der bekannte
Reisende Carl Bock mittheilte, die Steinkrankheit gleich-
falls sehr häufig vor, namentlich in Lampun, einer an einem
Nebenflüsse des Meping gelegenen Stadt in der Nähe von
Tschengmai. Vielleicht ist auch in diesen Fällen ein Parasit,
möglicherweise die Bilharzia haematobia, im Spiele.*)
Ueber Schlangen, Schlangenbisse und deren Behandlung
an der MalabarkUste.
Von Dr. E. Liebendörfer, Calieut, Malabar.
Die Malabarküste im Westen Indiens ist eine schmale
Tiefebene, welche im Osten von den Ghatbergen abgeschlossen
wird. Die bedeutendste Stadt derselben ist Calicut unter
dem 12° n. Br., wo im Jahre 1498 Vasco de Uania zum
ersten Male seinen Fuss auf indischen Boden setzte. Das
ganze Küstengebiet bis hinunter nach Ceylon zeichnet sich
durch grosse Hitze, wie auch durch hohen Feuchtigkeits-
gehalt der Luft aus, während der Deccan und die östliche
Coromandelküste trockener und im Ganzen kühler sind. Die
Berge im Osten und Norden erreichen eine Höhe von nahezu
3000 Metern über dem Meere und weisen einen ewigen
Frühling auf. An den Meeresküsten ist die Temperatur
*) Anmorkung bei dor Corroctur. Eine sooben erschienene
Arbeit von Schön (Ergebnisse einer Frngebogenforschung auf tropen-
hygienischen Gebiete. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt!*
XIII. 2. 1898. S. 170) enthält die Notiz, dass die Bilharzia-Krankheit
auch in Pcnnng häufig verkommt.
179
constanter und feuchter, als im Innern, wo dieselbe grösseren
Schwankungen unterliegt. Physikalisch unterscheidet man
auch im Süden Indiens 3 Klimata: das eontinentale, das
insulär-maritime und das Bergklima. Die Durchschnitts-
temperatur während der heissesten Zeit an der Malabarküste
vom Februar bis Ende May beträgt 29° R im Schatten und
während der sog. kühleren Monate vom November bis Mitte
Februar ca. 27° R. Im Ganzen ist sie also nicht viel höher,
als die Mitteleuropas im heissen Sommer. Die Regenzeit,
welche etwa 4 Monate lang währt, ist in Folge der Mischung
von Hitze und Feuchtigkeit, welche die günstigsten Be-
dingungen zur Entwickelung von Miasmen darbieten, nicht
ungefährlich für die Gesundheit der Europäer sowohl, als
der Eingeborenen. Die Regenmenge beträgt in dieser ver-
hältnissmässig kurzen Zeit unter normalen Verhältnissen
4 — 4500 mm gegen durchschnittlich 1000 mm Niederschläge
Deutschlands im ganzen Jahr. Ich gehe jedoch nicht näher
ein auf das Klima, noch auch auf den Einfluss desselben
auf den Europäer, welchen die Meisten schon nach kurzer
Zeit zu fühlen bekommen und der sie daran erinnert, dass
man auch in Indien nicht ungestraft unter Palmen wandelt.
Auch die Krankheiten übergehe ich, sowohl diejenigen
welche dem gemässigten und tropischen Klima gemeinsam
sind, als auch die speciell tropischen, von denen ich hier
nur einige anführe: die Malaria, Beri-Beri, Dengue, Beulen-
pest, gewisse Formen von Dysenterie und Lebererkrankungen,
Framboesia, Lepra; dann Invasionskrankheiten: von Filaria
Medinensis, F. sanguinis hominis, Anguillula stercoralis, —
die Beule von Delhi, das Malabar-Geschwür, Madura-Fuss,
Elephantiasis Arabum etc. etc.
Dagegen möchte ich einige Mittheilungen machen aus
meinen Erfahrungen mit Schlangen und Schlangenbissen.
Mit Schlangen ist ja Indien so überaus reich gesegnet, wie
kaum ein anderes Land der Welt Sterben doch nach
amtlichen Statistiken, welche ich übrigens für nicht einmal
vollständig halte, jährlich 40000 Menschen an den Folgen
der Bisse giftiger Schlangen. Diese aber auszurotten, ist in
Indien geradezu ein Ding der Unmöglichkeit, da der Hindu
z. B. die Naja tripndians (Cobra de Capelloj für einen Gott
hält, sie als solchen verehrt und derselben eigene Tempel
13*
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180
baut. Ein Hindu würde sieb daher eher selbst töten lassen,
als dass er einem solchen Thiere ein Leid zufügte. Selbst
wenn die Schlange gefangen worden ist, nachdem sie ein
Familienmitglied getüdtet hatte, wird sie nur einige Kilo-
meter weit fortgetragen und unter vielen Entschuldigungen
wieder auf die Menschheit losgelasscn. Die Eingeborenen,
welche meist barfuss gehen, mangelhaft bekleidet sind, und
in elenden Hütten wohnen, fallen daher besonders Nachts auch
am meisten den Schlangen zum Opfer, während eine Verletzung
von Europäern schon mehr zu den Ausnahmen gehört. In
Malabar haben wir ausser den Seeschlangen 9 verschiedene
Arten von giftigen Schlangen, von denen jedoch 5 mehr in
den Bergen hausen und nur 4 dem eigentlichen Tieflande
angehören. Der Mehrzahl nach sind sie Glieder der Familie
der Colubriden mit den Gattungen der Callophis, Naja,
Bungarus (Felsenschlange) und der Seeschlangen. Diese letz-
teren (Hydrophidiae) sind fast alle giftig, und können leicht an
ihren ruderähnlichen, plattgedrückten Schwänzen, sowie an
den Giftzähnen erkannt werden. Hydrus platurus, bis zu
2 Meter lang, ist wohl die verbreitetste Seeschlange, nicht
nur in Indien, sondern in den Tropen überhaupt. Die Nase
befindet sich unmittelbar über der Schnauze, so dass sie
zum Athemholen nicht den ganzen Kopf über das Wasser
zu erheben braucht, weshalb sie auch selten entdeckt wird.
Die verbreitetste aller Schlangen Indiens ist aber ohne
Zweifel die Brillenschlange (Cobra, Naja tripudians), deren
Farbe von hell- bis dunkelbraun variirt. Atu Ilalse, un-
mittelbar hinter dem Kopfe besitzt sie eine Art ovaler Haube,
die jedoch gewöhnlich zusammengeklappt ist. Wird aber
das Thier gereizt, so öffnet sich dieselbe beim Angriff ver-
möge der Ausdehnung einer Anzahl verlängerter Rippen,
wobei dann auf der Rückseite die Figur einer Brille zum
Vorschein kommt. Die Nase liegt seitlich und die Pupillen
sind rund. Die Cobra kann die Länge von 27» Metern
erreichen. Es giebt aber auch Thiere, wie die Bungarus,
welche zwar die Haube haben, aber entweder gar keine
Zeichnung darauf, oder nur eine rudimentäre. Die Bungarus
erreicht eine Länge von 5 Metern und hat auf ihrem Rücken
hexagonale Schilder. Beide Gattungen sind nächtliche Thiere
und legen ihre Eier während der Regenzeit. Obwohl sie
181
auf dem Lande leben, scheuen sie das Wasser keineswegs
und schwimmen mit hoch erhobenem Kopfe über die
breitesten Flüsse hinüber. Sie klettern auch vorzüglich und
werden zuweilen in den Gipfeln der höchsten Bäume gefunden.
Fast alle Monate häutet sieh die Schlange und wahrscheinlich
wechselt sie auch die Giftzähne sehr oft. Sie kommt vor
bis zu 2500 Meter Höhe, überall ist aber ihr Biss gleich
gefährlich, sie ist jedoch glücklicher Weise nicht aggressiv,
und geht dem Menschen eher aus dem Wege. Ferner haben
wir es mit der Trimeresurus trigonocephalus, einer grünen
Baumschlange, zu thun, durch deren Biss nach Ansicht der
Eingeborenen eine vollständige Muskelatrophie eintreten soll.
Die Vipern endlich bilden ebenfalls eine besondere Klasse.
Man unterscheidet echte Vipern und die Crotalinac. Zu
letzteren gehört die in Malabar häufige Viper Russellii (Annally
der Hindus) von schwarzer Farbe, in regelmässigen Zwischen-
räumen unterbrochen von weissen Ringen. Auch ihr Biss
ist meist letal. Anatomische Anhaltspunkte zur Unterscheidung
einer giftigen Schlange von einer nichtgiftigen, wie z. B. die
Abwesenheit eines Schildes zwischen dem Auge und der
Nase, oder Untersuchung der Schlange auf Giftzähne haben
keinen grossen Wertb, da diese und andere Merkmale auch
bei ganz harmlosen Schlangen Vorkommen können. Das
Sicherste ist immerhin, sich an die äussere Erscheinung des
Thieres zu halten.
Der Biss einer kräftigen und wohlentwickelten Cobra
endigt fast immer letal, und es kann der Tod schon nach einer
halben Stunde eintreten, oder auch später, je nachdem die
Umstände sind. Je näher dem Herzen, und je günstiger die
Circulationsverhältnisse sind, desto rascher ist auch die
Wirkung, je weniger das der Fall ist, desto eher kann man
aber, besonders bei rechtzeitiger Ligatur, hoffen, den Kranken
am Leben zu erhalten. Die Prognose hängt ferner ab von
der Grösse der Wunden und der Zahl derselben. Es wurden
mir schon Patienten gebracht, welche 4 — 6 sehr tiefe Wunden
hatten, während man bei andern wieder Mühe hat, die
kleinen Stiche überhaupt zu entdecken. Ferner hat die
Schlange die Gewohnheit, sich von Zeit zu Zeit des über-
flüssigen Giftes zu entledigen und zwar dadurch, dass sie
ihre Zähne in Pflanzen oder weiche Baumrinden einhackt.
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Wird unmittelbar nachher Jemand gebissen, so ist es klar,
dass die Folgen geringere sind, während umgekehrt durch
Erkrankung des Thieres das Gift noch virulenter wird.
Nicht auszuschliessen ist bei manchen Menschen eine gewisse
Toleranz gegen das Gift, wie eine solche schon dem König
Mithridates zugeschrieben wird, und wie sie gewiss auch
eine Anzahl indischer Sangesis und Schlangenbeschwörer
besitzen. Das alles sind wesentliche Punkte, welche in Ver-
bindung mit dem Alter und dem Geschlechte der Patienten
bei der Beurtheilung jedes einzelnen Falles wohl erwogen
werden müssen. Sie geben auch die Erklärung zu der
Thatsache, dass es dann und wann, auch in schwereren
Fällen, doch möglich ist, einen Verwundeten zu heilen,
trotzdem der Biss besonders der Cobra als fast absolut
tötlich gilt. Je länger man den Kranken erhalten kann,
desto mehr Hoffnung auf Genesung ist vorhanden.
Was nun die Symptome anbelangt, so sind sie nach
dem Gesagten sehr verschieden. Bei geringen Verletzungen
kommen die Patienten noch selbst am Stocke. Das Bein
schwillt leicht an, ist schmerzhaft, die Lymphgefiisse und
Drüsen sind empfindlich und hart. Oefter ist auch Atemnot,
Nausea und Erbrechen grünlicher Massen damit verbunden.
Das Sensorium ist dagegen völlig frei, obwohl auch Fieber
und Kopfschmerzen nicht fehlen. In schweren Fällen tritt
völlige Dysurie dazu, der Puls wird unfühlbar, und kalter
klebriger Schweiss bedeckt den Patienten. Der Auswurf
wird blutig, es tritt förmliches Bluterbrechen hinzu ; Blut tritt
unter beide Conjunctiven und flieset aus fast allen Oeffnungen
des Körpers. Einmal konnte ich blutigen Schweiss con-
statiren, was darauf hindeutet, dass das Gift besonders auf
die Gefässwandungen wirkt. Das Augenlicht nimmt so
sehr ab, dass die Kranken ihre nächste Umgebung nicht
mehr erkennen, die Augenlider können nur halb geöffnet
werden; es besteht eine gewisse Somnolenz und Schwer-
besinnlichkeit, aber keiner Bewusstlosigkeit, denn auf Anrufen
giobt Patient, wenn auch mit Mühe, immer eine correkte
Antwort, dagegen ist völlige Asomnie vorhanden. So geht
der Kranke oft noch am 2. und 3. Tage zu Grunde. In
den schwersten Fällen kann Patient schon nach V» Stunde
sterben, und sind die Erscheinungen so stürmisch, dass der
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tödtliche Ausgang eintritt, bevor andere körperliche Symptome
Zeit hatten, aufzutreten.
Die Diagnose eines Schlangenbisses ist demnach nicht
sehr schwierig. Die Angaben des Patienten sind gewöhn-
lich sehr positiv. Wird vollends noch die Schlange, wie es
des Oefteren geschieht, mitgebracht, und hat man sich auch
von der Anwesenheit von Bisswunden überzeugt, so kann
kein Zweifel mehr obwalten. Zuweilen werden aber doch
auch Kranke, z. B. Epileptische oder sonstwie plötzlich in
Ohnmacht Gefallene, mit der Behauptung, dieselben seien von
einer Schlange gebissen worden, zum Arzte gebracht, soll
doch nach Ansicht der Eingeborenen schon der blosse Atem
der Schlange tödtlich wirken. Aber selbst dann, wenn man
eine Wunde tindet, ist die Diagnose noch nicht fest, weil
dieselbe vielleicht von einer Ratte, einem Dorne, oder einem
Skorpion herrührt, und da Schlangenbisse der grossen Mehr-
zahl nach nur bei Nacht Vorkommen, so sind Irrtümer, falsche
Diagnosen und bei der rasch eingetretenen Heilung unver-
dienter Ruhm des Arztes nur allzuhiiutig. Bei gewissenhafter
Berücksichtigung aller Symptome, besonders auch des Pulses,
welcher bei gewöhnlichen Ohnmächten, Schreck etc. immer
fühlbar ist, wird der Arzt aber auch hier bald zur Klarheit
kommen.
Indem ich nun übergehe zur Behandlung der Schlangen-
bisse, dürfte cs nicht uninteressant sein, zunächst die Methoden
kennen zu lernen, welche seit Jahrhunderten die Hindus
und ihre Aerzte in solchen Füllen zur Anwendung bringen.
Wir haben dort zwei Klassen von cingebornen Aerzten, zunächst
die Hakims, welche in Hyderabad nach der arabischen Schule
unterrichtet werden. Da sie ja Affen und andere Tiere
seciren, so fehlt cs ihnen nicht ganz an anatomischen Kennt-
nissen. Die Vydians oder Hinduürztc nach der Sanskrit-
schule lernen dagegen meist nur 5 — 10000 Verse auswendig,
worin Symptome und Behandlung einer Krankheit angegeben
sind. In Anatomie sind sic jedoch äusserst unwissend und
abergläubisch, haben aber nicht selten sich bedeutende ärzt-
liche Erfahrungen über Arzneimittel gesammelt, welche ein
Gemeingut der Familie bleiben. Von ihnen werden schon
längst Schlangenbisse mit Strychnin behandelt, welches erst
neuerdings von Australien her so sehr empfohlen wird, auch
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die Idee der Immunisirung gegen das Gift, wie sie durch
das Serum von Paris aus beabsichtigt ist, ist denselben
nicht neu. Die Rishis und Sanyasis immunisiren sich näm-
lich nach ihrer Meinung gegen das Schlangengift dadurch,
dass sie einen Samen der Nux vomica in 64 Teile, und
jeden von diesen wieder in 2 Teile zerlegen. Zuerst wird
täglich ein solches Teilchen gegessen und so aufsteigend, bis
der Mann ohne Schaden eine ganze Nuss zu sich nehmen kann.
Ein beliebtes Mittel der Aerzte gegen den Biss ist folgendes:
In ein Loch, welches an der Nordseite eines Nux vomica-
Baurncs gebohrt wird, legt man ein Stückchen weissen Baum-
wollcnstoff und verschliesst dasselbe wieder mit einem
Pfropfen aus demselben Holz. Nach circa 7 Monaten ist der
Stoff in Pulver verwandelt und bildet nun in Verbindung
mit Milch ein nicht unwirksames Antidot.
Wird der Arzt zu einem Patienten gerufen, bei dem
nicht sicher ist, ob der Tod schon cingetreten sei, so giebt
er ihm eine Pille, welche auf folgende Weise zubereitet
wurde. In den Mund einer Moschusratte werden 72 grain
(circa 5 Gramm) Quecksilber gebracht, und dieser zugeuäht.
Nachdem die Ratte in der Sonne getrocknet worden ist, wird sie
zusammen mit den Blättern von Datura Stramonium pulverisirt.
Ist nach Ansicht der Hindus das Leben noch im Hinter-
kopfe, so wird es nach Verabreichung der Pille wieder zum
Vorschein kommen. Sodann werden Pillen, bestehend aus
Schwefel, Arsenik, Aconit, Saffran, Zink, Kupfervitriol, Nux
vomica, Zinnober etc. gereicht. Ein weiteres, sehr beliebtes
Mittel ist der sog. Schlangenstein, welchem die Eigenschaft
zugeschrieben wird, das Gift aus der Wunde aufzusaugen.
Nach Sir John Fayrer handelt es sich hierbei aber nicht
um einen Stein, sondern nur um einen verkohlten porösen
Knochen, welcher wahrscheinlich in Milch gekocht worden ist.
Auch die Mittel gegen das Schlangengift seitens der
europäischen Aerzte sind nachgerade fast ebenso zahlreich,
als die Schlangen selbst. Sie können eingetheilt werden in
chemisch oder physiologisch wirkende Antidote. Die ersteren
sollen durch Eingehen von chemischen Verbindungen mit
dem Gifte dasselbe unschädlich machen, während die letzteren
den schädlichen Wirkungen desselben auf den Organismus
entgegentreten. Zu den ersteren gehören das übermangan-
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saure Kali , das Calcium chloratum, uud das Goldchlorid.
Thatsachc ist es, dass übermangansaures Kali, wenn
es im Reagensglas mit Schlangengift gemischt wird,
dasselbe oxydirt und unschädlich macht. Es müsste
aber, um das mit erschreckender Geschwindigkeit im ganzen
Körper sich ausbroitendc Gift zu erreichen, in so grossen
Quantitäten eingespritzt werden, dass es fasst ebenso ver
hängnisvoil wirken würde, wie das Gift selbst. In leichteren
Fällen, und besonders da, wo feste Ligatur angebracht worden
ist, behält es aber seine Wirksamkeit. Dasselbe gilt von den
anderen Mitteln. Physiologisch wirkende Gegenmittel sind:
Ammonium chloratum, Aleohol und Strychnin. Der Alcohol
bleibt als Stimulans immer werthvoll. Ebenso habe ich im
Ganzen von Ammonium, innerlich und subcutan gegeben, nur
gute Wirkung gesehen. Auch Tr. Jodi, alle Viertelstunde
1 — 2 Tropfen in Wasser gegeben, gehört hierher. Strychnin,
subcutan eingespritzt, ist ebenfalls ein ganz brauchbares
Mittel, nur muss man vor Anwendung desselben seiner Diag-
nose ganz sicher sein, da ja auch vielfach Fälle dem Arzte
gebracht werden, welche sich nur irrtümlich für gebissen
halten. In wie weit das Schlangenserum aus Paris einen
Einfluss auf die Sterblichkeit ausüben wird, muss sich erst
noch zeigen, da, wie wir gesehen haben, bei einem richtigen
Cobrabisse das Gift so rapide den Körper durchdringt, dass
man wohl immer mit allen Heilmitteln zu spät kommt Zur
freiwilligen Schutzimpfung durch eine dem Hindu ohnedies
sehr unsympathatische Methode dürften sich aber nur wenige
hergeben, da im Vergleich zu der grossen Einwohnerzahl
Indiens (300 Millionen) die Zahl von Todesfällen durch der-
artige Verwundungen doch eine verhältnissmässig geringe ist.
Meine eigene, seit 10 Jahren geübte Behandlung der
Schlangenbisse, mit deren Resultat ich zufrieden bin, bestand
kurz in Folgendem: Feste Ligatur, wenn solche möglich
und noch nicht angelegt war, Erweiterung der Wunden und
Aussaugen derselben durch einen Heurteloup. Als Gegen-
mittel und zugleich als Stimulans alle Viertelstunden 4 — 6
Tropfen Ammonium chloratum; in schweren Fällen dasselbe
auch subcutan an verschiedenen Orten den Gefässen entlang.
Statt des Ammoniums verabreichte ich auch Alcohol und da-
neben Tr. Jodi in kleinen Dosen. Um die Herzthätigkeit zu
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heben, Hess ich die Patienten womöglich mehrere Male
rasch auf- und abgehen. Sodann wurde ein Schwitzbad
gegeben, um Schweiss hervorzurufen. Dieses Bad kann
unter Umstünden wiederholt werden, und es fühlen sich die
Kranken dadurch immer sehr erleichtert. Zur Linderung der
Schmerzen und zur Beförderung der Abschwellung erwies
sich ein mit Wasser angemachter Brei von Pulv. Ipecac.
immer sehr wertvoll, ein Mittel, das die alten englischen
Aerzte vor 50 und mehr Jahren vielfach angewendet haben.
Als Nahrung diente nur Milch oder Reiswasser. Im Ucbrigen
soll die Behandlung rein symptomatisch sein, und ist alle
Polypragmasie soviel als möglich zu vermeiden, da die säramt-
lichen Organe, besonders auch die Nieren, von selbst wieder
ihre geordnete Thiitigkeit aufnehmen, sobald der erste Sturm
glücklich vorüber ist. Von den auf diese Weise Behandelten
hatte ich die Freude, jährlich 50 — 60 pOt. als geheilt wieder
entlassen zu dürfen. E. Liebendörfer.
Anmerkung.
Dr. Calmette's Heilserum gegen Schlangenbiss, Serum antive-
■linieux, scheint nach Berichten von Hangin in Aga, Lcpiuai in
Saigon (Bullet, med. J896 No. 9. und Renni in Meerut (Brit. med.
Journal 18'.I6, No. 1873) die Erwartungen zu erfüllen, die man an das-
selbe stellte. Es wurtle aus dem Blut von Pferden und Eseln her-
gestellt, die gegen Vipergift iimnunisirt sind. Es hiilt sich, wohl
verpackt und an dunklen und kühlen Orten aufbewahrt unverändert
wirksam. Nach Comptos rendus, 1896 Pag. 203 und Brit. med. Journal,
1896 II Pag. 1025 soll seine Wirksamkeit 1 : 10000 gross sein d. h. ftir
ein Kaninchen von 1 Ko Gewicht soll eine Infection von 0,1 ccm Serum
genügen, um es gegen eine nachträglich beigebrachte Dosis von 1 mgr
des trocknen Cobragifts zu schützen. Bei einem von einer Giftschlange
gebissenen Menschen (in Betracht sollen sämmtliche Giftschlangen der
neuen und alten Welt wie Cobra di capello, Trimeresurus, Naja Haje,
Cerastes, Crotulus, Bothrops, die Haplocephalus und Psoudechis-Arten
und die Vipern Europas kommen) soll das Serum noch 1 '/» Stunden
nachdem ßisswirken. Zu beziehen ist es von E. Merck in Darmstadt.
Ursprünglich hatte Calmetto, der Director des biologi-
schen Instituts in Saigon, schnelles Unterbinden des gebissenen
Gliedes, subcutanc Injection von 20 — 30 ccm frischer Chlorkalklösnng
(1 : 12), Abnehmen der Unterbindung und Waschen mit conccntrirter
Chlorkalklösung neben Morphium oder Coffein- Injectionen empfohlen
und schon 1895 fand er, dass Thiere sich durch wiederholtes Injiciren
schwacher Giftdosen zu immunisiron sind. Die Red.
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Mein Projekt zur Entwässerung der pontinischen Sumpfe.*)
We hlliei d en- Cassel , den 10. Mai 1897.
Hochgeehrter Herr!
Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich auf die ge-
fälligen Anfragen zu erwidern :
Die Idee, die Pontinischen Sümpfe trocken zu legen,
ist mir schon in den mittleren Gymnasialklassen, beim Lesen
irgend eines lateinischen Classikers — ich glaube cs war
Livius — „angeflogen“.
Unter so manchem Spott und Hohne wurde meine
„fixe Idee“ immer fester. Denn Niemand entsprach meinem
Verlangen nach: „einem einzigen vernünftigen Grund da-
gegen“. Dann wollte, und will ich noch jetzt, schnell dio
ganze Sache über Bord werfen.
Endlich boten die Mussestunden meiner oberschlesischen
Garnisonen Beuthen und Gleiwitz die Möglichkeit ein-
gehenderen Studiums. Namentlich hatte ich mich bei
Napoleon I. zu bedankefi : denn dieser hatte denselben
Gegenstand als eines seiner friedlichen Denkmale erkoren
und den französischen Gelehrten Prony in die Sümpfe ge-
sendet. Prony aber hat die Resultate seines dortigen
10jährigen Bienentieisses in einem, für andere Christen-
menschen unendlich langweiligen, dickleibigen Folianten mit
Atlas niedergelegt. Derselbe orientirtc mich derartig, dass
ich nicht nur schon damals, einige hundert Meilen entfernt,
meinen heutigen Plan in seinen Grundzügen festlegtc : sondern
auch, als ich im Jahre 1882 den heissersehnten Sümpfen
meinen ersten Besuch abstattete, ihren nächsten Nachbarn
in Tcrracina, sogar den damaligen „Ingenieuren“ des Ufficio
tecnico della Bonifica idranlica Pontina, als Führer dienen
musste und konnte.
Immer klarer entwickelte sich in mir das Bild der
Trockenlegung — aber auch zugleich immer klarer wurden
mir die immensen Schwierigkeiten, nicht etwa technischer,
sondern persönlicher Natur
Sehr bald machte sich die Nothwendigkeit fühlbar,
meine Urheber-Rechte durch italienisches Patent zu schützen*
*) Die nachfolgende Zuschrift, welche einen der grössten Malaria-
heerde Europas betrifft, glaubten wir unseren Lesern nicht vorcnthalten
zu sollen. Die Red.
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Ich musste davon (1883) meinem dienstlichen Vorgesetzten
Mittheilung machen und empfing, nach Hause zurückgekehrt,
den Besuch des — Oberstabsarztes.
Früher, 500 v. Ohr. unter den arbeitsamen und tapferen
Volskern waren die Pontinischen Sümpfe eine künstlich ent-
wässerte, blühende, reiche Ebene, welche nach dem endlichen
Siege der Römer gewaltsam entvölkert wurde und durch
Verfall der Wasserwerke versumpfte. Die 26 volskischen
Städte versanken allmälig : um hoffentlich jetzt recht bald
mit ihrer ganzen hochinteressanten Cultur dem 2400jährigen,
weich und luftdicht umschliesscndcn Grabe ziemlich unver-
sehrt zu entsteigen. Wenigstens sind die beim Bau der Via
Appia 400 v. Chr. geschlagenen Baumstämme neuerdings
bei Gelegenheit völlig unversehrt ans Tageslicht gefördert
worden.
Das Problem, die Pontinischen Sümpfe wieder trocken
zu legen, ist 2300 Jahre alt. Eine stattliche Reihe von
Consuln, Kaisern und Päpsten — und zwar nicht die un-
bedeutendsten unter ihnen ! — hat es zu lösen versucht.
Aber von allen ihren Plänen hätte bisher allein Caesars
riesiger Gedanke, den schlammführenden Tiber durch die
Ausläufer der Albaner Berge hindurch in die Sümpfe zu
leiten, einen vollständigen Erfolg gehabt. Freilich, für diesen
cäsarianischen Plan gehörten auch cäsarianische Machtmittel.
Der Dolch des Brutus hat das Heil des Landes zerstört.
Mit halben Massregeln ist dort Nichts zu machen. Nur
eine radikale Kur kann helfen. Bei allen anderen bisherigen
Versuchen haben die giftigen Exhalationen der übrig ge-
bliebenen Sumpfstrecken die Kolonisten von den etwa trocken
gelegten Theilen vertrieben. Jedes Mal ist das unglückliche
Land bald wieder in das alte Elend zurückgesunken.
Selbst die grossartigen Kanalbauten Pius VI., vor ca.
100 Jahren, hatten trotz der aufgewendeten 9 Millionen Franks
einen durchaus ungenügenden Erfolg — und zwar, weil ihnen das
alte falsche Princip, ausreichende VorHuth innerhalb der Sümpfe
selbst schaffen zu wollen, zu Grunde lag. Immerhin verdient
dieser Papst allerwärmsten Dank, denn seine Gräben er-
leichtern und verbilligen die zukünftige Trockenlegung ganz
ausserordentlich.
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Seit Prony ist nichts Erwähnenswerthes über die
Pontinischen Sümpfe geschrieben worden, seit Pius VI. nichts
Verständiges zu ihrer Sanirung geschehen. Das unglückliche
Gebiet war von der Welt vergessen, namentlich seitdem die
Eisenbahn nach Neapel die Jahrtausende alte Heerstrasse,
welche mitten durch die Sümpfe führt, die Via Appia, ent-
völkert hatte.
Als ich vor nun etwa 14 Jahren die Aufmerksamkeit
zunächst der betheiligten Kreise auf die Sümpfe lenkte, genas
man dorten eines Concurrcnz-Projektcs und hat auch wirklicli
mit staatlicher Hilfe in 10 Jahren fast eine Million hinein-
gebaut Ich stellte, ehe noch der erste Spatenstich geschah,
eine ganz genaue Prognose des Erfolges auf : sie ist bis aufs
Jota in Erfüllung gegangen. Der auch heute noch un-
veränderte Zustand der Sümpfe, namentlich die furchtbaren
Ueberschwemmungen grade unseres letzten Winters haben
meine Prophezeiungen glänzend gerechtfertigt.
So liegen denn immer noch weite, weite Strecken,
Tausende von Hectaren jährlich 1 bis 11 Monate meterhoch
unter Wasser. Das ganze Sumpfgebiet beträgt etwa C
Quadratmeilen = 30000 Hectare.
Auch die trockenen Partien in und uiu den Sumpf
bis nach Velletri hin, etwa 20 Quadratmeilen — 100000
Ilectare können wegen der aria cattiva nicht ausgenutzt
werden. Ihre Verwerthung als Weideland für vereinzelte
Heerden oder die streckenweise wilde Bebauung ist ein
wahrer Hohn auf den gegenwärtigen Standpuukt der Land-
wirthschaft, die fünfzigfach grössere Erträge erzielen könnte.
Welch ein Gegensatz ist die trostlose erdrückende Oede,
die Krankheit und elende Armuth der Nachbarn und etwa
ÖO Bewohner, andererseits : die strotzende, in Europa ihres
Gleichen nicht findende Ueppigkeit des Bodens, die zauber-
haften landschaftlichen Reize, die milde, köstliche Luft,
welche in keiner Weise das Gift, das sie trägt, durch üblen
Geruch verräth.
Und die Ursachen dieses Elendes?
Charakteristisch für die dortige Gegend sind kurze,
aber sehr intensive Regengüsse. Alsdann fluten von den
ganz nackten felsigen Volskerbeigen enorme Wassermassen
plötzlich herab und überschwemmen w'eite Terrainstrecken.
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Die geringe Erhebung des Geländes über den Meeresspiegel
kann nicht zur Wirksamkeit gelangen. Denn schon während
der regenlosen Zeiten werden die zahlreich vorhandenen
Gräben Pius VI. von den permanent durchfliessenden Aussen-
gewässern reichlich erfüllt: namentlich da am Rande der
.Sümpfe, am Gebirgsfusse, noch unglaublich wasserkräftige
Quellen mitwirken, welche aus fremden Stromgebieten ISacco)
stammen nnd allein ein und ein halb mal so viel Wasser
liefern , als die Regenmenge für das ganze Pontinische
Becken beträgt.
So kann denn also das ausgetretene Wasser gar nicht
oder erst nach Monaten abfliessen.
Ich will also zunächst, — und das ist der erste und
wesentlichste Unterschied meines Projektes von allen früheren!
— keinen Tropfen Wasser mehr von Aussen her, auch nicht
von den Randquellen, in das Sumpfgebiet eindringen lassen.
Mit diesen zusammen sollen die von den Bergen herab-
strömenden Wassermassen in selbständigen peripherischen
Kanälen, welche gegen die Innengräben allentludben dicht
abzuschliessen sind, aufgefangen und direkt in’s Meer ge-
leitet werden.
Wie ein Blick auf die Skizze zeigt, ist das auf dem
West-Ufer sehr leicht. Da ist der schöne, breite und tiefe
Sisto schon so gut wie fertig. Aber wunderbarer Weise ist
dieser 20 km lange Lauf 600 in vor dem Meere so gut wie
abgehackt. Er hat geringe, fast gar keine VorHuth, weil der
Canale d. Volte ausserordentlich gewunden und völlig ver-
schilft ist. Es brauchen bloss des Sisto Verbindungen mit den
Quergräben (Fosse Migliari) unterbrochen und die 600 m,
welche ihn vom Meere trennen, durchstochen zu werden.
Auf dem linken Ufer der Sümpfe ist die Sache
schwieriger. Hier müssen UfFente, Amazeno (der schlimmste !)
Pedicata und die Quellen (Feronia etc.) vom Sumpfterrain
völlig abgesperrt und durch einen neuen Kanal bei Terracina ins
Meer geführt werden. Die Heranführung der grossen Menge
frischen Gebirgswassers wird der Gesundheit dieser Stadt
sowohl im Allgemeinen sehr förderlich sein, als auch speeiell
dadurch, dass die jetzige Anhäufung von Seepflanzen, welche
im stromlosen Canal dicht an der Stadt faulend die Luft
verpesten, nicht mehr stattfinden kann.
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Li- ! f i
*3210
Maatsiah der Skizze t : 230,000.
1
3 10
(Kn i = 4 mm).
15
20
Die Ableitung des Amazeno-Uffente ist die schwierigste,
aber zugleich auch wirksamste Arbeit meines Projekts. Da
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man immerhin hierbei nur in fester, höher gelegener Erde
zu graben hat und die Arbeiter in der Nähe wohnen
können, werden die Kosten keine übermässigen sein (etwa
600 (XX) Franks).
(Denkbar, aber mir weniger empfehlenswert!! erscheint
es auch, die genannten Flüsse in ihren jetzigen Betten zu
belassen, hoch und ununterbrochen einzudämmen und so das
Sumpfgebiet in mehrere selbständige Meliorationsgebiete
zu theilen.)
Damit nun jener neue peripherische Graben keines
übermässigen Querprofils bedarf und dennoch seine Aufgabe
erfüllt, die Hochfluthen vom Sumpfboden wirklich fernhält :
müssen letztere schon in ihrem Ursprünge bekämpft, gewisser-
massen in die Länge auseinander gezogen werden. Bisher
dauert der Abfluss der Gewässer 2 V* Tag; man wird viel ge-
wonnen haben, wenn man ihn auf 4 bis 5 Tage vertheilt.
Zu diesem Zweck schlage ich vor :
Schaffung irgend einer, wenn auch noch so gering-
werthigen Vegetation auf den öden Bergen (ev. Opuntien
Caetus, der essbare Früchte trägt und Blätter, die als Futter
zu verwerthen), — Tausende von kleinen, mit einer Patrone
zu sprengenden Trichtern in den oberen Regionen, um den
Regen zur Einsickerung in die Risse und Höhlen des Kalk-
gebirges zu bringen, — endlich grössere fakultative An-
stauungen der Regengüsse in horizontalen weiten Thalkesseln,
welche für gewöhnlich trocken liegen, Wasser in massigen
Mengen durchfliessen lassen und erst bei Hochtiuthen ihre
Schleusenthür selbstthätig schliessen , die Anstauung damit
bewirken.
Sobald man auf diese Weise das äussere Wasser vom
Sumpfterrain absolut fernhält, hat man es nur noch mit dem
eiguen Niederschlagwasser zu thnn. Denn im Gegensatz
zum begrenzenden Gebirgsfusse sind im Innern der Sümpfe
noch niemals Quellen gefunden worden. Das ist ganz
natürlich ; unter dem 2—26 m tiefen Moor lagern nämlich
überall mächtige Thonschi^hten , die noch nirgends durch-
bohrt worden sind.
Nun beträgt die jährliche Regenhöhe in jener Gegend
84 cm, die Verdunstung aber 265 cm. Es kommt also nur
eine sehr geringe Wassermenge überhaupt zum Abfluss, —
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natürlich nur an einzelnen Tagen, nach besonders intensiven
Regengüssen.
Für diese unerheblichen Wassermengen aber sind die
zahlreichen breiten und tiefen Grüben, welche Pius VI.
gebaut hat, mehr wie ausreichend. Man hat nur nöthig,
einige Buckel in ihnen zu entfernen und das Wuchern der
Wasserpflanzen einzudämmen, welche jetzt in einer geradezu
antidiluvianischcn Weise — nämlich indem man Bttffeiheerden
in den Kanälen entlang treibt — niedergehalten werden.
Die Besitzer (z. B. Ferrajoli, Rom 1892) sagen daher sogar:
„der eigentliche Ingenieur der Sümpfe ist der Büffel“.
Kompliment für die zweibeinigen Collegen.
Sind somit, nachdem die äusseren Wasser ferngehalten,
auch noch die vorhandenen Innengräben mit ihrer selbst-
ständigen Mündung ins Meer, dem Portatore di Badino,
geglättet: dann ist jede neue Ueberschwemmung ausgeschlossen.
Die Gräben werden alsdann sofort das freistehende Wasser
und einen grossen Theil des Grundwassers an sich ziehen
und abführen : d. h. es wird in wenig Tagen der bei W eitern
grösste Theil des jetzt inundirten Terrains für immer trocken
liegen.
Sollten die Kanäle und Gräben bei lang andauernder
Dürre einer Auffrischung bedürfen, so ist diese leicht und
ungefährlich in beliebiger Menge durch Heber oder Schleusen
den permanent Hiessenden Aussengräben zu entnehmen.
Das harte, gasreiche Wasser der Quellen am Rande wird
sogar helfen, die Pflanzenwuelierung einzuschränken.
Aber einzelne Geländestrecken liegen doch so tief, dass
sie keinen natürlichen Abfluss zum Meere haben können;
und man darf sie nicht vernachlässigen, etwa ihre Ab-
trocknung der mächtig wirkenden italienischen Sonne über-
lassen. Sie würden auch die trocken gelegten Nachbar-
flächen verpesten, unbewohnbar machen. Ihre Ausdehnung
wird sogar mit der allgemeinen Trockenlegung sich erweitern;
denn wir müssen dabei auf eine allgemeine Senkung der
Boden-Oberfläche um 0,50 bis 0,75 m uns gefasst machen.
Dies in Rechnung gezogen, wird man für etwoi 2000 Hectar
künstliche Entwässerung vorsehen müssen. — Da hat man sich
denn seit Jahrhunderten abgemüht diese tiefen Stellen durch
sogenannte Colmaten „Auflandungen“, durch Heranführung
Archiv f. Schiff»- u. Tropcohygieoe. 14
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der wilden Gebirgswässer zu erhöhen. Das ist ein ganz
vorzügliches Mittel am Po und in den Mare innen, wo nämlich
von den Flüssen grosse Mengen Schlamm mitgeftthrt werden.
Aber die von den ganz nackten Volskerbergen herab-
strömenden Flüsse sehen bei Hochwasser zwar auch braun
aus : diese Färbung rührt jedoch nicht von Schlamm, sondern
von einer Ockerlösung her, so dass der jährliche Nieder-
schlag kaum 1 cm erreicht. Dementsprechend haben denn
die hundertjährigen Colmaten einen so minimalen Erfolg
gehabt, dass mindestens ein weiteres Jahrhundert nüthig
wäre, um ihn zu einem befriedigenden zu gestalten.
Und so lange wollen wir nicht warten. Ich schlage also
vor, diese tiefliegenden Strecken neuerdings zu isoliren, sie
durch kleine geschlossene Dämme gegen das übrige Sumpf-
gebiet abzuschliessen, mit einem eigenen System von Wasser-
furchen zu durchziehen, — und das in einem kleinen Bassin
nahe am Isolirdamm angesammelte Wasser endweder durch
eine Silvorrichtung abfliessen zu lassen, oder, bei besonders
tiefer Lage, über den Isolirdamm hinweg in den nächsten
natürlichen Abflussgraben hinauszupumpen. (Dampf, Elek-
tricität, Windmotore.)
Damit wäre denn das letzte Bollwerk der Versumpfung
überwältigt, — aber noch nicht : die Malaria.
Weil schnellwirkende Mittel zur Gesundung des Bodens
noch unbekanut, bleibt gegen die Malaria nichts übrig, als der
allmälig aber sicher wirkenden intensiven Bebauung (jährlich
2 Ernten!) zu vertrauen und dabei den bestens genährten,
widerstandsfähig gemachten Menschen, in möglichst geringe Be-
rührung mit dem gefährlichen Boden zu bringen. Daraus ergibt
sich, dass die Bebauung durch mehrere Jahre hindurch mit
allen Arten von Maschinen und möglichst wenig Arbeitern,
also im grossen Stile etwa wie auf amerikanischen Latifundien,
erfolgen muss. Die Arbeiter müssen ausserhalb des Sumpf-
bodens, also im Gebirge oder auf dem äusseren Dünenrand,
schlafen. Das ist bei der schmalen langgestreckten Gestalt
der Sümpfe ohne allzu grosse Wege zur Arbeitsstelle
möglich: eventuell könnte auch eine kleine Feldbahn, z. B.
auf der Via Appia entlang, nützlich sein. Alle Fingerzeige
der Wissenschaft müssen und können ohne Rücksicht auf
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den Kostenpunkt für jene wenigen Arbeiter verwertbet
werden.
Erat nach 6 bis 10 Jahren wird man an die Colonisation
und damit an die gärtnerische Bebauung, für welche diese
einzige riesige Ilumusmasse so recht eigentlich geschaffen
ist, gehen können. Dabei werden zunächst noch erhöhte
Wohnungen auf Pfahlgerüsten (Pulafiten) oder aber die alt-
römischen Sumpfhäuser sieh empfehlen. Die alten Römer
bauten in Fiebergegenden festungsartige Häuser, deren
Aussenmauern keinerlei Fenster, nur eine einzige thunlichst
verschlossen gehaltene Thür zeigten. Im Innern des Hauses
brachte man den wohl gepflasterten Hof an, auf den hinaus
sämmtliche Fenster mündeten. Der Luftwechsel des Hofes
und des Hausinnern konnte also lediglich mit den über dem
Dach schwebenden, also hohen, fieberkeimfreien Luftschichten
stattfinden. Diese Anordnung der alten praktischen Bau-
meister verdient vielleicht unsere Nachahmung.
Noch grössere Besorgnisse als für die spätere Zeit wird
man vielleicht hegen für den Gesundheitszustand während
der Trockenlegungsarbeiten selbst. Auch hierbei hoffe ich
jedes Opfer an Menschenleben zu ersparen.
Erstens finden die von mir projektirten Hauptarbeiten,
der Sisto-Durchstich und die Amazeno-Führung, im Dünen-
sand beziehungsweise im festen gesunden Geröll boden des
Gebirgsfusses statt. Die Nachtquartiere der Arbeiter können
auf absolut malariafreiem Boden Platz finden. — Alsdann
wäre es Ehrensache der Unternehmung, für beste Beköstigung
der Arbeiter zu sorgen. Man wird durch menschenfreundliche
Nöthigung den sonst allzu frugalen und sparsamen Italiener
zum kräftigen Essen und Trinken durch gemeinschaftliche
Küche gewisscrmassen zwingen müssen. Tägliche ärztliche
Controlle wird das nahende Fieber, möglichst ehe es aus-
bricht, erkennen. Für solche Gefährdete, ebenso wie für
die Rekonvalescenten, werden die Arbeiten an den Regen-
fangen oben im Hochgebirge die Bedeutung von Sanatorien
gewinnen.
Zum Schluss noch ein Wort über die Finanzfrage.
Die von mir projektirten Trockenlegungsarbeiten habe ich
auf etwa eine Million berechnet. Aber mögen sie selbst 5
Millionen kosten, das hätte gar keine Bedeutung.
14*
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196
Denn während jetzt der durchschnittliche Pachtreinertrag
etwa 17 Franks per Hectar beträgt, ergab ein nach meinen
Vorschlägen gemachter Versuch an einem Sumpfzipfel: — 30o
Francs jährlichen Reinertrag! Und diese Rente würde sich
durch Gartenbau noch steigern lassen.
Möge man nicht schwindelnd werden, wenn man sich die-
selbe und den daraus resultirenden Kapitalgewinn bei 30,000
bezw. 250,000 Hectarcn ausrechnet.
Ueber den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit
darf ich nur aussprechen, dass ich die Hoffnung, mit den
italienischen Besitzern vorwärts zu kommen, so ziemlich auf-
gegeben habe. Dagegen wird von Seiten der italienischen
Regierung sowie von finanzkräftiger deutscher und englischer
Seite lebhaftes Interesse bekundet Bereits finden sehr
genaue Detail-Vermessungen und landwirthschaftliche Unter-
suchungen statt.
So ist denn begründete Aussicht vorhanden, dass diese
überzweitausendjährige Quelle des Elendes und des Todes,
gelegen in unmittelbarer Nähe der ewigen Stadt, demnächst
zu einer Stätte der Wohlhabenheit und des Glückes für hundert-
tausende von Bewohnern und Nachbarn ungeschaffen wird.
v. D o n at
Major, Regiment 83.
II. Besprechungen u. Literaturangaben.*)
a. Hygiene, Physiologie, medizinische Geographie und Statistik.
Schön, Ueber Trope n liy gi ene , Vortrag gehalten in der Abteilung
Berlin - Charlottenburg der deutschen Kolonialgesellschaft am 27.
November 1890.
Der Redner setzte in klarer, kurzer und für gebildete Laien
verständlicher VVeise die Geschichte, Bedeutung, Ziele und Hülfsmittel
der Tropenhygiene auseinander. Die lebhafte Diskussion, welche dem
Vortrage folgte, spricht am deutlichsten für die gegebene Anregung.
Staatssekretär Herzog äusserte als erster den Wunsch, bald mehr über
dieses Thema zu hören, besonders Uber die nur kurz gestreiften Fragen
der Hygiene, der einseinen Kassen, die GeBundheitsregeln de» täglichen
Lebens nnd überhaupt praktische Vorschläge. Während Virchow die
Akklimatisation von Familien bezweifelte und auf den Untergang der
*) ln Folge der grossen Fülle des vorliegenden Materials sind
wir genötigt, die neugesetzten Besprechungen kleiner zn drucken.
Die Red.
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197
in wärmere Länder nusgewamlcrteu germanischen Stämme hinwies,
betonte Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, dass trotz Verlustes
der Nationalität doch der germanische Typus in manchen dieser Länder
noch erhalten sei. Däubler hob die Verschiedenheit der Tropenhygiene
von der allgemeinen hervor. Nocht die Notwendigkeit einer Abgrenzung
des Begriffs Malaria von anderen Krankheiten, Beiow die Bedeutung
der internationalen Sammelforschung und gedachte ihrer Förderung
durch den Fürsten Hohenlohe-Langenburg. Gerhard wies auf vier
wichtige Tropenkrankheiten hin : die durch Anchylostoma duodenale
bedingte Anämie, die Ruhr, die l’ocken und dio Malaria und ihre
Erreger hin, LasBar auf die Syphilis. Nach einigen Worten Kühlers
Uber die Zweckmässigkeit der Zusammenwirkung verschiedener Rich-
tungen gibt von Richthofen die Absicht der Verwaltung kund, die
Kolonien gesundheitlich nach Möglichkeit zu heben, und der Vorsitzende
Prinz von Aronborg stellt in seinem Schlusswort weitere Vorträge auf
demselben Gebiete in Aussicht und befürwortet das Erscheinen einer
periodischen Schrift für Tropenhygione. M.
Der Academio do mcdecine zu Paris (Sitzung am 20. April 1897)
machte Geschwind zu ßayonne die Mittheilung, dass er und
Brandais auf Gemüsen, welche in der Umgebung der Stadt von den
Gärtnern mit Kopfdüngor gegossen worden, den Bacillus Eborth,
Bacillus coli communis, den Tuberkulosebacillus und Bandwnrmglieder
nachweisen können. (Diese Beobachtung dürfte besonders die Aerzte
in Gegenden interessiren, wo der Gemüsebau ausschliessliches Monopol
der Chinesen ist, wie in manchen Theilen Ostasiens, Australiens und
Amerikas. Die Chinesen erzielen ihre vorzüglichen Ernten besonders
durch die tleissige Kopfdüngung mit Kxcrementon. Ruf.) M.
Koeppe, Hann, Dr. med., pr. Arzt in Giessen. Die Be-
deutung der Salze als Nahrungsmittel. Ein
Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung deutseher
Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M. Giessen.
J. Ricker’scho Buchhandlung. 1896.
Als Nahrungsmittel werden meist nur diejenigen .Stoffe
betrachtet, welche dem Körper eine gewisse Energiemenge
zuführen, die durch Calorieen ausgedrückt weiden kann, das
heisst Eiweisskörper, Fette und Kohlehydrate. Wenn auch
von vielen Seiten auf die Bedeutung der anorganischen Salze
aufmerksam gemacht wurde, so schrieb man ihnen doch keine
andere Wirkung zu, als dass sie die verloren gegangenen
Salze ersetzen sollten.
K. zeigt zum ersten Male, dass auch die anorganischen
Salze dem Körper Energie liefern, welche sich zwar nicht
in Wärme, sondern zunächst in Druckdifferenzen äussert und
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198
daher auch nicht nach Calorieen, sondern nach Atmosphären
gemessen werden muss.
Wir verdanken diese Erkenntniss der Anwendung der
neueren physikalischen Chemie, insbesondere der Anwendung
der Gesetze des osmotischen Druckes auf die Lösungen der
Nährsalze.
K. weist nach, dass der osmotische Druck einer Fleisch-
bouillon, in der doch die Salze die Hauptrolle spielen, dem
osmotischen Drucke des Blutplasmas überlegen ist. Nun ist
die Magenwand sowohl für Wasser, wie für Salze durchlässig.
Es tritt daher nach Aufnahme dieser Nahrung Wasser aus
dem Blut in den Magen, und Salze treten aus dein Magen-
inhalt in das Blut über. Gelangt nun die Nahrung in den
Darm, so kehrt sich hier der Vorgang um. Die Nahrung
wird hier also eingedickt. Den bei diesen osmotischen Vor-
gängen entstehenden Strömungen kommt eine Bedeutung bei
der Resorption der Nahrung zu.
Die Bouillon kann nun nicht etwa durch eine Koch-
salzlösung ersetzt werden. Denn der osmotische Druck ist,
wie K. ausführt, von den verschiedensten Faktoren abhängig:
Concentration der Lösung, Anwesenheit und Menge anderer
Salze, Anwesenheit auch geringer Mengen organischer Stoffe
haben einen bedeutenden Einfluss, wobei besonders der Grad
der Dissociation der Salze (Zerlegung in positive und negative
Jonen) eine grosse Rolle spielt.
Aus ebendemselben Grunde müssen Mineralwässer, z. B.
Kochsalzwässer, anders wirken, als die entsprechend coneen-
trirten Kochsalzlösungen. Besonders ist zu beachten, dass,
im Gegensatz zu einer einfachen Kochsalzlösung, die Mineral-
wässer in Folge ihres Gehaltes an verschiedenen Salzen bei
geringster Gesammtconcentration die grösste Zahl neutraler,
d. h. nicht in Jonen gespaltener, Moleküle enthalten. Denn
nur neutrale Na Cl-Moleküle können ohne Weiteres in das
Blut gelangen, und also führen wir durch den Genuss von
Kochsalzbrunncn dem Blute mehr Na CI zu, als wenn wir
die gleiche Menge Kochsalz in einfacher Lösung geben. Das
Na CI des Blutplasma’s wandelt sich aber zum grossen Thcile
— auf Grund osmotischer Prozesse zwischen Körperchen und
Plasma — in Na > CO i um, und so können wir konstatiren,
dass durch das scheinbar recht indifferente, kochsalzhaltige
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199
Mineralwasser die Alkalescenz des Blutes bedeutend erhöht
werden kann.
K. zeigt durch diese Beispiele, wie die Theorieen der
physikalischen Chemie in ganz neuer Weise zur Erklärung
physiologischer Vorgänge herangezogen werden können.
Victor Lehmann.
Langlois, P., Les Naufragda de la „Ville de Sai n t - N a za i re“
La Presse medicale 1897. No. 31.
Die Schiffs-Catastrophe der „Ville de St. Nazaire“ giebt dein
Autor Anlass, auf gewisse Mängel in der Schiffsausrüstung hin-
zuweisen. Abgesehen davon, dass namentlich auf Packethooten die
Bemannungszahl nicht selten ungenügend ist, entspricht auch die
Verproviantirung oft keineswegs den zu stellenden Anforderungen. Es
muss verlangt werden, dass jedes einzelne Rettungsboot iin gegebenen
Momente rasch mit der nüthigen, der Bemannungszahl entsprechenden
Menge zweckmässiger Nahrung ausgestattet werden kann. L. fordert,
gestützt auf die Gesetze der Ernährungsphysiologie und unter Berück-
sichtigung der in Betracht kommenden besonderen Entstände. 3000 Calorien
und 2 Liter Trinkwasser pro Kopf, eine Ration, die den leicht eintreten-
den Fahrthindernissen Rechnung trägt. Ein Speisezettel, der natürlich
alle zu kochenden Conserven ausschliessen muss, ist leicht zu
construiren, etwa in folgender Weise:
Fleischconserven 300 gr. ( 660 Calorien).
Schiffszwieback 600 gr. (1000 „ ).
Holländischer Käse 100 gr. ( 350 „ ).
Zucker 60 gr. ( 200 „ ).
Sa. 1000 gr. (2200 Calorien).
Dio fehlenden 800 Calorien wären leicht zu decken durch Oel-
sardinen, Butter (?), condensierto Milch u. s. w. Als Getränk sind neben
Wasser kleine Mengen von Alcohol zu gestatten, ja in Rücksicht auf
den moralischen Effect ganz zweckmässig, grössere Dosen dagegen
zweifellos schädlich. Die Rationen müssten ein möglichst kleines
Volumen haben (etwa 2000 ebem Nahrung, 2 Liter Flüssigkeit pro Kopf,
und wären in geeigneten Recipienten aufzubewahren.
K. Pfeiffer- Cassel.
Ergebnisse einer Fragebogenforschung auf tropen-
hygieniscliom Gebiet. Zusammengestellt von Dr. Ernst Schön,
Hillfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Schön hat es in der vorliegenden Arbeit, versucht, die fünfzig
Berichte, welche nach Abschluss der ersten Fragebogen forschung noch
einliefen, zu einem einheitlichen Ganzen zu verarbeiten. Er hat die
schwierige Aufgabe, die gewaltige Fülle des Materials zu sichten und
übersichtlich zu ordnen, in sehr anerkennenswerther Weise golöst.
Das erste Capitel umfasst Hinterindion und den malayischen
Archipel. Die fünfzehn Berichte dieser Gruppe sind in vier Ab-
Diqitiz
3gle
200
schnitte getheilt, von donen der erste Bangkok, Penang ond
Singapore, der zweite Sumatra, der dritte Java mit Madura
und Moearah Toweh auf Borneo, der vierte Manila behandelt.
Nachdem Verfasser einige allgemeine Bemerkungen Uber die
Dichtigkeit der Bevölkerung, die RegenfUllo, die Dichtigkeit der
Pflanzendecke, die Monsunwinde und den Plantagenbau vorauageschiekt
hat, werden zuerst die klimatischen, anthropologischen und ethnologischen
Verhältnisse von Penang, Singapore und Bangkok miteinander
verglichen, welche wesentliche Abweichungen unter sich aufweisen,
obwohl ihre geographische Lage nahe dem Meere auf niedrigem, von
Mangrovewald bestandenen Schwemmlande in grosser Aequatomühe
viel Aehnlichkoit zeigt. Die sanitären Einrichtungen betreffend, so
überragen die unter englischer Oberhoheit stehenden Plätze Penang
und Singapore die Hauptstadt des durch einen eingeborenen Fürsten
regierten Reiches Siam weit.
Trotz vielseitiger hygienischer Mängel ist Bangkok indessen
nicht so ungesund, als man vormuthen sollte; namentlich beschränken
sich die schweren Malariafieber und die schwersten Formen der
Dysenterie auf die Sumpfwälder des inneren Landes, während sich
Singapore nml Penang durch das seltene Vorkommen selbst leichter
Malariafieber höchst vortheihaft vor anderen Tropenplätzen auszeichnet.
Unter den sechs Berichten aus Sumatra interessirt vor Allem
derjenige aus dem an der Südkftste der Insel befindlichen Hafenort
Telok Botong. Hier herrschen schwere und selbst pemiciiise
Malariafieber, während die übrigen sämmtlich an der Westküste
Sumatras gelegenen Berichtsorte, besonders das fast genau unter dem
Aequator liegende PadangPandjang in dieser Hinsicht ungleich
besser gestellt sind.
Aus Java liegen zwei Berichte vor: ans Modjokerto nnd
Banjumas, welche sich durch die eingehende Darstellung der Orts-
verhältnisse auszeichnen. Freilich ist die Physiologie nnd Pathologie
Javas, der weitaus bestbekannten und bestcultivirten aller malayischen
Inseln, Dank der ausgezeichneten experimentellen Arbeiten Eykmann's,
Glogner's, van der Scheer's u. A., genauer bekannt als die irgend
eines anderen Tropengebietes. Malaria ist an beiden Berichtsorten
häufig, indessen treten die pernieiösen Formen stark zurück. So betrog
die Malariasterblichkeit der Provinz Banjumas im Jahre 1893 nur
3 Wh der Bevölkerung. Auffallend erscheint, dass das Vorkommen
von Abdominaltyphus von den Berichterstattern nicht bemerkt wurde,
während nach Beobachtungen, welche Referent im Militärlazaret zn
Batavia machte, diese Affeetion dort sehr häufig verkommt. Freilich
muss hierzu bemerkt werden, dass Verwechselungen des Typhös mit
Malaria vormals ganz allgemein waren, während man jetzt Dank der
Befunde von Malariaplasmodien im Blute eine exacte Differential-
Diagnose zu stellen in der Lage ist
Auch aus Pamakasan, der Hauptstadt Maduras, lief ein
«■»gefüllter Fragebogen ein, welcher im Gegensatz zu der überwiegende»
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201
Mehrzahl der Tropenplätze eine» reichlichen Vorkommens der Masern
bei den Eingeborenen Erwähnung thut.
Es folgt der Inhalt des sehr eingehenden Berichtes aus Manila,
welcher neben interessanten Aufschlüssen Uber Klima, Lage und Racen
sowie bemerkenswerthen physiologischen Daten ein besonders reich-
haltiges Material bringt, in welchem auch die ortsübliche Therapie
ausführlich besprochen wird. Darnach sind Nervenkrankheiten dort
seltener als in England. Hingegen fehlen unter den Infections-
krankheiten nur wenige in Manila; besonders verheerend wüthen:
endemische Cholera, Kuhr, Unterleibstyphus und Pocken. Zur Ver-
hütung der letztgenannten Seuche wird von Europäern und Eingeborenen
die Vaccination mit grossem Erfolge angewendet, während Chinesen
und Syrer die Impfung mit echten Pocken bevorzugen. Die Malaria
betreffend, so herrscht Febris remittens vor; dort fehlt es auch nicht
an biliös-hämorrhagischen und selbst pernieiösen Formen. Leider
findet sich auch die Tuberkulose besonders unter Eingeborenen und
Mischlingen zu Manila in erschreckendem Orado verbreitet.
Aus Britisch Indien lagen nur zwei Berichte vor, nämlich aus
P o o n a und D h a r w a , beide am Ostabfall des Plateaus von Dekan
1850 resp. 2420 englische Fuss Uber dem Meere golegen. Anziehende
Einzelheiten Uber Klima, Wohnungen und Wasserversorgung in jenen
Städten werden uns darin gegeben. Unter den Krankheiten behauptet
trotz der Höhenlage Malaria die erste Stelle, freilich in ihrer
mildesten Form.
Der Bericht aus Colombo (Ceylon) erwähnt mit vollem Recht
der Thatsache, dass dieser wichtige Platz den entschieden gesunden
Tropenplätzen zuzuzählen ist. Unter den Infectionskrankheiten be-
haupten Malaria, Ruhr, Durchfall und Lungenentzündung die führende
Rolle (nach den Erfahrungen dos Referenten ist es vorzugsweise die
Dysenterie, welche in Colombo und Umgebung in ihrer schwersten
Form auftritt). Auch Lepra und Elephantiasis gehören nicht zu den
Seltenheiten. An häufig grassirenden Hautkrankheiten werden Herpes
tonsnrans und Fromhoesia erwähnt. Originell ist die Angabe einer
Schleiinhaut-Affection des Mundes: „The Ceylon sore inouth“, einer
Art septischer Mundfäule, welche Ceylon eigenthümlich sein soll. Sie
spottet jeglicher Behandlung und hat auch hin und wieder unter
Europäern einige Opfer gefordert.
Etwas mager sind die Berichte aus Polynesien ausgefallen, die
sich auf einige Daten klimatischer und etnologischer Natur beschränken,
welche aus Lcwnka (F i d j i) , Apia (Samoa) und T o u g a t a b u
(Gesellschafts-Inseln) stammen. Ausführliches Uber Hygiene und
Pathologie der Stldsee-Inseln ist von Below und Schellong früher
puhlicirt worden. Auch der höchst eingehende und lehrreiche Bericht
aus San ThotnA, welchen der dortige Chef des Gesundheitsamtes
Manuel Ferreira Ribeiro, einer der rührigsten Arbeiter auf dem Gebiete
der Tropen-Pathologie, einlieferte, ist an anderer Stelle schon ver-
öffentlicht. Hingegen hat Schön in seiner Arbeit den Wortlaut einer
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202
sehr bemerkenswerthen Verfügung, welchen Kibeiro für die Bewohner
von San Thomö zur Verhütung der Malaria erlassen, in deutscher
Uebersetzung zum Abdruck gobracht.
Sehr reichhaltiges Material bietet der das tropische und sub-
tropische Amerika behandelnde fünfte Abschnitt der Arbeit. Die
vierzehn hier in Betracht kommenden Berichtsorte sind in drei ( «nippen
eingetheilt:
Krstens solche, welche vermöge ihrer Lage auf Mecreshiihe
innerhalb der ersten 13 Breitengrade nördlich und südlich vom Aeguator
ein ziemlich gleichförmiges Klima haben, nltmlich: Port of Spsin
auf Trinidad, Coronie und Nickerio auf Surinam und die
Städte Para und Bahia an der brasilianischen Küste. Eine ganze
Reihe werthvoller Daten Uber Lage, Bevölkerung, Wohnung, Nahrung
und Wasserversorgung, vor Allein aber hygienische Maassnahmen
Seitens der Regierung finden wir in diesem Abschnitte. Am ein-
gehendsten aber ist T r i n i d a d behandelt, wo die Gesundheitsverhältnisse
der Zwecks Leistung der Arbeit in den Plantagen eingeführten ostindischen
Coolies ebenfalls berücksichtigt werden. In allen jenen tiefgelegenen
heissen Plätzen herrscht Malaria, freilich fast ausschliessliche leichtere
Formen. In Nickerie (Surinam) »oll die Malaria unvermeidlich
jeden frischen Ankömmling befallen.
Die zweite Gruppe jene» Berichtes umfasst die höher gelegenen
Plätze, zuvörderst die am Westabhang der peruanischen Cordilleren
gelegenen Orte Talua und Sullann, deren überaus trockenes Klima
wesentliche Abweichungen im Vorhalten des menschlichen Organismus
gegen europäische Verhältnisse nicht bewirkt. Von Infectionskrankheiten
sind in Talua Tuborculoae und Pneumonie häufig, selbst eingeschleppte
Malaria wird beobachtet, während in Sullnna Infectionskrankheiten
selten auftreten. Unter den noch höher liegenden Berichtsorten
Durango und Guanajuato (Tafelland von Mexiko), Cocha-
hnmhn (Hochebene von Bol i via) und Mendoza (westliches
Argentinien) zeichnen sich Cochabamba und Mendoza durch
ihre verheerenden Pockenepidemieen bub.
Die dritte Gruppo des Abschnittes umfasst die beiden chilenischen
Hafenplätze: Valdivi» und Puerto Montt, sowie das an der
argentinischen Küste gelegene Bahia Bianca, welche der subtropischen
Zone angehören, von denen die ersteren beiden Plätze ein feuchtes,
der letztere aber ein sehr trockenes Klima besitzt. Von Infectious-
krankheiten sind in allen droi Städten Ruhr, Diphterie und Unterleibs-
typhus die vorherrschenden, ebenso Pocken. Hervorzuheben ist die
Bemerkung, wolche in einer Anmerkung Platz gefunden hat, dass in
Chile sowie in Argentinien und Uruguay unter allen Krank-
heiten die Tuberkulose weitaus die meisten Opfer fordere. Insonderheit
würden die Eingeborenen durch jene entsetzliche Affektion völlig aufge-
rieben. Diese wichtige Notiz ist nicht den Fragebogen, sondern einer
Reihe von Schriften entnommen, wolche Schön an derselben Stelle citirt
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203
Der sechste Abschnitt der Schrift beschäftigt sich mit Aegy pten
und Syrien. Die klimatischen und sanitären Verhältnisse von Cairo
und Port Said sind kurz, diejenigen von Jaffa, Jerusalem und
Aleppo etwa» eingehender behandelt. Unter den Krankheiten ist in
Jaffa und Jerusalem die Häufigkeit der Herzaffektionen hervor-
zuheben, auftretend meist in Folge von Gelenkrheumatismus, an dessen
Entstehen wohl die Bauart der Häuser die Hauptschuld trägt, Malaria
fehlt nirgends ganz, selbst nicht in dem hochgelegenen Jerusalem.
Der siebente Abschnitt bringt einige Daten aus dem subtropischen
SUd- Afrika. Die Angaben beschränken sich auf die Städte
Kimberley und Bloemfontein, welche auf einem über 1200 in
tl. M. sich ausbreiteaden Tafelland« liegen.
Lebensweise und Kleidung der weissen Bevölkerung entspricht
den europäischen Verhältnissen. Al» häufige Krkrankungen der Ein-
geborenen werden schwere f ormen von Pneumonie angeführt, ferner
da» Kimberley- oder Camp-Fever, welches theils remittirend, thoils
intermittirend auftritt und von Typhus selten zu unterscheiden sein
soll. Der dritte Berichtsort Mos»eIhay liegt weiter südlich vom
Meere. Es ist dies ein für Europäer sehr günstiger Platz, welcher in
klimatischer und hygienischer Beziehung durchaus europäisches Ge-
präge besitzt.
Etwas dürftig ist der achte Abschnitt, welcher den Boricht aus
Neuseeland umfasst, ausgefallen, wobei freilich berücksichtigt
werden muss, dass jene Inselgruppe eines ganz hervorragend gesunden
Klimas sich orfreut, welches, namentlich was die Südinsel nngeht,
demjenigen Norditaliens ähnelt. Vermisst wird eine Angabe über die
dort sehr häufig vorkommende Echinococcus-Krankheit (Hydatide-
Affection), welche freilich in noch höherem Maasse auf dem Festlande
Australiens grassirt.
Das neunte Capitel giebt uns einige wenige Daten au» der
chinesischen Hafenstadt Tschifu. Eine eingehende Darstellung der
Hygiene und Pathologie des weiten chinesischen Reiches enthält der
Bericht indessen nicht. Bei der ungeheuren Ausdehnung jener Gebiete
und der Eigenartigkeit der Verhältnisse, welche in den noch fast absolut
ßegen europäische Cultur sich abschliessenden Riesenroiche des fernen
Ostens walten, muss eine derartige Schilderung wohl einer Special-
schrift Vorbehalten bloiben.
Sehr instructiv sind die Schlussbomerkungen Sehens, in welchen
er die Ergebnisse der Fragebogen, soweit sie für die Tropenhygiene
Wichtigkeit haben, zusammonfasst. Er kommt darin zu den gleichen
Resultaten, welche auch andere auf demselben Feldo arbeitende
Forscher gefunden haben, besonders auch Eykmann und van der Scheer
auf experimentellem Wege, dass nämlich in den Tropen Pulszahl,
Temperatur und Athmung Abweichungen von dem in gemässigten
Breiten zu beobachtenden Typus nicht aufweisen , dass hingegen die
Harnsekretion im Allgemeinen vermindert, die Schweisssekretion hin-
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204
gegen vermehrt ist und die Magendarm-Thätigkeit träge funktionirt,
dass ferner und vor Allem eine eigentliche Tropen-Anämie bei dem
gesunden Europäer nicht auftritt, eine Abnahme deB Hömoglobin-
gehalte» vielmehr lediglich die Folge von Krankheiten) vor Allein von
parasitären Dann-Affektionen und Malaria »ei. Auch die Tropen-
Pathologie wird am Schlüsse dieses Capitels zusammenfassend sb-
gehandelt.
Es folgen nunmehr noch eine Reihe übersichtlicher, fleiasig aus-
gearbeiteter Tafeln, welche in einer langen Reihe von Rubriken das
in den Fragebogen enthaltene Material uns noch einmal in tabellarischer
Form vor Augen bringen. Die klimatischen, meteorologischen, physio-
logischen und pathologischen Verhältnisse eines jeden der in den
früheren Abschnitten ahgehandelten Berichtsorte wird hier noch ein-
mal ziffernmftssig aufgeführt.
Den Schluss der Arbeit bildet eine Weltkarte, in welcher alle
jene Plätze eingezeichnet sind, eine sehr dankenswerthe Beigabe,
welche die Orientirung ungemein erleichtert.
Kronecker, Berlin.
Vincent & Burot, Statistique medicale de la flotte
frangaise. Aon. de mt$d. nav. et col., Janvier 1897.
Lea auteurs ont, |>our la preiniere fois on France, cherche
k ilresser sur des documents ofliciels une statistique medicale de
la marine.
Pour les cinq annees 189t — 1895 la moyenne de mortalitc annuelle
s'est elevee pour les dquipagos k 11,8 pour 1000. Ln mortalitc de
l’ensemble des officiers est sensihlement la meme ill pour 1000);
toutefois dans le corps des officiers eile est relativement faible pour
les officiers de marine proprement dita (9,8 pour 1000) tandis qu'elle
est tW's elevee pour leg medccins ot pbarmaciens (16 pour 1000 pour
la periode quinquennale, ot 19,6 pour 1000 en 1895, epoqno de la
Campagne de Madagascar'.
Sur 1000 di*c£s de cause connue on compte:
Tuherculose 258
fiivre typhoide 147
Endemies des pays chauds 176
Noyes et disparus en mer 96
Accidents et morts violentes 60
Saicides 12
j. I internes 195 I
Maladies diverses { ( 251
1 eiternes 56 J
La mnrbiditii est considiSrable : on compte pres de cinq joure
de maladie par hemme et par annee.
La statistique des reformes pour maladies survenues pendar.t le
Service n'a pas pu etro drossee jusqu'ici.
Les auteurs insistent avec raison sur la forte proportion de
maladies dvitables que l'on trouve cotnme cause de ces mortalitc« elevee«.
F i r k e t (Liege).
4
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205
Bonoafy , Statist! que medicale de la Cochinchine
(1861—1888). Arch. med. nav. et col.f Mars 1897.
Cette statistique porte sur les malades soignes dans les hopitaux
de Cochinchine par le corps medical de la marine qui a eu jusqu’en
1888 la charge du service de saute dans cette colonie; ces malades
etaient pour la plupart des militaires (soldats et matelots), un tiers
environ etaient des auxiliaires non combattauts ; ceux-ci ont dünne des
mortalites tan tot inferieures tan tot superienres k celle des soldats.
Les cliiffres que nous reproduisons se rapportent k l’ensemble des
combattants et des auxiliaires reunis; nous resumons sons la rubrique
0 b s e r v a t i o n s les renseignements fournis par l’auteur sur les causes
qui ont pu elever la mortalite pendant certaines annees.
Annee
Morbidite
Kombre des ca*
de maladle pour
H-00 dXTectif.
Mortalitä
No mb re des
dece* pour
1000 d’etfecilf.
Observation»
1861
1763
115
Action inilitaire. Cholera.
1862
2140
86
1863
2;>57
72
1864
1966
52
1865
1844
44
1866
1824
45
Action inilitaire.
1867
1466
50
Expedition au Cauibodge ; dyssenterie
1868
1239
31
1869
1023
28
1870
1043
38
| Par suite de» Evenement» d’Europe,
1871
1339
45
i Io flejour des troupes en Cochin-
1872
1289
27
chine est. anorinaleinent prolonge.
1873
1193
31
Fixere typhoide.
1874
982
30
1875
1075
27
1876
1075
27
1877
771
37
Expedition au Cauibodge. Cholera.
1878
808
18
1879
676
11
1880
601
12
1881
835
13
1882
744
11
1883
719
14
1884
1036
23
A partir de 1884 beaucoup de malades
1885
1251
29
revenant du Toukin et trop faibles
1886
973
16
pour ötre rapatries sout soignes
1887
1492
16
a 1 hopital de Saigon (Cochinchine)
1888
750
24
Dans des tableaux tr^s-interessants, accompagnes de graphiques
M. Bonnafy rapproche les chiffres de morbidite et de mortalite en
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206
Coehinchine des chiffres eorrespondants observös aux Indes anglaisss
et hollandaises.
Quant aux causes des deces observes, eile» se repartissent
comme auit. Sur 100 döcös on trouve
Dysaenterie 29,60
Paludisme 24^3
Cholera 7,70
Diarrhoe chronique 7,53
Fi 7- vre typhoi'de 6,50
Tubereulose 4,68
Hepatite, abces du foie 3,42
Variole 0,42
Tötanos 0,34
Autres maladies 15,58
La mortalite a ete surtout considerable en ete, d’ Avril k Aoüt,
avec maximum en Juillet.
C. F i r k e t (Liege).
Darbe« , Höpital improvise de la marine k Tamatave.
Arch. de mid. nav. et col., Janvier 1897.
M. Durbec a ete, pendant la Campagne de Madagascar, Charge
de la cr^ation et de la direction d un Höpital maritime k Tamatave:
ron rapport donne sur l'organisation de ce Service, sur l'alimentation
des malades etc., des details precis, qui se pretent mal k une analyse.
En 18 mois (annee 1895 et premier semestre de 1896) l'höpital a
re\u 2605 malade»; il y a en 70 deces. La plus grande part des maladies
soignöee revient au paludisme ; M. Durbec Signale :
Fievre intermittente
1818 cas;
6
decös.
Cachexie palustre
690 .
16
„
Typhomalarienne
23 ,
12
r
Acces comateux
24 „
10
m
. tetanique
1 .
1
9
Paludisme larve
o
Bilieuse hematurique
w ,
11
.
Amblyopie palustre
9
“ T»
Parmi les maladies des Organes digestifs nons relevons:
Diarrhöe
53 cas.
Dyssenterie
104 .
8
dec&s.
Congestion da foie
4 .
Hepatite suppuree
1 ,
C.
F i r k e t (Liege).
Göographie medicale.
ffearj, Etüde sur les eaux de Pondichöry. Arch. möd. nav.
et coL Janvier 1897, p. 56.
tstr*4e, Apercu hygienique sur le Laos. Arch. med. nav. et
eoL 1896, t 66, p. 1.
flebrard, Cöte d'ivoire. Cons i d er at ion s hygienique».
Arch. med. nav. et col. Mars 1897 p. 222 et Avril 1897, p. SOI.
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207
Laugier, Contribution k la Biographie medicalc, Mada-
gascar et Mozambique. Arch. de mid. nav. et col., Avril
1897 p. 268.
b. Pathologie und Therapie.
Pest.
Während in Bombay die Pest in steter Abnahme begriffen ist
hat d ie Seuche sich weiter über Vorderindien verbreitet. Nach den
amtlichen Berichten des Staatssecretärs für Indien erlagen in der mit
dem 14. Mai zu Ende gehenden Woche der Pest in Bombay 81, in
Poonali 13 Personen.
Mit dem Serum Haffkine's wurden in Bombay 7770, anderswo
4184 Schutzimpfungen vorgenommen. Seit Ausbruch der Seuche erlagen
derselben im Ganzen 10 507 Menschen.
Aus anderen Districten wurden in der zweiten Maiwoche
gemeldet:
Surath
26 Neuerkrankungen,
21
Todesfälle;
Thana
61
1»
54
n
Kolaba
113
n
94
n
Kathiawa
11
r •
10
fi
Cutch
840
n
811
fl
Kolhapur
2
w
3
fl
Baroda
23
fi
18
n
Palanpur
3
n
3
fi
Karrachee
?
T»
44
fl
Hyderabad
?
fl
11
fl
Sukkur
y
1»
6
II
Rohri
?
fl
18
»
Eis erkrankten nur 2 Europäer an der Post mit 1 Todesfall.
Die Krankenhäuser werden für die bevorstehende Regenzeit in Stand
gesetzt. _
Mitteilungen der Deutschen Pestcominission aus Bombay
vom 19. März 1897. — Deutsche medic. Wochenschrift, 1897, No. 17.
Sonderbeilage.
Nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten konnte die Pest-
coinmission ihre Arbeiten beginnen und folgende Thatsachen eruiren.
Als Eintrittspforte der Pestbacillen dienen in der Hanptgruppe der
Fälle kleine Hautverletzungen, gelegentlich mehrere bei einem Indi-
viduum: secundär treten dann Drüsenschweliungen au den verschiedenen
Stellen, namentlich Schenkelbeuge und Achselhöhle, auf, um sich in
leichten Fällen zurückzubilden oder aber zu vereitern. Die Pest-
bacillen pflegen dann bald zu Grunde zu gehen, doch können noch
gefährliche secundäre Infectionen, zumal mit Streptococcen, auftreten.
— Durchdringen die Pestbacillen das Drüsenfilter, so körnten sie sich
im Blute und den inneren Organen verbreiten und zu der fast stets
letal endenden septicämischcn Form führen. Bei erfolgter Blutinfection
verlassen die Krankheitserreger den Körper mit den Faces und dem
Ham und können dann die Verbreitung der Pest fördern. Seltener ist
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208
die primäre Beteiligung der Lungen in Form von pneumonischen
Herden, in denen die Postbacillen, eventuell gemischt mit Diploeoccen
oder Streptococcen, gefunden werden, noch seltener primäre Tonsilleo-
infection. — Das Sputum der Kranken kann uatttrlich ebenfalls Über-
tragend wirken.
Die baeteriologische Diagnose gelingt nur selten bei frischen
Deckglaspräparaten (Vorbehandlung der erhitzten Deckgläschen mit
ganz schwacher Essigsätirolösung, Färbung mit Carboifuchsin), viel
sicherer bei dem Culturverfahren (Ausstreichen des Blutes auf der
Oberfläche von Nähragar). Die Punction der Bubonen zu diagnostischen
Zwecken ist nicht unbedenklich. Die Paralysirnng durch Pestserum in
Pestbacillenanfschwemmung, ähnlich derjenigen durch Typhuaserum in
Typhushacillenaufschwemmung, Choleraserum in Cholerabacillenanf
schwemmung lässt sich diagnostisch verwerten und vermuten, dm*
auch bezüglich der Frage der künstlichen Imtnunisirung weitgehende
Analogien zwischen den Pestkeimen einerseits und den Typhus- und
Cholerakeinien andererseits bestehen werden.
Die Pest ist eine Seuche der in Schmutz und Elend lebenden
Bevölkerungsklassen. Ob eine nennenswerte Abnahme stattgefundeu
hat, ist schwer zu sagen bei dor Unsicherheit über die Zahl der orte-
anwesenden Personen. — Möglich ist, dass sich die Epidemie bald
ihrem Ende nähert unter der Wirkung der neuen Massnahmen (Haus-
visitationen, zwangsweise Ueberführung in die Hospitäler resp. die
sogenannten „Segregation Camps“) und mit dem Eintritt heisserer
Nächte, welche die ärmste Bevölkerung im Freien nächtigen lassen. —
Der Gesundheitszustand der Pestcommissionsmitglieder war ein durch-
aus guter.
Ein Urtheil über die practischen Erfolge der prophylactischen
Iufuctionen von abgetöteten Pestculturen (Dr. llaffkine) sowie der
therapeutischen Einspritzungen mit Serum vorbehandelter Tiere
(Dr. Vers in) ist zeitig nicht zu geben. R. Pfeiffer (Cassel).
Lnstig, A. und Galeottl, 6., Schutzimpfung gegen die
Beule npeBt. Deutsche medicinische Wochenschrift Ns. 19-
Neapel 1897.
Der Impfstoff wird gewonnen, indem die Pestbacillen drei Tage
lang bei 37 ' C. in Agar cnltivirt werden. Die Culturousse wird
in 1 •/» Kalilange aufgelöst, dann mit Essigsäure oder Chlorwasierstoff-
sänre gefüllt and die geflillte Substanz in luftleerem Raum in Gegen
wart von Schwefelsäure getrocknet, schliesslich wieder bei 3} • C.
in sch wachalkalische Lösung gebracht, gelöst und durch Chat nberUnd-
Filter filtrirt. Das Filtrat gieht einen Impfstoff', durch dessen Ein-
impfung auf Ratten, Mäuse, Kaninchen ein brauchbares Serum ge-
wonnen werden kann. Weitere Berichte stehen bevor. M.
Nach der „Wiener klin. Wochenschrift“ beabsichtigte die öster-
reichische Pestkommission, wegen Erlöschens der Epidemie und der
Zersplitterung des Materials, sich am 1. Mai in Bombay wieder nach
Europa einzuschiffen. Aus ihren Beobachtungen sehlieesen die Mit-
<*
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209
glieder, dass das Gift nicht nur durch die Haut, sondern auch durch
die Athmnngsorgane in den Körper oindringt, wogegen die Infection
vom Dannkanal zweifelhaft ist. (Im Gegensatz zu Wilm s. o. Kef.)
Geber die Sohutzimpfnng nach Hatfkine und Y'ersin iiusaert sieh die
Commission zurückhaltend, jedenfalls nicht so begeistert wie fran
zösische Berichte. M.
Wilm, Ueber die Pestepidemie in Hongkong im
Jahre 1896. Hygienische Rundschau, VII. Jahrgang,
No. 5—6.
Hongkong war seit der Epidemie in den Monaten
Mai bis September 1894 bis auf einzelne sporadische
Fälle von der Seuche verschont geblieben. Im Januar,
Februar und März 1896 vermehrten sich die Erkrankungen,
erreichten im April und Mai ihre grösste Zahl, um im
Juli und August sich allmälig wieder zu vermindern.
Wilm leitete in Hongkong ein Pesthospital (Kennedy
town - hospital) und behandelte von Mitte März bis Ende
August 300 Pestfällc. Gleichzeitig hatte er Gelegenheit,
867 Pestleichen zu untersuchen. Die Krankheit trat in
verschiedenen Formen auf, begann meistens ohne Vor-
boten mit Schüttelfrost und Hitzegefühl, dem sich rasch
grosse Hinfälligkeit, Fieber und Drüsenschwellungen anschloss.
Das Aussehen der Kranken verändert sich rasch. Der Ge-
sichtsausdruck verzerrt sich, die Augenhindehäute sind ge-
röthet, die Gesichtshaut um die Augen, auf der Stirn und
auf den Wangen ist blau verfärbt. Die »Sprache wird
stotternd, der Gang schwankend. Schwere Benommenheit
umfängt den Geist des Kranken, häufig treten jedoch Delirien
auf. Die Fieberkurve ist nicht regelmässig. Die Höhe der
Temperatur, welche manchmal bis 41 0 stieg, entspricht nicht
der »Schwere der Erkrankung. Kritische oder lytische
Scliweisse beim Abfall des Fiebers fehlten. Die Haut war
stets heiss und trocken und zeigte nur in einem geringen
Prozentsatz der Fälle Petechien, Exantheme verschiedener Art
und Karbunkel. Sichtbare Wunden waren sehr selten. (Ein
bemerkenswerther Befund, weil Hautverletzungen als Ein-
gangspforte des Pestbazillus angesehen werden. Ref.)
Lymphdrüsenschwellungen traten in 73°/« der Fälle meistens
im Verlauf der ersten 6 Krankheitstage als Bubonen von
der Grösse eines Taubeneies bis zu Faustgrösse auf. Bei
15
Archiv f. Schiff«- u. Tropenhygiene.
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210
27® » der Fälle kam es nur zu bohnen- bis haselnussgrossen.
meist schmerzlosen Drüsenschwellungen. Die Bubonen sassen
meistens in der Leistengegend, in der Achselhöhle, am
rnterkieferwinkel, in der Unterkiefergegend und im Nacken.
Gewöhnlich trat nur an einer dieser Stellen ein Bubo auf.
Die Bubonen vereiterten in 90°/» der Fälle. Unter den 3()0
Kranken waren nur 6 Europäer, 189 waren Männer, 51
Frauen, ßO Kinder bis zu 13 Jahren.
Die Zunge der Kranken glich häufig der Typhuszunge.
Die sichtbaren Schleimhäute waren geröthet, häufig stellte
Mieh unstillbares Erbrechen ein. Im eigentlichen Fieher-
studiiim bestand meistens Verstopfung, Diarrhöen waren jedoch
im Beginn der Erkrankung und im weiteren Verlaufe häutig.
Wenn Bubonen fehlten, nahm das Krankheitsbild den
Charakter einer Darmerkrankung an.
Der Respirationstraktus zeigte die wenigsten Krankheits-
erscheinungen. Bronchitis trat in 10°/o der Fälle auf, 6°|4
hatten blutigen Auswurf. (Eine grosse Abweichung im
Syrntomenkomplex von anderen Pestepidemien. Ref.) Der
Puls von 90 — 120 in der Minute, die Urinabsonderung häufig
vermindert oder aufgehoben. Eiweiss in einer Menge von
0,1 — 0,5®/ 0 zeigte sich in 95°/o der Erkrankungen. Die
Heilung der Krankheit erfolgte im Allgemeinen nach 1 — 4
Monaten. Die Sterblichkeit betrug im Pesthospitale 73*/»
und zwar starben 70° o schon in den ersten 0 Tagen, ausser-
halb des Krankenhauses zeigte die Epidemie eine Mortalität
von 8 r»°/0. Der Tod erfolgte im Coma, unter Convulsiouen,
im plötzlichen Collags, unter den Zeichen der Erschöpfung
oder eines septischen oder pyämischen Zustandes.
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen bestanden
in entzündlicher Schwellung der äusseren und inneren Lyrnph-
drüsen , Milztumoren, parenchymatösen Veränderungen in
Leber und Nieren, Meningitis und Hämorrhagien.
Die sehr eingehend beschriebenen mikroskopischen und
bakteriologischen Beobachtungen bestätigen die Angaben von
Kitasato und Yersin. Von geimpften oder mit Stücken von
kranken Organen gefütterten Thieren erlagen die kleineren
unter den Erscheinungen der Pest binnen 1—12 Tagen, ein
Schwein erst nach 22 Tagen. Katzen erkrankten, Hber er-
holten sich wieder.
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211
• Die Differentialdiagnose der Pest kann durch mikro-
skopische Untersuchung des Blutes, des Urins und des
Buboneneiters gesichert werden, auch durch Züchtung des
Bacillus aus diesen Flüssigkeiten, sowie aus dem Speichel,
Koth und Erbrochenen.
Die Prognose ist ernst und unsicher. Die Therapie
muss prophylaktisch und symptomatisch sein. Das Pestserum
Yersin’s hat W. noch nicht angewandt.
Die Pest ist nach Hongkong vom Festlande ein-
geschleppt worden, als endemischer Heerd in China ist Yünnau
zu betrachten. Die ungünstigen hygienischen Verhältnisse
in den Chineseuvierteln begüngstigten die Verbreitung. Als
Träger der Keime sind Menschen und Thiere und beschmutzte
Kleidungsstücke zu betrachten. Es gelang W., aus solchen
Kleidungsstücken Pestbacillen zu züchten; Sonnenschein und
Austrocknen todtete das Gift bald. Entgegen einer weit-
verbreiteten Ansicht scheint W. die Infektion von der Haut
aus nicht häutig zu sein, sondern der Darmkanal die Ein-
gangspforte zu sein. Im Hafenwasser konnte der Pestbazillus
nicht naebgewiesen werden, trotzdem nimmt Wilm dessen
Verbreitung durch Flusswasser, ferner durch Nahrungs- und
Genussmittel an. Die Schutzmassregeln gegen die Seuche
haben zu bestehen in Isolierung der Kranken, Desinfektion,
Ueberwachung des Verkehrs, wobei Verdächtige für die
Dauer von mindestens 6 — 7 Tagen beobachtet werden müssen.
Schiffe aus pestverdiiehtigen Häfen ohne Erkrankungen sind
als rein zu betrachten (wohl nur, wenn die Seereise die obige
Incubationszeit überdauert. Ref.). Trockene Ladung ist un-
gefährlich, feuchte zu desinfizieren, sei es durch Auskochen,
strömenden Wasserdampf, Creolin, Carbol oder Kalkmilch.
Der Handel mit Nahrungs- und Genussmitteln ist zu über-
wachen, ungekochtes Wasser aus offenen Wasserläufen als
gefährlich zu erklären. Die Incubationszeit steht nicht ganz
sicher fest, sie dauerte meistens 3 — 6 Tage, in einem Falle
15 Tage. M.
Dänbler, I)it> neueste Pestliteratur. Sonderahdruck aus der
.Heilkunde*. Teschen, Carl Proehaska.
Der Verfasser giebt einen Sammelbericht (Iber die neuesten
Publikationen Uber die Pest, deren endemische Heerde in Arabien,
Mesopotamien und Persien zu suchen sind, besonders die Städte Hedjat
15*
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212
uml Asir in Mesopotamien. Die neneste Epidemie in Indien ist von
dem Pestheerde in den chinesischen Provinzen Yünnan und Pak-hoi
eingeschleppt. Kleine Hautwunden sind nach Aoyama nach dom Munde
die Haupteingangspforten für das Krankheitsvirus. Als bezeichnendes
Moment der VVeiterverbreitung sind mangelhafte hygienische Verhält-
nisse anzusehen. Der Festbacillns, und die Geschichte seiner Entdeckung
und die Hauptversuche mit demselben werden dann besprochen, ferner
der klinischo Verlauf der Krankheit, die Soctionsergebnisse und de
Therapie, besonders die Anwendung des Pestserurns. M.
Feste.
Verstn A., Sur la peste bubonique (S e ro t h e r a pi e). Annales
de l'Iustitut Pasteur, Janvier 1897.
Tous les journaux ont fait connaitre dans ces derniers mois les
resultats obtenus par M. Verein dans le traitement de la peste bubonique,
ce travail donne le detail des 26 premiers cas traites par l'auteur avec
Io serum antipesteux prepare ä l'Institut Pasteur de Paris (3 cas ä
Canton, 23 k Amoy); il y a eu deux d£ees seulement.
Van der Stricht, 0., Lesions produites par le microbe de la
peste. Bull, de l’Acad. Royale de medec. de Belgique. Mars
1897. p. 215.
Travail tri''s soigneusement fait, mais puroment anatomo-
pathologique.
Firket, CI»-, L a peste, ses causos et son tra item ent. Le; ono
faites au cours de pathologie des pays chauds iil'Uni-
versite de Liege. Liege, Bertrand, in 12°.
Landouzy, L., Traitement de la peste. Paris, Carre et Naud
edit., 1897.
Collln, Propagation ile la peste en Egypte. Bull. Acad. de
medecine, 2 fevrier 1897.
Proust, La defense de l'Europe contre la peste. Bull. Acad.
de mdd. de Paris, 26 Janv. 1897.
Roux, Sur la peste buboniqne. Essais de traitement par
le serum antipesteux, ä propos d'une note de M. Vers in
Bull. Acad. de med. de Paris, 26. Janv. 1897.
Berl-Berf.
Grimm, Dr. F., Klinische Beobachtungen über Beri-Beri.
Verlag von F. Karger. Berlin 1897.
Mit der heutigen ihm unpassend erscheinenden Stellung der
Beri-Beri, wie sie die neueren Autoren handhaben, unzufrieden, glaubt
Herr Dr. Grimm in seiner 136 Druckseiten umfassenden Schrift einer
Doppelaufgabe gerecht zu werden, nämlich sowohl zu dem Entwürfe
eines einheitlichen Krankheitsbildes zu gelangen, als auch dem nicht
mit der Lehre vom Beri-Beri vertrauten Arzt einen lleberblick zu
geben. Das Material, welches der Autor zur Ertüllung dieser Aufgaben
benutzt, besteht im Wesentlichen aus ca. 20 meistens recht cureorisch
behandelten Krankengeschichten und der Erwähnung einer einzigen,
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213
anscheinend flüchtigen inikoscopischen Untersuchung von Nerventheilen,
ausserilem stützt sich Dr. Grimm auf eine fünfjährige Beobachtung
and Behandlnnp einer prossen Menpe Beri-Beri-Kranker, allein ohne
tiefer darauf einzugehen. Diese Mängel des Materials und seiner Be-
nutzung werden noch vermehrt durch das Fehlen irgend welcher
Sectionsergebnisse. Das Studium der Arbeit führt ausserdem zu dem
Resultat, dass der Verfasser keine der beiden Aufgaben in annähernd
befriedigender Weise gelbst hat.
Herr Grimm beobachtete auf Yezo im nördlichen Japan, wo im
Winter Beri-Beri erlischt und nur iin trocknen, heissen Sommer auf-
tritt. Kr legte ein Hauptgewicht auf die Erkennung und Beurtheilnng
beginnender reiner Beri-Beri und ist geneigt, langdauernde Fälle fdie
sog. chronische Form), sowie auch dio meisten ausgebildeten oder
schweren Fälle, als durch wiederholte Aufnahme des Krankheitsstoffes
„accumulirte“ resp. als „Neuinfectionen“, nach der ursprünglich
arquirirten reinen oder milden Beri-Beri auzusehen. Das Fohlen des
Patellarreflexes ist ihm dabei das Hauptkennzeichen, er nennt die mit
Exocerbationen und Recidiven einhergehenden Erkrankungen Beri-Beri
accninulatum s. multiplicatum, ein reines Beri-Beri entspräche etwa
kaum der von Scbeube genau beschriebenen rudimentären Form.
Somit wären beinahe alle schweren, also auch die acut verlaufenden
init starkem Oedem, Exsudaten und Lungenoedem complicirten Formen,
welche so häufig in Indien und in den einzelnen Tropeuländern Vor-
kommen, nicht richtig classificirt und bedeuteten ein Beri-Beri multi-
plicatum. — Zu solchen Schlussfolgerungen muss jedenfalls der noch
nicht mit Beri-Beri vertraute Arzt beim Studium dos Grimmschen
Werkes kommen. Aber er wird auch sonst in Bezug auf die un-
vergleichlich besser fundirten , verdienstvollen Arbeiten Seheubo’s,
Pekelharings's, Bälz's, auch Glogner’a und Anderer irregeleitet, und er
kann durch Grimin’s Buch keine klare Anschauung des Wesens und
auch des Ablaufes der Krankheit und ihrer Varietäten gewinnen. Herr
Dr. Grimm versucht alles bisher Uber Beri-Beri Beobachtete und
Publicirte Uber den Haufen zu werfen, eher etwas dafür an die Stelle
zu setzen, was haltbar wäre, er sagt uns auch damit nichts Neuesi
dass Neuinfectionen mit Beri-Beri-Virus im Verlaufe der Krankheit
eintreten dürften. Ebenso wissen wir längst, dass deshalb, um Ver-
schlimmerung hintanzuhalten und noch Heilung herheizuführen , die
Kranken in Beri-Beri-freie Gegenden und ebensolche Wohnnngen
transferirt werden müssen, Europäer entweder nach der Heimathi
oder in das Höhenklima der Tropenländer. ln Brasilien weise
das jeder Laie , die Niederländische Regierung lässt in Tosari
auf Java, 2f>00 Meter hoch belegen, ein Bori - Beri - Spital er-
bauen, die Evacuation Beri-Beri-Kranker von Adjeh nach Höhenorten
galt seit Jahren als das beste, oft einzige Heilmittel, ebenso wie be,
tropischer Malaria.
Innerhalb der ersten 14 Tage lässt Grimm wiederholte Neu-
infectionen eintreten, wie im Endstadiuin anderer Krankheiten, z. B.
Typhus, soll dio Fettdegeneration der peripheren Nerven und Muskeln
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214
bei Ben Beri in Folg» von Erschöpfung eintreten, in einem, sage
einem Zupfpräparat von Nervensubstanz eines Beri-Beri-Kranken aus
<lem ersten Krankheitsstadium fand er keine Fettdegeneration.
Diese Fettdogeneration von Nerven und Muskeln auch bei rasch
verlaufenden perniciösen Fällen ist schon vor Jahren in Indien
beobachtet, wenn auch nicht völlig gedeutet und beachtet. (Ref.) Es
muss aber auch dem Versuche entgegengetreten werden, auf Grund
einer Beobachtung Beschuldigungen gegen frühere Forscher auszu-
sprechen, wie Grimm sie ausspricht.
Aetiologisch lässt Grimm den Genuss roher Fische als das
Hauptmoment gelten. Europäer und Ainos Ureinwohner Nordjapans,
welche nur Gekochtes essen, blieben deshalb von Beri-Beri verschont.
Dabei kann die Frage nicht unterdrückt werden, warum so viele
Chinesen, die nur Gekochtes essen, in Indien ganz besonders an Beri-
Beri leiden, auch die Malayen essen Gekochtes und erkranken, ebenso
Europäer in Indien. Die Takagi’sche Nahrungsverbesserung, welche
Grimm als Stütze seiner Ansicht mit heranziebt, hatte keine einwand-
freien und dauernden Erfolge. Der Autor liebäugelt ein wenig mit
dem allseitig abgelehnten Gelpke'schen Vergleiche der Beri-Beri mit
Trichinosis (Gelpke vermuthete auch die Krankheitserreger in den
Fischen), verwahrt sich dann aber gegen Gelpke’s Ansicht, einmal will
er Beri-Bori als Infectionskrankheit ansehen, aber mit „Einschränkung“,
ein anderes Mal mit „Vorbehalt“. Solche und andere unklare und
widerspruchsvolle Ausführungen, wie auch die Anordnung und Gegen-
überstellung des Stoffes tragen nicht zum VerständnisB bei und lassen
verinuthen, dass der Autor sich selbst nicht stete seiner Aufgaben
klar bewusst war. Die Arbeit kann in erster Linie angehenden
Troponärzten nicht empfohlen werden, trotzdem der Autor unzweifel-
haft eine grosse Anzahl von Bori-Beri-Kranken beobachtete und sehr
wcrthvolle Urinuntersuchungen ausführte. Der Ton, in welchem Herr
Dr. Grimm sich gegen frühere anerkannte Beri-Beri-Forscher wendet
kann ebensowenig anderen, auch nicht den jüngsten, schneidigsten
Collegen empfohlen werden.
Dr. Karl Däubler.
Malaria und Typhoide.
Naame. Notesurl’adininistrationdufereiiinjectionshypo-
dermiques d ans la cach exi e pal udden n e. Revue de medec.
Mars 1897.
N. a einploye k Jerusalem les injoctions de citrate de cafeine
’/ 1« dans cinq cas de cachexie paludeenne avec oedeme, hypertrophie
de la rate et du foie; il injecte sous les deux jours le contenu d'une
seringue de Pravaz, en meme teinps qu’il combat l’infection malarique
par la quininc. Les premiercs injections determinent parfois une
legere intoldrance gastrique (!) et en gfineral les malades presentent
pendant la duree du traitement un certain erethisme. La douleur
locale est en general moderne. Les resultats out cte satisfaisants;
guerison en un ou deux mois. C. F.
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215
Pliqoe. Com p 1 i c a t io ns et traitement du paludisme
chroniqne. Presse mi5dic. 1897, p. 180.
Revue critique de traitcmcnts connus.
Gros, Note snr quelques cas de fiAvre ty ph oi'd c o b s er v«5s
(Una les lies de la Polynesie f ra in; a i s o. Arch. de med. nav
et colon. 1896, t. 66, p. 70.
II s'agit de trois petites epidemies observeos en divers points
des iles de la Societe; k l’inverse des epidemies anterieures qui
paraissaient dues A des importations par les navires de passage, celles-ci
se sont developpees independamment les unes des autres et saus
im pertat ion etrangcre. La fievre typhoide parait donc s't-tre implantce
dAfinitivement dans l'archipel.
L'auteur croit que les habitudes locales penvent favoriser la
propagation de la contagion par l’air; le plancher des cases imligAnes
est perce d une trappe par laquelle les habitants jettent les d£tritus
de toute Sorte qui s'accumulent eutro le sol et le plancher oü se tient
la famille. Cb. Firkot (Lii’-ge).
Ly mphangltls, Lymphadentes und Elephantiasis.
M oncorro filho, Das Lymphangites na infancia o suhs
consequencias. Rio de Janeiro, Typographia Moraes 1897.
Der Verfasser, welcher seinem Vater, Professor Moncorvo, auf
wissenschaftlichem Gebiete nacheifert, liefert in dem vorliegenden 330
Seiten starken Werke eino vortreffliche Studie Uber die Lymphgefäss-
erkrankungeu in der Kindheit, gestutzt auf die einschlägige Literatur
and das grosse Material der Kinderkliniken und -polikliniken in Rio.
Er betont mit Recht, dass diese Erkrankungen bisher wenig beachtet
sind. Es wird schwer halten, anderswo auf der Erde im tropischen
Klima so ausgedehnte und eingehende Beobachtungen an Kindern der
weissen Rasse in solcher Zahl zu machen und gleichzeitig den Befund
bei farbigen kleinen Patienten zur lland zu haben. Iin I. Kapitel be-
spricht Verf. den Bau des Lymphgefässsystems und bedauert, dass,
obschon dne Lymphgefasssystcm im Kindesalter mehr entwickelt sei,
als im vorgerückten Alter, doch seine EigenthUmlichkeiton und Er-
krankungen in der Literatur kaum berücksichtigt worden seien. Das
2. Kapitel weist historisch nach, wie trotz der Häufigkeit dieser Er-
krankungen im Klima Brasiliens dieselben von den brasilianischen
Aerzten nur wenig beachtet worden und die Beobachter ausserdem
noch häufig durch die durch das Tropenklima bedingten Cotnplicationen,
welche das Krankheitsbild verwirren, irreg .-führt worden sind. Mon-
corvo der ältere lenkte 1886 durch seine Studien Uber die Elephantiasis
Arabern bei Kindern zuerst die Aufmerksamkeit auf die kindlichen
Lyuiphangitiden. Kapitel 3 gilt der Aetiologio, welche sehr maunig-
faltig ist.
Eine der wichtigsten prädisponierenden Ursachen ist die Ueber-
arbeitung des Lymphgefiisssystems im heissen Klima. Als weitere
wurde die Anaemia intertropica angesehen, deren Existenz jedoch
den neueren haematometrischen Arbeiten gegenüber unhaltbar ist
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216
Die Malaria dagegen schwächt zweifellos den Organismus in seiner
Widerstandsfähigkeit gegen das Eindringen schädlicher Mikroben.
Die physikalische Eigenart des Troponklimas begünstigt das
Gedeihen von Mikroorganismen auf der menschlichen Haut, besonders
ist anzunehmen, dass das Streptococcus Erysipelatis im heissen Kliina
eine grössere Lebensenergie besitzt.
Als eigentlichen Krankheitserreger, „causa determinante“, be-
trachten bei der Angioleucitis und ihren Folgen, besonders der
Elephantiasis , Chylurie, Craw-Craw u. s. w. fast alle Autoreu die
Wucherer'sche Filaria sanguinis hominis, besonders seitdem Manson
seine klassischen Experimente über deren Uebertragung durch Mücken-
stiche machte. Es kommt aber oft vor, dass trotz deutlich entwickelter
Erscheinungen die Filaria fehlt, Moncorvo selbst beobachtete 20 Fälle
dieser Art Die durch die genannte Filaria hervorgerufenen Er-
krankungen wie Chylurie, Craw-Craw, Lymphoscrotum aber fehlen sogar
im Kindesalter gänzlich, wenigstens findet sich in einer Statistik von
48000 Kindern, welche unter 7 Jahren innerhalb einer 18jährigen
Beobachtungszeit in Rio starben, diese Krankheiten nicht verzeichnet
Die Filaria Wucherer’s kann also die conditio qua non der Lymph-
gefksserk ran kungen nicht sein, wenigstens im Kindesalter, sondern
diese Affektion wird mindestens sehr häufig hervorgerufen durch den
Streptococcus Fehleisen's, welcher stets nachgewiesen wurde. Erysipel
und die pernieiöse Lymphangitis sind als verwandte Krankheiten an-
zusehenl Mit Malaria dagegen hat letztere nichts gemein.
Gelegenheitsursachen physiologischer oder meteorologischer
Natur kommen kaum in Betracht. Von den somatischen Ursachen hat
man früher das Kindesalter nicht beachtet, hervorragende Beobachter,
z. B. Mazae Azeina, haben immer nur die vollentwickelte
Krankheit, nicht aber ihren Entwickelungsgang von den ersten
Lebensmomenten an studiert, auch deutsche» englische and
französische Forscher sehen das Auftreten der Elephantiasis im kind-
lichen Alter als selten an. Moncorvo Vater und Sohn beobachteten
unter ihrem anssergewöhnlichen reichen Material zahlreiche Fälle von
angeborener und in den ersten Lebensjahren erworbener Elephantiasis
Das Geschlecht hat auf das Auftreten der Krankheit keinen Einfluss.
Auch das „lymphatische Temperament“ hat nach Moncorvo keinen
ätiologischou Werth. Erblichkeit dagegen steht fest, der Plazentar-
durchgang des Krankheitserregers ist als möglich und faktisch an-
zunehmen, wie ja schon andere Beobachter für den Erisypelstrepto-
coccus die Vererbung nachwiesen. Zwölf Fälle angeborener Elephan-
tiasis Moncorvo’s zeigten nie die Filaria Wucherer, sondern immer die
Erisypelstreptococcus. Was die Rasse augeht, so wurde von brasilia-
nischen Beobachtern eine Art Immunität der schwarzen Rasse gegen
perniziöse Lymphangitiden itn Kindesalter angenommen. Moncorvo
sah unter 62 kindlichen Fällen 50 Weisse, 11 Mestizen und 1 Neger.
Unter den weissen Kindern Uberwogon die Kreolen.
Das 4. Capitol des Werkes ist der Symtouiatologie gewidmet.
Um Ordnung in den Symptomenkomplex zu bringen, beschreibt M.
nach einander verschiedene pathologische Gruppen der Krankheit
Die erste Gruppe bildet die Lymphangitis protopathica, welche akut,
subakut oder chronisch verlaufen kann. Die akute gutartige Form
dieser Gruppe geht mit Hitze, Schwellung, Röthung und Schmerz einher
und endet in Zertheilung, Eiterung oder chronische Infiltration, die
akute bösartige Form ruft schwere Störungen des Allgemeinbefindens
hervor, welche auf die Giftwirkung der Stoffwechselprodukte des
Streptococcus Fehleisen zurtlckzufUhren sind und endet in Zertheilung,
Eiterungo der GangrHn. Bei der chronischen protopathischen L. zeigen
sich entzündliche Erscheinungen nur'in grossen Pausen. Unter leichten
Schwankungen der sie begleitenden Oedeme, Bindegewebsentzündungen
und Drüsenschweliungen geht sie meistens allmiilich in Elephantiasis Uber.
Als deuteropathische Lymphangitiden, welche die 2. Hanptgruppe
bilden, betrachtet M. die durch andere Ursachen als den Streptococcus
des Erysipels oder die Filaria Wucherers hervorgerufenen, nkmlich
durch Syphilis, Tuberkulose oder pyogene Keime.
Eine von andern brasilianischen Autoren angenommene Gruppe
der komplizirten oder perniziösen L. erkennt M. als Bolche nicht an
und wendet sich gegen die von Beinen Landsleuten (und von den
romanischen Völkern überhaupt — Ref.) vielfach vertretene Ansicht,
der Impaludismiis bedinge die schwere Form der L.
Im 5. Capitol erörtert M. die Diagnostik der kindlichen Lymphen-
zitiden, besonders die Differentialdiagnose.
I>ie Prognose der kindlichen Elephantiasis ist nicht ungünstig*
da die Neubildungen im jugendlichen Lebensalter unter geeigneter
Behandlung sehr zur Rückbildung neigen, immerhin ist sie zweifelhaft
zu stellen.
Das 6. Capitel behandelt die pathologische Anatomie des Loidens
in ausgiebiger Weise, beschreibt dann die Pathogenie, besonders das
Verhalten des Streptococcus Fehloisen im Organismus.
Die Therapie wird im 7. Capitel auseinandergesetzt. M. empfiehlt
die örtliche Anwendung des Ichthvol’s, besondere in der Form des von
ihm eingeführten antiseptischen Firnisses. Die Allgemeinbchandltmg
ist eine symptomatische. Ueber die Serum-Therapie nach Marmoreck
sind die Versuche noch nicht abgeschlossen.
Die vorgeschrittenste t orm der Lymphangitis, die Elephantiasis,
wird am besten mittelst des faradischen Stroms behandelt.
Den Schluss des Werkes bilden 45 Krankengeschichten, welche
teilweise durch Zeichnungen veranschaulicht worden. Hoffentlich ist
die portugiesische Sprache der Verbreitung der trefflichen Monographie
kein Hindemiss. M.
$
Chas. C. (Jodding, On non venereal bubo. British medie.
Journal, 26 September 18Ü6. p. 842.
Ces deux travaux s’oecupent dos bubona inguinanx observes
dans les dquipages des navires stationnant dans los pays chauds et
sur lesqnels un trnvail de M. Rngo, ’analysc dans les Archiv für
Schiffs- und Tropcnhygiene (I p. 82) a d£ju attirc i attention.
218
M. Lesueur a observe cinq malades h Madagascar : le debut de
l'affection etait brusque, la tumefaction ganglionnaire rapide ; la fievre
se montre par poussees irregulicros, dont chacune correspond a un
gonflement plus considerable des ganglious. Cette fievre n’est preaquo
pa8 inflnencee par la quinine, et l'auteur discutant la pathogenie de
cette affection, que divers observateure framjais et bresiliens ont
attribuee au paludisme, tond a rejeter 1‘idee d’une origine exclusivement
paludeenne ou climatique. Comme traitcment il einploie sourtout
l’arsenic (liqueur de Pearson) et la poudre de quiuquina. L’emploi
de fiodure de potassium et le traitement externe räsolutif ne lui ont
pas donne de jrcsultat satisfaiaant.
M. Godding aignale la frequence variable des bubons non
veneriens suivant les atations. Dans la flotte anglaise ils s'observent
surtout dans lea stations navalos des Indes orientales et de la Chine.
Sur 1000 hommc8 d’equipage la marine royale anglaise compte
annoellement:
anx Indes orientales 31 cas de bubons
en Chine 25
aux Indes occidentales 22
ä la cote occidentale d’Afriquo 13
dans les Eaux anglaises 10
on Australie 9
dans la Mäditerraneo 8
Comme traitement c'est aussi a l’arsenic, seul ou associe au fer
que l'auteur donne la preference; localement il etnploie les applications
de pommade belladonce et les rcsolutifs. Cli. Firket (Liege).
LeBoenr-Florent. Contribution ii l’etude de la lymphatexie.
Les ad^nites d’apparence palustre. Ann. de tned. nav. et colon.
Juillet 1896. p. 64.
Leberleiden und Dysenterie.
Boinet, Trois cas de grands abces du toie nostras
d'originedysenterique. Ruvuo de medeeine, Janvier 1897 p. 57.
La dysenterie chez les trois malades avait 6t6 contractee ii Mar-
seille ou a Genes; dans un des cas les symptoines intestinaux etaient
tres peu accuses. Le pus des abces du foie ne contenait pas d'ainibes ;
quant aux bacteries, dans un cas ou n'a rien tronne, dans les deux
autres des staphylocoqucs depourvus de virulenee. Ch. Firket (Liege).
Pejrot At Roger, Sur un cas d' abces dysenterique du foie
ne contenant que des amibes. Revue de Chirurgie,
10. F£vr. 1897.
Il s'agit d'un abces du foie developpe an cours d’une attaque
aigue de dysenterie & Nossi Be (Madagascar); la malade put etro trän s-
portee en France et operäe a Paris dcux mois aprös le debut des
accidents hepatiques. Le pus reeueilli ü l'ouverture de l'abces no
rnontrait pas de bacteries a l'examen microscopique ; les cnltures faites
sur agar, gelatine et bouillon restcrunt steriles, ineme k l'abri de l’air.
219
Mais ce pus contenait en tri» grande abondaneo des ainibes mobiles
atteignant jusqua 30 fi de diametre; on a pu cultiver ces ainibes anr
infugion de foin maig leg cultureg devenaient rapideinent steriles, leg
paraaiteg s'enkvstaient. Le pus recaeilli dang les pansements ulterieurs
contenait beaaeoap moins damibes maig on y a trouve des bacterieg,
notamment des pneumocoques, streptocoques et coli-bacilles.
Ch. Kirke t (Liege).
Parasitäre und Hautkrankheiten.
Lemanaky, Le bouton d’Orient. Revue internationale de medecine
et de Chirurgie. Tunis, I0./III. 1897.
Der Verfasser giebt eine eingehende Beschreibung der anderweitig
als bekannten Dermatose und deren Behandlung, welch’ letztere in
antiseptischen Waschungen, Verbänden, Salben, Zerstäubungen und
besonders in rechtzeitiger Entleerung des Eiters zu bestehen hat.
Prophylactigch ist grösste Reinlichkeit zu empfehlen und Verschleppung
des weiter nicht besprochenen Krankheitserregers durch Kratzen zu
vermeiden. Die Narben unterscheiden sich durch ihre braunviolette
Färbung von syphilitischen. M.
Trlbondean, Contribntion ii l’etude des eruptions sudo •
nales des Europeens aux pays ehauds. Arch möd. nav. et
col. Fevrier 1897, p. 129.
L’auteur a observö frcquemment, h Madagascar, la transformation
pustuleuse dos vesicules du liehen tropieug (18 rasen six inois snr
nn naviro portant 130 hommes d’equipage). Les pustules atteignaieut
IQ et 12 millimetres de diametre; on les trouvait surtout dans
l’aisselle, le pli cruro-scrotal, a la region lomhaire et au ventre. Cette
transformation pustuleuse d'une lesion presque banale s’observerait
seulement chcz les snjets debilites dejä par un sejour asscz long sous
los tropiques. C. F.
Depied, Note sur un cas de mort par les bourbouilles.
Arch. med. nav. et col. Mars 1897, p. 20f>.
II s’agit d’un soldat de 29 ans, ayant fait anterieureinont un
premier sejour dans les pays ehauds. A la suite d’une marche mili-
taire par une temperatcure trös öleveo (60 Kilomctres en 3 jourg, au
Tonkin) avec des vetements en molleton bleu, il sc produisit une
eruption generalisee de bourbouille (liehen tropicus), avec les
phenomönes habitnels d'excitation et fievre irreguliero; les vesicules
confluent en phlyctöncs assez voluinineuscs, passant ä la suppuration;
diarrhee; mort au quinziöme jour. C. F.
Brault, J. et Bonget, J., Etudo clinique et bacteriologique
d’une pseudomy coso observee on Algörio. Arch. de inöd.
exper. et d’anat. pathid. Mars 1897.
n s’agit dans les deux observations docrites, do lesions des
membres inferiours, pout etre d'origine tellurique; un iles malades
(trappiste) travailiait la terre; chez l’autre les lesions avaiont apparu
a la suite d’une chüte.
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220
II se fait localement une inflammation d’abonl peu intense qm
soulöve la p6R0 ; eelle-ei crove aprös plusieurs semaines, donnant issue
a 11 ne matirre epaisse, grise, comme encophaloi'de, quelquefois m&langee
d’un pcu de puB epais. La lesion s'etend en surface, fonnant des
niedren ii fond rouge vif recouvert par place* d*un enduit grisfttre fort
adherent; on outro eile s’etend en profoudeur, en longa trajets fistuleux
irn'guliers qui pi'netrent jusqu’aux museles. Dans le pus epais et
fetide qui emplit ces foyers on ne retrouve pas les parasites du Pied
de Madura ni ceux de TAetinomycoso ; 1’etude baeteriologiquo y a
revele la presenoo de plusieurs microbes, notamment de deux bacilles
dans la coexisteme serait, d’aprc^s les auteura, necessaire ä la production
des lesions. On n’a paa trouve de mycelimn La guerison n’a ete
obtenue que par le euretage; l’iodure de potassium s’est montre
ineffieace. C. F.
Löpre.
Carrifcre, M., Traitement de la l^pro par l’huile de petrol e.
Soc. d’anat. et «le physiol. de Bordeaux, 18 Janv. 1897.
C. a pu aineliorer plusieurs lepreux par l'oinploi «lu petrole,
qn’il pröfere s’i Thuile de chaulinoogra ; il emploie intus 2 a 4 capsule*
renfermant ehaeune 25 centigrainmes d'huile de petrole; extra un
melange de Vaseline et de petrole V*°- C. F.
Depled, La Lucilia hominivorax au Tonkin Areh. m«!*d.
nav. et col. Fevr. 1897.
Deux cas observes chez l’horame, dans la region montagneuse
et relativement fraiche du Tonkin. Les larves, longues de 14 ou 15
millimetres, siegeaient en grand nombre sous le euir chevelu; leur
enl£vement fut facilite par des injections de clilorofonne dans la poclie;
conservees vivantes dans de l'ouate eiles ont donne naissance k des
inouches presontant les earact^res de Lucilia hominivorax.
Un cas semblable a ete observe par 1’auteur chez un chevah
«laus la paroi abdominale. C. F.
R. Hlanchard, Le Davainea MadagascarionsisalaGuyane.
Bull, de I’Acad. de mddec. de Paris, 12 Janv. 1897.
B. decrit deux exeinplaires de cette espece (Taenia mada-
gasca riensis Davaiu«») observes il Georgetown (Guyane anglaise)
par M. C. W. Daniels. Jusqu’ici ce ver avait ete signah' a Mavotte
(lies Comores) ii Port-Louis (Ile Maurice) et h Bangkok (Siam); son
aire de dispersion est donc fort etendue et B. cherchant quel peut etre
1’höte intermediaire de ce parasite, est tontö de penser que eet hote
est un animal cosmopolite ou du moins repandu entre les tropiques et
capablo d’envahir los denrees alimentaires; il soup«;onne partieulierement
les Blattes (Peri plan ota orientalis, P. ainericana) qui infestent
les navires et que ceux-ci ont introduites dans les port des contrees
Us plus diverses. C. F.
221
Gilbert & Fornler, Etüde mir la psittaeose. Presse medicale
1897 No. 5.
La psittacose est une maladie infectieuge transmige ä rhomme
par le» perroquets ou de» perruclies attoints de cette meine maladie;
chez ceg oiscaux la diarrhee egt le principal Symptome ; chez l'homme
la maladie cvolue souvent cointne une pneumonie infectieuge.
A la suite d une petite epidcmie observee it Paris les auteurs
font une etude gurtout bacteriologiqne de la psittacose.
Chirurgie.
Alraro, Bericht Uber die aus den afrikanischen Schutz-
gebieten gekommenen Kranken und Verwundeten,
welche im Militär lazareth zu Neapel behandelt worden
sind. Giomale inedico del Regio esercito No. 12, 1896, Koma,
Tipographia Voghera.
Von März big Ende August 1896 wurden 1647 kranke und
verwundete Soldaten behandelt, darunter 28 von den Feinden ent-
mannte. 24 von diesen waren des Gliedes, des Skrotum und beider
Testikel, sowie der Haut der pubes beraubt, waren alao in gräulichster
Weise verstümmelt worden und doch lebend an die Küste und nach
Italien gekommen, ein interessanter Beitrag zu der bekannten leichten
Wundheilung in den heissen Ländern. Von den 690 Verwundeten
rührten bei 67 Kranken die Verletzungen von blanken Watten her,
gegenüber 306 Schusswunden, ein im Vergleich zu modernen europäischen
Kriegen hoher Prozentsatz. Von den Verwundeten starben im Hospitale 2.
Im Gegensatz zu dieser geringen Sterblichkeitsziffer figurieren die
an inneren Krankheiten, besonders an typhösen Erkrankungen
Leidenden mit 2 5 Todesfällen auf 152 Kranke, die Malariakrankeu
mit ti auf 300, die an Darmkatarrlien Leidenden mit 3 auf 128.
Besonders schwer traten einige Diarrhöen aul, welche bei der Obduktion
völlige Zerstörung des Epithels im Darmkanal zeigten. M.
Mozetti, Gesundheitsbericht Uber die Verwundeten von
Amba-Alagi und Macalle, welche in Macalle während
der Belagerung der Forts verpflegt wurden. Giornale
inedico del Regio esercito. No. 1, 1897.
Aus dem Bericht Uber die unter aussergewöhnlich ungünstigen
Verhältnissen in dem eng umschlossenen Fort nach einer verlorenen
Schlacht untergebrachten Verwundeten ist besonders hervorzuheben,
dass von den 129 in der Schlacht von Amba-Alagi verletzten ein-
geborenen Soldaten nur 8 Todesfälle vorkamen, davon sechs kurz nach
dem Eintritt in die ärztliche Behandlung und zwei in Folge innerer
Krankheiten und Entkräftung, obsclion bei den meisten Verwundeten,
welche sich mehrere Tage und selbst Wochen nach der Schlacht im
Fort einfanden, die Wunden äusserst vernachlässigt und mit VVürmorn
gefüllt waren. (Die reichliche Eiterung, welche Verfasser als nngünstig
betrachtet, möchte Referent eher als Schutz gegen Allgemeininfektion
ansehen, wie bei Wunden in den Tropen stets beobachtet werden
kann.) M.
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222
Krankheiten des Nervensystems.
Marchaux. Note sur trois cas de meningite cerebro-
spinale observes & l'Höpital de St. Lonis (Senegal).
Arcb. de raed nav. et eolon. 1896. t. 66. p. 45.
L’auteur a observe ii l'hospital de St. Louis (Senegal) trois ca-
de meningite chez dos Soldat« senegalais provenant d’un milieu oü
sevissait une epidemie grave de pneumonie. Les Symptome« ont ete
tres-brnsques et la mort est «urvenue rapidctnont.
L'antopsie a revele 1'integrite' absolue des poumons chez dem
des sujetsl mais chez un de ceux-ci il existait une suppuration des
sinn« fronlaux, qui paraissait eorrespondre au siege primitif de l’infection
C'bez le troisieme malade il y avait, ontre la meningite, une (orte
eongestion des poumons, mais pa.« de veritable hepatisation.
Chez les trois sujets, les cultures ont 'revele la presence Jans
l exsudat meningitique du pneumocoque de Talamon-Fraenkel.
Ch. F.
Allgemeine Werke.
Tropenkrankheiten von Karl Däubler. (Separatabdruck
aus der „Bibliothek medicinischer Wissenschaften“, I.
„Interne Medicin und Kinderkrankheiten“, Bd. III.)
Nachdem Verfasser kurz dargelegt, dass wir die Tropen-
krankheiten als besondere Gruppe von den Erkrankungen
der gemässigten nnd kalten Zone abgrenzen können und
müssen, bespricht er in präciser Weise und unter Benutzung
der neuesten Forschungsergebnisse folgende Krankheiten :
I. Nicht infektiöse Tropenkrankheiten:
l. Magendarmkatarrhe der Tropen. 2. Aphthae
tropicae. 3. Leberkrankheiten. 4. Ainhum. 5. Fi-
lariakrankheiten.
II. Infektionskrankheiten der Tropen:
1. Die Beriberi-Krankheit. 2. Dysenteria tropica.
4. Das Flussfieber in Japan. 4. Framboesia.
Anhangsweise werden einige, auch in gemässigten Zonen
vorkommende Erkrankungen behandelt, welche in den Tropen
häufiger und heftiger und theilweise andersartig auftreten,
nämlich Malaria, Cholera, Dengue, Gelbes Fieber.
Die Arbeit ist sehr geeignet, dem in Tropenkrankheiten
noch wenig bewanderten Arzte eine Einsicht in das Gebiet
zu verschaffen, und das dies durch einen tropenkundigen
Verfasser geschieht, ist sehr erfreulich. Es wird leider in
Deutschland noch so sehr häufig vom grünen Tische aus
über die sanitären Verhältnisse der Tropen geurtheilt, dass
*
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223
man nicht genug betonen kann, wie sehr eigene Erfahrung
zur Beurtheilung nothwendig ist, und wie wenig blosses
Litteraturstudium hier helfen kann.
Im Einzelnen möchte Referent Folgendes bemerken:
Die tropischen Magendarmkatarrhe sind vom Verfasser
so gut beschrieben worden, wie es nach dem heutigen Stand-
punkte unseres Wissens möglich ist. Die Erforschung dieses
Gebietes mit den Mitteln, welche der modernen Wissenschaft
zu Gebote stehen, ist aber unseres Erachtens noch kaum
angebahnt. Die wenigsten Tropenärzte werden die Ver-
muthung abweisen können, dass sich aus der Gesammtheit
der Verdauungskrankheiten in den Tropen noch verschiedene
einzelne Krankheitsbilder werden absondern lassen, und dass
wir wahrscheinlich auch hier noch der einen oder anderen
spezifischen Infektion begegnen werden.
Bei dem Leberabscess möchte ich — aus eigener mehr-
facher Erfahrung — noch erwähnen, dass die Differential-
diagnose zwischen chronischem Leberabscess und beginnender
Phthise nicht immer leicht ist.
Schliesslich hätte vielleicht bei der Malaria angedeutet
werden können, dass nach immer mehr sich häufenden Be-
obachtungen diejenigen Tropenkrankheiten, welche man
unter dem Namen „Malaria“ zusammenfasst, theilweise mit
der Malaria der gemässigten Zone nicht identisch zu sein
scheinen, so dass „Malaria“ vielleicht nicht lange mehr als
pathologische Einheit bestehen wird und wir dann eine
specielle Tropenkrankheit mehr zu verzeichnen haben.
Die Anzahl der Druckfehler ist ziemlich erheblich!
Victor Lehmann.
Scheube, l)r. B., Die Krankheiten der warmen
Länder.
(Fortsetzung.)
Malaria. Nach kurzer Angabe unserer geschichtlichen
Kenntnisse und nach Feststellung der geographischen Ver-
breitung der Malaria werden die Blutparasiten der Malaria
besprochen. Mit Recht wird zunächst die unpassende, von
den Italienern eingeführte Bezeichnung „plasmodium“ zurück-
gewiesen. Sodann werden die verschiedenen Ansichten über
die Morphologie des Parasiten und die Färbemethoden mit-
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224
gethoilt. Der erstcre Abschnitt ist fast erschöpfend behandelt
und muss im Original eingeschen werden, von den Färbe-
methoden sind die feineren nicht angeführt. Es folgt sodann
eine ausgiebige Besprechung der Frage: wird die Infektion
durch Trinkwasscr, Luft oder Insektenstiche bewirkt? Die
Gründe dafür und dawider werden besprochen, aber der
Verf. entscheidet sich für keinen Infektionsmodus mit Be-
stimmtheit. (Sehr mit Vorsicht sind die bekannten Fülle
von Schiffsepidemien, die ihre Entstehung durch an Bord
befindliches infektiöses Material verdanken sollen, aufzunehmen.
Solche fülle würde ich nur anerkennen, wenn sie durch
Blutuntersuchungen gestützt sind. Rcf.)
Auffallend ist, dass der Verf. die Inkubationszeit der
Malaria zwischen wenigen Stunden und mehreren Monaten
schwanken lässt. Die Ansicht von Guttmann, die mitgetheilt
wird, nach der oft (?) schon wenige Stunden nach der An-
kunft in der Malaria-Gegend Erkrankung eintritt, ist schon
in Hinblick auf den Entwicklungsgang des Parasiten unhalt-
bar. Dazu kommt, dass nur zu oft jedes Unwohlsein in
einer Fiebergegend kritiklos für Malaria-Fieber ausgegeben
wird. (Ref.)
Den Rassen nach stellt sich die Empfänglichkeit für
Malaria in absteigender Linie folgendermaaasen : Neger,
Malayen, Mongolen, Europäer. Frisch Zugewanderte erkranken
leichter als alt Angesessene. Dem Berufe nach erkranken Leute
die viel im Freien arbeiten, eher als solche, die im Hause
arbeiten ; erstere erkranken mehr an akuten, letztere mehr
an chronischen Formen. Durch voraufgegangene Erkrankung
an Malaria wird die Disposition für die Krankheit am
meisten gesteigert.
Die verschiedenen klinischen Formen der Malaria sind
nach dem Verf. :
1. intermittirende,
2. remittirende und kontinuirliche Fieber,
3. perniciöse Fieber,
4. biliöse Formen,
5. Malaria-Anacmie und Cacbexie.
Nach Schilderung des bekannten Symptomencomploxes
des intermittirenden und remittirenden Fiebers ' bespricht
Verf. das Malaria-Typhoid. Es handelt sich dabei nach des
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225
Verf. Ansicht nm zwei verschiedene Gruppen von Krank-
heiten. Bei der ersten, dem eigentlichen Malariatyphoid,
handelt es sich um eine Combination von Malaria und Typhus.
Die zweite Gruppe sind reine Malariafieber, die mehr oder
weniger unter dem Bilde des Typhus verlaufen. Die per-
nieiüsen Fieber wiederum werden eingetheilt in die: algide,
diaphoretische, komatöse, delirante, konvulsive, kardialgische,
cholerische, dysenterische Form, in den Malaria-Kollaps, die Ma-
laria-Pneumonie, die Malaria-Pleuritis und das Schwarzwasser-
fieber oder das haemoglobinurische Malariafieber. Letzteres
wird eingehend besprochen. Es werden sodann die larvirten
Formen in ihrer grossen Mannigfaltigkeit geschildert; unter
diesen führt Verf. auch die sogenannten Malariabubonen
auf. Unter der Malaria Kachexie wird auch die Keratomalacia
ex Malaria, der Phagedaenismus und die Bildung multipler
Abscesse und Furunkel erwähnt, die bei stark kachektischen
(in Folge von Malaria) Individuen beobachtet würden. In
der Pathologie der Malaria erführt namentlich das Ver-
halten der Parasiten in Bezug auf ihre Vertheilung und die
Veränderung des Blutes eine eingehende Besprechung. Weiter-
hin werden die bei der Differentialdiagnose in Betracht
kommenden Krankheiten erörtert und die von Below auf-
gestellte Behauptung, dass es sich bei Schwarzwasserfieber
um endemisches Gelbfieber handle, mit Recht energisch zurück-
gewiesen.
Es folgen nunmehr die wichtigen Kapitel: Prophylaxe
und Therapie.
Mit Recht wird der grösste Werth auf die persönliche
Prophylaxe gelegt. Es wird die grösste Vorsicht beim Haus-
bau anempfohlen: namentlich auf Auswahl des Platzes ist
viel Sorgfalt zu verwenden. Für Tags wird viel Licht und
Luft, für Nachts hingegen Schliessen von Fenstern und
Thüren verlangt. Die Nahrung soll bis zu einem gewissen
Grade den Gewohnheiten der Eingeborenen angepasst werden.
(Ob das Pfefferessen (eurry) wirklich einen günstigen Ein-
fluss auf den Organismus hat, erscheint dem Ref. fraglich.)
Als Getränk wird ein dünner Tlieeaufguss empfohlen. Den
Rath Plehn’s zu befolgen: alle 8 Tage 1,0 Chinin zu nehmen,
hält Ref. für gefährlich wegen der daraus sich ergebenden
Verdauungsstörungen. (Chinin muss zwar, wenn es wirken
Archiv L Schiff«- u. Tropvnbjgien«. 16
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226
soll, in Dosen von wenigstens 1,0 genommen werden, aber
nur bei besonderen Gelegenheiten, die eine grössere Infektions-
möglichkeit mit sich bringen. Die einzig rationelle Malaria-
prophylaxe ist die von Ziemann geübte: Blutuntersuchung
bei auf Fieber Verdächtigen und nur Chinin gegeben, wenn
Parasiten im Blute gefünden sind, dann aber wenigstens 1,0.
Auf diese Art gelang es Ziemann in 50#i'o aller Fälle den
Ausbruch des Fiebers hintanzuhalten. Ref.) Die bekannte
für Erhöhung der Widerstandsfähigkeit geübte Arsenkur
von 4 — 6 Wochen wird vom Yerf. erwähnt.
Bei der Besprechung der Therapie finden wir zwar
alle die wichtigen Fragen: wie viel Chinin, wann und in
welcher Weise ist es zu geben, eingehend besprochen und
alle die verschiedenen Ansichten angeführt, doch spricht sich
der Verf. weder für noch gegen irgend eine aus. (Die in
neuester Zeit von Plehn, später von Ziemann empfohlenen,
intramuskulären Chinineinspritzungen scheinen dem Ref. sehr
der Beachtung werth.) Die symptomatische Therapie ist ent-
sprechend ausgiebig berücksichtigt.
Beri-Beri ist eine hauptsächlich in Japan, dem
malavischen Archipel und Brasilien endemisch und epidemisch
auftretende Krankheit, deren Haupterscheinungen in Störungen
der Bewegung und Empfindung, Wassersucht und einer Er-
krankung des Herzens bestehen und auf eine degenerative
Entzündung vielfacher peripherischer Nerven zurückzuführen
ist. In Japan tritt sie am mildesten, in Brasilien am bös-
artigsten auf.
Die Beri-Beri ist eine Infektionskrankheit und nicht
etwa eine Ernährungsstörung, bedingt durch den Genuss
schlechten Reises oder getrockneter Fische. Denn gesunde,
kräftige junge Leute werden am ehesten befallen und in
den Beri-Beri-Ländern finden sich immer nur einzelne, scharf
umschriebene Bezirke, in denen die Krankheit auftritt,
während die Ernährungsweise überall in diesen Ländern die
gleiche ist. In den heissen Monaten erreicht ihre Ausbreitung
das Maximum. Der Infectionsmodus muss ähnlich wie bei
der Malaria sein. Doch hat die Beri-Beri mit der Malaria nichts
zu tliun. Kontagiosität hält Verf. für ausgeschlossen. Da-
gegen scheint ihre Verschleppbarkeit möglich. Die Natur
des Krankheitsgiftes ist noch unbekannt. Es haftet aber
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227
vermuthlich am Boden. Denn man beobachtet eine Zunahme
der Beri-Beri nach Erdarbeiten und an neuerbauten Plätzen.
Der Infektion mit Beri-Beri ausgesetzt sind vorzugsweise die
farbigen Rassen. Dass Europäer weniger befallen w-erden,
liegt nach der Ansicht des Verf. mit daran, dass letztere in
viel günstigeren hynienischen Verhältnissen leben. Auf diesen
letzteren Umstand weist auch die Erfahrung hin, dass Sol-
daten, die vielfach unter gleichen Verhältnissen wie die
Eingeborenen leben, vorzugsweise erkranken, während die
Erkrankung eines Civilisten eine grosse Seltenheit ist.
Männer werden öfters als Frauen, junge Leute öfter
als ältere und die dem mittleren Stande Angehürenden öfter
als die der übrigen Stände ergriffen. Dauernder Aufenthalt
in schlecht gelüfteten und überfüllten Räumen und namentlich
das Beisammenschlafen vieler Menschen wird als praedis-
ponirende Krankheitsursache angegeben. Auch werden in
einer Gegend, in der Beri Beri herrscht, die Eingeborenen
weniger als die Zugewanderten befallen. Recidive sind
häufig. Rüge, Kiel.
(Fortsetzung folgt.)
III. Verschiedenes.
Znr Mitarbeit am Archiv für Schiffs- und Tropenbygiene haben
sich ferner bereit erklärt die Herren Dr. Mo n corvo (Sohn), Rio
de Janeiro, Prof. Dr. Rubner, Berlin, Dr. von Ruck, Ashvillo
(Nord-Carolina), Dr. Revtter, Bangkok.
IV. Zur Besprechung eingegangene
Bücher und Schriften.
Grimm, Klinische Beobachtungen Uber Beri-Beri. Berlin,
1897. S. Karger.
Mageleaen, lieber die Abhängigkeit der Krank beiten von
der Witterung G. Tbieme, Leipzig. 1890.
Burot, F., et Legrand, X. A., Therapeu tique du Psludisme.
J. B. Barriere et fils, Pari«, 1897.
Blanquln, Note sur le diagnostie de la psittacose Bull,
de l’etcad. de niedec. de Paria, 26. Janv. 1897.
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228
Rho* Dr. Filippo, Malattie predominanti nei pai'si caldi et Temperati.
Torino 1897, Rosenberg & Selber.
von Bergmann, Dr. Adolf, Die Lepra. Stuttgart 1897. Ferdinand Enke.
Annali di medicina navale, Januar— Mai 1897, Rom, G. Bertero.
tiiornale medico del Regio esercito. Marz 1897. Rom, E. Voghera.
ßoletin de la Sociedad de Geografla jr Eetadlstica de la Repabllca
Mexicana, Pomo III No. 11. Mexico, Imprenta del sagrado coru-
zonde Jesus, 1897.
V. Briefkasten.
Zuschrift an den Herausgeber.
Southampton, den 19. April 1897.
Sehr geehrter Herr College!
Im ersten Heft des Archivs für Schiffs- und Tropenhygiene
findet eich eine Uebersicht über die Quarantainemassregeln der ver-
schiedenen Staaten. Zu dem auf Seite 29 u. f. über Italien Gesagten
möchte ich mir zu bemerken erlauben, dass meine Erfahrungen in
Genua nicht ganz damit Ubereinstimmen. Wir kamen im Jahre 189»
mit reinem Gesundheitspass von Holliindisch-Indien, hatten keinen ver-
dächtigen Hafen berührt, hatten im indischen Ocean einen Todesfall
infolge von Phtisis pulmonum (also keinen verdächtigen,', und doch
wurde vom Hafencapitiin visita medica angeordnet. Der Hafenarzt
ordnete Desinfection der schmutzigen Wüsche sämtntlicher das Schifl
in Genua verlassenden Passagiere an. Sonstige verdächtige Erkrank-
ungen waren nicht vorgekommen, von einer Ueberfüllung war auch
keine Rede und Mangel an Sauberkeit wird man einem holländischen
Schiffe am allerletzten vorwerfen können. Ein anderes Mal hatten wir
einen Todesfall an Malaria und doch bekamen wir sofortigen Verkehr
init dem Lande. Ein drittes Mal keinen Todesfall, keine verdächtigen
Erkrankungen, keine verdächtigen Häfen : Wiederum visita medica und
Desinfection. Sie sehen also, dass in diesen Fällen der Hafencspitän
ganz willkürlich verfahren ist.
Mit collegialer Hochachtung
Dr. H. G.
Hierzu bemerkt ein alter Schiffsarzt:
Die Hafenpolizei in Genua verfährt oft ganz nach Laune und
Stimmung, chikanirt die Schiffe oder lässt eie gnädig zu. Der Hafen-
arzt steht wohl nicht auf der Höhe der Wissenschaft, sein Ideal ist
Carbolgeruch und flatternde Wäsche. Eine Aufzeichnung der Schick-
sale der einzelnen Schiffe würde hübsche Widersprüche in der Behänd’
lung ergeben.
Welcher Ort in Kleinasien ist zur Niederlassung eines deutsche»
Arztes geeignet?
Wir bitten Leser und Mitarbeiter um gütige Auskunft.
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ARCHIV
fUr
Schiffs- und Tropen-Hygiene,
unter besonderer Berücksichtigung der
Pathologie und Therapie
unter Mitwirkung von
Prof. Dr. BAF.LZ, Tokio, Dr. BELOW, Berlin, Dr BOMBARDA, Lissabon,
Dr. van BHERO, Buitenzorg, Dr. de BRUN, Beirut, Dr. BRUNHOKE, Kiel,
l>r. BllSCHAN. Stettin. Prof. Dr. H. COHN, Breslau, Dr. IJAKUBLER, Berlin,
Dr. DRYKPONDT, Brüssel, Prof. Dr. EIRKET, Lütlich, Dr. FISCH, Aburi (Gold-
tiiste), Dr. GLOtiNF.R, Sam&rang, Dr. GOLDSC1IM1DT, Paris-Madeira, Dr. HEY,
Odntnase (Gohlkiistc), Dr. van <ler HEYDEN. Yokohama, Dr. MAX JOSEPH,
Berlin, Dr. KHOHN. Madeira, Dr. KRÖN ECKER, Berlin, Dr. LEHMANN,
Schlachtensee, Prof. Dr. IJvICHTENSTF.UN, Köln, Dr. LIERENDOERFER, Kalikut
(Vorderindien), Dr. LIER, Mexico, Hofrat Dr. MARTIN, München, Prof. Dr. MON-
COHVO, Rio de Janeiro, Dr. MONCOHVO jr.. Bio de Janeiro. Dr. NOCHT,
Hamburg, Dr. A. PLEHN, Kamerun, Dr. F. PLEHN, Tanga, Prof. Dr. RENK,
Dresden, Dr. REYTTER, Bangkok, Dr. RHO. Rom, Dr. RICHTER. San Fran-
cisco. Prof. Dr. 0. ROSENBACH, Berlin, Dr. ROTHSCHUH. Managua, Prof.
Dr. HI BNER, Berlin. Dr. von RI CK, Ashville, Dr. RÜGE, Kiel, Dr. RUMPEL,
llamburg-F.|>pendorf, Prof. Dr. SANARELLI, Montevideo, Dr. SANDER, Wind-
hoek, Dr. SCHELLONG, Königsberg, Sanitiltsrat Dr. SCHEUBE, Greiz,
Dr. SCHOEN, Berlin, Dr. SCHWALBE, Los Angeles, Dr. WITTENBERG,
Kayintschu (Süd-China), Dr. ZIEMANN, Berlin,
herausgegeben von
Dr. c. Mense, Cassel.
I. Band, 4. Heft.
CASSEL.
Verlag von Tn. G. FlSHER & Co.
1897.
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I. Originalabhandlungen.
Kriegschirurgische Beobachtungen während der Ex-
pedition nach Gross-Aruscha im November 1896.
Aus dem Bericht des Assistenzarztes I. CI. in der kaiserlichen Schutztruppe
für Deutsch-Ostafrika Pr. Eggel«
Die Expedition brach am 31. Oktober von Moschi aus
auf, in einer Stärke von 3 Europäern, 95 Askaris und
6000 — 7000 Wadjngga-Kricgern unter ihren Häuptlingen.
Am 4. November wurde etwa 2 — 3 Stunden unterhalb Gross-
Aruscha gelagert, am 5. der Einmarsch in dasselbe angetreten;
derselbe gestaltete sich zu einem sehr heftigen Feuergefecht.
Den ganzen Tag herrschte starkes Regenwetter. Bis
4 Uhr waren 16 leichtverwundete und 4 schwerverwundete
Wadjaggas in Behandlung gekommen, die im strömenden
Regen unter freiem Himmel verbunden werden mussten.
Wasser war in den ersten 2 Stunden nicht zur Hand. Die
Wunden waren theilweise in sehr unsauberem Zustande,
anfangs hatten sich die Eingriffe auf nothdürfliges Reinigen
der Wunden, Stillen stärkerer Blutungen und Anlage von
Nothverbänderi zu beschränken. Später jedoch wurden alle
Wunden mit Subliinatauflösung gründlich desinficirt. Trotz-
dem allen Verwundeten damals wie auch später eingeschärft
wurde, am nächsten und den folgenden Tagen zum Ver-
binden wiederzukommen, geschah dies höchstens bei einem
Drittel der Fälle, auch mussten noch täglich die Häuptlinge
dazu angehalten werden; dies scheint auf der Gleichgültigkeit
der Leute zu beruhen, denn die ärztliche Thätigkeit ist durch
die Poliklinik in Moschi allgemein bekannt. Die Leute
kamen stets mit frischen Wunden, waren dann aber schon
mit einem einmaligen einfachen Verbände zufrieden. Vor
allen chirurgischen Eingriffen, auch der Wundnaht haben
sie grosse Furcht, vorgeschlagene Operationen wurden
fast stets verweigert. Die ärztliche Thätigkeit war daher
sehr konservativ. Die Schmerzäusserung war oft auffallend
gering, manchmal grenzte sie an Gefühllosigkeit. Tief-
greifende Nähte, genaue Untersuchung der Wunden,
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232
chirurgische Eingriffe der verschiedensten Art verursachten
anscheinend keinerlei Schmerzempfindung. In Narkose wurde
nie operirt.
Als am 6. November das Expeditions-Corps ein festes
Lager mitten in Aruscha-yu bezog, um von da aus nach
allen Seiten vorzugehen, wurde eine grosse, an zwei Seiten
offene Hütte als Verbandraum errichtet, worin die Leute auf
Rindshäuten lagen. Am 17. desselben Monats wurden alle
Verwundeten sodann mit dem erbeuteten Vieh zusammen,
langsam in ihre Heimath zurückgebracht.
Sämmtliche Verwundete waren Wadjagga. Von den
Verwundungen waren 12 durch Schuss erfolgt, die übrigen
durch blanke Waffen, weitaus die meisten davon durch
Stich oder Stoss mit den langen Massai-Speeren. Die Mehr-
zahl bestand in einfachen, wenn auch oft tiefen Fleisch-
wunden ; auffallend viele derselben mussten von hinten bei-
gebracht sein; dies schien durch die Karapfesweise der Wa-
Aruscha bedingt zu sein, welche die Leute im dichten Busch
erst durchliessen und dann von hinten anfielen. Theilweisc
sind die Wadjagga auch wohl fliehend verwundet worden.
Fast alle waren junge, muskulöse Leute, meist, wie Wad-
jaggas überhaupt, von untersetzter aber kräftiger Gestalt;
der Ernährungszustand war im Allgemeinen gut. Die
Verwundeten kamen fast stets mit einem kleinen Noth-
verband in Behandlung, der aus Zeugstreifen oder trockenen
Bananenblättern fest um den verletzten Theil gewickelt war
und seinen Zweck, blutstillend oder stützend zu wirken, oft
auffallend gut erfüllte. Die Wunden wurden in der Weise
behandelt, dass nach gründlicher Desinfektion möglichst so-
fort die Naht angelegt wurde, unter Drainage aus einem
Wundwinkcl mittelst Jodoformgazc, welche dann nach einigen
Tagen entfernt wurde.
Die folgenden einzelnen Fälle boten besonderes Interesse.
Fall 1. Aelterer schwächlich gebauter Mann, Speerstich
in die linke Brustseite, dicht innen von der Brustwarze;
4. Rippe glatt durchtrennt. Pleura-Raum eröffnet, Luft
dringt bei jedem Athemzug mit Geräusch aus der Wunde.
Der Stich ist links dicht am Herzbeutel vorbeigegangen.
Jodoformgaze-Tamponudc. Nacb 2 Tagen wiedergesehen ;
starke Athemnoth ; über der linken Lunge völlige Dämpfung ;
hohes Fieber. W unde sieht gut aus. Am nächsten Tage Exitus.
233
Fall 2. Junger Mann, etwa 16 Jahre alt; 2 grosse
tiefe Stiche im Rücken, einer links unter der 12 Rippe;
Bauchfellraum eröffnet. Jodoformgaze-Tamponade, Verlauf
unbekannt.
Fall 3. Junger sehr kräftiger Mann, Schuss durch den
Mund. Ein Schuss dicht hinter und etwas unter dem rechten
Kieferwinkel ; derselbe zerschmettert. Rechte W ange durch-
bohrt, Zunge auf der rechten Seite zerrissen, die unteren
Schneidezähne fortgerissen; thalergrosser Ausschuss am
linken Mundwinkel; Blutung massig, dagegen grosse Athcm-
noth; fast völlige Unmöglichkeit zu schlucken. Der vorge-
schlagene Luftröhrenschnitt wird verweigert. Jodoformgaze-
Tamponade; nach 4 Stunden Exitus.
Fall 4. Junger, schwächlich gebauter Mann mit tiefem
(etwa 12 cm) Stich in die rechte Nierengegend. Blutung
gering. Jodoformgaze-Tamponade. Wahrscheinlich wurde
das Bauchfell verletzt. Am 2. Tag kam Patient mit massig
starken Beschwerden. Wunde sieht gut aus, eitert nicht.
Verlauf unbekannt, wahrscheinlich tötlich.
Fall 5. Kräftiger, sehr muskulöser Mann mit 8 Speer-
wunden, die grösste davon 22 cm lang, von der crista ossis
ilei sin. bis unterhalb des Hüftgelenks verlaufend, hat letzteres
eröffnet. 4 grosse Wunden auf dem Rücken ; 2 am linken
Arm, davon eine bis auf den Knochen gehend, alle ca 15
cm lang. Die W unden waren in hohem Grade verunreinigt,
wurden gründlich mit starker Sublimatlösung desinficirt,
genäht (die grossen Wunden etageuweise), Jodoformgaze-
streifeu eingelegt. Heilung bei 7 Wunden per primam, nur
eine am Arm eiterte etwas.
Fall 6. Kräftiger junger Mann, Schuss vorn im linken
Fussgelenke. Ein Schuss vor dem Malleolus externus.
Kugel sitzt vor dem Malleolus internus unter der Haut;
wird entfernt. (Mauserkugel, aus einem den Missionaren
geraubten Gewehr geschossen) Jodoformgaze-Tamponade,
weiterer Verlauf unbekannt.
Fall 7. Junger Mann; grosser etwa 15 cm tiefer Stich
im Rücken links, dicht neben der Wirbelsäule zwischen den
Querfortsätzen zweier Wirbel durchgehend. Keinerlei
Vertebral- oder Lähmungserscheinungen festzustellen. Naht,
Jodoformgazestreifen eingelegt, Verlauf gut.
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234
Fall 8. Kräftiger Maun mit Stich durch die Leher.
Ein Stich hinten rechts unter der 12. Kippe, Ausstich rechts
vorn; Moribuudus. Jodoformgaze-Tampouade; nach 2 Stunden
exitus letalis.
Fall 9. Kräftiger Mann mit Stich durch die Adduktoren
beider Oberschenkel. Geringe .Blutung. Heilung.
Fall 10. Kräftiger Knabe (etwa 12 Jahre alt) Boy,
Schusswunde; Einschuss dicht oberhalb des rechten Hüft-
gelenks, Ausschuss links vom Nabel, Blutung ganz gering.
Verlauf unbekauut.
Fall 11. Junger kräftiger Mann mit Schuss durch den
linken Obcrscheukcl, linken Oberarm, vorn au der linken
Brust. Der Mann kauerte in der bekannten hockenden
Stellung der Neger am Boden und erhielt aus einem Vorder-
lader diese Wunden vermittelst eines würfelförmigen Eisen-
stückes, welches am linken Oberschenkel ein und vorn au
der Brust, rechts vom Brustbein, austrat und dauu —
Fall 12 einen anderen Mann, der etwas rechts hinter
ihm sass, am rechten Oberarm verwundete (den Triceps
durchbohrte) und, nachdem es einen ca 15 em laugen
klaffenden Streifschuss am Kücken verursacht hatte, rechts
neben der Wirbelsäule unter der Haut stecken blieb und
dort entfernt wurde. In beiden Fällen Jodoformgaze-Tram-
ponade. Verlauf unbekannt.
Fall 13. Kräftiger älterer Mann mit Stich durch den
Leib. Einstich rechts hinten über der crista ossis il. Aus-
stich rechts handbreit neben dem Nabel. Vorn 3, hinten 4
ca. fusslange Darmschlingen ausgetreten. Darm an 3 Stellen
durchbohrt, Mesenterium mehrfach verletzt. Letzteres wurde
unterbunden, die Därme genäht, nachdem sie mit warmer
Lysol-Lösung gründlich desinficirt waren ; wurden dann mit in
heisse Lysol-Lösung getauchten Gazestücken bedeckt Nach
Erweiterung der Wuuden wurden die Gedärme reponiert,
Bauchfell und äussere Wunden durch Naht geschlossen.
Am nächsten Tage Exitus letalis.
Fall 14. Junger kräftiger Mann mit Speerstich iu die
linke Hüfte am Os ilei. Drei kleine Knochensplitter losge-
trenut, welche entfernt wurden. Jodoformgaze-Tamponadc.
Derselbe hatte ausserdem eine tiefe Längswuude durch die
gauzc liukc Hohlhaud. Beide Wuuden völlig reactiouslos
nach 6 Tagen verheilt.
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Fall 15. Kräftiger Mann mit Speerstich durch die
Brust, Eiustich links neben dem linken Schulterblattwinkel
unter der Achsel, Ausstich links neben der Brustwarze.
Luft dringt hei jedem Athemzug pfeifend aus der Wunde.
Naht in Etagen mit Einlegen von Jodoformgazestreifen.
Derselbe hat einen 2. Stich oberhalb der linken Hüfte, mit
Ausgang vorn über der linken Leistenbeuge. Die Wund-
öffnungen wurden mit Jodoformgaze tamponirt. Patient kam
fast pulslos. Verlauf sehr gut Heilung.
Fall 16. Junger Mann mit Schuss durch die linke
Hand. Die Kugel draug an der Volar-Seite des Metacar-
pophnlangeal-Gelenks des rechten Daumens, welches grossen-
theils zerschmettert wurde, ein, zerbrach die Basis des meta-
carpus III und steckte oberhalb derselben am Handrücken
unter der Haut. Das Geschoss ein Bleistück, und eine
Menge Knochensplitter entfernt. Verlauf gut.
Fall 17. Junger Mann mit Schuss in deu rechten tiber-
arm, dicht unter dem Collum chirurg. mit Zerschmetterung
des Knochens. Jodoformgaze-Tamponade, Sehieuenvcrband.
Verlauf unbekaunt.
Fall 18. Kräftiger Mann mit Schuss in den rechten Unter-
schenkel. handgrosse Wunde mit völliger Zerschmetterung
beider Knochen und ausgedehnter Zertrümmerung der
Muskeln. Vorgcseldagene Amputation wird verweigert
Blutung gering. Jodoformgaze-Tamponade. Schienenverband.
Verlauf unbekannt, (wahrscheinlich Exitus let.).
Fall 19. Kräftiger Mann mit tiefgehendem Rinnen-
schuss (Streifschuss) in die linke Kniekehle; Ansätze des
gastrocuemius abgerissen, vena poplitea zerrissen, Arterie
pulsirt. Nach Abtragen des zerfetzten Gewebes doppelte
Unterbindung der Vene, Naht der Wunde, Verlauf gut.
Fall 20. Junger Mann mit Stich in die rechte Rückeu-
seite unterhalb des Schulterblattwinkels, von oben inneu
nach unten aussen verlaufend. Pleura völlig durchtrennt,
sodass deutlich die Lunge und deren Bewegungen zu sehen
sind. Beim Athmcn dringt mit lautem Geräusch Luft aus
der Wunde. Etagennähte mit eingelegten Jodoformgaze-
streifen. Heilung.
Fall 21. Junger Mann mit Stich in den Unterleib, 2
Hand breit links vom Nabel. Aus der Wunde hängt ein
etwa 20 cm langes, 8 cm breites Stüek mescuterium heraus.
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236
dieses wird uacii 8 Unterbindungen und gründlicher Des-
infektion dicht au der Wunde abgetragen, letztere erweitert,
das meseutcriuiu zurückgebraeht, das Bauchfell vernäht, dann
die Haut vernäht mit Einlage eines Jodoformgazestreifens.
Ferner ist ihm der linke Zeigefinger dicht oberhalb des
metacarpo-phalangeal -Gelenks fast ganz abgeschlagen, in der
Hohlhand sind 2 grosse Schnittwunden. Exarticulation des
Zeigefingers im metacarpo-phalangeal-Gelenk, Jodoformgaze-
verband ; ausserdem hatte derselbe eine lange W undc am
Hiuterkopf mit Verletzung des Knochens. Verlauf sehr
gut Heilung.
Die übrigen Fälle betrafen Leute mit leichteu, meist
f'leischwundeu, die nach denselben Grundsätzen behandelt
wurden.
Der Verlauf der Wundheilungen war im Allgemeinen
ein recht guter, soweit die Leute sich in Behandlung be-
gaben. Von den Behandelten starben iu der ersten Zeit 5,
bei denen aber von vorn herein der Ausgang als sehr zweifel-
haft, oder ganz ungünstig angesehen werden musste. Auf-
fallend war der Umstand, dass die bei dem schlechten
Wetter und dem herrschenden Schmutz meist hochgradig
verunreinigten Wunden sehr wenig eiterten, auch dass die
penetrirenden Wunden oft überraschend schnell heilten. Die
Desinfektion wurde allerdings stets mit l°ioo (und stärkerer)
Sublimatauflösung mit Abtragen und Abkratzen aller Un-
redlichkeiten gründlich ausgeführt. Ungünstig für deu Ver-
lauf war auch in hohem Grade die beständig kühle und
regnerische Witterung, der die Wadjagga fast völlig schutz-
los preisgegeben waren.
Epidemien kamen nicht vor; in der letzten Zeit klagten
vielo Leute über Magen- und Darmbeschwerden (Ver-
stopfung), die aber zumeist auf den reichlichen Genuss von
Mais uud rohem Fleisch zurückzuführeu waren.
Der Gesundheitszustand der Kompaguie war stets ein
ausgezeichneter.
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237
Ueber das Auftreten der Beri-Beri-Krankheit in
Kaiser-Wilhelms-Land
vou Dr. med. Wendland,
(Amtlicher Bericht).
Da seit Oktober 1895 die Beri-Beri-Krankheit in Neu-
Guinea heftig aufgetreten ist, so gestatte ich mir, meine Be-
obachtungen über das Leiden vorzulegen.
Dem eigentlichen Ausbruch der Beri-Beri geht mitunter
ein Vorläuferstadium von längerer Dauer voraus, in dem
sich die Kranken matt, schwach und arbeitsunfähig fühlen,
ohne dass ausgesprochene Symptome auf eine bestimmte
Krankheit hindeuten. Vielleicht dürfte dieses in der Mehr-
zahl der Fälle die Regel sein, nur kann es, da die Kranken
schon in diesem Stadium selten zur Aufnahme in das Hos-
pital gelangen, nicht immer sicher festgestellt werden.
Die eigentliche Krankheit beginnt mit einer Schwer-
beweglichkeit der unteren Extremitäten. Die Kranken klagen
über Schmerzen und Schwäche in den Beinen, und zwar
wird meist die Wadenmuskulatur auf Druck als schmerzhaft
angegeben, mitunter auch die Streckmuskulatur des Ober-
schenkels etwa in der Mitte desselben ebenfalls als stark
druckempfindlich, ln auderen Fällen scheint ausser dem
Schwächegefühl in den Beinen nur ein mehr oder weniger
starkes Kribbelu in den Zehen ohne intensivere Schmerzen
die Kranken zu belästigen. Der Gang ist schlaff, langsam,
die Füsse schleifen am Boden, die Patellar-Reflexe sind in
der Regel schon jetzt erloschen, oder seltener nur noch
schwach nachweisbar. Mitunter macht sich eine deutliche
Atrophie der Beinmuskulatur bemerkbar. Oedeme sind nicht
vorhanden. Die Körper-Temperatur ist nicht erhöht. Um
so auffallender ist die stets vorhandene Pulsbeschleunigung,
welche, befindet sich der Patient in Ruhe, 90 — 100 Schläge
und noch mehr in der Minute beträgt, aber bereits nach
mehrmaligem Hin- und Hergehen auf 120 — 140 Schläge in
der Miuute sich steigert, ln einer Anzahl der Fälle, be-
sonders bei Melanesen, ist die Pulswelle klein und leicht
wegzudrücken, bei den Chinesen dagegen meist kräftig und
hoch, ähnlich dem Pulse bei Aorten-Iusuffizienz. ln diesen
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238
Fülleu sieht mau oft eine stürmische Herzthätigkeit, der
Spitzenstoss ist in 2 — 3 Finger breiter Ausdehnung im 5.
Zwischeurippenraum sichtbar, mitunter auch der Puls der
Carotiden an der Halsseite. Perkutorisch lässt sich eine
Verbreiterung der Ilcrzdämpfuug nachwcisen; doch sind die
Herztöne rein, und nur selten nimmt man ein leichtes, systoli-
sches Blasen über der Herzspitze auskultatorisch wahr. Eine
Vergrösseruug der Milz ist nicht nachzuweisen. Nachdem
diese Krankheitserscheinungen eine Zeit lang förtbcstanden
haben, nehmen die Bewegungsstörungen an Intensität zu.
Der Gang, nur noch mit Hülfe eines Stockes möglich, wird
unsicher, ataktisch, ganz ähnlich dein der an Tabes dorsalis
Leidenden. Die Kniee werden beim Gehen gehoben, die
Unterschenkel nach vorn geschleudert. Beim Umwendeu
Kehrt machen tritt die Unsicherheit, beim Aufstehen die
Schwäche der Beine besonders deutlich zu Tage. Die Patellar-
Ueflexe sind, wenn nicht schon vorher, so doch jetzt stets
erloschen.
Nach längerer oder kürzerer Zeit, in der Kegel 4—8
Wochen, tritt dann eine völlige Lähmung der unteren Ex-
tremitäten ein. Hiermit pflegen auch die Schmerzcu in den
Beinen zu verschwinden, in denen nur das Gefühl des völligen
Abgestorbenseins herrscht.
Den Schluss der Krankheit bildet bei ungünstigem
Ausgange das Auftreten von Oedemen, welche in den untereu
Extremitäten beginnen und sich allmählig nach oben weiter
verbreiten. Es kommt zu hydropischen Ergüssen in die
Bauchhöhle, in den Herzbeutel, mitunter auch in das Brust-
fell, die heftige Athmungsbeschwerdcn und Erstickungsanfalle
hervorrufen, und hierdurch wird dann bald das Ende des
qualvollen Leidens herbeigeführt.
In einzelnen Fällen machen sich auch, aber immer erst
im späteren Verlauf der Krankheit, dieselben Sensibilitäts-
uud Motilitäts-Stönmgen au den Armen bemerkbar. Doch
fast immer tritt der Tod bereits ein, bevor es zu vollständiger
Lähmung der oberen Extremitäten gekommen ist. Seltener
ist der Ausgang in Geuesuug, welche, sind erst einmal Oedeme
aufgetreten, nicht mehr zu erwarten ist. Hierbei zieht sich
das Leiden oft unter Wechsel von Remissionen uud Exa-
cerbatiouen über Monate, selbst länger als ein Jahr hin, all-
mählig schwinden die charakteristischen Kraukhcitserschciu-
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239
ungen, die Lähmung geht zurück, der Gang bessert sich,
wird schliesslich völlig gut, die Schmerzen verschwinden,
die atropischen Muskeln erstarken wieder, der Kranke hat
keine Beschwerden und kann aus dem Hospital entlassen
werden. Doch bleibt immer eine stete Beschleunigung des
Pulsschlages zurück, desgleichen das Symptom des Feldens
der Patella-Reflexe, so dass diese Leute zu anstrengender
Arbeit nicht zu gebrauchen sind und immer mit einer gewisseu
Schonung behandelt werden müssen.
Ein dritter Ausgang ist der, dass nach Ablauf der
heftigeren Krankheitserscheiuuugen eine dauernde Abmagerung
und Schwäche der unteren Extrem itüteu neben der bestehenden
Pulsbcscldeunigung zurückbleibt, welche die Kranken dauernd
an das Hospitul fesselt, bis schliesslich nach oft erst langer
Zeit das Auftreten vou Oedemen den Tod herbeifiihrt.
Während der letale Ausgang der Beri-Beri bei den
Chiuesen hier fast Regel ist, vielleicht beeinflusst das unter
denselben stark verbreitete Opium-Essen und -Rauchen die
Krankheit in ungünstigem Sinne- kommt die relative Ge-
nesung und der zuletzt erwähute Ausgang in chronisches
Siechtum bei Javanen und Mclanesen nicht gerade selten vor.
Eine zweite Form der Beri-Beri, welche hier ebenfalls,
aber nur etwa 1/1U so häutig, vorkommt wie die oben ge-
schilderte, ist die acute, peruieiöse Beri-Beri. Hierbei kommen
die Kranken von vornherein mit stark ausgeprägteu Mo-
tilitiitsstörungeu und Oedemen in das Hospital. Ebenso
schnell, wie die Krankheit sich entwickelt hat, schreitet sie
vor, die Oedeme nehmen rapid zu, unter Cyanosc und Er-
stiekungsfälleu sterben die Kranken bereits nach wenigen
Tagen oder spätestens in 2 — 3 Wochen.
Endlich kommen drittens offenbare Mischinfektionen vou
Beri-Beri und Malaria vor. Es ist eine bekannte Thatsachc,
dass Malariaausbrüche sich den verschiedensten Krankheiten
(auch äusseren Leiden) hinzugeselleu. W ährend bei reiner Beri-
Beri die Körper-Temperatur dauernd normal um! die Milz
nicht vergrössert ist, habe ich in einzelnen Fällen von Beri-
Beri eine plötzliche, meist nur wenige Stunden andauernde
Temperatursteigerung bis zu 40,5" C. mit acuter Milzsehwel-
lung beobachtet, welche nur uls ein intermittirender Malaria-
Anfall aufgefasst sverdeu konnte. Regelmässig bewirkte der-
selbe eiue Verschlimmerung des Allgemeinbefindens, bei
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Kranken, die noch gehen konnten, z. B. eine Zunahme der
Bewegungsstörung, die nach mehrmaliger Verabfolgung von
Chinin [1,0 — 1,5 gr. dosi], ebenso wie die Milzschwelluog,
wieder zurückging.
Eine andere Form, die ich als Mischinfektion von ßeri-
Beri und Malaria bezeichne, äussert sich in folgender Weise:
Leute, die früher schon öfter wegen Malaria behandelt
waren, kommen mit einer massigen Temperatursteigerung
und ausgesprochener Milzvergrösserung, mitunter sogar mit
einem recht bedeutenden Milztumor, in das Hospital. Gleich-
zeitig klagen sie über Schmerzen und Schwäche in den
Beinen, eine ebenfalls bei Malaria sehr oft vorkommende
Erscheinung, doch deuten der unsichere zitterige, oft bereits
deutlich ataktische Gang, das Fehlen der Patella-Reflexe,
und besonders die Pulsbeschleunigung, welche nach Nachlass
des Fiebers bestehen bleibt und sich nach raschen Bewegungen
stark steigert, auf ein gleichzeitiges Erkranktsein an Beri-
Beri hin.
Fälle dieser Art, sowie der Umstand, dass hier nach
kräftigen, wiederholten Chiningaben oft, nicht immer, eine
Besserung, selbst Heilung eintritt; haben vielleicht manche
Aerzte veranlasst, Beri-Bcri und Malaria als identisch zu
erklären. Doch bietet das Krankheitsbild der reinen Beri-
ßeri so viel specifisch Charakteristisches uud von Malaria
Abweichendes, dass ich diese Krankheit von Malaria scharf
trenne, ganz abgesehen davon, dass auch Chinin seine bei
Malaria so erprohte Heilwirkung bei reiner Beri-Beri ganz
versagt, und endlich Beri-Beri an Orten vorkommt, die von
Malaria völlig frei sind.
Was das Auftreten der Beri-Beri betrifft, so werden
von dieser Krankheit hier nur Männer befallen, wenigstens
habe ich bei Frauen bisher noch keinen Fall gesehen, und
zwar sind es keineswegs nur schwächliche Individuen, sondern
ira Gegenteil in der Mehrzahl kräftige und robuste Leute,
die an Beri-Beri erkranken. An dieser Thatsache ändert
nichts der Umstand, dass die Krankheit auch bei solchen
auftritt, die vorher öfter an Malaria gelitten haben. Es er-
klärt sich dieses vielleicht dadurch, dass häufige Malaria-
Fieber die Neigung zur Erkrankung an Beri-Beri steigern.
Die Häufigkeit des Vorkommens in den einzelnen
Monaten ist aus folgender Tabelle ersichtlich :
241
Anzahl der Erkrankungen an Beri-Beri in den Monaten
April 1895 bis December 1895:
MoDat Bestand
eingekommen
entlassen
gestorben
April 7
5
5
3
Mai —
2
2
1
Juni —
2
1
1
Juli —
2
1
—
August —
1
1
1
September —
15
—
6
Oktober —
27
—
10
November —
29
1
21
December —
24
5
23
bleibt Bestand.
Was die verschiedenen Nationalitäten betrifft, so wurden
behandelt :
55 Chinesen, von diesen wurden 5 gebessert entlassen,
34 starben, 16 bleiben Bestand : — ca. 9°/o relative Heilungen,
62°/o Todesfälle.
13 Javanen, von diesen 3 gebessert entlassen, 6 Todes-
fälle 4 Bestand: — 25°/o relative Heilungen, 50°/<> Todesfälle.
46 Melanesen, von diesen 8 relativ geheilt, 26 Todes-
fälle, 12 Bestand: — 1 8 °/0 relative Heilungen, 53°/o
Todesfälle.
Anzahl der Erkrankungen an Beri-Beri in den Monaten
Januar 1896 bis März 1896:
Monat Bestand eingekommeu entlassen gestorben bloibt Bestand.
Januar — 14 4 9
Februar — 4 3 5 —
März — 5 11 7 16
Von April an begann die Krankheit zu erlöschen, im
Mai und Juni sind unter den Javanen und Melanesen gar
keine neuen Erkrankungen dieser Art aufgetreten, unter den
Chinesen nur einige Rückfälle bei Leuten, die schon früher
an Beri-Beri gelitten hatten. Die Beri-Beri Kranken sind
seit Mitte April in einem neu zu diesem Zweck errichteten,
geräumigen Hause, isolirt von den anderen Kranken, unter-
gebracht. Die an dieser Krankheit leidenden Chinesen und
Javanen werden, soweit sie transportfähig sind, mit dem
rückkehrenden Reichspostdampfer nebst einer Anzahl no-
torisch unbrauchbarer Kulis in ihre Heimat zurückgesandt.
Jetzt (im Juni 1896) hat die Seuche ganz aufgehört.
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242
Demgemäss neigen die Chinesen, deren Gesamratzahl
hier geringer als die der Melanesen und der der Javanen
durchschnittlich ungfahr gleich ist, am meisten zu Er-
krankungen an Beri-Beri mit dem grössten Prozentsatz an
Todesfällen. Darauf folgen die Melanesen, und zwar be-
treffen die Erkrankungen an Beri-Beri etwa zu 3 n Melanesen,
zu lU Jabims, Eingeborene aus Kaiser Wilhelmslaud in der
Umgebung von Finschhafen, welche demnach von dieser
Krankheit auch nicht völlig verschont bleiben, und am
wenigsten von den farbigen Arbeitern scheineu die Javanen
hier zu dieser Krankheit disponiert zu sein. Die Europäer
hingegen besitzen anscheinend eine völlige Immunität gegen
diese Krankheit, da trotz der nicht unbeträchtlichen Anzahl
der an Beri-Beri erkrankten Kulis noch keiner der hier
anwesenden Europäer von dieser Krankheit ergriffen ist.
Die Aufstellung zeigt, dass die Erkrankungen an Beri-Beri
zu einer Zeit sich häuften, in welcher nach einer etwa drei-
monatlichen, absoluten Trockenheit die ersten schweren
Regengüsse den Eintritt der Regenzeit ankündigten, eine
Periode, die mit relativ hohem und starkem Wechsel der
Lufttemperatur verbunden war, dass Witterungseinflüsse der
angegebenen Art einen ungünstigen Einfluss ausübten, scheint
ausser Frage zu sein. Doch über sonstige etwaige Ent-
stehungs-Ursachen der Beri-Beri vermag ich wenig anzugeben.
Dauernder Aufenthalt in überfüllten, schlecht gelüfteten
Räumen, einseitige und mangelhafte Nahrung, brackisches
Trinkwasser, Ursachen, welche von Aerzten anderer Länder
angegeben werden, sind für die hiesige Verhältnissen nicht
zutreffend. Am meisten wahrscheinlich scheint mir noch zn
sein, dass häufige und anhaltende Durchnässungen die Dis-
position zu Erkrankungen an Beri-Beri steigeru. Auch über
die Art und Weise, wie die Infektion zu Stande kommt,
ob ein bestimmtes Kontagium existiert, welches die Krankheit
von Person zu Person übermittelt, ist bisher noch nichts
Sicheres festgestellt. Doch zwei Thatsachcn, welche sich
mir bei Beobachtung meiner Fälle aufgedrängt haben, möchte
ich nicht unerwähnt lassen. Erstens leiden ungefähr */ 1
meiner Bcri-ßeri-Kranken gleichzeitig an Unterschenkcl-
oder Fuss-Geschwüren, meist sogar keineswegs sehr aus-
gedehnten, welche jedoch, im Gegensatz zu Geschwüren
gesunder Leute, immer wenig Teudenz zur Heilung zeigen.
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243
Auch habe ich in einzelnen wenigen Fällen Beri-Beri bei
Leuten auftreten sehen, die ursprünglich nur wegen Unter-
schenkclgeschwüren in das Hospital aufgenommen wurden
und bei ihrer Aufnahme noch keinerlei Zeichen von Beri-
Beri boten. Erst nach 4— 6 Wochen, mitunter ganz plötzlich
nach einer vorangegangenen acuten Temperatur-Steigerung,
klagten sie über Schmerzen und Schwäche in beiden Beinen,
und die Untersuchung ergab das Vorhandensein von Beri-
Beri. Da die Möglichkeit uicht ausgeschlossen erscheint,
dass eine Wunde oder Geschwürstläche die Eingangspforte
für den noch unbekannten Ansteckungsstoff der Beri-Beri
bildet, so briuge ich im Hospital an Beri-Beri Erkrankte
oder solche, die dieser Krankheit verdächtig sind, nie mit
den nur an äusseren Krankheiten Leidenden in demselben
Hause zusammen unter, sondern isolire dieselben nach Mög-
lichkeit, soweit der Platz es erlaubt, in einem der iur die
innerlich Kranken bestimmten Häuser. —
Zweitens : Eine besondere Disposition zu Beri-Beri
scheinen kurze, untersetzte Leute zu besitzen von gedrungener
Gestalt mit breitem, etwas emphysematosem Brustkasten,
mit kurzem, dickem Hals, uud zwar halte ich die Vorher-
sage (Prognose) bei diesen Kranken, was die Lebensdauer
anbetriflt, für besonders ungünstig. In 4 Fällen sah ich
Beri-Beri Kranke dieser Art ganz plötzlich — ich möchte
fast sagen unerwartet — infolge acuter Herzlähmung ein-
gehen. Die Prognose überhaupt ist bei dieser Krankheit
hier nicht günstig, wenigstens was absolute Heilung betrifft.
Bei der acuten, pernieiösen Form dagegen ist sie durchaus
schlecht. Am deutlichsten ergiebt sich dieses aus der Tabelle,
nach welcher man auf etwa 55°/o Tote rechnen muss.
Was die Heilmittel für diese Krankheit betrifft, so
steht in erster Linie Luftveränderung, und zwar, da wir hier
in eiucr Ebene leben, Ueberfülirung der Kranken nach höher
gelegenen Punkten. Selbst in veralteten Fällen und bei ge-
lähmten Kranken soll dieses Mittel in Java noch Erfolg
gehabt haben. Da wir auf diesen Heilfaktor verzichten
müssen, und es auch kein mcdicamentöses specilisches Mittel
gegen diese Kraukheit giebt, müssen wir uns ausser diäte-
tischen Massregeln, gute Ernühruug, Fernhalten aller Schäd-
lichkeiten, auf symptomatische Mittel beschränken. Zu diesen
gehören in erster Linie solche, welche die Hcrztbätigkeit
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244
verlangsamen, Digitalis in kleinen Dosen, Strophantus-Tiuctnr
u. A., und welche gleichzeitig die stets verminderte Urin-
Sekretion anregen. In den Fällen, bei welchen man an-
nehraen kann, dass Malaria mitspielt, ist Chinin entschieden
am Platze und mitunter von guter Wirkung. Gegen andere
eventuelle Komplikationen, wie Herzkollaps etc. zieht man
mit den entsprechenden Mitteln zu Felde.
Was die Entstehung dieser Krankheit betrifft, so glaube
ich bestimmt, dass dieselbe vor längerer Zeit von chinesischen
Kulis, die vor ihrer Ankunft hier, schon früher einmal an
Beri-Beri gelitten hatten, eingeschleppt und von diesen auf
andere übertragen ist, und dass dieselbe durch irgend welche
äussere ungünstige Verhältnisse Ende vorigen Jahres eine
grössere Ausdehnung gewann. Es liegt kein positiver Be-
weis oder auch nur irgend ein Anhaltspunkt vor, dass sich
in der Astrolabe-Ebene selbst ein direkter, sogenannter Beri-
Beri-Heerd, der sich an eine bestimmte Lokalität knüpft,
befindet, von welchem die Seuche spontan ihren Ausgangs-
punkt nimmt. Trotzdem werde ich auch in Zukunft, sollten
wieder frische Erkrankungen an Beri-Beri vorkomman noch
genauer, wie bisher, in jedem einzelnen Falle feststellen, wo
der Erkrankte in der letzten Zeit gearbeitet hat, mit welcher
Art von Arbeit er beschäftigt war, in welchem Hause er
gewohnt hat, und dergl. und hierüber genau Buch fuhren,
um auf diese Weise, wenn möglich, genauere Anhaltspunkte
zu finden, nach welchen man etwaige Vorbeugungs-Massregeln
gegen die Krankheit treffen könnte.
Dr. med. Wendland,
Arzt der Astrolabo Compagnie.
Typhus und Gelbes Fieber.
Von Dr. Friedrich Semeleder.
(Ich bemerke dass ich unter Typhus verstehe das Typhus-
fever der Engländer, den Typhus der Franzosen, den Petechial-
typhus, und dass ich den sogenannten Abdominaltyphns, Ty-
phoid fever, enteric fever, Fifcvre typhoide, als typhöses
Fieber bezeichnen werde.)
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245
Eine bemerkenswerthe Erscheinung in der Pathologie
Mexiko’s ist das Ausschliessungsverhältniss zwischen Typhus
und Gelbfieber. Über den Typhus als Krankheit brauche
ich nichts zu sagen. Auf dem mexikanischen Hochlande ist
der Typhus einheimisch, endemisch und oftmals epidemisch ;
unter 1200 Meter Seehöhe kömmt der Typhus, man kann
sagen „NIE“ vor. Ganz tüchtige Aerzte, denen das Bild des
Typhus von ihrer Studienzeit in der Hauptstadt nur zu
geläufig ist und die in Orizaba, in Cordoba, in Veracruz
und in anderen Küstenorten seit 30 und 35 Jahren praktiziren,
erklären in dieser Zeit einen oder gar keinen Fall von Typhus
gesehen zu haben ; und selbst iu diesen einzelnen Fällen ist
eine Einschleppung nicht vollkommen ausgeschlossen.
Umgekehrt verhält es sich mit dem gelben Fieber. Auch
über dieses will ich nur weniges sagen. Je mehr darüber
geschrieben wird, desto greller tritt zu Tage, wie wenig wir
eigentlich davon wissen.
Die Frage der Ursprungsstätte des gelben Fiebers ist
noch nicht erledigt. In Mexiko glaubt man allgemein, dass
die Krankheit von der Westküste Afrika’s im Jahre 1699
eingeschleppt wurde durch ein englisches Sclavenschilf, obwohl
der Geschichtsschreiber Clavigero behauptet diese Krankheit
wäre in Mexiko unbekannt gewesen bis 1725. Fiulay in
Habana (Edinburg medical Journal, Juli 1894) und Le Hardy
(Virginia medical Monthly, Juni 1894) neigen der Ansicht
zu, dass jene Krankheit „Gelbes Fieber“ war, die so schreckliche
Verwüstungen unter Columbus’ Begleitern und unter den ersten
Spanischen Ansiedlern an den Küsten Westindiens anrichtete.
Andere glauben, jene grossen Epidemien, die vor Ankunft der
Spanier in Yucatan wüteten, wären Gelbfieber gewesen. Im
Gegensätze zu diesen behauptet Verrier (Bulletin medical,
Paris, April 1894) entgegen der allgemeinen Meinung, das
gelbe Fieber sei von Amerika nach Afrika übertragen worden,
wo die erste bekannte Epidemie, ebenfalls durch ein Sclaven-
scliiff verursacht, in das Jahr 1760 fiele. Verrier und Dupont,
Chefarzt der französchen Marine, vertreten die Ansicht, die
Französischen Ansiedlungcn an der afrikanischen Westküste
wären gar nicht so ungesund ; was man am Senegal und in
Sierra Leone den „Typhus amaril“ nennt, sei gar kein „Vdruito.“
sondern ein bösartiges Fieber, das sie „Fiövre bilieusc höma-
turique“ nennen und das seine Entstehung der Schwächlich-
Archir f. Schiffs- u. Tropenhygicue. 18
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246
keit, Unmässigkeit und Nachlässigkeit der Eingebornen ver-
dankt. Verricr führt zu Gunsten seiner Ansicht an, dass
der amerikanische Schwarze immun ist, dadurch dass er seit
so langer Zeit die Gelbtiebergegenden bewohnt, während der
afrikanische Neger das gelbe Fieber ebenso leicht bekäme als
der weisse Mann. (!)
Dagegen: Zu Anfang der lezten französischen Expedition
nach Mexiko litten die Soldaten fürchterlich von dem gelben
Fieber. Mit Galgenhumor nannten sic den Friedhof von
Veracruz den „Jardin d’aclimatation“. Auf Vorschlag Ehr-
mann’s, des Chefarztes, wurde der Vizekönig von Egypten
gebeten, ein paar Regimenter Sudanneger als Besatzung für
Veracruz und die Küste zu borgen, da man sie für gefeit
gegen gelbes Fieber hielt (s. o.). So geschah es, und obwohl
allen anderen Tropen-Krankheiten unterworfen, — Ruhr.
Malaria, Leberleiden etc. — blieben sie doch frei vom gellten
Fieber und bewahrten tausende französische Soldaten vor
dem Tode.
Das gelbe Fieber ist endemisch an der Küste des mexi-
kanischen Meerbusens, in Veracruz und Umgebung, im Canton
von Frontera (Staat Tabasco), in Campeehe und Isla del
Carmen (Staat Campeche) und an der Nord- und Ostküste
der Halbinsel Yucatan. (Geografia mödiea de la Rcpublica
Mexicana, por el Dr. D. Orvananos, Mexiko, 1889) Von diesen
Orten verbreitet sich die Krankheit an den Küsten und nach
dem Inneren, aber so dass auf eiuer Seehöhe von 1227 Metern
(Orizaba) wohl in manchen Jahren hunderte von Gelbfieber-
Kranken zur Behandlung kommen, die aber insgesammt die
Krankheit an anderen Orten erworben haben. In Orizaba
selbst kommt es zu keinen Epidemien von gelbem Fieber.
Anders in Cördoba, 830 Meter über der See, wo sich alle
acht bis zehn Jahre, ja gelegentlich in zwei aufeinander
folgenden Jahren, schwere Epidemien einstellen. Die Immunität
dauert hier dann bis sich wieder eine entsprechende Zahl
nicht durchseuchter Leute angesaramclt hat. Ein Ort, geuannt
Fortin, zwischen Cördoba und Orizaba, etwa auf 1000 Meter
Höhe, bezeichnet die Grenze über welche hinaus das gelbe
Fieber nicht mehr epidemisch vorkömmt.
Wie man sieht ist die Brutstätte des gelben Fiebers
an der mexikanischen Ostküste; an der Westküste, unter
sonst gleichen Umständen, und trotz des Verkehrs über
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Panamü und über die Landenge von Tehuantepec, kömmt
es nur in sehr grossen Zwischenräumen zu Epidemien von
gelbem Fieber durch Einschleppung.
Es wäre gewiss lehrreich und vielleicht auch möglich,
zu erfahren, wie sich Typhus und das gelbe Fieber zu ein-
ander in anderen Teilen des tropischen Amerika verhalten.
W as nun das typhöse Fieber anbelangt, so behaupten
die mexikanischen Aerzte steif und fest, dass es in Mexiko
gar nicht vorkäme, weder auf dem Hochlande, noch an den
Küsten. Europäische Aerzte, denen das Bild des typhösen
Fiebers so wohl bekannt ist, sind der Ansicht, dass das
typhöse Fieber in einzelnen seltenen Fällen auf dem Hochlande
zu beobachten ist. Das ist auch meine Meinung. Patho-
logisch-anatomische Daten stehen mir nicht zu Gebote : es
ist eben von meinen Kranken keiner gestorben, und auch in
der Privatpraxis schwer Autopsien zu machen; aber es wäre
doch gar zu jämmerlich, wenn die Diagnose des typhösen
Fiebers nur an der Leiche zu macheu wäre.
Wie verhalten sich nun Typhus und typhöses Fieber
in anderen heissen Ländern? In Ostindien, Bombay, Ahme-
dabad etc. ist Typhus äusserst selten und die Eingeborenen
sind frei vom typhösen Fieber. Die Erklärung dafür, dass
die Einwohner von ihren Vorfahren her mit diesem Gifte
gesättigt seien, (Indian medico-chirurgical Review, Bombay,
1894) scheint mir gar sehr gesucht. Typhöses Fieber kömmt
auf den Antillen vor Die eingebornen Truppen in Allgericn
sind fast immun dafür und wohl nicht nur die Truppen. (A.
Marvaud, Provincial medical Journal. Leicester, England, Juni
1894). In 1878 betrug die Sterblichkeit an typhösem Fieber
unter den eingeborenen Tirailleurs d’Afrique 1,5 zu 1,000,
unter den Zuaven 22,2 und in der Fremdenlegion 15,4 auf
Tausend. Die Einflüsse der Ermüdung, Verpestung des
Bodens, gedrängten Zusammenlebens, schlechter Wohnstätten
und Nahrung, wirken aber in Algier ebenso wie in Frankreich
und vielleicht noch schlimmer unter dem heissen Klima.
Hier liegen also verschiedene Fragen vor, zu deren
Aufklärung Ihr geschäztes Blatt vielleicht beitrageu kann.
Dr. Sem nieder,
Cordoba, Staat Vcracruz, Mexiko.
März 1897.
I.s*
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248
Oer Parasitenbefund bei den Malariafiebern und seine
Verwerthbarkeit für die Erkennung, Behandlung und
Verhütung der Malariafieber *)
von Dr. Reinhold Rüge, Marinestabsarzt.
(Zusammenfassender Bericht unter Verwerthung eigener Beobachtungen.)
Der französische Militairarzt Laveran, der am 6. No-
vember 1880 in Constantine im Blute eines Malariakrankcn
die Erreger der Malariafieber entdeckte, schrieb 1884 in
seinem Buche: Traitd des fiövres palustres (p. VI): „On
peut dirc sans exagdration, ce me semble, que l'histuire du
palttdismc forme aujourd’htii ttn des chapitres les plus clairs,
les plus prdeis de la pathologie . . Das hat sich nun leider
nicht bewahrheitet. Es ist allerdings gelungen, mit Hülfe
jener Entdeckung verschiedene bis dahin dunkle Erscheinungen
in der Pathologie der Malariafieber in befriedigender W eise
zu erklären, aber in vielen anderen Beziehungen, namentlich
in den Beziehungen, die die Malariafieber zur Aussenwelt
haben, hat uns die Laveran’sche Entdeckung vor der Hand
nicht weiter geholfen.
Wenn ich nun im Folgenden untersuchen will, in wie
weit die Kenntniss der Malariaparasiten für die Erkennung,
Behandlung und Verhütung der Malariafieber verwerthbar ist,
so ist es zunächst unumgänglich nöthig, eine kurze Be-
schreibung der Malariaparasitcn selbst zu geben. Aber hier
beginnen bereits die Schwierigkeiten. Anerkannt werden ja
zur Zeit die Malariaamöben von allen Forschem als die
Erreger der Malariafieber, und die Versuche von Klcbs und
Tommasi-Crudeli *), von Cuboni und Marchiafava s), Mar-
chand ■’) Ziehl4)und Schiavuzzi5) mit ihren bacillus mnlariae,
*) Nachstehende Abhandlung war druckfertig als in dieser Zeit-
schrift Bd. I. der Aufsatz von A. Biehn ,,Die Blutuntersuchnngen in
tropischen Fiebergegenden und ihre praktische Bedeutung“ erschien.
Der Leser wird finden, dass ich theilweise zu ähnlichen Resultaten
und Folgerungen gekommen bin.
') Arch. f. experim. Patholog. 18711 S. 311. *) Arch. f. experim.
Fatholog. Bd. XIII. S. 266. *) Virch. Arch. Bd. 88, S. UH. *) Deutsch,
med. Woch. 1882 S. (117. *) Ziegler-Neuwerck, Beiträge zur path.
Anatom. 18811 S. -121.
249
sowie die Versuche vou Mosso1) und Maragliano2) die Ma-
lariaparasiten für Degenerationszustände der rotlien Blut-
körperchen zu erklären, haben nur noch historischen Werth3).
Aber trotzdem und obgleich sich hunderte vou Arbeiten mit
der Erforschung der Malariaparasiten belasst haben, ist noch
nicht einmal darüber eine endgültige Einigung vorhanden,
ob wir eine oder mehrere Parasitenarleu anzunelnuen
haben. Es ist nicht meine Absicht, in den folgenden Zeilen
alle die Ansichten der verschiedenen Autoren zu briugcu,
welche für die eine oder audere Annahme sprechen, sondern
ich will nur die hauptsächlichsten hervorheben, die Anspruch
auf Beachtung machen können und die nicht nur von ihren
Autoren aufgestellt, sondern auch vou anderer Seite unter-
stützt und bestätigt worden sind.
Zur Zeit ist es hauptsächlich nur noch Lavcrau, der
auf seinem alten Standpunkt stehen geblieben ist und be-
hauptet, dass der Malariaparasit einheitlich, aber polymorph
ist4). Deun die Berichte anderer Beobachter wie Richard
Osler6), Councilman7), und Abbos8), die vor Golgi’s Arbeiten
erschienen und sich im Wesentlichen damit bcguügten, das
Vorhandensein der Parasiten festzustellen, können bei dieser
Frage uicht mit in Betracht kommen. Laveran gegenüber
stehen Golgi3) und die Italiener10), die folgende Formen
unterscheiden :
1. Den Parasiten der febris quartana,
2. Den Parasiten der febris tertiana,
3. Den Parasiten der Sommer -Herbst- Fieber, (kleine
Parasiten).
Von letzterem sind wieder verschiedene Unterarten getrennt
wordeu. Die ersten deutschen Autoren, denen in der Heimath
nur wenige Fälle für ihre Untersuchungen zur Verfügung
’) Berlin. Klin. W. 1887. Virch. Arch. Bd. 109, Arcli. ital. de
biolog. 1K90 p. 203. *) Arcli. ital. de Biologie 1891 p. 200. *) Letztere
Ansicht wurde durch die Arbeit von Cattaneo u. Monti im Arch. ital.
de biolog. 1888. p. -408 endgültig widerlegt. <) Arch. de med. experim.
et de l'anatom. path. 1889 p. 827 u. Du paludisme et de son htmalo-
zoaire 1891 p. 124 u. folgende. *) C.ornpt. rend. 1882 p. 496. •) British
med. journ. 1887 p. 556. ’) Fortschr. d. Med. 1888 S. -457. *) Amcric.
journ of med. etc. 1885 p. 416. *) Fortschr. d. Med. 1886 S. 575;
Arch. ital. de biolog. 1887, 8; Fortschr. d. Med. 1889 S. 81. I#) Arch.
ital. de biolog 1888, p. 285 ; 1890 p. 802 ; 1890 p. 301 ; 1891 p. 157.
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250
standen, wie Brand '), Dolega 2), F. Plelin 3), Quincke 4) und
Rosin Ä) sprechen sich theilweise vorsichtiger aus als Laverao.
Sie begnügen sich damit, das Vorhandensein der Parasiten
zu constatiren und sehen von einer Unterscheidung der Arten
ab, ohne aber das Vorhandensein solcher direkt in Abrede
zu stellen. Anderson8) (Mauritius) that dasselbe. Die neueren
Arbeiten — abgesehen von den italienischen, die sich von
Anfang an in Uebcreinstimmuug mit den Golgi’schen befinden
— wie die von Sacharoff7), Fitroff8), Mannaberg*), Jancso
und Rosenberger10) sprechen sich durchaus für Golgi’s Ein-
thcilung aus, sodass kein Zweifel mehr darüber bestehen
kann, dass es in der That verschiedene Arten von Malaria-
parasiteu giebt. Dock u) unterscheidet large (heimischer
Tcrtianaparasit) und small plasmodium (balbmondbildender
Parasit), beobachtete aber keine febris quartana.
Ich selber habe nur wenige Fälle von Malariafiebcm
bakteriologisch untersuchen können. Ich habe aber sowohl
die heimischen als auch die tropischen Malariaparasiten ge-
sehen und muss sagen, dass schon der morphologische Unter-
schied zwischen beiden Arten so in die Augen springt, dass
er nicht weggeleugnet werden kann 12). Ich schliesse mich der
Eintheiluug Mannaberg’s 1S) an, der h alb m on d b i 1 d e nde
und nicht halbmondbildende Parasiten unter-
scheidet.
Die erste Gruppe, die halbmondbildenden (kleiuen)
Parasiten, zeigt einen unregelmässigen Entwicklungsgang
') Deutsch, ined. W. 1890 S. 864. *) Fortschr. d. Med. 1890
S. 709 u. 9. Congr. f. innere Med. 1890 S. 513.
■i Zeitschr. f. Hyg. 1890 S. 578, Berlin. Klin. Woch. 1890 S. 292 ;
In seiner Broschüre „Aetiologische und Klinische Malariasludien". 1890
sprach sich Plelin aber gegen Golgi’s F.intheilung aus. Ebenso Bein
in seinen aetiologischen und experimentellen Beiträgen zur Malaria,
Sonderabdruek aus den Charite-Annalen XVI. Jahrg. S. 23. Fischer
hatte 1887 das Vorhandensein von Malariaparasiten in Abrede gestellt.
«) Bef. in Fortschr. d. Hed. 1890 S. 296. *) Deutsch, mcd. W
1890 S. 326. *) Laneet 1890 Aug. 23. ») Ref. im Ctrlbl. f. Bakt. 1891
Bd. IX. S. 16. •) Ref. im Centrlbl. f. Bakt. Bd. IX. S. 281. •) Die
Malariaparasiten 1893 S. 58. ,<l) Arch. f. Klin. Med. Bd. XXI. S. +19-
n) Dock : Med. News 1891 p. 1 u. Med. News 1890.
'*) Canalis. Arch. ital. de biolog 1890 p. 266 sagt darfilier: ..Der
Beobachter der beide Parasitenarten mit einander vergleichen kann, ist
erstaunt über den Grössenunterschied“.
'*) Die Malariaparasilen 1893 S. 99.
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251
und ruft die schweren , unregelmässigen Fieber hervor,
kann aber auch bisweilen eine febris quotidiana, tertiana
und quartana’) bedingen. Sie sind den schweren Malaria-
fiebern eigen, die südlich der Alpen, im Sommer und Herbst
in den Tropen und Subtropen aber in allen Jahreszeiten
beobachtet werden. Die Italiener haben versucht, verschiedene
Unterarten von diesen Parasiten aufzustellen. Doch sind die
gemachten Unterschiede noch so fein und wenig bestimmt,
dass ich auf ihre Anführung verzichte und die halbmond-
bildeuden (kleinen) Parasiten als eine Art abhandeln werde.
Die zweite Gruppe umfasst die Parasiten mit regelmässigem
Entwicklungsgang. In dieser Gruppe werden von deu
Italienern und einigen anderen Forschern (siehe oben) 2 Unter-
arten unterschieden. Der eiue Parasit nämlich vollendet
seine Entwicklung in 48 Stunden uud ist der Erreger der
heimischen febris tertiaua, der andere in 72 Stunden und
ist der Erreger der heimischen febris quartaua. Da die
Parasiten der 2. Gruppe einfachere Verhältnisse aufweisen,
eingehender studirt worden sind uud . ihre Morphologie
und Biologie von verschiedenen Seiten übereinstimmend ge-
schildert worden ist, so bespreche ich sie zuuächst, die nach-
folgende Schilderung der 3 Parasitenarten entnehme ich vor-
wiegend den Arbeiten Golgi’s8) und der Italiener8)
A. Ule Parasiten ohne Halbmondbildung.
a) Der Parasit der Febris quartana.
Einige Stunden nach dem Anfalle findet man bei der Untersuchung
frischer Präparate in den rotben Blutkörperchen kleine helle Flecke,
ohne Pigment mit langsamen amoeboiden Bewegungen die etwa */s —
'/» des Durchmessers der rothen Blutscheiben haben.
1. Phase, amoeboides Stadium der Autoren. Am ersten Tage
der Apyrexie zeigen sie noch langsame ainoeboide Bewegungen, aber
bereits ziemlich reichliches, schwarzrothes Pigment, das in Form von
plumpen Stäbchen oder Körnchen unregelmässig über den Körper des
Parasiten zerstreut ist. Am 2. Tage der Apyrexie sind die Parasiten
soweit gewachsen, dass sie •/« — */» der rothen Blutscheibe erfüllen;
das Blutkörperchen selbst ist etwas verblasst (2. Phase, amoeboides
') Ziemann, Centralbl. f. Bukt. Bd. XX. S. (562. Es liesse sich
deshalb vielleicht das Vorhandensein eines malignen Tertiana und
eines malignen Quartanaparasilen annehmen. Festgestellt ist aber in
dieser Beziehung noch gar nichts. Bef.
') Fortschr. d. Med. 1K8I1 S. 675. Arch. ital de biolog. 18H7,
Fortschr. d. Med. 1889 S. 81.
*) siehe vorige Seite.
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Stadium der Autoren). Am Tage des Anfalls treten folgende Ver-
änderungen auf: Die Substanz des rothen Blutkörperchens, das bis
zuletzt eine gelbgrüne Farbe behalten hat. verschwindet, das Pigment
beginnt den nunmehr als freies pigmentirtes Körperchen erscheinen-
den Parasiten durch radiär gestellte Streifen in einzelne Abtheilungen
zu thcilen und zieht sich schliesslich nach der Mitte hin zusammen.
Während dieser Zusammenziehung des Pigments beginnt die Theilung
des Parasiten entsprechend den oben genannten Pigmentstreifen bis
die Form einer Margarethenblume fertig ist. Sehr bald — direkt
unter dem Mikroskop zu beobachten — werden die einzelnen Blumen-
blätter — ß — 12 an der Zahl — rund, entfernen sich von dem centralen
Pigmenthaufen, die gemeinsame Hülle verschwindet und man sieht
unregelmässige Gruppen kleiner, runder Körper mit einem kleinen
Pigmenthäufchen in der Mitte: Die junge Parasitengeneration. (3. Phase).
Nun beginnt das rasche Verschwinden aller Theilungsformcn. das
während des weiteren Fieberverlaufes andauert. Am Tage nach dem
Anfalle findet man die jungen Parasiten wiederum in den rothen
Blutscheiben.
b) Der Parasit der Febris tertiana.
Auch hier können 3 Entwicklungsphasen unterschieden werden,
die aber nicht scharf von einander getrennt sind, sondern in einander
übergeben. Im frischen Präparate findet man einige Stunden nach
Ablauf eines Anfalls in den rothen Blutscheiben kleine, helle, glänzende
Flecke — homogene Protoplasmaklümpchen—, die etwa '•'»— '/< des
Durchmessers der rothen Blutscheiben haben und sich von diesen
nur durch ihre blasse Farbe und durch lebhafte amoeboide Bewegungen
unterscheiden. Sie senden Fortsätze aus und ziehen sic wieder ein.
verlassen aber weder die wirthliche rothe Blutzellc, noch verändern
sie deren Form (1. Phase, amoeboides Stadium der Autoren).
2. Phase. Am 2. Tage (fieberfreien) zeigen die Parasiten be-
reits deutlichere Umrisse, sie haben bis jetzt etwa '/» — */j des rothen
Blutkörperchens eingenommen, ihre amoeboiden Bewegungen sind
langsamer geworden und sie haben in ihrem Inneren reichlich schwarz-
rothes Pigment in Form feinster Stäbchen und Körnchen, die in un-
regelmässiger Weise über den Parasiten zerstreut sind, entwickelt.
Das Blutkörperchen selbst ist fast entfärbt und kann bis auf das
Doppelte seiner normalen Grösse angeschwollen sein. Es erscheint
gleichsam hydropisch.
3. Phase. Einige Stunden vor Beginn des Anfalls (also ain
dritten Tage) ist das Blutkörperchen von dem Parasiten fast ganz erfüllt.
Man kann es nur noch als blassen Hof erkennen. Steht der Anfall
unmittelbar bevor, so sind die Beste des rothen Blutkörperchens
völlig verschwunden, das Pigment zieht sich allmählich nach der
Mitte des Parasiten hin zusammen und wir haben ein freies pigmen-
tirtes Körperchen vor uns, an dessen peripherischem Theil sich eine
gewisse Differenzirung in Gestalt eines den Piginentkörper umgeben-
den Ringes zu zeigen beginnt, ln diesem Ringe treten unbestimmt
radienförmig verlängerte Theilungsslreifen auf. die allmählig deutlicher
werden und den Ring in 15 — 2t) weissliche. ovale Partikelchen theilen.
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Diese Partikelchen werden allmählig rund, und schliesslich hat man
einen Kranz von Kügelchen, der um die pigmentirte Scheibe herum-
liegt (Uosenkranzform). Diese letzt geschilderte Form findet sich meist
erst im Beginn des Anfalls. Die innere pigmentirte Scheibe trennt
sich sodann durch einen deutlichen Saum völlig ab — ihr ferneres
Schicksal ist nicht bestimmt bekannt, sie wird wahrscheinlich von den
Leukocyten aufgenommen — und die kleinen Kügelchen (Sporen) stellen
die neue Parasitengeneration vor, die von neuem in die rotlien Blut-
scheiben eindringt’).
So ungefähr lässt sich in schematischer Weise der Entwicklungs-
gang dieser beiden Parasitenarten darstellen. Von einer absoluten
Regelmässigkeit dieses Entwicklungsganges kann natürlich nicht die
Hede sein. Es kommt z. B. vor, dass sich die Sporulation der Tertiana-
parasiten in dem noch gut erhaltenen Blutkörperchen abspielt, ehe es
der Parasit vollständig ausgefiillt hat (was Marchiafuva und Celli als
versuchte Theilung bezeichnen’).
Eine zweite Unregelmässigkeit in der Theilung haben Celli und
Guarnieri •) beobachtet. Sie ähnelt der bei den Coccidien vorkommen-
den. Mannaberg1) fand häufig einen Maulbeer- und Traubenform bei
der Sporulation, ebenso F. Plehn*) und Bein*), während Jancsö und
Rosenberger’) die Sporulationsfigur des Tertianaparasiten mit einer
Himbeere vergleichen.
Fernerhin ist zu beachten, dass nicht alle Parasitenindividuen
zu derselben Zeit zur Sporulation kommen, sondern dass sich die
Reifung der einzelnen Individuen von 6 — H St. verschieben kann*).
Schliesslich kommt eine grosse Anzahl von Parasiten überhaupt nicht
zur Sporulation. sondern bleibt steril. Es sind dies grosse endoglo-
buläre Formen mit zum Theil noch erhaltener amöboider und oft
lebhafter Pigmentbewegung, mit bläschenförmigem Keim aber ohne
Keimkörper. Man findet sie noch im Schweissstadium, ja am Tage
’) „Auch gelang es mir, zwei Mal das Eindringen der freien
Parasiten in die rotlien Blutkörperchen sicher constatiren zu können“,
Bein aetiolg. und experim. Beiträge zur Malaria. Sonderabdruck
aus den Charite- Annalen XVI. Jahrgang 6. 10.
’) Arcli. ital. de biologie 1888 S. 290 vergl. auch Councilman’s
Abbildungen in Fortsehr. d. Med. 18KH und siehe Doch, Further studies
on malarial disease lHitl p. 7. F. Plehn, Aet. u. klin. Malariastudien
S. 21. „Einige der Parasiten schritten erst in dem Zustand völliger
Erfüllung des Blutkörpers zur Sporenbildung, andere halten kaum ’/i
seiner Grösse erreicht“.
*) Fortschr. d. Med. 1HH9 S. 526. 4) 1. c. S. 103. *) Aet. u. klin.
Malariastudien 1890 S. 21.
*) Bein, Aetiologischc und experimentelle Beiträge zur Malaria.
Sonderabdruck aus den Charite-Annalen XVI. Jahrgang S. 10. „Die
Anordnung der Segmente (der Sporulationsformen) war nicht in der
Weise regelmässig und typisch, wie sie von den italienischen und
russischen Autoren beschrieben wird“. ’) 1. c. S. -189. *) Mannaberg
1. c. S. 110.
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der Apyrexie. Sie können aus den rolhen Blutkörperchen austreten
und zu freien sphärischen Körpern werden. „Nachdem einmal Fieber
vorhanden gewesen war, waren sie in allen Stadien zu linden'"1).
Beim Vergleich der beiden Parasitenarten stellen sich folgende
deutliche Unterschiede heraus:
1. Morphologisch.
a) Die Theilungsform des Tertiana-Parasiten ist der Rosen-
kranz (T rauben-M aulbeeren oder Himbeerenform), diejenige
des Quartana-Parasiten die Margarethenblume.
2. Biologisch.
a) Der Tertianaparasit vollendet seine Entwicklung in zwei,
der Quartanaparasit in 3 Tagen.
b) Der Tertianaparasit entfärbt das befallene rothe Blut-
körperchen und macht es bis zu doppelter Grösse auf-
quellen, beim tjuartanaparasiten behält das rothe Blut-
körperchen seine natürliche Grösse.
c) Die Sporen der Tcrtianaparasitcn sind kleiner und zahl-
reicher 115 — 20) als die der «.Juartanaparasiten (6 — 12).
Demnach sind also diese beiden Arten morphologisch im Anfang
nicht, wohl aber am Ende ihrer Entwicklung gut von einander zu
unterscheiden. Gemeinschaftlich ist hingegen beiden die Bildung von
Pigment, das von allen Autoren übereinstimmend als ein Stoffwechsel-
produkt der Parasiten angesehen wird — als eine Umwandlung des
Hämoglobins in Melanin. Nur Afanassicw') versuchte dieses Pigment
für Mikrokokken zu erklären.
Der feinere Bau der Parasiten wurde zuerst von Celli und
Guamieri*), Grassi und Felelti*), Dolega*) und F. Plelrn*) studirt.
In der letzten Zeit haben namentlich Mannaberg7). Romanowski und
Ziemann') darüber gearbeitet. Anerkannt ist das Vorhandensein eines
grossen blässchenförmigen Kerns mit Kernkörperchen. Ober das
Weitere gehen aber die Meinungen auseinander. Wahrend die einen —
namentlich Mannaberg ’) angeben, dass der Kern und schliesslich das
Kernkörperchen während der Vorbereitung des Parasiten zur
Sporulation verschwinden, stellten Romanowski und Ziemann ”) die
') Ziemann, Über ßlutparasiten bei heimischer und tropischer
Malaria, f'.entralbl. f. Bakt. Bd. XX S. fkiO.
*) Virch. Arch. Bd. Kl S. 13. •) Fortschr. d. Med. 1K89 S. 52ä.
*) Arch. ital. de biolog. 1890 S. 2K7.
*) Fortschr. d. Med. 1890 S. 769. •) Zeitschr. f. Hyg. 1K90
Bd. VIII. S. 7K. 7) I. c. S. 21—:«.
■1 I. c. S. 657. In seiner neusten Arbeit giebt Ziemann auch
eine eingehende Beschreibung des feineren Baus der tropischen
Malariaparasiten. Centrlbl. f. Bakt. und Parasit. Bd. XXI. S. 619 u.
folgende. •) 1. c. S. 115.
«) 1. c. S. 659.
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255
These auf, dass die Theilung der Parasiten auf karyokinetiscliem
Wege erfolge ').
An den Sporen des Quartana- und Tertianaparasiten beschreiben
Jancsö und Rosenberger*) geisselartige Fortsätze, die sich allerdings
nur durch Färbung sichtbar machen lassen *). „Jede Spore des Quar-
tanaparasiten besteht aus einem meist excentrisrh liegenden, homo-
genen nucleus, in welchem ein stark lichtbrechcndcr nucleolus
sichtbar ist, und aus dem, den nucleus umgebenden feinkörnigen
Theile, dem Plasma, welch’ letzterem die Fortsätze entstammen“.
Die Tertianaspore ist erheblich kleiner als die Quartanaspore und
ihre Struktur daher schwer zu erkennen. Mannaberg bildet auch
diese Sporenart mit einem deutlichen nudeo ab.
B. Die halhmondbildenden Parasiten.
Wie bereits erwähnt, sind die Untersuchungen über diese Pa-
rasitenarten noch durchaus nicht zum Abschluss gekommen, was bei
der Feinheit der Objekte und der Schwierigkeit der Untersuchung —
diese Parasitenart sporulirt meist in den Blutgefässen innerer Organe,
wie Gehirn und Milz und auch im Knochenmark — nicht zu verwundern
ist. Fast jede Arbeit bringt eine neue Ansicht und nur einzelne
stimmen wenigstens zum Theil überein. Dazu kommt, dass die ge-
gebenen Beschreibungen stellenweise an sich unklar, stellenweise
durch den Mangel allgemein anerkannter Bezeichnungen für die ein-
zelnen Entwicklungsstadien des Parasiten schwer mit einander zu
vergleichen sind.
Die Italiener, die am meisten auf diesem Gebiete gearbeitet
haben, unterscheiden zur Zeit 3 Unterarten, können sich aber auch
nicht einigen; namentlich wird der am Marchiafava und Bignemi
aufgestellte maligne Tertianaparasit sehr angefochtcn (nach Manna-
berg) und die zwischen den einzelnen Arten gemachten Unter-
schiede sind in der Thal so difficil, dass ich nicht mehr darauf ein-
gelien will. Nur zwei Thatsachen stehen fest:
1. Dass die halhmondbildenden (kleinen) Parasiten
den schweren Fieberformen zu Grunde liegen und
2. dass sic die Halbmonde bilden, eine Bildung, die
bei den grossen Tertianca- und (Juartana-Parasiten
nicht beobachtet wird.
Es erscheinen in den rothen Blutzöllen kleinste, halbglänzende,
homogene Stiimpfchen mit amöboider Beweglichkeit von '/«o — V»
Blutkörperchengrösse4) oder ebenso geartete Ringelchen. Als letztere
') In seiner letzten Arbeit hat Z. seine Ansicht geändert. Er
ist zu der Annahme gelangt, dass die Theilung der heimischen Malaria-
parasiten „am ehesten als amitotische bezw. direkte Kernvermehrung
(Kernzerschnilrung nach 0. Hertwig) aufzufassen“ ist. Centralbl. für
Bakt. u. Parasitk. Bel. XXI. S. 646.
’) l. c. S. 463 u. 463. *) F. Plchn 1. c. S. 14 u. 17.
4) A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. I. S. 10 giebt
an, dass der Geübte Jugendformen der Kameruner Malaria-Parasiten
um Y«o Blutkörperchengrösse im frischen Präparat deutlich erkennen
kann.
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stellen sie sich regelmässig im gefärbten Präparate dar. Allmählich
sich vergrössernd setzen sie nur sehr wenig oder gar kein Pigment
an l). Das Pigment zieht sich schliesslich nach dem Centrum hin
zusammen, es treten Streifungen auf, die den Parasitenleib in 6 — 10
Theile zerlegen. Diese Theile schnüren sich an einander ab, werden
zu kleinsten runden oder ovalen Körperchen (Sporen) und diese
dringen nun wieder in die rothen Blutscheiben ein. Die Angaben
über die Dauer des Entwicklungsganges schwanken zwischen 12*) und
48 Stunden. Der Parasit füllt das rothe Blutkörperchen zur Zeit
seiner Sporulation etwa zu */• — */* aus*). Die von dieser Parasitenart
befallenen Blutscheiben schrumpfen oft zusammen und zeigen sich
häutig von mehreren Parasiten zugleich befallen. Die Sporulation findet
vorwiegend in den Gefässen innerer Organe4) wie Gehirn, Milz und
Darm6) sowie im Knochenmark statt, wie bereits die ersten Be-
obachter6) fest stellten. Aber auch bei dieser Parasitenart werden
grosse, endoglobuläre, piginentirte Formen, sehr ähnlich den Sphären
der heimischen febris tertiana, aber ohne Kernkörper — also sterile
*) Aus diesem Verhalten haben die Italiener eine Unterart
constatirt: Den unpigmentirten Quotidianparasiten.
*) Dock 1. c. S. 9.
*) Von den Parasiten der Kameruner Malariafieber berichtet
A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene Bd. I. S. 12. „Bei den
kräftigen Schwarzen fand ich iin Milzblut zur Zeit des Anfalls rundliche,
traubenförmige Gebilde, welche die Grösse eines Erythrocythen nicht
ganz erreichten und von ihrem Wirth nichts mehr erkennen liessen.
Sie dürften Sporulationsformen entsprechen . . . Typische Sporulations-
fonnen, wie sie so vielfach beschrieben sind, fand ich nicht“.
4) Dieser Umstand erklärt, dass sich im Blute einige Stunden
vor dem Anfall bis in das Froststadium hinein die Parasiten, sobald
sie nur in einer Generation vorhanden sind, im peripherischen Blute
vollständig fehlen können. Das Verschwinden der Parasiten beginnt,
sobald sie '/« Blutkörperchengrösse erreicht haben. Das beobachtete
A. Plehn bei den Kamerunern Malariaparasiten 1. c. S. 9 u. 12. Mit
dieser Beobachtung lassen sich nachfolgende Sätze Bacelli’s. Studien
über Malaria 1895 S. 95 u. folg, erklären.
„1. Es kann mit einem Male ein heftiges Fieber malarischer
Natur auflreten, ohne dass es gelingt im Blute das Vorhandensein
der pathogenen Mikroorganismen zu constatiren.
2. Findet man diese auch schliesslich, so können sie in so
spärlicher Zahl vorhanden sein, dass gar kein C.onnex zwischen der
geringen Quantität der endoglobulären Parasiten einerseits und der
Schwere des Fiebers andererseits zu linden ist.
3. Im Beginn des Anfalles sieht man in den Blutkörperchen
weder die sporenbildenden noch die neuen Formen, welche erst im
weiteren Verlauf deutlich werden.
6) Marchiafava über die pernieiösen Fieber mit gastro-intesti-
aler Lokalisation. Ref. im C.tbl. f. Bakt. Bd. XXI. S. 355.
•) C.ouncilman u. Abbot, Americ. Journal of med. etc. 1885 p. 419;
Osler, The Britsh med. journ. 1887 p. 562; Dock 1. c. S. 18; Marchiafava
257
Formen beobachtet. Ziemann l) der diese Beobachtung bei einer
typisch verlaufenden Kamerun-Quartana machte, nimmt an, dass
diese Formen mit lebenskräftigen Formen der heimischen Parasilen
verwechselt worden sind und dass daher die Angaben über so und
so viel in den Tagen gesehene Fälle von Tertian-Quartan-Parasilen
stammen.
Wie kommen nun aber die sogenannten Halbmonde zu Stande
und wie sehen sie aus?
Ziemann’) beobachtete direkt unter dem Mikroskop, wie eine
grosse endoglobuläre Form in einem Halbmond überging. ,,Mit einem
plötzlichen Ruck schnellte sich der runde, mit beweglichem Pigment
versehene Körper in die Breite. Es bildet sich die nierenförrnige
Figur des Halbmondes, an der konkaven Seite überspannt von der
schon oft beschriebenen, feinen, bogenförmigen Linie, die man als
Rand des entfärbten rothen Blutkörperchens anffasst.“ Mannaberg ’)
fasst die Halbmonde als durch Aneinanderlegen (Kopulation) in Form
einer Pseudoconjugation zweier Parasiten entstanden auf und nennt
sie desshalb Syzygien.
Die Halbmonde selbst sind kleine sichelförmige Körper mit abge-
rundeten Enden von der zwei- bis dreifachen Länge eines rothen Blut-
körperchens. Die beiden Enden (Pole) sind glänzender als die Milte und
färben sich besser. Pigment findet man entweder in Kranzform in der
Mitte oder über den ganzen Halbmondkörper zerstreut. Bewegungen
zeigt der Halbmond nicht4). Manchmal findet man ihn frei in Blutplasma,
manchmal ist aber seine concave Seite eine feine, bogenförmige Linie,
der Rest der Umrandung des rothen Blutkörperchens, in dem er
entstand, gespannt. Charakteristisch für ihn ist, dass er oft eine
doppelte Kontur zeigt. Schon La voran ’) beobachtete, dass die Halb-
monde sich in Spindeln. Ovale und Sphären verwandelten. Auch die
Sphären haben eine doppelte Contur •) und diese doppelte Kontur
unterscheidet sie von den Sphären, die wir bei den Tertian-Quartan-
Parasiten finden. Kanalis ') bestätigt, dass die Sphären der Halbmond-
reihe eine doppelte Kontur haben und behauptet, dass sie Sporen bilden.
und Celli Berlin Klin. W. 1890 S. 1011. Ferner beobachtete Danilewski
an Reptilien, die mit Blutparasiten, ähnlich denjenigen der mensch-
lichen Malariafiebor, inficirt waren, dass die Theilung dieser Parasiten
ebenfalls in den inneren Organen vor sich ging — namentlich im
Knochenmark. Biolog. Kcntralbl. 1885 u. Centralbl. f. d. med. W. etc.
1880, vergl. auch Kruse: Über Blutparasiten. Virch. Arcli. Bd. 120 u.
121 u. Feletti u. Grassi : Parasit, malar. chez les oiscaux, Arch. ital.
de biolog. 1890.
*) 1. c. S. 668.
*) 1. c. S. 664. ’) 1. c. S. 53. u. 57.
4) Nur Plehn, F. Aet. u. klin. Malairast. 1890 S. 24, beobachtete
an ihnen träge Bewegungen : Streckung u. Beugung des Zellenleibes.
*) Arch. de med. experim. et de l'anatomie pathol. 188!). S. 813.
*) Wurde von Ziemann nicht beobachtet 1. c. S. 661.
’) Arch. ital. de biolog. 1890 S. 272.
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258
Das ist aber in keiner Weise bestätigt worden. Andere Autoren l)
betrachten die Halbmonde vielmehr als sterile Formen, während
Mannaberg ’) glaubt, dass sie fortptlanzungsfähig seien, weil er eine
Theilung der Halbmonde in zwei Schenkel beobachtete. Allgemein
anerkannt ist die grosse Widerstandsfähigkeit dieser Formen gegen
('.hinin, ein Umstand, der schon von den ersten Autoren *) hervor-
gehoben wurde.
Es bleibt nun noch eine Form zu erwähnen, die fast von allen
Beobachtern gesehen, deren F.ntstehungsweise direct unter dem
Mikroskop beobachtet worden ist, über deren Bedeutung aber noch
völlige Unklarheit besteht. Diese Form ist die Geisselform. Sie
wurde bei allen bis jetzt bekannten Parasitenarten gesehen und tindet
sich für gewöhnlich im Verein mit den grossen endoglobulären Formen
zur Zeit des Fieberanfalles oder kurz vor demselben. Wir haben es
auch hier mit einem pigmentirten und nicht doppelt conturirten
Protnplasmaklümpchcn von etwa Blutkörperchengrösse zu thun. Doch isl
dasselbe mit 1—4 langen Geissein ausgestattet, die in der Mitte oder
am Ende kolbige Anschwellungen haben und in lebhafter peitschender
Bewegung begriffen sind. Sie lösen sich manchmal ab und fahren
dann mit schlängelnden Bewegungen durch das Blutplasma hin.
Lnveran 4) fasste diese abgeschnürten Geisselfäden als die eigentlichen
fertigen Malariaparasiten auf. Die Entwicklung der Geisselform aus
den grossen sphärischen Formen der Halbmondreihe beschreibt Manna-
berg‘) folgendermaassen: ,,Das bisher ruhig daliegende runde Körperchen
beginnt plötzlich von ganz intensiven, zuckenden Bewegungen befallen
zu werden, welche dasselbe hin und her werfen und mit Einziehungen
und Ausbuchtungen des Bandes verbunden sind; bald darauf stossen
an verschiedenen Stellen des Saums mit grosser Energie handschuh-
lingerartige Fortsätze hervor; die Fortsätze werden von der Membran
des Körperchens gebildet, welche den andrängenden Geisselfäden eine
Zeit lang (oft auch dauernd) widersteht, schliesslich aber einreisst,
worauf die plumpen Fortsätze zurücksinken und aus ihnen lange, dünne
Fäden hervorschiessen, welche lebhaft um sich herumpeilschen.“ Grassi
und Feletti halten die Geisselformen für Involutionsformen, Damit
licsse sich der Umstand vereinigen, dass Ziemann *) bei diesen Formen
keinen Kern nachweisen konnte. Mannaberg T) hingegen nimmt an.
dass die Geisselformen wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens als
obligate Attribute des in einem bestimmten Stadium der Entwickelung
befindlichen Parasiten anzusehen sind und dass in den Geisselfäden
Organe zu erblicken sind, welche die Anpassung der Parasiten an
saprophytische Verhältnisse vermitteln. Da das Blut als Nährboden
diesen jungen Saprophyten nicht zusagt, so sterben sie ab.
■) Dock 1. c. S. 25; Ziemann I. c. S. 664. *) 1. c. S. 47. A. Plehn
1. c. S. 16. *) Councilman. Fortsch. d. Med. 1888 S. 566; Dock I. c. S.
526; Laveran, Traite des fievres palustres S. 201 ; Marchiafava und
Celli, Arch. ital. de biolog. 1890 p. 606; Laveran Traite des licvres
palustres p. 495. *) 1. c. S. 168.
‘) 1. c. S. 61. •) 1. c. S. 667. *) 1. c. S. 63.
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259
Aus dem Gesagten geht hervor, dass die 3 aufgeführten Para-
sitenarten im Grossen und Ganzen gut charakterisirt sind. Ganz
einwandfrei ist diese F.intheilung aber nicht, weil bis jetzt keiner der
Parasiten in Reinkultur erhalten werden konnte. Da alle Züchtungs-
versuche') misslungen sind, suchte man natürlich nach Krsatz-
mitteln. Die Italiener versuchten es mit Impfungen , da ja Gehr-
hard*) bereits 189 t gezeigt hatte, dass sich durch Überimpfung am
Wechsclfieberblut bei Gesunden wieder Wechseltieber erzeugen liess.
Sie entnehmen Leuten, die an febris tertiana oder quartana
litten und deren Blut Tertiana- und Quartanaparasiten enthielt,
■/« — 1 ccm Blut und spritzten es gesunden Personen ein, die bis dahin
nie malariakrank gewesen waren. Auf diese Weise konnten sic bei
den geimpften wieder eine febris tertiana bezw. quartana erzeugen,
und im Blute fanden sich dann dieselben Parasiten wie beim Stamm-
imptling. Auch mit den kleinen halbmondbildenden Parasiten wurden
Impfungen vorgenommen und bei den Impllingen dadurch ein unregel-
mässiges Fieber mit den kleinen Parasitenformen hervorgerufen.
Mannaberg *) stellt 18 Impfungen zusammen, bei denen 14 mal ein
vollständiges Uebereinstimmen zwischen den Parasiten der Impfquelle
und der Impflinge festzustellen war. In den beiden Fällen, in denen
kein übereinstimmendes Resultat erzeugt wurde, war das Impfmaterial
nicht einwandsfrei. (Es war nach Abimpfung von einer febris quar-
tana unregelmässiges Fieber mit der kleinen Parasitenform entstanden.)
Wie sich herausstellte, hatten aber die beiden Stammimpflinge früher
bereits an verschiedenen Fieberformen gelitten, so dass cs also leicht
') Culturversuche mit Gelatine, Agar, Blut. Kochsalzlösung, Erd-
boden aus Malariagegenden, Impfungen an Fröschen, Vögeln, selbst
Alten sind bis jetzt ohne Erfolg geliehen. — Einen Anfang zur Er-
haltung von Reinkulturen scheint allerdings Rosenbach gemacht zu
haben, der eine Vermehrung der Parasiten in Ascitesflüssigkeit, die
mit dem parasitcnhaltigen Blute eines Malariakrankcn geimpft worden
war, feststcllte. Leider konnte der Versuch nicht zu Ende geführt werden,
weil das Gefäss, das die Cultur enthielt, durch einen unglücklichen
Zufall zerbrach. Deutsch, med. W. 1890 S. 325.
Weiterhin giebt Rosenbach an, dass sich Malariaparasiten in
Blutegeln, die er an Malariakranken hatte saugen lassen, einmal 24
Stunden, das andere Mal '18 Stunden lang lebend erhielten. Deutsch
med. Woch. 1891 S. 835.
Bein, der Blutegel benutzte, um Malariablut zu Einspritzungen
zu erhalten, giebt aber an, dass die Bewegungen der im Rlutegel
befindlichen Parasiten schon nach 4 — 5 Stunden schwächer wurden
und räth daher, das Blut nicht länger in den Egeln zu lassen, da
sonst die Parasiten absterben. Bein 1. c. S. 17.
F. Plehn gelang cs, die Parasiten im frischen Blutpräparat zwischen
Paraffinschichlen 24 St. lang lebend zu erhalten. Aet. u. klin. Malaria-
stud. 1890 S. 18.
*) Zeitschr. f. Klin. Med. 188t S. 374.
*) 1. c. S. 66.
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260
möglich war, dass von den früheren andersartigen Erkrankungen ver-
einzelte Parasiten im Blute zurückgeblieben und im Impfling zur Ent-
wicklung gekommen waren. Dr. Mattei's ■) Impfversuch zeigt aber, dass
eine in wenigen Exemplaren vorhandene Parasitenart eine gleichzeitig
im Blute vorhandene zahlreiche Parasitenart überwuchern kann,
wenn sie auf einen anderen Nährboden übergeitnpfl werden. Dr. Mattei
spritzte einem Manne, der an einer reinen febris quartana litt und
bei dem trotz täglicher Untersuchungen nie andere als Quartana-
parasiten gefunden worden waren, Blut von einem anderen Kranken
ein. das nur Halbmonde und deren Jugendformen enthielt. Das Er-
gebniss der Impfung war, dass aus dem Blute des Impflings die
Ouartanaparasitcn fast völlig verschwanden und an ihre Stelle die
Halbmonde und unregelmässiges Fieber traten. Die in der Minderzahl
eingeführten halbmondbildendcn (kleinen) Parasiten verdrängen also
die in ungeheurer Mehrzahl vorhandenen Ouartanaparasitcn.
Alle diese Untersuchungen und Versuche sprechen dafür, dass
wir es wenigstens mit 3 Parasitenarten zu thun haben. Wie diese
Parasiten im Thierreich einzuordnen sind, ist bis jetzt nicht klar.
Die Ansichten darüber sind so verschieden, dass ich sie nicht anführen
will. Nur eins steht fest, dass der von Marchiafava und Celli gewählte
Namen „plasmodium malariae“ ■) der unpassendste ist, der gewählt
werden konnte. Denn ein Plasmodium oder Syncytiurn nennt man
eine Protoplasmamasse mit eingebeiteten Kernen, die nicht in bestimmte
Zellenterritorien um die einzelnen Kerne abgegrenzt ist. „Diese Plas-
modien oder Synzytien sind eben „Zellenagglomerate“ ; sie führen
rückwärts durch die Stufe der vielkörnigen *) oder „Riesenzellen" zu
den gewöhnlichen einkörnigen Elemcntarorganismen.
Wenn man sich die eben gegebene Beschreibung der
Malariaparasiten vergegenwärtigt, so mag es scheinen, als
könnte die Erkennung eines Malariafiebers keine Schwierig-
keiten mehr machen. Mau braucht ja nur eine Blutprobe
auf Parasiten hin zu durchmustern, und findet man welche,
so ist die Diagnose auf Malariaficber zu stellen, beim Fehlen4)
an Parasiten handelt es sich eben um eine andere Erkrankung.
Dem ist aber nicht ganz so, denn das „Finden“ ist aus ver-
schiedenen Gründen manchmal recht schwer. Auf den ersten
Blick leicht erkennbar und mit nichts Anderem zu verwechseln
sind nur die grossen pigmentirten, amöboid beweglichen
■) Citirt nach Mannaberg.
*) Fortschr. d. Med. 1885 S. 790.
*) Waldeyer, Die neueren Ansichten über den Bau und das
Wesen der Zelle. Deutsch, med. Woch. 1895 S. 709.
4) Sobald Chinin gegeben ist, verschwinden die Parasiten mit
Ausnahme der Halbmonde im Laufe der nächsten 24 Stunden aus dem
peripherischen Blute. Vergl. auch Anmerk. 2 auf S. 12.
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Formen der heimischen Tertian-Quartan-Parasiten und die
Geissei- und Halbmondformen. Schon schwieriger ist die
Unterscheidung zwischen den ersten, pigmentlosen, amöboiden
Formen der heimischen Parasiten und den scheinbare Pul-
sation zeigenden Vacuolen der rothen Blutscheiben. Und
doch ist, wie wir später sehen werden, ein Erkennen jugend-
licher Parasitenformen unter Umständen sehr wichtig. Weit
schwieriger gestaltet sich aber das Auffinden der kleinen
(halbmondbildendeu), ringförmigen Parasiten der tropischen
Malariafieber. Denn einmal sind sie für gewöhnlich nur
spärlich im Fiugerblut vertreten und zweitens im frischen
Präparate wegen ihrer ausserordentlichen Feinheit leicht zu
übersehen. Dazu kommt, dass sie für gewöhnlich gar kein
oder nur sehr spärliches Pigment haben, dass die sie be-
gleitenden, gut erkennbaren Halbmonde unter Umständen
nur in vereinzelten Exemplareu vorhanden sind, nicht in’s
Gesichtsfeld kommen und daher nicht gefunden werden. Dann
ist leicht der falsche Schluss gezogen, dass es sich nicht um
Malariafieber handelt, und wenn dann die längere klinische
Beobachtung und der Erfolg einer Chiuinbehandlung lehren,
dass es sich doch um Wechselfieber gehandelt hat, so wird
von dem betreffenden Beobachter die Brauchbarkeit der
Blutuntersuchung herabgesetzt, weil sie zu schwierig auszu-
führen und zu unsicher in ihrem Resultate sei. Oder sie
wird ganz aufgegeben, weil sie nach Meinung des Unter-
suchers doch nicht im Stande ist, den vielgestaltigen Er-
scheinungen des Tropenfiebers gegenüber zu einer sicheren
Diagnose zu verhelfen. Der Betrachtende wird sich dann
wundern, dass Laveran einmal schreiben konnte : „Tous les
müdecins, qui ont exered daus les pays palustres, savent,
(ju’il est souvent tres difficile, pour ne pas dire impossiblc,
d’affirmer, si tel malade qui presente d’aillieurs des symptomes
tres graves, reclamant imperieusemeut une interveution active,
est ou n’est pas sous l’infiuence du paludisme. L’examcn
histologiqne du sang . . . permet seul d’arriver rapidement
ä porter nn diagnostic precis ')“, oder dass Councilman 2) den
Ausspruch thun konnte: „Der Werth dieser diagnostischen
Methode ist für uns nur dem des Tuberkel-Bacillus nachzu-
*) Laveran, Traite des liövres palustres 18KI p. XII.
’) Fortschr. d. Med. 1885 S. 505. ,
Archiv 1 Sehiffi- u. Tropfluhygiene. 10
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262
setzen“ *) und dass ihm so viele andere Autoren darin bei-
stimmen konnten, obgleich die älteren Aerzte auch ohne
Malariaparasiten die Differentialdiagnose zwischen tropischen
Malariafiebern und anderen fieberhaften Erkrankungen gestellt
hatten. Das mag ja sein. Aber die Blutuntersuchung ist
der klinischen Untersuchung desshalb bei weitem überlegen,
weil sie ein rasches Stellen der Diagnose erlaubt. Es
müssen allerdings die nachstehend aufgestellten Forderungen
vom Untersucher erfüllt werden.
Zunächst heisst es hier — ebenso wie überall in der
Medicin — nicht nur sehen, sondern oft sehen und unter-
suchen. Zweitens sind gewisse YTorkenntnisse unbedingt er-
forderlich, wenn brauchbare Resultate erhalten werden sollen.
Der Untersucher muss die Histologie de3 normalen Blutes
kennen. Kenntnisse in dieser Beziehung lassen sich ja bei
uns an jeder Universität erwerben. Etwas anders steht es
mit dem ersten Punkt. Ein Fall von tropischem, ja selbst
einheimischem Malariafieber ist eine rara avis in unseren
deutschen Universitätskliniken. Unsere jungen Arzte, die
in die Colouien oder an Bord eines Schiffes gehen, sind also
meist auf Bücher und Abbildungen von Malariaparasiten
angewiesen, wenn sie sich über die tropischen Malariafieber
orientiren wollen. Es giebt ja nun eine Menge Abhandlungen,
die sich lediglich mit dem in Frage stehenden Gegenstand
beschäftigen und denen theilweise recht gute Abbildungen
beigegeben sind. Aber diese Abbildungen haben alle ein und
denselben Fehler. Um die feineren Strukturverhältnisse der
Parasiten darstellen zu können, sind sie zu gross gezeichnet
und die Photographien bei zu starker Vergrösserung aof-
genommen. Dadurch werdeu falsche Vorstellungen erweckt.
Es will dem Anfänger rein unmöglich scheinen, dass er
Gebilde von solcher Deutlichkeit selbst bei schwäscherer
Vergrösserung übersehen könnte. Sucht er diese Parasiten-
riesen nun mit einem System von l/it Immersion und
Oculnr 1, so erkennt er etwa vorhandene Parasiten nicht,
namentlich wenn er seine ersten Untersuchungen an frischen
Blutpräpnrateu tropischer Malariafieber macht. Denu diese
*) Jancso u. Rosenberger I. e. S. 512: „Eine Malaria maligna —
verursacht durch die llalhmoudgruppe — kann ohne eine längere
Krankenbeobachtung überhaupt uur mit Hülfe des Blutbefundes gani
bestimmt diagnosticirt werden.
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263
Parasitenformen sind für den Anfänger — sobald Halbmonde
fehlen — ausserordentlich schwer zu finden. Dazu kommt,
dass sie sehr spärlich sind oder zeitweise trotz hohen Fiebers
ganz fehlen können. Ich rathe daher jedem, sieh Präparate
von tropischen Malariafiebern in Nafura auzusehen, ehe er
eigene Untersuchungen im Auslande macht, damit er eine
richtige Vorstellung von der Feinheit der tropischen Formen
bekommt.
(Fortsetzung folgt.)
11. Besprechungen und Literatur-
angaben.
a. Hygiene and Physiologie.
lieber den Gaswechsel der Tropenbewohner, speziell mit
Bezug auf die F'rage von der chemischen Wärmeregu-
lirung. Von Dr. C. Eykman aus Batavia. Separat-Abdruek
aus dem Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. IH.
Wie neuere Versuche ergeben haben, findet beim Menschen
eine reflektorisch-chemische Wärmeregulation nicht statt. Indessen
war dadurch noch nicht ausgeschlossen, dass vielleicht eine fort-
dauernde Ursache für verminderte Wärmeverluste, wie sie in der
heissen feurhten Tropenluft gegeben ist, doch eine Abnahme der
Wärmeproduktion nach sich ziehen könnte.
Früher von E. ausgeführte Stoffwechselversuche haben gezeigt,
dass der Europäer in den Tropen ungefähr die gleiche Kalorieenmenge
producirt, wie in F.uropa (bei gleichem Körpergewicht und gleicher
Anstrengung). Daraus wurde geschlossen, dass sich eine regulatori-
srlie Herabsetzung der Wärmebildung beim europäischen Tropen-
bewohncr nicht nachweisen lässt. Ehen so wenig konnte man hei
den Malaycn auf das Bestehen einer chemischen Wärmeregulimng
schliessen.
Die hier vorliegende Arbeit E.s’ scheint diesen Schluss zu
bestätigen.
Zum ersten Male wird in dieser Arbeit der respiratorische
Gaswechsel des Tropenbewohners (des Europäers und des Malayen)
untersucht. Da sich E. hierzu des Zuntz-Gepperl'schen Apparates
bediente, so konnte er seine Besultatc mit den in Europa mit dem-
selben Apparate erhaltenen wohl vergleichen. Immer war die Ver-
suchsperson nüchtern und in Ruhe.
19*
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264
Es stellten sich nun so geringe Differenzen im Sauerstoffver-
brauch heraus, dass sich der Tropenbewohner auch hierin vom
Europäer nicht unterscheidet, dass also auch aus diesem Gesichts-
punkte auf eine verminderte Wärmebildung nicht zu schliessen ist
Victor Lehmann.
b. Pathologie and Therapie.
Pest.
Nach amtlichen Berichten und Zeitungsnachrichten nimmt die
Pest in Indien zwar an den alten Seuchenheerden beständig ab, hat
sich jedoch in den Bezirken Bulsar. Kurla, Bhiwedi. Bassein. Rewdanda
und Mandwi und in portugiesisch Indien weiter verbreitet mit einer
Sterblichkeit von 75— 90°/«- In China ist die Seuche in der Nähe von
Kanton aufgetreten sowie in der portugiesischen Kolonie Macao. Die
Berichte von Formosa zeigen zwar niedrige Erkrankungsziffern, aber
eine hohe Mortalität (90 — 10»>0/0).
In Djeddah. dem Hafenorte Mekka's, erkrankte und starb Anfangs
Juni ein auf dem Landwege aus Yemen kommender Pilger, bald
mehrten sich die Fälle, und vom 5. — 27. Juni sind im Ganzen 51
Todesfälle zur Anzeige gekommen. Im Lazarcth von El Tör wurden
zwei Erkrankungen unter den in Djeddah eingeschifften Pilgern an
Bord eines ägyptischen Dampfers festgcstellt.
Infolge dessen beschloss der internationale Gesundheitsrat in
Constantinopel die gänzliche Sperrung der Strasse von Djeddah nach
Mekka, die baldige Räumung ersterer Stadt von fremden Pilgern und
eine 1-ltägige Quarantäne in Kamaran. Zur Sicherung Europas und
Kleinasiens gegen Einschleppung der Krankheit durch die nordwärts
wandernden Pilgerzüge sind Beobachtungsstationen in El Tör und Beinil
eingerichtet worden. Der Verkehr im Suezkanal und an der Westküste
des rothen Meeres wird durch ägyptische Kriegsschiffe überwacht
werden. Marocco hat allen Passagieren welche nicht nachweisen
können, dass sie die letzten zwei Monate vor der Ankunft in einem
pestfreien Lande zugebracht oder eine europäische Quarantäne und
Desinfektion durchgemacht haben, die Landung verboten. Der Gou-
verneur von Deutschostafrika hat die für deutsche Häfen geltenden
Vorschriften betreffend die gesundheitspolizeiliche Gontrolle der See-
schiffe (siehe Heft 1 u. 2 dieser Zeitschrift und S. 133 und 145 — 14W
der Veröffentl. des kais. Gesundheitsamts) in Kraft gesetzt. Die
meisten europäischen Länder haben die zur Verhütung der F.in-
schleppung der Pest aus Indien getroffenen Bestimmungen auf die Her-
kiinfte aus arabischen Häfen ausgedehnt. Russland gestattet nach
der Veröffentl. des kais. Gesundheitsamts. 1897 Nr. 23 die Einführung
von Antipestserum seitens Privater nur dann, wenn eine Bescheinigung
vorliegt, dass das Serum im Institut Pasteur zu Paris unter Aufsicht
des Dr. Roux hergestellt worden ist. M.
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Re m ark s on t he plague prophylactic fluid. By. W. M. Half kine.
British medical Journal. Nro. 1902. June 12. 1897. p. 1-161.
Nährbouillon wird mit dem Pastbacillus geimpft. Nach 2-1 bis
-18 Stunden erscheinen inselförmige Flecken, von denen später nach
unten hin ein Gewirr von stalaktitenartigen Körpern wächst. Diese
werden in 1 bis 6 Tagen fest, lösen sich dann sammt den Inseln
durch leichtes Schütteln ab und fallen zu Boden.
Auf Agar entstehen Involutionsformen. Die Bakterien schwellen
stark auf, werden zu grossen rundlichen Körpern und verlieren mehr
und mehr ihr Färbungsvermögen. Die Involutionsformen sind auch
in den Geweben gefunden worden.
Zur Gewinnung der immunisierenden Flüssigkeit werden die
Pcstbacillen unter Zusatz von Butter gezüchtet. Nachdem die Kulturen
sich entwickelt, werden die Mikroben durch einstündiges F.rhitzcn
auf 70° C. getödtet. Es haben sich dann zwei Schichten gebildet:
ein dickes weisses Sediment und eine klare Flüssigkeit. Ersteres be-
wirkt örtliche Entzündung und Knotenbildung, letztere Allgemein-
infektion mit starker Temperaturerhöhung. Zur Immunisierung wurde
das Gemisch benutzt. Victor Lehmann.
Dr. Zabolotnjr : Über agglutinierende Eigenschaften des
Menschenblutserums bei der Pest — D. med. Woch.
1897 Nr. 27.
1. In der ersten Krankheitswoche agglutinierl das Serum nicht.
2. In der zweiten tritt bereits die Agglutination deutlicher auf
(1 : 10).
8. In der dritten und vierten Woche (Rcconvalescent) ist die
Agglutination am stärksten ausgesprochen (1 : 50.)
4. Bei der Einwirkung eines agglutinierenden Serums treten beim
Bacillus Kapseln auf.
5. Diese Angaben sind auf 40 Beobachtungskrankheitsfiille begründet.
6. Die Versuche werden auf Aden fortgesetzt, die sich als sehr
empfindlich gegenüber der Pestinfeclion erwiesen haben.
7. Bei der Serumbehandlung der Pest beobachtet man eine deutliche
Phagocytose. K. Pfeiffer-Cassel.
Beri-Beri.
Neuere Litteratur über Beri-Beri-Krankheit.
Ref. Scheube, Greiz.
1. Karl Dnnbler, Die Beri-Beri-Krankheit. Wiener Klin. Rundsch.
1896. No. 40—12.
2. C. Eykinan, Polyneuritis by hoenderen. Nieuwe bydragen tot de
aetiologie der ziekte. Jaarsverslag van het laboratorium voor
pathologische anatomie en bakteriologie te Weltevreden over het
jaar 1895. Batavia 1896. S. 72.
8. Cli. Firket, Sur un cas de bfribtfri. Breslau 1894.
4. Max Glogner, Über die klinischen Formen der Beri-Beri-Krank-
heit. Yirch. Arch. 146. Bd. 1896. S. 129.
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266
5. Franz Kronec.ker, Einiges Tiber die Kake* in Japan. Cbl. f. d. med.
Wissensch. 1895. No. ■40.
6. A. Messe et J. Hesterns, Contribution ü l'etude du BeriMri. Rev
de med. XV. 1B9Ö. No. 12. S. 977.
7. Carl Weintraub, Ärztliche Erfahrungen über die ..Ueriberi", eine
Krankheit der tropischen und subtropischen Gegenden. Wiener
Klinik XXII. Oct. — Nov. 18%.
Düublcr (1) u. Weintraub (7) geben in den Arbeiten eine zu-
sammenfassende Darstellung der Reriberi. Unter Zugrundelegung
eigener klinischer und anatomischer Beobachtungen über Ätiologie.
Symptomatologie, pathologische Anatomie und Therapie dieser Krankheit
sich verbreitend, entwickelt ersterer seine Ansicht über dieselbe,
welche sich in allen wesentlichen Punkten mit der Anschauung des
Reterenten deckt. Mit besonderem Nachdrucke wendet er sich gegen
die Annahme, dass Reriberi mit Malaria identisch oder erstere eine
Abart der letzteren sei, und bespricht eingehend die Unterschiede
zwischen beiden Krankheiten.
Durch Dilubler's Arbeit erhält der Leser einen Überblick Tiber
den gegenwärtigen Stand unserer Kenntniss der Beriberi, dieselbe
ist durchaus zeitgemäss. Das Gleiche lässt sich nicht von Wein*
trauh’s Abhandlung behaupten. Für Verfasser scheint vielmehr die
Litteratur der letzten 14 Jahre grösstentheils nicht zu existiren, sodass
man bei der Lectüre derselben unwillkürlich immer wieder veranlasst
wird, auf das Titelblatt der Broschüre zu sehen, um sich davon zu
überzeugen, dass sie wirklich die Jahreszahl 18% trägt. Nach Wein*
traub „sind wir bisher noch nicht in der Lage, für die bei der Beri-
berierkrankung zu Tage tretenden Störungen der Sensibilität und
Motilität eine positive Ursache naehweisen zu können und bleiben
somit alle Erklärungsarten in Betreff der Affection der peripheren
Nerven hypothetischer Natur“, und am Schlüsse spricht derselbe die
Erwartung aus, dass es dem „vor nicht langer Zeit“ vor der nieder-
ländischen Regierung zur Besprechung der Ursache der Beriberi
entsandten Prof. Pekellmrlug gelingen werde, den Beriberi-Coccus
aufzufinden.
Die Behandlung von Pekelharing u. Winkler nach Nieder-
lündiscli-lndien erfolgte bekanntlich im Jahre 1886, und die Ergebnisse
ihrer Untersuchungen veröffentlichten dieselben 1887 und 1888.
Sapienti sat!
Während in den Arbeiten Dänhler’s und WcintranVs wesentlich
neue Gesichtspunkte nicht enthalten sind, ist dies entschieden in
Glognor's (4) Aufsatz der Fall, in welchem dieser auf die Betheiiigung
der Gcfii ss nerven bei der Beri-Beri, welche bisher noch nicht die
gebührende Berücksichtigung gefunden habe, hinweist. Verfasser
verglich die Hauttemperatur (Winteruitz'sches Hautthermometcr' an
verschiedenen Körperstellen (Vorderfläche der Unterschenkel, der
Vorderarme, 1 cm. über dem Nabel) sowie die Achsel- u. Aftertcmperahir
bei Gesunden und Beriberikranken etc., und fand bei Ersteren die llaut-
temperatur durchschnittlich erhöht, auch ohne dass Pulsbeschlcuni-
gung vorhanden war, was für das Bestehen von Gefässlälunungen
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267
in der Haut oder den unter dieser liegenden Muskeln spricht. Einige
Male nachweisbares abnormes Verhalten der Aftertemperatur deutet
auf Gefässveränderungen in den Unterleibsorgancn hin. Die hei
Beriberi vorkommende vorübergehende Dyspnoe bei kräftiger Herzaction
und ohne Pause der Athmungsmuskeln wird auf GefiUsslörungen im
kleinen Kreisläufe (Reiz- oder Lähmungszustände), welche eine er-
höhte Füllung u. Spannung derselben sowie r'no Dehnung der An-
fangst heile der Pulmonalis — in H Fällen in derLeirhe nachgewiesen —
zur Folge haben, zurückgeführt, desgleichen Hypertrophie, Dilatation
des rechten Herzens. Accentuation des 2. Pulmonaltons, systolisches
Geräusch am Pulmonalostium. Endstadien der acuten pernieiösen Form,
wenigstens in einem Thcile der Fälle. Nur in 8 von 24 aus der
Litteratur zusammengestellten Fällen wurde der linke Ventrikel in Dia-
stole stark mit Blut gefüllt gefunden, wie es bei an Herzparalyse
erfolgtem Tode der Fall sein müsse. Mit pathologischen Vorgängen
an Gefässen werden ferner noch in Beziehung gebracht Verminderung
der Harnmenge, ungleiche Yerthcilung des Blutes in den Organen
(z. B. Blässe der einen Niere oder Lunge bei Blutungen der anderen)
Hypertrophie des linken Ventrikels (in Folge von Gefässlähmungen
im grossen Kreisläufe). Glogner scheint es demnach berechtigt, eine
eigene vasomotorische Form der Beriberi neben einer motorischen
und gemischten zu unterscheiden. Die Ansicht, dass des Verfassers
Eintheilung. vor den bisher gegebenen Vorzüge in prognostischer und
therapeutischer Beziehung habe, kann Referent nicht theilcn, da in
Ulogner’i vasomotorischer Form ebenso die rudimentäre als die acute
pernieiöse des Referenten untergebracht werden müsste, im (ihrigen
sieht aber dieser in Ulognn’s Ausführungen eine glückliche Er-
klärungsweise für manche bisher noch dunkle Erscheinungen im
Kreisläufe.
Die beiden Mitteilungen von Flrket (3) u. Musst1 u. Destaras
(6) sind casuistischer Natur. Beide Fälle betrafen Europäer, welche
am fiongo bezw. Senegal erkrankten u. nach Europa zurückgekehrt in
Lüttich bezw. Toulon zur Beobachtung kamen. Letzterer war durch
das Auftreten doppelseitiger Neuritis optica, einer bisher höchst selten
bei Beriberi beobachteten Erscheinung, ausgezeichnet; der Patient verlor
in den ersten Krankheitstagen noch das Sehvermögen, welches während
der Genesung allmählich ziiriickkehrte. Firket wirft wieder einmal
die Frage auf, ob nicht Malaria u. Beriberi dieselbe Krankheit seien,
indem der nämliche Krankheitserreger das eine Mal in Blute, das andere
Mal in den Nerven sich lokalisire ! Mossf u. Deslaras benutzten
den Fall zu verschiedenen Blut- und Harnuntersuchungen. Im Blute
fanden sie keine Mikroorganismen und was den Harn betrifft, so
war die Ausscheidung des Harnstoffs und der Phosphorsäure ver-
mindert, aber das Verhältnis zwischen beiden erhöht, während die
Ausscheidung der Chloride keine Veränderung erfahren hatte. Ver-
fasser bestätigen also die vor 15 Jahren veröffentlichten Untersuchungen
des Referenten, ln Folge des herabgesetzten Stoffwechsels war die
Acidität des Harnes vermindert (zu Beginn der Erkrankung mag
dieselbe wie bei anderen Infektionskrankheiten erhöht sein). Auf
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Grund der in Neu-Caledonien gemachten Beobachtungen sehen Ver-
fasser die Beriberi für contagiüs an.
Die anscheinend während eines kurzen Aufenthaltes in Texas
gemachten Notizen Kronecker’s (5) enthalten nichts Neues u. manches
Unrichtige. Wie derselbe initteilt. sucht Balz die Erschlaffung der
Gefässwände bei der ödematösen Form der Krankheit durch grosse
Gaben von F.rgotin (0.0 pro dosi), die fortgesetzt werden, bis
Intoxicationserscheinungen auftreten, zu bekämpfen. Bälz selbst
erwähnt in seiner vor Kurzem (1896) erschienenen Bearbeitung der
Beriberi in Bezold's u. Stintzing’s Handbuche der speciellen Therapie
(V. Bd. VIII. Abth.) nichts hiervon.
Obwohl Eykmaun’s(2) Abhandlung sich nicht eigentlich mit der Beri-
beri selbst beschäftigt, scheint mir doch ein Referat über dieselbe hier am
Platz zu sein, da durch sie für die Prophylaxe und Therapie auch dieser
Krankheit neue Perspectiven eröffnet werden. Im Weltevredener Labora-
torium wurde bei mit gekochtem Reis gefütterten Hühnern eine an
Beriberi erinnernde u. gleichfalls auf eine Polyneuritis zurückzuführende
Krankheit beobachtet, indem bei denselben nach einer Incubation von
S — 4 Wochen zuerst eine Lähmung der Beine, dann der Flügel,
schliesslich auch der Athmungsmuskeln eintrat und die Thiere so nach
kurzer Zeit zu Grunde gingen. Diese Beobachtung gab Ey kman Ver-
anlassung zu zahlreichen und vielfach variirlen Versuchen, deren Er-
gebnisse kurz folgende waren : Nach Fütterung mit rohem Reise trat
gleichfalls die Krankheit, wenn auch später, ein, u. auch durch Fütterung
mit verschiedenen Stärkemehlresten konnte sie hervorgerufen werden.
Verhütet wurde sie dagegen, wenn die Hühner mit ungeschälten oder
halbgcschälten, rohem oder gekochtem Reise gefüttert wurden, oder
wenn zu dem Reis bezw. Stärkemehle feine Reiskerne, (hauptsächlich
aus den den Reiskörnern unmittelbar anliegenden Silberhäutchen be-
stellend) weniger sicher, wenn grobe Reiskerne (aus einer Mischung der
groben Schalen und der Silberhiiutchen bestehend) hinzugefügt wurden,
und kranke Hüliner genasen, wie sie diese Nahrung erhielten. Hiernach
muss es nach Verfasser das Silberhäutchen sein, welches sie sicher
vor der Krankheit schützt u. diese heilt. Ausser bei Hühnern konnte
die Krankheit experimentell auch bei Tauben erzeugt werden, nicht
dagegen bei einer Eule. Meerschweinchen u. Affen. Eykman nimmt
an, dass die Krankheit an die Anwesenheit von Amvlum gebunden
ist. Aus diesem bildet sich wahrscheinlich im Kropfe der Hühner und
Tauben, wo die Nahrung längere Zeit verweilt, ein Gift, welches die
Polyneuritis hervoruft: bei Thieren ohne Kropf kommt die Krankheit
nicht zur Entwickelung, ln der Schale des Reises, besonders im
Silberhäutchen, ist ein Stoff enthalten, durch den das Gift direct oder
indirect unschädlich gemacht w ird. Dieser Stoff findet sich, wenn auch
in beträchtlich geringerer Menge, im Fleische, was daraus hervorgebt,
dass kranke Thiere bei etwaiger Fütterung mit rohem mageren Fleische
wieder genesen, derselbe muss daher wohl zu den normalen Bestand-
tllellen iles Thierkörpers geboren.
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269
Malaria.
Malaria in connexion with meteorological comlilions at
Sierra Leone. The Laiieet. Nro. 3852. June 26. IS! 17. p. 1755.
Im ersten Jahre des Aufenthaltes an der Kiiste von Sierra
Leone leiden die Soldaten am meisten am Fieher, weniger im zweiten,
noch weniger im dritten Jahre. Die schwarzen Soldaten leiden weniger
als die weissen. Die meisten Fälle kommen in der Mitte der Hegen-
zeit, in den Monaten Juli und August, vor. Die relative Luft-
feuchtigkeit seheint überhaupt um meisten das Auftreten der Malaria
zu begünstigen.
Nach Mittheilungen und statistischen Tabellen des Surgeon-
Major E. M. Wilson.
Victor Lehmann.
Zur Morphologie der Malariaparasilen. Von Dr. Hans
Zinna ii ii. Marine-Stabsarzt. Mit 1 Tafel von Prof E. Zettnow.
Abdruck aus dem Central!)!, f. Ltukter., Parasitenk. u. Infektionskr.
Ud. XXI Nr. 17/1«.
Die Arbeit ist nach Verf. Angabe eine wesentliche Ergänzung
seines Aufsatzes , .lieber Blutparasiten hei heimischer und tropischer
Malaria“. Mit Hülfe seiner Färbemethode. — die übrigens noch nicht
mitgetheilt wird — gelang es selbst in den jungen Parasiten scharf
konturierte, meist rundliche Gebilde, z. Th. oder ganz umgeben von
einer helleren achromatischen Zone zu erkennen. Diese Gebilde, die Verf.
früher Kernkörper und Kern genannt hat, nennt er jetzt chromatische
und achromatische Kernsubstanz. Finden sich 2 oder 3 Chromatin-
klümpchen bei einem jungen Parasiten, so ist es wahrscheinlich, dass
durch friihzeitge Abschnürung das ursprüngliche einfache Chromatin-
klümpchen in 2 oder 3 Theile getheilt wurde. Hei der heimischen
Tertiana fand sich die chromative Kernsubstanz ziemlich oft excentrisch
gelegen, wie ohne Zusammenhang mit dem übrigen Parasitenleibc.
Die Chromatinauflockerung beginnt — unabhängig von der Pigment-
bildung — erst deutlich, wenn der Parasit */* oder ganz erwachsen ist.
Die Pigmentbildung kann dabei sehr verschieden stark entwickelt sein.
Einmal wurde ein vollständiger Mangel an Pigment bei einem Para-
siten mit ziemlich vorgeschrittener Kerntheiiung beobachtet. Verf.
macht auf diesen Punkt desshalb besonders aufmerksam, weil das
Verhalten des Pigmentes differentialdiagnostisch zur Unterscheidung
zwischen Tertiana- und Quartana-Parasiten benutzt worden ist. Das
Chromatin der erwachsenen Parasiten färbt sieb nicht mehr so stark
als das der jungen Formen. Das Chromatin, das im erwachsenen
Parasiten für gewöhnlich in zahlreiche Klümpchen zerfällt, kann auch
zuweilen in der Form eines nur äusserst wenig an der Peripherie
und im Centrum aufgelockerten Klümpchens im erwachsenen Para-
siten erscheinen.
Der Vorgang der Kerntheiiung selbst ist derartig, dass die
Chromatinmasse sich in 3 Theile theilt und diese Theile sich weiter
tkeilen bis verschieden viele — bis zu 20 Stück — rundliche oder
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270
ovale Chromatinklünrpchen vorhanden sind, die sich nicht weiter
theilen. Die Chromatinmasse scheint in einzelne Fäden zu zerfallen,
die manchmal schleifenförmige Figuren bilden, die an die karyo-
kinetischen Figuren erinnern. Es handelt sich aber nicht um
k ar y o k i n e t i s c h e Theilung, sondern um eine als amito-
tische bczw. direkte Kern vermehrung (Kernzerschnür-
u n g nachO. Herlwig) aufzufassende Kerntheilung.
Die Entstehung der grossen sterilen Formen gebt nach der Dar-
stellung des Verf. folgendermaassen vor sich. Die stark gefärbten aus
dicht zusammenliegenden C.hromatinkörnchen bezw. kurzen krummen
Fäden bestehende Chromatinsubstanz eines erwachsenen, pigroentirten.
rundlich gewordenen Parasiten weicht auseinander. Das Chromatin
wird äusserst feinbröckelig. schliesslich staubförmig, während seine
Färbbarkeit gleichzeitig abnimmt. Die achromatische Substanz hält
sich etwas länger, verschwindet aber schliesslich auch. Gleichzeitig
nimmt die Färbbarkeit des Parasitenleibes ab und sein Volum zu
Es kann an Grösse das Hfache eines rothen Blutkörperchens erreichen.
Solche Formen haben im Durchschnitt auch mehr Pigment als die
chromatinhaltigen. Nur solche Formen (sterile) werden von den Leu-
koeyten aufgenommen. Also hätte eine Leukocytose künstlich hervor-
gerufen zur Bekämpfung des Malariafiebers keine Aussicht auf Erfolg,
weil die fortpllanzungsfähigen Formen dadurch nicht vernichtet würden-
Die Kamerun- Parasiten zeigen sich bald nach Eintritt
des llilzestadiums als ganz junge Formen mit compaktem, rundlichem
oder ovalem C.hromatinkorn. Die achromatische Zone war bald mehr
bald weniger deutlich. Das f'.hromatinkorn kann sich an jeder Stelle
des ringförmig erscheinenden Parasitenleibes finden. Es kann sich
beim weiteren Wachsthum des Parasiten in die Länge strecken. Ein-
schnürungen bekommen und entsprechend diesen Einschnürungen in Ü
C.hromatinkörnchen zerfallen. Den häufigsten Befund stellen bei Para-
siten mit 2 C.hromatinkörnern Hufeisenformen dar. deren Ende von
je einem C.hromatinkorn eingenommen ist. Der wachsende Parasit
zeigt durchschnittlich Kingform, schliesslich sammelt sich das Plasma
an einer Stelle des Ringes noch mehr an. so dass Siegel ringformen
entstehen. „Wie mit dem frühzeitigen Abschnürungen des Cbroma-
tins, ergiebt sieb auch darin eine Parallele zu den entsprechenden
Formen bei heimischer Tertiana, dass der Kern meist im Verlaufe der
von der Hauptmasse des Parasitenleibes ausgehenden Halbringfigur
liegt". Dazu kommt, dass sich die grossen Parasiten der Kameruner
Malaria von gewissen kleineren, jüngeren Parasiten der heimischen
Tertiana kaum oder gar nicht unterscheiden lassen. Doch will der
Verf. aus diesen Befunden durchaus nicht auf eine Identität beider
Formen schliessen.
Halbmonde und Ovale erklärt Verf. für sterile Formen, weil er
trotz Anwendung, der sonst wirksamen Kernfärbung Chromatin bei
ihnen nicht naclnveisen konnte. Dieser Befund erklärt allerdings noch
nicht den Umstand, dass sich die genannten Formen so ausserordentlich
widerstandsfähig gegen Chinin zeigen. Trotz ihrer Sterilität hält Verf.
die Halbmonde durch den Ausdruck einer latenten Infektion und nimm!
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271
an, dass in den inneren Organen fortpflanzungsfähige Parasiten vor-
handen sind, selbst wenn im peripherischen Blut nur Halbmonde vor-
handen sind. Er hält also auch in diesem Falle eine Chinintherapie
für angezeigt, wenigstens an Bord, wo häutiger ein Klimawechsel
stattlindet.
Zum Schluss verwahrt sich Verf. noch gegen den F.inwurf, dass
er dadurch vielleicht einem Irrthum unterlegen sei, dass er unbewusst
willkürlich Kerntheilungsliguren konstruirt und aneinander gereiht
habe. Er sagt : „Die ganze Entwicklung der heimischen Tertiana-
Parasiten ist an 2 ausgewählten Präparaten dargelcgt worden. Aus
dem einen derselben, welches bei Beginn des Froststadiums einer
heimischen Tertiana duplicata entnommen war, liess sich allein die
ganze Entwicklung zeigen.
Das 2. Präparat . . . sollte hauptsächlich zur Veranschaulichung
der sterilen Formen dienen“.
Die vorstehende ausserordentlich sorgfältige alle Verhältnisse
in Betracht ziehende und bis in die feinsten Einzelheiten gehende
Arbeit würde sehr an Werth gewonnen haben, wenn sie mit brauch-
baren Abbildungen versehen wäre. Die geringe Brauchbarkeit der
Abbildungen heben die Verf. an verschiedenen Stellen selbst hervor.
Pigment ist oft von Chromatin nicht zu unterscheiden ebenso wenig
chromatinhaltige und chromatinlose Figuren (Fig. 2!t u. 30.) Da wo
eine achromatische Zone sein soll, ist sie oft nicht zu erkennen, so
dass man die Schilderung des Verf. nicht in Llebereinstimmung mit
der Abbildung findet und nicht im Stande ist, das zu sehen, was man
sehen sollte und möchte. Wenn nun auch der Name Zettnow dafür
bürgt, dass die Originalphotographien tadellos und brauchbar sind, so
erfiilten die Reproduktionen doch ihren Zweck nicht. Wenn man
nun die grosse Mühe und den grossen Aufwand von Zeit und Geduld
kennt, der nöthig ist. um brauchbare Mikrophotographien zu erhalten,
so drängt sich die Erwägung auf, ob es nicht besser wäre in solchen
Fällen die Kosten eines besseren Reproduktionsverfahrens nicht zu
scheuen und die Anzahl der Abbildungen zu vermindern, damit auch
die Reproduktion Brauchbares liefern kann. Es wäre dann dem Verf.
und den Lesern gedient. Denn für eine etwaige Nachprüfung der
Zieniann'schen Befunde sind die beigegebenen Figuren nicht zu ver-
werthen.
Es wäre wünschenswert!), dass der Verf. seine Kernfärbungs-
inelhodc bald veröffentlicht, damit eine Nachprüfung der obigen interes-
santen Befunde stattfinden könnte.
Rüge (Kiel).
F. Burot ct M. A. I.egrand. Therapeutique du Paludisme.
Paris 1397, BailliAre u. Fils.
Die Verfasser, welche als französische Marineärzte reiche Er-
fahrungen gesammelt haben, geben in dem 18t> Seilen starken Werke
einen Leitfaden der Malariabchandlung. Alle Formen der Malaria
werden besprochen und in klarer Weise die Therapie während des
so verschiedenartigen Krankheitsverlaufs dargelegt. Gründliche und
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anhaltende Cliininbehandlung in mittleren Dosen wird für alle Formen
und zur Prophylaxe wann empfohlen. Nur bei grösseren Dosen als
zwei Gramm hinnen 24 Stunden befürchten B. und L. Hämaturie,
Lahyrinthhämorrhagien, Amblyopien u. s. w. Zu Gunsten der prä-
ventiven Chinindarreichung führen sie zahlreiche Fälle eigener und
fremder Beobachtung an und glauben durch dieselbe schwere Formen
verhüten zu können. Die Möglichkeit, Hämoglobinurie hervorzurufen
scheinen B. und L. nicht anzunehmen. Auf diesen Gebieten stehen
sich noch die Ansichten der Beobachter schroff gegenüber. Referent
behandelte 22 schwere hämoglobinurische Fieberfälle mit mittleren
Chinindosen und hatte keinen Todesfall zu verzeichnen (siehe Mense,
Hygienische und med. Beobachtungen vom Congo. Wien, klinische
Rundschau 1897, No. H — 7).
M.
Gelbfieber.
Etiologia y patogenia de la fiebre amarilla. Aetiologic
und Pathogenie des gelben Fiebers. Vortrag gehalten
an der Universität zu Montevideo am 10. Juni 1897 von Prof. Dr.
J. Sanarelli. Vorsteher des Instituts für Experimentalhygiene.
Auszug aus den Annalen der Universität, Abtheilung VIII.
Der überaus wichtige Vortrag bespricht zuerst die Symptoma-
tologie und pathologische Anatomie des gelben Fiebers und kommt zu
dem Ergebnisse, dass keine wirklich pathognomischc Läsion des gelben
Fiebers bekannt sei, sondern dass dasselbe die wichtigsten pathologi-
schen Veränderungen mit vielen anderen Infektionskrankheiten theile.
Sanarelli stellt nun die grosse Frage, welches ist der Erreger eines
so schweren und komplizierten Krankhcitsbildes, und glaubt auf Grund
andauernder Studien die Frage beantworten zu können. Die Ansicht
dass Gelbfieber eine Malariaform sei. ist für den Vortragenden längst ab-
getlian. Die Schwierigkeit der Auffindung des Krankheitserregers, welche
so viele Gelehrte vergeblich beschäftigt hat. besteht darin, dass in
den meisten Fällen der Bakteriologe ein Chaos der verschiedensten
Bakterien vorfindet. Sanarelli verdankt seine Entdeckung einem halle.
wo dieses irreführende und schwer zu sichtende Gemisch von Bak-
terien fehlte, und er den von ihm so benannten und als Gelbfiebercrreger
betrachteten bacillus icteroidcs. in ziemlicher Reinheit antraf. Seine
Beobachtungen sind theils auf der Quarantänestation Isla de Flores,
theils in Bio do Janeiro gemacht. Der bacillus icteroides verschwindet
oft in der Mischung von Mikroben aller Art, besonders Staphylokokken,
Streptokokken und Colibacillen, welche den durch den genannten Krank-
heitserreger geschädigten Organismus rasch erfüllen und den spezi-
fischen Keim, welcher ihnen den Weg gebahnt hat, bald überwuchern.
Hierzu kommt noch, dass der bacillus icteroides nicht im Verdauungs-
kanal, wie man denselben am ehesten vermuthen sollte und bisher
stets gesucht hat. sondern im Blut und in den Geweben gefunden
werden kann. Nur in 68 Prozent der Fälle liess sich der Krankheits-
erreger isolieren und zwar aus folgenden Gründen: Im Anfang der
Krankheit vermehrt sich der spezifische Keim nur wenig, das von
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demselben entwickelte Toxin ist von einer solcher Intensität, dass
eine geringe Menge genügt, um das schwere Bild des Gelbfieberanfalls
hervorzurufen. Ferner begünstigt das Krankheitsgift in aussergewöhn-
lichein Masse die F.ntstehung sekundärer Infektionen verschiedenster
Natur besonders in der Schleimhaut des Verdauungskanals und in der
Leber. Der bacillus selbst bietet auf den ersten Blick nichts charak-
teristisches. Es handelt sich um ein an den Enden abgerundetes
Stäbchen von 2 bis 4 p Länge, meistens drei bis vier mal so lang
als breit. Derselbe ist ziemlich polymorph und findet sich in den
Kulturen paarweise, in den Geweben gruppenweise gelagert. Die
Auffindung in den Geweben ist nur dann möglich, wenn der Tod nicht
unter sekundärer Septicaemie eingetreten ist. Selbst in den günstigsten
Fällen findet man den bacillus icteroides nur sehr spärlich in den
Geweben. Trotzdem liess er sich bei sorgfältigem Suchen in kleinen
Gruppen in den feinsten Gapillaren der Leber, Nieren u. s. w. nach-
weisen. Das beste Mittel denselben und seine Neigung, sich in den
kleinsten ßtutgefässen zu gruppieren, nachzuweisen besteht darin, dass
man dem frischen Cadaver ein Stück Leber entnimmt, und dasselbe
zwölf Stunden lang bei 37* Grad in den Brutschrank bringt. Hierdurch
wird eine starke Vermehrung der bacilli hervorgerufen.
Der Gelbliebcrkeim lässt sich leicht auf den gewöhnlichen Nähr-
boden vermehren, ln Plattenkulturen von gewöhnlicher Gelatine bilden
sich rundliche durchscheinende körnige Kolonien, welche in den ersten
drei bis vier Tagen wie Leukocythen aussehen. Nach und nach gra-
nulirt die Kolonie mehr und es grenzt sich ein central oder peripher
liegender undurchsichtiger Kern ab. Mit der Zeit werden die Kolonien
selbst ganz undurchsichtig und verflüssigen die Gelatine nicht mehr.
Bei Streifenkulturen bilden sich glänzende undurchsichtige
Tropfen, ähnlich .Milchtropfen, ln Fleischbrühe entwickelt sich der
bacillus icteroides leicht, ohne Häutchen oder flockigen Niederschlag
zu bilden, auf Blutserum dagegen wächst er nur unmerklich. Die
Agar-Agarkultur bildet ein diagnostisches Hiilfsiniltel ersten Hanges,
jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn die Kolonien
im Brutschrank bei 37° gezogen werden, so unter-
scheiden sie sich kaum von vielen anderen Mikroben-
kulturen, sie sind rundlich, grau, etwas irrisierend, durchscheinend,
mit glatter Oberfläche und regelmässigen Rändern. Wenn man
die Kolonien aber bei einer umgebenden Temperatur
von 20 — 20® sich entwickeln lässt, so nehmen dieselben ein ganz
anderes Aussehen an.
Sie erscheinen wie ebenso viele Milchtropfen, undurchsichtig,
erhaben, mit perlmutterartigem Glanze. Wenn man also die Kulturen
erst bei 37° 12 — 16 Stunden im Brutschrank hält und ebenso lange
in die genannt niedere Temperatur bringt, so zeigt die Kolonie zu-
zusammengesetzt aus einem flachen centralen durchscheinenden
bläulichen Kern und einer undurchsichtigen erhabenen Umgebung,
sodass das Bild eines Lacksicgels entsteht. Diese F.igenthüm-
lichkeit genügt, um den bacillus icteroides binnen 24 Stunden von
allen anderen Mikroben zu unterscheiden. Ausserdem bat er noch
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folgende Eigenschaften : Er ist fakultativ anaerob, widersteht nicht
der Färbung nach (irain. bringt Milchzucker unmerklich zur Gährung
stärker Traubenzucker und Rohrzucker, ist aber nicht im Stande
Milch zur Gerinnung zu bringen. Derselbe widersteht lange der Aus-
trocknung, stirbt im Wasser bei HO» und wird in 7 Stunden ton
Sonnenstrahlen getödtet. Im Meer was so r lebt er sehr lange.
Der Gelhfiebcrerrcgcr ist fiir die meisten Hausthiere pathogen,
ln dieser Beziehung Übertritt! er fast alle anderen spezifischen Krank-
heitskeime. Wenn auch Vögel seiner Wirkung nicht unterliegen, so
haben sich doch alle Säugethiere. mit denen Sanarelli experirnentirte
sehr empfänglich gezeigt. Infizierte xveisse Mäuse sterben nach 5 Tagen.
Meerschweinchen nach 8— 12 Tagen. Letztere können auch auf respi-
ratorischen Wege infiziert werden. Die überaus empfindlichen Ka-
ninchen erlagen schon nach zwei Tagen bei Einführung des barillus
icteroides in das Blut, bei anderweitiger Einverleibung nach 4—5
Tagen. Am deutlichsten zeigen sich die zahlreichen Symptome des
Gelbfiebers beim Hunde, auch die pathologisch-anatomischen Verän-
derungen entsprechen am meisten denen beim Menschen. Aden zeigen
die Leberverfettung noch deutlicher, als man dieselbe beim Menschen
findet. Wie beim Menschen endet bei Hund und AfTcn das bakterio-
logische Krankheitsbild als Mischinfektion von vorwiegend Staphylo-
kokken und Streptokokken. Auch Ziegen und Hammel sind gegen den
Gelbfieberbaeillus empfindlich.
Das Gelbfieber wird also durch einen bestimmten, isolierbaren
kultivierbaren und überimpfbaren Keim, den bacillus icteroides hervor-
gerufen.
Bei cyklischem Verlauf der Krankheit ist er anfangs sehr spär-
lich vorhanden und vermehrt sich erst nach 7 — 8 Tagen rasch und
durchdringt unter heftiger Allgemeininfcktion den ganzen Organismus
meistens begleitet von anderen Mikroben, welche wahrscheinlich dem
Darmkanal entstammen. Wenn die Krankheit dagegen vorzeitig durch
Septicaemie oder durch l'raemie tödtlich endet, so ist es oft schwer
oder unmöglich den bacillus icteroides nachzuweisen. Diesen drei
Möglichkeiten, Allgemeininfektion durch den spezifischen Erreger. Sep-
ticaemie durch Mischinfektion, Urämie durch Nieren Verstopfung ent-
sprechen die wichtigsten Symptome und anatomischen Läsionen.
Die bekannteste Erscheinung des Gelbfiebers, das schwarze Erbrechen,
ist unmittelbar durch die toxischen Eigenschaften der im Blute krei-
senden Produkte des bacillus icteroides hervorgerufen, wobei di«
durch den spezifischen Einfluss verfetteten Blutgefässe leicht reissen.
Das Gelbfiebergift, das Erzeugniss des Gelbfieberbaeillus, erhält
man leicht durch Filtration einer 20— 26 Tage alten Fleischbriiheknltur
des bacillus icteroides. das so erhaltene Toxin kann ungestraft auf 70*
abgekühlt werden, wird aber durch Siedehitze bedeutend abgeschwächt.
Bei den obengenannten Thierarten und beim Mensehen hat Sanarelli
das Gelbfiebertoxin erprobt. Die kleinen Nager besonders zeigen
sieb demselben gegenüber weniger empfindlich als bei den Versuchen
mit dem lebenden Virus, der Hund dagegen zeigt bei intravenöser
Einführung des Toxins dieselben Erscheinungen und anatomischen
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275
Veränderungen wie bei Infektion mit dem bncillus selbst, Katzen sind
gegen beide Formen resistenter, Ziegen zeigen mit Ausnahme des
Erbrechens dieselben Erscheinungen wie Hunde und Menschen.
Ein Esel unterlag gleichfalls der Toxinwirkung. Pferde ebenfalls.
Was die Uebertragungsversuehe bei Menschen angeht, so waren
dieselben schon wiederholt in Amerika gemacht worden, mit meistens
gänzlich negativem Erfolge, weil man das Gift dort suchte, wo es am
wenigsten gefunden wird, im Erbrochenen, Speichel, Magen- und Darm-
inhalt. Sanarelli hat fünf Versuche der Uebertragung des Gelbfieber-
toxins auf Menschen angestellt und zwar zwei unter subkutaner, drei
unter intravenöser Injektion einer durch (’.hamberland-Filter gegebenen
15 — 20 Tage alten Fleischbrühekultur, welche zur Vorsicht durch Zu-
satz einiger Tropfen Ameisensäure sterilisirt worden war. Das ganze
komplizirte Krankheitsbild bis zum Gollaps erschien bei
diesen Menschen vor den Augen des Experimentators.
Im einzelnen werden diese Versuche in einer besonderen Arbeit dem-
nächst veröffentlicht werden. Diese wie die Thierversuche ergeben,
dass die charakteristischen Symptome und Läsionen beim Gelbfieber
von den Erbrechen, Verfettung und Erweichung erregenden toxischen
Sloffwechselproduktcn des bncillus icteroides herrühren, welche
der Wirkung einiger Schlangengifte gleichen, ebenso wie die blutige
Gastroenteritis, welche man oft als Aeusserung einer eliminierenden
Kraft des Organismus angesehen hat. Die Sekundärinfektion durch
verschiedene andere Mikroorganismen, welche den eigentlichen
Krankheitserreger unterdrücken, kommt beim Gelbfieber nicht dem
kranken Organismus zu Gute, sondern gefährdet denselben erst recht.
Die Uebertragung des Giftes muss auch auf athmosphärischetn
Wege für möglich gehalten werden. Wenn Vera Gruz nach Ver-
sorgung mit gutem Trinkwasser gelbfieberfrei wurde, so ist zu be-
denken, dass die Anlage einer Wasserleitung wohl stets eine Ver-
besserung der gesammten hygienischen Verhältnisse einerStadt bedeutet.
Noch ein anderes biologisches Phänomen, welches für die
Epidemiologie des gelben Fiebers von grösster Bedeutung ist, verdient
eingehende Betrachtung.
Während andere von Schiffen verschleppte Krankheiten, z. B.
die Cholera, zwar rasch auftreten und alle für das spezifische Gift
empfindlichen Personen an Bord befallen, dann aber geeigneten Mass-
regeln bald weichen und erlöschen, haftet das Gelbfieber fest am
Fahrzeug, in seinem Kiel- und Laderaum, in allen schlecht gelüfteten
Winkeln besonders auf alten abgenuzten Schiffen. Ein Experiment
über das Zusammenleben der Schimmelpilze mit den bacillus icteroides
erklärt diese Thatsache. Bei gleichzeitiger Kultur auf Gelatinc-
Platten schliesst sich das Wachsthum des bacillus icteroides der
Ausdehnung des Myceliums an. Selbst wenn die Kulturen des Gclb-
ficbererregers längere Zeit anscheinend steril gewesen waren, wird
derselbe durch Uebertragung von Schimmelpilzen auf den Nährboden
neues Leben eingehaucht, jedoch nur innerhalb einer das Mycelium
eng umrahmenden Zone. Die Erscheinung ist offenbar ein Beispiel
mikrobisehen Saprophytismus, wobei die Schimmelpilze dem parasi-
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276
tischen bacillus icteroides den Nährboden bereiten lind wirft ein Licht
auf tlie bisher rätselhaften Bedingungen der Einnistung des Gelbfiebers
auf Schilfen. Die Langlebigkeit des bacillus icteroides im Meerwasser,
sein Gedeihen in feuchtwarmer Umgebung kommen noch als weitere
Momente hinzu, welche die Aetiologie der Gelbfieber-Epidemien und
Endemien ergänzen l).
M.
Sonstige acnte Infectionnkrankheiten.
La Psittacosi. Znsamraenfassender Bericht über die Psit-
tacos is, von Br. Filippo Rho, A nnali di medieina na vale.
Juni 1897.
Unter Psittacosis versteht man eine infektiöse Allgemeinerkran-
kung. welche vom Papagei auf den Menschen übertragen wird. Pie
früher unbekannte Krankheit brach in Paris 1897 epidemisch aus,
nachdem eine Sendung von 500 Papageien, von denen jedoch nur 200 lebend
ankamen, von Buenos Ayres nach Paris versandt worden waren. Pie
Seuche bildete in Paris zwei Heerde, deren Ausstrahlungen dem Verkauf
der Papageien entsprachen. 50 Personen erkrankten an bösartiger
Lungenentzündung, von denen ein Drittel starb.
Eine kleinere Epidemie wurde 1894 in Florenz beobachtet, eine
andere im Februar d. J. in Genua. Letztere ging von zwei Papageien
aus. ln der Familie, welche den einen beherbergte, erkrankten 4 Per-
sonen. keine derselben starb, wohl aber eine andere von demselben
Vogel gleichfalls angesteckte Person, welche dasselbe Stockwerk be-
wohnte. Von dem zweiten Papagei ging eine kleine Hausepidemie
von 4 Erkrankungen mit drei Todesfällen aus.
Bezüglich der Ätiologie der Psittacosis ist noch manches unklar.
Der von Nocard entdeckte bacillus psittacoseos gleich dem bac. coli
commun. wirkt aber schcjn in kleinsten Dosen tödtlich auf Mäuse.
Meerschweinchen, Hühner und Kaninchen. Die Übertragung geschieht
leicht durch Cberimpfung, ist jedoch auch auf anderem Wege möglich.
Z. B. gesunde Papageien erkranken, wenn man Federn eines bereits
an Psittacosis leidenden Vogels in ihren Käfig legt. Die Obduktion
der infizierten Thiere ergibt in Milz. Loher und Nieren Reinkulturen
des bac. Nocard. Beim Menschen hat sich dieser angebliche Krank-
heitserreger erst einmal im Herzblute nachweisen lassen. Die Über-
tragung auf Menschen geschieht meistens durch die Fütterung von
Mund zu Schnabel und äussert sich meist als lokale Erkrankung mit
diphtherischen Schleimhautflecken, Oedem und Infiltraten auf der
Mund- und Rachenschleimhaut. F.s ist jedoch auch mittelbare An-
steckung beobachtet worden und ein Fall von Ansteckung eines Arztes
durch Psittacosis-Kranke.
Symptomatologie. Wenn keine Lokalerkrankungen beim
Menschen auftreten. so beginnt die Krankheit nach einer Inkubationszeit
n Nach telegraphischen Zeitungsberichten soll S. mit dem von
ihm mittelst der Kulturen des bac. icteroides hergestellten Heilserum
günstige Erfolge erzielt haben. Bef.
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277
von 8 — 12 Tagen in schleichender Weise mit Mattigkeit, Abgeschlagenheit
und allgemeiner Schwäche mit Kopfschmerzen und Ziehen in den
Gliedern und Gelenken. Durch das Auftreten typhöser Symptome,
Stupor, Schlafsucht und Delirien von verschiedener Heftigkeit wird
der Kranke ans Bett gefesselt.
Das Fieber steigt rapide an, oft schon am zweiten Tage bis
■10° C., bleibt unter geringen Morgenremmissioncn bis zum 15 — 20.
Tage auf dieser Höhe, um dann in zwei bis drei Tagen abzufallen
ohne die grossen Schwankungen in der Fieberkurve, wie sie beim
typhösen Fieber beobachtet werden. Der Leib ist leicht druckempfind-
lich, der Stuhl meistens angehalten, manchmal diarrhoisch. Die Milz
ist immer geschwollen, die Leber unverändert. Sehr wichtig sind
die Erscheinungen seitens der Athmungsorgane, dieselben ähneln
denen der Pneumonie. Husten und Athemnot sind sehr ausgeprägt.
Die Auskultation ergibt jedoch meistens nur feine bronchitische
Hasselgeräusche, häufig findet man jedoch lobäre Pneumonie. Die
Rekonvaleszenz ist langwierig. Je nach dem Vorwiegen der Symptome
werden verschiedene Formen der Psittacosis beschrieben. Hei der
DifTerenzialdiagnose kommt besonders Typhus abdominalis. T. recurrens
und Influenza in Betracht. Anamnese und Verlauf und Blutuntersuchung
sichern die Diagnose. Der pathologisch-anatomische Befund zeigt be-
sonders lobäre Pneumonie. Die Milz ist vergrössert. erweicht und
brüchig, Herz schlaff, Leber verfettet. Im Blute und den Organen
Diplokokken und Streptokokken aber keinen bacill. Nocard, (mutatis
mutandis wie beim Gelbfieber. Ref.) Die Behandlung ist symptomatisch, die
Prophylaxe besteht in der Beobachtung gesunder, Tödtung kranker
Papageien und Verbrennung oder Ausglühung der Käfige derselben.
M.
Parasitäre und Hautkrankheiten.
Filaria Loa. Mittheilung von Dr. Argyll Robertson in der
Ophlhalmologiral Society. The I.ancet. Nr. 3852. June 26.
1897. p. 1744.
Es wird die Krankengeschichte einer Patientin in Old-Galabar
rnitgetheilt, die bereits früher Filaria Loa beherbergt hatte.
Neben Schwellungen an den Armen bestand Jucken in den
Augen. Die Bewegung eines Wurmes wurde hinter der Gonjunctiva
gefühlt, ein Stück eines anderen konnte an der Hüfte herausgeholt
werden. Später traten Übelkeit und Kopfschmerzen auf und bildete sich
ein Allgemeinleiden heraus.
Ein Zwischenstadium der Filaria wurde in Sandflöhen und
Muskiten gesucht, aber nicht gefunden.
In Blut, Exkreten, Speichel, Nasenschleim suchte man vergeblich
nach Embryonen.
Victor Lehmann.
Archiv f. Schiff»- u. Trnpenhyifi» ne.
*20
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278
Joseph, Dr. Max, in Berlin. Über Lepra. Zusammenfassender
Bericht.
Seit meinem letzten Berichte in diesem Archiv (I Band 1. Heit)
sind wiederum einige Lepraarbeiten erschienen, welche auf allgemeines
Interesse Anspruch machen dürfen.
Über die Isolierung der Aussätzigen in Leproserieen berichtet
Prof. Karl Dehio, Vice-Präses der Gesellschaft zur Bekämpfung der
Lepra in Livland (Petersburger Med. Woch. Nr. 22 1897). Er hatte sich
an Armauer Hansen um Mitteilung der einschlägigen, in Norwegen
geltenden Gesetze und Bestimmungen gewandt. Da für Kussland
und speciell für die baltischen Provinzen der Kampf gegen die Lepra
erst begonnen hat. und dort die Meinungen über die einzuschlagenden
Wege noch mehrfach auseinandergehen, so haben natürlich die in
Norwegen gemachten Erfahrungen den grössten Wert. Das norwegische
Gesetz räumt den Gesundheitskommissionen, welche die Leprösen
zu beaufsichtigen haben, recht weitgehende Machtbefugnisse ein, und
es kann sogar eine zwangsweise Internierung verfügt werden. Im
Prinzip sollen nur solche Kranke zu Hause gepflegt werden dürfen,
welche genügende Garantieen dafür bieten, dass sie daheim zweckent-
sprechend isoliert werden. In der Praxis wird jedoch das Gesetz recht
milde gehandhabt, so dass die zwangsweise Isolierung nur sehr selten
ausgeübt wird. Offenbar geht das Hauptbestreben dahin, das Volk
über die Gefahr der Ansteckungsmöglichkeit aufzuklären und dasselbe
so zu erziehen, dass es sich freiwillig des Umganges mit Leprösen
enthält. Die heutige Abnahme der Lepra in Norwegen beweist, dass
dieses Ziel, wenn auch langsam, doch sicher erreicht wird. In Livland
liegen aber die Verhältnisse etwas anders. Das Landvolk ist noch
nicht darüber aufgeklärt, dass die Ausschliessung des Kranken aus
dem allgemeinen Verkehr eine unbedingte Notwendigkeit ist. Pa
freiwillig d. h. ohne äusseren Zwang, nur ausserordentlich wenige
Individuen die Lepraasyle aufsuchen, so wird sich eine zwangsweise
Internierung, welche auch nach dem bestehenden Gesetz durchführbar
ist, für einzelne Individuen nicht umgehen lassen. Alsdann erhebt
sich allerdings die weitere Frage, ob diese Leprösen auch zwangsweise
zuriiekgehalten werden sollen oder nicht. Nach dieser Richtung
beschränkte Dehio sich darauf, die Frage nur nach den praktischen Er-
fahrungen zu beurteilen, welche in den livländisehen Leproserieen
gemacht sind. Er ist der Ansicht, dass die Leproserieen zwar bestrebt
sein sollen, diesen Unglücklichen ein erträgliches Leben zu ermöglichen,
dass es aber nicht ihre Aufgabe sein kann, die Kranken wider deren
Willen bei sich zurückzubehalten. Das Volk müsse über die Not-
wendigkeit aufgeklärt werden, sich seiner aussätzigen Gemeindcglieder
zu entledigen, und dazu veranlasst werden, von sich aus auf dieselben
eine derartige Pression auszuüben, dass dieselben notgedrungen in
die Aussatzhäuser gehen. Von grossem Interesse ist, dass Hansen
die Lepra anaesthetica für weniger ansteckend hält als die tuberöse
Form und dementsprechend mit dem anästhetischen Leprösen weniger
streng verfährt als mit dem tuberösen.
Dass die Zahl der Leprösen in Livland eine ganz erhebliche ist.
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279
ersieht man aus einer Mitteilung Koppel's auf dem VI. (Kongresse
russischer Ärzte in Kiew. (Monatsh. f. prakt. Dermatol. Rand XXIV
No. 2, 16 Januar 1897). Danach sollen sich in Livland circa (KM), in
Kurland 7(i und in Esthland 2(J Lepröse aufhalten. Einige bisher
errichtete Asyle wirken ausserordentlich segensreich.
Die Untersuchungen von V. Klingm üller und K. Weber (Deutsche
Med. Wochenschrift Nr. 8, 1807) haben Resultate ergeben, welche zum
Teil von den bisher bekannten erheblich abweichen. In einem Falle von
Lepra, der ein makulöses Exanthem und anästhetische Störungen
zeigte, suchten dieselben die Frage zu entscheiden, auf welchem Wege
die Leprabacillen den Körper verlassen. Ebenso wie früheren Forschern
gelang ihnen der Nachweis der Rarillen im Rlute und in künstlich
erzeugten Rlasen. Dagegen berichten sie als etwas Neues, dass in den
oberflächlichen, von den Flecken abgekratzten Hautschuppen sich
zahlreiche Haeillen fanden, von denen sie nicht sicher entscheiden
konnten, ob dieselben innerhalb oder ausserhalb der Zellen lagen.
Weiter konnten die Racillen auch in der Epidermis in genügender
Anzahl nachgewiesen werden. Die Racillen lagen in der Epidermis
meistens in der tieferen Schicht des Rete Malpighii. Ihre Lage war
anscheinend nur intracellulär. Auffallend war, dass die in der
Epidermis gelegenen Racillen im Gegensatz zu den in der (’.utis be-
findlichen ausschliesslich solide Stäbchenformen waren. Im Schweisse
gelang es den Verfassern ebenfalls Racillen nachzuweisen, so dass
sie es für dringend geboten erachten, im Verkehr mit Leprösen vor-
sichtig zu sein.
Johnston und Ja m ieso n (the Montreal Medical Journal, Jan.
1897) teilen drei sehr interessante Fälle mit, in welchen erst durch
die bakteriologische Untersuchung die sichere Diagnose, ob Lepra oder
nicht, festgesteflt wurde. In dem ersten Falle handelte es sich um
einen 27 jährigen Chinesen, welcher früher niemals krank gewesen,
moribund in das Spital gebracht wurde und nach wenigen Stunden
verstarb. Hier fielen zahlreiche derbe Knoten auf, welche über einen
Teil des Körpers (Gesicht, Extremitäten, Genitalien, besonders Glans
penis) verteilt waren. Auch in der linken Epididymis befand sich ein
ähnlicher Knoten und in allen diesen waren zahlreiche Leprabacillen.
Auch bei einem Mulatten aus Westindien, welcher Kellner in einem
Hotel zu Montreal war und welcher bis dahin immer auf Lues behandelt
worden war, ergab erst die bakteriologische Untersuchung Aufschluss
über die lepröse Natur der Hauterkrankung. Dagegen fiel in einem
dritten Falle, bei einem Chinesen, die bakteriologische Untersuchung
negativ aus. und die fortgesetzte Reobachtung entschied in der That,
dass es sich hier um Psoriasis handelte.
E. Storch (Virchows Archiv 1-18 ter Hand 1897) berichtet über
den anatomischen Befund bei einem für Deutschland endogenen Fall
von Lepra tuberosa, welcher zugleich einen Beitrag zur Frage nach
den Beziehungen zwischen Aussatz und Tuberkulose giebt. Ein Lepröser
aus dem Kreise Memel, welcher lange Zeit in der Breslauer dermato-
logischen Klinik behandelt war, kam daselbst zur Section. V. hat in
äusserst sorgfältiger Weise den ganzen Körper auf das genauste studiert
20*
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und die einschlägigen Fragen in Erwägung gezogen. Die Streitfrage
zwischen Unna und Neisser über die Lage der Leprabacillen
beantwortet er dahin, dass zwar die Mehrzahl der Bacillen intracellulär
liegt, dass aber auch nicht in Zellen eingeschlossene Bacillen sowohl
einzeln als auch in Gruppen gelegen angetroffen werden. Von besonderem
Interesse ist die lepröse Erkrankung der Glans penis und des be-
haarten Kopfes. Merkwürdig wrar die geringe Beteiligung der vis-
ceralen Organe, nur Leber. Milz und Hoden waren afficiert, so dass
V. nicht ansteht, eine absolute Immunität der inneren Organe gegenüber
der Lepra zu behaupten. Besonders ausführlich beschäftigt sich
Storch mit der Differentialdiagnose zwischen Lepra und Tuberkulose
und gelangt hier zu der Anschauung, dass dieselben genetisch und
histologisch wohl charakterisiert sind, dass aber zur Zeit weder die
histologischen noch die bakteriologischen Untersuchungsmethoden
ausreichen, um in jedem einzelnen Falle Zweifel bezüglich der Diagnose
zu beseitigen. Daher lasse es sich betreffs eines Teiles der bei
Leprösen vorkommenden visceralen Krankheitserscheinungen, welche
vom rein histologischen Standpunkte aus allerdings der Tuberkulose
zuzurcchnen sein würden, auch nicht entscheiden, welchem von
beiden Infektionserregern sie ihr Dasein verdanken. Der Bacillus
leprae findet sich in den Lepromen intracellulär in solcher Menge vor,
dass gerade hierin ein schwerwiegender Unterschied gegenüber dem
Tuberkelbacillus zu erblicken ist. Die bacillenhaltige Leprazelle
Virchow's linde sich in allen sicher leprösen Herden und komme
niemals im pathologischen Produkt irgend einer andern Krankheit
vor. Dagegen ist die Riesenzelle, welche Hansen ausschliesslich
dem Tuberkel zuerkennt, nur mit grosser Vorsicht zur Stellung der
Diagnose in der einen oder anderen Richtung zu verwerten. In der
Verkäsung besitzen wir ein für die Tuberkulose differentialdiagnostisch
wichtiges Merkzeichen, doch ist auch ihr ein absoluter Wert nicht
beizulegen.
Bei einem von Unna in dem Hamburger ärztlichen Vereine
(Vereinsbeil. Nr. 2 der deutschen med. Wochenschrift 7. Januar 1897)
vorgestellten leprösen Knaben aus Brasilien war es bemerkenswert,
dass die Augenbrauen wohlerhalten waren, trotzdem in denselben kleine
Cutislepromc sichtbar waren, was Unna als ein nicht so seltenes Vor-
kommen hinstellt.
Was die Therapie der Lepra anbetrifft, so empfahl Unna im
Hamburger ärztlichen Verein die Pyrogallolschmierkur. über eine
neue serotherapeutische Behandlung der Lepra hatte auf dein zweiten
Pan-amerkanischen Congress zu Mexico (November 1896.) Juan de
Garras quilla berichtet. Nach diesem Berichte (Monatshefte für
praktische Dermatologie Bd. XXIV Nr. 3, 1. Febr. 1897) wird einem
Leprösen Blut entnommen, dasselbe defibriniert und das Serum getrennt
Dieses Serum wird Pferden injiziert und mit dem von diesen Pferden
gewonnenen Serum werden subkutane Injektionen den Leprösen
appliciert. Über diese Garrasquillaserumkur hat Ashmead (New
Orleans Medical und Surgical Journal, März 1897) eine Umfrage bei
verschiedenen namhaften Lepraforschern veranstaltet. Das überein-
281
stimmende Ergebnis aller dieser Nachforschungen war, dass man höchst-
wahrscheinlich noch über keine Erfolge der Kur berichten könne, man
müsse weitere Untersuchungen abwarten,
Eine andere neue Behandlungsmethode der Lepra, die Über-
tragung verdünnter C.ulturen des Erysipelkokkus auf Lepröse wird in
Schweden unternommen. Schliesslich geben die ErkrankungszitTern aus
dem europäischen Russland in den Veröffentlichungen des kaiserlichen
Gesundheitsamtes 1897, Seite 213 No. IX. wohl am besten eine Anschauung
über die Verbreitung der Lepra, wie sie sich von einem einzelnen
Seuchenheerd aus entwickeln kann. Danach fanden sieh im Jahre 1888
nur 170, im Jahre 1889 schon 588 und im Jahre 1890 noch 491
Kranke vor.
In seinem Vortrage auf der 68. Versammlung deutscher Natur-
forscher und Aerzte, Wiener klin. Rundschau 1897 No. 3—7, über
medicinische und hygienische Beobachtungen aus dem Congogebiete
bespricht Mense das Vorkommen der Lepra am Congo. Trotz izwei-
jähriger fast täglicher Beobachtung und Behandlung einer grösseren
Zahl von Leprösen konnte eine L'ebertragung weder beobachtet noch
ermittelt werden. Neue Berichte vom Congo erwähnen die Leprösen
am Stanley Pool nicht mehr, sodass man. da es sich bei den Aus-
sätzigen von M. meistens um alte Kranke handelte, eine Abnahme der
Seuche angenommen werden kann.
M.
Therapie der Haut- und Geschlechtskrankheiten nebst einer
kurzen Kosmetik für Aerzte und Studircnde von l)r. Paul Tliimm,
Leipzig 1896 Georg Thieine. 280 Seiten. Th. bespricht nur die Therapie
bei genannten Krankheiten in gründlicher und klarer Weise. Das
Werk ist besonders für den praktischen Arzt von Bedeutung, welcher
die neuere dermatologische Methodik in ihren Einzelheiten kennen
lernen will. Die Behandlung der einzelnen Krankheiten wird unter
Berücksichtigung der Arzneimittellehre eingehend besprochen. Sycosis
simplex ist therapeutisch etwas zu kurz gekommen, denn so einfach
ist die Therapie dieses hartnäckigen Leidens doch wohl nicht.
M.
Chirurgie.
Mezzi di trasporto dei fcriti a bordo etposti dimedicatura
in ternpo di combattimento, von Dr. Minuida. Annali di
medicina navale, Mai 1897.
Die Transportmittel an Bord für Verwundete und die Verband-
plätze während eines Seegefechts werden durch die Rücksicht auf die
beschränkten Rauinverhältnisse und auf die Beweglichkeit der ge-
sunden kämpfenden Mannschaft bestimmt. Die einfachste Beförderungs-
weise des Verwundeten ist der Transport seitens eines Mannes auf
den Armen oder, wie die Redaktion der Annali u. s. w. beifügt, in
der Krankenträgerschürze von Coletti.
Von den mechanischen Mitteln zum Krankentransport ist die
Tragbahre an Bord wenig anwendbar. Der horizontale Transport
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geschieht bei den kurzen Entfernungen ebenso leicht auf den Armen,
der vertikale ist wegen der Enge und Steilheit der Treppen in einer
Bahre nicht möglich. Durch verschiedene Modifikationen hat man
versucht, die Bahre brauchbar zu machen.
Hängematten in festem Rahmen haben in ihrer ältesten und
einfachsten Form den Nachteil, dass der Verletzte darin rutscht
Von den vielen Verbesserungen derselben ist der Cadre ä dossier der
französischen Marine zu nennen, bei welchen nach Art eines Klapp-
stuhls zwei Rahmen miteinander gelenkig verbunden sind. Dieses
Transportmittel bildet den Übergang zu den Tragsitzen, welche
für den senkrechten Transport von einem Ort zum andern am besten
geeignet sind. Die deutsche Marine bedient sich der Sitze zur Be-
förderung an Bord und der Bahren zur Ausschiffung. Die Engländer
verwenden verschiedene Transportmittel je nach Bedarf der Ärzte
beziehungsweise dem Typus der Schiffe.
Die einfache lose Hängematte, wie sie von den Seeleuten
zum Schlafen benutzt wird, ist in verschiedener Richtung verändert
worden, deren Eigenthümlichkeiten im Referat nicht angeführt werden
können. Verfasser zieht die Tragsitze allen anderen Beförderungs-
mitteln vor, schliesst sich aber der These Rho’s an. welcher die
Selbstständigkeit der einzelnen Hiilfsposten gestützt auf die Selbst-
ständigkeit der einzelnen SchifTskompartimente fordert. Die Einzel-
heiten muss der Schiffstypus entscheiden, wie Miranda beispielsweise
an dem Panzer „Ruggiero di Lauria“ erläutert.
M.
Allgemeine Werke.
Scheube, I)r., B., Die Krankheiten
Länder.
(Fortsetzung.)
der warmen
Verfasser unterscheidet 4 Formen der Beri-Beri.
1. Die unvollkommen ausgebildete oder rudimentäre Form.
Der Beginn der Krankheit ist hier meist unmerklich. Häutig
gehen dem Ausbruch der Krankheit katarrhalische Erscheinungen, wie
Schnupfen, Luftröhren- oder Magen- Darmkatarrh voraus. Dann treten
Mattigkeit und Schwere in den Unterschenkeln auf, begleitet von
Spannung in dem Nacken beim Gehen. Gleichzeitig bemerken die
Kranken eine geringe Herabsetzung der Empfindung an ihren Beinen.
Dazu gesellt sich geringes Oedem der Unterschenkel, während sich
die Abstumpfung des Gefühles auch auf andere Körperstellen ausdehnt.
Dann tritt Herzklopfen auf. Doch kann dies auch das Anfangssymptom
sein. Dabei ist das Allgemeinbefinden gestört und die Stimmung ge-
drückt. Die objectiven Symptome sind: Verminderung der rohen
Kraft in den Beinen und in geringerem Grad auch in den Armen,
mehr oder minder ausgedehnte Hautanaesthesien leichtesten Grades,
Empfindlichkeit einzelner Muskeln, besonders im Nacken auf Druck
und gewisse später zu besprechende Veränderungen am Herzen. Die
283
Krankheitsdauer schwankt bei dieser Form zwischen einigen Tagen,
und mehreren Monaten. Sie kann aber auch gleichsam habituell
werden. Bisweilen tritt bei solchen Kranken jedes Mal in der warmen
Jahreszeit eine Zunahme, in der kalten eine Abnahme aller Be-
schwerden ein.
2. Oie atrophische Form.
Diese Form kann ebenso schleichend wie die vorige anfangen.
Die Schwäche in den Armen und Beinen nimmt zu, so dass die
Kranken nicht mehr gehen können, manchmal tritt die Lähmung
schlagartig ein. Gewöhnlich ist sie auf Glieder und Itumpf beschränkt.
Das Gesicht bleibt verschont. Die gelähmten Glieder sind sehr em-
pfindlich und magern auf das Aeusserste ab. Oedeme und Herz-
erkrankungen fehlen. Die Rekonvalescenz dauert bis zu einem Jahre
und darüber. Komplicirt sich die Krankheit mit Schwindsucht, Typhus
oder Ruhr, so tritt gewöhnlich der Tod ein.
3. Oie wassersüchtige oder hydropische hezrr. hvdropiscli-
atrophische Form.
Diese Form unterscheidet sich von der vorhergehenden durch
das Auftreten von Herzerscheinungen und serösen Ausschwitzungen.
In einzelnen Fällen entwickelt sich dieselbe aus der atrophischen
Form. Die Oedeme bleiben nicht auf die Unterschenkel beschränkt
sondern verbreiten sich über einen grösseren oder kleineren Theil
des Körpers. Dazu kommen Ergüsse in die serösen Höhlen. Herz-
klopfen, Kurzathmigkeit, Beklemmung erreichen einen bedenklichen
Grad. Die Harnausscheidung nimmt bedeutend ab. Die Heilung
erfordert gegen % Jahr.
4. Oie akute pernlciüso oder kardiale Form.
Diese Form, welche mit Vorliebe junge, kräftige Leute befällt
ist gekennzeichnet durch die Erscheinungen einer akut auftretenden
Herzinsufficienz. Hier ist der ganze Krankheitsverlauf von Anfang an
meist ein akuterer. Die Lähmung der Beine kann z. B. bereits nach
einigen Tagen so hochgradig sein, dass die Kranken an's Bett gefesselt
werden. Die Abnahme der Harnauscheidung ist schon frühzeitig be-
trächtlich. Fliissigkeitsansammlungen im Herzbeutel und in den
anderen serösen Höhlen sind gewöhnlich vorhanden, aber nicht so
hochgradig als bei der hydropischen Form. Herzklopfen und Athem-
noth nehmen stetig zu, der Zustand der Kranken wird immer fürchter-
licher und trostloser. Es tritt Cyanose hinzu und unter den Erschein-
ungen der Herzinsufficienz gehen die Kranken zu Grunde. Die Ana-
lyse der einzelnen Krankheitserscheinungen muss im Original ein-
gesehen werden. Es soll nur soviel erwähnt werden, dass Verf. die
Herzinsuflicienz auf Entartung der n. vagi zurückführt. Fieber gehört
nicht zu den konstanten Erscheinungen der Beri-Beri. Die Mortalität
schwankt je von Ort und Zeit. Indessen beobachtet Verf. eine
Sterblichkeit von 3,7%, nach Adriani betrug im niederländisch-
indischen Heere die Sterblichkeit 6,3%, in Brasilien schwankte sic
nach da Silva Lima zwischen 50,6 und 74, ö%.
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284
Der Tod erfolgte in akuten Fällen meist durch Herzlähmung
oder auch durch Lähmung des Zwerchfelles. In chronischen Fällen
gehen die Kranken, namentlich wenn {Komplikationen mit Ruhr, Typhus
oder Lungenschwindsucht vorliegen, an Erschöpfung zu Grunde. Die
wichtigsten krankhaften Veränderungen zeigt das Nervensystem und
zwar hauptsächlich die peripherischen Nerven.
Die Nerven zeigen mikroskopisch wie Verf. mit Bälz zuerst
nachwies, eine mehr oder weniger starke degenerative Entzündung :
Zerfall der Markscheide und auch des Axencylinders, Vermehrung
der Kerne des Endoneurimus und unter dem Perineurium, be-
sonders in der Umgebung von Gefässen, in chronischen Fällen
schliesslich Zunahme des Bindegewebes. Am hochgradigsten erkrankt
sind stets die Muskeläste. Die höchsten Grade beobachtet man in
chronischen Fällen. Hand in Hand mit der degcnerativen Entzündung
der Nerven geht eine solche der Muskeln. Am meisten erkrankt
sind stets die Nackenmuskeln, Als beste Prophylaxe empfiehlt Verf.
eine in jeder Beziehung gut durchgeführte Hygiene. Gebäude, an
welchen das Krankheitsgift haftet, wie Kasernen, Gefängnisse, Kranken-
häuser sind gründlich zu desinliciren.
In der Therapie ist bis jetzt ein specifisches Heilmittel un-
bekannt. Von günstigem Einfiuss ist ein Klimawechsel oder eine See-
reise. Aber schon eine Versetzung aus dem Beri-Beri-Bezirk in einen
höher gelegenen Ort wirkt günstig.
Im Anfang der Krankheit werden salinische Abführmittel ge-
rühmt Unentbehrlich aber ist die Digitalis, die nicht nur gegen das
Herzklopfen, sondern auch gegen die Wassersucht gute Dienste leistet,
ln akuten Fällen mit ausgeprägter Herzinsuflicienz gilt als letzte
Zuflucht der Aderlass. In schweren Fällen ist Bettruhe unerlässlich.
Als Diät ist eine leicht verdauliche kräftige Kost zu wählen. Gut ge-
eignet ist wegen ihrer gleichzeitig harntreibenden Wirkung die Milch.
Beim Aussatz bespricht Verf. zunächst den Knote naussatz.
Dieser beginnt gewöhnlich im Gesicht und an den Extremitäten in Gestalt
von rothen, etwas erhabenen Flecken, die wieder verschwinden können
oder aus denen sich dann die Lepra-Knoten entwickeln. Diese Knoten
können erweichen . aufbreehen und zu schwachen Geschwüren mit
schlechten Granulationen werden. Ist das Gesicht vorwiegend von
der Knotenbildung befallen, so entsteht der als Satyriasis oder Leontiasis
bczeichnete Gesichtsaudruck. Die Lepra-Knoten können auch die
Schleimhäute und innern Organe befallen. Bemerkenswerth ist der
Umstand, dass es im Verlaufe der Krankheit zu einer Atrophie der
Hoden, bei Frauen zu Menstruationsstörungen und schliesslich zum
Aufhören derselben kommt. Ebenso kommen häufig unter Fieberanfällen
neue Knoteneruptionen vor.
Der N e r v e n a u s s a t z. Wie beim Knotenaussatz Prodromal-
erscheinungen allgemeiner Natur voraus gehen, so auch bei dieser
2. Form. Nur dass sie sich hier ausser F'ieberanfällen vorwiegend auf
nervösen Gebiet abspielen: Paraesthesien, lokale Hyperaesthesien,
vasomotorische Störungen. Kongestionen nach dem Kopfe und Zuck-
ungen der Gesichtsmuskeln. Es bilden sich bei dieser Form schub-
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weise blass- oder dunkelrothe Flecke von der Grösse kleiner Münzen
bald zuerst im Gesicht, im Nacken oder am Rumpfe. Während die
Peripherie weiter wächst, verblasst das Centrum, ihre Oberfläche wird
glatt, die Ränder rauh, leicht abschilfend. Im weiteren Verlaufe wurden
die Flecke aschgrau bis schwarzbraun (Lepra nigra) oder sie können
schliesslich wieder weiss werden (Lepra alba). Letztere Flecken
können sich aber auch primär aus normaler Haut entwickeln. Es
kann sich der Aussatz aber auch in Form von linsen- bis flachhand-
grossen Blasen entwickeln, die dunkle pigmentirte oder wcissc anaes-
thetische Flecke zurücklassen (Pemphigus leprosus). Aber auch ohne
diese Flecken kommt es an umschriebenen Baustellen zu Anaesthesien.
Diese beginnt gewöhnlich an der Peripherie und schreitet centralwärts
fort. Die zu den ergriffenen Körpertheilen gehörigen Nerven sind oft
spindelförmig oder knotig verdickt. Am häutigsten wird das am n.
auricularis magnus und ulnaris beobachtet. Mit den sensibeln gehen
auch motorische Störungen einher, bestehend in Lähmung und Atrophie
der befallenen Muskeln. Durch Lähmungen der Gesichtsmuskeln
können Oflenstehen des Mundes, Schlussunfähigkeit der Augenlider
u. s. w. hervorgerufen werden. Die motorische Schwäche macht sich
zuerst an den Händen bemerkbar. Nägel und Haare können ausfallen,
namentlich die Augenbraunen fallen oft schon im Beginne der Krankheit
aus. Es besteht Neigung zu Geschwürsbildung. Die Geschwüre greifen
in die Tiefe und können durch Zerstörung der Gelenke zur Ahstossung
einzelner Finger- und Zehenglieder führen (Lepra mutilans). Die
Krankheit ist unheilbar, bei beiden Formen ist der Verlauf sehr lang-
sam, beim Nervenaussatz rechnet man in Norwegen 18 — 19 Jahre,
beim Knotenaussatz 8 — 9 Jahre, auf den Sandwichs-Inseln, wo die
knotige Form vorherrscht hingegen nur 8 — ß Jahre. Die leprösen Neu-
bildungen gehören zu den Granulationsgeschwülsten. Die Flecke der
anaesthetischen Form sind durch die gleiche Neubildung bedingt. Im
übrigen handelt es sich beim Nervenaussatz um eine Erkrankung der
Nerven, indem sich in diesen, und zwar in dem interstitiellen Binde-
gewebe (Perineurium), die nämlichen Wucherungen wie in der Haut
und den Schleimhäuten entwickeln.
Eine eingehende Besprechung widmet der Verf. der Aetiologie der
Lepra und der Frage: ist die Lepra ansteckend oder nicht. Im
ersten Teil wird ausführlich die Lage der Lepra-Bacillen erörtert
und die einander gegenüberstehenden Ansichten von Unna und Neisser
gegeben. Ganz ausserordentlich reichhaltig ist die Zahl der auf-
geführten Beobachtungen und Beispiele, die dafür sprechen, dass die
Lepra ansteckend ist. Verf. nimmt auch sehr mit Recht den Stand-
punkt ein, dass die Lepra übertragbar ist. Er redet daher auch einer
Absonderung der Lepra-Kranken, etwa in der Art, wie sie in Nor-
wegen geschieht, das Wort.
Die Therapie hat sich bis jetzt leider machtlos erwiesen.
Wir besitzen kein Heilmittel gegen die Lepra.
Unter Framboesia tropica versteht man eine in den Tropen
endemisch vorkommende, kontagiöse, chronische, allgemeine Infektions-
krankheit, welche durch das Auftreten von himbeerartigen Papeln auf
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der Haut charakterisirt ist und einige Aehnlichkeit mit der Syphilis bat.
Sie wird namentlich an der Westküste Afrika's, in Vorder- und Hinter-
indien, im indischen Archipel auf einigen Inselgruppen der Siidsee in
Westindien und an der Nordküste von Südamerika beobachtet.
Die Krankheit kann von Mensch zu Mensch übergeimpft werden.
Die natürliche Übertragung findet durch Verletzungen der Kpidermis
slalt. Die Inkubationsdauer scheint zwischen 8 Tagen und G Monaten
zu schwanken. Schwarze werden häufiger befallen als Weisse.
Die Krankheit beginnt gewöhnlich oline Vorboten. Die eigent-
liche Krankheit beginnt mit einer Papel, die etwa nach einer Woche
zu nässen anfängt, nach einer weiteren Woche zu einem Geschwür
wird, dem bald eine Kruption von Papeln über einen grösseren oder
kleineren Theil des Körpers nachfolgt. Die Epidermis über den Papeln
wird dünner, schliesslich durchbrochen und es kommt eine glänzend
rothe, verrukös zerklüftete Oberfläche zum Vorschein, die in ihrem Aus-
sehen an eine Himbeere *) erinnert. Dieselbe sondert eine serumartige
Plilssigkeit ab. die in Krusten austrocknen und rupiaartige Beläge
bilden kann. Die Papeln treten mit Vorliebe am Munde, an der Nase,
an den Augen, im Nacken, an den Extremitäten, am After und den
Geschlechtstheilen auf. während der Rumpf und die behaarte Kopf-
haut seltner befallen werden. Die Zahl der Papeln kann sehr ver-
schieden sein.
Im weiteren Verlaufe der Krankheit erblassen die Papeln und
trocknen zu harten Borken ein, die schliesslich abfallen und Flecke
hinterlassen, die bei Schwarzen heller, bei Weissen aber meist dunkler
gefärbt sind als die Umgebung. Manchmal können sie auch geschwürig
zerfallen und dann slrahlige Narben hinterlasscn. Die Dauer der
Krankheit schwankt zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren.
Anatomisch handelt es sich um eine chronische Dermatitis, die
ihren Ausgang an der Papillarschicht nimmt und zur Bildung von
Granulationsgeschwulsten führt.
Die Framboesia ist eine leichte von selbst heilende Krankheit.
Nur bei gleichzeitig mit schweren konstitutionellen Leiden behafteten
Kranken nimmt dieselbe manchmal einen ungünstigen Ausgang.
ln der Therapie spielt die Reinlichkeit die Hauptrolle.
Für eine Abart der Framboesia hält Verf. die Verruga peru-
viana. Ref. kann dem nicht beitreten. Denn erstens ist es nicht
einzuschen, wesshalb ein und dieselbe Krankheit einmal die Farbigen
mit Vorliebe befallen soll, wie es die Framboesia thut. und das andere
Mal nur die Weissen, wie die Verruga das thut. Ich habe im Hospital
de Dios in Lima gegen 20 Verruga-Kranke gesehen. Alle bis auf einen
machten einen geradezu bejammernswerthen Eindruck. Bedeckt am
ganzen Körper von Geschwülsten, die zwischen der Grösse einer
Erbse und eines halben Strausseneies schwankten, lagen sie in schwerem
Fieber zum Theil bewusstlos da. Die grösseren Geschwülste waren
alle zerfallen und machten den Eindruck von jauchenden Krebsmassen,
ln dieser Weise gingen die Leute zu Grunde. Wer von der akuten
’) tramboise (daher der Name).
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Form — und das ist die gewöhnliche — der Verruga befallen wird,
gilt als verloren. Die Leute stammten sämmtlich aus dem berüch-
tigten Thale Agua de Verrugas, das 70 km. von Lima entfernt ist und
1800 m über dem Meere liegt. Allgemein wird in Peru der Genuss
des Wassers dieser Schlucht namentlich zur Zeit der Sehneeschmelzc
als Erkrankungsursache angenommen. Wenn Verf. ferner annimmt,
dass eine Komplikation mit Malaria die Verruga peruviana so schwer
macht, so kann lief, dies auch nicht in dieser Allgemeinheit zugeben.
Denn Ref. sah die Kranken im Ausgang des südlichen Winters, und
im Winter giebt es in Peru keine Malaria, weder in der Ebene, noch
in den Cordilleren. Das Fieber, an dem die Kranken litten war
septisches Fieber.
Ein einziger der Kranken litt an der chronischen Form. Er
zeigte nur vereinzelte, erbsengrosse Papillome, die sich von einer ge-
wöhnlichen Warze nur durch ilire dunklere Pigmentirung unterschieden.
Er war fieberfrei. Die Diagnose Verruga konnte bei ihm nur desshalb
gestellt werden, weil er die der Verruga eigentümliche Lokalisation
der Warzen auf der Bindehaut des Auges zeigte. Eine hochrothe,
himbeerähnliche Farbe habe ich an keinem einzigen Papillana wahr-
genommen.
Der Ponos vonSpetza und Hydra. Unter diesem Namen
ist von Karamitsas und Stephanos eine auf zwei in der Nähe der
Küste von Argolis gelegenen Inseln, Spetza und Hydra, endemisch
herrschende, chronische, mit Fieber und beträchtlicher Milzschwellung
einhergehende Krankheit, welche nur bei Kindern vorkommt und
meist einen tödtlichen Ausgang nimmt, beschrieben worden. Auch
auf den genannten Inseln tritt dieselbe jetzt verhältnissmässig selten
auf. während sie früher viel häufiger gewesen ist. Der Name Ponos
(Schmerz) stammt von der Druckempfindlichkeit der vergrösserten
Milz her. Die Dauer der Krankheit beträgt manchmal 2— H Monate,
für gewöhnlich 1 — 2 Jahre. Die Aetiologie ist dunkel. Es wurden
nur Kinder in den ersten Lebensjahren befallen. Die Krankheit soll
nichts mit Malaria gemein haben.
Mit dieser Schilderung schlicsst der erste Abschnitt des Buches
ab. Da, wo der Verf. aus eigener Erfahrung spricht, schildert er
vorzüglich: so z. B. den Verlauf der Beri-Beri. Da, wo es sich mehr
um Darstellungen nach vorliegender Litteratur handelt, findet der
Kcscr alle die hauptsächlichen Ansichten und Vorschläge zur Be-
handlung in objektivster Weise berücksichtigt und neben einander
gestellt. Zu kurz ist nach Ansicht des Ref. das Gelbfieber behandelt.
Wenn man z. B. die ausführliche Darstellung des Streites gelesen hat:
ist die Lepra ansteckend oder nicht, so erwartet man für eine so
wichtige und gemeingefährliche Krankheit wie das Gelbfieber eine
eingehendere Behandlung als ihr der Verf. hat zu Tlicit werden lassen.
Es wäre wünschenswert!! gewesen, wenn das, was wir über den
Infektionsmodus wissen, an einzelnen Beispielen erläutert worden
wäre. Der eigenthümliche Umstand verdient Beachtung, dass das
dicht über Rio de Janeiro gelegene Petropolis gegen Gelbfieber immun
ist, während die vorgenannte Stadt stets von Epidemieen heimgesuchl
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wird. Ferner ist der Umstand erwähnenswerth, dass eine Ansteckung
mit Gelbfieber vorwiegend in der Nacht geschieht. Alle die Deutschen,
die ich 18tM- seiner Zeit in Rio während der fürchterlichen Gelbfieber-
epidemie kennen lernte, arbeiteten am Tage in ihren Geschäften in
der Stadt und fuhren Nachmittags hinauf nach Petropolis *). Alle
blieben gesund und sie führten das darauf zurück, dass sie die Nacht
in Petropolis verbrachten. Ferner kommt bei Gelbfieber eine Ge-
legenheitsursache ganz besonders in Betracht und muss daher be-
sonders hervorgehoben werden. Wenn Unvorsichtigkeit und Sich-
übernehmen beim Essen und Trinken zur Zeit der Epidemie einen
sogenannten tropischen Katzenjammer nach sich zieht, so kommt es
fast regelmässig vor, dass sich daran eine Erkrankung von Gelbfieber
anschliesst. Beim Stellen der DifTerentialdiagnose ist der Umstand
wichtig: ist Eiweiss im Urin oder nicht. Auf diesen Punkt ist dess-
halb so viel Gewicht zu legen, weil selbst während einer aus-
gesprochenen Gelbfieberepidemie sehr viel Fälle unter dem Bilde
eines akuten, fieberhaften Magen- und Qarmkatarrhs beginnen. Sie
sind in den ersten Tagen gar nicht vom Gelbfieber zu unterscheiden.
Ist aber Eiweiss im Urin, so ist der Fall damit sofort als gelbfieber-
verdächtig anzusehen.
Dies wäre die einzige Ausstellung, die Ref. zu machen hätte.
Im übrigen kann ein Buch wie das vorliegende nur mit Freuden
begriisst werden, denn ein solches fehlte bis jetzt in der deutschen
Litteratur. Der angehende SchifTs- oder Colonialarzt war auf eine
Menge von einzelnen Abhandlungen oder auf grosse theure englische
bezw. französische Specialwerke angewiesen, wenn er sich über die
Krankheiten, die ihm in seinem neuen Wirkungskreise entgegentreten,
orientiren wollte. In dem vorliegenden Buche findet der deutsche
Arzt, der in den Tropen thätig sein will, nunmehr einen guten Rathgeber.
II. Intoxicationskrankheiten.
Die Pellagra (am pelle agra, rauhe Haut) ist eine äussersl
chronische, auf den Genuss von verdorbenen Mais zurückzuführende
Intoxieationskrankheit, die hauptsächlich in der Lombardei, ferner in
Südfrankreich und in einigen Provinzen Spaniens beobachtet wird.
Sie verläuft in Anfällen, die meist im Frühjahr eine Verschlimmerung
zeigen. Man unterscheidet 3 Stadien. Im ersten Stadium tritt ein
chronisches Erythem der Haut an den Stellen auf, die den Sonnen-
strahlen ausgesefzt sind, dazu gesellen sich gastro-intestinale Störungen.
Nach einigen Jahren treten cerebro-spinale Symptome auf, die in
Lähmungen — namentlich der unteren Extremitäten — bestehen. Es
können aber auch die oberen Extremitäten ergriffen werden. Dabei
bestehen Paraesthesien, Hemeralopie, Diplopie. Blässe der Haut.
Schliesslich treten psychische Störungen auf. Es wird Melancholie.
Dämonomanie und circuläres Irrsein beobachtet. Dabei besteht
*) Diejenigen, denen das unmöglich war. schliefen trotz der
Hitze Nachts bei geschlossenen Fenstern. Ebenso handelten die
Deutschen in Santos. Sie blieben gesund bis auf den Arzt, den seine
Berufspflichten Nachts oft über Land riefen.
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senium praecox. Die Verdauungsstörungen bestehen tort, es tritt
Kachexie ein und die Kranken sterben an Erschöpfung. Die Dauer
der Pellagra ist sehr verschieden, das Leiden kann sich über 10 — lä
Jabre hinziehen. Die Prognose ist im allgemeinen ungünstig, die
Therapie hat dafür zu sorgen, dass die Kranken eine gesunde und
kräftige Nahrung erhalten.
III. Durch thierische Parasiten verursachte Krankheiten.
1. Die Lungend i st o me n -K ran kh e i t1) wurde ISMO zuerst
von Balz in Japan beobachtet. Die Krankheit kommt hauptsächlich in
Japan, Nordformosa und Korea sowie in Nordamerika vor und besteht
in einem periodischen Bluthusten, bei dem die Kranken wenig herunter
kommen und der durch das distomum pulmonale hervorgerufen wird.
Der Infektionsmodus ist unbekannt, da die Entwicklungsgeschichte des
Parasiten noch unbekannt ist. Die Parasiten werden vorwiegend in
der Lunge in haemorrhagischen Infarkten an der Peripherie des Organs
gefunden, seltner im Gehirn. Im letzteren Fall können sie die Er-
scheinungen eines Hirntumors verursachen und zahlreiche epileptische
Anfälle hervorrufen. Von der Lunge aus bedingen sie Hustenreiz und
einen dicken, zähen, schleimigen Auswurf, der von hellrothcn oder
rothbraunen Punkten und Streifen durchsetzt ist. Die Farbe des Aus-
wurfes rührt theils vom Blut, theils von den Eiern des distomum her.
Die Krankheit kann sich, wenn nur die Lungen befallen sind, über
10 — 20 Jahre hinziehen. Ernst wird die Prognose, sobald das Gehirn
betroffen ist. Um die Krankheit zu verhüten, ist es nöthig, verdächtiges
Wasser nur gekocht zu geniessen und sich des Genusses aller rohen
Nahrungsmittel zu enthalten. Die Therapie ist symptomatisch.
2. Die L e ber d is tom en-K r ankhei t. Me. Connell entdeckte
1874 in Calcutta in der Leber eines an einen schweren Leberleiden
verstorbenen Chinesen des distomum opathulalum, einen schlanken
Wurm von 10 — 13 mm Länge und 2 — 3 mm Breite. Der Wurm fand
sich in der Wand der stark erweiterten Gallengänge und der Gallen-
blase. Er wird hauptsächlich in China und Japan beobachtet und
scheint durch das Trinkwasser in den Körper zu gelangen. Die Leber
schwillt an, wird hart und schmerzhaft, später treten Durchfälle auf
und die Kranken gehen allmählig an Erschöpfung zu Grunde. Das
Leiden kann sich über Jahre hinziehen. Die Therapie ist symptomatisch.
3. Die Bilharzia-Krankheit. Das Distomum haematobium
wurde 1851 von Bilharz in Cairo entdeckt. Es wird in einem grossen
Theile Afrikas, in Arabien und Kleinasien beobachtet. Das D. haemat.
ist ein getrennt-geschlechtlicher Nematode, der aber makroskopisch
weit mehr einem kleinen Hundwurme, gleicht von 12 — 20 mm. Länge.
Seine F.ntwickclungsgeschichte ist zur Zeit noch unbekannt. Das
männliche Geschlecht wird durch ihn weit häutiger als das weibliche
inficirL Als Infektionsmodos wird das Trinken von inficirtem Wasser
und das Baden in solchem Wasser angesehen. Die Inkubationszeit
wird auf 4 Monate angenommen. Die Parasiten finden sich vorwiegend
') Die naturgeschichtlichen Einzelheiten sind im Original ein-
zusehen.
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im Pfortaderblute. Da die Parasiten für Zeit der Geschlechtsreife
in die Venen der Harnblase hinabsteigen und dort ihre Eier ablegen
sollen, so findet man die Harnblase an der Leiche am meisten ver-
ändert. Dabei linden sich oft in der Blase, in den Harnleitern oder im
Nierenbecken Harnsteine, in deren Kernen wiederholt Eier des D.
haemat. nachgewiesen worden sind.
Das hauptsäclilichste Symptom der Bilharzia-Krankheit ist Hae-
maturie, die Anfangs intermiltirend, später andauernd auftritt. Die
Kranken müssen öfters uriniren, ohne aber eigentlich Schmerzen zu
haben, ln vorgeschrittenen Fällen klagen die Kranken über starkes
Drängen und heftige, brennende Schmerzen, die nach dem Damme
und der Lendengegend hin ausstrahlcn. Der Harn erscheint gleich-
massig blutig gefärbt, trübe und alkalisch. Gelegentlich können lilul-
gerinnsel die Harnröhre verstopfen.
In schweren Fällen nehmen Haematurie und Blasenkatarrli zu
und es kommt zur Bildung von Harngries und Harnsteinen. Mastdarm
und weibliche Geschlechtsorgane können auch befallen werden.
Der Verlauf der Krankheit ist chronisch und kann sich über
Jahre hinziehen. Verschwinden der Haematurie ist noch kein Zeichen
für Heilung, oft finden sich trotzdem noch frische Eier in den letzten
Urintropfen. Die Kranken gehen an Erschöpfung, Uraemie oder
pyämischen Zuständen zu Grunde, die sich aus dem chronischen
Blasenleiden entwickelten. Das Leiden ist daher immer als ernst
anzusehen. Die Therapie ist symptomatisch.
4. Die Med ina-Wur m-K rankhei t. (Dracontiasis ') Die Krank-
heit ist schon seit dem Alterthum bekannt und wird in den tropischen
Gegenden Asiens, Afrikas und Amerikas beobachtet. Der Medinawurm
gehört zu den Nematoden. Das reife Weibchen ähnelt in Form und
Aussehen einer Violinseite. Seine Länge beträgt 60 — 80 cm, der
Wohnort des Medinawurms ist das Zellgewebe unter der Haut und
zwischen den Muskeln des Menschen. Die Embryonen des Medina-
wurms bohren sich, wenn sie in's Wasser gelangen, in die Leibeshöhle
eines Siisswassercyklopen ein und wachsen daselbst zu 1 — 1,5 mm
langen Larven aus. Die weitere Entwicklungsgeschichte des Medina-
wurmes ist noch unbekannt. Wahrscheinlich gelangen die Larven
beim Wassertrinken mit ihrem Zwischenwirthe in den Magen des
Menschen und werden in diesem frei. Verf. führt 4 Beispiele an, die
sehr dafür sprechen, dass die Infektion in der Thal auf diese Weise
vor sich geht. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 9 — 12 Monate,
kann aber bis zu 2 Jahren dauern. Der Wurm wird bei allen Rassen
beobachtet. Rüge (Kiel).
Fortsetzung folgt.
Von Sudthausens Sprachführer für die ärztliche und pharma-
zeutische Praxis, (Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Deutsch-Fran-
zösisch) Leipzig 18! Hi, Arthur Georgi, vormals Eduard Besold.
Die handlichen kleinen Bücher werden manchem reisenden
Arzte oder Badeärzte willkommen sein, denn dieselben geben in
') dyaxuvuov Schlange.
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praktischer Anordnung ein Wörterbuch für medieinische Ausdrücke
und Kedewendungen. welche man bisher selbst in grösseren Werken
oft vergebens nachschlug. In dem englischen Führer ist noch die
Aussprache angegeben. Ganz frei von Fehlern und Lücken sind die
Werkchen nicht, die Krankheit „Rotz“ sucht man z. R. in beiden ver-
gebens.
M.
III. Pharmakologische Mittheilungen.
Unter dem Namen Tannofonn bringt die Firma E. Merck-
Darmstadt, das Condensationsprodukt des Formaldehyds und der
Gallussäure in den Mandel, das wegen der dem Formaldehyd, wenn
auch in mildem Grade, eigenen antiseptischen, härtenden und
trocknenden Eigenschaften bei übermässiger Schweisssecretion, sei
es an den Händen, Füssen oder irgendwelchen anderen Körper-
theilen, als wirksames Streupulver sich rasch Eingang ver-
schaffen dürfte. Die bis jetzt selbst gesammelten Erfahrungen be-
stätigen das von Merck gesagte, dass der sich namentlich in den
wärmeren Jahreszeiten wohl oft unangenehm bemerkbar machende
Geruch bei nur leichtem Bepudern mit Tannofonn vollständig ver-
schwindet und die Schweisssecretion nach und nach abnimmt. Gegen
Hyperidrose und Bromidrose ist von allen Autoren, welche sich mit
Tannoform beschäftigt haben, eine spezifische Wirksamkeit beobachtet
worden, ln den Handel wird es lose, als 10°/» Seife und abgepackt
in unter Musterschutz stehenden Pergamentbeuteln gebracht. Aus
Letzteren kann man es vermittels der an einer Ecke angebrachten
Durchbohrung, durch gelinderen Druck aufpudern, eine äussersl hand-
liche Form, die sich bald einführen dürfte.
Nagel.
Das von vielen Seiten warm empfohlene Antidysseiiterlctini von
I>r. Schwarz ist, wie wir auf Wunsch bemerken kein Geheimmittel.
Bestandtheile dieser indischen Pillen sind: Pelletierin. pur. 0.1. Myro-
balan. indic. 7.5, Exlract granat. Extract rosar. aä f.ft. (lumm. arah.
pulverisat 0,75 gr. Eine Nachprüfung der günstigen Resultate bei der
Behandlung der Dysenterie wäre sehr erwünscht. Proben stellt der
Fabrikant Lagemann in Erfurt auf Wunsch Aerzten gern zur Verfügung.
IV. Verschiedenes.
Zur Mitarbeiterschaft am „Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene
u. s. w.“ haben sich ferner bereit erklärt: Prof. Dr. Sanarelli zu
Montevideo, Dr. Filippo Rho, Herausgeber der Annali di medicina
navale zu Rom, Dr. Buschan zu Stettin.
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Unser Mitarbeiter Dr. Däubler beging im Mai dieses Jahres sein
25jähriges Doctorjubiläum. Den grössten Theil dieses Vierteljahrhundcrts
verbrachte D. im Auslande. Zwei Jahre übte er ärztliche Thätigkeit im
Norden Skandinaviens aus, denn er batte die ärztliche Approbation auch
in Norwegen erworben. Das Hauptfeld seines Wirkens waren jedoch
die Tropen. Von dem Fleisse und der Beobachtungsgabe D. zeugen
zahlreiche wissenschaftliche Publikationen über die Rassenphysiologie.
Wundheilung bei den verschiedenen Rassen, Beri-Beri. Lepra u. a.
Augenblicklich widmet sich D. in Berlin vorzugsweise der Blutunter-
suchung und hat sich bereit erklärt, heimkehrende Malariakranke regel-
mässig auf Kiebererrcger zu untersuchen.
Wir wünschen dem eifrigen Mitarbeiter besten Fortgang und
Erfolg seiner Arbeiten.
Für die internationale Conferenz über Schiffs- und Eisenbahn-
hygiene zu Brüssel (ß — H September) sind aus verschiedenen Ländern
bereits Redner angemeldet. Wie der Schriftführer Dr. de Lantsheere.
Brussel, rue de PAssociation 5ß, mitteilt, ist für den 9. September ein
Besuch Antwerpens mit Befahrung der Schelde geplant.
V. Zur Besprechung eingegangene
Bücher und Schriften.
»r. van Dleren, Beri-Beri eene rystv ergi ft iging. Amster-
dam 1897. Scheltema en Holkema.
Modisch Wekhlad voor Noord- en Zuid-Nederland. Nr. 14. Amster-
dam 1897. Scheltema en Holkema.
Dr. Moncorvo, Sur la Malaria infantile et son Traitcment
Paris 1895. Rueff u. Cie.
Dr. Chr. Rasch, Zur geographischen Pathologie Siams.
Sonderabdruck aus „Janus“ Nr. 5. Amsterdam 1897.
Archivos de inedicina Nr. 4. Lissabon 1897. Antiga Casa Bertram.
Annali di niedicina navale Nr. 5 — 6. Rom 1897. G. Bertero.
Dr. A. Poskln, L'Afrique äquatoriale. Bruxelles 1897. Sockte
beige de librairie.
*
*
*
*
*
%
*
a> r. F e il o r P I e s s n e r
V. Kurhaus für Ncrocnleidende. *
Wiesbaden
30. Sonnenbergerstrasse (Parkseite).
Entziehungskuren
von Morphium, Cocain, Alkohol.
*
*
*
*
*
*
J L
I. Originalabhandlungen.
Ueber die gegenwärtige Stellung der Tropenpathologie.
Von Dr. Karl Dil übler.
Bereit« in einem kürzlich erschienenen Aufsatz des
Verfassers*) „über den gegenwärtigen Stand der medicinischen
Tropenforschung“, welcher die Tropenphysiologie und die
Acclimatisationsfrage, also die Grundlagen der eigentlichen
Tropenhygiene, behandelt, wurde ausgeführt, dass der Europäer
in den feuchtheissen Niederungen der Tropenländer sich im
steten Kampfe mit der Hyperthermie, der drohenden Ueber-
hitzung seines Blutes, befinde. Während der pigmentirte
Tropen bewohner, ohne anhaltende und hochgradige Schweiss-
absonderung während angestrengter Arbeit, seine dem Weissen
gleichwerthige. im Organismus producirte Wärme leicht an
die Tropenluft abgiebt, kann der Weisse nur mühsam durch
Haut und Lungen und unter der lebhaftesten Thätigkeit
beider, besonders der Schweissdrüsen, physikalisch seine
Wärmeabgabe besorgen. Hierdurch wird die Herzarbeit und
die der Leber ganz besonders in Anspruch genommen. Fort-
während und in erhöhterem Maasse als ausserhalb der Tropen,
sind auch die übrigen blutbildenden und abspaltenden drüsigen
Organe, Leber und Milz, nicht allein in einem Zustande
von grösserer Blutfülle, sondern wie Verf. mehrfach hervor-
hob, und auch van der Scheer, das ganze Abdomen. Ebenso
tritt bei stärkerer Blutfülle des Gehirns nicht der erquickende,
zu immerhin anstrengendem Schaffen nothwendige Schlaf beim
Europäer ein, die stete hochgradige Schwcissabsondernng und
Verdunstung von der Hautoberfläche mattet den Weissen ab.
Alle diese eine gewisse Schwächung des europäischen Organis-
mus bedingenden Arbeitsleistungen, zwecks physikalischer
Wärmeregulirung, sind es in der Hauptsache, welche für die von
R. Virchow gekennzeichneten und von Glogner**) beim
europäischen Tropenbewohner gefundenen Schwankungen und
geringen Abweichungen von der physiologischen Norm,
speciell des Blutes, verantwortlich gemacht werden müssen.
*) Dänbler, Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 8 und 9.
**) Glogner, Virchow's Archiv, Band 128, 1892.
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Einen solchen Zustand kann man mit R. Virchow als
pathologisch, d. h. als Leben unter veränderten, gefährlichen
Verhältnissen bezeichnen, ohne dass das Individuum dadurch
gerade arbeitsunfähig wird. Es handelt sich hier, ausser um
Veränderungen in der Zahl der Formelemente des Blutes,
wie Verfasser*) durch Messungen nachwies, um eine Ver-
minderung der. rohen Kraft des Europäers, etwa conform
der gesteigerten Arbeitsleistung der Haut und inneren Körper-
organe des weissen Tropen bewohners in der Ruhe und bei
äusserer Arbeit. Ausserdem um eine Verminderung**) der
Wassermenge resp. des specifischen Gewichtes***) des Blutes.
Glogner zeigte, dass sowohl der Ha'emoglobingehalt des
Blutes solcher Europäer, als auch die Zahl der rothen Blut-
körperchen um ein Geringes abgenoramen habe, ein Umstand,
der dazu beiträgt, den Weissen widerstandsloser gegen die
Ausbreitung einer Krankheit in seinem Körper zu machen,
als Mischlinge oder Eingeborene mit normaler Blutbeschaffen-
heit. Aus Glogner’s Blutuntersuchungen in den Tropen ist
zu iolgern, dass auch das einzelne rothe Blutkörperchen des
Eingeborenen mehr Haemoglobin enthält, als das des Weissen,
welcher demnach in jeder Beziehung schlechter gestellt ist,
als der pigmentirte Tropenbewohner, da wir als Maassstab
für Kraft und Gesundheit die Normalzahl von 5*/s Million
rother Blutkörperchen in einem Cubikcentimeter Blut und
den absoluten Haemoglobingehalt von 13 bis 15 Gramm auf
100 Cubikcentimeter Blut annehmen, welche der in den
Tropenniederungen lebende Weisse in seiner Blutflüssigkeit
nicht mehr anfweist.
Bestimmt wissen wir durch Jahrzehnte an grossem
Material fortgesetzte klinische Beobachtungen, dass sowohl
Infectionskrankheitcn, als auch nicht infectiöse Krankheiten,
in den Tropen bei Weissen in anderer Weise, meistens bös-
artiger auftreten und verlaufen, als bei Eingeborenen, welche
wieder zu Krankheiten neigen, von denen der Europäer
weniger ergriffen wird, so von der Beri-Berikrankheit. Wir
wissen ferner, dass bei Weissen in erster Linie die blut-
*) Diiublor, „Grumlzöge der Tropenhygiene“, pag. 7 und 8,
München 1895.
**) Däubler, Berliner klinische Wochenschrift 1888, No. 21.
***) Gryns, Virchow 's Archiv, Bund 139, Heft 1, 1895.
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bereitenden and abspaltendcn Drüsen, die Leber und Milz,
die Nerven und deren Centralorgane, sowie der Blutsaft
selbst, die Pracdileetionsstätten der agressiven Krankheits-
erreger und der krankmachendcn, meteorologischen Einflüsse
der Tropen darstellen, während im gemässigten Klima die
Infectionskeime einer akut verlaufenden Krankheit, z. B. des
Typhus, im Dann, oder bei einer chronischen, w ie Tuberculose,
sich in der Lunge ansiedeln, verweilen, erst in die Lymph-
drüsen und von da aus im Blut sich verbreiten.
Während die durch meteorologische Einflüsse bedingten
Krankheiten in Europa sich gemeinhin als rheumatische
Muskel- und Nervensc.heidentzündungen charakterisiren, oder
als Catarrhc der Athemwerkzeuge, stehen diesen in den Tropen
meistens ganz verschiedenartige Krankheiten, wie biliöse
Catarrhe, Gelbsucht, Leberhyperämie, Magendarmcatarrhe
gegenüber. Wiederum erkennt man, dass die Eingeborenen
in tropischen Gebieten, abweichend davon, mehr an Muskel-
rheumatismen, Luftröhrencatarrhen erkranken, als der Weisse.
Dieses gilt absolut für die Tropenniederungen; im Höhen-
klima, wo der Europäer bei leichterer, physikalischer Wärme-
abgabe an die trocknere, kühlere Höhenluft normaler
functionirt, zeigt sich der Eingeborene nicht so widerstands-
fähig gegen die dort wirkenden Schädlichkeiten, als in der
Ebene.
Wir haben es demnach in den Tropen mit einem ganz
anderen und wieder unter sich verschiedenartigen Kranken
material zu thun, als in Europa, mit Rassenunterschieden,
woraus entweder eine gewisse Immunität für bestimmte
Krankheitsursachen entspringt, oder eine verschiedene Reaction
auf ein und dieselben Krankheitserreger. So sind die Tamils*)
von der Westküste Indiens fast immun von Malaria, die Be-
wohner der Ostküste nicht, auch andere Stämme der Westküste
haben nicht den hohen gleichen Grad dieser Immunität. So
erkranken Chinesen leichter an bösartiger Malaria, Dysenterie
und Leberkrankheiten, als Malayen und Neger. Wir haben
es ferner in den Tropenniederungen mit einer physiologischen
Veränderung des Europäers zu thun, welche sich der
pathologischen Seite zuneigt und welche eine Abschwächung
*) Martin, Aerztliche Erfahrungen Uber die Malaria der Tropen-
länder. München 1889.
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298
seiner vitalen Energie bedeutet, die aber bei den verschiedenen
Individuen, je nach ihrer Constitution und nach Dauer ihres
Tropenaufenthaltes, verschieden bemessen werden muss, denn je
länger der Europäer in den Tropenkttsten sich auf hält, desto
mehr nimmt der Haemoglobingehalt seines Blutes ab, desto
empfindlicher wird er gegen Witterungseinflüsse.
In der neuesten Zeit vorgenommene und bestätigte Unter-
suchungen von Roux*), Orgeas**), Buschan ***) Plehn ****)
und Andere setzen uns in den Stand, solche Regeln auf-
zustellen. Sehematisirend darf darnach die Behandlung des
TropenarztcB niemals werden.
Solche neu gewonnenen fundamentalen Kenntnisse be-
fähigen uns, zwei für die Tropenpathologie in Betracht
kommende Fragen aufzuwerfen und zu beantworten.
Diese Fragon lauten: Warum kann man von einer
Tropenpathologie sprechen und welche Grundsätze sind im
Vergleich zur Pathologie der gemässigten Zone in der Tropen-
patliologie hervorzuheben und zu beachten.
Um in die Beantwortung Thatsächliches, Belehrendes
einzuflechtelt und zur genaueren Begründung, müssen wir, von
den entwickelten Grundansebauungen ausgehend, weiter aus-
holen und dabei auf charakteristische Tropenkrankheiten hin-
deuten, so dass ihre Eigenart und ihr Vorkommen in den
verschiedenen Ländern des Tropengürtels hervortritt.
Der europäische Pathologe hat sich auch sein Kranken-
material einzutheilen und zu individualisircn, sowohl in Bezug
auf die Prognose und Behandlung, als auch, um sich vor-
zustellen, ob der Krankheitsprocess hier oder dort grössere
oder geringere Dimensionen annimmt. Er beobachtet den
Kräftezustand des Individuums, seine Besehäftigungs- und
Lebensweise, auch den Zustand seiner noch nicht erkrankten
Organe, und zieht daraus seine Schlüsse. Ucbrigens aber
kennt er für den gesunden Menschen, den Weissen, an welchem
*) Roux, Traite pratique des maladios deB pays chauds. Paris 1889.
**) Orgeas, La pathologie des races humaiues. Paria 1887.
***) Buschan, KinflusB der Rasse auf die Form und Häufigkeit
pathologischer Veränderungen. Globus, Band 67, No. 2 bis 5.
****) Plehn, Beitrag zur Pathologie der Tropen. Virchow’s Archiv,
Band 129.
Plehn, Die Pathologie Kameruns. Virchow's Archiv, Band 139,
Heft 3, 1895.
• 299
ausschliesslich bei uns nur Untersuchungen ausgeführt
wurden, bestimmte, für Europa geltende Normen, und ist
gewohnt, sich vorzustcllen, dass der vorhin gesunde Mensch
gleiches Blut und Kraft besitzt, als andere seines Standes,
und dass seine Organe in gleicher Weise functionircn. Dass
aber im Tropenklima auf einen anderen Boden versetzte
Europäer sich functionell ungleich untereinander verhalten,
auch in Bezug auf Höhen- und Flachland resp. Küstenklima
und bei ihnen die bekannten physiologischen Normen labiler
werden, diese Verhältnisse hat er in Europa nicht zu berück-
sichtigen, ja, er kennt sie überhaupt nicht. Rasseneigen- •-
thümlichkeiten der pigmentirten Tropenbewohner, ihre von
der unBrigen verschiedene Physiologie, ihre Empfänglichkeit
für Tropenkrankheiten, ihre eigenartige Symptomatologie, ihre
Immunität gegen einzelne Krankheiten, und auf der anderen
Seite ihre geringere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten,
für welche wiederum, wie schon angegeben, der Europäer
wenig inclinirt, kennt er ebensowenig. Wir werden dadurch
auf einzelne Krankheiten zugleich hingewiesen. Schon die
tropische Enteritis hat, wie unsere Untersuchungen’'') lehren, einen
anderen Charakter, als eine Enteritis in Europa oder über-
haupt ausserhalb eines Landes, worin keine Tropeneinflüsse sich
geltend machen. Man beobachtet ihn als Massenerkrankung
beim Wechsel der Jahreszeiten oder beim Eintritt der
Monsune, am Meisten in Ostindien, dort wieder mehr auf
dem ostindischen Archipel, als auf dem Festlande, dann in
den Hochländern Westafrikas, am Congo und im Sambesidelta.
In Südamerika erfolgen Erkrankungen en masse nicht in so
auffallender Weise. Weissc erkranken mehr und schwerer, als
Schwarze. Die tropische Enteritis, welche sich durch Appetit-
losigkeit, Erbrechen gallig gefärbter Massen, Durchiällc,
grossem Durstgefühl, Fieber äussert und sich durch längere
Dauer und Intensität von der gleichen Krankheit in Europa
unterscheidet, geht, ebenfalls eine Besonderheit der Tropen,
mit Leberschwellung und Hyperaemic *) **) der Baucheingeweide
*) D&nbler, Grundzüge der Tropenhygiene, München 1895, und
Vortrag in der orientalischen Gesellschaft zu Berlin 1890 und Tropen-
krankheiten in Prof. Wasche's Bibliothek der gesummten Heilkunde
1896.
**) van der Scheer, Virchow’s Archiv, Band 131.
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300
einher. Während in Europa selten ein Erwachsener an
Enteritis stirbt, ist es häufiger in den Tropen der Fall, wo
man bei Sectionen die sccnndäre Leberentzündung constatiren
kann, zuweilen findet man auch kleine Abacesse im Blind-
darm. Der Catarrh wird leicht chronisch und deeimirt die
Kräfte des Weissen. Europäer, welche länger in den Tropen
lebten und dort Enteritis acquirirten, besonders indische
Colonisten, Beamte und Militärs, leiden noch später in Europa
an chronischem Catarrh und zuweilen blutigem Stuhl lebens-
länglich. Tropische Dysenterie und Enteritis unterscheiden
sich dem wirklichen Tropenarzt so, dass ein Irrthum aus-
geschlossen ist, noch dazu auch die mikroskopische Unter-
suchung entscheidet. In Ostindien ist auch die Dysenterie
in Orten, wo Europäer wohnen und artesische Brunnen vor-
handen sind, fast verschwunden. Eingeborene leiden nicht
so häufig an Enteritis und genesen leicht nach wenigen Tagen.
AVir ersehen daraus, dass eine und dieselbe. Krankheit
hier wie dort verschieden auftritt, sei es eine durch organische
Krankheitserreger bedingte oder nicht, und sie trifft auf ver-
schieden empfängliche Individuen. Selbst dem Europäer fehlt
seine sonst grosse Empfänglichkeit zu Typhus abdominalis in
den Tropen, oder sie ist doch sehr herabgesestzt, denn der
Unterleibstyphus zeigt in den Tropen nur geringe Tendenz*)
sich auszubreiten, und die wenigen zur Beobachtung ge-
langenden reinen Typhusfälle sind von Schiffen**) aus ein-
geschleppt. Typhus verläuft milde und ungefährlich in den
Tropen. Wir suchen den Grund dieser Veränderungen in
dem von anderen Klimaten verschiedenen oder veränderten
tropischen Nährboden, worauf wir noch zurückkommen, wir
stehen ferner, gemäss unserer Forschungsresultate der neuesten
Zeit auf dem Standpunkte, dass wir die sich in den Tropen-
ländern andersartig zeigenden Krankheiten , welche auch
ausserhalb der AVendekreise Vorkommen, als durch die Tropen
beeinflusst uns vorstellen müssen. Krankheitsformen aber,
welche nur den Tropen eigen sind, dürfen nicht mit ähn-
lichen etwa in den Subtropen oder südlichen Ländern vor-
kommenden kurzweg zusammengeworfen werden. Auch
*) Eykmann, Fiebip, Haga, Genecsknndig tydechrift voor Ned.-
lndic 1892, 1893, 1895.
**) Hirsch, Historisch-geographische Pathologie 1880.
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Scheube*) scheidet in seinem Werke die Krankheiten der
warmen Länder ersichtlich von denen der Tropen ah, und
besprichtauch tropische Krankheitsformen. Alle dieseUmstände
berechtigen dazu, die Tropen pathologie als etwas Eigenartiges
hinzustellen und sie natürlich im Rahmen der allgemeinen
Pathologie von der Pathologie der nicht tropischen Länder
wenigstens abzuzweigen. Es gehören zur Tropenpathologie
besondere Kenntnisse und Erfahrungen, weiche dem europä-
ischen Pathologen fremd sind und welche nur in den Tropen
selbst erworben werden können.
Nun kommt noch hinzu, dass es in den Tropen eigene,
hier bei uns unbekannte Krankheiten giebt, und dass auch
ein und dasselbe Krankheitsgift sich hier wie dort biologisch
anders verhält, wodurch verschiedenartige Krankheitszustände
und Symptome entstehen. Da6 Bild wird dadurch allerdings
complicirter, wir können aber diese thatsächlichen Verhält-
nisse nicht so weit vereinfachen, dass die Pathologie und
die Hygiene der Tropen mit der hiesigen idcntiticirt werden
kann, wenn auch alle Forschungsmethoden hier wie dort
die gleichen sind und sein müssen, so, dass sie tropischen
Verhältnissen gemäss angewandt werden.
Schon bei der in den Tropen am meisten verbreiteten
Krankheit, der tropischen Malaria, tritt dieses hervor.
Der Name tropische Malaria besteht in der Tropen-
pathologie völlig zu Recht, er hat sich gerade in der Neu-
zeit, nach den in den Tropenläudern angestellten aetiologisch-
klinischen Untersuchungen noch mehr herausgebildet. Wie
van der Scheer**), Plehn***), F. Eyknmu*t) und eine Reihe
anderer Forscher zeigten, sieht man im Blute Malariakranker
in den Tropen allerdings ähnliche oder auch dieselben Parasiten-
formen als in Italien, bei den pernieiüsen Fiebern kleine,
wenig oder gar nicht pigmentirte Amröben. Wie aus Ver
fasser's neuesten Untersuchungen an ostindischem Kranken-
material hervorgeht, sind die Kameruner und ostindischen
*) Schenbe, Die Krankheiten der warmen Länder. Jena 1896.
**) van der Scheer, Geneeskundig tydBchrift vor Ned. Indiö
XXX., 1891.
***) F. Plehn, Deutsche medicinische Wochenschrift, No. 26, 26, 27.
*t) Eykinan, Arbeiten aus dem bacteriologischen Laboratorium
zu Welte vreden 1892.
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302
Parasiten gar nicht unterschieden. Ein anderer Forscher
identifieirt sie mit den italienischen. Specielle Publikationen
stehen bevor. Diese Malariaamöbe, welche wir bei ihrem
steten Vorkommen und ihrer mikroskopisch beobachteten
Vermehrung durch Sporenbildung im Blute als die Ursache
der Malariatieber anzusehen gewohnt sind, zeigt trotz
mancher formalen Uebereinstimmung in den Tropen und
ausserhalb derselben doch biologisch in den Tropen sehr
grosse und wichtige Unterschiede. A. Plehn war es, der
jüngst in Frankfurt a. Main in der Section für Tropen-
hygiene auf dieses Factum ganz besonders hinwies. A. Plehn*)
fand in Kamerun bei Wessen, dass stets zwei Generationen
von Parasiten zuerst im Blut erschienen und dementsprechend
stets zwei Fieberanfälle kurz hintereinander erfolgten, welche
Chiniu nicht auf halten kann und wodurch der Fiebertypus
ein anderer wird oder gar kein bestimmter Typus mehr zu
bemerken ist. Aehnliches wurde in Ostindien beobachtet.
Diese Beobachtung ist vom Verf. sowohl, wie von Anderen,
anderswo in- und ausserhalb der Tropen auch gemacht, auch
von Golgi in Italien. Aus den bestätigten Untersuchungen
van der Scheers geht hervor, dass die kleinen schwach pig-
mentirten Formen von Malariaparasiten in den Tropen sehr
verbreitet sind. In Italien kommen sie bei pernieiösen Fiebern
auch vor, sie überschreiten, wie van der Scheer meint, nicht
einen gewissen Breitegrad. Van der Scheer unterscheidet
in Ostindien nur die grossen und kleinen Formen. Während
aber die grossen in Italien Quartan- und Tertianfieber er-
zeugen, in dem ihre Sporulntion in dem betreffenden Zeit-
raum erfolgt und damit die Bildung von Toxinen, sowie der
Angriff der Sporen auf die Blutkörperchen, ist dieses in den
Tropen nicht der Fall. Vielmehr sind die Fieber g.hnz un-
regelmässig, oft remittirend, auch bei den nach Europa Zu-
rückgekehrten, von denen Verf. jetzt im Auslande Hinderte
untersuchte. A. Plehn ’s und van der Scheer ’s Beobachtungen,
welche aber durchaus nicht neu sind und gewisse« Ab-
weichungen bieten, haben doch Gemeinsames und geben
einem wichtigen Gesetze für die eigene Biologie der
Malariaparasiten in den Tropen eine Unterlage. ' Die
*) A. Plehn, Die tropische Malaria in Kamerun. Berlin 1$®
(Aug. Hirschwald}. .
I
i
1
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Sporulation dieser grossen Parasiten, welche hauptsächlich
ausserhalb der Wendekreise verbreitet sind, geht verschieden-
artig vor sich, denn bei ihrer Anwesenheit im Blut wird meistens
von vorn herein Quotitidianfieber beobachtet, sonst wohl
einmal der Rythmus der Tertiana oder Quartana, darnach
aber stets Quotidiana. Auch dieser Typus verliert sieh
bald, schon nach einigen Wochen verschwindet er, längere
Intervallen, von drei Tagen bis zu mehreren Wochen, treten
auf und das Fieber wird völlig unregelmässig, atypisch.
Die kleinen Malariaparasiten oder Plasmodien finden
sich in den Tropen bei den quotidianen Malariafiebern, sowie
bei allen malignen Formen der Malaria, so bei dem pemi-
ciösen Malariafieber mit Complicationen, wie Malariapneumonie,
Leber- und Nierenentzündungen, embolischen Processen und
Herzthrombosen, sowie bei den rcmittirenden, lange anhalten-
den Fiebern und den ganz unregelmässigen, oben erwähnten
Fieberformen. Die quotidianen Fieber kamen am meisten
in Ostindien vor, daneben alle anderen, aber die Regel bilden
die quotidianen, welche im Allgemeinen nicht so bösartig ver-
laufen , durch entsprechende Behandlung und frühzeitige
Ueberführung der Kranken in das malariafreie Bergklima
oder nach Schiffsanatorien in Heilung übergehen. Auch an
der ostafrikanischen Küste herrschen ähnliche Fieberformen
vor, am meisten die quotidiane, ebenso wie Verfasser beob-
achtete in Südostafrika. In Westafrikn zeigen die. Malaria-
fieber durchgehende einen bösartigeren Charakter. Plehn *)
unterscheidet die Fieber in Kamerun, welche bei den ein-
gebornen Duallas und den importirten Negern auftreten.
Während die ersteren meistens nur einen einzigen, sich nicht
wiederholenden Fieberparoxysmus durchmachen , erkranken
die importirten Neger aus Dahomc, die Kru und Accraleute,
besonders aber die 1894 vom Hauptmann Morgen in Cairo
angeworbenen Sudanesen an bösartigen Fiebern. Die Sudanesen
schienen noch empfänglicher für das Fiebergift zu sein, als
Europäer. Kohlstock behandelte mit Erfolg in Ostafrika die
Fieberkranken mit Sauerstoffinhalationen. Fisch**) berichtet, es
sei an der westafrikanischen Goldküste eine häufig beobachtete
Thatsache, dass die dort zuerst mit regelmässig intermittirendem
*) Fr. Plehn. Virchows Archiv. Band 139.
**) Fisch. Tropische Krankheiten. 2. Auflage. Basel 1894.
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Charakter auftretenden Malariafieber von der Quartana an,
immer grössere freie Intervalle zeigten und darauf ganz
unregelmässig werden. Verfasser machte in Bezug aut die
Unregelmässigkeit der Fieberfällc sowohl in Ostindien als
in Afrika dieselben Erfahrungen, welche in verschiedenen
Arbeiten niedergelegt wurden. Die Tertiana erschien darnach
die ungefährlichste Form. Schon durch die hier berührten
Unterschiede der tropischen Malaria von der nicht tropischen
und deren eigenthümlichcn Charakter erhält die sich auch
anderweitig geltend machende Erscheinung, dass in den Tropen
und durch Tropeneinflüsse sowohl Krankheitserreger, als
Krankheitsprocesse im Körper der Tropenbewohner, sieh von
den gleichbenannten Krankheiten ausserhalb der Tropenzone
unterscheiden, eine Stütze. Noch schärfer wird dieser Unter-
schied, als die sich bei den Tropenpathologen bahnbrechende
Ansicht der Verschiedenheit des tropischen Nährbodens und
der damit verbundenen Entwicklung pathogener tropischer Mi-
kroben, auch durch neuerliche Untersuchungen, worauf schon
hingedeutet wurde, praecisirt werden dürften. F. Plehn war
es, welcher beim westafrikanischen Schwarzwasserfieber, einer
haemoglobiuurischen Malariaform, event. mit urämischen Er-
scheinungen, kleine Amöben fand. Diese Amöben unterscheiden
sich durch ihre völlige Pigmentlosigkcit von solchen in allen
anderen Ländern und durch eine gewisse Resistenz gegen Farb-
stoffe. «Sie werden nach Chinin nicht in ihrer Vermehrung durch
Sporulation verhindert, wie man es sonst unter dem Mikroskop
am lebenden Blut mit Chininzusatz sehen kann, und haben
eine ausgesprochene Tendenz das Blut resp. die rothen Blut-
körperchen zu zerstören. Plehn,*) welcher die Unterschiede
in der Aetiologie der Tropenkrankheiten gegenüber denen
nicht tropischer Länder im Auge behält, ist soweit in seinen
Studien vorgeschritten, dass er in seiner Erwiderung auf
Bclows**) Schvift „Schwarzwasserfieber ist Gelbfieber“ unbe-
stritten sagen konnte: „Wir haben gewichtige Gründe für
die Annahme, dass die ausserordentliche Verschiedenheit der
klinischen Erscheinungen, des Fieber Verlaufes, wie der Be-
einflussung von Chinin bei den verschiedenen Formen der
*) F. Plehn. Deutsche Meilicinische Wochenschrift Nr. 30. 1895.
**) Below. Medicinische Centralzeitung Nr. 44. 1895.
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tropischen Malaria darin ihre Ursache hat, dass dieselben
durch verschiedene Formen von Parasiten hervorgerufen wird.“
Durch spätere, bevorstehende Abhandlungen, werden
allerdings specielle morphologische Verhältnisse der tropischen
Maiariaparasiten und der hiesigen sich anders darstellen, im
Grossen Ganzen aber wird der Unterschied zwischen Nord-
europa und den Tropen besonders in die Augen fallen.
Schon a priori dürften wir hiernach folgern, dass wenn
dieselbe Krankheit, durch dieselbe Art niederster Lebewesen
verursacht, in den Tropen unter anderen und bösartigen
Symptomen auftritt und dass, wenn diese Lebewesen von
einander hier und dort, in formalerund besonders biologischer
Beziehung variiren, auch ihr Nährboden, ihr Milieu in den
Tropen verschieden von dem unsrigen sein müsse, denn nur
der Nährboden und die meteorischen Verhältnisse begünstigen
oder beeinträchtigen die Entwicklung bei Pflanzen und
Thieren. Beide auch werden dadurch verändert, besonders
die Pflanzen. Eine eigentümliche Beobachtung der neuesten
Zeit ist es auch, dass die Malariaparasiten im Blute von
Malariakranken, welche aus den Tropen kamen und in Europa
Aufenthalt nahmen, hier den unsrigen in Bezug auf Pigment-
bildung ähnlicher wurden und auch gewöhnliche Wechsel-
tieberanfülle nuslösten.
Fragen wir uns hiernach, welche Grundsätze die Tropen-
pathologie im Gegensatz zu der europäischen hervorzuheben
hat, so wäre in aetiologischcr Beziehung, in erster Linie für
Infectionskrankheiten der veränderte Nährboden der Tropen
zu beachten und daraus nicht nur die formale und biologische
Veränderung der Infectionskeime und des Krankheitsprocesses
abzuleiten, sondern auch die Entstehung von pathogenen
Mikroben und deren Toxinen, welche in den Tropen selbst
entstehen und dort als Krankheitserreger wirken können,
während sie in kälterem Klima unwirksamer werden. So sehen
wir, dass das Gelbfieber im heissen Sommer durch Schiffe in sub-
tropische Gegenden und bis nach Spanien verschleppt wurde,
hier allerdings milde verlief, keine so bedeutende Tendenz zur
Weiterverbreitung zeigte als im tropischen Südamerika und
im Winter völlig erlosch. Das Krankheitsgift muss demnach
andere Nährböden und anderes Klima haben, um seine Virulenz
zu erhalten, als sie sich ausserhalb der Tropen vorfinden, selbst
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im Sommer schwächt es sich ausserhalb der Tropenländer
schon ab. Ebenso zeigt es sich bei der Beri-Berikrankheit,
dass sie sich nur in den Tropen und in milderer Form auch
in Japan vorfindet, während eine Uebertragung nach anderen
aussertropischen Ländern niemals stattfand.
Für den Tropen pathologen gilt es nach der Erwerbung
solcher Kenntnisse als Grundsatz, dass bei einem keim-
fähigeren Nährboden, im Tropenklima, bei verschieden wider-
standsfähiger Blutflüssigkeit und Nerven und bei durch das
Klima geschwächten Europäern, in passender Weise und los-
gelöst vom europäischen Schema, sowohl dem Krankheitsgift,
als den einzelnen bedrohlichen Symptomen entgegengearbeitet
werden müsse. Vor Allem gilt es, den schädlichen Einfluss
des Klimas zu lindern, indem man den Europäer und den
importirten Schwarzen in schweren Erkrankungsfällen, unge-
säumt von der Tiefebene fort, entweder auf Krankenschiffe,
weit ab von der Küste, oder besser noch nach den Gebirgs-
spitälern sendet, wie es jetzt in englischen und niederländischen
Colonien mit glänzendem Erfolge geschieht. Krankenhäuser
werden, auch in Rücksicht auf meine Vorschläge, principiell
von der niederländischen Regierung nicht mehr in der Tief-
ebene angelegt.
In fundamentaler Richtung müssen auch die degene-
rativen Processe im Leben des weiblichen Organismus, vor-
züglich bei Weissen , aber auch bei Schwarzen , beachtet
werden. Die Frauen altern frühzeitig in den Tropen, die
Ovulation tritt früher ein, als in unseren Breiten, die Blüthe-
periode ist kurz. Es ist ferner bei der Beurtheilung des
Krankheitszustandes und der zu erwartenden Ausbreitung
der Krankheit im Körper in Rechnung zu ziehen, in welcher
Altersstufe die Frau ergriffen wird und wie weit ihre
geschlechtliche Entwicklung gelangte.
Bei nicht infectiösen Krankheiten sind als Abweichungen
von den europäischen Verhältnissen, welche damit im ursäch-
lichen Zusammenhang stehen, besonders in Betracht zu ziehen
das Tropenklima, die veränderte Lebensweise des Europäers,
wie die uns gänzlich fremde der Eingebomen und endlich
der verschiedenartige Ablauf der Lebensprocesse im Organis-
mus der Tropenbewohner, deren Messungen in ihren Resul-
taten bisher unvollkommen blieben.
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Diese hier akizzirten Grundsätze und fundamentalen
Principien der Tropenpathologie, welche noch des Weiteraus-
baues bedürfen, setzen uns in den Stand, die einzelnen Krank-
heiten in den Tropenländern hiernach zu bemessen und sie
gleichsam als Beispiele in dem grossen Rahmen der Tropen-
pathologie erscheinen zu lassen, in denen sich das vorhin
Ausgeführte wiederholt uns wie ein rother Faden wiederfindet.
Als Tropenkrankheiten sui generis werden ausser
der tropischen Malaria und ihren Folgen angesehen, Ainhuni,
Aphthae tropicae , Beri-Beri , Dengue , Dysenteria tropica ,
die Filariakrankheiten, welche auch in subtropischen Gebieten
herrschen, Framboesia tropica oder Yaws, Gelbfieber,
die tropischen Leberkrankheiten und Leberabscesse , deren
Ursprung jetzt in der Mehrzahl der Fälle auf die Ein-
wanderung der mit Eiterkokken beladenen Dysenterieamöbe
in die Leber zurückgeführt wird, sowie die hier geschilderten
tropischen Malariaformen.
Ainhum, eine Krankheit, bei welcher an den kleinen
Zehen gangränöse Geschwüre entstehen, welche zur Abstossung
der Glieder führen, kommt besonders bei Negern vor, an
der afrikanischen Westküste, im Sudan am Sambesi und am
Limpopo. In Südamerika wurde die Krankheit in Brasilien
und Buenos-Ayres, sowie auf den Antillen beobachtet. Die
Krankheit scheint erblich zu sein , tritt häufig in den
angeführten Ländern auf, scheint aber Verfasser einer Art
von tropischem Phagedaenismus zu sein , welcher in den
Grundzügen der Tropenhygiene, München 1895, genau be-
schrieben wurde.
Aphthae tropicae stellen eine, wahrscheinlich durch
Spaltpilze bedingte Erkrankung des Magendarmkanals, der
Mundhöhle und des Rachens dar, an welche sich Leber-
verkleinerung anschliesst und die, wenn sie nicht im ersten
Stadium erkannt wird, bei Europäern, welche fast nur davon
ergriffen werden, im Tropenklima, unheilbar ist. Im
ersten Stadium erkennt der Eingeweihte bereits den charak-
teristischen Schwund der Zungenpapillen, die Zunge sieht
aus wie rohes Fleisch, der Magen verdaut die Speisen nicht
mehr, die Leber sondert weniger Galle ab, wodurch der
Stuhlgang hellgelb wird, der Magen wölbt sich bei grosser
Gasanhäufung wie ein Sack vor, häufiges Erbrechen, Diarrhoen
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erschöpfen die Kräfte des Kranken , dem das Schlucken,
selbst von Milch und Wasser, starke Schmerzen im Munde
und Rachen verursacht und der unter grossen Qualen zu
leiden hat. van der Burg*) hat die Krankheit am ausführ-
lichsten beschrieben, sie kommt besonders in Ostindien vor,
auch in Südamerika und dem tropischen Theile Chinas.
Die Beri-Berikrankheit, wurde in dieser Zeitschrift schon
eingehend besprochen.
Es wäre unmöglich , hier eine Beschreibung aller
Tropenkrankheiten zu geben, wir müssen uns dieses versagen,
vielmehr könnte man in einer geographisch-medicinischen
Zeitschrilt die im tropischen Theile eines Erdtheils z. B. Afrika
vorkoinmenden Krankheiten denen anderer Erdthcile gegen-
überstellen und kurz beschreiben. Immer aber ist es für den
medicinischen Geographen nöthig, sich ein Verständniss und
einen Ueberblick von der Tropenpathologie, wie sie heute,
gemäss dem gegenwärtigen Stande der medicinischen Tropen-
forschung, erscheint, zu erwerben.
Ausser den bereits angeführten Krankheiten kommen
in den Tropen eigen thümliche Arten von Geisteskrankheiten
vor. Wir wissen, dass nicht nur die Civilisation Geistes-
störungen bedingt. So kommen bei pigmentirten Tropen-
bewohnern ausser den bei uns bekannten Geistesstörungen,
welche in den Tropen bei Europäern recht häufig auftreten,
vor, die Latah, wobei die Kranken in Bezug auf Willens-
äusserungen sich in einem Zustande von Hypnose befinden.
Dann das bekannte Amoklaufen, ein maniakalischer Zustand,
auch die Mataglab, eine Art von Paranoia mit Gesichts-
täuschungen. Einzelne Hautkrankheiten , welche weniger
bekamt sein dürften, mögen genannt werden, so Koerab und
Thrombidium Bomeense, in Indien sehr verbreitet, Krank-
heiten, welche die Oberhaut stark desodorisiren und dem
Kranken unerträgliches Jucken und Schmerzen bereiten.
Vergiftungen durch Früchte, durch Pfeilgifte und
Schlangenbisse muss der practische Arzt nach vorhergehendem,
theoretischem Unterricht hier in den Tropen selbst erkennen
und behandeln lernen.
*) van der Burg, <le Geneeshoer in Nederlandscb-Indig. Batavia 18$t.
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Ein wissenschaftliches Lehrinstitut mit den nöthigen
Hülfsmitteln und dem jetzt stets vorhandenen Material von
Europäern, welche aus den Tropen zurückkehren und von
Schwarzen aus den Colonien, würde sowohl für die Aus-
breitung von Kenntnissen der Tropenhygiene, wie der geo-
graphischen Mediein unter Aerzten und Geographen am
Platze sein. Möge dieser Aufsatz dazu Anregung geben.
Lepra an der OstkUste Sumatras.
Von
l)r. L. Martin, k. b. Hofrath.
Obwohl ich im Nachstehenden in keiner Weise Neues
für Pathologie und Therapie der in jüngster Zeit frisches
Interesse erregenden und von A. von Bergmann so meister-
haft bearbeiteten Krankheit bieten kann, halte ich mich
doch für berechtigt, meine Erfahrungen den Fachkreisen
mitzutheilen, als einen kleinen, vielleicht aber doch zu ver-
werthenden Baustein zum stolzen Ausbau der geographischen
und pathologischen Sammelforschung, welchen uns ver-
muthlich die im kommenden October zu Berlin abzuhaltende
Lepraconferenz bringen wird. Zudem beziehen sich meine
Mittheilungen auf ein Gebiet, aus welchem bisher über
Lepra keine Daten bekannt geworden sind.
Der holländische Regierungsbezirk (Residentie) Ostküste
von Sumatra (vom Aequator bis zu ungefähr 4,5° N. B.),
wo meine Erfahrungen im Laufe einer 12jährigen Thätig-
keit gesammelt sind, besitzt eine autochthone Bevölkerung,
Malaien reinen Stammes an der Küste und am Unterlaufe
der Flüsse und die noch ab und zu anthropophagen Neigungen
huldigenden Battaks im Binnenlande uud in den eeutrakfa
Bergen. Unter den Malaien, bei denen Fischnahrung sehr
im Vordergründe steht, kommt Lepra, wenn überhaupt, so
höchst selten vor; ich hatte wenigstens keine Gelegenheit,
einen leprösen Malaien zu sehen. Häufiger dagegen findet
man die Krankheit bei den bergbewohnenden Battaks, und es
berichtet uns Hagen (Verhandl. der Batav. Genoot. v. Künsten
en Wetenschappen, 1884), dass es im Dorfe Silalahe auf der
centralen Hochebene viele Lepröse gab, welche man in
Archiv f. Schifft- u. Tropenbygieue. 22
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einem eigenen, kleinen Dorfe isolirt hatte. Also an der
Küste unter einer meist aus Fischern bestehenden und Fisch
essenden Bevölkerung fehlt Lepra, findet sich aber im
bergigen Inneren der Insel, dessen Bewohner wenig an
die Küste kommen und Fische nur in beschränktem Masse
zur Nahrung benutzen — ein nicht zu Gunsten der Hut-
chinson'sehen Theorie sprechendes Factum. Damit stimmen
die Angaben van der Burg’s, der für Sumatra das Vor-
kommen von Lepra auf die Berge localisirt, während von
Bergmann sagt, Lepra käme auf Sumatra hauptsächlich an
der dem Festlande zugewandten Küste vor. Diese Angabe,
eine völlige Unrichtigkeit für die nur von Malaien be-
wohnten Gebiete, findet dennoch eine gewisse Stütze in den
nachstehend mitgetheilten Verhältnissen. Ausser den Ein-
geborenen besteht nämlich an der Ostküste Sumatras noch
eine, numerisch sogar überwiegende, eingewanderte Be-
völkerung, welche durch die dort blühende, äusserst lohnende
und grossartige Arbeitskräfte erfordernde Tabakcultur an-
gezogen worden ist. Dieselbe setzt sich aus Tamils von der
Madrasküste, Javanen aus dem Westen und Norden Javas
und aus Chinesen aus den südlichen Provinzen des himmlischen
Reiches zusammen, sämmtlich Bewohner von notorischen
Lepragebieten. Unter den an Kopfzahl zuletzt kommenden
Tamils finden sich vereinzelte Fälle von Lepra, während
unter den viel zahlreicheren Javanen solche fast gänzlich
fehlen, obwohl gerade die Bergländer im Norden und
Westen Javas nach van der Burg am meisten mit Lepra
inficirt sind und überhaupt das Leiden kein allzu seltenes
ist auf der ungefähr 28000000 Einwohner beherbergenden
Insel, auf welcher nach Schätzung eines Wohlunterrichteten
5000 Lepröse leben mögen. Da aber alle nach der Ost-
küste Sumatras emigrirenden Javanen einer ärztlichen
Prüfung unterworfen sind und diese Prüfung eine ziemlich
strenge ist in Folge des Umstandes, dass sich mehrere,
unter einander in scharfer Concurrenz stehende Firmen mit
der Lieferung der javanischen Kulis befassen, so ist es
leicht erklärlich, dass Lepröse dieselbe nicht zu bestehen
vermögen und somit nicht zur Einwanderung gelangen.
Ganz andere Verhältnisse aber finden wir bei den ein-
gewanderten Chinesen, welche die grosse Mehrzahl aller
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311
Immigranten bilden. Dieselben unterliegen entweder gar
keiner ärztlichen Controle oder werden, wenn sie über die
englischen Hafenstädte der Straits kommen, nur untersucht,
ob sie „fit for fieldlabour“ sind, stehen meist im 3. oder
4. Lebensdecennium und unter ihnen kommt Lepra in einem
relativ hohen Procentsatze vor. Man darf denselben ohne
Uebertreibung auf 1 — 1 ,5 °/0 anschlagen, wenn man dabei
von der folgenden, auch von Hagen als richtig erkannten
Schätzung ausgeht. Der weitaus grösste Theil der nach
Sumatra eingewanderten Chinesen lebt als Kulis auf den
Tabakpflanzungen, deren eine durchschnittlich 400 Kulis
beschäftigt ; cs befinden sich aber auf jeder Pflanzung stets
2 — 3 Kulis mit manifester Lepra, welche ihren Genossen
und auch dem Arzte als Lepröse wohl bekannt sind; man
kann aber ausserdem, wie mich langjährige Erfahrung ge-
lehrt hat, auch mit Sicherheit annehmen, dass auf jeder
Pflanzung fast noch ebenso viele Inficirte mit latenter
Infection oder im Anfangsstadium der Krankheit vorhanden
sind, so dass man 4 — 6 Lepröse in Rechnung setzen muss,
was obigem Procentsatze entspricht. Unter den freien,
nicht auf den Pflanzungen lebenden Chinesen, welche als
Kaufleute, Handwerker, Gemüsegärtner, Schweinezüchter
und Holzarbeiter ihren Unterhalt gewinnen, dürfte ein noch
ungünstigeres Verhältniss bestehen, da sich ja unter ihnen
schon viele Lepröse befinden, welche wegen des Leidens die
Pflanzungen verliessen.
Den Chinesen ist Lepra in ihren beiden Hauptformen
genau als wohlumschriebenes Krankheitsbild bekannt, das
sie Taikoh nennen, und sie sind ohne Ausnahme überzeugt, dass
die Krankheit eine ansteckende ist. Dennoch scheinen sie
eine solche Ansteckung nur wenig zu fürchten, da sie ohne
Scheu mit Leprösen umgehen, mit ihnen zusammen essen
und wohnen, sich von ihnen bedienen lassen und sonst jeden
Verkehr ausüben, wie auch für Partner in Handelsunter-
nehmungen und für Freunde durch Opiumrauchen oder
Päderastie Lepra niemals zum Trennungsgrunde wird. Es
ist möglich und wahrscheinlich, dass die initialen Formen
und die leprösen Geschwüre als solche ilirer Beobachtung
entgehen, was leicht zu verstehen ist, wenn man bedenkt,
dass Lues in allen Formen und Ulcus cruris ungeheuer
5-2*
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312
häufig unter ihnen Vorkommen. Beim Auftreten von
typischen Knoten im Gesicht und besonders an den Ohren
und bei Mutilationen erachten sie aber das Leiden für er-
wiesen, ohne jedoch ihr Benehmen den Kranken gegenüber
zu ändern. Gleiches in Bezug auf Erkennen des Leidens
und Missachten der Ansteckungsgefahr darf auch von den
Javanen gesagt werden. Es ist mir nur eine einzige Aus-
nahme von diesem sorglosen Verhalten bekannt geworden
und handelte es sich hierbei um einen älteren, an Händen
und Füssen verstümmelten Chinesen, mit welchem die zur
gleichen Abtheilung gehörenden Feldkulis nicht mehr ein
Haus bewohnen wollten, so dass der Pflanzer sich ge-
zwungen sah, dem Leprösen, der trotz seines Leidens ein
tüchtiger Arbeiter war, in der Mitte seines Feldes ein
eigenes Häuschen zu bauen. Der von ihm producirte Tabak
ist auf jeden Fall ohne allen Schaden in Europa aufgeraucht
worden, obwohl bei der ausschliesslichen Verwendung des
Sumatratabakes zu Deckblättern, bei der sicheren Be-
schmutzung der Blätter mit wenn auch nur wenig bacillen
haltigem Serum oder Eiter und zuletzt bei der anerkannten
Tenacität des Bacillus die erfolgreiche Infection eines an
den Lippen mit Rhagaden behafteten Rauchers keine ab-
solute Unmöglichkeit gewesen wäre. Mag doch die Infection
so remote Wege mit so vielen Vorbedingungen und so ge-
ringen Chancen einschlagen gerade in jenen Fällen, welche
sich nach den Anticontagionisten mit keiner Infection
erklären lassen.
Jener oben erklärte, hohe Procentsatz an Leprösen
unter den chinesischen Kulis und die damit verbundene,
imminente Gefahr einer ungewünschten Weiterverbreitung
der Krankheit haben die an der Ostküste Sumatras be-
stehende Pflanzervereinigung veranlasst, aus freiwilligen
Beiträgen der Mitglieder ein auf 50 Betten berechnetes
Lepra-Asyl für Chinesen zu gründen, welches am 1. August
1890 zu Medan, der Hauptstadt der Ostküste eröffnet wurde.
Als aber im Jahre 1891 in Folge eines ganz ungewöhnlich tiefen
Preissturzes des Tabaks, des Hauptprodukts der Ostküste, eine
finanzielle Krisis über die Pflanzungen hcreinbrach und auch die
Mittel der PHanzervereinigung bedeutend geringere wurden,
wollte inan mit dem Jahre 1892 die Anstalt wieder schliessen.
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313
Glücklicher Weisse waren die Einsicht der massgebenden
«Stellen sowohl in Regicrungskrcisen als auch unter den
Pflanzern und die warnende Stimme der Presse im Stande,
diesem unheilvollen Entschlüsse noch zur richtigen Zeit
Einhalt zu thun. Dennoch wurden im Jahre 1892 fast
keine Kranken neu aufgenominen und erst 1893, als sich
wieder höhere Tabakspreise einsteilton, konnte die Anstalt
wieder in völligen Betrieb kommen und erfuhr 189ö eine
durch vermehrten Zugang nötliig gewordene Vergrösserung
auf 100 Betten. Es werden selbstverständlich in die Anstalt
nur Kulis jener Pflanzungen aufgenommen, deren Besitzer
durch Beiträge den Bestand des Asyls ermöglichen, wodurch
leider eine volle Wirkung, eine Unschädlichmachung aller
Infectionsqucllen, nicht erzielt wird ; immerhin kann man
meines Erachtens auch diese theilweise Isolirung nicht hoch
genug schätzen. Die im Asyle untergebrachten Leprösen
stehen unter keinem Zwange, sondern können sich durch
einfaches Entfernen der Isolirung entziehen. Da keinerlei
gesetzliche Vorschriften bestehen, so ist an diesem Zustande
nichts zu ändern und bleibt es der Einsicht der Kranken
selbst überlassen, ob sie im Asyle leben wollen oder nicht.
Meist zwingt sie wohl die Misöre des Lebens, die durch das
Leiden bedingte theilweise oder völlige Arbeitsunfähigkeit und
der Abscheu, den sie bei ihrer Umgebung hervorrufen, zum
Aufsuchen des Asyls, wo sie bei bestehender Möglichkeit
zu leichter Arbeit (Flcchtwerk, Gemüsebau) ungehalten
werden. Sie würden in ihrer grossen Mehrheit meiner
Ansicht nach gerne im Asyl verbleiben, wenn hier nicht
die störende Wirkung eines anderen Factors hinzuträte.
Beobachtungen am bisher zur Aufnahme gelangten Materiale
haben ergeben, dass 80°/0 der Kranken Opiumraucher sind.
Da ihnen nun die Anstalt unmöglich das volle, gewünschte,
tägliche Quantum des Genussmittels bieten kann, so werden
sie eben sehr oft durch Opiumhunger zum Verlassen des
Asyls und zum Aufsuchen alter Freunde gezwungen, von
denen sie das nöthige Opium zu erbetteln hoffen. Auch der
Strassenbettel, in dem lepröse Chinesen, gestützt auf ihre
Erscheinung, Meister sind, bringt ihnen häufig rasch das
Ersehnte und macht Ausflüge aus dem Asyl um so ver-
lockender. Man denke sich nur in Europa eine Anstalt,
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314
deren Insassen zu 80 °lt morphiumsüchtig wären — welcher
tägliche Wechsel da wohl constatirt werden müsste ! Im
Uebrigen sahen alle leprösen Kulis, denen ich aus dem von
mir geleiteten Spitale den Eintritt in das Asyl ermöglichte,
diesen als eine Wohlthat an und warteten zur Zeit, da die
Anstalt nur 50 Betten besass, die Candidaten ohne Murren
oft Monate lang, bis endlich für sie der gewünschte Platz
offen kam.
Von der Ostküste Sumatra’s sind mir durch Vermittlung
der Direktion der Deli-Maatschappy mit grosser Bereitwillig-
keit die folgenden, auf das Asyl sich beziehenden Angaben
zur Verfügung gestellt worden , welche sicher nicht ohne
Interesse sind: Vom 1. August 1890 bis zum 31. Dezember
1896 kamen im Asyl die aus der nachstehenden Tabelle er-
sieh tlichtlichen Veränderungen vor:
Aufgenommene
Lepröse
davon
wieder
entlassen
davon
gestorben
davon
weg-
gelaufen
verbleiben
1890
36
—
2
4
29
1891
38
2
15
7
43
1892
1
—
5
8
31
1893
33
—
3
13
48
1894
16
—
4
10
50
1895
25
—
18
7
50
1896
49
1
16
13
69
Summa
197
3
63
62
Die 3 Wiederentlassungen erfolgten wegen Irrthums in
der Diagnose seitens des einsendenden Pflanzers. Für die
63 Todesfälle unter den Insassen des Asyls werden die nach-
stehenden Todesursachen genanut:
Entkräftigung durch Lepra 22\ Melancholie 3
Malaria 13 Cholera 2
Dysenterie 13 Vitium cordis 2
Diarrhoeen 4 Beri-Beri 2
Marasmus senilis .... 2
Es erscheint mir sehr auffallend, dass unter den Todes-
ursachen Selbstmord fehlt. Wenn man weiss, wie leicht und
schnell Chinesen zum Selbstmord schreiten, der oft aus ganz
kleinlichen Gründen unter ihnen sogar epidemisch auftreten
kann, so wird dieser negative Befund noch um so auffallender.
315
Aehnlich wie den Schwindsüchtigen eine grosse Hoffnungs-
freudigkeit bis zum Ende der Krankheit gegeben ist, scheinen
die Leprösen mit einer stoischen Geduld begabt im Ertragen
der vielen Störungen, welche ihr Leiden mit sich bringt.
Die vor ihren Augen und bei ihrem vollen Bewusstsein vor
sich gehenden, irreparablen Zerstörungen ihres Körpers
bringen sie nicht zur Verzweiflung, sondern steigern nur ihre
Geduld, welche sie ruhig auch ohne jede Hoffnung auf
Heilung ihr Schicksal hinnehmen lässt. Die oft so lange,
selbst über Dccennien sich ausdehnende , ruhig ertragene
Dauer des Leidens und das Fehlen von Angaben über Selbst-
mord in der mir zugänglichen Literatur sprechen für diese
Ansicht. Oefters findet man den schwermüthigen Gesichts-
ausdruck der Kranken erwähnt, aber Angaben über die
Psyche derselben fehlen leider überall und steht hier noch
ein weites Gebiet für interessante Beobachtung offen. *)
Von den am 31. Dezember 1896 im Asyl anwesenden
69 Leprösen haben, ehe sie zur Aufnahme in die Anstalt
gelangten,
11
1 Jahr
6
6 Jahre
5
11
Jahre
2
2 Jahre
5
1 n
1
12
n
5
3 „
5
8 n
3
13
V
4
4 „
5
9 ,
2
14
7)
5
5 „
5
io „
3
15
T)
1 16 Jahre
und 1
18 Jahre
an der Ostküstc Sumatras gelebt.
Dieser grossen Zahl von Leprösen und dem in vielen
Fällen so langjährigen Aufenthalte der Inficirten sowie der
oben erwähnten , grossen Sorglosigkeit der Chinesen der
Möglichkeit einer Infection gegenüber entspricht in keiner
Weise — das muss den Anticontagionisten zugestanden wer-
den — die Zahl der sicher beobachteten Infectionen. Um
offen zu sprechen, so verfüge ich bei Chinesen über keine
Beobachtung einer solchen, obwohl mir anamnestische An-
gaben erinnerlich sind, denen zu Folge längeres Schlafen
neben Leprösen, gemeinsames Essen und päderastischer Ver-
kehr beschuldigt werden. Leider jedoch konnte ich bei
meiner damaligen Ueberbeschättigung mit ärztlicher Arbeit
der Sache nicht so nachgehen, wie es gerade hier erforder-
*) Anmerkung siehe Seite 320.
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316
lieh gewesen wäre. Dagegen hatte ich zu meinem Bedauern
Gelegenheit, einen mir seit Jahren bekannten, völlig gesunden
Europäer, Holländer, in dessen Vaterland Lepra zur Zeit
nicht vorkommt, an dem Leiden erkranken zu sehen, und
war in der gewiss peinlichen Lage, ihm als behandelnder
Arzt von dieser, erst nach längeren Zweiteln gewonnenen
Diagnose Mittheilung machen zu müssen.
Patient, Anfang 1889 ein sehr kräftiger, völlig gesunder,
in keiner Weise hereditär belasteter, 31 jähriger Mann befindet
sich seit 10 Jahren in Indien, hat wenig von Malaria zu
leiden gehabt, ist frei von Syphilis geblieben, musste aber
in seiner Stellung als Tabakpflanzer viel und andauernd mit
Chinesen in Berührung kommen.
In den 80er Jahren waren die europäischen Pflanzer an der
Ostküste Sumatra’?; ausnahmslos gezwungon, um unter 100 oder mehr
chinesischen Kulis, unter denen sich viele böse, rowdihafte Elemente
befanden , Ordnung und Disciplin aufrecht zu orhalten , körperliche
Züchtigungen sowohl mit der Hand als auch mit dem spanischen Rohr
anzuwonden. Eine Ohrfeige auf ein lepröses, knotig geschwollenes Ohr
konnte leicht einen der zahllose Bacillen bergenden Knoten tum Platzen
bringen. Die nun mit bacillenhaltigem Seruiii beschmutzte Hand oder
ebensolche Nägel waren sicher leicht im Stande, die Infektion in eine
der kleinen, durch die häufigen Insektenstiche und die stachelige
Pflanzenwelt so zahlreichen Hautverletzungen Uberzubringen — so
stelle ich mir den Modus der Infection vor, der allerdings nur unter
Connivenz von verschiedenen, begünstigenden Momenten möglich ist,
wodurch sich aber gerade die Seltenheit solcher Vorgänge erklärt.
Ganz ähnlich mag es sich mit Luesinfectionen auf nicht venerischem
Wege verhalten, welche auch nur unter ausserge wohnlich günstigen
Verhältnissen zu Stande kommen. Ich hatte täglich mit luetischen
Geschwüren zu thun, täglich zahlreiche harte Schanker von enormer
Grösse zu verbinden , trug eine grosse Zahl von durch luetischen
Initialaffect zur Phimose gekommenen Praeputia's ab und an meinen
Fingern befanden sich häufig Hautverletzungen, ohne mich zu inficiren.
Zwei meiner Coliegen erkrankten aber an Lues insontium durch Nadel-
stich in die Finger beim Nähen der beiden Präputialhlätter nach
Phimosenoperation und kam mir ausserdem noch ein Pflanzer in Be-
handlung, bei dem sich der luetische Initialaffect auf dem Handrücken
befand und die Infection mit grosser Wahrscheinlichkeit von einem
Schlage herzuleiten war.
In den ersten Monaten oben genannten Jahres bemerkte
er auf der Mitte der Stirne einen sich nur sehr langsam
vergrössernden, dunkclrothen, kreisförmigen Fleck, der allen
Mitteln der ihn damals behandelnden Aerzte widerstand. Im
317
Februar 1891 suchte er meine Hilfe auf wegen einer localen
Intoxication des Gesichtes und besonders der Conjunctiven
mit Chrysarobin, das ihm gegen den stets persistirenden Fleck
auf der Stirne verordnet worden war. Auf Umschläge mit
Aqua Goulardi und Aufenthalt im dunklen Räume ginge»)
die Intoxicationserscheinungen rasch zurück, der Fleck blieb
aber völlig der gleiche, war sogar unterdessen (seit 89) grösser
geworden. Ungefähr zweimarkstückgross, zeigte er Ringform
mit blässerem Centrum und kupferrothem, leicht prominentem
Walle. Weder ich noch meine englischen und holländischen
Collegen hatten jemals einen derartigen Initialaifect von Lepra
gesehen und war uns desshalb die Diagnose unmöglich; doch
kam mir die Sache unheimlich vor und rieth ich zur Gxcision.
Patient sah davon ab und liess den Zustand ruhig andauern,
erfreute sich aber auch in jeder Beziehung völliger Gesund-
heit, obwohl eine stetige Grössenzunahme nicht zu verkennen
war, so dass der Fleck im November 1893 von länglich ovaler
Form fast die ganze Mitte der Stirne einnahm und von der
Grenze der behaarten Kopfhaut bis zur Nasenwurzel reichte.
Nun kam cs ohne irgend andere Prodromalerscheinungen zur
typischen Eruption von dunkelrothbraunen Knoten, welche
in sehr verschiedener Grösse sich zuerst am Halse zeigten,
sich aber rasch zerstreut über den ganzen Körper verbreiteten,
selbst die glans penis nicht verschonten, in besonderer Grösse
aber auf dem Rücken und in der Glutaeusgegend auftraten,
wo es auch zu Bildung von grösseren, flächenhaften, schwach
erhabenen Infiltraten kam. Da bezüglich der Diagnose nun
kein Irrthum mehr vorliegen konnte, kam für mich die
schwere Stunde, in welcher ich dem Patienten Aufklärung
über sein Leiden geben musste. Er nahm dieselbe leichter
hin, als ich gedacht hatte. Das initiale Infiltrat hatte also
fast 5 Jahre bestanden, vom Januar 1889 bis zum November
1893, ehe cs zum manifesten Ausbrauch der Krankheit ge-
kommen war. Zur Erhärtung der Diagnose wurden Präparate
der Bacillen hergestellt; zuerst stach ich die Knoten mit
einer Nadel an, konnte aber von den stets mit Blut ver-
unreinigten Strichpräparaten keine deutlichen Bilder erhalten;
später quetschte ich die Knoten mit einer Pincette, wie sie
zum Quetschen von Vaccinepusteln bei Kälbern benützt wird,
und das nunmehr ohne Blutbeimischung reichlich austretende
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318
Serum zeigte unglaubliche Mengen der typischen Bacillen.
Das gleiche Resultat erhielt ich beim Anquetschen der Knoten
an der Ohrmuschel von an tuberöser Form erkrankten
Chinesen. Patient, dem ich die Ohnmacht unserer Therapie
eingestehen musste und dem ich nur zum Verlassen der
Tropen rat-hen konnte, löste sofort seine Verhältnisse, verliess
seine glänzende, reiches Einkommen abwerfende Stellung und
begab sich nach der Stadt Surabaya auf Java, wo damals
ein Dr. A. als Specialist für Lepra einen grossen Zulauf von
Patienten hatte. Auf Erkundigung erfuhr ich, dass die Bc-
handiungsweise des Dr. A. nicht auf Serumtherapie begründet
war, sondern dass er subcutane Injectionen von Carboljodid
in die Infiltrate und Knoten vornahm und so wohl locale
Besserungen, aber wie begreiflich keine Heilungen erzielte.
Von Sumatra nach Surabaya hatte Patient eine mehrtägige
Seereise zurückznlegcn und es wollte ihm, dessen Leiden rasch
im ganzen Lande bekannt wurde, die nach der Ostküste
Sumatra’s fahrende, englische Dampfergesellschaft die Passage
verweigern , obwohl diese Linie anstandslos Luetische und
Tuberculöse und auch zahlreiche lepröse Chinesen transportirt.
Erst nachdem er Zeugnisse von drei Aerzten, einem Eng-
länder, einem Holländer und mir, beigebracht hatte, welche
die Unbedenklichkeit seines Transportes begutachteten, be-
quemte sich der Agent zur Aufnahme unter harten Bedingungen
bezüglich Wäscheersatz und Neuanstrich der Cabine. Patient
blieb 15 Monate unter Behandlung des Dr. A., begab sich
dann nach Europa in seine Heimath und sucht sein Heil zur
Zeit in einer strenge durchgeführten, vegetarianischcn Diät
und in Befolgung der Methode von Louis Kulme. In seinem
letzten Schreiben erwähnt er über seinen derzeitigen Zustand
das Folgende: Das Schreiben fiele ihm schwer wegen Steif-
heit und Gefühllosigkeit der Finger, noch mehr hindere ihn
eine heftig absondernde Conjunctivitis, die allen gewöhnlichen
Mitteln trotze; Gesicht, Hals, Nacken und Füsse seien jedoch
weniger geschwollen und minder schmerzhaft, auch wären
die Drüsenschwellungen zurüekgegangen. Zu erwähnen ist
noch, dass die japanische Haushälterin des Patienten, mit
welcher er schon vor dem manifesten Ausbruche des Leidens
intim zusammen lebte und die ihm auch ohne alle Infections-
furcht treu zur Seite stand, so lange er noch in Ostasien weilte,
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319
völlig gesund blieb. Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr,
den Patienten persönlich zu sehen und zu untersuchen.
Ende 1894 suchte ein zweiter Europäer meine Behand-
lung auf, der sich Autklärung über die Natur seines Leidens
erholen wollte. Auch hier musste ich die Diagnose Lepra
stellen, doch handelte es sich um Lepra nervorum. Patient,
ungefähr 40 Jahre alt, hat viele Jahre auf Java gelebt und
ist in Folge seines Geschäftes (Pferdehandel) viel und nahe
mit eingeborenen Pferdewärtern in Berührung gekommen,
unter denen Lepröse gewesen sind, kann sich aber keiner
bestimmten Infectionsgelegenheit entsinnen. Aeusserlich bietet
er ein völlig normales Aussehen, zeigt aber nach Entkleidung
auf beiden Unterschenkeln und auch im unteren Drittel der
Oberschenkel umfangreiche Stellen von atrophischer Haut,
welche von schwach prominenten, blass rothen, leicht ab-
schuppenden, an Grenzlinien auf Landkarten erinnernden Wällen
umgeben sind. An den Oberschenkeln besteht innerhalb dieser
Linien, an den Unterschenkeln überhaupt Anaesthesie. Ulcera
an den Füssen finden sich nicht. Patient hat auch Lues durch-
gemacht und ist geneigt, sein jetziges Leiden auf diese In-
fection zurückzuführen. Eine vorsichtige, antiluetischc Be-
handlung (Protojoduretpillen und Bepinselung der Linien mit
3% alkoholischer Sublimatlösung) bleibt jedoch erfolglos.
Da ich Anfang 95 Sumatra verlassen musste, konnte ich
leider auch diesen Fall nicht weiter im Auge behalten, doch
übt Patient zur Zeit noch sein Geschäft an der Ostküste
Sumatra’s aus.
In den Jahren 1891 — 1894 inclusive kamen 28 Lepröse
zur Aufnahme in das damals von mir geleitete Spital der
Deli-Maatschappy zu Bindjei, über welches bereits Heft 1
p. 39 dieses Archivs berichtet habe. Von denselben starben
4 an complicirender Malariacachexerie, 3 wurden auf Wunsch
in das oben erwähnte Asyl aufgenommen, während der Rest
nach einem durchschnittlichen Spitalaufenthalte von 48 Tagen
zur Arbeit zurück kehrte. Lepra nervorum war bei weitem
häufiger als Lepra tuberosa. Die bei crsterer Form vor-
kommenden Ulcera und Mutilationen zwangen die Kulis, das
Spital aufzusuchen, während Kranke mit Lepra tuberosa
ruhig bei ihrer Arbeit blieben, wenn der Zustand nicht zu
weit gefordert war. Ulcera leprosa an Händen und Füssen,
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320
besonders auf der Fusssohle über dem Ballen der kleinen
Zehe, seltener am Unterschenkel, Nekrosen von Finger- und
Zehenphalangen und Metatarsalknochen, Peritendinitis leprosa
und Lymphadenitis leprosa finden sich neben der Diagnose
Lepra auf den mir gebliebenen Aufnahmekarten der Kranken
verzeichnet, während Malariacachexie, Dysenterie und Scabies
als Complicationen vorkamen. Die Behandlung war eine den
allgemeinen Grundsätzen der Chirurgie und Antiseptik ent-
sprechende und habe ich in allen Fällen gefunden, dass sich
die Patienten um so besser befanden, je öfter und gründ-
licher die nöthigen chirurgischen Eingriffe an ihnen vollzogen
wurden. In mehreren Fällen von sehr hartnäckigen, tiefen
Geschwüren auf der Fusssohle, welche sich unter der gewöhn-
lichen Behandlung wohl verkleinerten, aber nie ganz zur
Heilung kamen, führte ich die völlige Excision des Ulcus
im Gesuuden mit Abtragung des Geschwürsgrundes aus und
vereinigte die frischen Wundränder durch die Naht. Wenn
dabei die an den Fusssohlen von Barfussgängern so dicke
und schwielige Epidermis genügend weit abgetragen war und
die Operirten sorgfältig das Lager hüteten, trat öfters Heilung
per priinam intentionem ein. Jedoch bei den ersten Geh-
versuchen und auch, sowie die Ränder der Epidermisschwiele
wieder aufeinander stiessen , bildete sich stets wieder ein
Ulcus. In Folge der in den meisten Fällen bestehenden,
tiefgreifenden Anaesthesie ertrugen die Leprösen alle noch
so schmerzhaften , chirurgischen Eingriffe leicht und ohne
Widerstand. Eine in 8 Fällen streng durchgeführte, anti-
luctische Behandlung (Einreibungen und Jodkali) blieb ganz
ohne Erfolg, wie auch während der Tuberculinzeit in 5 Fällen
ausgeführte Einspritzungen mit Tuberculin und Ichthyol inner-
lich und äusserlich keine besseren Resultate ergaben. Zu
erwähnen ist noch, dass für die im Spitale anwesenden
Leprösen eigene Instrumente und Gefasse geführt wurden
und dass ihre Behandlung eist vorgenommen wurde, nach-
dem alle anderen Patienten besorgt waren.
Anmerkung xu Seite 315.
Menge nagt in seinem Vortrage auf der 68. Versammlung der
Aerzte und Naturforscher: „Die Leprösen in Leopoldvillo am Coiigo
waren eine ganz zufriedene in ihr Loos ergebene kleine Gesellschaft;
einer war der ausgesprochene Hofnarr des Negerdorfs.'4 D, Ked.
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321
Der Parasitenbefund bei den Malariafiebern und seine
Verwerthbarkeit für die Erkennnng, Behandlung und
Verhütung der Malariafieber
von Dr. Reinhold Rüge, Marinestabsarzt.
(Fortsetzung.)
Fernerhin rathe ich, nie mit der Unter-
suchung frischer, sondern mit der gefärbter
Präparate zu beginnen. Ob man sieh Trockenpräparate
herstellen oder dem Vorschlag Rosin’s ') folgen will,
ist an sich gleichgültig. Werden solche Vorstudien
in Deutschland gemacht, so kann es sich natürlich nur um
gefärbte Präparate handeln. Denn die Fälle von tropischen
Malariafiebern, die bei uns in der Form von Rückfällen zur
Beobachtung kommen, sind so selten und so zerstreut, dass
sie bei einem methodischen Studium nicht in Betracht kommen
können. Es liegt nun nahe, Blutpräparate Malariafieber-
kranker aus tropischen Gegenden sich schicken zu lassen
und zum Zwecke der Untersuchung hier zu färben. Ich
habe das versucht. Die Herren St. A. Dr. Dr. von Schab,
Schlick und Behrendsen sind so liebenswürdig gewesen,
mir auf meine Bitte Blutpräparate von Malariatieber-
kranken aus Kamerun zu schicken. Ich habe aber diese
Präparate nach den gewöhnlichen Methoden hier nicht färben
können. Sie nahmen keine Farbe mehr an. Es muss irgend
eine chemische Veränderung in dem getrockneten Blute vor
sich gehen.
Es müsste also der Versuch gemacht werden, bereits
in den Tropen gefärbte Präparate in grösseren Mengen nach
hier zu schicken, um das nöthige Material für Studien-
zwecke zu erlangen.
') Rosin setzt dem frischen Präparate einen Tropfen einer
Methylenblau-Kochsalzlösung von 1 : HO 000 zu und saugt durch Flies-
papier diesen Tropfen in das Präparat hinein. Es färben sich dann
die frischen Parasiten sehr viel schneller als die gehärteten und eher
als die weisson Blutkörperchen. Deutsch, mod. W. 1898. S. 1070. —
Bestätigt ist dies in neuester Zeit von Roettger, Deutsch, med. W. 1896
S. 237. Verf. fand diese Lösungen zu diinn und benutzte eine 10 °/0
Methyleublaukochsalzlösung mit sicherem Erfolge.
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322
Dass das Auffinden der tropischen Malariaparasiten
recht schwierig sein kann, wird von allen Autoren1) hervor-
gehoben und dass es Uebung erfordert, zeigt nachstehendes
Ci tat: „Zur Aetiologie der Malariakrankheiten in Kaiser-
Wilhelm-Laud kommend, habe ich dabei das Folgende zu
bemerken: Weder in den rothen Blutscheiben noch auch
frei im Blut habe ich die Marchiafava-Celli 'sehen Plasmodien
auffinden können, ebenso wenig würden solche hierorts im
pathologischen Institut in einer Blutprobe gefunden, welche
mir gelegentlich eines Recidives entnommen wurde, womit
aber natürlicherweise nichts gegen die Bedeutung dieser
Phismodien gesagt werden soll.“ * *)
Ich selbst untersuchte an einem trüben Tage des letzten
Dezembers das Blut eines Kranken, der an einem Rückfall
an Kamerun mal aria litt. Im frischen Präperate konnte
ich keine Parasiten finden. Ich wunderte mich nicht sehr
darüber, denn der Mann war an dem betreffenden Tage
fieberfrei und hatte vor einigen Tagen an Bord Chinin
erhalten. Um so mehr überraschte es mich, als ich dann
im gefärbten Präparat3) die kleinen blauen Ringelchen fand.
*) Grawitz: Ueber Blutuntersuchungon bei ostafrikaniachen
Malariaerkrankungon. Berl. Klin. W. 1892. S. 139. r Jeden Tag aber
waren diese Parasiten so spärlich wie am ersten Tage und auch an
gefärbten Präparaten kostete es mich öfters einen ganzen Vormittag,
ehe ich ein einziges Exemplar auffinden konnte.*1
F. Plehn: lieber das Schwarzwasserfieber an der afrikanischen
Westküste. Deutsch. Med. W. 1895. S. 416. „Erst bei der Unter-
suchung des frischen lebenden Blutes zwischen Paratfinschichten im
Heizkasten zeigt es sich „dass diese Gebilde, welche andernfalls
ausserordentlich leicht auch vom Geübten mit ganz ähnlich aussehenden
hellen Stellen im normalen Blutkörper verwechselt werden können,
sich als Parasiten charakterisirten.“
Ziemann 1. c. S. 663, „Es fanden sich die charakteristischen
kleinen Ringelchen der wenig oder gar nicht pigmentirten Kameruu-
parasiten. Dieselben waren bei der Beobachtung im nativen Präparat
anfangs entgangen.
*) Schellong, Deutsche Med. W. 1889. S. 746.
Fischer konnte bekanntlich weder bei den Kameruner noch an
West-Indischen Malariafiebern 1887 Parasiten nachweisen.
*) Zur Herstellung gefärbter Präparate habe ich nicht mehr das
gewöhnliche Verfahren: Abziehen zweier Deckgläschen aneinander
oder Aufstreichen von Blut mittels Spatels oder Oese benutzt, sondern
das von Jaucso und Uoseuberger angegebene. Nachdem man JOa«t
323
Wenn A. Plehn angiebt, dass sich die kleinen Parasiten des
Schwarzwasserfiebers gar nicht oder nur sehr wenig färben,
so vermuthe ich, dass das Methylenblau, das ihm zur Ver-
fügung stand, in den Tropen gelitten hatte. Mir selbst ist
es vorgekommen, dass ich mit demselben Methylenblau, das
ursprünglich gut gefärbt hatte, kurze Zeit später keinen
einzigen Parasiten mehr färben konnte. Ich suchte die
Schuld zunächst in der Art der Lösung: Alle neu herge-
stellten Lösungen versagten ebenfalls. Die Färbungen ge-
langen aber sofort wieder, als ich neues Methylenblau an-
wenden konnte.
Wenn nun auch, wie aus dem eben Gesagten hervor-
geht, die Untersuchung auf kleine Tropen - Malariaparasiten
unter Umständen recht schwierig ist, so wird man doch
stets im Stande sein, im Laufe eines Vormittages durch ge-
färbte Präparate eine Diagnose bezw. Differentialdiagnose
stellen zu können. Damit ist aber schon viel gewonnen.
Denn es ist nicht möglich, eine derartige Diagnose in so
kurzer Zeit durch die klinische Beobachtung zu stellen. Es
ist aber nöthig, eine Differentialdiagnose rasch stellen zu
den bekannten Vorsichtsmassrogeln einen Tropfen Blut aus der Finger-
kuppe erhalten hat, zieht man die hohe Kante eines Deekgläsehens so an
dem Tropfen entlang, dass an der ganzen Länge dieser Kante und
an der hinteren breiten Fläche des Deckgläschens ein schmaler Blnt-
atreifen haften bleibt. Dies so beschickte Deckgläschen wird sodann
mit der hohen, blutbenetzten Kante auf einen Objektträger derart
aufgeBetzt, dass der schmale, blutige Streifen, der sich auf der breiten
Fläche des Deckglases befindet, nach rechts hinten sieht. Dann wird
das Deckgläscben auf der hohen Kante stehend nach links vorn Uber
den Objektträger geschoben. Auf diese Weise erhält man gleichmässig
ausgebreitete Präparate, ohne die zelligen Elemonte dos Blutes gopresst
zu haben. Ich kann diese Art der Herstellung von Blutpräparaten
sehr empfehlen.
Deckgläschen von der hohen Kante gesehen
.Blutstreifen auf der Hinterfläche
i Objectträger
Der Pfeil giebt die Richtung an, in der das Deckgläschen Uber den
Objeettrüger geschoben werden soll.
Die punktirte Linie zeigt die Stelle an, an der das Deckgläschen zuerst
aufgestellt wurde.
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324
können, sobald man sich in einer Gegend befindet, in der
neben Malariafiebern noch andere ähnliche, aber ansteckende
Krankheiten Vorkommen. Dies ist z. B. regelmässig im
Sommer in Mittel-Amerika und an der Ostküste von Süd-
Amerika der Fall. Hier muss die Differentialdiagnose
zwischen Gelbfieber und Malariafiebcr rasch gestellt werden.
Denn jeder Schiffsarzt, der zur Epidemiezeit in Gelbfieber-
hüfen, in denen auch Malariafieber Vorkommen, wie Rio de
Janeiro oder Santos, gewesen ist, weiss, in welcher Weise
der Arzt um Rath und Vorschläge angegangen wird, sobald
das Gespenst des Gelbfiebers droht und welche Verantwort-
lichkeit ihm zugeschoben wird, wenn sich der erste gelb-
fieberverdächtige Fall an Bord zeigt. Im ersteren Falle soll
der Arzt Verhaltungsnmssregeln angeben, um die Einschleppung
zu verhüten, im letzteren Falle drängt Alles darauf hin, zu
erfahren, ob der verdächtige Fall Gelbfieber ist oder nicht.
Wie soll sich da der Arzt, der zum ersten Mal an solche
Plätze kommt, helfen ? Im ersten Punkt wird er sich leicht
zurecht finden: er wird geeignete Absperrungsmassregeln
treffen, so weit es die Verhältnisse zulassen. Aber im zweiten
Punkte wird er meist rathlos sein, denn auf der Universität
hat er von Gelbfieber ebenso wenig zu sehen bekommen als
von tropischen Malariafiebern. Nun giebt es zwar Bücher,
in denen der Verlauf des Gelbfiebers geschildert wird, aber
alle die Autoren stimmen darin überein, dass Gelbfieber in
seinen Anfangsstadien von Malariafiebern und anderen fieber-
haften Krankheiten nicht zu unterscheiden ist. Es kommt
aber begreiflicherweise eben darauf an, den Fall sofort zu
erkennen. Ist nun der betreffende Arzt mit der Unter-
suchung auf Malariaparasitcn vertraut, so wird er bald eine
Differentialdiagnose stellen können. In ähnlicher Weise wird
ihm die Blutuntersuchung helfen, wenn es sich darum handelt,
festzustellen, ob es sich um eine algide Form des Malaria-
fiebers oder um cholera asiatica handelt.
Noch einige andere Beispiele mögen zeigen, dass die
Blutuntersuchung einen hohen diagnostischen Werth hat.
Brandt1) theilt z. B. folgende Fälle mit:
Vorgeschichte: IG Wochen vor der Aufnahme Sturz an Deckaus
40 Fuss liöhe, in den ersten Tagen nacli dem Sturz besinnungslos,
>) Deutsch. Med W. 1890. S. 8G4.
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325
anf der ganzen Reise bettlägerig. Früher Malaria. Bei der Aufnahme
subfebrile Temperaturen, macht den Eindruck eines imbecillen Menschen,
Gedächtnisskraft völlig erloschen, Sprache stotternd, keine Motilitäts-
oder Sonsibilitätsstörungen, lässt' unter sich. Am Kopfe sternförmige,
verschiebbare Narbe, geringer Milztumor. Diagnose : Druck auf s
Gehirn durch ein Schädelfragment. Es soll trepanirt werden. B.
machte aber vorher noch eine Blutuntersuchung und fand Malariaparasiten.
Es wurde Chinin gegeben. Nach 4 Wochen konnte der Kranke mit
völlig normalem physischen Verhalten als geheilt entlassen werden.
In einem zweiten Falle schwankte die Diagnose zwischen Sepsis,
Coma uraemicum und Malaria. Die Blutuntersuchung ergab Malaria-
parasiten, und der Mann, der vom Schiffsarzt mit der DiagnoBo Sepsis
in's Hospital geschickt worden war, wurde ebenfalls durch Chinin
geheilt
Auf der anderen Seite fordert ein negatives Resultat der Blut-
untersuchung zu Untersuchungen in anderer Richtung auf und es
wird schliesslich möglich, die richtige Diagnoso per exclusionem zu
stellen. So berichtet Osler '), dass bei einem inalariavordächtigen
Manne wiederholt die Blutuntersuchungen negative Resultate ergaben,
obgleich das vorhandene Fieber für längere Zeit durch Chinin beseitigt
werden konnte; es kehrte indess immer wieder. Schliesslich stellte
es sich heraus, dass das Fieber durch einen Senkungsabscess der
Leudenwirbelsäule hervorgerufen war. Derselbe Autor berichtet noch
von 6 weiteren malariaverdächtigen Fällen, die alle einen negativen
Blutbefund aufwiesen. Es handelte sich, wie später gefunden wurde,
bei 4 um Schwindsucht mit sehr geringen physikalischen Erscheinungen,
bei 2 um Nierenaffektionen.
Ebenso konnten Marehiafava und Celli’) in einem Falle von
intermittirendem Fieber, das mit Frost einsetzte und mit Schweiss
endete, keine Parasiten nachweisen und sie fanden schliesslich, dass
der betreffende Kranke an Endocarditis litt. Besonders interessant
sind 5 von Karlinski’) mitgetheilte Fälle. Alle Erkrankten hatten
bereits an Wechselfieber gelitten und bei allen war der Nachwoiss
der Parasiten gelungen. 10 Tage bis 8 Wochen nach dem letzten
Wechselfieberanfall erkrankten dieselben Personen wieder unter
Schütteltrost, hohem Fieber, Somnolenz, Vergrösserung und Schmerz-
haftigkeit von Milz und Leber. Bei dieser zweiten Erkrankung aber,
die ihrem klinischen Beginn nach für Wechselfieber gehalten wurde,
konnten Malariaparasiten nicht im Blute nachgewiesen werden. Es
fanden sich vielmehr den Reknrrensspirilleu ähnliche Mikroorganismen
im Blute und schliesslich verliefen die Erkrankungen als ein fieber-
hafter Ikterus, der nichts mit Malariafieber zu thun hatte.
’) The British Med. Journ. 1887. p. 650 und 502.
>) Arch. ital. de biolog. 1888. p. 303.
*) Fortschritte der Med. 1890. S. 101.
Arehir f. Hchltfa- u. Troprnhvgirne.
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326
Bein1) spricht sich folgendennassen aas: „Unter den Fällen,
welche ich zu controlirenden Blutuntersuchungen heranzog, befanden
sich drei, welche selbst dem geübten klinischen Beobachter und Unter-
sucher Schwierigkeiten bezüglich des sicheren Ausschliessens der Inter-
mittens in der Diagnose bereitet hätten. Insbesondere ein Fall von
ausgesprochener Kachexie mit Milztumor und intermittirendem Fieber
bei Abwesenheit sonstiger Organerkrankungen musste zunächst als
Malaria imponiren. Gleichwohl gelang es niemals bei den zahlreichen
Blutuntersuchungen, Plasmodien zu entdecken. Dasselbe negative
Resultat gaben die beiden anderen diesem ähnlichen Fälle. Wie sehr
man berechtigt war, aus der Abwesenheit der Plasmodien im Blute
die Diagnose Malaria auszuschliessen, bewies die weitere Beobachtung
bezw. Autopsie. Der erst erwähnte Fall erwies sich bei der Obduc-
tion als ausgedehnte Tuberculose der retroperitonealen Lymphdrüsen,
der zweite Fall bei weiterer Beobachtung als Magencarcinom mit MeU-
stasenbildung in den angrenzenden Organen, besonders in der Milz;
der dritte Fall als Lungentuberkulose mit Emphysem und chronischem
Milztumor. Zu diesen Fällen kommen noch zwei von Supraorbital-
neuralgie mit undeutlicher Milzschwellung, bei denen Malaria als aetio-
logisches Moment nicht auszuschliessen war.
Der negative Blutbefund schützte auch hier vor einer Fehl-
diagnose. Diesen Beispielen gegenüber steht der erwähnte Fall, wo
die Diagnose Malaria zunächst durchaus zweifelhaft war und anfangs
suppurative Processe im Innern angenommen wurden. Hier konnte
bei der ersten Blutuntersuchung mit einem Schlage durch das Auffinden
der Plasmodien die sichere Entscheidung gefällt werden.
Ehe ich zur Besprechung der Verwerthbarkeit des Blutbefundes
für die Behandlung übergehe, muss ich oinige allgemeine Thatsachen
aus dem Gebiete der Malariapathogenese einschieben. Wie gleich zu
Anfang erwähnt, haben wir einen wohlcharakterisirten Erreger für die
heimische febris tertiana und einen solchen für die febris quartana.
Es scheint aber eine Lücke zu bestehen. Denn von dem Erreger der
heimischen febris quotidiana ist bis jetzt noch nicht die Rede gewesen.
Aber auch darüber haben die Untersuchungen Golgi’s Aufklärung ge-
geben. Nach den Beobachtungen aller Autoren entspricht ja jedem
Fieberanfall die Reifung einer Parasitengeneration. Noch während des
Anfalls und gegen Ende desselben dringen aber die jungen Parasiten
bereits in die rothen Blutkörperchen ein. Sie vollenden also ihre Ent-
wicklung in der Zeit, die zwischen zwei Fieberanfällen liegt. Sind
nun z. B. zwei Parasitengenerationen des Tertianaparasiten im Blute
vorhanden) deren Reifung immer in einem Zeitabstand von 24 Stunden
hinter einander eintritt, so muss alle 24 Stunden ein Anfall erfolgen,
d. h. es muss eine febris quotidiana entstehen. Doch ist diese febris
quotidiana im Grunde genommen weiter nichts als eine febris tertiana
duplex. Ebenso muss eine febris quotidiana erzeugt werden, sobald
3 Generationen des Quartanaparasiten im Blute vorhanden sind, die
*) L. c. S. 26.
32?
in 24atÜndigen Intervallen nacheinander zur Reife kommen. Die schein-
bare febris quotidiana ist daun eine febris quartana triplex. Ebenso
wird eine febris quartana duplex entstehen, wenn sich nur 2 Genera-
tionen des Quartanaparasiten im Blute befinden. Da nun diese theo-
retischen Erwägungen Golgi’s durch zahlreiche Beobachtungen ’) be-
stätigt worden sind und bei einer febris quotidiana — mit der unten
aufgeführten Ausnahme — entweder die Parasiten der febris tertiana
in zwei oder die der febris quartana in 3 Generationen oder beide
zusammen in Combinationen gefunden worden sind, so ist die Golgi’sche
Lehre wohl richtig. Natürlich kann man bei einer febris quotidiana
auch halbmondbildende Parasiten finden ’), da ja die atypischen Fieber
zeitweise qnotidianen Typus haben können und es ausserdom stets
Fälle geben wird, die nicht in Golgi's Schema passen werden. So muss
z. B. ein unregelmässiges Fieber entstehen, wenn die im Blut befind-
lichen Parasitengenerationen nicht immer genau dieselbe Entwicklungs-
dauer haben, wie es vermuthlich bei den ante- und postponirenden
Fiebern der Fall ist. Golgi hat auf diese Beohachtungen fusseud
folgende Sätze aufgestellt, die von den meisten Autoren anerkannt
worden sind.
Es giebt 3 Fiebertypen, und zwar eine febris tertiana, hervor-
gerufen durch den Tertianparasiten, eine febris quartann, hervorgerufen
durch den Quartanparasiten und ein atypisches Fieber, hervorgerufen
durch die kleinen (halbmondbildenden) Parasiten. Die febris quotidiana
ist kein selbstständiger Fiebertypus, sondern entsteht entweder durch
das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Generationen der beiden
ersten genannten Arten bezw. deren Combinationen oder durch die
kleinen (halbmondbildenden) Parasiten.
Laveran's Einwände gegen Golgi's Theorie sind nicht stichhaltig,
wie ich nachzuweisen bemüht war’) und auch Mannaberg gezeigt hat4).
Danach können aber die Malariaerkrankungen aetio-
Iogisch nicht mehr als einheitlich aufgefasst werden. Wir
müssen die Fieber, die durch die halbmond bildenden (kleinen)
Parasiten hervorgerufen werden, von denjenigen trennen, die
durch die nicht halbmondbildenden Parasiten erzeugt werden.
Es gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit, die einzelnen
Fieberarten mit ihren Symptomen zu besprechen. Es soll
nur untersucht werden, in wie weit der Blutbefund
auch für die Behandlung der Malariafieber ver-
werthbar ist. Mit anderen Worten: giebt uns der Blut-
befund eine Antwort auf die Fragen: Wann, wie viel, auf
welche Weise und wie lange soll Chinin gegeben werden?
') Sur l’infection malariquc, Arcli. ital. de biolog. 1887, 8.
*) Boi den tropischen Molariufiebern die Regel.
*) Deutsch, militairärztl. Zeitschr. 1892.
4) 1. c. S. 73 u. folgende.
23*
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328
Der alte Erfahrungssatz lautete: bei intermittirenden
Fiebern muss Chinin während der Apyrexie am besten sofort
nach dem Fieberabfall gegeben werden, bei schweren remit-
tirenden Fiebern soll überhaupt kein Chinin gegeben, sondern
gewartet werden, bis das Fieber intermittirend geworden ist.
Wie lange nach Aufhören des Fiebers noch Chinin gegeben
werden sollte, darüber war keine Einigung zu erzielen. Jeder
Arzt handelte nach seinen eigenen Erfahrungen. Es lag also
nach Entdeckung der Malariaparasiten nahe, den Versuch zn
machen, die Einwirkung des Chinins auf die verschiedenen
Parasitenformen direkt unter dem Mikroskop zu beobachten.
Lagen doch in dieser Beziehung schon die epochemachenden
Arbeiten von Binz über die Wirkung des Chinins auf In-
fusorien vor. Es stellte sich aber sehr bald heraus, dass
nicht nur verdünnte Chininlösungen, sondern bereits physio-
logische Kochsalzlösungen die Malariaparasiten tödteten.1)
Es wurden die Untersuchungen also nur in der Weise angestellt,
dass Malariakranken Chinin gegeben wurde und in bestimmten
Zwischenräumen nach der Darreichung die Malariaparasiten
auf ihren Zustand untersucht wurden.’) Dabei stellte sich
heraus, dass die Halbmonde völlig unempfindlich (vergl. S. 258
Anm. 3) und dass die ebengebildcten Sporen der Malaria-
parasiten am empfindlichsten gegen Chinin waren — wenigstens
die Sporen der Quartanaparasiten.- Wenig empfindlich waren
die reiferen Formen, und die endoglobulären jungen Formen
zeigten sich nächst den Halbmonden am widerstandsfähigsten.’ )
Bei seinen weiteren Versuchen fand Golgi*), dass bei der
febris tertiana und quartana das Chinin am besten 3 — 5 Stunden
vor dem Anfall zu geben ist. Der betreffende Anfall kann
zwar dadurch nicht aufgehalten werden, es erfolgen dann
aber keine weiteren Anfälle, selbst wenn keine zweite Chinin-
gabe verabreicht wird. Das Chinin trifft bei dieser Ver-
abreichungsweise die empfindlichen Sporen in statu nascendi
’) Fortschr. d. Med. 1885. S. 794. Marchiafava und Celli, Weitere
Mitth. Ub. d. Mnlariainfektionen.
’) Durch diese Versuche wurde zugleich festgestellt, dasä das
Chinin die Parasiten selbst vernichtet und nicht etwa nur ihre Stoff-
wechselprodukte, siehe Mannaberg 1. c. S. 170.
’) Aehnlich spricht sich Laveran aus. Vergl. Tratte des fi^vrei
palustros, p. 450 u. folgende.
') Deutsch, med. W. 1892. S. 708.
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329
and tödtet sie. Gerade zum entgegengesetzten Resultat kam
Plehn1) durch seine Studien. Er sagt: „Anders steht es mit
den Sporen. Diese sind, wie man sich direkt im lebenden
Präparat überzeugen kann, erheblich widerstands-
fähiger. Man kann sie im Blutpräparat, auch bei niederer
Temperatur, ziemlich lange lebens- und bewegungsfähig er-
halten. Gegen Chinin sind sie erheblich resisten-
ter als die Amoeben. Ich habe mich verschiedene Male
davon überzeugen können, dass eine einmalige Chinin-
dose, welche ich einem Intermittenskranken zu einer
Zeit gab, wo sein Blut eine Menge von Theilungs-
formen, ja nur von solchen ausgewachsenen Parasiten
enthielt, welche durch die differente, leicht körnige Licht-
brechung im Zellleib als die Theilung vorbereitend sich ver-
riethen — häufig 3 bis 4 Stunden vor dem Beginn
des Frostes, ;lso zu einer Zeit, wo noch vor Ausbruch
des Anfalles die Resorption des Arzneimittels erfolgt sein
musste — nicht im Stande war, weder den folgen-
den Anfall noch auch weitere Reaction zu ver-
hüten, während eine entsprechende Dose, einige
Stunden nach dem Anfall gegeben, bei den ganz
typischen Fällen, d. h. denen gegeben, in welchen sich fast
ausschliesslich Formen einer Entwicklungsstufe gleichzeitig
vorfanden, ich 3mal schon mit einer grossen Chinin-
dose die Krankheit endgültig heilen konnte.’)
Das ist ja eine klinisch längst bekannte Thatsache; mit
Berücksichtigung des aetiologischen Moments glaube ich die-
selbe so erklären zu können, dass das Chinin den
Theilungsprodukten der Parasiten gegenüber
mehr oder minder machtlos ist und seine speci-
fische Wirkung nur den ungemein empfind-
lichen amoeboiden Formen gegenüber entfaltet.8)
Anders stellt sich das Vorhältniss bei den quotidianen
und remittirenden Fiebern. Da hier für gewöhnlich mehrere
*) Aet. u. Kl in. Malariastud. 1880. S. 28.
') Bei intermittirenden Fiebein sah Verf. auch bessere Erfolge,
wenn Chinin im Fioberabfall und nicht 3 — S Stunden vor dein erwarteten
Anfall gegeben wurde.
*) Diesen Ausführungen stimmt Verf. auf Grund seiner persön-
lichen Erfahrungen durchaus zu.
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Parasitengenerationen im Blute vorhanden sind, die in regel-
mässigen Zwischenräumen von 24 Stunden (febris quotidiana)
oder in kürzeren unregelmässigen Zwischenräumen hinter-
einander zur Reife kommen (febris remittens), so muss hier
Chinin natürlich in wiederholten Dosen gegeben werden.1)
In Bezug auf die Grösse der Einzelgabe hat der Para-
sitenbefund keine Aenderung herbeigeführt, da Binz seiner
Zeit schon nachgewiesen hatte, dass zur Abtödtung von
Amoeben — und diesen stehen ja die Malariaparasiten sehr
nahe — wenigstens eine Chininlösung von 1 : 5000 nöthig ist.
Rechnet man nun beim envachsenen Menschen durchschnittlich
eine Blutmenge von 5 kg, so wird das Verhältniss der oben er-
wähnten Chininmischung durch Einverleibung von einem g
Chinin erreicht: vorausgesetzt, dass das verabreichte Chinin
auch alles vom Körper aufgesogen wird. Baccelli*) fand
aber, dass das Chinin bei den schweren Fiebern oft weder
vom Darm noch vom Unterhautgewebe aus aufgesogen wurde.
Denn 6 Stunden nach der Einverleibung war es noch nicht
im Urin nachzuweisen, während es für gewöhnlich bereits
15 Minuten nach Verabreichung im Urin zu erscheinen pflegt.
Gestützt auf die Thatsache, dass Parasiten im Blute vor-
handen sind, griff er sie direkt an. Er machte in 30 Fällen
intravenöse Chinineinspritzungen von 1,0 Chinin. Er erzielte
damit eine Heilung sämmtlicher Fälle, also 100 #/0 Heilungen.
Allerdings traten Rückfälle auf, aber in sehr milder Form.
Dieser Umstand dürfte mit der grossen Widerstandsfähigkeit
der Halbmonde gegen Chinin Zusammenhängen. Diese ausser-
ordendliche Widerstandsfähigkeit der Halbmonde gegen Chinin
und die Erfahrung, dass sich die kleinen (halbmondbildenden)
Parasiten noch zahlreich in den inneren Organen finden, auch
*) Hierzu bemerkt A. Plehn 1. c. S. lt, nachdem er ausgefiihrt
hat, dass sich bei den Kamerunfiebern Für gewöhnlich zwei Parasiten-
generationen im Blute finden : „Ks ist also zwecklos, die Chiningaben
zu häufen; die der Chininwirkung zugänglichen Plasmodien werden
durch eine Gabe pro die vernichtet; die älteren auch durch mehret«
nicht zerstört. Diese haben sich erst etwa 24 Stunden später wieder
in die empfindlichen Jugendformen aufgelöst, und eine zweite massige
Chiningabe von 1,0 — l'/i Grm nach 24 Stunden genügt somit fast
stets, sämmtliche aktiven Parasitenformen, und somit die Malariaattaqn«
zu beseitigen.“
*) Berlin. Klin. W. 1890. S. 489.
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331
wenn sie längst aus dein peripherischen Blut verschwunden
sind, führte dazu, Leute, die an Fiebern gelitten hatten,
denen diese kleinen Parasitenformen zu Grunde lagen, auch
später noch, selbst wenn sie längere Zeit scheinbar gesund
gewesen waren, auf Malariaparasiten zu untersuchen. Der
erste, der meines Wissens dies that, war Canalis *)•
Ein Soldat, der ein unregelmässiges Malariaiieber über-
standen hatte, bereits vierzehn Tage fieberfrei war und sich
durchaus wohl fühlte, sollte entlassen werden. Canalis machte
aber vorher noch eine Blutuntersuchung und fand Halb-
monde, sowie Sphären. Der Kranke wurde im Hospital
belassen und hatte bereits am nächsten Tage einen Fiebcr-
anfall. In neuester Zeit sind derartige Untersuchungen in
ausgedehnter Weise von Ziemann1) geübt worden. Ich
komme noch darauf zurück. Im Hinblick auf die am Golgi 8)
beschriebenen Fieber mit langen Zwischenräumen würde
es sich empfehlen, eine derartige Beobachtung genesener
Malariakranker wenigstens vierzehn Tage lang durchzuführen
und die Leute auch späterhin im Auge zu behalten.4)
(Schluss folgt.)
') Arch. ital. de biolog. 1890. p. 278.
*) 1. c. S. 760.
*) Arch. ital. do biolog. 1891. p. 113,
*) A. Plehn, 1. c. S. 13, bemerkt zu dieser Frage: Den
Laveran 'sehen Halbmonden fehlen pathogene Eigenschaften. „Eine
praktische Bedeutung haben sie nur insofern, als sie beweisen, dass
vor nicht gar langer Zeit Malariaattaquen vorkatnen, resp. dass über-
haupt Malariainfeetion stattfand. Eine Indikation zur Chininbehandlung
geben sie also nicht, wenn sie allein zu finden sind.“ Verf. steht auf
Grund seiner Beobachtungen, die demnächst veröffentlicht werden
sollen, auf einem etwas anderen Standpunkte.
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332
II. Besprechungen u. Literaturangaben.
a. Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.
Neuere Ergebnisse tropenphysiologischer Untersuchungen.
Vor einigen' Jahren stellte der Unterzeichnete dasjenige, wu
über die Physiologie des Tropenbewohnera bekannt war, zusammen.1)
Es waren damals nur wenig exakte Thatsachen vorhanden. Man
hatte wohl im Allgemeinen die Vorstellung, dass die physiologischen
Funktionen des Tropenbewohnera Unterschiede von denen des Be-
wohners gemässigter Klinmto aufweisen müssten, aber systematische
Untersuchungen wärest noch wenig angestellt.
Gerade in den letzten Jahren hat sich dies geändert. Be-
sonders im Laboratorium zu Batavia hat man derartige Unter-
suchungon begonnen.
Die neueren Untersuchungen erstrecken sich bis jetzt haupt-
sächlich auf Blut, Stoffwechsel und Körperwärme; es wird hierbei der
Tropeneuropäer sowohl mit dem Bewohner gemässigter Klimate, wie
mit dem eingeborenen Tropenbewohner (Malaien) verglichen.
Die Blutuntersuchungen sind zunächst im Hinblick auf die
„Tropenanämie“ gemacht worden. Eykman’), van der Scheer’) und
Kohlbrugge *) fanden beim Tropenbewohner weder die Anzahl der
rothen Blutkörperchen, noch don Hämoglobingehalt vermehrt, im
Gegensätze zu Glogner 5j, welcher hierin geringe Abweichungen zu
Ungunsten des Tropenbewohners konstatirte. Kohlbrugge meint, dass
Glogner's Untersuchungen vielleicht an Malariarekonvalescenten an-
gestellt seien, da bei diesen Hämoglobingehalt und Blutkörperchenzahl
noch lango unter der Norm bleiben. Ausserdom aber bestimmte
Glogner“) mit der Methode von Hammerschlag das spezifische Gewicht
des Blutes und erhielt hier niedrigere Werthe. Er schliesst daher aut
Eiweissverarmung des Blutes beim Tropeneuropäer. Diesem Resultate
stellt sich wieder das von Grvns ') gegenüber, welcher nach der-
selben Methode keine irgendwie nennenswerthen Abweichungen finden
konnte.
Natürlich kann man aber auf Grund aller dieser Befunde die
Tropenanämio als physiologische Abweichung noch nicht fallen lassen.
Und doch erklären viele Autoren den Begrill „Tropenanämio* schon
für abgeschafft. Allerdings lässt sich ja dio Blässe der Haut auch
durch Aenderung der Gefdssinnorvation, also durch andere Blutver-
l) Berliner Kliu. Wochenschrift 1893, Nr. 22.
*) Gcneetk. Tydacbr. v. Ned. Indic. TheU 30, S. 339.
•) Geneeek. Tydschr. v. Ned. Inditi. TheU 30, S. 518.
«) Geneeek. Tydecbr. v. Ned. Indio. Tbeil 35, 8. 436.
*) Virchow’« Archiv. Bd. 1*8, 8. 160.
•) Virchow' • Archiv. Bd. 126, 8. 109.
7) Geneeek. Tydecbr. v. Ned. Indid. Thoil 34, 8. 480.
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333
theilung, erklären: die Gefässo dor inneren Organe müssten
erweitert, die Hautgofilsse verengert sein. Dass dieB aber durch die
tropischo Wärme bewirkt werde, dafür liegt kein Anhalt vor: wir
wissen bis jetzt nur, dass die Wärme die Hautgofässe erweitert.
Die anämischen Symptome, welche viele Tropeneuropäer — ohno
Einwirkung von Malaria oder von Darmparasiten — uns daibieten,
sind aber doch durch alle Untersuchungen nicht aus der Welt zu
sjhaften. Die Frage der Tropenanämie ist noch durchaus nicht gelöst.
Von Eykman *) liegt noch eine vergleichende Untersuchung
über Volumen und spezifisches Gewicht der rotlien Blutkörperchen bei
Tropeneuropäern und Malaien vor. Er konnte hier keine Unterschiede
konstntiren-
Die Stickstoifausscheidung des Europäers in den Tropen, früher
von Glogner und von Mourson untersucht, wurde ebenfalls von
Eykman *) bearbeitet. Nach ihm scheidet der akklimatisirto Tropen-
europäer bei leichtor Arbeit durchschnittlich 12,8 grin. Stickstoff im
Harne aus, also kaum weniger, als dor Bewohner des gemässigten
Klimas. Dass Glogner früher eine Herabsetzung der Stickstoffaus-
scheidung gefunden hatte, ist wohl auf die schwierigen äusseren Be-
dingungen. unter denen er untersuchte, zurückzuführen.
Ausserdem stellte Eykman ’) Untersuchungen Uber die Sauer-
stotläuf nähme bei Tropeneuropäorn und Malnien an. Es ergab sich
iu Indien derselbo Sauerstoffverbrauch (in der Ruhe und nüchtern)
wie in Europa. Dadurch wird zugleich bewiesen, dass bei den
Tropenbewohnern nicht durch Einfluss der gesteigerten Aussen-
temperatur etwa eine herabgesetzte Verbrennung stattfindet. Eine in
Betracht kommende chemische Wärmoregulirung ist hier also nicht
vorhanden.
So müsssn wir vorläufig annehmen, dass der Stoffwechsel des
Europäers in den Tropen sich nicht von dem in gemässigtem Klima
unterscheidet. Jedenfalls kann die Vorstellung von verringertem
Stoftumsatz nicht durch die Ansicht gestützt werden, dass in den
Tropen weniger gegessen werde. Denn diese Ansicht ist, wie Eykman
nachweist, und wie man auch ohno Weiteres beobachten kann, durch-
aus unrichtig. Es wird vom Europäer in den Tropen auch kaum
weniger Fett konsumirt, als in Europa.
Schon Glogner hatte gefunden, dass der Malaie etwas mehr
Wärme abgiebt als der Troponeuropäer, dass demzufolge seine
Körpertemperatur auch gewöhnlich um einige Zehntel Grade niedriger
ist. Auch Eykman *) kommt zu dem Resultate, dass die zwischen
Haut und Kleidung befindliche Luftschicht ccteris paribus beim
Malaien etwas mehr erwärmt wird als beim Europäer. Dagegen soll
dip Wärmestrahlung dor Haut beim Europäer und Malaien gleich
') Genveak. Tydachr. v. Ned. IndlS. Theil 35, S. 360.
*) Vlrcbow'B Archiv. Bd. 131, S. H7.
•) PflUger’v Archiv. Bd. 64, 8. 57.
*) Virchoiv'». Archiv. Bd. 140, 8. 1*5 u. »57.
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gross Bein, was aus Versuchen an Stücken brauner und woisser Haut
gefolgert wird.
Aus Eykman's ') weiteren Untersuchungen ergiebt sich, dass de r
Tropeneuropäer bei leichter Arbeit durchschnittlich 2-400 — 2500 Caloriee»
producirt, der — kleinere und leichtore — Malaie 20C0— 2100. Die
Wärmeproduktion ist daher, wie auch schon oben ausgeführt, nickt
herabgesetzt. Dagegen scheint die physikalische Wärmeregulirung,
die Regulirung der Wärmeabgabe, beim Europäer weniger kräftig u
sein, als beim Malaien.
Dass der Europäer mehr schwitzt als der Malaie, ist nach Eykman1)
nur der grösseren Flüssigkeitsaufnahme des ersteren zuzuschreiben.
Die Anzahl der Schweissdrüsen ’) sei beim Europäer und Malaien an
den gleichen Körperstellen ungefähr dieselbe.
Aus allen diesen im Laboratorium zu Batavia ausgeftlhrtao
Untersuchungen scheint also bis jetzt hervorzugehen, dass, abgesehen
von geringen Kleinigkeiten, die physiologischen Funktionen des
Europäers sich im Tropenklima genau so verhalten, wie in der
gemässigten Zone, ja, dass hierin auch zwischen dem Europäer und
dem eingeborenen Tropenbewohner kaum ein Unterschied besteht
W'ir dürfen aber nicht vergessen, dass diese Untersuchungen ent
begonnen haben, und dürfen uns einer solchen Ansicht nicht ohne
Weiteres hingeben. Wenn sie unbedingt richtig wäre, brauchten wir
ja von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Akklimatisation über-
haupt nicht mehr zu reden. Der Europäer wäre körperlich ja dann
dem Eingeborenen gleicbwerthig. Dass dies nicht der Fall ist, braucht
nicht erst betont zu werden.
Nach neueren Mittheilungen von Ouwehand8) haben die Europäer
in den Tropen durchschnittlich eine höhere Pulsfrequenz; in einem
Viertel der untersuchten Fälle betrug dieselbe 80 — 89, in einem
anderen Viertel 90 — 99 Schläge, bei Eingeborenen etwas weniger.
Bensu *) hält diese Zahlen aber nicht für physiologisch, sondern meint,
dass die Betreffenden an leichter chronischer Beriberi litten.
Victor Lehmann.
Schwabe, Bericht über die Gesu nd h e i ts ve r hä 1 1 n isse anf
Jaluit. Arb. aus d. Kaiser!. Gesundh.-Amt, Xlfl.Band. Heft 1. 1896.
Der Bericht umfasst die Zeit vom 81. August 1894 bis 30. Juni 1895.
Hervorzuheben ist die bemerkenswerthe Thatsache, dass die Einge-
borenen durch Syphilis vollkommen durchseucht sind. Während
dreier Monate allein hatte Sch. oinen Zugang von 163 Syphiliskranken
zu verzeichnen; darunter nur 3 Primär-Affekte, dagegen 20 secundäre,
83 tertiäre Affekte und 67 Kinder mit congenital. Lues. Dio Ein-
geborenen besitzen eine merkwürdige Scham, mit Geschlechtsleiden
zum Arzt zu gehen; daher sieht man die Primäraffekte Verhältnis*-
mässig selten; die Kranken bleiben in diesem Stadium unbehandelt
') Vlrchow’a Archiv. Bd. 133.
*) Geneeak. Tydachr. v. Ned. IudiiL Theil 35, 8. 411.
*) Genceak. Tydachr. v. Ned. Indie. Theil 34, S. 591.
«) Geneoak. Tydachr. v. Ned. ladie. Theil 35, 8. 160.
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335
und das ist auch der Grund filr die enorme Weitorverbroitung der
Krankheit. Auffallender Weiso sind syphilitische Erkrankungen des
centralen Nervensystems selten anzutreffen. Sch. sah nur einen Fall
von Gehimsyphilis, welcher nnter spezifischer Behandlung in Genesung
überging. Einige Fälle boten differential-diagnostische Schwierigkeiten
mit Lepra, welche letztere wohl im Lande unter dem Namen Djuggo
bekannt, abor von Sch. selbst nicht gesehen wurde. Sch.
Plehn A. f Klima und Gesundheitsverhältnisso des Schutzgebietes
Kameruns in der Zeit vom 1. Juli 189-1 bis 30. Juni 1895. Arb. aus
Kaiserl. Gesundheitsamt, XIII. Band, 1. Heft. 1896.
Der Monat August war der kühlste (23,95° C.), der Februar der
heisseste (26,65°) Monat. Die absolute höchste Temperatur mit 32°
wurde im Mai, die niedrigste mit 20,5° im September beobachtet; die
Temperaturdifferenzen im Laufe oines Tages betrugen 5— 6°, bei Ge-
wittern und Tornados auch 8 — 9°.
Es ergab sich mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass der meteoro-
logische Aequator unmittelbar südlich von Kamerun — anscheinend
zwischen Malimba und Klein-Batanga — die afrikanische Westküste
schneidet. Wenigstens steht fest, dass Kribi im Juli und August die
trockene Zoit hatte, während in der gleichen Zeit in Kamerun der
moiste Regen fällt.
Die Monate mit besonders häufigen schwächeren Regenfiillen bei
starker Sonnenbestrahlung und hoher Maximaltemperatur waren für
Europäer die ungesundesten; die Trockenzeit, Dezember, Januar,
Februar, und die erste Hälfte März die gesündeste.
Auf 288 Malariafälle kamen 11 Schwarzwasserfieber-Erkrankungen.
Dass diese letztere Form des Fiebers besonders dann in Erscheinung tritt,
wenn vorangegangene Malariafieber nicht zweckmässig (mit Chinin! Ref.)
behandelt wurden, wird auch von P. bestätigt, drgl., dass der Ausbruch
des Schwarzwasserfiebers mitunter an eine Chiningabe sich anschlingst.
Es wird deshalb vor der Anwendung des Chinin bei Schwarzwasser-
fieber gewarnt. Dio Chinindarreichung auf dem Wege der tiefen Ein-
spritzung in die Muskulatur gelang bei einer Lösung von Chin. bimuriat.
ohne besondere Beschwerden für die Patienten.
Durch die Niederwerfung der Buea bietet sich für die Europäer
die Gelegenheit, Bich mehr mit frischem Fleisch zu versorgen, da
Rindviehzucht dort zweifellos mit mehr Erfolg betrieben werden kann.
Auch gedeihen in Kamerun Kohl, Karotten, Salat, Rettig, Radies-
chen, Bohnen, Gurken, so dass auch in diesor Richtung die Ernährung
der Europäer immer weniger auf den Genuss von Conservon ange-
wiesen ist. . Sch.
Plehn F., Ueber die bisherigen Ergebnisse der klimato-
logischen und pathologischen Forschung in Kamerun.
Arb. aus d. Kaiserl. Gesundheitsamt, XIII. Band, lieft 1 ; 1896.
Der Bericht bezieht sich auf das Beobachtungsjahr 1893/94.
Während dieser Zeit betrug die mittlere Temperatur 25,4° (1894/96 26,1°);
die geringen Tagesschwankungen im Mittel 6,8°, die Luftfeuchtigkeit
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im Mittel 88'Vo, Morgens 95 °/o, 2 Uhr Mittags 78°/», 9 Uhr Abends 9 1 V.
In Kamerun existirt nur eine Regenzeit, welche mit den Sommer-
monaten zusammenfüllt: im Jnli bis Octobor kommen tägliche Regen
vor. Nachts macht sich die Landbrise bemerkbar; Vormittags ist Wind-
stille; um 1 Uhr Mittags setzt die S.W.-Seebrise ein. Nebolbildung
findet sich vorzugsweise in den durch Urwald eingeschlossenen Flu»-
thiilern der Nebenflüsse, während die O.W. verlaufenden Hauptflüsse
durch die Windbewegung getroffen werden und Nebel nicht zustande
kommen lassen. Auf dem Plateau sind diese Verhältnisse natürlich
vorschieden. Als besonders regenreich wird der westliche Abfall de»
Plateaus nach der Küste zu bezeichnet.
Die Malaria - Erkrankungen hängen im Allgemeinen mit der
Häufigkeit der Niederschläge zusammen ; je mehr Regentage, um so mehr
Malaria. Auf 90 Menschen kamen 438 Malariafälle in 1 '/» Jahren, so
dass also circa 5 Erkrankungen auf den Einzelnen zu rechnen sind.
Die Zahl der Todesfälle an Malaria betrug 34 und machte 77*1« der
nicht durch äussere Gewalt herbeigeführten Todesursachen überhaupt
aus. Auch bei den Negern sind Malaria-Erkrankungen hänfig. lieber
die Zuträglichkeit des Kameruner Klimas geben folgende Daten ein
ungefähres Bild: Bei 100 Regierungsbeamten, welche bis 1894 nach
Kamerun herausgeschickt waren, betrug die mittlere Aufenthaltsleit
des Einzelnen in der Kolonie 1 Jahr und 10 Monate. Die Baseler
Mission hat von 1886 bis 1893 30 Missionare nach Kamerun geschickt;
davon sind 10 gestorben (8 an Malaria) und 5 mussten krankheitshalber
nach Hause geschickt werden. Die mittlere Dienstzeit der Angestellten
der Firma Woermann (81, in den Jahren 1884 — 1895), hat etwa 20 Monate
betragen, also ein wenig mehr als/iie Hälfte der kontraktlichen Dienstzeit.
Unter diesen Umständen ist die Begründung eines Sanatoriums in dem
Gebirge sehr angerathon, die Gegend des 920 in hoben Bnca würde
ovent. in Betracht kommen.
Diphtherie wurde in 14 Fälleu bei Negern beobachtet und
bacteriologisch sichergestellt (jedoch ohne Impfversuche). Tuberkulose
kommt bei den Negern nur ganz vereinzelt vor (2 Fälle, noch da«
importirte Sudanesen); auch die Syphilis ist nicht verbreitet (kein
Fall !) im Gegensatz zu der Gonorrhoe. Sch.
Düring, Aerztliche Erfahrungen und Beobachtungen auf
d er d eu t sc h e n Togo e x p ed i ti o n. 1893/94. Arb. aus d. Kaiscrl.
Gesundheitsamt, XIII. Band, 1. Heft. 1896.
Aus dem Bericht ist besonders bemerkenswert!) die Geschichte
einer Pockenepidemie, durchweiche die Expedition heimgesucht wurde:
von 129 Mann erkrankten 82, darunter 6 zweifelhafte Fälle, welche
nur an Fieber und Drüsenschwellungen der Leisten oder des Kiefer-
rüttels litten; es starben 25 Mann = 30,5 der Erkrankten. Sehr
lästig erwies sich die Belästigung der Kranken durch Fliegen, welche
sich an den Pusteln festsetzten und wohl auch dazu beitragen mögen,
die Krankheit zu verschleppen; die Kranken schützen sich gegeo
die Fliegen durch Ueberwerfen mit Sand oder durch Bestreichen
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mit Butter. Interessant war das Verhältnis?, in welchem Geimpfte
und nicht Geimpfte an den Erkrankungen Theil nahmen ; von der
ersten Kategorie blieben 50°/«, von den letzteren nur 5,4 “io verschont,
ein weiterer Beweis für die Schutzkraft der Impfung, ln Togo sollte
man zum mindesten die Stationschefs mit der Technik der Impfung
vertraut machen. Von anderen Krankheiten, welche in diesem Bericht
aufgeführt werden, ist Kropf zu erwähnen, welcher in einigen Dörfern
am Niger, im Ganzen & Mal gesehen wurde. Bemerkenswerth ist auch
die folgende auf die Aetiologie des „rothen Hund“ bezügliche An-
gabe : Im Lande Gurma schwankte die Temperatur zwischen 8° Morgens
und 40° Mittags, verbunden mit einer Psychrometerdifferenz von
und darüber, „die Luft war derart trocken, dass wir trotz anstrengen-
der Märsche in glühender Sonnenhitze keinen Tropfen Schweiss auf
der Haut bemerken konnten; der rothe Hund zeigte sich nicht eher,
als bis wir, in der feuchten Nigergegend angekommen, wieder regel-
recht transpirirten“. Sch.
b. Pathologie und Therapie.
Pest.
Weitere Mittheilungen der deutschen Pestcommission
aus Bombay, erstattet vom 7. und 28. Mai d. J. — Deutsch.
Med. W. 1897, No. 31.
Zahlreiche experimentelle Untersuchungen zeigten von Neuem die
schon früher betonte grosse Hinfälligkeit des Pestbacillus. Zur Ab-
tödtung genügte bei Keinculturen eine 16 minutenlange Erwärmung auf
70* C, bei in Fleischbrühe aufgeschwemmten Pestbacillen 10 minuten-
lange Erwärmung auf 65 — 70° C. Sofort tödtlich wirkte Zusatz von
0,1 */• Sublimat, nach 10 Minuten l°/o Carbolsäure oder l°/s Lysol, nach
15—30 Minnten ein Gehalt von 3°/o Schmierseife resp. von l°/o Chlor-
kalk, nach 5 Minuten Schwefelsäure (1:2000), nach 30 Minuten reine
Salzsäure (1:1000). Essigsäure wirkte dagegen bei 1:200 auch nach
einstündiger Einwirkung nicht völlig sterilisirend. Sehr empfindlich
zeigten sich die Postbacillen sodann gegen direktes Sonnenlicht und
Austrocknung; sie starben in gewöhnlichem oder sterilem Wasser aufge-
schwemmt nach einigen Tagen ab, ebenso in autbewahrten Organ-
stücken. Alle einschlägigen Versuche zeigten, dass die Pestbacillen
nicht ohne Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffs zu wachsen vermögen.
In diagnostisch fraglichen Fällen kann man durch einen Ein-
schnitt in die geschwollene, noch nicht in Eiterung übergegangene
Drüse unbedenklich das für bacteriologische Untersuchung erforderliche
Tröpfchen Drüsensaft gewinnen. Für Auffindung von Pestbaeillon in
Bacteriengemischen ist vortrefflich geeignet das Aufstreichen des
Materials auf der Oberfläche von Gelatineplatten: bei 22« C wachsen
hier die Pestbacillen noch recht gut im Gegensatz zu manchen
anderen störenden Organismen. Tauben, Hühner, Gänse und Schweine
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überstanden die Infektion viralenter concentrirter Pestbaeillensof-
Bchwemmungen reactionslos. Weitere Versuche worden an Hunden,
Katzen, Affen, Schafen, Ziegen, Kühen und einem Pferde gemzcht:
die Reaction fehlte, war gering oder hochfieberhaft, die lokale Infil-
tration war wenig oder stark ausgeprägt und mit Abscessbildung ver-
bunden, der Eiter steril, seltener pestbacillenhaltig. In dem frischen
Cadaver einer Ratte, die sich in der Freiheit inficirt hatte, waren
grosse Mengen von Pcstbacillen nachweissbar ; Ratten sind für die
Pestbacillen ausserordentlich empfindlich (S. u.). Die Ausbreitung der
Seuche hat dank den ergriffenen Maassregeln dauernd abgenornmen.
Prof. Koch, Prof. Gaffky und Dr. Haffkine konnten eine inter-
essante Epidemie in der portugiesischen Stadt Damaon beobachten,
welche in zwei durch einen Fluss getrennte Tbeile zerfällt. Die da-
durch erleichterte Absperrung bewirkte, dass die Pest vollständig auf
den nördlichen Stadttheil beschränkt blieb; der Mensch selbst bildet«
hier den 1 räger des Pestcontagiums. Die Seuche hielt sich hartnäckig
an die menschlichen Wohnungen, schritt hausweise vor: vielleicht
spielen die Ratten eine Rolle dabei. Dem Ausbruch der Pest ging «n
vielen Orten eine seuchenartige Krankheit und massenhaftes Sterben
der Ratten voraus. Die grosse Ausbreitung der Pest unter den Ratten
erklärt sich daraus, dass die Thiere an Pest erkranken, wenn sie.
was regelmässig geschieht, an den Cadavern ihrer an Pest verendeten
Genossen genagt haben, Thatsachen, mit denen die Bekämpfung der
Post zu rechnen hat. Die Schutz Wirkung der Haffkine'schen
Impfungen ist eine hohe, aber keine absolute; die Wieder-
holung der Impfung anscheinend ohne besonderen Nutzen. Das Half
kine'sche Verfahren müsste noch vervollkommnet und zwangsweise
durchgeführt werden, sollte es zur Bekämpfung der Pest in grösserem
Umfange dienen. Wahrscheinlich werden aber richtige Diagnosen der
ersten Fälle, schleunige Isolirang der Erkrankten und fortlaufende
Beobachtung der Verdächtigen, verbunden mit rationellen Desinfek-
tionsmaassregeln, zur Bekämpfung der Pest ausreichend sein.
Rieh. Pfeiffer, Cassel.
In Indien nimmt die Pest beständig ab, nur aus Puna (Poonsh)
wird Ende August ein Wiedoraufflackem der Seuche berichtet. Nach
russischen Berichten soll jedoch die Pest, abgesehen von Fonnot-a,
auch im eigentlichen Japan besonders in Nagasaki ausgebrochcn
sein, sodass ein Uebergreifen nach dem Hafen Wladi wostock
befürchtet wird. In China ist die Krankheit im Erlöschen begriffen.
Dagegen wird aus Ostasien und Ostindien eine starke Zunahme der
Todesfälle und Erkrankungen an Cholera gemeldet.
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B3Ö
Herl-Bert.
Neuere Arbeiten über die Beriberi.
Referent: Schenbe.
1) E. ran lMeren, Beri-ßeri, eene rijstvorgiftiging.
Amsterdam 1897.
2) F. Grimm, Klinische Beobachtungen der Beri-Beri.
Berlin 1897.
Einen weit extremeren Standpunkt in dieser Frage nehmen
van Dieren (1.) und Grimm (2.) ein. Ersterer sieht die Beriberi
für eine Reisvergiftung an. Er stützt seine Behauptung haupt-
sächlich darauf, dass die Krankheit vorzugsweise in Ländern, wo Reis
die Hauptnahrung bildet, vorkommt, dass sie, wie Verfasser, der
niemals in einem Beriberi-Laude gewesen ist und daher die Krank-
heit nur aus der Literatur kennt, wenigstens annimint, in
ihren Symptomen grosse Aehnlichkeit mit dem Ergotismus, der
Pellagra und der Akrodynie zeigt, von denen die erstereu beiden sicher,
die dritte wahrscheinlich durch eine Mehlvergiftung zu Stande kommt,
und dass wiederholt, wie in der niederländisch-indischen Marine, in der
japanischen Marine, in japanischen Gefängnissen, in britisch-indischen
Gefängnissen eine Besserung der Ernährungsweise, die im Wesentlichen
in einem Ersätze eines Theiles des Reises durch andere Nahrungsmittel
bestand, eine Abnahme oder selbst ein Verschwinden der Erkrankungen
zur Folge gehabt hat. Zur Stütze seiner Behauptung trägt Verfasser
aus der Literatur Alles zusammen, was sich zu Gunsten derselben ver-
werthen lässt, ohne jede Kritik alte und neue, zuverlässige und werth-
lose Arbeiten und Zeitungsnotizen benutzend — er nennt dies die
kritisch-historische Methode. Dass gleichzeitig mit der von einer
Besserung des Gesundheitszustandes gefolgten Besserung der Er-
nährungsweise auch eine Besserung der sonstigen hygienischen Ver-
hältnisse einherging, dass auch nach Einführung der ersteren die täg-
lichen Rationen der Eingeborenen auch beträchtliche waren (in der
niederländisch-indischen Marine 1 kg), dass in den Tropen auch die
Europäer ohne Schaden viel Reis verzehren (in Niederländisch-Tndien
bei der täglichen Reiskost), dass auch in Europa selbst viel Reis ge-
nossen wird und doch Beriberi unbekannt ist, berücksichtigt er nicht
ganz abgesehen davon, dass man bisher weder beim Reiskorn eine dem
Mutterkorn des Roggens ähnliche Krankheit kennt, noch aus dem Reise
wie aus dem Maiso giftige Stofte dargestellt hat Mit der Thatsache,
dass Beriberi auch in Ländern, wo kein Reis gegessen wird, oder bei
Personen, die keinen Reis genossen haben, auftritt, findet sich Verfasser
leicht ab. In solchen Fällen handelt es sich nach seiner Ansicht gar
nicht um Beriberi, sondern um eine Polyneuritis aus anderer Ursache,
oder das die Beriberi hervorrufende Gift kann auch aus anderen Mehl-
sorten sich entwickeln. Wichtige Thatsachen, welche nicht zu dieser
Annahme passen, wie das Auftreten der Krankheit in bestimmten
Zimmern von Casemen, deren Insassen sämmtlich die gleiche Nalirung
erhalten, die Rollo, welche die Acclimatisation in der Aetiologie der
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340
Beriberi spielt, der Einfluss, welchen die Versetzung der Kranken nach
Orten, wo Beriberi nicht vorkommt, trotz gleichbleibender Nahrung, aof
den Zustand derselben ausübt u. s. w., lässt er ganz unerörtert. Van
Dieron wird wohl auch in Holland nicht ernst genommen werden.
Von einer grossen — Naivität zeugt auch das Motto, welches derselbe
seiner Arbeit vorangestellt hat („Sie blieben auch blickend mit Blind-
heit geschlagen und sehen die Dinge, nicht ihre Bedeutung“), sowie
überhaupt der ganze Ton, in dom das Buch geschrieben ist.
Anders stellt sich zu dieser Frage der Verfasser der
jüngsten Veröffentlichung (2) welcher seine Studien in Sapporo
auf Yezo (Japan) gemacht hat. Für Grimm gilt der ätio-
logische Zusammenhang zwischen Nahrung und Beriberi als erwiesen,
indem er eine mit ersterer eingeführte Schädlichkeit als die Ursache
der letzteren ansieht, und zwar glaubt er, dass besonders die Zo-
bereitungsweise der Nahrung in Betracht kommt, und denkt
in erster Linie an den Rohgenuss mancher Fischarten. Stichhaltige
Beweise für diese Behauptung werden freilich nicht von ihm bei-
gebracht. Eine Erkrankung an Beriberi, die er selbst durchgemacht
hat, führt er auf ein japanisches Mehl zurück. Im Sommer 1888 er-
krankte er in Sapporo an Unterleibstyphus, an den sich zu Anfang der
zweiten Krankheitswoche Beriberi anschloss. Etwa eine Woche vor
Beginn der Erkrankung hatte er in einem Fisclierstädtchen, wo damals
eine kleine Typhus-Epidemie herrschte, eiue japanisch zubereitete
Mehlspeise eingenommen, und da er seitdem nicht wieder auf japanische
Weise gegessen hatte, glaubt er, durch dieselbe sich gleichzeitig Typhus
und Beriberi zugezogen zu haben. Eine in Berlin bei einem Ost-
asiaten, welcher schon früher in seiner Heimath an Beriberi gelitten
hatte, beobachtete Erkrankung soll durch den Genuss von importirten
Conserven hervorgerufen worden sein.*) Referent ist überzeugt, dass
Verfasser für diese gewagten Annahmen nicht viele Anhänger finden
wird. Da seine Auffassung von der Aetiologio der Krankheit der
Ausgangspunkt für seine Schlussfolgerungen bildet, so entbehren auch
diese einer festen Grundlage. Während eine Erkrankung an Beriberi
anhaltend ist, vermuthlich durch Exacerbationen und Itecidive, sieht
sie Grimm stets als Neuerkrankungen durch wiederholte Aufnahme der
Noxo an. Ein complieirter, durch einmalige Einverleibung der
letzteren bedingter Fall verlief nach seiner Ansicht in seinen späteren
Perioden ohne Steigerung der Symptome bei der Heilung. Er onter-
scheidet daher unter Verwerfung der von anderen Autoren aufgestellten
Krankheitsformen 1) Beriberi simplex, die einfache Kr
krankung an Beriberi durch einmalige Aufnahme des Virus, und
2) Beriberi multiplicatum oder accumulatnm,
welches durch Combination mehrfacher, auf wiederholte Aufnahme des
Virus zurückzuführender Erkrankungon entsteht, eine Eintheilung, die,
*) In einem vor Kurzem in The Lancet abgedruckten Briefe
wurde als mögliche Ursache der Beriberi — Zinnvergiftung hingestellt-'
Ref
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341
Wenn Verfassers Voraussetzung richtig wäre, eine theoretische Be-
rechtigung hätte, sich aber auch dann, weil sie die verschiedensten
Krankheitsbilder zusaimnenwirft, nicht als praktisch erweisen würde.
Besonders eingehend beschäftigt sich G r i m m mit den Anfaugs-
ymptomen der Krankheit und rechnet Temperatursteigung und
Steigerung der Patellarsehnenreileie während der ersten Krankheitstage
zu den constanten Erscheinungen derselben. Jede Temperatursteigerung
im Verlaufe der Krankheit zeigt nach Verfassers Ansicht eine Neu-
erkrankung an, und fehlt die Steigerung des Patellarsehnenrefleze zu
Beginn der Krankheit, so soll es sich um einen von früherer Er-
krankung an Beriberi noch nicht frei gewordenen Körper handeln.
Ueber eigene histologische Untersuchungen verfügt Grimm nicht. Das
hält ihn aber nicht ab, die von anderen Forschern gefundene multiple
Neuritis für eine secundäre Veränderung zu erklären, die mit dem
eigentlichen Krankheitsprocesse nichts zu thun hat. Nach seiner An-
schauung ist die Beriberi eine Trophoneurose> die einige
Analogie mit dem Myxödem, Morbus Basedowi, Morbus Addisonii,
Oedema fugax darbietet. Wer die Beriberi aus eigener Erfahrung
kennt und sich ein eigenes Urtheil gebildet hat, wird die Grimm 'sehe
Broschüre nicht ohne Interesse lesen, auch wenn er sich mit deren
Inhalt nicht einverstanden erklären kann; für den aber, der sich erst
mit dieser Krankheit bekannt machen will, ist dieselbe ungeeignet
Dysenterie.
Beitrag zur Bakteriologie der Ruhr (aus dem bakteriologischen
Laboratorium des Zuchthauses zu Gräfentonna) von Amtsphysikus Dr.
Pottien. Hygienische Rundschau, 1. Juli 1897.
Das bakteriologische Chaos der Ruhr gleicht in mancher Be-
ziehung dem des Gelbfiebers. Pottien fügt der grossen Zahl der
pathogenen Mikroorganismen der Ruhr einen neuen hinzu, die Stropto-
thrix dysenterica, welche derselbe in einem Falle von Brechruhr aus
den Exkrementen gezüchtet hat. Morphologisch entwickelt sich der
Mikroorganismus nach Nährboden, Temperatur und Luftzutritt ver-
schieden, die charakteristische Form einer Agar- oder Bouilloncultur
sind durcheinander gewirrte Fäden, manchmal knotig oder keulenartig
verdickt mit wahren Verzweigungen, erst durch diese Eigenthümlich-
keit ist das polymorphe in seiner Entwicklung bald als Bacillus bald
als Vibrio in verschiedenen Uebergangsformen erscheinende Ge-
bilde klassifizirbar. Durch das Thierexperiment bei Meerschweinchen
und fünfmonatliche Fortzüchtung will P. die Identität soines St. fest-
gestellt haben. Man vergleiche mit diesen Beobachtungen die Studien
Sanarelli’s über den Gelbfiebererreger (No. IV d. Zeitschrift).
M.
Archiv t Schiff« u. Tropenbyfricue.
'24
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342
Gelbfieber.
Dr. W. Havel bürg. Experiment, und anatom. Untersuchungen über
«las Wesen und die Ursachen des gelben Fiebors. (Berl. Klin. W. 1897.
No. 23, 24, 25, 26.
Verf. trat, in dem Bestreben, den specifischen Keim des Gelb-
fiebers zu finden, zuerst an die anatomische Durchforschung der Gelb-
fieberleiche heran. Ausser gelegentlichen Untersuchungen von Organ-
stücken führte er 20 complete Sektionen in Rio de Janeiro aus, wo
er im Laboratorium das aus dem Hospital Sao Sebastfto stammende
Material, auch das von Kranken entnommene Blut, verarbeitete. Die
pathologisch-anatomischen Resultate waren in Bezug auf den Zweck
der Arbeit eher negativer Art, denn die gefundenen Organver-
änderungon bilden, wie Verf. hervorhebt, nichts Typisches, sondern
legitimiren sich als solche, wie bei anderen schweren Infektionskrank-
heiten vorkommende. So ist für die Gelbfieberleber, deren Zellen nur
feinkörniges Fett enthalten, der Typus einer schweren parenchy-
matösen Hepatitis, fettige Degeneration mit Zellenkernschwund in
den Nieren ein Analogon. Die Milz ist nicht compromittirt Blut-
untersuchungen Kranker ergaben keine Verschiebung des Verhältnisses
der weissen zu rothen Blutkörperchen, keine formalen Veränderungen,
keine Bildung von Blutplatten. Das Blutserum enthielt viel Gallen-
farbstoffe, aber kein Haemoglobin. Das Leichenblut erwies sich dünn-
flüssiger. das öftore Ausbleiben der Gerinnung und die braunrothe
Farbe des Blutes wird Kohlensäureüberladung zugeschrieben, denn
der Tod trat unter schwere Dispnoe ein. Den charakteristischen
Magen- und Darminhalt, sowie die parenchymatiösen Trtibungon und
Haemorrhagien in der Schleimhaut des Verdauungstractus, beschreibt
Havelburg eingehend.
Im blutigen Mageninhalt schwerer Fälle von Gelbfieber —
vomito pato — fand Verf. constant einen Mikroorganismus. Sowohl
das Blut Schwerkranker, Meerschweinchen inzjicirt, wirkte je nach der
Dosis entweder tödtlich, oder hatte schwere Erkrankung zur Folge, im
Blute fand Havelburg jedoch den erwähnten Mikroorganismus nicht.
Injektionen vom Mageninhalt (1 auf 400 Körpergewicht der Versuchs-
thiere) waren für Meerschweinchen in 24 Stunden stets tödtlich und
Verf. fand denn stets im Blute der Thiere in Reincultur den von ihm
als Krankheitserreger angesproclienen Mikroben, in Form eines 1 f1
langen und 0,3 m breiten Stäbchens mit deutlichen Polen, ähnlich
dem der Hühnercholera, ohne Eigenbowegung und Sporenbildung,
fakultativ anaerob und ohne Vorfiüssigungstendenz der Nährböden.
Von der Bacillencultur ist (subcutan) 1 cm für Meerschweinchen todt-
lich, 0,2 bei intraperitonealer Injection. Sehr empfänglich ist die
Maus, immun das Huhn. Der Bacillus bildet keinen Giftstoff, nur
am nichtfiltrirten Bacillus haftet die Wirkung. Die Virulenz geht
ohne Thierpassagen bald verloren. Verf. vertheidigt sich gegen die
Annahme, dass sein Bacillus mit Bacterium coli identisch sei, zieht
dabei aber nur morphologische Unterschiede heran, er stellt ihn zwischen
Typhus und haemorrhagische Septicaemieerreger.
343
Versuche, welche Havelburg, analog Pfeifter-Widal’s Methode, an-
stellte, ergaben, das» 30 Gramm Blut vom Schwerkrankon, Meer-
schweinchen injicirt, diese gegen eine solche Injection hochvirulenter
Bacillenreincultur schützte, dessen Hälfte hingereicht hatte, vorher
nicht mit diesem Blut vorpräparirte Thiere, in bekannter Weise, zu
tödten. Havelburg folgert daraus:
1. „dass der beschriebene Mikroorganismus der specifischo Gelb
fieberkeim sei.“
2. „Dass wir für eine zukünftige, wirksame Serumthorapie oine
solide wissenschaftliche Basis haben.“
Wenn auch Manches nicht völlig klar gestellt erscheint, so z.
B. der Unterschied vom Colonbacillus, dann die Giftigkeit des Blutes
Gelbfieberkranker ohne Bacillengehalt und dessen Zusammenhang mit
dem giftigen und bacillenhaltigen Mageninhalt, dessen Bacillen allein
giftig wirken, so ist die Arbeit doch sehr beachtenswerth und ernster
zu nehmen als frühere gleichen Vorwurfes. Leider ist die umfang-
reiche Arbeit in ihrem Aufbau und Ausdruck wenig übersichtlich an-
gelegt und präcisirt. Dr. Carl Däubler.
Allgemeine Werke.
Scheube, Dr. B., D io Krankheiten der warmen
Länder. Ref. Rage (Kiel).
(Fortsetzung und Schluss.)
Die Krankheitserscheinungen, die der Medinawurm hervorruft, ver-
laufen unter dem Bilde einer furunkelähnlichen Entzündung. Selten
worden schondurch die Wanderungen des Wunnes Empfindungen erregt.
An der Stelle aber, wo der Wurm zum Vorscheine kommen wird,
können schon Wochen lang vorher Schmerzen, Jucken, Brennen oder
Spannung bestehen. Das Anwachsen der Geschwulst ist mitunter von
Erbrochen und Schüttelfrost etc. begleitet. Auf der Anschwellung bildet
sich bald eine Blase, die platzt und ein rundes Geschwür mit einem
centralen Loch hinterlässt, in dessen Tiefen gewöhnlich nach einigen
Tagen der Kopf des Wurmes sichtbar wird. Wenn nun versucht wird,
den Wurm herauszuziehen und der Wurm dabei abreisst, so entstehen
leicht Phlegmonen und Abscesse. Wird er sich Belbst überlassen, so
geht er nach 16 — 20 Tagen von selbst ab. Zur leichteren Heraus-
beförderung werden von Emily Sublimatinjektionen (1 Pravaz-Spritze
einer l°/oo Lösung) in verschiedene Stellen der von dem Wurm ver-
ursachten Schwellung empfohlen. Ist der Parasit schon hervorgetreten,
so wird in ihn selbst injicirt und er soll sich dann am nächsten Tage
leicht heraus ziehen lassen. Der Medinawurm tritt vorzugsweise an
den Beinen auf.
5. Die Filaria-Krankheit. Unter dem Namen Filaria-
Krankheit wird eine Gruppe in gewissen tropischen und subtropischen
Ländern endemischer, scheinbar heterogener Krankheiten zusammen-
gefasat, welche vom Lymphgefässsystem ausgehen und auf die Anwesen-
heit eines Parasiten, der FHaria Bancrofti, zurückzuführen sind. Zu
24*
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344
derselben gehören die Haemato-Chylurie, die Elephantiasis (Arabern),
daa Lymphsrcotum und noch verschiedene andere Formen von Lympli-
ektasie und Lymphorrhagie. Die Entdeckung dieses Parasiten ist aal
Demarquay 1863 zurückznführen. Die Krankheit kann auftreten in
nachstehenden Formen*).
a. Haemato-Chylurie. Diese tritt in der Regel anfallsweise auf
Die Anfälle halten gewöhnlich Wochen bis Monate lang an.
Zwischen denselben liegen freie Intervalle von monate- bis jahre-
langer Dauer, in denen der Harn sich vollkommen normal ver
hält. Wiegt die Haematurie vor, so erscheint der Harn meist
pfirsichroth und trübe, wiegt die Chyiurie vor, so erscheint der
Harn milchig getrübt mit weisslichen, gallertartigen Gerinnseln.
Manchmal gerinnt er zu einer gallertartigen Masse, die die Form
des Gebisses annimmt. Der Fettgehalt des Urins wechselt
zwischen 0,6— 3,3 °/o. Bei der mikroskopischen Untersuchung
findet man die später zu beschreibenden Filaria-Embryonen im
Urin. Die Haemato-Chylurie tritt häufiger bei Farbigen als bei
Weissen auf.
b. Die Elephantiasis Arabnm, deren bekanntes Bild vomVerf.
kurz geschildert wird.
c. Das Lymphscrotum, das in naher Beziehung znr Elephantiasis
scroti steht und in diese übergehen kann. Hier bilden sich auf
dem geschwollenen und gerötheten Hodensack — meist unter
Fiebererscheinungen — Blasen vom Stecknadelkopf- bis Finger-
gpitzengrösse, die aufbrechen und Flüssigkeit entleeren. Solche
Anfälle wiederholen sich mit der Zeit immer häufiger. Die aus-
sickernde Flüssigkeit gerinnt an der Luft und enthält Filaris-
Embryonen.
d. Variköse Leistendrüsen werden bei Männern öfters als
bei Frauen beobachtet. Sie werden neben anderen Formen der
Filaria-Krankheiten beobachtet, können aber auch das einzige
Symptom derselben bilden. Dieselben stellen sackartige, teigig«
Schwellungen dar, Uber denen die Haut unverändert ist. Meist
lässt sich eine inguinale und femorale Schwellung unterscheiden.
Aus diesen Schwellungen kann man mit der Pravaz'schen Spritze
eine milchige Flüssigkeit herausziehen, die Filaria-Embryonen
enthält
o. Seltnere Krankheitsformen. In manchen Filaria-Ländem
kommt eine Form der Orchitis vor, bei der Hoden, Nebenhoden
und Samenstrang plötzlich unter Fieber und Schmerzen sn-
schwollen und ein Erguss in die Scheidenhaut statcfindet. War
der Erguss klar, so erfolgt Resorption, war er chylös, so bleibt
er bestehen und geht dann in die Chylocele Uber, die sich von
der Hydrocele durch ihre Undurchsichtigkeit, geringere Spannung
und Gehalt von Filaria - Embryonen unterscheidet. Vielleicht
kann die Filaria auch einen chylösen Ascites hervorrufen.
Verf. führt ein Beispiel dafür an.
*) VcrgL das Referat über die Arbeit Moncorvo'a in No. 3 des Archiv».
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345
Der reife Parasit selbst non gehört zu Jen Nematoden
und ist bis jetzt erst einige Malo im menschlichen Körper gefunden
worden. Verf. giebt eine genauo Beschreibung von ihm. Regelmässig
hingegen werden die Embryonen im Harm Blute u. g. w. gofunden. Es
sind zarte, durchscheinende, cylindrisch glatte Gebilde mit abgerundetem
Kopf und zugespitztem Schwanzende. Irgendwelche Organe lassen sich
in ihnen nicht erkennen. Sie befinden sich fortwährend in schlängeln-
der Bewegung und peitschen namentlich mit dem Schwänze lebhaft
unter den Blutkörperchen umher. Ihre Grösse schwankt zwischen
0.21 — 0,37 mm. Verf. giebt sodann Färbomethoden an, die im Original
eingesehen werden mllssen.
Die Weiterentwicklung der Filaria geht nach Manson in der Art
weiter vor sich, dass Mosquito -Weibchen bei Filaria-Kranken Blut
sangen: damit nehmen sie die Embryonen in sich auf, verdauen sie
aber nicht alle, sondern im Mosquito-Leib wächst ein Theil der
Embryonen zu 1,63 mm langen Würmern aus. Die trächtigen Mosquito-
Weibchen begeben sich dann an stagnirendes Wasser, um ihre Eier
abzulegen und dann zu sterben. Die Fiiaria-Larven machen sich frei,
kommen in’s Wasser und wenn dies Wasser getrunken wird, in den
Magen des Menschen. Lenckart verhält sich dieser Theorie gegenüber
ablehnend.
„Zwischen der Einwanderung des Parasiten in den Menschen
und dem ersten Auftreten der Krankheit liegt oft ein langer Zeitraum.1*
Das Leiden kann erst nach Jahren zum Ausbruch kommen. Höchst-
wahrscheinlich ist das Lymphgefässsystem der Wohnsitz der Parasiten
und zwar die grösseren Lymphstämme. Bei der Haemato-Chylurie
sitzen die Parasiten wahrscheinlich im Ductus thoracicus und seinen
Wurzelstämmen. Werden diese durch die Parasiten verstopft, so tritt
eine Stauung und somit Erweiterung dieser Ge Risse, schliesslich ein
Platzen derselben ein. Wenn in dieser Weise vom Hamapparat
kommende Lymphgofässe betroffen werden, so mischt sich der chylöse
Inhalt derselben dem Urin bei, ebonso das beim Bersten der Gefiisso
ergossene Blut. „Indem nun der gestaute Inhalt der Lymph- und
Chylusgefässe theils auf diese Weise, theils durch die gebildeten
Kollateralbahnen eine Ableitung findet, nimmt die Stammg allmählich
ab, die Ektasie der GeRisee geht zurück und infolgedessen kommt es
schliesslich zu einem Verschluss der zorrissenen Gefässe. Nun sistiron
die abnormen Abscheidungen. " Tritt von Neuem eine Stauung ein,
so wiederholt sich das Spiel. Durch Sektionen konnte übrigens bis
jetzt der Aufenthalt der Filaria bei Haemato-Chylurie nicht festgostellt
werden. Verf. giebt sodann die Beobachtungen, die bei don 4 bis jetzt
gemachten Sektionen von Haemato-Chylurie gemacht wurden.
Boi Elephantiasis der Beine sitzen die Mutterthiere wahr-
scheinlich in den Lymphgefassen in der Höhe der Leistendrüsen.
Bei Lymphscrotuin und varikösen Leistendrüsen
sitzen die Parasiten wahrscheinlich im Ductus thoracicus ebenso bei
Orchitis und Chylocele und die genannten Affektionen bilden eine
Fortsetzung der Lymphvaricen des Unterleibes und des Beckens.
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Verf. meint nun zwar, dass die vorgenannten Krankheiten wie
Chylurie, Elephantiasis and Lymphorrbagie aucli durch andere Ursachen
als die Filaria hervorgerufen werden können , möchte aber die
Embryonen der Filaria doch als die alle anderen überwiegende kin-
stellen. Weiterhin wird die bekannte Thatsache erörtert, dass die
Embryonen der Filarüi vorwiegend bei Nacht im Blute gefunden werden.
Verf., der alle die Erklärungsversuche anführt, die gemacht worden
sind, um diese Erscheinung verständlich zu machen, nimmt selbst an,
dass während des Schlafes in Folge der veränderten Circulationsverhält-
nisse der Einfluss der Lymphe in’s Blut beschleunigt wird und damit
die Embryonen zahlreicher in's Blut gelangen.
Die Prognose der Filaria-Krankheit ist nicht ungünstig, sie
kann jahrelang bestehen, ohne das Allgemeinbefinden wesentlich za
beeinträchtigen. Heilungen kommen selten vor.
Die Prophylaxe hätte, die Richtigkeit der Manson'schen An-
sicht vorausgesetzt, darin zu bestehen, verdächtiges Wasser zu kochen
oder zu filtriren.
Die Therapie ist ziemlich machtlos. Verf. konnte zwar in
einem Falle die Parasiten durch pikrinsalpetersaures Kali tödten, doch
ist damit nicht soviel gewonnen, denn die durch die Parasiteu hervor-
gerufenen Störungen bleiben nach wie vor bestehen. Manson ist sogar
der Ansicht, dass durch den Tod derselben Abscesse horvorgerofen
werden können. Bei der Haemato-Chylurie ist zunächst Bettruhe ange-
zeigt, bei der Elephantiasis der Beine Hochlegung, Massage, Bäder,
Ein Wickelungen, bei Elephantiasis scroti operative Eingriff. Verf.
giebt eine knrze Beschreibung der letzteren.
6. Die Ankylostomen-Krankheit. Das Ankylostomum
duodenale wurde 1838 von Dubini in Mailand entdeckt. Es findet sich
vorzugsweise in warmen Ländern, kommt aber auch in Deutschland
(Ziegelarbeiter am Rhein) vor. Die Naturgeschichte des Ankylostomum
ist im Original einzusehen. Erwähnt sei nur, dass der Schmarotzer
sich weniger im duodenum als vielmehr im jejunum findet. Die Infek-
tion kommt dadurch zu Stande, dass die Ankylostomum-Larven anf
irgend eine Weise in den Magen und Darm des Menschen gelangen.
Günstig für die Uebertragung sind solche Verhältnisse die es mit sich
bringen, dass die Exkremente Ankylostomum-kranker Menschen nicht
in Latrinen abgeführt, sondern in der Nähe menschlicher Wohnungen
in grösserer Menge zerstreut werden und andere Menschen dann mit
einom derart inficirten Boden in Berührung kommon. Das Krankheits-
bild der Ankylostomiasis ist das einer mehr oder weniger hochgradigen
Anämie mit vorwiegenden Erscheinungen seitens der Vcrdauungs-
orgaue. Meist ist der Beginn schleichend. Es stellt sich Drnck und
Empfindlichkeit der Magongegend, Heisshunger, grosse Begienle nach
nicht essbaren Dingen, z. B. Kalk, Kohle etc., ein, später völlige
Appetitlosigkeit, Sodbrennen und Verstopfung, die später in Durch-
fälle übergehen kann. Die Stühle haben oft eine eigeuthämliche
sebmutzigbrannrothe Farbe, welche von verändertem Blutfarbstoff her-
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rührt. Sio enthalten Eier in Menge. Dabei bestellt Herzklopfen und
die Hant der Kranken ist erdfahl wie bei Malaria - Kacheric. Die
Prognose ist iin allgemeinen gut, wenn das Leiden nicht schon zu
weit vorgeschritten ist. Als Abtreibungsmittel hat sich namentlich
Extr. aether. filic. mar. und Thymol bewährt. Es sollen dabei nicht
Uber 10,0 von erstorem Mittel gogeben werden. Die Abtroibungskur
soll, wenn sich noch Eier in den nachfolgenden Stühlen finden, nicht
vor Ablauf einer Woche wiederholt werden.
7. Seltener vorkonunende und weniger wichtige
Parasiten. Hier sei nur der Sandfloh erwähnt, der 1878 von Süd-
amerika aus nach Westafrika verschleppt wurde und sich hier un-
glaublich schnell verbreitet hat. Die schuhetragenden Europäer haben
weniger als die Eingeborenen von ihm zu leiden. Er ist etwa halb so
gross als der gewöhnliche Floh und von braunor Farbe. Die
trächtigen Weibchen bohren sich mit dem Kopfe in die Haut ein
und schwellen hier in Folge der zahlreichen wachsenden Eier zu einer
weissen Kugel von der Grosse einer kleinen Erbse an, an welcher
der Kopf nur als ein kleines braunes Pünktchen zu erkennen ist. Der
Schmerz des Einstiches ist so gering, dnss er meist nicht bemerkt
wird. Später juckt die befallene Stelle und entzündet sich. Haupt-
sächlich befallen wird die Fusssohle und die Zehen unter dem freien
Nagelrando auch die Digitoplantar-Fslten. Der Parasit muss, ohne
verletzt zu werden, mit einer Nadel ausgeschält werden. Einreiben
der Füsse mit Copaiv-Perubalsam oder Einstreuen mit Insektenpulver
soll gegen Infektion schützen.
IV. Organerkrankungen.
1. Die tropischen Aphthen. Unter tropischen Aphthen
verstheht man eine nur in warmen Klimaten vorkommende, Uusserst
chronisch verlaufende Krankheit, welche unter den Erscheinungen
einer eigenthümlichen Mundaffektion und hartnäckiger Diarrhoe zu
hochgradiger Abmagerung und Anaemie führt und in vielen Fällen
einen tödtlichen Ausgang nimmt. Die einen Beobachter, wie van der
Burg und Manson, sehen dieselben als eine Krankheit sui generis an,
während sio an den andeni, so auch von Fayer, nicht scharf von der
chronischen Diarrhoe der Tropenländer geschieden werden. Sie werden
auf den Antillen, dem malayiBehen Archipel, in Vorder- und Hinder-
indien sowie an der chinesischen Küste beobachtet, ihre Enstehungs-
Ursache ist unbekannt. Sie werden vorwiegend bei Europäern be-
obachtet, die schon lange Zeit in den Tropen leben und sind nicht
ansteckend.
Das Leiden beginnt ausserordentlich schleichend. Stets gehen
der Mundaffektion die Erscheinungen eines Magon-Darmkatarrhs vor-
aus. Es zeigen sich an der Zungenspitze und den -Rändern kleine, rotho
Flecke, die sich allmählig vergrössern. Die Zunge verliert ihro
normale Rauhigkeit und bekommt ein rothes, glattes, trockenes,
glänzendes, wie gefirnisstes Aussehen. Es schiessen kleine, sehr em-
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pfindlicbe Bläschen auf, die bersten und kleine Excoriationen Unter-
lassen. Sprechen und Essen sind erschwert. Die Kranken gehen all-
mählich an dem nebenbei bestehenden Magen-Darmkatarrh zu
Grunde. Gewöhnlich ist eine Verkleinerung der Leber nachzuweisen.
An der Leiche findet sich eine grosse Anaemie aller Organe, an der
Zunge Mangel des Epithelüberzugeg und Obliteration der Zotten.
Manchmal finden sich Geschwüre im Darme. Die Prognose ist
immer ernst. Ist die Leber bereits verkleinert, so ist Genesung nur
durch Rückkehr nach Europa zu hoffen. Als Behandlung ist reine
Milchdiät und wenn diese nicht vertragen wird, Schleim- oder Mehl-
suppe zu verordnen. Zur gewöhnlichen Kost darf erst zurückgekehrt
werden, wenn die Kranken etwa 3 Monate lang geformten Stuhl
gehabt haben. In Niederländisch-Indien wird eine Fruchtkur (Ananas
ausgeschlossen) gerühmt Ausserdem ist dem Kranken Wärme und
Ruhe zu verordnen, Leibbinden.
2. Die tropische Dysenterie. Die Frage, ob die tropische
Dysenterie identisch mit der Ruhr in unseren Breiten ist, lässt der
Verfasser offen. Ebenso ist er der Meinung, dass die in den Stühlen
Ruhrkranker gefundene Amoeba coli nicht die Erregerin, sondern nur
eine Begleiterin der Ruhr sei. In der pathologischen Anatomie der
Ruhr hält sich Vert. an Virchow, der eine katarrhalische und eine
diphtherische Ruhr unterscheidet Klinisch unterscheidet Verf. folgend«
Formen.
1. Einfache Dysenterie, die dadurch charakterisirt ist,
dass die Stühle aus Schleim und Blut bestehen und einzelne
rotho, weiche Stückchen (abgestosseno Schleimhautfetzen)
enthalten.
2. Die brandige Dysenterie, die dadurch charakterisirt ist,
dass die Stühle eine braunrotbe, schwärzliche, schmierige
Flüssigkeit darstellen, die grössere odeT kleinere Stücke
brandig abgestossener Darmwand enthalten. Die Zahl der
Entleerungen kann 150 — 200 in 24 Stunden betragen.
3. Die chronische Dysenterie ist dadurch charakterisirt,
dass sich nach scheinbarer Heilung wiederholte Rückfälle ein-
stellen, die schliesslich in ein chronisches Stadium überführen.
Die Darmentloerungen können sich sehr verschieden verhalten.
Sie können wässerig, aber auch Schleim, Blut oder Eiter
oder alles drei gemischt enthalten.
Als Komplikationen werden am häufigsten entzündliche
Erscheinungen von Seiten der Leber beobachtet, namentlich Leber-
abscesse, ferner Skorbut und Gelenkentzündungen, die ein dem ge-
wöhnlichen Gelenkrheumatismus ähnliches Bild darbieten. Die Pro-
gnose ist im Ganzen günstig bei der einfachen Form, ungünstig bei der
brandigen und bei der chronischen unbestimmt. Verf. spricht sich
dafür aus, alles, was mit dem Kranken in nähere Berührung gekommen
ist, zu desinficiren.
In der Behandlung zieht Verfasser das Calomel in grossen
Dosen 0,3— 0,5 alle 4—6 Stunden gegeben (im Ganzen genügen nach
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Verf. Ansicht durchschnittlich 3,0— 4,0) der Ipecacuanna vor, denn
wenn orsteres versagte, versagte das zweite auch. Bei der brandigen
Form sind beide unwirksam, ebonso bei der chronischen. Wichtig ist
dabei die Diät Bei akuter Dysenterie darf bis zu eingotretener
Besserung nur flüssige Nahrung gereicht werden. Verf. empfiehlt zu-
nächst Milch, dann Schleimsuppen. Alkoholika verbietet er. Bei
chronischer Dysenterie ist Milchdiät und Klimawechsel angezeigt.
3. Die Hepatitis dor warmen Lündor ist Uber die
tropischen und subtropischen Gebiete von Asien, Afrika und Amerika
verbreitet. Die Hauptursac.he der Hepatitis ist die Dysenterie. Wo-
durch eigentlich der Leberabscoss hervorgerufen wird, ob durch Amoeben
oder pflanzliche Mikroorganismen ist noch nicht festgestellt Dass
Leberabscesse im Anschluss an dysenterische Geschwüre so häufig und
im Anschluss an andersartige Geschwüre so selten sind, hängt nach
Macleod damit zusammen, dass die dysenterischen Geschwüre mit sub-
muköser Eiterung verbunden sind, die andern nicht Als hauptsächlich
praedisponirend für Erkrankungen an Leberabscessen sieht Verf. den
Alkoholmissbrauch an und stützt diese seine Ansicht durch die Be-
obachtungen, dass Frauen, Kinder und Eingeborene, die fast gar
keinen Alkohol gemessen, sehr viel seltener an Leberabscessen,
erkranken, obgleich sie ebenso häufig als die Europäer von Dysenterie
befallen werden.
Es werden einfache und multiple Abscesse beobachtet. Am
meisten befallen wird der rechte Loberlappen. Die erstere Form ist
die häufigste. Entstehen kann der Abscess plötzlich durch Fieber und
Schüttelfrost Ausser Schmerzen und Schwellung in der Lebergegend
ist rechtsseitiger Schultersc.hmerz charakteristisch für den entstehenden
Abscess. Die Krankheit kann sich aber auch schleichend unter un-
bestimmten Symptomen entwickeln und dann ist die Diagnose schwierig.
Die Sterblichkeit unter dem englischen Militär betrug nach Fayers
4,8 °/o— 6,7 V
Verwechselt kann ein Leberabscess werden mit Intermittons,
plenritischem Exsudat, subphrenischen Abscess, Bauch wandabscess,
vereitertem Echinococcensack und einer Eiteransammlung in dor
Gallenblase. Unerlässlich zur Sicherung der Diagnose ist eine Probo-
punktion. Die Prognose des Leidens ist ernst, verhältniBsmiissig
günstig nur dann, wenn es sich um einem einfachen Abscess bei einem
kräftigen Individuum handelt und rechtzeitig operirt wird.
Die Therapie muss anfangs, so lange noch Aussicht auf Rück-
bildung ist, antiphlogistisch sein. Ist durch die Probepunktion Eiter
nachgewiesen, so muss der Abscess operativ eröffnet werden.
4. Die Schlafsucht der Neger wird nur bei den Negern der
westafrikanischen Küste beobachtet und führt früher oder später zum
Tode. Anfangs besteht Schläfrigkeit, die bald in Schlafsucht über-
geht. Die Kranken taumeln wie Betrunkene, es tritt manchmal Fieber
auf, Tremor, Ataxie, auch Lähmung einer oder der anderen Seite.
Schliesslich besteht tiefe Somnolenz, sodass die Kranken unter sich
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lassen. Dabei sind an den inneren Organen keine Störungen naciizn-
weisen. Mauthuer macht darauf aufmerksam, dass die Schlafsucht
der Neger Aehnlichkeit mit VVeruickes akuter Poliencephalitii
superior hat.
Die Aotiologie ist völlig dunkel, die Therapie machtlos.
5. Das Amok-Laufen der Malayen besteht in einer
psychischen Störung, bei welcher der Befallene plötzlich mit ge-
schwungenem Kris durch die belebtesten Strassen der Städte oder
Dörfer rast und alles Lebendige, was ihm in den Weg kommt, nieder-
stösst. Das Amok-Laufen ist der malayischen Rasse eigentümlich.
Bei Frauen tritt es so gut wie nie auf. Dem Anfalle geht ein stupo-
röser Zustand vorauf. Die Kranken meiden allen Verkehr und brüten
vor sich hin. Unmittelbar vor dem Anfall wird ihnen alles schwan
oder roth wie Blut vor den Augen, sie sehen Thiere und Teufel, die
sie durchstechen, dann wissen sie nichts mehr. Für die Dauer de*
Anfalls besteht Amnesie. Als Gelegonheitsursachen werden Gomüths-
erregungen und fieberhafte Krankheiten angegeben. Manchmal wir!
Amok simuliert. Mit übermässigem Opium- oder Alkoholgenuss hat das
Amok-Laufen nichts zu thun. Wahrscheinlich handelt es sich um eine
psychische Epilepsie.
.Eine wichtige Rolle spielt hierbei die geringe Beherrschung
von Leidenschaften und Neigungen, welche, grossentheils eine Folge
ihrer geringen Bildung und unzweckmitssigen Erziehung, wie über-
haupt ein abnorm erregbares Nervenleben den Malayen eigentümlich
ist, u. a. bei Bestrafungen an Kindern täglich beobachtet werden kann.
Als weitere begünstigende Momente kommen hierzu die Thatsacken,
dass diese Personen dem Leben ihrer Mitmenschen sehr wenig Werth
beilegen, ein Beispiel, dass sie von jeher an erster Stelle bei ihren
eigenen Fürsten täglich vor Augen hatten, und dass sie immer Waffen
tragen und daher leicht in dio Möglichkeit kommen, von denselben
Gebrauch zu machen .... Von grosser Wichtigkeit ist die Frage
nach der Zurechnungsfähigkeit der Amok-Läufer. Man kann van Brero
nur beistimmen, wenn er fordert, dieselbe nicht generell zu bejahen,
Bondern jeden einzelnen Fall für sich zu betrachten, wozu natürlich
unmittelbar nach dem Anfalle eine Untersuchung vorzunehmen nöthig
ist ; neben Fällen, in denen Besinnungslosigkeit besteht, könneu auch
solche Vorkommen, wo die Zurechnungsfähigkeit vorhanden oder nur
vermindert ist. Auch Ellis giebt zu, dass der Amok-Läufer manchmal,
weil er zu sterben wünscht, sieh mit Willon dem freien Spiele seiner
Leidenschaften überlässt, wo er sich zügeln könnte, obwohl er weis*,
dass das Endo Amok sein wird, und will ihn in solchem Falle, wenn
er auch auf der Höhe des Zustandes sich seiner Handlungen nicht
mehr bewusst sein mag, für diese, in gewissem Maase wenigstens, ver-
antwortlich machen, ebenso wie jemanden, der sieb vorsätzlich be-
trinkt und dann in blinder Trunkenheit ein Verbrechen begeht, de"11
er muss sich vollkommen darüber klar sein, was wahrscheinlich die
Folge seiner ersten Handlung sein wird.“
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6. Die L n t a h - K ra n k h u i t ist eine in Niederländisch-Indien
verkommende cerebrale Neurose, bei welcher die Kranken gegen ihren
Willen Bewegungen ausführen und Laute und Wörter von sich geben
Diese Bewegungen werden von unzusammenhängenden Lauten oder
Wörtern, meist gebräuchlichen Ausrufen, öfters aber von obscönen
Ausdrücken begleitet und werden durch Schreck oder Echokinesie
aasgeübt, d. h. die Kranken machen jede Bewegung, die man ihnen
Vormacht, sofort nach. Dabei bestellt manchmal Paraphasie. Das
Bewusstsein ist ungetrübt, Epilepsie und Hysterie nicht nachweisbar.
Es spielt aber Erblichkeit eine grosse Rolle. Meist sind Frauen be-
fallen. Das Leiden kann Jahrzehnte bestehen und scheint unheilbar
tq sein, van Brero definirt die Krankheit als provocirte imitatorische,
impulsive Myospsie. Die Bewegungen erfolgen ganz ungewollt; trotz
energischer Anstrengung sind die Patienten ausser stände, dieselben
zurückzuhalten. Es handelt sich offenbar um Personen, deren WiJlo
geschwächt ist Die Schwächung des Willens bringt van Brero mit
der mangelhaften Clmrakterentwickelnng der Malayen und ihrem
labilen Nervenleben in Zusammenhang, welche man als eino Folge der
unterdrückten Stellung, in welcher dieselben stets gehalten worden
sind, anzusehen hat.
V. Aeussere Krankheiten:
1. Der rothe Hund wird kurz geschildert und dio selbst-
verständlichen Verhaltungsmaassregeln und Medikamente für die Be-
handlung angeführt. Merkwürdig ist, dass Sublimat (1 : 1000), das so
sehr leicht Ekzem hervorruft, zu Waschungen empfohlen worden ist. (Ref.)
2. „Tinea imbricata“*) nennt Manson eine vorzugsweise im
malayischen Archipel und auf den Inseln der Südsee vorkommende,
mit dem herpes tonsurans verwandte Hautkrankheit, die durch einen
bestimmten , von trichophyten tonsurans verschiedenen Pilz hervor-
gerufen wird. Die Einzelheiten hierüber sind im Original nachznleson.
Ref. erscheint die Trennung der tropischen tinea imbricata von dem
heimischen herpes tonsurans noch nicht bewiesen, zumal herpes
tonsurans auch in unseren Breiten in der Form der tinea imbricata
beobachtet wird.
3. M al del pinto ist eine namentlich im tropischen Amerika
vorkommende Dermatomykose, welche sich in dom Auftreten ver-
schiedenfarbiger, den Kranken ein scheckiges Aussehen verleihender
Flecken äussert und ohne Störungen des Allgemeinbefindens einhergeht.
Die Krankheit entwickelt sich allmählich. Es bilden sich auf un-
bedeckten Körportheilen, wie im Gesicht und an den Händen, kleine
Flecke, die sich vergrössern, zusammonfiiessen und hellgrau bis schwarz,
blau, roth oder weise sein können. Im Anfang zeigen die Flocke nur
ei ne Farbe, später können verschiedenfarbige neben einander bestehen.
Es tritt Jucken auf, das in der Bettwäruiu zunimmt, und die Flecken
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zeigen dann eine kleieuibruiige Abschuppung. Die Kranken verbreiten
einen widerlichen Geruch und erinnern in ihrem Aussehen nicht selten
an bemalte Circusclowns. Die Krankheit wird angeblich durch einen
Pilz hervorgerufen. Als Mittel werden dagegen empfohlen : Chrysorabin,
Naphthol, Schwefel.
4. Unter dem Namen endemische B e u le n k rankheit
versteht Verf. die unter vielen Namen bekannto Orientbeule, die sich
in den tropischen und subtropischen Ländern der östlichen Halbkugel
weit verbreitet vorfindet. Es findet sich diese Beulenkrankheit nicht
überall in diesem Gebiet, sondern da wieder nur auf bestimmte Städte
und Distrikte beschränkt. Die Krankheit ist ansteckend und das
Contagium in dom Sekret der Geschwüre vorhanden. Trotzdem erfolgt
dio Uebertragung für gewöhnlich nicht von Mensch auf Mensch) sondere
der Krankheitserreger vegetirt irgendwo im Boden. Hierfür spricht
das Gebundensein an bestimmte Oertlichkeiten. Capus behauptet, dass
Fliegen als Zwischenträger dienen. Die Inkubationsdauer schwankt
zwischen Tagen und Monaten. Nach Impfung beträgt die Inkubations-
dauer 10 — 12 Tage. Einheimische werden häufiger als Fremde befallen.
Die Krankheit beginnt als kleiner, rother Fleck, der einem
Mosquitostich ähnelt. In der Mitte desselben bildet sich ein kleines
Knötchen, das langsam an Umfang zunimmt. Nach monatelangem
Bestehen sickert aus seiner Oberfläche eine dünne Flüssigkeit, die zu
einer gelblichen Kruste eintrocknet. Fällt sie ab oder wird sie entfernt
so zeigt sich unter ihr ein kleines, rundes Geschwür, und dies vergrössert
sich allmählich. Es kann einen Durchmesser von 8 — 10 cm erreichen.
„Seine Ränder sind scharf, senkrecht und zackig, wie ausgefressen,
sein Grund uneben und höckerig und seine Umgebung nicht entzündet
oder indicirt. Es liefert ein bald reichlicheres, bald spärlicheres
sero-purulentes Sekret, welches manchmal zu einer dicken, gelblichen
oder schwärzlichen Kruste eintrocknet. Bisweilen fällt diese nicht ab,
sondern bleibt bis zur erfolgten Heilung sitzen; es bildet sich dann
eine runde oder ovale, konzentrisch geschichtete, bis 1 cm dicke Borke,
welche an rupia syphilitica erinnert. Nachdem das Geschwür ge-
wöhnlich mehrere Monate bestanden hat, ohne auf dio tieferen Gewebe
Uberzugehen, erscheinen im Grunde desselben gesunde Granulationen,
und es tritt eine langsame Vernarbung ein, was in der Regel wieder
Monate in Anspruch nimmt. “
Dio Beulen entwickeln sich namentlich an den unbedeckten
Körperstellen. Das Knötchen, welches der endemischen Beule za
Grunde liegt, gehört histologisch zu den Granulationsgeschwülsten.
Als Prophylaxe wird äusserste Reinlichkeit empfohlen. In der Therapie
wird von den Meisten exspectactive Behandlung nngcrathen. Namentlich
soll man die Kruste nicht von dem Geschwür entfernen, weil es unter
dieser gut zu heilen pflegt,
6. Den tropischen Phagedänismus hält Verf. nicht filr
eino Krankheit sui generis, die dabei gefundenen Mikroorganismen
sieht er als sekundäre Eindringlinge an. Eine wichtige Rollo bei der
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Entstehung spielen mangelhafte Nahrung, schlechte Wohnung, Un-
reinlichkeit, übermässige Anstrengungen und vorausgegangene oder
noch bestehende Krankheiten, wie Malaria, Dysenterie und Skorbut
Der Phagedänismus nimmt seinen Ausgang für gewöhnlich an
kleinen Verletzungen an don unteren Extremitäten.
Die Therapie must zunächst eine roburirende sein, örtlich sind
Kauterisationen eventuell Amputationen vorzunehmen. Klimawechsel
soll einen günstigen Einfluss ausüben.
6. Die Ohrgeschwulst am Nepal und 7. die Nasen-
geschwulst der Elfenbeinküste, von denen erstore Kindskopf-
grösse, letztere Strausseneigrösse erreiche« kann, sind im Original
nachzusehen.
8. Der Madura-FusB findet Bich vornehmlich in Indien. Be-
fallen wird hauptsächlich einer der beiden FüBse, seltener findet sich
die Krankheit an einer Hand. Es bilden sich im Unterhautzellgewebe
der Fugssohle erbsen- bis haselnnssgrosse, harte, schmerzlose Knoten,
die sich zuspitzen, aufbrechen und eine gebliche, stinkende ölige
Flüssigkeit entleeren. Ist die Krankheit weiter fortgeschritten , so
erscheint die Fusssohle convex, der Fuss eiförmig, mit Höckern und
Knoten besetzt, zwischen denen sich zahlreiche Fisteln finden, die mit
blassen, wenig empfindlichen und wenig blutenden Granulationen um-
geben sind. Führt man in eine solche Fistel eine Sonde ein, so stösst
man überhaupt auf keinen Widerstand mehr, weil die Knochen zerstört
sind. Der ganze Fuss ist zu einer gallertigen Masse geworden. — In
der aus den Fistelgängen entleerten Flüssigkeit finden sich graue oder
gelbliche, bald schwärzliche Körperchen, die grieskorn- bis stecknadel-
kopfgross sind und aus einem dicht verfilzten Mycelium bestehen.
Nur am Rande lassen sich einzelne schmale Fäden erkennen, deren
Aestchen strahlenförmige Anordnung, wie bei Actinomyces, zeigen,
ihnen aber die keulenförmigen Endglieder fehlen. Dies0 Pilze sind
als die Erreger der Krankheit anzusehen.
Schmerzen fehlen in der Regel. „Der grosse, unförmliche Fuss
steht in seltsamem Kontraste mit dem abgemagerten, fast nur aus Haut
und Knochen bestehenden Beine. Die Leistendrüsen der kranken
Seite fand Collas stark angeschwollen, sehr hart, aber schmerzlos.“
Der Krankheitsverlauf ist sehr chronisch und kann sich Uber 10 bis
20 Jahre hinziehen.
„Macht man einen Schnitt durch einen Fuss oder andern Körper-
theil, welcher die Krankheit in ihrer vollen Entwicklung zeigt, so
erscheinen unter der verdickten Haut alle Gewebe, sowohl das Binde-
gewebe als die Muskeln und Knochen, in eine gleichartige, zähe, gallert-
artige Masse von grauer oder röthlicher Farbe umgewandelt, so dass
man, ohne wesentlichen Widerstand zu finden, mit dem Messer don
erkrankten Theil nach allen Richtungen hin zerschneiden kann. Die
gallertartige Masse ist von zahlreichen kugligen Cysten durchsetzt,
und von diesen gehen wieder verzweigte und vielfach anastomosirende
sinuöse Kanäle aus, welche theils blind enden, theils durch die Haut
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sich nach aussen öffnen. Cysten sowohl als Kanäle sind erfüllt mit
eigcnthümlichen, als maulbeerförmige Körper bezeichnten Pilzmassea,
die sich bei genauer Untersuchung als Aggloraerate der oben be-
schriebenen Körperchen erweisen.“
Dass Europäer von dieser Krankheit nicht befallen werden,
liegt darin, dass sie Schahwerk tragen. Denn die Erkrankung an
>Madura-Fuss schlieBst sich an kleinere oder grössere Vorletzungen an.
Die Behandlung ist chirurgisch.
9. A i n h u m ist eine vorwiegend bei den Negern der afrikanischen
Westküste vorkommende Krankheit, die darin besteht, dass einzelne
Zehen — namentlich aber die kleinen Zehen — durch eine ringförmige
Falte, die sich in Höhe der plantaren Schwimmhaut entwickelt, ab-
geschnürt und schliesslich abgelöst werden. Es ist ein ausgesprochenes
Lokalleiden, das sich Uber 5—10 Jahre hinziehen kann. Die pathologisch-
anatomischen Untersuchungen haben bis jetzt wenig Uebereinstimmendes
ergeben. Die Aetiologie ist völlig dunkel. Von den Einen wird die
Krankheit für eine Trophoneurose , von Anderen für eine lineare
Sclerodermie gehalten. Dio Behandlung ist chirurgisch.
Wie das vorstehende Referat zeigt, ist in dem ScheubeVhen
Werke eine grosse Fülle von Material verarbeitet worden. Leicht ist
die Bearbeitung dieses Materials nicht gewesen, denn jeder Autor, der
über irgend eine Troponkrankheit geschrieben hat, hat fast immer eint
andere, wenn nicht gerade die entgegengesetzte Ansicht von dem, der
denselben Gegenstand vor ihm bearbeitete. Der Verf. hat cs ver-
standen, aus diesen Widersprüchen ein verständliches Ganzes zu schaffen,
indem er dio einzelnen Ansichten in der objektivsten Weise neben
einanderstollt und bespricht, so dass der Leser sich stets selber ein
Urtheil auf Grund der vorgetragenen Ansichten bilden kann. Es ist
ihm dies um so eher möglich, als alle die Beobachtungen, aus denen
die einzelnen Ansichten gewonnen wurden , gewissenhaft angefflhrt
sind. Das Scheube’sehe Buch ist als eine Ergänzung der bekannten
historisch-pathologischen Geographie von Hirsch anzusehen, und es ist
nur wünschenswert!), dass der ersten bald eine zweite Auflage folgt
Eins möchte aber der neuen Auflage hinzugefügt werden: Ab-
bildungen der besprochenen Parasiten.
Rüge (Kiel).
III. Pharmakologische Mittheilungen.
Jeder Arzt, welcher in den Tropen praktizirt hat, weiss, wie
sehr Pflaster in den Tropen dem Verderben ausgesetzt sind. Pflaster-
rücken und Schutzgaze unter dem Einfluss der hohen Temperatur sind
bald durch den Klebstoff' so innig zusammen gebacken, dass eine
Trennung unmöglich oder unter Zordrückung der Klebeschicht möglich
ist, oft aber auch ist die Klebekraft verloren gegangen. Die Schutz-
gaze fällt beim Auseinanderrollen des Pflasters ab, und selbst durch
Erwärmen ist das Pflaster nur mangelhaft klebfähig zu machen. Mit
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der zunehmenden Anwendung medikamentöser Pflaster und Pflastor-
mullen in der Behandlung von Hautkrankheiten nun sind diese Uebol-
stände schwerwiegender geworden und haben die Aorzte in heissem
Klima gegen die Pflastertherapie eingenommen.
Um die Haltbarkeit der medikamentösen Pflaster zu prüfen,
hatten wir im Februar und März d. J. an verschiedene Aerzte in den
Tropen in Blechbüchsen verpackte Pflastormulle der Firma Beiers-
dorf & Co. in Hamburg versandt und um Bericht Uber die Brauchbarkeit
derselben sowie Rücksendung eines Probestückchens gebeten. Zwei
Antworten sind jetzt, Mitte August, eingegangen, nämlich von den
Herren Dr. Glogner in Samarang (Java) und Dr. Klee in Pitas (Britisch
Nord - Borneo). Beide Herren haben besonders das Collemplastrum
hydrargyri carbolisatum und das Collemplastrum chrysarobini, orsteres
gegen Furunkulose, letztere gegen parasitäre und seborrhoische
Ekzeme u. dergl. verwandt und sprechen sich Uber die Klebfähigkoit,
Haltbarkeit und Wirkung dieser Pflastermüde sehr befriedigt aus.
Die Probestücke sind im Juni bez. Juli einfach in Papier geschlagen
durch Brief nach Deutschland zurückgesandt, haben aber auch diese
ungünstigen Transportbedingungen ohne Einbusse ihrer Eigenschaften
ertragen, wie Referent in praktischer Anwendung an Kranken fest-
stellen konnte. M.
Die weltbekannte Firma E. M erc k - Darm s t ad t ist augen-
blicklich mit einem Werk in die Ooffentlichkeit getreten, welches so-
wohl von dem Arzt, als auch Apotheker und Medicinaldrogisten auf
das Freudigste bogrüsst werden wird. Betitelt ist dasselbe: „Ver-
zeichn iss silmmtlicher Präparate, Drogen und Mineralien mit Erläute-
rungen“; es enthält in änsserst kurzor, bestimmter Form alles das, was
der Arzt, Apotheker oder Drogist Uber den betreffenden Körper wissen
muss. Wahrlich keine kleine Aufgabe, die sich die Firma hior gestellt
und in äusserst glücklicher Weiso auch gelöst hat, wenn man bedenkt,
dass gerade in der jetzigen, nach stets Neuem strebenden Zeit, wo fast
kein Tag vergeht, an dem nicht ein oder gur mehrere neue Präparate
das Licht der Welt erblicken, das Werk alle bis zum Erscheinen des-
selben dargestellte chomische Präparate enthält. Boi jedem einzelnen
derselben findet man zunächst seine chemische Formel, dann die Art
und Dose der Anwendung, selbstverständlich bei dem starkwirkenden
Mittel Maximaldose und Gegengifte, ferner bei denjenigen Körpern,
nach deren Einnahme charakteristische Merkmale auftreten, diese an-
gegeben. In einer zweiten und dritten sich anschliessenden Abtheilung
sind dann in ähnlicher Weise die Drogen und Mineralien abgehandelt,
an die sich endlich noch ein Anhang, Verzeichnisse von Präparaten
für Analyse und Mikroskopie, gesetzlich geschützte Präparate und
Specialitäten, sowie Nachtrag, Ergänzungen und Berichtigungen an-
schliessen. Dem Arzt wird das Buch ebenso wie dem Apotheker und
Medicinal- Drogisten ein hochwillkommenes Nachschlagebuch zwecks
schneller Orientirung über ein Medikament sein, wie es bis jetzt in
derartiger Form und zugleich Vollkommenheit nicht bestanden hat.
N a g e 1 1.
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3
^56
IY. Verschiedenes.
Zur Mitarbeit am „Archiv“ hat sich bereit erklärt Herr Dr. de
Carrasqnilla, Bogotiu
Die internationale Lepra-Conferenz findet vom 11. bi»
16. October in Berlin statt. Die Sitzungen werden in den Räomen
des Kaiserlichen Gesundheitsamts, NW. Klopstockstrasse 19—20, von
11—2 Uhr abgehalten. Es sind bis jetzt 54 Vorträge aus verschiedenen
Ländern angemeldet worden.
Auf der diesjährigen Versammlung deutscher Natur-
forscher und Aerzte zu Braunschweig war die Sektion für
Tropenhygiene sehr schwach besucht. Die Vorträge fielen deswegen
aus. Die von der Deutschen Kolonialgesellschaft angeregte Frage, ob
das Bedürfniss einer Gründung eines Rekonvaleszentenheims für Tropen-
kranke vorhanden sei, wurde von den anwesenden Sektionsmitgliedern
verneint.
Dem Leiter des Pasteurschen Instituts in Lille, Dr. Calmette,
soll es gelungen sein, ein Serum gegen Schlangengift herzustellen. Ein
Kaninchen, dem eine Quantität Serum eingeimpft worden war, die dem
hundersten Theile des Gewichts des Thieres entsprach, konnte eine
Stunde später eine sonst unfehlbar tödtliche Dobi's von einem Milligramm
Gift der Cobra capolla ruhig ertragen, ohne zu erkranken. Der gleiche
Erfolg soll sich bei Impfvorsuchen mit anderen Thieren und aach Menschen
ergeben haben. Nur muss die Menge des Impfstoffs stets dem Körper-
gewicht des Versuchstieres angemessen sein. Bestätigung bleibt abzn-
warten. M.
V. Zur Besprechung eingegangene
Bücher und Schriften.
F. Burot et TU. A. Begründ. Les troupes coloniales, statistique de la
mortalite. Paris 1897, Bailliere & fils.
El Agricnltor, Organo de la Societad de los agriculturos Colotnbiano«,
BogotiY December 1896.
Druckfehlerberichtigungen
zu dem Aufsatz:
Der Parasitenbefund bei den Malariaflebern etc.
von D r. R e i n h o 1 d Rügt*, Marine-Stabsarzt.
S. 249, Zeile 19 v. ob. statt Abbos lies Abbot.
250
9
b
b
9
Fitroff
9
Titoff.
251
n
letzto
b
b
r
vorige Seite
9
Seite 249.
253
n
16
»
b
b
versuchte
9
verfrühte.
253
n
letzte
i»
i»
9
Keimkörper
9
Kerjkörper.
255
9
12
B
b
9
nucleo
9
nucleolus.
255
9
27
» *
9
9
am
9
von.
255
n
30
B
V
9
mehr
9
näher.
255
n
vorletzte
B
9
Stümpchen
9
Klümpchen. _
259
7
n
9
1894
9
1884.
259
8
1)
V
9
entnehmen
9
entnahmen.
260
i»
letzte
n
b
9
Anmerk. 2 S. 12
9
Anmerk. 4 auf S. 256.
I. Originalabhandlungen.
Der Parasitenbefund bei den Malariafiebern und seine
Verwerthbarkeit fUr die Erkennnng, Behandlung und
Verhütung der Malariafieber
von Dr. Reinhold Rüge, Marinestabsarzt.
(Fortsetzung und Schluss.)
Es bleibt nun noch übrig, zu erörtern, ob uns der
Parasitenbefund einen Anhalt für die Behandlung der
schwersten Form des Malariafiebers, des Schwarzwasserfiebers,
geben kann. Ueber die Behandlung dieser Fieberforni ist
in letzter Zeit von deutschen Autoren lebhaft gestritten
worden. Ich lasse die Ansichten der einzelnen Autoren kurz
folgen.
(Irawitz1) fand in einem Falle von Schwarzwasserfieber
keine Parasiten.2) „An sehr zahlreichen frischen und gefärbten
Präparaten angestellte Untersuchungen ergaben weder an
diesem noch an einem der folgenden Tage irgend eine
parasitäre Form im Blute.“ Diesem Befunde entsprechend
verwirft Grawitz in Ueboreinstimmung mit Kohlstock *)
die Anwendung von Chinin in der Behandlung des Schwarz •
Wasserfiebers. F. Plehn 4) gelang es aber, Malariaparasiten
bei dem Kameruner Schwarzwasserfieber nachzuweisen.
Demnach sollte man erwarten, dass eine kräftige Chinin-
behandlung am Platze wäre. F. Plehn 5) räth trotzdem von
’) Berlin, Ktin. W. 189:!. S. 141.
’) Vergl. Anmerkung 4 auf S. 250 und Baccelli's Ausspruch: „Man
kann an zweifellos sicherer Malaria zu Grunde gehen, ohne dass im
Blut die bekannten Formen der Haematozuen Vorkommen.“ Baccelli,
S. 96. Studien Uber Malaria.
“) Berl. Klin. W. 1892. No. 19.
*) Deutsche med. W. 1895. S. 416.
") 1. C. 430.
25*
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360
einer Chininbehandlung des Schwarzwasserfiebers ab, weil er
nach Chiningebrauch nicht nur ein Schlimraerwerden des be-
stehenden Schwarzwasserfiebers, sondern sogar eine Ver-
wandlung einfacher Malariafieber in Schwarzwasserfieber
durch Chinin sah. Stendel1) steht genau auf dem ent-
gegengesetzten Standpunkt. Er befürwortet grosse Chiuin-
gaben bis zu 12,0 pro die in der Behandlung des Schwarz-
wasserfiebers. Küchel s) (Congo) sehliesst sich ihm an und
warnt namentlich vor kleinen Chinindosen (1,0 prodie), die
eher schädlich als nützlich wirken. Doering3) (Togo) hin-
gegen behauptet, dass Chinindosen der gewöhnlichen Grösse
(1,0 — 1,5 pro die) absolut keinen Einfiuss auf den Verlauf
des Schwarzwasserfiebers hatten, während Schellong4) solche
Chinindosen empfiehlt. — Es scheint danach, als ob es zwei
Arten von Schwarzwasserfieber giebt : eine durch Parasiten
direct hervorgerufene und eine, die als Nachkrankheit von
Malariafiebern oder in seltenen Fällen als directe Chinin-
wirkung s) aufzufassen wäre.
Aus dem, was über die Behandlung der Malariatieber
eben gesagt worden ist, geht also hervor, dass uns der Blut-
befnnd bis jetzt nur darauf ldngewiesen hat, dass wir Leute,
die Halbmonde im Blute gehabt haben, noch lange, nachdem
sie scheinbar schon genesen sind, als latent inficirt be-
trachten und demgemäss entsprechend behandeln müssen.
Sonst lässt sich bis jetzt bei den vorhandenen Widersprüchen
nichts Bestimmtes aus dem Blutbefund für die Behandlung
gewinnen.
Hat nun die Auffindung der Malaria-
parasiten Gesichtspunkte ergeben, die wir für
die Verhütung der Malariafieber verwerthen
könnten? Für die allgemeine Prophylaxe haben wir bis
jetzt leider nichts erreicht, wohl aber für die persönliche.
Es ist Klarheit über die Zulässigkeit und die Brauchbarkeit
der prophylaktischen Chinindarreichung — wenigstens für
*) Die perniciüee Malaria in Deutsch-Ostaffika.
3) Deutsche med. W. 1895. S. 446.
3) Deutsche med. W. 1896. S. 761.
4) Schellong, Die Malariakrankheiten. 1890. S. 64 und folgende.
s) Vergl. Murri, lieber Chininvergiftung. Deutsche med. Wochen-
schrift. 1896. No. 8 und 9.
361
bestimmte Verhältnisse — gewonnen worden.1) Denn bis jetzt
ist die Nützlichkeit dieser Maassregel von eoinpetonten Be-
urtheilern ebenso energisch bejaht wie verneint worden. Das
hat meiner Meinung nach seinen (irund in verschiedenen
Ursachen. Einmal waren die Chinindosen, mit denen die
verschiedenen Beobachter arbeiteten, verschieden, und zweitens
wurden und werden wohl auch jetzt noch in den Tropen
manche Fieber, die keine Malariafieber sind, zu letzteren ge-
rechnet. Im Vorhergehenden ist gesagt worden, dass eine
Chininlösung von 1 : 5000 im Stande ist, die Malariaparasiten
zu tödten. Daraus folgt also zunächst, dass kleinere Dosen
als 1,0, z. B. 0,3, wie sie die, Engländer in ihrem Chinin-
schnaps geben, nicht genügen können, um den Körper vor
einer Malariainfection zu schützen. Selbst wenn eine solche
Dosis 2 — 3 Mal am Tage gegeben wird, kann sie nicht ge-
nügen, weil bis zur Verabreichung der nächsten Dosis ein
grosser Theil des vorher genommenen Chinins bereits wieder
ausgeschieden worden ist. Will man also etwas erreichen,
so muss wenigstens Chinin 1,0 gegeben werden. Und zwar
muss die Dosis einen um den anderen Tag wiederholt
werden, weil im Laufe von 48 Stunden der grösste Theil
des eingeführten Chinins wieder ausgeschieden ist. Selbst-
verständlich kann von einer derartigen Chinisirung immer
nur eine kurze Zeit bezw. bei bestimmten Gelegenheiten,
z. B. Bootsexpeditionen, Gebrauch gemacht werden, weil ein
andauernder derartiger Chiningebrauch die Verdauung bald
zu Grunde richten würde. Dass aber trotz ausreichender
Chinisirung unter Umständen scheinbar keine Immunität gegen
Malaria erreicht worden ist, dürfte in zwei Ursachen seinen
Grund haben.
Einmal ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die-
jenigen Fieber, welche trotz genügender Chinisirung auf-
traten, überhaupt keine Malariafieber waren, und zweitens
kann es sich um Malariafieber gehandelt haben, die durch
Halbmonde erzeugt wurden, die ja eine bedeutende Wider-
standsfähigkeit gegen Chinin besitzen und daher trotz aus-
*) Der nachfolgende Passus ist zum Theil meiner Arbeit : Ucber
die Plasmodien bei den Malaria-Erkrankungen, Deutsche milititrarzt-
liche Zeitschrift 18U2, entnommen.
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362
reichender prophylaktischer Chinindosen im Stande sein
dürften, Maiariafieber zu erzeugen. Ausreichende prophy-
laktische Chiningaben dürften also voraussichtlich nur in den
Fällen von Nutzen sein, in denen es sich um andere als reine
Halbmondinfectionen handelt. So berichten z. B. Graeser1)
und Buwalda*) über sehr günstige Erfolge, die sie mit
prophylaktischen Chinindosen von 1,5, alle 3 — 4 Tage ge-
geben, an Bord von Dampfern erzielten, die die Küsten von
Java anliefen. Ich selbst gab bei einer Expedition an der
Zanzibarküste im Monat August 1889 Chinin prophylaktisch
— 1 ,0 für 24 Stunden — mit gutem Erfolg. Die Abtheilnng
bestand aus 19 Mann. Die Abfahrt der Expedition erfolgte
Abends 9 Uhr in offenen Booten. Um 11 Uhr Nachts wurde
gelandet und bis 3 Uhr Morgens durch Mangrovesumpf
marschirt, wobei ein Fluss durchschritten wurde, dessen Wasser
bis in Brusthöhe reichte. Dann wurde, völlig durchnässt,
unter freiem Himmel in einem verbrannten Dorfe bis gegen
7 Uhr Morgens gelagert, dann auf dem Rückmarsch derselbe
Fluss und Sumpf wieder durchschritten, und schliesslich,
völlig durchnässt, in offenen Booten vier Stunden lang nach
Tanga zurückgefahren. Sämmtliche Theilnchmer blieben
gesund, obgleich sich verschiedene Leute darunter befanden,
die bereits am Fieber gelitten hatten. Von den Sudanesen
der Schutztruppe, die an der Expedition theilnahmen und
die kein Chinin erhielten, erkrankten verschiedene.
Trotzdem muss zugestanden werden, das die Chinin-
prophylaxe, in dieser Art betrieben, als ein Verfahren auf
gut Glück zu bezeichnen ist, das niemals im Stande sein
wird, auch wenn cs, wie eben ausgeführt, scheinbare Erfolge
aufzuweisen hat, positive Beweise für die Nützlichkeit einer
derartigen Malariaprophylaxe zu liefern. Kann doch das
Nichtauftreten von Malariatiebern nach der prophylaktischen
Verabreichung von Chinin der Wirksamkeit des letzteren nie
mit Bestimmtheit zugesehriebeu werden, weil man nie wisseu
kann, ob diejenigen Personen, die nach der Chinisirung
fieberfrei geblieben sind, nicht auch ohne Chinin vom Fieber
verschont geblieben wären.
') Tageblatt tl. 62. Vors, deutscher Naturforscher. lSsy. S. 61T.
5) Ebenda.
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363
Es Hesse sieh aber meines Erachtens nach die Chinin-
prophylaxe vielleicht in anderer Weise durchführen, namentlich
in der Marine, wo der Arzt mitunter im Stande ist, Malaria-
erkrankungen auf ganz bestimmte Ursachen, z. B. Arbeiten
an Land an notorischen Orten, Bootsexpeditionen etc., zurück-
zuführen. Es würde sich der Gang der Malariaprophylaxe
etwa folgendermassen gestalten können. Da die durch-
schnittliche Inkubationszeit bei Malariahebern 10 — 12 Tage
beträgt, so wird die Reifung derjenigen Parasitengeneration,
die zugleich mit dem ersten Anfall eintritt, 10 — 12 Tage
nach der muthmasslichen Infektion erfolgen. Die Parasiten
müssten sich also je nach der Dauer ihrer Entwicklungszeit
bereits am 7., 8. oder 9. Tage im Blute nachweisen lassen,
ohne dass Fieber bestände. Ist also Grund vorhanden, das
Auftreten von Malariaerkrankungen in Folge bestimmter
Vorgänge zu erwarten, so würden diejenigen Leute, die
z. B. an einer Bootsexpedition betheiligt waren, spätestens
vom 7. Tage ab bis zum 12. täglich auf Malariaparasiten
zu untersuchen sein. .Sobald sich nun Malariapnrasiten im
Blute linden, würde Chinin 1,0 wenigstens so lange täglich
zu geben sein, bis alle Parasiten aus dem peripherischen
Blute verschwunden sind und dann noch etwa 14 Tage lang
jeden 2. und_3. Tag Chinin 1,0, weil ja die Parasiten noch
in grosser Anzahl in den inneren Organen verbanden sein
können, auch wenn sie bereits aus dem peripherischen Blute
verschwunden sind. Mau hätte also einmal den ,Vortheil,
die Menge des zu gebenden Chinins und die Zeitdauer der
Verabreichung übersehen zu können, und zweitens dürfte in
den letzten Tagen, in denen die Infektion noch latent ist,
eine leidliche Resorptionsfähigkeit des Magens und somit
drittens auch ein Erfolg von derartigen prophylaktischen
Chiningaben zu erwarten sein. Darüber aber, ob eine solche
Prophylaxe zweckdienlich sei und diejenigen Erfolge auf-
weisen würde, die soeben theoretisch entwickelt worden sind,
können nur in diesem Sinne angestellte Untersuchungen und
Beobachtungen Aufschluss geben, und solche fehlen bis jetzt.
Dies war Anfang 1892 geschrieben worden. In der
Zwischenzeit hat Zicmann *) solche Untersuchungen an Bord
*) 1. k. S. 070.
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364
S. M. Kbt. „Hyäne“ angestellt und nach seinem Bericht in
50°;’0 aller Fälle den Ausbruch des Malariafiebers verhindern
können. Das bedeutet in der That einen beachtenswerthen
Fortschritt und Erfolg in dem unsicheren Kapitel der Malaria-
prophylaxe. Doch scheint selbst diese Art der Prophylaxe
auf die Dauer nicht wirkungsvoll, wie aus nachfolgender
Bemerkung Ziemann’s1) hervorgeht. „Bei längerem Aufent-
halte in Kamerun nahm die prophylaktische Wirksamkeit
des Chinins an Bord allmählich ab“. A. Plehn *) giebt sogar
an, dass es ihm an Land niemals gelang, den kommenden
Anfall durch Chinin aufzuhalten, wenn sich schon Parasiten
im Blute nachweisen Hessen.
Ich möchte diese Arbeit nicht abschliessen, ohne vor-
her den Versuch gemacht zu haben, zu untersuchen, ob wir
nicht mit Hülfe unserer jetzigen Kenntnisse über die Malaria-
parasiten im Stande sind, uns theoretisch eine Vorstellung
von dem Infektionsmodus der Malaria zu machen, denn
die alte Anschauung von dem Aufsteigen der „nächtlichen
Miasmen“ ist nicht mehr haltbar. Ebenso wenig lässt sich
die Ansicht von Klebs *) halten, dass sich die Malariakeime
durch lokale Luftströmungen Nachts etwa 2 — 3 m über den
Boden erheben. 4) Meiner Meinung nach verhält es sich
gerade umgekehrt: es handelt sich nicht um ein nächtliches
Aufsteigen der Keime zu so geringen Höhen wie die ange-
gebenen, sondern um ein Niedersinken der Keime zu diesen
geringen Höhen. Um aber diese Annahme erklären zu
können, müssen wir auch hier zunächst auf alte Erfahrungen
und Beobachtungen zurückgreifen. Und zwar lehrt die
Erfahrung:
1. dass die Malariafieber namentlich dann auftreten,
') 1. c. S. 672.
*1 A. Plehn, die Blutnntersuchungen in tropischen Fiebergegenden
und ihre praktische Bedeutung. Arch. f. Schiffs- und Tropenhvgiene 1897.
Band I, S. 11.
*) Klebs, Allgemeine Pathologie I. S. 140.
*) Schellong, die Malariakrankheiten 1K90, S. 117, hat nachge-
wiesen, dass in der Nacht eine Tendenz zu abwärts gerichteten Luft-
strömungen im Boden vorhanden ist und ganz besonders in den un-
günstigen Monaten 10 mal so stark als in den günstigen. Donach
können sieh aber die Keime nicht, wie Klebs will, 2—3 m über den Boden
erbeben.
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365
wenn der Boden umgebrochen oder seiner obersten
abschliessenden ') Decke beraubt wird.
2. Dass die Ansteckung unter gewöhnlichen Verhält-
nissen durch die Luft *) und zwar vorwiegend durch
die Nachtluft erfolgt.
Aus diesen Thatsachen können wir also schliessen, dass
sich die Erreger der Malarialieber im Boden befinden, aber
auch die Fähigkeit haben, in solcher Menge in die Luft über-
zugehen, dass das Einathmen einer derartigen Luft Malaria-
fieber hervorruft. Es muss nun aber erörtert werden, w i e
die Infektionskeime vom Boden in die Luft gelangen. Denn die
Mikroorganismen haften an ihrer Unterlage, so lange als diese
feucht ist, und gelangen erst in die Luft, sobald das Vehikel,
in dem sie sich befinden, getrocknet und verstärkt wird.
*) So theilt Klubs. Allgemeine Pathologie I., S. 143, mit, dass in
Korn nach dem Aufreissen des StrassenpHasters in der Nähe von St.
Maria Maggiore Malariafieber entstanden, die erst nach Beendigung
der Erdarbeiten aufhörten. Friedrich, Tageblatt der 9. Versammlung
deutscher Naturforscher 1889, S. t',30, berichtet, dass in Ostfriesland
beim Stechen von Rasen an vorher inalariafreien Orten plötzlich
Malariafieber die betreffenden Bauern befällt, worauf diese im Voraus
bereits gefasst sind.
Diese beiden Beispiele zeigen zugleich, dass es nicht nur die
hygienisch ungünstigen Verhältnisse der Erdarbeiter sind, die jetzt
immer als Hauptgrund für die Entstehung von Malariafiebern bei Erd-
arbeitern hingestellt wurden, sondern dass es das Umbrechen bezw.
das Wegnehmen der schützenden Decke des Bodens ist, was dio
Malariafieber entstehen lässt. Denn die Erkrankten sind hier unter
ihren alten hygienischen Verhältnissen befallen worden.
Der Versuch, die Ansteckung mit Malaria durch Mosqnitos als
Zwischenträger zu erklären, ist eine geistreiche Hvpothose, die aber
noch keine thatsächliche Stütze hat. Gegen diese Hypothese der
Uebertragung der Malaria durch Mosquitos spricht namentlich der
Umstand, dass die Italiener bei ihren Impfversuchen, bei denen sie
*/ 1—2 cm Malariablut unter die Haut spritzten, oft negative Resultate
hatten und daher zu intravenösen Einspritzungen übergingen. Wie
viel Mücken müssten aber einen Menschen stechen, um ihm '/* — 2 cm
Malariablut beizubringen.
*) Gegen die Annahme, dass die Infektion durch das Wasser
erfolgt, sprechen die Versuche der Italiener, die Leute in malariafreien
Orten Wasser aus Malariagegenden trinken Hessen. Die Leute blieben
gesund. Umgekehrt wurden Leute in Malariagegenden, die Wasser
aus malariafreien Gegenden tranken, doch malariakrank.
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366
Wir kennen aber in dieser Beziehung eine Ausnahme: die
Schimmelpilze. Diese streuen ihre Sporen in die Lutt aus.
Thun nun die im Boden befindlichen Malariaerreger bei
ihrer Reifung dasselbe? Ja, wenn sie sich in der gleichen
Weise im Boden fortpflanzen wie im menschlichen Blut. Ist
das wahrscheinlich? Ja! Denn die Inkubationszeit der auf
gewöhnlichem Wege erworbenen Malarialieber stimmt mit
der Inkubationszeit überein, die nach Impfungen mit Malaria-
blut beobachtet wird. Wir müssen also annehmen, dass die
Malariakeime beide Male in annähernd gleicher Form in den
Körper gebracht werden. Streuen aber die Malariaparasiten
ihre Sporen ausserhalb des Körpers bei ihrer Reifung eben-
so aus, wie sie es im Blute thun, so können wir uns den
Infektionsmodu8 folgendennassen vorstellen.
Nehmen wir an, wir haben eine tropische Küste zur
Fieberzeit vor uns. Dann werden die einzelnen, im Boden
befindlichen Malariaerreger nach und nach zur Reife kommen
und ihre Sporen ausstreuen. Was wird mit diesen Sporen
geschehen? Ihr Schicksal wird sich je nach der Tageszeit
verschieden gestalten. So lange als am Tage die über dem
Lande stark erwärmte Luft in die Höhe steigt und die von
der See herwehende Brise keimfreie Luft in grossen Mengen
zuftihrt, werden die Infektionskeime in die Höhe gewirbelt
und unschädlich gemacht werden. ') Anders stellt es aber,
wenu gegen Sonnenuntergang der aufsteigende Luftstrom
schwächer wird und schliesslich ganz aufhürt. Die bei
schwach aulsteigendem Luftstrom ausgestreuten Sporen werden
nur eine geringe Höhe erreichen, von ihrem Entstehungsort
nur eine kurze Strecke weit weggeführt werden können und
demnach wohl diejenigen sein, die bei einer Infektion
') Dass dies sieh wahrscheinlich so verhält, zeigt die nachstehende
Beobachtung von K Müller, (Iber Malaria in Kamerun. Berlin. Klin.
Woch. 1SS8, S. 601. Von 3 Zimmerleuten nämlich, die mehrere Tage
bei sehr beisaein Wetter an Land Baken gebaut batten, erwartete ich
sicher, dass sie erkranken würden, zumal J von ihnen bereits au Malaria ge-
litten hatten. Allein sie blieben verschont, und doch war der einzige
Unterschied in diesen beiden Beispielen nur der, dass im letzteren
Falle schöner, kräftiger Seewind vorhanden gewesen war.
Man könnte also weiter schliesseu, dass die Infektionsgefahr
auch aiu Tage grösser ist bei stiller als bei bewegter Luft.
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wesentlich in Betracht kommen. Hört aber d>e Luftbewegung
nach Sonnenuntergang auf, so werden sie sich ihrer specifischen
Schwere entsprechend senken. Die Folge wird sein, dass
die höher stehenden und specitisch leichteren Luftschichten
viel weniger Keime als die tiefer gelegenen und schwereren
Luftschichten enthalten. ')
Nach Sonnenuntergang wird aber die von Keimen ge-
schwängerte Landluft durch die bakterienfreie Seeluft nicht
mehr verdünnt werden. Es wird also am Tage, vorausge-
setzt, dass die Seebrise weht, eine von nur wenigen Keimen
durchsetzte Luft eingeathmet werden, während der Nacht
aber eine reichlich mit Keimen durchsetzte Luft in die
Lungen gelangen und so eine Infektion zu Stande kommen.
') G r a e s e r. Einige Beobachtungen Uber Verhütung des Malaria-
fiebers durch Chinin. Berlin. Klin. W. 1888, S. 843. berichtet, dass
diejenigen Leute, die im Hafen von Batavia an Deck deB Dampfers
schliefen, erkrankten, während die Offiziere, die anf der 30 Fuhs hohen
Kommandobrücke schliefen, nie inücirt wurden.
Kleba, Allgem. Pathologie I. S. 140 berichtet, dass die Leuto
in der römischen Campagne auf 3 in hohen Gerüsten schlafen, um
sich vor Malaria zu schützen.
Hirth, Mitth. d. Verf. f. Erdkunde zu Leipzig 1895. S. XXXI
berichtet: Im August 1890 erfolgte die Versetzung des Vortragenden
nach Tamsui im Norden Formosas, einer wegen der dort herrschenden
Malaria von Europäern sehr gefürchteten chinesischen Zollstation.
Durch sofortige Ergreifung einer Reihe von Vorsichtsinassregeln,
Schlafen in erhöhten Räumen, pünktliche Reinigung, gelang es jedoch,
das Auftreten des Fiebers bei den Europäern und den Chinesen be-
deutend einzuschränken.
Im direkten Gegensätze hierzu steht die Beobachtung von
Kalkenstein, dass in einem Hause in Chinchoxo (Loango Küste, West-
Afrika) Schwarzwassertiebererkrankungen der Bewohner sich einstellten,
nachdem das Haus ein erstes Stockwerk erhalten hatte und die Schlaf-
räume dahin verlegt worden waren. Er schreibt: „Da in früheren
Jahren, so lange die Händler in einer der gewöhnlichen aus Cyperus
Papyrus-Schäften gebauten Hütte wohnten, diese Krankheit in Chin-
cboxo niemals beobachtet worden war und auch die deutsche Expedition
in ihrer aus niederen Hütten bestehenden Niederlassung, obgleich nur
ca. 200 Schritt von dem Nachbarhause entfernt, ganz von ihr verschont
blieb, lag es nahe, daran zu denken, dass die Höhe des iieugebaiiten
einstöckigen Holzhauses die Schuld der Erkrankungen tragen mochte.
Früher waren die aus den Lagunen kommenden Dünste mit dem
Landwinde Nachts unschädlich über die Hütte fortgetragen worden,
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368
Blutuntersuchungen Tropenkranker in Europa, zugleich
ein Beitrag zur Kenntniss der ostindischen
Malariaparasiten.
Von Dr. Carl Däubler, Berlin.
Seit dem Bestehen dieses Archivs hat seine Redaction,
meiner auf dem Frankfurter Congress im vorigen Jahre
ausgesprochenen Anschauung folgend, um Zuweisung von
Material zu Blutuntersuchungen, resp. von Malariablut-
präparaten aus den verschiedenen Tropcnländern wiederholt
öffentlich gebeten, leider ohne Erfolg. Dr. Mense und Ver-
fasser hatten sich zur Vornahme und zum Studium solcher
vergleichenden Untersuchungen erboten, deren Resultate
hier im Archiv veröffentlicht werden sollten. Ausser einigen
parasitenhaltigen Blutpräparaten von einem auch hier an
haemoglobinurischer Malaria- . Schwarzwasserffeber-, Leidenden,
erhielt ich nichts von Bedeutung, hingegen sammelte ich des
Vergleiches wegen einige Präparate von Malariablut aus
Polen und von einem Falle heimischer Intermittens. Ausser
dem konnte ich das Blut einiger Neger der hiesigen
Transvaalausstellung, welche noch aus den Tropen, am
Limpopo, zu Hause waren, untersuchen, wie einiger Inder
und Neger aus einer anderen in Berlin gastirenden Truppe,
Beobachtungen, welche in den Rahmen dieser Arbeit nicht
passen. Leider werden gerade Malaria- und Leberkranke
aus den Tropen hier bei uns in Deutschland, wo eine nicht
so kleine Anzahl sich befindet, zerstreut, und auch der Chef
einer Klinik sucht einen solchen Kranken, schon der
Curiosität wegen, sich zu erhalten, so dass wir nur mit
grosser Muhe etwas daran untersuchen können. Dieses
während sic nun in die Schlafräume eiugeführt wurden und durch den
Geruch unterschieden werden konnten. Es könnten eben hieraus auf
die Träger der Erkrankung Schlussfolgerungen gezogen werden. Ich
war so überzeugt von der Gefahr, in welcher die Besitzer sich in den
oberen Räumen befanden, dass ich den Rath ertheilte, entweder das
obere Stock ubzutragen und zu ebenpr Erde wieder aufzustellen, oder
aber es doch nur zu Magazin-Räumen zu verwerthen.“ Kalkenstein.
Febris remittens haeinorrhagica, Deutsche nulitärärztliche Zeitschrift
1877. Seite 4*5.
Dkj tized by Google
c\j — o o-> qo r^- «xj j-)
4" 4* -*• co cn cn co co
D*g»tized by Gl
36$
Material ist demnach unseren Hitndcn und Forschungen ent
zogen. Und doch können uns gerade Blutuntersuchungen
des Serums wie des Gesanuntblutes der verschiedenen Rassen
aus Tropenländern erst einen Einblick in ihr Blutleben und
in die Verschiedenartigkeit ihrer Physiologie, wie sie dem
Unbefangenen entgegentritt, verschaffen, ganz besonders von
Malariakranken von überall, um daraus die noch fehlende
Uebereinstimmung betreff? Morphologie und Biologie der
Malariaerreger zu erlangen. Auch müssen wir darüber in’s
Klare kommen, ob sich bei Transferirung der europäischen
Malariakranken aus den Tropen nach hier etwas an den
Parasiten, den Blutbestandtheilen und den formalen Blut-
elementen verändert, was günstig oder ungünstig auf den
Zustand des Kranken influirt und was auf Rechnung der
Klimawirkung in Europa und des individuellen Verhaltens
gesetzt werden könnte.
Ausserdem können wir hier die Malariaerreger, welche
wir als Aerzte in den Tropen hauptsächlich in frischen
Fällen im Blute aufsuchen, um die Diagnose zu sichern
näher und eingehender studiren, wenn auch an meistens
älteren Fällen oder an Oaeheetikern.
Das Material, welches mir bei uns selten oder ver-
schlossen schien, beschloss ich wieder in Holland zu suchen, wo
in Zütphen das Militär-Hospital der kolonialen Reserve seit noch
nicht langer Zeit besteht nnd wo sich immer einige hundert
tropenkranker Soldaten befinden. Dass die ganze koloniale
Reserve sich auf etwa 1100 Mann beläuft, wovon an 600
— die valide Abtheilung — in Nymwegen volle militairische
Dienste thut, von wo sie allmälig oder bei kriegerischen
Anlässen in toto nach Indien gesandt wird, darf nicht auf-
fallen, weil meistens langwierige, hartnäckige Fälle nach Europa
gesandt und dann in Zütphen oft ein Jahr behandelt werden
und weil für eine Klasse Ausgedienter und für sännntliche
Verwundete, wie auch Lungenkranke, ehe endgültige Pen-
sionirungeintritt, eine vorgängige. Behandlung und Beobachtung
im Hospital zu Zütphen erforderlich ist. In Indien findet keine
Verabschiedung statt, auch dienen die in den Vorbergen
belegenen Gesundheitsstationen dem indischen Militär mehr
zu Garnisonen, als dass sie Kranke beherbergen. Das
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Netz der Hochgebirgsstationen ist noch lückenhaft, da die
Regierung wie anf Tosari, c. 1750 m hoch, erst in der letzten
Zeit mehr und mehr beginnt, Hospititler im Hochgebirge zu er-
richten, nachdem sie mit dem früheren in unseren Colonien
noch bestehenden System der Anlage grosser, fester Hospi-
täler in der Küstenebene gebrochen hat.
In Zütphen wurde ich von den beiden, der ostind ischcn
Armeeabtheilung angehörenden Anstaltsärzten resp. dem
dirigirenden Militärärzte Dr. Koppenol , als inactiver
Militaircollege, freundlich aufgenommen und erhielt die Er-
laubniss, im Hospital nach Ermessen zu arbeiten. An dieser
Stelle fühle ich mich verpflichtet, den beiden Herren Dr.
Koppenol und Dr. de Holst, Sanitätsofficier I. Klasse, meinen
besten Dank für die Förderung meiner Arbeiten zu sagen,
mit deren Hauptresultaten sie sich, soweit es ihre Zeit
erlaubte, bekannt machten. Die Kranken, etwa 300 an
der Zahl, bestanden zur Hälfte aus ambulanten Reconvales-
centen, von den übrigen sind 8 Fälle von Dysenteria tropica,
2 Fälle von Leukaemie (nach perniciöser Malaria), 17 Fälle
von perniciöser Malaria, in denen noch Fieberanfälle dominirten.
17 Fälle von Cachexia paludosa, im Ganzen also 34 Malariafälle,
hervorzuheben, von welchen allen ich Blutpräparate unter-
suchte und entnahm, sowie drei Fälle von Bcri-Beri. Da-
neben hatte ich Gelegenheit, eine Anzahl von Kranken mit
tropischer Enteritis, wie sie die indischen Aerzte benennen,
zu beobachten. Jede Woche bringt die indische Mail einige
neue Kranke und ausgediente Militairs, über welche die
genauesten ärztlichen Aufzeichnungen und die Diagnose aus
Indien vorliegen.
Im Folgenden muss ich mich vorerst darauf beschränken,
eine zusammenfassende Arbeit und Bericht über meine an
den drei Beri-Beri- und Malariakranken angestellten Be-
obachtungen und Blutuntersuchungeu zu geben, eine aus-
führlichere und tiefer greifende, mit Photogrammen ver.
sehene, über Malaria wird demnächst noch anderenorts er-
scheinen.
Von den drei Beri-Berikranken waren zwei, Douraa und
Ahrendse, bei meinem ersten Aufenthalt im Zütphener
Hospital 1 resp. ll/s Monate in Europa. Ahrendse, ein ver-
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371
hältnissmässig gut genährter Mann, war nicht im Stande, sich
aus dem Lehnstuhle zu erheben, wenn er auch versuchs-
weise die Unterextremitäten etwas vorschob. Selbst mit
Hülfe von Krücken konnte er nur kurze Zeit stehen,
während Douma sich mit Hülfe von Lehnen und Krücken erhob
und einige Schritte damit auszuführen vermochte. Beide
Kranke hatten guten Appetit, alle Funktionen in Ordnung.
Nach Ausweis ihrer Krankenlisten hatten beide auf Atjeh
die von Scheube1) so benannte atrophisch-hydropische Form
der Beri-Beri aequirirt. Die Krankheit nahm allmälig einen
chronischen Verlauf, so dass hauptsächlich die Lähmung
der Unterextremitflten nicht weichen wollte, während die
Parese der oberen schwand. Im eigentlichen Hochgebirgs-
klima waren diese kranken Soldaten nicht verpflegt, die
Herzerkrankung und Lähmung erschien den Aerzten in
Indien aber so belangreich, dass sie die Rückkehr zur vollen
Diensttauglichkeit bezweifelten und die Patienten nach
Zütphen sandten. Bei der Untersuchung fand sich kaum
abnorme Respirationsthätigkeit, der Herzstoss war stärker
und verbreitete sich in den 4. Intereostalraum, die Herz-
dämpfung in beiden Richtungen vergrösscrt. Nur über den
Knöcheln und über der Tibiakante leichtes Oedem. Der
Druck auf die Waden schmerzt nicht, der Ort der Application
leichter Nadelstiche wird einigermassen genau angegeben,
Temperaturgefühl vorhanden, es sollte in jüngster Zeit keine
(Douma) resp. nur geringe Herabsetzung (Ahrendse) der
clectrischen Reizbarkeit von Nerven und Muskeln bestanden
haben. Den Patellarreflex fand ich sowohl bei meinem
ersten Besuche, als auch gerade beim zweiten, fast einen Monat
später, hochgradig gesteigert; um mich von der Richtigkeit
meiner Wahrnehmung zu überzeugen, wiederholte ich oft
und an verschiedenen Tagen da« Experiment. Fussclomis
war nicht vorhanden. Die beiden Patienten befanden sich
demnach im Stadium der Besserung, und als ich einen
Monat später wieder nach Zütphen zurückkehrte, humpelte
Ahrendse mir bereits im Vorgarten des Hospitals, auf zwei
Krücken gestützt, entgegen. In diesem Stadium müssen also
schon Nervenregenerationen eingetreten sein, wobei wie
*) Scheube, Dr. Die Beri-Berikrankkeit. Jena. 1894.
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I’ekellmring’s 1 ) und Zwanrdemaaker’s * * ) und Kraft » Unter-
suchungen lehren, der Patellarreflex wiederkehrt und ge-
steigert ist. Die Wadennniskulatur der beiden Kranken war
nicht mehr erheblich atrophisch. Der dritte Beri-Berikranke,
war erst seit 2 Tagen in Europa, konnte etwas gehen —
Beri-Berigang — und litt zugleich an Malaria, worauf ich
später zuriickkommen werde. Da ich zwei in der Recon-
valescenz stehende reine Beri-Beriker vor mir hatte, welche
in Zütphen nur gut gepflegt wurden, während man sich
übrigens erfahrungsgemäss auf die Klimawirknng verliess,
beschloss ich bei meinem zweiten Besuche F etttröpfchenzählungeu
ihres Blutes anzustellcn. Vorher hatte ich Blutkörperchen-
Zählungen gemacht, der Gehalt an Ery throcy teil betrug nicht
ganz 4500000 im Mittel, hingegen zählte ich bei Ahrendse
8500, bei Douma 8000 weisser Blutzellen. Obschon die noch
jungen Methoden der Fetttröpfchenbestimmung, abgesehen
von der chemischen, ein sehr genaues Resultat nicht geben,
glaubte ich mich mit dem Nachweis zufrieden stellen zu können,
ob überhaupt bei Beri-Beri und speciell im Stadium der
beginnenden Reconvalescenz der Fettgehalt resp. die Zahl der
Fettkömchen und Fetttröpfchen im Blute vermehrt sei oder
nicht. Ich hatte zur Vornahme dieser Untersuchung nur drei
Wegweisser, von Jaksch ’) klinische Diagnostik, die Arbeit
Gumprechts4), und kurz vor meiner 2. Reise nach Zütphen
las ich den soeben in der Deutschen Med. Wochenschrift er-
schienenen AufsatzDr.Watjoffs.5) Die chemische Untersuchung
musste ich unterlassen und ahmte den Methoden Gumprechts
und Watjoffs nach, welche darin bestehen, dass man entweder am
Deckglase ausgestrichenes und angetrocknetes Blut 24 Stunden
in 1 °/0 Osmiumsäure lässt, gut auswäscht, mit Eosin nach-
färbt, dann mikroskopirt, oder nach Watjoff nicht färbt und
das Präparat erst nass, dann trocken mit 1 Tropfen 5°/0
') Pekelharing. Recherches sur la nature et la cause de Beri-
Beri. Utrecht 1888 und Ned. Tvdschrift voor Genesk. 1888.
*) Zwaardemaaker en Kraft, Over de reconv&lesceutie vau Beri-
Beri. Ned. Weekblad voor Geneeskunde 1893.
•) v. Jaksch. Klinische Diagnostik. 189G.
*) Gumprecht. Deutsche Med. Wochenschrift. Nr. 90. 1894.
®) Watjoff. Ueber den Fettgehalt des Blutes bei Nierenkranken.
Deutsche Med. Wochenschrift. 1897.
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3*3
Osmiumsäurelösung untersucht. Tn dem getrockneten Präparat
ziihlt man in 16 Gesichtsfeldern die Fetttröpfchen aus.
Die Mittelzahl daraus benutzte Watjoff als Grund -
werth, dem ich hierin bei Mangel noch genauerer Methode
folgte.
.Schon bei früheren Blutuntersuchungen und auch in
Zütphen bei Douma und Ahrendse, wie ab und zu im
Malariablut, hatte ich die kleinen, lichtbrechenden Kügelchen
bemerkt und um sie als Fett zu diagnosticiren, einen Tropfen
Aether zugesetzt, wonach sie verschwanden. Solche feine
Pünktchen und Kügelchen sah ich bei den beiden Beri-Beri-
kranken häufiger als sonst und nach vorangegangener, er-
wähnten Behandlung machte Osmiumzusatz schon bei Durch-
sicht es deutlich, dass in jedem Gesichtsfelde sich mehrere
Fetttröpfchen befänden. — (Leitz. System 7, Ocular 1.) während
sie bei dem dritten Beri-Beriker seltener auftraten. Ich
entnahm den Patienten nochmals das Blut zur definitiven
Zählung am Morgen des folgenden Tages vor der Mahlzeit
und fand bei Douma die Mitt.elzahl von 3,8, bei Ahrendse 4,4,
bei Walker 2,f>. Ist die Zahl der untersuchten Beri-Beri-
kranken, welche sich bereits iin Anfänge der Reconvalcscenz
befanden, auch nur klein und deshalb nicht ausschlaggebend,
so möchte ich diesen Befund doch der Beachtung und diese
Untersuchungen zur Nachahmung empfehlen, vielleicht mit
verbesserten oder genaueren Methoden.
Die Mittelzahl der Fetttröpfchen bei Gesunden in ln
Gesichtsfeldern wird zu 1,6 angenommen, sie kann sich nach
reichlicher Mahlzeit verdreifachen und gilt dann noch als
physiologisch. Jedenfalls erscheint der Fettgehalt des Blutes
der beiden erstgenannten Beri-Beriker, welche nur das erste
Frühstück eingenommen hatten, der pathologischen Grenze
nahe zu liegen und man muss ihn als vermehrt bezeichnen.
Ob gerade im Beginn der ßeconvalescenz oder sonst im Ver-
lauf der Beri-Beri das Blut mehr oder weniger Fett enthält,
darüber sind meines Wissens bisher keine Untersuchungen
angestellt.
Da bei Typhusreconvalescenten von Jaksch und
Anderen ein sehr grosser Fettgehalt des Blutes gefunden
wurde, wäre es denkbar, dass auch nach anderen Infections-
krankheiten, wie auch in der Beri-Berirecouvalescenz, wenn die
Archiv f. Schiff*- u. Trope uhygiene. 26
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Verfettung der erkrankten Nerven schwindet, das Blut fett-
reicher würde. Der Blutbefund würde ausserdem einen
prognostischen Werth erhalten können, abgesehen davon,
dass er auch zu Anfang der Krankheit und im weiteren
Verlaufe Aufschlüsse geben dürfte. Collegen, die über ein
grösseres Material vertügen, mögen weiter forschen, dabei
aber auch das Krankheitsstadium, die Krankheitsform und
das Klima nicht ausser Acht lassen, in dem die Kranken
sich befinden. In den Tropen wäre das Hochgebirgsklima
dem europäischen noch am ähnlichsten.
Das Blut von Dysenteriekranken, welche zugleich,
meistens intermittirend, Temperaturerhöhungen von 38,6 bis
40,2 0 C hatten und worin keine Malariaparasiten gefunden
wurden, war reich an Lymphocyten, darnach waren von den
weissen Blutzelleu die neutrophilen zahlreich, Erythrocyten
vermindert bis zu 3 Millionen, der Haemoglobingehalt des
Blutes bei einem fiebernden Patienten auf 41,2°/0 gesunken,
(n. Gowers). Bei der von den Niederländern so rubricirten
tropischen Entritis war der Blutbefund ein ähnlicher, zwei
Bestimmungen des spec. Gewichtes nach Hammerschlag er
gaben 1030 und 1044, also eine nicht unbeträchtliche Herab-
setzung, allerdings bei zwei etwas heruntergekommenen Indi-
viduen. Der Haemoglobingehalt hielt sich im Mittel auf 70,5°, ,
(n. Gowers), ein nicht fiebernder abgemagerter Enteritiker zeigte
normales spee. Gewicht des Blutes, aber Abnahme des Haemo-
globins, ein erst vor einigen Tagen von Indien herüber-
gekommener Sergeant mit 52°/0 Haemoglobingehalt und
2,400000 Erythrocyten klagte über zu grosse Kälte in den
heissen Augusttagen, er habe sieh in Indien wohler befunden.
Es handelt sich bei diesen Krankheiten im Wesentlichen in
Bezug auf Blutveränderungen um Auaemie. Atypische
Leucocytenformen, wie bei Leukaemie, habe ich nie gefunden.
Ueber die von mir angestellten Untersuchungen von
Malariakranken werde ich ebenfalls, soweit angängig, in
Kürze berichten, hauptsächlich die mikroskopischen Arbeiten
berücksichtigen.
Nur sehr wenige der 34 Malariakranken litten an
regelmässigen Anfällen, es waren deren nur drei, darunter
ein F all von Remittens, ' zwei andere Patienten hatten an
Remittens gelitten, waren eine Zeitlang frei davon, litten
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375
aber au Recidiven, ich setze sie deshalb nicht unter die erste
Kategorie. Ein anderer Patient hatte im August kurze
Zeit Quotidiana, nachher wurden die Anfälle unregelmässig,
oft trat 6 — 10 Tage lang kein Fieberanfall ein, bei allen
übrigen Patienten war die gleiche Unregelmässigkeit vor-
handen. Wurden die Blutuntersuchungen nicht gerade einen
oder einige Tage vor dem zu erwartenden Anfalle ausgeführt,
oder war dann noch gerade Chinin gegeben, so waren oft
keine, oder nur spärlich erscheinende Parasiten nachzuweisen.
Bei meinem zweiten Besuche in Zütphen im September
d. J. wurde im Spital, um meine Beobachtungen zu unter-
stützen, kein Chinin mehr gegeben und nun bei wiederholten
Blutentnahmen zu passender Zeit, mit Ausnahme von einem
Kachectiker, in den Präparaten allerdings meistens nur spärlich
vorkommende Malariaparasiten gesehen. Zweimal gelang es
mir, gerade als Prodrome eines Anfalls sich zeigten und im
Verlaufe des Anfalls, Blut zu nativen Präparaten zu entnehmen,
ich nahm dabei den Blutstropfen etwas voller auf das Deckglas,
erhielt beim Andrücken an den Objectträger eine äussere
gerinnende Schicht, wodurch die innere sich eine Zeit lebend
erhielt. Besser ging es, wenn der Objectträger vorher mit
einigen Parnffintröpfchen beschickt war, so dass nach Uebcr-
streiehungen mit einem warmen Spatel, noch besser mit einem
Glasstab, der Raum zwischen Objectträger und Deckglas ab-
geschlossen war. Diese letztere Methode befolgte ich meistens
bei allen Untersuchungen des lebenden Blutes. An dem
Remittenskranken, dessen weiter unten noch erwähnt wird
und der nur selten seit Wochen unter 38° C Körpertemperatur
hatte, nahm ich mehrfach, sowohl bei Temperaturen von 40" C
als bei 38,5° C, einmal bei 37,8° C Untersuchungen des leben-
den Blutes vor. Von Stichen in die vorher mit Methylenblau-
lösung beschickte Fingerkuppe dabei muss ich abrathen,
ich überzeugte mich, dass das Präparat nur mit Farbstort
beladen, das Blut verdünnt oder verändert wird, brauchbare
Färbung erhielt ich nicht. Auch Methylenblauzusatz zum
Blut zwischen Deckglas und Objectträger, wie van der Schcer
es vorschlägt, hatte wenig Erfolg und schädigt eher den
Einblick in das Leben des Blutes und der Parasiten. In
sonstigen 21 von beiden Kategorien der Kranken stammenden
Präparaten des lebenden Blutes habe ich stets die kleinen
26*
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376
nicht pigmentirten Parasitenformen, welcne zuweilen eine
Pigmentscholle enthalten und die s. g. Ring- resp. Hiegelring-
form zeigten, gefunden. Zweimal fand ich daneben endo-
globuliir einige Exemplare der grossen Parasiten, welche
mehr Pigment in ring- oder kreuzförmiger Anordnung auf-
weisen und amöboid mehr beweglich zu sein scheinen, als
die kleinen Formen. Meistens waren an der Begrenzung
des Ringes der kleinen Parasiten eine grössere und kleinere
Verdickung. Korn, (Celli und Guarnieri) vorhanden. Wie
van der Scheer in Indien an frischen Füllen, fand ich hier
in Europa an älteren und auch stellenweise bei Kachectikern,
sowohl im lebenden Blut als im gefärbten Präparat, ecto-
globuläre kleine Formen, im lebenden Blut sah ich sie als
runde, äusserst zarte, von feinem Rande begrenzte Plasma-
kügelchen, welche in der Mitte ein dunkles Körnchen ent-
hielten, daneben, Vio so gross als ein Erythrocyt auch solche
mit deutlicherem dunkleren Contour, der an einer Stelle,
oder in geringerer oder grösserer Ausdehnung, verdickt er-
schien. Diese letzteren sassen stets entweder an oder inner-
halb der rothen Blutkörperchen. Die erstgenannten machten den
Eindruck einer zarten jugendlichen Zellenform, die anderen,
soviel ich weiss, noch nicht sonst beschriebenen, welche in
die Blutkörperchen eindringen, oder schon eingedrungen sind,
den eines einseitig verdickten dunklen Ringes mit hellem
Inhalt. Die übrigen endoglobulären kleinen Parasiten waren
grösser, bis zu Vs oder fast Vs der Grösse eines Erythrocyten,
mit etwas stärkerem dunklen Contour, sie ähneln dem Siegel-
ring und haben meistens dem grösseren Knopf gegenüber, noch
ein kleineres Körnchen. Diese Gebilde waren beweglich,
ihre Bewegungen im Blutkörperchen mühsam, nicht heftig
und ausgedehnt, gerade als ob der Raum sie beengte. Der
dunkle Contour (oder der Ring) faltete sich, streckte sich
nach oben und unten, besonders an den Polen vielfach aber
in mässigen Curveu hervor und wieder zurück, blieb aber
auf derselben Stelle im Blutkörperchen. Dabei schien auch
der davon eingeschlossene, oder wie vielfach angenommen,
umflossene Theil, faltig und in der Sagittalebene beweglich.
In einem Präparat sah ich deutlich, wie der kleine Parasit
zwei Haemoglobinstäbchen (Pigment) aufgenommen hatte,
welche sich hin und her bewegten und sich lebhaft an den
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Allgemeinbewegungen des Parasiten betheiligten, sie schienen
iin Inneren, in dem vom Ring eingeschlossenen hellen Theil
umherzuschwirren. Zweimal habe ich die Beobachtung
am Mikroscop so lange fortgesetzt, bis der Parasit zur Ruhe
kam, die ovale b orm annahm und darin verharrte. Das
Blut begann dann einzutrocknen. Bei vielen andauernden
Beobachtungen dieser kleinen, nicht pigraentirten Parasiten
nahm ich wahr, dass der vom dunklen Ringe eingeschlossene
helle Theil im Blutkörperchen in der Mitte zusammengeballt zu
sein oder wie aus mehrfachen kreisförmigen Furchen zu be-
stehen schien. Vacuolen waren nicht da. Meine Photo-
gramme des ungefärbten Parasiten zeigen in der Mitte des-
selben eine dunkle Kernandentung, an den Seiten des
dunklen Ringes eine grössere und eine kleinere Randver-
dickung, ein weniger scharfes Photogramm nur die seit-
lichen Rand Verdickungen oder Knöpfchen und das Cen-
trum leicht bläulich tingirt. Nur selten ist, besonders im
gefärbten Präparat, dicht am dickeren Knopf eine Haemoglobin-
scholle zu bemerken, im Ganzen war und blieb diese Form
pigmentfrei, niemals sah ich sie grösser als '/& eines Erythrocyten.
Dieser Parasit ist morphologisch dem von Plehn beim
Kameruner s. g. Schwarzwasserfieber gefundenen ähnlich,
nur das Ringelchen (der Contour) des Kameruner Parasiten
erscheint feiner, zarter. Wenn man. wie noch später be-
schrieben. zart oder braun färbt, so erscheint das Centrum
des Ringes im Blutkörperchen mehr different und im Photo-
gramm in dessen Mitte auch eine Kernandeutung. Ich hatte
hier Gelegenheit, Kameruner Parasiten in dem Blute eines
Patienten zu beobachten und besitze gefärbte Präparate in
meiner Sammlung. Hucmoglohinurische Malaria kommt auch
in Ostindien, wenn auch seltener, vor, dabei erscheint der
von mir und van der Scheer beschriebene kleine Parasit.
Das Leben dieses kleinen Parasiten im Blutkörperchen des
peripheren Blutes, welches er mit seinem Wirth bald verlässt,
um, wie vielfach untersucht, in der Milz oder anderen
inneren Organen, besonders im Gehirn, zur vollen Reife
zu kommen, die eigenthiimliehe Art seiner Bewegungen
im Erythrocyten, dabei das Verbleiben auf einer Stelle und
das beschriebene Verhalten des Inneren, machen den Eindruck,
als ob derselbe nicht nur ein Ring sei, sondern eine ovale Zelle,
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378
eine Scheibe. Allerdings hat ein Theil von hervorragenden
Beobachtern, darunter Kruse*) eine andere Anschauung,
hauptsächlich wendet sich der Letztere gegen die Annahme
eines bläschenförmigen Kernes — Manuaberg — den
auch ich nicht bemerkt habe. Wenn die Structur des kleinen
Parasiten durch Färbung deutlicher werden soll, so kann ich
nur die zarteste Tinction empfehlen, dann sieht man im
Dauerpräparat die consistentere Structur in der Mitte, welche
nach Kruse den Rest des Haemoglobinkernes darstellt. Trotz-
dem ich das Blut einer ganzen Anzahl von Maleriakachectikern
in Zütphen und hier im gefärbten Präparat untersuchte, fand ich
nur zweimal Halbmondformen, während vanderScheerin Indien
bei denselben Patienten sie constant beobachtete. Van der Scheer
beobachtete ferner, dass die kleinen Parasiten bis zu 1 3 der
Grösse eines Erythrocyten im peripheren Blut in Indien
verblieben, Pigment aufnahmen und dann verschwanden.
Ich konnte diese Grösse hier nicht constatircn, auch nur,
dass sie ausnahmsweise ein oder zwei Pigmentstäbchen am
Korn enthielten, sie müssten demnach hier in Europa früher
aus dem peripheren Blut sich entfernen, was kaum an-
zunehmen ist.
Die Beschreibung der grossen, im Blut gefundenen
Formen, sowie der gleichzeitig mit den kleinen in Präparaten
von demselben Kranken gesehenen, glaube ich, um nicht
Bekanntes zu wiederholen, übergehen zu sollen, ich fand nur,
dass, je länger die Patienten in Europa waren, die grossen Para-
siten mehr Pigment enthielten, ein Befund, den ich der Mitthei-
lung für werth halte. Auch war das einzelne Pigmentstäbchen
von länger in Europa Verweilenden (mehr als 4 Monate)
dicker als bei Xeuangekommenen. Ob diese Erscheinung mit
der Besserung, der Widerstandsfähigkeit oder dem besseren
Ernährungszustände im gewohnten Klima Zusammenhänge
will ich vorerst hier unerörtert lassen. Auffällig war das wenn
auch nicht häufige Vorkommen grosser Parasitenforraeu mit
den kleinen zusammen bei einem und demselbem Patienten,
wie es in Indien nicht so oft und dann nur bei gewissen,
meistens künstlich erzeugten Mischinfectionen beobachtet
wurde. Ausser bei Quotidiana fand ich hier auch bei Re*
— "
*) Kruse in Flügge s „Die Mikroorganismen“, Leipzig 1896.
i
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mittens die grossen Formen neben den kleineren. Den
schon erwähnten hartnäckigen Remittensfall — Ncwinger
siehe Curve — dürfte wohl auf die Anwesenheit beider Formen
im Blut und auf die zweier resp. dreier Generationen der
grösseren pigmentirten zurückzuführen sein, so dass zwei
bis drei Exacerbationen des Fiebers, mit dem Heranreifen
und Sporulation der grossen Form im peripheren Blut oder
der kleinen Parasiten in den inneren Organen in Einklang
gebracht werden könnten. Einmal beobachtete ich bei
Newinger, von dem ich ausser den 21 Präparaten von anderen
Patienten, viele native anferligte, den Sporulationsprocess
der grossen Parasiten vor dem Ansteigen der Temperatur,
dabei war die jüngere Parasiten-Generation sehr deutlich
zu unterscheiden.
Die von Martin erwähnten stäbchenförmigen Gebilde
bei tropischer Remittens, habe ich in Zütphen nicht als
Mikroorganismen feststellen können, man sieht sowohl im
Blute Gesunder, auch vielleicht häufiger bei Remittens,
ähnliche Gebilde, aber cs handelt sich dabei oft um Zufällig-
keiten und um Diffractionserschcinungen. In dem Falle der
Complication von Beri-Beri mit Malaria, wo starke Leber-
und Milzschwellung auffielen und das Fieber nur wenig un-
regelmässig auftrat, fanden sich bei lortgesetztem Suchen in
fünf gefärbten Präparaten nur die kleinen Formen, in dem
einen sah man im Innern eines Blutkörperchens eine noch
verschiedentlich ausgereckte amöboide nicht pigmen-
tirte Figur von '/* Blutkörpergrösse. Auch bei diesscr
Complication erreichten die kleinen Parasiten nicht die von
van der Schcer angegebene Grösse in Indien noch nahmen
sie Pigment an. Milzpunctionen nahm ich nicht vor, in
Fällen, wo der kleine Parasit allein gefunden wird, und dieses
ist ja in grosser Mehrzahl, empfiehlt sie sich, um über die
Weiterentwicklung der kleinen Parasiten einwandsfreie Resul-
tate zu erbringen, besonders wenn man keine Sectionen macht,
wie es in unseren noch in der Entwickelung begriffenen
deutschen Colonien öfters der Fall sein kann, als in alten,
hochentwickelten.
Bei dieser ganz offenbaren Complication von Beri-Beri
mit Malaria fand ich ebenso als sonst im Malariablut, die
kleinen ectoglobulären Amöben, welche denen, die Glogner
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im Milzblut Bcri-Berikranker fand, gleichen und in welchen
er die Beri-Berierreger vermuthete. Die Beobachtung solcher
Complicationen, wo Beri-Beri und Malaria ganz neben einander
und deutlich geschieden von einander in demselben Organismus
verlaufen, lasst auch die Anschauung, dass Beri-Beri eine
Malariakrankheit sei, hinfällig werden, noch dazu, wenn (wie
in unserem Falle) nicht Malaria, sondern Beri-Beri die zuerst
auftretende Krankheit war und die eretere sich rascher
besserte, während Malaria zurückblieb.
Unter den an Caehexia paludosa Leidenden, deren
Fieberaufiille selten, deren Anaemie aber nicht unbeträchtlich
schien, waren einige, welche Diarrhoen und Leberschwellung
zeigten, auch übertraf verhältnissmässig mehrfach die Leber-
schwellung den Milztumor, hier war das Blut gallensüurcreich
und oft fanden sich melaninhaltige (pigmentirte) Leucoevten,
welche im lebenden Bluts extravagante Bewegungen und
Ausreckungen ausführten, im gefärbten Präparat rundlich
erscheinen, oder in einem der Ringform ähnlichen Zustande
zur Ruhe kamen und leicht Parasiten Vortäuschen können,
ebenso waren sterile Parasitenformen zu beobachten, darunter
selten Halbmondformen.
Dann erschienen im Blute der Malariakranken noch
kleine, ectoglobuläre Ringelchen, Kügelchen, die von den be-
schriebenen und bekannten abweichen, denen jede Kernan-
deutung oder Pigment fehlt und die sonst im Blute Gesunder
nicht angetroffen werden, auch von mir nicht im gesunden
oder kranken Blute, auch nicht im Thierblut, beobachtet
wurden. Wenn auch mit Unterbrechungen, habe ich doch
jahrelang Blut untersucht, im letzten Jahre fast täglich.
Diese Gebilde als Parasitenformen zu deuten, wäre
aber ein Fehler, den selbst einzelne, mehr oder weniger in
die Sache eingedrungene, aber nicht mit der Optik immer
ganz vertraute Untersucher leicht machen, ebenso soll man
sich vor mikroscopischem Staub und freiem ausgepressten
Haemoglobingebilden hüten. Hat man es im Präparat und
bei den Kranken nur mit den grossen europäischen Formen
zu thun, so ist eine Verwechslung nicht leicht möglich,
anders liegt es bei den tropischen kleinen Formen. Die melanin-
haltigen Leucoevten und ähnliche Gebilde, wie auch den
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381
eigenthttmlichen Glanz der Blutkörperchen nehmen viele
Autoren, wie auch Grawitz, *) bei Nichtanffindbarkeit von
Parasiten als ein suspectes Zeichen für bestehende Malaria
an. Den Glanz der Blutkörperchen habe ich trotz darauf
gerichteter Beobachtung bei Malariablut nicht deutlich wahr-
nehmen können, auch nicht in Präparaten, welche keine
Parasiten enthielten und welche von Kranken mit irregu-
lärem Fieber stammten, in deren Blut ich noch Para-
siten nachweisen konnte. Vielmehr sind die Blutkörperchen
da, wo anderweitige Befunde, wie pigmentführende
Leucocyten auf Malaria deuten, oft glanzlos und etwas
blässer als in der Norm, die Delle ist vergrössert, der Haemo-
globingehalt des einzelnen Blutkörperchens vermindert. Im
Remittcnsblut erschienen dagegen die Blutkörperchen
glänzender zu sein als sonst. Vielleicht sind dieses Zufällig-
keiten. Auf das Vorkommen eigeuthümlieh ausgereckter, aber
pigmentloser Figuren, mit feinem Contour im Inneren von
Blutkörperchen, wie sie nur Amoeben annehmen und wie
sie von Kruse und Anderen bei Beschreibung der Tertian-
parasiten, aber mit feinem randständigen Pigment versehen,
abgebildet sind, habe ich schon früher liingewiesen und kann
hinzufügen, dass ich da, wo ich solche Formationen sah*
auch gewöhnlich grosse Parasiten fand. Die von van der
Scheer erwähnten grossen Parasiten, mit Geissein, (Zwecp-
draad) habe ich nicht gesehen. Geübte und ungeübte
Untersucher mögen zugleich hieraus ersehen, dass selbst zur
Diagnose tropischer Malaria durch die Blutuntersuchung
wenigstens bei nicht ganz günstiger Zeit oder bei älteren
dabei oft schweren Fällen von pernieiöser Malaria, welche in
unserem Klima, wie wir sehen, sich ändern, Uebung und Er-
fahrung gehört und dass Täuschungen sehr leicht sind, so
dass es nicht verwundert, wenn Kliniker in Präparaten Fremdes
als Parasiten ansehen, wirkliche kleine endoglobuläre Para"
siten aber übersehen. Es ist ausserdem eine Geduldsprobe
und für das Auge anstrengend, Präparate solcher Patienten
zu durchsuchen. Bei frischen Fällen, vor und besonders
während des Hitzcstadiums des Anfalles ist es leichter, weil
dann zuweilen in jedem Gesichtsfelde Parasiten erscheinen.
*) Grawitz, E. Klinische Pathologie lies Blutes. Berlin 1896
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382
Trotzdem ist es durchaus für jeden Tropenarzt nöthig, die
erwähnten Vorkommnisse selbst durch Uebung zu erfahren,
zu analysiren und unterscheiden zu können.
Ich bin dank Zütphen in den Besitz einer grossen
Anzahl (etwa 150) von Präparaten gekommen, welche für
mich und für das vergleichende Studium der Malariaparasiten
von höchstem Werthe sind, hoffentlich kann ich meine
Sammlung von Zeit zu Zeit ergänzen und besser ausarbeiten,
nachdem ich durch wiederholte Studien und Erfahrungen neue
Gesichtspunkte dafür gewann, denen ich nachzugehen beab-
sichtige. Vergleicht man die tropischen Malariaparasitenformen
mit den unsrigen, oder denen aus Polen, woher ich Präparate
erhielt, so erscheinen, wie theilweise schon angegeben, doch
selbst die grossen tropischen Malariaparasiten anders, besonders
in Bezug auf Lagerung und Stärke des Pigments und, was
ich noch erwähnen möchte, auf die Renction des Wirthes,
desErythrocvten, welcher bei unserer Malaria, auch bei maligner
Tertiana, schlaff und stark vergrössert, angeschwollen, erscheint,
während bei tropischer Malaria das Blutkörperchen auf den
kleinen Parasiten wenig reagirt. Gewöhnlich erscheinen daher
auch die europäischen grossen Formen grösser als die grossen
tropischen. Am ähnlichsten, wahrscheinlich identisch mit den
tropischen Formen sind die italienischen. Ob die kleinen
italienischen Formen, die ostindische und die bei Schwarz-
wasserfieber in Kamerun gar keine Unterschiede aufweisen,
ist nicht so sicher als die grosse Uebereinstimmung des
ostindischen kleinen Parasiten mit dem zuerst von Plehn*)
aus Kamerun beschriebenen, obschon auch da noch einzelne
Feinheiten differiren. Ich habe nach meinen Beobachtungen
Gründe für die Annahme, dass sie sich nicht wesentlich
unterscheiden und keine getrennte Species bilden.
Zum Schluss möchte ich noch etwas über Färbung
mittheilen. Die erfahrenen Collegen, welche eigene Malaria-
studien möglichst in verschiedenen Ländern der Erde
ausführen, legen das Hauptgewicht auf den Befund im un-
gefärbten Präparat, oder am ungefärbten Parasiten, wie ich
*) F. Plolin. Berliner Med. Gesellschaft, Vortrag- Sitzung vom
9. Mai lä!»5. (Iber das Sehwarzwasserfieber an der afrikanischen
Westküste.
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383
es ebenfalls thue. Nacli meiner Erfahrung kann ich nur
eine ganz schwache Färbung, etwa Methylenblau empfehlen,
oder für den Eingeweihten, wie bei den kleinen Parasiten,
gar keine. Will man nun aber doch eine Kernfärbung der
Übrigen Blutelemente haben und färbt nach Vorfärbung mit
Methylenblau nach, dann rathe ich entweder nur eine
schwache Vio°/o Lösung */* Minute anzuwenden, oder bei
stärkerer evcnt. Löffler scher Lösung das Deckglas durch
schwachen Salzsäurealkohol zu ziehen und sogleich abzuspülen-
Zur Färbung und besseren Differenzirung benutze ich Orange G,
dem ich etwas Auramin und Anilingelb zusetze, 15 Tropfen
solcher filtrirten concentrirten Lösung zu 10 bis 12 Gramm
Wasser genügen, um in 5 Minuten die Erythrocyten gelblich
roth. in ähnlicher, concentrirterer Farbe wie in natura zu
tingiren, nach Abspülen und Trocknen, 2 Minuten Verweilen-
lassen in verdünnter Eosinlösung, am besten Prof. Frosch’s
Präparat, welches ich bereits in Zütphen und nachher kennen
lernte und allen Eosinlösungcn vorziehe. Nach Abspülen
und Trocknen Nachfärbung in Methylenblaulösung, Einschluss
in Canadabalsam. Die Fixation geschieht am besten durch
Wärme, sonst in Mischung von Alkohol und Aether. Man
kann auch die Färbung von Orange und Eosin combiniren,
indem man einigen Tropfen Eosin in Auramin Orangelösung
zusetzt, stehen lässt und frisch filtrirt, so sicher als die
getrennte Färbung ist sie aber nicht, ebenso täuscht man
sich häufig über die Resultate der Doppelfärbung in Gemischen
von Eosin und Methylenblau oder auch nach Chcnzinsky.
Meine Färbung scheint nur den Vortheil zu bieten, den un-
gefärbten oder nur zart gefärbten Parasiten sowie sein Cen-
trum im Inneren des Blutkörperchens leichter zu erkennen,
als im eosinrothen und so möglichst naturgetreues Parasiten-
material zu studiren.
Schon der knappen Zeit wegen muss ich mich jetzt
mit dem über meine Studien Mitgetheilten begnügen und
hoffe ein Mehr entweder in diesem Archiv zu geben oder
anderenorts event. in einem Buche. Ich hoffe über die
Statistik und den Einfluss des Klimas auf die von Indien
nach Holland übergeführten kranken Militärs noch mehr
Material von Holland aus zu erhalten, so dass darüber die
Acten noch nicht geschlossen sind. Die grosse Mehrzahl der
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3*4
kranken aber noch dienstpflichtigen Mannschaften kehrt
wieder dienstfähig nach Indien wenn auch erst nach 1 — 2
Jahren zurück, wodurch sie der Armee erhalten bleiben.
Ueber die praktisch verwertbaren Erfolge der bisherigen
ätiologischen Malariaforschung.
Von Dr. Friedrich Plehn, Regierungsarzt beim Kaiserlichen
Gouvernement von Deutsch- Ostafrika.
Die Augen der praktisch und wissenschaftlich thätigen
Tropenärzte sowie auch aller derjenigen Laien, welche ein
ideales oder materielles Interesse an der Förderung unserer
Kenntnisse und unseres Könnens auf dem Gebiet der Tropen-
pathologie und Tropenhygiene haben, sind zur Zeit auf Dar-
es-Salaam gerichtet, wo seit einigen Wochen Robert Koch
seine Arbeitsstätte eingerichtet hat, um die an der deutsch-
ostafrikanischen Küste vorkommenden Infektionskrankheiten
und speeiell die Malaria zum Gegenstand seiner Untersuchungen
zu machen. Jeder, welcher sich der Bedeutung der Stellung
bewusst ist, welche Koch in der Geschichte unserer modernen
Medicin einnimmt, erblickt in seinem Eintritt in die eigent-
liche tropenpathologische Forschung einen bedeutsamen Merk-
stein in deren Entwicklung und erwartet mit Spannung als
Ergebniss seiner Thätigkeit Entdeckungen von hervorragender
principieller und praktischer Bedeutung.
Grade der jetzige Zeitpunkt, wo diese Entdeckungen
noch im Laboratorium von Dar-es-Salaam verborgen liegen,
erscheint geeignet , einen kurzen Rückblick über die bis-
herigen Ergebnisse der neueren Malariaforschung zu thun
und im besonderen darüber uns zu verständigen, was wir
seit Beginn der ätiologischen Malariaforschung mit den uns
zur Verfügung stehenden Methoden thatsächlieh bereits erreicht
haben. Die Aufforderung dazu liegt gegenüber dem vielfach
in dieser Beziehung sich äussernden Skepticismus von Aerzten
und Laien grade für mich nahe, der ich, seit ich vor acht
Jahren in Berlin mit meinen ätiologischen Studien der Malaria
begann, inzwischen eine nicht vielen Aerzten gegebene Gelegen-
beitbatte, in verschiedenen Theilen der Erde und unter günstigen
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385
äusseren Arbeitsbedingungen nn einem nunmehr nach Hunderten
von Fällen zählenden Beobachtungsmaterial Erfahrungen anzu-
sammeln, stets von ätiologischen Gesichtspunkten ausgehend
und stets bemüht, das ätiologische Moment der praktischen
Medizin nutzbar zu machen, cs nach Möglichkeit zu Erken-
nung, Verhütung und Heilung der Krankheit zu verwenden.
Einzelheiten zu bringen, ist in diesem Zusammenhang nicht
meine Absicht. Der Charakter der kleinen Arbeit als kurzer
Uebersicht muss es auch erklären, wenn dieselbe auf der
einen Seite einiges enthält, was manchem bekannt ist, auf
der anderen bestrittenes nicht eingehend begründet. Diese
Lücken auszufüllen, wird sich mir in anderen demnächst er-
scheinenden Arbeiten hinlänglich Gelegenheit bieten.
Ueber die ursächliche Bedeutung der zuerst von Laveran
1880 im Blut algerischer Fieberkranker entdeckten parasiti-
schen Mikroben kann ein Zweifel unter den für diese Frage
competenten Beurtheilern als zur Zeit ausgeschlossen gelten.
Die charakteristischen Parasiten sind bisher ausschliesslich im
Körper malariakranker Menschen, nie im gesunden oder mit
anderen Krankheiten behafteten Organismus gefunden worden,
im ersteren fast ausnahmslos in allen Fällen. Wo sie nicht im
peripheren Kreislauf gefunden wurden, sind, abgesehen von
etwaiger Ungeübtheit des Untersuchers, Lokalisationen in
inneren Organen anzunehmen und vielfach auch nachge-
wiesen, wie in Milz oder Gehirn; meist erzeugen sie
unter diesen Umständen auch ganz bestimmte klinische Er-
scheinungen.
Welchen Vortheil hat nun die Medicin aus der Ent-
deckung des Erregers der Malaria im Interesse der All-
gemeinheit bisher ziehen können?
Bei der Beantwortung dieser Frage werden wir zwei
Richtungen innerhalb derselben streng zu scheiden haben,
eine auf den Schutz der Massen gegen die Infection zu-
strebende rein hygienische und eine im engeren Sinn medi-
cinische oder klinische, welche sich mit dem Schutz des
Individuums gegen die Krankheit und mit der Heilung des-
selben beschäftigt. Das Mass des einer jeden dieser beiden
Richtungen aus den Ergebnissen des ätiologischen Malaria-
studiums erwachsenen Vortheils hat sich als ein sehr ver-
schieden grosses erwiesen.
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Die Hygiene in dem von mir bezeichneten Sinn hat
bisher noch so gut wie gar keinen auf Grund derselben er-
zielten praktischen Erfolg zu verzeichnen gehabt. Die Ur-
sache liegt in der Unzulänglichkeit der uns einstweilen für
das biologische Studium der Malariaparasiten wie der ganzen
diesen verwandten Welt protozoärer parasitischer Mikroben
zu Gebote stehenden Methoden im Gegensatz zu der hohen
Entwickluug derer, welche wir Koch und seinen Schülern
für die Erforschung der Bakterien verdanken. Die Erfolge
des Studiums der Biologie der Malariaparasiteu beschränken
sich auf die Beobachtung gewisser Entwicklungserscheinuugen
derselben unter Verhältnissen, welche mit peinlichster Genauig-
keit denen nachgebildet sind, unter welchen dieselben im
menschlichen Organismus schmarotzen, im übrigen auf Fort-
schritte in der Kenntniss ihrer morphologischen, speciell ihrer
Struktur- und tinktoriellen Verhältnisse. Mit den Ergeb-
nissen beider Forschungsrichtungen kann die Hygiene so gut
wie gar nichts anfangen. Die sie intercssirenden Fragen
nach dem Vorkommen der Malariaparasiten ausserhalb des
menschlichen Körpers in der unbelebten und belebten Natur,
in der wir sie nach allen Erfahrungen als vorhanden voraus-
setzen müssen, sind bisher noch durchaus unbeantwortet ge-
blieben, resp. ihre vielfach versuchte Beantwortung entbehrt
der exacten wissenschaftlichen Begründung. Völlig unbeant-
wortet ist demgemäss auch die Frage: auf welchem Wege
und auf welche Weise kommt die Malariainfection zu Stande?
Die Folge dieser fundamentalen Unkenntniss wiederum ist
die Unmöglichkeit, irgend eine der zur Verhütung der Krank-
heit im Grossen zur Zeit angewandten Massregeln in exakter
Weise und nicht nur mit dem Hinweis auf gewisse allgemein
als richtig hingenommene Erfahrungs- und ( Haubenssätze
zu begründen. Was wir in der Richtung zur Zeit unter-
nehmen, stützt sich auf Hypothesen, welche einem gewissen
Causalitätsbedürfniss entsprungen, nicht beweisbar sind und
von denen keine hinreichend gestützt ist, dass nicht eine
eiuzige fundamentale Entdeckung sie über den Haufen werfen
könnte. Es trifft das in gleicher Weise zu für die Annahme
einer Infektion durch „schlechte Luft“, welche immer noch
die populärste ist, obwohl sich gerade gegen sie das Gefühl
des modernen Mediziners am meisten sträubt, wie einer sol-
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387
chen durch Trinkwasser oder Insektenstiche, wie solche neuer-
dings wieder energisch verfochten aber nicht bewiesen sind.
Einen unvergleichlich viel grösseren Vortheil als die
Hygiene hat die klinische Medicin aus der Klärung unserer
Begriffe von der Natur des Malariavirus und von dem ein-
gehendem Studium desselben als menschlichen Zellenparasiten
ziehen können. Dass sie nicht ganz allgemein, namentlich
in den Tropen, diesen Vortheil daraus gezogen hat, findet
seine Erklärung in einem unter dem Einfluss des Klimas
wie des Mangels anregender Concurrenz beim Tropenarzt
besonders leicht sich entwickelndem Beharrungsbedtirfniss,
das seine Neigung zum Gebrauch des Mikroskops wie an-
derer complicirterer Hülfsmittel der modernen Medicin und
in der Folge dann auch seine Uebung in Verwendung der-
selben sehr vielfach in dem Mass geringer werden lässt, als
seine praktische Erfahrung sich vergrössert und das ihn dann
endlich mit einer gewissen Regelmässigkeit dahin führt, Me-
thoden gering zu schätzen, zu deren Erlernung und Beur-
theilung er sich nicht mehr fähig fühlt. Das Endurtheil
wird in solchen Fällen ziemlich übereinstimmend dahin zu-
sammengefasst, dass es für den Kranken ja doch gänzlich
gleich sei, ob er sein Fieber mit oder ohne Thierehen im
Blut habe, dass ausser den üblichen symptomatischen Er-
leichterungen doch nach wie vor nichts für ihn geschehen
könne, als ihm Chinin zu geben, bis er gesund — oder bis er
gestorben sei, dass also thatsächlich praktisch weder dem Arzt
noch dem Kranken mit den neuen Entdeckungen auf dem Ge-
biet der Malariaätiologie etwas genützt sei. Es setzt dieser
Standpunkt die Ansicht voraus, dass in der Tliat jede mit
fieberhaften Erscheinungen einhergehende Krankheit in den
Tropen „das Fieber kan r'xojoV“, d. h. das Malariafieber, resp.,
dass die Diagnose der Malaria auch ohne die durch Aus-
nutzung des ätiologischen Moments gewonnenen Hülfsmittel
ohne weiteres zu stellen sei. Diese Ansicht ist keineswegs
allgemein richtig. Ferner setzt er voraus, dass das Chinin
ein in jedem Fall von Malaria nutzbringendes, jedenfalls
niemals schädliches Mittel sei , das man — vorausgesetzt,
dass man nicht zu w’enig giebt — ohne auf die speeiclle
Dosirung grossen Werth zu legen — in jedem Fall und in
jeder Phase der Krankheit ohne jedes Bedenken anwenden
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könne. Diese Ansicht ist gleichfalls unrichtig, sie beruht
auf Mangel an Keuntniss des klinischen Verlaufs der tropi-
schen Malaria einerseits und der Wirkung des Chinins,
speciell in den Tropen und bei tropischen Malariakranken
andrerseits. Ohne Ausnutzung des ätiologischen Moments
wird das nicht möglich sein, die alten, vielfach unklaren
und in mancher Einzelheit sich widersprechenden Vorstel-
lungen durch klarere Begriffe vom Wesen der Krankheit
und eine schärfere Indicationsstellung für die Anwendung
unserer Heilmittel zum Nutzen der Kranken zu ersetzen.
Für die Diagnose der Malaria haben die ätiologischen
Forschungen der letzten Jahre dem Arzt wesentliche Hülfs-
mittel in die Hand gegeben, die um so weniger entbehrlich
sind, als gerade in den Tropen von dem von der Heimat her
gewohnten pathologischen Bild der Intermittens häutig wenig
itbrig bleibt, namentlich wenn, wie meist vor Consultation
des Arztes, eine probeweise Anwendung von verzettelten
Chiningaben stattgefunden und dann nicht selten den typi-
schen Krankheitscharakter verwischt hat, der initiale Schüttel-
frost, der regelmässige Verlauf der Temperaturbewegung, die
Milzvergrösserung zurück- und dafür irgend welche Lokal-
erscheinungen in den Vordergrund treten, während anderer-
seits das Chinin als diagnostisches Mittel vielfach versagt.
Unter diesen Umständen ist die Blntuntersuchuug ein sehr
werthvolles Mittel, die Diagnose zu sichern, gegenüber einer
Reihe von andern Krankheiten, septischen speciell puerperalen
Erkrankungen, den durch Filaria sanguinis hervorgerufenen
Fieberanfällen, fieberhafter Darmentzündung und beginnendem
Unterleibstypus, Tuherculose, akutem Gelenkrheumatismus,
Meningitis und anderen, die der Malariakachexie gegenüber
Carcinom, chronischer Nierenentzündung und anderen. Es ist
die exakte Diagnosestellung in diesen Fällen um so wichtiger,
als diese und andere Krankheiten erfahrungsgemäss häutig,
wo eine alte latente Malaria bestand, den im Körper zurück-
behaltenen Dauerformen der letzteren durch Alteration der
Körpersäfte die Möglichkeit zum Auswachsen zu aktiv para-
sitären Amöboiden geben und so zu complicirten Misch-
infektionen Anlass geben. Einstweilen werden solche noch
vielfach als besondere Arten der Malaria betrachtet und auch
.Sc heu he unterscheidet in seinem werthvollen Buch über
38Ö
die Krankheiten der warnten Länder eine algide, diaphore-
tische, komatöse, delirante, eonvulsive, kardialgische, chole-
rische, dysenterische Form, einen Malaria -Collaps, Malaria-
Pneumonie and -Pleuritis und Schwarzwasserfieber, Krankheits-
bezeichnungen, die, soweit es sich nicht um die Complikation
bestimmter Organleiden mit Malaria und Beeinflussung der-
selben durch letztere handelt, zum grössten Theil schon
wegen ihrer vielfachen Uebergänge und Combinationen eine
selbständige klinische Bedeutung nicht beanspruchen können.
Auf die vieltach behauptete, specielle diagnostische Bedeutung
der Blutuntersuchung zur Bestimmung des Fiebercharakters,
des Typus und der Schwere der Erkrankung will ich an
dieser Stelle nicht eingehen, da es sich einerseits dabei nach
meinen Untersuchungen nicht um allgemein zutreffende Vor-
aussetzungen handelt, andrerseits die praktische Bedeutung,
von der hier ausschliesslich die Rede ist, auch im Fall ihrer
theilweisen Richtigkeit nicht zu hoch angeschlagen werden
darf. Andrerseits ist die diagnostische Blutuntersuchung als
Hülfsmittel für die schnelle und sichere Unterscheidung des
Schwarzwasserfiebers vom Gelbfieber bei Erledigung der
ärztlichen Untersuchung von Seeschiffen, wo der controllirende
Arzt die vielfachen Unterschiede im klinischen Krankheits-
verlauf bei der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit
nicht zur Unterscheidung heranziehen kann, von hervor
ragender praktischer Bedeutung und hätte an der afrika-
nischen Westküste schon manchmal dazu beitragen können,
einem Seeschiff Schwierigkeiten und Belästigungen durch die
Hafenbehörde zu ersparen.
Zur Vermehrung unserer Kenntnisse vom klinischen
Verlauf der tropischen Malariafieber kann die
Ausnutzung des ätiologischen Moments in noch wesentlicherer
Weise beitragen.
Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte,
dass nur eine verhältnissmässig sehr kleine Zahl von Aerzten
und speciell von Tropenärzten den Verlauf und den natür-
lichen Ausgang der reinen, d. h. durch differente Mittel
nicht beeinflussten Malaria kennt. Die naheliegende Er-
klärung liegt darin, dass dieselben, von therapeutischen
Dogmen ausgehend, die sich von einer Aerztegeneration auf
die andere vererbten, die Verantwortung nicht übernehmen
Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygieae. 97
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390
wollten, von der Anwendung des den Krankheitsverlnuf un-
zweifelhaft stets in specifisclier Weise aber keineswegs stets
gUnstig beeinflussenden Chinins abzusehen. Bei dieser Art
des Vorgehens aber verzichtet der Arzt einmal auf Erlangung
einer genauen Kenntniss der Krankheit selbst, ihres natür-
lichen Verlaufs und zweitens damit natürlich auch auf die
Kenntniss der Wirkung, welche seine Behandlung, speciell
das Chinin, auf die Krankheit ausübt. Was er erhält, ist
der combiuirte Effekt zweier ganz differenter Einflüsse
auf den Körper, des Malariagifts und des Chinins, die
sich gegenseitig in verschiedener Weise modificiren, in ge
wisser Richtung aufheben und in anderer verstärken. Welche
von den im Verlauf der Krankheit beobachteten Erschei-
nungen der Arzt oder dann auch der Kranke auf den einen
und welchen auf den andern Einfluss beziehen will, muss
unter diesen Umständen mehr oder weniger ausschliesslich
seiner Willkür überlassen bleiben.
Ich bin seit Beginn meiner Malariastudien von der
Ueberzeugung ausgegangen, dass eine genaue Kenntniss des
Verlaufs der Malaria und dementsprechend auch des Ein-
flusses, welchen Medicamente auf dieselbe ausüben, nur zu
erlangen sei auf Grund eines eingehenden Studiums der
durch kein different wirkendes Mittel beeinflussten Krankheit.
Ich habe dementsprechend im Beginn meine Intermittens-
kranken, solange ich keine ernstliche Schädigung ihrer Ge-
sundheit zu befürchten brauchte, abgesehen von der sympto-
matischen Behandlung der Anfälle selbst, ausschliesslich mit
indifferenten Mitteln behandelt. Die parallel laufenden Unter-
suchungen des Krankheitsverlaufs und des Entwicklungs-
ganges der ursächlichen Parasiten ergaben in der über-
wiegenden Mehrzahl der beträchtlichen Zahl beobachteter
Fälle, dass die heiinatldichen typisch verlaufenden Inter-
mittenten, welche auf der Invasion der charakteristischen, stark
pigmentirten, im ausgewachsenen Zustand den Blutkörper
fast ausfüllenden Mikroben beruhen, im ganzen eine sehr
geringe Neigung zur .Spontanheilung haben, dass die Anfälle
der sich selbst überlassenen Krankheit sich meist so oft
wiederholen, dass ein Eingreifen des Arztes liier im Inter-
esse des Kranken dringend nothwendig wird. Dem gegen-
über ergaben die nach hinreichender Erforschung des reinen
39i
unbeeinflussten Krankheitaverlaufs angestellten therapeutischen
Untersuchungen, dass die gewöhnlichen 1 — l'/t g pro dosi,
2 g pro die betragenden Chinindosen zur rechten Zeit, vor
allem zwischen den Malariaanfällen ungewandt, mit ausser-
ordentlicher Sicherheit die krankheiterregenden Mikroben zu
tüdteu und damit den Kranbeitsprocess zu koupiren ver-
mochten. Irgend ein in Betracht kommender schädigender
Einfluss des Chinins auf den Organismus des Intermittens-
kranken wurde unter diesen Umständen niemals gesehen.
Auf diese Beobachtungen hin, welche übrigens ja nur
durch das Resultat der mit den klinischen gleichzeitig an-
gestellten ätiologischen Untersuchungen alte Erfahrungstat-
sachen bestätigten, war ich, als ich späterhin zu Unter-
suchungen über den Verlauf der grossen theils durch minde-
stens morphologisch andersartige Parasiten hervorgerufenen
Tropenfieber tiberging, anfangs einigenmissen voreingenommen
im Sinn der Zuverlässigkeit und Unschädlichkeit des Chinins.
Ich hätte mich demgemäss zunächst im Bewusstsein meiner
Verantwortung in einen so gefährlichen Fieberherd wie
Kamerun, wo ich meine ersten umfangreicheren klinischen
Erfahrungen mit dem Tropenfieber machte, zum Verzicht auf
die Anwendung des Specifikums bei der Krankheit gewiss
nur zögernd und mit Sorge entschlossen. Die diesbezüg-
lichen Bedenken wurden indess bald wesentlich vermindert,
einerseits durch die an den gefährlichen Fieberplätzen der
Westküste sich aufdrängenden Beobachtung der häufigen
schädlichen speciell Hämoglobinurie und hämoglobinurisches
Fieber erzeugenden Nebenwirkungen des Chinins, selbst bei
anämischen und fiebergeschwächten Menschen, andrerseits
durch die Ausnutzung eines sich ganz spontan bietenden
Beobachtungsiuaterials in Gestalt mehr oder weniger lauge
ansässiger Faktoristen, welche auf Grund der Erfahrung,
dass jede Chiningabe mit Sicherheit Hämoglobinurie bei ihnen
hervorrief, das Mittel bei den sie häufig befallenden Fiebern
seit langer Zeit gar nicht mehr anwandten, sondern dieselben
rein symptomatisch mittels Einpackungen und reichlicher Zu-
fuhr heisser Getränke, höchstens etwa noch kleinen, auf den
Verlauf der Krankheit jedenfalls bedeutungslesen Antipyrin-
gaben behandelten. Die von vorn herein meinerseits auf Grund
meiner bei Behandlung der heimischen Intermittens gebildeten
IS7*
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392
Annahme, dass unter diesen Umständen eine grössere Anzahl
von Ficberanftlllcn auf einander folgen würde, bestätigten
sich durchaus nicht, vielmehr verschwanden nach 1 — 2 Tagen
die Malariaparasiten spontan aus dem Blut und nach ein
oder zwei Paroxismen, von welchen der zweite meist merklich
weniger intensiv war als der erste, verschwand auch das
Fieber, um häufig erst nach Wochen sich wieder bemerkbar
zu machen. In allen diesen Fällen handelte es sich nicht
um die grossen pigmentirten, sondern um die pigmentfreien
odor pigmentarmen höchstens bis zu etwa V« der Grösse des
Blutkörpers heranwachsenden siegelringförmigen Mikroben.
Die Verfolgung dieser Erfahrung, welche mich zuerst
an der Unschädlichkeit sowohl, wie an der Unentbehrlichkeit
des Chinins bei den bezeichneten tropischen Fieberformen
zweifelhaft werden liess, und ihre Ausbeutung an einem
grossen im Hospital unter steter Berücksichtigung des Ver-
haltens der Parasiten beobachteten Krankenmaterial führte
zunächst zu der Erkenntniss, dass die mit Hämoglobinurie
complicirten Malariaficber, welche gleichfalls auf Infectiou
mit den kleinen Parasiten beruhen, eine sehr grosse Neigung
zur Spontanheilung haben, dass sie bei geeigneter sympto-
matischer Behandlung sogar durchweg weit leichter und in
kürzerer Zeit verlaufen als die, bei welchen Chinin ange-
wendet wurde. Die nicht durch Chinin beeinflussten Schwarz-
wasserfieber treten meist in Form eines oder zweier durch
eine mehr oder weniger tiefe Intermission oder Remission
getrennter protrahirter Paroxismen auf, deren Fiebertypus
sich von dem einfachen Intermittensfalle bezüglich Verlauf
und Dauer nicht wesentlich unterscheidet, und enden in der
Regel, wenn nicht durch die Massenhaftigkeit des Blutzerfalls
gleich anfangs eine Verstopfung der Harnkanälchen durch
Hämoglobinschollen und entzündlich gequollene Epithelien
eintritt, welche eine fast stets tödtlich endende sekundäre
Anurie zur Folge hat, nach 1 — 3 Tagen unter kritischem
Abfall des Fiebers wie sümmtlicher sonstigen Erscheinungen
mit vollkommener Heilung.
Der gleiche kurzdauernde Verlauf wurde bei einer
grösseren Zahl nicht mit Hämoglobinurie complicirter aut
Infektion mit der gleichen Mikrobenart beruhenden Tropen-
fiebern beobachtet. Auch bei ihnen waren die Fälle häufig,
393
in denen bei chininloser Behandlung, nach mehr oder
weniger kurzdauerndem dnrchuus typisch intermittirendem
Fieberverlauf bei zweckmässigem Verhalten des Kranken
während und zwischen den Anfällen Spontanheilung eintrat.
Dies zweckmässige Verhalten während der Krankheit ist
freilich Voraussetzung für einen leichten kurzen Verlauf.
Die so häutig die Malaria complicirende fortgesetzte An-
strengung im Dienst, körperliche und geistige Arbeit, Er-
kältung, Durchnässung, Sorge, Aufregungen und andere
Schädlichkeiten sind an sich schon in hervorragender Weise
geeignet, den Krankheitscharakter in ungünstigem Sinne
völlig zu verändern.
Immerhin war auch unter den günstigsten äusseren
Verhältnissen die Spontanheilung nach kurzer Zeit in
diesen Fällen durchaus keine derartig regelmässige Er-
scheinung wie heim Schwarzwasserfieber, längerdauerndes
Anhalten der Anfälle wurde öftere beobachtet und erwies
sich für den Tropeneuropäer besondere bedenklich. Anderer-
seits machte sich die parasitentödtende Wirkung des Chinins
auch bei diesen Fiebern in einer so überzeugenden Weise
geltend, dass ich von der eine kurze Zeit lang auf Grund
der angegebenen Erfahrungen durehgefübrten ganz allgemein
ehininloscn Behandlung derselben zurückkomme, eine syste-
matische energische Chininbehandlung bei ihnen als durchaus
rationell ansehe und auch meinerseits zur Zeit stets durchführe.
In jedem Fall hatte sich die Neigung zur Spontan-
heilung bei den durch die kleinen pigmentarmen Mikroben
hervorgerufenen Tropenfiebem trotz aller mit denselben ver-
bundenen akuten Gefahren als erheblich grösser erwiesen
als bei den heimathlichen Intermittenten. Eine Erklärung
für diese Thatsache ist mit Sicherheit aus dem Grunde
nicht gegeben, weil wir in Folge der Mangelhaftigkeit unserer
Untersuchungsmethoden immer noch nicht wissen, in welcher
zoologischen Beziehung die in den Endformen ihrer Ent-
wicklung wenigstens morphologisch scharf differenzirten
ursächlichen Mikroben der einen zu denen der anderen
Krankheitsform stehen. Trotz alles zum Beweise aufge-
wandten Fleisses ist es noch nicht als festgestellt anzuschen,
dass es, wie namentlich die italienische Schule mit grossem
Nachdruck behauptet, eine ganze Reihe verschiedener wohl-
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394
charakterisirter Speeies dar Malariamikroben giebt, welche
wiederum klinisch verschiedene Krankheitsbilder hervorrufen,
sondern es ist wohl möglich, dass entsprechend Erscheinungen,
welche uns durch die Bakteriologie geläufig geworden sind,
der einheitliche Parasit unter dem Einfluss klimatischer Ein-
flüsse, die sich auf ihn direkt oder durch Vermittlung seines
animalen Nährbodens, der Organsäfte des Menschen, geltend
machen, eine verschiedene Entwicklung hat, dass er im
speziellen in Folge einer etwa wie beim Tetanusbacillns im
warmen Klima vermehrten Toxicität schon in einem an ver-
hältnissmässig frühen Entwickelungsstadium den Zerfall des
occupirten Blutkörperchen herbeiführt. Die grössere Neigung
der Tropenfieber zur Spontanheilung nach verhältnissraässig
kurzer Zeit könnte dementsprechend einerseits auf eine ge-
ringere Reproduktionsfähigkeit der kleinen Parasitenspecies,
andererseits darauf bezogen werden, dass ein grosser Theil
der jungen Parasiten vor erlangter Reproduktionsfithigkcit
zugleich mit den von ihnen occupirten Wirthen, den rothen
Blutkörperchen, zu Grande geht.
Wenn die Ausnutzung des ätiologischen Moments viel
dazu beitragen kann, das Krankheitsbild der tropischen
Malariafieber rein zu gewinnen und von ihm manche Modi-
fikationen im Verlauf zu trennen, welche von zugleich mit
dem Malariaviras auf den befallenen Kranken einwirkenden
Einflüssen herrühren, so erfüllt sie damit gleichzeitig die Vor-
bedingung für die Beurtheilung der Erfolge unseres ärztlichen
Eingreifens und giebt diesem eine ohne sie nicht erhältliche
Bestimmtheit und Sicherheit.
Die Verwerthung des ätiologischen Moments für die
Prophylaxe der Malaria hat uns gezeigt, dass es möglich ist.
die latenten Krankheitskeime im menschlichen Kreislauf
bereits zu einer Zeit zu erkennen, wo dieselben noch
keinerlei krankhafte Erscheinungen he^vorzurufen vermögen
und sie zu vernichten, bevor sie dazu im Stande sind. Die
ersten vereinzelten diesbezüglichen Erfahrungen, welche von
mir in Berlin gemacht und bereits Anfang 1890 veröffentlicht
worden sind, haben sich mir 1892 in Java und später öfters
in Kamerun und Ostafrika bestätigt. Ich habe dieser Art
von Prophylaxe, wie ich ausdrücklich hervorhob, eine sehr
grosse praktische Bedeutung wegen der auch für den Ge-
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395
übten recht zeitraubenden Untersuchungen, welche sie er-
fordert, nicht beigemessen, und das ist das Verdienst
Ziemanns, dem gegenüber in seinen Veröffentlichungen
auf die praktische Bedeutung der prophylaktischen Blut-
untersuchungen mit Nachdruck hingewiesen und den Beweis
erbracht zu haben, dass diese jedenfalls rationellste Art der
Prophylaxe sich mit der erforderlichen Ausdauer auch bei
einer grösseren Zahl von Menschen regelmässig und mit aus-
gezeichnetem praktischen Erfolg durchführen lässt.
Die Malariatherapie hat zunächst dadurch festere
Angriffspunkte für eine rationelle Bekämpfung der Krankheit
aus den Ergebnissen des ätiologischen Studiums gewonnen,
dass erst dieses zur Kenntniss des von Medikamenten un-
beeinflussten Verlaufs der Krankheit, demgemäss auch erst
zur Kenntniss der Wirkung dieser Medikamente bei der
Krankheit geführt hat. Es hat mit sehr heilsamem Erfolg
manchen Irrthum, bezüglich der übertriebenen Vorstellung
von der unfehlbaren Heilwirkung des Chinins wie anderer
Mittel dadurch zerstören können, dass es den Nachweis der
häufigen Spontanheilung der auf der Infektion mit bestimmten
Parasitenformen beruhenden Tropenmalaria und mancher mit
der Chininwirkung verbundenen Schädlichkeit erbracht hat.
Es ist dadurch geeignet gewesen, eine heilsame Kritik an
Stelle eine alten therapeutischen Schematismus und Dogma-
tismus zu setzen. Der in therapeutischer Hinsicht vertretene
Standpunkt einer grossen Zahl von Tropenärzten lässt sich
auch liente noch ungefähr in folgenden Worten zusammen-
fassen: Wo Malaria vermuthet wird, oder festgestellt ist, ist
das Chinin das fast absolut sicher wirkende Reagenz oder
Heilmittel. Reagirt die vorliegende Krankheit nicht durch
alsbaldige Besserung oder Heilung auf das Chinin, so liegt
entweder keine Malaria vor, oder das Chinin ist in zu
kleinen Dosen angewendet worden, diese also sind zu ver-
stärken. Um einen ganz schweren Fall handelt es sich,
wenn trotz grosser und grösster Chinindosen das Fieber
durchaus nicht weicht, sondern mit unregelmässig remittireuder
oder continuirlicher Temperaturbewegung anhält, der Kräfte -
verfall zunimmt, der Urin blutige Verfärbung aunimmt und
schliesslich unter Delirium oder anurischcn Erscheinungen
der tödtliche Ausgang an Herzschwäche eintritt. In diesem
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306
Fall ist eben der Kranke trotz aller Anstrengungen des
Arztes, d. h. trotz der grössten Dosen des als uDter allen
Umständen heilsam nngesehenen Specitikums gestorben. Im
andern Fall, wenn der Kranke nach langdauernder woelien-
langer Krankheit, mit beträchtlicher, vielleicht dauernder
Schädigung seines Gohürs und Gesichts oder doch höchster
Ueberreizung seines Nervensystems, Alteration seiner Blut-
zusammensetzang und seiner Magenfunktion sein Lager ver-
lässt, um in eine ebenso langwierige Reconvalesceni einzu-
treten, so frohlockt der Arzt, dass er durch heroische An-
wendung des ausgezeichneten Mittels ein Menschenleben aus
einer so ausserordentlich schweren und hartnäckigen Krank-
heit doch noch zu retten vermocht hat, und der Glaube an
die Untrflglichkeit seiner Behandlungsweise ist fester in ihm
als vorher. — In gewissem Sinn ist das eigentlich ein
beneidenswerther Standpunkt, insofern in dem ihn vertretenden
Arzt der Gedanke, er könne am Ende seinem Kranken mit
seiner Behandlung geschadet haben, überhaupt gar nicht auf-
kommt und ihm, der unzweifelhaft in der ehrlichsten Ueber-
zeugung von seinem Verdienst an der „gelungenen Cur“
handelt, die Dankbarkeit vieler aus verzweifelt schweren
Fällen „geretteten“ Patienten weit eher zu Theil wird als
dem, welcher bei weit weniger eingreifender Behandlung an
„fast ausschliesslich“ leichten, rasch verlaufenden Fällen seine
Erfolge erzielt.
Wir haben beim Malariaprocess, wie bei der Chinin-
wirkung zwischen zwei dieselben zusammensetzenden Faktoren
scharf zu scheiden. Beim Malariaprocess einerseits zwischen
dem völlig symptoinlos sich vollziehenden Heranwachsen kleiner
in den Blutkörpern sich entwickelnder amöboider Mikroben,
andrerseits dem mit Eintritt der letzteren in ein gewisses
Entwicklungsstadium zusammenlallenden plötzlichen Auftreten
schwerer Vergiftungsersoheinungen, welche in wechselnder
Zeitdauer und mit wechselnder Intensität sich abspielen und
verschiedene Folgeerscheinungen nach sich ziehen können.
Die direkten Ursachen des Anfalles selbst sind uns noch
unbekannt, wir wissen nicht, ob die denselben zweifellos
auslösenden Toxinen direkt durch die Malariaparasiten
gebildet werden, oder ob er ähnlich wie bei der unter
ähnlichen Erscheinungen cinhergehende.il, auch durch rein
397
thermale Einflüsse za Stande kommenden paroxysmalen
Hämoglobinämie allein durch die Ueberschwemmung des
Kreislaufs mit Fremdkörpern, den Trümmern der durch die
Parasiten zerstörten rothcn Blutscheiben, hervorgerufen wird.
Die Wirkung, welche das Chinin auf den malaria-
kranken Organismus ausübt, setzt sich zusammen aus einer
heilsamen und einer schädlichen. — Die heilsame
Wirkung, welche wir vor Entdeckung der Malariaerreger
zu bestimmen nicht im Stande waren, haben wir jetzt kennen
gelernt. Sie besteht darin, dass es die im Kreislauf be-
findlichen Malariaparasiten mit einer, je nach dem Ent-
wicklungsstadium, in welchem dieselben sich befinden, ver-
schieden grossen Sicherheit und Schnelligkeit direkt abtödet.
Dazu genügen durchaus die üblichen mittleren Gaben von
1 — 1,5 g pro dosi und es ist völlig unbewiesen, dass grössere
Mengen eine grössere Wirksamkeit entwickeln. Das Chinin
tödtet also die im pathologischen Sinn latent im Organismus
heran wachsenden Amöben; andrerseits ist es vollkommen
wirkungslos gegenüber den Toxinen, welche sich zur Zeit
des Manifestwerdens der Krankheit im Kreislauf befinden
und welche den Anfall direkt verursachen. Es ist bisher
in keinem Fall gelungen, durch Chinin den Anfall zeitlich
abzukürzen oder seine Erscheinungen milder zu gestalten.
Die schädlichen Wirkungen des Chinins selbst auf
den Körper im Allgemeinen und auf den in seiner Wider-
standsfähigkeit herabgesetzten Körper des malariakranken
Tropenenropäers im besondem sind in der neuen pharmako-
logischen Litteratur bereits so oft Gegenstand eingehender
Erörterungen geworden, dass es in der That erstaunlich er-
scheinen kann, dass dieselben seitens der Tropenärzte, für
welche ihre Kenntniss in erster Linie von Bedeutung ist, im
Allgemeinen bisher so wenig Würdigung gefunden haben
und dass unter denselben die Neigung, jede schlimme
Wendung im Verlauf der Krankheit der Malaria, jede
günstige dem Chinin zuzuschreiben, noch so weit verbreitet ist.
Zur möglichst exakten Trennung der Schädlichkeiten,
welche der Organismus durch das Malariavirus allein und
welche er durch das Chinin, resp. durch den gemeinsamen
Einfluss des Malariavirus und des Chinins erfährt, kann
einerseits die Vergleichuug des Verlaufs grösserer Reihen
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398
von Malariafiebern dienen, welche in verschiedener Weise,
im speciellen mit und ohne Chinin, behandelt wurden, und
dann die stete genaue Vergleichung des Krankheitsverlaufs
mit dem Ergebniss der Blutuntersuchung, durch welche es
im Falle dauernder Abwesenheit von Malariamikroben
möglich ist, diese als Ursache noch bestehender Krankheits-
erscheinungen auszuschliessen und andere zu gleicher Zeit
einwirkende Schädlichkeiten für dieselben verantwortlich zu
machen.
Von den vielfachen Nebenwirkungen des Chinins kom-
men bei der Malariatheraphie praktisch als besonders ge-
eignet, den Arzt bezüglich ihrer Ursache irre zu führen, in
Betracht, seine Fähigkeit, an sich bereits Fieber zu erzeugen
resp. bei bestehendem Fieber demselben einen protrahirten
Verlauf zu geben, einen regelmässigen Fiebertypns in einen
unregelmässigen und einfache intermittirende Fieber in
unregelmässig remittirendc oder auch in continuirliche za
verwandeln, endlich seine Fähigkeit, an sich schon Blut-
zerfall mit ihren Folgen Hämoglobinämie und Hämoglobin-
urie hervorzurufen und wo solcher, wie bei den schweren
Formen der tropischen Malaria, bereits besteht, ihn zu ver-
stärken und hinzuzögern. — Es sind das Erscheinungen,
welche ich, wie ich ausdrücklich hervorhebe, nur bei Fieber-
kranken mit den kleinen pigmentarmen Mikroben der eigent-
lichen Tropenfieber praktisch eine Rolle habe spielen sehen
und zwar zum überwiegenden Theil bei bereits fieber-
geschwächten blutarmen Kranken. Durchaus fern liegt mir,
behaupten zu wollen, dass das Chinin alle die bezeiehneten
Wirkungen in jedem oder auch nur in der Mehrzahl der
Fülle haben muss, in welchen es in irrationeller Weise an-
gewendet wurde.
Die Fähigkeit des Chinins, Fieber zu erzeugen, ist am
besten zu demonstriren bei Kranken, welchen man, wie ich
das letzthin mit Vorliebe tliue, unmittelbar nach Ablauf des
Anfalls bei normaler Temperatur ihre Chinindose verabreichte
und welche auf dieselbe auffällig häufig mit einer ihnen selbst
subjektiv wenig bemerkbaren aber bei hinreichend häufig
wiederholter Messung in der Curvc auf das schärfste aus-
gesprochenen steilen auf 39° und höher steigenden, in 1 bis
3 Stunden ablaufenden Temperatursteigung reagirteu. Die
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399
Fähigkeit des Chinins, ein reguläres intermittirendes Malaria-
fieber in eins mit unregelmässigem Temperaturverlauf zu
verwandeln, ist am besten zu führen durch den Vergleich
einer grösseren Reihe von Fiebercurven von Kranken, von
welchen die einen während ihrer Anfälle und zwischen den-
selben ohne bestimmten Plan — etwa wie es seitens der
Mehrzahl der Laien in den Tropen unter häutiger Erzielung
des gleichen Erfolges geschieht — kleinere oder grössere
Chininmengen genommen, die andern während der Wirkung
des den Anfall auslösenden Gifts auf die Darreichung des
Chinins ganz verzichtet hatten. Während im letzteren Fall,
wie auch bei der Mehrzahl der überhaupt nicht mit Chinin,
sondern nur in zweckmässiger Weise symptomatisch behan-
delten Malariafieber, der mehr oder weniger regelmässige
intermittirende Fiebercharakter auch in den Tropen bei
weitem überwiegt, — anfänglich wenigstens, solange der
Organismus noch nicht durch langdauernden Einfluss häu-
figer vernachlässigter Fieber widerstandsunfähig geworden, —
erhält man im anderen Fall mit grosser Regelmässigkeit die
bekannten irregulären, an die Temperaturbewegung septischer
Fieber erinnernden Curven. Dementsprechend findet man
nach dem häufig langdauernden Anhalten der fieberhaften
Erscheinungen die verschiedensten Generationen von Malaria-
mikroben im Blut neben einander als Beweis, dass die ir-
rationell angewandten Chiningaben dieselben nur theilweis
zu tödten, anderntheils nur im Wachsthum aufzuhalten und
ihren gleichzeitigen Entwicklungsgang zu stören vermochten.
Oder aber man findet das Blut ganz steril und ist alsdann
anzunehmen gezwungen, dass — entsprechend den Beobach-
tungen des Pharmakologen — das Chinin an sich schon
durch seinen fortgesetzt ausgeübten schädigenden Einfluss
auf die zum Ersatz für die durch die Parasiten zerstörten
nengebiideten und wenig widerstandsfähigen Blutkörper
Temperaturerhöhungen zu erzeugen und zu unterhalten ver-
mag. Unter diesen letzteren Umständen sistirt die Fieber-
bewegung in der That nicht selten schnell nach dem Aus-
setzen des Chinins.
Auf Grund des inzwischen sehr beträchtlich ange-
wachsenen klinischen Materials, das ich in den gefährlich-
sten Malariagegenden der Tropen zusammengebracht habe,
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400
gewinnt die Ueberzeugung immer mehr in mir Boden, dass
die so häufig in der Litteratur geschilderten unregelmässig
verlaufenden remittirenden und continuirhehen Malariafieber,
— die auf Chinin so gut wie gar nicht reagiren und wochen-
lang anhalten sollen, — meine eigenen Erfahrungen in der
Hinsicht sind, wie ich gern gestehe, gering — anders zu
erklären sind, als ihre bisherigen Erklärer sie erklärt haben,
— dass es sich zum mindesten in einer grossen Zahl dieser
Fälle um eine ursprünglich, wie in den meisten unbeein-
tlussten Fällen, typisch intermittircnde Malaria gehandelt hat,
welche erst in Folge von Vernachlässigung oder unter dem
Einfluss einer unzweckmässigen Chinintherapic den bezeich-
neten hartnäckigen und atypischen Charakter angenommen hat.
Von besonderer praktischer Bedeutung ist in den Tropen
die blutzersetzende Wirkung des Chinins, namentlich grösserer
Chinindosen bei der ohnehin mangelhaften Blutzusammen-
setzung, wie sie, wenn auch keineswegs allgemein in den
Tropen, so doch in bestimmten besonders gefährlichen Fieber-
gegenden, z. B. Kamerun, für die Mehrzahl der Bewohner-
schaft charakteristisch ist. Sie äussert sich vor allem in dem
leichten Zustandekommen von Hämoglobinurie, namentlich
unter dem Einfluss des Malariagifts auf das Blut. Die be-
rüchtigten Schwarzwasserfieber in Kamerun kamen sowohl
zu meiner Zeit als auch später zu der meines Nachfolgers
in so überwiegender Zahl auf der Höhe der Chininwirkung
einige Stunden nach Einführung des Mittels zum Ausbruch,
dass an der von der Bewohnerschaft als ganz selbstverständ-
lich angenommenen Bedeutung des Chinins als Ursache, zum
mindesten als Hülfsursache, ein Zweifel gar nicht entstehen
konnte. — Entsprechend ist der Einfluss des Chinins auf
den Verlauf des häraoglobinurischen Fiebers. Das nicht
durch Chinin beeinflusste Schwarzwasserfieber verläuft, wie
oben bereits gesagt, in der überwiegenden Mehrzahl der
Fälle unter dem Bilde eines oder zweier häufig etwas pro-
trahirter, durch eine deutliche meist tiefe Intermission oder
Remission getrennter Paroxysmen. War der Kräfteverfall
nicht vorher schon zu gross und treten keine Complikationen
ein, so erfolgt nach wenigen Tagen volle Reeonvalescenz in
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle und es bleiben Rc-
401
cidive, welche auf die gleiche Infektion zu beziehen sind,
während der nächsten Zeit aus.
Die Erklärung für die grosse Neigung zur Spontan-
heilung bei den unbeeinflussten Schwarzwasserfiebern, welche
Kohlstock und ich bereits lange klinisch festgestellt und
therapeutisch ausgenutzt hatten, ist neuerdings von A. Plehn
durch den Nachweis erbracht, dass die Mikroben bei Schwarz-
wasserfieber nach Zerstörung der von ihnen occupirten Blut-
zellen in dem pathologisch veränderten Blutplasma in kurzer
Zeit absterben und aus dem Kreislauf ausgeschieden werden.
Durchaus anders ist der klinische Verlauf derjenigen
Schwarzwasserfieber, bei welchen eine den Blutzerfall unter-
stützende und weiterhin unterhaltende Chinintherapie in
Wirksamkeit tritt.
Das klinische Vergleichmaterial ist reichlich in der Lit-
te ratur vorhanden nnd leicht zusammenzusuchen, speciell aus
den Werken Berenger-Ferrands und Steudels, die
beide mit grossen bis ungeheuerlichen Chinindosen gegen
ilie Krankheit vorgegangen sind. Fast in jedem Fall ergiebt
sich derselbe Verlauf, langdauerndes unregelmässiges über
viele Tage oder selbst über Wochen sich hinziehendes Fieber
und langandauernde Hämoglobinurie, die den Kranken auf
das Aeusserste herunterbringt, im günstigsten Fall nach
langdauerndem Krankenlager äusserste Entkräftung, welche
Stendel zu dem Schluss führt, dass jeder, der das Schwarz-
wasserfieber überstanden, als zu fernerem Tropendienst un-
tauglich unmittelbar nach Hause geschickt werden solle.
Der Einwand, dass es sich bei den von mir beobachteten
und so völlig anders verlaufenen Fällen ausschliesslich oder
vorzugsweise um primär leichtere Erkrankungen gehandelt
habe, ist mit Rücksicht auf die Grösse des inzwischen an
den gefährlichsten Malariaplätzen gesammelten Materials und
die Länge der Beobachtungszeit mit Bestimmtheit zurückzu-
weisen und ein Zweifel daran nicht mehr berechtigt, dass
das Schwarzwasserfieber in specifisch schädlicher Weise durch
das Chinin beeinflusst wird.
Aus dem Angeführten ergeben sich die Gesichtspunkte,
von denen ich bei der Behandlung der Malariafieber aus-
gehe, eigentlich von selbst.
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Wo irgend Angängig, sollte eine aut die Blutunter-
suchung begründele Prophylaxe geübt werden. Ob sie sich
praktisch durchführbar bei einer grossen Zahl von Menscheu
erweisen wird, ist mir nach wie vor zweifelhaft, bei der Be-
handlung des einzelnen Individuums ist sie es sicher. Wo
sie nicht durchzuführen ist, bin ich kein Gegner einer
systematischen, wenn auch gewissermassen im Dunkeln aus-
geführten Chininprophylaxe unmittelbar nach heftigen Leber-
erkrankungen oder andere Schädlichkeiten, die den Körper
betroffen haben und erfahrungsgemäss für Neuerkrankung
Disposition schaffen, ln jedem dieser Fälle wird man sich
auf die 2 — 3 Wochen lang durchgeführte Anwendung von
V* g Dosen in 5 tägigen Zwischenräumen nach A. Plehn’s
Vorschrift beschränken können. Eine dauernd durchgeführte
Prophylaxe halte ich mit Rücksicht auf den Einfluss des
Chinins auf die Magenschleimhaut sowie die dadurch hervor-
gerufene Gewöhnung an das Mittel nicht für empfehlens-
werth.
In gewissem Sinn handelt es sich auch so , wie
ich das Chinin in der Krankheit selbst anwende, um eine
Prophylaxe, insofern ich damit den Anfall selbst gar nicht
beeinflusse, sondern nach Ablauf desselben durch Tötung der
jungentstandenen Mikrobenbrut eine Wiederholung desselben
verhüten will.
In dem jeder anderen Rücksicht vorangesetzten Be-
streben, nicht durch die Behandlung zu schaden, und auf
Grund der Erfahrung, dass das nicht vernachlässigte und
nicht durch irrationelle Anwendung des Chinins complicirte
Malariafieber in den Tropen wie in der Heimat eine aus-
gesprochene Neigung zu einem mehr oder weniger regel-
mässig intermittirenden Verlauf hat, suche ich vor allem dem
Fieber diesen unserer Therapie weitaus am leichtesten zu-
gänglichen Charakter dadurch zu erhalten, dass ich nach
Möglichkeit vermeide, die Wirkung des Malariaanfalls selbst
resp. der während desselben im Kreislauf befindlichen Gifte
durch die Chininwirkung zu verstärken, dass ich das Chinin,
wenn irgend möglich, ausschliesslich in der fieberfreien Zeit
und zwar besonders in der Zeit gleich nach dem Anfall an-
wende, also zu der Zeit, wo die Aussicht auf eine Wieder-
holuug desselben zeitlich am fernsten liegt. Die Dosis
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wiederhole ich dann nach 10 — 12 Stunden, setze dagegen,
während etwa wiederholender Anfälle, vollkommen mit der
Anwendung des Chinins aus und lasse dasselbe in der ange-
gebenen prophylaktischen Weise nicht länger fortgebrauehen,
als bis die wiederholte Untersuchung des Blutes vom Frei-
sein von Malariamikroben ergeben hat. Das Schwarzwasser-
tieber, das im uncomplicirten Zustand eine so grosse Neigung
zur Spontanheilung hat und dessen Verlauf augenscheinlich
stets ungünstig durch das Chinin beeinflusst wird, behandle
ich ausschliesslich symptomatisch und strebe höchstens, wenn
nach Ablauf aller Erscheinungen die Blutuntersuchung noch
die Anwesenheit von Mikroben erkennen lässt, durch kleine
Zwischenräume von 3 — 5 Tagen gegebene Chiningaben eine
fraktionirte Sterilisation des Blutes an.
Für die Behandlung der Anfälle selbst oder überhaupt
des lieberhaften Stadiums der Malaria bleibt dem Arzt in
der streng individualisirenden Anwendung von Schwitz-
bädern und kalten Bädern zur Anregung der Eliminirung
des im Blut kreisenden Gifts und zur Anregung des Nerven-
systems, sowie der Narkotika und Excitantien zur Ver-
minderung der subjektiven Beschwerden und zur Erhaltung
der Herzkraft immer noch ein sehr wirksames therapeutisches
Küstzeug übrig, von welchem ich speciell den ausgiebigsten
Gebrauch mache und das gewiss in sehr vielen Fällen im
Stande ist, die Kräfte des Kranken selbst in verzweifelten
Fällen über die Zeit des ja meist kurzdauernden Anfalls zu
erhalten.
Auf diese symptomatische Therapie näher einzugehen,
ist nicht an dieser Stelle meine Aufgabe.
Was ich in der That mit meiner auf das Studium der
Malariamikroben gegründeten und inzwischen an einem sehr
grossen Krankenmaterial erprobten Behandlung erreiche, ist
zunächst, dass von den frühzeitig, d. h. nicht vorher schon
verschleppten oder durch vorangegangene irrationelle Be-
handlung complicirten Malariafiebern ausserordentlich wenige
einen irregulären, remittirenden oder langdauerndem con-
tinuirlichen Verlauf genommen haben, sondern dass voll-
kommene Heilung nach dem Ueberstehen von ein bis zwei
häufig freilich sehr heftigen und unter bedrohlichen Er-
scheinungen verlaufenden Paroxyswen die überwältigende
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404
Mehrzahl der Fälle bildet. Es gilt das keineswegs allein von
den einfachen, uncomplicirten Fiebern, sondern im speciellen
von den .Schwarzwasserfiebern, welche an der ostafrikanischen
Küste in einem derart schlechten Ruf standen, dass man sie
bei einer früher auf 70°/o geschätzten Mortalität (E. Steudel,
die perniciöse Malaria in Deutsch-Ostafrika) als die „perni-
ciösen Fieber kcn ixorfv“ bezeichnete. Die im Gegensatz
dazu mit der von mir eingelciteten chininlosen Therapie
erhaltenen Ergebnisse sind bereits früher von mir, dann von
Kohlstock und A. Plebn zusammengestellt worden; das
mit derselben im letzten Jahre im Krankenhaus zu Tanga
laut des Aufnahmejournals erzielte Resultat bestand darin,
dass auf 21 Fälle der Krankheit 1 Todesfall kam. Derselbe
betrifft ein durch vorangegangene, auf anstrengenden Reisen
durchgemachtc und vernachlässigte Fieber völlig her-
untergekommenes Individuum, das nach Ablauf der eigent-
lichen Krankheit einem unbedeutenden einfachen Rückfall
mit geringer Temperaturerhebung erlag. Die durchschnitt-
liche Zeit der Hospitalbehandlung von Schwarzwasserfieber-
kranken betrug 8 Tage. Einen dauernden Schaden, ein
organisches Leiden trug keiner der Kranken davon, bei
keinem der frühzeitig in Behandlung gelangten Kranken kam
es zu den verhängsvollen Complikationen des Hämoglobin-
infarkts und der sekundären Anurie.
Aus dieser wie aus den Zusammenstellungen Kohl-
stocks und A. Plehn’s geht hinreichend deutlich hervor,
dass das Schwarzwasserfieber selten „an sich“ einen perni-
ciösen Charakter hat.
Ein Arzt, der ohne Erfahrungen über den Verlauf des
von Medikamenten gar nicht beeinflussten Schwarzwasser-
fieber gesammelt zu haben, sich mit therapeutischen Experi-
menten mit anderweiten ganz indifferenten Mitteln bei der
Krankheit befasst und nur aut das Chinin verzichtet hätte,
hätte bei derartigen Erfolgen leicht in die Versuchung ge-
rathen können, im besten Glauben über hervorragende
specifische Wirkungen dieser seines Mittels zu berichten und
er hätte die Litteratur wohl längere Zeit damit beschäftigt.
Tief eingewurzelte Vorurtheile und die Lebensverhält-
405
erhaltenen Resultate nicht allzu allgemein werden. Die
frühzeitig zweckmässig behandelten Fälle werden wohl stets
die relativ seltenen bleiben. Die überwiegende Mehrzahl
der Kranken wird noch für längere Zeit aus habitutellen
Chininophagen bestehen, „die zur Sicherheit“ zur Ver-
meidung von Erkrankung oder Heilung bestehender Fieber
regelmässig grössere Chinindosen zu sich nehmen und nach
langem derartigen Vorgehen abgesehen von etwaigen
leichteren oder schwereren Ohrenleiden, Nervosität „Anämie“
oder MagenafFektionen, welche sie auf das Fieber, aber nicht
auf ihr Chinin beziehen, auch relativ gesund leben. Die
Begründung der Unfehlbarkeit ihrer Methode liegt für sie
darin, dass sie dass Chinin nur auszusetzen brauchen, um
sicher zu sein, das sie in kurzer Zeit Fieber bekommen,
eine bei habituellen Chininophagen durchaus nicht allgemein
im Zweifel zu ziehende Thatsache. — Den bei diesen
Patienten ausbrechenden Fiebern gegenüber sind die kleinen
Chinindosen, die im nicht chininisirten Organismus zur rechten
Zeit gegeben eine nahezu unfehlbare Wirkung haben, meist
wenig wirksam und müssen beträchtlich gesteigert werden,
das Fieber hat von vornherein die Neigung, einen unregel-
mässigen Verlauf dadurch anzunehmen, dass die unregel-
mässig gegebenen Chiningaben die Mikroben nur zum Theil
ertödten, zum andern Theil nur in ihrem Wachsthum zurück-
halten und andererseits fortwährend eine Verstärkung der
Wirkung des durch die Parasiten producirten Gifts be-
wirken. Auf Grund seiner mit dem Chinin gemachten lang-
jährigen günstigen Erfahrungen und im Vertrauen auf dessen
sichere Heilwirkung unterlässt es der Kranke dann meist,
so lange er seiner Glieder noch eigener Herr ist, sich die
unbedingt nothwendige Ruhe zu verschaffen und bringt
Herz- und Nerventhätigkeit durch Fortsetzung einer Thätig-
keit noch weiter herunter, zieht sein Fieber sich in die Länge,
verliert den Appetit unter dem doppelten Einfluss von
Malaria und Chinin, wird ganz blutarm und widerstands-
unfähig und ist, wenn er sich aufs äusserste erschöpft, zum Ein
tritt in die ärztliche Behandlung entschliesst, nicht sowohl wegen
der Schwere der primären Erkrankung, sondern wegen der
Art, minder er gegen dieselbe vorgegangen, ein in Leben
und Gesundheit bedrohter Kranker, dem auch eine rationelle
Archiv f. Schiff«- a. Tropenhyglene . * 28
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406
Behandlung in kurzer Zeit von seinem Siechtum nicht zu be-
freien vermag und bei welchem mit dem für frische Malaria-
fälle als zweckmiissigstes angegebenen Verfahren schnelle und
sichere Erfolge nicht mehr zu erzielen sind.
Und ebensowenig, wie diese Species tropischer Todes-
kandidaten, wird jene zweite Kategorie aussterben, welche,
nachdem sie ihr Schwarzwasserfieber auf ihre Art eine An-
zahl von Tagen behandelt, in die ärztliche Behandlung erst
in dem Stadium der bereits voll ausgebildcten sekundären
Anurie eintreten, in welchem der Laie so häutig wegen der
Abwesenheit der charakteristischen Erscheinungen des Fiebers
und des blutigen Urins gar keine Gefahr sieht, während der
Arzt die Prognose in jedem Fall als fast absolut letal von
vornherein zu stellen gezwungen ist.
Bei den meist durch Vernachlässigung oder unzweck-
mässige Behandlung irregulär gewordenen Fiebern wird man
auf den Gebrauch des Chinins auch bei bestehender
Temperaturerhöhung nicht verzichten können-, da hier völlige
Apyrexien entweder ganz fehlen oder doch so kurz und
unregelmässig sind, dass man sie für die Hervorrufung der
Chiniuwirkung nicht ausnutzen kann.
Voraussetzung ist für die Anwendung des Chinins in diesen
Fällen, dass verschiedene Mikrobengenerationen zugleich im
Kreislauf vorhanden sind, und die successive Anwendung des
Chinins bezweckt deren allmählige Tötung, während sich der
Arzt bewusst ist, durch ungünstige Beeinflussung der Anfälle
selbst eventuell auch eine Schädlichkeit mit in Kauf zu
nehmen. Unzweifelhaft werden diese Fieber in dem Mass
seltener werden, als sich Arzt und Patient über das, was
sie überhaupt mit dem Chinin bei Malaria erreichen und er
reichen können, auf Grund des ätiologischen Studiums völlig
klar werden und dementsprechend bei ihrem medikamentösen
Vorgehen verfahren.
Zeit und Art, wie ich das Chinin bei Malaria an wende,
bringt es mit sich, dass mir besondere Arten der Applikation
in letzter Zeit so gut wie ganz entbehrlich gewesen sind,
so wenig ich mich auch der zeitweisen Anwendung des
Mittels in Clysma oder in intramnskulöser Injektion wider-
setzen will. Die meiste Schwierigkeit, dem Kranken Chinin
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40?
noch beizubringen, besteht fast ausschliesslich während und
unmittelbar nach dem Anfall in Folge des häufig Unstillbaren
Erbrechens, das ich immer mehr als erspriessliches Präser-
vativ gegen die Einverleibung verschiedener differenter
Medikamente in diesem Stadium der Krankheit anzuschen
lerne. Bereits sehr bald nach Ablauf des Anfalls ist der
Kranke in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle im Stande,
Getränke zu sich zu nehmen und bei sich zu behalten. Für
die Einführung des Chinins während des auch in
klinischer Hinsicht günstigsten Zeitpunkts besteht nur in den
seltenen Fällen ein ernstliches Hinderniss.
Im Interesse schneller vollkommener Resorption, sowie
mit Rücksicht auf den stark reizenden Einfluss, welchen das
Chinin in concentrirter Form auf die in den Tropen ohnehin
leicht afficirbare Magenschleimhaut ausübt, ist die Einver-
leibung des Mittels in gelöstem Zustand immer noch die
empfehlenswertheste. Dieselbe scheitert fast stets an der
unüberwindlichen Abscheu der Kranken vor dem widerlichen
Geschmack des Mittels. Insofern ist es mit Freude zu
begrüssen, dass die vereinigten Chininfabriken in Frankfurt
a. M. neuerdings unter dem Namen Euchinin ein aus dem
Chinin als dessen Aethylkohleusäureestcr gewonnenes
Präparat in den Handel bringen, welches bei gleichem Ein-
fluss auf die Malariamikroben wie das Chinin dessen bitteren
Geschmack in einer so viel milderen Form aufweist, dass es
von nicht allzu empfindlichen Patienten in Thec oder Kakao
gelost ohne Widerstreben genommen wird. Ich habe das
Präparat während der letzten Monate als Ersatzmittel für
das Chinin und in den gleichen Dosen wie dieses fast aus-
schliesslich und mit dem besten Erfolg angewendet. Meine
anfangs in das Euchinin gesetzten Hoffnungen bezüglich
geringeren Hervortretens unangenehmer Nebenwirkungen hat
sich freilich nicht erfüllt. — Auch bei wesentlicher Er-
weiterung unserer Kenntniss des Malariavirus ist cs nicht
wahrscheinlich, dass wir jemals in den Besitz eines den
Menschen gegen die Krankheit immunisirendes Mittels gelangen
werden, da das Uebersteheu der Krankheit selbst weit ent-
fernt ist, Immunität zu schaffen wie bei 'den akuten Exan-
themen, _Gclbfieber und in geringerem Mass bei Typhus und
Cholera.
28*
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Zur Verhütung der tropischen Malariaanfhlle besitzen
wir in dem die Malariamikroben in gewissen Entwicklungs-
stadien direkt tödtenden Chinin ein ausserordentlich wirk-
sames specifisches Mittel, dessen Gefahren wir, wenn wir uns
ihrer bewusst geworden sind, ohne Schwierigkeit bei richtiger
Anwendung desselben vermeiden können, dagegen besitzen
wir ein specifisch den Anfall selbst, also die eigentliche
Krankheit, im Stadium ihres Manifestwerdens beeinHussendes
Mittel nicht. Der grösste Triumph der Malariaforschung
würde darin bestehen, dass sie uns in den Besitz eines
solchen Mittels setzte, das im Stande ist, die Wirkung der
während des Malariaanfalls gebildeten und denselben hervor-
rufenden Toxine zu neutralisiren. Sollten wir diesen Erfolg
jemals erleben, so werden wir ihn jedenfalls auch der
ätiologischen Forschung und der Befolgung der Grundsätze
verdanken, welche R. Koch zu den für die Erforschung der
Infektionskrankheiten massgebenden gemacht hat. Aber
auch schon zur Zeit ist die Verwerthung des ätiologischen
Moments zur Erkennung, Verhütung und Behandlung der
Malariafieber für den praktischen Arzt in den Tropen im
Interesse seiner Kranken nicht mehr zu entbehren.
II. Besprechungen und Literaturangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.
Cohn, H., D ie Sehleistungen der Helgoländer und
der auf Helgoland stationirten Mannschaften
der KaiserlichenMarine. Deutsche med. Wochen-
schrift. 1896. No. 43.
Es ist eine von den verschiedensten Forschern bestätigte
Thatsache, dass die Naturvölker, so weit man darüber hat
Beobachtungen anstellen können, über eine bisweilen fabelhafte
Sehschärfe verfügen, und dass mit zunehmender Kultur eine
schrittweise Abnahme der Sehschärfe erfolgt. Jedoch sind
über ersteren Punkt die Beobachtungen noch so lückenhaft
uud so wenig umfangreich, dass man ein vollständig klares
Bild über diese Frage noch nicht gewinnen kann. Man
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muss es deshalb mit Freuden begriissen, wenn jede Gelegen-
heit zur Erweiterung des für die Ethnologie und Ophthal-
mologie gleich bedeutsamen Materials benutzt wird.
H. Cohn, welcher durch seine diesbezüglichen früheren
Untersuchungen löblich bekannt ist, macht uns nun in vorliegen-
dem Aufsatz Mittheilung über seine durch die Untersuchung von
100 Helgoländern (die Insel zählt 1900 Einw.) gewonnenen
Resultate. Die Untersuchung wurde am hellen, wolkenlosen
Nachmittage zwischen 4 und 5 Uhr im August unter freiem
Himmel vorgenommen und dazu eine nach Snellen’schem
Princip konstruirte sog. Hakentafel in bekannter Weise
benutzt. Da die Bestimmung der Refraetion nicht stattfand,
so ergab die Prüfung nicht die eigentliche Sehschärfe,
sondern die Seh 1 e i s t u n g , d. h. die Fähigkeit, mit unbe-
waffnetem Auge in die Ferne scharf zu sehen. Wenn die
Sehleistung wenigstens — 1 ist, darf man in dubio annchmen,
dass sie sich mit der eigentlichen Sehschärfe deckt.
Von 100 Helgoländern (fast nur Fischer und Schiffer)
batten unternormale Sehleistung 9°/o, normale 5°/o, dagegen
übcrnormale 80°/0 J(und zwar 'zwischen einfacher und doppelter
50 0 o und zwischen zwei- und dreifacher 30°/0). Die mittlere
Selileistung für diese 100 Fälle ergab dieser Ge-
legenheit untersuchte C. auch?97 Mann der Marine und fand
12 ^
bei diesen als mittlere Sehleistung ’ ; 6 hatten untemormal,
o
2 normal und 89 übernormal (und zwar 46 S. = 1 — 2 und
43 S. = 2 — 3). Die wünschenswerthe Vervollständigung
beider Zahlenreihen, welche durch ihre relative Kleinheit an
statistischer Beweiskraft verlieren, stellt Verf. in Aussicht.
So imponirend die gefundenen Durchschnittswerthe im
ersten Augenblick auch erscheinen, so möchte Ref. dazu doch
nicht die Bemerkung unterdrücken, dass die Untersuchungen
unter Umständen ausgefttlirt wurden, die in besonders
günstiger Weise auf die Höhe der Sehleistungsziffer einwirken
müssen. Dazu ist einmal die Hakentafel zu rechnen, welche
immer leichter entziffert wird als die Buchstabentafel, selbst-
verständlich vorausgesetzt, dass beiderlei Zeichen demselben
Gesichtswinkel entsprechen ; weiterhin wurde bei einer Hellig-
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keit untersucht, wie sic für gewöhnlich weder zu Gebote
steht noch auch zur Anwendung gelangt. Es ergiebt sieh
für die Augen der kultivirten Völker und Individuen bei
obigein Untersuchungsmodus ebenfalls eine grössere Durch-
schnitts-Sehschärfe als bei dem üblichen Verfahren mit Buch-
stabentafeln und im geschlossenen Zimmer. Die Differenz
zwischen der Schichtung von (sit venia verbis!) Natur- und
Kultur-Augen dürfte demnach wohl nicht ganz so gross aus-
fallen, wenn die Bedingungen der Untersuchung ganz die
gleichen sind. Und auf letztere muss um so mehr Gewicht
gelegt werden, wenn die gewonnenen Zahlen einen absoluten
Vergleichswerth erhalten sollen. Schlaefke (Cnssel).
Die Versorgung von kleineren Städten, Land-
gemeinden und einzelnen Grundstücken mit
gesundem Wasser von Stabsarzt Dr. F. Kraschutzki,
Danzig. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1896.
Wenn der Verfasser auch auf dem Titel angibt, dass
das kleine, aber vorzügliche Werkchen besonders die Be-
dürfnisse der östlichen Provinzen berücksichtigt, so wird
doch auch der in Kolonialgebieten lebende Arzt, Techniker
oder Verwaltungsbeamte in den 40 Seiten sich gern darüber
unterrichten, nach welchen Regeln eine kleine Station oder
Niederlassung mit gesundem Wasser versorgt werden kann.
Besonders die Angaben über die Enteisenung des Wassers
verdienen für die Lateritgebiete des tropischen Afrika und
Amerika Beachtung. Sonst legt der Verfasser weniger
Gewicht auf das Nichtvorhandensein oder den Nachweis
angeblich schädlicher chemischer Substanzen, als auf die
Forderung, dass das Wasser keimfrei sei oder dass wenigstens
schädliche Keime nicht in dasselbe gelangen können. JL
b) Pathologie und Therapie
UeiRteMkrnnklieiteii.
Einiges über die Geisteskrankheiten der Bevöl-
kerung des malaiischen Archipels. Beiträge zur
vergleichenden Rasscnpsychopathologie. Von P. C. J. fall
Brero, Arzt der Staatsirrenanstalt zu Buitenzorg. All-
gemeine Zeitschrift für Psychiatrie 18S6. Erstes Heft.
Nach einer kurzen Einleitung über die Lage von Nieder-
ländisch-Indien und die religiösen Anschauungen seiner Be-
411
wohner nennt derVerfasser zunächst als Genussmittel der Inländer
den unschädlichen Betel und den Tabak, welcher wirkt wie
anderswo, dann den bei den eingewanderten Chinesen beliebten
Reiswein und den aus PalmblUtensaft durch Gährung ge-
wonnenen Tuwak. Missbrauch dieser geistigen Getränke bei
Eingeborenen kommt fast nur auf der Westhälfte von Madura
vor. Bei Mischlingen ist Alkoholmissbrauch nicht selten.
Als Eigentümlichkeiten des Ncrvenlcbens der Malaien können
gelten der Shamanismus, eine Art Besessenheit, und das be-
kannte Amoklaufen, ein Anfall plötzlicher Mordlust, über
dessou Wesen grosse Meinungsverschiedenheit herrscht ; dann
geht Verf. zum eigentlichen Irrsinn über, welcher selbst in
Wahnvorstellungen dem wenig vertieften Geistesleben der
Malaien entspricht. Das Ncrvenleben des Inländers ist abnorm
leicht erregbar und zeigt leicht die Merkmale degenerativer
Psychosen, welche als Symptome einer Rassendegeneration
oder wohl richtiger einer unvollkommen Geistesentwicklung
aufgefasst werden können. Ueber das Vorkommen der ein-
zelnen Psychosen gibt eine Tabelle Auskunft. Melancholie
ist noch nicht beobachtet worden. Amentia ist die häufigste
Geisteskrankheit, Manie, Paranoia, Hysterie sind selten. Die
Epilepsie zeigt weniger Anfälle als beim Europäer. Dementia
parnlytica ist wie in den meisten warmen Ländern so auch
auf Java selten. Die wenigen Fälle sind in ausführlichen
Krankengeschichten beschrieben. Als Ursache ist Syphilis
selten mit Sicherheit nachgewiesen, am meisten „Fieber“,
wahrscheinlich Malariaintoxication, und erbliche Belastung.
Auffällig und den herrschenden Anschauungen nicht ent-
sprechend ist die geringe aetiologische Bedeutung des Opium-
genusses, dessen Folgen überhaupt nach v. B. nicht so bös-
artig sind, wie gewöhnlich angenommen wird. Schliesslich
werden noch die in der Anstalt beobachteten somatischen
Krankheiten erwähnt, wobei als selten im Vergleich zu Europa
der Decubitus bezeichnet wird. M.
c) Sonstige Werke.
Katechismus de rAus Wanderung von G us tav M ei necke.
Leipzig, J. J. Weber. Siebente Auflage. 1896.
Das für die breiten Schichten der Auswanderer be-
stimmte Büchlein erthcilt in juristischen, medicinischen, hy-
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412
gienischen und nationalökonoinischen Winken eine Fülle von
Rathschlägen, sodass es als brauchbares kleines Compendium für
Jeden, der sich für die Auswandererfrage interessirt, bezeichnet
werden kann. Irrthümer, wie die Angabe (pag. 32), dass Argen-
tinien,Südwestafrika, Australien u.s. w. ein tropisches Klima und
Regenzeit von Juni bis September haben, ferner anthropolo-
gische Ungenauigkeiten wie Seite 52, wo die Ureinwohner
Australiens kurz als Papua bezeichnet werden, dürften sieh
in einer nächsten Auflage leicht vermeiden lassen. Der Rat
an deutsche ausgewanderte Eltern Seite 120, die Kinder in
Nordamerika nicht in deutsche, sondern in englische Schulen
zu schicken, ist vom nationalen Standpunkte aus bedauerlich.
M.
Das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet. Im
amtlich enAuftrage vonDr. Karl Peters. R. Olden-
bourg, München und Leipzig. 467 Seiten, zahlreiche Ab-
bildungen, drei Karten.
Der Begründer der ostafrikanischen Kolonie ist sicher-
lich ein berufener Verfasser für das grosse Werk. In dem
ersten Kapitel des trefflich mit Abbildungen von Hellgrewe
u. a. ausgestatteten Buches, wirtschaftliche Kolonialpolitik, be-
spricht derselbe vom patriotischen und nationalökonomischen
Standpunkte aus die Bedeutung der Ackerbau- und Plantagen-
kolonien überhaupt. Den Schmerz darüber, dass Deutsch-
and bei der Verteilung der Erde beinahe zu spät
gekommen ist, wird jeder Deutsche dem Verfasser nach-
fühlen. Auch hat mancher schon den Gedanken gehegt,
welchen Peters, wie er sagt, zum ersten Male niederschreibt,
dass das geringe Nationalgefühl der Deutschen und die
häufig vorkommende Geringschätzung der Deutschen seitens
des Auslandes grossen Theils auf der Thatsache beruht, dass
Deutschland den Ueberschuss seiner Bevölkerung anderen
aufhalsen muss. Wahrend die Ackerbaukolonien der Er
haltung und Vermehrung der Art dienen, bezwecken Plan-
tagenkolonien die Bereicherung des Mutterlandes. Eine
solche haben wir in Ostafrika erworben. Das zweite Kapitel
gibt eine „allgemeine Kennzeichnung von Ostafrika als Ko-
lonialgebiet“tund bespricht neben geschichtlichen und geogra-
phischen Angaben die für die Werthschätzung eines Landes
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413
wichtigsten Fragen. Bei der Beurtheilung des Tropenklimas
(Dar es Salaam Jahresmaximum 32° C. im April, Jahres-
minimum 18,9 C. im Juni) vergisst man gern, dass die
Tropennacht zwölf Stunden zählt, sodass selbst in den
heissesten Theilen des Landes etwa vierzehn Stunden durchaus
erträgliche, selbst angenehme Temperaturen aufweisen, die aus-
gedehnten Steppengegenden der Hochländer sogar kühle und
kalte Nächte haben. Anderseits i^bersieht man bei der Sta-
tistik der Todesfälle in Afrika, unter welchen den einfachsten
Ansprüchen kaum genügenden Verhältnissen der Europäer
im neuen Lande oft leben muss, welcher oft nicht einmal ein
dichtes Dach über seinem Kopfe und ein trockenes Lager unter
seinem von schwerer Tagesarbeit ermatteten Körper hat.
Hierin muss man dem Verfasser recht geben, selbst wenn
man nicht so froh in die Zukunft sieht, wie er und nicht mit
Peters glaubt, dass die klimatische Lebensgefahr dereinst eben-
so zur historischen Erinnerung herabsinken werde, wie das
ungünstige Klima Deutschlands, von dem Tacitus berichtet.
Peters hält die Gebirge und Hochländer Ostafrika’s schon
heute für besiedelungsfähig durch Deutsche, sobald diese
Gegenden Eisenbahnverbindung mit der Küste haben werden
und glaubt, dass diese obere Grenze mit der Entwicklung
der Bewässerungstechnik und der medicinischcn Prophylaktik
nach und nach tiefer gelegt werden könne. Nach diesen
hygienischen Betrachtungen geht Verfasser auf die Be-
wässerung des Landes und dessen Oberflächengestaltnng ein,
bespricht die Arbeiterfrage und kommt zu dem Schlüsse,
dass Arbeitermaterial vorhanden sei, aber erst mit strenger
Hand brauchbar gemacht werden müsse. Die Schilderung
der einzelnen Landestheile, welche in Norden, Mitte und
Süden eingetheilt eingehend beschrieben werden, nimmt
den grössten Theil des Werkes ein. Ersterer umfasst
die Küstenlinie zwischen Umba-Pangani und Rufu-Mündung
mit Hinterland, dessen zunächst werthvollster Theil Usambara
mit seinem gesunden Hochlande ist. Durch das Parc-Gebiet
führt uns, besonders auf 0. Baumanns Arbeiten gestützt,
dann der Verfasser an den Kilimandscharo, einem zweiten
europäischen Ansiedlung geeigneten Bergland, und durch das
Senkungsgebiet des grossen ostafrikanischen Grabens und die
salzreichen dünnbevölkerten Massaisteppen an den Victoria-
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414
See und dessen weiten Uferstaaten. Mit Recht betont Verf.
die grosse Bedeutung der Kochsalz-Schätze dieser Gegenden,
welche bei besseren Verkehrsmitteln einen unendlichen Reich-
thum in dem salzarmen Aequatorialafrika darstellen würden.
Als die Mitte Ostafrika’s beschreibt Peters das Küsten-
gebiet zwischen Pangani- und Rufitschi-Mündung mit dem
ausgedehnten Hinterlande bis an den Tanganjika-See, durch
altarabische Ausbeutung und die Reisewege der bekanntesten
Forscher längst erschlossene Länder umfassend. Der Tan-
ganjika, einen grossen Theil des centralafrikanischen Grabens,
jener beiderseits schroff begrenzten, nordwärts bis zum
Muta-Nsige sich erstreckenden Bruchspalte, einnehmend, ist
die natürliche Grenze zwischen Congostaat und Ostafrika,
denn jenseits beginnt die Grenze westafrikanischer Thier-
und Pflanzenwelt. Seine Ufer sind der Tummelplatz der
verschiedensten afrikanischen Stämme, sein Uferstaat Udjidji
der Umschlagplatz für alle afrikanischen Waaren. Östlich
vom See liegen nur zur europäischen Niederlassung kaum
geeignete Gebiete, unter welchen Unyamwesi mit seinen
anstelligen und gelehrigen Bewohnern, sesshaften und politisch
organisierten Ackerbauern, die grösste Beachtung verdient.
Die Wanyamwesi folgen gern dem Europäer und lassen sich
rasch auf eine höhere Kulturstufe an Leistungen und Be-
dürfnissen bringen (Referent bildete in wenigen Wochen
einen Munyamwesi zum vorzüglichen Krankenwärter aus).
Ihre Hauptstadt Tabora ist seit siebzig Jahre der Handels-
mittelpunkt von Ost- und Centralafrika. Wasserlose, menschen-
leere Pfade, auf denen der Hunger droht, verbinden Unyain-
wesi östlich mit Ugogo, einer wüstenähnlichen Landschaft. An
Ugogo aber stossen nach Südosten und Osten bessere Gebiete,
Usango, fruchtbar und wasserreich, aber von den Wahehe
verwüstet, und Usagara, ein herrliches Bergland, westlich
durch die Station Mpwapwa gedeckt, geeignet zum Plantagen-
bau, sobald eine Eisenbahn bis zur Küste führt. Für euro-
päische Siedelung aber ist es nur in seinen höheren Lagen
zu empfehlen, desto mehr aber das benachbarte Ukami mit
einer Durehschnittshöhe von 14 — 1500 m und fruchtbarem,
rcichbewässertem Boden.
Werthvolles Plantagengebiet sind wiederum Makenge
und Khutu, welche jedoch von den Bewohnern des benach-
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415
barten Uhehe, einem Hochlande von Stcppenckarakter und
rasch wechselnder Temperatur, hUutig verheert werden. Uhehe
mit seinen den Zulu und Massai verwandten Bewohnern,
ebenso Ubena würden Ansiedlern wegen der Höhen-
lage, Plateaus bis 1900 m Durchschnittshöhe, schon Zusagen.*)
Anders natürlich das Küstengebiet mit den Landschaften,
Useguha, Udoe, Ukuere und Usaramo und den Küstenstädten
Pangani, Saadani, Bagamoyo und Dar - es -Salaam, der
Hauptstadt und dem besten Halen platz Ostafrikas, deren
Bedeutung mit der politischen Beruhigung des Binnen-
landes stetig wächst. Aber für die Europäer bleiben alle
diese Orte zunächst noch Fiebernester.
Der Süden des Schutzgebietes ist am wenigsten bekannt,
er erscheint auch von der Natur am wenigsten begünstigt
zu sein und bildet den Schauplatz der Kämpfe zwischen den
von Süden vordringenden zuluartigen südlichen Bantu und
den Stämmen wie Wangindo, Wamwcra, Makua u. a., welche
den Wasuaheli näher stehen. Die Küste hat unter den
Portugiesen und Arabern eine glänzende Zeit gesehen. Die
Hafenplätze Lindi, Kilwa und Mikindani werden sicherlich
wieder aufblühen, europäische Siedclung jedoch wird dort
nie eine dauernde Stätte finden.
Mikindani wird aber einst eine grosse Bedeutung
haben als der Zugang zu den gesunden, für Europäer be-
wohnbaren Hochplateaus östlich vom Nyassa-See und zu dem
fruchtbaren Seengebiet, besonders dem Konde-Gebict, welche
zu den verheissungsvollstcn in Ostafrika gehören und von
Missionaren mit Erfolg in Angriff genommen worden sind.
In den Kapitel „wirtschaftliche Besitzergreifung von
Ostafrika“ theilt Peters das Land in vier Wcrthschätzungs-
klassen : 15°/o der Oberfläche von rund 900000 | [Kilometer
nimmt die Steppe ein, welche für die nächste Zukunft
wenig Nutzungswerth hat, 54°/o sollen dauernd wegen Lage
und Klima den Eingeborenen allein verbleiben, 24‘/*°/o be-
trachtet Peters als Besiedelungsland für deutsche Kolonisten,
den Rest bildet Plantagenland. Zur Ausnutzung all’ dieser
*) Der Bericht seitens dos Kaiserlichen Gouverneurs General-
major Liebert und des Hauptmann Prince im Deutschon Kolonialblatt
No. 22, 1897, bestätigen nach Beruhigung von Uheho diese günstige
Ansicht Peters'. Die Red.
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Landstrecken bedarf an erster Stelle die Wege- und Arbeiter-
frage einer gründlichen Regelung. Ohne Eisenbahn oder
Flussdampfschifffahrt ist keine Ansiedlung im Innern möglich
und nutzbringend. Die Wiedergabe von verschiedenen
Vertrügen, Gescllsehaftssatzungen und sonstigem Aktenmaterial
findet als Anhang am Ende des Werkes Platz. Vom liygie-
nisch-medicinisclien Standpunkte aus geben nach Ansicht des
Referenten die Anschauungen des Verfassers betreffs euro-
päischer Besiedelung zu Bedenken Anlass. In manchen
ähnlich gelegenen tropischen Hochländern hat sich leider
gezeigt, dass die Krankheiten der Tropen in der Höhenlage
nicht fehlen und die Krankheiten des gemässigten Klima’s
noch hinzutreten. Immerhin sind die in Frage stehenden
Gebiete so ausgedehnt und mannigfaltig, dass wahrscheinlich
weite Landschaften auch einer grösseren Zahl von sesshaften
Europäern leidliche Gesundheitsverhältnisse bieten. Die
Möglichkeit einer Ansiedelung im nationalökonomischen Sinne,
d. h. Existenz, Erhaltung und natürlich Vermehrung euro-
päischer Familien, muss erst in Zukunft bewiesen werden.
Die Angabe, pag. 23, dass Afrika nach keiner Seite in die
gemässigte Zonehineinreicht und die Erwähnung eines Malaria-
Bacillus ist als leicht verzeihlicher oberflächlich hingeworfener
Irrthum zu bezeichnen. M.
Afrika, Schilderungen und Rathschläge zur Vor-
bereitung und für denDienst in den deutschen
Schutzgebieten von Dr. von Wissmann. Berlin
Mittler & Sohn.
Das kleine Werk aus der Feder des grossen Reisenden
ist ein Sonderabdruck aus dem Militärwochenblatt und gibt
vorwiegend militärische Rathschläge, allerdings in einer auch
für den Laien leicht verständlichen Fassung. Hygienische
und medicinische Fragen bespricht der Verfasser in Kapitel I:
Vorbereitungen zum Kolonialdienst in Afrika, II : Anweisung
über Ausrüstung des Europäers in Afrika und XIV : einige
wichtige Lebensregeln für Afrika, und beweist durch die
knappe, praktische Auffassung, dass er gelernt hat, das
zu thun, was er jedem Europäer in Afrika empfiehlt, näm-
lich dem Arzte im Handwerk zu pfuschen. Da der Arzt
41?
aber in den Kolonien gelegentlich in die Lage kommt, dem
Militär gleiches mit gleichem zu vergelten, so sind auch die
übrigen Kapitel für den Mediciner lesenswerth. M.
Dr. Brelteustcln d. J., DieCircumcisionbei den Javanen und
die Gonorrhoe in der niederländisch-indischen Armee
Wiener Medicin. Wochenschrift. No. 26 u. No. 27. 1897.
In dem feuilletonistisch gehaltenen Aufsatz wird die Circumcision
bei den Javanen geschildert und dabei darauf hingewiesen, dass die-
selbe häufig ungeschickt ausgeführt wurde. Im Ganzen verursacht
diese Art der Ausführung selten Verwachsung der Vorhaut mit der
Glans penis, oder atrophische Phimosis. Bei dem Sohne eines ange-
sehenen Häuptlings wurde Verf. eingeladen, die Circumcision anstatt
des mohammedanischen Beschneidens vorzunehmen, weil der Vater,
sowie einer seiner Söhne eine Phimosis dabei davougetragen hatten.
Trotzdem batten die Hadjes (Priester), nachdem sie mit einer Art
Stricknadel den Präputialraum umkreist, eine Hautfalte gebildet, mit
einer Kettenpincette gefasst und incidirt. Verf. behandelte dann den
Knaben weiter und machte lege artis die Circumcision. Andern 8
Knaben, bei welchen die Präputialhaut frei war, wurden in kurzer Zeit
von den Hadjes beschnitten, so dass ein grosses dreieckiges Präputial-
stück ausgeschnitten war, dessen äusseres Blatt sich zurückgezogen
und auf dessen inneres Blatt man Wespennestpulver gestreut hatte.
Verband wird nicht angelegt, nur ein Horn oder ein rundes Stück
Cocosnussschale bei den Armen. Mit dem 13. Jahre wird erst die
Beschneidung ausgeführt und es ist der günstige Ablauf dieser
Operation, ohne jede folgenreiche Complication, wieder auf Rechnung
der höheren Widerstandsfähigkeit der pigmentirten Haut und Gewebe
des Eingebornen gegen hauptsächlich pyogene Mikroorganismen zu
setzen. Der Einfluss der Operation auf Acquirirung von Syphilis ist
nach Verf. zweifellos günstig, so hatten 1895 z. B. 4,1°/» des Präsenz-
standes europäischer Soldaten und nur 0,84|o der Eingebornen Syphilis,
letztere auch niemals Balanitis, Phimosis oder auch Condylomata
acuminatac. An Gonorrhoe erkrankten fast 88 “/• der europäischen
Soldaten und nur 16°/o der Javanen. Häufig verläuft aber der Tripper
in den Tropen gutartiger, es werden aber der Armee durch solche Er-
krankungen zu viele Dienstthuer entzogen und so hat man vorerst
in den grossen Garnisonen Indiens Vereine gebildet, in denen die
Soldaten verkehren und wodurch eie vom unerlaubten Geschlechts-
genuss möglichst abgehalten werden. Ausserdem hat eine eingreifende und
strenge Controle der Mädchen das Uebel vermindert. Karl Däubler.
Wladlmiroff und Kresling, Zur Frage der Nährmedien für
den Bacillus der Bubonenpest und sein Verhalten zu
niederen Temperaturgraden. — Aus dem kaiserlichen Institut
für experimentelle Medizin in St. Petersburg. — D. med. Wochen-
schrift. 1897. No. 27.
Als Ausgangspunkt und Vergleichsobjekt diente eine Bouillon
von folgender Beschaffenheit. Aus 600 g Rindfleich wurde in der
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üblichen Weise 1 I Brühe hergestellt, mit 0,5 “/a Na CI nnd 1 */•
Pepton, sicc. (Witte) versetzt und mit Natronlauge neutralisirt, so dass
eine schwache Rötung „in ihr vor dem Sterilisiren durch Phenol-
phthalein entstand, nach dem Erhitzen dieses aber nicht mehr der Fall
war, andererseits jedoch schon 1 — 2 Tropfen einer V10 Normalnatron-
lauge genügten, um 10 ccm der fertigen Bouillon in Gegenwart von
Phenolphthalein schwach rot zu färben“. — Für die Entwickelung der
Pestbacillen zeigte sich am günstigsten die neutrale Reaction des
Nährbodens, während das Wachstum in alcalischer und in saurer
Bouillon spärlich war; Normalmilchsäure wirkte weniger wuchsver.
hindernd als Normalsalzsäure. Glycerinzusatz zu neutraler Bouillon
beeinflusste die Entwickelung der ßacillon eher ungünstig, ebenso
wirkte Glycerinzusatz zu schwach saurer oder schwach alesliseher
Bouillon. Um die Bedeutung der zur Bouillonbereitung benutzten
Fleischsorten zu eruiren, wurde Bouillon aus Rind-, Hühner- und
Schaffleisch hergestellt, mit einem Zusatz von 0,5 Na CI angefertigt
ev. neutralisirt oder neutralisirt und mit 1°/* Pepton versehen, ln
den nicht neutralisirten Proben war das Wachstum sehr gering, am
besten noch in der Hühnerbouillon, am schlechtesten in der Schafs-
bouillon. Die neutralisirten Portionen zeigten viel günstigere Ent-
wickelung der Postbacillen und zwar die Hühnerbouillon die beste,
die beiden anderen annähernd gleiche. Durch Peptonzusatz wurde die
Rinderbouillon dem oben beschriebenen Nährsnbetrat gleich, die
Hühnerbouillon gewann kaum etwas, dagegen stieg der Nährwert der
Schafsbouillon etwa zur Höhe der Hühnerbouillon. — Gelatine- Pepton -
Lösung ist kein guter Boden für die Bacillen. Entgegen Kolle's An-
gaben wurden in dem einen Versuch dor Autoren durch Zuckerzusatz
(1 o/o Traubenzucker zu peptonfreier und peptonhaltiger Rindfleisch-
bouiilon) kein üppiges Wachstum erzielt. Die Verfasser gewannen
den Eindruck, dass in nicht zuckerhaltigen Nährmedien weder die
Alcalescenz noch auch die Aciditaet durch das Wachstum der Pest-
bacillen erhöht wird. Kälte wirkte in den nicht streng systematisch
durchgeführten Experimenten verzögernd auf das Wachstum und zwar
nur dann, wenn flüssige Culturon zum Gefrieren gebracht wurden.
Rieh. Pfeif fe r- Cassel.
III. Pharmakologische Mittheilungen.
Itrol und Actol. Auf Veranlassung des Oberarztes
der chirurgischen Abtheilung des Carolahauses zu Dresden,
Herrn Hofrath Dr. B. Crede, hat die chemische Fabrik
von Heyden in Radebeul- Dresden zwei organische Silber-
salze hergestellt, die unter dem Namen Actol (milch-
saures Silber) und Itrol (citronensaures Silber) in den
Handel gebracht werden. Für diejenigen Aerzte, welche
sich über Beobachtungen und Erfahrungen über die anti-
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septische Wirkung des Silbers und der Silbersalze interessiren,
sei auf die von obengenanntem Herrn ausgearbeitete Rrochüre,
Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig, hingewiesen. Das
Itrol wird als Pulver einmal oder in mehrtägigen Pausen
auf Granulationen, Wunden oder Schleimhäute dünn auf-
gestäubt, als Salbe 1:50 — 100 mit Vaseline oder Lanoline
bei Wunden und als wässerige Lösung 1 : 4 — 5000 zur Des-
infection der Hände, Instrumente, Wunden, sowie Aus-
spülungen von Körperhöhlen, dagegen 1 :5 — 10,000 als
Gurgelwasser, zu Umschlägen Und Bädern benutzt. Itrol ist
ebenso wie das Actol ein weisses, geruchloses und fast
geschmackloses Pulver, welches im Verhältnis von 1 : 3800
löslich ist, während das Actol dies bereits 1 : 15 thut.
Letzteres wird ähnlich dem Itrol angewandt, hat aber den
Vorzug, dass man es in brauner Flasche in concentrirter
Lösung bei sich führen kann. Der Preis beider Präparate
ist um die Hälfte höher als derjenige des Argentum nitricum.
IV. Versammlungsberichte.
Die internationale wissenschaftliche Lepraconferenz
zu Berlin, Oktober 189 7. Bericht von Dr. Max Joseph in Berlin.
Boi dem grossen Interesse, welche» man neuerdings der Lepra
und den Gefahren ihrer Ausbreitung entgegen bringt, war es kein
Wunder, dass der Einladung zu dieser Conferenz die Forscher aus
aller Herren Ländern folgten. In Anwesenheit einer zahlreichen Fest-
versammlung fand die Eröffnung der Conferenz am 11. Oktober
12 Uhr in den prächtigen, mit grosser Liberalität zur Verfügung gestellten
Räumen des Kaiserlichen Gesundheitamtes statt. Professor O. Lassar
begrlisste im Namen des vorbereitenden Comitcs die Festversamnilung :
Zum ersten Male trete heute eine internationale medicinisch - wissen-
schaftliche Versammlung ausschliesslich dazu Berufener zusammen, um
ein bestimmtes Kapitel der Pathologie zu besprechen, und die Er-
gebnisse ihrer Verhandlungen zur Bekämpfung einer einzigen Krank-
heit zu verwerten. Die Völkerhygiene beginne eine der mächtigsten
Factoren im Staatsleben zu werden. Ueberall rege sich der lebens-
kräftige Wunsch, dem gesundheitlichen Ungemach der Bevölkerung
entgegenzntreten und ihm vorzubeugen. Mit Genngthuung dürfe des-
halb die mediciuische Wissenschaft sich rühmen, sich eins zu wissen
mit den höchsten Zielen der Staatsleitung, in freier uneigennütziger
Wirksamkeit eine wohltätige Macht zu bilden, der ein Te;l wenigstens
der Zukunft gehöre. Auf die Frage: Welches denn die Lepraländer
seien?, müsse die Gegenfrage ertönen: Welches Land ist kein Lepra-
land? Kein Klima, keine tellurischen Verhältnisse von den Skandina-
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42Ö
wischen Fjorden und den Östjakischen Einöden big rum gesegneten
Littorale und den Aequatorialzonen gewähre Schutz gegen die Aus-
breitung einer Krankheit, die in so unverkennbar sicherer Weise den
Spuren des menschlichen Verkehrs folge, die aus fernem Asien durch
das grosse russische Nachbarreich bis Über die Grenzen unserer
deutschen Ostmarken wandere, die von isländischen Fischern an die
bretagnische NordkUste, und von den Bewohnern der Levante an die
Sudhäfen von Frankreich und Italien verschleppt werde, die in allen
asiatischen Reichen herrsche und von dort aus den Seeweg in unsere
ostafrikanischen Colonieen, wie seit jeher in das Capland gefunden
habe. Nachdem Ehlers aus Kopenhagen den Gedanken an eine im
grossen Styl abzuhaltende Besprechung der Leprafragen angeregt hatte,
fand sich sogleich ein weitgehendes Entgegenkommen in unserer
eigenen Staatsregierung. Als Präsidenten schlage er den Entdecker
der Leprazellen, Rudolph Virchow, vor.
Rudolph Virchow übernahm darauf das Präsidium mit dem
Ausdruck der Freude, dass wir hier in so grosser Zahl und in Ver-
tretung fast aller Länder, sowohl der civilisirten, als der auf dem
Wege zur Civilisation befindlichen uns vereinigen können. Er wies
auf seine vor 40 Jahren begonnenen Arbeiten über die Lepra und eine
damals in den englischen Colonien veranstaltete Umfrage hin, welche
leider zu wenig brauchbaren Resultaten geführt habe. Wenn wir jetzt
auf einem etwas sichereren Boden stehen, so danken wir es haupt-
sächlich der Entdeckung de3 Leprabacillus durch A r ma ti er H ansen ,
der damit zum ersten Mal eine sichere Grundlage tftr alle späteren
Folgerungen geschaffen habe. Als Vicepräsident schlug er Lassar
und Hansen vor. Zum Generalsecretär wurde Ehlers ernannt und
in das Bureau ft Mitglieder (Arning, von Bergmann ans Riga,
Kinyoun aus Washington, Abraham ans London, Thibierge aus
Paris und Dubois-Havenith aus Brüssel) entsandt.
Damit war die Conferenz constituirt und es begannen am ersten
Tage die officiellen Ansprachen, zuerst von den Staatsbehörden, dann
von den einzelnen Delegirten. Im Namen der Reichsregierung nahm
der Staatssecretär des Innern Graf von Posadowsky-Wehner
das Wort. Der grösste Reichtum der Völker bestehe in dem Menschen
selbst. Diejenigen, welchen den Menschen gesund erhalten und ihn
zur Arbeit heranziehen, führen ihn am ehesten der göttlichen
Bestimmung zu. Während man früher die unglücklichen Kranken aus
der Gesellschaft ausstiess und sie bürgerlich tot machte, können wir
heute nach der Entdeckung des Leprabacillus hoffen, auch die Krank-
heit zu heilen und auf diese Weise sei der Weg zum Fortschritte
gebahnt. Namens der verbündeten Regierungen könne er die Ver-
sicherung abgeben, dass sie den Bestrebungen der Conferenz mit
grösstem Interesse entgegensehen. Auch der C'ultusminister Dr. Bosse
bestätigte, dass die prcussischc Unterrichtsverwaltung das grösste
Interesso an der Conferenz habe, da die Grenzen Preussens von der
Lepra bereits überschritten seien, und die Lepra nicht mehr zu den
ausgestorhenen Krankheiten gehöre. In Preussen sei es fast ans-
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421
Böhiiesslich der nordöstlichste Kreis Unseres Landes, der Kreis Memel,
in welchem sich die Krankheit bisher gezeigt habe, bis jetzt aller-
dings noch in beschränktem Umfange. Im Kreise Memel seien seit
dem Jahre 1870 im Ganzen 84 Leprafälle mit 17 Todesfällen constatirt,
und ausserhalb des Kreises Memel nnr etwa 4, sicher nicht mehr als
7 oder 8 Fälle. Jene 34 Fälle concentriren sich auf den Kreis Memel
und haben sich dort anf 15 Ortschaften verteilt, sodass man kaum um-
hin können wird, beinahe den ganzen Kreis als verseucht anzusehen.
Die preussische Medicinalverwaltnng habe es sich angelegen sein
lassen, diesem Vorkommen der Lepra gegenüber nichts zu versäumen.
Es sei die Anzeigepflicht eingeführt nnd die ständige Ueberwachnng
aller Leprakranken angeordnet. Jeder Leprakranke, dessen Ab-
sonderung im eignen Heim nicht durchführbar sei, werde einem
Krankenhause zugeführt. Von den znr Zeit amtlich bekannten 19
Leprösen der Monarchie befinden sich 7 in Heilanstalten, während die
übrigen 13 unter entsprechender Controlle im Schosse ihrer Familie
belassen worden sind. Im Kreise Memel werde anf Staatskosten eine
Leproserie für 18 Kranke zur Unterkunft nnd Verpflegung gebaut.
Die Pläne seien bereits fertig. Die wissenschaftlichen Fragen zeigen
noch manche Lücken, zu deren Lösung er die Conferenz im Namen
der prenssischen Staatsregierung herzlich willkommen heisse, ihr Glück
und Gelingen zum Heile der leidenden Menschheit wünschend.
Hiernach folgten die Ansprachen der Herren Ehlers (Kopenhagen),
Besnier (Paris) nnd Armau er Hansen (Bergen). Der letztere
besprach in besonders eingehender Weise die znr Bekämpfung der
Lepra notwendige Isolirung und teilte mit, dass Norwegen von 1866
bis 1890 ziemlieh genau 6 Millionen Kronen auf die Bekämpfung der
Lepra verwendet hat und dass es in diesem Jahre ungefähr 15 Millionen
Kronen dadurch gespart hat, dass so viele Menschen von der Lepra
verschont geblieben sind. Man handle offenbar am vernünftigsten nnd
am humansten, wenn man durch die Isolation der Kranken der Ver-
breitung der Lepra entgegentrete, um dieselbe endgültig auszurotten.
Während Jonathan Hutchinson wiederum seine Fischtheorio ver-
trat, beleuchtete Ne iss er die Wege zur erfolgreichen Eindämmung
der Krankheit und der Verhütung ihrer Verbreitung. Die Verbreitung
der Krankheit vollziehe sich nur durch direkte Uebertragung von
Mensch zu Mensch. Nirgends sei Jemand leprös geworden, der nicht
mit Leprösen in Berührung gekommen sei. Nirgends sei Lepra
antochthon entstanden und immer habe sich ein wenn anch vielleicht
verschlungener Infektionsweg mit Leprösen nachweisen lassen. Die
Lepra gehöre demgemäss in die Klasse der contagiösen Infections-
krankheiten nnd mehr als bisher sei der Aussatz als eine ansteckende
Krankheit in's Volksbewusstsein zu bringen. Ihre Bekämpfung beruhe
darauf, die Möglichkeit abzuschneiden, dass von kranken Menschen der
Krankheitserreger anf andere Menschen übergehe.
J. Neu mann (Wien) lenkte die Aufmerksamkeit auf einen neu
entdeckten Lepraherd in Bosnien nnd der Herzegowina. Bisher sind
133 Leprställe constatirt worden. Vor dem 6. Lebensjahre fand sich
Archir f. Schiff«* u. Tropeohygicne. 2S?
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nicht ein einziges leprakrankes Individuum. Nachdem’ alsdann noch
O. v. Petersen (Petersburg) kurz Uber die Ausbreitung der Lepra
und ihre Isolirung gesprochen, wurden zum Schluss noch 3 Lepra-
kranke vorgestellt, unter welchen besonders derjenige Buzzi's inter-
essirtc. Kr will in diesem Falle mit dem Carrasquilla’schen Serum
bei weitem bessere Resultate erzielt haben als mit irgend einer früheren
Methode.
Die erste zu Discussion gestellte Frage des zweiten Sitxungs-
tages, in wieweit man berechtigt sei, den Leprabacillus als die
Ursache der Krankheit anzusehen, wird wohl heute allge-
mein zustimmend beantwortet werden.-
Zwar ist, wie Ne iss er in seinem Referate ausführte, der volle
und unanfechtbare Beweis, dass die Leprabacillen die Ursache der
Krankheit seien, noch ausstehend. Denn alle bisherigen Versuche,
Culturen von Leprabacillen herzustellen und 'durch Verimpfung der-
selben auf geeignete Tiere bei diesen die Krankheit zu erzeugen, sind
misslungen. Trotzdem können wir aber heute daran festhalten, «lass
der Leprabacillus die Ursache der Erkrankung ist, denn bei allen
klinisch sicheren Leprafllllen wird der Bacillus constant gefunden.
Freilich konnte Kaposi 2 Fülle von Lepra tuberosa maculo-anaesthe-
tica beobachten, bei welchen die sorgfältige bacterinlogisch-histologische
Untersuchung der Knoten nnd des Blutes Leprabacillen nicht nach-
zuweisen vermochte. Daraus folgert Kaposi, dass die Diagnose auch
der Lepra tuberosa nicht absolut von dem Nachweise der Bacillen ab-
hängig gemacht werden darf, sondern auf Grund des klinischen Be-
fundes allein dargestellt werden muss, wenn dieser der bisherigen Er-
fahrung über klinische Symptome der Lepra entspricht. Von Lepra
maculosa et nervorum sei dies bedingt feststehend. Gegenüber Hansen,
welcher an der Diagnose Lepra in diesen Fällen zweifelte, konnte
Bergengrün aus Riga feststellen, dass einer der von Kaposi be-
obachteten Kranken in das Leprosorium zu Riga aufgenommen, dort
an typischer Lepra gestorben sei nnd gegen Ende Bacillen
gezeigt habe. Vielleicht zeigte also dieser Fall nur ausnahms-
weise in gewissen Stadien das Fehlen der Bacillen und würde den
oben schon citirten, von N e i s s e r aufgestellten Satz der constanten
Bacillenbefunde bei Lepra nicht erschüttern. Dabei sei ganz belanglos
Wohnort, Lebensweise, Ernährung, Klima, Rasse, Alter, Geschlecht
des einzelnen Kranken, sowie die Krankheitsform im einzelnen Falle.
Noch mehr aber, es lasse sich jedes einzelne dem klinischen Bilde der
Lepra angehörige Symptom auf einen bacillenhaltigen pathologisch-
anatomischen Process zurückführen. Neisser glaubt, dass die Diffe-
renzen der beiden in ihrer extremen klinischen Ansbildung so auf-
fallend verschiedenen Krnnkheitsformen der tuberösen und der maculo-
anaeathetischen Lepra sich durch die Annahme einer quantitativen
Differenz der jeweilig wirksamen Bacillen verstehen lassen. Für die
Annahme einer wechselnden Virulenz der Bacillen fehlt uns vor der
Hand jeder Anhaltspunkt. Vielleicht könnten aber äussere und zu-
fällige Einflüsse die Vermehrungsfähigkeit eingedrungener Bacillen in
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423
den befallenen Menschen und auch diu Locaiisation seihst beuinHussen.
Dann hätten nach der Annahme Hansen'« Klima, Witterung, Lebens-
weise, Beschäftigung im einzelnen Falle einen Einfluss auf die klinische
Form der Lepra and könnten es erklären, weshalb in manchen
Gegenden die tuberösen, in andern die anaesthetischen Formen vor-
herrschen.
Gegenüber dieser heute von keiner Seite mehr bezweifelten
Aetiologie machten sich schon bei der zweiten Frage, welches sind
die Wege der Uobertragung die weitgehendsten Verschiedenheiten
geltend. Besonders bemerkenswert scheint mir, dass Sticker nach
seinen Untersuchungen von mohr als vierhundert Leprakranken in
Indien (Bombay und Nasik) sowie in Aegypten den bisher verborgen
gebliebenen Primäraffect der Lepra entdeckt zu haben glaubt. Nach
Beiner Anschauung sei der Primärafleet der Lepra eine specifische
Läsion der Nusenschleimhaut, meist in Form einos Geschwüres Ubei
dem knorpligen Teil des Septum. Der Primäraffect, welcher im Ver-
laufe der Krankheit in alle Formen der chronischen Rhinitis bis zur
Ozaena und zur Nekrose des Nasengerüstes ausarten kann, sei im Latenz-
stadium der Krankheit vorhanden. Oft, wie sich aus der Anamnese
ergebe jahrelang vor den ersten Knoten in der Haut oder der ersten
Zeichen am Nervensystem. Ueber die Häufigkeit des Primäraffeetes in
der Nase gaben folgende Zahlen Aufschluss. Von 153 Leprakranken
liessen nur 13 die deutlichen anatomischen Veränderungen in der Nase
vermissen. Von diesen hatten aber 9 im Excret der scheinbar gesunden
unteren Nasengänge reichliche Leprabacillen, sodass auf 153 Lepröse
eigentlich nur 4 ohne Leprose der Nasensehleimhaut kamen. Unter
diesen 163 Leprösen litten 68 an Knotenlepra, 68 an Nervenlepra und
27 an der gemischten Form. Anf die 58 Patienten mit Knotenlopra
kamen nur 2, auf die 68 mit Nervenaussatz 23, auf die 27 mit Lepra
mixta nur einer, bei welchen das Nasenexcret keine Bacillen bei ein-
oder zweimaliger Untersuchung enthielt. Im Ganzen wurde also 128 Mal
unter 153 Kranken der Nasenausfluss bacillenhaltig gefunden. Danach
glaubt Sticker, dass der Primäraffect der Lepra als activer Krankheits-
herd während der ganzen Dauer der Krankheit von ihrem latenten In-
cubationsstadium bis in die letzten Stadien der nusgebildeten Lepra-
formen bestehe. Daher müsse einer Ausheilung der manifesten Lepra
die Verödung des Primäraffeetes in der Nase vorausgehen. Der Primär-
affect der Lepra and seine Umgebung in der Nase sei zugleich der
Ort, von welchem die Leprabacillen regelmässig und in ungeheuren
Mengen an die Umgebung des Kranken abgegeben werden. Nur das
eitrige Sputum einzelner Lepröser (23 auf 153) enthalte annähernd so
zahlreiche Bacillen, wie das leimartigo oder eitrige Excret der kranken
Nasensehleimhaut Die andern Ausscheidungen der Lepröson, ein-
schliesslich des Secrets ihrer Ulcera kämen im Vergleich hierzu für
die Verbreitung der Bacillen nach aussen nicht in Betracht. Die
Uebertragung der Lepra vom Kranken auf den Gesunden erfolge von
Nase zu Nase, meist wohl unmittelbar, wie im innigon Verkohr der
Geschlechter, der Eltern mit don Kindern u. s. w., seltener mittelbar
29*
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424
durch Tücher oder beschmierte Hitnde u a. Die Weiterverbreitung
der Leprabacillen geschehe vom Primäraffect in der Nase auf den
übrigen Organismus der Regel nach durch die Lymphwege, in ein-
zelnen Füllen nach Art der Miliartuberculose durch die Blutbahn.
Gegenüber diesen Anschauungen konnte Arning mit Recht darauf
hinweisen, dass dieselben nicht nur weit übertrieben, sondern auch
nicht neu seien. Er wies darauf hin, dass er mit Sicherheit einen
Primäraffect am Unterarm eines Leprösen beobachtet habe. Man habe
schon früher auf die Erkrankungen der Nase geachtet, indessen zu-
weilen hier den Ausgangspunkt nicht finden können. Bemerkenswert
ist, daBS Arning eine enorme Vermehrung der Bacillen fand, wenn er
lepröse Hautstücke in Wasser sogar bis 8 Monate faulen liess. Man
konnte sich hiervon an seinen Präparaten mit Sicherheit überzeugen.
Von grossem Interesse scheinen mir die Untersuchungen Schaef-
fer's zu sein, welche derselbe in der Breslauer Klinik angestellt hat
Er glaubt, dass die Leprabacillen selten durch die Haut den Körper
verlassen. Dagegen fand er, dass tausende von Bacillen beim Sprechen
den Mund verlassen. Es wurden Objectträger in der Umgebung des
Kranken niedergelegt und in 10 Minuten konnte man 183000 gut färb-
bare Bacillen ausgeworfen finden. Selbst noch 1 '/« m davon entfernt
konnte man sie nachweisen. Ebenso wurden beim Niesen Unmengen
in weiter Entfernung, 2—3 m, ausgoworfen. Als Erklärung dafür kann
es dienen, dass auf der Schleimhaut die Leprabacillen ausserordentlich
reichlich sind. Beim Husten werden allerdings nicht so viele Bacillen
ausgeworfen, weil die Lungen bei der Lepra wenig betheiligt sind.
Es wurden alsdann in weiterer Fortsetzung dieser Versuche die Schleim-
häute gut gereinigt, desinficirt und mit dem Argentumstift behandelt.
Aber selbst dann fanden sich in der Umgebung des Kranken noch
immer hunderte von Bacillen. Es lässt sich daher die Quelle der In-
fection zwar wohl vermindern, aber nicht verstopfen, und bemerkenswert
ist noch, dass die Bacillen den Körper in dem für ihre Verbreitung
sehr günstigen feuchten Zustande verlassen. Man sieht leicht ein, von
welcher grossen Wichtigkeit diese Untersuchungen für die prophylac-
tischen und sanitären Massnahmen sind.
Im Anschluss hieran machte Petersen Mittheilung über die
Frage: Wie fängt die Lepra an und in welchen Formen? Es wurden
an die Aerzte Meldekarten verschickt und aus 1200 solcher einge-
gangenen Karten ergiebt sich, dass es sich in 783 Fällen (65,7*/») um
Lepra tuberosa, in 315 Fällen (26,4 °/o) um Lepra macula nervosa und
in 94 Fällen (7,8 °/o) um Lepra mixta handelte.
Beide Geschlechter erkrankten ziemlich gleich häufig, doch
scheinen Männer etwas häufiger die Knotenform, Frauen die Fleckeo-
form aufzuweisen. Die Mehrzahl der Leprösen befand sich im Alter
von 20 — 30 resp. 30 — 40 Jahren. Merkwürdigerweise bemerkten
71 Personen die ersten Erscheinungen in einem Alter von über
60 Jahren, von diesen sogar 5 im Alter von über 70 Jahren. Dagegen
wurden im Alter von 2 bis 6 Jahren nur 13 Fälle constatirt. Die bei
weitem grösste Anzahl der Leprösen gehört dem Bauern- und niedarn
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425
Bürgei>tande an, doch kamen vereinzelte Fülle mich unter den
höheren Ständen vor. Aua den weiteren Mittheiluugeu war ersichtlich,
dass in Russland die Leprsfrage ernste Beachtung gefunden hat und
die ersten Schritte zur systematischen Bekämpfung gemacht werden.
Durch die Anzeigepflicht hofft man möglichst genaue Kenntnisse Ober
die Verbreitung der Lepra in Russland zn erhalten und gleichzeitig
Daten zu flxiren, die uns mit der Zeit die Frage, ob die Lepra ab-
nimmt, folglich die ergriffenen Massnahmen (Einrichtung von Lepra-
asylen resp. Colonien) wirksam sind, beantworden werden. •)
Freilich darf im Anschluss hieran nicht übersehen werden, dass
alle solchen durch Pspiermaterial erhaltenen Resultate immer ihre Be-
denken haben. Dem gab auch A. Grünfeld Ausdruck. Er schloss
sich der Meinung Neisser's an, dass man auf Grund derartige1,
Statistiken keino zu weit gehenden Behauptungen aufstellen dürfe. Er
teilto folgende nicht uninteressante Thatsache mit. Im Gebiete der
Don'schen Kosaken seien ihm von solchen Meldungszetteln circa
70 seitens der Medicinalbehörde übergeben worden. Es stellte sich
nun heraus, dass keiner in seinem Inhalte der Wahrheit entsprach,
und dass die Zahl der Leprösen auf 120 in kurzer Zeit ge-
stiegen sei. In einem Kreise, welcher 226000 Einwohner zählt,
sind nur zwei Aerzte dazu da, medizinische Hilfe zu leisten.
Dieselben müssen auch Berichte Uber die Lepra erteilen. Der
Eine gab sogar die offfcielle Antwort, dass in seinem Bezirke
keine Leprösen vorhanden sind. Es stellte sich aber heraus, dass nach
sehr kurzer Zeit in dem Bezirke Uber 60 Fälle von Lepra constatirt
wurden. Was man aus einer auf solche Art ermittelten Statistik
schliessen könne, sei leicht ersichtlich.
Von nicht geringer Wichtigkeit für die Frage der Uebertragung
scheinen anch die Bemerkungen G e i 1 1 ’s. Nach seinen Beobachtungen
traten in Holländisch-Indien in mehr als 50°/o aller Fälle, die er gesehen
hatte, die ersten Symptome an den Füssen auf, resp. beinahe immer
erschienen sie an peripheren Teilen. Meist wurden Leute betroffen,
die ohne Schuhe und Strümpfe herumgelaufen waren, welche also viel-
fach an Fnsswunden nnd Schrunden gelitten hatten, ln 4 Fällen
konnte er durch die Anamnese unzweifelhaft feststellen, dass eine
Pemphigusblase am äusseren Fussrande da war, ehe auch nur ein
einzelnes Symptom der später aufgetretenen Lepra da war. Hier
würde also die Pemphigusblase eine Art Primäraffection dargestellt
haben. Er hofft, dass nach dieser Richtung weitere Untersuchungen
angestellt werden, besonders in tropischen Ländern, wo die Leute
barfass herumlaufen. Auch die Localisation deute auf Infection resp.
Inoculation vom Boden aus hin, vielleicht in kleinen Schrunden. Er
habe einen Fall gesehen, wo ein Mann auf einen Stein getreten war,
wodurch eine Wunde an der Fusssohle verursacht wurde, die lange
Zeit zur Heilung brauchte und wonach während der Zeit eines Jahres
*) Nach Zeitungsnachrichten ward« ln Russland kürzlich ein Aussätziger wegen
Marktdiebstahls verurthellt. Die Insassen der Lepra-Asyle sollen frei and ungehindert
ausgehen 1 Anm. d. Red.
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426
unter auffallenden nscendirenden Symptomen eine Lepra nutculo-
anaesthetica sich auabildete. Der Mann war vorher gesund, lebte aber
in einer Gegend, wo zahlreiche Lepröse waren. G e i 1 1 hat ferner 2
Fülle gesehen, wo Lepra anaesthetica auftrat, naehdom die Leute
früher in einen Nagel getreten waren. Die betreffenden Wunden
waren zur Zeit, als er die Kranken sah, in mal perforant du pied ent-
artet. Nach seiner Meinung deute daher das endemische Auftreten
der Krankheit darauf hin, dass im Boden das eventuelle Lepravirn3 hause.
(Fortsetzung folgt.)
In der tropenhygienischen Soktion der 6 9. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte, welche vom 20. bis
25. September d. Js. zu Braunschweig tagte, lieferte Herr Dr. Ernst
Schön ans Borlin ein ausführliches Referat Uber folgende, von dem
Vorstande der deutschen Colonialgesellschaft zu Berlin gestellte Fragen :
I. Empfiehlt es sich und entspricht es einem Bedürfnisse, in
Deutschland etwa im Anschluss an eine bereits bestehende
oder anderweitige Heilanstalt ein Reconvalescentenheim für
Tropenkranke unter sachkundiger Leitung zu errichten?
und im Bejahungsfälle
H. Welche Region und Höhenlage, ob Meeresküste, Mittelgebirge,
Alpenvorland u. s. w. eignet sich hierzu am besten ?
Referent erörterte zuvörderst die theoretische Frage, welchen
wissenschaftlichen Werth eine C en t r al isiru n g aller der mannig-
faltigen Affectioncn und Nachkrankheiten habo , an denen die aus
den Tropen heimkehrenden Beamten, Kaufleute, Officiere, Matrosen,
Colonisten, ja selbst Eingeborene, welche womöglich auch zu berück-
sichtigen seien, leiden, und des Ferneren, ob einem derartigen
Krankenmaterial zum Zwecke der Unterweisung angehender Colonial-
Srzte eine grosse Bedeutung beizumessen wäre.
Erstcre Frage konnte der Redner in gewissem Sinne bejahen.
Ein Sanatorium dieser Art würde, so führte er aus, unter Leitung
eines erfahrenen Tropenarztes den Kranken solbst durch einheit-
liche Beurtheilung seines Leidens und genaue Beobachtung der bei
Tropen-Affektionen ja vielfach periodisch wiederkohrenden Symptome
von wesentlichem Nutzen werden und ferner auch der Wissenschaft
durch Ansammlung eines gewissen, nach verschiedenen Seiten werth-
vollen Materials zu erheblichem Vortheile gereichen. Auf der anderen
Seite gab er zu bedenken, dass die Clientei eines solchen Sanatoriums
sich immer zum weitaus grössten Theilo aus Angehörigen der ge-
bildeten, besser situirten Klassen zusammensetzen würde, welche
nur ausnahmsweise bereit sind, sich als Material für wissenschaft-
liche Untersuchungen herzugeben. Nie könnto das geplante Institut
eine auch nur annähernd so werthvollo wissenschaftliche Ausbeute
liefern, als etwa das Hamburgor Krankenhaus mit soinen vielen aus
Mannschaften der Handelsflotte sich rekrutirenden Patienten, Charing
Cross-Hospital in London mit seinem Riesenmaterial der Indian-Doekz,
die Krankenhäuser in Amsterdam und Harderwyk, in welchen die krank
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427
aus Niederländisch Indien und Surinam heimkehrenden Beamten, Sol-
daten, Seeleute und dergleichen Aufnahme fänden u. b. w. Aus den-
selben Gründen würde ein Sanatorium auf deutschem Gebiet auch als
Lehr-Anstalt für angehende Tropenärzte nur eine sehr geringe
Bedeutung gewinnen.
Einen oder den anderen Fall von Beri-Beri, gewisse Formen
der Tropen-Malaria, würden die jnngen Lento wohl zu sehen bekommen,
andere wichtige Affektionen aber, welche mehr die ärmeren Klassen
der in den Tropen weilenden Bevölkerung, vor Allem die Eingeborenen
befallen, wie Blattern, Filaria sanguinis, Lepra, würde er hier wohl
nie antreffen. In dieser Richtung würden ihm Studien in den Tropen
selbst, besonders in den grossen, trefflich organisirten Krankenhäusern
von Britisch- und Niederländisch-Indien, weit förderlicher soin.
Aber auch in der Heimath steht angehenden Kolonialärzten ein
nicht unbeträchtliches Material zum Studium einer Reihe von Affektionen
der heissen Länder schon jetzt zur Verfügung, da Geh. Rath Prof.
Gerhard bereits seit länger als Jahresfrist auf der II. inneren Klinik
des Charitee-Krankenhauses zu Berlin aus den Tropen heimkehrenden,
erholungsbedürftigen oder kranken Europäern und auch Eingeborenen
kostenlos Aufnahme gewährt, ein Material, welches schon jetzt wissen-
schaftlich auf das Gründlichste ausgenutzt wird.
Endlich aber und vor Allem erscheint es fraglich, ob das Ver-
weilen in einer Centrale dieser Art den Kranken selbst mehr Nutzen
bringen wird, als der Aufenthalt in schon längst bestehenden Kur-
anstalten und Bädern Deutschlands oder Oesterreichs, in welche ja
auch das Ausland so häufig seine tropenkrnnken Söhne und Töchter
entsendet Denn — und hiermit kommt Referent auf' Punkt II des
zur Diskussion gestellten Problems — ob man sich nun bei Anlage
des Sanatoriums für Höhenlage in Mittelgebirge oder Alpenvorland,
oder auf der anderen Seite für die Meeresküste entscheidet, immer
hat eine Ccntralisation den grossen Fehler, dass man nur einer
bestimmten kleinen Gruppo von Tropen -Reconvalescenten die für
sie gerade passenden Vortheile wird bieten können.
Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Malaria-Gruppe mit ihren
Nachkrankheiten muss es vor Allem darauf ankommen, in der
Auswahl der Heilfaktoren streng zu individoalisiren. Einer Reihe an
Malaria-Anämie leidenden Europäern wird die Höhenluft mit ihren
die Oxydation des Blutes steigernden und zu schnellerer Neubildung
der Blutzellcn führenden Einflüssen vortreffliche Dienste leisten, während
für Andere das Seeklima mittelst seiner den Stoffwechsel fördernden und
Appetit anregenden Eigenschaften in Betracht kommt. Man könnte
freilich neben der Centrale je eine Filiale in den Bergen und an der
See errichten, aber gemeinsame Momente für die Therapie aller der
Folgeerscheinungen und Nachkrankheiten auch der zahllosen anderen
Affektionen der heissen Länder, wie Pest, Ruhr, Cholera, Beri-Beri
u. s. w., zu finden, dürfte denn doch recht schwer werden.
Nach Ansicht des Referenten ist es ungleich wichtiger, bevor
man dio Gründung eines Sanatoriums in der Heimath ins Auge
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fasst, wo den zurtlekkohrenden Tropen-Reconvaieacenten eine lange
Reihe renommirter Bäder and Kurorte für alle Arten von Leiden zur
Verfügung steht, vor Allem an die Anlage von Gesundheitsstationen
in den klimatisch ungünstigen Theilen der deutschen Schutz-
gebiete selbst zu denken, Stationen, wie solche die anderen
colonisirenden Nationen, namentlich Engländer und Holländer, in ihren
tropischen Besitzungen in beträchtlicher Zahl und grosser Voll-
kommenheit seit Langem besitzen. F. Kronecker.
Am 29. October hielt in Berlin die Arbeitsgruppe für
Schiffs- und Tropenhygiene d er D eu tsch eu Abt h eilung
der Pariser Weltausstellung 1900 ihre erste Sitzung unter
dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Prinzen Arenberg. M
V. Zur Besprechung eingegangeneBücber
und Schriften.
F. Bnrot et M. A. Legrand. Les troupes coloniales, II. Maladies du
Soldat aux pays cbauds. Paris 1897.
Annali d'igiene sperimentale, fascicolo IV 1897 Rom, Societk editrice
Dante Alighieri.
E. Below. Die Melanurie, ein Kunstprodukt der Chininsalze. Vor-
trag. Berl. klin. Wochenschrift 1897 No. 46.
Dr. Georg Kolb, Beiträge zu einer geographischen Pathologie Britisch-
Ostafrikas. 1897, Giessen, C. v. MUnchow.
Marine-Rundschau, Heft 1 1. 1897. Berlin. Mittler & Sohn.
Druckfehlerberichtigungen.
Heft 6 Seite 832 Absatz 4 lies: Eykmann, van der Scheer und
Kohlbrugge fanden beim Tropenbewohner weder die Anzahl der ruthen
Blutkörperchen, noch den Hämoglobingehalt vermindert. (Nicht vermehrt )
S. 3*9. 6. Zeile von oben statt „des“ lies „Uber“.
17. „ „ unten „ „auch“ „ „noch“.
14. „ „ „ „ „Reiskost“ „ „Reistafel“.
4. „ „ „ „ „dieses“ „ „seines“.
S. 340. 19. Zeile von oben statt „Mehl“ lies „Mahl“.
24. „ „ „ „ „Mehlspeise“ „ „Mahlzeit“.
32. „ „ „seine“ „ „weitere“.
33. — 35. Zeile von oben statt „Während eine Erkrankung an Beriberi
anhaltend ist, vermutlich durch Exacerbationen und Recidive, sieht
sie Grimm“ lies „Während einer Erkrankung an Beriberi aaf-
tretende vermeintliche Exacerbationen und Recidive siebt Grimm“.
36. Zeile von oben statt „complicirtes“ lies „nncompilclrtes.“
37. „ „ „verlief“ „ „verläuft“.
38 „bei der“ „ „bis znr“.
8. 841. 5. Zeile von oben statt „ymptomen“ lies „Symptomen“.
Bemerkung. Der Verlag des Archivs geht vom 1. Januar 1898
ab an die Firma Johann Ambrosius Barth in Leipzig Uber.
Die Red.
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Archiv
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene,
unter besonderer Berücksichtigung der
Pathologie und Therapie
unter Mitwirkung von
Prof. Dr. BAELZ, Tokio, Dr. BASSEN (JE. Cassel, Dr. BOMBAKDA, Lissabon,
Dr. van BRERO, Buitenzorg, Dr. do BRUN, Beirut, Dr. BRI'NllOFF, Kiel,
Dr. BUSCH AN, Stettin, Dr. de CARRASQUILLA, Bogota, Prof. Dr. H. COHN,
Breslau, Dr. DAEUBLER, Berlin, Dr. DRYEPONDT, Brüssel, Prof. Dr. F1RKET,
Lüttich , Dr. FISCH, Aburi (Goldküste), Dr. GLOGNER. Samarang, Dr. GOLD-
SCHMIDT, Paris-Madeira, Dr. HEY, Odumase (Goldküste), Dr. van der HEYDEN,
Yokohama, Dr. MAX JOSEPH, Berlin, Dr. KOHLBRTTC.GK, Tosari (Java), Dr.
KROHN, Madeira, Dr. KRONECKER, Berlin, Dr. LEHMANN, Schlachtonseo,
Prof. Dr. LEICHTENSTERN, Köln, Dr. LIEBENDOERFER, Kalikut (Vorderindien),
Dr. LLER, Mexico, Hofrat Dr. MARTIN, München, Prof. Dr. MONCORVO. Rin
de Janeiro, Dr. MONCORVO jr., Rio de Janeiro, Dr. NOC1IT, Hamburg, Dr.
A. PLEHN, Kamerun, Dr. F. PLEHN, Tanga, Obennedizinalrat Prof. Dr. RENK.
Dresden, Dr. REYTTER, Bangkok, Dr. RHO, Rom, Dr. RICHTER, San Francisco,
Dr. 0. ROSENBACH, Berlin, Dr. ROTHSCHUH, Managua, Geheimrat Prof. Dr.
RUBNER, Berlin, Dr. von RUCK, Ashville, Dr. RÜGE, Kiel, Dr. RUMPEL,
Hambuig- Eppendorf, Prof. Dr. SANARE1JLI, Montevideo, Dr. SANDER, Wiud-
hoek, Dr. SCHELLONG, Königsberg, Sanitatsrat Dr. SCHEUBE, Greiz, Dr.
SCHOEN, Berlin, Dr. 8CHWALBE, Los Angeles, Dr. ULLMANN, Wien.
Dr. WITTENBERG, Kayintschu (Süd -China), Dr. Z1EMANN, Berlin,
und mit besonderer Unterstützung der
DEUTSCHEN KOLONIAL- GESELLSCHAFT
hanasf*g*b«n von
Dr. C. Mense, Kassel.
2. Sand.
Leipzig, 1898.
Johann Ambrosiuu Barth.
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Inhaltsverzeichniss von Band II.
Heft L
X. Originalabhandlungen.
Kehreber, Dr., Assistenzarzt 2. Kl. in der Kaiserlichen Schutztruppe für
Deutsch -Ostafrika. Eine Grünspanvergiftung beobachtet zu Pangani 1—4
Kohlbrugge. Dr. J. H. F., prakt. Arzt am Sanatorium Tosari (Ost-Java).
Malaria und Höheuklima in den Tropen 5 — 27
Kolb, Georg, Dr. med., Wiesbaden. Die Filaria Kilimarae in Britisch-
Ostafrika 28 — 53
II. Besprechungen und Litte raturangaben.
a) Hygiene, Physiologie u. Statistik.
Die Pocken-lmpfung in Britisch-lndien 54—37
Freymadl, Marines‘absarr.t Dr., Über Bekleidung und Gepäck bei Lan-
dungen in den Tropen SS
Kohlbrugge, Dr. J. H. P., dir. Arzt des Sanatoriums zu Tosan auf Java,
Das Höhenklima tropischer Inseln, verglichen mit dem der Schweiz
in Bezug auf Veränderungen des Blutes 38—39
Pestnachricbten 59
h) Pathologie und Therapie.
Beri-Btri.
Eykmau, Dr., direkter van hut laboratorium voor pathologische anatomie
eil bacteriologie te Batavia. Poiineuritfe by hoenders, nieuwe hv-
dragen tot de aetiologie der ziekte. 59- 48
Vordermann, Dr., Onderzoek naar het verband tusschen den aard der
rystvoeding in de gevaugenissen op Java en Madoora en het voor-
komen van Beri-Beri onder de geinterneerdeu ....... 49—54
Dysenterie.
Kartnils, l)r„ Arzt am Rogierungshospital zu Alexandrien, Dysenterie 57-58
c) Sonstige Werke.
Poskin, Dr. A., L’Afrnjue eguatoriale, climatologie, nosologie, hygiene 58—43
in. Vereammlungsberichte.
Die internationale wissenschaftliche Lepra-Conferenz zu
Berlin. Schluss 63-4*
Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften 88
Druckfehler u. Berichtigungen 4»
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— 111 —
Holt II.
I. Originalabhandlungen.
Seite
Rothsrhuh, Dr. Ernst, Managua. Trcpenmedicinische Erfahrungen aus
Nicaragua 69—92
Menge, Dr. Carl, Eine Umfrage über das Schwarzwasserfieber . . 92
Leistlkow, Dr. Leo, Hamburg. Das Ichthyol in seiner Verwendbar-
keit für die Schiffs- und Tropeu-Praxis 98—99
II. Besprechungen und Xiitteraturangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Statistik.
Patrick Mangen. The necessity for special education in tropical medicine 100
Pestnachrichten 100
Reagenskasten zur Herstellung keimfreien Trinkwassers nach Schumbarg 100 — 102
Castellau. Du climat maritime de la Tunisic et de son influence patlin-
logique sur le pouinon, le cocur et le foie 102
h) Pathologie und Therapie.
Beri-ßeri.
Eykman, C. Zur Abwehr li
Ejkman, C. Beri-beri en voeding 103—1
Walter K. Hunter. A oontribution to the etiology of beri-beri . . io.
Malaria.
Below, Dr. Die Melanurie, ein Kunstproduct der Chininsalze . . 104 — 105
St&mmeshaus, W. Febris intermittens perniciosa 105
Ronald Ross. On some peculiar pigmented cells found in iwo mos-
q ui tos fed on malarial blood 106
Voorthuis, Dr. A. Een geval van pernicieuse malaria 106—107
Lnhbers, Dr. A. E. H. Eenige Gegevens ointrent Pelantoengan als
herstellingsoord voor malarialyders 107
llrown, W. C., Widal's reaction in the tropics . 108
Gray, St. Geo. Euchinin in malaria 108
Mae Callum, W. G. On the flagellated form of the malaria parasite 108
Lawrle, Et On the flagellated form of the malaria parasite , . 108
Nage), Dr. O. Ueber klimatische Bubonen 109
Dysenterie.
Wyatt Smith, Magnesium sulphate in tropical dysentery .... 109
Lepra.
Bergmann, A. v. Die Lepra 109 — 110
Abraham, Phineas S. Uebersicht über die Lepra im Britischen Reiche 110
Schlafsucht der Neger.
Antonio Olympio Cagigal e Charles Lepierrc. A doenya do somno
e o seu bacillo 110 — 112
Pest.
Dlendonnd, Dr. Ueber die Resultate derYersin’schen und Haffkine'schen
Immunisierungs- und Heilungsversuche bei Pest 112 — 118
Parasitäre und Hautkrankheiten.
Patrlk Mausen. On certain new species of nematode haematozoa
oocurring in America 114
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— IV —
Seit«
Maclsuri. Note sur une affection designee dans la boucle du Niger
et le pays de Kong sous les noms de Goundou et Anakrc (gros nez) 114
Slrube. lieber das endemische Vorkommen von Parasiteneiern und
-lanen im Harn der Bewohner von Natal uDd Transvaal . . . 114 — 1 15
Rüge, Dr. Rein hold. Kin Beitrag zum Krankheitsbilde des Eczema tropicum 1 1 j
Thierische und / ifiatizliche Gifte.
Calmette, Dr. A., Le veuin des serpents, Physiologie de l’evenimation.
Traitement des morsures venimeuses par le Serum des animaux
vaccines 110 — lig
IIT. Sonstige Werke.
Rho, Dr- Filippo. Malattie predominanti nei paesi caldi et temperati 116 — 119
Freiherr Stromer von Kelclienbach , Dr. Ernst. Die Geologie der
deutschen Schutzgebiete in Afrika 119 — 124
Heft III. -
I. Originalabhandlungen.
Plelm, Dr. Albert. Die Dysenterie in Kamerun 125 — ISS
Dempnolif, Dr. Otto. Ärztliche Erfahrungen in Xeu-Guinea .. . 134 — 166
Sehellong, Dr. 0. Zur Frage des prophylactischen Chiningebmuchs
in tropischen Malariagegenden 167 — 176
II. Besprechungen und Litte raturangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Statistik.
Hcheuck, Dr. Paul. Leber Schiffshygieno 177
Daniiell, Dr. Gesundheit, Verhältnisse auf der Gazelle-Halbinsel . . 178
Gazeau, Dr. Les pedbeurs de Terre Neuve 178— 179
Thlnra, Dr. Le recrutement « la Reunion 179
Dürre und Hungersnot in Vorderindien (Dr. Kronecker) 180 — 183
Arcurso, 8. Hrevi cenni sulle condizioni climatico-igieniche del Benidir 183— 184
Pestnachrichteu 184
b) Pathologie und Therapie.
Beri-Beri.
D Buhler, Dr. Karl. Die Beri-Beri-Krankheit 184—186
llirotn, Z. lieber die durch die Milch der an Kakke leidenden Frauen
erzeugte Krankheit der Säuglinge 186
Malaria.
Koch, Prof. Dr. R. Aerztliehe Beobachtungen in den Tropen . . 186 — 189
Dysenterie.
Bertram, Dr. L. E. Contribution ü la pathogenie de la dysenterie . 189
HI. Sonstige Werke.
Rho, Dr. Filippo. Malattie predominanti nei paesi caldi e temperati 189 — 192
Redaktions-Briefkasten.
Robert Koch und die Schwarz wasserfieber-Frage (Dr. E. Below) . . 192 — 194
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V
Heft IV.
I. Originalabhandlungen.
Schwalbe, l)r. Carl. Klima und Krankheiteu von Südkalifornien 190 — 217
Rüge, Dr. Reinhold. Zustande in spanischen Miiitärlozarethen der
alten u. neuen Welt und der Krankenbewegung sowie der Sterb-
lichkeitsverhältnisse des spanischen Heeres auf Cuba während des
Jahres 1897 218-23S
Plelin, Kr. Albert. Die bisher mit dem Euchinin (Zimmer) gemachten
Erfalirungeu 234 — 235
Arimond, Dr. Brief aus Kinutschou 238 — 241
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Statistik.
Kohlbrnggc, Dr. J. H. K. Die Krankheiten eines Bergvolkes der
Insel Java ■ ... . 242 — 244
Rnge, Dr. Kelnhold. Zur geographischen Pathologie der Westküste
Südamerikas 244
Koch, Prof. Dr. R. Ueber Westusambara in sanitärer Beziehung . 243
Rasch, Dr. Clir. Ueber den Einfluss des Tropenklimas auf das Nerven-
system 245
Pe.stnachrichten 24b
b) Pathologie und Therapie.
Malaria.
Larermn, Prof. Dr. A. Traite du paludisme 247—258
Koch, Prof. Dr. R. Das Schwarzwasserfieber 253—254
INfring, Dr. Ein Beitrag zur Kenntnis« der Kamernu-Malaria
Pest.
Koch, Prof. Dr. R. Ueber die Pest 255—257
Icterus.
Goedhnis Rail und Ejkman, Een geval van Icterus febrilis . . . 257—258
C. L. Rense, Over den Icterus febrilis 258
Parasitäre Krankheiten.
Kartalls, Dr. St. Weitere Beiträge zur pathologischen Anatomie der
Bilharzia 258—259
Viehseuchen.
Koch, Prof. Dr. B, Berichte über die Forschungsergebnisse aus
Deutsch-Ostafrika 259—280
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VI
Chirurgie.
Porteu^a, Dr. J. A. Byd ragen tot de Kenuis van den 'aard der
verwondingen in den toekomstigen zeeoorlog 260
III. Sonstige Werke.
Hbn, Dr. Filippo. Molattie predominanti nei paesi caldi e temperati.
(Fortsetzung) 260— 262
Justus Pertbes’ Deutscher Marine-Atlas 262
Heft V.
I. Originalabhandlungen.
Seineleder, Dr. Friedrich. Malaria in der Hauptstadt Mexico . 263—268
Plehn, Dr. Albert. Zur Calomel behandln ng der Dysenterie ... 268
Rüge, Dr. Ttelnhold. Hygienisches und Sanitäres aus Habana . . 269—274
DempwolfT, Dr. Ott«. Aerztliehe Erfahrungen in Neu - Guinea
(Fortsetzung und Schluss) 275 — SüO
11. Besprechungen und Litteraturangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Statistik.
Bnrot, F. et Legrand, M, A. Los Troupes Coloniales. Statistique
de )a Mortalite. Paris, Bailiiere et Fils 1897 301
Statistica sanitaria dell’ armata per gli an» 1895 e 1896. Ministero
della marina, Rom 1898. Cecchini, Ludovico 302
Rasch , Dr. Ch. Zur geographischen Pathologie Siams 303
Pergens, E. Les yeux et les fonctions visuelles des Congolais . . 304
Pestnachrichten 305
b) Pathologie und Therapie.
Malaria.
Btm, P. Ueber die Wirkung des Chinins auf die Leukocyten . . 305
Zlcmann, Dr. Hans. Ueber Malaria- und andere Blutparasiten . . 306 - 322
Beri-Beri.
Grimm, Dr. F. Ueber Beri-Beri 3*2
ILL Sonstige Werke.
Rho, Dr. Filippo. Malattie predominanti nei paesi caldi e temperati
(Fortsetzung) . 324
Borei, Dr. Comment on devient Medecin d’un Paquetbot .... 326
Zur Besprechung eingegangene Werke 327
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VII
Heft VI.
I. Originahabhandlunge.
BmU
Scheube, Dr. B. Die Beri-Bori- Epidemie im Richmond Asylum
in Dublin 329—841
Kohlbrugge, Dr. J. F. H. Therapeutische Mittheilungen aus der
Tropenpraxis 842 — 344
Zlemann , Dr. Hans. Kurze Bemerkungen über die Theorie der
Maiariaübertragung durch Mosquitos und über Geisselformen bei
Blutkörperparasiten 845 — 855
TI. Besprechungen und Litteraturongaben .
a) Hygiene, Physiologie und Statistik.
Fontaine, Notes sur la mortalite des troupes d'infanterie et d'artillerio
casernees en Cochinchine 356 — 357
Burot, F. et Legrand, M. L. Les Troupes Coloniales. II. Malad ies
du Soldat aux pays chauds 857 — 359
Gries, Considerations generales sur la morbidite et la mortalite de
l’anoee 1897. (Martinique) 859
Kermorgant, A. L’assistance publique aux colonies 359—361
Körfer, Dr. Die Acclimatisation des Europäers in den Tropen . . 361
Plehn, Dr. F. Die Kamerunküste 862 — 865
Pestnachrichten • 365
b) Pathologie und Therapie.
Malaria.
Clarac, Notes sur le paludisme obeerve i Dakar . 366
Lepra.
Pierre. L. E. Rapport sur les conditions dans lesquelles se trourent
les lepreux en Nouvelle-Caledonie 888
Leprabericht (Dr. Max Joseph) 868 — 878
Pocken.
Noqu4, J. Missions de vaccine au Cambodge 873—874
Paraeitäre und Hautkrankheiten.
Odrioxoda, M. E. La Maladie de Carrion ou la verruga Peruvienno 874—876
Daniels, C. W. Discovery of the parental form of a British New-
Guinea bloodworm 876
Goldstein. The Texas screw-worm 876
Gelbfieber.
Hanarelli, Prof. I. L’immunita a la sieroterapia oontro la febbre gialla 376
— Prime esperienze intorno all’ impiego del siero curativo e preven-
tivo contro la febbre gialla 877
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VIII —
Beri-Btri. Mt«
Walther K. Hnator. A contribution to the aotiology of Beri-Beri 377—378
Sonnt ii/e Inftktionnkran khtittn .
Un ca» de Tetanus, traitc par l'iujectkm intraoerebrale d’antitoxine . 378
Kölle, Dr. W. Baeteriologische Befunde bei Pneumonien der Neger 378—379
Bronn, ff. C. Widals reaction in natives of India 379
Bnchnnan, J. W. S. Epidemie cerebro-spinal fever in India ... 379
Kretz, Dr. B. Ein Fall von Maltatieber durch Agglutination des
Micrococcus Melitensis nachträglich diagnosticirt 379—380
SUvestrlnl. Pou.voir agglutinant da sang sur les cultures en bouillon
des staphylocoques 380
Orgunkrankhfitfn
Macleod, K. Tropical lleart 380
Sachverzeichnis» 381
Namenverzeichnis» 384
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i§*L Archiv
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene.
Band 2.
L Originalabhandlnngeii.
Eine Grünspanvergiftung beobachtet zu Pangani
von I)r. Schreber,
Assistenzarzt 2. Kl. in der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch -Ostafrika.
Bei dem Kaiserlichen Bezirksamt zu Pangani war es seither
Gebrauch, die Speisen für die Kettengefangenen in verzinnten
Messingtöpfen zu kochen, weil die thönernen Gefässe häufig aus
Versehen, oder durch Böswilligkeit zerworfen wurden. Mit der Zeit
hat sich die Verzinnung abgenutzt und das Messing ist bloss zu
Tage getreten. Die Weiber (Kettengefangene), welche die Speisen
bereiten, haben es mit der Sauberkeit niemals genau genommen, so
dass die Speise, die meistens aus circa 650 g Reis zu bestehen
pflegt, mehrere Stunden lang in diesen alten Messingtöpfen stand,
wodurch es zu Grünspanbildung kam. Ich habe selbst nachträglich
Stellen von Reis, welche an den Töpfen hängen geblieben, gelbgrün-
lich verfärbt vorgefunden. Der Genuss des auf solche Weise ver-
dorbenen Reises hat in den letzten Tagen des Jahres 1896 zu einer
Grünspanvergiftung geführt. Es sind nur Kettengefangene erkrankt
und zwar sechs im Ganzen. Einer ist an profuser Darmblutung ge-
storben, zwei sind geheilt, zwei befinden sich noch in ärztlicher Be-
handlung und einer hat sich, nachdem seine Strafe verbüsst war, aus
dem Lazareth heimlich entfernt. Die Krankheitsbilder derselben
waren in Kürze folgende:
Der erste Patient, ein Magua-Mann, Namens Maphta, circa
24 Jahre alt, erschien am 26. December 1896 zum ersten Mal; er
gab an, früher öfter fieberkrank gewesen zu sein. An der Aussen-
seite des linken Knies befindet sich eine circa 10 cm lange und
AxcbiT f. Schiffe- u. Tropenhygien«. IL 1
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2
Dr. Scbreber.
fingerbreite Narbe, die von einer Verbrennung herrühren soll. Er
klagt über Zittern und Gefühllosigkeit in den Händen und Beinen.
Benommenheit des Kopfes und Appetitlosigkeit; sonst hat er keine
subjektiven Beschwerden. Sein Gang war schwankend und unsicher,
er stolperte stark und fiel oft hin. Bei geschlossenen Augen
schwankte er in dem Maasse, dass er gehalten werden musste. Der
Patellarreflex war erhöht. Das Schmerzgefühl in den Füssen war
ungemein entwickelt. — Er erhielt Jodkali und wurde zur genauen
Beobachtung in das Lazareth aufgenommen. Daselbst befindet er
sich noch (Ende Februar 1897) und zeigt zur Zeit folgendes Krank-
heitsbild: Die Hände werden in Krallenstellung gehalten. Auf Be-
fehl, etwas schnell zu erfassen, greift er meist an dem Gegenstand
vorbei. Die Hände, wie auch die Beine fühlen sich meist nasskalt
an. In beiden ist das Schmerzgefühl verringert, der Gang ist immer
noch unsicher, hat sich aber gegen früher bedeutend gebessert Die
herausgestreckte Zunge zittert, Speichelfluss gering. Innere Organe
soweit nachweisbar gesund, desgleichen Sinnesorgane. Appetit normal,
ebenso wie Stuhl und Urin. Patent fühlt sich im Allgemeinen wohl.
Am 2. Januar 1897 erschien der Suaheli Hamisi, derselbe
klagte über allgemeine Schwäche und Zittern in den Gliedern,
ausserdem aber über Schwachsichtigkeit. Da die beiderseitige Augen-
untersuchung nichts Krankhaftes zu erkennen gab und auch sonst
nichts festgestellt werden konnte, wurde er abgewiesen. Am
15. Januar erschien er wieder. Es bestand heftiges Zittern und
Schwäche in den Extremitäten, ausserdem hartnäckige Verstopfung.
Der Speichelfluss war stark. Ausserdem aber äusserte Patient, beinah
völlig blind zu sein. Pupillenreaktion war gut vorhanden. Finger,
in der Entfernung von 20 cm in Verlängerung der Sehaxe vorge-
halten, vermochte er nicht zu sehen. Finger, die von seitwärts nach
innen vorbeigeführt wurden, konnte er bei fixirtem Auge auf kurze
Strecken an der Temporalseite sehen. Das Gesichtsfeld war mithin
äusserst beschränkt. Patient erhielt Jodkali und es besserten sich seine
Beschwerden auffällig schnell. Nachdem er am 1. Februar 1897
seine Strafe verbüsst hatte, entwich er aus dem Lazareth.
Der dritte Patient ist der Malaye Abdul bin Hamed Saleh.
Derselbe wurde mir am 6. Januar durch einen Polizei- Askari zugeführt;
da er nur malayisch sprach, konnte blos durch Zeichen eine Ver-
ständigung herbeigeführt werden. Er spie mehrfach aus, zeigte anf
Kopf und Bauchgegend und sollte an Verstopfung leiden. Er erhielt
Calomel 3 Tabletten ä 0,3 g. Am 8. Januar erschien Patient mit
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Eine Griinspanvergiftung beobachtet zu Pangani.
3
Fieber 39,0° und angeblich Durchfall. Da mir der Gedanke einer
Vergiftung durchaus femlag, gab ich in der Annahme, einen
Malariafall vor mir zu haben, Chinin, den vermehrten Stuhlgang als
die Wirkung des Calomeis ansehend. Wenige Tage später erschien
er mit hohem Fieber und starkem Durchfall. Die untern Extremi-
täten waren unbeweglich und er vermochte nicht darauf zu stehen.
Der Patellarreflex fehlte. Die Gesichtszüge waren schmerzhaft ver-
zerrt. Aus dem Munde floss der Speichel. Die Augäpfel bewegten
sich unruhig auf und ab. Er schien schwer zu hören. In der Nacht
vom 13. zum 14. Januar trat eine profuse Mastdarmblutung ein,
woran Patient starb.
Am 18. Januar erschienen die Suaheli -Kettengefangenen Ab-
drachman und Kamota. Dieselben klagten über starken Speichel-
fluss, Widerwillen gegen ihre Keisspeise, über Zittern und Schwäche
in den Gliedern, kribbelndes Gefühl in den Fingern und Zehen;
eine Lähmung ist bei ihnen nicht beobachtet worden. Auch verloren
sich die Beschwerden bei Jodkali in wenigen Tagen.
Am 13. Januar erschien der ungefähr 45 Jahre alte wegen
Mordes zum Tode verurtheilte Nguru-Mann Ngoma. Er gab an,
häufig fieberkrank gewesen zu sein und leidet an chronischem Tripper.
An der Innenseite des linken Knies besteht eine grosse Schnittnarbe,
am Unken Fuss eine Brandnarbe. Er befindet sich schon seit 6 Monaten
in Haft. Bei der Aufnahme musste er von einem Askari getragen
werden; seine Beine waren im höchsten Grade abgemagert. Er
hatte starken Speichelfluss und klagte, dass ihm das Essen den
Mund zusammenzöge. Die Sinnesorgane waren normal. Der Herz-
spitzenton war unrein. Er klagte über Durchfall und Schmerzen im
Unterleib. Patient hatte starken Widerwillen gegen Reis. Zur Zeit
befindet sich Patient noch im Lazareth, und hat sich die Lähmung
und Abmagerung der Beine gering gebessert. Die Füsse selbst sind
ödematös geschwollen. Es ist ihm unmöglich selbst aufzustehen, er
vermag nur mit Unterstützung wenige Schritte zu gehen. Der
Patellarreflex fehlt vollkommen. Die Beine sollen sehr empfindhch
sein. Das Allgemeinbefinden ist ein vortreffliches. Die Behandlung
besteht in JodkaU und Bädern.
Sämmtiiche sechs Krankheitsbilder haben als gemeinsames
Symptom Speichelfluss. Ferner mehr oder weniger stark ausgeprägtes
Zittern und Lähmungserscheinungen, die mit heftigem Schmerzgefühl
oder auch mit Schmerzlosigkeit (Anästhesien) verbunden waren. Ein
Fall zeigte erhebliche Beschränkung des Gesichtsfeldes. Bei Allen
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Dr. Schreber.
war mehr oder weniger der Verdauungstraktus mit angegriffen, was
sich in starkem Durchfall und vice versa in Verstopfung zeigte. Von
Einigen wurde direkt ein Widerwillen gegen die gelieferte Reisspeise
geäussert
Das Fehlen eines Bleisaumes am Zahnfleisch schliesst Bleiver-
giftung aus. Es könnte noch angeführt werden, dass obenbeschriebene
Krankheitserscheinungen ihren Ursprung in der schlechten Beschaffen-
heit des Reises selbst hätten. Dagegen spricht, dass seit Abschaffung
der Messingtöpfe auf meine Anordnung hin am 11. Januar 1897
kein solcher Fall wieder zur Beobachtung gekommen ist, obgleich
zur Zeit noch von derselben Reislieferung wie zur Zeit der Erkran-
kung die Speise bereitet wird. Des Ferneren meine Beobachtungen
von gelb-grünlich verfärbten Reisresten in den Töpfen! Ich habe die
Diagnose „Grünspanvergiftung“ gestellt.
Für die Bildung von Grünspan in den Messingtöpfen spricht
ausser der oben erwähnten Unsauberkeit der Weiber die schlechte
Beschaffenheit des Wassers hiesiger öffentlicher Brunnen. Dasselbe
hat durchweg einen brakigen Geschmack, herrührend von der Nähe
des Meeres; es ist daher die Bildung von Kupfersalzen in Messing-
resp. Kupfertöpfen ungemein begünstigt
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Malaria und Höhenklima in den Tropen.
Von Dr. J. H. F. Kohlbrugge, prakt Arzt am Sanatorium Tosari
(Ost-Java).
Vor fünf Jahren wurde zum ersten Mal in diesen Colonien der
Versuch gemacht, ein Sanatorium (Tosari) in einer Höhe von fast
6000 Fuss einzurichten. Zwar wurden in diesem Jahrhundert schon
viele Heilstationen auf Java gebaut, von 500 bis 4000 Fuss über
dem Meeresspiegel, aber man erwartete noch günstigere Resultate als
bisher erreicht wurden, wenn man noch höher hinaufstieg. Da auch
in den deutschen Colonien der Wunsch nach solch’ hoch gelegenen
Sanatorien laut wurde, so glaube ich, dass einige Mittheilungen über
meine während der letzten 41/, Jahre gesammelten Erfahrungen den
deutschen Collegen nützlich sein könnten, sowohl bei der Wahl einer
geeigneten Gegend, als auch zur Schätzung dessen, was sich durch
Höhenstationen erreichen lässt Darum will ich meine Mittheilungen
in zwei Gruppen eintheilen: die erste soll das enthalten, was ich
über die Verbreitung der Malaria auf verschiedenem Boden und in
verschiedener Höhe erfahren konnte, woraus sich dann von selbst
ergiebt, nach welchen Grundsätzen man den Ort für ein Sanatorium
wählen soll, die zweite soll zeigen, in welcher Weise Malaria hier
(in Tosari) heilt und wie der Arzt die Heilung fordern kann.
A. Das Höhenklima und die Aetiologie der Malaria.
Da Patienten aus allen Theilen des Archipels in die unter
meiner Leitung stehende Station kommen, und ich für meine anthro-
pologischen Studien verschiedene Inseln besuchte, so hatte ich Ge-
legenheit, Mittheilungen aus verschiedenen Gegenden zu sammeln,
von denen ich einige zur Vergleichung und zum besseren Verständ-
niss hier erwähnen will. Dabei muss ich etwas ausführlicher sein,
weil ich nichts behaupten will, ohne eine Erklärung zu versuchen,
denn dadurch hoffe ich unsere Kenntnisse von der Aetiologie der
Malaria zu fördern.
Bekanntlich ist Malaria in erster Linie abhängig von der Be-
schaffenheit des Bodens, meist hört man behaupten, dass ein sumpfiger
Boden immer Malaria erzeugt. Trotzdem findet man in den Hafen-
orten: Bandjermassin (Z. O. Borneo), Pontianak (W. Borneo), Palem-
bang (O. Sumatra) sehr wenig Malariakranke. Das mir persönlich
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J. H. F. Kohlbrugge.
bekannte Bandjermassin besitzt nur sehr wenige Strassen, der ganze
Verkehr beschränkt sich auch für den Europäer auf das Wasser,
welches unter dem Einfluss der Fluth steht Der Boden ist überall
von Wasser durchweicht, der Garten des am meisten besuchten Hotels
ist zum Theil mit Wasser bedeckt Wenn man aus den vielen Kanälen
auf das mit Wäldern bedeckte Land treten will, dann sinkt man bis
an die Knie in’s Wasser, das überall salzig ist Aehnliche Verhält-
nisse findet man in den beiden andern genannten Häfen. Der Boden
ist fruchtbarer Alluvialboden, reich an Pflanzen theilen ; zum grössten
Theil ist er durch die Flüsse gebildet Während der Ebbe wird ein
Theil des die Häuser umringenden Bodens von Wasser entblösst, doch
hat er kaum Zeit zum vollständigen Austrocknen, da die Fluth wieder
alles mit Wasser bedeckt. In den trocknen Monaten ist der Wasser-
stand nicht erheblich niedriger als in der Regenzeit Wir können
daraus schliessen, dass, wenn der Boden entweder ganz mit Wasser
bedeckt ist oder doch vollständig durchfeuchtet (gesättigt), die darauf
lebenden Menschen nichts von der Malaria zu leiden haben. Wahr-
scheinlich entwickeln sich die Plasmodien wohl in dem feuchten
Boden, aber sie bleiben in diesem verborgen und sind deshalb un-
schädlich. Diese Erklärung werde ich durch weitere Beobachtungen
zu beweisen suchen.
Von allen derartigen morastigen Küsten wurde Sambas (W.
Borneo) am besten untersucht durch A. W. Nieuwenhuis1). Im
Allgemeinen finden wir dort gleiche Verhältnisse wie in Bandjermassin.
Die Ufer werden durch die Fluth mit Wasser bedeckt. Der Boden
wird nicht durch Kanäle entwässert und steht daher während der
Regenzeit unter Wasser, wenn keine natürliche Wasserabfuhr vor-
handen ist Die ganze Ebene wird dann zum Morast, auch der nicht
mit Wasser bedeckte Boden ist so weich, dass man nur von einer
Baumwurzel zur andern schreiten kann.
In dieser Gegend konstatirte Nieuwenhuis, dass in der allu-
vialen Ebene Malaria sehr selten oder nie vorkommt, aber auf den
Bergen und Hügeln, die sich über dieselbe erheben, sehr häufig auf-
tritt, so dass in einigen hochgelegenen Dörfern fast alle Kinder eine
geschwollene Milz zeigen. In diesem Hügellande war nur ein Dorf
weniger durch Malaria heimgesucht, dieses lag auf der Spitze eines
>) De Verspreiding van Malaria in verband, met de geologische gesteldheid
van do afdeeling Sambas-Borneo. Geneest. Tydschr. v. Ned. Indio. Deel XXXIV.
afl. 2. 1894.
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Malaria und Höhenklima in den Tropen.
7
Sandsteinhügels. An einzelnen scharf begrenzten Stellen fand sich
auch in der Ebene Malaria; diese zeigten immer einen reinen Sand-
boden, der etwas höher lag als die Umgebung (N. nennt sie „Sand-
inseln in einem Meer von Schlamm“)- In anderen nahe hegenden
Dörfern, wo kein Sandboden vorhanden war, fehlte auch die Malaria,
ln der Hügellandschaft und im Gebirge war die Malaria jedoch nicht
an das Vorkommen von Sand gebunden, auch auf den Granit- und
Schieferbergen und auf vulkanischem Boden hatten fast alle Kinder
eine grosse Milz. Die alluviale Sumpfgegend ist so frei von Malaria,
dass Nieuwenhuis während eines 2 */8 jährigen Aufenthalts keine
frische Malariainfektion in der Hauptstadt Sambas beobachtete. Auch
durch Erdarbeiten: das Roden der Wälder, Graben von Wasser ab-
führenden Kanälen u. 8. w., welche Arbeiten in den Tropen fast
immer zu heftigen Malariaendemien Anlass geben, wurde der Gesund-
heitszustand in der alluvialen Ebene garnicht beeinflusst Nur auf
einer Plantage trat Malaria unter den Arbeitern auf, der Boden
unterschied sich dadurch von dem der anderen Plantagen, dass der
Felsboden unter der Humusschicht zu Tage trat. Nieuwenhuis
theilt uns auch Genaueres über die Bevölkerung mit, woraus hervor-
geht, dass das Fehlen der Malaria an dem einen und das heftige
Auftreten an einem andern Orte durch Rasseneigenthiimlichkeiten nicht
erklärt werden kann. Da Nieuwenhuis uns nur Thatsachen mit-
theilt, so will ich hier eine Erklärung derselben versuchen.
Der alluviale Boden der Ebene ist stets mit Wasser mehr oder
weniger gesättigt; auch in der trocknen Zeit werden die tieferen
Lagen, die kaum über dem Meeresspiegel hegen, gesättigt bleiben
und die oberflächlichen können nie ganz austrocknen, da sie stets
genug Feuchtigkeit aus den tieferen Schichten durch Capillarität uuf-
saugey können. Ausserdem hat solch ein alluvialer, reich mit
Pflanzenresten gemischter Boden eine grosse wasserhaltende Kraft,
welche vielleicht allein genügt, um den Boden vor vollständigem
Austrocknen zu beschützen. Es entwickeln sich in solchem Sumpf-
boden wohl Plasmodien, aber sie bleiben in demselben ruhen und
belästigen den Menschen nicht. Ganz anders verhält sich der Sand-
boden. Erstens ist er höher gelegen und es fliesst das Wasser also
schneller ab, zweitens hat Saudboden eine weit geringere wasser-
haltende Kraft als der mit Pflanzenresten gemischte Humus. Wird
der Boden durchfeuchtet, durch Fluth oder Regen, dann können
sich die Plasmodien in demselben entwickeln. Doch es bleibt der
Boden nicht lange gesättigt, denn das Wasser sinkt wegen der
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J. H. F. Kohlbrugge.
geringen wasserhaltenden Kraft des Sandbodens schnell in die tieferen
Schichten. Die oberen Schichten trocknen also aus, die Sonnen-
strahlen wirken dabei mit, da die Wärmeabsorption bei Sandboden
doppelt so gross ist als bei Humus; es kann der Sand daher zu
Staub werden, und durch diesen werden die Plasmodien verbreitet
und auch dem Menschen zugefiihrt. So gering die wasserhaltende
Kraft des Sandbodens ist, um so grösser ist sein Aufeaugungs-
vermögen,1) er wird also fortwährend Wasser aus der Tiefe anziehen
und dadurch den Plasmodien die zu ihrer Entwicklung nöthige
Feuchtigkeit geben, während die oberflächlichen Lagen wegen der
geringen wasserhaltenden Kraft und der starken Wärmeabsorption
immer wieder austrocknen, wodurch die neuentwickelten Plasmodien
in den Staub aufgenommen werden. Durch die wasseraufsaugende
Kraft und den feuchten Untergrund ist die Feuchtigkeit der unteren
Schichten nicht abhängig vom Regen und es können die Plasmodien
sich auch in der trockenen Jahreszeit entwickeln. Wahrscheinlich
wird während der Regenzeit die Malaria weniger heftig auftreten, da
daun die Austrocknung geringer sein wird. Nieuwenhuis hat über
die zeitliche Vertheilung der Malariafälle keine Angaben gemacht.
Ist meine Voraussetzung richtig, dann erklärt sich auch leicht,
warum auf der einen Plantage, wo beim Arbeiten der Felsboden zu
Tage trat, sich Malaria einstcllen konnte. Auf dem felsigen Unter-
grund musste der Roden sehr schnell austrocknen, nachdem der
Wald gerodet worden war, da er kein W'asser aus tieferen Schichten
aufsaugen konnte. Aehnlich verhält es sich mit der Hügellandschaft:
da das Wasser dort schneller ahfliesst, die unteren Schichten auch
weniger Wasser halten als am Ufer des Flusses, so werden die ober-
flächlichen Lagen dort schneller austrocknen und die Staubbildung
stärker sein; der starke Pflanzen wuchs giebt dem Boden aber; noch
genug Feuchtigkeit zur Entwicklung der Plasmodien. Nur in dem
Dorfe, welches auf der Spitze eines Sandsteinhügels lag, genügte die
Feuchtigkeit nicht zur Entwicklung der Plasmodien. Uebrigens haben
wir zu beachten, dass der Staut) nicht so sehr durch horizontale
Luftströme aufwärts geführt wird, sondern vielmehr durch den
„Courant ascendant“, dadurch kann cs geschehen, dass die Spitze
eines Hügels, welcher sich aus einer inficirten Malariagegend erhebt,
ungesunder ist als die Ebene selbst.
') Alle genannten physikalischen Eigenschaften des Bodens habe ich durch
Untersuchung vieler Bodenproben zahlonmässig bestimmt, worauf ich hier nicht
nlther cingohon will. Uebrigens sind sie bereits lango bekannt.
Malaria und Höhenklima in den Tropen.
9
Noch eine andere Thatsache lässt sich aus den Beobachtungen
Nieuwenhuis’ beweisen, nämlich: dass die Luftströme die Plas-
modien nicht weit mit sich führen1), oder dass diese, und letzteres
ist wahrscheinlicher, in der Luft schnell nbsterben. Denn die
malariafreien Dörfer lagen zuweilen nur eine Stunde von den
malariainficirten Dörfern entfernt, der Abstand genügte also, um
die Plasmodien im Luftstrom unwirksam zu machen. Gleiches ist
ja auch von den Häfen bekannt. Ich kann hinzufugen, dass es auch
für den berüchtigten Hafen Tandjong Priok gilt; liegt das Schiff im
inneren Hafen, dann genügt eine Nacht an Bord des Schiffes zu-
gebracht, um mit Malaria inficirt zu werden, liegt das Schiff im
Aussenhafen, dann bleibt die ganze Mannschaft gesund. Stürben die
Plasmodien nicht schnell im Luftstrom, daun müsste auch auf den
höchsten Bergspitzen Javas Malaria herrschen, denn ich habe von
den Berggipfeln aus Beobachtungen darüber angestellt, wie hoch die
Staubwolken sich über der Ebene erheben und gefunden, dass sie
meistens 3 — 4000 Fuss hoch sind, aber in der trocknen Jahreszeit
sich bis zu 8 oder 10000 Fuss erbeben können, in seltenen Fällen
auch darüber hinaus.*)
In meiner unmittelbaren Umgebung im Tenggergebirge (Ost-
Java) reichen die Kaffeegärten bis zu 4000 Fuss aufwärts, oberhalb
derselben ist auch der Wald verschwunden und finden sich nur noch
Mais- und Gemüsegärten bis über 6000 Fuss. So weit die Kaffee-
pflanzungen sich ausdehnen, findet man noch Malaria, oberhalb der-
selben fehlt sie, das ganze Gebirge ist dabei sehr wasserarm, aber
reich an sandiger Asche. Während der Regenzeit werden die Pflan-
zungen durch die Bevölkerung gereinigt, es wird also die Erde auf-
gewühlt, trotzdem ist Malaria dann sehr selten. In der trocknen
Jahreszeit werden die Bohnen gepflückt, dann erkranken viele
Hunderte der Arbeiter. Es ist der Boden in den Kaffeepflanzungen,
die durch grosse, schattige Bäume beschützt werden, also feucht
genug, um die Plasmodien zur Entwickelung zu bringen. Da der
Boden in der Regenzeit aber nicht trocken wird, so bleiben sie im
Boden liegen und während der trocknen Jahreszeit werden sie mit
dem Staub umhergewirbelt. Oberhalb der Kaffeegärten, in den Ge-
müsepflanzungen, die keine Schattenbäume haben, fehlt die Malaria
i
') Davidson. Hygiene and diseases of wann elimates. 1893. S. 141.
*) Wenn die Staubtheilo nicht durch den courant ascendant aufwärts stiegen,
dann wäre es unerklärlich, wie jene bis zu 12000 Fass aufwärts steigen könnten.
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10
J. H. F. Kohlbrugge.
gänzlich, es ist der Boden dort zu trocken wegen des starken Sand-
gehalts und der Wasserarm uth des Gebirges bei einem vollständigen
Mangel an feuchtem Untergrund, auch durch die austrocknende
Wirkung der starken Insolation im Hochgebirge. Es wiederholen
sich hier also die aus der Sahara bekannten Erscheinungen. Dort
fehlt die Malaria in der Wüste, aber sie herrscht furchtbar in den
Oasen.
Die Plasmodien haben jedoch den Sandboden zu ihrer Entwick-
lung nicht nöthig, sie entwickeln sich dort nicht besser als in frucht-
barer Erde, aber der Sandboden wird, weil Feuchtigkeit und Trocken-
heit schneller wechseln, den Plasmodien mehr Gelegenheit geben,
sich mit dem Staub zu mischen. Es müssen also eine Anzahl Fak-
toren Zusammenwirken, um einen geeigneten Boden für die Malaria
zu schaffen. So wird es auch begreiflich, dass während der Regen-
zeit in einer Gegend die Malariaerkrankungen zunehmen, in einer
andern abnehmen, wie allgemein bekannt ist (vergl. Davidson l. c.
S. 139). In den niedrigen Theilen der alluvialen Ebene wird
durch den Regen der Boden mit Wasser bedeckt und könnten die
Keime dann den Boden nicht verlassen, in anderem, sonst trocknem
Boden wird durch den Regen erst die nöthige Feuchtigkeit geschaffen,
welche zur Entwicklung der Plasmodien nöthig ist; an trocknen Tagen
können diese dann verstäuben, oder die Verbreitung findet erst am
Ende der Regenzeit statt. So beobachtete ich in diesem Gebirge
während des Regenmussons 1896 — 97 Folgendes: Der Regenmusson
fiel zur rechten Zeit ein, die Malaria verschwand aus den Kaffee-
pfianzungen, nach einem Monat hörte der Regen plötzlich wieder
auf, und es folgte nun die heftigste Malariaendemie, welche ich je
beobachtet habe, mit sehr vielen Todesfällen. Da dürfte man erwarten,
dass die Malaria am Ende der Regenzeit immer am heftigsten auf-
treten müsse. Trotzdem beobachtete ich dann nie die erwartete Zu-
nahme, sondern erst einen oder zwei Monate später. Dies lässt sich
dadurch erklären, dass erstens der Boden nicht so schnell seine
Feuchtigkeit verliert, zweitens erst zwei Monate nach der Regenzeit
mit dem Pflücken der Bohnen begonnen wird. Und wenn die oben
erwähnte Malariaendemie sofort nach dem Regen zum Ausbruch ge-
langte, so darf uns dies nicht erstaunen, denn der Boden war (nach
nur einem Monat Regen) nicht genügend durchnässt und konnte also
schneller als nach normalem, fünf Monate dauerndem Regenmusson
austrocknen; mit dem zurückkehrenden Regen verschwand auch die
Krankheit wieder. Damit stimmen die Erfahrungen nach starken
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Malaria und Höhenklima in den Tropen.
11
Ueberströmungen auf Java genau überein. Wenn nach heftigem
Hegen im Gebirge eine Wasserfluth entsteht (bandjir), dann folgt auf
die Fluth fast immer Malaria, wenn der Boden wieder trocken ge-
worden ist.
So erkläre ich mir auch, warum in den Tropen auf Umwühlung
der Erde fast immer Malaria folgt. Der Boden wird von seiner
schützenden Pflanzenhülle beraubt, die gelockerte Erde trocknet schnell,
und die darin ruhenden Plasmodien können nun durch die Luft-
strömungen mitgefiihrt werden. Die Ursache darf man nicht im Zu-
tagetreten tieferer Schichten suchen, denn dann würde die Malaria
nicht nach einiger Zeit wieder verschwinden, auch wenn die Aus-
grabungen sich nicht wieder mit Pflanzenwuchs bedecken. Denn die
vielen Fischteiche an der Küste Javas, welche vor langer Zeit ge-
graben wurden, und deren Boden zeitweise mit Wasser bedeckt,
zeitweise trocken ist, verursachen keine Fieber mehr, auch nicht
wenn man alles Wasser zeitweise abfliessen lässt; denn der Boden
dieser Teiche liegt nicht über dem Wassemiveau und so bleibt der
Boden feucht.
Zur Entwicklung der Malaria müssen nach obigen Auseinander-
setzungen die folgenden Faktoren vorhanden sein: I. Wärme und
Erde (Laveran). II. Feuchter Boden, dessen oberflächliche Schichten
austrocknen können. Dies muss man bei dem Bau von Wohnungen
und Krankenhäusern beachten. Zwar wurde in der Praxis bereits
vielfach nach diesen Grundsätzen gehandelt, ich habe auch nichts
Neues mittheilen wollen, nur fehlte in den mir zugänglichen Arbeiten
das Streben, das Auftreten der Malaria in den verschiedenen Gegenden
nach einheitlichen Gesichtspunkten zu erklären, man begnügte sich
meist mit der Aufzählung vieler Beobachtungen, die einander zum Theil
zu widersprechen schienen.1) Die Erklärung, welche ich hier ge-
geben habe, hätte ich auch aus den älteren Beobachtungen ableiten
') Das Beste was ich in dieser Beziehung gelesen habe, findet sich bei
Davidson (1. c.) S. 130 — 142 und S. 204—205; Laveran: Traitö des fievros
palustres. 1884. Weiter erschienen unlängst (Januar 1897) von diesen Autoren
neue Arbeiten in: , planus, Archives internationales pour l’histoire de la medecine
et pour la geographie medicale“; Laveran: Göographio medicale du paludisme;
Davidson: Pathologie o i the mascarene islands.
In Bezug auf Mauritius, wo die Malaria sich zuerst im Jahre 1857 zeigte,
glaube ich, dass die Plasmodien dort stets vorhanden waren, aber in dem gut
durchfeuchteten Boden schlummerten, und dass sie erst nach der Entwaldung,
als Feuchtigkeit und Trockenheit schnell wechseln konnten (Davidson S. 366),
ihren verderblichen Einfluss auf den Menschen zeigten.
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12
J. H. F. Kohlbrogge.
können, doch habe ich absichtlich nur die Verhältnisse in diesen
Colonien beobachtet, um, soweit möglich, nur neue Beobachtung mit-
theilen zu können. Denn diese behalten ihren Werth, auch wenn
man meine Erklärung verwirft. Darum will ich hier noch zwei Be-
obachtungen mittheilen, welche zwar kaum Werth haben für die
Bestimmung der günstigsten Lage für ein Sanatorium, aber die zum
besseren Verständnis der Aetiologie werthvoll sind.
An der Südküste Javas (Djember) steht am sandigen Meeres-
strande ein Haus, welches, wenn der Süd-Ost-Passat heftig stürmt,
einen Ruf geniesst als Heilstätte für Malaria. Legt sich der Wind
und treten die gewöhnlichen See- und Landströmungen an dessen
Stelle, dann erkranken die Bewohner an schwerem Malariafieber.
Da gleichzeitig der Regen anfängt, so kann die Ursache nicht in
plötzlicher Austrocknung des Bodens liegen, die ja auch während
des stürmischen Passats am stärksten eintreten musste, sondern wir
müssen annehmen, dass die Plasmodien durch die schnelle Bewegung
im Sturm ihre Kraft verlieren. Weitere Beobachtungen wären sehr
erwünscht.
Die zweite Beobachtung soll zeigen, wie beschränkt ein Malaria-
heerd sein kann, zwar steht sie ganz vereinzelt da, aber sie ist so
merkwürdig, dass sie genannt zu werden verdient, damit sie zu
weiteren Beobachtungen anrege. Eine Familie wohnte während
mehrerer Jahre in einem grossen Hause (in der Nähe von Soera-
bnya), in dessen Umgebung Malaria sehr selten ist. Jahre lang blieben
alle Mitglieder der Familie sehr gesund, ja sie zeichneten sich durch
blühende Gesundheit vor den meisten Nachbarn aus. Sie hatten die
steinerne Flur ihres Hauses mit schweren Rottanmatten belegt,
welche Jahre lang nicht entfernt wurden, endlich entschlossen sie
sich, da unter den Matten sich eine dicke Lage Schmutz angesammelt
hatte, diese zeitweise zu entfernen, um gründlich reinigen zu können.
Ein alter javanischer Beamter rieth ihnen ab, er behauptete, es sei
gefährlich Matten weg zu nehmen, welche schon so lange gelegen
hätten. Man störte sich nicht daran und bald nachher erkrankten
fast alle Mitglieder der Familie an Malaria und zwar einer schweren,
remittirenden Form. Nachdem sie im Gebirge geheilt waren, kehrte
das Fieber nicht wieder zurück. Ich glaube, wir müssen das Fieber
durch das Eintrocknen und Verstäuben des Schmutzes erklären, der
zwischen den dichten Matten und den feuchten Steinen feucht ein-
geschlossen gewesen war, zumal das Wassersprengen in den Wolin-
räumen hier üblich ist; so konnten sich also auch in diesem Schmutz
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Malaria und Höhenklima in den Tropen.
13
oder Staub Plasmodien entwickeln. Wir wollen jetzt noch die Ver-
hältnisse in den Bergen näher betrachten, da man immer mehr zu
der Ueberzeugung gelangt, dass Sanatorien nur im Gebirge gebaut
werden sollen. Wir haben dann zunächst darauf zu achten, dass in
Vorder-Indien die schwersten Malariaformen am Kusse der Berge
gefunden werden, leider fehlen genauere Beschreibungen der Boden-
verhältnisse (Davidson 1. c. S. 80). Als allgemein gültiges Gesetz
gilt dies gewiss nicht für Java, alles hängt von den localen Verhält-
nissen ab. Im Allgemeinen kann man behaupten, dass bereits Er-
hebungen von 1000 — 2000 Kuss relativ frei von Malaria sind. Käst
alle Kieberkranke aus dem Gebirge, die ich behandelte, wurden in
den Kaffeepflanzungen inficirt, deren Einfluss ich bereits oben ange-
deutet habe. Aus den Gebirgen von Ost- Java, welche mit solchen
Pflanzungen bedeckt sind, stammen die schwersten Malariaformen.
Es ist also das Gebirge nicht an und für sich immun, sondern alles
hängt von der Bodensorte und Bodenbekleidung ab1). Es scheint,
dass die Bewohner der Abhänge von isolirten Hügeln (wie die von
Sambas) weit mehr von Malaria zu leiden haben, als die der Ab-
hänge der grossen Gebirgsmassen Javas in gleicher Höhe. So findet
man viele Malariakranke unter den Bewohnern der niedrigen Gebirge
längs der Süd- und Nordküste, weit weniger am Kuss der grossen
Vulkane. Es fehlen leider genaue Vergleichungen, vielleicht ist die
vulkanische Natur der grossen Berge nicht ohne Einfluss, oder auch
der Thal wind, der den isolirten Hügeln fehlt. So viel steht fest,
dass Malaria auch im Hochgebirge beobachtet wurde; so wüthet sie
heftig auf dem Plateau von Karman in Persien in einer Höhe von
7500 Kuss (Davidson 1. c. S. 130 u. 132), wo der Boden überall
feucht ist. Es ist auch zu erwarten, dass dort, wo man im Hoch-
gebirge feuchten Boden findet, dieser sehr günstig für die Verbreitung
l) Oefter las ich die Behauptung: „In Mexico ist Malaria unbekannt, weil
die Stadt so hoch liegt“, das ist aber gar keine Erklärung. Auf Bergen eben so
hoch wie Mexico wurde öfter Malaria konstatirt, es müssen also andero Gründe
vorhanden sein, warum sie sich in Mexico nicht entwickeln kann. Nicht die
Höhe an und für sich vertreibt die Plasmodien, sondern dieso sind nur darum
in den Bergen seltener, weil dort öfter als in der Ebeno die Bedingungen für
ihre Entwicklung fehlen. Laveran behauptet, das Thal du Runnel sei mit
Malaria inficirt, Constantine hingegen fast ganz frei von dieser Krankheit, weil
die Stadt 180 Meter höher liege als jenes Thal. In Sambas hingegen beobachtete
Nieuwenhuis, dass die Ebene frei ist von Malaria, während sie auf den Hügeln
zahllose Opfer fordert. Das sind also directe Widersprüche, die, wie ich glaube,
nur in der von mir angedeuteten Weise gelöst werden können.
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J. H. F. Kohlbrugge.
der Malaria sein wird, denn die Austrocknung geschieht im Hoch-
gebirge schneller; daher wechselt die Feuchtigkeit der oberen Schichten
sehr schnell mit grosser Trockenheit. Aus diesem Grunde sollte man
nie die Hochplateaus wählen und habe ich, als ich im Aufträge der
hiesigen Regierung unlängst die Hochfläche des Janggebirges cliroa-
tologisch untersuchen musste (Höhe 7 — 8000 Fuss), der Gründung
eines Sanatoriums dort abgeraten. Man sollte gut auf obengenanntes
Beispiel aus Persien und andere aus Vorder-Indien achten. Zwar
scheinen die horizontalen Flächen im Hochgebirge so viel geeigneter
für die freie Bewegung der Kranken und werden daher unerfahrene
Collegen immer diese zuerst wählen. Aber wir müssen die Vortheile
der horizontalen Flächen drangeben und unsere Sanatorien in den
Tropen auf steilen Abhängen bauen, je abschüssiger das Terrain ist,
desto gesünder ist es auch1). Wir dürfen uns nicht nach europäischen
Vorbildern richten. Wenn das berühmte Ober-Engadin auf Java
läge, dann würde es eine mittlere Temperatur von 17 — 18° C. be-
sitzen, und ich bin überzeugt, dass dort die Malaria allmächtig
herrschen würde, ganz wie auf Karman in Persien. Nur auf ab-
schüssigem, wasserarmem Terrain kann in den Tropen so trockner
Boden gefunden werden, dass die Plasmodien sich unmöglich in dem-
selben entwickeln können. Ist der Pflanzenwuchs aber der Art, dass
er die Sonnenstrahlen nicht durchdringen lässt, ohne jedoch den
ganzen Boden zu bekleiden, dann bleibt dieser feucht und gleich-
zeitig geeignet für die Entwicklung der Plasmodien. Man muss also
ein Terrain wählen, welches seit langer Zeit entwaldet wurde. Von
allen Bodenarten ist Sandboden am trockensten, und daher werden
die Aschenkegel der hohen Vulkane sicher ganz malariafrei sein.
Es ist aber nicht nothwendig, auf diese trockne Asche zu bauen,
unterhalb derselben liegt meist eine Zone, wo Asche sich mit Humus
mischt, der Boden aber noch so porös ist, dass die Bildung einer
Pfütze unmöglich wird. In solcher Gegend liegt das Sanatorium
Tosari und hier wurden demnach auch Resultate erzielt, wie bisher
weder auf Java, noch auf dem Himalaja erreicht worden sind.
>) Vergleiche: Däubler, Ueber den gegenwärtigen Stand der mediciniscten
Tropenforechung. Deutsche medicin. 'Wochenschrift 1896. Nr. 8 und 9: Jst
der Boden malariafrei, oder zu drainiren, so lässt sich in einem solchen Gebiete,
das immerhin 1400 Meter hoch gelegen sein müsste, gegen den Versuch einer
Colonisation nichts einwenden, aber die Beschaffenheit des Bodens, namentlich
ob das Terrain abschüssig genug ist, um der Bodenfeuchtigkeit und dem Grund-
■wasser steten Abfluss zu verschaffen, muss sorgfältig berücksichtigt werden.“
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Malaria und Höhenklima in den Tropen.
16
Diese Mittheilungen sollen sich zwar auf die Malaria beschränken,
doch will ich nicht unerwähnt lassen, dass auf Java wie in Vorder-
indien die „hill-diarhoe“ und Dysenterie auf allen Bergen gefunden
wird, oft viel heftiger als in der Ebene. Für sie gilt, ähnlich wie
für Malaria, dass die Krankheit sich auf ganz trocknem Boden nicht
entwickeln kann, hat man also einen Ort zu seiner Verfügung, welcher
den oben genannten Anforderungen genügt, dann hat man damit
gleichzeitig ein Sanatorium für Dysenterie gefunden. In diesen Colo-
nien wird man Bauchkranke nie in’s Gebirge schicken, bisher machte
man nur fiir Tosari eine Ausnahme. Dies wird uns wohl dahin
führen, dass immer mehr Sanatorien in ähnlicher Lage werden ge-
gründet werden, und dann können wir erwarten, dass die meisten
Kranken, welche bisher in Europa Heilung suchen mussten, in den
Colonien selbst genesen werden. Ich habe hier nur allgemein gültige
Regeln aufstellen wollen, und es ist nicht meine Absicht, dieses Ge-
birge und seine Bevölkerung näher zu beschreiben, wer sich dafür
interessirt, kann genaueres in der Zeitschrift „Janus“1) finden, wo
ich die Resultate einer 4 jährigen Praxis unter einer Bevölkerung
von mehr als 6000 Seelen niedergelegt habe. Dort wird man finden,
dass es hier fast nur zwei Todesarten giebt: die der Säuglinge durch
Vernachlässigung und die der alten Leute durch Altersschwäche*).
Wenn der Tod in den ersten Lebenswochen nicht gewaltig aufräumte,
dann müsste die Bevölkerung, die ausserdem sehr fruchtbar ist, sich
unglaublich schnell vermehren.
B. Das Höhenklima und die Heilung der Malaria.
Wie ich bereits im ersten Theil meiner Arbeit erwähnt habe,
strömen hier die Kr anken aus allen Inseln des Archipels zusammen.
Trotzdem ist die jährliche Zahl der Patienten nicht sehr gross8).
Dies erklärt sich einfach dadurch, dass das Reisen in diesen Colonien
kostspielig ist, dass weiter sehr viele Höhenstationen mit oder ohne
ärztliche I Leitung sich auf den Inseln Java und Sumatra finden und
ein jeder also soweit möglich die nächstliegende wählt. Nur wenn
*) Archives internationales pour l’histoire de la medecine et la geographie
medical e. Amsterdam 1897.
*) Erinnert uns dies nicht wieder an die Sahara, von der das arabische
Sprüchwort sagt: „Wer nicht durch das Schwert stirbt, der lebt ewig.“
*) Diese Mittheilungen beziehen sich nur auf die im Sanatorium verpflegten
Europäer. Die javanischen Patienten der Umgegend bleiben ausser Betracht
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J. H. F. Kohlbrugge.
alle Arzneien oder eine erste Reise in die niederen Gebirgszonen
erfolglos blieben, entschliessen sich die Kranken, nach Tosari hinauf-
zusteigen. Ebenso werden nur diejenigen Officiere und Beamte nach
Tosari geschickt, welche an den hartnäckigsten chronischen Malaria-
fieberu leiden. Ich behandle also im Sanatorium fast nie frische
Infectionen, auch selten intermittirende Fieber, da diese ja meist
durch Chinin heilen; die meisten Kranken leiden an remittirenden
Fiebern. Auch die Malariafieber mit langen Intervallen, die sich
alle 6 — 9 oder 12 — 18 — 30 Tage1) wiederholen, kommen hier
häufig vor. Fast alle Kranke kommen mit einem verdorbenen Magen
hier an, daran ist nicht allein die Malaria schuld, sondern vielmehr
der fortwährende Gebrauch von Chinin- und Arsenikpräparaten. Dabei
möge man bedenken, dass viele Collegen hier unglaubliche Mengen
Chinin verschreiben, 2 — 3 g Sulphas oder Hydrocliloras Chinini sind
die gewöhnlichen Tagesdosen, doch sah ich auch 5 — 6 g de die vor-
schreiben *) und von dem beliebten Liquor Fowleri steigen viele bis
30 Tropfen de die. So ist es kein Wunder, dass ich meist Magen-
kranke behandeln muss, und dies führte mich dahin, alle Antipyretica
zu verlassen, das Fieber dem Klima zu überlassen und selbst nur
den kranken Magen zu beeinflussen. Diese expectative Therapie liess
sich auch dadurch rechtfertigen, dass Chinin auf remittirende Fieber
fast gar keinen Einfluss hat und die neueren Antipyretica genügen
gar nicht der Indicatio causalis; ich gebe letztere denn auch nur,
wenn das Fieber bis 40° C. gestiegen ist, und auch dann ziehe ich
ihnen meist den Alcohol und die Bäder vor. Obgleich ich den Alcohol
(oder Aether) als ein kräftiges Heilmittel schätzen lernte, besonders
für die Malayen, deren Körper nicht daran gewöhnt ist, so kam doch
oft der Wunsch in mir auf, ein Mittel zu finden, welches der Indi-
catio causalis genügt, aber nicht wie das Cliinin den Magen schädigt.
Ich habe viele Mittel versucht, die in Europa empfohlen werden, aber
ohne Erfolg, ich wandte mich mm an den botanischen Garten in
Buitenzorg und erbat mir diejenigen Pflanzen, welche von den Malayen
gegen Fieber benutzt werden; mehrere habe ich erprobt, über andere
sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, doch kann ich
mittheilen, dass bisher sich nur eine bewährt hat, und zwar Ficus
>) Diese Perioden sind meist ganz unregelmässig.
») Ausserdem sind die Chininpräparate hier Hausmittel, die jede Hausmutter
ihren Kindern giebt, wenn sie as nöthig findet. Wenn hier also auch M&Iam-
fieber mit langen Intervallen Vorkommen, dann ist gewiss nicht ungenügende
Chinintherapie daran schuld, wie Mannaberg glaubt.
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Malaria and Höhenklima in den Tropen.
17
Ribes-Reinw *). Ich benutze nur die Rinde dieses Baumes, die Javanen
nennen die Drogue Gambir vetan; ich verschreibe meist 20 — 30 g
de die in einem decoct*). Bei meinen magenkranken Patienten wirkt
von allen Mitteln Cortex condurango am besten und von den Nahrungs-
mitteln werden meist Mehlspeisen und Hülsenfrüchte am besten ver-
tragen, auf die Bereitung dieser und anderer Speisen für solche
Patienten will ich nicht näher eingehen. Ich gebe hier nur eine
summarische Uebersicht, denn nicht meine Therapie will ich den
Collegen empfehlen, sondern nur zeigen, wie ich im Allgemeinen
handle, damit man beurtheilen kann, welche Hülfsmittel hier neben
dem Klima angewendet werden. Ich betrachte Obiges als Nebensache,
Hauptsache ist die richtige Verwerthuug des Klimas, wie ich sie
durch persönliche Erfahrung und Versuche kennen gelernt habe.
Drei Regeln werden jedem Patienten bei Ankunft vorgeschrieben :
„Ruhe, Nicht-Baden, Vermeiden der Abend- oder Nachtluft.“ Diese
Vorschriften will ich jetzt näher erklären.
Als ich im Anfang meiner Praxis die Patienten ihrem eigenen
Willen überliess, spazirten die meisten Kranken viel umher, und die
Reconvalescenten machten sobald als möglich Ausflüge ins Gebirge. Ich
fuge hinzu, dass dieses Gebirge zu den schönsten und herrlichsten
gehört, die die Erde trägt. Es ist also begreiflich, dass die Kranken,
schon aus Langeweile, sobald als möglich Ausflüge machen wollen.
Doch ist es eine Schattenseite des Terrains, dass das Sanatorium auf
einer kleinen Terasse hegt, welche fast ganz durch die Gebäude be-
deckt wird, man kann also nicht spaziren gehen, ohne auf und ab
zu steigen. In unerklärlicher Weise sah ich nun die Fieber während
der ersten Monate meiner Praxis bei den Reconvalescenten immer
wieder zurückkehren, bei den Kranken sich verschlimmern, bis ich
erkannte, dass die körperliche Bewegung daran schuld sei. Ich stellte
nun bestimmte Versuche an und es ergab sich: 1. dass körperliche
Anstrengung auch dann schadet, wenn die Leute keine Ermüdung
fühlten; 2. dass ruhiges Hin- und Hergehen auf der Terasse nicht
schadet, auch wenn es lange dauert; 3. dass auch ein Spaziergang
in der Umgegend nicht schadet, wenn man ununterbrochen den Berg
abwärts steigt und sich dann zurücktragen lässt; 4. dass das Bergauf-
wärtssteigen immer neue Fieber hervorruft, auch bei Personen, welche
>) Beinward, Deutscher von Geburt, Weiland Direktor des botanischen Gartens
zu Leyden. Anm. d. Bed.
*) Boorsma: Eerste Resultaten van het onderzoek naar de Plantenstoffen
van Nederlandsch Indio. Mededeelingen uits’ Lands Plantentuin. Batavia 1894.
Archiv f. Schifft* u Tropenhygiene. II. 2
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J. H. F. Kohlbrugge,
an das Bergsteigen gewöhnt sind. Allerdings verhielten die ver-
schiedenen Personen sich etwas verschieden, bei dem einen kehrte das
Fieber nur dann zurück, wenn er einige hundert Fuss aufwärts ge-
stiegen war, bei dem andern schon nach dem Ersteigen einer 20 stufigen
Treppe. Wie sollen wir uns dies erklären? Die Malariaplasmodien
waren zwar aus dem Blute verschwunden, als das Fieber aufhörte,
aber sie waren noch im Körper vorhanden, sonst hätten sie nicht
plötzlich wieder im Blut erscheinen können in einer malariafreien
Gegend.
Warum verschwinden aber die Plasmodien so plötzlich aus dem
Blute, so dass die meisten Patienten , die wochenlang krank gewesen
waren, bereits am ersten Tage nach der Ankunft fieberfrei sind? Ich
kann hier nur eine Yermuthung aussprechen, eine gut bewiesene
Erklärung wird wohl noch lange auf sich warten lassen. Vielleicht
wird das Blut der Neuangekommenen im Hochgebirge nicht genügend
mit Sauerstoff gesättigt wegen der Sauerstoffarmuth der Hochgebirgs-
luft, dabei hat der Neuling noch nicht gelernt, durch häufigere und
tiefere Inspirationen diesen Sauerstoffmangel zu compensiren, er lernt
ilies erst unbewrusst während der Acclirnatisation. Dieser relative
Sauerstoffmangel verursacht vielleicht ungenügende Ernährung der
Plasmodien, so dass diese (wie durch Chinin) betäubt’) oder getötet
werden, und als Corpera aliena durch die Leucocyten (Macrophagen)
der Milz und des Knochenmarks aufgenommen werden *). So werden
sie der Circulation entzogen. Nach der Acclirnatisation, die bereits
nach wenigen Tagen Btattfindet, werden die Lebensbedingungen für
die Plasmodien wieder günstiger, aber sie können nicht freiwillig
ihre Schlupfwinkel verlassen, ein erhöhter Blutdruck, eine schnellere
Circulation ist nöthig, um sie wieder in den Kreislauf zu bringen.
Durch das Bergaufwärtssteigen wird die Circulation sehr angeregt,
der Herzschlag wird frequenter und tiefer, auch die Schweisssecretion
nimmt stark zu durch den erhöhten Blutdruck und die starke In-
solation im Hochgebirge. Auch die Wasserverdampfung ist im
Hochgebirge beschleunigt, die Haut wird trocken und rissig. Ent-
•) Vergl. Mannaberg: Die Malaria-Parasiten. Wien 1893. S. 179: ,Jü
ist daher gerechtfertigt, wenn Binz der Vermuthung Ausdruck giebt, dass die
Infusorien an Erstickung zu Grunde gehen, indem das Chinin das Protoplasma
der Fähigkeit beraubt, Sauerstoff aufzunehmen.
’) Vergl. die Arbeiten Metschnikoff's und Bignami’s (Mannaberg
I. c. S. 166). Sie fanden die Parasiten in den Macrophagen der Milz und des
Knochenmarks.
Malaria und Höhenklima in den Tropen.
19
Zündungen folgen. So strömt das Blut der Peripherie zu; auch die
Muskelthätigkeit steigert den Blutdruck. So ist es also wohl erklär-
lich, dass die Plasmodien aus der Milz und dem Knochenmark wieder
hervorbrechen und in den Kreislauf gelangen '). I)a aber die Para-
siten meist an und für sich nicht genügen, um Fieber hervorzurufen,
sondern dazu die Entwicklung einer neuen Generation nöthig ist, so
recidivirt die Malaria auch nicht sofort, sondern (wie bei der Inter-
mittens tertiana) erst ± 24 Stunden nach der ersten Bergparthie.
Auch kommt es häufig vor, dass scheinbar gesunde Touristen
nach Tosari kommen und 24 Stunden nach der ersten Bergparthie
an echter Intermittens erkranken, diese waren entweder im In-
cubationsstadium der Malaria, oder sie litten an einer Infection,
welche noch keine Fieber erzeugt hatte, ihnen daher unbekannt war.
Dies wirft ein neues Licht auf die chronischen fieberfrei verlaufenden
Malariacachexien. Auch ist das Zurückkehren der Malariafieber bei
lleconvalescenten nach dem Bergsteigen so constant, dass ich es als
ein wichtiges diagnostisches Hülfsmittel benutze.
Bei Patienten, welche an allgemeiner Schwäche, an Neuralgien
und anderen Reizerscheinungen leiden, ist man in den Tropen ge-
neigt, alles der Malaria in die Schuhe zu schieben; kommen solche
Patienten nach Tosari und ist die Diagnose zweifelhaft, dann lasse
ich sie die Berge besteigen und mit kaltem Wasser übergiessen , folgt
dann am nächsten Tage kein Fieber, dann litten sie nicht an Malaria,
sondern an anderen Krankheiten. Vielleicht wird man dies als ein zu
gewalttätiges Diagnosticiren betrachten, aber ich kann diese Auflas-
sung dadurch bestreiten, dass 1 . ein heftiges Fieber weniger schwächt,
als die chronischen Malariacachexien (welche ich besonders wegen ihres
Einflusses auf die Nieren fürchte), und dass 2. ersteres leichter zu
heilen ist. Dabei verfüge ich über ein therapeutisches Agens, welches
mich fast nie im Stich lässt, wie wir weiter unten sehen werden.
Mit einigen Worten will ich noch erklären, warum ich glaube,
dass die Plasmodien aus dem Blutstrom in Milz und Knochenmark
aufgenommen werden. Durch Probepunctionen der Milz hat inan
nachgewiesen, dass Plasmodien in dem Milzblut vorhanden sein
können, wenn sie sich im Blut der Fingerbeere nicht nachweisen
lassen, ausserdem kennen wir die Milzschwellung und Milzschmerzen,
die oft so lange anhalten, und die pathologisch-anatomischen Ver-
') Aus der Arbeit Hannaberg's (8. 166) ersehe ich, dass Bignami vor
mir die Kecidive in ähnlicher Weise erklärt hat, aber aus ganz andern (pathologisch-
histologischen) Gründen.
2*
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J. H. F. Kohlbrugge.
änderungen der Milz und des Knochenmarks bei durch Malaria ge-
storbenen Patienten.
Neue Thatsachen kanu ich hinzufügen. Bei acht Patienten be-
obachtete ich, nachdem das Fieber gewichen war, Schmerzen
in den Beinen. Bei einigen waren diese so stark, dass sie nicht
schlafen konnten. Es waren keine lancinirenden Schmerzen, sondern
ein fortdauernder nagender Schmerz. Niemals war an den Beinen
etwas zu sehen, weder Haut noch Muskeln waren schmerzhaft bei
Druck. Die Schmerzen nahmen nicht zu bei Bewegung, elektrisch
waren keine Abweichungen von dem Verhalten normaler Muskeln zu
constatiren, zuweilen waren die Reflexe erhöht Die Schmerzen
Hessen sich durch keine äusseren Mittel beeinflussen, auch nicht durch
Massage, doch schwanden sie fast immer nach einigen Tagen oder
einigen Wochen. Nur zwei Utten dabei an Muskelschwäche, sie
sanken in die Knie, wenn sie sich aufrichten wollten, aber das wareu
Ausnahmen; die Schwäche schien von den Schmerzen ganz unab-
hängig zu sein. Meist waren diese in der Tibia lokalisirt, seltner
im Femur, einmal in den oberen Theilen der Tibia und der Patella,
einmal unbestimmt in den Knien und dabei in den Condylen des
Humerus und im oberen Theil der Ulna. Ich glaube diese Schmerzen
mit denen in der Milz vergleichen zu können, die man so häufig bei
Malaria findet und dann lassen sie sich nur durch Schwellung des
Knochenmarks erklären, das Periost kann daran nicht betheihgt sein,
denn die Knochen schmerzen nicht bei Druck'). Darum glaube ich,
dass die Plasmodien, wenn sie dem Blutstrom entzogen sind, noch
das Knochenmark und die Milz reizen, dass sie von dort bei günstiger
Gelegenheit wieder ausschwärmen können, oder wenn diese sich nicht
bietet, langsam absterben*). So hat der Wirth es durch Ruhe u. s. w.
') Nach Abschluss dieser Arbeit ersehe ich aus den MittheUungen Manna-
berg's (1. c.), dass die Schmerzhaftigkeit der Extremitäten ein weit verbreitetes
Symptom der Malariainfection ist Hier ist as selten und hörte ich nie davon
reden, vielleicht werden sie von den meisten Collegen unrichtig gedeutet und der
hier so weit verbreiteten Beri-beri zugeschrieben. Im Gegensatz zu Mannaberg
muss ich betonen, dass die Schmerzen durch Beklopfen der Knochen nicht ge-
steigert werden.
») Obige Mittheilungen wurden zum Theil bereits in Holländischer Sprache
publicirt: Malaria en hare genezing te Tosari. Geneeskundig Tijdschrift Toor
Nederl. Indie. 1895. Unlängst erstattete Laveran der Academie de medecine
(Seance 16 fevr. 1897) Bericht über neue Malariaforschungen, dem ich Folgendes
entnehme: U me parait donc averö que les hematozoaires ont une tendance tres
marquee k Be cantonner dans la rate et i y sejourner. Qu’un traumatisme ou
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Malaria und Höhenklima in den Tropen.
21
in seiner Macht, die Parasiten absterben zu lassen, doch muss ich
hinzufügen, dass ich auch wiederholt Itecidive sah, ohne dass ich
eine Ursache dafür auffinden konnte. Neben dem Bergaufwärtssteigen
scheint auch Massage des Bauches und der Milz (wie wohl begreif-
lich ist, wenn man meine Erklärung annimmt) die Plasmodien wieder
in den Blutstrom zu bringen, ich habe dies jedoch nur zwei Mal be-
obachten können '). Ganz besonders aber erregen kalte Uebcr-
giessutigen wieder neue Fieberanfälle, aus dem Grunde verbiete ich
das Baden. Das Wasser ist hier ziemlich kalt, 16° C., und man
badet auf Java fast nur mit Uebergiessungen. Wer die Wirkung dieser
Proceduren auf die Cirkulation kennt, der wird begreifen, dass sie
fast gerade so wie das Bergsteigen wirken müssen. Das Waschen
mit kaltem Wasser von Gesicht, Brust und Händen in den Zimmern
scheint aber auch den an die tropische Wärme gewöhnten Patienten,
nicht zu schaden. Ueber die Benutzung von warmen Bädern, über
Kleidung etc., will ich hier schweigen, sie haben mit der Krankheit
direct nichts zu schaffen.
Als drittes Verbot nannte ich für Reconvalescenten das Ver-
weilen in der Abendluft. Ich muss allerdings gestehen, dass ich
mich noch nie mit Sicherheit davon überzeugen konnte, dass das
Nichtbefolgen dieser Vorschrift Einfluss auf die Krankheit selbst
ausübte. Das Spazierengehen bei Mondenschein verbiete ich denn
auch nie, nur das Sitzen in freier Luft nach Sonnenuntergang ver-
biete ich (Abend- Temperatur 1-J — 16° C.). Ich thue dies, weil jedes
Bergklima erfahrungsgemäss Rheumatismus und Erkältungen erzeugt,
darum fürchte ich für die meisten schwachen, blutarmen Patienten
die Abkühlung während der Abendstunden.
Oben habe ich bereits erwähnt, dass ich ein mächtiges Hülfs-
mittel besitze, um Fieber, die liier recidivirten, wieder zum Verschwinden
zu bringen. Ich beobachtete während der ersten Jahre meiner
une cause irritative quelconque vienne ä öbranler cet Organe, ceux-ci seront mis ä
Iiberte et provoqueront 1 apparition de nouveaux acces malariques. II rcsulte de
ces considerations que la rate sert plutöt de lieu d’asile ä l'hematozoaire que
d’organe de protection contre ses mefaits. (Semaine medicale 1897, pag. 58).
■) Wie mir scheint, hat man in Europa ähnliche Beobachtungen gemacht,
ich schliesse dies nach dom Titel einer mir leider unbekannten Arbeit von
P. Pennato. Sulla ricomparsa dell accesso febbrile in seguito al massagio della
milza malarica. Riformn med. 14. Juli 1896. Auch hat man hier in Indien er-
fahren, dass sofort nach Bauchoperationen und Geburten ein typischer Malaria-
anfall auftroten kann. Vergl. Maasland: Een geval van Sarcoma ovarii; Geneesk.
Tijdschrift voor Ned. Indie, Deel. XXXVII. Aflev. 1 en 2, 1897.
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J. H. F. Kohlbrugge.
Praxis, dass, wenn bei Reconvalescenten das Fieber recidivirte, dies
aussergewöhnlich viel hartnäckiger geworden war und zuweilen ge-
lang es gar nicht, das Fieber zu heilen (auch Chinin war wirkungs-
los) und musste ich die Patienten nach Europa schicken. Es machte
den Eindruck, als ob die Plasmodien sich an das Klima von
Tosari gewöhnt hätten und nun hier eben so hartnäckig sich fort-
pflanzten, als in der Ebene. Ich dachte nun daran, dass nicht mir
eine Reise in ’s Hochgebirge, sondern jeder Ortswechsel, auch von
einer Malariagegend in die andere, oder von den einen Zimmer eines
Hauses in ein anderes1), heilen kann* *), wie die tägliche Erfahrung
auf Java lehrt; auch kennen wir den mächtigen Einfluss einer See-
reise und konnte ich mich öfter überzeugen, dass Patienten, die hier
nach ein bis drei Monaten nicht heilten, schon durch eine kurze
Seereise vollständig genasen; gleichen Einfluss, wenn auch weit ge-
ringer, beobachtete ich bei Reisen in der Eisenbahn. Was sind nun
diese Reisen anders als fortdauernde Klimawechsel. Doch nicht alle
Veränderungen sind gleich kräftige Heilfactoren , denn viele meiner
Patienten hatten schon mehrere Veränderungen ohne Erfolg versucht,
als sie sich zur Reise nach Tosari entschlossen. Auch bei diesen
sank das Fieber um so schneller oder je mehr, je höher sie den
Berg hinaufgetragen wurden und war bei Ankunft in Tosari sehr
oft bleibend verschwunden. Daraus können wir schliessen, dass, je
grösser der Unterschied zwischen zwei Orten ist oder je öfter der
Klimawechsel wiederholt wird (längere Seereise), desto schneller das
Fieber verschwinden wird. Theoretisch würde es sich also empfehlen,
nur dort, wo man weder über Berge noch über das Meer verfugen
kann, ein Sanatorium in einem Luftballon einzurichten, so grotesk
solch ein Vorschlag auch scheinen mag. Erklären kann ich diese
■) Die warmen Innenräume der Häuser wirken besonders während der
kühleren Nächte wie Schornsteine und hängt dann bei der Aspiration der Luft
viel von der Bauart und der direkten Umgebung ab. So erkläre ich mir die
Unterschiede zwischen zwei Zimmern oder zwei naheliegenden Häusern (Vergi.
Davidson 1. o. S. 204—205).
*) Die Ursache der Spontanheilung bei Spitalbehandlung dürfte nach
Mannaberg (8. 164) in allererater Linie der Bettruhe, der verbesserten Nahrung
und der allgemeinen körperlichen Erholung zuzuschreiben sein. Das gilt für die
Patienten in Indien, die ja doch alle wohlhabende Leute sind, die ihren Körper
pflegen können, gewiss nicht. Ich glaube, dass für diese und auch für die
Patienten Mannaberg's der Wechsel des Wohnortes (oder Hauses) am meisten
zur Heilung beiträgt Wenn Mannaberg jede Heilung ohne Chinin eine Spontan-
heilung nonnt, dann heilen fast alle meine Patienten spontan.
Malaria und Höhenklima in den Tropen.
23
Erscheinungen nicht, wir müssen aimehmen, dass auch die geringsten
Unterschiede der eingeathmeten Luft Einfluss auf die Plasmodien
ausüben, oder dass jeder menschliche Körper seine Individualität den
Plasmodien gegenüber behauptet, und dass dieser Körper nur dann
auf eine Plasmodieninvasion mit Fiebererscheinungen antwortet, wenn
gewisse äussere Bedingungen erfüllt sind, die aber für jedes Indivi-
duum anderer Art sein können. So kannte ich einen Patienten, der
krank nach Holland zurückkehrte und dort zeitweise wieder Fieber-
anfälle bekam, blieb er in der Provinz Friesland (Sneek), dann
fühlte er sich wohl, ging er nach Gelderland (Nymwegen), dann kehrten
die Fieber zurück, beide Gegenden sind durchaus nicht als Malaria^
quellen bekannt Wie sollen wir uns sonst die wunderbaren Kranken-
geschichten erklären, in denen mitgetheilt wird, dass ein Patient
Monate oder Jahre lang in von Malaria durchseuchter Gegend (z. B. im
berüchtigten Tjilatjap) lebte und dort nie fieberte, und dass er-
schwer erkrankte, als er in eine gesunde Gegend umgezogen war
(z. B. nach Djokjakarta); oder wo die Leute gesund nach Europa
abreisten und die Fieber sich mit regelmässigen Intervallen erst in
Europa zeigten; oder wo ein Rekonvalescent, der wochenlang fieber-
frei gewesen war, es auch während der Seereise blieb, plötzlich auf
dem Gipfel des Rigi vom Fieber überfallen wurde, den er doch ohne
Anstrengung mit Hülfe der Bahn erreicht hatte.
Solche Beobachtungen erregten in mir den Gedanken, mit
meinen Patienten öfter wiederholten Klimawechsel zu versuchen, nicht
nur um des Wechsels willen, sondern auch um für jeden Patienten
das für ihn zur Heilung am meisten geeignete Klima zu bestimmen.
Dazu verfügte ich über eine Station, welche 2000 Fuss über dem
Meeresspiegel liegt, also fast 4000 Fuss niedriger als Tosari, und
die man in 2 — 3 Stunden erreichen kann. Ich liess also meine
Patienten, deren Fieber hier recidivirte und dann lange anhielt nach
der unteren Station tragen und entweder dort bleiben oder nach
zwei Tagen zurückkehren, oder ich verschrieb denen, die regelmässig,
um die 8 oder 14 Tage fieberten, eine Reise dorthin, einen oder
zwei Tage vor dem zu erwartenden Fieber (wie man in solchen
Fällen ja auch häufig im Voraus Chinin giebt). Der Erfolg war
ein geradezu überraschender. Fast alle Patienten, die ich fieber-
krank nach Poespo (der unteren Station) schickte, beobachteten mit
dem Thermometer beständiges Sinken der Körpertemperatur und die
meisten wurden noch am Reisetage, andere den nächsten Tag fieber-
frei, einige verloren das Fieber erst, wenn sie den dritten Tag nach
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J. II. F. Kohlbrugge.
Tosari zurückgekehrt waren. Wenn man nicht nur auf das Fieber,
sondern auf die anderen Symptome im Reconvalescenzstadium achtete,
dann heilten manche überhaupt in Poespo besser als in Tosari.
Lurch diese Methode hat der Procentsatz der Heilung sich erhöht
und besonders heilen die Patienten jetzt schneller als früher, ich
furchte jetzt das Recidiv nicht mehr. Es geht daraus wieder hervor,
dass nicht die Hochgebirgsluft an und für sich, etwas durch ihren
Sauerstoffmangel, heilt, sondern nur die starke Luftveränderung diesen
Einfluss ausübt, es sei, dass man den Berg hinauf- oder ihn hinab-
steigt. In dem einen Falle kann man von vorübergehendem Sauer-
stoffmangel reden, in dem anderen von schädlichem (für die Para-
siten) Sauerstoffüberfluss in dem bereits an die verdünnte Luft
gewöhnten Körper des Wirths.
Aus diesen Beobachtungen lernt man den Nutzen der Ueber-
gangsstationen kennen, nicht etwa in dem gebräuchlichen Sinne,
dass man jeden Patienten erst an einer Zwischenstation verweilen
lässt, um sich nach und nach an das Bergklima zu gewöhnen1),
sondern nur um über die Mittel zum fortwährenden Klimawechsel
zu verfügen. Ich bezweifle denn auch nicht, dass, wenn man über
eine Gebirgsbahn verfügen kann, man noch bessere Resultate erzielen
wird, wenn man die Kranken oft auf- und abreisen lässt. Ich muss
die Kranken durch Menschen oder Pferde tragen lassen, aber kann
hinzufügen, dass ich über ein Transportmittel verfüge, womit auch
die schwächsten Kranken ohne Gefahr transportirt werden können,
doch will ich auf alle diese Details nicht näher eingehen.
Zum Schluss sei noch erwähnt wie viel Zeit die Kranken zur
Heilung nöthig haben. Leider habe ich keine genauen Statistiken
angelegt1), und kann ich daher keine Zahlen mittheilen. Viele kommen
*) Wenn man die Uebergangsstationen in dieser gebräuchlichen Weise be-
nutzt, dann wirken sic eher schädlich als heilend. Schon Ludwig hatte dies er-
kannt: Das Oberengadin in seinem Einfluss auf Gesundheit und Leben. Stutt-
gart 1877. S. 133: Ich habe Grund zu glauben, dass man mit derZeit für einige
Krankheiten (besonders Malariakachexie und gewisse Nonenanomalien) einen
raschen Klimawechsel für vortheilhaft und eine Zwischenstation für irrationell
erklären wird.11
>) Ich notiere meist nur die interessanten und abnormalen Fälle; doch auch
wenn ich alle in die Berechnung aufnehmen würde, die mich als Arzt consultirten,
dann müssten meine Zahlen doch keinen richtigen Eindruck geben, da viele
Kranke es nicht nöthig finden, sich Rath zu holen. Sie überlassen sich, und darin
haben sie ganz recht, dem Klima; auch sind meine Ansichten über die Lebens-
weise jedem bekannt, da sie bereits 1895 veröffentlicht wurden.
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Malaria und Höhenklima in den Tropen. 25
entweder fieberfrei in Tosari an, genesen also schon während der
Reise, oder sie haben bei Ankunft nur wenig erhöhte Temperatur,
die im Laufe des ersten Tages zu normaler Höhe oder unter diese
herabsinkt. Reddiv folgt dann meist nur durch eigene Schuld: das
Nichtbeachten der oben genannten Regeln. Bei anderen (den
meisten) verschwindet das Fieber während der Akklimatisatiosperiode ')
innerhalb der ersten fiinf oder acht Tage. Natürlich sind dann die
Folge- oder Begleiterscheinungen noch lange nicht verschwunden, die
Milz, die Leber etc. können noch längere Zeit geschwollen und
schmerzhaft sein, die Blutarmuth, die fast mit jeder Malariainfection
verbunden ist , verschwindet auch erst langsam ’). Als Regel kann
man annehmen, dass diese Nachwehen der Malaria innerhalb der
folgenden vier Wochen verschwinden und daim lasse ich meine
Patienten meist vier Wochen nach dem letzten Fiebertage nach
Hause zurückkehren, ein Recidiv nach vier Wochen gehört zu den
grössten Seltenheiten, ich sah nur drei Fälle unter mehreren hundert
Patienten. Sehr selten sah ich Fieberkranke, bei denen das Fieber
länger als 8 Tage anhielt. Meistens zeigte dann die Untersuchung
des Blutes keine Plasmodien und es stellte sich also heraus, dass die
Diagnose unrichtig gewesen war, oder wenn die Plasmodien wohl im
Blute vorhanden waren, dann erklärten sich die hartnäckigen Fieber
durch aussergewöhnlich grosse Milz- oder Leberechwellungen. Sehr
vereinzelt sind die Fälle, wo keine Veränderung am Körper zu con-
statiren war und die Fieber doch länger anhielten, diese heile ich
jetzt aber fast alle durch wiederholten Wechsel des Wohnortes wie
oben angegeben wurde.
Die Zahl der nicht geheilten Patienten, die von hier nach
Europa zogen, betrug ungefähr 3 0/0 der Gesamintzahl (± 500), von
diesen fieberten nur noch l °/0 , die anderen litten an den Nachwehen
der Malaria. Auch von diesen würden sicher noch einige geheilt
') Ueber die Akklimatisirung gobe ich hier auch hinweg, sie gehört nicht
in den Rahmen dieser Arbeit. Ueber diese und über die für eine Behandlung
im Höhencurort indicirten Krankheiton findet man Näheres in meiner Arbeit: In-
dicaties en Contraindicaties voor opzend'ng van Lyders naar Tosari: Geneeskundig
Tijd-schrift voor Ned. Indie, 1). XXXV. all. 2 en 8 1895.
*) Ueber die Veränderungen des Blutes im tropischen Hocbgobirge und
über den Einfluss der Malaria auf das Blut handelt meine Arboit: Action du climat
des tropiques et du climat d’altitude sur le sang de l’hommo. Geneesk. Tijdsch.
voor Ned. lud. Deel. XXXV. afl. 5 eu 6, 1895. Genaueres findet sich in der be-
kannten Arbeit von Mannaberg (1- c. ), dort ist auch die Litteratur zusammen-
gestellt.
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26
J. H. F. Kohlbrugge.
sein, wenn sie länger hier geblieben wären; es würde mich zu weit
führen, wenn ich genau auseinandersetzen wollte, warum solche
Kranken, wenn sie innerhalb 2 — 3 Monaten nicht heilen, Heber nach
Europa gehen. Reddiv kam bei den geheilten Fällen natürlich öfter
vor, doch fast nur bei solchen, welche zu früh abgereist waren ; unter
denen, die erst einen Monat nach dem letzten Fiebertage abreisten,
trat nur bei zwei Recidiv ein. Tod durch Malaria habe ich nie-
mals gesehen.
Bekanntlich werden Fiebernde meist schnell mager, ich konnte
bestimmen, dass ein heftiger Fieberanfall öfter mit einem Verlust von
1 — 2 Kilo Körpergewicht verbunden war. Hingegen wenn das
Fieber wieder verschwunden ist, nimmt das Körpergewicht in der
Woche meist mit 1 — 2 Kilo zu, oft auch schneller, durchschnittlich
3 — 5 Kilo im Monat. Ebenso schnell erhält auch das Blut seine
normale Beschaffenheit wieder. Wenn das Körpergewicht und die
Beschaffenheit des Blutes sich nicht bessern, dann ist Recidiv zu er-
warten. Bevor beide nicht ungefähr zur Norm zurückgekehrt sind, bevor
Milz und Leber nicht normal sind, lasse ich die Patienten denn auch
nicht abreisen.
Ein sehr wichtiges Mittel, um die Prognose zu stellen, ist das
Thermometer, ich lege denn auch viel Werth auf regelmässige Mes-
sungen1). Diese lehrten mir Folgendes: Febris intermittens heilt
schneller als Remittens oder Continua. Schlägt Remittens um in
Intermittens, so wird dadurch die Prognose günstiger, auch wenn die
Temperatur dabei steigt Bleibt das Fieber unveränderiich, denselben
Charakter zeigend, er sei intermittirend oder remittirend, dann wird
mehr Zeit zur Heilung nöthig sein. Schwanken die Temperaturen
stark (Ungleichheit der einander folgenden Tage) dann ist bald Heilung
zu erwarten, am schnellsten heilt der anteponirende Intermittens.
Es sind diese Regeln natürlich keine bestehenden Gesetze und
Ausnahmen kommen vor, aber ich habe sie als ein wichtiges, prog-
nostisches Hülfsmittel kennen gelernt Ein Gesetz, dass fast gar
keine Ausnahme kennt, ist dieses: , Nachdem das Fieber ver-
schwunden ist, sinkt die Temperatur unter 37° hinab und bleibt
mehrere Tage zwischen 36° und 37°. Häufig auch kommen Tem-
peraturen unter 36° vor; bis 35,5° kann das Thermometer sinken,
dabei wird im Munde gemessen. Langsam steigt die Temperatur
wieder aufwärts und ist meist in 6 — 8 Tagen wieder normal. So lange
') Alle Bestimmungen geschahen mit Jenaer Normalglas-Thermometem.
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Malaria and Höhenklima in den Tropen.
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die Temperaturemiedrigung dauert, muss der Reconvalescent sehr
vorsichtig sein, sonst folgt ein Recidiv, und dann wird meist ein neuer
Klimawechsel nöthig.
Ich übergehe die zahlreichen Beobachtungen von abnormalen
Typen und seltenen Begleiterscheinungen (wie Ascites, Pleuritis, Er-
blindung, Geistesstörung, Impotenz etc.), denn sie gehören nicht
direct zur Beantwortung der Frage, wie das Höhenklima Malaria heilt
und wie der Kranke sich in diesem Klima verhalten muss und schliesse
mit dem Wunsch, dass diese Mittheilungen aus der Praxis auch an
anderen Orten nutzbringend werden mögen.
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Die Filaria Kilimarae in Britisch -Ostafrika
von Dr. med. George Kolb, Wiesbaden.
Es ist zu erwarten, dass mit der genaueren Erforschung der
Tropen noch eine Reihe neuer Krankheiten gefunden werden wird.
Manches, was heute als Malaria angesprochen wird, hat bei ge-
nauerer Untersuchung nichts damit zu thun. Eine solche Erkrankung,
deren Existenz meines Wissens bisher nicht beschrieben worden ist,
nachzuweisen, ist der Zweck dieser Zeilen.
Wer in Ostafrika reist, wird zu verschiedenen Jahreszeiten,
am häufigsten kurz nach den Regenzeiten, auf einen weissen, faden-
förmigen Wurm von 0,5 — 1,0 mm Dicke und 10 — 20 cm Länge
aufmerksam, welcher sich bei allen möglichen Gelegenheiten dem
Auge des Forschers darbietet Obwohl es nach den mitgebrachten
Exemplaren noch nicht möglich war, das Thier, eine Filaria, genau
zu bestimmen — bei den Filarien auch für den Specialzoologen
keine leichte Sache — so glaube ich doch mit der Veröffentlichung
des Materials nicht länger zögern zu dürfen, denn meiner Ansicht
nach ist die Sache ein Gegenstand höchster Wichtigkeit für den
Europäer in den Tropen. Ich werde erst in zeitlicher Reihenfolge
erzählen, wie ich zur Beobachtung dieses Wurms kam und werde
dann zum Schluss die Folgerungen ziehen, zu welchen ich berechtigt
zu sein glaube.
1. Auf meinem ersten Zuge von der ostafrikanischen Küste
nach Westen entdeckte ich in dem Stuhlgang eines meiner schwarzen
Begleiter eine Zahl fadenförmiger Würmer, sehr ähnlich dem bei uns
häufigen Gordius aquaticus, von etwa 1 mm Dicke und 15 — 20 cm
Länge, von gelblichweisser Farbe. Ich hielt das Thier für den wirk-
lichen Gordius, nur wunderte ich mich, wo die Thiere in der
trocknen Wüste plötzlich herkamen.
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Die Fiiaria Kilimarae in Britisch -Ostafrika.
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2. Am Tsavotlusse fingen meine Leute Fische. Beim Essen
fiel mir die Menge der in demselben enthaltenen Filarien auf.
Meine weissen Begleiter verschmähten deshalb die Fische. In den
Fischen Afrikas ist das Vorkommen dieser Parasiten so häufig be-
schrieben, z. B. Dr. Peters „Deutsche Emin- Pascha Expedition“,
v. Hönel „Zum Rudolphsee und Stephaniesee“ etc., dass ich nicht
weiter darauf einzugehen brauche. (Siehe Schlussnote!)
3. Bei einem Ausfiuge, welchen ich von der Mission Ikutha
in Ukambani nach dem Sudende der Prinz Luitpoldkette machte,
entdeckte ich in einer Wasserlache, nahe einem Dorfe, aus der ich
trinken wollte, eine grosse Zahl solcher Filarien von 5 — 6 cm Länge.
4. An den Kilolumafällen des Tana, wo ich mich längere Zeit
aufhielt, waren während der Regenzeit in «eien Wassertümpeln, auch
in solchen auf reinem Gneissgestein ohne Vegetation, diese Filarien
zu finden. Oft fanden sich an solchen Orten die Faecalmassen von
Hyänen und Affen in grosser Menge.
5. An dem Fleische eines erlegten Flusspferdes hingen, als
meine Leute dasselbe in’s Lager brachten, einige Filarien von
10 — 15 cm Länge.
6. In der Guasso-Nyiro-Ebene im Norden des Kenia (Kilimara)
erlegte ich (im März 1895) ein Zebra. Mein Koch brachte mir die
Leber, um mir zu zeigen, dass sie ungeniessbar sei. Ich zählte auf
der unteren Fläche, nahe dem vorderen scharfen Rande, acht gelb-
liche, wallnussgrosse Beulen, deren vordere Wand blos aus dem
peritonealen Ueberzug der Leber zu bestehen schien. Beim An-
schneiden einer derselben entleerte sich eine seröse, gelblich-milchig
getrübte Flüssigkeit und ein etwa kirschgrosses Convolut von
4 — 8 Filarien von 10 — 18 cm Länge. Das Zebra war wohlgenährt,
eine Stute und anscheinend gesund.
7. Als ich am Fusse des Kenia im October 1895 ein Nas-
horn erlegte und meine Leute die Peritonealhöhle eröffnet hatten, um
das Thier auszuweiden, kamen etwa ein Hundert halbverhungerter
Massai mit der Bitte, die blutig-seröse Flüssigkeit, welche etwas fuss-
hoch im Cavum Peritouei stand, trinken zu dürfen. Ich gestattete es.
Mit einer Kürbisschale schöpfte ein Mann die Flüssigkeit und fischte
dann, ehe er trank, eine ganze Handvoll der erwähnten Filarien,
nach meiner Rechnung mindestens hundert Stück, heraus. Dasselbe
Spiel wiederholte sich, bis die ganze, mindestens zwei Eimer be-
tragende Flüssigkeit getrunken war. Es scheint dies eine Sitte zu
sein, welche bei diesen Völkern oft geübt wird. Ich liess mir auch
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Dr. raed. George Kolb, Wiesbaden.
die Leber zeigen. Dieselbe war frei von Filarien, dagegen zeigten
sich an derselben Stelle wie bei dem Zebra eine ganze Reihe von
narbigen Einziehungen , sowohl am Rande wie in der Mitte. Das
Nashorn war ein Weibchen, sehr kräftig und wohlgenährt
9. In Monisu, am Fusse des Kenia, hatte ich im October für
die Regenzeit ein festes Lager aufgeschlagen. Der benachbarte
Stamm der Mrasangasi erklärte mir den Krieg und da mir nur 23
bewaffnete Leute zur Verfügung standen, rief ich den Fürsten der
Massai, den „Goraschi“, der mein Blutsbruder war, mit seiner Leib-
wache zu Hülfe. Bei dem nachfolgenden Kampfe war ich Zeuge
eines Zweikampfes auf Schild und Speer zwischen einem Massai und
einem Krieger der Mrasangasi, welcher mit dem Tode des letzteren
endete. Der Massai hatte seinem Gegner den Schädel zertrümmert
und das Abdomen aufgeschlitzt Als ich die Leiche betrachtete, ent-
deckte ich einige Filarien zwischen den Darmschlingen. Diese wurden
sofort in ein Glas mit Kampherspiritus gebracht und bei meiner
Rückkehr hatte Herr Prof. Spengel in Giessen die Güte, die vorzüg-
lich conservirten Exemplare unter Vergleich mit anderen Filarien,
z. B. F. Medinensis, eingehend zu untersuchen. Auf das Resultat
werde ich weiter unten zurückkommen.
10. Wenige Wochen später zog ich in das Gebiet der Massai, es
war Ende December. Ich fand die Mehrzahl derselben krank. (Die
Massai nähren sich nur von Fleisch, Milch und Honig.) Ich erfuhr,
dass dieses Volk stets im Herbst unter dieser Kraukheit leidet Die
Kranken bekommen Schmerzen in der Leibgegend, Schüttelfröste.
Fieber, allgemeine Mattigkeit, Appetitlosigkeit, manchmal Erbrechen,
ohne Durchfälle und verdriessliche Stimmung, kurz ein Krankheits-
bild, welches in der Gegend als die Massaikrankheit bekannt ist und
von welcher die Ackerbau treibenden Kitii- Völker des Kenia ungleich
seltener befallen werden.
11. Eines Tages sah ich einen Oryx-beisa Bock, welcher sich,
anscheinend nicht recht gesund, eifrig auf dem Boden umherwälzte,
so eifrig, dass ich ihn unbemerkt aus 10 Schritt Entfernung erlegen
konnte. Die Leber war voller Filarien.
1 2. Auf der Rückreise zur Küste erbrach ein mich be-
gleitender Häuptling vom Kenia nach zweitägigem Unwohlsein mit
Fieber einige Filarien. Darauf erholte er sich langsam.
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Die Maria Kilimarae in Britisch -Ostafrika.
31
Herr Prof. Spengel, dem ich die aus der Leibeshöhle des ge-
fallenen Kitü-Kriegers mitgebrachten Filarien übergab, stellte fest,
dass die Exemplare alle Weibchen waren. — Da nun die Männ-
chen die charakteristischen Merkmale zur Bestimmung, und zwar an
ihren Sexualorganen tragen, so war die Bestimmung mit Sicherheit
nicht mögüch. Immerhin konnte festgestellt werden, und zwar aus
der Stellung der Mund-Papillen, dass unsere Filaria grosse Aehn-
lichkeit mit der Fil. Medinensis besitzt
Das Männchen der F. Med., welches zum Vergleich benutzt
werden konnte, ist ausserordentlich lang, es ist also möglich, dass
auch das (f unserer Filaria sehr gross ist, und dass es getrennt von
den 9 lebt und der Geschlechtsreife entgegengeht, worauf die Be-
gattung nach beiderseitiger Auswanderung aus dem Wirth an einem
dritten Orte vor sich geht. Möglich also, dass unsere Filaria das
Weibchen der F. Medinensis ist.
Die Filaria, welche ich in den Regenpfützen gesehen habe
dürfte das 9 sein, und die Thiere vermuthlich mit dem Trinkwasser
in die Wirthe aufgenommen werden, um dort bis zur Geschlechtsreife
zu bleiben. Der Weg, auf welchem sie in die Leber gelangen, ist
höchst wahrscheinlich der Ductus choledochtus mit seinem Quellgebiet.
In der Leber bilden sie dann die erwähnten eigenthümlichen Knoten
dicht unter der Leberoberfläche, welche im Kleinen das sind, was
der Echinococcus im Grossen. Endlich reisseu diese Capsein zu Be-
ginn der Regenzeit, wo andere Futterverhältnisse eine andere Blut-
fiillung der Leber des Wirthes bedingen, ein, und die Thiere gelangen
in das freie Peritoneum, wo wir sie bei Zebra, Rhinoceros und
Oryx-beisa im October fanden. Dieser Vorgang wird je nach der
Menge der platzenden Kapseln mit grösseren oder geringeren Reiz-
erscheinungen seitens des Peritoneums verbunden sein. So erfahren
wir denn auch, dass von October an das ganze Volk der Massai er-
krankt ist, unter Symptomen, (he sehr wohl in das Krankheitsbild
passen. Einige der Neger sterben, wie ich mich selbst überzeugen
konnte.
Wie steht es nun mit dieser Erkrankung bei den Weissen in
Afrika. Leider müssen wir hier sofort unseren gänzlichen Mangel
an irgend welcher Kenntniss gestehen. Ich selbst kam auf die Idee,
die Filaria möchte die Ursache der fieberhaften Erkrankung und des
Todes vieler Europäer sein, auf folgende Weise. Ich selbst bin bis
jetzt sehr resistent gegen Malaria. Im November 1894 bekam ich
plötzlich Fieber, welches drei Tage anhielt, der Leib war schmerzhaft,
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Dr. med. George Kolb, Wiesbaden.
die Leber sehr empfindlich. Vor und nachher habe ich viele Monate
kein Fieber gehabt. Nach drei Tagen constanten Fiebers bis 40° C.
mit mehrmaligem Erbrechen aber ohne Durchfalle hörten die Er-
scheinungen langsam auf. Ein Jahr später, im October 1895, als
die Massai der Mehrzahl nach Fieber hatten, erkrankte ich plötzlich
auf der Jagd in gleicher Weise; Dauer des Anfalls sowie Verlauf
der gleiche. Im Winter 1895 — 1896 hatte ich öfter leichte Malaria-
anfälle in 4 — 6 wöchentlichen Pausen, doch waren diese von wesent-
lich anderem Charakter. Im Mai 1896 kam ich nach Europa zurück,
hatte den ganzen Sommer nie Fieber und brauchte auch kein Chinin.
Im November bekam ich plötzlich Nachmittags Fieber bis 40 °C.
Die Leber und das Abdomen waren schmerzhaft, einmaliges Er-
brechen ohne Durchfall. Als nach 3 Tagen die Erscheinungen ge-
schwunden waren, ging ich in die Universitätsklinik, zur Unter-
suchung, theilte aber meine Ansicht den Collegen nicht mit Die
Leber erwies sich als nicht vergrössert Endlich im October d. J.
wurde die Leber wieder empfindlich. Ich consultirte Herrn Professor
Poppert in Giessen, dessen Erfahrung in Gallenblasen- und Leber-
erkrankungen bekannt ist, mit der Begründung, ich habe Verdacht
auf Gallensteine. Der Befund war negativ. — Nach 8 Tagen trat
plötzlich heftiges Fieber ein. Dauer und Verlauf wie oben geschildert
Mit dem Erlöschen des Fiebers waren alle Erscheinungen geschwunden.
Plasmodien waren trotz eifrigen Suchens nicht zu finden gewesen.
Es ist mir aber noch eine Reihe anderer Fälle bekannt, wo
Weisse im Herbst ohne Vorboten plötzlich an heftigem Fieber er-
krankt, einige auch demselben erlegen sind. Im October kam HeiT
Missionar Tremel von der Leipziger Evang. Mission nach 8jährigem
Aufenthalt in Britisch-Ostafrika nach Europa zurück. Zufällig genau
an demselben Tage wie ich bekam er auf der Reise nach Nürnberg
plötzlich einen heftigen Fieberanfall, wurde in das Krankenhaus in
Nürnberg gebracht, wo er verstarb. Patient war in Afrika ebenso
wie ich vollständiger Temperenzler in Bezug auf Alkohol und ein
seltener Fall von relativer Immunität gegen Malaria, so dass er
eigentlich nie in seiner Thätigkeit behindert wurde. Nach meiner
Ansicht ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an Malaria gestorben ist,
eine ausserordentlich geringe. — Leider ist eine Section nicht aus-
geführt worden, dieselbe hätte uns wichtige Aufschlüsse geben
können.
Ebenso ist vor kurzem der bewährte Afrikaforscher Dr. Zint-
graff gestorben, ebenfalls zur Zeit der Massaikrankheit. Doch das sind
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George Kolb, Die Filaria Kiiimarae in Britisch- Ostafrika.
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müssige Speculationen. Was ich glaube unzweifelhaft dargethan zu
haben, ist das Vorkommen einer Filaria-Art in der Leber und in
der Peritonealhöhle der höheren Säuger und des Menschen, welche
durch die Auswanderung aus ihren Kapseln heftige, zum Theil be-
drohliche Reizerscheinungen und Fieber verursachten. Der Neger,
welcher selbst grosse Verletzungen des Peritoneums relativ leicht er-
trägt, wie z. B. Pfeilschiisse mit Darmperforation etc., erliegt der
Filariaerkrankung wohl selten. Der Europäer dagegen ist weniger
resistent und ich vermuthe, dass eine ganze Reihe von Todesfällen
auf eine solche Filarieninvasion zurückzuführen sind. Diese Gefahr
ist auch nicht mit dem Verlassen der Tropen gehoben, es kann Jahr
und Tag völlig fieberfreiere Zeit vergehen bis wie bei mir im Herbst
wieder ein äusserst heftiger Fieberanfall eintritt.
Ich hoffe, diese Daten werden zu Untersuchungen nach zwei
Richtungen hin Veranlassung geben:
Erstens ist das Vorkommen dieser Filaria bei Mensch und
Thier in den Tropen, sowie die Lebensweise dieses Parasiten ausser-
halb des thierischen Organismus zu erforschen.
Zweitens, und das ist vorderhand das Wichtigere, würde auf
Mittel zur Verhütung der Infection, sowie auf etwaige Heilmittel
nach erfolgter Infection, sowie auf eine sichere Diagnose der Er-
krankungen zu fahnden sein.
Im Januar 1887 zerlegte ich am Stanley Pool ein im Congo geschossenes
Krokodil. Der Magen des Thieres war, abgesehen von kleinen Steinen leer, zoigte
aber an vier Stellen haselnussgrosso Vertiefungen in der Schleimhaut, welche
von einem leichten entzündlichen Hofe umgeben und selbst sugillirt waren. In
jeder Vertiefung sass ein Knäuel Filarien, ähnlich denen von Kolb beschriebenen.
Menge.
Nachschrift.
Herr Prof. Dr. Spengel zu Giessen, zoologisches und vergleichend
anatomisches Institut, ersucht um Einsendung von Filarien, besonders
Filaria medinensis, aus Afrika, um die oben angeregten Studien
machen zu können. (Anm. d. Red.)
Archiv t Schiffs- o. Tropenhygicne. □.
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II. Besprechungen und Litteratnrangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.
Die Pocken-Impfung ln Britlseh-Indlen.
Welche Fortschritte im Laufe der letzten Jahre die Kubpocken-Impfung in
der Präsidentschaft Bombay aufzuweisen hat, das lehrt auf das Deutlichste der
amtliche Impfbericht für das Jahr 1895 — 96 (Report of Vaocination in the Bombay
Presidency for the year 1895—96. S. 16ff.).
Zwei Sendungen englischer Lymphe empfing man aus dem Mutterland?, die
erste im November 1895, die zweite im März 1896. Jede Sendung umfasste
sowohl Röhrchen mit humanisirter — als auch solche mit Rinderlymphe, während
der den Engländern gehörige Hafenplatz Aden an der arabischen Küste regel-
mässig alle Vierteljahre eine Sendung aas England erhielt, welche bis auf ein
einziges Mal sich stets als ausgezeichnet erwies.
In der Präsid Botschaft Bombay wurden im Laufe des Jahres im Ganzen
2339 Röhrchen verbraucht, von welchen ungefähr der vierte Theil unentgeltlich
den militärischen Behörden für die Cantonnements und die Truppenschiffe, sowie
den Civilärzten und Districtbeamten zur Verfügung gestellt wurde, während man
die übrigen Röhrchen in den verschiedenen Kreisen der Präsidentschaft verkaufte.
Von weit grösserer Bedeutung erscheint es, dass der Gebrauch animaler
Lymphe von Jahr zu Jahr auch unter den Eingebornen an Werthschätzung ge-
winnt, so dass dieselbe jetzt bereits mit grossem Erfolg und, ohne bei der Be-
völkerung auf erhebliche Schwierigkeiten zu stossen, im Lande selbst produ-
cirt wird. Zu diesem Zwecke werden Kälber in der bei uns üblichen Weise
vaccinirt, worauf aber die Lymphe direct vom Kalb auf daB menschliche
Individuum übertragen wird, in analoger Art, wie es früher allgemein von
Mensch zu Mensch geschah. Diese Methode ist unter den Eingebornen der
Präsidentschaft Bombay schon jetzt derart populär, dass die Bewohner zahlreicher
Dörfer Kälber zu Impfzwecken ausleihen, in einigen wenigen Fällen sogar die
Mittel zum käuflichen Erwerb der Kälber hergeben, so dass die Impfung ohne
Extra- Vergütung erfolgen kann. So giebt es Dorfgemeinden, welche alle Jahre
ein Kalb zum Zwecke der Gewinnung der Vaccine erstehen, andere alle 6, wieder
andere sogar alle 4 Monate.
Dies Verfahren bringt um so grösseren Segen, als es im Allgemeinen sehr
schwer ist, die Eingebornen dabin zu bringen, von ihren Kindern Lymphe zum
Zwecke der Weiterimpfung entnehmen zu lassen. Vor Allem bezeugen die
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
35
höheren Kasten eine schier unüberwindliche Abneigung gegen das Impfenlassen
ihrer Kinder mit der einem Kinde niederer Koste entnommenen Vaccine.
Die Controle der Impfkälber seitens der Regierungs beamten scheint sehr
streng zu sein. Während von 1425 Stück geimpften Jungviehs nur bei zweien
die Impfung nicht anschlug, wurden mehr als 50 Stück durch den Chef des
Impfamtes wegen Krankheit zurückgewiesen. Im Februar 1895 herrschte schwere
Besorgniss; die Rinderpest wüthete und alle geimpften Kälber bis auf eins wurden
hinweggeiafft. Unglücklicherweise brach gerade um jene Zeit eine Pockenepidemie
aus, indessen verstanden es die Behörden, die Lymphe, welche das eine übrig-
gebliebene Kalb spendete, derart trefflich zu verwenden, dass sie sehr bald im
Stande waren, allen Anforderungen zu genügen.
In der Stadt Bombay ist animale Lymphe seit vielen Jahren im Gebrauch.
Im laufe des Berichtsjahres wurden 584 Kälber geimpft Von dieson mussten
nicht weniger als 58 wegen Krankheit vorworfen werden. Jedem Kalb wurden
durchschnittlich 185 Impfschnitte applicirt Der Procentsatz der erfolgreichen
Schnitte betrug 97%. Auch in den nördlich und nordwestlich an Bombay
grenzenden Central-Provinzen Rajputana, Jubalpur u. s. w. war ein grosser Fort-
schritt im Impfwesen zu konstatiren. Aus dem „Report of Vaccine Operations
in the Central provinces for tho year 1895—1896“ ersehen wir, dass 57,88 pro
Mille der Bewohnerschaft mit Erfolg geimpft wurden, gegen 34,6 pro Mille,
welche den Durchschnitt der letztvergangenen 5 Jahre auamachen. Unter den
Geimpften bestand ungefähr der dritte Theil aus Kindern unter 1 Jahre, ein
weiteres Sechstel rekrutirte sich aus Kindern von 1 — 5 Jahren. Bei nicht weniger
als 96,8 pro Cent aller Vaccinirten und 82,11 pro Cent aller Revaccinirten war
die Impfung von Erfolg gekrönt
In scharfem Gegensätze zu der Präsidentschaft Bombey stiess die Frage der
Lymph - Bereitung in den nördlichen Provinzen Englisch - Indiens auf grosse
Schwierigkeiten. Die Religion Brahmas besitzt hier ihre fanatischsten Anhänger,
welche weit strenger an all’ dem verwickelten Rituell und den unduldsamen Vor-
artheilen dieser Lehre festhalten, als es seitens der Bevölkerung der südlichen
Provinzen geschieht
Unter den zahlreichen heiligen Thieren der Hindus ist das Rind wohl als
das heiligste angesehen. Dementsprechend wird in dem „Report of Vaccination
in the Punjab for the year 1895 — 1896 by Surgeon Leut Col. W. A. Growford
S. 7 und 8“ von grossen Schwierigkeiten berichtet, welche es in den ausgedehnten,
unter britischer Herrschaft stehenden Ländergebieten des „Punjab“, des Landes
der fünf Ströme macht, von den Eingebornen Büffelkälber für Impfzwecke zu
erhalten, Schwierigkeiten, welche sich leider von Jahr zu Jahr vermehren. An
einigen Plätzen ist es ganz unmöglich, Kälber zu bekommen, und der Bericht
führt sogar Fälle an, wo selbst Hindus, nachdem sie Thiere zur Verfügung ge-
stellt. nachträglich die Pusteln böswillig zerstörten. Thatsächlich ist die Lage
eine derart unhaltbare geworden, dass es unmöglich erscheint, einen Ausweg zu
finden. Aus diesem Grunde versuchte Dr. Doyson junge Ziegen, eine Gattung
von Thieren, welchen der Hindus keine göttliche Verehrung zollt, welche er
vielmehr als Opferthiere schlachtet, für die Gewinnung der Vaccine zu benutzen.
Die darauf hinzielenden Experimente misslangen indessen durchaus. Er impfte
die Ziege mit humanisirter, mit der Kuh und dem Kalbe entnommener Lymphe,
indessen führte weder das Stich- noch das Schnittverfahren zum Ziele. Nur
8*
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II. Besprechungen und Litteraturanguben.
vereinzelt entwickelten sich unzureichende Pusteln, während mit demselben
Stoffe an Hunden, Büffelkälbern und einem Affen vorgenommene Controlvereuche
zu einem positiven Ergcbniss führten. Er hält das Zicklein daher für nicht ge-
eignet, um als Lymphspender zu dienen.
Surgeon Major Morris in Calcutta behauptet freilich andererseits, verschiedent-
lich Ziegen mit Erfolg geimpft zu haben; indessen giebt auch er zu, dass es ihm
nie gelang, eine Ziege von der andern zu impfen. Aus all’ diesen Gründen war
es Col. Growford’s eifriges Bestreben, seitdem er 1894 zum ständigen Vorsitzenden
der Gesundheitskommission (Sanitary Commissioner) für das Punjab ernannt
war, in jener Provinz conservirte Lymphe, wie sie bei uns in Deutschland
jetzt allgemein zur Verwendung kommt, einzuführen. Da er selbst als Chefarzt
seiner Amtsgeschäfte halber die Experimente im Grossen nicht ausführen konnte,
unterrichtete er zwei andere beamtete Aerzte in der Technik, wie er solche in
Berlin im Jahre 1892 kennen gelernt Die beiden Herren gingen sogleich an
die Bereitung der Lymphe, welche genau nach der Berliner Methode ausgeführt
wurde, nur dass man sich anstatt des Glycerins und Lanolins des Vaselins als
Vehikel bediente. Es geschah dies aus dem Grunde, weil das Vaselin als ein
mineralisches Produkt das Gefühl der in strengem Kastengeiste und religiösen
Vorurtheilen befangenen Bevölkerung in keiner Weise zu verletzen im Stande
ist (Dass das eigentlich wirksame Agens auch bei der conservirten Lymphe
von dem heilig gehaltenen Kalbe stammt, scheinen die Beamten verschwiegen
zu haben, ein Umstand, der freilich keinen so schweren Anstoss erregen konnte,
als wenn vor den Augen des Publikums direkt von dem geheiligten Thiere die
Vaccine entnommen und auf ein womöglich der niederen Klasse angehöriges
Individuum verpflanzt worden wäre. Anmerk, des Bef.)
Neben diesen mehr ideellen Vorzügen besitzt das Vaselin auch den reellen
Vortheil, bei der hohen, während des Sommers in Punjab herrschenden Tempe-
ratur fest zu bleiben und nach Oeffnung der Bohre nicht gleich herauszufliessen.
Die Impfung mittelst conservirter Lymphe hat ferner das Gute, ungefähr
nur halb so kostspielig zu sein, als die direkte Impfung vom lebenden liiere.
Dabei soll sich ein derartiges Material nach Growford's allerdings wohl etwas zu
optimistischem Urtheil ebenso wirksam, wenn nicht wirksamer(V), erweisen, als
jenes. Des Ferneren kann das Thier mit weit grösserer Buhe und Sorgfalt aus-
gewählt, untersucht und bis zum Schluss beobachtet werden, so dass man sicher
ist, ein absolut gesundes Exemplar vor sich zu haben. Natürlich ist es geboten,
die Lymphe mit der peinlichsten Sorgfalt und unter allen möglichen Cautelen zu
bereiten.
Der Berichterstatter bemerkt mit Hecht, dass ein derartiges System noch
weitere schwerwiegende Vortheile besitzt Es enthebt die Impf-Commission all
der lästigen, nicht selten unüberwindlichen Schwierigkeiten bei Beschaffung der
Kälber in den einzelnen Distrikten, und erleichtert ungemein die Bewegungen
der Impfärzte, welche, wenn sie ihr Material in Böhrchen fertig mitführen, weit
schneller zu reisen und erheblich mehr Impfungen auszuführen in der Lage sind.
Ferner hebt es die Nothwendigkeit der Impfung von Arm zu Arm völlig auf
und beseitigt hiermit. die grossen Gefahren, welche Vornahmen dieser Art in
einem dicht bevölkerten, von Seuchen aller Art heimgesuchten Lande wie Indien
nothwendig herbeiführen würden.
Mehr Anklang als in Punjab fand die Impfung vom Kalb direkt auf den
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II. Besprechungen und Ijtteraturnngaben.
37
Menschen in den nordöstlichen Provinzen Britisch-Indiens. Der „Report of the
Province of Assam for the year 1895—96“ besagt auf S. 18, dass in jener am
weitesten nach Osten vorgeschobenen Provinz Vorderindiens während des Berichts-
jahres 608 Kälber zu Impfzwecken käuflich erworben wurden mit einem Kosten-
aufwande von 2904 Rupios (ca. 4000 Mark unseres Goldes). Nach der Abimpfung
wurden die Kälber für 1—8 Rupies das Stück wieder verkauft.
A ähnlich günstig wie in Assam liegen die Dinge in dem westlich an letzteres
Gebiet grenzenden Bengalen. In dem „Tribunial Report of Vaccination in
Bengal during the years 1898—96 by Surgeon Capt Doysen S. 24 u. 25“ spricht
sich jener Arzt, ebenderselbe, welcher die erfolglosen Impfungen an jungen
Ziegen ausführte (siehe oben), im ausdrücklichen Gegensätze zu Growford in
Punjab dahin aus, dass er sich gemäss seiner nunmehr über 6 Jahre reichenden
Erfahrungen für die Impfung direkt vom Kalbe entscheide. Bei der an sich
wohl gleiehwerthigen Impfung von Arm zu Arm ist zu bedenken, dass gesunde
Kinder innerhalb der niederen Kasten — und auf diese ist man in Indien aus-
schliesslich angewiesen — sehr selten zu finden sind. Keine einer höheren
Kaste angehörendo Frau wird von einem derartigen Individuum ihren Sprössling
abimpfen lassen.
Das Kalb betreffend, so besteht die einzige ernstlich in Frage kommende
Gefahr in der Tuberkulose, einer Affection, welche das Rind in jenen Gegenden
nicht gerade häufig befallt. Ferner ist eine derartige Lymph-Quelle thatsächlich
unerschöpflich.
Als Doysen vor 3 Jahren zum ersten Male diesen Gedanken anregte, stellten
sich jene religiösen Vorurtheile, welche noch jetzt in den nordwestlichen Pro-
vinzen die Oberhand haben, auch in Bengalen hindernd in den Weg; das Volk
war nicht dahin zu bringen, seine Kälber zum Zwecke der Hergabe dos Impf-
stoffes zur Verfügung zu stellen. Jetzt ist diese Art der Impfung durch fast
alle Distrikte Bengalens verbreitet.
Die zweite in besagter Provinz übliche Impfform ist diejenige mittelst
einer Mischung von Kalbslymphe und Lanolin in conservirtem Zustande.
Doysen hält sie für minder wirksam als jene erste, indessen besitzt auch sie
ihre unleugbare Bedeutung für Wander- Impfungen und in Zeiten plötzlichen
Blatternausbruches, endlich in Distrikten, in welchen religiöse Vorurtheile absolut
nicht zu überwinden sind. Aus all den angeführten Gründen sollten genügende
Anstalten zur Bereitung und Conservirung von Lanolin-Lymphe unter Leitung
europäischer Sanitätsbeamten im Lande angelegt werden. Denn es ist leicht
ersichtlich, welch’ ernste Folgen in Zeiten schwerer Blattemepidemioen die Impfung
mit unwirksamem Material haben müsste.
Allmählich scheint sich überall das Volk in Bengalen von den grossen
Vortheilen der Vaccination mehr und mehr zu überzeugen. Natürlich giebt es
auch dort fanatische Impfgegner, so gut wie bei uns zu Lande. Neben religiöser
Quelle entspringenden Vorurtheilen ist die Freude am Opponiren hierbei von
nicht zu unterschätzendem Einfluss. Unsorgfältig ausgeführte, unwirksame oder
schädliche Impfungen leisten der Opposition natürlich Vorschub.
Dr. Franz Kronecker.
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38 II. Besprechungen und IJtteraturangaben.
lieber Bekleidung und Gepäck bei Landungen in den Tropen,
von Marinestahsarzt Dr. Freymadl,
Ifa rine- Rundsch au, Nortmber 1897.
Nach Erörterung der physikalischen Eigenschaften der verschiedenen Stoffe
kommt der Verfasser zu dem Ergebniss, dass sich für Landungstruppen in den
Tropen als Ober- oder Unterkleidung am meisten baumwollene Stoffe empfehlen,
für letztere Trikotstoffe, hofft aber, dass es der Industrie gelingen werde, durch
Zusammenstellung verschiedener Gewebe ein noch besseres Material zu liefern.
Als Kopfbedeckung bewähren sich am besten die Tropenhelme aus Kork, indischem
Schilf und Agave-Mark mit Nackenschleier. An Stelle der langscbäftigen Leder-
stiefel hat die deutsche Marine Schnürstiefel und Gamaschen aus Leder oder
Segeltuch mit Lederbesatz eingeführt. 'Warm empfohlen werden von verschiedenen
Seiten an Stelle der Gamaschen Beinwickel aus wollenen Binden, welche wie ein
Verband den Unterschenkel einhüllen. Die Strümpfe bestehen am besten aus
leichter Kammwolle. Die Belastung des einzelnen Mannes muss in den Tropen
viel geringer sein als im gemässigten Klima und darf einschliesslich der Kleidung
15 — 16 Kilogramm nicht übersteigen. Der Tornister wird am zweekmässigsten
durch den Bucksack ersetzt. Af.
Das Höhenklima tropischer Inseln, verglichen mit dem der Schweiz in
Bezug auf Veränderungen des Blutes.
Von J. H. F. Kohlbrngge, dir. Arzt des Sanatorium zu Tosari auf Java.
Verf., welcher sich bereits durch mehrere Arbeiten auf dem Gebiete der
Tropenhygiene, besonders der Klimaeinwirkung auf das Blut, bekannt gemacht
hat und mehrere Jahre unterbrochen auf Tosari, 1777 Meter hoch im Tengger-
gebirge Ost-Javas belegen, zubrachte, fand bei seinen ausgedehnten Blutunter-
suchungen keine Zunahme der Erythrocyten und des Haemoglobingehaltes, im
Gegensatz zu den Schweizer Forschern, die wie Kündig in Davos, 1500 Meter
hoch, eine ganz bedeutende Zunahme constatirten. Die Schweizer Autoren führen
die von ihnen gefundene Vermehrung auf barometrische Druckvermindenmg
zurück, welche dem Körper erlaubt, in dieser verdünnten Luft mehr Sauerstoff
zu fixiren. (Neuerdings ist der verminderte Druck auf das Deckglas des Zähl-
apparates und Volumenvergrösserung der Zählkammer für die betr. Zunahme in
Anspruch genommen. Ref.) Kohlbrngge vergleicht nun seine in den Tropen-
höhen gewonnenen, ganz abweichenden Resultate mit denen hier in Europa, be-
spricht die Wirkung der relativen und absoluten Feuchtigkeit, der Temperarur-
schwankungen, Bevölkerung und Sonnenscheindauer immer vergleichsweise hier
und dort, woraus sich aber die Vermehrung der Erythrocyten hier und das
Gleichbleiben der Zahl derselben, resp. deren geringe Verminderung auf Tropen-
gebirgen gegenüber der Tropenebene nicht erklären lässt. Kohlbrugge glaubt, dass
Personen mit Verkleinerung der athmenden Lungenoberfläche mehr Luft ein-
athmen, als solche mit gesunder Lunge, und dass die Wasserentziehung, welche
beim Athmen in der trockneren Hochgebirgsluft im Lungenblut vor sich geht
wie ein Reiz wirkt, der sich auf die blutbildenden Organe fortpflanzt. Im Jang-
gebirge, wo Kohlbrugge im Aufträge der Regierung untersuchte, fand er trotz
grösserer Höhe als in Tosari Abnahme der Erythrocyten. Hier wie in Tosari
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
39
wirf weniger Wasserfampf ausgeatbmet und weniger geschwitzt als in Davos, in
Folge dessen ist dort der Wasserumsatz gegen Davos herabgesetzt Daher würfe
in den Tropen nicht der Reiz in Betracht kommen, sondern eher ein Mangel an
Feuchtigkeitsumsatz, ein verlangsamter Stoffwechsel. Koldbrugge sagt ,,es sei
undenkbar, dass eine Wasserentziehung (wie Grawitz will) das Blut so eindicke,
dass daraus die relative Zunahme der Blutkörperchen und des Haemoglobins sich
erklären Hesse, allein es bestehen in den Tropen bei Europäern wenigstens, nach
längerem Tropenaufenthalt, worauf Ref. mehrfach hin wies, Unterschiede des
Wassergehaltes des Blutes und ohne vorherige Bestimmung der Trockensubstanz
und Berechnung der flüssigen Bestandteile des Blutes ist in den Tropen jede
Blutkörperchenzählung und Haemoglobinbestimmung anfechtbar (Ref )
Karl Däubler.
Pestnachrichten.
Seit dem Wiederauffl ackern der Pest in Bombay um die Mitte des vorigen
Decembers waren dort bis zum 10. Januar insgesammt 408 Todesfälle an der
Seuche vorgekommen. Nach Zeitungsnachrichten wurden verzeichnet:
am 5 — 6 Januar binnen 48 Stunden 142 Erkrankungen, 105 Todesfälle,
am 9 — 10 „ „ „ 159 „ 126 „
,, 10—12 „ „ „ 154 „ 167 „
am 24. Januar schon binnen 24 Stunden 129 „ 121 „
(am 24. Januar 1897 waren es binnen 24 Stunden nur 62 Erkrankungen und
55 Todesfälle). In den Hospitälern der Stadt lagen am 24. Januar 707 Pest-
kranke. Um wolche Mensehenmassen es sich bei Bekämpfung der Krankheit
handelt, lässt die Mittheilung vom 80. December 1897 erkennen, dass in der ver-
flossenen Woche in den Quarantäne-Stationen und Lagern an der bengalischen
Grenze 80152 Personen untersucht und 12046 als verdächtig befunden wurden.
Kussland hat in seinen Grenzgebieten die Pilgerzüge verboten, die Türkei den
Hafen von Djoddah für dieselben gesperrt und Quarantäne in Kamaran und
Basso ra ungeordnet. M.
b) Pathologie und Therapie.
lieri-Jteri.
i
Polineuritis by hoenders, nieuwe bydragen tot de aetiologie der ziekte.
Von Dr. Eykmann, direktor van het laboratorium voor pathologische anatomie en
baeteriologie te Batavia.*)
Auf den Inseln des malaiischen Archipels ist seit langer Zeit unter den
Haushühnern, Tauben und Enten eine Krankheit bekannt, welche von älteren
holländischen Colonialärzten beschrieben worden ist und deren eingehendes Studium
Eykmann 6 Jahre lang beschäftigte. Der Verfasser beobachtete dieselbe zuerst
unter den Hühnern des patholog. anatom. Laboratoriums in Batavia und be-
schreibt uns auf S. 215 (aflevering 4, geneeskundig Tijdschr. voor Noderlandsch-
Indie) dieselbe folgendermaassen : Zuerst fällt an dem Thiere ein unsichrer Gang
i) Bel der Wichtigkeit de« Gegenstandes ist eine «weite Besprechung der Arbeit durdh
den «1» Beri-Beri*For«cher bekannten Referenten gewiss erwünscht. Anw. d. Be<L
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
auf, besonders beim Klettern und Laufen auf einem horizontalen Stabe; das Thier
kann sich nicht mehr festhalten. ' Diese Motilitätsstörungen nehmen schnell zu,
das Thier fällt leicht um, endlich bleibt es auf der Seite liegen, auch die Flügel
werden allmälig gelähmt, bald ist es so gelähmt, dass es nicht mehr trinken
und Futter aufpicken kann, es kann wohl noch sich bücken, der Kopf kann aber
nicht mehr aufgerichtet werden, es tritt Dyspnoe ein mit verlangsamter Ath-
mung (1), die Körpertemperatur fällt einige Grade, Kamm und Haut werden blan-
roth, der Kopf ist eingezogen und unter Asphyxie tritt der Tod ein. Die patholog.-
anatomische Untersuchung hat, wie der Verf. auf S. 216 dieser Arbeit und be-
reits früher mittheilt, gezeigt, dass man es mit einer Degeneration der peripheren
Nerven zu thun hat, dass aber auch am Rückenmark degenerative Veränderungen
nicht fehlen. Wenn E. als Ueberschrift für seine Arbeit „Polyneuritis der
Hühner“ wählt, die wir ihm vorwerfen wollen, so begeht er hiermit die erste
Ungenauigkeit. Bei den secirten und untersuchten Hühnern seiner Experimente
hat er niemals das Rückenmark untersucht, sondern seine patholog.-anatomischen
Untersuchungen nur auf einzelne peripherische Nerven beschränkt — Im Jahre
1890 wurden die Hülmer des pathol.-anat. Laboratoriums mit gekochtem, ans der
Lazarethküche stammenden Reis gefüttert, der den Thieren einen Tag nach der
Zubereitung verabreicht wurde. Vom 10. Juni bis zum 20. November dauerte
diese Fütterung. Die von E. unter den Hühnern beobachtete Epidemie fing am
10. Juli an und hörte Ende November auf. E. zog aus dieser Beobachtung den
Schluss, dass der aus der Lazarethküche herstammende gekochte Reis die Hühner
krank gemacht hätte. Weitere Versuche zeigten nun aber, dass auch der unge-
kochte Reis dieselbe Krankheit hervorrufen könne. E. suchte nun die di recte
Krankheitsursache zu ermitteln und stellte eine grosse Anzahl noch näher zu be-
schreibender Versuche an, welche den Beweis liefern sollen, dass die innere
Schale des Reiskornes die Hühner vor der Polyneuritis beschützen könne, während
der Mangel derselben in der Reisfütterung die Krankheit zur Folge hätte.
Zum VerständDiss der folgenden Versuche möchte ich eine kurze Bemer-
kung einschieben. In Niederländ.-Indien werden 3 Reissorten gebaut, die weisse,
rothe und die schwarze. Das Reiskorn ist bei allen umgeben von einer äusseren
gelblichen und einer inneren zarteren, das Kom direct umgebenden Schale, das
Silberhäutchen, die bei der rothen und schwarzen Sorte pigmentirt ist. Beim
Stampfen verliert die weisse Reissorte die Hülsen insgesammt, während bei der
rothen und schwarzen Sorte die innere Schale sehr schwer zu entfernen ist und
beim einfachen Stampfen meist am Korn hängen bleibt.
Die ersten 2 Versuche (4 Hühner) wurden mit weissem, in destülirtem
Wasser gekochten Reis aus dem Lazareth gemacht, alle 4 Hühner erkrankten
nach 22, 24 und 68 Tagen. Es wäre damit der von Fiebig gemachte Einwand
widerlegt, dass der krankmachende Stoff mit dem Wasser in den Körper der
Versuchsthiore gelangt sei.
Bei den 2 folgenden Versuchen wurde ungekochter Lazarethreis ohne
Schalen verwendet Die Thiere erkrankten nach 22, 24, 30 und 40 Tagen. In
Versuch 5 und 6 wurden die Hühner mit frisch gestampftem weissen Reis ohne
Schalen gefüttert und zwar wurde der Reis in Versuch 5 frisch gekocht, in Ver-
such 6 ungekocht verabreicht. Die 2 Hühner von Versuch 5 erkrankten beide,
dagegen in Versuch 6 nur das eine, das andere konnte den Reis 131 Tage ohne
Nachtheil vertragen. In Versuch 7 wurde ein Huhn mit gekochtem weissen
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
41
Beis (ohne Schalen) gefüttert, es erkrankte nach 24 Tagen. In Versuch 8Ä
wurde ungekochter, frisch gestampfter, schalenloser ßeis gefüttert Das eine
Huhn stirbt nach 4 Monaten an Nasen- und Kohlkopfdiphtheritia, das andere wird
nach 93 Tagen krank; in Versuch 8B wird ungekochter ßeis mit Schalen ver-
abreicht Das eine Huhn stirbt nach 8 Monaten an Nasen- und Kehlkopfdiphthe-
ritis. das andere stirbt nach ungefähr 4 Monaten an Diphtheritis des Dickdarmes.
Es fällt hier schon auf, auf welchem ungesunden Terrain diese Versuche
gemacht wurden. Wir werden für diese ungünstigen hygienischen Verhältnisse,
unter denen die E.'schen Versuchslhiere sich befanden, noch weitere Belege finden.
In Versuch 9 sind die ersten beiden Hühner ebenfalls mit ungekochtem
weissen ßeis ohne Schalen gefüttert, das eino erkrankt nach 7 Monaten und
8 Tagen, hat also den ßeis ziemlich lange ohne Schaden vertragen können(!)
das zweite nach ungefähr 2 Monaten. Die beiden andern Hühner desselben Ver-
suches wurden mit Schalenreis gefüttert, nach 6 Monaten und 7 Tagen wurde der
Versuch beendet, beide Thiere blieben gesund. In Versuch 10 wurden 2 Hühner
mit ungekochtem frisch gestampften ßeis ohne Schalen gefüttert, das eine er-
krankte nach 6 Monaten (!), das andere wurde nicht an Polynouritis krank,
sondern starb nach 10 Monaten, ohne deutliche Kraukheitserscheinungen gezeigt
zu haben, — also ein Tod ohne Krankheit, den wir noch später bei andern
Hühnern wiederfinden. Das 3. und 4. Huhn desselben Versuches wurden mit
ungekochtem Schalenreis gefüttert und war nach 10 Monaten noch gesund. —
ln der folgenden Tabelle fasse ich die ßesultate dieser Versuche noch einmal
kurz zusammen:
Womit
gefüttert?
Anzahl
Hühner
Erkrankten wie
lange nach dem
1 Anfang der
Fütterung?
Wie lange
gesund ge-
blieben?
Gestorben
Mit Heis ohne
Schalen
18
Von 22 Tage bis \
7 Monate 8 Tage '
1
j ohne deutliche
* Krankheitser-
scheinung vorher
Mit Schalen-
reis
6
2 Hühner
, 10 Monate
* 2 Hühner
6 Monate
2 an Diphtheritis
1
In dieser Versuchsreihe Mit auf 1. dass E. mit Ausnahme von Versuch 9
niemals die Monate angegeben hat, in denen die Hühner gefüttert wurden, wir
werden spater sehen, wie wichtig gerade diese Angaben für die richtige Be-
urtheilung seiner Versuche sind.
2. Liefern einzelne seiner Krankengeschichten den unzweifelhaften Beweis,
wie ungeheuer schwierig es ist, eine genügende Einsicht in die klinischen Ver-
hältnisse einer Hühnerkrankheit zu bekommen. Bei einer Polyneuritis werden
nicht nur die motorischen, sondern, wie wir dies aus Analogien am Menschon
erwarten dürfen, die sensiblen und vasomotorischen Nerven ergriffen. Nirgends
hören wir von klinischen Erscheinungen am sensiblen und vasomotorischen Nerven-
apparat. Ich gebe zu, dass dies bei einem Huhn sehr schwierig ist, aber darum
ist es auch beinahe unmöglich, den ganzen Verlauf der klinischen Erscheinungen,
die Verschlimmerung oder Besserung der Krankheitserscheinungen festzustellen.
K.’b Angaben der klinischen Erscheinungen bestehen ausschliesslich in allgemeinen
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II. Besprechungen und latteratu rangaben.
Angaben über motorische Störungen: „Ist paretisch“ oder Motilitätsstörungen zuge-
nommen; kann kaum stehen, Müdigkeit — kann nicht laufen — liegt auf der
Seite — schwach auf den Füssen“ etc., nur bei 2 von den 18 erkrankten Thieren
wird Dyspnoe erwähnt, bei keinem einzigen wurde die Temperatur gemessen
und ausser den motorischen Störungen gehört, wie E. uns beschreibt, die Dyspnoe
und die Abnahme der Temperatur zu den wichtigsten Erscheinungen im Krank-
heitsbilde.
3. Fällt schon jetzt die grosse Länge der Zeit auf, die nöthig ist, um die
Hühner krank zu machen. Warum können die Hühner hier, wo es sich nach E.
um ein chemisches Gift handelt, den Reis Wochen lang, einzelne Hühner Monate
lang ohne Schaden vertragen? E. nimmt bei einem chemischen Gift ein Incuba-
tkmsstadium (!) an, nach dessen Verlauf die ersten KTankheitserscheinungen
sich zeigen.
Nun folgen eine Anzahl Versuche (11 — 15), wo 8 Hühner theils mit
Schalenreis gefüttert werden und Monate lang gesund bleiben oder erst mit Reis
ohne Schalen erkranken und unter Fütterung mit Schalenreis besser werden.
Der eine Hahn in Versuch 11 hat nicht weniger als 6 Monate nöthig, bis es
unter dieser Fütterung mit Schalenreis besser wird, die andern Hühner in Ver-
such 15 ungefähr 3 Monate. Die Krankengeschichten sind, wie die meisten in
der E.’schen Arbeit, höchst dürftig. Ich theile hier eine derartige Kranken-
geschichte mit „Versuch 15, schwaches Huhn, Gewicht 985 Gramm, seit dem
2. Januar mit gekochtem Tischreis gefüttert, 13. März paretisch, Gewicht 450 Gramm,
von jetzt ab mit gekochtem, weissem Hülsenreis gefüttert, zunehmende Besserung,
10 Juni geheilt, Gewicht 720 Gramm. Nun war es möglich, fährt E. fort, dass
in der äusseren gelben Schale oder der innern dünnen, das Korn direct um-
hüllenden Schale, Stoffe enthalten seien, welche das Huhn vor einer Vergiftung
schützen.
ln Versuch 16 wurde ein Huhn unter Fütterung mit gekochtem Reis ohne
Schalen krank; nachdem die Krankheit ausgebrochen war, bekam es ausser dem
gekochten Reis die innern Reisschalen und zwar am 15. Juni. — Am 28. Januar,
also nach 7 Monaten, ist von einer langsamen Besserung die Rede, am 14. Juni,
also nach einem Jahre, ist das Huhn geheilt(l), allerdings ein glänzender Erfolg
mit den innern Schalen!
In Versuch 17 erkrankt ein Huhn unter derselben Fütterung. E. giebt
dem Huhn Fleisch zu fressen, darauf wird es besser, dann bekommt es wieder
gekochten Reis ohne Schalen, der mit gelben, äusseren Schalen vermischt ist, das
Thier wird kränker und stirbt! In Versuch 18 und 19 werden 3 Hühner mit
weissem Reis und den äusseren gelben Schalen gefüttert. Nach 4 Monaten wird
das eine Huhn, nach 6 Monaten das zweite krank, das dritte stirbt an Croup.
Trotz des Mangels an der innern dünnen Schale blieb das eine Thier
4 Monate, das andere 6 Monate gesund.
E. zieht auf S. 234 die folgenden Schlüsse:
1. Das Reiskorn, von seinen Schalen befreit, bringt bei Hühnern Polyneu-
ritis hervor.
2. ln der dünnen inneren Schale besitzt das Reiskorn ein Mittel, den
schädlichen Einfluss des Reiskornes zu neutralisiren, sowie die ansgebrochene
Krankheit zu heilen.
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II. Besprechuugdn uud Litteraturangabon. 4S
8. Die Quantität dieses heilsamen Stoffes in dieser innern Sclialo ist nicht
so gross, dass ohne Gefahr ein einigermaassen erheblicher Theil fehlen darf.
4. Diese innere Schale unterscheidet sich von dem andern Theil der Reis-
körner durch einen hohen Gehalt an Stickstoff und Salzen.
Ich habe dem Leser die ersten 19 Versuche E.’s ausführlich mitgcthcilt,
um ihm Gelegenheit zu einem l’rtheil über diese tiefsinnigen, aus den Versuchen
gewonnenen, soeben wörtlich mitgetheilten Sätze zu geben. Wie weise hat es
doch die Natur eingerichtet, dass dieses Gift Millionen von Menschen, die von
Reis ohne Schalen leben, nichts schadet, wie unergründlich sind hier die Ge-
heimnisse der Natur, wo ein chemischer Stoff in der innern Schale sich mit
einem andern im Reiskorn zu etwas Unschädlichem verbindet und zugleich die
Krankheit, d. h. die degenerirten peripheren Nerven, also chemisch veränderte
Nerven, in gesunde umzuwandeln versteht!
Es ist nur schade, dass wir in E.’s Arbeit über alle diese chemischen
Stoffe, auch über die in andern pflanzlichen Nahrungsmitteln vermutheten und
Polyneuritis hervorbringenden, da nichts Näheres erfahren, und dass E. auch nicht
erklärt, in welcher Weise er diesen auf die degenerirten Nerven behaupteten,
günstigen Einfluss sieh vorstellt.
Zwischen die Versuche mit Hühnern ist der Versuch 20 mit 2 Tauben
eingeschaltet, welche mit gekochtem Reis ohne Schalen gefüttert wurden, und der
besonders dadurch interessant ist, dass beide Thiere plötzlich sterben, ohne deut-
liche Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben; bei der einen Taube ist im Ischia-
dicus ausgebreitete Degeneration, bei der andern ist weder im Ischiadicus, noch
im Vagus Degeneration nnchzuweisen, bei der einen bestand demnach nach E.
Polyneuritis, bei der andern nicht. Auch hier sieht man, dass das Erkennen
einer Vögelkrankheit, speciell einer Polyneuritis, mit grossen Schwierigkeiten ver-
bunden ist.
Nun konnte man sich nach E. die schädliche Wirkung der Reiskörner
ohne innere Schale auf folgende Weise denken. Da die letztere bedeutende
Mengen Stickstoff und Salze enthält, so war es möglich, dass eine Herabsetzung
von Salzen und Stickstoff in der Nahrung die Ursache der Polyneuritis sei, da
verschiedene Forscher, wie Förster u. A., bei Thierversuchen feststellten, dass
z. B. Entziehung der Salze eigenthümliehe Krankheitserscheinungen nach sich
zöge. In Versuch 21 wurden 2 Hühner mit ungekochtem Reis mit Schalen ge-
füttert, die Menge des Futters wurde von 50 — 10 Gramm täglich vermindert Es
wurde die interessante Thatsache festgestellt, dass dio Thiere abmagerten, die
eine Henne starb am 59. Tage, bei der andern wurde mit dem Versuch nach
66 Tagen aufgehört, bei 6 Haut- und Muskelnerven der Gestorbenen wurde keine
Nervendegeneration gefunden. In Versuch 22 wurden 2 Hühner mit Schalenreis
gefüttert, sie nahmen an Gewicht zu, dann entzog E. ihnen jegliche Nahrung,
sie bekamen nur Trinkwasser, es ergab sich die interessante Thatsache, dass die
eine von 940 bis 570 Gramm innerhalb 40 Tageu abmagorte, die andere starb unter
Erscheinungen von Schwäche und niedriger Temperatur (zwei Erscheinungen, die,
wie wir früher von E. gehört haben, zu dem klinischen Bilde der Polyneuritis
gehören); Nerven waren nicht degenerirt; auf wie viele Nerven die Untersuchung
sich erstreckt hat wird nicht gesagt. E. zieht aus diesen Versuchen den Schluss,
dass eine quantitativ ungenügende Menge Futter Polyneuritis bei Hühnern nicht
hervorrufe. Die beiden Hühner, welche in diesen Versuchen am Leben bliebe n.
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II. Besprechungen und Ijttera tu rangaben.
wurden nur bis zum 40. und 66. Tago beobachtet; da wir früher gehört haben, dass
die Polyneuritis sich selbst nach 93 Tagen, ja nach 6 und 7 Monaten noch zeigt,
so können diese beiden Beobachtungen zur Beurtheilung nicht verwandt werden,
es bleiben also nur 2 Beobachtungen übrig; man sieht, aus wie vielen sicheren
Beobachtungen E. bisweilen allgemeine Schlüsse zieht
In Versuch 23 wurden 2 Hühner mit Tapioca (brasilian. Arrowroot) ge-
füttert, eine Mehlsorte, welche sehr wenig Salze und Stickstoff enthält; also auch
hier wurden, wie in den vorigen Versuchen, ungenügende Mengen Salze und
Stickstoff verabreicht; trotzdem erkranken die Hühner an Polyneuritis. E. theilt
nach diesem Versuch mit, dass noch 12 Hühner mit Tapiocafütterung an Poly-
neuritis erkrankten.
Dann folgen Versuche, in denen die mit Tapioca krank gemachten Hühner
durch Zufuhr von Eiweiss und Salzen besser weiden.
In Versuch 24 wurden 2 Hühner mit Tapioca gefüttert, das eine erkrankte
23, das andere 32 Tage nach Beginn der Fütterung, beide bekamen nun unge-
kochtes Fleisch, das eine zeigt nach einem Tage Besserung, das andere stirfc*
nach zwei Tagen. Dieser Versuch wurde wiederholt mit dem Oesammtresultat,
dass von 6 Hühnern, welche mit Tapioca krank geworden waren, unter Fleisch-
fütterung 4 besser wurden. Fleisch ist nach E. das beste Mittel, um Hühner
bei schwerer Erkrankung am Leben zu erhalten, ln Versuch 25 wurden die ersten
beiden Hühner mit 50 Gramm Tapioca täglich und Bouillon von 50 Gramm Fleisch
krank gemacht, die nächstfolgenden zwei mit 50 Gramm Tapioca und 25 Gramm
aasgekochtem Fleisch, die darauf folgenden 4 mit 50 Gramm Tapioca und
25 Gramm uDgekochtem; diese letzten 4 Hühner, welche also täglich ungekochtes
Fleisch, ein nach E. ansgezeichnetes Mittel, um die Heilung der Krankheit zu
unterstützen, bereits bekommen, wurden, nachdem die Krankheit sich entwickelt
hatte, nur mit ungekochtem Fleisch gefüttert, trotz diesem hervorragenden Mittel
starben 3 Hühner, das eine kam mit dem Leben davon.
ln Versuch 26 wurde eine Henne mit Tapioca und rohem Fleisch krank
gemacht, unter seiner Fleichfütterung zeigte dieselbe nach 4 Tagen (!) bereits
deutliche Besserung. Dann wurden 3 Hühner nur mit ungekochtem Fleisch ge-
füttert, das eine stirbt ohne deutliche Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben.
Nerven wurden nicht untersucht!!! Die zweite ist sehr schwach, doch
zeigt keine Motilitätsstörungen ! Am Schluss der Krankheitsgeschiehte, die aus IS
'Worten besteht, findet sich dann kurz und bündig: Untersuchung der spinalen
Nerven nach Marchi: Keine Degeneration. Die 3. Henne wird als krank be-
zeichnet, aus ihrem Schnabel läuft Flüssigkeit, sie zeigt aber nicht die Er-
scheinungen!?) der Polyneuritis, plötzlich stirbt sie; auch hier werden an den spi-
nalen Nerven degenerative Processe nicht gefunden. — Wie viel Nerven unter-
sucht wurden, wird nicht erwähnt In Versuch 27 wurde ein Hahn mit Tapioca
und äusseren und inneren Reisschalen gefüttert, dieses Thier zeigte im 3. Monat
Lähmungserscheinungen und stirbt; hier haben also die innem Schalen nicht nur
das Auftreten der Krankheit, sondern auch den exitus letalis nicht zu verbinden
vermocht Das Letztere hätte man doch wenigstens von den innern Reisschalen,
auch wenn sie nicht in genügender Menge gegeben wurden, erwarten können.
In Versuch 28 wurden 2 Hühner mit dem Mehl der Arekpalme krank
gemacht, das eine Huhn wird unter Fütterung mit Schalenreis nach 2 Monates
geheilt, das andere stirbt, ohne dass Versucho seiner Heilung gemacht wurden.
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II. Besprechungen und Litterahirangaben.
45
In Versuch 29 wurden 4 Flühner mit Sagokuchen (zubereitet aus dem
Mehl der Sagopalme) gefüttert und erkrankten, drei wurden dann unter Fütterung
mit rothem Schalenreis nach 1 und IV» Monaten besser, das 4. starb, ohne dass
rother Reis gefüttert wurde.
In Versuch 31 wurden 2 Hühner mit europäischem Kartoffelmehl gefüttert,
das eine Thier wird schwach und liegt auf der Seite (!), das andere ist krank
und schwach, jedoch zeigt es keine Motilitätsstörungen, beide sterben den E. 'schon
Versuchsthiertod; in einer Anzahl peripherer Nerven wurden degenerirte Nerven
nicht gefunden.
In Versuch 82 erkranken 2 Hühner unter Fütterung mit gekochtem Reis,
das eine wird unter Fütterung mit Fleisch und Kartoffelmehl besser, das zweite
stirbt unter derselben Fütterung.
Aus diesen letzten Versuchen schliesst E., dass die Thiore unter Fütterung
mit Kartoffelmehl zu Grunde gehen, ohne eine Spur von Polyneuritis zu zeigen,
und dass ein mit Reisfütterung krank gemachtes Huhn mit Kartoffelmehl imd
Fleisch geheilt wird, von dem andern, welches gestorben, schweigt er.
In Versuch 83 wird ein Hahn und eine Henne unter Fütterung mit ge-
kochtem Reis ohne Schalen nach 13 Tagen und ungefähr 1 Monat krank, als
die ersten Krankheitsorscheinungen fnstgestellt waren, bekam der Hahn Tapioca
mit etwas Fleisch, die Henne Tapioca mit Fleisch, die letzte zeigt innerhalb
zweier Monate zunehmende Besserung, bis sie unter derselben Fütterung wieder
Lähmungserscheinungen zeigt, der Zustand also schlimmer wird, nun bekommt
sie gekochten Reis ohne Schalen, der nach E. Polyneuritis hervorruft, sie wird
also absichtlich noch kränker gemacht, und zum Schluss wird das Thier getödtet.
Nerven oder andere Theile wurden nicht untersucht. E. erwähnt nur, dass sie
getödtet wurde.
Weshalb, fragt man sich, wurde dieses Thier getödtet? Es hat natürlich
jeder Experimentator das Recht, soviel Versuchsthiere zu tödten, soviel er will,
aber es macht einen eigentümlichen Eindruck, wenn dies ohne Grund geschieht,
denn man kann hier, wo es sich um eins der fettesten Versuchsthiere handelt —
die Henne wog 1787 Gramm — nicht annehmen, dass dieselbe zu etwas Schmack-
hafterem verwendet wurde. — Der Hahn von Versuch 88 wurde mit Tapioca
und Fleisch, welches in Versuch 24 4 Hühner krank gemacht hatte, besser, bis der
Zustand sich plötzlich wieder verschlimmerte, dann bekam er nur Fleisch zu
fressen, welches nach E. das beste Mittel gegen Polyneuritis ist, danach wurde
der Zustand erst schlimmer, dann besser, und nun bekam er Kartoffelmehl und
Fleisch, bis das Thier nach weiteren 4V» Monaten(!) geheilt war.
In Versuch 34 erkrankte ein Huhn unter Fütterung mit gekochtem Reis
ohne Schalen; nach dem Krankheitsbeginn bekam es Fleisch und einen halben
Monat danach gekochte Kartoffeln mit etwas Fleisch, es wurde allmälig besser,
bis es nach 7 Monaten(') geheilt war.
In Versuch 85 wurde 1 Huhn mit gekochtem Reis ohne Schalen krank
gemacht, es wurde mit selbstbereitetem Kartoffelmehl und ungekochtem Fleisch
gefüttert, starb jedoch unter dieser Fütterung, das zweite wurde von Anfang an
mit selbstbereitetem Kartoffelmehl und rohem Fleisch gefüttert, bis zum 21. Januar
war es gesund, plötzlich starb es — Degeneration peripherer Nerven wurde nicht
gefunden. — Da keine Krankheitserscheinungen, wie uns E. mittheilt, beobachtet
wurden, so starb es mit sehr viel Wahrscheinlichkeit den E.’schen Vorsuchs-
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
thiertod. Während in Versuch 35 bei dem ersten Huhn Kartoffelmehl und rohes
Fleisch den Tod nicht verhindern tonnten, blieben in Versuch 36 zwei Hähne
unter Fütterung mit Kartoffelmehl 4l/i Monate lang gesund, ln Versuch 37
wurde ein Hahn mit selbstbereitetem Arekpalmenmehl und ungetochtem Fleisch
krank gemacht. — In Versuch 38 wurden 2 Hühner mit 50 Gramm Milchzucker
und 25 Gramm ungekochtem Fleisch täglich gefüttert, nach 10Vt Monat sind
beide Thiere noch gesund.
In Versuch 39 und 40 wurden 4 Hühner mit gegohrenem Reis gefüttert,
das eine Huhn ist unter Fleischfütterung, das andere unter Schalenreisfütterung
geheilt — die beiden andern starben, obwohl das eine mit Schalenreis ge-
füttert wurde.
In Versuch 41 wurde einer Henne täglich 2 Cubikcentimeter Milchsäure
in den Kropf gegossen, ausserdem mit Schalenreis täglich 20 Gramm, später mit
nur 10 Gramm gefüttert, sio bleibt 2 Monate(!) gesund.
In Versuch 42 wurden 2 Hühner mit gekochtem Reis ohne Schalen und
Kreidepulver gefüttert, beide erkranken, beide heilen unter Fleischfütterung.
In Versuch 43 wurden 2 Hühner mit 25 Gramm Schalenreis gefüttert.
Ausserdem wurde ihnen 5 Cubikcentimeter Spiritus oryzae mit 45 Cubikcentimeter
Wasser in den Kropf gegossen, sie bleiben 4*/, Monat gesund (!), dann bekommen
sie im October gekochten Reis ohne Schalen und erkranken im November.
Monate, die, wir wir später sehen werden, für eine Erkrankung an Polyneuritis
sehr günstig sind.
In Versuch 45 wird 2 Hühnern ein Destillat vom Kropfinhalt eines an-
deren Huhnes und zwar 50 Cubikcentimeter in den Kropf gegossen und dabei
Schalenreis gefüttert Mitte October bekommen beide Thiere gekochten Reis
ohne Schalen, Mitte November werden beide krank, das eine bekommt dann
nach dem Beginn der Krankheit Fleisch und syrupus simplex (2x20 Cubikcenti-
meter mit Wasser in den Kropf gegossen) und heilt, das andere stirbt unter
Fütterung mit Schalenreis und syrup. simplex.
Die folgenden Versuche sind mit Meerschweinchen, Affen und einer Eule
gemacht und können hier, wo es sich um Polyneuritis der Hühner handelt ausser
Betracht bleiben.
E. hat also mit folgenden pflanzlichen Nahrungsmitteln bei Hühnern
Polyneuritis hervorgebracht
1 : Mit gekochtem und ungekochtem Reis ohne innere Schalen.
2: Mit Tapioca.
8 : Mit Tapioca und Fleischbouillon, mit Tapioca und ausgekochtem Fleisch
und mit Tapioca und ungekochtem Fleisch.
4: Mit Satzmehl der Arekpalme.
5: Mit ambonesischem Sagokuchen.
6: Mit in Gährung befindlichem Reis.
7 : Mit europäischem Kartoffelmehl und ungekochtem Fleisch.
8 : Mit gekochtem Reis nnd Kreidepulver, also so ziemlich mit den meisten
Stoffen, mit denen er experimentirt hat! Es ist nicht nur in dem Reiskorn,
sondern auch in dem Mehl der Arekpalme, der Sagopalme, im in Gährung befind-
lichen Reis, in den Kartoffeln ein giftiger Stoff, der bei Hühnern Polyneuritis
hervorbringt, es ist nicht nur in der innem Reisschale, sondern auch im Fletsch
— welche Sorte wird nicht näher angegeben — der neutralisirende und die de-
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II. Besprechungen und Litteiaturangabcn.
47
generirten Nerven heilender Stoff vorhanden. Die Schlüsse, welche E. aus diesem
heilenden Einfluss der innem Reisschalen aus seinen Untersuchungen zieht, sind
auf 2 Wegen gewonnen. 1. Er fütterte eine Anzahl Hühner eine Zeit lang mit
Schalenreis und beobachtete, dass sie nicht an Polyneuritis erkrankten. 2. Er
fütterte erkrankte Thiere mit Schalenreis und beobachtete, dass sie gesund
wurden.
Was den ersten Punkt betrifft, so wurden 14 Versuche mit Fütterung
von Schalenreis gemacht
E. hat uns bei andern Versuchen mit schalenlosem Reis gezeigt, dass diu
Krankheit erst nach 6 bis 7 Monaten (Versuch 9 und 10) ausbrechen kann. —
Unter diesen 14 Versuchsthieren befinden sich 8 Hühner, bei denen die Be-
obachtungszeit 6 Monate nicht überschritt, 3 davon (Versuch 8B und Versuch 19)
starben nach 4 und 6 Monaten an Nasen- und Kehlkopferkrankungen, bei den
andern 5 war es nicht unmöglich, dass die Krankheit noch auftreten konnte, wie
dies in Versuch 9A geschah, wo die eine Henne nach 7 Monaten 8 Tagen pare-
tische Erscheinungen zeigte.
Von den andern 6 Hühnern (Versuch 18, 19, 27), die mit Schalenreis ge-
füttert wurden, erkrankten 3 an Polyneuritis, die eine bekam zugleich Tapioca,
2 starben von diesen 3, es bleiben also als Beweis nur 3 reine Versuche übrig,
bei denen die Hühner 10 Monate gesund erhalten wurden.
Was den 2. Punkt, die Heilung an Polyneuritis erkrankter Hühner mit
Schalenreis betrifft, so sind au 12 Hühnern Versuche angestellt. Bei 9 Hühnern
wurde in l'/t — 3 Monaten Heilung erzielt, bei einem Huhn nach 6 Monaten, bei
einem nach 11 Monaten, eins starb. Wir wollen hier der Schwierigkeit in der
Diagnose der Polyneuritis der Hühner gedenken, speciell der Untersuchung sen-
sibler und vasomotorischer Störungen. Wann ist ein Huhn von Abweichungen
in der sensiblen oder vasomotorischen Sphäre geheilt? E. vernachlässigt diese Seite
der Untersuchung und erklärt meist ein Huhn für geheilt, wenn es wieder laufen
kann. Man muss zugeben, dass die Heilung doch immerhin eine ganze Zeit in
Anspruch nahm. Controlversuche an erkrankten, die zur selben Zeit mit
einem anderen Futterstoff ernährt wurden, fehlen. Von den 21 Versuchsthieren,
welche an Polyneuritis starben, trat bei 17 nach 1 — 6 Tagen nach der Diagnose
„Polyneuritis“ der Tod ein, bei einem nach 9 Tagen, bei einem andern nach
12 Tagen, nach 19 Tagen und nach l'/> Monaten. Es Ist hier auffallend, dass
E. bei diesen schweren Erkrankungen nur bei 1 Huhn den Versuch gemacht,
den günstigen Einfluss der Reisschalen festzustellen, diese Erkrankungen
schwerer Art wären hierfür sehr geeignet gewesen.
E. experimentirte auf einem sehr ungesunden Terrain; eino ganze Anzahl
seiner Hühner starb an Nasen- und Kelilkopfdiphtheritis, sowie an dem E.’schen
Versuchsthiertod. Nun wird man ohne weiteres zugeben können, dass das Gift,
welches eine Nasen- oder Kehlkopfdiphtheritis bei den Hühnern hervorgebraeht
hat, mit der Luft in den Körper des Thieres gelangte, und es lag nahe daran, zu
denken, ob dies nicht auch bei der Polyneuritis stattgefunden haben könne.
Wir hätten Controluntersuchungen ausserhalb des Hühnerhofs feststellen
müssen. Ein fernerer Beweis, in welchen ungünstigen hygienischen Verhält-
nissen die Versuchsthiero sich befanden, beweist die Abnahme des Gewichtes.
Von 58 Hühnern, bei denen genauere Angaben hierüber vorliegen, zeigten 50
Gewichtsverlust und zwar nicht nur die erkrankten, sondern auch die gesund
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TI. Besprechungen und Litteraturangahen.
gebliebenen und zwar letztere mit 71®/«- Abgesehen von den kurzen, ober-
flächlichen, das Krankheitsbild der Polyneuritis auch nicht im Entferntesten zum
Ausdruck bringenden Krankengeschichten, sei hier besondere auf den Mangel des
Datum hingewiesen; der Monat, in dem der Versuch gemacht wurde, ist nur bei
einer beschränkten Anzahl, unter 49 25 mal angegeben, das Jahr niemals, ln
den Versuchen mit Angabe des Monates wurden die Hühner in den verschiedenen
Monaten wie folgt krank:
Januar
5
Juli
4
Februar
—
August
—
März
4
September
1
April
2
October
1
Mai
4
November
b
Juni
3
Dezember
9
Demnach erkrankten von 39 Hühnern 19, also ungefähr 50%, in den Monaten
November, December und Januar. Unter 15 Hühner, welche an Polyneuritis
starben und bei denen nähere Angaben hinsichtlich des Datums angegeben sind,
starben 8 in den Monaten November, December und Januar, die anderen 7 in
den übrigen 9 Monaten. Nun hat allerdings E. einen Theil seiner Versuche im
November angefangen (35®/0), die andern 65®/, fallen in die Monate März bis
August. Es erklärt dies aber keineswegs eine so auffallende procentäre Er-
krankungsziffer der Monate November bis Januar. Es haben demnach eine An-
zahl Hühner mit der Erkrankung gewartet, bis die Monate November, December
oder Januar eintraten (Versuch 9.) Hier ist zweifellos ein zeitliches Moment zu
vermuthen, und ein umsichtiger Experimentator hätte durch richtige Control-
vereuche diese Frage zu entscheiden versucht Ich habe diese Versuche ab-
sichtlich etwas ausführlich besprochen, da E. in verschiedenen holländischen ge-
lehrten Gesellschaften Vorträge über dieselben gehalten hat und weil von ihm
auch dem deutschen ärztlichen Publikum in Virchow’s Archiv eine kurze Ueber-
sicht gegeben ist, die dem Leser nicht die Gelegenheit gibt ein selbstständiges
Urtheil zu fällen. Die E.’sche Arbeit zeichnet sich aus durch eine Masse sich
widersprechender Versuche, voll von Beobachtungen, die die grösste Oberfläch-
lichkeit und Ungenauigkeit an den Tag legen und denen ebensolche Schluss-
folgerungen zur Seite stehen, sie zeigt einen gänzlichen Mangel an wohldurch-
dachten und richtig angelegten Controlversuchen und wenn man bedenkt, dass
E. zu dieser Arbeit 6 Jahre nöthig hatte, dann muss dieselbe als das dürftigste
Produkt bezeichnet werden, welches von einem Leiter eines wissenschaftlichen
Institutes in der Literatur gefunden werden dürfte.
Das ist der Fluch der bösen That, dass sie fortzeugend Böses muss ge-
bären, das sieht man an der E.’schen Arbeit im Zusammenhang mit der folgen-
den, zu deren Besprechung wir nun übergehen.
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n. Besprechungen und Litteraturangabcn.
49
Onderzoek naar het verband tusechen den aard der rystvoeding in de
gevangeniasen op Java en Madoera an het voorkomen van Beri-Beri onder
de geintemeerddn, door Vordermann
besprochen von Dr. Glogner, stadsgeneesheer te Same rang.
Inspecteur van den burgerlyk geneeskundigen dienst voor Java en Madoeia.
In der Einleitung theilt uns Vordermann mit, dass er theils durelr die
Experimente von Eykmann, theils durch seine eigenen Erfahrungen über den Zu-
sammenhang der Beri-Beri in den Gefängnissen mit der Ernährung auf besondere
Veranlassung der holländischen Regierung im Jahre 1896 eine Dienstreise durch
Java und Madura gemacht habe, um die Ernährungsverhältnisse der Gefangenen,
sowie die hygienischen Verhältnisse, unter denen dieselben leben, einer näheren
Untersuchung zu unterziehen. Aus den verschiedenen Gefängnissen sammelte er
Reisproben und schickte dieselben zur näheren Untersuchung nach Batavia.
Im II. Abschnitt wird des Näheren die Ernährung in den Gefängnissen
und ihre Beziehung zur Beri-Beri sowie die Volksemährung auf Java und Madura
im Allgemeinen besprochen. Reis ist überall in den Gefängnissen wie unter der
Bevölkerung Javas das Hauptnahrungsmittel. Es werden 8 Reissorten angebaut,
die weisse, rothe und schwarze, von denen die letztere nur in beschränktem
Uaasse vorkommt Das Reiskorn ist umgeben von der inneren dünnen und über
dieser von der gelben dicken, sichtbaren Schale; die innere Schale sitzt bei den
verschiedenen Reissorten verschieden fest auf dem Koro, bei der rothen Sorte
viel fester als bei der weissen. Die Javanen bergen den Reis nach der Ernte in
kleinen Garben und befreien nur soviel Reis von den Schalen, soviel sie für den
Bedarf einiger Tage nöthig haben. Die Lieferanten, welche für die Gefängnisse
Javas und Maduras Reis liefern, heben ihren Vorrath in Säcken auf. Oefter»
wird derartiger Reis mit Kalk vermischt In keiner der aus den Gefängnissen
stammenden Reissorten wurde Kalk nachgewiesen.
Nachdem der Verf. die verschiedenen Methoden des Reisstampfens be-
schrieben hat, theilt er einige Reactionen der innere Schale auf verschiedene
Reagentien mit; mit Natronlauge färbt sich dieselbe z. B. gelb. Nach V. er-
nähren sich die Bewohner Javas zum grossen Theil von Reis mit Schalen, mit
Ausnahme der Einwohner in den Hauptstädten, sowie der chinesischen und ara-
bischen Einwanderer.
Ausser Javareis wird noch Reis aus Saigon, Bangkok und Rangun gegessen,
dieser eingeführte Reis ist immer von den Schalen befreit. Der Siamreis ist
stabförmig länglich, Saigonreis sieht dem Javareis ähnlich, Reis aus Rangun ist
kurz und dick. Photographieen machen diesen Unterschied deutlich. In 97 Ge-
fängnissen wurde der Reis durch heisse Dämpfe weich und geniessbar gemacht,
in 3 Gefängnissen wurde er gekocht Der rothe Reis besitzt einen anderen Ge-
schmack als der weisse. Der ausländische Reis soll weniger schmackhaft söin
als der Javareis. Nach V. ist Reis mit inneren Schalen wegen des grossen
Gehaltes an Eiweiss und Fett schwerer zu verdauen als Reis ohne Schalen
wegen der grossen Arbeit, die er an die Verdauungsorgane stellt (!). Doch
kommen nach ihm in den Gefängnissen, wo Schalenreis gegessen wird, nicht
mehr Digestionsstürungen vor als in den andere, wo Reis ohne Schalen genossen
wird. Der Javaner geniesst ausser dem Reis noch eine Anzahl Nebenspeisen,
beim Gefangenen ist wegen des Mangels an genügenden Nebenspeisen die Er-
Archiv t. Schiffs- u. Tropenbygiene. EL 4
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
nührung deshalb eintöniger, er bekommt wohl mehr Fleisch als der Dorfbewohner.
Der ausländische Reis wird meist in Ostjava gegessen, Mais bildet die Haupt-
nahrung auf Madura und den in Ostjava angesiedelten Maduresen, sowie im Tetiger-
gebirge Ostjavas. Es folgt dann eine Beschreibung der Maiscultur. Die Mais-
kolben werden ebenso wie die Reisgarben aufgehoben. Jeder Gefangene erhält
täglich 750 Gramm Reis, 20 Gramm Salz, 250 Gramm Büffel- oder Rindfleisch
öfter 120 Gramm getrockneten Fisch oder 120 Gramm getrooknetes Fleisch.
1D8 Gramm Gemüse, s(ianischen Pfeffer, Zwiebeln.
In den Gefängnissen Javas und Maduras werden verschiedene Kategorien
von Reis verabreicht, nämlich
1: rother Reis (mit innerer Schale),
2: rother Reis vennengt mit weissem Javareis mit innerer Schale,
8: weisser Javareis mit innerer Schale,
4: weisser Javareis ohne innere Schale,
5: ausländischer weisser Reis (stets ohne innere Schale).
V. theilte uns nun auf S. 82 mit, dass unter den Gefangenen, welche
Reis mit inneni Schalen genossen, nur 0,009 % au Beri-Beri erkrankten, während
diejenigen, welche Reis ohne Schalen assen, mit 2,79*/« erkrankten; diejenigen,
welche theilweise die innem Schalen, aber nicht in genügender Weise, zu sich
nahmen, erkrankten 0,24% an Beri-Beri.
In Bankalan auf Madura wird Reis mit Schalen verabreicht, hier wurde
trotzdem Beri-Beri beobachtet, in der Zeit, über welche sich die Beobachtungen
V.’s erstrecken, — es sind dies meist in einzelnen Fällen IV, Jahre! — kamen
im Gefängniss zu Bankalan 5 Fälle von Beri-Beri vor. Von diesen 5 war der eine
11, die anderen 50, 129, 232, 288 Tage im Gefängniss, bevor die ersten Erschei-
nungen auftraten. Die beiden ersten Fälle sind demnach nach V. vor ihrer Auf-
nahme in’s Gefängniss erkrankt, da Beri-Beri auch unter den Einwohnern Bankalans
vorkommt und die Incubntionszeit(!), wie derVerf. uns später zu zeigen gedenkt.
111 Tage dauert. Auf einer Karte giebt der Verf. eine graphische Darstellung
des Vorkommens der Beri-Berikrankheit in den verschiedenen Gofängnissen Javas
und Maduras, aus welcher hervorgeht, dass in 37 Gefängnissen in einem Zeit-
raum von IV, Jahren, wo Reis mit innem Schalen als Ernährung diente, nur
in einem Gefängniss die Krankheit vorkam, während von 51 Gefängnissen, wo
Reis ohne innere Schalen gegeben wurde, in 86 Beri-Beri sich zeigte, in 13 Ge-
fängnissen. wo eine Mischung von Reis ohno Schalen mit Schalenreis verabreicht
wurde, kam in 6 Beri-Beri vor. — Alle diese Beobachtungen, sowie die folgenden
erstrecken sich, wie ich hier besondere hervorheben möchte, nur über den kurzen
Zeitraum von 1 — IV, Jahren.
Auf einer dem Werke beiliegenden Karte gibt uns der Verf. eine gra-
phische Darstellung des Vorkommens der Beri-Berikrankheit in den verschiedenen
Gefängnissen Javas und Maduras. Er theilt dieselben in 8 Kategorien: 1. Ge-
fängnisse. wo die Hauptemährung aus rothem Reis (mit innerer Schale), oder
einem Gemenge von rothem und weissem Reis (mit innerer Schale) oder aus
weissem Reis (mit innerer Schale) bestand, dem letzteren war bisweilen weisser
Reis ohne Schalen boigemengt, aber immer weniger als 25 %• 2. Gefängnisse,
wo Reis ohne Schalen oder Reis ohne Schalen mit Schalenreis vermengt verab-
reicht wurde, der Schalenreis war im letzten Falle in weniger als 25V, vor-
handen. 3. Gefängnisse, wo Reis ohne Schalen mit Schalenreis gemengt als
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II. Besprechungen und Litteraturangabon.
51
Nahrung diente, wo also der Schalenreis sowie der Reis ohne Schalen in mehr
als 25% vorhanden war.
Nähere Angaben über diesen Procentsatz des Schalenreis und schalenlosen
Reis fehlen bei No. 3, ebenso ist es auffallend, dass Vordermann in No. 1 bei
■den einzelnen Gefängnissen nicht den Procentsatz des in dem Nahrungsreis vor-
handenen Reis ohne Schalen angegeben und ebenso auffallend, dass er in No. 2
dies nicht bei dem Schalenreis gethan hat Man weiss also niemals, ob in einem
bestimmten Gefängniss nur Schalenreis oder in einem andern nur Hei« ohne
Schalen als Nahrung diente.
ln den Gefängnissen, wo die Nahrung von No. t verabreicht wurde, kam
Beri-Beri in 2,7 % vor, in den Gefängnissen von Nr. 2 in 70.98*/*, in Gefäng-
nissen mit Nahrung No. 3 in 46,15%. Nun muss man hier schon bemerken,
dass die Reisschalen in No. 3 von sehr geringem Einfluss gewesen sind, wenn
in einer solchen grossen Anzahl von 46, 15'/* Beri-Beri sich entwickeln kann.
Vergleichen wir nun die Gefängnisse, die in der Ernährung mit Schalenreis am
weitesten auseinander liegen, nämlich die Gefängnisse mit der Nahrung 1 und 2
ihrer geographischen Lage nach, dann ergibt sich das Folgende. Von 25 Gefäng-
nissen, wo Reis ohne Schalen als Nahrung diente, und welche an der Küste
liegen, kam Beri-Beri in 80% vor, in 20% konnte die Ernährung mit Reis ohne
Schalen die Beri-Beri nicht hervorbringen. Warum gelang dies hier nicht? In
diesen Gefängnissen, wo Beri-Beri in 1 — 1% Jahren beobachtet wurde, schwankte
die Erkrankungsziffer zwischen 0,08% und 36, 95%. Warum konnte der Reis ohne
Schalen in Rembang nur 0,08%, im Frauengefängniss in Soerabaja 36.95 % und
in den» Männergefängniss in derselben Stadt nur in 4,3% Gefangene krank
machen ?
Von den 4 Gefängnissen an der Küste, wo Schalenreis gegessen wurde,
kam Beri-Beri in einem Gefängnisse = 25 % vor. Von 26 Gefängnissen, welche
im Gebirge oder fern von der Küste lagen und wo Reis ohne Schalen als
Nahrung diente, kam in 16 = 61% Beri-Beri vor, während in 83 Gefängnissen
mit Nahrung No. 1 in keinem Beri-Beri beobachtet wurde. Die Entfernung von
der Küste oder die ]>age im Gebirge hat also bei den Gefängnissen mit Nahrung
No. 2 (schalenlosem Reis) ein Sinken der Beri-Beriziffer um 19*/* hervorgebraoht,
also kann dies unmöglich an den Schalen liegen, sondern wie dies schon seit
Jahrhunderten bekannt ist, von der Lage und andern hygienischen Verhält-
nissen abhängen. Wenn man sich die Karte betrachtet, so sieht man, dass an
der Küste mehr Reis ohne Schalen und im Gebirge oder Innern des Landes mehr
Schalenreis verabreicht wird und wenn wir nun die kurze Zeit in Betracht ziehen,
welche Verf. für seine Beobachtungen benutzte und die eine ganze Masse Zu-
fälligkeiten in sich schliessen kann, so wird derjenige, dem das sicher gestellte
locale Moment in der Epidemiologie der Beri-Beri vor Augen steht, in dieser
graphischen Darstellung nur einen neuen Beweis ersehen, dass die Beri-Beri an
der Küste am häufigsten auftritt und auf Plätzen, die von der Küste entfernter
liegen, geringer vorkommt.
Im III. Abschnitt bespricht der Verf. des Näheren die Gefängnisse, die
verschiedenen Kategorien von Gefangenen, die verschiedenen hygienischen Verhält-
nisse, in denen sie leben, ihre Arbeit, die hauptsächlich darin besteht, Gebäude,
Höfe und Wege zu reinigen, Gräben vom Schlamme zu befreien, grössere Erd-
arbeiten zu verrichten. Dann theilt er uns unter anderem mit. ohne hierfür auch
4*
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52
II. Besprechungen und Li tteraturan gaben.
nur einen Schein eines Beweises zu bringen, dass in Japara die Incubatioaszeit(!)
106 Tage, in Modjo Kerto 110, in Probolingo 120 Tage u. s. w. beträgt Er be-
rechnet die Zeit der Incubation vom Tage der Aufnahme der Gefangenen in s
Gefängnis«, bis zu dem Tage, wo die ersten Erscheinungen sich zeigen, er nimmt
also als feststehend an, dass der Krankheitsstoff sofort in den Körper der be-
treffenden Kranken aufgenommen wird, sonst könnte er nicht von einer Incu-
bation sprechen, er vergisst aber Beweise für diese Aufnahme des K rankheit—
agens zu bringen und er nimmt an, was erst noch bewiesen werden soll, dass
der schalenlose Reis vergiftend auf den Körper wirkt Wenn Verf., wie man
vermuthen darf, den schalenlosen Reis als dieses Krankheitsagens anruft, dann
muss man sieh wundem, dass die betreffenden Gefangenen 3 — 4 Monate diesen
Reis ohne Schalen vertragen können. Auf S. 50 sagt er, dass die Notizen über
die andern Krankheiten in den Gefängnissen die nöthige Zuverlässigkeit und
Glaubwürdigkeit vermissen lassen. Bei den Aufzeichnungen über die Beri-Berier-
krankungen ist ihm diese Glaubwürdigkeit sicher gestellt, da die Anzahl der Beri-
Berierkrankungen speciell in den Jahresrapporten erwähnt werden müssen. Ich
will hier nur beifügen, dass dies ebenfalls von den andern Krankheiten geschehen
muss und dass, wenn man an der Glaubwürdigkeit der Erkrankungen unter den
Gefangenen mit Ausnahme der Beri-Beri zweifelt, man wohl auch die Glaubwürdig-
keit der letzteren in Zweifel ziehen kann.
Die Sterblichkeit in allen Gefängnissen Javas und Maduras beträgt 0,56 %
an Beri-Beri 0,27%, an andern Krankheiten 0,29%
Auf einer Karte gibt Verf. eine graphische Darstellung von verschiedenen
Faktoren, wie Alter der Gebäude, Durchlässigkeit des Flurmaterials, der Venti-
lation u. s. w. in ihrem Einfluss auf das Vorkommen der Beri-Beri, eine deutliche
Gesetzmässigkeit ist nicht nachzuweisen.
Auf S. 54 spricht er von der geographischen Verbreitung.
Verf. theilt uns nur kurz mit, dass die Krankheit ungleich vertheilt ist, be-
sondere sind es die Gefängnisse im östlichen Java und Madura, wo Beri-Beri all-
gemein vorkommt, erwähnt dann einige Plätze in West- und Mitteljava.
Der oben erwähnte Unterschied der an der Küste und im Innern des
Landes gelegenen Gefängnisse wird hier übersehen.
Wenn man die Arbeit V.’s bis auf 8. 54 gelesen hat, muss man ihn für
einen eingefleischten Reistheoretiker halten, dieses Urtheil ändert sich, wenn man
den kurzen Abschnitt über die Uebertragbarkeit der Beri-Beri von einem Ort nach
dom andern gelesen hat. Hier fällt der Reistheoretiker V. gänzlich aus der Rolle.
Hier kann er einige epidemiologische Beobachtungen nicht unterdrücken, die nichts
weniger als mit rothem oder weissem Schalenreis zu erklären sind. In Boodo-
woor, Sitoebondo, Besoeki, Krakraan war früher keine Beri-Beri, nun ist diese
Krankheit von einem Gefangenen nach dem andern verbreitet
Im Gefängniss zn Bondowoor wurden Beri-Berifälle unter den Gefangenes
erst dann beobachtet, nachdem Beri-Berikranke aus dem überfüllten Gefängniss
in Djember nach Bondowoor gebracht waren. In Krakraan, wo die Beri-Beri un-
bekannt war, brach sie unter folgenden Verhältnissen aus. Eine Anzahl Ge-
fangener wurden wegen Umbau des Gefängnisses von Krakraan nach Probolingo
geschickt, wo die Krankheit endemisch herrschte. Als die Gefangenen nach
Krakraan zurückkehrten, litten einzelne an Beri-Beri und nun erkrankten in Kra-
kraan auch andere Gefangene.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
53
Wir lesen auf S. 55 :
Das Gefängniss in 8itoebondo ist damals, in Folge eines Aufenthaltes trans-
portirter Gefangener aus Bondowoor und Djomber Inflelrt.
Verf. bekennt auf 8. 59, dass die Ursache der Beri-Beri nicht nur in der
Nahrung mit Reis ohne innere Schale besteht, sondern dass sie auch durch
Mikroorganismen hervorgebracht werden könne, die uns die Uebertragbarkeit
dieser Krankheit erklären. Damit begrüssen wir ihn als einen der Unsrigen! Wir
haben also eine Multiplieität der Beri-Beriaetiologie !
Auf 8. 59 — 62 theilte er einige Beobachtungen aus dem Krankenhaus für
Prostituirte in Kediri und aus dem Gefängniss in Batavia mit
In der Frauenabtheilung in Kediri wurde Reis mit Schalen als Nahrung
verabreicht Derselbe wurde von dem behandelnden Arzte bei einer näheren
Untersuchung für unbrauchbar erklärt und Saigonreis ohne Schalen gegeben.
Nach einiger Zeit kam eine Frau mit Fieber in Behandlung (89° — 41,2° C.), nach
Ablauf des Fiebers wurden Erkrankungen der Beri-Beri constatirt, die Frau starb,
einige Tage später erkrankten andere Frauen unter denselben Erscheinungen
(erst Fieber) an Beri-Beri. Als die Erkrankungsziffer auf 22 stieg, wurden 18
nach den Dörfern geschickt und Verf. fand nur noch 4 Kranke an, er schlug so-
fort als Nahrung rothen und weissen Reis mit Schalen vor. Das Gebäude der
Frauenabtheilung wurde geräumt, die Wände abgebrochen und verbrannt, die
Dachziegeln abgenommen, dem Sonnenlicht ausgesetzt, um hierauf mit Kalk an-
gestrichen zu werden. Der Flur wurde ausgebessert, die Wasserleitung mit
neuem Cement versehen und das Gebäude selbst desinficirt. Seit dieser Zeit
haben sich — in l1/» Jahren — keine neuen Beri-Berifälle in dem Krankenhause
mehr gezeigt. Verf. nimmt es als feststehend an, dass die Ernährung einen Ein-
fluss auf das Entstehen der Krankheit gehabt haben muss. Warum werden dann
die Wände abgerissen, die Dachziegel mit Kalk bestrichen, das Gebäude desin-
ficirt? Alles wegen des schalenlosen Reis? Man sieht, dass hier der Schalenreis
und Mikroorganismen im Kopf des Untersuchers durcheinander schwirren, und dass
er von den letzteren nicht ganz lassen kann. Wie ist das Fieber bei den Er-
krankten mit Schalenreis zu erklären? oder sind die Ursache der Fieber nur
Mikroorganismen gewesen? Diese Fälle waren für mich besonders interessant,
weil ich in Virehow's Archiv an einer Reihe von Fällen den Zusammenhang von
Fieber und Beri-Beri besonders hervorgehoben und den Nachweis von Amöben
im Blute geführt habe.
Verf. führt dann noch eine Beobachtung aus Batavia an, wo Eingeborene,
die in Untersuchungshaft sassen, sowie Gefangene, welche wegen Schulden sitzen
mussten, in demselben Gebäude wohnten, die ersteren bekamen nur Reis ohne
Schalen und erkrankten theilweise an Beri-Beri, die letzteren bekamen ihre
Speisen vom Hause und genossen ausser schalenlosem Reis noch verschiedene Zu-
speisen, die nach Verf. den Verlust decken, welchen Reis ohne innere Schalen
hervorbringt!!! Daraus glaubt Verf. schliessen zu können, dass die Ernährung
bei den erwähnten Gefangenen in Batavia von Einfluss auf das Entstehen der
Beri-Beri gewesen ist!
Der Einfluss der Jahreszeit wird dann kurz berührt, ohne den Versuch
zu machen, das Auftreten der Beri-Beri in der Regenzeit mit dem Genuss von
schalenlosem Reis in Zusammenhang zu bringen. Auffallend und übereinstimmend
ist bei allen Reistheoretikern die Erscheinung, dass sie mit grosser Hartnäckigkeit
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II. Besprechungen und Iitteraturangaben.
über das locale und zeitliche Moment hinweggehen. Es scheinen ihnen diese
hinderlich im Wege zu stehen, weil diese beiden durch zahllose Beobachtungen
aus den verschiedensten Landern sicher gestellten epidemiologischen Erscheinungen
mit Sicherheit für ein lebendes Agens sprechen.
In den Schlussbetrachtungen sehen wir, dass Verf. es als bewiesen ac-
niramt, dass Reis ohne innere Schalen Polyneuritis hei Hühnern hervorruft und
Schalenreis dieselben heilen kann. Dass in der inneren Schale auch eine vis
medicatrix für Beri-Berikranke liegt, versucht er an einigen Beispielen zu llla-
striren. 1. Der geisteskranke Juvan Alihan wurde am 30. September 1896 in s
Gefänguiss zu Buitenzorg aufgenommen und zeigte im November Erscheinungen
von Beri-Beri, starke Oedeme der untersten Extremitäten, pastöses Gesicht, be-
schleunigte Herztlnitigkeit, 120 p. m., Töne unrein, am 20. November wurde der
Kranke mit rothem Reis mit innerer Schale ernährt, nach 14 Tagen waren die Er-
scheinungen erheblich vermindert in der 2. Hälfte vom Deeember waren die Oedeme
verschwunden. Mitte Februar 1897 war der Status praesens wie folgt: Oedeme
verschwunden, Herztöne schwach, rein; Herzthätigkeit normal, Puls in Ruhelage
84 p. m., Puls klein und weich, kein Kniereflex.
(Schwache Herzaction, kleiner Puls, aufgehobener Reflex, gehören, wie be-
kannt ist, auch unter die Erscheinungen des Stu]K»r). II. Der zweite Geistes-
kranke, der ebenfalls an Stupor litt, wurde am 28. October 1896 in's Gefiuigniss
zu Buitenzorg aufgenommen. Ende Januar 1897 Erscheinungen von Beri-Beri.
Der Kranke lehlet ausser Beri-Beri noch an Enteritis acuta. Am 4. Februar wurde
rother Reis mit intern Schalen verabreicht Mitte Februar Enteritis bedeutend
gebessert, Oedeme erheblich geringer geworden, Puls in Ruhelage 94, Kniereflex
aufgehoben. Damit ist die Krankengeschichte zu Ende. Ganz abgesehen von den
ganz ungenauen oberflächlichen Krankengeschichten, sensible und vasomotorische
Erscheinungen (Blutdruck) werden gar nicht erwähnt, muss man dem Verf. ent-
gegenhalten, dass derartige Besserungen, wie in No. I, für Jemandeu, der Beri-
Berikranke in genügender Anzahl beobachtet hat, unter Reis ohne Schalen gar
nichts Seltenes sind, ich könnte ihm Dutzende aus dem hiesigen Krankenhaus«
vorlegen. Fall I ist deshalb nicht als reiner and brauchbarer Versuch aazaer-
kenneu, weil einzelne Erscheinungen des psychopathischen Zustande« Erschei-
nungen der Beri-Berikrankheit ähneln und weil gar nicht festgestellt ist. ob nicht
noch Blutdruckerhöhungen oder -herabsetzungen, die nach meinen jünsteo Be-
obachtungen Doch sehr lange am Kranken nachzuweisen sind, bestanden haben.
Ueber Fall II will ich schweigen, er ist ein Monstrum einer Krankheits-
geschichte eines ßeri-Berikranken und beweist nichts. Vordermann scheint zu
sehr von dem post hoc, ergo propter hoc überzeugt zu sein.
Verf. hält eine Ernährung der Gefangenen mit Schalenreis für noth wendig,
erklärt sich aber auch entschieden für eine zweckmässige Desinfection der Ge-
fängnisse !
Dann folgen 2 Beispiele aus Malang und Toeloeng agoeng, welche des
günstigen Einfluss des Schalenreis darlegen sollen. Im Gefängnis« zu Malang.
wo rother Schalenreis als Nahrung dient, sind noch niemals Fälle von Beri-Ben
vorgekommen. Aus diesem Gefängni&s arbeiten 80 Gefangene im Lazareth und
bekommen hier Reis ohne Schalen. Ende 1895 und 1696 kamen 8 Falle vo»
Beri-Beri unter diesen 80 Gefangenen vor. Zum bessern Verständnis« für de«
Leser möchte ich hier kurz erwähnen, dass in das Lazareth zu Malang, weich«
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II. Besprechungon und Litteraturangaben.
55
im Gebirge liegt, seit vielen Jahren Beri-Berikranke geschickt werden. Verf. hat
uns gezeigt, dass die Beri-Beri von einem Ort nach dem andern verschleppt
werden kann und man wird wohl zugeben müssen, dass Gefangene, die in einem
solchen Lazareth die niedrigsten Dienste verrichten, Gelegenheit haben, an Beri-
Beri zu erkranken. Für diese Erkrankungen braucht man keinen Schalenreis.
Im Gefängnis« zu Toeloeng agoeng wurden die Gefangenen vor dem 80. Juni 1895
mit weissem Reis ohne Schalen ernährt, welcher hier und da mit rothem Schalen-
reis, gemengt mit weissem Reis, abgewechselt wunde. Vom 80. Juni 1895 bis
Juli 1896 kam unter einer Ernährung mit Schalenreis kein Fall von Beri-Beri
vor, während vor dieser Zeit die Krankheit in nicht unerheblichem Maasee be-
obachtet wurde. Einer der schönsten Beweise für den günstigen Einfluss defc
Schalenreis ist der aus dem Gefängnis« zu Japara. Hier bestand bis zum 4. Juni
1896 die Nahrung aus Reis ohne Schalen, trotz dieser Ernährung mit schalen-
losem Reis war bis zum 17. November kein Fall von Beri-Beri beobachtet, also
ein untrüglicher Beweis, dass der schalenlose Reis den Gefangenen in Japara
niemals etwas geschadet hat. Vom November 1895 bis Juni 1898 wurden 46
Beri-Berifälle beobachtet Verf. kam, sah und siegte. Die Schalenreisemährung
wurde eingeführt.
Am 15. Juni kam noch ein Fall von Beri-Beri vor, seit dieser Zeit ist bis
Anfang 1897, ebenso wie in früheren Jahren, kein Fall von Beri-Beri vorgekommen.
Japara ist in der oben besprochenen Tabelle unter den Plätzen verzeichnet, wo
Reis ohne Schalen verabreicht wurde und Beri-Beri vorkam. Wären die Be-
obachtungen V.’s ein Jahr früher gemacht, so stände es unter den Platzen, wo
Reis ohne Schalen gegessen wurde und keine Beri-Beri auftrat. Was in Japara
möglich ist, kann ebenso gut auf allen andern Plätzen geschehen, welche Beri-
Berierkrankungen aufzuweisen haben und wo Reis ohne Schalen genossen wird.
Das Beispiel Japara’s lässt uns den Werth dieser einjährigen Statistik so recht
erkennen. Und es muss bei einem aufmerksamen Leser das grösste Misstrauen
in diese Statistik wachrufen und die Vermuthung entstehen lassen, dass in einem
andern Jahre in Gefängnissen 10.98V» Beri-Beri auftreten kann, unter einer Er-
nährung mit Schalenreis und 2,7 V» Beri-Beri in Gefängnissen, wo Reis ohne
Schalen verabreicht wird. Deutlicher konnte Verf. die Schwachen und Mängel
«einer Statistik uns nicht vor Augen führen. Ich habe bereits wiederholt hervor-
gehoben, dass di« Beobachtungen V.’s sich nur über 1 — IV» Jahre erstrecken und
dass sie wegen dieser kurzen Zeit ganz ungenügend sind, die Gesetzmässigkeit
einer bestimmten Erscheinung festzustellen. Statistiken schliessen so viel Fehler
in sich, dass derjenige, der mit ihnen eine Beweisführung liefern will, durch eine
möglichst lange Beobachtungszeit eine Anzahl dieser Fehler auszuschliessen sich
bemühen muss. Diese Schwäche in der statistischen Beweisführung charakterisirt
die ganze Arbeit V.’g.
Ich will hier ein Beispiel anführen, welche ganz imbrauchbaren Ergeb-
nisse die Beobachtung über ein Jahr liefern kann. In einem der Gefängnisso
Semarangs kamen von Februar bis September 1894 18 Fälle von Beri-Beri vor,
von October 1894 bis September 1895 kein einziger Fall, obwohl stets Reis ohne
Schalen gegessen wurde. Wäre V. gekommen und hätte wie in Japara am
Ende der kleinen Epidemie Schalenreis verabreicht, so hätten die Resultate nicht
besser sein können.
Auf Java und Madura kommt Beri-Beri am meisten von November bis
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II. Besprechungen und I-i tte rat u rangaben.
Mai, am geringsten von Juni bis October vor. Die Zeit von Juni ab ist daher
ßusserst günstig für therapeutische Versuche, sowie überhaupt das Ende einer
Epidemie sehr günstige Bedingungen für irgend welche Therapie abgiebt Verl
hat mit der erforderlichen Vor- und Umsicht eines Naturforschers in Japan
den günstigen Zeitpunkt für den Schalenreis gewählt
Ein weiteres Beispiol für den günstigen Einfluss des Schalenreis lieferte
ßoerabaja. Hier konnten die Versuche nur über die Monate August 1895 bis
Januar 1896 und August 1896 bis Januar 1897 gemacht werden. In den be-
treffenden Monaten 1895 — 1896 wurde Reis ohne Schalen, 1896—1897 Reis
mit Schalen gegessen. Die Resultate waren die folgenden: von August 1895 bis
Januar 1896 erkrankten 45 Gefangene und Prostituirtc und in denselben Monaten
1896 — 1897 nur 5. Nun Ist es eine bekannte epidemiologische Erscheinung, dass
die Beri-Beri in verschiedenen Jahren verschieden heftig auftritt In den Ge-
fängnissen Semarangs wurden in 1893 110 Fälle von Beri-Beri beobachtet in 1894
124, in 1895 185, in 1896 nur 78.
Die Erkrankungsziffer ist also nicht nur in Soerabaja. sondern auch in Se-
marang, trotzdem Reis ohne Schalen gegessen wurde, erheblich gesunken.
V. erwähnt schliesslich noch die günstigen Veränderungen, welche in der
japanesischen Marine durch die Veränderung der Ernährung hinsichtlich der Beri-
Beri erreicht wurde; er erläutert dies an einer Tabelle. Bis zum Jahre herrschte
die Beri-Beri in der japanischen Marine erheblich, in 1882 wurden 1929 Fälle
beobachtet, in 1883 fiel die Ziffer bis 1238 und nun kam ein ingenieuser Kopf
auf die Idee, dass der Reis daran schuld sein könnte; der Reis ohne Schalen
wurde durch Brot Gerstemehl u. s. w. ersetzt in 1884 kamen 718 Fälle vor, und
von dieser Zeit sank die Erkrankungsziffer bis 1891. Wenn man nun aber die
Berichte über die sanitären Verhältnisse der japanischen Armee in andern
Werken näher sich betrachtet, dann bemerkt man, dass alle andern Erkrankungen
zusammen ebenfalls geringer wurden und zwar in folgender Weise: Im Jahre
1882 betrug die Anzahl der Erkrankungen in der japanischen Armee mit Aus-
nahme von Beri-Beri 5443, im Jahre 1883 7866, in 1884 4683, in 1885 2105.
in 1886 1087, in 1887 614, in 1888 489, in 1889 412. also sank diese Ziffer
elienfalls durch die Entziehung des Reis ohne Schalen und Vordermann dürfte, wenn
er sich in seinen Schlüssen consequent bliebe, für alle Krankheiten der japanischen
Armee zusammen nur eine einzige Ursache anerkennen, die in dem schalenlasen
Reis läge. Damit würde die Aetiologie der Krankheiten in Japan allerdings sehr
vereinfacht!
Die Arbeit V.’s enthält eine Anzahl mit Fleiss gesammelter und in über-
sichtlicher Weise zusammengestellter ethnographischer und epidemiologischer Er-
scheinungen auf dem Gebiete der Beri-Berifrage in den Gefängnissen Javas und
Maduras, und wenn Verf. diese nur mitgethcilt hätte, ohne auf die Reisfrage ein-
zugehen. so hätte man seine Arbeit in lobender Weise besprechen können. Sem
Versuch, dem Reis einen Platz in der Aetiologie der Beri-Beri zu sichern, muss
als gänzlich gescheitert bezeichnet werden. Seine Beobachtungen, welche diesen
Beweis führen sollen, sind zu dürftig, zu kurze Zeit dauernd, um zu überzeugen,
seine Schlussfolgerungen aus diesen Beobachtungen so oberflächlich, wie man
dieselben in ähnlicher Weise nur in der E/schen Arbeit wiederfinden dürfte.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
57
Dysenterie.
Dysenterie von Dr. Kartulis, Arzt am Regierungshospital zu Alexandrien,
aus Spec. Pathol. u. Therapie von Prof. Dr. H. Nothnagel. 5. Bd. IU. Theil.
Wien. Holder.
Kartulis theilt die dysenterischen Krankheiten in die idiopathischen und
secundären, letztere schliessen sich an andere Infectionskrankheiten an, treten
nach Urämie und Vergiftungen auf, unterscheiden sich aber, wenn auch weniger
pathologisch-anatomisch, doch betreffs ihrer Aetiologie wesentlich von den erst-
genannten. Die herkömmliche Eintheilung der Ruhr in die endemische, epide-
mische und sporadische Form behält Kartulis bei, hebt aber ganz besonders
hervor, dass die endemische eine tropische, auch stellenweise subtropische Krank-
heit sei und beschreibt ausführlich diese uns hier am meisten interessirende,
tropische Dysenterie, ln ätiologischer Beziehung erläutert er die meteorischen
Einflüsse. Darnach tritt die Ruhr öfter bei feuchter Witterung ein und in der
wannen Jahreszeit, am meisten beim Uebergango von der Regenzeit in die trockne
Periode, am häufigsten herrscht nach K. die Ruhr in sumpfigen Gegenden.
Nachdem K. über die Wassertheorie sich verbreitet und hervorhob, dass faulende
vegetabilische und Fäcalstotfe zu der Entstehung der Krankheit beitragen, be-
schreibt er eingehend die Dysenterieamöben als Erreger der Krankheit und
wendet sich gegen die die Amöbentheorie bekämpfenden Forscher, von denen
Celli und Fiocca bei Katzen eine amöbenfreie Dysenterie nach Impfung mit
dysenterischen, amöbenhaltigen Stühlen und Cultnren erzeugten, sowie auch mit
durch Wärme abgetödteten amöbenhaltigen dysenterischen Material, in dem nur
noch Bacterien mit ihren Giften enthalten waren. Kartulis konnte durch die
Nachprüfung diese Experimente nicht bestätigen, ausserdem hatte, wie Kartulis
betont, nur Celli die Dysenterieamöben in den Tropen studirL Der Kruse
und Pasqualo, von K. nachgeprüfte, gelungene Versuch, mit baeterienfreien
Amöben aus dysenterischen Leberabscessen bei Katzen echte tropische Dysente ris
hervorzubringen, muss der von K. vertretenen Lehre der Pathogenität der Dy-
senterieamöben als Hauptstütze dienen, noch dazu, da wie auch Laveran neuerdings
(Ref.) fand, nur und stets bei tropischer Dysenterie, pathogene Amöben gefunden
werden. Als Prüfthier für die Pathogenität dient die Katze, bei welcher
sonst in dysenterischen Stühlen verkommende Mikroben nicht und auch keine
Amöben vom gesunden Menschen, vielmehr nur die tropischen Dysenterieamöben
tropische endemische Ruhr zu erzeugen vermögen. Die von Kartulis für Indien
nur bis 1878 angegebene Mortalität an Dysenterie 7% für Madras, ist durch
Trinkwasserverbessorung jetzt bedeutend herabgesetzt, ebenso die frühere Mor-
bidität von 5V,Vo bei europäischen Truppen. Sehr genau, auf Grund eines
grossen, zur Section gelangenden Materials, beschreibt K. die von den Dysenterie-
amöben durchsetzte und erkrankte Dickdarmmucosa und Submucosa, wohin die
Parasiten durch die Lymphbahnen der Muscularis mucosae gelangen, ln den
tieferen Darmzonen fand K. keine weiteren Bacterien nur Amöben und schliesst
sich Kruse'8 Ansicht an, dass auch die Solitärfollikel, betreffend des Ausgangs-
punktes des Danngeschwürs, betheiligt sind. Bei der mikroscopiscben Unter-
suchung eines Tropfens schleimig-blutigen StuhTantheiles, erkennt man die Amöben
an ihrer Beweglichkeit, Glanz und Grösse, gegenüber Epithel und Leucocyten;
die Amöben enthalten oft Blutkörperchen in sich. Die Narben der tropischen
Kuhigeschwüre sind pigmentirt Betreffs der Behandlung empfiehlt K., abgesehen
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68
II. Besprechungen und Litte re tu rangaben.
von der bekannten Diät, besonders die hohe Enteroklyse mit 0,5% Tanninlö6ung,
weil dadurch die Amöben abgetötet würden. — Die Arbeit ist eine sorgfältige,
die Literatur fast erschöpfend aber kurzgefasst berücksichtigt und in hohem
Maasse zu empfehlen, sie deckt sich auch in den wesentlichen Punkten, mit den
vom Ref. publicirten Arbeiten. Karl Däubler.
c) Sonstige Werke.
L’Afrique äquatoriale, climatologie, nosologie, hygiene par le Dr. A.
Poskin. Bruxelles 1897, Societe beige de librairie.
Gestützt auf eigene Erfahrungen im Congo-Gebiete hat Poskin es unternommen,
das gesammte vorliegende Material über die Klimatologie, Pathologie und Hygiene
des äquatorialen Afrika, besonders des mit seinem Vaterlande durch Personal-Union
verbundenen Congostaats zu einem einheitlichen "Werke zusammenzustellen. Der
erste Theil des 470 Seiten starken Buches behandelt die Geologie und Klima-
tologie und zwar an erster Stelle die Oberflächengestaltung und geologische Zu-
sammensetzung des grossen Gebietes vom atlantischen Ocean bis zu den grossen
centralafrikanischen Seen. Des äquatorialen Ostafrika ist nur gelegentlich gedacht
P. kommt zu dem Schlüsse, dass Afrika ein alter Continent ist, dessen Formationen
zu den ältesten auf dem Erdball gehören. Die letzten Faltungen stammen vom
Ausgange der Primärzeit 8eit jener Zeit ist das Congobecken nur eroaven
Einflüssen ausgesetzt gewesen, welche seine Meereshöhe im Laufe der Jahr-
hunderte auf eine mittlere Erhebung von weniger als 2000 Meter herabgedrückt
haben. Die hohen Gipfel Centralafrikas, der Ruwenzori und M’fumbiro sind vul-
kanischen Ursprungs.
Der grösste Theil des heutigen Congo-Beckens wurde zur Secundär- und
Tertiärzeit von einem gewaltigen Binnenmeere eingenommen (nach Dupont
Wauters, Comet u. A.), dessen Ausdehnung das Vorkommen der Sandsteine
markirt. Der Congo selbst ist neueren geologischen Ursprungs und stellt die Ab-
flussrinne dieses mächtigen Wasserbeckens dar, welche sich durch die von den
Krystallbergen gebildete Küstenzone einen Weg gebahnt hat.
Die meteorologischen Einflüsse, welche auf dieses Gebiet einwirken, be-
spricht P. im zweiten Capitel. Die Temperatur des Congogebiets entspricht
einem Jahresmittel von 25* Celsius.
Die relative Luftfeuchtigkeit ist im Innern geringer als an der Küste.
Das Mittel für den ganzen Congostaat, so weit Beobachtungen vorhanden sind,
beträgt 77,6%, das Mittel für die Küstenstationen Aequatoril- Afrikas (Ost- und
Westküste) dagegen 82,98%. Die Niederschläge sind sehr verschieden nach der
absoluten Höhe. Die mittlere Regenmenge ist 1092,42 mm. Es regnet 8 Monate
im Jahre, 4 Monate zeigen keine oder kaum messbare Niederschläge. D»
Maximum der Regenmenge fällt in den April, einzelnes in den November. Die
Niederschläge im äquatorialen Afrika sind mehr als nochmal so bedeutend als die
Regenmengen in Belgien.
Die Jahreszeiten unterscheiden sich vorzugsweise durch die spärlichen oder
ganz ausbleibenden Niederschläge. Die trockne Jahreszeit ist die kältere.
Die südäquatoriale Zone, welcher der grösste Theil des Congostaates an-
gehört, hat eine kleine Regenzeit von Mitte September bis Mitte December ent-
sprechend den Frühjahrs-Aequinoktien. Dann kommt die kleine trockene Zeit
U. Besprechungen und Iitter&turangalien.
69
meistens noch einige Regengüsse aufweisend, bis zum 20. Januar, während die
Sonne im Wendekreis des Steinbooks steht. An diese sehliesst sich die grosse
Regenzeit bis Mitte Mai, wiederum abgelöst durch die grosse Trockenzeit bis
Mitte September. Nördlich vom Aequator liegen die Verhältnisse umgekehrt,
unter der Iinio theilt man die Einflüsse von beiden Hemisphären , es regnet zu
jeder Jahreszeit. (Kurz ausgedrückt: Sonnenhochstand bringt Regen. Ref.)
Die Luftströmungen sind im Gebiete des Congostaates zu 90% West-,
Südwest- und Südwinde. (Der Einfluss der Richtung des Flussthaies wird hier-
bei zu wenig beachtet, die sogenannte Seebrise folgt dem Flussthal. Auf dem
Kassai und Kuango, welche vom Hauptstrom nach Südosten, best. Süden umbiegen,
wehte während meiner Reise die „Seebrise“ von Nordwesten bez. Norden. Ref.)
Die Schwankungen des Luftdrucks im Congo-Gebiet haben gesundheitlich
keine Bedeutung. Da grössere Bodenerhebungen im Congostaate fehlen, so kommen
beträchtliche Unterschiede nur beim Auftreten der Wirbelstürme (tomado) vor.
Es fällt das Iaiftdruckmaxiinum in den Juli, ein zweites in den Januar, verschiebt
sich jedoch manchmal in den December oder Februar. Das Hauptminimnm
wurde im Februar oder März beobachtet, ein Nebenminimum im November oder
December. Die Schwankungen des Barometers sind an der Küste geringer als
im Innern, die grösste Tagesschwankung liegt unter 12 mm. Die elektrische
Spannung, sowie der Ozongehalt der Luft sind im Congogebiete bisher nicht
studirt worden. Leichter zu beobachten und hygienisch wichtiger ist das Vor-
kommen der Gewitter. April und November weisen die meisten Gewitter auf,
die Zahl derselben wächst von Süden nach Norden, von der Küste und dem
Tiefland nach dem höheren Binnenlande.
Der Gang der Bewölkung ist in der nassen Jahreszeit folgender: Bei Sonnen-
aufgang ist der Himmel bedeckt, klärt sich allmälig unter gelegentlichen Schwan-
kungen gegen 8 bis 10 Uhr Vormittags auf. Gegen 1 bis 3 Uhr treten die Ge-
witter auf und zugleich Bewölkung, welche sich oft gegen Abend und während
der Nacht für mehrere Stunden wieder verliert
In den regenlosen Monaten vollziehen sich die Schwankungen der Bewölkung
langsamer und regelmässiger. Oft hellt sich der Himmel gegen Mittag oder im
Laufe des Nachmittags auf, ein gewisser Dunst bleibt bis in die späten Abend-
stunden bestehen. Gegen 9 oder 10 Uhr abends zieht dann von Westen kommend
©in Wolken- und Nebelschleier heran. Manchmal jedoch bleibt der Himmel
auch über Nacht klar und bezieht sich erst am frühen Morgen.
Das Klima von Aequatorial- Afrika charakterisirt sich also durch:
1. Die constante Höhe der Temperatur, deren mittlere Maxima 29,6° nicht
überschreiten, während die mittleren Minima nicht unter 21,4* sinken, durch die
geringen Temperaturunterschiede zwischen den Jahreszeiten und den geringen
Tagesschwankungen.
2. Die Höhe der Wasserdampfspannung der relativen Feuchtigkeit, welch’
letztere sich dem Sättigungspunkte nähert, und der Wechselwirkung von absoluter
Feuchtigkeit und Dampfspannung bei constant hoher Temperatur.
8. Durch einen Luftdruck von nicht über 760 mm mit Tagesschwankungen
bis zu 4 mm, aber geringen Schwankungen des mittleren Barometerstandes
(4 — 5 mm).
4. Durch zweimaligen Durchgang des äquatorialen Dunstringes (doud-ring)
in verschieden kurzen Zwischenräumen, wodurch zwei Regenzeiten, getrennt
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II. Besprechungen und Litte raturangaben.
durch verhältnissmässig kurze, trockene Jahreszeiten, bedingt werden. Je nach
der örtlichen Entfernung vom thermischen Aequator schwankt die Dauer der
Jahreszeiten.
5. Durch constante elektrische Spannung.
II. Theil. Nosologie.
"Wie überall im tropischen Afrika, so beherrschen auch im Congogebiete die
zahllosen Formen der Malaria-Intoxikation die Pathologie. Die Mortalität der
Weissen ist nach Dryepondt dort 7%. Hierbei ist in Betracht zu ziehen, dass
der Congostaat ein neues Colonisationsgebiet ist und voraussichtlich dem V organge
anderer tropischer Colonien folgen wird, welche mit der fortschreitenden Cultur
des Bodens die Sterblichkeit stetig sinken sahen. Die ungesundeste Zeit ist die
kurze Regenzeit und die Uebergangszeit, wie aus den Statistiken von dem Ver-
fasser und Mense hervorgeht und durch Curven veranschaulicht wird. Die
Malaria wird von P. nach Aetiologie, Bakteriologie und Pathologie eingehend be-
sprochen. Die einzelnen Fieberformen werden an Curven und Krankengeschichten
eigener Beobachtung erklärt P. sieht für die hämoglobinurischen Formen die
Malariaparasiten Laverans als pathogen an und kennt den schädlichen Einfluss
des Chinins während des Schwarzwasserfiebers. Auch glaubt P. nicht an den
sichern präventiven Werth dieses Medikaments, giebt aber den verschiedenen
Ansichten der Beobachter über die Chininbehandlung der Malaria Raum.
Als „klimatische Fieber“ sieht P. fieberhafte Erkrankungen mit nervösen
und gastrointestinalen Begleiterscheinungen an, welche von der Malariainfection
unabhängig sind, ohne, wie Treille, so weit zu gehen, die alte Gruppe der „putriden
Fieber“ wieder hersteilen zu wollen. Die Temperatur bei diesen Fiebern ist
höher als bei den Malariafiebern, die Milzschwellung fehlt, ebenso die Neigung
zu Rückfällen.
Die Entstehung des Hitzschlages wird in den Tropen begünstigt, weil
die feuchte Luft ein guter Wärmeleiter ist und die infra-rothen Wärmestrahlen
absorbirt. Deswegen weisen die feuchten Monate die meisten Fälle auf. P. unter-
scheidet eine synkopale, meningi tische und asphyktische Form.
Die tropische Anämie, deren Dasein durch die exacte Blutuntersuchung
der Boden entzogen wird, möchte P. vom klinischen Standpunkte aus als Krank-
heitsbild erhalten wissen, denn dasselbe wird auch selbstständig in Tropenländera
beobachtet, wo die Krankheiten, deren Complikation oder Folgezustand Anämie
ist, weniger häufig Vorkommen, z. B. Malaria, Dysenterie, Hepatitis, parasitäre
Erkrankungen. Wie bei den klimatischen Fiebern, so ist nach P. auch bei der
Anämia intertropica weniger die veränderte chemische und physikalische Zu-
sammensetzung der Luft, als die Ueberlastung der Leber und die Ueber-
anstrengnng des Nervensystems im Kampfe gegen meteorologische Einflüsse und
Mikroorganismen als Ursache anzusehen.
Kapitel IV des zweiten Theiles behandelt die Beri-Beri- Krankheit in
gründlicher Weise. Bemerkenswerth ist der Vorschlag, den Poskin auf Anregung
Ficket’s macht, die Vorgeschichte der Patienten darauf hin zu prüfen, ob die-
selben nicht längere oder kürzere Zeit vor der Erkrankung irgend welche, viel-
leicht wenig beachtete sonstige Infectionserscheinungen gezeigt haben. Hierbei
wird an die Möglichkeit gedacht, dass die Polyneuritis bei Beri-Beri auf ähnliche
Weise entstehe, wie z. B. die Lähmungen bei Diphtheritis.
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
61
Da P. einer der wenigen Aerzte ist, welche Beri-Beri und die afrikanische
Schlafkrankheit der Neger auf demselben Boden beobachtet haben, so giebt
er auch die Differentialdiagnose zwischen beiden Krankheiten, welche von den
meisten Autoren als selbstverständlich übergangen wird. Beri-Beri ist eine
periphere Polyneuritis, die Schlafsucht eine Erkrankung des Nervensystems im
Allgemeinen, ihre Hauptsymptome sind Empfindungslosigkeit und Schlaftrunken-
heit, der Verlauf ist ein langsamer, der tüdtliche Ausgang die Regel, bei Beri-
Beri Uberwiegen Oedeme und Paresen im Symptomenkomplex, welche bei der
Schlafkrankheit fehlen. Der Verlauf derselben ist rascher (? Ref.). Heilung
häufiger.
Referent bemerkt hierzu aus eigener Beobachtung, dass die bei der Schlaf-
krankheit auftretenden Exantheme und die Conjunctivitis nicht als Symptome der
Krankheit, sondern als Folgen der Anästhesie und mangelhaften Hautpflege der
Kranken aufzufasaen sind.
Der Abdominaltyphus, welcher am Congo und an der Westküste
Afrikas bisher nicht beobachtet wurde, kommt nur auf dem afrikanischen Fest-
lande und in den Mittelmeerländero häufig vor, am Senegal ist die Krankheit
selten. Das Auftreten derselben in der Gegend der grossen centralafrikanischen
Gegenden wird von Fruen mitgetheilt.
Anch das Gelbfieber hat sich im tropischen Afrika nur in einem begrenzten
Gebiete der Westküste gezeigt (Dakar, Goree, Senegal, Capverdische Inseln).
Beide Krankheiten werden trotzdem der Vollständigkeit halber besprochen.
Das Dengue-Fieber ist nur auf dem afrikanischen Continent, in den
tropischen Gegenden, im Senegal und in Ostafrika zur Beobachtung gelangt, da-
gagen ist der Pi an (Frambösia) im Congo-Gebiete weit verbreitet (Zur Therapie
bemerkt Referent aus eigener Erfahrung, dass ihm die örtliche Anwendung eines
mit Wasser angerührten festen Breies von Bismuthum subnitricum am erfolg-
reichsten war.)
Die Lepra überragt die letztgenannte Krankheit weitaus an Bedeutung,
auch im Congostaate, wie in ganz Afrika, ist dieselbe zu finden. Die Bakteriologie
der Krankheit ist ebenso wie pathologische Anatomie und Symptomatologie leicht
fasslich dargestellt, bei der Therapie wird besonders das Chaulmoogra-Oel
empfohlen.
Der Abschnitt „maladies locales“ umfasst die meisten Krankheiten,
welche deutsche Autoren als „Organkrankheiten“ bezeichnen würden und wird
mit der „tropischen Diarrhoe eingeleitet Der besonders in deutschen und
holländischen Werken geläufige Ausdruck „Aphthae tropicae“ für den gleichen
Symptomkomplex fehlt in der Synonymik.
Für Afrika, wo die tropischen Aphthen als besonderes Krankheitsbild noch
nicht beschrieben worden sind, ist die Dysenterie von grösserer Bedeutung.
Im Congostaate findet man dieselbe weit verbreitet, jedoch nach Mense weniger
in der Bergkette der Monts de cristal, als in der Zone des Centralplateaus, be-
sonders an den Stationen längs des Flusses. Geographisch fällt die Dysenterie
nicht mit der Malaria genau zusammen. Die lokalisirten Epidemien der tropischen
Ruhr herrschen besonders auf feuchtem und sumpfigem Boden, endemisch
erscheint dieselbe weder an Bodenbeschaffenheit noch Meereshöhe gebunden.
Die Einzelheiten der Pathologie und Therapie dieser Krankheit müssen im Ori-
ginal eingesehen werden.
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62
II. Besprechung™ und Litte raturangaben.
Naturgemäss schliesst der Verfasser der Dysenterie die tropischen Leber-
aifectionen an, deren wichtigste Heerde mit ersteren beiden Krankheiten sich decken.
Im äquatorialen West- und Centralafrika ist der eigentliche Leberabscess ver-
hältnissmässig selten.
Kapitel 9 ist in sehr praktischer Weise den „vergifteten Wunden“ ge-
widmet.
Schlangenbisse. Schlangen sind im äquatorialen Afrika überaus reich-
lich vorhanden. Die giftigen Arten sind jedoch vprhältnissmässig selten. Die
wichtigsten Giftschlangen sind Trichonocephalus und die Speiotter.
P. giebt die landläufige Ansicht wieder, dass das ausgespieene Gift
mancher Schlangen, wenn es in die Augen gelange, zur Erblindung führe. Referent
behandelte wiederholt Eingeborene, welche in dieser Weise getroffen worden
waren, sah jedoch nie ernstere Folge als eine heftige, aber oberflächliche Con-
junctivitis und Keratitis. Die Therapie des Schlangenbisses ist genau besprochen.
Stiche von Skorpionen und Tausendfüsslern. Beide können be-
drohliche Erscheinungen herbeiführen, führen jedoch selten zum tödtlichen Aus-
gange. Die beste Behandlung besteht im Aussaugen mittelst trockner Schröpf-
köpfe und Ammoniakwassereompressen.
Verletzungen durch vergiftete Waffen. Dieselben sind nicht häufig.
Die physiologische Wirkung der afrikanischen Pfeil- und Waffengifte sind wenig
studirt. P. führt die wichtigsten Gifte auf.
Das tropische phagaedaenische Geschwür (am Congo „Sanne*“, als
„Afrikanismus“ auch „Saroes“ gesprochen).
Der Sandfloh (Pulex penetrans, mn Congo Djigga).
Wenn P. den Parasiten an dieser Stelle nennt, so ist es wohl nur. weil
die durch denselben hervorgerufenen Hautgeschwüre leicht inficirt werden können.
Nach Ansicht des Referenten ist diese Gefahr geringer, als landläufig angenommen
wird. Der Sandfloh könnte besser unter Capitol XIV, Hautkrankheiten angeführt
werden, als welche P. nur den Lichen tropicus und ein „Eczema tropicum-
nennt, ohschon letzteres nach seiner eigenen Angabe sich höchstens durch die Häufig-
keit des Auftretens vom Ekzem in unsem Klimaten unterscheidet Dieser Knapp-
heit gegenüber ist Kapitel XV „maladies sjieciales“ um so besser bedacht. Die
Filariosis am Congo ist besonders von Firket1) studirt worden, welcher die Filaria
perstans (Manson) in zwei Typen , einer grossen Art von 160 — 180 p und einer
kleinen von 90 — 100 p Länge, bei Congo-Negern beobachtete. Das Vorkommen
der Filaria nocturna beweist die Häufigkeit der Elephantiasis arahum und sonstiger
Erkrankungen der Lvmphgefässe unter den Eingebomen.
Anchylostoma duodenale ist allgemein verbreitet der Guinea-Wurm
war während des Aufenthalts des Referenten am Congo (1885 — 87) nur bei ein-
gewanderten Negern von der Gold- und Guinenküste zu finden, nach P. soll
derselbe jetzt auch die Congo-Neger heimsuchen.
Der dritte Theil des Buches behandelt die tropische Hygiene und bespricht
den Einfluss des Klimas auf die Constitution, die Acdimatisation , die private
„specielle“ und öffentliche Hygiene. Unter „specieller Hygiene“ giebt P. be-
achtenswerthe Rathschläge für die in Afrika am meisten gefährdeten Europäer*
Klassen, nämlich des Forsehungsreiseudeu und der Frauen und Kinder.
>) Cb. Firket, De ls filsrloee da seng dies lee negree. (Bult de l'Acsd. de Med. de
Belglqae. IS»».)
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IIJ. Versammlungsberichte.
63
Jedem in den Tropen, besonders aber im äquatorialen Afrika wirkendem
Arzte und jedem gebildeten Manne in jenen Ländern kann (las Werk Poskin's
als Handbuch warm empfohlen werden. Menae.
III. Versainmlungsberichte.
Die internationale wissenschaftliche Lepraconferenz zu Berlin,
Oktober 1897. Berioht von Dr. Max Joseph in Berlin. (Fortsetzung aus
Bd. I. 6.)
A. von Bergmann aus Riga nimmt an, dass die Binden, die Leib- und
Bettwäsche, ja auch die Kleider und das Schuhzeug Gegenstände repräsentiren,
welche reichlich hacillenhaltiges Material in sich aufgenommen haben und daher
im Stande sind unter geeigneten Bedingungen einen andern Organismus zu in-
ficiren. Man begegne in der Praxis wiederholt der Angabe, dass die Ueber-
tragung durch Gegenstände, z. B. Kleider stattgefunden habe. Indessen seien
diese Angaben schwer zu eontroliren. Dass die theoretisch eonstruirte Möglich-
keit der Verbreitung der Lepra durch inficirte Gegenstände jedoch auch einen
praktischen Hintergrund habe, dafür könne der hohe Procentsatz angeführt werden,
den die Wäscherinnen zum Contingent der Leprösen stellen, nach einzelnen Be-
richten bis zu 20 V# der Erkrankungen. Von den gegenwärtigen 49 weiblichon
Insassen des Rigaischen Leprosoriums seien 9 Wäscherinnen, allerdings könne
er nicht den Nachweis erbringen, dass diese nun auch wirklich sämmtlich die
Wäsche Lepröser gewaschen haben. Wie dem auch sei, jedenfalls wäre die
Möglichkeit der Vermittlung der Lepra durch verunreinigte Wäsche, Kleider etc.
nicht von der Hand zu weisen und müssten dementsprechende Maassregeln ge-
troffen werden. Mithin sei zu verlangen, dass in den sanitätspolizeilichen Vor-
schriften eine sorgfältige Desinfection dieser Gegenstände resp. die Verbrennung
derselben vorgesehen werde. Die sanitätspolizeilichen Vorschriften hätten sich
ferner auch auf die Dpsinfection der Wohnung der Betreffenden zu erstrecken,
da hier durch Unsauberkeit aller Art, namentlich das Speien auf die Diele, Ba-
cillendepots gesetzt werden, welche unschädlich gemacht werden müssten, umso-
mehr als die Tenacität der Bacillen eine beträchtliche zu sein scheine, und damit
auch die Grundbedingung für eine lange währende Virulenz gegeben sei.
Der dritte Sitzungstag wurde mit einer Mittheilung Virchow’s über die
von Ashmead (New York) aufgefundeuen krankhaften Darstellungen an alt-
peruanischen Thonfiguren eröffnet. Es wurden Topfgeräthe aus den sogenannten
alten Gräbern von Peru mit starken Veränderungen im Gesichte vorgezeigt welche
für die präcolumbischo Existenz der Lepra zu sprechen scheinen. Die hierauf zur
Erörterung gelangende Frage über die pathologische Anatomie und Histologie
der Lepra führte zu einem heftigen Aufeinanderplatzen der Meinungen. Unna
vertritt bekanntlich den Standpunkt, dass die Bacillen nicht, wie man bisher stets
annahm, in den Leprazellen, sondern extracellulär liegen. Er glaubte dieses auch
wiederum durch seine ausgezeichneten Demonstrationspräparate, welche nüt einer
neuen Doppelfärbungsmethode hergestellt waren, beweisen zu können. Diese
Schnitte durch Lepraknoten zeigten die Bacillen roth, in glasklarer blauer Gloea,
während das Protoplasma grauviolett war. Bei genügender Feinheit der Schnitte
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64
III. Versammlungsberichte.
glaubt er beweisen ru können, dass der früher für homogen gehaltene Schleim bei
dieser specifischen Färbung sich als ein Conglomerat von etwas geschwollenen,
die Bacillenfarbe (hier Fuchsin) nicht mehr annehmenden und daher offenbar
abgestorbenen Bacillen von Stäbchenform auflöst Mithin bestehe das, was
Unna Oloea, die anderen Autoren degenerirtes Protoplasma genannt haben, ans
abgestorbenen Bacillen.
Dem gegenüber entwickeln sich nach den Erfahrungen von V. Babes
(Bukarest), welcher ebenfalls ausgezeichnete Präparate demonstrirte, die Bacillen
sowohl intra- als extracellulär. Jedenfalls konnte er Unna nicht beistimmen,
wenn er behauptet, dass die Bacillen fast immer ausserhalb der Zellen liegen,
ebensowenig konnte er aber zugeben, dass die runden Bacillencolonien sich in
der Regel auf Kosten von Zellen bilden, wie dies manche Autoren annehmen.
Man könne sich eben ganz leicht überzeugen, dass in der Regel zunächst einzelne
Bacillen im Zellprotoplasma liegen. Diese einzelnen Bacillen wachsen hier zu
Colonien aus, welche im Innern der vergrösserten Zellen in Yaeuolen liegen.
Man könne nun eine langsame Wanderung der Bacillen auf dem Lymphwege,
sowie eine schnelle auf dem Blutwege unterscheiden. Es konnte natürlich nicht
ausbleiben, dass den radicalen Unna 'sehen Anschauungen gegenüber Neisser
seinen entgegengesetzten Standpunkt der intracellulären Lagerung der Bacillen
auf das Energischste vertrat. Er verwies auf die Thatsache, dass auch die feinen
histologischen Erscheinungen an den Zellen: Blähungen, Vacuolisation, Globus-
bildung, ihre Unterlage in der Anwesenheit und den Eigentümlichkeiten der
Bacillen finden. Auch Dohi (Tokio) kommt nach seinen Untersuchungen zudem
Ergebnisse, dass kein Zweifel an dem Vorkommen von wirklichen und echten
Leprazellen bestehe, welche wahrscheinlich Abkömmlinge der fixen Bindegewebs-
zeilen seien. Andererseits fand er aber von einem deutlichen Endothel umgebene
Hohlräume, in denen sich ein compacter Bacillenhaufen von der "Wandung
retrahirt befand (Bacillenthromben in Lymphcapillaren). Diese Lamina konnte
er durch Schnittserien verfolgen. Somit glaubt er, dass die Globi keine Lepra-
zellen, sondern Bacillenhaufen in Lymphgefässthromben sind. Bei der Knoten-
lepra komme auch eine relativ grosse Anzahl von Riesenzellen vor, bei welchen
sich Uebergänge zu den einfachen Leprazellen mühelos finden lassen. Sie seien
den Riesenzellon der Tuberculose sehr ähnlich, unterscheiden sich von ihnen aber
wesentlich nur durch das häufigere Vorkommen von scheinbaren und wirklichen
Vacuolen. Sie enthalten mehr oder weniger zahlreich isolirt liegende Bacillen
oder auch kleine Häufchen von solchen. Von der Angabe Unna's, dass Lepra-
zellen, freilich ohne ihre Natur als bacillenhaltige Zellen zugegeben, Abkömmling«
seiner Plasmazellen seien, konnte sich Dohi niemals überzeugen. Er fand im
Gegenteil Uebergänge von diesen Plasmazellen zu den Leprazellen , sodass die
Plasmazellen mit der eigentlichen Neubildung bei der Lepra nichts zu tan
haben.
Auch Musehold wurde auf Grund seiner Untersuchungen an Leber und
Milz zu der Anschauung geführt, dass die Leprabacillen sowohl intra- wie extra-
cellulär liegen und in der Leber massenhaft im interstitiellen Bindegewebe sich
ansiedeln, in der Milz meist am reticulären Stützwerk haften. Die grossen inner-
halb bindegewebiger Umgebung anzutreffenden, aus aneinander gelagerten Kugeln
besonderen Lichtbrechungsvermögens und aus bacillenerfüllter Zwischensubstanz
zusammengesetzten Gebilde seien am einfachsten als Lymphtrombenconglomerate
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IV. Versammlung* berichte.
65
zu deuten. Ebenso konnte Referent (Max Joseph) anseinen zur Demonstration
ausgelegten Präparaten von Lepramilz erweisen, dass, wenn auch zuweilen die
Bacillen in Lymphgefässen anzutreffen sind, sich doch das Gros innerhalb der
Leprazellen befinde und zwar in der Gegend der Malpighi'schen Körperehen.
Dieser Anschauung huldigto im Wesentlichen auch Schaoffer (Breslau), während
Bergengrün (Riga) und Lubarseh der Ansicht zuneigten, dass die Bacillen
nicht in den Zellen, sondern in den Lymphgefässen liegen. Allen diesen Ein-
wänden gegenüber giebt zwar Unna zu, dass er in seiner Histo-Pathologie der
Haut bei Gelegenheit der Lepra den Plasmazellen zu viel Bedeutung beigelegt
habe, im Uebrigen vertheidige er aber seine früheren Anschauungen. Im Gegen-
satz zu Neisser, welcher das Protoplasma als den Nährboden für die Bacillen
onnimmt, spreche er hierfür die Lymphspalten an. Er glaube, dass man mit
neuen Methoden die Zellennatur werde fallen lassen müssen.
Besonderes Interesse erregten noch die im Anschlüsse hieran erfolgenden
Demonstrationen von L. Glück (Sarajevo) über die Ia-pra der oberen Athmungs-
und Verdauungswege, sowie der Mittheilungen von Jeanselme und Laurence
(Paris) über die Localisation der Lepra in Nase, Schlund und Kehlkopf. Darier
(Paris) machte eine Mittheilung über die pathologische Anatomie der Flecken-
exantheme bei der Lepra, sogenannter Neuro-Lepride. Er fand eine mehr oder
weniger reichliche perivasculäre Zellinfiltration, welche die Follikel und Drüsen
umgiebt. Das Infiltrat besteht grossentheils aus Bindegewebszellon, welchen sioh
Leucoeythen, bisweilen Kiesenzellen und einige Mastzellen beigesellen. Bis auf
einen Fall wurden stets in diesen Flecken Bacillen nachgewiesen.
Die Rolle der Erblichkeit dürfte zur Zeit, wie llel lat (Petersburg) richtig
bemerkte, nur noch historisches Interesse beanspruchen und als Beweis dessen
gelten, wie leicht Erscheinungen einer und derselben Kategorie gerude ent-
gegengesetzter Deutung fähig sind. Denn gerade diejenigen Thatsaohen, welche
Danielssen und Boeck als einen unumstösslichen Beweis der Heredität an-
sahen, lassen sich mit viel grösserem Rechte gegen dieselbe anführen.
Für die Aus- und Einwanderungen in ihren Beziehungen zur Verschleppung
stellte Arning die These auf, dass die Migration der Menschen, da die Lepra
durch Contagion von Mensch zu Mensch übertragen wird, die Quelle der Ver-
breitung der Seuche ist Da die Massenauswandorungen besonders aus solchen
Ländern stattfinden, in denen die Ijepra endemisch ist und sich häufig nach
Gegenden hinzieht, wo noch keine I/>pra herrscht, so liegt in der strengen Be-
aufsichtigung dieser Auswanderungsströme eine wichtige Handhabe zur Verhütung
der weiteren Ausbreitung der Krankheit Diese Controle setze am zweck-
massigsten am Ausgangspunkte der Auswanderung ein, werde unter Garantie des
(Konsulats des Bestimmungslandes am Sammel- und Einschiffungshafen fortgesetzt,
und endige in einer Superrevision am Aussehiffungshafen.
Die Therapie, insbesondere die Serotherapie, gab ebenfalls Veranlassung zu
eingehender Discussion. Zwar wurde allseitig anerkannt, dass eine gute Hygiene
und geeignete symptomatische Therapie das einzige sind, was wir leider bisher bei
der Lepra leisten können. Doch gab gerade die Anwesenheit von Carrasquilla,
welcher ein Serum gegen diese Krankheit gefunden zu haben glaubt Gelegenheit
über diese Frage zu diseutiren. In Uebereinstimmung mit den Beobachtungen
Carrasquilla’s stellte Buzzi einen Kranken vor, bei welchem die bisher
erzielten Resultate bei Weitem bessere waren, als sie bisher mit irgend einer
Archiv f. Schiff*- u. Tropenhvgiene. XI. 5
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66
III. Versammlungsberichte.
andern Behandlungsweise erzielt werden konnten. Daher empfehle er das Mittel,
es verdiene jedenfalls weiter geprüft zu werden. Im Gegensätze hierzu demon-
strirte allerdings Brieger einen Kranken, bei welchem jeglicher Erfolg aus-
geblieben war.
Ein ganz besonderes Interesse erregte natürlich die Frage der Isolirung der
Aussätzigen und der dazu erforderlichen Mnassregeln. Armauer Hansen hat
an seinen Jahre lang durehgeführten Beobachtungen in Norwegen die Erfahrung
gemacht, dass die Krankheit ohne Isolation zunimmt, durch die Isolation dagegen
erfischt. Danach könne er sogar sagen, dass mit dem Beginne des neuen Jahr-
hunderts die Lepra aus Norwegen verschwinden werde. In Norwegen war die
Isolation nie eine vollständig obligatorische. Von Anfang an war sie eine voll-
ständig freiwillige und wurde ursprünglich als eine humane Verpflegung der
armen Kranken eingeführt. 1885 wurde ein Gesetz gegeben, nach welchem die
Gesundheitscommission oder die Communalbehörden den Leprösen auferiegen
mussten, dass sie auch zu Hause so weit als möglich isolirt leben sollten und
wenn dies nicht möglich war, oder der Lepröse sich den Anordnungen nicht
fügen wollte, so konnte die Behörde ihn zwingen, in eine Anstalt zu gehen. Es
sei sehr schwer, meistens unmöglich, einen Leprösen davon zu überzeugen, da«
er für seine Nächsten gefährlich sein könne, dagegen sei es leicht die Gesunden
hiervon zu überzeugen, und da die letzteren glücklicher Weise in der Majorität
seien, so schlage die gesunde Vernunft meistens durch. Daher stellte Hansen
folgende Sätze auf: Der Uebertragung der I^pra könne durch durchgeführte
Beinliehkeit, persönliche wie im Haushalt, vorgebeugt werden. Die Isolation der
Leprösen könne datier mit Erfolg in der Heimath der Kranken stattfinden. Wo
es viele und arme lepröse gebe, bleibe die Isolation zu Hause meistens ungenügend
und hier müsse der Staat Isolationsanstalten zur Verpflegung der Isolirten er-
richten. Das Einlegen in die Anstalten müsse je nach den Umständen eia
facultatives oder obligatorisches Rein.
Dehio (Dorpat) berichtete, dass in 40 Jahren die Zahl der Leprösen von
300 auf ca 600 gestiegen seien. Es bleibe nur die Isolirung der Kranken übrig.
Die Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra in Livland habe sich 1890 constituirt
in demselben Jahre sei die erste Leproserie in der Nähe Dorpats für 20 Betten
gegründet worden. Später sei eine zweite Anstalt für 80 Betten, bald darauf
eine dritte für 60 bis 80 Kranke gegründet worden und in diesem Jahre solle
noch eine vierte Austalt folgen. Er macht darauf aufmerksam, dass gerade
private Gesellschaften sehr viel dazu thun können, um die Bevölkerung auf die
Gefahren aufmerksam zu machen, um aber wirkliche Erfolge zu erzielen, dazu
gehöre die Unterstützung des Staates. Im Augenblicke seien 160 — 170 Kranke
in allen Leproserien untergebracht, allerdings viel zu wenig in Anbetracht der
überhaupt existirenden leprösen. Es frage sich daher sehr, ob nicht eine
zwangsweise Isolirung nothwendig sein werde, da jeder lepröse für seine Um-
gebung eine Gefahr sei. Die Gesellschaft hoffe zwar, ohne Zwangsmaassregeln
auszukommen, indessen gebe er zu, dass für jedes Land die Maassregeln ver-
schieden sein müssten.
Während Besnier die Isolirung nicht für notwendig hält und betont, da«
ein Fall von Contagion im Hospital St. I/iuis in Paris noch nie beobachtet worden
sei, stehen Hallopeau und Thibierge nicht auf dem gleichen ablehnenden
Standpunkte. Zwar sind auch sie nicht für strenge Absperrungsmaassregeln, in-
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III. Versammlungsberiehte.
67
dessen weist Hallopeau doch ernstlich auf die Gefahren hin, welche in Folge
vermehrten Zuzuges von Leprösen aus den Colonien und dem Auslande für Paris
entstehen können. In der ersten Hälfte des Jahres 1897 seien allein 10 neue
lepröse in das Hospital St. Louis eingetreten und man müsste doch an eine
Isolirung derselben innerhalb des Krankenhauses denken. Desgleichen empfahl
Thibierge eine gründliche ärztliche Untersuchung der arm den Colonien zurück-
kehrenden Personen.
Nachdem noch Sederholin (Stockholm) übor die Lepra in Schweden,
Ehlers über die Erkrankung in Island und Alvarez über die Verhältnisse auf
Hawai berichtet hatten, empfahl Kirchner die Gründung von Vereinen zur Be-
kämpfung der Lepra, welche ein werth volles Glied in der Kette der auf Ver-
nichtung dieser Seuche gerichteten Bestrebungen bilden würden.
In der Schlusssitzung wurde das Ergebnis« der Lepraconferenz in folgender
Uebersicht zusammengefasst: „Als Krankheitserreger wird nach dem gegen-
wärtigen Stande der Forschung der Leprabacillus angesehen, der der wissen-
schaftlichen Welt durch die Entdeckung Hansen’s seit bald 25 Jahren bekannt
ist. Zwar sind dio Bedingungen, unter denen dieser Bacillus gedeiht und sich
weiter entwickelt, noch unbekannt, ebenso die Art und Weise seines Eindringens
in den menschlichen Körper; jedoch deuten die Verhandlungen der Conferenz
darauf hin, dass eine Einigung sich anbahnt über die Wege, auf denen er im
menschlichen Körper sich verbreitet. Einheitlich Ist die Auffassung darüber,
dass nur der Mensch der Träger dieses pathogenen Bacillus ist. Ueber die
Massenhaftigkeit der Ausscheidung des Bacillus aus dem kranken Organismus,
namentlich von der Nasen- und Mundschleimhaut, sind interessante Beobachtungen
mitgetheilt worden, deren Nachprüfung an einem grossen Beobachtungsmaterial
dringend wünschenswert erscheint. Diesen Fragen von ausschliesslich wissen-
schaftlicher Bedeutung steht die Thatsache gegenüber, die praktisch einschneidende
Bedeutung hat für alle, denen die Sorge für das Volkswohl anvertraut ist, die
Anerkennung der Lepra als einer contagiösen Krankheit. Jeder Lepröse bildet
eine Gefahr für seine Umgebung. Diese Gefahr wächst, je inniger und länger
andauernd die Beziehungen des Kranken zu seiner gesunden Umgebung sind und
je schlechter die sanitären Verhältnisse, unter denen sie sich abspielen. Mithin
bedeutet ganz besonders unter der ärmsten Bevölkerungsschicht jeder Lepröse
eine stete Gefahr der Uebertragung für seine Familie und seine Arbeitsgenossen-
schaft. Jedoch kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Fälle von Ueber-
tragung auf Menschen in besser situirter Lebenslage nicht mehr vereinzelt be-
obachtet werden. Zu Gunsten der contagionistischen Auffassung der Lepra hat
die Anschauung, dass dio Lepra durch Vererbung sich verbreitet, immer mehr
Anhänger verloren. Die Behandlung der Lepra erzielt bisher nur palliative Er-
folge. Auch dio Serumbehandlung hat bisher in dieser Beziehung keinen Wandel
gebracht Angesichts der Unheilbarkeit der Lepra, angesichts der Entstellung,
die sie hervorruft und der schweren persönlichen und öffentlichen Schäden, die
sie mit sich bringt, hält die Lepraconferenz in logischer Schlussfolgerung ihrer
contagionistischen Auffassung der Lepra die Isolirung für das einzige radieale und
am raschesten wirkende Mittel zur Unterdrückung der Lepra, insbesondere wo
sie in heerdenweiser oder epidemischer Verbreitung sich findet Die Bestätigung
dieser Ansicht sieht sie in den Erfolgen, die die Bekämpfung der Lepra in Nor-
wegen errungen hat, dort, wo die Isolirung der Kranken zielbewusst durchgeführt,
5*
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68 IV. Zur Besprechung eingegangeue Bücher und Schriften.
d. h. gesetzlich eine Handhabe geschaffen worden ist, die Isolirung bei den-
jenigen Kranken auch gegen ihren Willen durchzusetzen, welehe durch die
elenden Verhältnisse, unter denen sie ihr Dasein führen, eine ganz besonders
grosse Gefahr für ihre Umgebung bedeuten.“
Die Conferenz gelangte ferner einstimmig zur Annahme des von Armaner
Hansen eingebrachten Antrages: 1. ln allen Ländern, in denen die Lepra heerd-
weise oder in grösserer Verbreitung auftrittt, ist die Isolation das beste Mittel,
um die Verbreitung der Seuche zu verhindern. 2. Das System der obligatorisches
Anmeldung der Ueberwaohung und der Isolation, wie es in Norwegen durch-
geführt ist, ist allen Nationen mit autonomen Gemeinden und hinlänglicher Zahl
der Aerzte zu empfehlen. 3. Es muss den gesetzlichen Behörden überlassen
werden, nach Anhörung der sanitären Autoritäten die näheren Vorschriften, die
den speciellen socialen Verhältnissen angepasst werden müssen, festzustellen.
Hierauf wurden unter den lebhaftesten Dankesbezeugungen für die Leiter
der Conferenz, R. Virehow und 0. Lassar, die Verhandlungen geschlossen.
Rühmend sei aber noch der vortrefflich organisirten, nach vielen Richtungen
Neues bietenden Demonstrationen, sowie der ausgezeichneten, mit dem Congresse
verbundenen wissenschaftlichen Ausstellung gedacht.
Als ein Zeichen des tiefen Interesses, welches auch die hohen Staatsbehörden
den Bestrebungen der Conferenz entgegenbrachten, sei es erwähnt, dass Sc.
Majestät der Kaiser die Mitglieder der Conferenz der hohen Ehre eines Empfanges
würdigte und der Reichskanzler dieselben in sein gastliches Haus lud.
IY. Zur Besprechung eingegangene Bücher
und Schriften.
Le venin des serpents, Physiologie de l’evenemation , traitement des morsurss
venimeuses par le serum des animaux vaccines par le Dr. A. Calmette.
Paris 1896. Soeiete deditions seientifiques.
Annali d’igiene sperimentale, Roma, Societü editrice Dante Alighieri. H. I. 1898.
Bulletin generale de therapeutique, Paris, M. Doiu, December 1897.
Colonial-Handels- Adressbuch. Berlin, Mittler & Sohn. 1898.
Druckfehler und Berichtigungen.
Heft 6. 1897.
S. 873. 15. Zeile statt (Leitz, System 7. Ocular 1) liess (Leltz, OelinunerdM,
auch System 7. Ocular 1.)
S. 376. 11. Zeile von oben statt „an altem- lies „in älteren Fällen“.
8. 377. 17. „ „ „ „ „das Centrum leicht bläulich tingirt- lies „das
Centrum hell ohne Kern“.
8. 379. 71. Zeile von oben statt „Den“ lies „Der“.
8. 380. 8. „ „ „ „ „Die ersten“ lies „die »erst aufgetretenf.
8. 374. 32. „ „ „ „ „nie“ lies „nicht“.
8. 369. 17. „ „ ,, „ „hier“ lies „auch hier**.
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Archiv
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene.
Band 2.
I. Originalabhandlungen.
Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua
von
Dr. Ernst Rothschuh, Managua.
Einleitung.
Eine medicinische Literatur über Nicaragua im Speciellen und
Central-Amerika im Allgemeinen ist mir bis jetzt nicht bekannt ge-
worden und da diese Zeitschrift bis jetzt als die einzige Stelle er-
scheint, wohin die Erfahrungen deutscher Aerzte in den tropischen
Ländern in Berichten zusammenfliessen , auch wenn sie keine welt-
erschütternden Entdeckungen enthalten, so mache ich meine „Mit-
theilungen über Erfahrungen in Nicaragua“ trotz meines verhält-
nissmässig kurzen Aufenthaltes von 31/* Jahren daselbst. Zwei
Jahre davon verlebte ich als Plantagenarzt auf der Hacienda eines
wackeren Deutschen, Wilhelm Jericho aus Nordhausen, der leider
den politischen Intriguen in der Revolution vorigen Jahres zum Opfer
fiel und ermordet wurde. Dort, im urwaldbedeckten Centrum des
Landes, widmete ich mich mehr allgemeinen und naturwissenschaft-
lichen Studien; regelmässige meteorologische Beobachtungen wurden
veranstaltet, zoologische und botanische Sammlungen gemacht, die
noch in der wissenschaftlichen Bearbeitung in den Museen von Berlin
und London begriffen sind ; zu besonderem Danke bin ich hier Herrn
Dr. Loesener vom Botanischen Museum in Berlin verpflichtet. Die
letzten l1/* Jahre brachte ich in allerdings sehr ausgedehnter medi-
cinischer Praxis in der Hauptstadt Managua hin.
*) Weitere Ausarbeitung eines auf der Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte gehaltenen Vortrags.
AieblT t Schiff»- u. Troptßhygiene. II. g
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70
Dr. Ernst Roth schuh.
Von dorther stammt der wesentlichste Tbeil meiner ärztlichen
Erfahrungen, und es dürfte gerade dieses Gebiet ein besonderes In-
teresse beanspruchen, da es im tropischen Tieflande gelegen ist,
während alle anderen Hauptstädte und grösseren Platze Central-
Amerikas, von denen man Berichte europäisch ausgebildeter Aerzte
erwarten könnte, schon in Erhebungen zwischen 500 bis 1500 m
über dem Meere sich befinden.
Ueberhaupt ist das ganze Gebiet der in den Tropen liegenden
spanisch-amerikanischen Republiken medidnisch besonders interessant,
da man nicht mit zum Theil schwer sich explidrenden Wilden zu
tbun hat, sondern mit einer sehr intelligenten, scharf beobachtenden
Bevölkerung, die ihren eigenen Körper und seine Erkrankungen ge-
nau beurtheilt, oft mehr als dem Arzte lieb ist; jedenfalls darf man
hier Volksanschauungen, die sich seit langem entwickelt haben, nicht
ohne Weiteres über den Haufen werfen wollen, wie es einem zu
leicht ergeht, wenn man mit dem ganzen Schatze der Schulweisheit
bewaffnet und mit dem Gefühle der Erhabenheit eines deutschen
Doctors gegen die eigen thümlichen tropischen Feinde in’s Feld nickt
Bald kommt man zum Stehen, sogar zum Retiriren, bis man dne
andere Taktik erlernt hat, die alsdann auch sehr natürlich erscheint
Wenn man bedenkt, dass diese Länder stets in viel engerer Berüh-
rung mit der europäischen Cultur gestanden haben als andere Colo-
nien, indem Spanien thatsächlich sein Volksthum an Stelle der Ur-
einwohner gesetzt hat, wenn man bedenkt, dass die später errungene
politische Selbstständigkeit und republikanische Regierungsform trotz
ihrer bösen Nachtseiten immerhin zur freieren Entwickelung des In-
dividuums beitragen und das Urtheil schärfen, wenn man dazu be-
denkt, dass der grösste Theil der einheimischen Aerzte in Europa
oder den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ausgebildet ist und
immer wieder von Neuem die Lehren der wissenschaftlichen Medicin
sich vermengen mit den durcn Erfahrung und Ueberlieferung ge-
wonnenen Anschauungen, so darf man wohl dem aus alledem her-
vorgehenden Stamm praktischer Ideen und Methoden eine gewisse
Beachtung nicht versagen, so wenig man auch von vornherein dazu
geneigt ist.
Allgemeiner Theil.
Zunächst möchte ich nun kurz einen Ueberblick über die physi
kalischen Verhältnisse des Landes geben.
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Tropenmedioinische Erfahrungen aus Nicaragua.
71
Nicaragua liegt zwischen 12° und 14° n. Br. und reicht, seit-
dem die Mosquito-Küste einverleibt ist, von Ocean zu Ocean, während
die nördlichen und südlichen Grenzen gegen Honduras und Costa-
Rica hin unbestimmt und fortwährende Veranlassung zum Streit sind.
Das Land ist zum grössten Theil stark hügelig, und zwar geht
der Hauptstock der Cordillera in der Richtung vom Golf von Ama-
pala nach der Mündung des Rio San Juan, der neuerdings berühmt
geworden ist durch das Canalproject der Amerikaner, das wohl dem-
nächst realisirt werden dürfte.
Die Richtung ist also von NW. nach SO. diagonal durch das
Land. Oestlich von diesem Grundstock laufen eine Anzahl Neben-
ketten parallel den Breitegraden in der Richtung auf den Atlantischen
Ocean zu, mit dichtestem, unwegsamem, jungfräulichem Urwald be-
wachsen, bis sie sich in den Ebenen der grossen Flüsse verlieren;
auch dort weit ausgedehnte, aber sumpfige Urwälder, die Heimath
des Nicaragua-Kautschuks und des Mahagoni, abwechselnd mit Gras-
Savannen.
Westlich der Hauptkette streichen einige Gebirgszüge parallel
mit dieser, getrennt durch Hache, wie ausgegossene Ebenen. Hier
herrscht im Gegensatz zu der atlantischen Seite die Dürre vor, dort
von Fruchtbarkeit strotzende, von Feuchtigkeit triefende, in ewigem
Regen gebadete Urwälder; hier steinige und sandige Hügel, trockene
Wälder, wenige und meist versiegende Flüsse, und in den Ebenen
die melancholische Vegetation der Jicarales; es ist dies der Name
der wie eine Platte ausgegossenen Flächen lehmigen, schwarzen Bo-
dens, in der Trockenzeit durch grosse Risse zerklüftet, in der Regen-
zeit ein grosser, undurchdringlicher Sumpf, der Schrecken aller Reiter.
Alles ist dornig und stachelig, knorrig und phantastisch, auf den
seltsam geformten Aesten der dornenbewehrten Caesalpiniaceen sitzen
zu Hunderten die scharf- gezähnten und -gespitzten roten Bromelia-
■ceen mit den blauen Blüthen, starre Cactus- Bäume und -Sträucher
strecken ihre gefährlichen Arme aus, und aus dem Boden ragt allent-
halben die Rosette der falschen Ananak heraus mit ihren meter-
langen, schwertförmigen, steifen, scharf- gesägten Blättern. Diese
Region ist, wie wir später sehen werden, namentlich bestimmend für
die gesundheitlichen Verhältnisse.
Zwischen der letzten Parallelkette der Hauptcordillera, die hart
am Stillen Ocean vorbeizieht, und der vorhergehenden, schiebt sich
das grosse Vulkan -Gebiet ein, bestehend aus einer einzigen Reihe
grosser und kleiner, thätiger und unthätiger Vulkane, secundären
6*
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72
Dr. Ernst Rothschuh.
Senkungen, in denen die beiden grossen Seen, Managua -See und
Nicaragua -See, liegen und den dieselben begrenzenden fruchtbaren
Niederungen.
Im Anschluss an diese Skizze des geologischen Aufbaus lässt
sich leicht die Yertheilung der Bevölkerung verstehen.
In den Urwäldern der 3000 — 5000 Fuss hohen Hauptcordillera
leben noch etwa 50000 indianische Ureinwohner verstreut, aber kaum
einige Meilen nach Osten beginnt der gänzlich unbewohnte, zum
grossen Theil unbekannte atlantische Abhang, und erst nahe der
Küste beginnen wieder menschliche Niederlassungen, aber mit unbe-
deutender Bevölkerung.
In den Thälem der westlich gelegenen Gebirge und den Jica-
rales wohnt eine äusserst geringe Menge von Mischlingen von Weissen
und Indiern; die Hauptplätze sind Matagalpa und Sinotega mit 4000
und 2000 Einwohnern, hart am West-Abhange der Haupt-Cordillera
gelegen und Centren für die indischen Ureinwohner.
Bei weitem der grösste Theil der Landesbewohner concentrirt
sich auf den schmalen Streifen in der Gegend der Seen und Vulkane.
Hier, in dem fruchtbaren, jetzt aber schon stark entwaldeten Nie-
derungsgebiet, hatte schon die in mehrere Stämme gespaltene Ur-
bevölkerung ihren Hauptsitz. Die Spanier, die 1525 zuerst in’s
Land kamen, blieben auch in diesem Theile des Landes, der ihnen,
cultivirt und leicht zugänglich, als reife Frucht in den Schooss fiel;
hier liegen die drei grössten Städte des Landes, Leon, die Haupt-
stadt Managua am Managua-See und Granada anj Nicaragua- See,
sowie zahlreiche kleinere Plätze und Einzelansiedlungen , Hacienden
u. s. w.
Hier bekommt man sämmtliche überhaupt denkbare Nuancen
der menschlichen Hautfarbe zu sehen vom tiefsten Schwarz bis zum
blendendsten Weiss. Die Kreuzungen zwischen Negern, die bekannt-
lich in früheren Jahrhunderten massenhaft importiert wurden, Indiern
und Weissen, geben eine solche Fülle von verschiedenartigen Pro-
ducten, dass es zu weit fuhren würde, darauf im Einzelnen einzu-
gehen, zumal es mir bisher nicht möglich gewesen ist, hinsichtlich
der Morbidität oder Mortalität einen greifbaren Unterschied zwischen
den einzelnen Rassen oder Mischungen zu constatiren. Das Zahlen-
verhältniss wird in verschiedenen geographischen Lehrbüchern udü
Tattellen mangels einer sicheren Quelle verschieden angegeben. Nach
meiner eigenen Schätzung machen die Rein weissen, Creolen, Fremden
u. s. w. etwa 2°/# der Bevölkerung aus, die reinen Indier 20®/,, und
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Tropenmedicinische Erfahrungen au- Xicaragux 73
der ganze Rest sind Mischlinge ausser wenigen Negern und Chi-
nesen.
Die klimatischen Verhältnisse sind bedingt durch Höhenlage
und den bekannten Wechsel der tropischen Jahreszeiten. Man unter-
scheidet, wie in anderen central-amerikanischen Ländern und Mexico,
nur modificirt durch die geringere absolute Erhebung der Haupt-
Cordillera, 3 Zonen. Die heisse umfasst die Niederungen und tieferen
Lagen bis etwa 1000 Fuss Höhe; es entspricht genau dem Gebiet
des cultivirten Theiles im Seen-Gebiet; die gemässigte Zone zwischen
1000 und 2000 Fuss umfasst das Gebiet der Jicarales und reicht bis
Matagalpa an den West- Abhang der Haupt -Cordillera heran; die
Höhen über 2000 f uss bilden die dritte oder kalte Zone.
Meine eignen meteorologischen Beobachtungen, die ich ein hal-
bes Jahr in Matagalpa, zur gemässigten Zone gehörig, und 1 */* Jahre
auf der Hacienda Rosa de Jericho an der Wasserscheide der Haupt-
Cordillera in 3000 Fuss Seehöhe mit Regelmässigkeit anstellte, er-
geben namentlich für letzteren Punkt interessante Resultate. Dort
im kaum berührten Urwald hatten wir 297 Regentage, 290 Tage
mit Nebel und 4000 mm Regenhöhe bei einer Jahres-Durchsclmitts-
Temperatur von 16,9° C.
In Matagalpa, als Beispiel der gemässigten Zone, war das Jahres-
mittel 20,5° C., die Regenmenge 3000 mm.
Für Managua, als Beispiel der heissen Zone, stehen mir keine
Beobachtungen zur Verfügung; ich schätze das Jahresmittel der Tem-
peratur auf 27 — 28° C. und die Regenmenge auf 2000 — 2300 mm.
Wesentlich für die Gesundheitsverhältnisse ist die Vertheilung
der Jahreszeiten und aus besonderen Gründen die Windrichtung.
Die Regenzeit beginnt ziemlich übereinstimmend im ganzen
Lande — unter „ganzem Lande“ ist immer nur der überhaupt be-
kannte Theil verstanden, von den höchsten Erhebungen der Haupt-
Cordillera nach Westen bis zum Stillen Ocean — zwischen 6. und
15. Ma^ und dauert in der heissen Zone bis Mitte oder Ende Octo-
ber, in der gemässigten bis November und December, in der kalten
bis in den Februar und März hinein.
Die Windrichtung ist an ca. 300 Tagen des Jahres NO.-Passat;
die wasserdampfgeschwängerte Luft des Caraibischen Meerbusens
streicht an dem atlantischen Abhange in die Höhe, kühlt sich ab,
entladet den dadurch nicht mehr zu haltenden Wassergehalt in den
schweren Regengüssen der Cordillera -Urwälder (vgl. die obigen Be-
obachtungen auf der Hacienda Rosa de Jericho) und zieht nun, be-
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74
Dr. Ernst Rotbschuh.
deutend trockener geworden, über die Jicaral- oder gemässigte Zone
nach dem heissen Tieflande hin. Andere wechselnde Winde giebt
es nur beim Wechsel der Jahreszeiten, und da finden wir ein ecla-
tantes Beispiel für die Abhängigkeit der tropischen Klima -Erkran-
kungen von der Windrichtung.
Auf der Höhe der Cordillera, über 3000 Fuss, habe ich keine
autochthone Malaria constatiren können, trotzdem in der neu anzu-
legenden Plantage eine Menge Erdarbeiten gemacht wurden, und
der lehmige Boden stellenweise Monate hindurch Tümpel und Sümpfe
bildete; der Nordost-Passat war eben keimfrei und gegen die ent-
gegengesetzte Seite schützte die Bergwand.
Anders ist es in der zweiten Region, der Zone der Jicarales;
diese bilden, wie ich oben sagte, in der Regenzeit einen einzigen,
unendlich grossen Sumpf quer durch das Land. Wer die Gefahr
eines sicheren Fiebers nicht scheut und in dieser Jahreszeit durch
die Jicarales reitet, glaubt in einem grossen Krankenhause zu sein;
wohin man kommt, fieberklappemde, bleiche, schlaffe Menschen;
ganze Ortschaften erscheinen wie verlassen und tot, weil Alles in
Hitze oder Frost in den Betten steckt und die wenigen Verschonten
mit der Pflege thätig sind; es ist ein jammervolles Bild.
Nun liegt am Ostrande dieser Region, zugleich am Westabhange
der Haupt -Cordillera, Matagalpa, eine gesunde, reinliche, auf stei-
nigem Untergründe aufgebaute, mit gutem Trinkwasser versehene
Stadt. Solange der NO.- Passat weht vom Gebirge her, hat Mata-
galpa kein Fieber, während gleich westlich sich die Fiebersümpfe
ausdehnen; aber zum Ende der Regenzeit, wenn in der Atmosphäre
die Zeichen des Wechsels der Jahreszeiten beginnen, kommt es vor,
dass eines Tages der Wind von SW. weht; sobald dieser Vendaval
eintritt, haben Sie gleich das Bild der Fieberstadt. Die Meisten
fühlen sich übel, andere haben ausgesprochene Wechselfieber, andere
Darmkatarrhe, andere Neuralgien, andere Leberbesch werden etc.;
dreht der Wind um und bläst der NO.- Passat von neuem, so dauert
es nicht lange, und die ganzen Beschwerden sind wieder verschwunden.
ln der entgegengesetzten Lage befindet sich die heisse Tiefebene,
wo die grösste Masse der Bevölkerung wohnt. Der Boden dieser
Gegenden ist porös, sandig und gewiss nicht sehr geeignet zur Ent-
wickelung von Infectionskeimen; sumpfige Strecken giebt es nur in
unbedeutender Ausdehnung. Nun aber schleppt der ständige NO.-
Passat die Miasmen der Jicarales -Zone in die heisse Zone hinab,
und je weiter die Regenzeit fortschreitet, je grössere Strecken ver-
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Trope um edicinische Erfahrungen aus Nicaragua.
76
sumpft werden, desto grösser wird die Morbidität an Fieber und
klimatischen Beschwerden in den tieferen Landestheilen. Erst wenn
die Ueberschwemmung vollständig ist, lassen die Erkrankungen nach,
um von neuem zu exacerbiren, wenn die Austrocknung beginnt, und
derselbe NO.- Passat wieder Keime mitschleppen kann; es entspricht
das den Erfahrungen, die man auch in anderen Ländern gemacht hat.
Es ist daher leicht zu verstehen, warum man die meisten Krank-
heitsfälle in der Sumpfregion während der ganzen Regenzeit vorfindet,
in Matagalpa im September und October wegen des Windwechsels
in jener Zeit und in der heissen Zone dann, wenn die Jicarales an-
fangen zu versumpfen und wieder beim Trocknen, also im Juni und
Juli einerseits, im November und December andererseits.
Die localen Verhältnisse in der Hauptstadt Managua, aus der
der grösste Theil meiner speciellen Beobachtungen stammt, sind in
der Hauptsache folgende:
Managua liegt am Südufer des gleichnamigen Sees zwischen
diesem und der Küsten -Cordillera in etwa 45 m Seehöhe auf einer
massig nach dem See geneigten schiefen Ebene. Der Untergrund
besteht aus vulkanischem Sandstein in verschiedener Tiefe, nahe am
See sehr flach, landeinwärts mächtiger; darunter befindet sich eine
undurchlässige lehmige Schicht, so dass zwischen beiden das von den
Wäldern der Cordillera aufgefangene Wasser nach dem See abfliesst.
Dies Wasser ist gut, findet sich aber leider nicht an allen Stellen,
und die meisten der gebohrten Brunnen dienen schliesslich nur zum
Waschen und Tränken des Viehs, weil es den trägen Bewohnern zu
unbequem ist, sie in gutem Zustande zu erhalten, was bei der üppigen
Vegetation und der schnellen Entwickelung von Fäulniss immerhin
Arbeit verursacht.
Indessen dient ein Theil dieses Wassers zur Versorgung der
Stadt durch die Wasserleitung, deren Pumpwerk sich am See -Ufer
befindet; die Entnähme der Hauptmenge geschieht jedoch aus einem, '
etwa 20 m vom See-Ufer entfernten Loche, in welchem das Wasser
des Sees, durch das natürliche Filter der sandigen Schicht hindurch-
gegangen, bedeutend reiner erscheinen soll. Mir ist das Wasser nie
geheuer erschienen; bacteriologische und genauere chemische Unter-
suchungen fehlen; indessen bin ich bisher nicht im Stande gewesen,
eine direct auf das Wasser hinweisende Infection nachzuweisen.
Die Häuser sind, wie in vielen vulkanischen Tropenländem, spa-
nischen Characters, grosse einstöckige Quadrate mit grossen, immer
geöffneten, nur an der Sonnenseite geschlossenen Thüren, ohne Fen-
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76
Dr. Ernst Rothschuh.
ster; direct über den hohen luftigen Wohnräumen erhebt sich das
Dach, in den besseren Häusern durch einen Himmel weissen Stofe
verdeckt. Der Hof ist an drei oder allen vier Seiten von Corridoren,
durch Holzsäulen getragen, eingefasst, und in diesen Corridoren spielt
sich eigentlich das Leben der Familie ab, zu der auch die Enten,
Hühner, Hunde, Papageien, Affen, gelegentlich auch Schweine wegen
des engen Zusammenlebens hinzuzuzählen sind. An der hinteren
Wand, isoliert oder in der Ecke eines Corridors befindet sich die
Küche, meist nicht sehr appetitlich; gekocht wird selten auf eisernem
Heerd, meist auf drei Steinen und nur mit Holz; die Abfälle und
Ueberreste treiben sich allenthalben auf dem Boden umher, bis sie
gelegentlich zusammengerafft und entweder in Haufen zusammen-
getragen und von der Sonne ausgedörrt, verbrannt oder in eine eigene
Senkgrube geworfen werden. Diese, sowie die Abtrittsgruben sind
einfach 10 — 20 Fuss in den Boden getriebene Löcher von */* — 1 qm
Oberfläche, in welche die Abfälle resp. Excremente ohne jegliche
Schutzmaassregeln hineingelassen werden; nur die besonders gebil-
deten Leute beruhigen ihr durch die Bacillen aufgeregtes Gewissen
dadurch, dass sie alle Jahre einmal einen Eimer Kalkmilch aufgiessen
lassen oder etwas Chlorkalk streuen. Die mephitischen Ausdünstungen
solcher Gruben, namentlich in den heissen Monaten März und April,
kann man sich leicht vorstellen, und gleichzeitig muss auch in dem
porösen Boden eine fortwährende Durchtränkung mit den zersetzten
und infieirten Stoffen vor sich gehen, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach den bis jetzt andereü Tropenplätzen gegenüber sehr günstigen
Gesundheitszustand immer mehr verschlechtern muss. Dass sich das
nicht schon früher bemerkbar machte, liegt daran, dass Managua,
früher nur aus ein paar Hütten bestehend, erst vor 40 Jahren Hauptstadt
wurde und seitdem sich rapide Entwickelte, so dass eine stärkere
Durchseuchung des Bodens noch nicht anzunehmen ist. Indessen
giebt es schon jetzt einzelne Häuser, wo sich ein besonders schlech-
ter Gesundheitszustand nach weisen lässt; namentlich sind es solche,
die nicht wie die meisten etwa */» — 1 m über das Strassenniveau
erhaben gebaut sind, sondern die, durch Einfalt des Erbauers oder
auch durch Anschwemmen der Strasse auf oder sogar unter das
Niveau derselben gekommen sind. Hier fehlt die Bodenventilation
der den Bewohnern nächstliegenden Schichten, und die Folge sind
Zustände chronischer Malaria, Paludismus, mit ihren secundären Er-
scheinungen.
Die Nahrungsmittel sind hauptsächlich vegetabilischer Natur;
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Tropenmedicmische Erfahrungen aus Nicaragua.
77
Reis, braune Bohnen, Bananen in allen Formen, Mais als ganz grüne
Kolben oder als reife Kolben gekocht oder auch, und das in erster
Linie, gemahlen und zu heissen Kuchen, Tortilla, verbacken; auch
geröstet und dann auf dem Steine gemahlen bildet der Mais unter
dem Namen Pinol ein sehr wichtiges Nahrungsmittel; die Indier aus
dem Inneren des Landes, um Matagalpa herum, leben auf den Plan-
tagen oft die ganze Woche von nichts anderem; Montags erscheinen
sie zur Arbeit mit einem Säckchen Pinol, präpariren sich daraus ihre
Mahlzeiten, indem sie eine Handvoll zum Frühstück mit heissem,
zum Essen mit kaltem Wasser aufschwemmen, und existiren so bei
strammer Arbeit in Sonne und Regen bis zum Sonnabend, wo sie
ihre Hütten wieder aufsuchen, um, wenn es die Umstände gestatten,
nun wieder Tortilla, Bananen, Fleisch, Bohnen und Reis zu essen.
Ein wichtiges Maispräparat ist noch das Nicaragua-Nationalgetränk,
der Tiste: Maiskörner werden geröstet und gemahlen, ebenso rohe
Caeaobohnen, also unentfettete; beide Pulver werden vermengt und
nun mit etwa */, Liter aufgeschwemmt und als Fresco, Erfrischung,
getrunken; das geschieht oft mehrmals am Tage; ja einzelne Cate-
gorien von Personen, wie Marktweiber und die zahlreichen herum-
ziehenden Handelsfrauen, nehmen 10 und 20 solcher Quanta zu sich,
fast ohne andere Nahrung; die Folgen sind starke Fettzunahme, woh
die Mästwirkung des Mais, aber andererseits chronische Magen- und
Darmkatarrhe, wohl die Folge des schwer verdaulichen Cacao-Oels.
Unter den sonstigen Lebensgewohnheiten will ich noch zwei
Dinge hervorheben, die von Einfluss auf den allgemeinen Gesund-
heitszustand sind, das Rauchen und das Reiten. Der grösste Theil
der Bevölkerung, Weiber eingeschlossen, raucht in grossen Mengen
die kleinen, im Inlande fabricirten Cigarren aus schlecht fermentir-
tem, noch feuchtem Tabak, und als Folgewirkung des Uebermaasses
finden wir zahlreiche nervöse Beschwerden, Herzpalpitationen, asth-
matische Anfälle, Zittern der Extremitäten, hysteriforme Krämpfe etc.
Auf der anderen Seite hat das Reiten eine entschieden günstige
Wirkung; ein grosser Theil der Bevölkerung reitet von Berufs wegen
sehr viel; die Aufseher, zahlreiche Arbeiter und sonstige Angestellte
der unzähligen Viehweiden und Plantagen, die grossen und kleinen
Besitzer selber mit Frauen und Kindern, die sieb beständig auf dem
Wege zwischen ihren Besitzungen und der Stadt befinden, ferner alle
alten und jungen Leute aus anderen Berufen, die nur irgendwie
eines der billigen, lebhaften Pferdchen erschwingen können,, reiten
jeden Tag 1 — 2 Stunden spaziren, ebenso viele Frauen und Mädchen.
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Dr. Ernst Rothschoh.
Der Wechsel der Luft allein kann wohl nicht die günstige Wirkung
heryorbringen ; denn auch die, die sich nur in der heissen Stadt auf
ihren Pferden bewegen, leiden weniger an dem hier am meisten affi-
cirten Organ, der Leber, als die Nicht-Reiter. Ob nun durch die
sitzende Haltung und die gleichzeitigen Pferdebewegungen eine Art
Massage ausgeübt wird oder ob durch das Stossen als solches eine
Wirkung auf den Gallenabfluss erzeugt wird — Türkheimer will ja
durch solches Rütteln Gallensteine entfernen — will ich dahingestellt
sein lassen ; ich constatire nur die Thatsache, dass der reitende Theil
der Bevölkerung, obwohl das Reiten weniger eine Beschleunigung
als eine Verlangsamung des Stuhlganges herbeiführt, viel weniger an
den so zahlreichen Lebercongestionen und Gallensteinen leidet als
die Uebrigen.
Specieller Theil.
Wenn ich mich nun zu der Betrachtung einiger Krankheiten
wende, so muss ich vorausschicken, dass es mir aus äusseren Grün-
den nicht möglich ist, die Beobachtungen an der Hand der Litera-
tur aus anderen Tropenländem kritisch zu beleuchten; dies sei für
einzelne Capitel auf spätere Zeiten Vorbehalten; ich beschränke mich
für jetzt darauf, meine eigenen Erfahrungen in Verbindung mit denen
europäisch gebildeter Aerzte aus derselben Gegend vorzufuhren.
Auf dem Gebiete der äusseren Erkrankungen machen wir
dieselbe Beobachtung wie in anderen Tropenländem, dass Wunden
aller Art schneller heilen und weniger inficirt werden als in Europa.
Secundäre Wundkrankheiten sind selten, obwohl die Eingeborenen,
Indier und sonstige Arbeiter, von der Antiseptik weit entfernt sind;
Kuhdreck, Urin, Erde, Honig, frische Blätter sind die beliebtesten
Pflaster für frische Wunden, Wasser benutzt niemand. Aber auch
unter zahlreichen schweren Schussverletzungen, wie wir sie in der
letzten Revolution anfangs vorigen Jahres hatten, von denen sogar
ein Theil mehrere Tage auf dem Schlachtfelde unverbunden und un-
behandelt geblieben war, gab es kein Erysipel, keine Gangrän, keine
schwere Phlegmone.
Ein Fall, der erste einer schweren Verletzung, bleibt mir in
dieser Hinsicht unvergesslich. Kaum war ich in Matagalpa ange-
kommen, als der Capitän oder Häuptling einer Indiergemeinde er-
schien und mich bat, einen seiner Leute zu behandeln, der vor zwei
Tagen einen Hieb mit dem Machete, dem bekannten schweren Buscb-
messer, in’s Gesicht erhalten habe. Die Eigenartigkeit und Neuhat
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Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.
79
der Umstände reizten mich, ich ritt hinaus und fand in einer Stroh-
hiitte im Urwalde den Mann auf dem blossen Boden liegend, von
dem Kopfe war nichts zu sehen als ein dicker Wulst blutdurch-
tränkter Lappen, auf dem Boden waren grosse Blutlachen, der Puls
war äusserst klein. Als ich endlich das Gesicht aus den Tüchern
herausgeschält hatte, bot sich mir ein grässlicher Anblick; die untere
Hälfte des Schädels hing um 5 — 6 cm herunter, bei genauerer Unter-
suchung zeigte sich, dass der Hieb den aufsteigenden Ast des rech-
ten Unterkiefers durchschlagen und durch die Mitte der Nase hin-
durch den Nasenrachenraum eröffnet hatte, so dass das Naseninnere
wie im Gefrierschnitt vor mir lag, auch der linke Unterkieferast war
in der Nähe des Gelenks angeschlagen. Aber obwohl der Mann
schon zwei Tage ohne Behandlung gelegen, noch dazu in kaltem,
nebeligem und regnerischem Wetter, war kein Fieber eingetreten,
und unter antiseptischer Behandlung heilte die Verletzung ohne mehr
als eine derbe Narbe zurückzulassen.
Wohl kommt mitunter der Wund-Tetanus vor und zwar
durchgängig im Anschluss an kleine Fusswunden, deren häufigste
Ursache wieder die Nigua, der Sandfloh, ist Dieser tritt an ver-
schiedenen Orten mit verschiedener Häufigkeit auf, aber jeder hat
zeitweilig Gelegenheit, die Bekanntschaft dieses scheusslichen Inspcts
zu machen; die Sitte der Eingeborenen verbietet es, nach Heraus-
nahme des Flohs mit dem Eiersack sich zu baden, offenbar in der
Annahme, dass ein Giftstoff von dort aus Aufnahme in die Lymph-
bahnen finden könne; ich selbst habe zwei Fälle von Tetanus in
directem Anschluss an das Baden beobachtet, während die anderen
Aerzte die Sache überhaupt für selbstverständlich und indiscutabel
halten. Die Nigua ist es übrigens auch, die mitunter sehr lang-
wierige phlegmonöse Processe hervorruft, deren Behandlung oft
Schwierigkeiten macht, da selbst ausgiebige Incisionen nutzlos sind,
wenn nicht die Thiere — oft giebt es deren eine ganze Menge —
mit entfernt werden. Als trauriges Curiosum ist in dem Orte Me-
tapa, auf dem Wege von Managua nach Matagalpa, ein Mensch zu
sehen, der thatsächlich an diesen Thieren zu Grunde geht oder jetzt
vielleicht schon gegangen ist; die ganzen Extremitäten sind bis an
ihre Wurzeln heran mit Beulen und Eiterknoten, bläulichen Wülsten,
secundären Fisteln etc. bedeckt, auB denen sich stellenweise die un-
verkennbaren Eier der Nigua herausdrticken lassen, während Ver-
suche, dem entsetzlichen Jucken durch Eröffnung der Säcke und Ent-
fernung der Thiere abzuhelfen, nutzlos gewesen sind und immer mehr
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Dr. Ernst Rothschuh.
Phlegmonen hervorgerufen haben; der Mann ist einem entsetzlichen
Tode geweiht.
Gangrän habe ich dreimal beobachtet, zweimal Gangraena
senilis und einmal bei einer Cachexie, veranlasst durch monatelang
sich hinziehende typhoide Fieber in feuchter, tiefgelegener Wohnung
bei einem 14jährigen Mädchen.
Wenn ich im Anschlüsse an die Nigua-Wirkung kurz von an-
deren Thierverletzungen sprechen darf, so haben wir da eine
grössere Anzahl Giftschlangen, Klapperschlange, Corallenschlange,
Brillenschlange, ferner eine Tronca genannte Vipernart, deren aller
Biss tödtlich sein soll ; ich habe eine Anzahl Bisse von Klapper-
schlange und Tronca, allerdings gleich zu Beginn, in Behandlung
gehabt und durch Ammoniak und Alcohol geheilt; die Indier Mata-
galpas behaupten übrigens, in der Raitrü genannten Wurzel einer
Quassia-Art aus der Gegend des Rio Grande ein unfehlbares Mittel
gegen Schlangenbisse zu besitzen; ich habe keine Beweise davon
gesehen, die Wurzel habe ich, aber noch keine Gelegenheit gehabt,
sie anzu wenden. > .
Von einem tödtlichen Scorpionstich habe ich nie gehört;
wohl giebt es starke Anschwellung und bläuliche Verfärbung des
getroffenen Theiles, ausserdem interessanter Weise eine bis zu zwölf
Stunden dauernde Lähmung der Kehlkopfmusculatur; durch Ammo-
niak äusserlich und innerlich werden die Beschwerden bald gehoben.
Einige Raupenarten giebt es, die bei Berührung aus ihren
langen Borsten einen Saft herausquellen lassen, der eine sehr heftige
Urticaria hervorruft, ähnlich wie verschiedene Meeresquallen beim
Baden.
Ausserdem existiert eine Eidechse, Mata-zompopo oder Amei-
sentödter genannt, die nach Anschauung aller in den Kaffeeplantagen
arbeitenden Leute einen den Menschen tödtenden Schlag versetzen
soll; ich habe mir das Thier verschafft, um zunächst die wissen-
schaftliche Bestimmung abzuwarten.
Unter den Tumoren spielt seltsamer W'eise das Lipom die
Hauptrolle; ich sage seltsamer Weise, denn nicht nur ist diese Ge-
schwulst ungleich häufiger als bei uns, sie findet sich bei wohl 5
bis 6 °/# der Bevölkerung in grösserer oder geringerer Ausdehnung;
nein, auffallend ist auch, dass sie sich nur bei Leuten mit ausge-
sprochenem Paludismus oder Malaria -Anämie vorfindet, so dass der
Gedanke an einen causalen Zusammenhang, ähnlich wie beim Struma,
unwillkürlich auftaucht.
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Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.
81
Ausser den Lipomen sind noch verhältnissmässig häufig kleine
Atherome, Carcinome des Uterus und Ovarialcystome.
Zu den tumorähnlichen Entzündungen gehören die theils acuten
theils chronischen Anschwellungen verschiedener Drüsen unter dem
Einflüsse von climatischen Infectionen; auch traten auf Orchitis,
Lymphadenitis inguinalis und Parotitis, alle ohne Vereiterung
und auf Chinin prompt reagirend; die chronischen Lymphdrüsen-
ansch wellungen beobachtet man namentlich an den Cervical- und
Bracchialdrüsen , bei ausgesprochenem Paludismus, in erster Linie
bei Leuten aus der Zone, die ich Region der Jicarales bezeichnet
habe. Die Drüsenpackete erreichen beträchtliche Grösse, sind aber
durch Arsen mit Sicherheit zum Rückgänge zu bringen.
Ein anderer Entzündungsprocess war mir bis dahin unbekannt,
von dem ich indessen inzwischen in irgend einer Verhandlung gelesen
habe, ohne mich des Namens des Autors entsinnen zu können, näm-
lich eine Lymphadenitis inguinalis syphilitica chronica sup-
purativa; ich habe vier solcher Fälle gehabt und bei den letzten
die radicalp Therapie sofort eingeleitet, zu der ich mich bei den
ersten nicht entschliessen konnte, als bis schon viel schöne Zeit ver-
loren war. Denken Sie sich nach einem syphilitischen Primäraffect
die Anschwellung der beiderseitigen Inguinaldrüsen; natürlich haben
diese indolenten Bubonen nichts auffallendes. Ueberrascht ist man
erst, wenn nach einiger Zeit der Patient über Schmerzen beim Gehen
klagt und bei der Untersuchung sich herausstellt, dass die Drüsen
auf Druck sehr schmerzhaft sind, sich stärker wölben, die Haut sich
beiderseits röthet, aber nur auf einer ganz minimalen Stelle Fluc-
tuation nachweisbar ist. Man denkt zunächst an einen Irrtum der
Diagnose, namentlich, da noch keine secundären Erscheinungen vor-
handen sind, aber das Ulcum durum, die Knorpelhärte, ist zu mar-
kant; endlich macht man eine Incision, es entleeren sich einige
Tropfen schmutzig-grünen Eiters, aber trotz antiseptischer Behandlung
und Mercurialcur geht der Process vorwärts statt zurück; immer
andere Theile der Drüsen werden ergriffen, aber mit einer Langsam-
keit, die Patienten und Arzt zur Verzweiflung treibt In den beiden
ersten Fällen plagte ich mich und die armen Kranken wochenlang
mit Incisionen, Auskratzen und antiseptischen Verbänden aller Art,
bis ich doch noch zur Exstirpation der Drüsen schreiten musste;
jetzt mache ich diese Operation bei den ersten Anzeichen einer Eiter-
entwicklung in der Tiefe ufld erhalte kurze und glatte Heilung.
Damit bin ich auf das Gebiet der Geschlechtskrankheiten
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Dr. Emst Rothschuh.
gekommen, das hier ein sehr ausgedehntes ist, obwohl der Arzt wohl
nicht den zehnten Theil aller Fälle zu sehen bekommt; die Leute
behandeln sich zum grössten Theile selber, nicht etwa aus Scham
— im Gegen theil, in Krankheitsaugelegenheiten herrscht unter den
Leuten eine rücksichtslose Offenheit — sondern um die Arztkosten
zu ersparen. Wie bei uns allenfalls einer, der Sodbrennen hat, sich
ein Brausepulver kauft, so kauft dort jeder, der einen Tripper hat,
ein Fläschchen Ol. Santali, Santal Midi ; oder wer Syphilis acquirirt
hat, macht sich selbst die Diagnose und kauft die fertigen, ameri-
kanischen Pillen, nebenbei bemerkt vorzügliche Fabrikate, von Hy-
drargyrum monojodatum, bijodatum, monochloratum oder bichloratum
und trinkt dazu einige Flaschen des von New-Yorker Firmen prä-
parirten Sassaparille-Extrakts, welches 5°/0 Kal. jodat enthält. Und
die grösste Mehrzahl der Erkrankten curirt sich damit so vollständig,
dass mir kein einziger Fall von tertiärer Lues zu Gesicht gekom-
men ist. Wohl giebt es hereditäre Lues, d. h. die frühe Form,
aber in den Fällen, wo ich Recherchen anstellen konnte, ergab sich,
dass zu der entsprechenden Zeit floride secundäre Erecheiaungen be-
standen hatten. Von anderen Orten wird behauptet, sie producirten
eine besonders schwere syphilitische Infection, z. B. Panamä; ich habe
darüber keine Erfahrungen.
Affectionen anderer Art werden bekanntlich von manchen Auto-
ren zu Syphilis in Beziehung gebracht: von Tabes habe ich nur
einen Fall gesehen bei einem Peruaner, dessen Angabe, er habe nie
ein Ulcus gehabt, ich wohl Glauben schenken konnte, zumal absolut
keine Spuren vergangener Syphilis aufzufinden waren; in einem Falle
von progressiver Hirnparalyse hatte 16 Jahre vorher eine syphi-
litische Infection in New-York stattgefunden; in einem Falle von
Diabetes mellitus wies die Anamnese ebenfalls Lues auf, aber zu-
gleich war Diabetes in der Familie erblich.
So günstige Resultate die beliebte Selbstbehandlung bei der
syphilitischen Infection zeitigt — auch das Ulcus molle heilt mit
Leichtigkeit — so ungünstige ergiebt sie beim Tripper. Chro-
nische Gonorrhoe und Stricturen sind erschreckend häufig, und
neben den klimatischen Erkrankungen bildeten die Folgen des Trip-
pers thateächlich das Hauptcontingent der Praxis bei männlichen und
weiblichen Individuen. Wesen tlich aber aus abergläubischer Furcht
vor der Sonde entziehen sich die Männer lange Zeit der einzig ra-
tionellen Behandlung und schlucken Jahre lang Santal-Capseln und
Patent-Medicinen; man bekommt die hochgradigsten Verengerungen
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Tropen medioinisohe Erfahrungen ans Managua.
83
zu Gesicht, Urinfisteln durch den Hodensack, am Perineum, sogar
an der inneren Schenkelfläche, wo schliesslich selbst die Urethroto-
mia interna oder externa bedenklich erscheinen ; indessen bei der er-
wähnten günstigen Regeneration der Gewebe sind die Resultate sehr
erfreulich.
Im Anschlüsse daran erwähne ich den chronischen Blasen-
katarrh als gleichfalls häufige Folge des Trippers; manchmal findet
man — alsdann auch ohne vorhergegangenen Tripper — dass der
erste Urin morgens fast milchweiss gelassen wird, ohne dass man
etwas Anderes fände als Schleim, zahlreiche Pflasterepithelien, wenige
Eiterkörper, wenige Cylinderepithelien , viele Bacterien; das Bild ist
mir noch nicht klar. Filiaria habe ich nicht nachweisen können,
nur klagen diese Patienten über Schmerzen im Kreuz und sehen
periodisch sehr cachektisch aus.
Auch beim weiblichen Theile der Bevölkerung, Verheiratheten
wie Unverheiratheten spielt die Tripperinfection eine wichtige
Rolle. Bei den bekannten Folgezuständen sind locale Eingriffe häufig
nöthig; mir haben sich speciell Uterus-Injectionen mit Tr. Jodi und
Alumnol practisch erwiesen (Rp. Alumnoli 2,5. Tr. Jodi Alcohol ä
25,0. S.D.S. Aeusserlich), auch Auskratzungen der Schleimhaut;
dergleichen Manipulationen werden ungleich besser ertragen als bei
uns. Ausser diesen infectiösen Endometritiden ist äusserst verbreitet
der climatische Fluor albus, den man bei den meisten Mädchen
und sehr vielen Frauen findet; ich sage climatisch, weil es so die
allgemeine Auffassung ist Man nimmt an, dass, wie bei allen chro-
nischen Infectionen, z. B. Phthise, Scrophulose, Syphilis, auch beim
Diabetes, Schleimhautcatarrhe sehr gewöhnlich sind, so auch hier
der Paludismus als Ursache auftritt. Indessen wirken verschiedene
Ursachen zusammen; einerseits die Anämie, wohl als Folge oder
Symptom des Paludismus, dann die durch das Clima bedingte sitzende
Lebensweise — die jungen Damen gehen sehr wenig aus und be-
wegen sich auch zu Hause so wenig wie möglich — endlich das
viele Arbeiten an der Nähmaschine; bei den stärker sich bewegenden
Mädchen aus dem Volke ist die Affection viel weniger häufig.
Unter den Erkrankungen der Haut giebt es eine Anzahl eigen-
artiger Symptomencomplexe, deren Erklärung ihre Schwierigkeiten
hat, und deren Besprechung ich mir behufs weiteren Studiums für
die Zukunft aufsparen möchte.
Sehr verbreitet ist der Herpes tonsurans; mein Universalmittel
dagegen ist Chrysarobin in hochprocentigen Salben. Herpes pro-
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84
Dr. Ernst Rothschuh.
genitalis ohne sichtbare Veränderung bei beiden Geschlechtern,
sowie sonstiger localer und allgemeiner Pruritus. Die Volks-
auffassung führt dies Jucken auf die Leber zurück, und in der That
findet man diese peinlichen Zustände vor allem bei Leuten, die an
Lebercongestionen leiden und deren gelbliche Hautfarbe und Con-
junction auf Anwesenheit von Gallenbestandtheilen im Blute schliessen
lässt Hier wirken günstig drastische Abführmittel und Anti-
pyrin, das sich überhaupt als günstiges Cholagogum erweist.
Die gleiche Therapie hilft bei der häufigen Urticaria; ein
eigenthümlicher Fall dieser Affection ist folgender: Zwei etwa 20
und 22 Jahre alte Mädchen aus einer durchgängig leberleidenden
Familie bekommen eine äusserst heftige Urticaria regelmässig, sobald
sie aus dem heissen Managua auf die etwa 2 Stunden entfernte,
500 m höher gelegene Hacienda reiten, d. h. nur in den heissen
Monaten März, April und Mai; die Pein verlässt sie erst, wenn sie
zur Stadt zurückkehren und ein klüftiges Laxans nehmen; ich habe
noch keine genügende Erklärung dafür gefunden.
Die Erscheinungen des Chloasma hepaticum oder paludi-
cum sind Ihnen bekannt; hier werden sie als eins betrachtet nnd
durch Purgantien und cholaloge Alkalien thatsächlich günstig be-
einflusst.
Weniger erfreulich sind die Resultate bei den Pigmentatro-
phien der Haut, von denen man nicht weiss, ob man sie als locale
Infectionen betrachten soll — die Art des Fortschreitens spricht
häufig dafür — oder als Folgen von Syphilis oder Paludismus. (Lepra?
Anm. d. Red.) Ich habe in zwei Fällen durch fast ein Jahr fort-
geführte Behandlung mit Chrysarobin und Resorcin und gleichzeitige
innere Darreichung von abwechselnd Arsen und Kal. jodatum eine
kräftige Reaction der Haut hervorzurufen versucht und thatsächlich
eine stark rothe, die Umgebung der früher blendend weissen Flecken
an Intensität übertreffende Nüance erzielt, über deren weitere Ent-
wicklung ich allerdings momentan nicht orientirt bin; die Affection
wird allgemein als unheilbar betrachtet.
Ein interessanter Fall ist folgender eines Erythema nodosnm
intermittens: E. N., Frau des englischen Consuls ist gestern unter
Uebelkeit und leichtem Fieber mit Beulen an verschiedenen Theilen
des Körpers erkrankt, die am Abend unter leichtem Schweissausbruch
verschwanden; heute früh kehrte dieselbe Beschwerde wieder. Ich
fand die über Frösteln und Uebelkeit klagende Frau mit einer Tem-
peratur von 38,5° und kleinem, beschleunigtem Pulse. An Armen
Tropenmedidnische Erfahrungen aus Nicaragua.
86
und Beinen fanden eich etwa 20 Einmark- bis Zweimarkstück grosse
tbeils oberflächlich, theils tiefer gelegene, blaurothe Beulen, schmerz-
haft bei Druck, prall-elastisch, aber ohne Fluctuation ; einige schwarz-
graue Flecken deuteten die Punkte an, wo gestern ähnliche Erup-
tionen gesessen hatten; die Beweglichkeit der Glieder war bedeutend
eingeschränkt. Die Zunge war leicht weissgelblich belegt, die Leber
auf Druck empfindlich, Milzschwellung nicht vorhanden. Ich nahm
sofort eine Malaria-Infection an und durch geeignete Chinin-Dosen
verschwanden die Symptome im Nachmittage, um am nächsten
Morgen in verminderter Energie zurückzukehren. Durch weitere
Verabreichung von Chinin wurden die Anfälle coupirt.
Von den Erkrankungen des Auges kann ich Ihnen nichts
Specifisches berichten; die Blindheit ist häufig durch die Blennorrhoea
gonorrhoica und könnte wie bei uns natürlich verhindert werden;
häufig ist Glaucoma inflammatorium und Conjunctivitis chro-
nica, die man auf Paludismus zurückfuhrt.
Unter den inneren Erkrankungen spielen die acuten
Exantheme lange nicht die Rolle wie bei unsern Kindern. Schar-
lach und Masern sind selten, Röteln giebt es nicht, wohl Vari-
cellen und vor allem Variola, die jedes Jahr ein paar Hundert
Opfer, namentlich in der schlechter situirten Bevölkerung fordert
Eine Zwangsimpfung existirt nicht, und die Behörden beschäftigen
sich zu viel mit der hohen Politik, als dass ihnen die eminent
wichtige Frage zum Bewusstsein käme. Hier ein Beispiel. Als in
diesem Jahre die Pocken wieder stark auftauchten und in Folge der
Revolution und der grossen Hitze unheimlich sich auszudehnen be-
gannen, kam der Präfect des Departements Managua zu mir, da ich
seit einiger Zeit mit animaler Lymphe, aus Kade’s Oranienapotheke
in Berlin b izogen, mit sehr günstigem Erfolge geimpft hatte, während
bisher nur lie Impfung von Arm zu Arm Usus war. Leider war mein
Stoff aufgebraucht, indessen erklärte ich, dass, wenn man mich autorisire,
ein Telegramm abzusenden, in 3 — 4 Wochen jedes beliebige Quantum
der Regierung zur Verfügung stände. Der Herr Präfect ging und
berieth sich mit dem Herrn Minister des Innern, und der Herr Mi-
nister des Innern erklärte nach langer Berathung, dass er nicht in
der Lage sei, die Mittel, etwa 1 5 Pesos, für das Kabel zu bewilligen.
Und dabei annoncirte dieselbe Regierung seit Wochen in sämmtlichen
Zeitungen, dass sie 100 Pesos demjenigen zahle, der ihr ein mit den
Kuhpocken behaftetes Thier zur Abimpfung überlasse!
Eine weitere häufige Infectionskrankheit ist der Keuchhusten.
Archiv f Schiff#* u. Tropcnhygicn* II. 7
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86
Dr. Ernst Rothschuh.
Jedes Jahr giebt es Monate mit einer intensiven Uber die ganze Stadt
verbreiteten Epidemie, an der Hunderte von kleinen Kindern zo
Grunde gehen. Das Volk ist ihr gegenüber vollkommen resignirt und
wendet dieser schrecklichen Krankheit gegenüber gar nicht die sonst
so beliebte Selbstbehandlung an; stirbt das Kind, so nimmt man das
als natürlich hin, erholt es sich, so sind 3 — 4 Monate der als normal
geltende Verlauf der Krankheit Ich selbst habe in den wenigen
Familien, wo die Einsicht der Familienväter eine Durchführung zu-
liess, mit der Binz’schen Chinin-Behandlung stets günstige Resultate
erzielt; ich benutzte Chininum tannicum.
Unter den Darminfectionen spielt die Dysenterie eine
wesentliche Rolle; acute Affectionen sind nicht gerade häufig, aber
dann um so verhängnissvoller; 3 Fälle, die ich gesehen, verliefen in
3 — 5 Tagen tödtlich. Häufiger und allen Mitteln trotzend sind die
chronischen Dysenterien; Styptica, Abführmittel, Roborantien, Chinin,
locale Medicamente wie Liquor Ferri, Argentum nitricum, alles lässt
im Stich. Bedeutende Besserungen habe ich gesehen durch wochen-
langes Aussetzen der sonst so beliebten Milchdiät Eine gründliche
und oft radikale Besserung beobachtete ich oft durch Aufenthalt in
einer Höhe von 1000 — 1500 m.
Eine andere Art der Darminfection bilden die thierischen
Parasiten, die in Nicaragua in grosser Häufigkeit Vorkommen, so
sehr, dass das Volk gewöhnt ist, alle Jahre ein oder zwei Mal ein
starkes Wurmmittel zu nehmen, weil die Leute überzeugt sind, im
anderen Falle stets Würmer im Darm zu haben. Und sie haben
durchgängig Recht; denn jedes, aus irgend einem Grunde genommenes
starke Purgans führt 2 — 3 Ascariden ab; aber bei manchen liefert
Santonin 20 — 30, ja bis 98 habe ich selbst gezählt. Die Ursachen
davon sind uns immer noch schleierhaft, die Zwischenwirthe erscheinen
noch nicht genügend ausfindig gemacht; die Volksanschauung erblickt
sie im Mais und den Bananen.
Wichtig ist es bei chronischen Darmkatarrhen von dysen-
terischem Charakter an Ascaris zu denken, denn nur allzu häufig
verschwinden Scüleim und Blut aus dem Stuhl, wenn eine ordent-
liche Portion dieser Parasiten aus dem Darme entfernt wird.
Aehnliche Symptome rufen auch die Bandwürmer hervor, die
nicht gerade häufig sind; bisher habe ich nur den Botriocephalui
latus gefunden.
Auch andere, nicht infectiöse Formen der Darmkatarrhe sind
häufig; die allgemeine Anschauung führt sie auf gestörte Leber
Tropenmedicinischa Erfahrungen aus Nicaragua. 87
functionen zurück und empfiehlt Behandlung durch cholagoge Abführ-
mittel. Eine interessante Form ist die des chronischen Dickdarm-
katarrhs mit Paralyse der Darmmusculatur, bei der man, namentlich
in der linken oder rechten Iliacalgegend, derbe harte Wülste in der
Richtung des Darmes nach weisen kann, offenbar Darmstücke, an
deren Wänden harte Kothmassen anliegen, während in der Mitte noch
ein Lumen offen bleibt, durch das immer noch ein Theil der Excre-
mente sich durchwindet, um als kleine, schafskothähnliche oder ge-
presste Ballen den natürlichen Ausweg zu finden. Ein energisches •
Abführmittel macht gründlich Luft und die harten W'ülste sind im
Handumdrehen verschwunden; aber es dauert nicht lange, so fängt
das alte Spiel von neuem an. Es fehlt offenbar der Tonus in der
Darmmusculatur; Heilungen habe ich durch Elektricität und Massage
nicht erzielen können, wohl aber durch längeren Aufenthalt in der
über 3000 Fuss hohen Haupt-Cordillera östlich Matagalpas.
Der Sprung von den Darmkatarrhen zu den Krankheiten des
Nervensystems scheint ein sehr unvermittelter, und doch ist er
nicht so unvermittelt, wie er aussieht. Wenigstens ist ein grosser
Theil der Hemicranien mit Darmkatarrhen vergesellschaftet, und bei
ihnen schafft, wie bei den acuten Exacerbationen der Neurasthenie,
ein Abführmittel bedeutende Erleichterung. Der Begriff der acuten
Autointoxication erscheint so plausibel für diese Erscheinungen,
dass man, namentlich auch im Hinbück auf die Wirkung der ent-
sprechenden Therapie, gerne diese Erklärung irgend einer anderen
bisherigen vorzieht.
Unter den functionellen Neurosen ist die Hysterie die
wichtigste, wenn auch nur in ihren gewöhnlichsten Formen, den
hysterischen Ohnmächten und Krämpfen; sowohl in den besseren
Ständen als auch beim einfachen Volk findet man sie; unsere Civiü-
sation hat offenbar nur mehr Methode hineingebracht, im Grunde
ist sie dieselbe drüben wie hier.
Die Epilepsie ist wesentlich eine traumatische; auch trau-
matische Neurosen unzweifelhaften Charakters giebt es, was ich
um so mehr hervorheben- möchte, als man Simulation vollkommen
ausschüessen kann; die . betreffenden Kranken können erstens keine
rechtlichen Ansprüche erheben, zweitens giebt es keine Unfall-
versicherung und drittens sind sie nicht so sehr wie unsere Arbeiter
auf den ständigen Erwerb um des Unterhalts willen angewiesen; sie
haben wirklich nur das Interesse, von ihrem lästigen Leiden befreit
zu werden.
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Dr. Emst Rothschuh.
Zahlreich sind auch die Neuralgien, die aber durchgängig in
das grosse Gebiet der Malaria gehören, deren Besprechung ich bis
jetzt aufgespart habe.
Bereits oben habe ich bemerkt, dass das Klima in der tropischen
Tiefebene Nicaraguas günstiger ist, als es die Berichte aus anderen
Tropenländern ergeben; trotzdem kann man sagen, dass jedes In-
dividuum an Malaria leidet oder vielleicht, besser gesagt, an Palu-
dismus, wenn ich diesen Ausdruck als umfassender betrachten darf;
die Sterblichkeit an intermittirenden und remittirenden Fiebern ist,
selbst unter den frisch eingewanderten Nordländern, sehr gering,
etwas grösser schon bei den continuirlicken Fiebern mit typhösem
Charakter. Sehr selten tritt in epidemischer Form das Schwarz-
wasser-Fieber auf, hier als Febris perniciosa haematurica be-
zeichnet. Die letzte Epidemie dieser Art trat, nachdem man 20 Jahre
lang keinen Fall beobachtet hatte, im Sommer 1894 auf in Managua
und Leon. Leider befand ich mich damals in den Bergen Mntagalpas
und hatte so keine Gelegenheit, selbst Erfahrungen zu machen; auf-
fallend ist, dass die in der Epidemiegegend thätigen Aerzte selbst in
ihren Anschauungen differirten , indem die einen die Krankheit als
gelbes Fieber betrachteten, die andern als pemiciöse Malaria; beide
Theile führten sie aber auf den eben beendeten Krieg mit Honduras
zurück, wo die Truppen wochenlang in den Sümpfen, umgeben von
verwesenden Menschen- und Thierleichen, campirt hatten. Ich erlaube
mir kein Urtheil darüber; nur will ich ein wesentliches Moment nicht
unerwähnt lassen: das Jahr 1893 war ein abnorm nasses, das
folgende ein abnorm trockenes; sollte das Austrocknen des Bodens
in tiefere Schichten hinein nicht eine vermehrte Anzahl von In-
fectionskeimen haben hei machen können?
Eine interessante Erscheinung will ich noch erwähnen, die bei
dieser Epidemie zu Tage trat; es starben in Managua und Leon nur
Fremde, die weniger als ein Jahr im Lande waren, diese aber auch
fast alle, ungefähr 20. Ausserdem aber und das ist das Merkwürdige,
verhielten sich wie Fremde und starben ebenso häufig alle Ein-
heimischen, die aus Matagalpa, Sinotega und den Bergen der Haupt-
Cordillera zur Epidemiezeit nach Managua und Leon kamen. Es
beweist (lies offenbar die grosse klimatische Verschiedenheit dieser
Landestheile.
Solche Epidemien sind, wie gesagt, selten; aber jeder Ankömm-
ling hat, meistens nach einem Jahre, sem Acclimatisationsfieber
durchzumachen ; offenbar haben die klimatischen Factoreu, verminderte
Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.
89
Herzkraft, Malaria-Miasmen, geringere Leberfunction den Sieg davon
getragen über die abwehrende Kraft des europäischen Blutes, und
von diesem Zeitpunkte ab steht der Fremde, wie es der Einheimische
von Jugend auf ist, unter dem Einflüsse des Paludismus. Das
Körpergewicht nimmt ab, die Herzthätigkeit wird schwächer, geringe
körperliche Anstrengung ruft schon starkes Herzklopfen hervor, die
Gesichtsfarbe erblaut, die Hautfarbe nimmt einen leicht gelblichen
Teint an, der Appetit wird geringer, Magen- und Darmkatarrhe
treten auf, Galligsein, Zustände der Unlust oder der unmotivirten
Erregung, heftige Neuralgien, leichte Fieberbewegungen u. s. w., kurz
der Mensch befindet sich fortwährend im labilen Gleichgewicht, das
jeden Augenblick gestört werden kann.
Der Fremde, mit seinem durchschnittlich den hygienischen
Bedingungen mehr entsprechenden Leben, besitzt aber immer noch
eine stärkere Widerstandskraft als der Einheimische, bei dem sich
die krankmachenden Einflüsse in stärkerer und mannigfaltiger Form
geltend machen.
Von den zahlreichen Neuralgien habe ich bereits gesprochen;
die Reihenfolge der betroffenen Nerven nach der Häufigkeit der Be-
theilung ist folgende: supraorbitalis, occipitalis, trigeminus,
intercostales, ischiadicus, bracchialis, lumbalis, dann Ova-
rium, Fussballen und Brustwarze.
Die Haut ist trockner, gelber; das häufige Hautzucken, all-
gemein oder local, geht mitunter in Prurigo oder universelles
Eczem über.
Die Schleimhäute werden empfindlich; Schnupfen sind trotz
der gleichmässigen Wärme sehr häufig; bei chronischen Schleim-
hautaffectionen treten leicht Blutungen auf, so bei Nase, Rachen,
Bronchien, Darm, Uterus; auch wirkliche hartnäckige Ozaena tritt
auf; sehr häufig ist ferner der chronische Nasen-Rachen-
Katarrh, der sogenannte Constipado, oft unter Betheiligung der
Tuba Eustachii; das so häufige Asthma, ohne nachweisbare Organ-
Infection dürfte auch hierher gehören. Der chronische Magen*
und Darmkatarrh ist fast constant, Uebelkeit, Aufetossen , Sod-
brennen an der Tagesordnung.
Die Drüse n-Affectionen sind bereits oben erwähnt;, oft giebt
es auch ziehende und reissende Schmerzen in den Muskeln, in denen
man stellenweise Verhärtungen, also wohl myositische Processe
nachweisen kann.
Von den intermitticenden acuten Exacerbationen des
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Dr. Ernst Roth schuh.
Paludismus seltenerer Art habe ich bereits das Erythema nodos um
erwähnt; hier will ich noch 2 andere Formen anführen , die mir in
der Literatur noch nicht bekannt geworden sind. Die eine stellt
sich dar als eine Melancholia intermittens: Das Dienstmädchen
eines deutschen Kaufmanns, eine kräftige und, von leichten Magen-
Darm-Be8ch werden abgesehen, gesunde Person, hat seit 2 Tagen
wunderliche Zufälle. Des Morgens noch sehr munter, klagt sie bald
über Frösteln und mit einem Male geht sie- von ihrer Arbeit weg,
setzt sich in eine Ecke auf einen Stuhl, fängt an zu weinen, starrt
dann wieder vor sich hin, klagt, dass sie verloren sei, ihr
Leben keinen Zweck habe, Angstschweiss mit Halludnationen treten
hinzu, dann blickt sie wieder Stunden lang in die Weite, isst und
trinkt nichts, bis am Nachmittage die bis dahin trockene Haut sich
mit Schweiss bedeckt, gleichzeitig tritt Ermüdung ein, der Schweiss-
Ausbruch dauert fort, nach einigen Stunden Schlafes ist vollkommenes
Wohlbefinden eingetreten. Dies ist schon 2 Tage so gegangen, bis
man mich ruft; vorher hat man durch die beliebten Abführmittel
und Schwitzproceduren nichts erreicht. Durch energische Chinin-
Darreichung wird am 3. Tage der Anfall bedeutend abgekürzt, am
4. ist er nur noch rudimentär, am 5. und weiterhin bleibt er aus.
Den anderen Fall möchte ich als eine Lethargia intermittens
bezeichnen: C. R, Frau des spanischen Consuls, ist morgens nicht
im Stande sich zu erheben, die Glieder sind wie gelähmt, das Ge-
sicht ist eingefallen, die Augen, deren Lider nur mit Mühe ganz
wenig gehoben werden, glanzlos, die Sprachfähigkeit vollkommen
verschwunden; mit Noth kann etwas Flüssigkeit geschluckt werden;
so dauert der Zustand bis zum Mittag, wo, während eine leichte
Transpiration eintritt, die Bewegungstähigkeit nach und nach zu-
nimmt; die Sprache kehrt aber nicht zurück. Am nächsten Morgen
ist die Bewegungs- Unfähigkeit dieselbe wie am Tage vorher. Da
ich bei der Dame schon früher Symptome von Paludismus zu be-
handeln gehabt habe, Ovarialneuralgie, Lebercongestion, so schreite ich
zu starker Chinin-Anwendung in Verbindung mit drastischen Abführ-
mitteln, am Nachmittage schon kehrt die Sprache langsam zurück,
am nächsten Tage besteht noch grosse Steifheit und Zerschlagenheit
und am Tage darauf ist der Anfall beseitigt.
Dass man bei derartiger Affection auch an die wieder modern
gewordene Autointoxication denkt, ist natürlich; nur ist der stricte
beweis für die Annahme schwer zu erbringen. Mehr plausibel und
fast nothwendig erscheint diese Theorie bei der ßeurtheilung mancher
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Tropenmediciniache Erfahrungen aut Nicaragua. 91
unregelmässigen Fieber formen, die bei geringer Temperatur*
erhöhung (etwa bis 39° C.) doch so schwere Allgemeinsymptome
hervorrufen, wie Sopor mit Hallucinationen, ferner eine.Theil-
nahmslosigkeit und totale Zerschlagenheit beim Nachlassen
des Fiebers, wie sie zur Dauer der Erkrankung in keinem Verhält-
nisse stehen, dass man unwillkürlich auf die Vermuthung eines im
Körper kreisenden Giftes geführt wird.
Die amerikanischen Aerzte nehmen das als selbstverständlich
an und machen dafür in erster Linie die Leber verantwortlich; ich
habe oben bei den Affectionen des Verdauungstractus dieses Organ
absichtlich übergangen, um in diesem Zusammenhänge kurz darüber
zu sprechen.
Der Gedankengang dieser Leute ist folgender: die Leber kann
bei ihrer Grosse unmöglich allein die Function haben, das bischen
Galle fiir die Fettverdauung abzusondem oder Zucker zu spalten;
sie bildet für den Organismus auch einen Filter, durch den eine
Menge im Blute kreisender oder durch den Verdauungskanal ! in-
geführter Substanzen zurückgehalten, vernichtet oder wenigsten» uu-
schädlich gemacht werden, abgesehen von der desinficirenden Wirkung
der gesunden Galle im Darmkanal. Nun ist in den Tropen die
Leber mehr als anderswo in Anspruch genommen, nicht nur durch
die verminderte Herzkraft und geringere, körperliche Bewegung, die
Stauungen hervorrufen, sondern auch durch die in viel stärkerem
Maasse in den Körper aufgenomraenen Infectionsstoffe, die eine Beiz-,
also Congestionswirkung auf das Organ hervorbringen. U eberschreiten
diese Einflüsse die Neutralisationsfähigkeit des Organs, so treten
Störungen auf, verminderter oder übermässiger Gallenabfluss mit
ihren Folgen, bitterer Geschmack im Munde, galliges Aufstossen,
gallige Stimmung, Magen- und Darmkatarrhe mit Durchfällen oder
Verstopfung, Hämorrhoiden etc., oder der Körper wird mit den nicht
unschädlich gemachten Stoffen überschwemmt und es treten Fieber
mit Himerscheinungen und gleichzeitigen Darmsymptomen, vor allem
penetrant stinkenden gelblichen, grünlichen oder schwarzen Stühlen
auf. —
Auf eine nähere Ausführung dieser auch Ihnen bekannten Auf-
fassung will ich mich nicht einlassen; auch bei uns sind ja schon
Vertreter ähnlicher Ideen aufgetreten, die auf das Zeitalter der
anatomischen Pathologie wieder ein humorales, allerdings modificirt,
folgen lassen wollen; wie dem auch sei, die Leber finden wir dort
drüben in über der Mehrzahl aller Krankheitsfälle mehr oder
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92 Dr. Ernst Rothschuh, Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.
weniger betheiligt, und das praktische Resultat ist, dass wir bei einer
grossen Zahl localer und allgemeiner Affectionen uns mit grossem Vor-
theil der Drastica und cholagogen Alcalien bedienen, wo uns eine
auf einzelne Symptome gerichtete Behandlung im Stiche lassen würde.
Eine Umfrage über das Schwarzwasserfieber,
von Dr. Carl Mense.
Die schwerste Form der Malariaerkrankungen, das Schwarz-
wasserfieber oder hämoglobinurische (biliös -hämaturische) Fieber ist
mit seinen Abarten und Formen Gegenstand der grössten Meinungs-
verschiedenheiten. Um Klarheit auf diesem Gebiete zu erhalten,
wäre es sehr erwünscht, die Ansichten, Beobachtungen und Erfah-
rungen von möglichst vielen Ärzten aus den wichtigsten Fiebergegenden
zu vergleichen. Ich habe deswegen in einem Fragebogen die wich-
tigsten Punkte aufgestellt und bitte alle Herren, welche Studien auf
diesem Gebiete gemacht haben, die Fragen möglichst eingehend zu
beantworten und Mittheilungen, welche über die Einzelfragen hinaus-
gehen, beizufugen. Für Leser dieser Zeitschrift, denen aus Versehen
kein Exemplar des Fragebogens zugehen sollte, lasse ich hier mit der
Bitte um Beantwortung und Einsendung den Inhalt desselben folgen.
1. Haben Sie Fälle von Schwarzwasserfieber (h&mogiobinnrisches, büiös-
hamaturisches Fieber) beobachtet? Wie viele? bei welcher Race?
2. Welche Grenzen ziehen Sie nach Ihren Erfahrungen zwischen den
einzelnen Formen? Worauf begründen Sie Ihre Eintheilung?
8. Welchen Einfluss hatte auf das Auftreten dieser Fieberform a) dieörtlich-
keit und Wohnung, b) die Jahreszeit und die atmosphärischen Einflüsse,
c) die Lebensweise und Ernährung, d) das Alter, e) sonstige Einflüsse?
4. Haben Sie diese Fieber bei Menschen auftreten sehen, welche nie
Chinin genommen hatten? oder
5. seit längerer Zeit (wie lange?) kein Chinin genommen hatten?
6. Haben Sie einen schädlichen Einfluss des Chiningebrauchs auf das
Auftreten oder den Verlauf der Krankheit beobachtet?
7. Glauben Sie mit der Chinin behänd! trag Erfolge erzielt zu haben?
8. Welche Behandlung halten Sie für die erfolgreichste?
9. Haben Sie Chinin-Hämoglobinurie (Hämaturie) durch Opiumbehandlung
vermeiden oder bekämpfen können? oder auf andere Weise?
10. Wie war der Verlauf, die Dauer und der Ausgang der von Ihnen be-
obachteten Fälle?
11. Haben 8ie eigene Beobachtungen machen können über: a) die patho-
logisch-anatomischen Veränderungen der inneren Organe (Obduktionen,
mikroskopische Untersuchungen), b) den Blutbefund (Blutkörperchen und
Parasiten), c)die Harnanalyse (chemisch, mikroskopisch, spektroskopisch)?
12. Glauben Sie, dass ein Zusammenhang zwischen diesen Fieberformen
und dem Gelbfieber besteht?
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Das Ichthyol
in seiner Verwendbarkeit für die Schiffs- und Tropen-Praxis,
von Dr. Leo Leistikow, Hamburg.
Sowohl in meiner eigenen Privatpraxis, wie als langjähriger
Mitarbeiter von Dr. Unna habe ich häufig Gelegenheit, Patienten
zu behandeln, welche an sog. tropischen Krankheiten leiden. In
dem Ichthyol (Ammonium Bulfo-ichthyolicum) lernte ich ein Mittel
kennen, welches mir bei vielen dieser Krankheiten die besten Dienste
leistete. Die Vielseitigkeit des Ichthyols, welches ich seit 9 Jahren
täglich verordne, macht dasselbe nicht nur zu einem werthvollen
Medicament für die Tropen-, sondern insbesondere für die Schifls-
ärzte. Ich glaube, durch eine Schilderung der pharmacotherapeutischen
Wirkung, der Arten der internen und externen Application , sowie
der spedellen Indicationen zur Empfehlung des Ichthyols in der
Schiffs- und Tropenpraxis am besten beitragen zu können.
Das Ichthyol ist ein complidrt zusammengesetzter, an natürlich
gebundenem Schwefel reicher Körper, welcher durch trockene Destilla-
tion und Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure aus dem See-
felder bituminösen Gestein gewonnen wird. Dasselbe ist ganz un-
schädlich; in der Litteratur ist bis heute nichts von schädlichen
Wirkungen bekannt geworden. Schon von Baumann wurde das
Ichthyol als eine oxydirbare Substanz erkannt und Unna gelang es,
die reducirende Wirkung desselben auf chemischem wie klinischem
Wege nachzuweisen. Aeusserlich in schwacher Dosis auf die
Haut applidrt, bewirkt es eine gelinde Abschälung und Häutchen-
bildung, befördert also die Verhornung, erzeugt Hautanämie, be-
schränkt die Secretion, constrinmrt die Blutgefässe, regt die Resorption
an bei cutanen und sulcut .en Processen, beseitigt Oedeme, stillt
den Schmerz und tötet Parasiten. Ganz ähnlich äossert sich die
Wirkung auf Schleimhäute. Auch hier zeigt sich das Ichthyol
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94
Dr. Leo Leistikow.
als ein gutes Antiphlogisticum. Hervorragend wirkt das Ichthyol
innerlich verabreicht. Das periphere Blutgefässsystem wird verengt-
es zeigt auch hier seine antiphlogistischen und tonisirenden Eigen-
schaften, indem es die Catarrhe des Magendarmkanals und des
Hespirationstracta, die allgemeine Ernährung und den Stoffwechsel
beeinflusst und dadurch auch manchen Bactehen und Parasiten den
Nährboden verkümmert.
Aeusserlich können wir das Ichthyol pur oder in wässeriger
resp. spirituöser Lösung als Umschlag, feuchten Verband, in Puder-,
in Pastenform, als wasserunlöslicher und -löslicher Firniss, Zinkleim.
Salbe, Salbenstift, Salbenmull, Pflaster, Pflastermull, Spray, Sei fr* und
Salbenseife verordnen.
Für die Bedürfnisse der Schiffe- und Tropenpraxis ist es rath-
sam, das Ichthyol pur mitzunehmen. Wässerige Lösungen, Puder,
Salben und Pasten, sowie Collodiumflrnisse lassen sich jederzeit leicht
damit hersteilen. Für wässerige Lösungen genügt meistens eine
zwei- bis fünfprocentige Stärke. Als Puder empfehle ich:
Rp.: Ichthyol. 0,5 — 1,0
Magnea. carbo nie. 10,0
Tale, venet. 20,0
M. I pulv.
als Paste:
Rp.: Zinc. oxydat 10,0
Terr. silic. 2,0
Adipis 28,0
Ichthyol. 1—3,0
M. f. paste.
Eine vorzügliche Pastengrundlage ist die Infusorienerde, auch
Kieselgur, lateinisch Terra silicea, welche eine eminent aufsaugende
Kraft besitzt und eine viel schönere und trockenere Decke liefert,
als die sonstigen pulverigen Pastenconstitutientien.
Eine sehr einfache, materialersparende und oompendiöse Form
der äusseren Ichthyolapplication ist auch die des Salbenstifts =
stilus unguinosus , welcher nach dem Typus der gewöhnlichen Lippen-
pomaden hergestellt wird. Die Salbenstiftgrundlage besteht aus Wachs
und Wollfett.
Rp.: Ichthyol. 30,0
Cerae 20,0
Adipis Lanae 60,0
M. f. stil. ung.
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Das Ichthyol in seiner Verwendbarkeit für die Schiffs- nnd Tropenpraxis. 95
Die Firma Beiersdorf-Hamburg fabricirt die Salbenstifte in
einer für Schiffs- und Tropengebrauch geeigneten Form in Zinndosen
mit verschiebbarem Deckel verpackt.
Wichtig ist auch die Form der Beiersdorf’schen Pflastermulle.
Dieselben sind absolut impermeabel, halten sich Jahre hindurch und
verlieren selbst bei hoher Temperatur niemals ihre Klebkraft. Es
eignen sich besonders der Ichthyol (46°/0)- und der Hydrargyrum(40°/0)-
Ichthyol (20#/0)-Pflastermull.
In Salbenform dürfte sich auch noch 3 — 5°/0iges Ichthyol-
vaselin bewähren.
Als Collodiumfirniss
Rp.: Ichthyol. 5 — 10,0
Collodii 20,0
M.
Innerlich giebt man das Ichthyol am besten in Tropfenform.
Rp.: Ichthyol. 10,0
Aquae 20,0
M. S. 3 X tägl. 10 — 20 — 25 Tropfen nach der Mahlzeit
in reichlich Flüssigkeit
Der Geschmack ist nur die ersten 2 — 3 Tage unangenehm,
später nicht mehr. Bei Kindern ordinirt man dreimal täglich drei
bis zehn Tropfen dieser Lösung. Man kann das Ichthyol auch in
Pillen oder Kapseln geben, am einfachsten jedoch ist die Tropfen-
form.
Die Verwendung des Ichthyols bei den Krankheiten der
Haut ist nahezu eine allgemeine. Wir wollen im Folgenden die-
jenigen von ihnen aufzählen, welche dem Schiffs- und Tropenarzte
am meisten begegnen. In erster Linie sind die Circulations-
anomalien zu erwähnen, ferner die neurotischen Dermatitiden,
die lokale und universelle Hyperidrosis, die Urticaria, das
Erythema exsudativum multiforme und nodosum, sowie die
verschiedenen Herpes-Arten einschliesslich des Zoster. Besonders
kommt hier der innerliche Ichthyol gebrauch in Betracht, bei den
Wallungs- und Stauungshyperämien zum Beispiel. Die angio-
neurotische und die seborrhoische Rosacea wird sehr günstig
durch Ichthyol intern beeinflusst. Die mit dieser häufig complidrten
Stauungsanomalien an Händen und Füssen, der Schleim-
haut des Rachens, des Anus (Hämorrhoiden), der weiblichen
Genitalien, des Magendarmkanals u. s. f. werden durch Ichthyol
intern in Folge der Besserung des Muskeltonus der Blutgefässe meist
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96
Dr. Leo Leiatikow,
aufifallend gebessert. Als wesentliches Hülfemittel aber dient hier
die äusserliche Ichthyolapplication. Besonders 2 — 3°/0ige Ichthvol-
pasten und -dunstumschläge sind hier am Platze; bei umschriebenen
Partien Ichthyolcollodiumbepinselung.
Die Eczeme sind in den Tropen wie bei uns in Europa die
häufigsten Erkrankungen der Haut Auch der sogenannte rothe
Hund gehört zu ihnen. Gerade die nässenden, makulösen, papu-
lösen und krustösen Eczemformen werden prompt durch Ichthyol-
dunstumschläge, -puder oder -pasten in 2 — 3 %iger Stärke beseitigt
Aber auch die mit Verdickung der Haut einhergehenden pruriginösen
und psoriatiformen Eczemformen weichen auf die Application der
Ichthyoldunstumschläge und des Ichthyolsalbenstifts. Für umschriebene
Stellen unbehaarter Theile ist auch der Ichthyolpflastermull am
Platze. Die acuten Dermatitides traumaticae, insbesondere
die Verbrennungen, die Dermatitis toxica et venenata werden
wie das Eczema rubrum mit Erfolg behandelt Die infectiösen
Dermatitiden, vor Allem die Impetigo vulgaris (meist fälschlich
als Eczema impetiginosum diagnosticirt), die Folliculitis, Furunkel,
Sykosis und der Lupus erythematosus reagiren prompt auf
Ichthyol äusserhch. Ist die Inflammation stark, so benutzt man
Ichthyolpasten oder -dunstumschlag, ist sie gering, so verordnet man
Ichthyolcollodium oder Ichthyol- resp. Hg-Ichthyolpflastermull. Feuchte
Ichthyolverbände oder -Pasten eignen sich auch zur Nachbehandlung
der Ulcera mollia et serpiginosa, sowie des Lupus vulgaris
nach vorhergehender Aetzung, Paquelinisirung oder Excision. Staub
empfiehlt dringend den Ichthyolpflastermull zur Behandlung der
Actinomycose. Die Orient- oder Biskrabeule, welche meist an
freigetragenen Stellen beginnt, als lividrothes Knötchen, das alsdann
central erweicht und sich mit einer Kruste bedeckt, unter der sich
ein flacher, schlecht heilender Substanzverlust befindet, erfordert Ein-
reibung von purem Ichthyol (Guttaperchapapier darüber) oder Ichthyol-
pflastermull nach Entfernung der Krusten. Gegen das Erysipel
ist das Ichthyol geradezu ein Spedficum (Nussbaum, Unna,
Klein, Schwimmer). Von Abel und Latteux ist die Abtötung
der Erysipelcoccen durch Ichthyol schon in schwacher Concentration
bewiesen worden. Für die Erysipele des behaartes Kopfes eignen
sich die 5 — 10°/0igen Ichthyolpasten und -Salben, für das Gesicht
und das Scrotum, sowie die Vulva feuchte Ichthyolverb&nde, für die
Extremitäten kann ich am meisten das Ichthyolcollodium empfehlen.
Da das Ichthyol selbst in stark verdünnter Lösung die pyogenen
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Das Ichthyol in seiner Verwendbarkeit für die Schiffs- und Tropenpraiis. 97
Streptococcen (Abel) abzutödten vermag, so eignet es sich auch
zur Behandlung der Lymphangitiden (Moncorvo) als Dunst-
verband oder Collodium. Bei der Behandlung der Lepra ist das
Ichthyol als Adjuvans nicht zu entbehren. Zur Zerstörung der
Flecken und Knoten dienen in erster Linie hier die stark reducirenden
Mittel wie Chrysarobin und Pyrogallussäure, ferner die Aetzmittel
wie Kali causticum und Acäd. nitric. fumans. Aber gerade zur
Nachbehandlung und in der Zwischenzeit sind Ichthyolsalben, -Collo-
dium oder -Dunstverbände sehr wirksam. Die indolenten leprösen
Ulcerationen sah ich häufig unter Ichthyolpflastermull schwinden.
Das Allgemeinbefinden, vor Allem aber die Ernährung der Lepra-
kranken, wird durch innerlichen Ichthyolgebrauch entschieden ge-
bessert. Die Elephanthiasis, in den Tropen zumeist durch Ein-
wanderung der Filaria sanguinis, häufig auch durch recidivirende
streptogene Entzündungen (Lymphangitis, Erysipel, Phlegmone) be-
dingt, wird im eiysipelatös-lymphangitischen Stadium durch Ichthyol-
collodium resp. Dunstverband und innerliche starke Ichthyoldosen
zweckmässig behandelt Bei dem ödematösen, atonischen Ulcera,
welche bei den Negern häufig Vorkommen (Mense), ist der Ichthyol-
dunstverband, -Paste oder der Hg -Ichthyolpflastermull am Platze.
Hier wirkt es den wuchernden Granulationen entgegen, unterdrückt
die Ueberhäutung und befördert die Ueberhomung. Aber auch bei
den sonstigen Nekrose^n, insbesondere beim Decubitus sieht man
unter der dick aufgetragenen Ichthyolpaste oder dem Ichthyolpflaster-
mull schnell Heilung eintreten. Ainhum, eine bei Negern häufige
locale Affection der kleinen Zehe, bei welcher diese durch eine tiefe
Furche vom übrigen Fuss abgeschnürt und dabei zu einer knolligen
Geschwulst aufgetrieben wird, erfordert frühzeitige Inzisionen senk-
recht zur sich bildenden Furche, Abheilung unter Ichthyoldunst-
verband oder -Collodium. Da die Stiche und Bisse verschiedener
Insekten, besonders der Mücken, Wespen und Bienen schnell unter
Ichthyolcollodium abheilen, so ist ein Versuch mit diesem bei Stichen
und Bissen tropischer Insecten wohl angezeigt.
Die Behandlung der Geschlechtskrankheiten muss für die
Schiffs- und Tropenpraxis möglichst einfach sein. Das Ichthyol ist
auch hier ein unentbehrliches Mittel. Die männliche Gonorrhoea
acuta wird durch 1 — 5%ige Ichthyollösungen mittelst der Tripper-
spritze mehrmals täglich injicirt in kurzer Zeit geheilt (Neisser,
Jadassohn). Für die Gonorrhoea subacuta et chronica
anterior et posterior passen Irrigationen mit warmen 2 — 5°/0igen
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98
Dr. Leo Leistikow.
Ichthyollösungen, desgleichen für die leichten chronischen Cystitiden.
Für die hartnäckigen Infiltrate der vorderen Harnröhre benutze ich
gern Bepinselungen mit 10 — l“2°/0igen Lösungen mittelst Ultzmann-
schen Pinsels, für die die hintere urethra Instillationen mit 8 — 10%*
iger Lösung mittelst Ultzmann’s Kapillarkatheter. Beide Instru-
mente sind leicht zu transportiren und sollten schon deshalb niemals
im Instrumentarium des Schifis- oder Tropenarztes fehlen. Die
Pinselungen resp. Instillationen können täglich oder alle 48 Stunden
vorgenommen werden. Für die Prostatitis passen Ichthyolsuppos-
torien oder Ichthyolglycerin (ö°/#) per Rectum, für die Epididymitis
und Orchitis feuchter Ichthyolverband, -Collodium oder -PflastermulL
Die weibliche Urethritis weicht durch 5 — 10®/0ige Ichthyol-
injectioneu (Jadassohn). Die Vaginalgonorrhoe erfordert Tam-
pons mit 16 — 20°/oigem Ichthyolvaselin. Für die Gonorrhoe der
Cervix giebt Neisser 5 — 10 °/0ige Ichthyolbacillen. Zur Behandlung
der Entzündungen besonders der gonorrhoischen des Uterus und
seiner Adnexe eignen sich ausser der Ichthyolglycerin -Tamponade
der Scheide Einreibungen der Bauchhaut mit dem Ichthyolsalbensüit
oder Ichthyolvaselin.
Auch bei vielen inneren Krankheiten hat sich das Ichthyol
wegen seiner tonisirenden, gefässverengenden Wirkung bewährt Bei
den Katarrhen des Magendarmkanals, bei der Bronchitis,
selbst in den frühen Stadien der Lungentuberkulose ist das
Ichthyol von namhaften Autoren mit Erfolg gegeben worden. Auch
gegen schweres Erbrechen erwies es sich als nützlich. Deshalb ist
ein Versuch mit Ichthyol intern bei der Seekrankheit wohl an-
gezeigt. Die günstige Einwirkung des Ichthyols auf die Enteritis
sowohl innerlich wie als Darmeingiessung in 2®/0iger Stärke lässt seine
Anwendung auch bei der Dysenterie als gerechtfertigt erscheinen.
Moncorvo hat mehrere Fälle von schwerer Chylurie mit Ichthyol
in der täglichen Dosis von 60 Centigramm in Pillenform schnell ge-
heilt. — Auch bei der Polyarthritis gonorrhoica et rheuma-
tica, sowie der Arthritis urica erzielt man mit grossen innerlichen
Ichthyoldosen und äusseren Ichthyoldunstverbänden gute Resultate.
Endlich wäre das Ichthyol auch noch bei der Malaria zu versuchen.
Ich habe viele Eczempatienten behandelt, welche mit Malaria behaftet
waren. Durch Ichthyol innerlich sah ich in diesen Fällen eine ent-
schiedene Besserung des Allgemeinbefindens, der Appetit hob sich
stets und die fahle Gesichtsfarbe schwand.
In der kleinen Chirurgie hat sich das Ichthyol sehr bewäfirt.
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Das Ichthyol in seiner Verwendbarkeit für die Schiffe- und Tropenpraxis. 99
Einfache Continuitätstrennungen , kleine Quetsch- und Risswunden,
sowie Contusionen heilen schnell unter feuchtem Ichthyolverband
resp. -Collodium. Von Floris ist das Ichthyol zuerst in der Zahn*
heilkunde versucht worden. Derselbe hat es in Form von Spülungen
und Auswischungen bei der Alveolarpyorrhoe, ferner gegen Zahn-
schmerz und als blutstillendes Mittel nach Zahnextractionen in Form
von Watte mit gutem Erfolge gegeben.
Es mag manchem Leser auffallend erscheinen, dass ich in dieser
kurzen Uebersicht über den Gebrauch des Ichthyols mich veranlasst
sah, fast die ganze Dermatologie und viele innere und Geschlechts-
krankheiten Revue passiren zu lassen, ich glaube aber dafür ein-
stehen zu können, dass, wenn dieses wegen seiner völligen Unschäd-
lichkeit, seiner leichten Verordnungsweise und der ganz überraschenden
Vielseitigkeit seiner Wirkung ausgezeichnete Medicament erst einmal
das Interesse der Schiffs- und Tropenärzte erweckt hat, dieselben in
der Lage sein werden, alle obigen Indicationen zu bestätigen.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben
a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.
Patrick Manson, The necessity for special education in tropical me*
dicine. British Medical Journal. Nr. 1919. S. 985.
Patrick Manson betont in seiner Rede den Unterschied der Tropenkrank-
heiten von den Krankheiten gemässigter Klimate. Ein grosser Theil der englisches
Aerzte practicire — bei der Ausgedehntheit des englischen Colonialbesitzes in
den Tropen — im Tropenklima. Eine speciellere tropenmedicinische Ausbildung
der Aerzte sei daher dringend nüthig.
Er erörtert dies eingehend an verschiedenen Krankheiten, deren Diagnose
wichtig, aber nicht immer leicht ist; besonders spricht er von Malaria, Beri-Beri
und der Filariakraniheit. Victor Lehmann.
Pestnachrlchten.
Die Pest in Bombay zeigte während der Monate Februar und März eine
Steigerung gegen den Vormonat der Todesfälle. Die Sterblichkeit in einer "Woche
betrug nach den Nachrichten vom 10. Februar 11 IS und hielt sich annähernd auf
dieser Höhe, um in der Berichtswoche, welche mit dem 24. März abschliesst. ihren
Höhepunkt mit 1259. Todesfällen (vier Europäer) zu erreichen. Die letzten Nach-
richten lauten viel günstiger, am 8. April werden nur mehr 678 Todesfälle be-
richtet Dagegen ist die Seuche in Djeddah am 24. März auch amtlich festgestellt
worden, forderte bis jetzt nur wenig Opfer, vom 1.— 4. April starben 6 Pestkranke.
Die vom Gesundheitsrat zu Constantinopel beschlossene Sperrung des Hafens für
indische Pilger stösst auf den Widerstand der Bevölkerung.
Reagenskasten zur Herstellung keimfreien Trinkwassers nach Schumburg.
Um der bekannten Schumburg'schen Methode in weiteren Kreisen Eingang zn
verschaffen, hat die Kade'sche Oraoienapotheke zu Berlin die nöthigen Reagenzien
in feste handliche und dauerhafte Kasten, welche auch überseeischem Transport
gewachsen sind, verpackt und m den Verkehr gebracht. Die gangbarste und für
die meisten Fälle wohl ausreichende Reagenzien Zusammenstellung ist für 600 Liter
Wasser berechnet und besteht aus zwei Kästen, von denen der erste die Reagen-
zien in geeigneter Verpackung enthält. Die genau eingestellte ooncentrirte Brora-
Jösuog befindet sich darin in zugeschmolzenen Röhrchen, durch welche Vorkehrung
jedes Verdunsten des freien Broms und somit ein Schwach erwerden der Lösung
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II. Besprechungen und Litteraturangabe».
loi
vermieden wird. Die einzelnen Röhrchen sind in neutralisirte Kieselguhr ver-
packt, was nicht nur ein etwaiges Zerbrechen der Röhrchen auf dem Transport
verhindert, sondern auch, wenn dieses ausnahmsweise einmal eintreten sollte, die
sofortige Unschädlichmachung der ätzenden Bromlösung zur Folge hat. Jedes
Röhrchen hat am Halse einen Feilstrich und ist an dieser Stelle leicht durch Ab-
brechen zu öffnen. Das Neutralisationssalz befindet sich im Deckel des Kastens;
dasselbe ist in Glasröhrchen abgetheilt, welche in geeigneter und zweckmässiger
"Weise in Filz verpackt sind.
Jedes Bromröhrchen enthält 10 cbcm concentrirte Bromlösung,
welche zur Desinfection von 50 Liter Wasser ausreichen. Jedes
Röhrchen Neutralisationssalz enthält das zur Neutralisation von
10 cbcm concentrirter Bromlösung ausreichende Quantum Neutrali-
sationssalz.
Der zweite Kasten enthält eine Mensur von 500 cbcm Inhalt, zwei Glas-
flaschen und einen Löffel von Aluminium. Die Mensur und die Glasflaschen sind
zur Herstellung und zur Aufbewahrung von gebrauchsfertig verdünnten Sterili-
sirungB- und Neutralisirungslösungen bestimmt Obige Reagenzien- und Utensilien-
zusammenstellung ermöglicht die sofortige und bequeme Sterilisirung sowohl ein-
zelner Liter als auch grösserer Quantitäten Wasser für den augenblicklichen
Bedarf.
Das die concentrirte Bromlöeung enthaltende Röhrchen wird an der mit
einem Feilstrich versehenen Stelle durchbrochen, der Inhalt in die Mensur ge-
than, diese mit Wasser bis zu 500 cbcm gefüllt und die Lösung nach Umrühren
mit dem Löffel in die für vorräthige verdünnte Bromlösung bestimmte Flasche
gebracht (Hierbei ist des erstickenden, die Schleimhäute reizenden Bromdampfes
wegen Vorsicht geboten. Das Einathmen der Bromdämpfe ist möglichst zu ver-
meiden und es empfiehlt sich daher, nicht die Verdünnung in bewohnten Räumen
vorzunehmen.) Alsdann wird eins der vorhandenen Neutralisationspulver in der
Mensur unter Umrühren in 500 cbcm Wasser gelöst nnd mit dieser Löeung die
Flasche für vorräthige Neutralisationslösung gefüllt Die Flaschen enthalten als-
dann die für 50 Liter ausreichende Menge Bromlösung und Neutralisaticasflüssig-
keit, welche gut verstöpselt für den Gobrauchsfall aufbewahrt werden.
Der Aluminiumlöffel fasst 10 cbcm dieser verdünnten Lösungen. Hat man
diese also vorräthig und liegt Bedarf für einen Liter keimfreien Wassers vor, so
setzt man diesem einen Löffel der verdünnten Bromlösung zu und lässt dieselbe
nach Durchrühren mit dem Löffel 5 Minuten einwirken. Dem durch die Brom-
einwirkung keimfrei gemachten Liter Wasser setzt man alsdann einen Löffel der
vorräthigen Neutralisationsflüssigkeit zu, um dasselbe alsdann als nach jeder Rich-
tung hin einwandfreies Trinkwasser zu erhalten.
Will man mittelst dieser Reagenzienzusammenstellung Quantitäten von
bO Liter Wasser und mehr auf einmal sterilisiren, so kommt pro 50 Liter Wasser
je ein Röhrchen concentrirter Bromlösung und der Inhalt eines Gläschens Neu-
tralisationssalz direkt zur Verwendung. Bei der Sterilisirung grösserer Quanti-
täten Wasser als 10 Liter, wird man sich der Bequemlichkeit halber zur Ab-
messung der vorräthigen Neutralisationsflüssigkeit mit Vortheil der beigefügten
graduirten Mensur bedienen. Für 127, Liter wird dieselbe bis zum Theilstrich
125 mit verdünnter Bromlösung und Neutralisationsllüssigkeit gefüllt, für 25 Liter
bis zum Theilstrich 250 u. s. w.
Archiv f. Schiff*- u. Troptnbyglene, II. 8
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102
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Obige Reagenzienzusammenstellung eignet sich vorzüglich für den Gebrauch
in den Tropen und in überseeischen Gebieten, dieselbe ist specieU für Export-
zwecke zusammengestellt und unter der Bezeichnung
„Dr. Schumburg's Trinkwassersterilisirung“ zum Gebranck
in den Tropen
im Auslände eingeführt.
Der Preis derselben (die oben erwähnten 2 Kästen nebst Reagenzien für
600 Liter Wasser) stellt sich auf Mk. 80.—. Die Reagenzien werden in geeig-
neter Verpackung jeder Zeit nachgeliefert und ist der Preis derselben incl. Ver-
packung folgender:
Reagentien für 600 Liter Wasser = Mk. 18. — •.
»1
„ 1200 „
ii
CO
o
'1
9»
„ 2400 „
(
oö
II
V
« 4800 „
„ = „ 72.-.
Dureh diese Preisermässigung wird nicht nur die Leistungsfähigkeit dieser
Zusammenstellung eine sehr grosse, sondern es werden die Sterilisirungskosten
für den einzelnen Liter dadurch auch bedeutend herabgesetzt.
Für Militärbedarf, für den Gebrauch auf Schiffen, sowie für den Abschluss
grösserer und dauernder Lieferungen wolle man unter Angabe der benöthigten
Wassermenge von der Kade sehen Oranienapotheke Specialofferten einholen.
Der Vertreter für den überseeischen Export ist Georg Hanning.
Hamburg, Ferdinandstr. 27. M.
Du cllmat maritim« de la Tuniiie tt de son Inftuence petholojiqu« eur ta peumo«,
te coeur et le lote. Castellan. Arch. de med. nav. et colon., Aoüt 1897,
pag. 11h.
Les observatious de l'auteur ont etc f&ites du 14 Jttin 1895 au 1« ferner
1897: il a trouve sur les cötes de Tunisie un climat essentiellement variable,
parfois tres chaud en ete, parfois aussi tres froid en hiver.
La Saison seche dure d’ Avril a Septembre: le ciel est alors tres pur et le
vent souflle generalement de l’Est; les mois les plus i redonter sont Aoüt et
Beptombre, parfois meme Octobre. Quand souffle le vent du S. E. (Sirocco). 1z
chaleur est tres grande, desseche les muqueuses et gene meme la respiratoire
La saison des pluies commence en Octobre et se contioue jusqu'ä la Sn de
Mare: les vents dominants souffient alors de l'Ouest et il pleut tres frequemment
ä Tunis, plus souvent encore ä Bizarte. L'air chaud et humide ä cette saison
est parfois tres penible.
Outre ces differences saisonnierea , il se produit des variations nyethemerales
etendues et souvent aussi des sautes de vent tres brusques avec des changements
brusques de la temperature, tres penibles en hiver (de Jan vier ä Mare).
Cette variabilite du climat des cötes de Tunisie le rend peu propre au traite-
ment des affections cardio- pulmonaires, et des sujets souffrant de ces affectiooä
peuveut voir leur etat s’aggraver sous son inQuence. C. Firket (Liege).
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
103
b) Pathologie und Therapie.
Beri-Beri.
Zur Abwehr.
Du izt der Flach der bäeen Thzt, du« eie
fortzeugend Böeee muee gebären.
Der Autor der Referate über meine und Vorderman's Arbeiten (vgl. diese
Zeitschr. Bd. I. S. 39 ff.) , wovon ich obiges Motto entlehne, hat sich zu einer
Leidenschaftlichkeit hinrei&sen lassen, die das beste Zeugniss dafür abgiebt, dass
er nicht die geeignete Person ist, um eine rein sachliche und objective Kritik
zu liefern. Ich will darüber denn auch keine Worte verlieren.
Nachdem von sachverständiger Seite (Scheube) meine Abhandlung über
Polyneuritis der Hühner in dieser Zeitschrift schon besprochen war, wäre eine
erneute Besprechung derselben doch nur nöthig gewesen, wenn Gegenversuche
hätten vorgebracht werden können, die zu abweichenden Resultaten geführt
hätten. Wie wenig Herr Glogner meinen und Vorderman's Ansichten gerecht
-wird, geht schon daraus hervor, dass er uns die Annahme eines Giftes im Reis-
korn in die Schuhe schiebt, eine Vorstellung, die thatsächlich unrichtig ist loh
habe im Gegentheil gesagt: Die Annahme eines präexistenten Giftes in der Nahrung
erschien uns weniger wahrscheinlich. Vorderman hat sich in seinem Rapport
in einer besonderen Nachschrift bestimmt gegen die Reisgifthypothese aus-
gesprochen.
Was meinen Standpunkt in der Beri-Beri-Frage anbetrifft, so erlaube ich
mir auf meinen jüngsten Aufsatz über Beri-Beri und Nahrung (Beri-beri en
▼oeding, Ned. Tijdschr. v. Geneesk. 1898. Nr. 6 — 8) zu verweisen.
Herr Glogner schreibt: „wenn man bedenkt, dass E. zu dieser Arbeit
6 Jahre nöthig batte, dann muss dieselbe als das dürftigste Product bezeichnet
werden, welches von einem Leiter eines wissenschaftlichen Institutes in der
Litteratur gefunden werden dürfte.“
Den Ixssem dieser Zeitschrift ist es aus wiederholten Besprechungen be-
kannt, dass von mir ausser der hier erwähnten noch eine Anzahl Untersuchungen
über tropenphysiologische und -hygienische Gegenstände publicirt worden sind.
Allerdings bin ich dabei mehrfach zn gegenteiligen Resultaten gekommen als
Dr. Glogner. Ich habe ihm z. B. aus seinen eignen Angaben vorrechnen
können, dass bei seinen Bestimmungen der Stickstoffausscheidung der Tropen-
bewohner mehrere grobe Versuchsfelder gemacht worden sind. Weiter habe ioh
daraufhingewiesen und erbat dem beistimmen müssen, dass bezüglich des spec.
Gewichts des Blutes der Tropenbewohner seine abweichenden Resultate darauf
zorückzuführen waren, dass er versäumt hatte, an seine aräometrischen Be-
stimmungen eine Correctur für die höhere Umgebungstemperatur anzubringen.
Inde irae! C. Eykman.
Beri-beri en «oeding. Een kritisch -historische Studie door Dr. C. Eykman.
Overgedrukt uit het Ned. Tijdschrift voor Geneeskunde. 1898. Deel I.
In der neuesten Zeit wurde durch Eijkmann und durch Vorderman’s Unter-
suchungen in verschiedenen javanischen Gefängnissen bekanntlich die Theorie vom
Einfluss der Nahrung auf das Entstehen von Beri-beri wieder in den Vordergrund
des Interesses gerückt Man hat aber schon längst früher an einen derartigen
8*
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104
11. Besprechungen und Lirteratnraagmken.
Zusammenhang gedacht und dementsprechend bei Soldaten . Matrosen und Ge-
fangenen die Ernihrungsvorsch riften verändert angeblich mast mit Erfolg.
E. hat diese Frage genau historisch verfolgt und zögt in vorliegender. sehr
eingehender Arbeit dass thataichlich die Abänderung der Ernahrungstanfe weder
hei der niederländisch-indischen Marine, noch bei der japanischen Manne, noch
auch bei den Gefangenen in den Straits Settlements die Erkrankungen an Ser-
ben vermindert hat E. bespricht dann ferner seine auf Grund der von ihm
entdeckten Polyneuritis der Hühner aufgestelite Theorie von der Bedeutung d«
„Silberhiutchens“ des Reiskorns für die Aetiologie der Beri-beri, die anschei-
nend in den Feststellungen von Vorderman eine Stütze gefunden hat Es mt
anzuerkennen, dass E. sich sehr zurückhaltend über die Tragweite seiner Beobach-
tungen äussert Seine Theorie zu erörtern, ist hier deshalb nicht am Platze, weil
dieselbe einmal schon anderweitig besprochen ist, und weil es in v-riiegeoder
Arbeit E mehr darum zu thun ist, gegen die allerdings sehr eigentümlichen
Aeusserungen und Ansprüche van Dieren's Front zu machen. Dieser — nach
unserer Ansicht wohlberechtigten — Polemik ist der grossere Theil der Arbeit
gewidmet Victor Lehmann.
A contribution to the etiology of beri-beri. By Walter K. Hunter. (Lancet
July 31. 1897. pag. 240.)
Verf. giebt erst eine Uebersicht der bekannten Anschauungen und Unter-
suchungen von Pekelharing und Winkler. Scheube, Eykman u. A. Er beschreibt
dann zwei von ihm beobachtete — anscheinend übrigens nicht »ehr typische —
Fälle von Beriberi bei Schiffsheizem. Hier fanden sich im Blute konstant ge-
wisse Kokken , welche weissen Staphylokokken sehr ähnlich waren. Die Kulturen
derselben, Kaninchen injicirt, bewirkten Lähmungen und mikroskopisch nachweis-
bare Nervendegeneration. In Blut und Geweben der Thiere fand sich derselbe
Staphylokokkus. In den Kulturen fanden sich auch noch andere Bakterien, aber
nicht im Blute. Auch wurden dieselben , zusammen mit dem Staphylokokkus in-
jicirt, nicht im Blute der Thiere wiedergefunden.
Die Untersuchungen von Glogner scheint Verf. nicht zu kennen, denn sie
werden gar nicht erwähnt. Victor Lehmann
Malaria.
Die Melaiuarie. ein Knnatproduct der Chininsalze. Von Dr. Below. Berliner kür.
Wochenschrift. Nr. 48. 1897. -»ach einem Vortrage, gehalten in der Ber-
liner medicinischen Gesellschaft, SO. Juni 1897.
Verfasser sagt eingangs, man dürfe sich keine Worte, wie Melanurie. bilden,
ehe man nicht über Wesen und Ursache einer Sache Begriffe besitze, und «f
errege Befremden, von einem Schwarzwasserfieber als Malariaform reden zu
hören, wenn man die Misch- und Uebergangsformen zwischen Malaria und Gelb-
fieber selbst kennen lernte, noch mehr aber, dass das souveräne Mittel gegen
Malaria, das Chinin, von einer Sekte als grosses Heilmittel in grossen Dosen, tun
anderer als schädlich, verschlimmernd dargestellt warde. Verf. glaubt, auf Grand
seiner .Beobachtungen in Mexico, die dort sporadisch vorkommendeu Falle na
Melanurie unter die Geibfiebergruppe, als nicht infectiöee Form suhsumiren m
können und bezieht sich auch auf Heinemann (? Ref). der sich hütete, eia
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II. Besprechungen und Litteraturangaben. 106
mögliches Kunstproduct einer Chininvergiftung als Krankheit sni generis hinzu-
stellen und zieht nun ganz besonders Br. Dempwolf’s Mittheilungen aus Neu-
Guinea heran, nach denen sämmtliche (18) von diesem beobachteten Schwarz-
er asserfiebe ran falle nur bei Leuten Vorkommen, ,,die viel Chininsalze von vielen
Grammen1* genommen haben und dabei durch Klima und Ajrzneigifte mitgenommen
sind. Dr. Bempwolf, sagt Below, hätte nachgewiesen, dass Melanurie ein
Symptom sei, welches entstehe, wenn Blutfarbstoff aus den rothen Blutkörperchen
in die Blutflüssigkeit trete. Die Leber zersetze das Haemoglobin und die Nieren
suchten diese Stoffe, besonders also Methaemoglobin und Melanin, auszuscheiden,
wobei sich die Nierencapillaren verstopften. So entstände unter Melanurie ge-
legentlich Anurie. Herr Dr. Dempwolf dürfte mit dieser Darstellungsweise
schlechthin nicht ganz einverstanden sein. Auch Dr, F. Plehn in Tanga be-
hauptet wohl kaum, dass Chinin schlechthin Haemaglobinurie veranlasse, man
kann höchstens annehmen, dass die bei tropischer Malaria drohende, oder schon
bestehende verstärke, und das nur bei Vorkommen der kleinen Parasiten im Blut.
In jedem einzelnen Falle kann Chinin nicht selbständig Haemoglobinaemie und
Haemoglobin urie veranlassen, auch bietet das melanunsche Fieber, welches nioht
vorher mit Chinin behandelt wurde, dem am Krankenbette eintreffenden Arzt das
Bild einer schweren Infectionskrankheit, welche durch Toxine beeinflusst wird.
Dr. K. Däubler.
Febril inter mitten» perniciosa von W. Stammeshaus, Sanitätsofficier 1. Klasse
Militärhospital zu Malang auf Java. Geneeskundig tijdschrift voor Ned. Indie.
Deel XXXVI. Afl. 5 u. 6.
Ein bereits seit SVt Jahren in Indien dienender Sergeant wurde wegen
Urethritis in das Spital aufgenommen und bekam Tags darauf Fieber, 39°. Am
dritten Tage vor seiner Aufnahme erhielt er, obschon er Mittags nur 37,8* hatte,
0,8 g Chinin, hydrochl., trotzdem Abends 88’. Am vierten Tage hatte er stets
über 89’. Abends 9 Uhr = 80,9’. Darauf, also in der Remission, 1,9 g
Chinin, ebenso am fünften Tage 1 g, stets in Solution, worauf die Temperatur
nicht über 88,4° stieg. Am sechsten Tage stieg die Temperatur, welche von
7 Uhr Morgens bis zum exitus, Nachts 13 Uhr, 12mal gemessen wurde, von
88,2°, Morgens 7 Uhr, bis 10 Uhr Abends auf 43°, zuletzt bis auf 43,8*. Die
Section ergab ausser Milzvergrösserung, theerartiger Pulpa und Zeichen von
fettiger Degeneration der Leber, nichts Positives. Leider sind keine mikros-
kopischen Untersuchungen, auch nicht in vivo gemacht, noch Urinuntersuchungen,
ebenso isf nicht darnach geforscht, ob nicht Blutungen in der Scheide der grossen
Halsnerven bestanden, auf welche Köster und Siedamgrotzky beim Tode
durch Wärmestauung, resp. bei fieberhaften Erkrankungen mit so hohen Tem-
peraturen aufmerksam machten, und wie Diettrich anf Blutunterlaufungen unter
dem Endoeardium. Man wird versucht, in Bezug auf die Angabe, der Patient sei
an Urethritis erkrankt, zu glauben, dass es sich um Malaria handelte. Ob Anurie
zuletzt bestand, ist nicht angegeben. Der Beschreibung ist eine Curventafel bei-
gegeben, sie lehrt aber, dass zur wissenschaftlichen Ausnutzung und Beurthei-
lung eines solchen Falles, allseitige und genaue Kenntnisse und Handhabung der
einschlägigen Untersuchungsmethoden unumgänglich nöthig sind.
Dr, K. Däubler.
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106
II. Besprechungen und Li tteratu ran gaben.
On toma peculiar pigmenled cells found in two mosquitos fad ob maJaHal Maad
by Surgeon-Major Ronald Ross. (British Medical Journal. Nr. 1929. 18. De-
cember 1897. • S. 1786 )
R., der sich seit 2 Jahren, angeregt durch die Ideen Patrick Maasens,
mit der Fütterung von Moskitos mit Malariablut beschäftigt, hat kürzlich bei
einer neuen Moskitosorte nach Malariablutfütterung im Magen besondere Zellen
gefunden, welche die charakteristischen Pigmentkömehen (Melanin) enthielten,
wie sie im Malariablute des Menschen Vorkommen. Der Befund ist jedenfalls
wichtig, die Deutung aber vorläufig noch durchaus nicht klar.
Victor Lehmann.
Een geval van pemicieuae malaria von Dr. A. Voorthnia, Deli-Sumatra. Genees-
kundig tijdschrift vor Ned. Indie. Deel XXXVI. Aflev. 5 u. 6.
Unter Erscheinungen von Influenza kam ein 25 jähriger Niederländer in
Verf. Behandlung. Pat. hatte vorher an zwei Tagen je 1 g Chinin genommen
Nach zweitägiger Behandlung mit Chinin pro dosi et pro die 1 g, befand sich der
Kranke besser, kein Fieber. Darauf Nachts hohes Fieber (39*), Delirien, am
Morgen 10 Uhr 39 % Respiration ‘35 p. m. Pat. war nicht compos mentis, Herz-
töne rein, Urin spärlich, trübe, ohne Eiweiss. Im Laufe des Tages 2 g Chinin
in Losung, trotzdem am Mittag 40° Körpertemperatur. Auscultation der Longen
ergab nicht gehäufte, trockne Rhonchi. Am andern Tage 39,7% unwillkürlicher
Urinabgang, Parese des rechten Armes und der rechten Gesichtshälfte, das rechte
Augenlid war frei, sonst derselbe Zustand als vorher. Die Milz war nicht ver-
grössert. Verf. liess den Pat. zwei Mal in Wasser von 35° C. baden und ver-
suchte die Chinininjection in eine Vene des linken Ellenbogens nach der Baceüi-
schen Methode, jedoch unter Assistenz eines Collegen und vorgingiger Blutunter-
suchung. Der zweite Arzt Dr. Edauw fand in den von Verf. nach Plehn's
Methode angefertigten, resp. gefärbten Blutpräparaten „einige siegeln ngförmig«
Plasmodien, ausserdem zahlreiche kleine Sporen, in Haufen frei zwischen den
Blutkörperchen liegend, sowie einzelne kleine Plasmodien mit blaugefürttec
nucleolus, freiliegendes Blutpigment“. Daraufhin wurde die Diagnose auf Malaria
sicher gestellt und die Bacelli’sche Injection vorgenommen, welche abends 6 Uhr
wiederholt wurde, weil nicht der geringste Erfolg resp. Temperaturerniedrigung
eintrat Nach der zweiten Injection wurde der Pat. ruhiger, die Parese schwand
aber nicht. In der Nacht Temperaturermässigung auf 39* C. Am andern Tage
Mittags unter Zunahme der Lähmung und Herzschwäche, da KampherinjectKnea
nicht aufhalfen, exitus lethalis.
Die Section ergab Oedem der Pia mater, starke Blutfüllung der Sinus und
Himgefässe, Fruchtäthergeruch der Gehimmasse. Die linke Herzkammer enthält
sehr wenig Blutcoagulum. ebenso der linke Vorhof, hingegen waren rechter Von-
hof und Ventrikal stark mit Blutcoagulum gefüllt, Lungen sehr blutreich, sonst
lieferte die Section der Brusthöhle nichts Besonderes, ein Bild, welches bei den
verschiedensten Todesarten, auch bei Herzlähmung, uns entgegentritt Die Milz
war wenig vergrössert, schlaff, Nieren hyperämisch. Im Herzblut fand Verfass«
keine „deutlich entwickelten Plasmodien“, in den Nierengefassen „freiliegende
Sporen ohne nucleolus“. Verf. hat wahrscheinlich, wie auch in den Präparat®
des peripheren Blutes. Blutplättchenhaufen für Sporen der Malariaparasiten an-
gesehen, deren kleine Siegelringform nur in den Organen zur Sporulation kommt
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
107
Eine sacbgemässe Einsicht bei der Cbininbeh&ndlung in Hinblick auf die biologi-
schen Verhältnisse der tropischen Malariaparasiten und nach Lage des betreffenden
Krankheitsfalles kundige mikrosoopische Controle des Blutes, kann nicht dringend
genug von allen Tropenärzten gefordert werden. Dr. Karl Däubler.
Esnige Gegevens omtrent Pelantoengan all hentellingeoord voor maiarlaiydert door
Dr. A. E. H. Lubbers, Sanitätsofficier I. Klasse. Geneeskundig tijdschrift voor
Ned. Indie. Deel 86. Aflev. 5 u. 6.
Verl, welcher die von der Küste aus Semarang nach dem 19 Kilometer
von der See und 663 Meter hoch belegenen Pelantoengan gesandten malaria-
kranken Soldaten behandelte, sammelte ausserdem noch 186 Malariafälle —
180 Europäer, 56 Inländer — aus den Listen seines Vorgängers. Eine genaue
Beschreibung der klimatologischen und geologischen Verhältnisse des Ortes zeigt,
dass dort bei mässiger Kegenhöhe, wenig feuchter Luft, die tägliche Temperatur-
differenz fast 9° beträgt, wie selten auf Java. Dem aus Thon mit Trachit be-
stehenden Boden, dessen dem Trachit aufgelagerte Thonerde dünn ist, entströmen
in diesem District viele warme Quellen, wovon eine 46* C. Temperatur. Aus
dem Vorkommen theerartigen Oeles und Kohlensäure im Brunnenwasser ist a
Steinkohlen in der Tiefe zu schliessen. Den wasserstauenden Einfluss des th-
weise vorkommenden Thonbodens scheint das starke Gefälle in den Flussläi
auszugleichen, wodurch der Boden sehr gut drainirt wird.
Im Mittel hatten die Malariapatienten 2% Monate zu ihrer Herstellung
nöthig, dass die Inländer länger blieben, schreibt Verf. ihrer geringeren Energie
(Trägheit) zu.
Eine sehr übersichtliche Tabelle zeigt, dass die Dauer einer Verpflegung von
mehr als 5 Monaten für beide Rassen schon eine Ausnahme bildet. Die Gewichts-
zunahme welche Verf. als Maassstab für die Fortschritte der Reconvalescenz an-
sieht, war am höchsten im dritten Monat = 6,4 Kilo, bei Inländern im zweiten
= 5,8 Kilo. Während des Verf. einjährigen -Aufenthaltes in Pelantoengan starb ein
europäischer Soldat von etwa Hundert dorthin gesandten erkrankten Europäern.
Für den Felddienst in Indien nicht mehr brauchbar befunden 8 Weisse = 6%
und 8 Inländer = 5%.
Von den Weissen hatten 41%, von den Inländern 73% vom Tage ihrer
Ankunft an, auf Pelantoengan überhaupt kein Fieber mehr und so fort während
ihres ganzen Aufenthaltes.
Verf. schildert dann die Eigenartigkeit des Auftretens der Fieber bei den
übrigen und hebt hervor, dass freie Fieberintervalle von 1—4 Monaten Vorkommen,
in einem Falle von 4% Monaten, dass sich die Malariaplasmodien lange nur
in den Organen halten (Milzblut), um plötzlich, resp. gelegentlich, wieder einen
Fieberanfall auszulösen und dann im peripheren Blut erscheinen. Da solche
seltenen Fieberanfälle nur 1—2 Tage anhielten, dann fortblieben, auch milde
waren im Vergleich zu denen in der Ebene, so schreibt sie Verf. wohl mit Recht
nicht auf Rechnung einer Neuinfection. Nur bei 7 Weissen und 1 Inländer
dauerte das Fieber bei Gelegenheit eines Recidivs länger als 3 Tage. Chinin
wurde anscheinend, wie auch in anderen Sanatorien Indiens nicht angewandt.
Lubbers bestätigt durch seine Arbeit die Beobachtungen Kohlbrugges auf Tosari.
Dr. Karl Däublen
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108
II. Besprechungen und Litteratur&ngaben.
Wldil’i reaction in th« tropica. Iiy W. C. Brown. The Lanceb Octob. 23. 13)7.
png. 1036.
In den Tropen ist es oft sehr schwer, Typhus und Malaria auseinander m
halten. Auch scheinen Mischformen vorzukommen. Ein solches Hilfsmittel für
die Typhusdiagnose, wie die Widal’sche Serumreaktion , musste daher sehr will-
kommen sein. B. theilt 20 Fälle mit, in denen er die Reaction differenialdi*-
gnostisch verwerthen konnte. Victor Lehmann.
Euchinin in maiarla. Bv St. Geo. Gray. British Med. Journal. Febr. 26. 13)3.
pag. 551.
G. hat mit Euchinin bei Malaria gute Erfolge gehabt Er findet, dass eine
geringere Menge als vom Chinin nöthig sei; 10 — 15 grain Euchinin soll« 20
bis 25 bis 30 grain schwefelsaurem Chinin entsprechen. Die Geschmacklosigkeit
des Euchinins ist ein grosser Vorzug*). Victor Lehmann.
On the ftagellated form ol the malaria parasite. By W. G. Mac Call um. The
Lancet. Nov. 13, 1897. p. 1240.
Im Blute von Krähen, das mit Halteridium Labbe inficirt war, konnte JL
sehen, dass von den zwei Formen des erwachsenen Parasiten, der hyalinen und
der granulirten, sich nur die hyaline im Laufe der Zeit zum geisseltragenden
Organismus entwickelt. Sie verlässt dann ihr Blutkörperchen, die Geissei wirf
selbstständig, bohrt die granulirten Parasiten an, nimmt deren Pigment auf uni
lebt geraume Zeit als spindelförmiger, am hinteren Ende pigmentirter Organis-
mus weiter. Etwas Aehnliches konnte in einem Falle in Malariablut beobachtet
werden. M. vermuthet, dass der spindelförmige Organismus vielleicht die Form
ist, die ausserhalb des Körpers leben kann.
Die hyaline Form bezeichnet M. als männljche, die granulirte als weiblich*,
die Geissei als Spermatozoon. Victor Lehmann.
On tha flagellcled form of the malaria paruite. By E, Lawrie. The Lsncet.
Febr. 12. 1898. p. 482.
L. bekämpft die vorher mitgetheilten Anschauungen. Nach Ansicht all«
übrigen Forscher entwickeln die granulirten, nicht die hyalinen Organismen di*
Geissei. Spindelformen könnten in runde Formen umgewandelt werden durch
den Mageninhalt des Moskito, ja schon durch Wasserzusatz zum Blute. Er er-
läutert solche Um wandelungen — von Blutkörperchen und von Malariaparasiten
— durch Illustrationen.
L. bekämpft ferner ziemlich heftig die ganze Malariaparasitentheorie, da
der Parasit nirgends als im Malariablute gesehen werden könne und auch da nicht
Immer. Die sogenannten Parasiten seien nichts als veränderte Blutzellen!
Victor Lehmann.
•) Vergleiche auch F. Plehn, Band I, psg- 407 dieses Archivs.
Anm. d. Red.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
109
Ueber klimatische Bubonen von Dr. 0. Nagel.
Münchener Med. VTxhenechrifl.
Bei 18 Europäern beobachtete Dr. Nagel in den Tropenmeeren klimatische
Bubonen und schliesst sich Rüge an, der nach sorgfältiger Prüfung als Entstehungs-
Ursache andere causale Momente ausschliessen konnte. Namentlich wendet sich
Nagel gegen die Annahme Dr. Mattin's, der solche Bubonen einfach als Malaria-
complication betrachtete, auch bestreitet er Schellong’s Anschauung, der die Bu-
bonen als selbstständige Krankheit nach Malaria ansieht Verfasser thut recht, Un-
klarheiten zu beleuchten und zu beseitigen, muss aber für seine eigenen Unter-
suchungen die Unterlassung der Blutuntersuchungen anerkennen. Seine Beobach-
tungen haben daher nur den "Werth der Wahrscheinlichkeit, wenn auch Chinin
auf das die Bubonen begleitende Fieber nicht wirkte. Dass in den Tropen Bu-
bonen Vorkommen, bei denen exact eine anderweitige Infection ausgeschlossen
ist, habe ich früher Dr. Rüge bestätigen können. Dr. K. Däubler.
Dysenterie.
Magnesium sulphate in tropical dysentery. British medic. Journal, 1898, I, p. 298,
554 et 598.
M. F. Wyatt Smith, medecin k Thöpital angiais de Buenos Ayres recom-
mande l'emploi, dans la dysenterie aigue, du sulfate de magnesie ä dose purga-
tive, additionne d'acide sulfurique; il estime que dans cette forme de la maladie,
l’ipeca est inutile et ies opiacee dangereux.
A la suite de cette communication , plusieurs medecins angiais confirment
l'opinion de M. Wyatt Smith. L'un d’eux M. Thomas M. Wiglesworth donne
toutes les deux heures une demi once (environ 14 grammes) d’une solutiou aqueuse
saturee de Sulfate de magnesie et 15 gouttes d’acide sulfurique dilue; diete lactee.
C. F.
Lepra.
Die Lepra. Von A. v. Bergmann. Aus „Deutsche Chirurgie“ Lief. 10b. XXII,
112 Seiten u. 7 Tafeln. Stuttgart 1897. Enke. M. 6. — .
Seit der Arbeit Neisser’s in Ziemssen's Handbuch der speciellen Patho-
logie und Therapie im Jahre 1883 ist keine monographische Bearbeitung der
Lepra in Deutschland erschienen. Man bringt aber heute allerseits dieser Er-
krankung ein grosses Interesse entgegen, da der Besitz kolonialer Territorien die
Möglichkeit der Uebertragung der Lepra nach Deutschland durch krank heim-
kehrende Auswanderer in reichem Maasse bietet und die von Osten eindringende
Seuche bereits die deutsche Grenze überschritten, im Memeler Kreise einen
Lepraheerd geschaffen hat. Mithin ist es als ein sehr dankenswerthea Unternehmen
zu begrüssen, dass Verl, ein erfahrener Lepraforscher, eine zusammenfassende
Besprechung dieses Gegenstandes unternommen hat Verf. ist ein überzeugter
Contagionist und betont, dass nur da ein Stillstand und eine darauf folgende
stetige Abnahme der Krankheitsverbreitung Platz gegriffen habe, wo eine einiger-
maassen der Verbreitung der Krankheit entsprechende Anzahl von Asylen in
Tbätigkeit ist und in steigender Progression die Kranken dem Zusammenleben
mit den Gesunden entzieht Wenn gegenüber dieser Lehre immer die gering«
Uebertragungsziffer der Lepra in der Ehe angeführt wird, so weist Verf. mit
Recht auf die Ehen der Luetischen und Tuberculösen hin. Wie relativ selten
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HO II. Besprechungen und Litteratu ran gaben.
erfolge auch hier die Uebertragung, ohne dass es Jemandem in den Sinn tarne,
an der Uebertragbarkeit dieser Krankheiten zu zweifeln. Bemerkenswerth ist
aber, dass Bergmann nach seinen Erfahrungen auch die Anschauung vertritt,
dass die Lepra nicht bloss durch directen Verkehr, sondern auch indirect durch
Gegenstände übertragen werden kann. Erschwert wird natürlich die Constaürung
jeder einzelnen solchen Uebertragung durch die mitunter sehr lange Incub&üons-
dauer der Lepra. Gegenüber der von Hansen betonten Heilung der Lepra
anaesthetica meint Bergmann mit Recht, dass man hier doch wohl besser von
einer gewissen Latenz des Leidens sprechen sollte. Diese Latenzperiode kann
ja sehr lange andauern, der Kranke kann inzwischen intercurrent einer Pneu-
monie oder irgend einer andern Erkrankung erliegen, aber ebensogut kann er
auch neue Lepraerscheinungen bekommen. Die Prophylaxe der Lepra ist ein*
einfache. Sie besteht in Reinlichkeit und Beobachtung geläufigster Regeln der
Hygiene. Alle bisherigen therapeutischen Versuche sind fehlgeschlagen. Nie
war ein dauernder Erfolg zu erzielen, cur die Isolirung der Leprösen kann dem
weiteren Umsichgreifen dieser Krankheit Einhalt gebieten. Max Joseph.
Im British Medical Journal, November 18, 1897, p. 1409, wird von
Phineas S. Abraham eine Uebersicht über die Lepra im Britischen
Reiche gegeben und die etwa dagegen angewandten Maassregeln
besprochen.
In Grossbritannien und Irland werden immer einige Fälle beobachtet, gegen
die keine Präventivmaassregeln ergriffen werden und nach Verf.'s Ansicht auch
nicht ergriffen zu werden brauchen.
In den Colocieen ist die Unterbringung und eventuelle Isolation in ver-
schiedener Weise geordnet. Besorgnisserregend ist nach dem Verf. auch dort
nirgends die Ausbreitung der Lepra, und von zwangweiser Isolation ist nach
seiner Ansicht am besten abzusehen. Victor Lehmann.
Schlafsucht der Sen er.
K doenpa do somno i o hu baciilo (Die Schlafkrankheit und ihr Bacillus) por
Antanio Olympio Cagigal et Ch&rlea Lepierre. Coimbra Medica 1857.
Nr. 30 u. 31.
Die bisher selten in einer europäischen Klinik zur Beobachtung gelangte
Schlafsucht der Neger lieferte im Mai 1897 den Verfassern zu Coimbra einen
Fall in Gestalt eines schwarzen Küchenjungens aus Angola Der Kranke erlag
am 24. Juli. Die am Lebenden und an der Leiche angestellten bacteriologischen
Untersuchungen führten C. und L. zur Entdeckung eines Bacillus, welcher von
denen der Hühnercholera und der Beri-Beri (? Ref.) ebenso verschieden ist, wi*
von den Bacillen, welche Antonio de Carvalho Figueiredo 1889 in Lissabon bei
einem an der Schlafsucht leidenden Schwarzen fand.
Die Krankengeschichte des Negers ergab in Bezug auf erbliche Belastung
nichts. Die Anamnese, welche der Herr des Kranken mittheilte, ergab, dass die
Krankheit vor drei Jahren begann. Man musste den Knaben morgens schütteln,
um ihn zum Aufstehen und Ankleiden zu bewegen. Sobald es sein Dienst er-
laubte, suchte derselbe allein zu sein, setzte sich in die brennende Sonne and
schlief ein. Anfangs sss er noch mit Appetit, klagte aber manchmal über Kopf-
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ü. Besprechungen und Ijttera tu rangaben.
111
schmerzen und litt an leichten Fieberanfällen mit einleitendem Schüttelfrost
Anschwellung der Inframaxillar- Drüsen trat frühzeitig auf. Seit 1% Jahren
lebte der Kranke in Portugal, sein Zustand verschlimmerte sich beständig, die
Schlaftrunkenheit nahm zu, trotz guter Ernährung bei anhaltendem Appetit nahm
sein Körpergewicht ab und die Kräfte verfielen. Es trat Incontinenz der Blase
und des Darmes ein. Der Kranke war kein Trinker und hatte noch nie Ge-
schlechtstrieb gezeigt (Referent kann ergänzend bemerken, dass nach seinen
Beobachtungen am Congo Alcoholismus, Missbrauch von Kola oder Haschisch,
Excesse in venere, Heimweh und Ueberarbeitung als entscheidende ätiologische
Momente zweifellos auszuschliessen sind.)
Der Befund des Kranken entsprach den obigen Angaben. Seine Haltung
war lässig. Gleichgültig gegen die Umgebung, suchte er bald sein Lager auf,
verharrte in stärkster Beugung der Extremitäten, hielt den Nacken bei versuchten
Bewegungen steif und liess aus den halbgeöffneten Mundwinkeln übelriechenden
Speichel rinnen. Die Unterleibsorgane erschienen bei Druck etwas schmerzhaft
Anbefohlene Bewegungen glichen denen eines Betrunkenen. Die Empfindlichkeit
war herabgesetzt, Plantar- und Kremasterreflex aufgehoben, Palmarreflexe be-
deutend vermindert sonstige Sehnenreflexe fast ganz erloschen. Die elektrische
Reizbarkeit war im ganzen Körper vermindert, am meisten am rechten Unterarm
und auf der Streckseite des linken Fusses. Puls und Herz waren normal, die
Athemzüge betrugen im Mittel 32 in der Minute. Die Lichtempfindlichkeit war
herabgesetzt. Die Harnanalyse ergab nur den Befund eines Blasenkatarrhs.
Während der Hospitalbeobachtung traten nur unbedeutende Fieberbewegungeü
auf, nur einmal stieg die Körperwärme bis auf 39 * C., vor dem Tode kam es zu
subnormalen Temperaturen.
Um den Krankheitserreger zu finden, entnahmen die Autoren unter den
üblichen Kautelen dem Kranken eine Blutprobe aus einer Vene des 1. Unter-
arms und der 1. Hand. Die mikroskopische Untersuchung ergab an ungefärbten
und gefä'bten Präparate im Blut einen an den Enden leicht verdickten Bacillus.
Die Dimensionen desselben waren im Blnte 2 — 21/, :0,5m >n Cultnren, welche
auf Serum nach drei Tagen, auf Gelatine anfangs erst nach 4 Wochen gediehen,
waren seine Maasse 3 — 4:1 p. Der Mikroorganismus ist gradlinig, manchmal
leicht gekrümmt, wenig beweglich, färbt sich gut mit Anilinfarben, entfärbt sich
nicht nach Gram, bildet Filamente und lässt bei Behandlung nach Hueppe im
Innern Sporen erkennen. Das Aussehen desselben erinnert an den bac. an-
thracis. Temperaturen zwischen 80—37 ° sind seiner Entwickelung am günstigsten.
Feuchte Wärme tötet ihn rasch zwischen 70 und 75°, ebenso Luftabschluss.
Zucker wirf nicht zur Gährung gebracht, in Culturen kein Indol erzeugt Auf
dem günstigsten Nährboden, Blutserum, wurden die Culturen schon am Ende des
1. Tages sichtbar und verflüssigten das Serum nach 3 — 4 Tagen. Auf Gelatine-
Platten erschienen nach wiederholter Ueberimpfung des fortgezüchteten Bacillus
bei oberflächlichen Colonien nach 24 Stunden unregelmässige kleine Punkte, am
2. Tage glichen dieselben einem Knänel Garn oder einer milchig getrübten Kapsel,
sau 8. oder 4. Tage gingen vom Centrnm der Colonie zahlreiche Schimmelmy-
celien gleichende Fäden aus. Diese Phase ist sehr charakteristisch. Die Ver-
flüssigung der Gelatine begann nach 5—6 Tagen.
Strichculturen entwickelten sich zeitlich wie Plattencnlturen und zeigten am
2.-8. Tage genau das Anssehen einer Vogelfeder, Stichculturen gaben ein ähr-
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112
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
liches Bild in Gestalt baumartiger Verzweigungen senkrecht zur Stichrichtung,
welche am 3. Tage deutlich wurden. In basischen mineralischen Flüssigkeiten
fand keine Entwickelung statt, Milch wurde nach einigen Tagen ooagulirt
Von den mit Flüssigkeit aus den Körperhöhlen des Kadavers 43 Stunden
nach dem Tode angelegten Culturen entstand nur aus der Intraperitonealdüasigkeit
der von den Autoren als pathogen betrachtete Mikroorganismus.
Das Thierexperiment stützt die Annahme von C. und L. Mit den Culturen
geimpfte Kaninchen und Meerschweinchen erkrankten, zeigten stetige Gewichts-
abnahme, 8chläfrigkeit, Paresen der Hinterbeine und Fieberbewegungen. Im
Blute fand sich stets der oben beschriebene Bacillus. Anscheinend genesene
Kaninchen reagirten auf wiederholte Infection, einige Kaninchen schienen sich
jedoch an die von dem Krankheitserreger erzeugten Toxine zu gewöhnen. Die
eingegangenen Thiere (bei Druck der Publication erst eins, nach schriftlichen,
ergänzenden Mittheilungen vier von elf) zeigten keine Convulsionen vor dem
Tode. Die lange Dauer der Erkrankung und das Fehlen von Krämpfen vor dem
exitus sowohl bei dem Neger wie bei den Versuchskaninchen weicht von den
von dem Referenten beobachteten hallen ab.
Meerschweinchen, subcutan oder peritoneal inficirt, reagirten deutlich, aber
weniger stark als die Kaninchen unter gleichen Erscheinungen, erholten sich aber
meist rascher, eines von dreien starb am 87. Tage. Die Virulenz des Krankheits-
erregers wurde durch gleichzeitige Injection von Culturen des bac. coli bedeutend
verstärkt Von 4 Meerschweinchen starb schon eines unter Convulsionen nach
einem Gewichtsverlust von 80% am 4., das zweite ebenso am 22., das dritte
ohne Krämpfe am 41. Tage. Mit dem Herzblut angelegte Culturen ergaben den
beschriebenen Bacillus. Aus ihren Beobachtungen ziehen die Verf. den Schluss,
dass sie den specifischen, bisher noch nicht beschriebenen Krankheitserreger der
Schlafsucht der Neger gefunden haben. M.
JP ent,
Dr. Dleudonnä. Ueber die Resultate der Yersin'schen und Haffkine-
sehen Immunisirungs- und Heilungsversuche bei Pest. Münchner
Med. 'Wochenschrift Nr. 6, 1898.
Yersin wird vom Verf. betr. der Einführung der Serumbehandlung bei Pest
in den Vordergrund gestellt Yersin hatte durch abgetödtete Pestagarcultureu,
welche Kaninchen injicirt wurden, ein Kaninchenblutserum erhalten, welches
schon in der Dosis von 3 ccm andere Kaninchen gegen Impfung mit virulenten
Pestbacillen schützte, selbst noch 12 Stunden nach der Infection. Hiernach wurde
die Serumherstellung im Institut Pasteur an Pferden im Grossen betrieben, den
Pferden wurden lebende, frische Pestagarculturen in die Venen injicirt, in lang-
sam steigenden Dosen und in gewissen Pausen. Drei Wochen nach der letzten
Einspritzung wurde das Pferdeblutserum bereitet und zeigte bei Mäusen eine
deutliche, aber geringe Heilwirkung, dagegen eine hohe präventive Wirkung.
Yersin hatte bei Menschen in Canton und Amo 1896 gute Resultate, von 26
mit Serum behandelten (schwere Fälle) starben nur zwei, hingegen starben in
Indien von 141 Kranken 49 %• In Indien wurde jedoch nur schwaches Serum
angewandt Die russische Commiaaion gebrauchte Yersin’s Serum in Bombay und
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
113
hatte nur 40 */o Mortalität (sonst 80 %), die deutsche 50 % Mortalität Verfasser
führt aber aus, dass die günstige curative Serumwirkung nur eine scheinbare sei,
wegen seiner Anwendung bei nur frischen 1 — 2 Tage alten uncomplicirten Fällen,
welche nach dem Urtheli erfahrener Aerzte, vermuthlich auch ohne Serumbe-
handlung, die günstige Genesungsziffer gehabt hätten. Beim Thiere dagegen, wies
sowohl die deutsche, wie die russische Pestcommission (besonders wurden Affen
benutzt) nach, dass das Serum unzweifelhafte, curative Eigenschaften hat. Der
Mensch ist für sehr geringe Mengen des Infectdonsstoffes empfänglich, welcher
in seinem Körper sich stark vermehrt; um Heilerfolge bei ihm durch das Serum
zu erzielen, bedarf es grosser Quantitäten.
Die prophyiactische Wirkung des Serums hingegen ist von grosser practischer
Bedeutung. Von 500 im Peslherde lebenden und mit Serum geimpften Personen
erkrankten nur 5, von denen 2 starben. Die Krankheit brach aus am 12 tan bis
42ten Tage nach der Injection, was mit unseren Kenntnissen über die Schutz-
dauer einer Serumeinspritzung übereinstimmt. Auf bereits im Incubationsstadium
Stehende hat eine Dosis von 5—10 ccm, wie sie Verein an wendet, keine W'irkung
mehr, höchstens eine abschwächende. Simmond sah unter 400 mit Serum Ge-
impften keinen Pestfall. Die Frage, ob das Pestserum bactericid oder antitoxisch
wirkt, beantwortet Roux so, dass alle Pestserumarten nur antitoxisch wirken,
allein die Antitoxinwirkung sich verstärkt bei Darstellung des Serums durch Venen-
injection lebender Bacillen, schwächer ist bei Verwendung abgetödteter Culturen. Ein
Serum, hergestallt aus unverändertem Pestgift, ist am stärksten antitoxisch. Wäh-
rend durch Terein’s Impfungen eine sog. passive, d. h. für den Geimpften folgen-
lose kurzdauernde Immunität hergestellt wird, erzielt Haffkine die sog. active
Immunisirung durch di recte Injection abgetödteter Pestculturen , welche die im-
munisirenden Stoffe noch enthalten. Erwachsene erhalten 2% — 8 ccm, Kinder
1 ccm, wonach in der Regel Reactionserecheinungen folgen. Wenn möglich er-
folgt eine 2. Injection. Zuerst wurden damit 154 Gefangene geimpft, wovon nur
einer am 7. Tage darnach erkrankte und genas, von 177 nicht geimpften Gefan-
genen kamen vom 81. Januar bis 6. Februar 14 Erkrankungen vor, wovon 8 tüdt-
jich. Darnach zeigte es sich, dass von 11 862 an verschiedenen Pestherden Ge-
impften (zwischen 10/1. und 6/V. 1897) 12 erkrankten, dass in Damaon unter 6088
Ungeimpften 1482 Todesfälle vorkamen = 24,6°/«, unter 2297 Geimpften nur 36
= 1,6 %. Man muss aber an eine gewisse natürliche Immunität der Parsen
denken, abgesehen davon war darnach das Verhältniss zwischen den geimpften
und nichtgeimpften empfänglichen Hindus etwa dasselbe für die hohe Schutzwir-
kung der Haffkine’schen Impfung sprechende, vorhanden, wenn auch der Schutz
kein absoluter ist, da 20 Fälle genau bestimmt wurden, die trotz der Impfung
tödtlich verliefen. Allein diesen 20 Opfern, sagt Verfasser, stehen auf Seite der
Nichtgeimpften 1000 gegenüber. Zugleich war bemerkbar, dass unter den Ge-
impften leichte Erkrankungen mit sehr mildem Verlauf vorkamen. Das Haff-
kine’sche Serum eignet sich zum Schutz kleinerer Bevölkerungsgruppen und von
Aerzten und Krankenwärtern, die mit Pestkranken zu thun haben. Uebrigens
meint Verfasser, dass die schleunige Isolirung der Erkrankten und rationelle Des-
infectionsmaassregeln, wie bei Cholera (Vehikel, Trinkwasser, bei Pest der Boden
und Ratten. Ref.) zur Bekämpfung der Pest ausreichend wären und die Impfung
auf besondere Fälle, wie angeführt, zu beschränken sei. Dr. K. Däubler.
114
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Parasitäre und Haut -Krankheiten.
On certain new specles o( nematode haematozoa occurring in America. By P&trii
Kanson. (British Medical Journal December 25. 1897. p. 1837.)
M. hat schon früher neben der Maria sanguinis von Lewi, die er fiiaria
nocturna nennt, zwei andere Filariaarten bei Negern nachgewiesen, fiiaria diurai
und perstans. Dann hat er in westindischem Blute eine neue Art nachgewiesen,
die er fiiaria Demarquayi nennt. Kürzlich entdeckte er bei Indianern in Guajana
wieder eine neue Form.
Wir kennen nunmehr beim Menschen wenigstens sechs Blutfilarien.
Victor Lehmann.
Xacland. Note sur une affection designce dans la boucle du Niger
et le pays de Kong sous les noms de Goundou et Anakre (grosnez)
Arch. de medec. navale et coloniale 1895, I, p. 25.
Cette affection parait propre aux Agnis de la grande foret de Komoe, sur la
cöte d’Ivoire; eile se caracterise par l'apparition d'une double tumeÄ ovoide,
siegeant de chaque cote du nez. Cette tumeur debute »ans cause connue.
dans l’enfance ou l’adolescence, independamment du traumatisme et de toute
infection tuberculeuse, lepreuse on syphilitique. Dans les premiera temps eile
s’accompagne de cephalalgie, avec ecoulement de sang et de pus par les narines:
plus tard ces symptömes disparaissent. Les tumeurs, symetriques, croissent
lentement; dies sont dures, de consistance osseuse, recouvertes d'une peau saine:
il n'y a pas d'uleeration. de generalisation ni de tumefaction des gangleons lym-
phatiques. Chez l’adulte le volume peut atteindre les dimensions d un oeuf.
d'une orange ou meme du poing; il en resulto une compression des globes ocu-
laires, qui s’atrophient; il se produit une cecite progressive. Letat general
n’est pas altere.
L'auteur n'a pas pu examiner anatomiquement ces tumeurs ; il emet l’hypo-
these qu’il s'agit de leSicns parasitaires, produites par des larves de dipteres.
C. Firket (Liege).
Strube. Ueber das endemische Vorkommen von Parasiteneiern und
-larven im Harn der Bewohner von Natal und Transvaal. (Aus der
II. medic. Universitätsklinik in Berlin).
Die Untersuchten waren Bewohner Südostafrikas, zum Theil Eingeborene,
den im Norden von Transvaal ansässigen Negerstämmen der Basuto, Maquamha
und Bawenda angehörig, theils Eingewanderte, Indier, welche von Madras in
Ostindien vor kürzerer oder längerer Zeit nach Natal gewandert und dort an-
sässig geworden waren. Es fanden sich 3 Formen parasitärer Gebilde im
Harn. I. die Eier der Bilharzia haematobia. H. Larven der Fiiaria sanguinis
hominis — keine Lymphstauungen, keine Chylurie, negativer Blutbefund auch
bei um Mitternacht vorgenommenen Untersuchungen. III. Eine bisher nicht in
classificirende Form von Parasiteneiern: ovaie bis rundliche Gebilde, 0,06 — 0,07mm
lang, 0,04 mm breit, mit schmaler doppeltcontourirter Schale von glatter Ober-
fläche und völlig ausgefüllt von einem grobkörnigen, grünlichen Inhalt Die Eier
befanden sich alle in dem gleichen Entwicklungsstadium; Versuche, durch Ver-
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II. Besprechungen und Littera tu rangaben.
116
änderungen der Temperatur oder Uebertragen des Ham, Sediments in Wasser ver-
schiedener Temperatur eine Weiterentwickelung anzuregen, führten zu keinem Er-
gebnis. Rieh. Pfeiffer, Cassel.
Dr. Reinhold Roge, Marine -Stabsarzt Ein Beitrag zum Krankheitsbilde
des Eczema tropicum. fBerl. Klin. Wochenschrift 1897, Nr. 39).
Während der Blokade der ostafrikanischen Küste beobachtete der Verfasser
auf dem Aviso „ Pfeil “ von Januar bis Marz 1889 achtzehn Fälle eines pustu-
lösen Eczems, welches von den Achselhöhlen, dem Gürtel und der Inguinocrural-
gegend ausging und unter Neigung zur Geschwürsbildung sich über die Nach-
barschaft verbreitete. Dieselbe Erkrankung ist von Tribondeau in den Annales de
medecine navale et coloniale, 1897, Heft 2 beschrieben und als eine besondere Art
des Eczema tropicum aufgefasst worden. R. führt die Entstehung dieser Hautaff ec-
tion, welche auch von anderer Seite als eine besondere Form des Lichen tropi-
cus angesehen wird, zurück auf die hohen Lufttemperaturen, Mangel an reinigen-
den Waschungen mit Süsswasser und Seife, fortgesetzte Seewasserwaschungen
und Tragen von Unterkleidern, welche mit Seewasser gewaschen und deswegen
salzhaltig waren. Referent bemerkt hierzu, dass ähnliche Eruptionen auch im
gemässigten Klima beobachtet werden und mit dem liehen tropicus seines Er-
achtens nichts zu thun haben. Bei Behandlung von Eczemen des perineums,
der rima ani, des scrotum und der Schenkelbeuge kann man sehr häufig dort,
■wo die Hautflächen sich berühren und dann auch in der Nachbarschaft die Ent-
stehung linsengrosser Pusteln beobachten, welche sich vom Eczem durch die in-
filtrirte Umgebung unterscheiden und Acnepusteln gleichen, denn es sind offen-
bar vereiternde Talgdrüsen. An jenen Körperstellen treffen dann die. begünstigenden
Umstände zusammen, welche Rüge mit Recht für die Entstehung verantwortlich
macht: hohe Temperatur, mangelnde Reinigung, theilweise in Folge der Salben-
behandlung, Berührung mit salzhaltigen Flüssigkeiten, nämlich Schweiss und Urin.
Bei Behandlung von Scrotaleczemen der Neger am Congo hat Referent ebenfalls
diese Eiterpusteln entstehen sehen, nie aber in der Achselhöhle, weil dort die
günstigen Momente fehlen. Durch Borwasserkompressen ist das Leiden leicht
zu heben. M.
Thieriache und pflanzliche Gifte.
Dr. A. C&lmette, Le venin des serpents, Physiologie de l'evenimation.
Traitement des morsures venimeuses par le serum des animauz
vaccines. Paris 1896.
Verf. fasst im vorliegenden Werkchen seine Untersuchungen über das
Schlangengift zusammen. Eingehend bespricht er die geographische Verbreitung
der verschiedenen Giftschlangen, sowie den anatomischen Bau der Giftdrüsen und
Zähne, die Menge des abgesonderten Giftes und seine zu verschiedenen Zeiten
verschieden starke Wirkung, die nach längerem Fasten des Thieres viel orheb-
licher ist.
Es werden dann die Erscheinungen der Vergiftung besprochen. Das Gift
afßcirt das Centralnervensystem, besondere den vierten Ventrikel und das ver-
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116
III. Sonstige Werke.
längerte Mark. Es diffundirt im Körper sehr rasch, und daher ist eine Local*
behandlung des Schlangenbisses meist nntzlos.
Intravenöse Einführnng des Giftes wirkt am schnellsten, langsamer die
subcutane und intraperitoneale. Auf den Schleimhäuten bewirkt es starke Ent*
Zündung und Eiterung. Durch 10 Minuten langes Erhitzen auf 80* C. kann die
phlogogene Eigenschaft beseitigt werden, ohne dass die toxische schwindet.
Durch Erhitzen kann die toxische Wirkung abgeschwächt werden. Aul-
gehoben wird dieselbe durch Mischung des Giftes mit nicht zu verdünnter Kali-
oder Natronlösung, mit Chlorwasser, Bromwasser, übermangansaurem Kali, unter*
chlorigsauren und unterbromigsauren Alkalien, Chlorkalk, Chlorgold. Die Chlor-
derivate wirken auch, wenn sie einige Zeit nach dem Gifte in den Körper gebracht
werden, noch giftzerstörend.
Die giftige Substanz ist kein Eiweisskörper, sondern muss ferment-
artig sein.
Das Blut der Schlangen, Salamander, Kröten und Aale ist giftig — das
Gift scheint sich aber von dem der Giftdrüsen zu unterscheiden.
Gewisse Thiere, wie das Schwein und der Ichneumon sind bis zu gewissem
Grade gegen das Schlangengift immun. Ob die indischen Schlangenbeschwörer
sich künstlich immunisiren, ist noch zweifelhaft An der Küste von Mozambique
und bei gewissen mexicanischen Indianern besteht dagegen eine Impfung gegen
Schlangengift ebenso im französischen Jura.
Die sicherste Methode, Thiere gegen das Gift zu immunisiren, besteht darin,
immer grössere Giftmengen, die mit immer geringeren Chlorkalkmengen gemischt
sind, zu injiciren. Das Serum solcher immunisirten Thiere besitzt, wie Verf.
gezeigt hat prophylaktische und auch heilende Wirkung, wenn es etwa innerhalb
der nächsten 2 Stunden nach dem Bisse angewandt wird. Das Serum wirkt
übrigens auch gegen Scorpionbisse.
Verf. giebt noch genaue Anweisung, wie Schlangenbisse am besten zu
behandeln sind, und fordert, um Serum gewinnen zu können, zur Einsendung
von Schlangengift an das Institut Pasteur zu Lille auf. Victor Lehmann.
in. Sonstige Werke.
Malattie predominanti nei paesi caldi et temperati, von Dr. Filippo Rho, Turin
1897. Rosenberg & Sellier.
„Seinen Collegen von der königlichen Marino“ hat der schriftstellerisch auch
in Deutschland bestens bekannte Verfasser das 779 Seiten umfassende mit zahl-
reichen Abbildungen ausgestattete Werk gewidmet. Das Buch ist hauptsächlich
auf die Bedürfnisse des italienischen Colonial- und Schiifsarztes zugeschnitten,
dessen langgestrecktes Heimathland im Norden das Klima Mitteleuropas hat, im
Süden dagegen den nordafrikanischen Küstenländern ähnliche klimatische Ver-
hältnisse aufweist. Dasselbe behandelt die Krankheiten, welche das tropische
Klima mit dem gemässigten gemein hat, oder welche von der warmen zur ge-
mäss igsten Zone wandern oder leicht verschleppt werden. Da diese pathologische
Gruppe schwer festzustellende und leicht wechselnde Grenzen hat, so musste der
Autor den Rahmen seines Werkes etwas willkürlich fassen und die einzelnen
III. Sonstige Werke.
117
Kapitel verschieden eingehend behandeln, um nicht aus dem Buche eine Patho-
logie und Therapie fast aller Krankheiten werden zu lassen. Deswegen um-
fassen die ereten 8 Capitel (von 25), welche Dengue, Gelbfieber, Pest, Cholera,
Beri-Beri, Dysenterie, Hepatitis und Malaria besprechen, mehr als die Hälfte des
Werkes.
Beim Dengue-Fieber erörtert Rho eingehend auch die Differential- Diagnose
von D. und Influenza, beim Gelbfieber lassen die prophylactischen Vorschläge
den erfahrenen Marinearzt erkennen. Sanarelli's Beobachtungen konnten dem
Verfasser noch nicht bekannt sein, stimmen jedoch gut zu den von demselben
entwickelten Anschauungen. Einen Anhang zum Gelbfieber bildet das sogen,
biliöse inflammatorische Fieber, welches besonders französische und belgische
Autoren bald als selbstständige Krankheit, bald als milde Form des gelben Fiebers
auffassen. Rho ist anderer Ansicht und hält diese in Deutschland kaum als besondere
Affectionen gewürdigten Krankheiten theils für Typhoide, theils für Fieber, welche
durch Autointoxication vom Darm aus entstehen (vergl. auch das Referat über
Poskins Werk, Heft I, 1898, dieser Zeitschr.). In dem die Beulenpest behan-
delnden dritten Capitel ist bereits der Verdienste und Entdeckungen Yersin’s
gedacht.
Besonders ausführlich ist die Cholera besprochen, wobei sich Rho auf den
zwischen Localisten und Contagionisten vermittelnden Standpunkt Hüppe ’s stellt
und auch die Pathologie und Therapie erschöpfend darlegt. Die Vorschriften der
Sanitätsconferenz zu Venedig, nach welchen der Schiffsarzt sich zu richten hat,
sind wiedergegeben.
Bei Durchsicht des Capitel V, Beri-Beri, wird man mit Befremden lesen,
dass diese Krankheit auch in Irland, Flandern, Preussen und Schlesien die ärmere
Bevölkerung nach Praeger heimsuchen soll! Was die Aetiologie angeht, so
kommt Rho nach Darlegung der verschiedenen Ansichten und Beobachtungen zu
dem Schlüsse, dass die bacteriologischen Forschungen am meisten Aussicht auf
Erfolg haben, welche auf Protozoen, ähnlich denen der Malaria fahnden. (Vergl.
die Arbeit Glogner’s, Heft 1 u. 2, 1897, des Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene).
Der Reisnahrung legt Rho keine ätiologische Bedeutung bei. Mit Baelz und
Scheube, deren Anschauungen häufig angeführt werden, betrachtet Rho die
Beri-Beri als eine Polyneuritis, bedingt durch einen organisirten unbekannten
Infectionsstoff, welcher sich an gewissen günstigen Oertlichkeiten entwickelt. Die
Dysenterie bezeichnet der Verfasser als eine specifische Enterocolitis, welche
sporadisch, endemisch und epidemisch in acuter, subacuter und chronischer Form
vorkommt Tropische Wärme begünstigt ihr Entstehen, jedoch fehlt dieselbe
auch in den Tropen an manchen Orten, zum Beispiel in Singapore und Fort de
France auf Martinique. An anderen Oertlichkeiten haftet die Krankheit mit Vor-
liebe selbst in der gemässigten Zone, wie z. B. in Metz. Die Dysenterie wandert
leichter als die Malaria, wie die Verschleppung durch Truppen beweist, auch ist
dieselbe nicht so gleichmässig in der von ihr heimgesuchten Gegend verbreitet,
wie die Malaria, sondern bildet Nester. Der Träger des spezifischen Ruhrgiftes
sind die Entleerungen, der Kranken und durch diese das Wasser. Es werden
jedoch Erkrankungen an Orten beobachtet, wo, wie z. B. in Massauah, die Truppen
destiliirtes Wasser trinken. Auch Schiffsepidemien, welche nach Desinfection des
Bilschwassers bei Fortgebrauch desselben Trinkwassers verschwanden, sprechen
dafür, dass auch durch die Luft die Krankheitserreger verschleppt werden können.
Archiv 1. Schiffe* u TroptuhygieLe. 11. 9
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118
III. Sonstige Werke.
Betreffs der Bacteriologie der Ruhr kommt Rho zu keiner bestimmten
Stellungnahme in dieser schwierigen Frage, führt jedoch eingehend die verschie-
denen Anschauungen auf und zieht den Schluss: Jedenfalls ist anzunehmen, dass
in irgend einer Weise das bacterium coli commune, sei es allein in besonderer
Virulenz, sei es in Verbindung mit anderen Microorganismen, besonders Strepto-
coccen, welche demselben die specifische Wirkung verleihen, das primäre patho-
genetische Element darstellt. Die verschiedenen Formen der D. werden dann
durch die grössere oder geringere Betheiligung der verschiedenen mitwirkenden
Mikroorganismen bedingt. Von letzteren ist am bedeutendsten die Amoeba coli,
welche auch im Darme der Gesunden zu finden ist Bei einer gewissen Chro-
nicität der Krankheit, besonders beim Auftreten von Darmgeschwüren, vermehrt
sich dieselbe stark, verliert den Charakter des unbeteiligten Zuschauers und
greift auf die submucosa u. s. w. über. Mit dieser Auffassung lassen sich die
verschieden experimentellen und pathologischen Anschauungen und Beobachtungen
vereinen, dieselbe gestattet die Annahme .einer bacteriellen und amöbo-bac-
teriellen, trotzdem aber giebt Rho zu, dass die Frage der Einheit oder. Dupli-
. cität der Ruhr sub judice bleibt. Die pathologische Anatomie und der klinische
Verlauf der Dysenterie wird vortrefflich geschildert Von den Nachkrankheiten
\ der tropischen Ruhr sei besonders der sekundären Lähmungen gedacht, welche
Rho mit Pugibet als Folgen einer kapillaren Thrombose in den nervösen Cen-
tren ansieht.
Die Behandlung erzielt bessere Erfolge durch entleerende als durch stopfende
Mittel. Auch die mit Recht beliebte Radix Ipecacuanhae ist kein Specifikum.
sondern steigert die Peristaltik, vermindert dadurch die Oedeme und Blutungen
der Schleimhaut und giebt den Stühlen rasch den natürlichen Kothcharakter wie-
der. Wegen der unangenehmen Nebenwirkungen hat man Kalomel, sali rusch»
Abführmittel, besonders Magnesia sulfurica in gesättigter Lösung (Dosen von
4 Gramm 1 — 2 stündlich) versetzt mit einigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure,
Ol. Ricini und andere Abführmittel an Stelle der Ipecacuanhae mit Erfolg *nge-
gewandt. Die örtliche Behandlung des Darmes mittelst adstringirender und anti-
septischer Ausspülungen, sowie die Diät ist von grösster Bedeutung.
Die Hepatitis suppurativa, welcher Kapitel VE gilt, wird besonders durch
die chronische Dysenterie hervorgerufen. Unter den diagnostischen Merkmalen
verdient das wenig beachtete Vorkommen von Urobilin, oft auch Bilirubin im
Harn hervorgehoben zu werden.
Der Malaria ist der 8. Abschnitt von 172 Seiten gewidmet Derselbe ist
auch als Monographie erschienen. Für sein Vaterland muss der Verfasser den
traurigen Vorrang beanspruchen, das am meisten von der Maleria heimgesuchte
Land Europas zu sein. Die Verhältnisse am Congo, wo nach Rho das Fieber
weniger bösartig auftreten soll als an der Guinea-Küste, und am Cap der guten
Hoffnung, welches ganz immun sein soll, beurtheilt der Verfasser zu günstig.
Die verschiedenen Arten und Formen der Malariaparasiten, sowie die Ansichten
und Studien der einzelnen Autoren sind erschöpfend behandelt. Besonders auf
Impfversuche verschiedener italienischer Forscher in den römischen Kliniken ce-
stützt kommt Rho dann zu dem Schlüsse, dass es drei verschiedene Arten von
Malariaparasiten giebt, deren Jugendformen sich ähnlich sind, ohne ineinander
überzugehen. Jede Art ruft eine bestimmte Fieberform hervor, es giebt jedoch
Mischformen, wo ein Individuum die verschiedenen Species des Fiebere rregvrs
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III. Sonstige Werlte.
119
beherbergt. Es würde zu weit führen, die vortrefflichen baeteriologischen Aus-
einandersetzungen auch nur kurz wiederzugeben, dieselben entsprechen den auf
ein reiches täglich zugängliches Material gestützten Beobachtungen der italienischen
Schule und verdienen im Originale studirt zu werden.
Bei Besprechung der einzelnen Malaria-Formen geht Rho auch die für die
Tropen so überaus wichtige Frage des hämoglubinurischen Fiebers, seiner Ursache
und Behandlung ein und betont A. Plehn gegenüber in einer Anmerkung den
Unterschied zwischen spontanem hämoglobinurischen Malariafieber und der Hämo-
globinurie durch Chininintoxikation, welche auf chronischer Malariainfection und
einer durch dieselbe gesteigerten oft erblichen Idiosynkrasie gegen das Medika-
ment beruht. Nach Tomasolli hebt diese Idiosynkrasie den therapeutischen Worth
des Chinins nicht auf. Ais Antidot gegen die toxische Chininwirkung erprobte
Tomasolli das Opium in Verbindung mit Ergotin in folgender Form : Chinin,
sulfur. 0.75, Ergotin Bonjean 0.30, Opii 0.05, m. f. pulv. xliv. in part. aequal.
No. IH, in Zwischenräumen von einer Stunde zu nehmen. Im Gegensatz zu
A. Plehn fanden die italienischen Pathalogen bei diesen Fiobern nur die gewöhn-
lichen Parasiten der schweren Malaria.
Der Leichenbefund bei den einzelnen Formen und Complicationen der Ma-
laria ist so gründlich dargelegt, dass ein Auszug im Referat unmöglich erscheint.
Die wichtigen Erörterungen der Therapie lassen sich dahin zusammenfassen, dass
manche Malariafonnen spontan heilen, nur deswegen konnten die meisten ,, Er-
satzmittel“ des Chinins, welches das Specifikum bleibt, anscheinend Erfolge er-
zielen. Milde Einwirkung spricht Rho z. B. dem Phenocoll nicht ab, welches
auf die Hämatozoen der tertiana und ijuartana wirkt. Arsenik hat eine gewisse
Bedeutung bei chronischen Formen und in der Nachkur ebenso Eisen. Das Ka-
pitel ,, Malaria“ schliesst mit einem Anhang von durch Kurven veranschaulichten
Krankengeschichten. Wenn dor Verfasser diesen Theil als besondere Arbeit er-
scheinen liess, so konnte er dieselbe mit Recht betiteln: Malaria secondo i piu
recenti studi.
Fortsetzung folgt. M.
Stromer von Reichenbach, Dr. Ernst, Freiherr. Die Geologie der deut-
schen Schutzgebiete in Afrika. (München und Leipzig, 1896. Verlag
von R. Oldenburg).
Der Verf. hat sich nach dem Vorwort zur Aufgabe gestellt, das über die
geologische Beschaffenheit der deutschen Schutzgebiete in Afrika vorhandene
Material zu sammeln, in übersichtlicher Form zusammenzustellen und soweit an-
gängig kritisch zu beleuchten. War dies bei der Fülle des schon vorhandenen,
aber sehr zerstreuten Materials kein leichtes Vorhaben, so wurde dasselbe be-
sonders noch dadurch erschwert, dass einerseits die meisten Angaben, da sie von
überwiegend nicht geologisch gebildeten Forschungsreisenden herrühren, unzu-
verlässig und ungenau sind, andererseits bisher fast nirgends systematische Unter-
suchungen vorgenommen worden sind. Hierzu kommt noch, dass über weite
Gebiete überhaupt Mittheilungen fehlen, über andere viele, aber oft unklare und
sich widersprechende Angaben vorliegen. Trotz alledem ist es dem Verf. gelungen,
von dem geologischen Aufbau und der Entstehung der drei grösseren Schutz-
9*
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120
III. Sonstige Werke.
gebiete im grossen Rahmen ein gutes Bild zu geben, wenngleich auch manche
Schlüsse recht gewagt erscheinen. Zur leichteren Orientirung sind 3 Karten und
mehrere Profile beigegeben. Auf den ersteren konnten natürlich bei dem jetzigen
Stande unserer Kenntnisse nur an wenigen Punkten die Grenzen der Formationen
genau angegeben werden, sie sollen auch nur, nach der Abeicht des Verl, ein
etwas schematisches Bild von der Verbreitung der Formationen geben.
Nach einer Einleitung, in der der Bildung und Ablagerung des Laterits
eine etwas längere Besprechung gewidmet ist, werden die einzelnen Schutzgebiete
mit Ausnahme von Togo, über dessen geologischen Aufbau bis jetzt erst wenig
bekannt ist, eingehend behandelt.
Die geologischen Verhältnisse der einzelnen Schutzgebiete weisen eine
grosse Aehnlichkeit auf, die dadurch zu erklären ist, dass sie alle zu dem Theil
des Continents gehören, den Suefs mit Recht als ein Ganzes bezeiebnete und
einen Theil des „gebrochenen indischen Festlandes, des Gondwana-Landes" nannte,
und den eine grosse Einfachheit des Aufbaues auf weite Entfernungen hin aus-
zeichnet. Ausserdem liegen die Colonien bis auf Südwestafrika ganz unter den
Tropen, so dass auch die Eroeions- und Verwitterungsthätigkeit überall in der
Hauptsache die gleiche ist.
Ehe auf eine kurze Besprechung des geologischen Aufbaues der einzelnen
Schutzgebiete eingegangen wird, dürfte voraoszuschicken sein, dass, weil nach
dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse eine Trennung der einzelnen ältesten
Formationen, wie Archaicum, Cambrium und Silur noch nicht möglich ist, alle
diese unter dem Namen „Primärformation“ von dem Verfassser zusammengefasst
worden sind.
Der weitaus grösste Theil Deutsch-Afrikas besteht aus den Gesteinen der
Primärformation, und zwar scheint das Innere Deutsch - Ostafrikas aus Granit
au bestehen, den Gneise und krystallinische 8chiefer (Glimmer- und Hornblende-
schiefer, Phyllite, Quarzite) umschliessen. Im Westen, am Tanganyika-See, und
im Nordwesten, im Zwischengebiet, kommen dann aber auch Schichten, vornehm-
lich Sandsteine and Thonschiefer vor, die wohl als altpaläozoisch anzusehen sind.
Durchbrochen sind die Schichten der Primärformation, besondere in den Hoch-
ländern des Innern, durch junge Eruptivgesteine, wie Basalte und Trachyte , alte
Eruptivgesteine, wie Porphyre, Pegmatite und Syenite finden sich vielfach am
Tanganyika- und Nyassa-See. Im Küstengebiet lagern discordant über den
kristallinischer, Schiefern in meist schwach nach Osten geneigter Lage Sandsteine,
Mergel und Kalk, die meist für karbonisch gehalten werden, und vor und über
diesen befinden sich im Norden ähnliche Sedimentgesteine in derselben schwach
geneigten Lage, welche zahlreiche Marinfossilien enthalten, auf Grund deren de
zum oberen Jura zu rechnen sind. Ganz nahe an der Küste befinden sich noch
weitere Sedimentgesteine, die wahrscheinlich zur Kreide and zum Tertiär gehören,
und die Küste selbst besteht meist aus jungen, zum Theil sicher reoenten Ko-
rallenkalken. Im Innern des Landes treten an Seen und in Niederungen and»
Kalke und Mergel auf, die aber wohl alle lakustren Ursprungs und von sehr
geringem Alter sind. Jüngere marine Schichten sind daselbst aber nirgends ge-
funden worden.
Nutzbare Mineralien sind in diesem Schutzgebiete bis jetzt wenig bekannt
geworden. In den Küstengebieten speciell in Usaramo und bei Saadani wird Äs
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IH. Sonstige Werke.
121
subfoesiles Harz — Kopal — gewonnen; Kohlen sind am Nordwestrande des
Nyassasees gefunden worden. In TTrundi und Ruanda sind grössere Graphitlager
entdeckt worden, aber diese kommen bei der grossen Entfernung von der Küste
jetzt für einen Abbau noch nicht in Betracht. In den Zersetzungsprodukteu der
krystallinischen Gesteine sind Eisenerze zwar häufig, doch sind bis jetzt grössere
Eisenerzlager noch nicht aufgefunden worden. Kochsalz und kohlensaures Natron
ist nicht selten, besonders in den Massai-Ländern.
Das Vorkommen heisser Quellen ist in verschiedenen Gegenden Deutsch-
Ostafrikas festgestellt worden.
Das Auffallendste, was Deutsch-Ostafrika in Bezug auf seinen geologischen
Aufbau bietet, sind die gewaltigen, meist von schroffen Abfällen begrenzten De-
pressionen, die sogenannten Gräben. Ueber ihre Entstehung hat Suefs nach-
stehende, durch die neuerlichen Forschungen des Geologen Gregory bestätigte
Theorie aufgestellt: „In Folge einer in diesen Gebieten herrschenden Spannung
in der Erdkruste fand eine Auslösung derselben dadurch statt, dass sich eine
ungeheure Spalte bildete, welche dadurch nicht so einfach erscheint, dass die
Trümmer der angrenzenden Gesteine in verschiedener Höhe eingeklemmt wurden,
und dass in den Zwischenraum aus der Tiefe dringendes Material die Ausfüllung
und oft auch hohe Vulkanberge bildete.“
Die Hauptspalte, der sogenannte ostafrikanische Graben, ist die, welche
sich vom Schire- und Nyassa-See durch ganz Ostafrika in meridionaler Richtung
fortsetzt und deren Verlängerung Suess in dem Rothen Meere und der Jordan-
Senkung sieht. Parallel zu dieser Spalte tritt eine zweite auf, welche durch das
obere Panganithal bezeichnet ist. Im Süden von Deutsch-Ostafrika weist das
tiefe langgestreckte Becken des Rikwa-8ees gleichfalls auf einen Einbruch hin.
Ein weiterer gewaltiger Graben ist der sogenannte centralafrikanische, der durch
eine Reihe grosser Seen bezeichnet ist, wie den Tanganyika-, Kiro-, Albert-
Edward- und Albert-8ee. Ausserdem sind noch einige kleinere Gräben bekannt.
Die Hauptrichtung der Gräben und Piateauränder, sowie die der Gebirge
und des Streichens der Gobirgsschichten ist eine ungefähr meridionale.
Die in Deutsch-Süd westafrika herrschenden Formationen gliedert der Ver-
fasser in drei Theile: 1. die Primärformation; 2. die Tafelbergformation —
Schichten des Devons oder der Permotrias (Kap- oder Karoo-Formation) — ;
S. die Kalahari-Formation mit Diluvial- und Alluvial-Schichten. Da Versteine-
rungen fast nirgends gefunden sind, so konnten nur aus der Lageruug und aus
der Analogie mit den Verhältnissen im benachbarten Kapland auf das Alter der
Formationen Schlüsse gezogen werden.
Die Gesteine der Primärformatirn bilden den Grundstock des lindes; die
Küstengebirge und fast ganz Herero-Land bestehen aus ihnen und sie treten
auch als Basis der Tafelgebirge und in tieferen Thälera der Kalahari zu Tage.
Die Tafeigebirge sind besonders in Nama-Land und im nördlichen Herero-Land
entwickelt, sie scheinen in ersterem allmälig unter den Ablagerungen der
Kalahari zu verschwinden, welche sich im Osten und besonders im Norden dieser
Colonie ausdehnt
Die Schichten der Primärformation scheinen steil aufgerichtet und in
Falten gelegt zu sein, über deren Richtung noch wenig bekannt ist die aber im
Ganzen ungefähr der Küste parallel streichen dürften. Das Hauptgestein dieser
alten Schichten ist Gneis, in welchem aber, besonders im nördlichen Herero- und
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122
III. Sonstige Werke.
Kaoko-Land, grosse Granitmassen Vorkommen. Vielfach treten in diesem Gneis
auch krystallinische Kalke auf, so am unteren Oranje und besonders im west-
lichen Herero-Land. Neben diesen Gesteinen, deren Alter wohl als archäisch
anzunehmen ist, kommen auch solche vor, welche zwar in engem Zusammenhang
mit den Gneisen stehen, aber sicher jünger und zum Theil nicht mehr archäisch
sind. So dürften die grünen Schiefer am unteren Oranje und besonders viele
Schichten des südlichen Herero -Landes, wo Amphibolit mit gelbem Sandstein,
Quarzit, Augitschiefer und Kalkstein wechsellagert und wo neben dünnfaserigen
Gneisen vielfach Glimmer-, Chlorit- und Grünschiefer, sogar auch phyllitarrige
Thonschiefer auftreten, von den Gneisen abzutTennen und dem Kambrium und
Silur zuzurechnen sein.
Von vulkanischen Gesteinen verschiedenen Alters sind die Schichten der
Primärformation vielfach durchbrochen worden. Während Porphyr und Dialia,
im Innern des Landes überwiegt, tritt Basalt vorwiegend in der Küstengegend
auf. —
Deber den Schichten der Primärformation lagern im Innern von Xama-
Land und im nördlichen Horero-Iänd auf weiten Erstreckungen discordant die
Gesteine der Tafelberge. Vorwiegend bestehen diose Gesteine aus Sandstein, der
von blauem dolomitischen Kalk, der eine Art Leitgestein der Kap-Formation ist,
überlagert wird. Im Hanami-Plateau liegt unter dem Sandstein noch ooncordant
gelagert grünlicher oder rüthlicher Thonschiefer, und im Kaoko-Land bilden die
Docke mancher Tafelberge vulkanische Gesteine, wie Porphyr und Melaphyr.
Das Hauptgestein und beinahe das einzige Gestein der Kalaliari-Formation
ist der Kalahari-Kalk. Derselbe ist an einigen Stellen, wie am Sambesi, durch
junges Eruptivgestein, das als Trapp bezeichnet ist, metamorpbosirt worden.
Nutzbare Mineralien, wie Kupfer-, Blei- und Eisenerze sind vielfach in
der Colonie gefunden worden, doch ist theils deren Medge nicht beträchtlich
genug, um einen Abbau lohnend zu machen, theils sind die Verhältnisse für einen
Abbau noch zu schwierige. Guano, in vielfach mächtigen Lagern, kommt auf
den kleineren Inseln an der Küste und am Cap Cross vor.
Schliesslich dürfte noch zu erwähnen sein, dass Deutsch -Südwestafrika
reich an heissen Quellen ist, besonders im Herero- Land, wo auch durch die
Thermenlinie Rehoboth-Bannen eine Hauptverwerfung gut gekennzeichnet ist.
Auch in dem Schutzgebiete Kamerun unterscheidet der Verfasser 3 Haupt-
perioden :
1. die Primarformation ;
2. die Formation des Benue- Sandsteines und der Sedimentgesteine des
Küstengebietes und
3. die der jungen Eruptivgesteine und Ailuvien.
Das Gebiet der Colonie mit Ausnahme der lyüste, des hinter derselben
liegenden Vorlandes, des Benuegebietes, des Tsad-Sehari-Beckens und der Sanga-
Niederung besteht aus den Gesteinen der Primärformation. Die weitaas vor-
herrschenden Gesteine, die Gneise und Lagergranite, gehören dem Archaicum an,
zu welchem auch die Glimmerschiefer, Amphibolite, Grünschiefer und Phylüte.
welche in Adamaua vielfach auftreten, zu rechnen sind, während wohl die un
Innern vereinzelt angetroffenen Thonschiefer und Kalke jüngeren Formationen
angehören dürften. Durchbrochen werden diese Schichten der Primärionnatson
in Adamaua von zahlreichen Eruptivgesteinen, theils von Graniten, theils von
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111. Sonstige Werke.
123
Quarzporpbyren, an weiche sich untergeordnet Syenit, Porphyrit, Kersantit und
Diabas anschliessen.
In dem Benuegebiete und im nördlichen Küstenvorlande werden die Ge-
steine der Primärformation von Sedimentgesteinen überlagert.
Der grösste Theil des Benuegebietes wird von Sandstein eingenommen, der
in meist ungestörter Lagerung den Benuc entlang bis zur Muo-Kebbi-Mündung
auftritt. Tn diesem „Benue-Sandstein“ sind Fossilien bisher nicht gefunden
worden; er ist bald roth, bald grau; auch sein Korn wechselt und er bildet nicht
nur niedrige Hügel im Thal, sondern auch höhere Bergzüge und Plateaus.
Aehnlicher Sandstein zusammen mit Mergel und Thonschiefer tritt im Norden
des Benuöthales in der Mulde von Ssarauiöl, ferner bei Bafut am Nordrande des
8üd-Adamaua-Plateaus und westlich und nordwestlich der Madara-Berge auf.
Die im Küstenvorlande, nördlich und westlich des Kamerun-Berges, auf-
tretenden Sedimentgesteine dürften wohl bedeutend jünger als die vorher er-
wähnten Sandsteine sein. Diese Sedimentgesteine sind horizontal geschichtete
Sandsteine, schwarze dünn- und dickplattige Thonschiefer mit Concretionen und
graue Kalksandsteine. In den Kalksandsteinen und den Concretionen der Thon-
schiefer kommen Fossilien vor, die auf untere marine Kreide hiuweisen. Da
diese Sedimentgesteine weder in Kamerun noch sonst in Westafrika weiter im
Innern gefunden worden sind und nirgends in stark gestörter Lagerung Vor-
kommen, so darf mit Sicherheit angenommen werden, dass das Kreidemeer nur
das niedere Vorland des Continont-s überfluthete, und dass hier seit der Kreide-
zeit stärkere Faltungen nicht stattfanden. Noch jünger als diese Kreideschichten
hält der Verfasser die in diesem Schutzgebiete auftretenden Basalte, Andesite
und Trachyte, ohne dafür aber einen Beweis zu erbringen. Da diese jungen
Eruptivgesteine nirgends im Süden der Colonie gefunden sind, sondern erst nörd-
lich der Kamerunflussmündung und im Innern gegen den Nordrand des Plateaus
zu, bei Baliburg, bei Banyo und Ngaundere, so darf man wohl annehmen, dass
dieselben hauptsächlich tectonischen Vorgängen ihre Entstehung verdanken, wahr-
scheinlich dem Zusammenbruche des grossen Gondwana-Festlandes, der in der
Zeit des oberen Jura und der unteren Kreide erfolgte.
An der Küste, am Sanga und Ngoko im Südosten und im Tsad-Schari-
Becken im Nordosten der Colonie herrschen Alluvien. Das Alluvialgebiet am
Sanga steht mit dem am mittleren Congo in unmittelbarem Zusammenhang und
dürften seine Ablagerungen aus dem See (lac du haut Congo) herrühren, der
nach Cornet von der Lomani- Mündung bis Bolobo und von den Leopold- und
Mantuinba-Seen bis zum oberen Sanga reichte und bis auf die oben genannten
Seen in postpliocäner Zeit entwässerte. Ueber das Alter der Alluvien am Tsad-See
lässt sich nichts sagen, da die dortigen Verhältnisse noch nicht genügend erforscht
sind. Sie scheinen direct auf krystallinischen Schiefern zu lagern und dürften
Ablagerungen in einem flachen Seebecken und auch in Flussniederungen sein.
Von nutzbaren Mineralien ist nur Eisen zu erwähnen, das als Raseneisen-
erz in den lateritischen Bildungen, die weite Gebiete der Colonie überdecken,
verbreitet ist. Gold, Silber und Kupfer ist zwar auch an einzelnen Orten ge-
funden worden, doch nur in sehr geringen Mengen, so dass eine Ausbeute nicht
lohnend ist.
. Heisse Quellen sind im Gendero-Gebirge in Süd-Adamaua-Hochland ge-
funden worden.
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124
111. Sonstige Werke.
Iu dem Schutzgebiete herrschen zwei Hauptrichtungen vor, die eine von
Ost nach West, die andere von Südsüdwest nach Nordnordost. Die letztere,
welche durch die Vulkane Annobon, Sau Thome, Principe, Fernando Po und
Kamerun geht, mit der Achse des Tschebtscbi-Gebirges zusammenfällt und weiter-
hin im Benuc-Thal die Vulkane Gabriel und Elisabeth trifft, bezeichnete Passarge
als ,. Kamerun-Linie“, während er die erstere „Benue-Linie“ nannte, da sie die-
jenige des Haupttheiles des Benue-Thales ist
Aus den überaus dürftigen und meist auch unzuverlässigen Angaben über
die geologische Beschaffenheit Togos ist es z. Z. noch unmöglich, sich ein Bild
von dem geologischen Aufbau dieses Landes zu machen. Es geht nur soviel
daraus hervor, dass das Küsten Vorland ausser Alluvien und Verwitterungs-
produkten, vornehmlich Laterit, auch Sedimentgesteine, Sandstein und Conglo-
mernt, aufweist, dass die Randgebirge wohl in der Hauptsache aus kristallinischen
Schiefern bestehen, die ebenso wie die Bergketten streichen, und dass die letzt-
genannteu Gesteine auch in den Hochländern des Innern herrschen.
Vou nutzbaren Mineralien ist bis jetzt ausser Raseneisenstein nur Graphit,
aber nicht in abbauwürdigem Zustande, bei Misahöhe gefunden worden.
Den geologischen Beschreibungen der einzelnen Schutzgebiete sind reich-
haltige Verzeichnisse über die an den einzelnen Often gefundenen Gesteine,
sowie über die in Betracht kommende Litteratur angefügt, wodurch der Werth
des vorliegenden Werkes als eingehendes Sammelwerk noch bedeutend gesteigert
wird. —
Das Werk kann Allen, die sich für die deutschen Schutzgebiete in Afrika
überhaupt und insbesondere für deren geologischen Aufbau interessiren, nur
bestens empfohlen werden.
Bergmeister Illner, Cassel.
1898. Archiv No- 3-
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene.
Band 2.
I. Originalabliandlungen.
Die Dysenterie in Kamerun
von Dr. Albert Plehn, Kaiserl. R£gierungsarzt
Wie andere im Kameruugebiet bisher beobachtete sogenannte
Tropenkrankheiten, so tritt auch die Dysenterie hier besonders schwer
auf, soweit sie wenigstens Europäer betrifft. Bis gegen End ! der
Trockenzeit (März) 1897 erkrankten Europäer nur ganz sporadisch.
Zuweilen war die Erkrankung auf den Genuss von „Buschwasser“
zurückzufuhren, welches nach Regengüssen an schattigen Stellen in
Bodenvertiefungen zurückbleibt, und vielfach klar, kühl und wohl-
schmeckend ist. In anderen Fällen war das Wasser aus den Ober-
läufen der Flüsse oder aus den „Kreeks“ — natürlichen Verbindungs-
kanälen zwischen den Unterlaufen der Flussarme des Kamerun-
beckens — getrunken worden. Auch erfolgte zweifellos Ansteckung
bei der Pflege Erkrankter. Am häufigsten Hess sich über die Her-
kunft des Leidens nichts Zuverlässiges ermitteln, und ich nehme an,
dass hier die Krankheit mittelst Essgeräths oder roher Früchte über-
tragen ist, welche durch die Hände farbiger, an leichten und chro-
nischen Dysenterieformen leidender Köche oder Bedienten verunreinigt
wurden. Aeusserste Vorsicht ist hier unbedingt geboten !
Ich stehe unter dem Eindruck, dass die durch Wrassergenuss
verursachten Erkrankungen die acutesten und schwersten waren.
Die Uebertragbarkeit entspricht ungefähr der des Typhus abdominalis.
In gewisser Beziehung wird sie durch den Umstand erhöht, dass die
rationelle Behandlung der Dysenterie zeitweise Darmspülungen unab-
weislich erfordert, welche nicht immer von geschulten Sachverstän-
digen ausgeführt werden können, und für den Pfleger eine grosso
Gefahr darstellen, wenn er es nicht versteht, sich zu desinficiren.
Archiv f. Schiff»- u. Tropenhygleno. II. 10
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126
Dr. Albert Plehn.
Auch für die Neigung der Eingebomen zur Erkrankung ist es
nicht bedeutungslos, ob sie an Reinlichkeit gewöhnt sind und Gelegen-
heit haben, dieselbe zu üben.
Bemerkenswerth ist in dieser Richtung eine kleine Endemie im
Gefängniss hier. Vom März bis Juni erkrankten in kleineren Schüben
von 2 — 4 Leuten nacheinander die sämmtlichen Strafgefangenen an
Dysenterie. Damals neu ins Gefängniss aufgenommene Verbrecher
erkrankten in kurzer Zeit ebenfalls. Für reichliches und gutes Wasser
wurde gesorgt. Die Kost der Gefangenen ist die gleiche, wie die
der nur ganz sporadisch ergriffenen Arbeiter. Zeitweise Räumung
der Gefängnisszellen zwecks gründlichster Desinfection blieb ohne
Erfolg. Als dann sämmtliche Kranke nach Beendigung der Hospital-
behandlung statt ins Gefängniss zurückzukehren, in ihre Heimath
entlassen wurden, dauerten die Neuerkrankungen der im Gefängniss
Zurückgebliebenen dennoch fort. Schliesslich wurde das ganze Ge-
fängniss auf ärztliche Anregung geräumt und die gesunden Gefan-
genen wurden in einem andern nagelneuen Gebäude untergebracht
Neuerkrankungen wurden auch dadurch nicht verhütet. Die Ueber-
tragung kann hier nur durch die gemeinschaftliche Benutzung der
Nachts in den Gefangenenräumen aufgestellten Closeteimer geschehen
sein. Diese Eimer sollen zwar täglich auf das Gründlichste gereinigt
und desinficirt werden, müssen aber bei dem vielen Schwarzen man-
gelnden Sinn für Reinlichkeit und der Schwierigkeit für die Uebrigen.
ihrem etw'a vorhandenen Reinlichkeitsbedürfniss unter den gegebenen
Verhältnissen zu genügen, doch leicht dazu dienen, dass frische Fä-
calien von Einem auf den Andern übertragen werden. Diese ge-
langen dann auf die Hände und weiter auf Speisen und Lippen*).
Erst als die Gefangenenzahl durch Entlassungen auf wenige Leute
reducirt war und die kühle Regenzeit energisch eintrat, hörten die
Neuerkrankungen auf.
Einen Einfluss der Witterung könnte man 1897 insofern ver-
muthen, als die Trockenzeit, an deren Ende die Dysenteriefälle sich
häuften, in diesem Jahre besonders anhaltend und heiss war, was
Erkrankungen des Yerdauungscanals ja bekanntlich begünstigt Auf
eine gemeinsame Ursache deutet auch die Verbreitung der Dysen-
terie in jener Zeit hin, welche fast in jeder Factorei, in jeder Missions-
*) Bei dem jetzt in Arbeit befindlichen Gefiingnissneubau ist dafür gesorgt
dass dem hier hervorgetretenen Uebelstand durch Verlegen der Closetiiun«
ausserhalb der Zelten in Fonn regulärer Abtritte thunliehst abgeholfen wird.
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Die Dysenterie in Kamerun.
127
anstalt, in verschiedenen Gouvernementshaushaltungen, unter der Be-
satzung des Regierungsdampfers wie bei den Unterofficieren der
Schutztruppe, den einen oder andern Europäer ergriff. Unter den
farbigen Arbeitern der Factoreien wie des Gouvernements, den far-
bigen Soldaten und Handwerkern, trat sie ebenfalls auf, ohne aber,
wie im Gefängniss, eigentliche Heerde zu bilden. Ob sie unter der
eingebomen Dualla - Bevölkerung in grösserem Umfang herrschte,
konnte ich nicht erfahren.
Die bekannten Amöben wurden in einem Theil der darauf unter-
suchten Fälle gefunden, in anderen nicht
Ueber die Symptome der Dysenterie habe ich nicht viel zu
sagen, was gegenüber dem Bekannten als neu gelten könnte. Inter-
essiren dürfte es vielleicht, dass bei der Mehrzahl der erkrankten
Europäer bereits in den ersten Tagen, wo auch nach dem weiteren
Verlauf tiefergreifende Geschwüre kaum bestanden haben können,
ausgesprochene Erscheinungen einer Typhlitis hervortraten, welche
verschiedentlich zu beträchtlichen Exsudationen in die Bauchhöhle
fülirte. Für den Ausgang blieb die Typhlitis ohne entscheidende
Bedeutung und ging in mittelschweren Fällen bei geeigneter Behand-
lung rasch zurück. Sie beweist neben anderen Erscheinungen, wie
Koliken (wohl zu unterscheiden von Tenesmen !), Flatulenz und Druck-
empfindlichkeit längs des Dickdarms, dass der Krankheitsprocess zu-
nächst das ganze Colon betrifft und sich erst später im absteigenden
Ast localisirt, wo er dann bald zur Geschwürsbildung führt.
Der Verlauf gestaltete sich beim Neger wesentlich günstiger,
als beim Europäer. Von Negern starben mir nur die weniger, welche
halb zu Sceletten abgemagert mit faulig riechenden Entleerungen im
letzten Stadium der Krankheit eingeliefert wurden. Bei den Gefan-
genen und sonst unter ärztlicher Controle stehenden Schwarzen des
Gouvernements konnte infolge rechtzeitigen Eingreifens jeder Todes-
fall vermieden werden. Die Gesammtzahl der von mir im Hospitale
während 2*/4 Jahren an Dysenterie behandelten Farbigen beträgt
über hundert; auf die Dysenterieperiode 1897 kommen davon etwa 70.
Dass die Resultate der Behandlung so günstig waren, ist um so be-
merkenswerther, als eine consequente zweckmässige Diät, wie sie für
den Verlauf der Krankheit beim Europäer von geradezu entscheiden-
der Bedeutung ist, beim heutigen Stande der thatsächlichen Verhält-
nisse für Schwarze noch gar nicht in Frage kommt. Ich sehe darin
eine neue Stütze für die von mir angenommene grössere „Vitalität“
(sit venia verbo!) — grössere Widerstandskraft und Regenerations-
10*
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128
Dr. Albert Plehn.
fähigkoit — der Gewebe bei der schwarzen Rasse an der afrika-
nischen Westküste*).
Beim Europäer gestaltet sich die Sache anders. Sind da 8 — 10
Tage seit den ersten Symptomen verflossen, ohne dass die Erkran-
kung die nöthige Beachtung fand, was namentlich häufig bei den
nicht gleich Anfangs ganz acuten Formen vorkommt, so muss die
Prognose in Kamerun auch bei zweckmässigster Behandlung
von vornherein als zweifelhaft hingestellt werden. Sehr gewöhnlich
treten merkwürdig rasch Gangrän oder Leberafi’ectionen auf. Nur
einmal habe ich Üarmgangrän — Hepatitis niemals überwinden sehen.
Dass diese Complicationen so verhängnissvoll werden, liegt vielleicht
weniger an einer specifischen Schwere des Dysenterievirus hier, wie
an der tiefgehenden Schädigung, welcher die Constitution des Euro-
päers durch die mehr oder weniger permanente Iutoxication mit dem
Malariavirus ausgesetzt ist. So betrafen die von mir beobachteten
DysentcrictodesfUlle säraintlich sogenannte „alte Afrikaner“ der West-
küste. Der Kräfteverfall pflegte unmittelbar nach Eintritt der Com-
plicntion sehr rapid — bei Hepatitis unter starkem Fieber — ein-
zutreten. Sonst kam Fieber nur am ersten oder zweiten Tage in
einzelnen acuten Fällen vor, sofern es nicht durch begleitende Malaria
bedingt war.
Hier ist es von grosser Wichtigkeit, die Ursache der Temperatur-
Steigerung durch Blutuntersuchung auf Malariuparasiten festzustellen,
denn eine grössere per os verabreichte Chiningabe kann die Dysen-
teriesymptome so unangenehm gestalten, die Schwache des Organis-
mus so gefährlich steigern, dass man ihre überflüssige Darreichung
jedenfalls thunliehst vermeiden muss. Zeigt das Mikroskop, dass
thatsächlich Malaria vorliegt, so gebe man das dann unabweisbar
gebotene Chinin durch intramuskuläre Injection**). Wurde die
Leber ergriffen, so gestaltete sich die Situation in den vier derart
Yon mir beobachteten Fällen durch Kräfteveifall bereits in den ernten
Tagen so, dass an eine Operation auch dann nicht zu denken ge-
wesen wäre, wenn sich irgend ein Anhaltspunkt für bereits eiuge-
tretene Einschmelzung des Lebergewebes bezüglich Sitz de-, Leber-
absccss ergeben hätte. Die einzigen localen Symptome blieben:
Schmerzen (zweimal Schulterschmerz), geringe Vergrösserung der
*) Vergl, Dr. Albert Plehn ..Wiindheilung bei der schwarzen Kasse*.
Deutsche mcdicin. Wochenschrift, IS'J6. Nu, 34,
**) „Beitrage /.nr Kenntnis* von Verlauf und Behandlung der tropisdiaa
Malaria in Kamerun” von L'r. A liiert Biehn. Berlin, 1896 bei ilirschwaid.
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Die Dysenterie in Kamerun,
129
Leber, und die Erscheinungen einer trocknen Pleuritis rechts unten.
Diese drei Symptome fanden sich noch nicht einmal stets vereinigt
Von so entscheidender Bedeutung wie bei wenigen „inneren“
Krankheiten war die Behandlung — medicamentöse wie diätetische.
Solange ich es mit sporadischen Fällen zu thun hatte, hielt ich
an der von meinem Vorgänger geübten Anwendung von Eingiessungen
einer Suspension des Bismutum subnitricuni in Wasser (1:100)
nach vorgängigem Reinigungsklystier fest. Der Erfolg erschien durch-
aus zufriedenstellend. Von der gleichzeitigen innerlichen Verabreichung
des Wismut, mit der ich zuweilen die Wirkung der Spüluugen zu
unterstützen versuchte, sah ich wesentliche Vortheile im acuten
Krankheitsstadium nicht. Opium konnte der Schmerzen wegen zu
dieser Zeit nicht immer entbehrt werden.
Als sich die Erkrankungen vom März vorigen Jahres ab dann
häuften, reichten die Hülfskräfte für die regelmässigen Spülungen nicht
aus. Ich wandte mich deshalb der Calomelbehandlung zu, als
der nach theoretischen Erwägungen rationellsten unter den internen
Medicationen. Die Behandlung der Dysenterie mit Calomel ist alt;
besonders die Franzosen wenden das Mittel in ihren Colonien (Algier)
in grossen Dosen an: mehrmals täglich 0,5.
Von dem Gesichtspunkt ausgehend, dass das Calomel, in grossen
Gaben ebenso wie das daraus gebildete Sublimat, den Körper bei
20 — 30 Entleerungen pro Tag zu rasch verlassen dürfte, um eine
anhaltende desinficirende Wirkung im Darmkanal auszuüben, während
andererseits eine häutigere Wiederholung einer Dosis von 0,5 Gefahr
schwerer Intoxication mit sich bringt, wandte ich eine andere Me-
thode an, die mir mit entsprechenden Modificationen schon in Deutsch-
land bei schweren infectiöscn Darmkatarrhen, vor allem Cholera
nostras und infantum hervorragende Dienste leistete. Ich Hess nach
der Uhr einstündlich 0,05 Calomel nehmen, zwölfmal über Tag;
Nachts Pause; am 2. und 3. Tag Wiederholung der 12 Gaben.
Leichtere Grade von Quecksilberstomatitis Hessen sich nicht immer
vermeiden; doch sah ich sie stets ohne grosse Beschwerden in
wenigen Tagen vorübergehen*).
Beim Schwarzen sollte die Kost auf Zwieback und Reis be-
schränkt sein, doch bin ich sicher, dass das nur in seltenen Fällen
wirklich durchgefuhrt ist. Die Abkürzung der Krankheitsdauer durch
*) Nach den neuesten Versuchen steht zu hoffen, dass man mit 0 03 das-
selbe erreicht ganz ohne IntcncicaUonsgefahr.
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130
Dr. Albert Plehn.
diese Form der Calomelbehandlung gegenüber der mit Darmspülungen
war trotzdem so erheblich, dass ich das Calomel dann auch beim
Europäer unterstützt durch peinlichste Diät mit gleichem Resultat
anwandte. Diese Behandlung nimmt, rechtzeitig angewandt,
der Dysenterie das meiste von ihrem Schrecken, und diese Thatsache
giebt mir Anlass zu diesen Mittheilungen, die dem erfahrenen Tropen-
arzt sonst vielleicht wenig Neues bringen.
Beim Europäer wird jetzt in allen Fällen echter Dysenterie und
schwererer tropischer Enteritis nicht specifischer Art sofort Bettruhe
und flüssige Diät angeordnet: leichte Suppen, gekochter Reis, Cacao,
Milch, geschlagene Eier, ein wenig guter Bordeaux etc. Gleichzeitig
wird in oben angegebener Weise Calomel stündlich gegeben, und
von Anfang an die peinlichste Mundpflege durch Bürsten und Spülen
mit einer Mischung von Kalichloricumlösung und Myrrhentinctur ge-
übt. In frischen Fällen (weniger wie eine Woche alt) verschwinden
selbst die heftigsten Tenesmen und Koliken nach 10 — 12 Stunden
und häufig geht auch die Zahl der Stühle schon am ersten Tage
zurück, ohne dass ein Tröpfchen Opium gegeben wäre. Im Verlauf
des zweiten Tages pflegt die Zahl der Entleerungen von vielleicht
25 — 30 auf einige wenige zu sinken. Nicht selten tritt direct Ver-
stopfung ein. Hierauf ist sehr zu achten und eventuell am Abend
des zweiten Tages eine Darmspülung zu machen, für welche ich
Salicylsäurelösung 1 : 1000 Wasser verwende. Hält die Verstopfung
am 3. Tage an, so thut man gut, am 3. Tage das Calomel nur
noch zweistündlich zu nehmen, um Intoxication zu vermeiden und
die Spülung des Darmes zu wiederholen. Sehr häufig erscheint der
Stuhl dann bereits am 3. oder 4. Tage geformt und nur bei genauer
Untersuchung lässt sich die Beimengung von Schleimpartikeln noch
erkennen. In keinem Falle aber sind nach meiner Erfahrung
die pathologischen Veränderungen im Darm zu dieser Zeit
bereits wieder ausgeglichen, auch wenn sie kaum mehr
Symptome machen. Schon manchem ist ein Irrthum theuer zu
stehen gekommen, und er wurde bei unzweckmässigem Verhalten
wenige Tage nach Beendigung der Calomelcur durch ein Recidiv
überrascht, das sich hartnäckiger erwies, als die erste Erkrankung.
Ich lasse, während Bettruhe und Diät fortdauern, am 4. Tage das
Calomel durch Bismutum subnitricuin in Pulvern (nicht in Tabletten!)
ersetzen, und zwar einstündlich 0,5, zwölfmal den Tag. Damit wird
fortgefahren, bis die letzte Andeutung von Diarrhöe verschwunden
ist, namentlich auch in den Fällen , wo die Dysenterie zu der chro-
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Die Dysenterie in Kamerun.
131
ni sehen Enteritis zurückkehrt, aus welcher sie vielleicht hervorging.
War die unmittelbare Wirkung der Calomelbehandlung keine voll-
ständige, so kann man dieselbe nach 8 — 10 Tagen mit Erfolg wieder-
holen. Bei den Schwarzen, wo die gröbsten, wiederholten Diätfehler
eben unvermeidbar sind, sah ich zuweilen eine dritte Wiederholung
Erfolg bringen. Sowie Verstopfung auftritt — Darmspiilung. Auch
ist es sehr zweckmässig, in den Fällen, wo die Neigung dazu fort-
dauert, ganz besonders, wenn der Magen in Mitleidenschaft gezogen
ist, regelmässig künstlichen Carlsbader Brunnen Morgens nüchtern
trinken zu lassen. Ich verordne denselben den Europäern regel-
mässig zur „Nachkur“ für einige Wochen und kann den Erfolg mit
Davidson nur rühmen.
Nach dem, was ich hier sah, bedürfen auch die klinisch leich-
testen Erkrankungen mit echten Dysenteriesymptomen, selbst wenn
sie sofort zweckmässig im obigen Sinne behandelt werden, 14 Tage
lang strengster Aufsicht und Diät, womöglich — schon um beide
zu gewährleisten — der Bettruhe, wenn Recidive einigermaassen siche
vermieden werden sollen. Die geringe Belästigung, welche vic
wie geschildert behandelte Kranken durch ihr Leiden erfahren, ver-
fuhrt sie oft zur Missachtung der ärztlichen Vorschriften. Schon aus
diesem Grunde, sowie in Rücksicht auf seine Umgebung, gehört
auch der scheinbar leicht Dysenteriekranke unbedingt in’s
Krankenhaus (sofern er transportfähig ist).
Es ist mir aufgefallen (auch durch Erfahrung an meiner eignen
Person), dass zuweilen nach Wochen und Monaten nach scheinbar
völliger Wiederherstellung die kleinste gelegentliche Abweichung von
einer sonst immer noch beobachteten vorsichtigen Diät, z. B. ein
einziges Glas Bier, eine rohe Frucht, eine geringe Steigerung des
gewöhnlichen Weinquantums, mindestens einen Durchfall hervor-
ruft, dessen Intensität in gar keinem Verbältniss zu der geringen
Schädlichkeit steht, die ihn bedingte. Der Darmcanal muss eine
ausserordentliche Reizbarkeit noch lange nach Ausheilen der schwe-
reren Veränderungen bewahren. Ich kann dafür kaum eine andere
Erklärung finden, als vielleicht die, dass die zum grossen Theil neu-
gebildete Darmschleimhaut, stärkerer Reize noch ungewohnt, Anfangs
besonders heftig auf solche reagirt. Später verliert sich dann das
ganz. —
Da wo die Krankheit schon länger bestanden hat, wenn der
Kranke zum Arzt kommt, pflegen die etwa vorhandenen acuten
Symptome bei der Calomelkur fast ebenso rasch zu verschwinden,
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132
Dr. Albert Plehn.
wie in frischen Fällen. Dass die dann immer vorhandenen Geschwüre
deshalb noch nicht geheilt sind, versteht sich von selbst Hier tritt
die Behandlung mit Damispiilungcn und Kingiessung der VVismut-
suspension in ihre alten Rechte, während ich an Stelle der inner-
lichen Darreichung dieses Metalls neuerdings mit Vorliebe den Carls-
bader Brunnen setzte. Nach Umständen erweisen sich auch hohe
Einläufe von */* — 1 procentiger Tanninlösung (Cantani) nützlich. Der
Schmerz, den der Kranke bei Einführung grösserer Flüssigkeitsmengen
zu äussera pflegt, muss auf die Gefahren hinweisen, welche durch
Blutung infolge von Dehnung der Geschwüre oder durch Zerrung
und Trennung von Peritonealverwachsungen entstehen können. Ich
habe nie gewagt, mehr wie 1 Liter einzuführen, und für Laien ist
ein forcirteres Verfahren jedenfalls unstatthaft. (Vergl. auch Kohl-
stock. Aerztl. Rathgeber für Deutsch-Ostafrika).
Wo der Kräftezustand des Kranken die immerhin etwas an-
greifende Calomelkur verbietet, wenn ausgesprochener Marasmus oder
Lebercomplicationen bestehen, da ist der Kranke in Kamerun ohne-
hin verloren. Bei Darmgangrän sah ich einmal erstaunlichen Erfolg
der Calomelbehandlung.
Ob sich die Amöben im Darminhalt finden oder nicht, schien
mir für die Prognose nicht von entscheidender Bedeutung. Jeden-
falls steht fest, dass ich Patienten vollkommen genesen sah, welche
Amöben führten, und dass Kranke starben, bei welchen ich wenig-
stens keine gefunden hatte. Sie scheinen also nicht alle Fälle so
hartnäckig und schwer zu gestalten, wie die, welche Quincke be-
schreibt.
Wo Dysenterie chronisch geworden ist, oder auch bei ganz
rationellem Verhalten zu immer neuen Recidiven neigt und der Be-
handlung spottet, da muss der Patient schleunigst heimkehren, denn
wenn er seiner Dysenterie und ihren Complicationen nicht erliegt, so
drohen seiner geschwächten Constitution die hier herrschenden Malaria-
fieber in ihren perniciösen Formen. Anders ist es in frischen lallen
oder während schwerer Exacerbationen chronischen Leidens. Dysen-
terie, wo sie einmal besteht, ist nicht in dem Sinne an die tropische
Oertlichkeit gebunden, wie die Malaria, und an einen Klimawechsel
sind nicht die gleichen Hoffnungen unmittelbar zu knüpfen, wie er-
fahrungsmässig bei dieser. Dazu kommt, dass die äussere Situation
des Kranket!, wenigstens überall da. wo er Gelegenheit hat, in einem
guten tropischen Krankenhaus Verpflegung zu finden, sich bei l'eber-
siedelung an Bord wesentlich verschlechtert. Nur selten wird er
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Die Dysenterie in Kamerun.
133
dort die specielle Kost finden, die ihm nothwendig ist, und die Re-
volution, in welche der Verdauungscanal bei etwaigem Ausbruch von
Seekrankheit geriith, kann direct verhiingnissvoll werden.
Dass der Transport frischer Dysenteriekranker auf Passagier-
dampfem in der Regel schon aus Rücksicht für die Mitreisenden un-
statthaft ist, brauche ich kaum zu erwähnen. Eine Grausamkeit
gegen den Kranken sehe ich in dieser Auffassung nicht. Ist sein
Leiden noch heilbar, so sind seine Aussichten sicher nicht schlechter,
wenn er mindestens den acuten Sturm in einem guten Tropen-
hospital abwartet, statt die Sache an Bord zu verschleppen und sicli
daheim nachher vielleicht mit chronischer Dysenterie über Jahres-
frist von einem Hospital zum andern zu begeben.
Mit der sich überall in den Tropen mehrenden Gelegenheit, in
guten Hospitälern gute Pflege und sachverständige Behandlung zu
finden, werden die „Heimsendungen aus Gesundheitsrücksichten“ sich
immer auf diejenigen beschränken, welche ihre Tropendienstiälügkeit,
aus welchen Gründen es sei, dauernd eingebüsst haben. All’ das,
wofür der Klimawechsel als solcher nicht den therapeutischen
Factor darstellt, muss sich auch in den Tropen selbst erreichen lassen,
so dass den Leidenden die Gefahren, Beschwerden und Kosten der
weiten Reisen erspart bleiben können.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea
von
Dr. Otto Dempwolff,
ehemaligem Arzt der Neu-Guinea-Compagnie.
Einleitung.
Ueber ärztliche Erfahrungen in Neu-Guinea sind bisher nur von
Schellong*) und Hagge**), sowie in letzter Zeit von Wendland***)
Veröffentlichungen erschienen. Die Aufzeichnungen und Berichte der
anderen bis jetzt dort thätig gewesenen Aerzte, welche diese in den
Acten der Neu-Guinea-Compagnie niedergelegt haben, sind selbst an
Ort und Stelle schwer zugänglich, und dann, vor allem, nur für
Laien bestimmt, nicht vom mechanischen Standpunkt aus abgefesst.
Da ich selbst diesen Mangel während meiner fast zweijährigen
Thätigkeit draussen empfunden habe, infolge dessen ich sicher Miss-
griffe (in Fieberbehandlung, bei einer Blattemepidemie u. s. w.) ge-
macht habe, die ich bei Kenntniss der einschlägigen Erfahrungen
meiner Vorgänger wohl vermieden hätte, so habe ich mich ent-
schlossen, meine Aufzeichnungen zusammenzustellen; zunächst zur
Verfügung, zum Vergleich und zur Ergänzung für meine Nachfolger,
dann auch als Anregung für weitere Kreise deutscher Tropenärzte.
Gleich hier bemerke ich, dass ich nur grobe Empirie bieten
kann. Für experimentelle Arbeiten, zu denen das interessante
Material fortwährend anregte (Blutuntersuchungen, klimatologische
Beobachtungen, histologische Verwerthung desSectionsmaterials u.s.w.),
fehlte mir jede Andeutung eines Laboratoriums. Ebenso beschränke
ich mich in meinen Literaturangaben auf die kleine Bibliothek , che
ich draussen zur Verfügung gehabt habe.
*) Schellong: Die Malaria-Krankheiten. Berlin 1890.
**) Hagge in der ärztlichen Rundschau 1894.
***) Wendland im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene 1898- k 4.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 135
Endlich hebe ich noch hervor, dass sich alle Beobachtungen
und Schlussfolgerungen nur auf die begrenzte Gegend an der Astrolabe-
Bai beziehen, wo allein ich während der Zeit vom März 95 bis
Februar 97 thätig gewesen bin.
I. Land und Leute vom hygienischen Standpunkt.
Die Astrolabe-Bai liegt an der Nordküste von Kaiser Wilhelms-
Land, etwa 5° — 5° 30' s. B. und 145° 40' ö. L. Ihre Küste wird
in einigen hundert Meter Breite von jung gehobener Koralle, 2 — 6 m
über dem Meeresniveau, gebildet; die anschliessende Alluvialebene
erstreckt sich 6—20 km halbkreisförmig in’s Innere, wird dann durch
Hügelketten von 200 — 1000 m Höhe umrahmt und im Süden, Süd-
westen und Südosten von dem 2000 — 4000 m hohen Finisterre-
Gebirge überragt Zahlreiche Bäche entwässern das Hochland, bilden
aber nur unbedeutende Sümpfe und Mangrovendickichte an ihren
Mündungen. In der Mitte der Bai liegen vereinzelte, an ihrer Nord-
ecke eine grosse Gruppe von kleinen Koralleninseln; fern ab, am
Horizont erheben sich die Krater von Bagabog und Krakar, deren
letzter jetzt wieder thätig ist. Inseln, Küste, Ebene und Berge sind
soweit das Auge reicht, von dichtem, dunkelgrünem Urwald bedeckt,
in dem nur hie und da helle Grasflächen und braune Eingeborenen-
dörfer hegen.
Genaue metereologische Beobachtungen hegen mit Ausnahme
der Regenmenge*) nicht vor. Die Jahres -Durchschnittstemperatur
wird man wohl analog der auf den Sunda-Inseln constatirten mit
24° — 26° C. annehmen können; der Barometerdruck ist so nahe am
Aequator überall ein gleichmässiger; der Feuchtigkeitsgehalt der Luft
ist gemäss der oceanischen Lage jedenfalls sehr hoch, dementsprechend
sind die Regenmengen im ganzen Jahre recht reichhch. Jedoch sind
die Niederschläge hauptsächlich an die Zeit des Nordwestmonsums
(November bis April) gebunden, und erfolgen auch dann meist Nachts,
während der Südostpassat, gemildert in seiner Stärke durch das eine
Wetterscheide bildende Finisterre-Gebirge, Monate lange Trockenheit
mit sich bringt. Die Luftbewegung ist sehr gleichförmig; Nachts
herrschen Land-, Tags Seewinde; letztere schwanken je nach der
Jahreszeit zwischen NO. und SO. Anhaltende Landwinde während
*) In den „Nachrichten für Kaiser Wilhelms-Land“ veröffentlicht.
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136
Dr. Otto Dempwolff.
des Tags sind sehr selten. Aus der allgemeinen Erfahrung sind die
angenehm kühlen Nächte hervorzuheben.
Das ist das Milieu: ein oceanes Tropenklima, modificirt durch
ein Hochgebirge im Hinterland.
Die Niederlassungen der Europäer liegen sämmtlicli an der Küste,
theilweise auf kleinen, dicht dabei gelagerten Inseln. In ihrer Um-
gebung ist nur so viel Urwald, als dringend noth wendig, gelichtet;
am meisten — etwa 600 ha — durch die Pflanzung Stephansort.
Die Zahl der Europäer betrug auf allen Stationen an der
Astrolabe-Bai zusammen 40 — 60; im Bereich meiner Tliätigkeit durch-
schnittlich 20 — 25, darunter vier Frauen. Ausser diesen, einem
Sammler und einigen Durchreisenden waren es sämmtlicli Angestellte
der Neu -Guinea-Compagnie oder Missionare — alle in Europa auf
Tropentauglichkeit ärztlich untersucht, die meisten in den zwanziger
Jahren.
Die Farbigen (abgesehen von den freien Eingeborenen), also die
angeworbenen Arbeiter der Compagnie, waren ein buntes Gemisch
verschiedener Rassen: Chinesen, Javanen, Melanesen und Papuas,
im Ganzen durchschnittlich 2000, wovon zu meinem Wirkungskreis
aber nur etwa 300 gehörten, meist Melanesen. Auch diese waren
angeblich auf Tropen- resp. Arbeitstauglichkeit geprüft, aber von Laien,
die an einer möglichst quantitativen Anwerbung, infolge des Kopf-
geldes, mehr Interesse hatten, als an einer qualitativen Auslese.
Die freien Eingeborenen, die Tamul, kamen nur gelegentlich,
direct oder durch Vermittlung der Missionare, zu mir in ambulante
Behandlung.
Die Lebensbedingungen für Europäer wne für die farbigen Arbeiter
waren wesentlich verschieden auf den Pflanzungen und der Ver-
waltungsstation. Da ich hauptsächlich auf letzterer, in Friedrich-
Wilhelmshafen zu thun gehabt habe, so beschränke ich mich von
hier ab, die hygienischen Verhältnisse dieser Station zu schildern.
Bei uns waren die Wohnhäuser für Europäer aus Holz und Well-
blech leicht und luftig errichtet, und ruhten durchweg auf etwa 2 m
hohen Pfählen. Die Arbeiter waren in Gebäuden aus demselben
Material kasernirt; ihre geräumigen Schlafstätten ruhten theils auf
2 m, theils auf 1 m hohem Pfahlrost.
Für Nahrung war derartig gesorgt, dass allwöchentlich ein Rind
geschlachtet wurde; ausserdem war an Schweinen, Hühnern, Fischen
und durch Vogeljagd stets frisches Fleisch zu beschaffen. Für
Europäer war ausser an einheimischen oder im Land gezogenen Erd-
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.
137
und Baumfrüchteu und Gemüsen noch Conserven und Coloniulwaaren
aller Art erhältlich, freilich zu oft überaus hohen Preisen. Für die
Farbigen war im Reis eine gesunde Hauptkost geboten, zu der es
neben Fleisch als Zukost genug Taro, Kokosnüsse und Fische von
den freien Eingeborenen einzutauschen gab (mit Ausnahme der Monate,
als der Blattern halber der Verkehr mit diesen verboten war).
Ausser den im Lager vorrätliigen alcoholischen Getränken und
kohlensauren Wassern für Europäer — Farbigen durfte Alcoliol nur
als Arznei verabfolgt werden — , und ausser der aus der Viehzucht
sich ergebenden Milch diente das von den Wellbleehdächem in Tanks
aufgefangene und eventuell noch filtrirte Regenwasser zum Getränk.
In der langen Trockenperiode August bis October 1895 ist das Wasser
aus einem Brunnenschacht auf der Station ohne Schaden getrunken
worden.
Zu erwähnen ist hier noch, dass der Tabak als Genussmittel
den schwarzen Arbeitern obligatorisch im Lohn eingehändigt wurde,
und dass viele Melanesen und fast alle Javanen Betel kauten, fast
alle Chinesen Opium rauchten.
Die Arbeit auf unserer Verwaltungsstation häufte sich zu. einer
Arbeitslast nur zur Zeit des Postdampfers, also auf 14 Tage alle
2 Monate. Sonst war für Europäer Bureauzeit von 9 — 12 Uhr Vor-
mittags und 3 — 5 */j Nachmittags, und für Farbige Arbeitszeit von
6 — 6 mit Mittagspause von 12 — 2 Uhr. Die arbeitsfreien Sonntage
wurden regelmässig innegehalten.
Die übliche Bekleidung bestand für Europäer in Baumwollhemd,
weissem Waschanzug, Socken, Segeltuchschuhen und lvorkhut, für
Farbige im Hüfttuch. Nachts bediente sich Jedermann eines Mosquito-
netzes; Wolldecken waren auch für jeden Arbeiter obligatorisch.
Für hygienische Zwecke hat die Neu-Guinea-Compagnie stets
sehr viel getlian; wenn ich nicht irre, werden 10 °/0 aller Ausgaben
hierauf verwendet. Auf jeder grösseren Station ist ein Arzt angestellt,
dem ein bis zwei Heilgehülfen zur Seite stehen. Eine Schwester vom
rothen Kreuz leitet und verwaltet ein grosses Europäer-Hospital (jetzt
in Stephansort, damals in Friedrich Wilhelms-Hafen); überall bestehen
Hospitalanlagen für Farbige, von denen die in Stephansort die ge-
räumigsten — 7 Gebäude — sind.
Unser Europäer-Hospital in Friedrich Wilhelms-Hafen war sehr
schön auf der Insel Beliao. angesichts der Dalmanneinfahrt, unmittel-
bar am Meer gelegen. Es stellte eine 2 m hohe Plattform dar, die
von weit überhängendem Dach beschattet wurde. Auf dieser standen
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138
Dr. Otto Dempwolff.
die sechs grossen Räume derart, dass noch eine 3 m breite Veranda
rund herum frei blieb. Diese Räume wurden nach Bedürfniss ab
Krankenzimmer abwechselnd benutzt; einer blieb für die Schwester
reservirt, ein anderer diente als gemeinsames Speisezimmer. In
gleicher Höhe mit dem Hauptgebäude, durch Gänge verbunden, lagen
die Wirthschaftsräume, Badezimmer und Dienerwohnungen. Geflügel-
hof und kleiner Garten lagen dicht dabei.
Auch die Hospitalanlagen für Farbige befanden sich in Friedrich
Wilhelms-Hafen auf einer kleinen Insel, die nur diesen Zwecken diente.
Es standen da ein Wohngebäude für den europäischen Heilgeh ülfen
nebst Wirthschaftsräumen, ein grosses Männerhospital, ein kleineres
Weiberhaus, an das sich die Küche schloss, und ein Leichenhaus.
Das Männerhospital ist der Beschreibung werth, weil es sich als sehr
practisch erwiesen hat. Es stellte eine hohe, luftige Scheune mit
Holzwänden und Atapdach dar („atap“ sind geflochtene und ge-
trocknete Blätter der Nipapalme), in deren Inneren, 2 m von den
Wänden ab, sich eine Tenne auf 1,5 m hohen Pfählen erhob, mit
3 zuführenden Treppen. Auf dieser Plattform standen 1 m hohe
Tische, die — mit Matte, Decke und Mosquitonetz — als transpor-
tabele Krankenlager dienten. Die ganze Anlage war kühl, hell und
übersichtlich, jeder Platz von allen Seiten zugänglich, leicht zu reinigen
und desinficiren. An einer Seite waren verschli essbare Räume für
das Bureau des Arztes und die Apotheke, die von Deutschland aus
mit allem ärztlicherseits Erwünschten reichlich ausgestattet wurde. —
Das Weiberhospital war kleiner und hatte keine Tenne, dafür Fliesen
auf dem Boden. — Aborte waren nicht vorhanden: die Abfellstoffe
gingen hier wie auf der ganzen Station in’s Meer, das durch Ebbe
und Fluth genügend für Reinigung sorgte.
Ferner befanden sich bei Friedrich Wilhelms-Hafen ein Isolirhans
für Seuchen an einer abgelegenen Stelle des inneren Hafens und
Quarantäneanlagen — 2 Scheunen und eine Küche — auf der 3 km
entfernten unbewohnten Insel Piawey. Alle diese Gebäude waren nur
aus Pfählen und Atap zu ebener Erde errichtet
Ein Sanatorium besassen wir an der Astrolabe-Bai leider nicht
weder für Europäer in den Bergen, noch für Farbige auf einer Insel
so oft auch der Wunsch, ja das Bedürfhiss laut wurde. Aber die
900 m hoch auf dem Sattelberg bei Finschhafen gelegene Missions-
station hat wiederholt Patienten aufgenommen, und, wie es scheint
in ihrer Iieconvalescenz erheblich gefordert. Auch die Station Con-
stantinhafen ist für invalide Arbeiter, namentlich für Beriberi leidende
I
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Aeritliche Erfahrungen in Neu-Guinea.
139
von grossem Nutzen gewesen. Doch wird — meiner Ueberzeugung
nach — erst die Lösung der Sanatoriumsfrage, für Weisse wie für
Farbige, die hygienischen Bedingungen der Colonie so heben, dass
sie ihren schlechten Ruf verliert und nicht mehr so viel Menschen-
material verbraucht, wie heutzutage.
Zu den hygienischen Einrichtungen meines Ressorts gehörten
auch die gesundheita-polizeilichen Untersuchungen aller Arbeiter, der
Impfzwang, dem alle neu angeworbenen Farbigen unterworfen waren
und die Quarantäneordnung für alle einlaufenden Schiffe. — Fleisch-
beschau und Wasseruntersuchungen waren nicht eingeführt; ebenso-
wenig bestanden Wasserleitung, Canalisation , Drainage u. dgl. Es
war das bei dem jungen Bestehen der Niederlassung — seit 1891 —
wohl selbstverständlich, auch hat sich meiner Zeit kein Anlass ge-
funden, dergleichen Einrichtungen anzuregen.
Infectionsquellen bestanden nur für Malaria — nach Localität
und näheren Bedingungen natürlich unbekannt. Dysenterie, Beriberi,
Cholera u. dgl. sind nicht heimisch. Eine Pockenendemie im Früh-
jahr 96 wurde völlig ausgemerzt.
Unter den freien Eingeborenen, die übrigens nur wenig Ver-
kehr mit der Station hatten, gab es keine ansteckenden Krank-
heiten, ausser einigen Pockenfällen. Nur Malaria herrscht auch
unter ihnen.
Nun ist der Friedrich Wilhelms-Hafen gleich nach seiner Ent-
deckung (October 1884 durch Dr. Finsch und Capt. Dallmann) für
ein besonders schlimmer Fieberheerd gehalten worden*). Auch spätere
Schilderungen**) pflanzen dieses Vorurtheil fort. Seit seiner Be-
siedelung (1891/92) hat sich aber ein wesentlich anderes Resultat
ergeben, wie aus den ärztlichen Berichten hervorgeht, die seit 1893
sehr genau sind und bis Ende 1 896, bis zur provisorischen Aufhebung
der Station, gehen.
Aus diesen geht bezüglich der Europäer nur hervor, dass von
7ö polizeilich Angemeldeten 4 gestorben sind und 20 krankheitshalber
heimgesandt wurden. Dazu kommen von unseren Schiffsbesatzungen,
die im Ganzen 20 — 25 Europäer im Wechsel betragen haben mögen,
4 Todesfälle; endlich von einem fremden Schiff ein Todesfall, — zu-
sammen 9 Gräber auf unserem Europäer- Friedhof.
*) Finsch: Samoafahrten p. 94 und 135.
**) Beschreibung der Entrecasteaux - Inseln und der N.O.- Küste von Neu-
Guinea p. 67.
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140
I)r. Otto Dempwolff.
Von den Farbigen sind erkrankt:
1893 bei einem Durchschnittsbestand von 270 monatlich 90
1894 „ „ „ „ 260 „ 99
1895 „ „ „ „ 308 „ 41
1896 „ „ „ „ 211 „ 26.
Es sind im Ganzen auf der Station gestorben:
1893: 68; 1894: 46; 1895: 29; 1896: 26 (davon 9 an den Blattern).
Eine Besserung ist seit Aufhebung der nahe gelegenen Pflanzungs-
station Jomba im Herbst 1894 unverkennbar; es hörte damals das
Aufbrechen des Urwaldbodens so gut wie ganz auf. Wenn man
noch hinzuhält, dass in Friedrich Wilhelms-Hafen bei Aus- und Ein-
schiffung der Contractarbeiter fast immer einige Kranke liegen blieben,
dass Centralgefängniss und Quarantänestation mit ihren ungünstigeren
Lehensbedingungen dem Hospital ihre Beiträge lieferten, so konnte
unser Gesundheitszustand sich immer mit dem anderer Stationen
in Neu-Guinea messen — wenn er auch an und für sich nicht glän-
zend war.
Mein ärztlicher Antheil an diesen Zahlen, zusammen mit denen
meiner kürzeren Thätigkeit in Stephansort, erstreckt sich auf die Be-
handlung von 57 Europäern in 225 Krankheitsfällen und von etwa
500 Farbigen in 768 Erkrankungan. Davon verlor ich einen Europäer,
65 Farbige. Das ist mein Material. Es ist viel zu klein, um irgend-
welche Art von Statistik abzugeben. Aber es gab mir Gelegenheit
und Müsse zu eingehenderen Einzelbeobachtungen, welche die Grund-
lage der folgenden Capitel bilden sollen.
II. Malaria bei Europäern.
Mit dem Schlagwort „Malaria“ wurde draussen von uns jedes
Fieber, jedes Unwohlsein belegt, und auch bei evident anderen
Leiden, ja bei chirurgischen Leiden wurde jede scheinbare oder wirk-
liche Störung und Verzögerung der Genesung mit „Malaria“ in Ver-
bindung gebracht.
Dass die in ihrem klinischen Bilde wohl characterisirte Krankheit
mit ihren unregelmässigen Temperaturerhöhungen, der geschwollenen
Milz und den subjectiven Symptomen des Nervensystems auch ohne
jedesmaligen Plasmodiennachweis sicher jeden Europäer und jeden
in den Beobachtungskreis tretenden Farbigen von Zeit zu Zeit befiel
führte zu dem Schlüsse, dass der Infectionsstoff ubiquitär sein muss.
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Aerztiicho Erfahrungen in Neu-Guinea.
141
Und daraus ergab sich der Rückschluss, dass wir alle fortwährend
latente Malaria im Körper hatten, die sich bei besonderen Anlässen
zu acuten Fiebern steigern liess, die bei jeder intercurrirenden Krank-
heit complicirend eingriff, und die sich auch auf jeden sonst unbe-
merkt gebheben „locus minoris resistentiae“ im Körper werfen
konnte.
Ab und zu sind mir auch Fälle vorgekommen, in denen die
Differentialdiagnose zwischen Malaria und anderen fieberhaften Krank-
heiten Schwierigkeiten bereitete.
Nr. 1. (Malaria oder Pleuritis-Recidiv.) August 96. Bei einem
wochenlang anhaltenden Fieber um 38°, das jeder Hydrotherapie trotzte, weil der
Kranke auf keine Weise in Schweiss zu bringen war, kam der Patient selbst in
Folge seiner Bückenschmerzen auf den Gedanken, es könne sich um eine chro-
nische trockene Rippenfellentzündung handeln, an der er bereits vor Jahren in
Europa mit wochenlangem Fiober gelitten. Nun war wohl etwas Knarren der
alten Schwarten zu hören, aber es fehlten frische Adhäsionsgeräusche, Respirations-
störungen und jede Spur von Erguss; dabei sassen die Schmerzen im Kreuz, nicht
im Thorax. — Pat., welcher Chinin wegen Hämoglobinurie nicht vertrug, genas
durch eiue Höhenluftcur in Java. — (Ausführliche Krankengeschichte in Capitel HI,
unter Nr. 24.)
Nr. 2. (Maläria oder Abscess.) Pat., Officier eines Passagierdampfers,
erkrankte Anfang Juli 97 an intermittirendem Fieber, gegen das Chinin bis 14 g
in 8 Tagen wirkungslos war. Schmerzen in der Milzgegend führten das Augen-
merk auf den Traube’schen Raum, wo eine unregelmässige, druckempfindliche
Dämpfung oberhalb der Milz als subphrenischer Abscess ausgelegt wurde. Das
entscheidende Ergebniss der Function ist mir unbekannt geblieben, da ich den
Kranken nur am 13. VH. in Consultation gesehen habe, und er Tags darauf aus-
geschifft wurde.
Einige andere diesbezügliche Beobachtungen sind unter Nr. 11,
Nr. 12 und Nr. 13 geschildert. —
Unter den Symptomen des Malarialeidens ist das hervor-
springendste das Fieber; wenn wir draussen vom „Fieber“ sprachen,
so meinten wir die Malaria, gerade wie man in Südamerika unter
diesem Wort stets das Gelbfieber versteht.
Ich habe die alte Eintheilung in intermittens, remittens und
continua stets an wenden können, aber die drei Stadien Frost, Hitze,
Schweiss nicht immer rein beobachtet. Der Initialschüttelfrost fehlte
Häufig. Langsam, schleichend stieg die Temperatur meistens an,
und ebenso wies die Abfieberung Schwankungen auf, so dass ich, an s
Krankenbett tretend, oft nicht sofort entscheiden konnte, ob sich der
Pat. im aufsteigenden oder absteigenden Ast des Fiebers befand.
Das Gefühl, die Aussage des Kranken ist dabei wenig von Belang:
„der Mensch kann sich irren, aber das Thermometer lügt nie“ —
Archiv f. Schifft- u Tropenhygiene. II. 1 1
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, 142
Dr. Otto Dempwolff.
diesen Ausspruch des Collegen von S. M. S.‘ Moewe fand ich auch
bei alten Tropenleuten bestätigt, die mit 38° — 39° umherliefen und
behaupteten, normal zu sein.
Nr. 8. (Intermittens mit atypischem Schüttelfrost) 19. VLL 95.
8 h. a. m. 88,1° Subjectives Wohlbefinden. — 10 h. a. m. 39.4° Schüttelfrost. —
11 h. a. m. 39,7° Erbrechen. — 1 h. p. m. 40,1° — 2 h. p. m. 89,4° Schweiss. -»
8 h. p. m. 38,7° 5 h. p. m. 38,2° Abwaschung. 8 h. p. m. 87,4° Chinin 1,0. —
Die folgenden Tage unter fortgesetzter Chinintberapie fieberfrei.
Nr. 4. (Bemittens mit atypischer Curve; zwei Tage aus einem
mehrtägigen Anfall.) 16. V. 96.
6 h. a. m. 37,7°. — 8 h. a. m. 39,1°. — 10 h. a. m. 88,6*. — 12 h. a. m.
88,0°. — 2 h. p. m. 38,1 — 4 h. p. m. 88,6°. — 6 h. p. m. 39,8°. — 8 h. p. m.
89.0°. — 12 h. p. m. 87,7°.
17. V. 96. 8 h. a. ra. 86,9°. — 6 h. a. m. 87,1°. — 8 h. a. m. 36,6°. —
10 h. a. m. 87,0°. — 12 h. a. m. 36,9°. — 2 h. p. m. 87,0°. — 4 h. p. m. 37,2°. —
6 h. p. m. 37.4°.
18. V. 96. Temp. dauernd unter 87°.
Die höchsten Temperaturen, die ich selbst in Neu-Guinea be-
obachtet habe (Laien renommirten mitunter mit noch höheren), waren
zweimal 41,3° und einmal 41,4°, die auf kühle Bäder bald sanken
und ohne Folgen für Herz und Gehirn blieben.
Dagegen kommen an Bord von Schiffen, namentlich unter dem
Slaschinenpersonal noch extremere Temperaturen vor. Ich selbst
wurde einst zur Consultation zu einer Stewardess geholt, die ihre
Malaria aus Indien hatte, wo das geprüfte Thermometer in ano
110° Fahrenheit = 43,5° Celsius zeigte. Es war im rothen Meer am
12. VH. 97. Die Kranke lag im Koma, lebte aber noch einige Stunden,
währenddess die Temperatur durch Eiswasserpackungen bis 39 c C.
gedrückt wurde.
Ist das „Fieber“ auch die hervorspringende Erscheinung bei
Malaria, so ist der eigentliche Sitz der Krankheit doch das Blut
Auf Plasmodien habe ich fast nur zu Anfang untersucht; stets
mit Zeiss Oelimmersion '/,,, Ocular 2 und 4, im ungefärbten
Präparat Uebrigtns hielt sich das Mikroskop vorzüglich; nach münd-
lichem Rath Dr. F. Plelin’s behandelt: unter grosser Glasglocke, die
abgeschliffen und mittelst Vaselin luftdicht auf einer Marmorplatte
abgeschlossen war, und die durch Calcium chloratum feuchtigkeits-
frei, zum „Exsiccator“, gemacht wurde.
Nr. 5. (Plasmodien.) Pat. ist 91—94 in Neu-Guinea gewesen, 94/95
in Deutschland, und befand sieb zur Zeit ausreisend im indischen Ocean. —
27. El. 95. 10 h. a m. 37,4°. Leichtes Unwohlsein. Keine sicheren Plasmodien
ün Blute 4 h. p. m. 39,7° Schüttelfrost. Im Fingerblut reife Plasmodien, das
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.
143
rothe Blutkörperchen ganz ausfüllend, und theilweise vergrössernd, mit feinst-
kömigem Pigment; ein Plasmodium in Ringform.
Nr. 6. (Plasmodien.) Pat. ist ein Jahr in Neu-Guinea, leidet an typischer
Tertiana 8. TV. 95. 89,8°. Im Fingerblut nicht sehr häufige reife Plasmodien
in und meist ausserhalb der rothon Blutkörperchen. Diese freien Plasmodien
sind etwas grosser als die rothen Blutkörperchen, rund, lassen den durchscheinen-
den Leib kaum erkennen, zeigen aber in dem fein körnigen Pigment sehr deut-
liche Margueritenformen von etwa .6—8 Theilkörperchen.
Nr. 7. (Plasmodien.) Pat. hat Neu-Guinea vor fast einem Jahr verlassen.
8. II. 98. 11 h. a. m. 88,0°. Im Fingerblut spärliche Plasmodien in den rothen
Blutkörperchen, kleiner als diese, unregelmassig oontourirt, ohne , .typische“
Form, mit feinkörnigen Pigment
Andere als diese Formen habe ich in Neu-Guina nie gefunden,
weder die grobkörnig pigmenti rten noch die pigmentlosen.
Blutkörperzählungen, die ich in den ersten Monaten mit dem
Thoma-Zeiss’schen Apparat ausführte — ohne bemerkenswerthe Er-
gebnisse — musste ich aufgeben, weil sie meine Augen zu sehr
an griffen.
Dagegen habe ich Hämoglobinbestimmungen mit Fleischl’schem
Apparat in jedem einigermaassen schweren Fall im Fieber, wie im
fieberlosen Zustand vorgenommen. Ich habe leider nur noch von
60 Hämoglobinbestimmungen aus jenen zwei Jahren die Notizen zur
Hand (abgesehen von denen bei Schwarzwasserfieber; cf. Cap. HI),
deren Zusammenstellung folgendes Resultat giebt:
105% einmal, bei einem zum ersten Mal in die Tropen kommenden
21 jährigen Maschinisten;
100% zweimal, gleichfalls vor den ersten Malariaattacken;
95% siebenmal;
90% fünfzehnmal;
85% elfmal;
80% dreimal;
75% neunmal;
70% siebenmal;
60% dreimal, darunter ein Fall von malignem Tumor;
50% zweimal, bei einem Cachektiker und bei einer Frau, die seit
90 in Neu-Guinea und Java ohne Klimawechsel lebt, keine
Hämoglobinurie gehabt hatte und draussen zwei kräftige
Kinder geboren hat
Demnach hält sich die Anämie bei gewöhnlicher Malaria in
denselben Grenzen, wie anderwärts die „Tropenanämie“ auch.
Respirations- und Circulationsorgane waren in der Regel nicht
mehr in Mitleidenschaft gezogen, als der Höhe der Temperatur ent-
sprach: vermehrte Frequenz des Pulses und der Athmung.
Jene grosse Störung der Circulation, die gewöhnlich den Anfang
11*
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144
Dr. Otto Dempwolff,
vom Ende bedeutet: Oedeme, habe ich nur einmal in ihrem ersten
Beginn gesehen. Da der Fall auch eine gleich zu erwähnende
Complication : Dickdarmcatarrh , bietet, so setze ich die Kranken-
geschichte als Auszug aus zwei Gutachten, deren Copie vor mir
liegt, hin.
Nr. 8. (Malaria mit Oedemen und Dickdarmgescbwüren.) Attest
vom 8. VI. 95. Pat. giebt an, in Ost -Afrika, darauf in Europa und auf seiner
Ausreise nach Neu-Ouinea Anfang 1893 an häufigen, aber meist leichten Malanz-
nnfiillen gelitten zu haben. Seit Beginn seiner hiesigen Tbätigkeit als Schiffs-
fiikror seien dann dio Anfälle zahlreicher und schwerer geworden , bis im Sep-
tember 94 sich die ersten Complicntionen von Seiten des Darmes eingestellt
hätten. Der damals ärztlicherseits constatirte Dickdarmcatarrh verschwand stets
nur vorübergehend , trat jedoch regelmässig nach jedem Fieber wieder auf und
hielt dann in wechselnder Stärke noch geraume Zeit an. Dieser Zustand wurde
Anfang 1895 und namentlich durch eine Reise nach Sidney im April und Mai
immer schlimmer, so dass Pat. nach seiner Rückkehr am 4. VI. in das Europäer-
Hospital aufgenommen wurde. Daselbst hat er zwei Intermittensanfälle und häufige
schmerzhafte Stuhlgänge — schleimig-blutig mit Eiterpfropfen — gehabt — Die
körperliche Untersuchung orgiebt folgendes: Pat ist von kräftigem Körperbau,
schlaffer Muskulatur, geringem Fettpolster . . . Unterleib etwas aufgetneben,
nirgends druckempfindlich. Leberdumpfung innerhalb der normalen Grenzen.
Milz stark vergrössert; ihr Rand’ überragt in Rückenlage des Pat. den Rippen-
wand um Zweifingerbreite, ist halt, glatt, druckempfindlich ... An Lungen,
llcrz, Niereu . . . keine krankhafte Veränderung nachzuweisen. "Weder Oedeme
noch Exantheme . . . Zusatzattest vom 30. VII. 95: Pat hat seit dem 8. VI.
sein Schiff auf einer vierwöchentlichen und mehreren kleinen Reisen geführt und
don Kost der Zeit im Europäer- Hospital zugebracht. Er giebt an, unterwegs
leichtere Fieber mit Milzstechen gehabt zu haben. Dabei seien zwar die Dann-
erscheimingeu nicht so heftig anfgetreten wie früher, dagegen habe sich starke
Anschwellung der Fasse bis zur Hälfte der Unterschenkel eingestellt . . . Die
uedematöse Schwellung der Füssc ist nuch von mir mehrfach gesehen; sie be-
stand in verschiedenem Grade, und verschwand stets nach längerer Ruhe und
Schonung. Dagegeu bleibt auch dann noch — und dies ist das einzig bemerkens-
wertho Neue zu dem Befunde vom 8. VI. — eine Druckempfiudlichkeit und fühl-
bare, unregelmässig begrenzte Knocheubautveidickung an beiden Schienbeinen. Für
dieso Circulatiousstörungen hat sich weder am Herzen noch an den Nieren eis«
Ursachp linden lassen, vielmehr ist ein directer Zusammenhang mit chronischer
Malaria anzunchmen . . . Pat. leidet demnach an häufig wiederkebrendem Mal un-
lieber mit Milztumor, gcschwürigem Dickdarmkatarrh und Circulationstörungen.
Gemäss j 14 u. s. w. (Pat. im August 95 nach Deutschland heimgekehrt, ist dort
im März 9ß au „Herzschwäche“ gestorben.) —
Dio Organe der Bauchhöhle waren fast immer beim Fieber stark
affieirt.
Nach der vergrösserten Milz fragte ich kaum noch: sie- über-
ragte. bei Jedem, der einige Fieber durchgemncht, den Rippenrand;
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Aerztlicbe Erfahrungen in Neu-Guinea. 145
und selbst da, wo sie bis an und über den Nabel vordrang, habe
ich an ihr keine besonderen Symptome und Beschwerden beobachtet.
Ebensowenig boten die Nieren (ausser im Schwarzwasserfieber)
Störungen: jene Spuren von Eiweiss, die bei hoher Temperatur in
jeder Krankheit zu sehen sind, verschwanden mit dem Fieber.
Dagegen war die Verdauung stets in Unordnung, der Appetit
reducirt, und schon dadurch der ganze Kräftezustand ein miserabler.
In der Hälfte der Fälle, die dem Hospital und der trefflichen Pflege
unserer Schwester zugewiesen wurden, war „Malaria dyspeptica“ der
Anlass. Einen Fall hebe ich hervor:
Nr. 9. (Malaria „dyspeptica“-.) Pat. hat vom 9.— 12. V. 95. ein Re-
mittens durchgemacht. Seither Dyspepsie und Erbrechen, wobei am 17. V. durch
Brausepulver- Auftreiben Gastrectasie constatirt ist. Nachts vom 17. zum 18. V.
Fieber, Morgens Aufnahme in's Hospital. Daselbst noch am 18. und 19. je ein
Intermittensanfall ; Chinin verbrauch 3,5 g. 20.— 25. V. Allmälige Reconvalescenz
unter guter Diät. 25. V. völlig genesen entlassen. — Pat. hat spater noch manch-
mal Verdauungsbeschwerden, aber nie mehr Gastrectasie gehabt. Am 21. XI. 95
verlässt er Neu-Guinea.
Hier war „Gastrectasie“ offenbar eine Fehldiagnose; denn ein
pathologisch erweiterter Magen verkleinert weder sein Volumen so
schnell, noch functionirt er nach acht Tagen wieder dauernd normal.
Vielmehr behielt die Schwester Recht, wenn sie, ihrer Erfahrung
mehr trauend als meiner Percussion, statt der von mir beabsichtigten
Magenspülungen kräftige Diät anwandte. —
Besonders häufig waren diese Malariadyspepsien unter den Schiffs-
besatzungen, welche auf die vom Seegesetz vorgeschriebene Kost an-
gewiesen waren, die für die Tropen recht unzweckmässig und als
Krankenkost werthlos ist.
Viel ernster waren jene Complicationen, wo sich zur Malaria
Dickdarmkatarrh gesellte. Dieser artete alsbald mit Blut- und Eiter-
absonderungeu, mit Tenesmus und Kräfteverfall zu einem Bilde aus,
das von echter tropischer Dysenterie kaum zu unterscheiden war
(ganz abgesehen davon, dass der Laie draussen nach Vorgang der
Engländer jeden Dickdarmcatarrh, ja jeden heftigen Durchfall mit
„Dysenterie“ bezeichnet). Nur das vereinzelte, nicht epidemische
Auftreten, der unmittelbare Anschluss an Malariaattacken, und der
günstige Einfluss des Chinins veranlassen mich, diese Fälle hierher
zu reihen. Der obigen Mittheilung No. 8 lasse ich noch den inten-
sivesten Fall, den ich sah, folgen.
Nr. 10. (Malaria „dysenterica“.) Pat. ist seit Sept. 95 im Lande. Am
20. VI. 96 Durchfall. Seit dem 27. VI. Malariaanfälle, trotzdem im Dienst. Nachts
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146
Dr. Otto Dempwolff.
vom 4. «um 5. VII. plötzlich blutigen Durchfall, 15 mal. 5. VH. 96 Abends Auf-
nahme ins Hospital. Kräftiger Mann ; Abdomen nicht druckempfindlich, nirgends
Besonderheiten. Stuhlzwang mit mässigen Schmerzen. Stuhl: helles und ge-
ronnenes Blut und Schleim. Temp. 87,2° P. 90. — 01. Ricin. 6,0 in Cspseln.
6. VH. Fieberfrei. Lang dauernde, äusserst schmerzhafte Stuhlgänge, blutig.
— 01. Bicin. 9,0, Ipecac. 5,0. Heisses Sitzbad. — Thee, Milch.
7. VH. Status idem. — 01. Ricin. 12,0, Ipecac. anemetin. 8,6. Heisse Sitz-
bäder. —
8. VH. Status idem. Nachts noch 4, Tags 8 schleimigblutige Stühle. —
— 01. Ricin. 9,0, Tct Opii croc. 1,0, Chin. mur. 1,0. — Milch mit Ei.
9. VU. — Chin. mur. 1,0. Erster blutfreier Stuhl.
10—13. VII. Chin. mur. 3,0, Ipecac. anemetin. 2,4. Zunehmende Besse-
rung. Geformte, blutfreie Stühle. Appetit. Am 18. VH. geheilt entlassen. —
Zu deu regelmässigen classischen Symptomen der Malaria ge-
hören die „nervösen“. Wir hatten sie alle draussen: Kopfschmerz
und Gliederreissen , Tremor und Nausea, Schlaflosigkeit, ab und zu
auch ein kleiner Collaps. Hallucinatorische Delirien habe ich zwei-
mal beobachtet; beide äusserten Verfolgungsideen. Ein Kranker war
mir besonders interessant dadurch, dass er in dramatischer Lebhaftig-
keit, wie es in Criminalromanen geschildert wird, seine Gewissens-
hisse projidrte.
Nicht verschweigen will ich jene seltsamen moralischen Ver-
irrungen, die von den Laien unter das Schlagwort „Tropenkoller“
subsummirt werden. Es handelt sich oft um Ungerechtigkeiten gegen
Farbige, zuweilen um laxe Auffassung in Geldsachen, einige Male
auch um offenbare Verstösse gegen die europäischen Rechtsbegriffe.
Die Fälle sind psychologisch schwer zu analysiren. Aber es machte
meist den Eindruck , als ob unter dem Einfluss schwerer Malariafieber
und dauernder Lebensgefahr gewisse Hemmungsvorstellungen, die als
moralische Motive zu wirken pflegen, geschwächt waren, und nach
der Genesung wieder derart erstarkten, dass die Betreffenden mit-
unter ihre eigene Handlungsweise nicht mehr begriffen. Es ist dies
ein auch in anderen Colonien auftauchendes, vorläufig noch un-
gelöstes forensisches Problem.
Wirkliche Geisteskrankheiten habe ich bei Europäern draussen
nicht gesehen ; sie sind aber zu anderer Zeit ärztlich constatirt worden.
Eine vorübergehende Gedächtnissschwäche findet unter Nr. 29 Er-
wähnung.
Im Koma wurde ein Maschinist unmittelbar von der Reise ein-
geliefert: er starb wenige Stunden darauf. Derselbe war in Sidney
ohne ärztliche Untersuchung angemustert, hatte in Neu-Guinea mehrere
Malariaanfälle überstanden und war von mir wegen Herzverfettung
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Aerztiiche Erfahrungen in Neu-Ouinea.
147
infolge Trunksucht bereits als tropeauntauglich eingereicht, that aber
aus Mangel an Ersatz Dienst. Dass Koma gerade auf Schiffen häufiger
vorkommt, steht wohl im Zusammenhang mit den erwähnten hohen
Körpertemperaturen daselbst. Wie viel Antheil Malaria, wie viel rein
„physikalischer“ Hitzschlag daran hat, wage ich nicht zu entscheiden*).
Einer besonderen Erscheinung muss ich hier noch gedenken,
der meningitischen Reizung. Was ich davon sah, war nicht ein
eigentliches Symptom der Malaria, sondern immer ein durch directe
Einwirkung der Sonnenstrahlen auf den ungenügend bedeckten Kopf
ausgelöster Fieberanfall, mit qualvollem Kopfschmerz, geringer Nacken-
steife und Pupillenenge und Temperaturen zwischen 38° und 39°.
Diese Erscheinungen wurden von den Laien „Sonnenfieber“ genannt;
eine Bezeichnung, die aus Ostafrika stammt. Sie wichen auf Chinin
und Kaltwasserbehandlung in einigen Tagen, und documentirten sich
so als zur Malariagruppe gehörig.
Da die Haut mit ihren Sch weissdrüsen eine wichtige Rolle bei
der Herabdrückung der Fieber durch Wärmeabgabe sowohl, als auch
bei der Ausscheidung der Stoffwechselproducte spielt, so ist jede
Störung oder Abnormität der Schweissfunction von unangenehmer
Bedeutung. Eines solchen Falles erwähnte ich unter Nr. 1; noch
einen zweiten sah ich gelegentlich in collegialer Praxis am 27. IV. 95,
wo der Patient trotz stundenlanger Ganzpackung sich keinen Schweiss-
tropfen auspressen liess. Derselbe hat alsbald Neu -Guinea wegen
schwerer chronischer Malaria verlassen müssen.
Uebrigens habe ich stets gefunden, dass der Schweiss be; Malaria
einen eigentümlichen „specifischen“ Geruch hat (wie bei Tuberculose,
Gelbfieber, Diabetes u. s. w., selbst bei Lues und Gonorrhoe). Zwei-
mal konnte ich bei Europäern aus diesem Geruch den bevorstehenden
Anfall Voraussagen, der zu ihrem Erstaunen auch innerhalb 24 Stun-
den unvermutet eintrat. —
Die Malaria ist eine Proteuskrankheit, und wohl kein Organ
des Körpers ist sicher, dass es nicht bei irgend einem Anlass (der
dem Zuschauer wie dem Kranken meist dunkel bleibt), befallen wird.
Oft erwachsen daraus diagnostische und demnach auch principiell
terapeutische Schwierigkeiten.
Ich erlebte folgende Complicationen :
*) Yergl. die analogen Fälle bei Schellong a. a. 0. p. 72 ff. und die Kritik
von Stendel: die pemiciöse Malaria in Deutsch -Ostafrika. Leipzig 1894, p- 78.
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148
Dr. Otto Dempwolft
Nr. 11. (Muskelinfiltration.) 17. V. 95. Pat. ist seit einigen Tagen
erkältet: Bronchialcatarrh etc. Hierzu hat sich eine leichte Schwellung des
musc. deltoid. dextr. gesellt Dabei abendliche Fieberbewegungen bis 38,0“.
Infolge neu auftretender Erkrankung der Adductoren des rechten Oberschenkels
Aufnahme in’s Hospital. Hier zeigen die genannten Muskeln eine teigige In-
filtration, spontane und Druckempfindlichkeit und active und passive BeweguDgs-
hehinderung.
Vom 17.— 19. V. angewandte Priessnitx'sche Umschläge und leichte Massage
sind erfolglos.
Vom 20. — 23. V. dazu verabfolgte Chiningaben, 1,0 pro die, führen zn
schneller Besserung unter Rückkehr zur normalen Temperatur.
Am 24. V. wird Pat geheilt entlassen.
Nr. 12. (Otitis externa.) 22. I. 96. Pat, der seit Wochen fieberfrei
ist, aber prophylactisch kleine Chiningaben nimmt, erkrankt plötzlich an äusserst
schmerzhafter Schwellung des äusseren Gehörganges rechts. Hörfähigkeit normal.
Lauwarme Ausspülungen befördern nur wenig Ohrenschmalz heraus.
23. I. Besserung auf Bähungen mit Camillenthee.
24. I. Stab idem. Kein Fieber. Zunehmende Schmerzen.
25. I. Incision von etwa 1 cm Länge, 3 mm Tiefe im Gehörgang, geringe
Eiterentleerung. Die Schmerzen bleiben trotz Morph. 0,02.
26. I. Qualvolle Schmerzen trotz Morph. 0,03.
27. und 28. I. Schnelle Besserung und Genesung auf hohe Chiningabec
(mehrmals 1,5).
Nr. 13. (Keratitis.) Anfang August 95. Leichter Intermitten sanfaü.
Kurz darauf Fremdkörper, Sandkorn, in’s linke Auge, der zu spät und ungenügend
entfernt wurde. Darauf Conjunctivitis, wahrscheinlich damals schon beginnende
aber übersehene Keratitis. Borwasser, Zinc. sulfocarbol (0,3V»), Ungt. Hydraig.
rubr. (2%) Cupr. sulf. (Aetzung) verschlimmerten den Zustand bis zur völligen
Gebrauchsunfähigkeit des Auges.
Am 28. VIII. wurde die Hornhauttrübung constatirt und Atropin verordnet
I. — 5. IX. Lichtscheu, Orbitalschmerz, Schlaflosigkeit Kein Fieber. Linseo-
grosse Trübung im Homhautcentrum, mit grau gekörnter, feuchter Oberfläche und
gelbem erhabenem Punkt in der Mitte. — Warnte Umschläge. Atropin, Schwitz-
bäder. —
6. IX. Entfernung eines minimalen Fremdkörpers aus dem gelben Central-
punkt in Cocainanästhesie (durch Missionsarzt Dr. Frobenius).
7. IX. — 10. X. langsames Verschwinden des gelben Centralpunktes. Sons*
stat id. et therapia eadem.
II. — 19.X. Trockene Schutzverbände, Schwitzbäder, allabendlich 0,5 Chm.:
langsame Besserung.
20.— 31. X. Dunkeler Schutzverband im Freien. Ektropionirnng des entro-
pionirten unteren Lides. Chinin. Schnelle Besserung, Vernarbung des Hornhaat-
defectes zu einer macula corneae superficialis.
Pat. hat im Jnli 97 im Mittelmeer, und zwar unmittelbar anschliessend ae
einen Intevmittensanfull. ein Rccidiv bekommen, das auf Atropin local und Chinin
innerlich in Deutschland in 3—4 Wochen ausheilte.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea. 149
Dass diese Fälle mit Malaria in causalem Zusammenhang stan-
den, ist nur ex juvantibus, aus dem schnellen Erfolg der Chinin-
therapie, zu schlie8sen. Diese ist also draussen in allen derartigen
dunkeln Fällen des Versuches werth.
Die Erscheinung, die noch am vollständigen Bild der tropischen
Malaria fehlt, die Cachexie, sah ich deutlich ausgeprägt nur bei einem
Kinde, dessen Mutter schon ante partum an Haemoglobinurie gelitten.
Der Säugling war wohl normal gebildet, blieb aber körperlich wie
geistig in seinem ersten Lebensjahre, November 95 bis December 96,
so lange ich ihn beobachtet habe, sehr zurück. Schluss der Fon-
tanellen im vierten Monat, Durchbruch des ersten Zahnes im elften
Monat, Unfähigkeit sich aufzurichten ; dabei grosse Milz und häufiger
Darmcatarrh setzten das traurige Bild zusammen. Ein ausge-
sprochenes Fieber habe ich nur einmal bei ihm als mehrtägiges
Remittens gesehen, das auf Chinin 0,1 mehrmals und Bäder wich.
Nachrichten über das weitere Schicksal des Kindes (bis Ende 97)
erzählen von keiner hervorragenden Aenderung im Befinden des nun-
mehr Zweijährigen.
Ich wende mich zur Besprechung unserer Therapie der Malaria
bei Europäern in Friedrich Wilhelms-Hafen.
Chinin und Hydrotherapie waren meine ärztlichen Verordnungen;
eingehende Pflege aber die Hauptsache der Behandlung bei jeder
ernsten Erkrankung.
Ueber die Grösse der Chiningabe habe ich meine Ansicht lang-
sam geändert: ich bin zu immer kleineren Gaben gekommen. Von
2,0 pro dosi und 8,0 — 15,0 pro Anfall bin ich bis 0,5 oder 0,75
pro dosi und 3,0 — 6,0 pro Anfall herabgegangen. Dafür aber legte
ich je länger je mehr Gewicht auf die Form der Verabreichung und
die genaue Zeitbestimmung.
Haben schon die verschiedenen Chininsalze einen variirenden
Procentgehalt an Chinin, ist schon die Löslichkeit für das salzsaure
Salz eine andere als für das schwefelsaure, citronensaure, bromwasser-
stoffsaure u. s. w., so wird die Resorbirbarkeit noch mehr der Con-
trole entzogen, wenn das Präparat in Form von Pillen gegeben wird;
— selbst die comprimirten Tabletten sind sehr ungleich in ihrer
Löslichkeit Wiederholt habe ich den Abgang von ungelösten Pillen
und Tabletten im Stuhl gesehen; und wenn die Laien draussen eine
Art Chininpillen mit Silberüberzug sehr bevorzugten, „weil sie gar
kein Ohrensausen machten“, so hiess das für mich nur: weil sie gar
nicht oder zu langsam zur Resorption gelangten. Andererseits kann
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Dr. Otto Dempwolff.
man den meisten Menschen Chinin nicht rein in Pulver oder Wasser
geben, ohne durch den bitteren Geschmack Ekel und Brechreiz her-
vorzurufen. Ich gab deshalb Chinin zuletzt nur als salzsaures Prä-
parat und womöglich in Oblaten oder Gelatinecapsein; und zwar
stets per os, was nach Steudel’s Rath*) auch mir durch suggerirenden
Zuspruch stets gelungen ist. Subcutan oder intramusculär habe ich
Chinin nie verabfolgt
Um die concentrirte Wirkung einer relativ kleinen aber schnell
resorbirbaren Chiningabe im passenden Augenblick zu erreichen, habe
ich das Hauptgewicht der Verordnung auf den Zeitpunkt gelegt, in
dem es genommen werden soll. Daher halte ich — was Merenski**)
in einer kleinen Broschüre hervorhebt — eine Weckuhr neben dem
Thermometer zu den nothwendigen Utensilien in einer Fiebergegend.
Auch in Neu-Guinea wäre mancher Rückfall vermieden, wenn nicht
der Patient die rechte Zeit zum Chininnehmen verschlafen hätte.
War das Fieber ein ausgesprochenes Intermittens mit Rückkehr
zur (und unter die) Normaltemperatur, so verfehlte die Regel „sechs
Stunden vor dem zu erwartenden Anfall“ nie ihren Zweck: der
nächste Anfall blieb aus, oder spätestens — wenn eine Tertiana
duplex vorlag — wurde das Fieber vom übernächsten Anfall an ab-
geschnitten.
Nr. 14. (Chinintherapie bei Tertiana duplex.) 7.1.96. 3 h. p. m
40,5°. — 5 h. p. m. 40,0°. — 6 h. p. m. 89,5”. — Nachts Abfieberung. Chinin 3fi.
8. I. Th. i. m. 87,4°. — 3 h. p. m 87,5*. — 4 h. p. m. 39,2°. — 5 h. p. m.
89,2°. — 6 h. p. m. 40,0°. — 7 h. p. m. 39,0°. Schweiss. — Nachts Abfiebeiw
Chinin 2,0.
fl. I. 8 h. a m. 38,0°. — 2 h. p. m. 86,5°. — 6 h. p. m. 87,0°. — Nacks
Chinin 2,0. Dauernd fieberfrei.
Handelte es sich um Remittens, so wurde Chinin, nach Hagge'i
Vorgang***), zur Zeit der relativ niedrigsten Temperatur verabreicht
Es wurde so das Fieber theils direct zum Verschwinden gebracht,
theib in ein Intermittens umgewandelt
Nr. 15. (Chinintherapie bei Remittens.) Pat hat am 10., 11., ll
und 13. VIII. 96 tägliche Fieber bis 40,0° mit Remissionen bis 88,0° gehabt, und
ist dabei von anderer Seite mit Antipyrin und Phenacetin behandelt worden.
Am 18. VIII. 96. 4 h. p. m. mit 39,5° in 's Hospital aufgenommen, hat er
Nachts Remission bis 37,5° — um 7 h. p. m. und 87.8° — um 4 h. a. m., wobei st
jedesmal- 0,6 Chinin erhält, worauf am 14. VIEL Intermission bis 86,8° einnia.
*) Steudel a. a. O. pag. 50.
**) Merenski: Malaria in Ostafrika.
***) Hagge a. a. O.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 15t
Am 14. Vin. noch Anstieg bis 89,0* um 6 ä. p. m.; darnach am 15. VIII.
Abfall bis 36,5° und dauernde Fieberfreiheit. Qesammtchininverbrauch 7,2 g.
Bestand endlich eine Continua (die ich nur sehr selten sah), so
hiess es den Organismus dauernd unter Chinin setzen, womöglich alle
sechs Stunden 0,6 — 1,5 g.
Nr. 16. (Chinintherapie bei Continua.) Pat. ist am 6. VUI. 95 an
Fieber erkrankt, das am 7. VIII. mit 39,5° ohne Remission andauert. Chinin 2,0
Abends. Trotzdem am 8. VUI. Tags und Nachts dieselbe Temperatur. Pat. erhält
nunmehr 5 g Chinin in 24 Stunden, worauf am 9. VIII. eine allmälige Ab-
fieberung eintritt. Nach mehrmaligem Chinin 1,5 bleibt Pat. dauernd fieberfrei.
Mit solcher Chinintherapie sind wir draussen aller Malariaanfälle,
die nicht mit Schwarzwasser verbunden waren, derart Herr geworden,
dass die fieberfreien Perioden mindestens sechs Tage, meistens drei
Wochen dauerten.
„Prophylactisches“ Chininnehmen habe ich denen angerathen,
die sich selbst so beobachten lernten, dass sie die Prodrome ihrer
Fieberattacken rechtzeitig erkannten; die Dosis betrug 0,76 bis 1,6 g.
Ich selbst habe es auf diese Weise erreicht, dass ich die letzten sieben
Monate meines Neu -Guinea -Aufenthaltes fieberfrei geblieben bin.
Andere nahmen regelmässig am Sonnabend Abend 1,0 Chinin und
•blieben so oft monatelang verschont. Dass auch hierin zu weit ge-
gangen werden kann, dass noch so reichliches prophylactisches Chinin-
nehmen ohne Indicationen nichts nützt, gar noch schädlich wirkt,
bewies ein Fall, wo der Patient in den ersten Monaten seines Aufent-
haltes vom 18. VI. bis 18. XII. 96 im Ganzen 94 g Chinin verbraucht
hatte, über 4 g pro Woche. Der Betreffende war hochgradig nervös
geworden — und bekam doch am 22. XII. unter Collaps eine hart-
näckige Remittens, die erst am 25. XII. lytisch entfieberte.
Andere Arzneimittel, als Chinin, habe ich im Fieberanfall mög-
lichst vermieden. Phenacetin und Antifebrin gab ich mit Rücksicht
auf das Herz nie, Antipyrin nur bei übergrossem Kopfschmerz, Chloral-
hydrat bei Schlaflosigkeit.
Dagegen habe ich von der Hydrotherapie ausgiebigen Gebrauch
gemacht: kaum ein Fall, bei dem sie nicht in irgend einer Form
zur Anwendung kam. Packungen, Klysmata, Güsse, Sitz- und genau
temperirte Vollbäder, Dampfbäder, kürz alles, was draussen unter
den oft beschränkten Verhältnissen sich machen liess.
Endlich aber habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht,
dass die Hauptsache der Malariatherapie die individualisirende Pflege
ist Nicht allein meine Medicamente ufid Vorschriften, sondern viel-
mehr die Art ihrer Anwendung, die umsichtige Fürsorge im Kranken-
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152
Dr. Otto Dempwolff.
zimmer, gut Essen und Trinken (Wein als Stimulans), Zuspruch im
rechten Augenblick — jene hundert Kleinigkeiten der Krankenpflege
waren in schweren Fällen lebensrettend. Und wie einigen Wenigen
eine liebende Gattin zur Seite stand, so fanden wir anderen unbe-
hülf liehen Junggesellen in allen schweren Fiebertagen in unserer
Schwester vom rothen Kreuz eine unermüdliche Wärterin, der wir
alle viel, manche ihr Leben verdanken.
Ich erwähne noch, ohne es näher auszufuhren, dass ich zur
Nachkur Eisen in allerlei Formen gegeben habe, als Ferr. reduct.
als Haemalbumin, Liqu. ferr. albumin., Liqu. ferr. pepton., auch als
Chin. ferrocitric. u. s. w. Deutliche Erfolge sah ich nie, ebensowenig
von mehreren streng durchgefuhrten Arsenkuren.
Als letztes aber sicherstes Heilmittel gegen Malaria gilt Klima-
wechsel. • Unsere Vorschriften erlaubten die Heimsendung „wenn der
Beamte in eine Krankheit verfallen ist, von der eine Wiederherstellung
im Schutzgebiet nicht zu erwarten steht“. Auf Grund dieses Para-
graphen habe ich sechs. Mann das Attest zum Klimawechsel wegen
Malaria ausgestellt Einer ist sieben Monate später an „Herzschwäche"
gestorben (Nr. 8); von dreien erfuhr ich, dass sie noch monatelang
heftige Fieber durchgemacht haben; von einem bin ich ohne jede
Nachricht. Nur einer ist sofort und dauernd geheilt (Nr. 1), der
einzige, der eine Höhencur (in Tosari auf Java) etwa zwei Monate
lang durchgemacht hat. Nachdem ich noch bei einem anderen
schweren Malariakranken aus Neu- Guinea (nicht meines Clienteis)
von einer sechswöchentlichen Höhencur im Schwarzwald und Tyrol
einen überraschenden Erfolg gesehen habe, seitdem werde ich allen
derartigen Kranken nicht Heimkehr nach Europa sondern Höhencur,
eventuell auch in den Tropen anrathen.
Zum Schluss dieses Abschnittes habe ich noch ein Thema zu be-
sprechen: die verschiedene Empfänglichkeit der Europäer für Malaria
Die Malariainfection war an der Astrolabe-Bai so ubiquitär, das
jeder Neuankömmling (ich erlebte hiervon nur eine, hörte von zwei
weiteren Ausnahmen) bis zum 21. Tage, meist genau an diesem,
seinen ersten Fieberanfall bekam. Da sich aber später eine grosse
Verschiedenheit hinsichtlich der Häufigkeit und der Schwere der ein-
zelnen Anfälle herausstellte, so mussten die Ursachen hierfür in der
verschiedenen Disposition der Einzelnen oder in den jedesmaliger
Gelegenheitsanlässen liegen.
Was nun zunächst die Disposition betrifft, so lag sie nicht in
der Körperconstitution, sondern im Temperament. Sowohl unter den
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Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea.
153
vollblütigen blonden Hünen gab es zähe, widerstandsfähige Leute,
die sich mit seltenen, leichten Fiebern begnügten, als auch unter den
kleinen, zarten, behenden Gestalten, als auch endlich unter den
Wenigen, die ihre frische Jugend schon hinter sich hatten, ehe sie
herauskamen. Und umgekehrt fielen ebenso von den offenbar Ro-
busten wie von den zarter Gebauten gleich viele den heftigsten Fiebern
anheim. Dagegen konnte es ausnahmslos gelten, dass Phlegmatiker,
religiöse Naturen, Fatalisten den Aufenthalt in Neu-Guinea sehr gut
vertrugen, ja über die übliche Contractzeit von drei Jahren bleiben
konnten oder zum zweiten Male hinausgingen, während Sanguiniker,
Streber, nervöse Naturen unter jedem Fieber subjectiv stark litten,
sich vor der Zeit aufrieben und meist krank heimgesandt werden
mussten. Dies ging so weit, dass man neu Ankommenden quasi die
Prognose nach ihrem Temperament stellen konnte.
Ganz ähnlich verhielt es sich mit den Anlässen, welche die hef-
tigen und langwierigen Malariaanfälle auslösten. Oft konnte man
sehen, dass körperliche Strapazen, tagelange Buschtouren, nächtliche
Bootsfahrten, stundenlange Durchnässungen u. dgl. ungestraft über-
standen, oder nur mit leichten Fiebern beantwortet wurden.
Nr. 17. (Leichte Malaria nach Strapazen.) 40jähriger Mann. Am
13. II. 96 Jagdparthie, wobei er sich Abends vorirrt und, nur mit Hemd, Hose,
Hut und Schuhen bekleidet, im Sumpfe im strömenden Kegen übernachtet. Am
14. II. fieberfrei. Am 15. n. Abends Fieber bis 38,8°, das schon Nachts unter
Sch weissabfallt und durch Chinin dauernd abgeschnitten wird ; nächster Anfall am 22. II.
Dagegen zogen heftige psychische Erregungen, Zank mit Unter-
gebenen, Sorgen um Schulden oder Stellung, gekränkter Ehrgeiz,
Aerger über vermeintlich ungerechte Behandlung (und wie leicht
fühlte man sich verkannt, benachtheiligt, zurückgesetzt!) u. dgl. un-
fehlbar Fieber nach sich.
Nr. 18. (Auszug aus einem Attest.) „Was gerade in diesem Falle
gegen längere Acclimatisationsversucho spricht, ist die geringe Widerstandsfähig-
keit des Mannes, welche ihre Ursachen in erster Linie in seiner seelischen De-
pression hat ... . In seinen Aeusserungen tritt immer wieder der niederge-
druckte Gemüthszustand zu Tage, in Gestalt von Reue über seine hiesige sociale
Lage, die ihm aus pecuDiären Gründen und infolge der Nichtverstaatlichung seines
Postens so herbe Enttäuschungen bereitet habe u
Am schlimmsten waren diejenigen daran, die durch ihre Stellung
verhindert waren, sich auszusprechen, „den Aerger von der Leber zu
schimpfen“, die ihre schwere Verantwortlichkeit mit sich allein umher-
tragen mussten. Das ist meiner Ansicht ein Hauptgrund, weshalb
die obersten Beamten draussen so schnell aufgerieben werden.
In demselben Sinne wirkte auch schlechte Ernährung nicht so
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154
Dr. Otto Dempwolff.
sehr körperlich (denn Missionare, Sammler u. A. mussten hierin oft
sehr viel entbehren und blieben relativ gesund), als vielmehr durch
die damit verbundenen Sorgen, sparen zu wollen, Schulden abzutragen
u. dgl. Und ebenso wurden alcoholische Excesae oft staunenswerth
vertragen, wenn sie aus Geselligkeit hervorgingen, rächten sich aber
allemal bitter, wenn ein Aerger weggetrunken werden sollte.
Für diese paradox klingenden Behauptungen kann ich nicht alle
Beweise aufzählen, weil die Geschichten für die Betheiligten zu durch-
sichtig und ihnen unangenehm sein würden. Aber es ist das aus-
nahmslose Resultat meiner Erfahrung, dass ebenso wie für die Malaria-
prädisposition Temperament entscheidender ist als Körperconstätution,
so auch für die auslösende Veranlassung und Prognose der einzelnen
Attacken die jedesmaligen psychischen Factoren weit wichtiger sind,
als die gleichzeitigen somatischen.
III. Schwarzwasserfieber.
Schwarzwasserfieber — Malaria haemoglobinurica — stelle ich
deshalb abseits von allen anderen Symptomen und Com plicationen
der Malaria, weil es die einzige Art „perniciöser“ Fieber ist, die ich
in Neu-Guinea zu sehen bekam, weil in seiner Therapie Chinin sich
ganz eigenartig verhält, und endlich weil es auch sonst in der deutschen
Tropenliteratur ein besonderes Thema bildet, zu dem diese Seiten
einen kleinen Beitrag bilden sollen.
Bereits von Schellong*) sind in Finschhafen 1886 — 1888 sieben
Fälle von Malaria haemoglobinurica beobachtet und veröffentlicht
worden. Aus den folgenden sechs Jahren sind laut den Acten der
Neu -Guinea- Compagnie auf den damaligen Stationen der Colonie
mindestens ein weiteres Dutzend solcher Krankheitsfälle vorgekommen;
ebenso nach mündlicher Mittheilung unter den damals dort lebenden
Missionaren einige Fälle; aber es fehlen alle näheren Angaben, die
eine nachträgliche Beurtheilung erlaubten.
Von März 95 bis Februar 97 habe ich 14 Anfälle von dieser
Krankheit bei 7 Europäern behandelt
Ich gebe nachstehend zuerst die Krankengeschichten ziemlich
ausführlich wieder und schliesse daran ein zusammenfassendes Kid
der Krankheit, wie sie damals sich in mir abspiegelte, ohne nach-
trägliche theoretisirende Betrachtungen und unter Vermeidung jeder
literarischen Polemik.
*) Sohellong a. a. 0. pag. 58 ff.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea. 155
Krankengeschichten.
Nr. 19. (Tier Anfälle von Schwarzwasserfieber.) 1864 geh. —
6 Jahre in Deli (Sumatra), Erholung in Deutschland; seit Jnni 94 in Neu-Guinea.
Schlanker, bleicher, weichlicher Stubenmensch. Hat seine Malariaanfälle mit
Chinin und Phenacetin meist selbst behandelt resp. unterdrückt.
1. Anfall. 27. XI. 95. Seit etwa 10 Tagen Alcoholexcesse und Mattigkeit,
seit 3 Tagen nächtliche Fieberanfälle, wogegen allabendlich Chinin 1,0, gestern
1,5 und Phenacetin 1,0. — Mitternachts Brechen bitterer Massen, Hitzegefühl,
Durst, dunkler Urin.
10 h. a. m. Status praesens: Relative Frische im Gesammt-Eindruck.
Temp. 88,3*. Puls 84, klein. Haut bleich, feucht Leichter Icterus der Con-
junctiven. Drin 400 g dunkelbraunroth. Ueberführung in’s Hospital. Daselbst
kommt Pat. in Schweiss, gähnt viel, ist aber geistig klar und frei von Beschwerden.
Herztöne rein. Herz, Leber, MUz in Rückenlage innerhalb der normalen Grenzen.
Milzrand nicht palpabel. Urin noch 300 g, heller, sherryfarben. Kochprobe
ergiebt Gerinsel von brauurother Färbung erst als Haut dann am Boden. Heller’sche
Blutprobe negativ. Auf Eisessig etc. Teichmann’sche Crystalle. Sediment:
spärliche blasse polyedrische Zellen mit kleinem deutlichen Kern, einige Rund-
zeUen und ganz seltene rothe Blutkörperchen, sonst alles gelbrother körniger
Detritus, zuweilen in Cylinderform angeordnet. Blut der Fingerkuppe zeigt
60 - 65% Hb.
Behandlung: Keine Medicamente. Lauwarme (36° C.) Waschungen.
Viel Getränke: Selters, Thee, Lemonenwasser mit Rothwoin.
28. XI. 95. Temp. Nachts 87,5°, Morgens 36,6”. Pat hat gut geschlafen.
Puls 84, klein, weich. Auf 01. Ricin. 6,0 weicher Stuhl. Viel, nicht stark
riechender Schweiss. Etwas Nahrungsaufnahme, Eier, Brot, Hühnerleber. Bei
S‘/m Liter Flüssigkeitsoonsum nicht ganz 1 Liter hellrothen satzfreien Urin.
Innere Organe: Status idem. 2 laue Bäder. Mittags 1,5, Abends 1,0 Chinin.
29. XI. 95. Temp. Nachts 38,0”, Tags unter 87,0”. Subjective Besserung,
Viel übelriechender Schweiss. Urin wieder hell, blut- und eiweissfrei. Chinin
1,0. Warme Bäder.
30. XI. Stat. id. Chin. 1,0. — Hämoglobingehalt 45%.
1. XQ. Pat verlässt gegen ärztlichen Rath das Hospital; nach 14 Tagen
hat er wieder 65% Hb.
2. Anfall. 18. U. 96. Pat ist bis zum 17. H. von Fiebern frei gewesen,
hat an diesem Tage Temp. bis 38,4° gehabt, darauf Chinin 1,5 und am 18. II.
Morgens bei 36,8 Temp. noch Chinin 1,0 genommen. Mittags ist Bluthamen
aufgetreten, das sich als Haemoglobinurie herausstellte. Darauf Bettruhe, keine
Medicamente, viel Getränk. Am 19. H. Urin noch bluthaltig, am 20. H. noch
Spuren von Blut. Tags darauf thut Pat. schon Dienst (Die Temperaturen sind
nicht aufgezeichnet da Pat Dicht in's Hospital aufgenommen ist)
3. Anfall. 28. VH. 96. Pat ist angeblich seit Februar fieberfrei ge-
blieben und bat seither nur 2 g Chinin prophylaktisch verbraucht Seit 8 Tagen
im Anschluss an anstrengende Arbeit (Arbeiter -Ablohnung) grosse Mattigkeit
Deshalb als Vorbeugung für geplante nächtliche Bootsfahrt gestern Abends 7 Uhr
Chinin 1,0 in Pillen; um 11 Uhr während des Kofferpackens plötzlich Er-
brechen, dunkler Urin, Fieber bis 88,6”. Nachts anhaltend schlechter Zustand,
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156
Dr. Otto Dempwolff.
Morgens 7 Uhr Besserung, aber noch schwarzer Urin. Um 8 h. 30 a. m. Ver-
schlechterung, erneutes Fieber und Brechen.
Status praesens. 10 h. 30 a. m. Pat. sitzt halb aufgerichtet im Bett, in
leichtem Schweiss. Icterus der Conjunctiven, nicht der Haut. Temp. 39.2°,
Puls 120. Herz etwas matt, aber regelmässig und rein. Leber und Milz
nicht wesentlich vergrössert. Urin bordeauxfarben. Kochprobe ohne Leim-
geruch, erstarrt fast ganz. Heller’ sehe Blutprobe negativ. Sediment spärlich, der
sehr gelb gefärbte Detritus liegt zusammengeballt und lässt einmal eine Becher-
zelle deutlich erkennen.
Behandlung: Keine Medicamente. Lemonenwasser. Camillenthee. 12 h.
Temp. 40,2°.
3 h. p. m. Temp. 38,2°. Pat. ist apathischer, gähnt und schwitzt sehr viel.
Er hat auf Camillenthee nicht mehr gebrochen. Urin wie vor.
5 h. p. m. Temp. 38,3°, Puls 120.
8 h. Temp. 37,9°. Status idem.
10 h. p. m. Pat. schlaft. Urin Tags über 300 g.
27. VII. 6 h. a. m. Temp. 37,2°. Urin 500 g, wie gestern.
8 h. a.m. Temp. 36,9°, Puls 92 voll, gut. Icterus nur der Conjunctivea.
Haut feucht Herz wie gestern. Milz überragt eben den unteren Rippenrand.
Um "/4IO Uhr verlässt Pat das Bett zu spontanem, angeblich gutem Stuhl.
Unmittelbar darauf Schüttelfrost, Temp. 89,5°. Erbrechen, tintenfarbener Urin,
tiefe Zerschlagenheit, quälender Durst.
11 h. a. m. Verschlechterter Status: Pat. wirft sich auf dem Lager um-
her, stöhnt, athmet unregelmässig, seufzend. Erbrechen. Haut heiss, trocken,
nicht spröde. Conjunctiven stark gelb. Lippen sehr blass. Puls klein, weich,
aber regelmässig. Herz sehr matt Leber und Milz wie sonst. Urin schwarzroth
ohne Satz, nur am Filtir erscheint etwas Sediment: Detritus, ausgelaugte rothe
Blutkörper, tote Epithelzellon , keine Crystalle. Kochprobe erstarrt fast ganz.
Heller' sehe Blutprobe giebt rothen Satz; aber auch die Flüssigkeit darüber hell-
scharlachfarben.
Behandlung: Keino Medicamente. Sect mit Sodawasser. Camülenthee
u. dgl., was theilweise wieder erbrochen wird.
3 h. p. m. Temp. 88,0°, Puls 120. Starker Schweiss. Schmerzen in der
Lebergegend und beim Räuspern im ganzen Rumpf. — Pat. wird sorgfältig über-
wacht, so dass er das Bett nicht verlässt, und erhält warme Waschungen.
6 h. p. m. Temp. 37,0°, Puls 84. Subjective Besserung. Urin Tags über
800 g, bordeauxfarben , aber trübe ; Sediment neben Detritus viel rothe Blut-
körperchen und kleine Epithelien, keine Cylinder; Eiweissgehalt geringer, bei der
Heller’ sehen Probe tritt neben völliger Aufhellung der Flüssigkeit rother Satz auf.
28. VII. 96. 8 h. a. m. Temp. 36,2°, Puls 88. Nachts ruhiger, beaufsich-
tigter Schlaf. Status unverändert Urin 400 g heller, sehr trübe; das suspen-
dirte Sediment besteht — neben etwas Detritus und rothen Blutkörperchen —
fast nur aus kurzen hellgelben, nadelartigen Gebilden. Sowohl Teichm&nn'sche wie
Murexidprobe negativ, Heller’sche und Kochprobe stark positiv.
Behandlung dieselbe mit warmen Bädern und etwas Nahrungsaufnahme.
Tags über Temp. 37 — 37,8°, Puls 80-90, Urin wie vor.
29. VII. 96. Vormittags Status idem, Nachmittags wird der Urin — 200 g —
plötzlich ganz klar hellgelb, blut- und eiweissfrei. Sonst derselbe Zustand grosser
Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.
157
Mattigkeit, Schmerzen in der Leber- und rechten Schultergegend. Innere Orgaue
ausser der vergrösserten Milz nicht als verändert nachzuweisen.
30. VII. 96. Dauernd fieberfrei. Urin Vormittags braunroth, trübe, deut-
lich Blutfarbstoff, kein Eiweiss enthaltend, Nachmittags auch blutfrei. Im Blut
der Fingerkuppe 45—50% Hämoglobin.
81. ID. 96. Fieberfrei. Urin ganz eiweissfrei, Spuren von Blut Besse-
rung anhaltend. Pat. ist ausser Bett
Im August 96 bleibt Pat. matt und kränkelnd, sein Hämoglobingehalt steigt
nicht über 50%. Doch bleibt er fieberfrei bis auf , einen Temperaturanstieg bis
89° am 9. VIII. Als er darnach Chinin 0,5 mehrmals nimmt, zeigt der Urin
wieder Spuren von Blut Es wird ihm dringend wiederholt ärztlich gerathen, mit
dem nächsten Postdampfer am 30. VIU. das Schutzgebiet zu verlassen. Er bleibt
jedoch noch in Neu-Guinea bis zum 25. X. 96 und hat in dieser Zeit trotz Dienst-
befreiung und Pflege beständiges Krankheitsgefühl und häufige kleine Fieber, gegen
welche er Chinin ä 0,5 nimmt. Vor seinem Weggang wird — zur Attestaustei-
lung — am 20. X. 96 folgender Status aufgenommen:
Pat. ist mager, mit schlaffen Hautdecken, von bleicher Farbe, ohne Oedeme.
Die Augenbindehaut ist gelblich. Temp. 37.7. Herz innerhalb der normalen
Grenzen, Töne rein, Puls 92, klein, regelmässig. Lungen ohne Besonderheiten.
Milz reicht zum Bippeorande. An den übrigen Organer nichts Ungewöhnliches.
Urin gelb, klar, frei von Eiweiss; der Niederschlag nach Kochen mit 83% Kali-
lauge ist röthlich: Spuren von Blutfarbstoff. Im Blut beträgt der Farbstoffgehalt
70% des Normalen. —
Ich habe Gelegenheit genabt, den Pat. später wiedeizusehen. Er war weder
nach Europa, noch, wie ihm gerathen, nach Java zur Höhencur gegangen, sondern
hatte sich im November und December in Singaporo, im Januar und Februar in
Japan aufgehalten. Als ich ihn Anfang März 97 wieder in Singapore traf und
untersuchte, war er sehr elend, aber ausser Bett Er hatte beständig um 88 '
Temp., eine handbreit den Hippenbogen überragende Milz und beginnende Oedeme
um die Knöchel, die auf Herzschwäche schliessen liessen. Trotz allseitigen Zu-
spruchs verzögerte er seine Abreise.
Am ll. in. 97. brach Vormittags ein vierter Anfall von Schwarz-
wasserfieber bei ihm aus, zu dem ich gerufen wurde. Pat. hatte erst heftigen
Schüttelfrost, dann bei 40 — 40,5° tiefe Apathie, so dass ich nur erfahren konnte,
er habe kein Chinin unmittelbar vorher genommen, dagegen eine ihm von anderer
Seite verordnete Arsenkur Tags zuvor auf dem Höhenpunkt abgebrochen.
Ueber den Verlauf dieses Anfalls habe ich nur kurze Notizen ohne Temp.-
Angaben zur Hand. Pat. blieb bis zum 12. UI. Abends in hohem Fieber und
entleerte häufig kleine Mengen tintenfarbenen Urins. Drohende Herzschwäche
wurde mit Sect bekämpft, sonst erhielt er nur Camillenthee und Sodawasser. Am
12. III. bekam er dann verdünntes Liquor Fowleri tropfenweis in Wasser. Als in
der Nacht zum 13. HI. das Fieber abfiel und der Urin sich bis zur Sbcrryfarbe
aufhellte, wurde Pat. aus dem Hotel ins englische Hospital überführt. Hier ist
er — nachdem die Hämoglobinurie angeblich aufgehört — am 20. III. an Herz-
schwäche gestorben.
Nr. 20. (Zwei Anfälle von Schwarz Wasserfieber.) Ehemaliger Ma-
rine-Unterofficier, etwa 30 Jahre alt, seit Herbst 93 im Schutzgebiet. Uutcr-
ArcMr f. Schiff»- u. Tropenhjgiene. II. 1 2
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168
Dr. Otto Dempwolff.
setztcr muskulöser Mann, der ausser einem heftigen Malariaanfall October 94 nur
leichtere Fieber gehabt hat, die ihn selten dienstunfähig gemacht haben.
1. Anfall. 16. XII. 95. Anamnese: Am 14. XII. 2,5 g Chinin pro-
phylactisch. am 15. XII. trotzdem Fieberanfall; nach dem Abschwitzen Abends 1.5
Chinin, am 16. XII. Morgens 1,0 Chinin, Mittags langer Schüttelfrost, hohes Fieber,
dunkelrother Urin. Abends Aufnahme in’s Hospital.
Status praesens 16. Xü. Pat. liegt im Schweiss. Temp. 37,2°. Icterus
der Conjunctiven. Ausser mässiger Milzvergrösserung an inneren Organen nichts
Ungewöhnliches. Urinsediment nur körniger Detritus.
Behandlung: Keine Medicamente; viel Getränke, warme Bäder.
17. XII. Temp. 36,0^36.7 . Leichter Icterus der Haut; Urin hellt sich
auf. Viel Schweiss und Schlaf.
18. XII. Morgens. Temp. 36,1’. Chinin 1,5. Vier Stunden später
Schüttelfrost Stark dunkler Urin mit Detritus-Sediment. Heller'sche
Blutprobe gelingt erst nach Mischung mit normalem Urin. Temp. 39,2 bis 38,2*
(Abends) — keine Medicamente, warme Waschungen, viel Getränk.
19. XII. Fieberfrei. Ürin hellt sich auf, wird blut- und eiweissfrei.
20. — 27. Xü. Vollständige Reconvalftscenz ohne Verabfolgung von Medica-
menten.
Pat. macht vom 6. — 8. II. einen leichten Intermittensanfall durch, und ver-
braucht 8,5 Chinin — ohne Hämoglobinurie; ebenso vom 23. — 25. II. mit 2,75
Chinin.
2. Anfall. 23. HI. 96. Pat. weiss nicht genau anzugeben, wann er zu-
letzt prophy laotisch Chinin genommen. 4 Uhr Nachmittags bemerkt er blutigen
Urin; dabei Temp. 38,6°; Abends Temp. 37,7°. Der Urin zeigt deutlich Blutfarb-
stoff. Pat. bleibt zu Bett und schwitzt viel.
24. III. Temp. um 38,0’ bis Mittags. Urin hellt s\ph auf.
25. III. Pat. hat Nachts um 10 und um 3 Uhr Chinin genommen, zu-
sammen jedenfalls über 1 g. Morgens 8 Uhr: Fieber bis 39,4*. Urin dunkelroth.
Uämoglobmhaltig. Pat. schwitzt stark, hat Abends 36, 8e. Kein Chinin mehr.
26 III. Pat. ist fieberfrei. Urin hell, blut- und eiweissfrei.
Pat. ist seitdem matt und ermüdet sehr leicht. Er macht in den nächsten
beiden Monaten noch zwei leichte Fieberanfälle ohne Sch w-arz wasser durch, gegen
die er etwa 3,0 Chinin a 0,5 verbraucht. Am 10. V. 96 verlässt er auf Attest
das Schutzgebiet.
Nr. 21 (Drei Anfälle von Schwarzwasserfieber.) Pat. ist Anfangs
Zwanziger. Hat in Deutschland an schwerer Lues monatelang im Hospital gelegen
Magerer, schmaler Mann mit nervösen Bewegungen. Seit Februar 95 im Schutz-
gebiet, liat seine leichten Malariaattacken, ohne viel Chinin zu nehmen, „abge-
schwitzt.*1
1. Auf all. 28- XII. 95. Pat. erhält nach nächtlichem Fieberanfall um
7 Uhr Morgens Chinin 1,0. Mittags Fieber 38,2*. Urin dunkelroth.
Hämoglobin haltig. Icterus der Conjunctiven und Haut, Erbrechen, grosse
Schwache. Nachmittags wird Pat. in s Hospital gebracht, wo er unter reichlichem
Schweiss abfiebert uud ohue medicamentöse Behandlung gepflegt wird. Urin hellt
sich schon am 29. Xll. völlig auf. Icterus ist auch am 1. I. 96 völlig geschwunden,
worauf Pat. entlassen wird.
Am 4. I. hat Pat. Durchfall im Auschluss au kleine Aicuholexcesse.
Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guiuea.
169
Am 7. I. machte er ein leichtes Fieber durch, bei dem auch im Urin deut-
lich Blut nachzuweisen ist; dabei bat er keine Arzneimittel genommen (ausser
seit dem 1. I. Ferr. reduct. 0,1 tgl. 3 mal.)
2. Anfall. 15. I. 96. Nachmittags trat Fieber auf, Abends erhält Pat.
Chinin 1,0. Nachts Schüttelfrost, Erbrechen, Fieber, dunkelrotber
Urin.
16. I. fieberfrei; kein Chinin; permanentes Erbrechen, steter Schweins trotz
vielem Wäschewechsel, Icterus der Conjunctiven. dauernd blutiger Urin; schlaf-
lose Nacht.
17. I. Status idem, schneller Kräfteverfall, Ohnmachtsanwandlungon beim
Aufrichten. Pat. wird ins Hospital gebracht.
18. I. Pat. ist sehr unruhig, Temp. norm., Puls 120 — 130. klein, weich.
Urin hellt sich langsam auf; sonst Status idem.
19. I. Vormittags vorübergehend 38,0°. Erbrechen hört auf. Pat. wird
ruhiger und sehr matt Urin hell, blut- und eiweissfrei.
20. — 30. I. Sehr langsame Besserung.
31. I. Neuer Fieberanfall, Urin klar. Kein Chinin.
1. II. Ebenso, heftiger. Chinin 1.0. Urin bleibt klar.
2. II. Ebenso, leichter. Chinin 1,5. Urin klar. Viel Schv. jiss u.id Brechen.
Grosse Schwäche.
2. — 21. II. Langsame Reconvalescenz. Grosse Erregbarkeit. Nach see-
lischen Erregungen kurze Temperatursteigerungen bis 38,4°. Chinin 8,0 prophy-
laktisch.
22. und 28. II. Heftiger Fieberanfall, nachdem Pat. einen schwer verletzten
Javanen blutüberströmt gesehen. Chinin 8,0. Urin klar.
27. II. — 11. HI. Es bilden sich mehrere grosse Furunkel an der rechten
Wange. Da Pat. messerscheu ist, werden sie mit, Reisumschlägen behandelt.
Am 11. ID. Incision der Furunkel und Eiterentleerung, worüber Pat. un-
gemein erregt wird, und ein Fieber befürchtet
3. Anfall. 11. IH. 96. Pat. nimmt deshalb Abends 9 Uhr Chinin 1,5
prophylactisch. Um 2 Uhr Nachts Schüttelfrost, Athemnoth, Temp. 39,7°. Er-
brechen, Urin schwarzroth, stark eiweiss- und blutfarbstoff haltig.
12. HI. Kein Arzneimittel. Allmälige Abfieberung unter starkem Schweiss.
Urin 'wird klar, blut- und eiweissfrei. Im Blut 25% Hb!
Pat. hat am 15. HL 96 mit dem Postdampfor das Schutzgebiet verlassen
und ist in Deutschland angekommen.
Nr. 22. (Zwei Anfälle von Schwarzwasserfieber.) Eude Zwanziger.
Seit Juni 93 im Schutzgebiet Weniger Malariaanfälle als andere, darunter an-
geblich im ersten Jahre einmal Schwarzwasserfieber. Aversion gegen Chinin.
Kleiner, kräftiger Mann, Turner.
1. Anfall. 15. I. 96. Am 18. I. leichtes Fieber, das am 14. I. anhält,
trotz zweier Dampfbäder und Chinin 1,5. In der Nacht vom 14. zum 15. an-
geblich drei Schüttelfröste, hervorgerufen durch unbekleidetes Gehen zum Abort
und Wecken des schlafenden Boys; darauf Fieber über 40°, dunkler Urin, grosse
Schwäche, gegen Morgen starker Schweiss.
Status praosens: 15. I. 7>> » T. 39.7. P. 140. Pat. liegt unruhig
im Schweiss. Icterus der Conjunctiven und der Haut, Sensorium klar. Urin
200 g porterfarben. Kochprobe zeigt scbmutzigbraunos Gerinsel an der Ober-
12*
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160 Dr. Otto Dempwolff.
fläche. Heller' sehe Blutprobe positiv. Sediment besteht nur ans dunklem körniges
Detritus.
Pat. wird ins Hospital transportirt. Hier schwankt die Temperatur zwischen
88,2° und 39,7° fallt dann dauernd unter 88’. Dabei starker Sohweiss, etwas Er-
brechen, innere Unruhe, heftige Herzpalpitationen. Urin noch 400 g, wie oben. —
Kein Arzneimittel, lauwarme Waschungen, Thee, Sodawasser, Sect
16. I. Nachts etwas Schlaf. Tags fieberfrei. Viel Schweiss. Grosse
Schwäche und Unruhe. Urin hellt sich auf, Blutprobe noch positiv. Behandlung
wie vor.
Vom 17. — 22. I. Fieberfrei. Urin dauernd blut- und eiweissfrei. Icterus
verschwindet Ziemlich schnelle Reoonvaleseenz.
22- I. geheilt aus dem Hospital.
Nach kleinen Alcoholexcessen vom 29. I. bis 2. H. nachmittägliche Fieber,
gegen die Pat. erst am 2. II. und 3. H. Morgens Chinin 1,5 nimmt Der Urin
ist in dieser Zeit dauernd normal. Am 3. II. begiebt sich Pat, obwohl noch
schwach, auf eine dreiwöchentliche Seereise zur Erholung.
2. Anfall. Anamnese: Auf dieser Reise am 22. H. Morgens Uandausflug
in Sonnenhitze, Abends kaltes Flussbad. Nachts zutn 23. II. Fieber. Am 22. H
Abonds und 23. II. Morgens je 1,0 Chinin. Seit 23. II. Mittags schmerzhafte
Blutharnen, Gelbsucht, unstillbares Erbrechen, Schlaflosigkeit, tiefe Erschöpfung.
Schweiss, hoi jedem Luftzug Frösteln, oft Schüttelfröste, Temp. bald 36’ bald
über 40’.
Status praesens 25. II. 2b-P m- Pat. liegt in passiver Rückenlage auf einer
Bank in der Cajüte; seine Hautdecken sind dunkelgelb, die Augen geschlossen,
der Unterkiefer bängt herunter, der Athem geht ziemlich ruhig, Puls 120, regeln
Temp. 37.2’. Auf Fragen schlägt er die Augen auf, und giebt Antwort, ist aber
sofort wieder apathisch. An den inneren Organen als krankhaft nnr die ver-
grösserte Milz zn finden. Urin dunkelroth, Sediment nur feinkörniger Detritus:
Blut- und Eiweissprube positiv.
Pat in’s Hospital gebracht erhält ein hoisses Bad (40’ C.), in dem er 4 Mi-
nuten trotz Widerstreben gehalten wird. Darnach starker dreistündiger Schweiss.
später Nachschweiss.
26. II. Nachts Ruhe und Schlaf. Tags Temp. 86 — 37°. .Kein Erbreche:
mehr, leichter Schweiss. Im Urin noch Blut und Eiweiss. Keine Medicaraeste
27. — 29. II. Fieberfrei. Icterus verschwindet. Urin hell, trübe, kein
Blutfarbstoff, otwas Eiweiss. Tiefe Schwäche und nervöse Reizbarkeit Klystier».
I. — 10. IH. Sehr langsame Reoonvaleseenz. Urin dauernd gut Liqu. ferr
albuminat. tgl. 3mal 10.0.
II. III Mittags Fieber bis 89,5’. Kein Chinin.
12. 111. Morgens Chinin 0,7. Darnach Fieber bis 88,0.’
13. III. Morgens Chinin 0,7. Fieberfrei. Urin dauernd gut
Tat verlässt am 15. in. das Schutzgebiet Damals 25 — 30*/» Hämo-
globin. Er hat, brieflichen Nachrichten zufolge, im Sommer 96 noch einmal is
Deutschland einen Schwarzwasserfieberanfall überstanden, und ist darnach gänz-
lich malariafroi geblieben.
Nr. 23. (Ein Anfall von Schwarzwasserfieber. Lethale Ahnria.1
Mitte Zwanziger. Ehemals Marine-Unterofficier; seit Juli 95 im Lande. Kleiner,
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 161
muskulöser Mann, hat häufige leichte Fieber gehabt, war Anfang 96 wochenlang
auf einer Nebenstation als einziger Europäer.
Am 9. und 10. III. 9b. Intermittensanfälle, 4,0 Chinin.
Am 15. DI. Bootsparthie, Durchnässung, Alcoholexcess. Vom 20. — 21. III.
Fieber, Chinin 8,0. Am 23. HI. Morgens 36 ", Chin. 1,2.— 9 •»• *>'*•“• noch von
mir besucht: Temp. 36,4°. P. 90 weich. Schweiss, Mattigkeit. Mittags angeblich
im Anschluss an das Erbrechen einer Chininkapsel einstiindigcr Schüttelfrost,
Delirion, schwarzrother Urin, Gailerbrechen. Die von anderer Seite gemessene
Temp. soll 41,3° betragen haben.
Status praesens 23. III. 96. Sb-P-™- T. 41,4°. P. HO. Herztöne rein.
Lippen livide. Gailerbrechen. Im Regen in’s Hospital überführt. Hier T. 41,2°.
P. 120. Sensorium klar. Haut heiss, trocken. Icterus gering. Kein Erbrechen.
Urin 200 g schw&rzroth. Sediment nur körniger Detritus. Viel Eiweiss. Heller’sche
Blutprobe auf Zusatz von normalem Urin positiv. — Pat. bekommt ein Bad 30° C.
10 Minuten, später ein Klysma, Abends Ganzpackung, kein Medicament, viel
Selterwasser. T. sinkt nur bis 39,8°.
24. III. Nacht schlaflos. Ab und zu Erbrechen. Erst nach zwei Ganz-
packungen von je zwei Stunden uud Bad 30° 10 Minuten tritt Mittags Schweiss
und langsame Abfieberung auf. Nachmittags ein spontaner Stuhl uud nach 21-
stündiger Pause 110 ccm schwarzrothen Urins. Sonst Status idem.
25. III. Pat ist fieberfrei. Haut stets feucht, zunehmend icterisch. Un-
stillbares Erbrechen, leichter Singultns. Beginnende Apathie. — Vollbad, Klystna, —
Sodawasser, Haferschleim, Rothwein u. s. ,w. — Kein Urin! Deshalb Abends sub-
cutane Injection von 700 cm 0,6% Kochsalzlösung von 40° C.
26. HI. Fieberfrei. Urin nach 38stündiger Pause 7 ccm, trübe, gelbgrün-
lich, wenig Blut, sehr viel Eiweiss, Sediment nur Detritus. Zuehmendo Apathie,
Mittags 4 Stunden Schlaf, sonst stetes Erbrechen, zunehmender Singultus. —
Vollbäder, kalte Güsse, heisse Sitzbäder, Klysmata, Catherisation und Blasen-
epülung mit 0,6% warmer Kochsalzlösung. — Viel Getränke und Stimulanzen,
die meist erbrochen werden.
27. HI. Stat. id. Kein Urin. — Liqu. Kal. aoet erbrochen, Diuretin 0,5
subcutan. Amoniacalische. urinöse Hautausdünstung.
28. HI. Stat. id. Dreimal je 3—5 ccm Urin, klar, olivenfarben, blutfrei,
fast ganz zu Eiweiss erstarrend. — Stuhlgang schwarz.
29. in. Stat. id. Urin zweimal wie Tags zuvor. Abends ein urämischer
Anfall, clonische Krämpfe, 5 Min. lang, ohne Bewusstsein, mit späterer Amnesie.
30. HI. Zunehmende Schwäche und Apathie, aber klares Sensorium. Zwei-
mal im Sitzbad je 10 ccm Urin, wie zuletzt, mit hyalinen Cylindern. Dreimal
spontanen Stuhl: reine Galle. Erbrechen nur zweimal. Stets Singultus. Etwas
Schlaf. — Neben allerlei Excitantien Diuretin 1,2 subcutan.
31. in. Subnormale Temp. 35.4 Urin 10 ccm. Sonst Stat. id. Diuretin
5,0 per Klysma.
1. IV. Nachts sohlaflos wegen unstillbaren Singultus. Temp. unter 86°.
Sensorium klar, jedoch ohne Krankheitseinsicht. Nachmittags zunehmende Schwäche,
Abends 7h 45’ gleich nach einem Sitzbad urämischer Anfall, Nystagmus, Chevne-
Stoke, auf Aether 2,0 subcutan noch 5 Minuten Sopor, dann wieder Krämpfe,
und trotz Aether noch vor 8h Exitus.
Die am nächsten Morgen vorgenommene Bauchseotion ergab: In der
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Dr. Otto Dempwolff.
Bauchhöhle 2 Esslöffel trüber gelber Flüssigkeit. Netz fettreich. Milz 14 at
lang. 8.7 breit, 2.8 dick; Kapsel derb, Schnittfläche blass, Zeichnung undeutlich
Nieren 14,3 cm lang, 9 cm breit. Kapsel leicht anziehbar. Consistenz hin.
Zeichnung der Schnittfläche stark ausgesprochen, unverändert, dabei: linke Niert
dunkelbauroth, rechte blassrosa. Weder an den Harnleitern, noch an den Nieres-
gefässen grob anatomische Veränderungen. Harnblase stark zusammengezoget.
leer. Leber: 26,5 cm lang, 20.5 breit, 8,7 dick. Kapsel ohne Auflagerunges,
von glatter Oberfläche, unter der man die Leber selbst grob gekörnt durchfüih.
Schnittfläche zeigt ockergelbe etwas erhabene, durch braunrothe schmale Zwischea-
substanz getrennte Leberläppchen von Linsen- bis Pfenniggrösse ohne fernen-
Zeichnung. Gallenblase mit Galle angefüllt, Gallenwege und Lebergefässe ohae
sichtbaro Veränderung. — Auffallend ist der gute Ernährungszustand der Leiche.
Nr. 24. (Zwei Anfälle von Schwarz Wasserfieber.) Anfang Vier-
ziger. Ehemaliger Marineofficier. Gross und schlank, Germanentypus. Lange
in Ost-Afrika und anderen Malarialändera gelebt wo er nur auf Stunden Fieber
gehabt hat Seit November 98 im Schutzgebiet; hier eigentlich nur einmal.
August 95 durch dreitägige Continua dienstunfähig gewesen.
1. Anfall. 9. VII. 96. Im Mai 96 acute Erkältung gelegentlich eine:
Dienstreise; seither Frösteln und Kreuzschmerz bei Wind. Am 7. VH. J — 2 g
Chinin gegen kleine Temperatursteigerung, und vermehrte Kreuzschmerzec.
8. VII. Besserung. 9. VII- Chinin 1,0. Vier Stunden darnach Frösteln, erneute
heftige Kreuzschmerzen, angeblich kein Fieber.
Status praesens. 9. VII. 5& P “■ Temp. 88,2'. Puls 100. Ange-
griffenes Aussehen. Haut etwas feucht. Conjunctiven rein. Innere Organe ausser
massig vergrösserter Milz normal. Urin c. 100 g schwarzroth. Sediment: viel
Detritus. Rundzellen und sparsame rothe Blutkörperchen. Koohprobe stark poräiv
Heller'sche Blutprobe ohne Satz. — Kein Medicament. Watte auf s Kreuz. Ca-
millenthee.
10. VH. Fieberfrei. Urin hellt sich auf. Pat. steht auf.
12. VII. Urin blut- und eiweissfrei. Zunehmende Besserung.
14. VII. Pat. fühlt sich gesund und thut Dienst Im Blut 75V» Hb.
2. Anfall. 11. Yin. 96. Pat. hat Anfangs August neues Fieber be-
kommen, das sich zu einer Remittens ausbildet, die allen Maassnahmen trotr.
hauptsächlich, weil Pat. durch kein Mittel und keinen hydrotherapeutischen Ein-
griff zum Schwitzen zu bringen ist. Pat. hat vom 1. — 6. VTU. etwa 9 g Chine
genommen, dann ausgesetzt, in der Absicht, am 10. VIII. eine energische Chiainkur
mit 8,0 pro die zu beginnen. Er nimmt am 10. VIU, Chinin 1,0, am 11. VHL
zweimal dieselbe Gabe. Dabei ist der wiederholt untersuchte Urin hellgelb, Hat.
frei von Blut, Eiweiss und Zucker.
Am 11. VIU. Nachts plötzlich heftige, beängstigende Rücken- und Girtai-
sehmerzen. Hämoglobinurie, die nach reichlicher Flüssigkeitsaufnahme schon in
Laufe des 12. VIII. verschwindet; dabei kein Erbrechen, Icterus u. s. w. China
wird dauernd ausgesetzt.
Die febris remittens hält mit Temp. zwischen 87,6* und 88,8' noch woefe«-
Ituig an. ohne jedoch den kräftigen Pat. wesentlich herunterzubringen ; Schlaf und
Appetit sind gut, nur Neuralgien im Rücken und nervöse Erregbarkeit treten ant
Erst Mitte September weicht das Fieber bei einer Höhencur in Java, zu der Pst
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guioea. 163
am 80. TIU. das Schutzgebiet verlicss. Er ist im December von Java voll-
kommen gesund nach Deutschland heimgekehrt.
Nr. 25. (Zwei Anfälle von Sohwarzwasserfieber.) Etwa 30 Jahre.
Seit October 94 im Schutzgebiet. Grosser, mittelstarker Mann von lebhaftem
Temperament. Häutige leichte Fieber.
Der erste Anfall trat am 7. I. 97. im Verlauf eines gewöhnlichen Fiebers
mit mässigem therapeutischen Chininverbrauch auf, bestand in starker Hämo-
globinurie und leichtem Conjunctivalicterus ohne andere Complirationen; der
Urin hellte sich in 2 Tagen unter symptomatischer Behandlung und Aussetzen
aller Medicamente zur Norm auf.
Weitere Notizen über diesen Fall fehlen mir, da ich ihn nur in Consul-
tation sab.
Pat. hat noch einen zweiten Anfall von Hämoglobinurie im März 97 über-
standen, und daraufhin im April 97 das Schutzgebiet verlassen.
Epikrise.
Das Gemeinsame aller dieser Krankheitsfälle war das „Schwarz-
wasser“. Dass es sich um Hämoglobinurie handelte, ist von mir in
jedem Falle — auch wenn es nicht jedesmal erwähnt ist — chemisch
und mikroskopisch festgestellt. Gleichzeitiger Icterus war nicht so
constant. Andere Begleiterscheinungen — Gallerbrechen u. s. w.
wechselten sehr. — Sämmtliche befallenen Personen lebten seit min-
destens neun Monaten in einem Malarialande, hatten wiederholt ge-
wöhnliche Fieber gehabt, meist auch unmittelbar vor dem Schwarz-
wasserfieber Anfall, oder, mit anderen Worten, sie bekamen im \ er-
lauf einer latenten oder manifesten Malaria einen Anfall von Hä-
moglobinurie. Hierbei an eine accidentelle neue Krankheit zu denken,
gar an eine neue Infeetionskrankheit, war durch nichts gerechtfertigt;
der Zusammenhang mit Malaria lag auf der Hand; die Congruenz
mit den anderwärts beschriebenen Fällen, bei denen Plasmodien ge-
funden sind*), schloss jeden Zweifel aus.
Dass Blutzersetzung — denn in einem plötzlichen Austritt des
Hämoglobins aus den rothen Blutkörperchen liegt der Ursprung der
Hämoglobinurie — dass Blutzersetzung als seltenes, „pemieiöses*
Symptom gerade bei einer Infeetionskrankheit, die sich im Blut ab-
spielt, auftreten könne, wäre ein nahehegender, ein „natürlicher“
Zusammenhang. Trotzdem konnte ich den Vorgang nicht als ein,
wenn auch seltenes, so doch der tropischen Malaria eigenthümliches
*) F. Plehn: Ueber das Schwarzwasserfieber an der afrikanischen Westküste
Deutsche Med. Wchschr. 1895. N. 25 — 27.
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164
Dr. Otto Dempwolff.
Symptom anerkennen, sondern hielt sie für eine von aussen hinein-
getragene Complication.
Zunächst hatte ich hierfür einen historischen Grund. Malaria,
auch in den schwersten tropischen Formen, ist seit Jahrhunderten
den Aerzten klinisch bekannt und von ihnen oft und gut beschrieben
worden: aber Blutharnen wird nie erwähnt. In dem die ganze da-
malige Literatur verwertkenden Buch von Hasper aus dem J. 1831*),
welcl es ich draussen besass, werden Urine bei Gelbfieber und Pest
sehr ausführlich beschrieben, aber vom Urin bei Malariafieber ist nur
von „hoch gefärbten und rothen“ und von „grünen, grünlichbraunen“
die Rede, nicht von den unverkennbar schwarzrothen des Blutharns
Zu diesem negativen kommt noch das positive Zeugniss Hirsch’s**),
der mit vielfachen Literaturbelegen darthut, dass Schwarzwasserfieber
erst um die Mitte dieses Jahrhunderts beschrieben wird. Es ist
dies dieselbe Zeit, wo die Chininsalze erfunden waren, und
schnelle Verbreitung fanden.
Dazu erschienen in jenem Sommer 95 die Arbeiten von Steudel
und F. PI ahn, in denen u. a. der Letztere ausfuhrt: „Das Chiain
vermag .... beim relativ Gesunden Hämoglobinurie hervorzurufen,
ein gewöhnliches Fieber in ein hämoglobinurisches zu verwandeln
und ein hämoglobinurisches in erheblicher Weise zu verschlimmern**.
In demselben Sinne hatte mir bereits bei meiner Ankunft der seit
etwa 5 Jahren im Land wirksame Missionsarzt Dr. Frobenius
erzählt, dass er u. a. bei zwei Missionarsfrauen nach kleinen Chinin-
gaben unter 1,0, sei es therapeutisch, sei es prophylactiich gegeben,
fast immer Schwarzwasser beobachtet habe.
Endlich haben mich die von mir selbst gesehenen Fälle zu dem
Schlüsse geführt, dass die Blutzersetzung kein reines Mp.lariasymptom,
sondern eine Complication sei, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit
in causalem Zummenhang mit dem genossenen Chinin stehe, also zn
den Nebenwirkungen der Arzneimittel zu rechnen sei. Bei
Nr. 19, 3, Nr. *20, 1, Nr. 21, 1, 2 und 3, Nr. 22, 2 und Nr. 24, 2
ist das „post hoc“ so rein ausgeprägt, dass ich auch von dem „propter
hoc“ überzeugt wurde.
Infolge dieser Thatsachen und Schlussfolgerungen kam ich zu
*) Hasper: Ueber die Natur und Behandlung der Krankheiten der Tropen-
linder— Leipzig 1831.
**) Hirsch: Handbuch der historisch -geographischen Pathologie Stuttgart
1881-86.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea.
166
dem Entschluss, in Uebereinstimmung mit Fisch*), Kohlstock**) und
F. Plehn***), Chininauszusetzen, so lange als Blut im Urin war. Nur
beim ersten beobachteten Anfall (Nr. 19, 1) habe ich noch geschwankt,
und mit mittleren Chiningaben experimentirt. Von andern Arznei-
mitteln gab ich nur milde Laxantia und Stimulantia, und suchte
durch reichliche Flüssigkeitszufuhr die Diurese aufrecht zu erhalten.
Daneben verordnete ich hydrotherapeutische Maassnahmen und legte
das Hauptgewicht auf die unausgesetzte Pflege, kurz eine Behandlung,
wie sie in den citirten und anderen Arbeiten ausführlich beschrieben
ist. Hierdurch ist jeder Anfall in mindestens 1 2, höchstens 90 Stunden
zum Schwinden gebracht, mit Ausnahme von Nr. 23, bei dem das
Hämoglobin durch die functionsunfähigen Nieren nicht ausgeschieden
werden konnte, dafür aber in Gestalt von Galle sich einen Ausweg
suchte, und die Leber in exstremster Weise in Anspruch nahm, wie
der Sectionsbefund bewies. Ob in Nr. 19,4 die wieder aufgenommene
Arsentherapie die Ilaemoglobinurie zum Stillstand brachte, wage ich
ebenso wenig zu entscheiden, wie ich diesen Anfall selbst dem plötz-
lichen Unterbrechen der Arsenkur mit Sicherheit zuschreiben kann.
Noch ein Bekenntniss will ich nicht unterdrücken, dass ich nämlich
glaube, in Nr. 23 mit der Hydrotherapie des Guten zuviel gethan
zu haben, und durch die forcirten Schwitzcuren zwecks Herabsetzung
der hohen Temperatur am ersten Krankheitstage, bei gleichzeitigem,
ungestilltem Erbrechen eine Eindickung des Blutes herbeigeführt zu
haben, welche wiederum die Anurie verursacht oder verschlimmert
hat. Es möge dieser Missgriff eine Warnung für ähnliche Fälle sein.
Nach überstandenem Anfall gab ich stets — auch wenn es nicht
in meinen Notizen angeführt ist — Eisen, meist als Albuminat, und
erlaubte Chinin in der Regel erst wieder, wenn der Hämoglobin-
gehalt sich nach Prüfung mit dem Fleischl’schep Apparat gehoben
hatte; auch in der letzten Zeit nur in kleineren Gaben (0,3 — 0,7),
als sonst zur Bekämpfung und Vorbeugung acuter Fieberanfälle üb-
lich waren (1,0 — 2,0).
Die Erfolge dieser abwartenden und vorsichtigen Therapie waren
derartige, dass ich mich auf Versuche mit anderen Methoden (hohe
Chiningaben, Phenocoll u. s. w.) nicht eingelassen habe: 1 Todesfall
unter 7 Erkrankten und unter 14 Anfällen.
Wenn ich noch die 6 gleichen Anfälle bei weiteren 4 Europäern
*) Fisch: Anleitung zur Behandlung tropischer Krankheiten. Basel 1891.
**) Kohlstock: Berl. klin. Wchschr. 1892. Nr. 18.
***) F. Plehn. a. a. 0..
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166
Dr. Otto Dempwolff.
hinzurechne, die in derselben Zeit und später (bis Ende 97) tos
anderen Aerzten in Deutsch-Neu-Guinea nach gleichen Grundsätzen
behandelt wurden und durchkamen, so stellt sich die Mortalität auf
1:11 Personen, oder 1 : 20 Anfälle, also auf 9 #/0, resp. 5°/#. Da-
mit steht unser Schutzgebiet ähnlich da, wie die afrikanischen, die
(nur Erkrankungen rechnend), an verschiedenen Stellen*) bei einem
Material von 18 — 53 Anfällen zwischen 4 °/0 und 17,4 °/# Mortalität
aufweisen. Auch in dieser Hinsicht also verdient Neu-Guinea iur
besser als sein Ruf anerkannt zu werden.
Infolge der schnellen Genesungen und oft überraschenden Re-
convalescenzen habe ich durchaus nicht gleich Jedermann^ der einmal
Schwarzwasserfieber überstanden, für reif zur Heirosendung erklärt.
Es lag dies aber an den in Frage kommenden, von Hause aus sek
kräftigen Personen — ich hüte mich deshalb vor Verallgemeinerung
Auch diese wurden an Ort und Stelle in kurzer Zeit dienstunfähig; die
Seereise in Nr. 22 war nur von ungünstigen Einfluss; gewöhnlicher
Klimawechsel ist nicht immer erfolgreich, wie Rückfälle beweisen, die
zum Theil veröffentlicht, zum Theil mir mündlich mitgetheilt sind. Für
die einzig Erfolg völliger Genesung und Tropendiensttauglichkeit ver-
sprechende Maassnahme muss ich nach den jetztigen Erfahrungen
eine Höhencur, in den Tropen, oder im Sommer der gemässigten
Zonen halten, und ich komme wieder auf die Forderung eines Höhen-
sanatoriums im Schutzgebiet selbst zurück.
Ich fasse folgende These als Ergebniss dieses Capitels zusammen:
Schwarzwasserfieber kommt zur Zeit in Deutsch-Neu-Guinea —
wie in Afrika — als Complication von tropischer Malaria vor; e
besteht in Hämoglobinauflösung im Blut und -ausscheidung durch
Leber und Nieren, und ist wahrscheinlich als Nebenwirkung von
therapeutisch oder prophjlac tisch gebrauchten Chininsalzen anzusehen
Das Wesen und die Bedingungen dieser paradoxen Chinin Wirkung
sind unbekannt. Rein abwartende Behandlung ohne Chinin mit gute
Pflege hat bisher die günstigsten Resultate erzielt Die Tropentaug-
lichkeit ist von Fall zu Fall zu entscheiden; es ist anzunehmen, da&
sie durch vorübergehenden Höhenaufenthalt zu erhalten oder wieder-
zugewinnen ist.
*) Kohlstock in Deutsche med. Wchscbr. 1865. Nr. 48.
A. Plehn: Tropische Malaria in Kamerun. Berlin 1896.
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Zur Frage des prophylactischen Chiningebrauchs in tropischen
Malaria-Gegenden
von
Dr. 0. Schellong, Königsberg.
In der Behandlung der tropischen Malaria hat das Chinin den
ersten Platz behauptet und konnte darin auch durch kein anderes
Medicament, wie Arsenik oder Methylenblau verdrängt oder auch
nur ersetzt werden. In dieser Beziehung herrscht unter den Tropen-
ärzten aller Nationalitäten und aller Gegenden der Welt eine geradezu
imponirende Uebereinstimmung*). Divergirende Anschauungen sind
nur über die Art und Weise des Chiningebrauchs, z. B. über die Zeit
der Darreichung, die Höhe der Einzeldosis etc. hervorgetreten ; aber
auch hier gilt als feststehend, dass man mit einer energischen
Gesammtmenge des Medicaments operiren muss, wenn man einen
guten Heilerfolg erzielen will; es gehört eben — das ist die Er-
fahrung der Practiker — eine Reihe fortgesetzter Chiningaben
dazu, um die Malaria zu heilen, oder richtiger gesagt, den Kranken
in einen Zustand Zurückzufuhren, in welchem er wiederum gesund
erscheint, keine Fieberanfälle mehr bekommt, keinen Milztumor und
keine auffallende Anämie mehr aufweist**). Wird das Chinin dagegen
in ungenügender Menge gegeben, so sind zahlreiche neue Fieber-
anlälle das Gewöhnliche und die Kranken verfallen schliesslich dem
Malariasiechthum: das Eine für den Practiker so selbstverständlich
wie das Andere und ausserhalb jeder Discussion stehend.
Hier soll nur von einer bestimmten Art des Chiningebrauchs,
dem sog. prophylactischen Chiningebrauch die Rede sein. Was
*) Just Navarre (Lyon med. 10. Mai 1896) giebt dem Ausdruck, indem er
sagt, dass ein Leben für den Europäer in den Tropen ohne Chinin überhaupt
nicht denkbar sei.
**) Ob die Malariaparasiten dann den Körper verlassen haben, die Heilung
also eine absolute ist, wird in den meisten Fällen unentschieden bleiben, da man
ja im Allgemeinen nur die Abwesenheit der gerade im Blut kreisenden Parasiten
nachzuweisen im Stande sein wird.
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168
Dr. 0. Schellong.
bezweckt derselbe? Roll er die Krankheit verhüten? oder nur das
Hauptsymptom der Krankheit, den Fieberanfall? oder soll das Chinin
vor den schweren Malaria-Erscheinungen schützen, vor dem
pemiciösen Fieber, der Hämoglobinurie, der Malariakachexie, dem
Impaludismus in seiner schwersten Form? 0
Strenge genommen könnte doch nur von einer Prophylaxe der
Krankheit, nicht auch von einer solchen bestimmter Krankheite-
symptome die Rede sein, und consequenter Weise müsste man sich
also den Begriff des prophylactischen Chiningebrauchs für diejenigen
selteneren Fälle reserviren, in denen ein Mensch Chinin nimmt, noch
bevor er die Malariagegend betreten hat; denn in dem andern Falle,
in welchem die Malariainfection erst etablirt und manifest geworden
ist, wird es sich doch richtiger um therapeutische Chininwirlamgen
handeln, und der prophylactische Chiningebrauch bei Malaria wäre
dann gleichbedeutend mit der Malariabehandlung durch fort-
gesetzten Chiningebrauch.
Fassen wir zunächst die folgenden Punkte in’s Auge: t. Welches
ist der gewöhnliche Hergang einer Malariainfection in einer tropischen
Malaria-Gegend? 2. In welcher Weise wird dieselbe durch das Chinin
beeinflusst?
In ersterer Beziehung ist daran festzuhalten, dass die Malaria-
infection fast ausnahmslos von einem Jeden acquirirt wird, welcher
sich eine Zeit lang in einer tropischen Malaria-Gegend authält; und
zwar ziemlich ohne Unterschied vom Europäer, wie vom Farbigen;
die Eingeborenen der Malaria -Gegend selbst erkranken in einem
ausserordentlich hohen Procentsatz an Malaria*). Unbezweifelt ist
ferner die Thatsache, dass die Malariainfection, einmal etablirt, in
den allermeisten Fällen einen chronischen Krankheitszustand
darstellt, in welchem die Anämie vorherrscht und welcher den
Kranken nicht mehr verlässt, so lange er an dem Malariaheerd
verbleibt. Das beweisen noch deutlicher die Fälle, in denen Eu-
ropäer nach der Rückkehr in die Heimath, noch Monate hindurch
Fieberattacken bekommen, auch ohne dass dieselben beim Verlassen
der Fiebergegend als besonders schwer inficirt anzusehen gewesen
waren. Auf der andern Seite kann man sich der Thatsache nicht
verschliessen , dass einige wenige Individuen eine' an Immunität
grenzende Unempfindlichkeit gegenüber der Malariainfection besitzen ;
*) Abgesehen davon, dass ich stets eingeborene Papuas der Finschha-
fener Gegend (Neu-Guinea) am „Fiefer“ leiden sah, so konnte ich auch hei
84 V« derselben deutlich palpable Milztumoren nach weisen.
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Zur Frage des prophy laotischen Chiningebrauoha in trop. Malaria-Gegenden. 169
den gleichen Infectionsbedingungen ausgesetzt, wie die andern, er-
kranken sie überhaupt nicht, oder nur mit geringfügigen Krankheits-
erscheinungen, welche nicht viel mehr als die Bedeutung eines vor-
übergehenden Unwohlseins beanspruchen. Solche bevorzugte Indivi-
duen sind zugleich die Repräsentanten eines auch sonst brillanten
Gesundheitszustandes; die anderen, welche der Infection anheimfallen,
sind die körperlich Schwächeren. Je mehr Anämie, um so mehr
Malaria! Das gilt auch umgekehrt: Keine Heilung der Malaria
ohne gleichzeitige Hebung der Anämie.
In einer Gegend, wo Alle fast ausnahmslos an Malaria erkranken,
hat die Vorstellung von dem ubiquitären Vorhandensein der
Malariaerreger nichts Gezwungenes; und ich denke mir, dass an
einem solchen intensiven Malariaheerd continuirlich eine mehr
oder minder grosse Anzahl von Malariaerregern in den Körpern eines
jeden Menschen, gleichgültig zunächst auf welchem Wege, hinein-
gelangen; und auch mehr oder minder vollständig durch die natür-
lichen Kräfte des Organismus wieder ausgeschieden werden können;
ob die Infection dann (durch Fieber) überhaupt manifest wird und
ob sie ein Mal oder wiederholt manifest wird und ob schliesslich
schwere Schädigungen des Organismus daraus resultiren oder nicht,
hängt zunächst von der Energie der dem Körper innewohnenden
Schutzkräfte ab. Das Gewöhnliche sind die Schädigungen, wenn
sich der Mensch auf seine eigenen Widerstandskräfte verlässt; nur
ausnahmsweise fehlen diese, die Anämie und der Milztumor.
Viel schwieriger hegt die andere Frage, in welcher WTeise
das Chinin bei der Bekämpfung der Malariainfection wirk-
sam ist. Da Malariakranke, wenn auch nur ausnahmsweise, ohne
Chinin heilen können, so ist damit zugleich gesagt, dass das Chinin
nur ein Hülfsmittel in der Bekämpfung der Malariainfection, d. i.
in der Herausschaffung der Malariaparasiten aus dem Körper sein
kann, wenngleich ‘ein Hülfsmittel von hervorragendem Werth und
naeistentheils überhaupt nicht zu entbehren. Das Chinin ist ein
Specificum gegen die Malaria; .es tödtet die Parasiten im Blut.
Die weitere Frage ist nur: tödtet dasselbe die Parasiten direct,
nach Art eines Giftes (Binz) oder schafft es nur besondere Be-
dingungen im menschlichen Körper und tödtet die Parasiten indirect,
ndem es neue Schutzkräfte im Körper schafft oder die schon vor-
handenen vorübergehend erhöht?
Die Malariaparasiten werden, wie wiederholte Untersuchungen
am lebenden Blut des chininisirten Menschen dargethan haben, nach
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170
Dr. 0. Schellong.
vorübergehender Reizung in einen gelähmten Zustand versetzt, in
welchem sie das Vermögen der Aufnahme gewisser Farbstoffe und die
Fähigkeit verlieren, aus ihren Sporen neue Amöben zu entwickeln*).
Den stärksten Einfluss übt das Chinin, wie A. Plehn**) spedell
für die tropischen Malariafieber angiebt, auf die frischen, soeben frei
werdenden Sporulationsformen des Malariaparasiten aus, demnächst
auf die kleinen etwa l/l5 des Blutkörperchens betragenden, ringförmigen
endoglobulären Parasiten, während die grösseren, etwa */« des Blut-
körperchens messenden und bereits pigmentführenden Formen davon
unberührt bleiben und ihrer vollständigen Reife entgegenwachsen.
Das geschieht, so nimmt man an, durch directe Giftwirkung des Chinin
auf den Parasiten ; dass nicht auch die ältere Amöbe tödtlich getroffen
wird, erkläre sich aus der schützenden Hülle des Globulärplasma.
In gleicher Weise tritt auch Laveran***) mit aller Entschiedenheit
für diese Auffassung ein; er sagt, das Chinin ist ein echtes Parasiti-
cidum; ob der menschliche Organismus sich an das Chinin gewöhne
oder nicht, sei gleichgültig; wenn nur die Mikroben der Malaria
sich nicht daran gewöhnten, was niemals der Fall sei.
ln dem Sinne dieser Auffassung fiele also dem menschlichen
Organismus bei dem Heilungsvorgange der Malaria durch das Chinin
keine weitere Rolle zu, als diejenige, das Chinin auf irgend einem
Wege aufzunehmen und in die Blutbahn zu führen; das Ideal einer
medicamentösen Therapie!
Wir müssten dann aber auch erwarten, dass das Chinin richtig
incorporirt und richtig resorbirt unter allen Umständen die ha-
iende Wirkung entfalte, und dass grössere Gaben des Medicaments
die grössere Wirkung, ebenso, dass tägliche Dosen eine cumulatire
Wirkung entfalteten; man dürfte dann auch mit Recht erwarten,
jeden Malariakranken durch Chinin mit Sicherheit heilen zu können,
wenn er nur eine Zeit lang unter kontinuirlicher Chininwirkung ge-
halten werden würde, nämlich so lange, bis die Jugendformen aller
Generationen des Parasiten, welche sich gerade im Blute befinden.
*) Mannaberg, J. Die Malariaparasiten auf Grund fremder und eigen«
Beobachtungen dargestellt.- Wien. A. Holder, 1893; Binz. Ueber das Zu-
standekommen der Heilung des Malariafiebers durch das Chinin. Yerh. d. Nieder-
rhein. Qesellsch. in Bonn, 1893.
**) Plehn, A. Beiträge zur Kenntnis* von Verlauf und Behandlung der
tropischen Malaria in Kamerun. Berlin, 1896. Aug. Hirschwald.
***) Laveran, A. au sujet de l'emploi preventif de la quinine contre !e
paludisme. Bull de l’ac. med. 1696, Nr. 18.
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Zur Frage des prophylac tischen Chiningebrauchs in trop. Malaria-Gegenden. 171
der Reihe nach abgetödtet worden wären. Bekanntlich treffen diese
Voraussetzungen in praxi nicht zu.
Es wäre dann auch nicht verständlich, wie die Erstlingsfieber
der Europäer in den Tropen von bekanntlich häufig remittirendem
Character durch das Chinin gänzlich unbeeinflusst bleiben sollten,
oder wie Jemand, — was ich selbst beobachtete — der nach Abfall
des Fiebers 10 Tage hindurch täglich 1 g Chinin nimmt, schon am
11. Tage sein Recidiv bekommen könnte. Jedenfalls müsste man, wie
Burot und Legrand*) mit Recht betonen, von dem Chinin, wenn es
ein absolutes Antidotum wäre, gleichmässige Heilwirkungen
erwarten, während es ziemlich variable Effecte zu Stande bringt.
.Ist das Chinin aber kein Parasiten-Gift in dem gedachten Sinne,
was dann sonst? etwa ein symptomatisch wirkendes Mittel, wie
Just Navarre**) annimmt, welches dadurch nützlich wirke, dass es
Fieberparoxysmen, die sonst eintreten würden, hinausschiebt oder
unterdrückt, während die Infection (paludisme) selbst dadurch nicht
berührt wird? Thatsächlich kann das Chinin die Fieberanfälle hin-
ausschieben, aber doch wohl nur dadurch, dass es die Parasiten in
ihrem Entwickelungsgange hemmt; auch geht die Unhaltbarkeit der
Just Navarre’schen Anschauung schon daraus hervor, dass auch
Malariaanämien und Milztumor ohne gleichzeitige Fieber-Er-
scheinungen auf das Chinin in promptester Weise reagiren***).
Muss man also daran festhalten und dafür spricht ja auch die
mikroskopische Beobachtung, dass durch das Chinin die Parasiten im
Blut thatsächlich getroffen bezw. getödtet werden, so entsteht nur
noch die weitere Frage, ob der Parasitentod, anstatt ein reiner
Gifttod zu sein, nicht auch indirect, nämlich durch bestimmte
Reactionen des Chinin auf die Blutelemente, zu Stande kommend
gedacht werden könne.
Bacellif) vertritt, sofern mir aus einer freilich nur kurzen
(pag. 92) Angabe hervorzugehn scheint, die Anschauung, dass das
*) Burot u. Legrand. Therapeutique du paludisme. Paris. 1897. Bail-
iiere et fils. Demgemäss sind diese Autoren geneigt, dem Chinin neben seiner
speciflschen Einwirkung auf die Malaria, noch eine stimulirende auf das
Nervensystem zuzuschreiben, womit sie auf eine frühere, vorparasitliche An-
schauung zurückkommen, welche für das Verständniss der in Bede stehende Frage
allerdings ziemlich unfruchtbar ist
**) Just Navarre. P. la quinine prcventive etc. Lyon med. 1896. Mai.
***) Vorausgesetzt, dass Chinin vorher nicht im Uebermaass genommen
wurde.
f) Bacelli; Studien über Malaria. Berlin 1895. Karger.
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172
Dr. 0. Schellong.
Chinin die Parasiten durch Sauerstoffentziehung vernichtet; hier-
bei müssten also die rothen Blutkörperchen, als die Sauerstoffträger,
eine active Rolle spielen ; das Chinin müsste eben die rothen Blutkörper-
chen befähigen, den 0. begieriger, als sonst, an sich zu reissen.
Durch Binz*) wissen wir nur, dass die rothen Blutkörperchen
unter dem Einfluss des Chinin den 0. fester an das Hämoglobin
heranbinden (und dadurch selbst Vergrösserungen eingehen), nicht
auch, dass sie zur O.-Aufnahme befähigter werden. Ich stelle mir
demgemäss vor, dass die chininisirten Blutzellen den ihnen
innewohnenden 0. auch an die Parasiten schwerer als sonst
abgeben, und den Parasiten gegenüber sich nicht in einer
activen, als vielmehr in einer gefestigten passiven Rolle
befinden.
Den Vorgang der Chinineinwirkung auf die Parasiten hätte mau
sich dann folgendem! aassen zu denken: die jungen, endoglobulären
Parasiten erhalten seitens der chininisirten Blutkörperchen nicht
den genügenden 0., um sich weiter zu entwickeln, sterben mithin
ab; die älteren Parasiten, welche sich bereits mit einem Quantum
0. versorgt, das Blutkörperchen dabei nahezu aufgezehrt haben, sterben
nicht mehr ab, sondern erfahren höchstens eine verzögerte Entwick-
lung; die freigewordenen Sporen können sich in neuen Wirthen
(Blutkörperchen) überhaupt nicht mehr ansiedeln, weil diese den
für ihre Fortentwicklung erforderlichen 0. nicht hergeben; sie gehen
deshalb ebenfalls an O.-Mangel zu Grunde.
Es fände also in allen diesen Fällen eine O.-Vorenthaltung
von Seiten der rothen Blutkörperchen, nicht eine O.-Ent-
ziehung der Parasitenleiber statt; und das Chinin tödtete
die Parasiten nicht direct, sondern durch Vermittelung der
rothen Blutzellen, indem es deren Widerstandsfähigkeit
(durch O.-Zurückhaltung) erhöht
Ob diese Hypothese haltbar ist, lässt sich vielleicht auch durch
das Experiment nicht sicher entscheiden; a priori könnte dagegen
der Ein wand erhoben werden, dass eine solchermaassen gedachte, wenn
auch nur vorübergehende O.-Zurückhaltung in dem Blut (und in den
Geweben) doch sehr bedenkliche Störungen des Stoffwechsels zur
Folge haben könnte; man müsste, um dieses Bedenken zu beseitigen.
*) Binz: Grundzüge der Arzneimittellehre. Berlin. 18S1. Hirschwald.
Vergl. auch Nothnagel und Rossbach: Arzneimittellehre. Berlin 1887, wo w
pag. 65h heisst: „Durch Chinin wird der 0. fester an das Hämoglobin gebondet
und in Folge dessen seine Abgabe gehemmt“.
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Zur Frage des prophy laotischen Chiningebrauchs in trop. Malaria-Gegenden. 173
eine verschieden grosse Affinität der Malariaparasiten und der Organ-
zellen des menschlichen Körpers für den 0. des Blutes annehmen
und sich vorstellen, dass diese sich noch mit 0. aus den Blutkörper-
chen versorgen könnten, wenn jene den 0. den Blutkörperchen
nicht mehr zu entziehen vermöchten.
Mit einer solchen Hypothese liessen sich andererseits manche
Thatsachen, welche sonst nicht recht verständlich sind, erklären;
nämlich, dass das Chinin bei anämischen Menschen, bei welchen also
die Zahl der rothen Blutkörperchen und der Hämoglobin-Gehalt her-
abgesetzt ist, auffallend weniger wirksam ist; ferner die individuellen
Schwankungen in der Wirkungsweise des Chinin, welche nur der
verschiedenen Reactionsfahigkeit des Organismus auf die Medicamente
überhaupt entsprechen würde; auJi die nicht wegzuleugnende That-
sache, dass das Chinin bei längerem Gebrauch seine Wirksamkeit
einbüsst
ln allen diesen Fällen hätte eben ausser dem Chinin
auch der Organismus ein Wort mitzureden; und das ist mir
das Wesentliche an der Sache. Man muss sich, wie mir scheint,
gerade beim prophylactischen Chiningebrauch darüber vergewissern,
dass man durch angehäufte Chiningaben, in der Annahme, die Parasiten
wirksamer zu treffen, nicht auch zugleich die natürlichen Schutzkräfte
des Organismus schädige.
Da Binz’ Untersuchungen ergeben haben,’ dass das Chinin, selbst
in der starken Verdünnung von 1 : 20000 eine Lähmung der farb-
losen Blutkörperchen herbeiführt, dieselben sogar in ihrer Zahl her-
absetzt, so ist es von vornherein nicht unwahrscheinlich, da«s auch
die bei der Elimination der Malariaparasiten als nützlich angenom-
menen Vorgänge der Phagocythose (Barker*), durch häufige
Chiningaben eine Beeinträchtigung erfahren.
Für die Annahme einer Schädigung der rothen Blutkörperchen
durch häufige Chiningaben fehlt es zur Zeit an einer genügenden
Unterlage. Aber selbst angenommen, eine solche wäre nicht vor-
handen, so ist es doch andererseits wahrscheinlich, dass sich bei
allzuhäufigen Chiningaben die nützliche Einwirkung des Chinin auf
die rothen Blutkörperchen abstumpft; die sonst wirksamen Chinin-
gaben veranlassten dann nicht mehr die festere Heranbindung des 0.,
blieben unwirksam; und wenn in diesem Falle also auch kein Schaden
entstünde, so fehlte dafür eben auch der Nutzen.
*) Barker, L. F. A study of some fatal cases of malaria. Baltimore.
John Hopkins press. 1895.
Archiv f. Schiff»- u. Tropenhyglene. II. 13
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174
Dr. 0. Schellong.
Bei welcher Dosis das eine oder das andere eintritt, ist sicher-
lich ganz und gar von individuellen Verhältnissen abhängig. Aber
so viel lässt sich mit ziemlicher Bestimmtheit sagen, dass die Einzel-
und die Gesammtdosis ziemlich hoch gegriffen werden darf, da der
menschliche Organismus eine grosse Toleranz für das Chinin besitzt
und im Allgemeinen eine längere Zeit fortgesetzte Chininanfnahme
gut verträgt, wenn nur zwischen den einzelnen Chiningaben Zeit-
räume von einigen Tagen dazwischen liegen.
Ein Glück für die Therapie muss es genannt werden, dass die
per os verabreichten Chininmengen in 24 bis 36 Stunden den Körper
wieder verlassen; denn dann gewinnen die Blutelemente wiederum
Zeit, sich von der Chininreaction zu erholen.
Für die practische Verwerthung der prophylactischen Chinin-
anwendung ist ferner die auch experimentell festgestellte Thatsache*}
von Wichtigkeit, dass Chiningaben von 1,0 — 1,6 im Allgemeinen aus-
reichen, um die gerade im Blut kreisenden Parasitengenerationen za
tödten.
Damit erschöpft sich das, was theoretisch zur Frage des pro-
phylactischen Chiningebrauchs angeführt werden kann.
Ich würde den Rahmen des mir gestellten Themas weit über-
schreiten müssen, wenn ich nun auch die zahlreichen pro- et contrs-
Erfahrungen, welche sich aus der Praxis heraus für die Frage des
prophylactischen Chiningebraucha ergeben haben, hier aufzählen wollte.
Um so weniger fühle ich mich dazu aufgelegt, als die darauf
bezüglichen Thatsachen und Beobachtungen von deutschen und na-
mentlich in der letzten Zeit auch von französischen Autoren häufig
genug berichtet worden sind.
Alle Beobachter sind darin einig, dass die häufigere Anwendung
kleinerer oder grösserer Chiningaben meistentheils einen nicht zu
verkennenden Nutzen gewährt.
Principiell tritt ein Untsrschied bei den Vertretern des prophy-
lactischen Chiningebrauchs nur insofern hervor, als die einen sich mehr
den kleineren und täglichen Chiningaben (Laborde**) 0,1 — 04
*) Vergl. darüber:
Plehn, F. lieber die praetisch verwerthbaren Erfolge der bisherigen iöo
logischen Malariaforschung. Archiv f. Schiffs- u. Tropenhyg. I. Band, Heft <
Plehn. A. Beitrüge zur Kenntniss von Verlauf und Behandlung der tro-
pischen Malaria in Kamerun. Berlin 1896. Hirschwald.
**) Laborde, J. V. L'action. preventive de la quinine dans le paludisnse
Bull, de l'acad. 1896.
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Zar Frage des prophylactischen Chiningebrauchs in trop. Malaria-Gegenden. 176
täglich) zuwenden, während die anderen die grösseren und selte-
neren Gaben [Laveran*) 0,4 — 0,6 jeden zweiten Tag; F. Plehn**)
und Schellong***) 1,0, wöchentlich einmal; A. Plehnf) 0,6 fünf-
tägig; Buwaldaff) 1 g 3mal wöchentlich] bevorzugen.
Welchem dieser Verfahren der Vorzug gebührt, ist nicht im
Ganzen, sondern nur von Fall zu Fall zu entscheiden. Es muss
eben durch die Erfahrung und mit Zuhilfenahme wiederholter Blut-
untersuchungen für den einzelnen Krankheitsfall (Individuum), und
für eine bestimmte Fiebergegend die ungefähre minimale Chininmenge
festgesetzt werden, welche noch genule ausreicht, um die activen
Parasiten im Blut successive zu tödten. Auch die sonstige Einwirkung
des Chinin auf den Magen, Nervensystem etc. ist dabei individuell
in Betracht zu ziehen.
Den Endpunkt für die unter gleichzeitiger voller Berücksich-
tigung aller sonstiger auf die Kräftigung des Individuums gerichteter
Factoren fortgesetzte Chinin therapie bildet die bewirkte Hebung und
wenn möglich Beseitigung von Anämie und Milz tum or.
Denn dass man auch den letzten Parasiten im Körper abtödten
wird, ist an sich unwahrscheinlich, so lange der Mensch in der
Malaria -Gegend verbleibt. Das braucht mit dem Chinin auch gar-
nicht einmal erreicht zu werden; es genügt schon, dem geschwächten
Organismus mit dem Chinin eine Zeit lang zu Hülfe gekommen zu
sein ; und in diesem Sinne ist das Chinin mir ein therapeutisches
Hülfsmittel, als welches es Just Navarrefft) aufgefasst zu wissen
wünscht, und als welches ich es selbst §) schon vordem bezeichnet habe.
Unter den geordneten Lebensverhältnissen auf einer Station er-
wachsen dem Arzt, der bemüht ist, bei der Chininverordnung ganz
ebenso wie bei der medicamentösen Verordnung überhaupt zu indi-
vidualisiren, keine besonderen Schwierigkeiten. Anders liegt die Sache,
wenn es, wie auf Expeditionen, wesen tlich darauf ankommt, grössere
*) Laveran, H. Au sujet de l'emploi pröventif de la quinine contre
le paludisme; ibid.
**) Plehn, F. Zur Prophylaxe der Malaria. Berl. klin. W. 1887, Nr. 39.
***) Schellong, 0. Malariakrankh eiten. Berlin 1890. Springer,
t) Plehn, A. Beiträge zur Kenntniss etc. der trop. Malaria in Kamerun.
Berlin 1896. Hirschwald.
ft) Buwalda. ct bei Gräser. Einige Beobachtungen Uber Verhütung
des Malariafiebers durch Chinin. BerL klin. ‘W. 1888. Nr. 42.
fff) Just Navarre. S. pag. 117 Anmerkung.
§) Schellong, 0. Malariakrankheiton. pag. 162.
13*
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Dr. 0. Schellong.
Menschenmengen schnell zu befriedigen und fortwährend so leistungs-
fähig wie möglich zu erhalten; dann wird es noch am ehesten erlaube
sein, einen bestimmten Modus der prophylactischen Chinindarreichung
ganz allgemein während der ganzen Dauer der Expedition durch-
zuführen; aber auch unter solchen schwierigen Umständen könnte
mit Zuhilfenahme einer genauen Journalisirung und mittelst öfter«
Erhebung des Milzbefundes wenigstens annähernd (gruppenweise)
individualisirt werden. — Die wahre Malariaprophylaxe hat sich
unter allen Umständen mit der Hygiene des Wohnortes, des
Wohnplatzes und mit der Lebensweise des Individuums zu be-
schäftigen.
Das Ergebniss meiner zum Theil hypothetischen Erörterungen
fasse ich in die nachfolgenden Sätze zusammen:
1 . Das Chinin wirkt auf die rothen Blutkörperchen durch festes
Heranbindung des 0. (Binz) und vernichtet die Malariaparasitea
im Blut indirect, wohl dadurch, dass es ihnen den zu ihrem
Wachsthum erforderlichen 0. (im Blutkörperchen) vorenthält.
2. Der prophylactische Chiningebrauch ist gleichbedeutend mit
der über eine Zeit lang fortgesetzten Chinin therapie, und nur ein.
wenn auch das wichtigste Hülfsmittel in der Bekämpfung der einmal
etablirten Mal&riainfection.
3. Jede schablonenmässige Chinindarreichung ist zu verwerten,
die Höhe der einzelnen Chinindosis und die Zeitdauer der Chinincsr
individuell zu bestimmen.
4. Es erscheint richtiger, etwas grössere Chiningaben von 0,5 — 1.0
zu bevorzugen und zwischen den einzelnen Gaben eine Pause von
wenigstens 2 aber auch von mehreren Tagen eintreten zu lassen.
5. Es ist nicht rätliüch, den Chiningebrauch in ’s Ungemessene fort-
zusetzeu, weil der Organismus sich dann gegen die Chininreactios
abstumpfen, vielleicht sogar geschädigt werden könnte, die nützliche
Chininwirkung selbst aber ausbleiben wurde.
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II. Besprechungen und Litte raturangaben.
177
IL Besprechungen und Litteraturangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.
Ueber Schifishygiene. Von Dr. Paul Schenk. Vierteijahrsschi', f. gerichtl. Med.
n. öffentl. Sanitätswesen. (8. Folge, Bd. XV, Heft 2).
Der Verfasser beschäftigt sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit den Aus-
wandere rschiffen. Die Verhältnisse auf den übrigon Handelsschiffen und auf den
Kriegsschiffen werden nur gelegentlich gestreift. Neues bringt der Verfasser
nicht, wenn er in seinen Bemerkungen auch vielfach an eigene Erfahrungen,
die er als Schiffsarzt machte, ankniipft. Es ist aber in ansprechender und über-
sichtlicher Form das Wichtigste aus der neueren Literatur über Schiffshygiene
(Reineke, Gärtner, Haack, Kalenkampff, Ref. u. A.) zusammengestellt, so dass die
Abhandlung besonders angehenden Schiffsärzten der Handelsmarine zur schnellen
Orienürung und zur Anregung empfohlen werden kann.
Die Arbeit würde noch werthvoller geworden sein, wenn der Verfasser die
vor Kurzem vom Bundesrath erlassenen Vorschriften über Auswandererschiffe
berücksichtigt hätte. Die bisher in Hamburg und Bremen hierfür geltenden
gesetzlichen Bestimmungen, welche das Gerippe für die Abhandlung des Verfassers
gebildet haben, sind jetzt nicht mehr in Kraft und Verfasser selbst wird finden,
dass die neuen Vorschriften in vielen Dingen einen Fortschritt bedeuten. Na-
mentlich gilt dies von der Krankenfürsorge an Bord der Auswandererschiffe und
der Stellung der Schiffsärzte. Die Forderungen, welche Ref. seit Jahr und Tag
amtlich und publicistisch aufgestellt und vertreten hat, sind jetzt, wenigstens für
die Auswanderersehiffe, zum grössten Theil Gesetz geworden. Vielleicht ist von
den Schiffeärzten selbst mehr von den Reichsvorschriften erwartet worden. So
wurde u. a die Forderung aufgestellt, dass die Schiffsärzte an Bord Reichsbeamte
sein müssten und von dem Capitain in jeder Hinsicht unabhängig sein sollten.
Der Verfasser ist in seiner Abhandlung diesen zu weit gehenden Forderungen
nicht beigetreten, sondern hat sich den Vorschlägen des Ref. angeschlossen und
sie auf Grund eigener Erfahrungen als früherer Schiffsarzt in der Handelsmarine
weiter ausgeführt und begründet Hierfür muss ihm Ref. Dank wissen. Man
muss sich auch in dieser Sache mit dem Erreichbaren begnügen. Das Bessere
ist auch hier des Guten Feind. Den Verfasser wird es freuen, dass viele seiner
Bemerkungen durch die neuen Vorschriften für die deutschen Auswandererschiffe
ihre Erledigung gefunden haben. Ref. möchte sich Vorbehalten, auf den Inhalt
und die Wirkungen der neuen Bestimmungen, wenn erst die Uebergangsxeit
vorbei ist, an dieser Stelle ausführlicher zurückzukommen.
Dr. Nocht-Hamburg.
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178 ü. Besprechungen und Litteraturangaben.
Br. med. Danneil : Gesundheitsverhältnisse auf der Gazelle-Halbinsel
(Bismarck-Archipel). — Nachrichten über Kaiser Wilhelmsland und den Bismarei-
Archipel. 1897. Berlin, Asker & Co.
Verfasser ist der erste Arzt, der sich dauernd auf der Gazeile-Halbmst
niedergelassen hat; seit Januar 1896. Aus seinem amtlichen Bericht sind ehe
„Bemerkungen über die natürlichen die Hygiene beeinflussenden Facto ren" ia
extenso abgedruckt Danach lassen sich auf der Gazelle-Halbinsel (4 — 5* s. R)
vier Jahreszeiten unterscheiden, die weniger nach der Wännedifferenz als nach
der Verschiedenheit der Luftbewegungen einzutheilen sind, nämlich von April bs
September der S.O.-Passat, von November bis Februar der N.W. -Monsun, und
dazwischen zwei Perioden der Kalmen. Dio Zeit des Passats ist die längste, an-
genehmste and trockenste. Die Kalmen sind nicht ganz windstill, sondern Ueber-
gangszeit mit Gewittern. Die Monsunzeit bringt viel Gewitter und schwer»
Regenböen und ist die nässeste. Die Temperaturen sind gleichmässig, ohne jähf
Schwankungen, Extreme + 17° C. und -f- 86° C., aber nie an einem Tage. Luft-
feuchtigkeit und -druck sind nicht stetig gemessen, jedenfalls aber sehr constazn.
Die Oberfläche gestaltet sich als schmaler Strand, 10—15 m hohe Terrae
und 80 — 100 m hohes Plateau, auf dem ein Vulkankegel aufragt. Der Boden ist
allenthalben Ergebniss jung -vulkanischer Aufschüttungen, nicht Lava, sondern
Asche und Bimstein aus sechs nahe liegenden Vulkanen, die teilweise noch thiag
sind. Dieser Boden zeigt eine hohe Reaction auf die mechanische Wirkung der
Niederschläge und eine ausserordentliche Aufsaugungsfahigkeit für dieselben : es fiele
keine längeren Bach- oder Flussläufe, und nur 2 Quellen. Zur Wasserversorgung
wird ferner Grund wasser aus Röhrenbrunnen, und Regen wasser von den Weh-
blechdächern in eisernen Tanks benutzt, dessen Güte jedoch nicht eiact geprüft ist
Von den Ausführungen über den ^tatsächlichen Gesundheitszustand ist be-
merkenswert, dass unter den Europäern fast nur Malaria und Dysenterie vorge-
kommen; bei dem einzigen Fall von Schwarzwasserfieber hält Verf. die Krank-
heitsursache für „von aussen mitgebracht'1. Von den Farbigen erkrankten 10*/» ms
5,55% der Krankheits- im Verhältniss zu den Arbeitstagen, und zwar davon V»
aller Kranken mit '/« aller Krankheitstage an Malaria. Beriberi und Pocken
sind nicht einheimisch. Dysenterie erfordert V» aller Kranken und l/» — '/» *2®
Krankheitstage. Syphilis ist nie beobachtet, Gonorrhoe nicht häufig. Die Hälfte
der Morbidität erfüllen die chirurgischen Leiden. — Die Gesammtmortalitil beträgt
pro Monat 0.29% des Arbeiterbestandes (also im Halbjahr 1,74®/*, gegen 4%.
3,5 % in Stephansort und 4.6% in Friedrich Wilhelms-Hafen.)
Dr. DempwolfL
Lat pfcheurs da Terra Neust. De Gazeau. Arch. de med. nav. et cclon. Jmllet
et Aoüt 1897.
La France envoie actuellement 8000 ä 10000 pecheurs pour la saisoo de
peche ä Terre Neuve: beaucoup sont des adolescents ou des tont jeunee gas.
parfois m?me des enfants d'une douzaine d’annees.
Le travaii de M. Gazeau montre dans quelles conditions vraiment deplorahles.
au point de vue de l'hygiene et des soins medicaux, se trouvent ces pecheurs:
l'alccolismo et la tuberculose font parmi eux de nombreuses victime«; en oezrs
Vincurie, la malproprete multiplient les cas de fievre typhoide et les complTcaban-
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U. Besprechungen und Litteratu rangaben.
179
inflammatoires les lesions cutanees, surtout aux membres superieurs. I/>s panaria
et lettre complications, necrose des phalanges, phlegmons etc., sont tres frequents;
comme lesions professionnelles notons aussi les ulceratious du dos de la rnain chez
les individus maniant les lignes de peche et celles que produisent les sucs d’un
oephalopode (Loligo Forbesi) employe pour amorcer les lignes.
Les defauts du regime saaitaire existent a Terre Neuve se trahissent par une
mortalite tres elevee, qui malgre les difficultes d’obtenir une statistique complete
peut etre evaluee ä 15 pour 1000 pour la saison de peche, ce qui correspondrait
a la proportion, yraiment excessive, de 30 pour 1000 par an.
C. F. (Liege).
Le reenitement i la Rdunion. De Thdron. Arch. de medec. nav. et colon. Juillet 1 897.
Ce travail foumit des renseignements interessants sur les aptitudes tres
inegales des diverses races vivant dans l'ile, au Service militaire dans larmee
coloniale. Ces renseignements, reunis au oonseil de revision par un observateur
impartial qui ne plaide pas pour teile ou teile these dans la question de l’accli-
matement, ont la valeur de documenta serieux.
Dans les parties centrales le l’ile, montagneuses et salubres, vivent encore
des populations agricoles descendant des anciens colons de race blanche, et ü peine
melangees d'un peu de sang negre ou malgache; le sang blanc domine de beaucoup
chez elles, d’ou le nom le Petits blancs des Hauts qu'on leur donne dans l'ile;
eil es constituent encore maintenant une race forte douee d'une grandc resistance
physique et de solides qualites morales.
A la cot« il n’en est plus de meme: on rencontre des races tres varices
sonvent abatardies par la vie des villes.
Les Cafres, tres abondants, conservent assez bien leur vigueur native, sauf
dan« les bas fonds des villes, oü ils degenerent sous l'action de l’alcool et de la
vie derbglee.
Les Hindous de la Reunion sont presque tous des transportes, de castes in-
ferieures, amenes dans l’ile comme travailleura; ils sont maigres, sans resistance,
de caractere sournois, fourbe et vindicatif.
On tronve aussi des Malgaches ete., et naturellement entre ces differentes
races il y a de nombreux croisements.
Les Cafres transmettent ordinairement un peu de leur vigueur aux produits
qu’ils donnent avec les Malgaches ou les Hindous.
Quant aux «Creoles« on designe sous ce nom k la Reunion tous les metis
nea dans le pays et dont le sang contient une certaine proportion de sang blanc
melange au sang africain, malgache ou hindou. Le mot de «creole» n'a donc pas
le meme sens k la Reunion qu'aux Antilles. Or l’auteur constate que plus le
metis de la cöte a de Bang blanc plus il presente de causes d'exemption de Service:
c’est chez les jeunes gens blancs ou ä peau tres claire que l’on observe le plus
de signes d'une degenerescence de la race (debilitc congenitale, hernies, hydrocele,
adenopathies, tuberculose).
C. F. (Liege).
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180
II. Besprechungen und Littemturangaben.
DUrre und Hungersnoth in Vorder-Indien.
Zusammenfassende Besprechung von
Dr. rued. Franz Kronecker aus Berlin.
Die verheerende Beulenpest, welche seit October 1896 mit kurzen Unter-
brechungen das unglückliche Bombay und eine Reibe anderer Städte des mittler»
Indiens heimsucht, ist ohne Zweifel aus Hongkong eingesehleppt worden. Xi*
aber hätte die Seuche wohl eine derartig furchtbare Intensität erlangt, wäre niete
der Boden für sie wohl vorbereitet gewesen. Hungersnoth, nach Qualität ck
Quantität unzureichende Nahrung w-ar es, was die Eingeborenen geschwächt und
für die Aufnahme des Pestgiftes empfänglich gemacht hatte. In einem so dick:
bevölkerten Lande wie Indien, welches völlig auf den Ertrag seines Bodens an-
gewiesen ist, hängt Loben und Gesundheit Hunderter von Millionen von das
rechtzeitigen Eintritt und der genügenden Menge der Niederschläge ab.
Im nördlichen und mittleren Vorder-Indien beginnt nach einer langen Pt-
riode der Dürre die Regenzeit im Anfang Juni und schliesst gegen Ende August
Eiue kürzere Regenperiode, die „Cold weather rains“, pflegt gegen Mitte D»-
cember einzutreten und etwa 8 'Wochen anzudauern. Auch diese letztere ist tos
grösster Bedeutung, zumal für die Wintersaat. Nun betrug im mittleren Indüe
nach Ausweis des „Annual Report of the Sanitary commissioner of the central
provinces“ 1895, S. 12 beispielsweise im District von Jubalpore die gesanuzts
Regenmenge des Jahres 1895 nur 47,56 Zoll gegen 78,41 Zoll im Jahre 1894
und 72,07 Zoll im Jahre 1893. Dort heisst es weiter: „Während der letzt» S
Monate des Jahres 1895 fiel aber überhaupt gar kein Regen. Die Saat vir
weit unter Durchschnitt und eine unzureichende Versorgung mit Saatgetreide für
ein zweites Jahr erzeugte Hungersnoth und Schwäche für eine grosse Anzahl «ob
Bewohnern.
Die unzureichende Niederschlagsmenge der Regenzeit: Juni, Juli und Angw
des Jahres 1895, gefolgt von einer völligen Abwesenheit des Kalt- Wetter-Rege?
hatte eine schlechte Ernte zur Folge: AVeizen gab völligen Ausfall. Die Noch
im Anschluss an drei mittehnässige Jahre breitete sich weit aus. Die ärmeres
Klassen benutzten allgemein Jungle-Producte (wild wachsende Erzeugnisse der
Sumpfgebiete) als Nahrung und litten dementsprechend“. Aus anderen Theileo
des mittleren Indiens wird Aehnliches berichtet So verlautet aus dem Nerbudha-
District: „Das heisse Wetter war strenger als 1894. Es gab eino Herabsetzari
des Regenfalls auf 42,45 von 61,58 des Jahres 1894“.
An anderer Stelle des oben angezogenen Berichtes und zwar auf Seite 13
heisst es die mittleren Provinzen Indiens im Allgemeinen betreffend: „Wäh-
rend des Jahres 1895 war der Regenfall 44,81, das heisst 8,73 Zoll unter dem
Durchschnitt. Leinsamen verdarb völlig durch rothen Schimmel“.
Dass unter solchen Verhältnissen die in dem übervölkerten Indien schoe
ohnehin heftig wiithendnn Infections-Krankheiten eine besonders starke Ausdeh-
nung erlangen mussten, darf kaum WuDder nehmen. Dass der Boden für he
grässliche Beulenpest vorbereitet wurde, ist bereits Anfangs erwähnt. Aber auch
andere Seuchen traten schon Mitte 1895 mit ungewöhnlicher Heftigkeit im mitt-
leren Indien auf. So lesen wir in dem „Report of the Sanitary administiaüs
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
181
of the Hyderabad assigned districts for the year 1895“: „Cholera wüthete das
ganze Jahr hindurch in jedem District“. Der „Depnty Commissioner“ constatirt,
dass Cholera in „Berad“ gemeiniglich im August und September, also am Schlüsse
der Regenzeit ihren Höhenpunkt erreicht. In „Amaranti“ und „Akola“ hingegen
vor Beginn derselben, so zwar, dass die ersten Regen die Krankheitserreger gleich-
sam wegschwemmen. Er äussert daher die Ansicht, die Cholera habe bei tiefstem
Grundwasserstande ihre Ursache in dem Genuss verdorbenen Trinkwassers. Der-
selbe Districts-Commissar stellt fest, dass jede der erwähnten Gemeinden schwere
hygienische Mängel besitze, welche das Auftreten jeder Infectionskrankheit dort-
selbst zur Genüge erklären würde. Er meint, das beste Schutzmittel gegen en-
demische und eingeschleppte Cholera liege in der Versorgung mit reinem Trink-
und Kücheuwasser.
An anderer Stelle dieses Berichts. Seite 21, findet sich die Desinfection der
Brunnen mittelst „Permanganate of Potash“ (Kali hypermanganicum) erwähnt.
„Die Mehrzahl, welche diese Methode versueht haben, sprechen sich sehr günstig
über sie aus“. Auch in dem „Report of the Sanitary administration on the Hy-
derabad assigned District for the year 1895“ finden wir die Bemerkung: „Cholera
war im letzten Jahre die verderblichste Krankheit. 11919 Cholera- Todesfälle,
d. h. 4,2 pro Mille der Gesammtbevölkerung der Provinz Hyderabad waren zu
verzeichnen. Die 8 Oberland -Districte: Basim. Buldana und Wua litten am
meisten in der angeführten Reihenfolge, ln Basim kamen 10 Todesfälle an Cholera
auf 1000 Bewohner! Die Sterblichkeit an Fieber im District war gross: 66203
gegen 67070 im Jahre 1894, ein Jahr, welches sich durch hohe Fiebersterblich-
keit besonders hervorthat. Dieselbe widerspricht den frühren Erfahrungen, nach
denen die Fieber- Mortalität in geradem Verhältniss zu der Niederschlagsmenge
stand. Denn das Jahr 1895 war ein besondere trockenes mit nur 27 Zoll (54
Centimeter) Regen! Und doch betrug die Fieber-Mortalität 23,2 auf das 1000
gegenüber dem Durchschnitt von 17,7 pro mille der früheren Jahre!
Wir sind eben noch sehr weit davon entfernt, das Verhältniss des Fiebere
zu klimatischen Einflüssen zu kennen, obwohl seiD Vorwiegen zu gewissen Zeiten
des Jahres sicher gestellt ist.“
Aber nicht allein in den mittleren, auch in den noch weit ausgedehnteren
nördlichen Districten Indiens herrschte im Jahre 1895 eine verderbliche Dürre.
Insbesondere fielen auch hier die 3 wöchentlichen Winterregen , welche sonst
regelmässig um die Jahreswende das ausgedürrte Land zu erquicken pflegen,
völlig ans.
Referent vermag dies aus eigener Anschauung zu bestätigen, da er gerade
um jene Zeit Indien bereiste. Unter solchen Verhältnissen war der Gesundheits-
zustand auch in den weiten Ebenen und grossen Städten des indischen Nordens
ein sehr trauriger. So lesen wir in dem „Report of the Calcuttas medical insti-
tutions for the year 1895 by Surgeon general Georges C. Ross“ auf S. 1 und 2:
„Der Gesundheitszustand Calcuttas war 1895 um Vieles schlechter als in den
vorangegangenen Jahren. Die Totalsumme der Todesfälle war die grösste für die
7 Jahre, für welche Daten zu erhalten sind und betrug auf 1000 Bewohner 6,7
mehr als in den letzten Jahror.
In Hon 12 mit insgesamn.t 1768 Betten ausgestatteten Krankenanstalten der
Stadt wurden im Jahre 1895 bis 26879 Kranke verpflegt, gegen 24912 des Vor-
jahres ; poliklinisch behandelt wurden 266672. Von den Hospitalkranken starben
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
8779 d. h. 14,32 %• Von der Gesammtzahl der Patienten litten 881 an Pocken,
683 an Cholera, 8383 an Ruhr, 39256 an Malaria, 81 an Skorbut, 13346 an
rheumatischen inneren Leiden, 842 an Tuberkulose, 825 an Lepra. 3926 grössere
Operationen wurden ausgeführt.
Die Unterhaltungskosten sämmtlicher Anstalten beliefen sich für das Be-
richtsjahr auf 878298 Rupies (ca. 1317447 Mark nach dem damaligen Cure“.
Sind jene Daten für Calcutta, die Hauptstadt des Landes, wo sich die Ver-
hältnisse gut übersehen lassen, durchaus zuverlässig, so ist der Statistik der offi-
ciellen Berichte der indischen Beamten, soweit das flache Land in Betracht
kommt, ein weit geringerer Werth beizumessen. Jene Berichte selbst gestehen
dies nicht selten unumwunden zu.
So lesen wir in dem „28 th. annual Report of the Sanitary commission er
for Bengal year 1895 by Surgeon Capt H. J. Dyson“ auf Seite 16:
„Wie gewöhnlich waren die kalten Monate October bis Januar, und darnach
April (in welch’ letzterem Monat die Hitze ganz plötzlich mit grosser Heftigkeit
einzusetzen pflegt; der Refer.) die ungesundesten. Neben dem wohlbekannten
Factum, dass die Eingeborenen jener Gegenden in der Regel dem Einfluss der
kalten Witterung nur geringen Widerstand entgegen zu setzen vermögen, ist die
höhere Sterblichkeitsziffer, welche wir in den amtlichen Tabellen für die Periode
nach der Regenzeit verzeichnet finden, auf Rechnung der grösseren Thitig-
keit der Statistiken-Sammler zu setzen. Während des Regens ist nämlich das
Bereisen der ländlichen Districte sehr schwer, und in der heissesten Periode des
Jahres: Anfang April bis Mitte Juni fehlt den Beamten die physisohe Kraft
zu Arbeit des Sammelns der Zahlenmaterialien.
Den April betreffend, so ist seine hohe Sterblichkeitsziffer, abgesehen von
dem rapiden Einsetzen der grossen Hitze, auf Conto des Wüthens der Cholera
zu schreiben.“
Dürre und Hungerenoth ist und bleibt die grösste Geissei Yorder-Indiens.
Durch ein ausgedehntes Bahnnetz, welches es ermöglicht, grosse Massen Getreide
schnell in die bedrohten Gegenden zu schaffen, hat man der furchtbaren Gefahr
zu steuern gesucht, freilich mit nur theilweisem Erfolge. Noch grössere Be-
deutung ist der künstlichen Bewässerung, der Irrigation, beizumessen,
welche die englische Regierung in richtiger Erkenntniss ihrer Pflicht angelegt hat
Hierdurch wird weiten Strecken von Culturland die nothwendige Feuchtigkeit aof
künstlichem Wege zugeführt. Besitzen doch die Ströme des Landes selbst in der
trockensten Zeit des Jahres Wasser genug, um viele tausend Quadratmeilen cultur-
fähigen Bodens zu versorgen. Freilich wird auf jene Weise viel neues Sumpf-
land geschaffen, welches verderbliche Fiebermiasmen ausbrütet Aber immer
besser, die Bevölkerung bietet in gutgenährtem Zustande der Malaria Trotz,
als sie hungert und darbt, und fällt schliesslich elend und ausgemergelt doch einer
der Seuchen zum Opfer, welche das Land periodisch heimsuchen. Hierzu kommt,
dass der fromme, gottergebene Inder dem Ende durch Krankheit ruhig in's Auge
schaut, die Qualen des Hungers aber mehr fürchtet als den martervolbten Tod.
Eine sehr bemerkenswerthe Auseinandersetzung in jenem Sinne finden wir in der
, Report of the 8anitary administration of the Punjab for the year 1895 by Sur-
geon Lieut. Colonel W. A. Crowford“.
Nachdem er festgestellt hat, dass das vergangene Jahr 549 Cholera-Todesfälle
brachte, davon allein 511 in dem Umballa-District, heisst es weiter auf Seite 20:
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
183
„Sumpffieber (Paludisme) betreffend, so suche ich das Verhältniss zwischen
Geburten, Todesfällen und Tod am Fieber für jede Provinzialstadt und jeden
ländlichen Kreis festzustellen mit Rücksicht auf die Versumpfung und Beriese-
lung eines jeden Districtes. Mit Hülfe der Civilärzte hoffe ich ein Zahlenmaterial
zu erhalten, welches dazu ausreicht, sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob die
Schlüsse, welche ich mir nach allgemeinem Eindruck gebildet habe, richtig Bind.
Ich habe nämlich den Eindruck gewonnen, dass die Frage nach der Be-
rieselung (Irrigation) im Verhältniss zu der Sterblichleitsziffer von allergrösster
Bedeutung für die Cultur des ganzen Landes ist. Ob nun aber die Sterblichkeit
mit der fortschreitenden Irrigation des Landes zunimmt oder nicht, eines ist
sicher, dass nämlich letztere nicht gehemmt werden darf! Die Frage stellt sich
einfach so: Sollen wir periodische Hungersnöthe haben oder höhere Fieber-Sterb-
lichkeit? Wollte ich derartige Fragen an die Eingeborenen direct stellen, so würde
mir ein jeder antworten, ob hoch oder niedrig: „Gebt uns Brod! Wenn Gott
will, so mögen wir am Fieber sterben!“
Ich selbst bin der Ueberzeugung, dass die Irrigation sicherlich höhere
Fieber-Mortalität zur Folge hat, und glaube aus diesem Grunde, dass die
Regierung ihre volle Aufmerksamkeit auf rationelle Dränage zu richten haben
wird. Kein Zweifel: Die Frage ist eine reine Geldfrage. Indessen Dränage
ist die einzige richtige Lösung beider Probleme, der Berieselung und der Fieber-
Sterblichkeit Denn wenn einem zu hohen Steigen des Wassers vorgebeugt und
ein guter Abfluss geschaffen wird, so werden wir ohne Zweifel die Fieber-Sterb-
lichkeit in bescheidneren Grenzen zu halten vermögen.“
Bravi cennl zulle condizloni cllmallco-iglenlche del Benadlr (Kurze Winke über die
klimatisch -hygienischen Verhältnisse der Benadir- Küste), von 8. Accurso,
medico di 2 a classe. Annali di medicina navale, März 1898.
Die Beobachtungen des Verfassers beziehen sich vorzugsweise auf den Küsten-
ort Magadiscio (Magadischu) mit 9000 Einwohnern. Der Schmutz in dem Orte ist
gross, der Boden tbonig mit Sanddecke, welche stellenweise mit Salzcrystallen
überzogen ist Die ebene Strandlandschaft wird durch eine Dünenkette von dem
ebenfalls flachen Binnenlande getrennt Das Klima an der Benadirküste ist
gleichmässig warm, der trockene Nordost-Monsun, welcher von October his April
yveht, wird nach einigen Wochen mit unregelmässigen Winden vom feuchten
8üdwest-Monsun abgelöst, welcher etwas niedrigere Temperaturen bringt In der
ersten Periode schwankt das Thermometer zwischen 25—80,5° C., in der letzten
zwischen 24—28,5* C. Das Maximum fällt in die Monsun-Pause im Mai mit
85° C. Die stärksten Regen fallen in die Zeit des Monsunwechsels.
Das Trinkwasser wird reichlich und gut von zahlreichen Brunnen geliefert.
Was die Krankheiten angeht, so hat A. nur während der Regenzeit Malaria
in leichter Form beobachtet, dagegen sind Krankheiten des Verdauungscanala
häufig. Beim Uebergang von der wärmeren zur kälteren Jahreszeit traten massen-
haft rheumatische und respiratorische Erkrankungen auf, auch suchte eine In-
fluenza-Epidemie die Küste heim. Lungentuberoulose will A. bei den Eingeborenen
häufig gefunden haben, giebt aber zu, seine Diagnose nicht auf den Nachweis
von Tuberkel-Bacillen stützen zu können.
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184 II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Die Blattern sind im Sultanat Obbia endemisch, es lassen sich die Somali
jedoch unschwer zur Impfung überreden. Lepra maculosa kommt vor, meistert,
von der Suaheli - Küste und Zanzibar eingeschleppt, der Guinea -Wurm war in
allen beobachteten Fällen von anderswo her mitgebracht worden. Lichen tropicts
peinigt allgemein die Weissen besonders während der windstillen heissen Jahres-
zeit. Unter den Eingeborenen sind die gewöhnlichen entzündlichen Dermatosen
(Eczeme n. s. w.) nnd besonders die Dermatomvcosen sehr verbreitet. In zahl-
reichen Fällen konnte der Verfasser Alopecia areata beobachten nnd glaubt be-
sonders, nachdem er selbst von dem Leiden dort befallen ist, an den parasitäres
Ursprung dieser Affection.
Augenleiden, deren Entstehung durch die starken den Sand anfwirbelnd«
Winde begünstigt wird, auch Trachom, sind eine häufige Krankheit, nicht weniger
phagedänische Geschwüre, Elephantiasis Arabum, endlich Hydroeele, deren Bildung
wohl weniger durch das Klima, wie Hirsch annimmt, als durch die landesübliches
Excesse in Venere und die den Hoden keinen Stützpunkt bietende Kleidung, be-
fördert wird.
Von dem gefürchteten Pfeilgift der Somali (Ouabain; hat Verfasser, obsehon
er wiederholt Verletzungen durch vergiftete Pfeile zu behandeln hatte, nie eine
Wirkung beobachten können. Syphilis und Tripper waren bei den Eingeborenes
um so häufiger zu finden, besonders als Folge der Blenorrhoeen zahllose Strikturea !
Die Pathologie der Benadir-Küste entspricht nach dem Gesagten einem
gemässigten Klima, welches dem Europäer zusagt. Moderne hygienische Ein-
richtungen könnten die Küstenstädte noch wohnlicher und gesunder machen.
M
Pestnachrichten.
Während in Bombay die Seuche beständig abnimmt (erster Maiwochenbe-
richt 280 Pesttodesfälle), tritt dieselbe in Karraehe heftiger auf. Auch in Japan
und Hongkong ist dio Krankheit noch im Zunehmen. In Suez und Calkutta sind
nur einzelne Fälle beobachtet worden und innerhalb der zweiten Hälfte des Mai
sind keine neuen Erkrankungen mehr bekannt geworden. Auch aus Djeddak
fliessen die Nachrichten spärlicher, woraus auf eine Besserung der Lage geschloewsi
werden darf. Ein in Smyrna am 10. Juni beobachteter verdächtiger Fall wurde
als harmlos erkannt. M.
b) Pathologie und Therapie.
Beri-BerU
Karl Däubler. Die Beri-Berikrankheit Virchow's Archiv. 152. Bd. 1894.
Seite 218.
Verfasser, dem wir schon mehrere Arbeiten über Beriberi verdanken, giebt
in vorliegender Veröffentlichung, der ein von ihm auf der 68. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M. gehaltener vortrag za
Grunde liegt, einen kurz gefassten Ueberblick über den augenblicklichen Stand
unserer Kenntnisse dieser Krankheit Er sieht die Beriberi für eine hauptsächlich
tropische Infectionskrar.kbeit an, die, wenn Kranke in die gemässigte Zone kommen,
völlig erlischt Innerhalb ihres Verbreitungsgebietes tritt dieselbe vorzugsweise
da auf, wo auf bestimmtem, engbegrenztem Terrain viele Menschen eng zusammen
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11. Besprechungen und Litteraturangaben.
185
oder in bestimmten Gebäuden wohnen. So ist sie in Atjeh, dem gefürchtetsten
Krankheitsherde, in den holländischen Befestigungen unter Farbigen und selbst
Europäern ausserordentlich häufig während die eingebornen Atjoher in ihren einen
Büchsenschuss davon entfernten Dörfern verschont zu bleiben pflegen. Den von
verschiedenen Seiten als Krankheitsursache angesprochenen Mikroorganismen gegen-
über verhält sioh Däubler ablehnend. Als Gelegenheitsursachen konnte er nament-
lich anstrengende Märsche, unregelmässige Verpflegung und zu kurze Bast nach-
weisen.
Verfasser unterscheidet eine acute, eine subacute und eine chronische Form
der Krankheit Die erste umfasst die acute pernieiöse Form und zu einem kleinen
Theile auch die hydropische bezw. fcydropisch-atrophische Form des Referenten,
während die subacute im Allgemeinen der letzteren und die am häufigsten ver-
kommende chronische der atrophischen Form entspricht Zur rudimentären Form
des Referenten zu rechnende Fälle scheinen Däubler nicht zur Beobachtung
gekommen zu sein. Erwähnt zu werden verdient dass derselbe in einer Anzahl
von Fällen mit acutem kurzen Verlauf die Kniescheibensehnenreflexe gesteigert
sah, während diese in andern Fällen mit längerer Dauer und geringerer Heftig-
keit der Symptoino stets herabgesetzt waren, und dass er in allen Fällen der
acuten Form Temperaturerhöhung (bis zu 40") beobachtete. Unter den Symptomen
der subacuten Form führt er auch Flüssigkeitsergüsse — Verfasser spricht
übrigens immer von Exsudaten statt von Transsudaten — in den Fuss- und Knie-
gelenken an, welche meines Wissens von keinem andern Autor erwähnt werden.
Auf die Schilderung des Krankheitsbildes folgt die Besprechung der patho-
logischen Anatomio. Die die Beriberi charakterisirende Nervenerkrankung hält
er nicht wie Pekelharing nur für eine Degeneration, sondern in Übereinstim-
mung mit Referenten für eine entzündliche. Verfasser machte selbst 11 Sectionen
von acuten Fällen und nahm ausserdem noch an 20 von subacuten und chroni-
schen Theil. Seine Befunde waren im Wesentlichen Hautodem, Hydropericardium,
Ascites, Lungenödem, in einem Falle linksseitiges pleuritisches Exsudat, ferner
Schlaffheit und Dilatation des Herzens, namentlich des rechten Ventrikels, mehr
oder weniger hochgradige Fettentartung des Herzfleisches, fettige Degeneration der
Unter- und Oberschenkel muskeln und einmal auch des N. tibialis. Bei acuter
Beriberi zeigte der N. vagus stets fettige Degeneration.
Bei der Differentialdiagnose wird namentlich der Unterschied zwischen Beriberi
und Malaria eingehend erörtert und besonders hervorgehoben, dass letztere nicht
so wie eretere durch Personen und Menschen verschleppt werden kann. Dass
Beriberi nicht als Nachkrankheit anderer Infectionskrankheiten beobachtet w'orden
sei, ist nicht richtig. Referent sah dieselbe im Verlaufe oder im Anschlüsse an
die verschiedensten Infectionskrankheiten, als Unterleibstyphus, Cholera, Ruhr,
Malaria, acuten Gelenkrheumatismus, Syphilis, TubercuJose sich entwickeln.
Zum Schlüsse wird kurz die Therapie besprocheu, welche, abgesehen von
der Transferirung der Kranken nach beriberifreiem Terrain, eine symptoma-
tische ist.
. Schade ist, dass Verfasser auf zwei Fragen, die gerade jetzt im Vorder-
gründe des Interesses stehen, nämlich das neuerdings beobachtete epidemische Auf-
treten der Beriberi bezw. einer dieser sehr nahestehenden Kraukheit in bisher
beriberifreien Ländern der gemässigten Zone, wie in den Irrenanstalten in
Dublm und Tuscaloosa (Alabama), und der jüngst von Eykman behauptete
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IT. Besprechungen und Litte rat uran gaben.
ätiologische Zusammenhang der Krankheit mit geschältem Reise als Nahrung, nicht
näher eingeht Letzterer wird nur ganz kurz erwähnt.
Scheube.
Z. Hirota. Ueber die durch die Milch der an Kakke (Beriberi) leiden-
den Frauen verursachte Krankheit der Säuglinge. Centralblatt für
innere Med. 1898. Nr. 16. S. 385.
Verfasser beobachtete bei Kindern im 1. Lebensjahre, die von beribenkranlac
Müttern oder Ammen gesäugt wurden, ein eigentümliches Krankheitsbild, be-
stehend in Unruhe, Erbrechen (selten mit Durchfall), tiefer oder aphoniseber
Stimme, Cyanose, frequentem, weichem und schnellem Puls, gesteigerter Hert-
action, verstärktem 2. Pulmonalton, bisweilen nach rechts verbreiteter Hsra-
dämpfung, Beschleunigung der Respiration, V erminderung der Hammenge, Oedem.
In den meisten Fällen hatte Wechsel der Nahrung rasche Besserung und Hei-
lung zur Folge. Einige Male trat trotzdem der Tod ein,
Hirota ist der Ansicht, dass diese Krankheit durch Intoxication mit d«
Milch der an Beriberi leidenden Frauen hervorgerufen wird, und hält diese 11«
gleichfalls für Beriberi, die er überhaupt für eine Intoxications-Krankheit aissieht
Dass in keinem Falle Lähmungserscbeinungen constatirt werden konnten, spricht
seiner Meinung nach nicht gegen diese Annahme, da natürlich leichte, motorische
und sensible Störungen sich bei Säuglingen der Beobachtung entziehen. Aber auch
die für Beriberi charakteristischen, pathologisch-anatomischen bezw. -histologisch«
Veränderungen, insbesondere die Erkrankung der peripheren Nerven, sind vo»
Verfasser nicht naehgewiosen worden. In dem einen zur Section gelangten Falle
werden als Obductionsbefunde nur Dilatation und Hypertrophie des rechten Ven-
trikels, Oedema universalis und frische Bronchopneumonie angeführt Solange diese
beiden Postulate aber nicht erfüllt sind, möchte Referent die ‘Frage nach der
• Natur der von Hirota beobachteten Säuglingskrankheit noch als eine offene ac-
sehen. Scheube.
Malaria.
Aerztlicha Beobachtungen in den Tropen, von Geh. Rath Prot Dr. Robert Koch.
Vortrag gehalten am 9. Juni in Berlin. Deutsche Colonialgeeellschaft, Abthaduag
Berlin-Cbarlottenburg.
Einleitend beschreibt kurz Geh. Rath R. Koch seine 1*/» jährige Reise narb
Indien (Bombay), Süd- und Ost-Afrika, indem er bemerkt, dass fünf Hauptpunkte
dabei ihn beschäftigten: 1) Die Rinderpest, 2) die menschliche Pest, 8) Lepra.
4) Malaria und neben allen 5) Tropenhygiene. Am meisten interessirt das Tropen-
fieber, die Malaria und speciell soll sich der Vortrag darüber verbreiten. Die
Malaria, welcher man in den Tropen auf Schritt und Tritt begegnet, bedingt
Unmöglichkeit der Colonisation für weisse Ansiedler. Ihre Bedeutung hierfür ist
ao hervorragend, dass der V ortragende dabei stehen bleibt; er führt Beispiele ac.
welche Verheerungen die Malaria unter don Weissen in Ostafrika und in den
übrigen deutschen Colonien anrichtet, darunter solche, die er selbst beobachtet«.
Auch in den Ostafrika benachbarten Colonien geht es nicht viel besser, in Mo-
zambique ist das für 250 Kranke berechnete Spital fast nur mit Malariakrankeo
gefüllt
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n. Besprechungen und Litteraturangaben.
187
Um die Aetiologie und das Wesen der Malariakrankheit zu erklären, zieht
der Vortragende eine Parallele mit dem Texasfieber, zeigt, dass die Zecken die
Wirthe eines eigenen Parasiten des Pyrosoma bigeminum sind, so genannt, weil
gewöhnlich zwei mit einander verbundene, bimförmige Parasiten im rothen
Blutkörperchen gefunden werden, welche ihre Jungen, nachdem sie auf knfnken
Thieren sassen, auf gesunde Rinder übertragen und Blut saugen. Dieser Parasit
findet sich dann in den Erythroeyten an Texasfieber erkrankter Rinder. Aus
Texas stammende Rinder aber sind durch solche Zecken nicht zu inficiren, sie
bleiben gesund und haben durch das Ueberstehen der Krankheit seitens ihrer
Eltern Immunität erworben.
Die texasfieberkranken Thiere an der Küste Ostafrikas stammen natürlich
nicht aus Texas. Die Krankheit ist nach Aussage der Eingebornen bereits von
ihren Voreltern in sehr verbreitetem Maasso beobachtet Ebenso ist es in Ru-
mänien, der Campagna, ja auch in Australien heimisch. Sodann verbreitet sich
Herr Geh. R. Koch über die Versuche Smith’s, der nach Afrika Thiere mit Zecken
aus Texas kommen liess, diese aber steckten andere gesunde Thiere nicht an,
wohl aber ihre jungen Zecken. Aehnliche Versuche stellte der Vortragende nun
in Ostafrika an und erläutert dieselben in der Weise, wie in selber im Colonial-
blatt erschienenen Arbeit Seine Thiere erkrankten am 22. Tage, und nur solche
Rinder, welche mit Zecken-Abkömmlingen von kranken Thieren besetzt wurden.
Indem der Vortragende auf Malaria übergeht und bemerkte, dass sich
Malaria betreffe ihrer Uebertragung, wie später erörtert werden solle, mit dem
Texasfieber der Rinder vergleichen lasse, erörtert er die Laveran’sche Entdeckung
der Malariaparasiten, scheidet die nordeuropäische Malaria von der tropischen,
und setzt als Zwischenglied die Malaria der südlichen Länder ausserhalb der
Tropenzone. Er beschreibt die europäische Tertiana als Grundtypus für Nord-
europa, die südlichen Länder, aber auch in gewisser Richtung für die Tropen.
Quotidiana ist nach seinen Beobachtungen nur doppelte Tertiana. Der Malaria-
anfall wird beschrieben, die Temperatur soll stets graphisch aufgestellt werden.
Vor dem Fieber schwankt die Temperatur immer in Zehntelgraden über 87 'C,
steigt dann bis 89°, 40° und fällt in 8 — 8 Stunden zur Norm ab. Nachdem
die morphologisch bekannten Tertianaformen und ihre ebenso bekannte Ent-
wicklung zu reifen, sporulirenden Formen beschrieben wurde, wobei Vortragender
hervorhob, dass die in keinem Falle zu unterlassende Blutuntersuchung die Be-
ziehungen dos Parasiten zum Fieber klarstellt, indem die Sporulation mit dem An-
fall einsetzt und auf der Höhe des Fiebers sich schon kleine Formen finden, sagt er,
dass beim Autumnalfieber nur Ringformen gefunden wurden, es sei aber bisher
nicht aufzuklären, welches die Beziehungen dieser Art der Form zu dem Fieber
sind. In den Tropen sind diese Ringe feiner. Diese Verhältnisse seien aber in
verschiedenen Tropenländem verschieden von denen in Ostafrika Obschon ee
vier verschiedene Formen der Tropenmalaria gäbe, kämen nur 10% äller in
Ostafrika auf Tertiana 90% seien Tropenmalaria Für Tropenärzte sei es
schwierig, dem eigentlichen Gange der Tropenmalaria nachzuforschen, weil ge-
wöhnlich mit der Beobachtung die Chininbehandlung beginne. Vortragender gab
kein Chinin und fand dann, dass die Tropenmalaria genau die gleichen typi-
schen Tertianaanfälle aufwies als anderswo. Der Hochstand der Fieber-
temperatur währt aber länger als in Europa, die Incubationszeit 10—14 Tage.
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188
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Der Iniicirte vermehrt durch Sporulation bei jedem Anlalle um das 20 fach«
seine Parasiten. Sind mehrere Parasitengenerationen im Blute anwesend, ent-
stehen Continua, Remittens. Das Verhalten der Tropenparasiten ist dasselbe
als bei Tertiana. Die Beziehungen der Tropenparasiten zur Curve sich ru er-
klären bleibt die Hauptsache.
Betreffs der nach solchen Beobachtungen zu bestimmenden Behandlung zeigt
der Vortragende, dass wir wissen müssen, warum und wann wir Fiebermittel.
Chinin, zu geben haben. Chinin hemmt nur die Entwicklung der Parasiten, wir
haben unser Augenmerk auf die ganz jungen gegen Chinin empfindlichen Formen
zu richten. Diese trifft man schon auf der Höhe des Anfalls. Alte Regel ist es,
wenn der Anfall bevorsteht, das Chinin zu geben, welches dann beim Auftreten
der jüngsten Formen wirksam werden kann. Da bei Tropenmalaria aber der
Anfall vorher nicht so zu bestimmen ist, wie bei unserer typischen Tertiana, so
hat man ganz irregulär Chinin gegeben und damit wenig erreicht, oft geschadet
Wenn möglich, gebe man das Chinin nicht höher als 1 Gramm (pro dosi) us
Beginn des Anfalls, oder zu Ende des Anfalls, um die dann vorhandenen junges
Formen in ihrer Entwicklung aufzuhalten. Wird die Behandlung so und unter
mikroskopischer Oontrole eingerichtet, so ist es ebenso leicht, die Iropenmalaria
zu heilen, als die aussertropische resp. unsere heimatliche. Die Tropenparasiten.
welche bekanntlich nicht imperiphoren Blut sporuliren, sondern in den Organen,
thun dieses in ganz gleicher Weise als die Tertianparasiten, wie im Milzblut zu
beobachten ist, nur geschieht Alles im verkleinerten Maassstabe , sie pigmenti reo
sich auch nicht so stark. Die Tropenmalaria recidivirt, im Gegensatz zur
aussertropischen, in intenaer Weise, und ehe nicht die Parasiten alle aas dem
Blut entfernt sind, erhält der Exanke sein Recidiv. Daher ist es nothwendig,
jeden 5. Tag, einen Monat lang 1 Gramm Chinin zu geben; hierauf tritt Gene-
sung ein. Vortragender lässt auch 2 Gramm Chinin nehmen.
Das Schwarzwasserfieber bat mit Malaria nach R. Koch's Beobachtungen
nichts zu thuu, es kommt nicht nur in den Tropen vor, ist wahrscheinlich nicht
vod Malariaparasiten abhängig, eher von vorgängigem Gebrauch sowohl von Chinin
als Areen, Methylenblau und anderen Fiebermitteln, bei geschwächten Individuen
Die hygienische Seite der Malariafrage, die Prophylaxe, muss sich auf die Kenntnis
der Entstehung der Malaria, Verbreitung und Nachweis der Parasiten ausserhalb
des Körpers stützen. Die Malaria ist nicht ansteckend, daher kann sie nicht
durch die Luft übertragen werden, auch nicht durch das Trinkwasser, wofür da
italienische Beweis spricht (man Hess Menschen das Sumpfwasser der Campagsa
trinken, ohne dass sie an Malaria erkrankten). Nach Hinweisen auf Malariablut-
impfungen und Bodentheorie spricht der Vortragende es aus, dass die Uebertragung
durch Btutimpfung seitens blutsaugender Insekten, in den Tropen
durch Mosquitos, höchst wahrscheiuHch sei. Er stützt seines Ausspruch ad
viele Hinweise, besondere folgende: Malaria wird nur zur Nachtzeit, wo Mos-
quitos schwärmen, acquirirt, „wo Mosquitos fehlen, da keine Malaria", Thier-
krankheiten, welche ähnlich wie Malaria durch Parasiten im Blute bedingt sind,
worden durch blutsaugende Thiere übertragen, hierher gehören die Nasgasa
oder Tsetsekrankheit der Rinder durch die Tsetsefliege (nach Bruce) übertragen,
Filaria sanguinis durch Mosquitos, endlich das so genau erforschte Texasfieber,
deren Erreger in den Zecken ihre Wirtbo und Uebermittler finden- Nachdem
solche Hinweise gegeben sind, müsse die Frage betreib der Malariaübertraguaz
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m. Sonstige Werke.
189
experimentell gelöst werden. Bezüglich der Malariaätiologie giebt Vortragender
die Möglichkeit des Einflusses der Flussbitdnngen und Sümpfe zu. Auf kleinen
Inseln giebt es oft keine Malaria, ebenso nicht im Gebirge, bestimmt von 1200 Meter
Höhe an. Es wäre daher Besiedlung solcher Höhenlagen und der Tropen durch
Weisse sehr wohl möglich, wenn sie nicht unterwegs, von der Küste bis dahin,
sich mit Malaria inficirten. R. Koch hat unter ärztlicher Führung, nach seinen
Vorschriften, 5 Trappisten nach Westusambara in 1200 Meter Höhe geschickt
bei passender Benutzung von guten Mosquitonetzen, sie kamen nicht nur gesund
an, sondern blieben gesund, 5 andere Trappisten ohne diese Prophylaxe, erkrankten
oben und starben. Es stellt dieses geradezu ein Experiment dar. Nachdem noch
die in einem früheren Aufsätze im Colonialblatt erörterten Immunitätsverhältnisse
der Küstenneger und die Disposition der Gebirgsneger für Malaria besprochen
wurde und dabei auf künstliche Immunität hingewiesen wurde, welche man ohne
Culturen, ähnlich wie bei den Pocken vielleicht erzielen könnte, hält Herr Geh. R.
Koch für die wichtigste Maassregel zur Bekämpfung der Malaria, der wir völlig
Herr werden können, die Hinaussendung von Aerzten, welche die Sache genau
kennen und hier genau vorgesohult sind, sowie Benutzung genau eingerichteter
Mosquitonetze. Der Malariaforschung neue Ziele zu zeigen sei einer der Haupt-
zwecke des Vortrags. Wir würden der Malaria vollständig Herr und könnten
so die herrlichsten Länder der Erde colonisiren.
Dr. C. Däubler.
Dysenterie.
Contribution ä la pathogönle de la dysenterie. Mlcrobet et toxlnee de l'lnteetin
dytentdrique. De L. E. Bertram. Revue de medecine 10 Juillet 1897, p. 477.
Le travail n’apporte pas beaucoup de faits novrveaux ä l’etude de la dysenterie;
il constitue plutöt une oritique des hypotheses defendues dans ces demieres
annees quant ä la nature de cette affeetion.
L’auteur admet que la dysenterie est la memo, dans son essence, sous toutea
les latitudes.
II rejette l’idee d’un parasite specifique (nematode, amibe ou bacille) ; il admet
que la dysenterie est produite par l’action de plusieurs bacteries intestinales non
specifiques, penetrant dans l'organisme par 1’appareil digestif, et peut-etre ausdi
par les voies respiratoiree. Lee microbes pourraient rester ä l’etat de parasites
latente et inoffensifs jusqu’au jour oü une circonstance accidentelle exalte leur
virulence.
Des analyses chimiques ont montre dans les selles dysenteriques «des com-
poses qui ont donne les reactions caracteristiques des ptomai'nes» ; l’auteur Signale
que les deux chimistes oecupes ä ces analyses ont, malgre les preoautions prises,
ete atteints de rectite et de diarrhee avec tenesme (1).
C. F. (Liege).
HL Sonstige Werke.
Malattte predominanti nei paesi caldi • temperati, von Dr. Filippo Rho, Turin
1897. Rosenberg & Selber. (Fortsetzung).
Capitel IX gilt den Pyrexien, welche nicht in der Malaria-Infection ihren
Ursprung haben. Mit Recht weist Rho auf die Verwirrung hin, welches bis-
Archiv t. Schiff«* u. Tropenhygiene. II. \\
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190
UI. Sonstige Werke.
her in der Eiutheilung der klimatischen Fieber herrschte. Bald wurden Malaris-
Fieber und solche anderer Ursache durcheinander geworfen, bald wurden die
Krankheiten nach den auffälligsten Symptomen und Complicationen , bald nach
ihrer geographischen Verbreitung geordnet Eine Gruppirung auf symptomatischer
oder geographischer Grundlage bat nur vorläufige Berechtigung, wenn es giit,
neue oder unvollständig bekannte Krankheitsbilder zu kennzeichnen. Rho reiht
alle diese klimatischen fieberhaften Erkrankungen, welche weder Malaria noch
Gelbfieber, weder exanthematischer Typhus noch Recurrens noch acute Exanthem?
sind, in zwei Abtheil unngen ein: 1. Fieber aus „gewöhnlicher“ Ursache, 2. Fieber
aus typhöser Infection.
Unter den erateren versteht der Verfasser die Fiebererscheinungen, welche
von einer Ueberanstrengung oder Selbstvergiftung vom Magendarmcanal (Sapro-
hämie) herröhren. Die Behandlung besteht in ersterem Falle in Ruhe und
Erholung, im zweiten in der Darreichung von entleerenden und gährungswidrigec
Mitteln (Calomel, Salol, Milch, Darmausspülungen u. a.).
Viel schwerwiegender sind die typhösen Fieber, deren Vorkommen in deo
Tropen früher geleugnet wurde. Mancher früher auf Malaria bezogene Krankheits-
fall wird als typhös und typhoid erkannt, besonders seitdem das Mikroskop die
Diagnose sichert Lehrreich sind die in Massauah gemachten Beobachtungen, wo
wenig deutliche Fälle von Typhus abdominalis, aber zahlreiche abgeschwächte
„typhoide“ oder „gastrische“ Formen endemisch Vorkommen, obschon die Ein-
wohner nur destillirtes Wasser trinken. Der Krankheitserreger, bacillus Eberth.
verträgt eben längere Austrocknung und kann durch den Staub verbreitet werdet.
Die in gemässigten Klimaten häufigste Uebertragung durch Trinkwasser bewirkt
meistens ein epidemisches Auftreten, während die endemischen atypischen Formen,
welche in heissen Ländern überwiegen, sehr häufig auf andere Weise verbreit«
werden.
C&pitel X, Hitzschlag, geht auf die einzelnen Arten dieser Erkrankung ein.
Der eigentliche Sonnenstich entsteht durch die unmittelbare Einwirkung der
Sonnenstrahlen und ist besonders im militärischen Leben bei Paraden u.s. w. häufig.
Der autothermische Hitzschlag durch gesteigerte Muskelthätigkeit kommt aaefc
in der gemässigten Zone auf Märschen vor, der heterothermische Hitzschlag da-
gegen vorwiegend in den Tropen, weil durch die gesteigerte Lufttemperatur selbst
im Ruhezustände oder bei massiger Arbeit die Wärmeregulierung des Körpers
gestört wird. Hierbei erörtert der Verfasser die Physiologie dee Wännehaushals
und die Pathogenese seiner Störungen.
Nach den Krankheitserscheinungen unterscheidet Rho 1. eine kardiale oder
synkopale Form mit unbedeutender Erhöhung der Körpertemperatur, bleichem
Gesicht, blasser Haut, kalten Extremitäten, kleinem oft aussetzenden Pulse und
unregelmässiger Athmung; 2. eine cerebrospinale oder meningitische Form mit
massigem Fieber, geröthetem Gesicht, warmer oder brennender Haut, vollem und
beschleunigtem Pulse; 8. eine pulmonaxe oder asphyktische Form mit bedeuten-
der Ueberhitzung, brennendem Gesicht, entzündeten Augenbindehäuten, sehr
raschem Pulse und lauter erst gegen das Ende starte roser Athmung. Die beste
Behandlung aller Formen besteht in der innerlichen und äusserlichen Anwendung
von Kälte (stete Temperatuxmessnng wegen Collapsgefahr! Ref.), Abkühlung
kann auch durch subcutane Anwendung von Antipyrin und verwandten Mitteln
erreicht werden. Einige ziehen lauwarme Bäder den kalten vor, besonders be
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HL Sonstige Werke.
191
Erregungszuständen. Letztere können von heftigen klonischen Krämpfen begleitet
sein. Gegen diese gefahrdrohenden Zustände empfiehlt KÖrfer stundenlange
Chloroformnarkose verbunden mit einer Morphiumeinspritzung, um das Erregungs-
stadium der Narkose zu vermeiden. Die übrigen Erscheinungen werden sympto-
matisch wie bei anderen Krankheiten behandelt
Ausführlicher als in den meisten ähnlichen Werken sind die thierisohen
Parasiten (Capitel XI) besprochen. Die für alle Tropenärzte beherzenswerthe
Mahnung Rho’s, die so einfache mikroskopische Untersuchung der Faeces bez.
ries in einem Spitzglase nach Wasserzusatz gebildeten Bodensatzes derselben auf
Eier von Eingeweidewürmern wird durch die zahlreichen Abbildungen in dem
Werke leicht befolgbar. Die Studien Monoorvo's über die Bedeutung des strepto-
ooccus Fehleisen neben den Filarien für die Entstehung der Lymphangitiden (vgl.
Besprechung in Nr. 3 Band I dieses Archivs) waren bei Abfassung des Werkes
noch nicht bekannt und haben in der reichen Literatur -Wiedergabe deswegen
keinen Platz gefunden.
In § 2 dieses Capitels, Arthropoden, haben auch die Pentastomen und
Acariden Platz gefunden, welch' letztere in der Tropenpathologie für die Ent-
stehung mancher Dermatosen wichtig sind, während die Larven der enteren
einige Male in inneren Organen gefunden wurden.
Die giftigen, den Menschen verletzenden Thiere kommen in Capitel XTT
an die Beihe. Der § 1 dieses Abschnitts wird durch eine durch Abbildungen
veranschaulichte zoologische Beschreibung der Giftschlangen oingeleiteL Ueber
das Schlangengift selbst urtheilt Rho nach Aufführung der verschiedenen Hypo-
thesen und Ansichten, dass noch nichts über das Wesen desselben feststeht, dass
aber alle Versuche und Beobachtungen auf eine innige Verwandtschaft mit den
Diastasen und den Toxinen, also mit den Encymen hindeuten. Das Blut der
Schlangen, sowie der Muränen und Aale enthält dasselbe Gift, welches jedoch
nach Calmette durch eine leichtere Zerstörbarkeit durch Abkühlung, langsamere
Wirkung, aber grössere örtliche Beizung sich von dem Drüsengift der Schlangen
unterscheidet Der Tod bei Schlangenbiss tritt durch Lähmung des Athmungs-
centrums ein, das Herz schlägt noch mehrere Minuten nach dem Aufhören der
Athmung fort. Die der Gattung Coluber ungehörigen Schlangen besitzen ein Gift,
welches weniger stark auf das Blut und die Gewebe einwirkt, als das Viperngift
Die Behandlung bestand bis vor Kurzem in einer Neutralisirung des Giftes
durch chemische Mittel: Uebermangansaures Kali in 1% Lösung, wovon 2 — 8
Cubikcentimeter in die Umgebung der Wunde eingespritzt werden, Chromsäure
in 1 % Ijösung, Soda und Pottasche in 10% Lösung. Von örtlichen unangenehmen
Nebenwirkungen freier ist das Goldchlorid (1 : 100), und endlich der Chlorkalk,
von welchem öoc einer frischen Lösung (1:12) mit 45 cc abgekochtem Wasser
gemischt und 10 — 20 Injectionen von loc in die Umgebung der Wunde nach
Abschnürung der Glieder gemacht werden. Letztere Behandlung verspricht noch
innerhalb 20 — 30 Minuten nach dem Bisse Erfolg, während die erstgenannten
Mittel nur binnen 4 — 5 Minuten helfen können. Starke Doeen Aloohol und nach
Müller als Reizmittel Strychnin (1 : 120), besonders aber künstliche Athmung,
unterstützen die Heilung des Kranken, welchen man am ersten Tage nicht ein-
schlafen lassen darf. Alle diese Methoden werden wahrscheinlich duroh die
Serumtherapie nach Calmette in den Schatten gestellt worden (vergl. hierüber
Archiv Band H, Heft 2, 8. 115).
14*
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192
HI. Sonstige Werke.
Giftwirkung hat ferner der Biss der Scorpione, der Soolopendra insigm»
(Afrika), Soolopendra morsitans (Indien) und der Spinnen Latrodectus und
Mygale.
Beachtenswerth sind die Angaben über die besonders in tropischen Meeren
häufigen Fischarten, welche entweder durch Verletzungen mittelst ihrer Stachel-
flossen oder ihres Gebisses schwere Vergiftungsersoheinungen hervorrufen können.
Nach Bottard unterscheidet man fünf Typen der Giftfische. Beim ersten Typus,
welchem Synanoea (Polynesien) und Flotosus (Indien) angehören, fehlt ein Ans-
führungsgang der unter den Stachelflossen sitzenden Giftdrüsen, das Gift entleert
sich erst durch Abbrecben der Stacheln, oder dieselbe ist hatbgeschlossen (Tba-
lassophryne) oder steht offen (Scorpaena und Trachynusj. Zum 4. Typus gehören
die in allen Meeron vorkommenden Muränen, deren Giftzähne durch die am Gaumen
sitzenden Drüsen gespeist werden. Die fünfte Art z. B. Perca fluviatilis ist am
wenigsten giftig, das Gift wird von oberflächlichen Zellen der Stacbelflossen abge-
sondert. Die Schmerzeracheinungen bei Verletzungen durch Giftfische sind äussera.
heftig und vermögen rasende Wuthanfälle hervorzurufen. Die Heilmittel sind über-
mangansaures Kali und alkalische Hypochloride wie bei Schlangenbiss angewandt
(Fortsetzung folgt.) M.
Red actions- Briefkasten.
Robert Koch und die Schwarzwasserfieber - Frage.
Die kurze und bündige Erklärung Koch’s über das Schwarzwasserfieber har
nicht verfehlt, Manche, die das Gegentheil vielleicht erwarteten, in Staunen n
versetzen.
Koch erklärte in seinem Bericht am 9. VI. vor der glänzenden Versammlung
im Kaiserhofe, das Schwarzwasserfieber sei eine Chinin Vergiftung, wo es nicht asf
anderer Ursache beruhe; es sei jedenfalls auszuscheiden aus der Reihe
der Malariakrankheiten — eine Bestätigung meiner bisher vereinzelt da-
stehenden Ansicht*) Daraus geht hervor, dass wenn jene in Afrika beobachtetes
Fälle von Melanurie, die sich nicht durch Chininmissbrauch erklären lassen, nicht
zur Malariagruppe gehören, sie mit ihren in die Augen springenden von mir be-
te. iten fünf Qelbfiebermerkmalen eben woh] oder übel zur Gelbfiebergruppe ge-
hören müssen.
Sowie es ausser der ansteckenden Cholera auch Sorten von cholerineartigM
Erkrankungen giebt, die zur Choleragruppe gerechnet werden müssen, so haben
wir uns daran zu gewöhnen, dass es ausser der epidemischen und ansteckenden
Gelbfieberform auch nicht ansteckende leichtere Formen dieser Krankheitsgruppe
giebt und dass da, wo solche nicht ansteckende Fälle öfters Vorkommen, «ah
gelegentlich einmal an die Möglichkeit des Auftretens der eigentlichen anstecken-
den und verheerenden Epidemie gedacht werden muss. Es wird sich dann di#
Frage anreihen: Welche Schutzvorrichtungen haben wir an unseren afrikanisches
Küsten gegen die Verwüstungen des Gelbfiebers getroffen?
*) die loh eueeer enderwelUg euch eie Mitarbeiter em Meyer'echen ConTereettonelerihca
•chon vor Jehr und Teg vertreten hebe, und die nun zu meiner rreude nur dem Munde >■—
Geringeren , eie Robert Koch eelbet Beetitigung gefunden hat , nachdem aie eo hart engefoohtei
worden let (elehe Supplementbend tu Mejere Cour -Lei. peg. 101 eub „SchwereweeeerSeber
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HL Sonstige Werke.
193
Sind in den Häfen Versuchsstationen für die bis jetzt vorgeschlagenen
Impfungen gegen Gelbfieber eingerichtet, um im entscheidenden Moment, oder
womöglich früher, in Thätigkeit zu treten zur Immunisirung oder doch zu Im-
munisirungsversuchen, zum Zwecke der wissenschaftlichen Beobachtung des ver-
schiedenen Verhaltens der weissen und farbigen Rassen aus den verschiedenen
Generationen?
Weil die dahin zielenden Bestrebungen, die einst bei Gelegenheit der tropen-
hygienischen Fragebogen-Enquete von mir eingeleitet wurden, in einer sehr be-
dauernswerthen Weise vereitelt worden sind, so fehlen alle solche Einrichtungen,
indem man sich mit einer Formsache — der Instal lirung eines Beamten mit
einem neuen Titel (statt der Einrichtung einer tropenbygienischen Centralstelle
im welthygienischen Sinne wie ich sie vorgeschlagen) begnügte.
Sind die nöthigen Vorkehrungen getroffen, um durch internationalen Nach-
richtendienst von Beobachtungsposten an Ort und Stelle zur rechten Zeit über
das Nahen einer Seuche informirt zu sein?
Nein. Unsere Beobachtungen und Versuche beschränken sich noch immer
auf unsere Grenzpfähle. Und statt den Nationen in welthygienischen Einrich-
tungen voranzuschreiten, fühlen wir uns geehrt, wenn wir unsere Gelehrten für
andere Nationen, um ihre Gebiete von Seuchen zu säubern, ausleihen dürfen.
Es muss dem Begründer der neueren Bacteriosoopie einen harten inneren
Kampf gekostet haben, ehe er, der dazu neigte, in der Bacteriosoopie das Uni-
versalmittel der Tropenbygiene zu sehen, sich zu dem Umschwung verstand, vou
dem seine neuerdings in dem berühmten letzten Vortrage niedergelegte An-
schauung Zeugniss giebt: Zu dem Umschwünge von der Alleinherrschaft der
Bacteriosoopie auf tropenhygienischem Gebiet hinüber zu der erweiterten und
verallgemeinernden Forschung, wie ich sie seit Jahren vorgeschlagen, wo der
neuen Wissenschaft der Bacteriologen der ihr zuiommende Platz neben den
andern Naturwissenschaften eingeräumt wird, der Platz neben rassen- und zonen-
vergleichender Physiologie und Pathologie, der Platz als Capital in der ange-
wandten Cellularpathologie und Anthropometrik.
Dass Koch zu diesem Umschwünge gekommen ist und dazu beizutragen
gesonnen ist, dass solcher Umschwung Platz greife in unseren Einrichtungen,
dazu müssen gewisse zwingende Erfahrungen der letzten Zeit beigetrag-.n haben.
Der Umschwung ist da, dafür bürgen seine Berichte, worin er neben dem
bacteriologischen Factor den anderen Facto ren der Troponfieber die grösste Auf-
merksamkeit zollt: Zecken und Milben, die sich in die Hufi des Vieh3 einnisten
und Uebertragung von Texasfieber besorgen, sind für ihn heute neben der Ueber-
tragung der Malaria durch Mosquitos ebenso wichtig wie die Wohnungs-Hygiene
und das Studium der Rassenimmunität, wegen der er zu grossartigeren Nachfor-
schungen an Stelle der üblichen Polar- und Tiefseeforschungen auffordert,*) die
vielleicht nicht so dringend wichtig wären, wie die Assanirung des Tropengürtels
von Tropenfiebem. Denn ohne wirksamen Schutz gegen die Malaria so sagte
Koch, können wir uns unseres Colonialwesens nicht erfreuen.
*) eine Seche , die loh aoeta «Chon 188» ln Heidelberg auf der Neturforacberrereammlung
befürwortete , wo loh die trvpenhygienieche Fragebogen ■ nqnite anregte im Anechlose an
meinen Vortrag ela Referent der D. 0. G. : „Sanltitapolirellldhe Zuatinde in Mexico und Inter-
nationale Ziele der Hygiene.**
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194
in. Sonstige Werke.
Ihn, der gekommen war, um der Binderpest Herr zu werden, musste die
Unvollkommenheit selbst der besten, der englischen, Colonial Verhältnisse auf Schritt
und Tritt hindern, die Unvollkommenheiten der internationalen Statistik in Bezug
auf Zonenausbreitung der Arten bei Pflanze, Thier und Mensch, in Bezug auf di*
Aoclimatisationsfähigkeit und die Arten-Neubildung unter Krankheits- und Ver-
nichtungserscheinungen, wie ich sie ausführlich dargethan in allen meinen uf
dies Thema bezüglichen früheren Vortrügen und Arbeiten gelegentlich der Natur-
forscherversammlungen in den Abtheilungen für Tropenhygiene.
Ihn mussten die auf die nationalen Grenzen beschränkten Sectionsbericht*
und Hospitalprotokolle, die allen Naturgesetzen durch ihre nationale Beschränkung
Hohn sprechenden lokalen Hinrichtungen gegen die Tropenseuchen überall stören,
wo er daran gehen wollte, um Näheres über Rassenresistenz gewissen AfFectionec
gegenüber zu ermitteln.
Ein weiterer Ueberblick als der in den kleinen deutschen Laboratorien beim
Mikroscop gewonnene that noth, um nicht Irrthümer zu begehen wie der mit
dem Sohwarzwasaerfieber, ein Ueberblick über Bassen und Arten, über Immunität
und Aoclimatisation an den Ursprungsstätten des Gelbfiebers in der neuen Welt.
Darum schliesst Koch seinen Vortrag mit der dringenden Aufforderung rar
thätigen Inangriffnahme der Welthygiene, denn das und nichts anderes bedeutet
die Ausrüstung von Forschungseinrichtungen im umfangreichsten M assstabe unter
Mitwirkung aller nur denkbaren ärztlichen Kräfte. Ein internationaler Nach-
richtendienst unter einer abwechselnden Centralleitung, wie ich ihn befür-
wortete, darf davon nicht ausgeschlossen sein, eine internationale Statistik der
Hoepital beriohte und der botanischen wie landwirthschaftlichen Institute in da
Colonieen muss dazu beitragen, dass der Tropenforscher seine Blicke vergleichend
von einer Zone zur andern ausdehnen kann und so nach und nach auf das ewige
Entwicklungsgesetz hingelenkt wird, wovon auch mein für unser coloniales Vor-
gehen so wichtiges Gesetz der Artenbildung durch Zonenwechsel abhängig ist, wii
ich es s. Z. beschrieben habe.
Der Umschwung von der alles monopolisirenden Bacteriologie zur Einrei-
hung dieser neuen Wissenschaft in den grossen central geleiteten Plan ist eine
Bestätigung meines auf dem internationalen medicini sehen Congress 1890 in Beriia
angeregten Planes zu einem medicinischen Welthygiene-Parlament.
Sollte der Streit um das Schwarzwasserfieber dazu wenn auch auf Umweges
geführt haben, so war er nicht vergeblich.
Dr. E. Below.
Anmerkung der Redaktion.
Ohne mit obigen nach Redaktionsschluss eingegangenen Ausführungen ein-
verstanden zu sein, glaube ich dieselben auf dringenden Wunsch des Verfassers
aufnehmen zu müssen , um dem Grundsätze der Unparteilichkeit nicht untreu m
werden. M.
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i« Archiv ^
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene.
Band 2.
L Originalabhantllungeii.
Klima und Krankheiten von SUdcalifornien
von I)r. Carl Schwalbe
pract. Arzt in Los Angeles.
I. Klima.
Südcalifomien liegt zwischen 35° und 33° n. H., nach Westen
durch den stillen Oceau begrenzt, nach Osten durch den Colorado-
fluss. Das ganze Land ist mehr oder weniger mit Gebirgen bedeckt,
welche sich sehr mannigfaltig verzweigen, und mehr oder weniger
grosse Ebenen, Valleys genannt, umschliessen. In diesen Ebenen
ist aber kein Punkt, von dem man nicht benachbarte Gebirge sehen
könnte. Während im nördlichen Californien ein KUstengebirge von
dem Hauptgebirgskannn der Sierra Nevada durch die Flussthäler des
Sacramento und San Ioaquiu scharf geschieden ist, zeigen die Ge-
birge in Südcalifomien nicht ganz eine so vollkommene Gliederung.
Das Küstengebirge verbindet sich ungefähr unter dem 35° n. D. mit
der Sierra Nevada und hat nach Süden einen mehrfach gegliederten
Abfall. Von dem ungefähr 120° w. L. gelegenen l’t. Couception bis
zur Einmündung des kleinen St. Clara -Flusses verläuft die Küste
von West nach Ost, und das Gebirge fällt bei St. Barbara und Um-
gebung bis zum Meere steil ab , reichlich von der mittäglichen
Sonne beschienen und von den südlichen und westlichen Seewinden mit
Kegen und Nebel versorgt. Weiter östlich schneidet das Thal des St.
Clara-Flusses tief von Osten nach Westen in den Gebirgsstock und wird
durch den fast ständigen Seewind mächtig ventilirt. Noch weiter nach
Osten in der Gegend des Teliachapipasses liegt das grosse weite
Hochthal der Mojavewüste, welche sich bis zum Coloradofluss fort-
setzt. Die Wüste, fast vollständig eben, nur hier und da von kleinen
Berggruppen unterbrochen, fällt sanft nach dem Coloradoflusse zu ab.
Archiv f. Schiff«- u Tropeubygieue. II. 15
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196
Dr. Carl Schwalbe.
Während dieselbe westlich beim Tejonpass sich 3000' über den Meeres-
spiegel erhebt, hat sie im Osten am Coloradoflusse nur eine Boden-
erhebung von wenigen Fussen. Die südÜche Begrenzung der Wüste
bildet die Sierra Madre mit Wilsons Peak und Old Baldey und mehr
im Osten die San Bernardino Mountains. Diese Gebirge sind durch-
schnittlich 6000 Fuss hoch, bestehen hauptsächlich aus Granit, der
sehr stark verwittert, und haben eine grosse Mannigfaltigkeit von tiefen
Thälem und Schluchten. Am Südabhange dieser Berge ist das San
Gabriel Valley mit seinen reichen Fruchtgärten, mit der Hauptstadt
von Südcalifomien , Los Angeles. Nach Osten zu am Fusse der San
Bernardino Mountains beginnt wieder ein Theil der Wüste, Colorado-
wüste genannt, welche hier in einer ziemlichen Ausdehnung sich unter
dem Niveau des Meeres befindet und im Süden durch die hohen San
Jacinto Montains mit ihrer Fortsetzung in die San Juliankette be-
grenzt wird. Hier an der Südgrenze Califomiens befindet sich der
prachtvolle Naturhafen von San Diego, ein weitberühmter Winterauf-
enthalt für Brustkranke. An der ganzen Westküste von Californien
strömt ein 400 km breiter, kalter Polarmeeresstrom (8 — 1G°C. Wärmei
entlang, der sich bei dem schon erwähnten Pt. Conception (35 3 n. B.)
von der Küste abbiegt und ausserhalb einer Reihe von Inseln, Santa
Itosa, Santa Cruz, San Nicolas, Santa Catalina, San Clemente nach
Süden strömt, während zwischen den Inseln und dem Festlande von
Südcalifomien ein unbedeutender Meeresstrom mit wärmerem Wasser
von Süden nach Norden fliesst. Die mittlere Temperatur des Was-
sers in diesem Strome beträgt in den einzelnen Monaten: Jan. 1 5.5%
Febr. 16.0° C., März 16.0°, April 16.0°, Mai 16.0°, Juni 16.5% Juh
18.0°, Aug. 18.5°, Sept. 19.0°, Oct. 17.5°, Nov. 16.0°, Dez. 16.5CC.
Das sind Temperaturen welche das Seebaden das ganze Jahr hindurch
gestatten. Eine Aenderung des Landklimas findet selbstverständlich
durch diesen unbedeutenden , wärmeren Meereastrom nicht statt,
während der mächtige, kalte Polarstrom einen grossen Einfluss auf
die ganze californische Küste ausübt.
Am wichtigsten für das Klima sind die Wärmeverhältnisse. Be-
trachten wir zunächst Los Angeles (250 — 500' über dem Meere und
ungefähr 22 Kilometer von demselben entfernt). Die mittlere Jahres-
temperatur berechnet sich auf 16.5°. Die mittlere Temperatur der
einzelnen Monate (aus 18 Jahren berechnet) ist: Jan. 12.0°, Febr.
12.5% März 14.0°, April 15.0% Mai 17.5% Juni 19.5% Juli 21.5%
August 22.5% Sept. 19.0% Oct. 18.0% Nov. 15.2% Dec. 10.4% Der
Unterschied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat beträgt 11.8%
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Klima und Krankheiten von Südcaliformen. 197
Diese Mittelzahlen, nothwendig, um das Klima von Los Angeles mit
anderen Klimatcn vergleichen zu können, geben keine Vorstellung
Von dem Verlaufe der Wärmecurve an den einzelnen Tagen. In Los
Angeles sind die Nächte mit den seltenen Ausnahmen der wenigen,
in welchen der heisse Wüstenwind weht, kühl, zum Theil recht kühl,
die Mittage sind warm, im Sommer öfter recht warm. Es sind also
die täglichen Temperaturschwankungen recht bedeutend. Das Mittel
der grössten täglichen Temperaturschwankungen ist für die einzelnen
Monate folgendes: Jan. 18.3°, Febr. 18.3°, März 19.3°, April ‘20.0°,
Mai 19.7°, Juni 20.2 °,Juli 18.9°, August 18.5°, Sept. 21.0°, Oct. 22.7°,
Nov. 21.7°, Dec. 17.1°. Die Morgenteraperaturen sind im Winter
meistens sehr niedrig und gar nicht selten unter dem Gefrierpunkt.
Am häufigsten kommen Nachtfröste in den drei Monaten December,
Januar und Februar vor; aber auch März und April, October und
November haben bisweilen eine Morgentemperatur unter 0° und selbst
im Mai wird, wenn auch sehr selten, noch ein Nachtfrost beobachtet
Ein Frosttag nach meteorologischen Regeln, d. h. ein Tag, an welchem
die mittlere Tagestemperatur unter dem Gefrierpunkte liegt, ist bis
jetzt in Los Angeles nicht beobachtet worden. Trotzdem sind die
Nachtfröste stark genug, um Schaden zu thun. Die reifen Orangen
erfrieren gar nicht selten; Callas, Heliotrop, junge Gemüse haben
fast jeden Winter an gefährdeten Orten zu leiden. Sobald die Sonne
scheint, und das ist Regel, wenn ein Nachtfrost stattfindet, beginnt
die Luft sich schnell zu erwärmen, und des Mittags ist die Tem-
peratur meistens behaglich warm, an den meisten Tagen im Winter
wohl über 15.0°. Eine Mittagstemperatur unter 10.0° dürfte zu den
grossen Ausnahmen gehören. Je höher die Sonne steigt, je grösser
ihre wärmende Kraft wird, desto energischer macht sich für Süd-
californien der Einfluss des kalten Polarstroms geltend; je mehr sich
das Land erwärmt, desto stärker strömt die kühle Luft, welche über
dem kalten Meeresstrome lagert, nach dem Lande, und kühlt es ab.
Daher kommt es, dass auch die Abende mit sehr wenigen Ausnahmen
kühl sind. Eine Temperatur von 20.0° nach Sonnenuntergang, mitten
im Sommer, ist selten. Von Nachmittags 3 — 4 Uhr findet meistens
beträchtliche Abkühlung statt. Beobachtet man die Temperatur eine
Stunde vor Sonnenuntergang und um Sonnenuntergang, so findet in
dieser Zeit recht häufig eine Temperaturabnahme von 1.7 — 3.4° statt,
die um so empfindlicher wird, als die Zunahme der Luftfeuchtigkeit
eine beträchtliche (20 — 40 °/0 und mehr) ist. Im Sommer sind Mittags-
temperaturen zwischen 24.0° und 30° die gewöhnlichen. Ausnahms-
15*
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198
Dr. Carl Schwalbe.
weise kommen aber, wenn der Wüstenwind weht, viel höhere Tem-
peraturen, 32.0°, 35.0°, 38.0°, 44.0° vor. Da diese Wüstenwinde
aber sehr trocken sind (6 — 10 °/0 relative Feuchtigkeit), so sind auch
diese Temperaturen sehr erträglich. Dann und wann tragen auch
ausgedehnte Feuer in den Bergen zu einer beträchtlichen Steigerung
der Temperatur bei. Dennoch kann man mit vollem Rechte sagen,
dass die Menschen in Südcalifornien mehr Unbequemlichkeiten von
der Kühle der Witterung, als von der Hitze zu leiden haben. Es
wird kein Wunder nehmen, wenn ich hervorhebe, dass die Wärme-
unterschiede zwischen Schatten und Sonne sehr grosse sind. Unter-
schiede von 28.0° und mehr sind Sommer und Winter ganz ge-
wöhnlich. Selbst auf hohen Bergen ist dies sehr auffallend. So
beobachtete ich auf Mt. Lowe (5500') im September Vorm. 9.45 Mb.
eine Temperatur von 15.0° im Schatten und 45.0° in der Sonne.
Unterschied 30.0°, bei Crystal Springs gleichfalls am Mt. Lowe (4500i
Mittags 12 Uhr im Schatten 21.2°, in der Sonne 53.3', Unterschied
32.1°. Auch den Stubentemperaturen im Vergleich zur freien Luft-
temperatur habe ich meine besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Im Winter sind in nach Westen gelegenen Zimmern des Morgens,
bevor geheizt ist, Temperaturen von 8.0° bis 10.0° und 12.0° die
gewöhnlichen. Selbst im Mai und Juni ist die Morgentemperatur
in den Stuben meistens nur 15.0°; im Juli und August 20.0 — 22.0 .
im September meistens schon wieder unter 1 9.0° . Es folgt aus dieser.
Zahlen ohne Weiteres, dass das Heizen der Stuben am Morgen im
Winter ganz angenehm, ja nothwendig ist, um sich behaglich zu fühlen,
wenn man sich nicht in Pelze hüllen will. In Stuben nach Süden
oder Siidosten gelegen, ist die Temperatur etwas höher, besonders
in Backsteingebäuden. An Regentagen kann es nöthig sein, den
ganzen Tag zu heizen. Des Abends reicht in sonnig gelegenen Häusern
meistens die Lampe aus, um im Winter die Zimmerwärme behaglici
zu machen. Aus allen diesen Angaben geht hervor, dass die täg-
lichen Temperaturschwankungen recht beträchtliche sind. Ausge-
nommen sind nur die wenigen Regentage. An diesen Tagen sind
die Unterschiede zwischen Maximum und Minimum nur 2.0 — 3.0 ;.
Von einem Tage zum anderen sind die Wärmeunterschiede meistens
nicht bedeutend, jedoch kommen bisweilen bedeutende Wechsel vor.
Es werden öfter von einem Tage zum andern Unterschiede in der
Mittagstemperatur von 10.0 — 12.0° wahrgenommen. In Südcalifor-
nien wird die Wärme mit Ausnahme der wenigen Tage, wo der
Wüstenwind weht, an Ort und Stelle durch den Sonnenschein erzeugt
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Klima und Krankheiten von Siidealifornion. 1^9
und wird gemildert durch die kühlen, westlichen Oceanwinde. Im
•westlichen Europa wird die Wärme sehr häutig durch die Seewunde
bei bedecktem Himmel von weit her gebracht, während sehr häufig
besonders im März und April beim schönsten Sonnenschein ein kalter
Nord ostwind eine schneidende Kälte erzeugt. — Die Windverhältnisse
sind im südlichen C’alifornien sehr einfache. Der Westwind, der
locale Seewind ist unbedingt vorherrschend; daun und wann bricht
ein heisser, trockner Wüstenwind herein, der die Luft mit Staub er-
füllt. Etwas häufiger weht der Nord- oder Nordostwind, besonders
in den Wintermonaten. Es ist dies der Nordostpassath. Süd- und
Südostwind bringen in Los Angeles am häufigsten Regen. Dieselben
sind als der Antipassath zu betrachten. Bisweilen werden aber auch
unbedeutende Schauer durch Nordwestwind gebracht. Stürme sind
in Los Angeles und Umgebung selten, Gewitterstürme ganz unbekannt.
Kin bis zweimal im Jahre kommt ein kurzer Sturm vor, der einige
M;de einige kleine Schiffe an den Strand geworfen, leicht gebaute
Gebäude umgeworfeu und viele Früchte von den Bäumen abgeschüttelt
hat. Die Sturmgeschwindigkeit hat 14 Meter in der Secunde nicht
überschritten. Da die Abende, die Nächte und die Morgen mit
wenigen Ausnahmen windstill sind, so berechnet sich die mittlere
Geschwindigkeit des Seewindes auf 3,6 — 4,6 Meter in der Secunde.
Der Unterst hied in der Häufigkeit und Schnelligkeit der Winde
zwischen den einzelnen Monaten ist nicht bedeutend; die windigsten
Monate sind Mär/, April, Mai, die windstillsten November und October.
Von der allergrössten Bedeutung für den Südcalifornier sind die Regen-
verhältnisse. Von der Regenmenge, von der mehr oder weniger
günstigen Yertheilung des Regens auf die einzelnen Monate der Regen-
zeit hängt das Wohl und Gedeihen der Laudwirthschaft und Viehzucht
ab. Aus der beigefügten Tabelle ist ersichtlich, dass die Menge und
die Yertheilung des Regens auf die einzelnen Monate und Jahre
sehr unregelmässig ist. So fielen im Januar 1886 7.78 Zoll Regen,
im Januar 1887 0.20; im Februar 1884 13.37, im Februar 1885 0.00;
im März 1884 12.24, im März 1885 0.01; im April 1880 5.06, im
April 1894 0.13; im October 1889 6.96, im October 1891 0.00;
im November 1885 5.55, im November 1894 0.00; im December
1889 15.80, im December 1882 0.08. So unregelmässig die Regen-
verhältnisse in den Wintermonaten sind, so regelmässig sind sie in
den Sommermonaten: Juni bis September fällt kein Regen von irgend
welcher Bedeutung. Südcalifomien ist also ein Land mit Winter-
regen, einige unbedeutende Ausnahmen abgerechnet. Da das Wachs-
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•200
Dr. Carl Schwalbe.
thum der Culturpflanzen vom Regen abhängt, so folgt daraus, dass
das Pflanzenwachsthum, wo nicht künstliche Bewässerung angewaai:
wird, wesentlich auf die Wintermonate beschränkt ist, also auf die
Zeit, wo nur mässige Wärme zugeführt wird. Nur der Umstand,
dass in der Nähe der Küste in den Sommermonaten fast regelmässc
starke Nebel in der Nacht und am Morgen auftreten, ermügbeLt
auch im Sommer das Wachsen des Mais ohne Bewässerung. Nur
selten fällt anstatt des Regens für kurze Zeit Hagel, sehr sehen
Schnee. Bisweilen sieht man einzelne Schneeflocken mit Regen ge-
mischt. Im Februar 1880 fiel in Annaheim (ungetähr 50 Kilometrr
südlich von Los Angeles) sehr reichlich Schnee und blieb an ein-
zelnen Stellen bis zum anderen Morgen liegen. Man könnte nun
sehr leicht zu dem Schluss kommen, dass es viele Regentage iss
Winter geben muss, weil der Regen nur in den Wintermonaten fallt
Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Die Wetterwarte von Los
Angeles giebt die Zahl der Tage, an welchen 0.01 Zoll und mehr
Niederschlag, sei es Regen oder Nebel oder Tliau, gemessen werden
konnte, wie folgt: 1878: 54, 1879: 48, 1880: 51, 1881: 24, 1882: 39.
1883: 33, 1884: 71, 1885: 26, 1886: 32, 1887: 37, 1888: 40.
1889: 50, 1890: 35, 1891: 26, 1892: 37, 1893: 38, 1894: 3*.
1895: 41, 1896: 38. Eine sehr merkwürdige Erscheinung ist es.
dass in Los Angeles Gewitter so gut wie gar nicht Vorkommen.
Ich habe während 6 Jahren ein kleines Gewitter mit massigen:
Regenfall im Sommer beobachtet, auserdem dann und wann einmal
einen Blitz mit Donner. Ebenso unregelmässig, wie die Regenmenge
in den einzelnen Tagen und Monaten in Los Angeles ist, ebenso
verschieden ist diesell>e zu derselben Zeit an verschiedenen Orten,
die nur wenige Stunden von einander entfernt sind. So fielen x. B.
am 4. December 1891 in Whittier 0.40 Zoll, Pomona 0.50, Spadra
0.65, St Monica 0.79, Los Angeles 0.88. Rodeo de las aguas 1.14:
alle diese Orte sind nur wenige Meilen von Los Angeles entfernt.
In der Sierra fällt in der Regel bedeutend mehr. So beträgt <be
mittlere Regenmenge von Giendora (30 Kil. von Los Angeles), un-
mittelbar am Fusse der Sierra, noch einmal so viel als in Los Angeles.
— Die Feuchtigkeit der Luft als ein Regulator der Wärmeverhältni»
ist von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Auch hier geben die
Mittel der einzelnen Monate nur eine sehr unvollkommene Vorstellung
von dem mannigfaltigen Wechsel der relativen Feuchtigkeit an den
einzelnen Tagen. Das Mittel der relativen Feuchtigkeit aus fünf Jahren
für die einzelnen Monate beträgt: Januar 68.1%, Februar 72.7',.
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Klima und Krankheiten von Siidcalifirnien.
201
März 75.0 °/0 , April 72.4%, Mai 75.8 °/0, Juni 73.0 °/0, Juli 77.3 %,
August 76.3 %, September 7 1 .7 %, October 74.7 %, November 7 1 .0 %,
December 63.7%. Es folgt hieraus die wichtige Thatsache, dass
die relative Feuchtigkeit im Sommer, wo es nicht regnet, grösser ist
als im Winter resp. der Regenzeit. Während im Winter eine relative
Feuchtigkeit von 100.0% selten ist, beträgt im Sommer an allen
Morgen, wo Nebel ist, und das ist häufig, die relative Feuchtigkeit
selbstverständlich 100.0%. Nach und nach wirkt die Sonne auf-
lösend auf den Nebel und um Mittag ist die relative Feuchtigkeit
gewöhnlich ungefähr 50%; dann nimmt dieselbe im Laufe des Nach-
mittags wieder zu und erreicht recht häufig nach Sonnenuntergang
90% und mehr. An vielen Tagen ist der Unterschied noch grösser.
Es werden um Mittag nur 40 — 30% beobachtet. Tritt Wüstenwind
ein, so bewegt sich die relative Feuchtigkeit zwischen 10 — 30%.
Ich habe an meinem Psychrometer selbst 6 0 0 und weniger beobachtet
Nach Aufhören dieses Windes tritt dann plötzlich wieder Nebel mit
100% ein. Die Bildung des Nebels ist sehr leicht zu verstehen.
Während des Tages bringt der Seewind fortwährend feuchte Luft
vom Meere über das Land. Am Abend hört nach und nach der
Wind auf, weil sich die Wärmeunterschiede zwischen Meer und Land
ausgleicben; es findet bei dem klaren Himmel eine starke Wärme-
strahlung statt, und nun kühlen sich die unteren Schichten der Luft
so stark ab, dass Dunstsättigung und Nebelbildung eintritt. Bei der
sehr starken Wärmestrahlung des Grases gehört Thau zu den ge-
wöhnlichsten Erscheinungen in Los Angeles. Es sind nur wenige
Morgen, wo das Gras trocken ist. Die Luft ist, wie schon erwähnt,
meistens ungemein klar und durchsichtig. Ferne Gegenstände er-
scheinen sehr nah. Der nächtliche Himmel ist von einer wunder-
baren Pracht, am schönsten natürlich in der Wüste. Es sind viel-
leicht 50— 60 Tage im Jahre, wo der Himmel den ganzen Tag mit
Wolken bedeckt ist; dann sind noch eine Reihe von Vormittagen
mit Nebel und grauem Himmel; aber sicher sind 250—300 Nach-
mittage im Jahre, wo die Sonne beständig scheint und wärmt. Ver-
gleichen wir nun das Klima von Los Angeles mit Orten, welche
unmittelbar an der Küste gelegen sind, so sind manche Unterschiede
zu bemerken. Leider sind mit Ausnahme von San Diego, welches
1.4° südlicher hegt, und St. Barbara, nördlich von Los Angeles
nicht viel meteorologische Beobachtungen an der Meeresküste an-
gestellt. Ich gebe hier Aufzeichnungen, welche im Redondo-Hotel
(22 Kil. von Los Angeles) gemacht sind. (Siehe Tabellen). Aus
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‘202
Dr. Carl Schwalbe.
diesen Beobachtungen geht hervor, dass die täglichen Temperatur-
schwankungen nicht so gross, dass die Winter etwas wärme:
und die Sommer kühler sind als in Los Angeles. Besonder?
ist dies Mittags und Abends auffallend. Im Sommer 1892 machte
ich des Nachmittags 3 Uhr häutig Temperaturvergleichungen zwi-
schen dem Seebade St. Monica (23 Kil. von Los Angeles) und
Los Angeles und fand die Temperatur in St. Monica meistens 5 — 6 1
niedriger als in Los Angeles. Die Nebel sind an der Küste häufiger
und dauern länger. Der Regenfall ist wahrscheinlich etwas geringer,
jedoch fehlen mir genaue Beobachtungen. Der vorherrschende Wied
ist wie in Los Angeles der Seewind, der Westwind, bisweilen im
Sommer so stark, dass er lästig wird. Der Wüstenwind weht selbst-
verständlich zu derselben Zeit an den Küstenplätzen, wo er in Lo
Angeles sich unangenehm macht. Ungemein wohlthuend ist unmittel-
bar am Strande die absolut staubfreie, reine Meeresluft. Ungefähr
120 Kilometer südlich von Redondo liegt das schon erwähnte San
Diego, das sich von Redondo klimatisch nur wenig unterscheidet
Der Hauptunterschied liegt in der bedeutend geringeren Regenmenge,
woraus selbstverständlich folgt, dass die Winter in San Diego sonnen-
reicher und wärmer sind als in Redondo. Da in San Diego die
Wetterbeobachtungen durch die U. St Signal Oftice gemacht werden,
so gebe ich dieselben ausführlich (siehe Tabelle). In San Diego sind
Nachtfröste entschieden sehr selten. Nebel natürlich viel häufiger
als in Los Angeles. In Los Angeles wird die Zahl der wolkigen Tage
auf 51 für das Jahr angegeben, in San Diego auf 85. Gewitter
scheinen in San Diego noch seltener zu sein als in Los Angele?.
Dr. Ilemoudino hat in 18 Jahren einmal Donner gehört. Betrachten
wir nun die klimatischen Verhältnisse in Riverside (70 Kil. in der
Luftlinie vom Ocean entfernt und ungefähr 900' ül>er dem Meeres-
spiegel). Die mittleren Temperaturen sind: Januar 10.2, Februar 1 1.3.
März 13.8, April 16.1, Mai 19.0, Juni 22.2, Juli 25.4, August 25.4.
September 22.8, Üctober 17.6, November 14.2, December 12.0.
Die Temperatur-Minima und Maxima bewegen sieh in 9 Jahren:
Minima: Maxima:
Januar
—
3.3°
und —
0.55°
+
18.9
bis
22.9
Februar
—
3.3°
0.O»
+
21.2
77
28.9
März
—
0.5°
77 4“
5.1 0
+
25.5
77
31.7
April
+
2.3°
„ +
4.5°
+
27.7
77
37.8
Mai
+
3.7°
V +
8.3°
+
33.9
77
40.0
Juni
+
6.2°
•• 4“
10.0°
4-
i
C6.7
77
44.4
Juli
+
8.9°
.. +
13.4°
+
39.4
jj
42.8
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Klima und Krankheiten von Südealifornien.
203
Minima: Maxima:
August -f 10.0° „ -f- 12.9® + 37.8 „ 45.0
September -j- 6.7° „ -f- 11.2° -j- 35.0 „ 41.7
Oetober + 3.4° ., -f- 6.2® + 28.4 „ 38.9
November — 1.7° „ 3.4° + 24.4 „ 35.0
December — 0.5° „ -f- 1.8° 17.4 n 25.5
Die Differenzen zwischen Maximum und Minimum schwanken zwischen
20.0° und 30.0° an demselben Tage. Die Winde sind ungefähr
dieselben wie in Los Angeles. Die Regenmenge ist entschieden be-
deutend geringer (s. Tabelle). In San Bernardino (1100' Uber dem
Meeresspiegel und näher an den San Bernardino Mt.) ist die Regen-
menge wieder beträchtlich grösser, ungefähr so gross als in Los
Angeles. Es scheint sogar, als wenn in den recht trockenen Jahren
es in San Bernardino mehr regnet, als in Los Angeles, lieber die
relative Feuchtigkeit sind in Riverside nur wenige Beobachtungen
gemacht; es geht daraus hervor, dass dieselbe entschieden bedeutend
geringer ist, als in Los Angeles; Nebel sind selten nnd unbedeutend.
In Riverside, San Bernardino und Umgebung sind Gewitter häufiger,
als in Los Angeles, aber immer noch selten, während in den Bergen
in manchen Jahren während der Sommermonate Gewitterschauer oft
Vorkommen. Am 11. August 1891 war in San Bernardino und Um-
gebung ein starkes Gewitter. Es wurde in der Nähe durch Blitz-
schlag eine Scheune in Brand gesetzt; zwei Pferde wurden getödtet.
Auf den Hügeln hinter Redlands ging ein Wolkenbruch nieder, der
Redlands unter Wasser setzte. Klare Tage sind in Riverside, San
Bernardino und Umgebung noch häufiger als in Los Angeles.
Dr. Sawyer zählte von Juli 1885 bis Juli 1886 280 absolut klare
Tage; an 38 Tagen fiel Regen, die kleinsten Schauer eingerechnet.
Aus allen Angaben geht hervor, dass an diesen Plätzen im Winter
Nachtfröste häufiger und vor allen Dingen stärker als in Ix)s Angeles
sind, dass die Mittagstemperaturen höher, dass die Regen meistens
geringer als an der Küste oder im Gebirge sind. Nebel sind viel
seltener und die Luftfeuchtigkeit ist viel geringer. Ich habe bis jetzt
die Barometerbeobachtungeu nicht erwähnt, weil dieselben nicht von
grosser Bedeutung sind. Im Grossen und Ganzen ist der Barometer-
stand ein sehr gleichmässiger, tägliche und monatliche Schwankungen
sind sehr gering. Es ist selbstverständlich, dass bei den erwähnten
Regenverhältnissen die Staubbildung besondere im Sommer an allen
bewohnten Plätzen eine sehr bedeutende ist. Zur Zeit des Wüsten-
windes ist die ganze Luft mit Staub erfüllt, der aus der Wüste über
ganz Südealifornien verbreitet wird. Hiermit schliesse ich die kurze
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204
Dr. Carl Schwalbe.
Schilderung des Klimas der südcalifornisclien Valleys und Küsten ah.
Es ist dies der Theil des Landes, in welchem die grösste MehraL
der Bevölkerung wohnt. Eine kurze Schilderung des Wüstenklim*?
wird ganz beträchtliche Unterschiede zeigen. Die Haupt Verschieden-
heit des Wüstenklimas von dem Küstenklima besteht in noch grösseren
täglichen Temperaturschwankungen, sehr geringer Regenmenge, sehr
geringer relativer Luftfeuchtigkeit und fast beständig klarem Himmel.
Nebel kommen an einzelnen beschränkten Stellen in 3 — 4 Jahres
ein oder zweimal vor. Ganz besonders wichtig ist die grosse Häufig-
keit ziemlich starker Winde, die auch oft des Nachts mit grosser
Heftigkeit wehen. Gar nicht selten bedecken Staubstürme die junge
Saat im Antelope Valley, einem Theil der Mojave-Wüste, mit Stans
und vernichten die Hoffnungen auf eine Ernte. Im Winter sind
Nachtfröste häufig. Es giebt Plätze, wo seit 8 Jahren die Bliithei
der Pfirsichbäume regelmässig erfroren sind. Im Winter fällt Schnee,
doch sind, wie schon erwähnt, die Niederschläge in der W üste über-
haupt sehr gering. Im Antelope Valey, Lancaster 2350' über dem
Meeresspiegel als Hauptplatz, hatte sich eine Ackerbaucolonie ent-
wickelt. Bei den sehr unsicheren Ernteergebnissen aber sind di«
Ansiedelungen zum Theil wieder verlassen. In der ‘Coloradowüste
ist eine nicht unbeträchtliche Strecke unter dem Spiegel des Meeres
gelegen. In früheren Zeiten dehnte sich der Busen von California
bis zu diesen Stellen aus. Die Coloradowüste ist gleichfalls von
heftigen Winden besonders im Sommer heimgesucht. Es sind di«
die Seewinde, welche am Tage nach der stark erwärmten Wüste
strömen. Der Umstand, dass die St. Bernardino und San Ja dato
Mountains am Beginn der Wüste nur eine wenige Meilen breite Schluckt
zwischen sich lassen, giebt dem Winde im Beginn der Wüste eine
ungemeine Stärke; derselbe wirkt wie ein Pressstrahl und schleudert
ziemlich grosse Steinstückchen dem Wüstenwanderer in das Gesicht
Noch schlimmer wirkt der Nordwind, der eigentliche Wüstenstarm.
dessen ich auch schon bei der Schilderung des Klimas von Los Angel«
erwähnte. Nicht selten werden ganze Strecken der Wüstenbaho
durch diese Staubstürme verschüttet Es giebt selbstverständlich
Plätze in der Wüste, welche durch hohe Berge vor dem regelmässige»
Oceanwinde geschützt sind. So liegt der Curort Pidmsprings am
Eusse des Mt. San Jacinto nach Osten und wird dadurch gegen den
Seewind vollständig geschützt, während die nahliegende Eisenbahn-
station der vollen Kraft des Windes ausgesetzt ist. Das Klima der
höheren Berge (4000' und mehr) ist im Ganzen noch wenig studirt
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Kliina uni Krankheiten von Südcalifornieu.
•205
obgleich eine ziemliche Anzahl von Gcbirgscurorten bestehen. Ich gebe
in den beiliegenden Tabellen XX-XXIII einige Beobachtungen, die aber
noch sehr der Ergänzung bedürfen. Beobachtet man auf dem Kamme
der Sierra Madie, z. B. auf dem Mont Wilson, so ereignet es sich nicht
selten, dass die Temperatur dort höher ist als in Los Angeles.
Die warme Wüstenluft strömt über die Berge weg zum Ocean und
die kühle Oceanluft breitet sich in den Thälern von Südcalifornieu
aus, um von dort durch den schon erwähnten San Gorgoniopass
nach der Wüste zu strömen. Auch auf den Bergen ist die Luft-
feuchtigkeit geringer als in den Küstenplätzen; es kommen jedoch
einige hochgelegene Thäler vor, in denen im Sommer locale Gewitter-
bildung mit Regenschauern wenigstens in einzelnen Jahren häufig ist.
Thaubildung findet an den meisten Gcbirgscurorten nicht statt. Im
Grossen und Ganzen kann mau sagen, dass mit der Entfernung vom
Meere die relative Luftfeuchtigkeit proportional geringer wird, dass
alle Orte, östlich von den Gebirgen gelegen, sich durch grosse Luft-
trockenheit auszeichnen, dass die täglichen Temperaturschwankungen
mit der Entfernung von der Küste zunehmen, dass windstille Tage
in ganz Südcalifornien selten und windstille Nächte an vielen Stellen
die Regel sind, einen Theil der Wüsten ausgenommen; dass Stürme
an der Küste nur selten — und von massiger Stärke Vorkommen.
Südcalifornien ist ein Land des Sonnenscheins. Nur an den Küsten
sind die Nebel im Sommer in der Nacht und am Morgen häufig;
je weiter von der Küste entfernt, desto weniger. Die beigefügten
Tabellen werden die ausführliche Begründung dieser klimatischen
Schilderung gehen. Am Schlüsse dieser Betrachtungen erachte ich
es für meine angenehme Pflicht, Herrn George E. Franklin, U. St.
Weather Bureau, für die Liebenswürdigkeit zu danken, mit der der-
selbe mir die Bibliothek des Weather Bureaus zur Verfügung ge-
stellt hat.
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•206
Dr. Carl Schwalbe.
Tabelle I.
Monatsmittel in mm.
Barometer
San Diego
Los Angeles
Januar
762.8
751.4
Februar
761,3
758.3
März
761.0
753.3
April
75.8,9
750.8
Mai
758.9
751.1
Juni
758,6
750,6
Juli
757.6
745.0
August
758.6
751.1
September
757,3
749.8
October
759.5
751,6
November
761.0
754,1
December
761,0
753.6
Tabelle II.
Los Angeles 250' über dem Meere.
Regenmenge in Zollen.
Jahr Jan.
Febr. März | April
Mai
Juni
Juli jAug. Sept.
OcL
Nov.
Deo.
Sa
1877
1878
0.33
7,68
2.57
1.71
0.66
0.07
1
0,15
0.45 | 3.93
— 14.70
1 4.88
2 >. 35
1879
3.59
0,97
0.49
1.19
0.24
0.03
—
0.93
3.44
6,53
17.43
1880
1.33
1.56
1.45
5.06
0,04
—
Spur Spur
—
0.14
0.67
8.40
18.65
1881
1,43
0,36
1.66
0.46
0,01
—
— jSpur
Spur
0,82
0.27
0.52
5.63
1882
1,01
2,66
2,66
1.83
0.63
Spur
|
Spur
0.05
1.82
0.08
10.71
188 J
1.62
3,47
2,87
0.15
2.02
0.03
Spur | —
—
1.42
—
2.56
14.11
1884
3.15
13.37 12,36
3.58
0.39
1.34
I
Spur
0.39
1.07
4.65
40.59
1865
1,05
—
0,01
2.01
0.06
Spur
Spur • Spur
—
0.30
5.55
1.65
10.6«
1686
7.78
1.41
2.52
3.32
—
0.11
0.24 1 0.2 t
—
('.02
1.18
0.26
17.09
1887
0.20
9.25
0.29
2.30
0.20
0.07
0,07 —
0,15
Spur
0.17
0.80
2.68
16.22
1888
6.04
0.80
3.17
0.12
0,05
0.01
0,03 0.08
0.40
4.02
6.26
20.73
1689
0.25
0.92
6.48
0.27
0.65
0.01
Spur 0,61
—
6,96
1.35
15.80
33.50
1890
7.80
1,36
0.66
0,22
—
0.02
— 0,03
0.06
0,03
0.13
2.32
12.69
1891
0.25
8,56
0.41
1.26
0.31
—
Spur | —
0.06
—
—
1.99
1 2.84
1892
0.88
3.19
3.39
0,22
2,07
0.06
— lo.oi
—
0.33
4.40
4.18
18.72
1 89S
6,29
2.27
8,52
0.19
0,06
0.03
1
Spur! 0.75
0.20
3.65
21.9«
1894
0.94
0,49
0,37
0.13
0,20
Spur Spur i 0,01
0,73
Spur
0.02
—
4.62
7JI
1895 5,84
0.46
3.77
0.46
0.19
0.01
Spur Spur
0.24 | 0.80
0.78 | li.'A
Digitized by Google
Klima und Krankheiten von Südcalifornien.
207
Tabelle III.
Loa Angeles. Geschwindigkeit des Windes
(englische Meilen in 24 Stunden).
Jahr
Jan. Kehr.
März
April
Mai 1 Juni
Juli Aug.
| Sept.
Oct.
Nov.
Dec.
1890
2947
2375
| 31 15
2479
2666 2727
2501 2597
2317
2313
2686
2744
1 89 1
3015
3261
- 3016
273 1
2732 —
2613 2579
2532
2086
1990
3514
1892
238t)
2251
1 2833
2937
2935 2737
2539 , 2437 i
2193
2292
,2253
2770
1893
2403
2667
3150
3018
304 ti 2633
2778 ! 2704
2687
2589
i 2362
2676
1894
2511
2794
3188
3021
3077 3143
2633 2711
2492
2113
1481
2655
1895
2868
2230
| 2650
2726 1
2953 , 2667
2380 I 2094
| 2377
2305
2201
2547
1 16124
15632:17935,16918
1 741 1| 16634 15141i 16125
14598
1369842973
l690i
Grösste Geschwindigkeit des Windes und Windrichtung dabei.
Englische Meilen in 1 Stunde.
1390
17 E.
181
24 KW.
1911
151.
81
131,
14 1
15 S 151.
141.
1S91
19 II.
24 E
24 W
24 W
16 E
—
16 1
15 1.
131
2011 16 f.
121.
1892
18 E.
20 E
301
261
221.
30 I.
151.
13 SW.
11 1. 1 6 SW.
211.
1893
24 E
301
29 E.
30*
14 W
141
15 W.
17 W
131. 20 E.
20 E
1894
14 W.
30 n
301
24 *W
18 W
181
15 1
17 SE.
18 W 1 131
121.
1 »95
18 SW.
19*ff
20 SW
24 KW
26 W.
15 W
14 I
121
14*1 141.
121.
Wenn 100 Meilen in 24 Stunden per Stunde 4 Meilen,
weht der Wind nur
12 Stunden so per Stunde 8 Meilen,
9 .. ,, ,i 11
6 17 ..
18 W.
24 KE
30 l
23 W
18 E,
Tabelle IV.
Los Angeles.
Vorherrschende Windrichtung.
Jah r
Jan. |
Kehr.
März |
April
Mai
Juni '
Juli
Aug. [
Sept.
Oct j
Nov. |
Dec.
1890
KB.
"TI
¥
W 1
W
ff.
W.
W. 1
I.
W.
ff.
K.
1 -.91
ff
i
W
ff.
w
ff
ff
ff.
ff.
ff
W
ff.
1892 ;
SE,
W
W
w.
w
ff
ff
w
ff
ff.
ff
ff.
1893
Kl
KE
KE. !
w
ff.
ff.
ff.
w
ff
ff 1
ff
KE
1891'
1.
I.
W.
1.
w
ff
W
w
ff.
ff.
V
E.
ls&5
E.
! KE.
1 w
w
ff
W
ff.
ff
ff |
ff
KE
Kff.
2 I.
3 1.
5 W
5 ff.
2 ff
2 KE
1 K
1 KE.
1 KE.
1 X.
1 E
2 KE
1 KE.
1 SW
1 E
1
1
1 Kff
Mittlere relative Feuchtigkeit.
1890
—
j
1 ~
1
—
1891
—
—
70
72
73
73
fehlt
70
68
75
73
58
1892
60
80
79
71
75
72
76
74
71
69
61
fehlt
1893
66
73
79
71
75
74
76
77
77
73
71
63
1891
70
69
70
71
SO
fehlt
fehlt
fehlt
fehlt
fehlt
84
7 1
1895
76.5
69
77
71
76
73
80
81
68
82
60
Mittel
68,1
72,7
1 <5
1 72,4
75.8
I 73
77.3
76,7
71.7
7 1,7
71,0
63.7
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•208
Dr. Carl Schwalbe.
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Klima und Krankheiten von Südcalifornien.
209
Tabelle VL
Los Angeles.
Tage mit Nachtfrösten.
1888 Deeember 11., 12., 24., 31. 4
1889 Januar 1., 2., 8., 8., 19., 20., 21., 22.. 23.. 24- 16. 11
Februar 17., 18- 19. 3
März keine
1889 Deeember 5., 19., 28- 29., 30- 31. 6
1890 Januar 2., 6- 7., 8., 9., 11- 15., 19., 20. 9
Februar 20., 23., 21. 3
März keine
April keine
Mai einer
October 10. 1
November 8. 1
1890 Decembor 6- 9., 31. 3
1891 Januar 1, 6., 8., 9., 10- 11- 12- 13- 29- 30. 10
Februar 9- 10. 2
Deeember 5- 6- 7- 8- 9- 22- 23- 21- 25. 9
1892 Januar II., 12., 18. 3
Februar keine
März 28- 31. 2
April 20- 21. 2
November 25. 1
Deeember 6- 7., 8. 9- 10- 12- 13- 14- 15. 9
1893 Januar 10- 11- 18- 19. 4
Februar keine
März keine
April keine
Deeember 28 , 29- CO. 3
1894 Januar 3- 4- 5- 6- 7- 8- 9- 10- 11- 17- 19- 21- 23- 25- 27. 15
Fobruar 2- 9., 11- 12- 13- 17- 18. 26- 27. 9
März 3- 4- 5- 21- 22- 23. 6
1830
1881
Tabelle VII.
Riverside.
11 egen menge in Zollen.
1882 1883 1884
1885
1886
Mittel
Januar
—
0,48
1,70
0,09
0,81
0.77
2.21
1,01
Februar
—
0,25
1,40
0,83
12,00
—
1,38
2,64
März
—
1,30
1,03
0,89
6,26
0,01
1,95
1,91
April
—
0,74
0,72
0,26
1,67
2,15
1.43
1,16
Mai
—
0.03
0,08
0,25
1,99
0,24
—
0,43
Juni
—
—
0.18
—
0,52
—
—
0,10
Digitized by Google
210
Dr. Carl Schwalbe.
1880
1881
1882
1883
1884
1885
18S6
Mittel
Juli —
—
—
—
—
—
—
—
August —
—
—
—
—
—
—
—
September —
0,10
—
—
—
—
—
0.10
October —
0,40
0,13
0,97
0.12
0.02
—
a27
November 0.20
0.25
0,29
—
0,12
1,34
—
0.36
December 2.26
0,40
0,24
2,25
2.56
0,62
—
1.38
3,95
5,78
5,54
26,08
5,15
9.3-.
Tabelle VIII.
Redondo-Hötel.
(22 km von Los Angeles an der Küste gelegen.)
Temperaturen.
1891 1890
6 Vorm.
Mittag
6 Abends Mittel
6 Vorm.
Mittag
6 Abends Mittel
Januar
9,4' C.
16.3° C.
17.4 » C.
10,7
16.3
16.4
Februar
10.0
15.2
15,7
11.8
15,7
14.8
März
12,3
16,7
17,4
11,8
16,7
16.7
April
12,3
17,7
17.4
11,2
17,4
18.5
Mai
15,7
18,9
17.8
14,6
18.5
185
.Juni
16,7
20,7
20,0
14,6
18,5
18.5
Juli
20,0
22,3
21,8
16,7
20,0
20.7
August
21,2
24,0
22,9
18,9
21,8
23.4
September 20,0
23,4
22,3
15.7
18,9
19.6
October
17.4
20,7
18,9
13,4
18,9
18.5
November 12,9
18,5
17.4
10,7
18,5
18-5
December
9.4
15,2
13,4
8,9
15,2
14.6
Die Abendtemperaturen sind entschieden zu hoch, ich vermuthe, dass du?
Abendsonne das Thermometer beschienen hat.
Tabelle IX.
U. St. San Diego.
Government Signal and weather Station.
Mittel aus 16 Jahren
Mittel um 7 U. Vorm. 1887
Mittel um SU. Nachm. 1887
Mittel um 10 U. Ab. 1887
Maxima 1887
Minima 1887
Jan.
Febr 1 März 1 April
Kai
Juni | Juli
Ans- f
Snpt Del
JpT
fc
Il2,l
12.7
13.4
14.7
15.8
18.119.7
20.7
19.3 17.2
14.7
13.4
8.6
8.4
11.1
12.6
14.4
16.0 17.6
17.7
17.0 15.5
12.2
SU
16.2
14.3
16,9
17.6
19.1
20,3 21.0
21.0
20.9 21,0
18.0
16.0
12,6
12.3
14,2
15.3
16.9
18.3 19.2
18.7
18.5 1S.1
15.4
li«
23.4
24.1
27.7
26.6
26.2
25.’. 26.2
25.0
26.2 29.5
27.7
2i4
3.4
8.4
6,7
6.7
8.9
12,3 15.7
12.3
14.6 10.0
6.7
*-S
Mittlere relative Feuchtigkeit.
|B8"/o: 74 i 78] 74 [ 77T76';-7iT7Tr 7d] 73 55 ll
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Klima und Krankheiten von SüdcalifornieD.
211
Regenmeugo in Zollen.
Mittel aus t6 Jahren
besonderes trocknes Jahr
Juli 1876
bis Juni 1877
besonders regenreiches
Jahr
Juli 1883 bis Juni 1884
2,05
2,33
1,55 0,93 0, 41
0,06 |o, 03 '0,09-0,04
1,05,0,18,1,44 0,26 0,43
;0,03|0,06
1,34 9,05 6,23,2,84 2, 17|0, 31
0,44
|0,03!0,08
2,01
0,73
0,04
0.20
2,09
0,15
1,82
Tabelle X.
St. Barbara.
(Nordhof!. California.)
Jan. | Febr. j Hin 1 April
Hai Joai | Juli i Agg. j SepL
öd
Ko?.
Dbc.
mittlere Temperatur 9,1 13.5 12,7 17,0
relative Feuchtigkeit 71 °, 0 72 * 73 67
mittlere Temperatur des
Seewassers 1 5,5 16.1 16,1 16,1
17.1
65
16.1
21.6 22,6 20,7
69 72 73
16.7 17,8 18,3
19,6
74
18,9
18,5 15,5 13,3
70 64 64
17,2 16,1 15,5
1870
1»71
1872
1873
1874
1875
1876
1877
1878
1879
1880
Regenmenge in Zollen.
0,25 5.87 0,83 0,99 0.74 0,07! —
0,86 2,92.0.02 2,02 0.37;— — \
2.53 1,81 0, 18,1,80 — 1 0,1 41 — |
0,58 5,48 0,05; — — — —
4.54 3,17 0.78 0,28 0,14,— ! —
14,Mi0,18 0,88 0,10 — — —
7,56 5,6712,73 0,27' — — | —
3,04'— 0,61 0.39 0,45 -
7,87 12,32 2.68 3,3410.29 0,05| —
4,83 0,7 2 0.34 j 1 ,80j0,30 0,1 1 0,07
1,4 1 11,5t 1,22 6,25 — -
1,04 0,27 1,11
—
0,09 1,83 6.56
—
— — 4.34
—
— 0,27.5,26
—
1,91 < 1 ,30j - ■
—
— 6,53 0.31
- 1.413.55
—
0,35 — |6,89
0,11
0,44 1,93 5.01
—
0,17 0,26 9,94
Zahl derTage, an welchen die Temp.
unter 6,2° 0.
über 28,4° C.
1873 1874 1875 1876
1877 1878
1879
1880 1881
79 4 1 17
15 23
43
48 29
1 1 6 : 22 1 4
10 1 8
15
1 i 2
Tabelle XL
Yuma ün Colorado River.
Mittlere Temperatur.
| Jan. j
Febr.
März ) April |
Mai |
Juni
Juli
Aug. | Sept.
| Oot.
2-
| Dec.
1891
12,0
13.0
17,6
21,1
27,7
fehlt
33,3
33,3
28,4
24,4
18,5
10,7
1892
13.9
15,2
18.5
21,2
24,8
28,9
32,2
32.2
30,6
22,3
17,4
11,8
1893
15,2
15,7
16,7
20,7
24,4
30,6
32,2
i 32,8
27,7
22.3
15,7
14,6
1894
11,2
11.2
17.4
21,8
25.0
26,2
32,8
32,2
28,4
21,0
20,0
12,9
1895
12,9
16,3
17,8
21,2
26,2 ,
29,5
31,7
32,8
28,9
24,4
16,3
12,3
ArclilT f. Schlfli- u. Tropenbygleoe. II. 46
Digitized by Google
212
Dr. Carl Schwalbe.
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§
Jahr
Digitized by Goqgh
Windrichtung und Geschwindigkeit, Htitrko dos Winde«, englisch*! Meilen in 24 Stunden.
Klima und Krankheiten von Südcalifornien.
2t
Tabelle XIII.
Yuma
Relative Feuchtigkeit.
Jahr |
Jan.
Febr. j
März |
| April | Mai |
Juni |
Juli
Aug. | Sept. |
Oct. |
Nov. |
| Dec.
1890
1891
1892
36,0
57,2
46.0
34.0
37,6
33,6
39,0
43.0
42,0
83,0
40,0
1893
28.0
33,0
50.0
32,0
41,0
35,0
52,0
54,0
44,0
43,0
52.0
46.0
1894
•46,0
47,0
40.0
31,0
86,0
42,0
45.0
47,0
46.0
46,0
34.0
63,0
1895
51,0
37,0
88.0
36,0
33,0
36,0
41,0
46,0
40,0
1
50,0
47,0
34,0
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39,7 j
42,8
43,5
33,2
36,9
| 36,6
1 44,2
47,5
43,0
46,3
41,5
45,7
Regenmenge Summa
1890
1891
1892
1.85
0,87
0,52
0,05
0,02
0,04
8,33
1893
—
1
1.29
— !
0,29
—
0,50
0,38
0,08
0,01
0,19
0,26
3,00
1894
fehlt
0.74
fehlt
—
—
0.36
0,10
0,51
0.84
—
0,40
2,95
1895
0,78
0,02
—
—
—
—
0,01 j
—
—
0.15
0,37
—
1,33
Regentage Summa
1890
1891
1892
4
6
2
—
2
—
—
1
1
—
—
—
16
1893
—
0
5
—
2
—
2
3
1
1
1
3
18
1894
fehlt
0
2
fehlt
—
—
1
2
1
1
—
6
13
1895
1896
1
1
1
—
1
1
3
2
8
Tabelle XIV.
Salton (33 0 25' nB. 115“ 56' wL.)
263 Fuss unter dom Meeresspiegel.
Tomperatur
Max.
Min.
Mittel
Regen
Januar
44,4° C.
- 1,1
17,7
0,18 Zoll
Februar
35,0
+ 0,6
19,58
0,00 „
März
40,0
4,5
20,92
IT
April
37,8
6,2
23,4
0,00 „
Mai
51,1
16,7
28,96
0,00 „
Juni
53,3
24,0
38,13
0,00 „
Juli
48,8
28,9
36,81
0,00 ,,
August
48,8
26,6
36,81
0,51 „
September
fehlt
October
43,9
17,4
29.61
0,93 „
Novomber
31,7
8,3
21,64
0,46 „
December
22,3
7.2
13.62
0,62 „
16*
Digitized by Google
214
Dr. Carl Schwalbe.
Tabelle XV.
Port Mojave am Colorado-Fluss.
Aus Dr. Oscar Loew. Expedition durch das südliche Califomien.
Mittlere Temperatur
Morgens 7 Uhr
Mittags 12 Uhr
Abends 9 Uhr
Januar
13,3° C.
8,8
17,6
13,6
Februar
12,1
8,6
16,8
12.0
März
20,9
14,8
27,7
20,2
April
22,3
17,8
28,3
20,9
Mai
25,8
20.6
31,2
25,6
Juni
83,0
27,2
40,0
31,8
Juli
37,8
38,0
43,4
87,0
August
38,2
29,8
38,5
31.2
September
82,0
25,7
38,8
31,2
October
27,1
17,8
30,1
23.3
November
18,9
12.3
25,0 .
19,5
December
10,7
7,2
14,4
10,6
Die Regen sind meistens im Sommer.
Es fielen 1870 93,9 mm
1871 53,3 mm Die Regen kommen aus dem Meerbusen von
1872 81,3 mm Califomien.
1873 86,4 mm
Die relative Feuchtigkeit ist sehr gering. Dieselbe schwankt zwischen
9,3% und 52,8%.
Die Hauptwindrichtung ist von Südost.
Tabelle XVI.
Colorado Desert.
33° 53™ nB. 116° 28' wL.
Palmsprings 580' über dem Meere.
17. September 1895
Temperatur
relative Feuchtigkeit
4,10 m Nachmittags
31,5° C.
2%
5 »
30,5 „
0%
5,40“ „
29,5 „
0%
e
29,2 „
0%
6.50“ „
28.8 „
0%
Ungefähr 10 Fuss vom
Hygrometer wurde die ganze Nacht bewässert.
8 Uhr Nachmittags
26,0° C.
5%
18. September
5,15“ Morgens 17,2
25%
Sonnenschein 5,45“ „
17.5
24%
6
17,5
26%
eigene Beobachtung
Digitized by Google
Klima und Krankheiten von Südcalifornien.
215
Tabelle XVII.
Palmdale, 2700'. Antelope Valley. Station d. South. Pacific R. R.
nach San
Francisco,
eigene Beobachtung.
21. Mai 1897
Nachm. 5 Uhr Temp.
22,5» C.
rel. Feuchtigkeit 32
Stubentemp. 23,9
Wind: West
Himmel bedeckt 5,40 m
22,5
31
23,5
klärt auf 6,40 m
21,0
31
22,5
7,45
18,0
36
22,1
3. Mai 5 Uhr Morgens
Sonnenaufgang
Himmel hell u. klar „
11,0
57
17,2
Windstille und 5,30 m „
14,0
49
16,8
Sonnenschein 6,10m „
16,0
45
16,6
7 Uhr „
18,2
37
17,0
7,30"* „
19,0
34
18,2
sehr heftiger Wind 5 U. Abends 21,0
35
21,8
den ganzen Tagl .
sehr windig j ” ”
19,5
33
20.2
Wind lässt nach 7 „ „
18,0
40
19,2
4. Mai 5 „Morgens 11,2
64
16,6
windstill 5,45 m „
13,5
58
17,0
Sonnenschein 6,10"* „
15,5
55
17,0
6,30"* „
17,0
49
17,6
leichter Wind 7,15 "* „
19,0
42
17,5
Wind stärker 9
21,0
35
19,8
Wind heult 10,10"* „
21,3
33
21,2
aus Westen 1 ,
sehr stürmisch} 1,au ”
25,5
20
25,0
Tabelle XVIII.
Del Sur.
80 km nordwestlich von Palmdale, ungefähr 2800'.
5- Mai
Temp.
relative Feuchtigkeit
1,30"*
Nachm.
28.5
0% massig windig, Westwind
2 Uhr
3»
28,2
0% Wind stärker, heult
Sonnenschein 3 n
11
27,3
0% sehr stürmisch
4 „
91
26,5
4%
5,30“
11
25,5
5% Wind viel schwächer
8. scheint noch 8, 80 “*
11
22,2
9%
Sonne unter 6,38"*
11
21.8
9%
Mondsichel 7,15"*
11
19,0
14%
6. Mai
Nachts stürmisch
vor Sonnenaufgang 5 U. Morg.
10,0
58% sehr stürmisch NW.
ll,40m Vorm.
24,0
10% massig windig
1,30“ Nachm.
22,2
14% sehr windig
2
11
>1,3
17% 99 9)
5,5“
11
18,5
28 % 99 99
5,50“
11
17,2
82% 99 99
Digitized by Google
216
Dr. Carl Schwalbe.
Sonne unter
7,45
m
15,0
42% noch starker Wind
7. Mai
6 Uhr Morgens
13,0°
42% windig
7,20
m
15,0®
87%
10,15“ „
23,0°
19%
eigene Beobachtung.
Tabelle XIX.
Julian aus U. St Weather Rep.
Temperatur in Cels. Regenmenge in Zollen.
1896.
Maxim.
Minim.
Mittel
Januar
21,8
— 0,55
13,2
4,55
Februar
22,9
— 2,8
9,3
0,40
März
28,9
— 5,0
9,5
6,10
April
23,4
- 2,2
8,1
1,40
Mai
33,9
- 1,1
13,6
0,10
Juni
41,1
+ 2,9
21,1
0,00
Juli
fehlt
fehlt
August
fehlt
fehlt
September
88,3
16,7
27,9
—
October
fehlt
fehlt
November
fehlt
fehlt
December
fehlt
fehlt
Niederschläge in West-Palmdate 2700' Antelope Valley
(Mojave Desert).
August 1896
1,35 Zoll
Januar 1897
8,78 Zoll
(30 Zoll Schnee)
September
0,32 „
Februar
8,71 „
(19 „ * >
October
1,42 „
März
1,31 „
November
0,43 „
April
0,04 „
December
0,98
Tabelle XX.
Julian 38,°04“nB. 116,°30mwL.
Regenmenge in Zollen resp. Schnee
1880
1831
1882
1883
1884
Januar
1,50
5,18
5,13
10.04
2,25
Februar
5,75
4,88
8.38
6,63
20,63
März
9,25
8,13
7,31
9,13
15,63
April
7,50
2,75
4,88
4,13
10,03
Mai
—
—
—
—
8.63
Juni
—
—
— .
—
—
Juli
—
—
—
—
—
August
—
—
—
—
—
September
—
—
—
—
—
October
—
—
—
2,75
—
November
2,25
1,88
5,13
—
—
December
2,75
6,88
6,25
6,00
—
Digitized by Google
Klima und Krankheiten von Südcalifornien .
217
Tabelle XXL
Mt. Wilson (62000.
20. September 1895.
Temperatur
relative Feuchtigkeit
Sonne unter 6 Uhr 7“
16,0
32%
6
17
15“
13,0
39%
6
11
20“
11,5
41%
6
11
40“
11,0
45%
7
11
10,5
41%
8
11
20“
10,0
35%
Nacht windig 2
H
15“
Morgens
8,0
40%
im Zelt 5
11
11
8,0
3%
im Freien 1 ,
starkerWindj
11
30“
11
7,5
22%
Sonnen- 1 .
aufgang | 0
11
45“
11
7,8
20%
Sonnenschein 6
11
11
7,3
23%
windig 6
im Thal Nebel
11
30“
11
7,9
21%
eigene Beobachtung.
Tabelle XXII.
Mt. Wilson. Los Angeles.
Beobachter: Herr Kingsbacker. eigene Beobachtung
1892. 11. August
1 Uhr Nachm. 22,3° C. 1,30“ Nachm. 24,3° C.
5 „ ,, 17,8 „ 9 „ 16,4 „
12. August
5 Uhr Morgens 7,2° C. 5 U. Morgens 12,8° C.
7 „ „ 10,0 „
9,30“ „ 20,7 „
12 Uhr Mittags 25,0 „ 12 Uhr Mittags 25,7 „
2,40“ Nachm. 26,6 „ 5 Uhr Abends 22,6 „
6 Uhr Abends 18,9 „ 7 „ „ 18.9 „
13. August
6,30“ Vorm. 11,8 „ 6,45“ Vorm. 14,6 „
12,45“ Nachm. 26,6 „ 2 UhrNachm. 29,5 „
6 Uhr Abends 21,2 „ 6,1 5 “Abends 22,3 „
14. August
8 Uhr Vorm. 22,9 „ 8 Uhr Vorm. 20,7 „
12,45 “Nachm. 29,5 „ 11 „ „ 29,5 „
5,45“ „ 20,0 „ 5, 80 “Nachm. 25,0 „
Digitized by Google
Zustände in spanischen Militärlazarethen der alten und
neuen Welt und die Krankenbewegung sowie Sterblichkeits-
verhältnisse des spanischen Heeres auf der Insel Cuba
während des Jahres 1897
von Dr. Reinhold Rüge, Marine-Stabsarzt.
Auf einer Reise im vergangenen Herbst und Winter hatte ich
Gelegenheit, spanische Militärlazarethe in verschiedenen Gegenden
der Erde zu sehen und es dürfte jetzt, wo der Krieg zwischen
Spanien und Nordamerika allgemeine Aufmerksamkeit erregt- nicht
ohne Interesse sein, zu sehen, in wie weit die Spanier in sanitärer
Beziehung ausgerüstet sind.
Im September 1897 befand ich mich in Vigo, einer kleinen
Stadt von etwa 30 000 Ew., die in der Nordwestecke von Spanien
an einer tiefen, gut geschützten Bucht liegt und im Sommer viel
als Badeort benutzt wird. Ich hatte das Civilhospital Elduayen (so
nach seinem Stifter genannt) bereits besucht und recht gut uiid
brauchbar eingerichtet gefunden und ging am nächsten Tage zum
spanischen Stadt -Commandanten, um mir die Erlaubniss zur Be-
sichtigung des Militärhospitals zu erbitten. Die Erlaubniss wurde
mir sofort ohne jede Schwierigkeit ertheilt, obgleich ich mich in
Civil befand. Eine Ordonnanz führte mich nach dem am Quai ge-
legenen Hospital militar. Dieses Lazareth lag dicht neben dem
Landungsplatz unserer Boote. Trotzdem hatte ich es vorher nicht
bemerkt. Das kam aber daher, dass es sich in einer alten verfallenden
Capelle befand und nur ein graues Schild mit den Worten: Hospital
militar zeigte an, dass man es nicht mit einer Capelle, sondern mit
einem Militärlazareth zu thun hatte.
Um einen viereckigen, schlecht gehaltenen und schmutzigen
Lichthof herum, der mit spärlichem Grün bepflanzt war, lagen die
verschiedenen Krankenzimmer. Es waren öde, niedrige, grosse,
düstere Räume, von deren Wänden der Kalk gefallen war und an
deren Decke die tragenden Balken unverschalt und unverputzt ber-
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Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 219
vortraten. Die Dielen des Fussbodens waren löcherig und schmutzig.
Die eisernen Bettstellen waren alle mehr oder weniger invalide, die
Bettwäsche war schmutzig, die wollenen Bettdecken waren vielfach
zerrissen. Krankentischchen gab es nicht.
In auffallendem Gegensatz zu dieser elenden Krankenzimmer-
ausrüstung stand die gute Ausrüstung der Lazarethapotheke. Das
hatte aber seinen guten Grund. Die Apotheke war nämlich stark
in Anspruch genommen: nicht etwa von den 18 Kranken, die das
Lazareth beherbergte, sondern von den Officieren und den im
(Jfficiersrang stehenden Beamten der Garnison. Diese sind nämlich
berechtigt, alle Medikamente, die sie für sich oder ihre Familien
brauchen, zu einem weit niedrigeren Satze, als er in den Civil-
apotheken Brauch ist, aus den Lazarethapotheken zu beziehen.
Fs war auch der Apotheker, der mich im Lazareth herumfuhrte.
Militärärzte waren zur Zeit nicht im Lazareth. Man sagte mir,
diese befanden sich alle in Cuba oder auf den Philippinen. Ein
Civilarzt besorgte augenblicklich die Behandlung. Zu thun war da
nicht viel. Denn die häufigsten Erkrankungen waren: Mandelent-
zündung, Darmkatarrhe und Geschlechtskrankheiten. Ausserdem
fehlte ein brauchbares Instrumentarium, so dass jeder operative Fall
nach Corufta geschickt werden musste. Auf deutsche Verhältnisse
übertagen würde das etwa heissen: jeder operative Fall, der in
Flensburg zugeht, muss zur Operation nach Hamburg geschickt
werden.
Es wurden in dem Lazareth übrigens Krankenblätter und ein
Hauptkrankenbuch geführt.
Ueber die Art der Verpflegung konnte ich leider nichts in Er-
fahrung bringen. Ebenso wenig konnte ich den Abort besichtigen.
Er wurde mir als Nichtgegenstand einer ärztlichen Besichtigung be-
zeichnet. Ich habe ihn nur gerochen! Er wurde „muy mala“ d. h.
„sehr schlecht“ genannt — Eine kleine Kammer für Geschirr und
Wäsche war vorhanden, aber nur mangelhaft ausgerüstet.
Am anderen Tage liess mir der Arzt, der inzwischen von meinem
Besuch gehört hatte, sagen: er wüsste ganz gut, dass das Lazareth
in keiner Weise modernen Anforderungen entspräche, er könnte
aber nichts machen, denn es fehlte das Geld zu Neubeschaffungen.
Im October befand ich mich in Las Palmas (Canarisclie Inseln).
Hier waren die kranken Soldaten in einer Abtheilung des städtischen
Hospitals untergebracht. Ein selbstständiges Militärlazareth war
nicht vorhanden. Die ganze Einrichtung und die allgemeinen Ver-
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2 "20 Dr. Reinhold Rüge.
fakltnisse in diesem Hospital waren so eigenartig, dass ich sie nicht
übergehen kann.
Das Hospital war ein weitläufiges, unregelmässiges Gebäude,
das von aussen einem Gefängniss weit ähnlicher sah als einem
Krankenhaus. In diesem Krankenhaus befanden sich : das städtische
Hospital, ein Asyl für arme, arbeitsunfähige, alte Fraueu, ein Pensionat
für Töchter besserer Stände, eine Schule und eine Kleinkinder-
bewahranstalt. Ausserdem waren darin noch kranke Soldaten unter-
gebracht.
In der Krankenabtheilung dieses Gebäudes lagen in den
Krankensälen innere und äussere Kranke, sowie Kinder und Er-
wachsene*) bunt durcheinander. Die Krankensäle waren lang,
schmal und finster. Denn die viel zu kleinen Fenster lagen 2,0 m
über dem Erdboden. Der Boden selbst war mit Ziegelsteinen ge-
pflastert. Die Reinlichkeit war sehr mässig. Das Letztere hatte
seinen Grund in dem vollständigen Mangel jeglichen Pflegerpersonals.
Wie mir der begleitende Arzt sagte, gab es weder männliche noch
weibliche Krankenpfleger, noch Krankenwärter, die für die Reinlich-
keit in den Krankensälen sorgten. Der Arzt sowie die Kranken
waren in dieser Beziehung gänzlich auf den guten Willen von
Leichtkranken angewiesen.
Die düstem Säle waren mit 30 — 35 Betten belegt, deren Rein-
lichkeit und Instandhaltung gleichfalls sehr zu wünschen übrig liess.
Jeder Saal hatte ausser den kleinen, hochgelegenen Fenstern nur ein
einziges grosses Fenster**). In einem derartigen Saal waren auch
die kranken Soldaten untergebracht. Dieser Saal unterschied sich von
den anderen durch eine grössere Reinlichkeit Die vorherrschenden
Krankheiten waren dieselben wie in Vigo. Nur war an Stelle der
Mandelentzündung die Ruhr getreten.
Mit guten Einrichtungen war die Küche versehen, die Kost war
aber schlecht. Sie bestand aus einem Fisch, der vorm Brateu nicht
einmal ordentlich geschuppt war und aus Fleischstücken, die der-
artig von Sehnen und Knochen durchsetzt waren, dass sich die
eigentliche Art des Fleisches nicht erkennen liess. Geniessbar waren
nur die Kartoffeln.
Auch in diesem Hospital konnte nicht operirt werden. Der
Arzt, der in Oesterreich, England und Frankreich studirt hatte, ein
*) Getrennt waren nur die Männer- und Frauenabtheilungen.
**) Die Schlafsäle in dem Mädchenpensionat waren so gross als die
Kranliensäle, hatten aber an Stelle des einen grossen Fensters deren acht!
Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 221
eigenes gutes Instrumentarium*) besass und mit den Kegeln der
Antiseptik voll vertraut war, sagte mir: „Ich kann hier nicht
operiren. Denn es fehlt mir an Assistenz und an geeignetem Ver-
bandmaterial. Die Operirten gehen meist an Sepsis zu Grunde“.
Al» ich das erbärmlich ausgestattete Operationszimmer sah, wurde
mir der Grund der Sepsis allerdings sofort klar.
Ira Januar 1898 kam ich nach Habana. Leider war der Aufent-
halt so kurz, dass ich nur eins der Militärlazarethe besichtigen
konnte. Es gelang mir aber dank der liebenswürdigen Unterstützung
eines der ansässigen deutschen Herren das grosse Feldlazareth —
Alfons XIII. — im Fort Principe bei Habana zu sehen. Das Fort
liegt auf einem steil ansteigenden Hügel im Nordwesten der Stadt
dicht an der See und ist bequem mit der Pferdebahn in einer halben
Stunde zu erreichen. Ich wurde auf das Zuvorkommenste von dem
Chefarzt und 4 Oberärzten empfangen. Einer der Herren sprach
etwas deutsch, erzählte mir, dass er sich die deutsche Militärärztliche
Zeitschrift hielte und kam mit den Bildern von Excellenz von Coler
heraus u. s. w. Ich wurde in diesem Riesenlazareth 2 '/, Stunde lang
herumgeführt.
Es bestand aus einer grossen Anzahl von Holzbaracken, die unter-
einander durch gedeckte Gänge verbunden waren. Ueberall war
reichlich Licht und Luft vorhanden und die frische Seebrise strich
frei über die kleine Barackenstadt.
F.s lagen im Ganzen 2900 Kranke und Verwundete im Lazareth.
Diese wurden von 13 Militär- und 7 Civilärzten behandelt In der
Apotheke arbeiteten 2 Apotheker mit 13 Gehülfen. Sie hatten täg-
lich 7000 (!) Verordnungen auszuführen. Es kamen aber die ge-
bräuchlichsten Medikamente bereits fertig zum Gebrauch in den
nöthigen Mischungen aus der Centralstelle in Madrid, so dass sie
nur abgewogen zu werden brauchten**). Sie waren gezeichnet mit
Sanidad militar. Neben den 20 Aerzten waren 47 Schwestern,
150 Lazarethgehülfen und 170 Krankenwärter im Lazareth thiitig.
Für den Monat Januar wurden 83 000 Behandlungstage berechnet.
Der Tag kostete 80 cent Silber = 2.40 Mk.
Diese Zahlen geben ungefähr einen Begriff von der Grossartig-
keit der Anlage im Allgemeinen. Die Einrichtungen im Besonderen
waren folgende.
*) Das Hospital bosass keines.
**) Chinin wurde nach tons (! ) bezogen. Das spanische Heer auf Cuba batte
im Monat Jnni 1897 allein 11 752 Zugänge an Wechselfieber.
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222
Dr. Reinhold Rüge.
Die einzelnen Baracken waren durchschnittlich fiir 24 Mann
eingerichtet und ähnelten sehr der Baracke, die zur chirurgischer
Abtheilung der Berliner Charite gehört. Doch waren an Stelle der
Betten sogenannte Bettesel in Gebrauch. Diese Bettesel, die ao-
einem über einen Bock gespannten Segeltuch bestehen, sind kühler
als Betten. Jeder Kranke hatte ein Krankentischchen, das ungefähr
den in unseren Lazarethen gebräuchlichen entsprach, ausserdem ein
Nachtgeschirr. In jeder Baracke fand sich ein Raum, der zum
Aufenthalt für die I<azarethgehülfen diente und demgegenüber ein
Raum, der die nöthigen Instrumente, Medikamente und Verband-
mittel enthielt. Die Trennung der inneren, chirurgischen und ge-
mischten Station war vorhanden. Das Operationszimmer, das ich
sah, war sehr einfach , aber den Anforderungen der modernen
Chirurgie entsprechend eingerichtet. Es war ein besonderes Dunkel-
zimmer für Augenuntersuchungen vorhanden. (Die chirurgischen
Instrumente waren aus Paris bezogen.)
Es herrschte überall eine blendende Sauberkeit.
Ausser den allgemeinen Krankenbaracken waren noch Isolir-
baracken für ansteckende Kranke vorhanden. Sie waren z. Zt
nicht belegt Es war z. B. kein einziger Fall von Gelbfieber oder
Pocken im Lazareth.
Es war ein Badehaus mit Einrichtungen für Voll-, Sitz- und
Doucliebäder vorhanden.
In der vorzüglich eingerichteten und sauber gehaltenen Küche
wird mit Dampf gekocht*). Die maschinellen Vorrichtungen stammten
aus New-York, die Apparate der Desinfectionsanstalt gleich-
falls, ebenso wie diejenigen der gut gehaltenen Dampfwäscherei.
W äsche- und Kleiderkammern waren wie bei uns eingerichtet
Alle diese eben genannten Einrichtungen und Apparate waren in
besonderen, alleinstehenden Baulichkeiten untergebracht. Besonder-
zu bemerken ist, dass eine grosse Maschine aufgestellt war, die das
für die Barackenstadt nöthige Wasser nach 2 Wasserthürmen in die
Höhe hob, von wo aus es bequem mit dem nöthigen Druck nach
allen Theilen des Lazareths geleitet werden konnte. Dementsprechend
waren auch alle Aborte mit Spülvorrichtung versehen und es waren
Kläranlagen vorhanden.
Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Bemerkungen über
die Art der hauptsächlich zur Behandlung kommenden Krankheiten
*) Ich habe das Essen wiederholt versucht und alle die versuchten Speisea
gut und schmackhaft gefunden.
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Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 223
machen. Allen anderen Krankheiten an Zahl standen voran:
Wechseln eher und Ruhr. Namentlich war diesen beiden Krank-
heiten gegenüber die Anzahl der Verwundeten verschwindend
klein. Ich sah auf der chirurgischen Station nur einzelne Fälle
von Resektionen grosser Gelenke und Amputationen. Sie waren
alle gut geheilt, Wundinfektionskrankheiten, sagte mir der
Chefarzt, wären sehr selten. Wundstarrkrampf, der sonst in den
Tropen viel häufiger als bei uns ist, wäre gar nicht vorgekommen.
Es wären nur vereinzelte Fälle von Rose beobachtet worden.
Auf der gemischten Station sah ich drei Fälle von schwerer
Syphilis. Von Hautkrankheiten war Krätze sehr häufig.
Ausser diesem grössten Militärlazareth — Alfonso XIII — gab
cs z. Zt. meines Besuches noch b weitere Militärlazarethe in Ilabana.
Diese 6 Militärlazarethe waren rund mit 9000 Kranken und Ver-
wundeten belegt. Auf der ganzen Insel Cuba gab es nach Aussage
des Chefarztes 60 Militärlazarethe.
Als ich gegen Abend das Lazareth verliess, kam mir ein Trans-
port von 411 Kranken und Verwundeten entgegen. Die Leute
schleppten sich zum Theil zu Fuss den Berg hinauf, zum Theil
wurden sie in Wagen gefahren, zum Theil in Tragen befördert, die
gedeckt waren und aussahen wie ein Sarg. Die Leute machten in
ihren abgenutzten graublauen Uniformen einen traurigen Eindruck.
Sie sahen alle mehr oder weniger wie chronisch Kranke aus, die
aufs Aeusserste erschöpft waren.
Ich lasse nun die Tafeln über die Krankenbewegung und Sterb-
lichkeitsverhältnisse dieses Riesenlazareths, die mir in liebens-
würdigster Weise auf meine Bitte vom Chefarzt zusammengestellt
wurden, sowie den Sanitätsbericht über das ganze spanische Heer
auf Cuba für das Jahr 1897 folgen, so weit ich das noch in Arbeit
befindliche Material benutzen konnte.
Tafel I giebt einen Begriff von den Anforderungen, die an die
Aerzte und das Lazarethpersonal im Hospital Alfonso XIII. ge-
stellt wurden. Ich kann leider nicht angeben, wie lange Zeit die
Aufnahme und das Unterbringen der am 31. I. zugegangenen
411 Kranken und Verwundeten in Anspruch nahm. Die Versorgung
einer so grossen Anzahl von Kranken auf einmal ist jedenfalls selbst
für ein so grosses Pflegerpersonal, wie es im Hospital vorhanden
war, eine ganz ungeheure Aufgabe.
Tafel II giebt eine allgemeine Uebersicht Uber die Kranken-
bewegung im Hospital Alfonso XIII während des Jahres 1897 und
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224
Dr. Reiuhold Kuge.
giebt zugleich einen kurzen Ueberblick über die Krankenbewegung
und Sterblichkeit in einzelnen Krankheitsgruppen.
Tafel 111 giebt die Krankenbewegung und Sterblichkeit im
ganzen spanischen Heere auf der Insel Cuba während des Jahres
1897, soweit mir eine Gesammtdaretellung nach dem vorliegenden
Material möglich war.
Tafel IV endlich giebt die Krankenbewegung und Sterblichkeit
im spanischen Heere für einzelne wichtige Krankheiten an. Leider
konnte ich hier nur Angaben für das erste Halbjahr 1897 erlangen
und auch diese Angaben waren nicht zahlenmässig genau, sondern
bereits graphisch dargestellt.
Ich wende mich nun zur Besprechung der Tafeln.
Die Zahlen auf Tafel I sprechen für sich selbst und bedürfen
keiner weiteren Erläuterungen.
Die Tafeln II — IV will ich zusammen besprechen. Denn die
Zahlen der Tafel II geben ja doch nur im Kleinen, was die Tafeln
III und IV im Grossen geben.
Ich muss zunächst die als durchschnittliche Iststärke des
spanischen Heeres angegebene Zahl erläutern. Direkt konnte ich
diese Zahl nicht erhalten. Auf meine diesbezüglichen Fragen erhielt
ich ausweichende Antworten. Die Herren sagten mir, sie wüssten
es nicht genau und che sie mir eine falsche Zahl sagten, wollten
sie mir lieber gar keine nennen. Diese Antwort war aus militärisch-
politischen Gründen leicht begreiflich.
Auf der graphischen Darstellung der Krankenhewegung für das
eiste Halbjahr 1897 finden sich aller folgende Angaben:
Aut 1000 Maua der Iststärke erkrankten 1000 Mann
Von „ „ „ „ starben 19 „
„ „ „ „ ,, wurden dienstunbrauchbar 9 „
„ „ „ „ „ wurden in die Heimath gesendet 35 „
Leider mussten diese Verhältnisszahlen auch wieder einer
graphischen Darstellung entnommen werden, so dass ein Schätzungs-
fehler bis ‘/so unvermeidbar wurde. Mit Hülfe dieser Zahlen lässt
sich aber die durchschnittliche Iststärke leicht berechnen. —
Es gingen im Ganzen zu (nach der graphischen Darstellung
für das erste Halbjahr 1897) 204 550 Mann. Da aber von 1000
Mann immer 1000 Mann im ersten Halbjahr 1897 erkrankten, so
musste die durchschnittliche Iststärke des spanischen Heeres
204 550 Mann betragen haben. Ich habe diese Zahl zur Berech-
nung nicht mit herangezogen. Denn die Schätzungsfehler wurden
hier bei den grossen Zahlen (graphische Darstellung) zu bedeutend.
Zustande io spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 225
Es finden sich aber folgende absolut genaue Summen für das
erste Halbjahr 1897:
Zahl der Todten 8685 |
„ „ Dienstunbrauchbaren 1700 1 Siehe Tafel III
„ „ in die Heimath gesandten 7104 I
Setzt man nun folgende 3 Gleichungen an:
19
3685
so erhält
man X = 194 000 (runde Zahl)
1000
— x ,
9
1000
1700
— X '
11 11
„ X = 189 000
35
7101
„ X = 203 000 „ „
1000
— X
*1 11
Iin Durchschnitt 195 0O0
Es käme nun darauf an, das Yerhältniss zwischen den durch
Krankheit und äussere Gewalteinwirkung (im Gefecht gefallen, an
Verwundungen gestorben) bedingten Todesfällen darzustellen.
Ich kann hierfür leider nur annähernde Zahlen gehen. Denn
in dem mir zu Gebote stehendem Material fehlt jede Angabe über
die im Gefecht Gefallenen sowie über die Vermissten*). Da alter
die Zahl der Verwundeten im Vergleich zu der Zahl der Erkrankten
ausserordentlich gering ist und andererseits die Zahl der Verwun-
deten auch absolut sich auffallend niedrig stellt, so ist anzunehmen,
dass die Zahl der Gefallenen noch weit geringer ist und bei der
Herechnung nicht wesentlich ins Gewicht fallen dürfte.
Für das ganze Jahr 1897 stellt sich das Verhältniss der Todes-
fälle durch Krankheiten zur Anzahl der Todesfälle durch äussere
Gewalt (Verwundungen etc.) wie 60:1. Im deutsch-französischen
Kriege 1870/71 war das Verhältniss 3:7 (!)**). Im Feldzug der
Franzosen gegen Tonkin 1884 wie 7 : 3***).
Also haben wir in Cuba ein Verhältniss
Tod durch Krankheit : Tod durch äussere Gewalt = 1160:21
„ „ „ : „ „ „ „ = 9:21 iin deutsch-franz.
Krieg
„ „ „ „ =49:21 im Feldz. d. Franz.
geg. Tonkin 1884.
Es wäre nun noch festzustellen, wie oft das spanische Heer im
Jahre 1897 erkrankte. Für das erste Halbjahr ist die Zahl ge-
geben. Von 1000 Mann erkrankten 1000. Das Heer erkrankte
*) Im deutsch-franz. Kriege kamen auf 40 881 Todte, 4009 Vermisste.
Deutsch-militärärztl. Zeitschr. 1885 S. 157.
**) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1882 S. 26.
***) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885 S. 190.
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226
Dr. Reinhold Rüge.
also in der guten Jahreszeit gerade einmal. Die entsprechende
Zahl für das 2. ungesunde Halbjahr lässt sich aber nur annähernd
berechnen, weil mir für diese Zeit nur die Gesammtzahlen des Be-
standes + Zuganges zu Gebote stehen. Bestand : Zugang verhält
sich im 1. Halbjahr wie 1 : 2. Nimmt man dieses Verhältniss auch
für das 2. Halbjahr an — was sicherlich zu niedrig gegriffen ist
— , so erhält man einen Krankenzugang von 386 105 Mann für das
2. Halbjahr. Das spanische Heer erkrankte also in der ungesunden
Jahreszeit ungfähr 2 mal, im ganzen Jahre also etwa 3 mal. Das
ist allerdings eine ganz ausserordentlich hohe Zahl. Denn es
erkrankte :
Das englische Heer im Krimkrieg in 2 Jahren 3'/|mal*)
„ amerikanische Heer während des Bürgerkrieges in 4 Jahren 7‘/t „
„ Kaukasusheer 1877/78 in 26 Monaten 4‘/i ,,
Dabei betrug der Gesammtverlust des spanischen Heeres für
das Jahr 1897 nur 6,6%, während
im Krimkrieg die Franzosen in 2 Jahren verloren 51 %**)
„ „ „ Engländer „ „ „ „ 39 •/,
„ Bürgerkrieg „ Amerikaner in 4 Jahren „ 23,3 V»
„ Russisch-türk. Krieg „ Kaukasusarmee in 26 Mon. „ 14.3 V«
Uebertroffen werden diese Zahlen nur durch die Verluste, die
die Franzosen im Jahre 1895 während ihrer lOmonatlichen Ex-
pedition in Madagascar hatten. Das französische Heer verlor in
dieser Zeit 25% (.•)***) an Todten.
Ich will mich nun zur Besprechung der besonderen Verhält-
nisse wenden, die die beistehenden Tafeln erkennen lassen. Die
wesentliche Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes
beginnt im Juni. In diesem Monat des ersten Halbjahres ist die
Morbidität am höchsten, während die Mortalität im Januarf) am
höchsten ist. Das lässt sich dadurch erklären, dass im Januar die
Leute noch unter den Nach wehen der heissen Zeit gelitten haben
und weniger widerstandsfähig als zu Anfang der heissen Zeit sind.
— Gelbfieber, Wechselfieber, Dysenterie, Tuberkulose zeigen im Juni
ein deutliches Ansteigen und namentlich Gelbfieber, Wechselfieber
und Dysenterie erreichen im Juni eine doppelt so hohe Erkrankungs-
ziffer als im Mai. Die meisten Todesfälle (absolut und procentarisch)
verursacht das Gelbfieber, ihm folgt die Dysenterie.
*) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885 S. 156.
**) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885, S. 156.
***) Citirt uach Laveran, Traitc du paludisme 1898, S. 15.
f) Eine Ausnahme hiervon macht das tlelbfieber (s. S. 17).
Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 227
Zum Scliluss möchte ich noch einige Bemerkungen über einzelne
Krankheiten anschüessen.
Pocken sind nur in sehr massigem Grade im spanischen Heer
aufgetreten, obgleich sie unter der Civilbevölkerung ziemlich häufig
sind*). Das hat seinen Grund in dem Bestehen des Impfzwangs
für das spanische Heer. Sonst besteht Impfzwang nur noch in den
collegios (höheren Schulen). Die Civilbevölkerung ist einem solchen
Zwange nicht unterworfen, und so kommt es, dass Pockenepidemien
in Spanien und spanischen Colonien häufig sind. Bekannt wegen
der Häufigkeit der Pocken ist z. B. die Insel Puerto Rico.
Gelbfieber. Die Mortalität des Gelbfiebers unter der Civil-
bevölkerung Habana’s beträgt für gewöhnlich 20%, steigt aber bei
schweren Epidemien bis 25 % und kann bei den während der guten
Jahreszeit auftretenden Fällen eine Höhe von 50% erreichen.
Diese Angaben verdanke ich dem Chefarzt der Quinta de Salud in
Habana. Während des ersten Halbjahres 1897 erkrankten an Gelbfieber
im spanischen Heer von 1000 Mann 35. Es starben auf 1000 Mann
6.9, Nach der beifolgenden Tabelle IV schwankte die Mortalität
des Gelbfiebers ungefähr zwischen 10% (Juni) und 23% (März)**)
Diese Zahlen bestätigen die Angaben des Chefarztes der Quinta de
Salud.
Der Typhus zeigt sich im ersten Halbjahr 1897 in seiner Zu-
nahme bis zu einem gewissen Grade unabhängig von der Zunahme
der Wanne. Denn wir haben bereits einmal im März ein bedeuten-
des Ansteigen der Krankenziffer. Es erkrankten durchschnittlich von
1000 Mann im ersten Halbjahr 1897 7 Mann. Die durchschnitt-
liche Mortalität für diese Zeit beträgt 1 3 % % und erreicht im
Januar sogar 16%***). Man kann also den Typhus von Habana
nicht eben gerade gutartig nennen. Ich hebe das besonders hervor,
*) Währe ad der letzten Hälfte des Januar gingen in der Stadt Habana —
rund 150000 Ew. — 50 Fälle von Pocken mit 5 Todesfällen zu (laut Angabe des
vom amerikanischen Consulat ausgestellten Gesundheitspasses).
**) Diese Zahlen sind zu niedrig, weil bei der Berechnung immer der ge-
sammte Bestand zu dem Zugang hinzugezählt worden musste. Dadurch werden
Doppelzählungen unvermeidlich. Die graphische Darstellung giebt sogar eine
Mortalität von 85°/o für das erste Halbjahr an, und diese Zahl dürfte richtig sein.
***) Bei der russischen Donau-Armee betrug die Sterblichkeit von Typhus
(Flecktyphus und Rückfalltyphus ausgeschlossen) im 2. Kriegsjahr 23,3%. Deutsch,
inilitärärztl. Zeitschr. 1882, S. 236. Bei der Kaukasischen Armee aber •während
der beiden Kriegsjahre 86%. Deutsch, inilitärärztl. Zeitschr. 1885, S. 155. —
Von 1000 Mann der Iststärke erkrankten 99,1.
ArchlT 1. Schiff»- u. Tropenhygiene. II. 17
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228
Dr. Reinhold Rage.
weil einzelne Autoren, die in bestimmten Tropeugegenden Typhus
mit leichtem Verlauf beobachtet, den tropischen Typhus überhaupt
als milde hingestellt haben. In dieser allgemeinen Fassung stimmt
das nicht*), wenngleich ich durchaus nicht in Abrede stellen will,
dass der Typhus in gewissen Tropenländem im Allgemeinen milde
verlaufen kann.
Man könnte nun sagen, die hohe Typhussterblichkeit sei durch
die Unbilden und Strapazen des Krieges bedingt. Sicherlich haben
diese dazu beigetragen, die Sterblichkeit zu erhöhen. Aber wenn
wir darnach fragen, welchen Ursachen für gewöhnlich das Steigen
der Sterblichkeit zugeschrieben wird, so finden wir beim spanischen
Heer auf Cuba nur eine derselben vertreten und das ist die theil-
weise sehr mangelhafte Verpflegung der Truppen im Felde. Alter
Unbilden, z. B. wie sie die russische Kaukasusarmee 77/78 auszu-
stehen hatte: schroffer Klimawechsel, forcirte Märsche, Mangel an
Kleidung und Brennmaterial , Unmöglichkeit die Kranken zu trans-
portiren und zu zerstreuen, gänzlicher Mangel an Lazarethen, ist
das spanische Heer im Jahre 1897 auf Cuba nicht ausgesetzt
gewesen.
Die Cap Verdischen Inseln sind übrigens ein Beispiel dafür,
dass der Typhus in den Tropen auch unter gewöhnlichen Umständen
recht bösartig sein kann. Im October 1897 betrug daselbst in Porto
Grande die Typhusstcrbhchkeit 25 °/0 (!)**).
Wechselfieber. Hier fallen die ausserordentlich hohen Zahlen
auf. Von 1000 Mann der Iststärke erkrankten während der guten
Jahreszeit (1. Halbjahr 1897) 260. Die Mortalität betrug 0,4°°.
Dies ist nicht viel und zeigt, dass die schlecht genährten spanischen
Soldaten dem Wecbselfieber sehr viel besser widertanden als dem Typhus.
Aber auch hier dürfte ein Vergleich mit anderen Armeen zeigen,
dass die so ausserordentlich hoch erscheinenden Ziffern schon über-
troffen worden sind. Es erkrankten nämlich an Wechselfieber auf
1000 Mann der Iststärke der rassischen Kaukasusarmee 77/78 in
26 Monaten 2477,5 mit einer Mortalität von 0,2 °/0 d. h. die ganze
Armee erkrankte während dieser Zeit allein 2 */, mal an Wechsel-
fieber***).
*) Die Typhussterblichkeit unter dem französischen Expeditionscorps in
Tonkin 1884 von März bis October betrug 40°/« (■}■ Deutsch, militärärztl.
Zeitschr. 1885. S. 198.
**) lieber diese Vorgänge werde ich noch besonders berichten.
***) cf. 1. e.
Zustande iu spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1697. 229
Nehmen wir für das ungesunde Halbjahr 1897 in Cuba selbst
die doppelte Erkrankungszahl an als im Halbjahr vorher*), so
kommen wir doch immer erst auf 780 Wechselfiebererkrankungen
pro 1000 Mann der Iststärke in einem Jahre.
Ruhr. Hier kann ich nur annähernde Werthe geben. Denn
in der graphischen Darstellung finden sich verschiedene Fehler.
Ich habe die nachfolgenden Zahlen lediglich berechnet, um nur
überhaupt einen Vergleich aufstellen zu können.
Im span. Heer auf Cuba erkrankten 1897 im 1. Hulbj. auf 1000 Mann anRuhr22
In der russ. Kaubasusarmme 77/78 in 26 Monaten „ „ „ „ „ 93
Im franz. Heer 1884 in Tonkin in 6 Monaten „ „ „ „ „ 52
Die Mortalität betrug im spanischen Heer auf Cuba 9'/»%
„ „ „ in der Kaukasusarinee 15,4%
., „ „ im französischen Heer in Tonkin 15,2%
Bei der Tuberkulose ist zu beachten, dass die Erkrankungs-
ziffer mit der Wärme ansteigt Dieser Umstand zeigt, wie ausser-
ordentlich nngünstig die Hitze der Tropen den schwindsüchtigen
Europäer beeinflusst. Die Mortalität der Tuberkulose lässt sich auf
11,2% berechnen**). Auf 1000 Mann der Iststärke erkrankten
während des ersten Halbjahres 1897 5. In der russischen Kau-
kasusarmee 77/78 erkrankten an Schwindsucht während 26 Monaten
nur 3,7 Mann auf 1000 Mann der Iststärke. Die Mortalität betrug
hier aber 42% (!).
Die vorstehende Arbeit weist manche Lücken auf und enthält
verschiedene Ungenauigkeiten. Ich habe an den betreffenden Stellen
stets darauf hingewiesen. In Folge der Verschiedenartigkeit des mir
zu Gebote stehenden Materials Hessen sich diese Uebelstände leider
nicht vollständig beseitigen. Der Bericht giebt aber immerhin ein
gutes Bild des Krankheitszustandes des spanischen Heeres auf Cuba
und zeigt einerseits die Schwierigkeiten, mit denen die Kriegsführung
iu einem solchen Klima zu kämpfen hat, andererseits den Einfluss,
<Ien das Tropenklima auf manche Krankheiten hat. —
Sollte den Amerikanern ihre „Invasion“ nach Cuba gelingen,
so würden sie wohl mehr gegen Krankheiten als gegen Feinde zu
kämpfen haben.
*) leb rechne so, weil im Juni ungefähr doppelt so viel Wechselfieber-
Jkranke zugingen als im Mai.
**) Aus dem bereits früher erwähnten Grunde ist diese Zahl zu niedrig.
17*
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230
Tafel I. Hospital „Alfonso XIH.“ Monat: Januar 1898.
Allgemeine Krankenbewegung im „Hospital Alfonso XIII.“
für den Monat Januar 1898.
Tage
Es waren
im Bestand
Zugänge
Abgänge
Gestorben
Bleibt
Bestand
1
2571
36
2
6
2599
2
2599
87
44
9
2633
S
2633
168
46
10
2745
4
2745
50
49
4
2742
5
2712
25
40
3
2721
6
2724
44
84
8
2676
7
2676
20
59
7
2630
8
2630
37
49
9
2609
9
2609
152
53
8
2700
10
2700
72
363
9
2400
11
2400
101
54
4
2443
12
2443
102
38
7
2500
13
2500
374
120
5
2749
14
2749
39
54
6
2728
15
2728
26
39
6
2709
16
2709
55
35
5
2724
17
2724
24
45
5
2698
18
2698
39
64
6
2667
19
2667
42
75
9
2625
20
2625
64
54
10
2625
21
2625
25
63
7
2580
22
2580
40
36
7
2577
23
2577
65
32
10
2600
21
2600
SO
42
7
2581
25
2581
24
49
3
2553
26
2553
25
34
6
2538
27
2538
50
47
11
2530
28
2530
27
68
1
2483
29
2488
114
51
6
2545
30
2545
82
146
10
2471
31
2471
411
30
4
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Im Ganzen
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Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 231
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1 Sind vermuthlich in die Heimath gesendet und durch ein Versehen als geheilt bezeichnet worden.
Tafel III.
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Dr. Reinhold Rüge.
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Krankenzugang in einzelnen Krankheitsgruppen im spanischen Heere auf Cuba im ersten Halbjahre von 1897.
Die durchschnittliche Iststärke des spanischen Heeres betrug 195 000 Mann.
Zustande in spanischen Militürlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 233
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März
April
Mai
Juni
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der Rubrik
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Die bisher mit dem sogen. Euchinin (Zimmer) gemachte
Erfahrungen
von Dr. Albert Plehn, Kaiserl. Regierungsarzt
(Aus dem Kaiserl. Regierungshospital in Kamerun.)
Seit reichlich einem halben Jahr wende ich bei Malariakrank
sowie auch prophylactisch zur Verhütung von Malariarecidiven, i- j
Stelle des sonst gebrauchten Chininum muriaticum oder bimuriatiac
vielfach das sogenannte Euchinin an, welches die Frankfurts
Chininfabriken von Zimmer dem Hospital für Versuchszwecke rar
Verfügung stellten. Meine Anfrage bezüglich der Constitution der
Drogue blieb wegen der grossen Entfernung bisher unbeantwortet.’;
Zweifellos steht dieselbe nach ihrer Wirkungsweise den verschiedene:
Chininsalzen ausserordentlich nahe. Sie stellt ein leichtes, sehr vo'c-
minöses, weisses, krystallinisches Pulver dar, welches geruchlos iS
und intensiv bitter schmeckt. Der bittere Geschmack ist aber nicht
so überwältigend, wie der des Chinins und vor Allem verschwinde:
er leicht und rasch, während der nach allgemeinem Urtheil noch vsl
unangenehmere Chiningeschmack sich oft stundenlang in lästiger Weise
geltend macht und die Verabreichung des Chinins in Lösung anssrf-
ordentlich erschwert. Euchinin kann dem Fieberkranken in Cacse
oder Chocolade gelöst und mit Zucker versetzt bis zu 1 g bei einiger
Sorgfalt gegeben werden, ohne dass die Beimischung erkannt wird.
Allerdings löst sich das Euchinin in kalten, wie in heissen Flüssig-
keiten gleich schwer, und die Zubereitung eines angenehmen Tranks
ist daher etwas mühsam. Dass sie aber in durchaus geniessharer
Form überhaupt möglich ist, das ist der grosse Vorzug des Euchinin
vor dem Chinin, welches sich im Allgemeinen nur in Form tos
Tabletten oder in Gelatinekapseln nehmen lässt
Zunächst bewirkt die Euchininlösung eine geringere Reizung
der Verdauungsorgane. Durchfall und Erbrechen sind auch be
Schwerkranken danach selten, und die Resorption geht viel rascher
von Statten, was die schneller und intensiver auftretende Wirkung
auf das Nervensystem beweist. Ich habe mich auch dem Eindruck
nicht entziehen können, als wenn in Folge dieser raschen Aufnahme
*) Euchinin ist der Aethylkohlensaureester des Chinins. Anm. d. Red.
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Die bisher mit dem sogen. Euchinin (Zimmer) gemachten Erfahrungen. 235
der Euchininlösung öfters noch eine Wirkung auf den in Aussicht
stehenden MalarianfaU geübt wurde, die das Chinin nicht erzielt
hätte. Dass die Schonung des Verdauungscanals ganz besonders
* auch der Abkürzung des Recon valescenten Stadium s zu Gute kommt,
versteht sich von selbst. Jedenfalls hat die Menge der intramusku-
lären Chinininjectionen , welche ich sonst mit Vorliebe bei stärkeren
Verdauungsstörungen anwende*), erheblich eingeschränkt werden
können, seitdem das Euchinin in Gebrauch ist, und damit wird dem
Kranken immerhin eine kleine Belästigung, und dem Arzt Zeit und
Mühe erspart.
Was die Wirkung auf das Nervensystem anlangt, so unter-
scheidet sich dieselbe insofern von der des Chinins, als sie sich
lediglich durch Ohrenklingen, Schwerhörigkeit und Tremor in ihren
individuell so vielfach wechselnden Modificationen zu äussern pflegt,
während die offenbar vom Magen reflectorisch ausgelösten Erschei-
nungen des sogenannten „Chininkaters“ — Uebelkeit, Schwere im
Kopf, Schwindelgefühl — ganz fehlen, oder doch nur angedeutet
sind. —
Die Giftwirkung auf die rothen Blutkörperchen ist
durchaus die gleiche wie beim Chinin. Man wird ausserdem
in den Fällen, wo Blutkörperchenzerfall (Schwarzwasserfieber) even-
tuell in Aussicht steht, bei der Dosirung des Euchinins noch ganz be-
sonders mit der raschen Aufnahme desselben zu rechnen haben,
welche es bewirkt, dass bei gleichen Gaben eine grössere Menge des
Mittels auf einmal in die Circulation gelangt, wie beim Chinin. —
Stellt nun dieser, für die Stärke der therapeutischen Wirkung
günstige Umstand eine specifische Eigenschaft des Euchinins dar,
oder erfolgt die Resorption nur deshalb schneller, weil das Mittel
in Lösung gegeben werden kann? — Ich will diese Frage vor der
Hand offen lassen. Die Thatsache, dass die Euchininlösung rascher
aufgenommen wird und deshalb schneller und energischer wirkt,
wie das in comprimirter Form genossene Chinin, dürfte kaum Wider-
spruch erfahren, und damit ist dem Euchinin ein Ehrenplatz in der
Tropenapotheke gesichert. Ob es denselben behaupten wird, wenn
man erst anfängt, es in Pastillen und Kapseln zu pressen, bleibt
abzuwarten. Erwünschter wären zunächst Versuche, die Löslichkeit
in verschiedenen Vehikeln zu erleichtern.
*) Vergl. : Beiträge zur Kenntniss von Verlauf und Behandlung der
tropischen Malaria in Kamerun, von Dr. Albert l’lehn, Berlin 1896.
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Brief aus Kiautschou.
Von Marine-Stabsarzt Dr. Arimond,
Oberarzt des See-Bataillons Kiautschou.
Tsingtau, den 9. Mai 1898.
Keine andere ausländische Action Deutschlands hat sich von
vornherein einer solch’ allgemeinen Sympathie in der Heimath erfreut,
wie die neueste, die Erwerbung der Kiautschou-Bucht. Und mit
liecht, denn die grossen militärischen und commerziellen Vortheile
unserer kleinsten aber zukunftsreichsten Colonie liegen auf der Hand.
Auch die deutsche Forschung wird nicht leer ausgehen, auch ihr ist
ein weites, noch brach liegendes Feld zu fruchtbringender Thätigkeit
erschlossen. Das gilt nicht in letzter Linie für die ärztliche Wissen-
schaft. Der an mich gerichtete Wunsch der Iledaction dieser Zeitschrift,
einige Mittheilungen medicinischen Inhalts über Deutsch-China zu er-
halten, erscheint daher verständlich. Aber wer in China gelebt hat
und die ungeheueren Schwierigkeiten kennt, welche der Erkenntniss
und dem Verständniss chinesischen Culturlebeiis entgegenstehen, wild
von einem erst dreimonatlichen Aufenthalt in diesem Lande, fast ohne
Strassen und Eisenbahnen und dazu unter halb kriegerischen Verhält-
nissen, ein nennenswertes Ergebniss nicht erwarten. Es kann sich
nur um eine lose Reihe verschiedener Eindrücke und Wahrnehmungen,
eine flüchtige Skizze gleichsam, handeln. Nur als solche wollen daher
nachstehende Zeilen über hygienische Zustände in Kiautschou auf-
gefasst werden.
Kiautschou, der in letzter Zeit so vielgenannte Ort, der aber
ausserhalb der Grenze unseres engeren Pachtgebietes und etwa 75 km
weit landeinwärts von Tsingtau, der deutschen Garnison und dem
Sitz des Gouverneurs hegt, war ehemals die blühende Hauptseestadt
der südlichen Schantung-Küste. Aber die gute alte Zeit ist längst
vorbei. Keine Dschunke sichtet mehr ehe ehrwürdigen Mauerzinnen,
und die stolzen Worte über dem Südthor „Du sollst das Meer be-
herrschen“, dünken dem Beschauer eine bittere, in Stein gehauene
Ironie des Schicksals. Eine weite, von Bächen und Sümpfen durch-
schnittene Ebene, das Product gewaltiger Bodenanschwemmungen,
trennt heute die gesunkene Grösse, die unbedeutende stille Kreisstadt,
Brief aus Kiautschou.
237
von der See, der Quelle all’ ihres früheren Lebens und Reichthums
und von der Bucht, der sie einst den Namen gab. Mit Ausnahme
von durchreisenden Missionaren betritt höchst selten ein rother Teufel*)
ihren ehrwürdigen Boden. Aber diese weltabgeschiedene Lage, fern
von der ausgetretenen Strasse des internationalen Verkehrs, ist es,
die Kiautschou vor fremden Einflüssen bewahrt hat. Der Ort bietet
daher mit seinem rein erhaltenen nationalen Gepräge dem Fremden
ein, wenn auch nicht gerade anziehendes, so doch sehr getreues Bild
echt chinesischen Lebens. Dieses vom ärztlich-hygienischen Stand-
punkte aus zu beobachten gaben mir die 5 Wochen eine willkommene
Gelegenheit, welche ich als Arzt des vorgeschobensten deutschen De-
tachements innerhalb der Stadtmauern von Kiautschou verlebt habe.
Die Lage Kiautschous wird bezeichnet durch eine Einsenkung
der ausgedehnten und von zahllosen Flussläufen und ungeheuren
Morästen durchsetzten Ebene, welche sich nördlich der Bucht gleichen
Namens viele Meilen weit in’s Innere hinein erstreckt Die Erde
besteht grösstentheils aus schwerem, lehmreichem Ackerboden, der
einen intensiven Getreidebau begünstigt und eine ziemlich dichte Be-
völkerung ernährt.
Eine hohe und etwa eine deutsche Meile lange, mit alterthüm-
lichen Zinnen gekrönte Mauer umgiebt in riesigem Oval die Stadt,
sie macht daher von ferne auf den Fremdling, wenn er sich nach
mehrtägigem, beschwerlichem Ritt dem ersehnten Ziele nähert, einen
ganz stattlichen, vielversprechenden Eindruck und ist wohl geeignet,
ihn mit hohen Erwartungen zu erfüllen. Aber sein Optimismus weicht
bald einer grausamen Ernüchterung, sobald er die altersschwache,
theilweise schon eingestürzte Schutzwehr in der Nähe schaut und gar
das erst, was sie umschliesst.
Nur ein verhältnissmässig kleiner Raum des von der äusseren
Mauer umschlossenen Stadtgebietes wird von der eigentlichen Stadt
eingenommen, der grösste entfällt auf Ackerland, ausgetrocknete Fluss-
betten und Begräbnissplätze.
Mehrere kleinere und grössere Bäche und andere Wasserläufe,
die untereinander ein vielverzweigtes Netz bilden, durchfliessen in
trägem Lauf die Stadt. Für gewöhnlich wasserarm, pflegen sie zur
Regenzeit gewaltig anzuschwellen und ihre trüben Fiuthen fusshoch
in die anliegenden Häuser zu treiben. Im Gegensatz zu der Spär-
lichkeit des fliessenden Wassers steht die grosse Zahl von Pfützen,
Gräben und Teichen an allen Ecken und Enden, welche zur Auf-
*) Chinesischer Spottname für Europäer.
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238
Dr. Arimoml.
nähme alles dessen dienen, was sonst im Wege ist, und wegen ihres
widerwärtigen Aussehens und Gestankes Auge und Nase eines Cultur-
menschen in gleicher Weise aufs Gröbste lieleidigen.
Von der etwa 15000 Seelen zählenden Einwohnerschaft besteht
die Mehrzahl aus kleinen Handwerkern, Bauern und Arbeitern (Kulis).
Ein arbeitsames Völkchen, das sich früh und spät abmiiht, um in
dem harten Kampf um’s Dasein nicht zu unterliegen! Der allgemeines
Armuth des Ortes entsprechen die dürftigen, durchweg einstöckiger
Wohnungen aus Lehm bezw. schlechten Ziegeln und einem Schilf-
dach darüber. Nur die der Wohlhabenderen im innersten Stadttheil.
welchen eine besondere Mauer einschliesst, zeichnen sich durch bessere
Bauart aus.
Die engen, ungepflasterten, holperigen und winkeligen Strassen
starren von Schmutz und Unrath. Der Gestank wird stellenweise
athmungbehindemd. Dient ja dem Chinesen die Strasse nicht blos-
zu Verkehrszwecken, sondern auch als hauptsächliche Ablagestätte
für Abfallstoffe und Käcalien jeglicher Art. Von hier gelangen die
flüssigen Theile, soweit sie nicht an der Luft verdunsten oder vom
Erdboden aufgesogen werden, direct oder auf allerlei Umwegen
schliesslich in einen der oben gedachten Wasserläufe oder Teiche
innerhalb der Stadt. Die festen menschlichen und tierischen Excre-
mente bilden ein yon Garten- und l'eldbesitzem hoch geschätztes
Düngmittel. Alt und Jung sieht man daher mit Korb und Schaufel
beständig unterwegs und auf der Suche nach Funden dieser Art.
aus welchen dann die sorgfältig behandelten, umfangreichen Compost-
haufen entstehen, welche gewöhnlich in grosser Zahl die Grundstück?
der glücklichen Besitzer zieren, wie denn, nebenbei bemerkt, kein
europäischer Bauer den Chinesen in der Werthschätzung und ratio-
nellen Verwendung des Düngers übertreffen dürfte. Mir fällt hierbei
manch’ ergötzliche Scene „unlauteren Wettbewerbes“ ein, die sich
auf unseren Expeditionen abspielte, wenn die Truppe nach beendeter
Rast ihren Marsch fortsetzte — . Auch eine Art von Abfuhrwesen
also, aber auch die einzige hier zu Lande, man müsste denn noch der
vielen, mit allerhand ekelhaften Krankheiten behafteten Hunde Er-
wähnung thun, die Tag und Nacht die Strassen durchstreifen, am
sich an den von den Menschen verschmähten Leckerbissen gütlich
zu thun.
Die menschlichen Leichen werden wie bei uns eingesargt und
bestattet. Die Beerdigung findet aber erst statt, nachdem die Särge
Wochen, ja selbst viele Monate lang in bewohnten Häusern oder
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Brief aus Kiautschou.
239
Tempeln gestanden haben, gleichgültig aus welcher Ursache der Tod
eingetreten ist. Die Angehörigen wollen den gebebten Toten mög-
lichst lange in ihrer Nähe sehen, eine Sitte, die an und fiir sich ja
ein schönes Zeugniss von dem tiefen Gemüthsleben der Bevölkerung
ablegt (welches bekanntlich in dem sogenannten Ahnencultus seinen
höchsten Ausdruck findet), aber wieviel Menschenleben mag diese
„menschenfreundliche“ Sitte schon gekostet haben!
Ganz besonders übel steht es mit der Trinkwasserversorgung.
Diese geschieht nämlich mittelst Schöpfgefässen aus denselben Wasser-
läufen, die, wie oben bemerkt, alle Abwässer der angrenzenden Grund-
stücke aufnehmen, mitten in der Stadt, an stark bevölkerten und
belebten Punkten. Es ist aber eine bemerkenswerthe und interes-
sante Thatsache, dass die Eingeborenen — in der Stadt Kiautschou
wenigstens — das Wasser, ausser im Nothfall, nur warm (abgekocht?)
zu trinken pflegen. An der Peripherie der Stadt trifft man ganz
vereinzelte, aber vollkommen verwahrloste, offene Brunnen primi-
tivster Art.
Kann es Wunder nehmen, wenn ein Ort in solch’ ungesunder
Lage und dazu mit solch’ höchst bedenklichen hygienischen Zuständen
in gesundheitlicher Beziehung weit und breit verrufen ist? Am gün-
stigsten der menschlichen Gesundheit ist die Winterszeit mit ihrer
dem continentalen Klima der Provinz entsprechenden mehr oder we-
niger strengen Kälte und den häufigen rauhen Nordstürmen, welche
Tage lang über die nackte Ebene dahinfegen. Anders aber im Hoch-
sommer, wenn Feuchtigkeit und Wanne sich vereinigen, um die
schlummernden Krankheitskeime in dem wohlvorbereiteten Nährboden
zu entwickeln und zu vermehren. Malaria, Ruhr und Typhus sind
dann häufige und gefürchtete Gäste der Stadt, die unter der Bevöl-
kerung, und zwar vorzugsweise der in den denkbar schlechtesten
hygienischen Verhältnissen lebenden ärmsten Klasse, gewaltig auf-
räumen.
Nach der erstaunlich hohen Zahl von Blatternarbigen jeglicher
Altersstufe zu schliessen, müssen auch die Pocken sehr häufig zum
Ausbruch kommen und weit verbreitet sein. Fast jeder dritte, vierte
Mensch sozusagen zeigt Spuren der überstandenen Krankheit Das
Verfahren der Schutzimpfung mittelst Kuhlymphe ist nicht unbekannt.
Gewisse Personen, sowohl in der Stadt wie auf dem Lande, befassen
sich mit dem Impfgeschäft, doch geschieht die Impfung nur im Früh-
jahr und auf besonderen Wunsch und ausserdem nur an Kindern
und Unverheirateten, weil die Landessitte den Verheirateten einen
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240
Dr. Arimond.
derartigen körperlichen Eingriff verbietet. Auch der oberste Mandarin
der Stadt pflegt in patriarchalischer Fürsorge von Zeit zu Zeit solche
impf kundigen Personen anzustellen, welche alsdann seinen Unter-
thanen unentgeltlich zur Verfügung stehen. In welchem Umfange
von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht wird, war jedoch nicht zu
erfahren.
Auffällig ist die Unmenge von Blinden. Auf Schritt und Tritt
begegnet man ihnen — es sind viele Bettler und Musikanten dar-
unter — wie sie, lange Stöcke vor sich her schiebend und meist
ohne fremde Hülfe ihren Weg selbst durch die belebtesten Strassen
verfolgen. Augenkranke giebt es dementsprechend zu Hunderten, meist
handelt es sich anscheinend um Conjunctivitis granulosa.
An venerischen Krankheiten aller Art ist ebenfalls kein
Mangel.
Eine von englischer Seite aufgestellte Behauptung, wonach Lepra
gerade an der Schantung-Ivüste häufig vorkomme, veranlasst« mich
auf diese Krankheit besonders zu achten, bisher aber ohne positiven
Erfolg; nicht ein einziger Fall ist mir noch begegnet.
Unter diesen Umständen wird man es begreiflich finden, dass
die Nachricht von dem glücklichen Abschluss der Verhandlungen mit
der chinesischen Regierung von uns mit Befriedigung aufgenommen
wurde. Das Detachement konnte hiernach Kiautschou noch vor Ein-
tritt der gefährlichen Jahreszeit verlassen, die doch bei allen Vor-
sichtsmaassregeln wahrscheinlich manches Opfer an Gesundheit und
Leben gefordert haben würde.
Hier an der Küste liegen die Dinge in gesundheitlicher Be-
ziehung erfreulicherweise wesentlich günstiger. Zwar als ein Luft-
curort kann Tsingtau vorläufig noch nicht gelten, schon wegen des
vielen Staubes, der an besonders windigen Tagen, namentlich im
Winter zur Zeit der Nordstürme, zur wahren Plage werden kann
Der Staub dringt dann durch die feinsten Ritzen, durch die ge-
schlossenen Fenster, er hüllt Land und See in einen dichten Nebel,
der selbst die Sonne verdunkelt. An diesem unerfreulichen Zustand
ist aber lediglich die Jahrhunderte lange, empörende chinesische
Misswirtschaft schuld, die keinen Wald, keinen Grashalm aufkommen
lässt. Daher die Düne, die ausgetrockneten Bäche, und die Staub-
bildung im Winter und Frühjahr, und die Ueberschwemmungen zur
Regenzeit. Unsere Aufgabe muss es sein, Abhülfe zu schaffen. Und
sie ist sicher möglich. In Hongkong sah es anfänglich ähnlich au?
wie hier, ja vielleicht noch schlimmer. Und doch, was ist aus dieser
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Brief aus Kiautschoa.
241
Colonie in den paar Decennien ihres Bestehens geworden! Sie ist
vor Schönheit nicht wieder zu erkennen. Folgen wir daher dem
englischen Beispiel, forsten wir die kahlen Berge auf, legen wir in
der Ebene Bauinpflanzungen und Wiesen an und sorgen wir — last
not least — für ein gutes Bewässerungssystem. Das sind vielleicht
hohe, aber für ein grosses Reich keineswegs unerschwingliche For-
derungen, und ihre Erfüllung wird sich reichlich lohnen. Denn, ab-
gesehen von dem eben berührten aber hoffentlich in nicht zu ferner
Zeit gehobenem Uebelstand, verleiht die geographische Lage unserer
Colonie eine Reihe von Vorzügen, welche als Grundlage für eine ge-
deihliche Entwicklung von ausserordentlicher Bedeutung sind. In
erster Linie hervorzuheben ist ein dem Bedürfniss des Nordeuropäers
angemessener Wechsel der Jahreszeiten, indem auf den heissen Sommer
ein kalter Winter folgt. Dann die Nähe der See mit ihren er-
frischenden Brisen, die von allen Seiten die Halbinsel bestreichen
und die sommerliche Hitze ebenso wie die strenge Winterkälte mil-
dem, ferner das Vorhandensein von gesundem Trinkwasser in aus-
reichender Menge, endlich ein trockener, felsiger Untergrund.
Der chinesischen Misswirtschaft, der Unsauberkeit und Gleich-
gültigkeit in hygienischen Dingen, hat das letzte Stündlein geschlagen.
Schon sind die ersten Anfänge einer hygienischen Verwaltung be-
merkbar. Die Strassen werden regelmässig gefegt, die Pfützen be-
seitigt, neue sachgemässe Brunnen sind im Bau, das Abfuhrwesen
ist in der Regelung begriffen, ein Krankenhaus für die eingeborene
Bevölkerung, wo Arme und mit ansteckenden Krankheiten Behaftete
unentgeltliche Behandlung finden sollen, sieht seiner Vollendung ent-
gegen, die Prostitution untersteht einer strengen Aufsicht u. s. w.
Soweit daher jetzt schon ein Urtheil erlaubt ist, erscheint die
Hoffnung nicht unbegründet, dass hier unter einer verständigen, vor
ullem nicht zu sparsamen, deutschen Verwaltung dereinst, wenn nicht
die bedeutendste, so doch gesundeste und schönste Stadt des ganzen
chinischen Ostens erstehen wird. Ja, ich glaube sogar, dass dieje-
nigen Recht behalten, w elche einer solchen wegen der ausgezeichneten
Beschaffenheit des hiesigen Strandes auch als Badeort eine grosse
Zukunft prophezeien, und dass über kurz oder lang die tropenge-
schwächte und erholungsbedürftige Menscliheit Ost- Asiens, welche
bisher noch in Ermangelung eines Besseren das höchst ungünstig
gelegene Tschifu aufzusuchen pflegte, an der deutschen Küste Hei-
lung und Erquickung finden wird.
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II. Besprechungen und Litteratnrangaben.
a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.
Die Krankheiten einet Bergvolkes der Intel Java, von I. H. F. Kohlbrugge. Janus,
Arcbives internationales pour l'histoire de la med. etc. 1897, Nov.— Dec.
Verfasser, der schon in mancher anderen Hinsicht die heutigen Forschungs-
methoden einer scharfen Kritik unterzogen hat, geisselt in der Einleitung der
vorliegenden Abhandlung mit Recht die Unsitte mancher „Forschungsreiscnden\
über die Sitten, Gebräuche, Zustände etc. der von ihnen besuchten Völkerschaften,
d. h. eigentlich solcher, mit denen sie nur oberflächlich in Berührung gekommen
sind, zu urtheilen. Um hierzu berufen zu sein, gehört nicht nur ein längerer
Aufenthalt unter den betreffenden Volksstämmen, sondern ein wirkliches Hinein-
leben in ihre Lebensanschauungen, was wieder nicht anders möglich ist, als dass
man von dem hohen Piedestal des Culturmenschen herabsteigt und mit den
Leuten wie mit seinesgleichen verkehrt Ausserdem werden bei derartigen
Untersuchungen vielfach zu wenig die ethnischen Grundelemente berücksichtigt,
aus denen sich heutigen Tages zumeist wohl die Bevölkerung jeden Himmelsstriches
zusammensetzt. Besonders trifft dieser Fehler nach des Verfassers Ansicht die
rassen pathologischen Untersuchungen. Daher erscheint der vorliegende Beitrag am
so werth voller, weil er sich mit eiuern Volke beschäftigt, das seit Jahrhunderten
isolirt in den Bergen Javas (1700—2000 m über dem Meere) lebte, bis zu An-
fang unseres Jahrhunderts fast von jedem Verkehr mit den eingeborenen Bewohnern
der Ebene abgeschlossen war, dann auch nur auf Fusspfaden von Touristen ge-
legentlich erreicht wurde und erst seit 5 Jahren, seitdem ein breiter Weg in
jene Berge führt, dem Verkehre erschlossen worden ist: den Tenggeresen, einem
Ueberrest der einst auf Java ursprünglichen indonesischen Bevölkerung, die
durch die Einwanderung der Malaien in die Berge zurückgedrängt wurde.
Die Untersuchungen des V erfassers beziehen sich im Einzelnen auf die Be-
völkerung der Tenggeresen-Dörfer Tosari, Purwono, Ngadiwono, Podokoyo,
AVonokitri-Pedaheng und Keduwung. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt für
diese Gegend 17° C., die Regenmenge 1500—2000 mm, der Barometerstand für
Tosari (1777 m) 622 mm.
Zunächst beschäftigt sich Verfasser mit den Natalitäts- und Mortalitätsver-
hältnissen der Tenggeresen. Da die officiellen Zählungen im Allgemeinen wenig
Vertrauen verdienen, so liess er sich während des Jahres 1895 aus den genannten
6 Dörfern wöchentlich mündliche Berichte zugehen. Es starben von der Ge-
sammtbevölkerung während dieser Zeit 2,5% (davon 58% Männer und 42 V#
Frauen), es wurden geboren 5,38% (52% Knaben, 48% Mädchen), mithin war
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
243
ein Ueberschuss der Bevölkerung von 2,88% zu verzeichnen. Uebrigens hat
die ganze Bevölkerung auf .lava beständig in diesem Jahrhundert zugenotnmen.
Trotzdem nämlich fast gar kein Zuzug von aussen stattfindet, hat sie sich in
60 Jahren vervierfacht, in 40 Jahren verdreifacht — Die Sterblichkeit der kleinen
Kinder ist trotzdem eine ungeheure grosse, besonders für das erste Lebensjahr; auf
dieses fallen allein 59% sämmtlicher Todesfälle. Der anfängliche Ueberschuss an
Knaben wird sogleich wieder verringert, denn es sterben bald nach der Geburt
mehr Knaben als Mädchen (84:25%). AVenn die Klippe des ersten Lebensjah res
überwunden ist, dann stellt sich die Sterblichkeit sowohl im Allgemeinen, als
auch für das männliche Geschlecht günstiger. Verfasser vergleicht die Sterb-
lichkeit der Kinder bei den Tenggoresen mit der bei anderen A'ölkern , im Be-
sonderen bei der Bevölkerung im Oberengadin, die unter gleichen klimatischen
"Verhältnissen lebt. Er kommt zu dem Resultat, dass — abgesehen von dem
1. Lebensjahre — bei jenen die Sterblichkeit eine weit geringere ist, als bei
allen anderen A'ölkern (z. B. während des ersten Jahres bei den Tenggereseu
59% der gesammten Mortalität, in Oberengadin 12,86%, Bayern 86,6%i Island
38,8%, jedoch vom 1. — 10. Jahro unter den Tenggoresen 2,7% der gesammten
Mortalität, in Oberengadin 10,31%; nach dem 10. Jahre unter jenen 38%, in
Oberengadin 76,8%)- Von 56 Todesfällen unter Erwachsenen während 1895
waren 49 durch Krankheit bedingt, die übrigen durch Unfall oder Selbstmord.
Die durchschnittliche Anzahl der Geburten für eine Frau betrugen 8; jedoch
waren auch noch häufig 11 — 12 Kinder. Einmal wurden unter 122 Frauen von
einer 15 Kinder geboren, 6 mal Zwillinge; 8 Frauen waren steril geblieben und
24 hatten abortirt. Dio Ausstossung der Frucht, sowie die Behandlung der
Niedergekommenen und des Kindes spielen sich normal ab. Der Austritt der
Placenta erfolgt zumeist spontan wenige Minuten nach dem des Kindes. Erst
wenn sie heraus ist, wird das Neugeborene abgenabelt. Die Mutter ruht höchstens
4 — 5 Stunden aus und geht dann an ihre gewohnte Arbeit.
Die durchschnittliche Pulsfrequenz belief sich bei den Männern auf
73 Schläge, ihre Athemfrequenz in einer Minute auf 21,4 Züge. Die mittlere
Anzahl der rothen Blutkörperchen stellte Verfasser auf 4 851 500. den Hg-Gehalt
auf 92% fest. Die mittlere Körpergrösse der Männer beträgt 1604 mm. —
Eine auf die Häufigkeit von Blinden, Taubstummen und Irrsinnigen angestellte
Untersuchung ergab, dass auf beiden Augen Blinde sowie Geisteskranke nicht
vorhanden waren — später erwähnt Verfasser allerdings 2 Psychosonfälle — ,
6 Personen in Folge eines Unfalls auf einem Auge blind, 7 taub und 14 Idioten
waren. Die meisten der letzteren lebten in Gegenden, wo Kropf endemisch zu
sein schien; indessen bot bloss ein Individuum das Aussehen eines Kretins. A’on
dem Kropfe waren fast nur Frauen befallen.
Bezüglich der Morbidität machte A’erfasser folgende Beobachtungen. Im
Ganzen wurden von ihm innerhalb 4 Jahre 1359 Personen behandelt; er giebt
ein detaillirtes Arerzeichniss der Krankheitsformen und ihrer Häufigkeit. Von
letzterer will ich nur einige Punkte horvorheben. Am meisten wurden die Ein-
geborenen von Malaria (855 Fälle), nächstdem von AVunden, Geschwüren, Ver-
brennungen (160 Fälle), ebenso häufig von Katarrhen der Respirationsorgane (159),
wohl in Folge der allzu dünnen Kleidung, der zu luftigen Wohnungen und dor
grossen Temperaturunterschiede zwischen Mittag und Abend, und von Darmkrank-
heiten (134) befallen. Aron den Infectionskrankheiten waren am häufigsten Masern
Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. II- 18
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244 U- Besprechungen und Litteraturangaben.
(84 Fälle), die indessen zumeist gutartig verliefen, von den Hautkrankheiten
Scabies (44), von den Augenkrankheiten Conjunctivitis (89). Aeusserst selten
kamen dem Verfasser zu Gesicht: Krankheiten des Herzens (nur lmal Perkar-
ditis, nie Herzfehler), der Nieren, des Magens, ferner Syphilis (nur in den beiden
Dörfern, in denen Europäer wohnen), Nerven- und Geisteskrankheiten, (nur 9mal
Neuralgie. 1 mal Hemiplegie, 1 mal Epilepsie und 2 mal Psychosen). Gar nicht
gelangten zu seiner Kenntniss: Diphtheritis, Scharlach, Küthein, Cholera. Typhus,
diathetische Krankeiton, wie Chlorose, Gicht, Diabetes, Rachitis etc-, Blattern uni
Wind|>ocken (seit Jahren Vaccination). — Eine eigentümliche Krankheit, deren
Genese ihm unbekannt ist, beobachtete Verfasser in 4 Fällen. Es entwickelte
sich Ascites und zumeist folgte allgemeiner Hydrops; der Ausgang war der Tod.
Dabei ergab die Section gesundes Herz, gesunde Nieren, Leber. Milz und Lungern.
Die punktirte Flüssigkeit war in einem daraufhin untersuchten Falle serös.
G. Buschan-Stettin.
Zur geographischen Pathologie der Westküste Südamerikas von Dr. Reinhold Rage,
Marine-Stabsarzt. (Berl. Klin. Wochenschrift 1897, No. 46).
Der interessante Aufsatz entstammt einer Kreuzfahrt längs der Westküste
von Südamerika an Bord 'S. M. S. Marie vom März 1898 bis Februar 1894
Verfasser giebt einen l'eberblick über die klimatischen und meteorologischen Ver-
hältnisse der amerikanischen Westküste, welche sich durch ihre scharf abee-
greuztcu klimatischen Zonen auszeichnet. Südlich dem Cap Blanoo. 4.17’
s. Br., liegt die Zone der kühlen Winter, Chile und Peru, deren niedrige Winter-
temperatur durch die kalte süd-nördliche Meeresströmung bedingt sind. Nöidhcfc
von diesem Vorgebirge, den Küsten von Ecuador und Columbia entsprechend,
herrscht tropische Wärme auch während der Wintermonate. Der mittlere TheC
der ersten Zone, im Küstenstrich von Valparaiso bis Arica, zeichnet sich in Folge
von kalten, ziemlich regelmässig in den Nachmittagsstunden einsetzenden Süd-
winden durch schroffen Temperaturwechsel aus.
Die kühlen Winter bewirken auch in den innerhalb der Tropen gelegener
Küstenländern günstige gesundheitliche Verhältnisse. Im Sommer tritt allerdings
Malaria und Ruhr mit ihren Folgekrankheiten, besonders Leberabscess, auf
Der Bezirk der schroffen Temperaturwechsel weist eine unserer Cholera
nostras entsprechende epidemische Krankheit, dort Lepidia genannt, auf uai
ausserdem, wie anscheinend die ganze Zone der kühlen Winter, „katarrhal ade
Eintagsfieber“, bei welchen Rüge nie Malaria-Parasiten im Blut fand, und wirkte
auch ohne Behandlung heilten. Gelenkrheumatismen waren an Bord von ausser-
gewöhnlicher Hartnäckigkeit, Geschlechtskrankheiten kamen allenthalben tot.
am häufigsten Tripper und nicht selten bei den stets berittenen Chilenen ver-
eiternde Hodenentzündungen. Die Verruga, weiche R. im Hospital zu T im» re
Gesicht bekam, hielt derselbe wegen der Beschränkung auf ein bestimmtes Tba
und auf die weisse Bevölkerung nicht für Framboesia.
ln der Zone der tropisch-warmen Winter besuchte Rüge die Hafenstädte
Guayaquil und Panama, erste res in flachem Schwemmlande gelegen und zur
trocknen Jahreszeit frei von Malaria und Rnhr, letztere als Fiebemeet beisnrt
M.
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II. Besprechungen und Litteratursuigaben.
245
Weiterer Bericht Dber die Ergebnis» der Forschungen aus Deutsch-Ostafrika von
Robert Koch. Deutsches Kolonialblatt No. 9. 1./5. 98.
„L'eber Westusambara ln sanitärer Beziehung.“
Verfasser beantwortet in iiusserst klarer, praciser Weise und wohlthuender
Kürze die Frage nach der Besiedelungsfähigkoit des Westusambaragebirges für
Deutsche und Anlago eines Sanatoriums, indem er die in Ostafrika verbreitete
irrige Meinung widerlegt, dass oben in Westusambara in 1000 bis 1200 m Hohe,
■weder ein sogenanntes Acclimatisationsfieber existirt, noch die Insolationsgefahr
eine grosse ist. Er fand durch Messungen mit dem Vacuumthermometer, dass
in Usambara die Sonnentemperatur Mittags nur 52 — 64 Grad erreicht, dagegen
in Dar-es-Salain 62 — 68 Grad. Was ihm im Gebirge darüber mitgethoilt wurde,
konnte durch Malaria und Malariarecidive erklärt worden. R. Koch verbreitet
sich über das Vorkommen von Malaria in Usambara in genannter Höhe und führt
alle dort ihm zur Beobachtung gekommenen Fälle auf Rocidive in der Küsten-
ebene acquirirter Malaria zurück. Er schliesst daraus, dass die Eingeborenen
keine Malaria kennen, wenn sie aber in die Steppe oder an die Küste hin-
untersteigen, dagegen sehr empfänglich sind, auf das Malariafreisein des Usam-
baraplateaus. In 800 m Höhe fand er mittlelschwere Tertiana, von da an nieder-
steigend die perniciöse tropische Malaria. Wenn Europäer nach ihrer Ankunft
in zweckmässiger Weise von der Küste nach Westusambara transportirt werden
könnten, so würde kein einziger Malariafall dort Vorkommen. Jetzt muss man
7 — 8 Tage durch Sumpf und Steppen dorthin marschiron und inficirt sich, wenn
nicht schon an der Küste, auf der Reise. R. Koch führt zum Beweise eine An-
zahl beobachteter Fälle auf den Missionsstationen und der Station Kwai auf. Mos-
fjuitos sieht Koch als Wirthe resp. Verbreiter der Malaria an. Das sonst sehr
zuträgliche und gesunde Höhenklima soll keinen heilsamen Einfluss auf Malaria
ausüben. Würden deutsche Einwanderer gefahrlos nach Westusambara geführt,
so könnte man mit einer Besiedelung sehr wohl beginnen. Westusambara übte
-demnach nicht wie andere Höhensanatorien in den Tropen die bekannte, neuerdings
besonders von Kohlbrugge beschriebene, oft überraschende Wirkung auf Malaria
aus, dagegen stellt es sich nach Koch’s Auffassung doch als malariafrei für seine
nicht anderswo inficirten Bewohner dar. Die günstige Wirkung von Höhensana-
torien wird höchstwahrscheinlich zugleich mit bedingt durch ihre leichte Erreich-
barkeit, Comfort, Beaufsichtigung der Kranken und Ueberwiegen frischer Malaria-
infectionen, während ältere, schwere Infectionen mit Kräfteverfall langsam heilen
oder letal ondigen. An der Küste acquirirte Infection kommt auch auf der See-
reise zum Ausbruch. C. Däubler.
lieber den Einfluss des Tropenklimas auf das Nervensystem von Chr. Rasch. Allgem.
Zeitschr. f. Psychiatrie. 1897. Bd. 54. S. 745.
Auf Grund eigener Erfahrungen und Beobachtungen bringt Vorfasser einen
werth vollen Beitrag zur Pathologie des Nervensystems in den Tropon. Er be-
gegnet zunächst dem weit verbreiteten Irrthum, dass mit der Zeit für den Eu-
ropäer oine Gewöhnung an das Tropenklima, das sich durch hohe Wärme (im
Schatten 25° C. und mehr) und gleichzeitigen hohen Wassergehalt kennzeichne,
«inträte ; im Gegentheil, seine und anderer Erfahrungen lehren, dass bei längerem
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ET. Besprechungen und Litteraturangaben.
Aufenthalte sich progressiv eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit des
menschlichen Organismus bemerkbar macht. Die enorme Schweissecretion , der
dadurch bedingte gewaltige Wasserverlust des Körpers, der wieder zu überreich-
lichem Trinken verleitet und dann Magenbeschwerden, Dyspepsie, Appetitlosigkeit
Diarrhoe zur Folge hat, der zur Beseitigung dieser Uebelstände mehr und mehr
über Hand nehmende Genuss von Alcohol und anderen Reizmitteln, weiter an-
genügende körperliche Bewegung, mangelhafter Schlaf etc., alias dieses führt za
einer allgemeinen Erschlaffung, einer geistigen Indifferenz und einer geringen
körperlichen Widerstandsfähigkeit gegen herandrängende Krankheiten, d. h. zu
einer verminderten Vitalität des Organismus. Die Zahl der rothen Blutkörperchen
wird herabgesetzt, diese selbst erscheinen kleiner (Anaemia tropica). — Nach diesen
einleitenden Bemerkungen wendet sich Verfaser zu den Störungen, welche das
Tropenklima im besonderen auf dem Gebiete des Nervensystems hervorruft. Die
einschlägigen Lehrbücher bringen über diesen Punkt leider gar nichts, oder messen
dem Tropenklima keine Bedeutung weiter bei. In Uebereinstimmung mit Martin,
van der Burg, Schollong, Hasper und anderen Kennern der Tropen betont Ver-
fasser hingegen, dass gerade das Nervensystem stark in Mitleidenschaft gezogen
wird, dass vor allem eine bedenkliche Neurasthenie sich einzustellen pflegt, die sich
in erster Linie durch quälende Schlaflosigkeit, leichte Empfänglichkeit für Gemüths-
eindrücke, Apathie und Gedächtnisssch wache characterisirt. Im Zusammenhänge
hiermit berichtet Verfasser über 11 Fälle von tropischen Neuro-Psy chosen (dar-
unter auch 2 echten Psychosen), die er während seines 3jährigen Aufenthaltes in
Bangkok unter 70 Landsleuten zu beobachten Gelegenheit hatte. In der Haupt-
sache characterisirten sich dieselben in einem völligen geistigen Bankerott; Rück-
kehr in ein günstigeres Klima schuf schnell Besserung. Weiter lässt sich Ver-
fasser über den schädlichen Einfluss aus, den Malaria in ihrer proteusartigen
Form, Dysentie, Tropendiarrhoe, Cholera, Beriberi. Lepra, Tetanus und Lyssa auf
das Nervensystem ausüben. Er fasst das Resultat seiner Beobachtungen dahin
zusammen, dass Leute, welche nach irgend einer Richtung hin zu Nervenkrank-
heiten disponirt sind, noch mehr aber Personen, die bereits an einer solchen
leiden, vor allem Epileptiker, den Aufenthalt in den Tropen meiden sollten.
G. Busch an -Stettin.
Pestnachrichten.
Die Abnahme der Seuche dauert in Indien und Arabien fort. In Karachi
kamen nach den letzten amtlichen Berichten vom 30. Juni täglich nur mehr
3—6 Neuerkrankungen vor, nach neueren Zeitungsberichten wurden an einigen
Tagen schon gar keine neuen Fidle mehr beobachtet In Djeddah ist nach offi-
ciellen türkischen Mittheilungen die Krankheit erloschen, Privatbriefe sprechen
jedoch noch von vereinzelten Erkrankungen. Der Hauptheerd der Epidemie liegt
jetzt au der chinesischen Küste. Die Ankunft eines pestkranken I^tskaren auf
dom Dampfer „Carthage“ in Plymonth erregte Ende Juli einiges Aufsehen. Der-
selbe war schon an Bord in einem Rettungsboote isolirt worden und den Fahr-
gästen wurde nach ärztlicher Untersuchung die Landung gestattet.
Von den europäischen Häfen dürfte die Pestgefahr endgültig ahge waadt
sein. M.
11. Besprechungen und Litteraturangaben.
247
b) Pathologie und Therapie.
Malaria.
Ä. Laveran, Traitä du paludiime. Paris 1898.
Nach einer Auseinandersetzung über die verschiedenen Synonyma für
„Wechselfieber“, kommt Verf. in der Einleitung zu dom Schluss, dass das Wort
„paludisme“ für „Wechselfieber“ das beste sei und fügt hinzu, dass man in
einem wissenschaftlichen Werke ein und dieselbe „Sache“ mit einem einmal
angenommenen Worte dauernd bezeichnen müsse. Trotzdem finden wir gleich
am Eingang des ersten Capitels die Ueberschrift: Repartition de l'endemie
palustre ä la surfaee du globe, nicht repartition „du paludisme“. Auf Seito 3,
12, 2t, 23, 25, 27 etc. kommt dann das vorher als minderwerthig bezeichnete
„fievres palustres“ zur Anwendung, so dass der Verf. über seine einleitenden
Bemerkungen selbst das Urtheil spricht.
Das 483 Seiten starko Buch enthält 27 Zeichnungen (darunter sind auch
die Temperaturkurven begriffen) im Text und eine bunte Tafel. Ein alpha-
betisches Sachregister fehlt leider. Die beigefügte „Table des Matieres“ hat
wenig Zweck.
Der ganze Stoff wird in 12 Capiteln abgehandelt und zwar umfassen die
Capitel 1 — 4 die Aetiologie, die Capitel 5 — 7 das klinische Bild, das Capitol 8
die pathologische Anatomie, das Capitel 9 die Diagnoso und Prognose, das
Capitel 10 die Behandlung, das Capitel 11 die Prophylaxe der Malariafieber und
endlich das Capitel 12 die Beschreibung der bei gewissen Thieren vorkommenden
Blutparasiton, die denen der Malarialiebor verwandt sind.
I. Capitel. 1. Verbreitung der Malariaendemio auf der Oberfläche der Erde.
2. Meteorologische und tellurische Verhältnisse, die die Entwicklung der Malaria-
fieber fördern oder hemmen: Wärme, Sonne, Vegetation, Feuchtigkeit, Regen,
Uebersehwemmungen, Sümpfe, Höhenlage etc.
Im ersten Abschnitt der ersten Abtheilung wird die Verbreitung der
Malariafieber in Europa besprochen. Die Bearbeitung der einzelnen Lander ist
sehr ungleichmässig. AVährend Frankreich in eingehendster Weise besprochen
wird, und z. B. die Daten aus der Geschichte der Malariafieber in der Sologne
mit dem Jahre 1586 beginnen, fehlt für Deutschland sogar das berühmte Beispiel
von Wilhelmshafen, das sonst in jedem grösseren Werke über Malariafieber citirt
wird und sich auch in der histor.-geogr. Pathologie von Hirsch findet. Das
letztere Buch ist zwar angezogen aber anscheinend nur wenig benutzt. Auch
Russland wird recht schnell abgemacht Fernerhin wäre es erwünscht, zu
erfahren, in welchen 5 Jahren die 40 000 Malariakranken im Militairhospital zu
Athen in Behandlung kamen (S. 8).
Im zweiten Abschnitt: Die „Malariafieberverbreitnng in Asien“ finden wir
dieselbe Erscheinung. Während die Malariafieber-Statistik der russischen Armee
für 1890 und 1893 mit ihrer Morbidität angegeben ist, finden wir Angaben
über die Wechselfieber-Mortalität der englischen Armee in Indien vom
Jahre 1860 (die Morbidität ist hier nicht angegeben), und für Tonkin werden
schliesslich die verschiedenen Malariafieberarten ihrer Häufigkeit nach aufgeführt.
Eine solche Zusammenstellung macht jeden Vergleich unmöglich.
Dieselbe Erscheinung wiederholt sich bei der Abhandlung der Verbreitung
der Malariafieber in Afrika und Amerika. Ueberall da, wo es sich um französische
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Colonico handelt, finden wir genaue, bis ins Einzelne gehende Angaben. Der
Rest des betreffenden Erdtheils wird aber stiefmütterlich behandelt So werden
z. B. die Cap Verdischen Inseln an der Westküste Afrikas völlig übergangen,
obgleich sie reich an Wechselfieber sind. Es finden sich dafür aber bei der Be-
sprechung Amerikas die kleinen Inseln von Französisch- Guyana einzeln aufgezählt
Auf S. 17 findet sich das plötzliche Auftreten des Malariafiebers auf La
Reunion, Mauritius und Rodriguez erwähnt. Eine befriedigende Erklärung dafür
giebt es nach Ansicht des Verf. nicht. Kohlbrugge hat in dieser Zeitschrift
Bd. II. S. 11 darauf hingewieseu, dass das Auftreten der Malariafieber auf
Mauritius vermuthlich mit der Entwaldung der Insel zusammenhängt Er führt
aus: Die Malariakeime waren wohl bereits im Boden vorhanden, konnten sich
aber nicht entwickeln, weil der stets feuchte Waldboden ungünstig dafür war.
Erst nach der Entwaldung, als Feuchtigkeit und Trockenheit schnell wechseln
konnten, kamen die Keime zur Entwicklung.
Westindien wird in 4 Zeilen abgemacht, obgleich doch gerade über diese
Gegend viel englische und spanische Berichte vorliegen.
Auf S. 21 tritt uns dann plötzlich der Malayische Archipel mit den
Philippinen unter der Rubrik Oceanien entgegen. Wir in Deutschland rechnen
diese Gebiete zu Asien. Diese Gegend wird auch recht schnell abgemacht Die
zahlreichen Arbeiten der Holländer über Malaria werden mit keinem Worte
erwähnt. Dafür folgen aber die auffallenden Sätze: „Aux coutraire les autre»
lies de l'Oceanie, malgre l'existence de nomhreux marais, jouissent, au point de
vue du paludisme, d une salubrite tres grande.*4 Dann folgt die Bemerkung, dass
Neu-Caledonien nach den Berichten verschiedener französischer Autoren malaria-
frei ist und den Schluss bildet der Satz: „Les iles de la Polynesie, de la Melamsie.
de la Micronesie sont egalement indemnes.“ Derartige Behauptungen, wie sie
die beiden französisch angeführten Sätze enthalten, sollten von einem Autor wie
Laveran nicht aufgestellt werden. Man denke nur an dio Berichte von Schelloog
(99% Malariamorbidität in Finschhafen auf Neu-Guinea) oder man lese einen
Sanitätsbericht der Kaiserlichen Marine durch, so wird man stets finden, dass
die Besatzungen unserer Schiffe in der Südsee (Bismarck-Archipel, Apia, Salomons-
Inseln) bis zum heutigen Tage ständig unter Wechselfiebern zu leiden haben, die
sie sich an den genannten Plätzen zugezogeu haben.
Gegen die allgemeinen Schlussfolgerungen am Ende der ersten Abtheüung
des 1. Kapitels ist kein Ein wand zu erheben. Sie enthalten allbekannte That-
sachen.
2. In der zweiten Abtheilung bespricht der Verf. zunächst den Einfluss, den
die Wärme auf die Entstehung der Malariafieber hat Er stellt dabei den Satz
auf : „Dans les pays chauds ou temperes . . . pendant l’hiver on n'observe <jue des
rechutes de fievre.“ Das stimmt nun in dieser allgemeinen Fassung nicht Ich
selber habe in Westindien im December und Januar Neu-Erkrankungen von
Wechselfieber bei unseren Leuten an Bord beobachtet*). Wechsel fieberfalle werden
ja natürlich in der Winterszeit sehr selten sein, aber sie kommen doch vor.
Auch dem Satz: „Dans les rcgions les plus chaudes du globe les marins sont
ä l’abri du paludisme tant qu’ils ne descendent ä terre“ kann ich in dieser all-
*) Wir kamen auf der Auereiae tua Kiel erat am leisten November nach Weatindien oa i
hatten vorher nur malaiiafreie Plätze angelanfen. Der erste Wechsel Aeberfall ging Anfiag
December in Port au Printe in. Ich fand die groaecn Formen der Malariaparasiten im Blatt-
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IT. Besprechungen und Litteraturangaben.
249
gemeinen Fassung nicht beistimmen. Man denke nur an das Beispiel, das Leon-
hardt von der Rhede von Arica erzählt. Das Schiff lag 2 Seemeilen vom Lande
ab. Wegen Kriegszustand kam die Mannschaft nicht an Land. Das Schiff kam
aus den fieberfreien Gegenden Südchiles und hatte bis dahin keine Wechselfieber-
kranken gehabt. An Land war Wechselfieber weit verbreitet. Mit der Zeit
traten zahlreiche derartige Erkrankungen an Bord auf.
Es wird nun der Einfluss des Bodens und der Feuchtigkeit, der Regen,
Ueberschwemmungen und der verschiedenen Arten von Sümpfen besprochen.
Verf. kommt zu dem Schluss, dass der Erdboden, der abwechselnd trocken und
feucht wird, der zur Entwicklung von Malariafiebern geeignetste ist. Zwischen-
durch wird noch der eigenthümlichen Erscheinung Erwähnung gethan, dass dicht
□eben verseuchten Plätzen ganz gesunde liegen können.
Es findet sich ferner hier dio Thutsachc angeführt, dass Malariafieber
namentlich nach Umbrechen des Bodens entstehen. Es wird dies durch ver-
schiedene Beispiele belegt. Dass das Fehlen von Malariafiebern auf Tahiti und
Neu-Caledonien durch das ständige Wehen des Monsuns bedingt sein könnte,
wie Pauly meint, hält Verf. für eine „evidente exageration“. Der Einfluss des
Windes auf das Auftreten und Nichtauftreten von Malariafiebem darf aber nach
Ansicht des Ref. nicht von der Hand gewiesen werden. Es müssen natürlich
die lokalen Verhältnisse eingehend dabei berücksichtigt werden. Denn es ist
klar, dass ein ständig wehender Wind , der direct vom Meere kommt, anders
wirken muss, als einer, der vorher über malariadurchseuchte Strecken ge-
gangen Ist.
Zum Schluss wild der günstige Einfluss der Höhenlage besprochen und
durch Beispiele illustrirt Aber auch hier ist der Verf. zu allgemein. Er be-
rücksichtigt auch hier nicht, dass stets die lokalen Verhältnisse eingehend zu
untersuchen sind, und dass nicht die Lehre, die ein Beispiel giebt, unverändert
auf andere Verhältnisse übertragen werden darf. Wozu das in praxi führen
kann, lässt sich aus den von Menso*) angeführten Thatsachen ersehen. „Stanley
hatte, als er die Grundlagen des Congostaates legte, mit Vorliebe die Bergspitzen
und Höhen zum Stationsbau ausgewählt So fand Mense auch die Wohnungen
der Europäer in Leopoldville auf dem Gipfel des 70 m hohen Mont I/eopold an-
gelegt, einen zweiten Theil derselben auf halber Bergeshöhe nach NO hin. Die
auf dem Gipfel wohnenden Europäer orkrankten stets sämmtlich und lieferten die
schwersten hämoglobinurischen Fieber. Dio in halber Höhe Wohnenden erkrankten
alle leichter und weniger häufig. Den Grund für diese Erscheinung sucht M.
darin, dass der Gipfel des Mont Leopold voll von dem SW -Wind getroffen
wurde, der vorher über die malariadurchseuchten Flussthiiler gestrichen war,
während die Häuser auf halber Bergeshöhe vor diesem Winde ziemlich geschützt
.waren. Dio Häuser oben mussten schliesslich geräumt werden. Als sie wegen
Kaummangels wieder belegt werden mussten, erkrankten die Europäer in gleicher
W eise schwer wie früher. „In dem hochgelegenen Vivi sah ich denn auch
in drei Monaten mehr Schwarzwasserfieber, als in dem unteren Theilo von
I^eopoldville in der sechsfachen Zeit Nord- Man yanga, stolz auf einem steilen
Hügel über dem Strome gelegen, hatte seinerzeit die grösste Morbidität und
*) Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung deutscher Naturforscher und Acrzte.
Bonderabdruck aus der Wiener Klinischen Rundschau S. 6 u. folgd.
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EL Besprechungen und Litte raturangaben.
Mortalität allor Stationen am Congo, bis es geräumt und auf das andere Ufer
hart an den Fluss verlegt wurde. Die hohen Missionsorte ETnderhill und Pala-
balla weiter stromabwärts litten in gleicher Weise“*).
Im zweiten Capitel bespricht Verf. zunächst die Versuche, die vor
seiner epochemachenden Entdeckung angestellt worden sind, um den Erreger der
Malariafieber aufzufinden. Besonders eingehend beschäftigt er sich mit dem
bacillus malariae. Denn Marchiafava, der ihm später die Priorität der Entdeckung
der Malariaparasiten streitig machen wollte, hat noch bis 1884 den Malariabacillus
vertheidigt. Es ist also dem Verf. nicht zu verdenken, wenn er gleich hier im
Anfang seine Priorität wahrt. Der Vollständigkeit halber hätte L. auch noch
die Arbeiten von Mosso und Maragliano anführen können, die darauf ausgingen,
die Malariaparasiten für Degenerationszustände der rothen Blutkörperchen zu er-
klären und die Arbeiten von Cattaneo und Monti, die diesen Einwand endgültig
widerlegten. Die Arbeit von Ziehl ist gleichfalls nicht erwähnt.
Es folgt sodann die Mittheilung, dass L. am 6. November 1880 in Constantine
im Blute eines Wechselfieberkranken zum ersten Male die Malariaparasiten in
ihren 8 Formen: Geissein, Halbmonde und Sphären sah. Im Anschluss hieran
führt der Verf. alle die Arbeiten an, die seitdem erschienen sind, und seine
Beobachtung bestätigt haben. Er hat sie nach den verschiedenen Erdtheilen
geordnet
Für die Europa betreffenden Arbeiten ist zu bemerken, dass Mannaberg
seine Hauptstudien nicht in Wien, sondern in den malariaroichen Gegenden von
Istrien machte. Die Arbeit von Jancso und Rosenberger ist nicht angeführt
Sonst ist aber die Literatur in ausgiebigster Weise berücksichtigt. Das Letztere
gilt auch für die folgenden Abschnitte. Nur die Arbeiten der Holländer sind
bis auf eine unbenutzt geblieben. Zu bemerken wäre noch, dass Grawitz (siehe
S. 51) seine Beobachtungen nicht an Kranken machte, die aus West-, sondern aas
Ostafrika stammten. Fernerhin giebt L. an, dass es ihm gelang in Blutpräparaten,
die ihm aus Calcutta, Peking (S. 56), Mauritius (S. 52) und Rio de Janeiro
(S. 55) geschickt wurden, Malariaparasiten zu finden. Es wäre interessant zu
erfahren, ob diese Blutpräparate gefärbt oder ungefärbt eingesandt wurden.
Mir persönlich ist es nie gelungen, Blutpräparate, die mir ungefärbt aus Kamerun
geschickt wurden, in Deutschland nachträglich mit Hülfe der gewöhnlichen
Methoden zu färben. A. Plehn ist es (nach einer brieflichen Mittheilung an mich)
ebenso ergangen.
Am Schluss spricht sich der Verf. dahin aus, dass die zahlreichen Be-
stätigungen, die seine Entdeckung in allen Gegenden der Erde gefunden hat,
dafür spricht, dass der von ihm gefundene Parasit der Erreger der Malariafieber
sei. Dem kann nur beigestimmt werden.
Das dritte Capitel ist der eingehenden Beschreibung des Malaria'
parasiten gewidmet. Da L. nach wie vor auf dem Standpunkte steht, dass es
nur einen Malariaparasiten und nicht verschiedene Arten giebt, so kann es
nicht Wunder nehmen, wenn wir im ersten Abschnitt des 3. Capitels, das dessen
Beschreibung gewidmet ist. Alles das zusammen verarbeitet finden, was bis jetzt
über Formen und Bauart des Parasiten bekannt ist. Etwas Neues finden wir
hier nicht**). Es sei nur erwähnt, dass L. die Halbmonde nicht für sterile
a) Mense I. c.
••) Obgleich Ziemann’s erste Arbeit wiederholt citirt ist, ist doch in diesem Capitel tob
der chromatischen Kernfirbung, durch welche Z. sterile und nicht sterile Formen Unterschiedes
wissen will, nicht erwähnt.
II. Besprechungen und Li tteratu rangaben.
251
Formen hält, weil er bei verschiedenen Fällen von Wechselfiebem nur Halb-
monde und keine andern Parasitenfonnen im Blute fand. Mannaberg’s Syzygien-
Theorie erkennt er nicht an, weil sich die Halbmonde in Spindeln und Sphären
verwandeln können, und es dem Verf. unwahrscheinlich ist, dass eine Form, die
sich durch Aneinanderlegung zweier Elemente bildet, sich später stets nur in
einfache und nicht in gedoppelte Formen verwandeln sollte. Ausserdem hat L.
die von Mannaberg beschriebene Syzygienbildung bei den Halbmonden nie
beobachtet.
Die letzte Arbeit von Ziemann hat L. nur kurz in den Addenda benutzt.
Im 3. Capitel des Werkes ist daher die Ansicht Ziemann’s: Die Halbmonde sind
steril, weil bei ihnen die chromatische Kernsubstanz nicht nachweisbar ist, noch
nicht berücksichtigt.
Die Geisselformen hält L. nicht für Involutionsformen 1. weil sie nach
Chiningebrauch verschwinden, 2. weil sie in der Milz häufiger als im Fingerblut
zu finden sind. Geisselformen werden am meisten gesehen, wenn ein Fieber-
anfall bevorsteht. — Auch behauptet L., dass die weissen Blutkörperchen mitunter
lebende Parasiten einschlössen.
Bedauerlich ist, dass sowohl die Zeichnungen der Parasiten im Text als auch
die bunte Tafel so schematisch gehalten sind.
Nachdem der Verf. noch angeführt hat, dass man die Parasiten am sichersten
kurz vor dem Fieberanfall findet, dass es vorkommt, dass boi manchen Kranken
wochenlang trotz Chininbehandlung sich Halbmonde zu jeder Zeit im Blute finden
können, und dass auf der anderen Seite bei perniciösen Fiebern die Anzahl der
Parasiten im Fingerblut gering ist, während man bei der Leicheneröffnung die
inneren Organe, wie Milz, Leber und Gehirn überfüllt davon sieht, kommt er
zur wichtigsten Frage des Capitels: giebt es eine oder mehrere Malaria-
Parasitenarten?
Nachdem L. die bekannte, von Golgi aufgestellte Dreitheilung der Malaria-
Parasiten gebracht hat, fügt er hinzu, dass die von Golgi gemachten Unterschiede
„sont bien loin d'etre constants“. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grade-
Wenn ferner L. behauptet, dass der einzige Unterschied zwischen den Tertian-
und Quartan-Parasiten die Anzahl der gebildeten Sporen sei, so vergisst er, dass
das von Tertian-Parasiten befallene rothe Blutkörperchen entfärbt wird und bis
auf’s IV» fache seiner natürlichen Grösse aufgebläht werden kann, was beides
beim Quartan-Parasiten nicht beobachtet wird. Von der verschiedenen Entwicklungs-
dauer der beiden Parasiten will ich absehen. Denn die Dauer der Entwicklung
ist nicht ganz constant. Dass aber jedem Beobachter zunächst auffällt, dass
zwischen den Parasiten einer Kamerun-Malaria und denjenigen einer in Deutsch-
land erworbenen ein ganz ungeheurer Grössenunterschied und ein deutlicher
Unterschied im ganzen Habitus der Parasiten besteht, das erwähnt L. nicht.
Wenn L. ferner als seine Ansicht stützend den Umstand anführt, dass man
Halbmonde und amoeboido Formen der Parasiten zusammen finden kann und
dass man bei demselben Kranken bald nur Halbmonde, bald nur amoeboide
Formen fände, so ist das für die Einheit des Parasiten nichts Beweisendes.
Etwas anderes wäre es, wenn er den Beweis führen könnte, dass die Halbmonde,
die ja nur von den kleinen Parasitenformen gebildet werden, auch zusammen
mit den grossen Formen unserer heimischen Malariafieber beobachtet würden.
Das behauptet nun L. auch. Er sagt S. 81 wörtlich: ,,Nous avons vu que dans
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
tous les pays palustrcs on retrouve 1' hcmatozoaire sous ses differentes forme
les corps en croissant ont ete vus ä cötö dos corps amiboi'des en Algerie. a
Tunisie . . . . en Allemngne“. Das ist nicht richtig. Halbmonde sini
in keinem einzigen Falle bei den in Deutschland heimischen Wachse •
fiebern gefunden worden. Damit verliert aber auch der folgende Satz seiet
Beweiskraft: „C'est lä, ce me semble, une excellente preuve <ju’il s'agit d'rn«
meme parasite; s’il v avait des especes differentes il est probable <|ue, dans
taiues loealitcs, l’une d'elles se rencontrerait ä l’exclusion des autres“. Es*
solche „local ite“ ist nun Deutschland. Bei unseren heimischen "Wediselßebcr.
finden wir nur die grossen Formen der Malariaparasiten unter Ausschluss ce
Halbmonde.
Die Frage, ob der Malariaparasit einheitlich ist oder nicht, erscheint dam
entgegen der Ansicht L.'s immer noch discutabel.
Die anderen Gründe, die L. als beweisend für seine Ansicht anführt, sk
ebenfalls nicht stichhaltig. Er sagt:
Dieselbe Behandlung ist bei allen Fieberarten anwendbar. Ganz recht!
Man giebt immer Chinin als Specificum. Das beweist aber für L.’s Ansicht niche.
Denn Jodoform wirkt z. B. entwicklungshemmend sowohl auf Strepto- als J*i
auf Staphylococcen. Deshalb hat aber noch Niemand diese beiden Coceeoart*
für identisch erklärt. Ferner: Der Fiobertypus wechselt auch noch bei Krankri
die langst die Malariagegenden verlassen und gesunde Erdstriche aufgesucht halw.
Die Gelegenheit zur neuen Ansteckung fehlte also. Um das zu erklären * *
für die Gegner der Einheit des Parasiten nöthig, eine Mischiufection anzunehmtc.
Das ist nicht nöthig. Dieser Vorgang lässt sich auch durch Eot wicklungshemmt.'
erklären. Dass übrigens durch Mischinfoction, d. h. durch Infection mit wr-
schiedenen Malaria-Parasiten der Fiebertypus bei ein und demselben Kraute
geändert werden kann, beweisen die Impfungen von di Mattei. M. rajicct'
einem Kranken, der eine Febris quartana hatte, und in dessen Blut nur yoirac-
parasiten nachgewiesen werden konnten, eine kleine Quantität Blut, das die klei*<*
halbmondbildenden Parasiten enthielt. Die letzteren Parasiten, die den Quart»-
Parasiten gegenüber in verschwindender Menge eingeführt wurden, verfranzte
die Quartan-Parasiten vollständig, und es entstand ein unregelmässiges Fieber
Es folgen dann die Aufzählungon aller der vergeblich angestellten Verand*
die das Auffinden der Malaria-Parasiten ausserhalb des Körpers bezwecktet ft*
vergeblichen Culturversuche, und die gleichfalls vergeblichen Versuche, die Mslzn
Parasiten auf Thiere zu übertragen, werden ausführlich besprochen.
Auch die bei Thieren vorkommenden, den Malariafiebern ähnliche Erkruu-
ungen werden angeführt.
Es folgt sodann die Tochnik der Blutuntersuchung. Nachdem Verl
ausdrücklich darauf hingewiesen bat, dass es, um Parasiten sicher zu M»
nöthig ist, nur solche Kranke zur Blutuntersuchung zu nehmen, die in der lt*
einen Anfall haben und in der letzten Zoit kein Chinin bekommen haben. (Skrt
er aus, dass es am besten ist, das unter den bekannten Vorsichtsmaassregeln **•
nommene Blut im frischen Präparate ohne jeden Zusatz zu untersuchen.
verwirft dabei die Abbe’sche Beleuchtung. Sie machte die Parasiten zu trat--
parent Um Trockenpräparate herzustellen, zieht er zwei Deckgläschen voo är
ander ab (das Verfahren von Jan eso und Bosen berger ist nicht erwähnt. D*
Verfahren scheint dem Ref. am besten.) und lässt die Blutschicht dann dufb
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II. Besprechungen und Litteraturangaben. 263
Hitze oder in einer Mischung von halb Aether und halb Alcohol (absolutus) auf
den Beckgläschen fixiren. Von den verschiedenen D< ippelfiirbungsmethoden (es
werden alle angeführt) zieht Verf. die mit Eosin und Methylenblau vor. Er be-
merkt sehr richtig, dass man die besten Resultate erhält, wenn man mit den
verschiedenen Farblösungen nach einander färbt. Das Mischen der Losungen
giebt beim (jebrauch oft Niederschläge. Nach SacharofTs Angabe färben sich die
Oeisseln am besten mit Gcntianaviolett.
Rüge (Kiel).
Berichte Robert Koch’s Ober die Ergebnisse seiner Forschungen In Deutsch-Ostafrika.
Arbeiten aus dem K. Gesundhoitsamto. 14. Band, 2. Heft, 1898.
Nachdem der Autor in erster Linie die Malaria in Deutsch-Ostafrika ab-
handelt, worüber bereits in diesem Archiv berichtet wurde, beschreibt er ad II.
Das ISchwars Wasserfieber. Vor seinen Untersuchungen darüber entnahm
R. Koch aus der Literatur, dass es von den Tropenärzten für eine besondere
Form der Malaria gehalten wurde, wobei verschiedene Forscher regelmässig im
Blut der Kranken die Malariaparasiten nachgewiesen haben wollten.
Beides wird durch die Forschungen R. Koch’s widerlegt. Während Geh.
Rath R. Koch die Symptomatologie, wie wir sie kennen, und wie sie so oft
beschrieben ist, bestätigen konnte, ging er daran, sich über das eigentliche Wesen
der Krankheit Gewissheit zu verschaffen. Sein Material bestand aus 16 Kranken,
abgesehen von 75 mit in Berechnung gezogenen Fällen, über welche die Medicinal-
Abtheilung der Gouvernements Angaben erthoilte. In 3 Fällen trat der Tod ein,
= 19% Mortalität, welcher Procentsatz sich mit den in erwähnten 75 Fällen
deckt. In zwei Fällen war Verstopfung der Harncanälchen mit geronnenem
Haemogiobin die Todesursache, im dritten Falle trat der Tod ein während des
Anfalles, in Folge massenhaften Zerfalls von Erythrocyten und dadurch verursachten
tiefen Störungen des Lebensprocesses ohne zu reichliche Haemoglobinausschoidung.
Insgasammt nur in 2 Fällen fanden sich im Blute Malariaplasmodien, aber unter
solchen Umständen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem
Befunde und dem Schwarzwasserfieber ausgeschlossen werden musste. In den
übrigen 14 Fällen wurden, trotz wiederholter aufmerksamster Untersuchung in
den verschiedenen Krankheitsstadieu, keine Spuren von Malariaparasiten gesehen,
ebensowenig andere Mikroorganismen, auch nicht die von Yersin angegebenen.
Die Krankheitsursache musste demnach eine andere sein und hierüber gaben
unter anderen gerade die beiden Falle mit Parasitenbefund Aufschluss. Der erste
Kranke, 8 Monate in Ostafrika, hatto vor Aufnahme in's Krankenhaus mehrfach
Fieber, vor vier Wochen Schwarzwasserfieber nach Chiningebrauch. Nach einer
Woche Aufenthalt im Krankenhause plötzlich Fieber mit Parasitenbefund, darauf-
hin eine Chiningabe von 1 Gramm während der Apyrexie, einige Stunden hier-
nach ein Schwarzwasserfieberanfall. Nachdem keine Symptome mehr bemerkbar
und auch die Parasiten im Blut verschwunden waren, musste der Kranke zur
Verhütung von Recidiven noch zwei Chinindosen nehmen, einige Stunden nach
der ersten erfolgte ein typischer Anfall von Schwarzwasserfieber und genau zu
derselben Zeit ein ebensolcher nach der zweiten, am fünften Tage nach dem Ver-
schwinden seiner Malaria Dieser Kranke genas. Im 2. tödlich verlaufenen
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254 II. Besprechungen und Litteraturangabeu.
sehr schweren Falle war die Veranlassung zur Chininbehandlung eine Tertiac-
Malaria. Der Kranke gab an, lOmal, jedesmal nach Chiningebrauch, Schwan-
wasserfieberanfülle gehabt zu haben, Arsen war bei ihm ohne Erfolg und ms
seine Malaria]>arasiten zu beseitigen, wurden 0,5 Gramm Chinin subeutan.
4 Stunden vor dem zu erwartenden Anfall angewendet. Schon 2 Stunden dar-
nach Schüttelfrost von halbstündiger Dauer, Entleerung von 250 ccm schwarz-
rothen Urins, Erbrechen, Icterus, hierauf nach 8Vi Stunden Abgang von 150 ccm
ebensolchen Crins, Coma, Herzschwäche, 10 Uhr Abends, 12 Stunden nach der
Injection, exitus. Bei der Obduction, ausser starker Milzschwellung und icteriscber
Färbung aller Organe, keine Veränderungen. Im Blut des Kranken hatte Verl
nur Tertianparasiten in 2 Generationen gefunden, kurz vor dem Tode nur noch
eine Generation, die andere, in deren Sporulationzeit die Chinininjection gefallen,
war verschwunden. R. Koch nimmt daher an, dass bei gewissen Kranken eine
Idiosyncrasie gegen Chinin vorhanden sein muss, so dass das Chinin dann ab
Gift wirkt und Schwarzwasserfieber hervorruft, dabei entfaltet es auf etwa vor-
handene Malariaparasiten seine bekannte, entwicklungshemmende Wirksamkeit
wie die hier mitgetheilten Fälle beweisen. Die übrigen 14 Falle lagen auch
so, dass sie als Chininvergiftungen (bei empfänglichen Personen — Ret) ge-
deutet werden konnten und viele andere nicht selbst beobachtete Fälle wei-en
ebenfalls darauf hin, in den ersteren 14 bewiesen die Gestalt der ffiebercurre.
das Fehlen der Parasiten und das Ausbleiben von Recidiven, dass keine Mal an
vorhanden war, sie kann sich aber gelegentlich dabei zeigen und die Veran-
lassung zu Chiningaben werden , welche bei vorhandener Idiosyncrasie der.
Schwarzwasserfieberanfall verursacht. Es braucht deshalb aber nicht jede»
Schwarzwasserfieber eine Chininvergiftung zu sein. Der Mensch kann auch an!
andere Substanzen mit einer Haemoglobinurie reagiren. Wichtig wäre die Er-
mittelung des Zustandekommens dieser Idiosyncrasie in den Tropen und ob
zu beseitigen ist. Da Frauen und Eingeborene nicht an Schwarzwasserfieber leiden,
vermuthet R. Koch Veränderungen der Blutbeschaffenheit bei thätigen männlicher
Europäern. Die Feststellung des Wesens des Schwarzwasserfiebers dorei
R. Koch kann bei den bisherigen differenten Anschauungen und therapeutisches
Maassnahmen nur mit Freuden begrüsst werden, die Chinintherapie dabei oa«
aufhören.
C. Däubler.
Ein Baitrag zur Kenntnis« der Kamerum-Malaria nebst Bemerkungen Ober saaiOn
Verhältnisse des Schutzgebietes Kamerun von Dr. Döring, Assistenzarzt I. Oasse.
Sonderabdruek aus: Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundbeitsnachr. 1898.
Verfasser behandelte vom 1. Mai 1896 bis 1. Februar 1897 in Karne nn
169 Malariaerkrankungen darunter 40 Schwarzwasserfieber. Von den Kranket
mit Malaria ohne Hämoglobinurie ist ein Patient gestorben. Zwei Schiffsepidem«
kamen zur Beobachtung, die eino mit einer Krankenliste von 17 bei 31 Maas
Besatzung betraf einen Küstendampfer, die andere das spanische Kriegsscftil
„Pelicano“. Die „Pelicano“ war durch einen Unfall beim Aufslipen behufs Re-
paratur so auf das Slip gelagert worden, dass es noch theilweise vom Wasse:
bespült wurde und der wechselnde Wasserstand eine Ansammlung von Schlanuz
und l nrat ringsum bedingte. Es erkrankten iD einem Zeitraum von zwei Mooaac
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
255
trotz regelmässigen prophylactischen Chiningebrauchs von 88 Europäern und 12
Negern 36 Europäer und 1 Schwarzer zusammen an 98 Malariafällen. Der erste
Fall trat 14 Tage nach dem Aufslipen ein. Die Diagnose wurde auch durch das
Microscop gesichert
Auffallend ist iu dem Berichte die grosse Zahl von hämoglobinurischen
Fiebern, vierzig in zehn Monaten ! Acht von diesen zeichneten sich durch heftiges
anhaltendes Erbrechen, schweren Icterus und verminderte zeitweise ganz aufge-
hobene Harnausscheidung bei niedrigem spezifischen Gewicht des Urins aus, fünf
endigten tödtlich bei ehininloser Behandlung. Da der Obductionsbefund auf der
Magenschleimhaut dicke zähe Schleimauflagerungen ergab, welche als Ursache des
Erbrechens angesehen werden konnten, so versuchte D. dieselben bei den übrigen
Kranken durch die von ihm schon früher angewandten Magenausspülungen mit alka-
lischen Lösungen zu beseitigen. Der Erfolg war gut, die Anwendung selbst aber für
die geschwächten Kranken zu angreifend. Deswegen ging D. zur inneren Anwendung
von künstlichem Karlsbader Salz über und erzielte in mehreren Fällen Schleim-
lösung, Aufbüren des Erbrechens und wohlthuende Durchfälle. In einem andern
Falle, wo D. das Erbrechen als urämische Erscheinung auffasste, hatte ein Ader-
lass von 100 ccm ausgezeichnete Wirkung.
Mehrere Male sah D. anstatt der Hämoglobins Gallenfarbstoff im Blut auf-
treten. Die mitgetheilten Krankengeschichten erläutern die Verschiedenheiten im
Verlauf der einzelnen Fälle.
Die microscopische Untersuchung ergab im Anfänge des Schwarzwasser-
fiebers fast stets typische Malariaplasmodien, ein besonderer Erreger wurde nicht
gefunden. In einem Falle trat Schwarzwasserfieber mit Plasmodien ohne vorher-
gehenden Chiningenuss auf, in einen andern wurde Hämoglobinurie ohne Plas-
modien anfangs ohne, später mit Temperatursteigerung wiederholt nach prophy-
laktischen Chiningebrauch beobachtet.
Obschon D. den Standpunkt vertritt, dass der Ausbruch des Schwarzwasser-
fiebers fast stets durch das Zusammentreffen von Chinin mit activen Malaria-Er-
regern bewirkt wird, empfiehlt er doch zur Verhütung desselben eine regelmässige
Chininprophylaxe, um das Blut an das Heilmittel zu gewöhnen. Im hämoglobi-
nurischen Anfalle selbst vermeidet er Chinin.
Nach den bisherigen Aufstellungen der Kameruner Aerzte tritt das Schwarz-
wasserfieber von Jahr zu Jahr häufiger auf.
Eine vergleichende Statistik der Sterblichkeit bei Männern und Frauen nach
den Listen der Baseler Mission ergiebt eine Mortalität von 26, 2% bezw. 25%
in einem Zeitraum von zehn Jahren. Die ersten Monate und Jahre des Aufent-
halts in Kamerun sind die gefährlichsten. M.
Pest.
lieber die Pest. Nach eigenen Beobachtungen von Geh.-Rath Prof. Dr. R. Koch,
Vortrag in der Gesellschaft für öffentl. Gesundheitspflege zu Berlin, 7. Juli 1898.
Der Vortr. betont eingangs, dass die Expansionskraft der Pest sich geändert
habe, während sie früher über ganze Ertheile sich verbreitete, kann sie jotzt mehr
und mehr localisirt worden. Aber zugleich verschieben sich die Pestheerde und die
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Verbreitungswege. In der neuesten Zeit konnten au der Südkiiste Chinas 1 891
in Hongkong Aerzte, welche mit unseren heutigen wissenschaftlichen Forschungs-
methoden vertraut waren, feststellen, dass die dort herschende vielfach beschriebene
Krankheit die alte Beulenpest sei Vor kaum zwei Jahren war diese Krankhe •
uns von Bombay aus bis London bedenklich nahe gerückt, jetzt noch wurde erst
vor einigen Wochen ein pestverdächtiges Schiff in Suez in Quarantäne gelegt
Die genaue Erkennung der Krankheit ermöglicht ihre Verbreitung zu hindern:
wir verdanken dieses dem Japaner Kitasato, der uns den Pesterreger kennet
lehrte. So konnte R. Koch jetzt in Indien den Schleier lüften, der das Wes«
der Krankheit verhüllte und über Ausbreitungsweise, Immunitätsverhältnisse, pa-
thologische Veränderungen orientireu.
Die Pest stellt sich nach R. Koch’s Auffassung als eine Rattenkrankhe::
dar; die Ratten übertragen sie erst auf den Menschen, da sie eine Bacterienm-
fection ist, so muss sie irgendwo endemisch vorhanden sein, sie muss Heerde besitzen,
von wo aus sie sich vorbreitet. Der Vortr. bespricht dann die alten schon bekannten
asiatischen Heerde, 1. Mesopotamien, 2. Assir in Arabien, 3. Tibet und den süd-
lichen Theil Chinas, die Provinz Junnam. Den vierten Pestherd den R Koch
entdeckte, kannte man bisher nicht, er liegt in Ostafrika am Vietoria-Nyaoza i*
Kisiba und dem benachbarten Uganda
Die Entdeckung dieses Heerdes schildert Vortr. eingehend, indem er Stahs-
arzt Dr. Kubitza's Verdienste hervorhebt, welcher für ihn, der mit der Malans-
forschung beschäftigt war, von der ostafrikanischon Küste aus am 31. 8. Is97
nach Kisiba gesandt wurde, um die R. Koch gemeldete, von ihm für Pest ge-
haltene Krankheit zu untersuchen und nach seinen Vorschriften angefertigte Deck-
glaspräparate vom Blut der Kranken und von Ratten zu senden, sowie Organe und ia
Spiritus gesetzte Cadaver spontan erkrankter Ratten. Dr. Kubitza machte ausser-
dem an Ort und Stelle 5 Obductionen. Die Krankheit wird von den Eingeborner,
l/obunga oder Mbunga genannt, sie fürchten jeden Rattencadaver, denn sie wisse:,
dass der Krankheit unter ihnen die Rattensterblichkoit vorangeht. Die Krankte'
selbst gleicht in ihren Symptomen völlig der Bnbonenpest, beginnt mit Hinfälligkeit
Schüttelfrost, Kopfschmerz, hoher Fiebertemperatur am 2. resp. 3. Tage, daraai
sind die bekannten Drüsenschwellungen zu bemerken und verläuft fast immer
tödlich, in 10 als echte Pest erkannten Fällen starben 9. Der Vortr. verfass
dann einige kurze Krankengeschichten von der Hand des Dr. Kubitza, die eu»
betrifft eine 26 jährige Negerfrau, welche Abends Schüttelfrost hatte, am anderen
Morgen wallnuss bis pflaumengrosse Bubonen in der linken Leistengegend, jcf
Druck schmerzhaft, oben rechts am nals eine geschwollene Drüse. Ueber de»
Drüsenschwellungen zeigte sich kein Oedem. Am 4. Tage leichte Durchfalle, ss
5. Tage exitus. Bei der Section zeigten sich in den hacmorrhagischen Drüsec
eine solche Menge von Pestbacillen, dass die Drüsen davon erfüllt erschien«
Im zweiten Fall, wo die gleichen Symptome neben Aufgetnebensein des Abd-rs«
zuerst auftraten und am 3. Krankheitstage der exitus erfolgte, fanden sich be
der Section in der linken Leistengegend wallnussgrosse Drüsen, auf dem Dursci-
schnitt dunkelrothes Zellgewebe zeigend, eine andere sah auf den Schnitt rsth-
grau aus. Die Gefässe des Netzes waren stark mit Blut gefüllt, mesenterial and
retroperitoneale Drüsen vergrössert Hämorrhagien in derSerosa des Darms, die JEi
sehr gross, weich, die Nieren sehr blutreich. Die Leistendrüsen beiderseits bildet«
eine Kette, ln Leber und Milz, besonders in letzterer, fand R Koch so viel P«s-
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
257
bacterien, dass deren mehr waren als Milzzellen. Die gefundenen Bacterien
gleichen in Aussehen und Verhalten gegen Farbstoffe völlig denen in Indien bei
der Pest beobachteten.
Die Verhältnisse in Kisiba sind der Pestentwicklung sehr günstig. Die
Bewohner loben fast nur von Bananen, die Bananenhaine, welche sich über das
ganze land erstrecken, sind undurchdringlich und in diesem für Luft und Licht
unzugänglichen Dickicht wimmelt es von Batten. Erkranken die Ratten, so ist
eine Uebertragung auf Menschen durch die Bananen und auch durch die Haut,
erklärlich, ebenso wie durch Getreide, da in den Getreidesäcken oft verendete,
pestkranke Ratten gefunden werden. (Ref.) Die Ratten inficiren sich auch unter-
einander, wie durch Fütterung.
Kisiba sieht R. Koch nur als den Ausläufer eines Postheerdes an, dor sein
Centrum im benachbarten Uganda am Kagera-Nil hat, Kisiba liegt in einem
Winkel zwischen Kagera-Nil und Victoria-Nyanza ausser allem Verkehr. Nach
den Aussagen von Missionaren soll in Uganda seit undenklichen Zeiten die Pest
endemisch sein. Ugandas Verkehr mit der Aussenwelt wird nach Osten zu durch
die Eisenbahn nach Mombassa eröffnet, nach Norden haben jedenfalls Sclaven-
transporte die Krankheit verschleppt, so hat Emin Pascha in seiner Provinz, nach
Aussage Dr. Stuhlmann’s, Pestfälle beobachtet, und die isolirten Pestausbrüche in
Aegypten kann man sich auch nur auf solche Weise erklären.
Vortr. ist der Ansicht, dass bald auch der letzte Pestheerd gesäubert werden
könne. Nachträglich bemerkt derselbe, dass die Pestbacterien aus China und von
überallher dieselben seion. Der Einwand, dass für Afrika Beweise "durch ange-
legte Culturen fehlten, sei nicht stichhaltig, weil förmliche Reincultnren auch in
den ihm zugosandten Organen vorhanden waren, besonders bei den Ratten. Dieser
Beweis sei besser, als der durch Culturen auf künstliche Nährböden, die man
in der Wildniss nicht herstellen kann.
C. Däubler.
Icterus.
Een geval van Icterus febrills, beschrieben von Goedhnis Rail und Eykman.
Geneeskundig tijdschrift voor Ned-Indie, Deel 36 Aflevering 4. 1896.
Patient, ein eingeborener Soldat, litt an stark remittirenden Fieber, Morgens
37 — 38' C. Bluttomperatur, Mittags 40 — 40,5°, unter Chiningebrauch blieb er
in den ersten Tagen nach der Aufnahme am 1./10. 95 subfebril. Am 12./10. trat
Icterus ein. Die Herzdämpfung ging nach rechts in den gedämpften Ton des
infiltrirten mittleren Lungenlappen über. Am Mitral- und Pulmonalostium starke
systolische Geräusche, der 2. Pulmonalton verstärkt, Leber und Milz vergrössert,
Druck auf die Leber sehr schmerzhaft. Der dunkelbraune Urin enthielt viel
Eiweiss, dessen Sediment Leucocyten und granulirte Cylindor. Die Blutunter-
suchung auf Malariaplasmodien fiel negativ aus. Unter Zunahme der Herzschwäche
Collaps, am 16. Tage exitus letalis.
Resultat der Obduction (6 Stunden nach dem Tode): Hepatitis parenchymatosa
acuta cum ictero hepatogeni. Foci bronchopneumonici. Pleuritis et Pericarditis
serofibrinosa recens. Endocarditis chronica fibrosa valvulae mitralis. Dilatatio
cordis totius et degeneratio parenchymatosa. Degeneratio parenchymatosa renura.
Perisplenitis adhaesiva.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Sowohl vom Herzblut, als von Leber, Milz und Nieren wurden Agar- und
Blutserumculturen ohne Erfolg angelegt Deckglaspräparate zeigten keine Mikroben.
C. Däubler.
Over den Icterus febrilit, de acute gele leveratrophie en de acute phosphorusinto-
xlcatie door C. L. Bense. Geneeskund. tijdschrift voor N. Indie. Deel 37. Afl.
3. u. 4. 1897.
Im Anschluss an einen im grossen Militärepital zu Soerabaya beobachteten
Fall von Weil’scher Krankheit, welcher nach allen Richtungen genau analysm
wurde und durch Vergleichung mit anderen, auch in der Literatur bekannt ge-
wordenen Fallen von obengenannten drei Krankheiten in verschiedenen Klimaten.
kommt Yerf. zu folgenden Schlüssen.
Während bei der acuten Phosphorvergiftung der Tod bereits durch Läh-
mung der Herznervencentra eintreten kann, ehe die parenchymatöse Degeneration
vorgeschritten ist, muss die acute gelbe Leberatropie nur als ein Symptom der
acuten parenchymatösen Degeneration im Verlaufe des icterus catarrhalis ange-
sehen werden, welche durch Resorption eines Enzyms verursacht wurde, das sich
durch Fermentation abnormen Darminhaltes bildete.
Die Weil'sche Krankheit sei eine Infectionskrankheit, verursacht durch Pro-
teustluorescens und mit Unrecht oft für acute gelbe Leberatrophie angesehen.
Der Icterus epidemicus in Europa ist die epidemische Form von icterus
febrilis. •
In Gegenden, wo der icterus febrilis endemisch ist (Aegypten, Südamerika!,
sind die Epidemien mörderisch. Das ganze klinische Bild vom biliösen Typhoid
und tropischen Gelbfieber, und auch die Obducti onsresultate stimmten mit Wefl'-
scher Kraukheit überein. Es schiene, dass Boden und Klima und noch andere
Factoren (?) in den Tropen eine intensivere Infection verursachten. Ueber die
Art des Enzyms und dessen Darstellung schweigt Verfasser.
C. Däubler.
Parasitäre Krankheiten.
Weitere Beiträge zur pathologischen Anatomie der Bllharzia (Distoma haematobiu«.
Cobbold). 1 Tafel, Fig. 1 von Dr. St. Kartulis. Arzt am Regierungshospitsi
zu Alexandrien. (Virchows Archiv, Band 152, Heft 3.)
Nachdem der bokannte Autor über einen Fall von Epitheliom des Fasses
und Unterschenkels mit Bilharzia-Eiem behaftet berichtete, der nach Amputation
genau microscopirt wurde, wodurch in der Granulationszone des Hautepithelice»
und an der Peripherie der Epithelzapfen, Bilharziaeier nachgewiesen werden
konnten, zeigt er, dass um die Eier das Bindegewebe hypertrophirt. In dem fettig
entarteten Gewobo der Muskeln befanden sich keine Bilharziaeier. Die Frage, wie
die Eier in Fuss und Unterschenkel gelangt sind, kann Verf. nicht ohne Zuhilfe-
nahme von Untersuchungsresultaten anderer Forscher beantworten, er schliesst
sich für seinen Fall der Ansicht von Harley Brock und besondere Loos an. dass die
Parasiten direct durch die Haut übertragen werden, z. B. beim Baden. Die Stachel-
drüsen der Billiarzia finden sich in solcher Ausdehnung nirgends bei andere®
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II. Besprechungen und Litteraturangaben. 259
Trematoden-Embryonen und ihr Secret übt eine erweichende Wirkung auf die
Haut von Froschlarven aus. Dass die Parasiten entgegen dem Blutstrom von den
Unterleibsvenen in die des Unterschenkels hinabechwimmen , sei weniger wahr-
scheinlich. Verf. giebt dann noch eine Uebersicht des Vorkommens von Ge-
schwülsten bei Bilharzia, woraus besonders die Häufigkeit der Blasentumoren,
darnach der des Bectums erhellt, da fast in jedem Falle von fortgeschrittener
Bilharzia-Blasenentzündung dio Schleimhaut mit Knötchen besetzt ist, die je nach
ihrer Grösse als Papillome, Polypen und Fibrome bezeichnet werden können und
welche in ihrem Gewebe eine grosse Menge von Distomeneiern beherbergen. In
300 Biiharziafällen beobachtete Verf. 10 mal Carcinom der Blase, davon 9 primär,
eins von der Prostata ausgehendes, in deren Bindegewebsstroma die Distomeneier frei
lagen. Sarcom bei Bilharziainfection beobachtete Kartulis nur einmal. Im Rectum
verursachen die Distomeneier Blutungen, Verschwärungen und sehr häufig kleine
aus gefässreichem mit Eiern durchsetzten Bindegewebe bestehende Polypen.
Primäres Rectumcarcinom bei Distomeninfection fand Verf. nur einmal.
C. Däubler.
Rinderpest.
Berichte Ober die Fortchungsergebnitte aus Deutsch-Ostafrika von Robert Koch.
Deutsches Kolonialblatt. 8 Nummern vom 12./2. bis 1./5. 1798.
Kurz vor seiner Excursion zum Usambaragebirge entnahm R. Koch
Rinderzecken von Thieron, welche einer mit Texasfieber inficirten Herde ange-
hörten und scheinbar gesund waren. Sie wurden in ein mit Wattoverschluss
versehenes Glas gesetzt. Zecken von einem texasfieberkranken Kalbe, das am
nächsten Tage starb, wurden ebenso abgenommen und aufbowahrt. In den nächsten
Tagen legten die Zecken Eier, woraus während des 14 tägigen Transportes sich
junge Zecken entwickelten. Diese jungen Zecken wurden auf zwei gesunde, aus
dem Inneren (texasfieberfrei) stammende Rinder gesetzt, auf zwei ebensolche
Rinder setzte R. Koch die vom texasfieberkranken Kalbe stammenden Zecken.
Nur im Blut dieser letzteren fanden sich vom zweiten Tage nach dem Ansetzen
der Zecken in den Erythrocyten Exemplare von Pyrosoma bigeminum (von bim-
förmiger Gestalt). Diese beiden Rinder wurden auch nur krank, die anderen
blieben gesund und parasitenfrei. Im Blut der beiden leicht erkrankten Rinder
hielten sich die Parasiten 10 — 12 Tage. Ais diese zwei Versuchstiere, ausser
den beiden obengenannten und zwei frischen Rindern, jo mit 20 ccm defibrinirten
Blut von texasfieberkranken Thieren durch Unterhautinjection geimpft waren,
erkrankten sie nicht, hingegen die 4 anderen Thiere, deren Erkrankung sich durch
Verminderung der Fresslust, Mattigkeit, Temperatursteigerung, Muskelzittern
äusserte. Vom 5. Tage an fanden sich Pyrosomen, welche sich 10 Tage lang im
Blut zeigten. Vorher hatte R. Koch in gleicher Weise 4 frische Rinder geimpft,
■welche ebenso erkrankten.
Die Schlüsse, welche Verfasser aus diesen Versuchen zog, waren: 1. Junge
Zecken können, ohne mit kranken Thieren in Verbindung gekommen zu sein,
Texasfieber erzeugen, wenn ihre Eltern auf kranken Thieren sassen. 2. Ueber-
stehen der leichtesten Texasfieberform verleiht Immunität gegen Infection
mit erheblichen Mengen von Texasfieberblut. R. Koch will weiter prüfen, ob
Archiv f. Schiff»- u. Tropenhygiene. II. 19
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260
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
diese immunisirten Thiere auch gegen natürliche Infeetion im rerseuchten
Küstengebiet immun sind, und wie sie sich gegen Injection von Blut mit den
Jugendformen der Parasiten verhalten. C. Däubler.
Chirurgie.
Bydragen tot de Kennit van den aard der verwondingen in den toekometigen zeeoorlog
(Beiträge zur Kenntniss der Art der Verwundungen im zukünftigen Seekriege)
von Dr. J. A. Portenga. Sonderabdruck aus dem holländischen Marineblad.
18. Jaargang, 1. all.
Verfasser giebt einen Auszug aus den japanischen Statistiken über die Ver-
wundungen und Verluste im Seekriege gegen China im Jahre 1894. Unter Be-
rücksichtigung der eigenartigen Verhältnisse in jenem Kriege, wo die Japaner
keinem so heftigen Schnellfeuer ausgesetzt waren, wie sie es seihet gegen die
Chinesen unterhielten, kommt P. zu dem Schlüsse dass:
1. In den Seegefechten der Zukunft auf sehr zahlreiche und schwere Ver-
wundungen gerechnet werden muss.
2. Das Verhältniss zwischen Verwundeten und Getödteten ein sehr un-
günstiges sein wird.
8. Nach Möglichkeit alle Gegenstände, welche zu Verwundungen Ver-
anlassung geben können, weggeräumt werden müssen.
4. Eine grosse Zahl von Brandwunden zu erwarten sind.
Im Gegensatz zum Landkriege überwiegen im Seekriege die Verletzungen
des Kopfes und der oberen Gliedmassen.
Die Erfahrungen in den spanisch-amerikanischen Seeschlachten dürften diese
Ausführungen bestätigen. M.
IH Sonstige Werke.
Maiattie predominantl nei paesl caidl • tamperati, von Dr. Filippo Rho, Turin
1897, Rosenberg & Selber (Fortsetzung).
Bei „Vergiftungen durch den Genuss giftiger Fische“, Caphel XIII, muss
man unterscheiden: 1. Fische, welche nur schwer verdaulich sind z. B. wegen
öligen Fleisches, sodass Verdauungsstörungen entstehen, welche in dein Tropen
leicht den Charakter einer Vergiftung annehmen; 2. solche Fische, welche in
Folge Veränderung ihres Fleisches durch Ptomain-Bildung giftig werden-, 8. an-
dere, die durch die Zubereitung oder schlechte Conservirung schädlich wirken.
4. einige, welche in Folge Aufnahme giftiger Stoffe bei dem Menschen Giß-
wirkung hervorrufen können. (Ein Chaetodon (Borstenzähner) von Java z. B. bat
köstliches Fleisch. Sein Genuss kann aber, wenn er sich von giftigen Korallen
genährt hat, bedrohliche Erscheinungen bei Menschen nach sich ziehen.) 8. die
eigentlichen Giftfische, welche entweder dauernd oder regelmässig zu gewisse^
Zeiten giftig sind.
Manche Fische bewirken nur Urticaria, andere, wie ein Serranns (Zacke- -
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III. Sonstige Werte.
261
barsch) von den Antillen Erbrechen und Durchfälle. Das Fleisch einer japani-
schen Sardellenart, EDgranlis japonica. ist während der heissen Jahreszeit für den
Menschen gefährlich, für Katzen und Hunde stets todtbringend. Die in deu
tropischen Meeren vorkommenden Sardinenarten Dessumieria und Meletta, die
Sphyraenen (Spitzhechte) der Antillen, die Diodon- (Igelfische) und Ostiacion-
(Kofferfische) Arten haben giftiges Fleisch. Der giftigste Fisch ist wohl der Te-
tradon (Vierzähner) vom Kap der guten Hoffnung. Selbst kleine Mengen seines
Fleisches tödten bald nach dem Oenusse. Das Gift desselben hat seinen Hauptsitz in
den Genitalien und ist ein Leucomain , welches weder durch Kochen noch durch
Alkohol zerstört wird und selbst von der Haut aufgenommen noch wirksam ist.
Die spanischen Aerzte der Antillen bezeichnen den oft schwankenden Symptom-
komplex der Fischvergiftungen mit dem Namen Siguatera (richtiger Ciguatera - =
Gelbsucht nach Fischvergiftung. Ref.) Brechmittel, Magenausspülung und Reiz-
mittel sind bei Fischvergiftung je nach den Symptomen und äusseren Umständen
anzuwenden.
Hautkrankheiten (Kapitel XIV) und chronische Infektionskrankheiten mit
kutanen Manifestationen (Kapitel XV) beanspruchen nur sieben bezw. dreizehn
Seiten , weil manche Krankheiten , welche auch hierhin passten , an anderer Stelle
besprochen werden, wie z. B. Madura-Fuss (Kap. XVJ) und Ainhum (Kap. XVII).
Der Ansicht Rho’s, dass der Lichen tropicus ein Erythem sei, kann Ref.
nicht beistimmen, da das Leiden Effloreszenzen zeigt, welche Ekzemcharakter
haben, dagegen wird Verruga peruviana mit Recht von der Framboesia getrennt
und die Differentialdiagnose zwischen diesen Krankheiten und der endemischen
Beulenpest deutlich dargelegt
In Kapitel XVTH, Neurosen, konnte die Entdeckung von Cagigal und La-
pierre (siehe Band II, Heft 2 S. HO dieses Archivs) leider noch nicht berück-
sichtigt sein. Betreffs der Latah der Malaien betont Rho, dass diese oder eine
ganz ähnliche Nervenkrankheit nach Hammond auch in Sibirien unter dem Namen
Miryachit und in Nord-Amerika nach Beard unter dem Namen „jumping“ be-
obachtet worden ist, erinnert an den mittelalterlichen Veitstanz und gibt einige
von Charcot, Melotti und Capozzi herrührende Krankengeschichten aus europäi-
schen Kliniken, welche Verwandtschaft mit der Latah zeigen.
Ein guter Gedanke des Verfassers war es in Kap. XIX das Auftreten und
den Verlauf einiger in den warmen Klimaten häufigen Krankheiten zu erörtern,
welche keine Tropenkrankheiten sind.. Durch die Einreihung der Anämie in
dieses Kapitel kennzeichnet Rho seinen Standpunkt. R. bespricht nicht die „tro-
pische1* Anämie, sondern die Anämie, wie dieselbe durch die sonstigen Tropen-
krankheiten begünstigt wird. Einen grösseren Einfluss räumt er den rein physi-
kalisch-klimatischen Verhältnissen auf die Entstehung der Dyspepsie in warmen
Ländern ein, welche man als gastrische, intestinale oder hepatische Form beob-
achten kann. Magenkrankheiten sind in warmen Ländern von grösster Bedeu-
tung, sei es, dass dieselbe als gestörter Chemismus oder als Atonie des Magens
auftreten. In beiden Formen sind sie auch bei den Eingebornen häufig. Das-
selbe gilt von der intestinalen Dyspepsie, welche meistens durch die dritte Form,
die hepatische Dyspepsie, bedingt wird. Diese wichtige Krankheit beruht auf
Störungen der Leberthätigkeit. Die Gallenabsonderung ist vermindert und es
entstehen abnorme Gährungsvorgänge im Darme. Die Gallenbestandtheile werden
dagegen im Blut zurückgehalten und die Zersetzung der Eiweisstoffe bleibt un-
19*
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262
III. Sonstige Werke.
vollkommen. Stickstoffreiche Nahrung begünstigt das Auftreten der hepatische!!
Dyspepsie (deren scharfe Abgrenzung von dem Anfangsstudium des Hepatitis wohl
unmöglich ist, Ref.) während die Kohlenhydrate trotz der verminderten Gallen-
absonderung oxydirbar sind und nur durch Erzeugung primärer Magenkat&rrh«
schädlich wirken können. Behandlung und Verhütung decken sich vielfach.
Gleichgewicht zwischen stickstoffhaltiger und stickstofffreier Nahrung, Vermeidung
von Alkoholexcessen , körperliche Bewegung, alkalische Wasser sind empfehlen*-
werth. Die medikamentöse Behandlung muss nach den Symptomen verschieden
sein.
Die Diarrhöe tritt in wannen ländern in mannigfaltigen Formen und Be-
ziehungen auf. Man kennt praemonitorische Diarrhöen bei Cholera und Dysenterie,
symptomatische Durchfalle bei Organerkrankungen besonders bei Leberentzüs-
dungen, diarrhöische Verdauungsstörungen nach Genuss von ungeeigneten oder
leicht gährenden Nahrungsmitteln oder schlechtem Wasser, Diarrhöen, weh he
durch atmosphärische Einflüsse, besonders durch Schwankungen der Luftfeuch-
tigkeit bedingt sind. Besonders bemerkenswerth ist aber die specifische endemische
Diarrhöe der heissen Länder, deren Trennung von der chronischen Dysenterie
zuerst von den französischen Aerzten in Cochinchina versucht wurde, und welch«
auch als Aphthae tropicae bezeichnet wird.
Von den exanthematischen Fiebern haben die Pocken ihre schlimmsten Bnr-
stätten in Indien, Centralafrika und im tropischen Amerika. Die Masern dagegen
haben unter allen Breitengraden denselben Verlauf. Wenn auf einzelnen ln«e!«
z. B. Fidschi die erste Epidemie der neu eingeschleppten Krankheit einen heben
Procentsatz der Bevölkerung dahinraffte, so ist die Ursache der hohen Sterblich-
keit weniger im bösartigen Charakter der Krankheit zu suchen als in dem Um-
stande, dass die erschrockene Bevölkerung die Kranken entweder sich selbst
überliess oder doch in ungeeigneter Weise pflegte und behandelte. Die euro-
päischen Missionen hatten unter den von ihnen behandelten eingebornen Kranken
nur die Durchschnittsmortalität. Scharlach tritt im Allgemeinen in den Tropa:
milder und seltener als im kälteren Klima auf. Immerhin sind im tropisch«
Südamerika einige schwere Epidemien beobachtet worden. (Fortsetzung folgt!
U.
lustu* Perthes' Deutscher Marine-Atlas, bearbeitet von Paul Langhans mit Begieit-
worten von Kapitänlieutenant a. D. Brnno Weyer. Gotha, Jnstus Pertfc«.
1898. Preis 1 Mk.
Der preiswerthe Kleine Atlas enthält fünf übersichtliche Karten:
1. Die Deutsche Kriegsmarine im Anslande, auf welcher die heimisch«
und aussereuropäischen Stationen veranschaulicht werden.
2. Die Deutsche Küsto (westlicher Theil).
3. Die Deutsche Küste (östlicher Theil) mit Angaben über die Küstae-
befestigungen, Kü-stenbezirke, Brandschatzungen und Bombardements *st-
gesetzten Küstenplätze, Flaggen- und Signaleinrichtungen.
4. Die Deutschen Schutzgebiete.
5. Das Deutsche Reich in Ostasien (Darstellung des Kiautschou-Gebiets, dar
Consulate und Dampferlinien).
Der begleitende Text erleichtert das Studium der Karten und gedenkt der bb-
herigen Thätigkeit der Deutschen Flotte und des neuen Flottengesetzes.
M
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Anzeigen.
Preia für die gespaltene Zeile SO Pfg. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.
Die Behandlung der Diphtherie.
mit dem Natrium sozojodolicum1’ hat folgende Vorzüge:
1. Die Art der Application dieses Mittels ist sowohl für den Arzt, dio Fa-
milie, wie auch für die kleinen Patienten die relativ angenehmste, die niemals
an dem Widerstande der letzteren seheitert.
2. Nach 1 — 2inaliger Anwendung sinkt das Fieber rasch, der Foetor ex ore
verschwindet, die Membranen lockern sich allmählich und stossen sich innerhalb
24 bis 48 Stunden ab, worauf die Geschwürsfläche bereits vollkommen geheilt
erscheint.
3. Die Mortall tätszahl Ist die denkbar niedrigste, sie erreicht noeh
nicht 10 Vo-
4. Das Natrium sozojodolic. tödtet nicht nur den Löffler’schen Bacillus schnell
und sicher, sondern auch die, diesen fast stets begleitenden Streptococcen,
Staphylococcen etc.*)
5. Selbst der Aermste ist in der Lage, die Behandlungsmethode durchzuführen,
weil nur ein kleines Quantum des an und für sich billigen Medicamentes zur
Verwendung kommt.
6. Selbst wenn das Pulver nicht direct auf die erkrankten Stellen gebracht
wird, gelangt es doch in Folge der Kan- und Schlingbewegungen auf diese, bleibt
dort längere Zeit haften und löst sich im Speichel allmählich, wodurch es in die
Lakunen der Tonsillen dringt und die pathogenen Stoffe zerstört Dadurch wird
eine längere Zeit anhaltende Desinfection zu Stande gebracht, was bei Pinselungen
nicht der Fall ist
7. Das Natrium sozojodolic. ist absolut ungiftig und kann in Mengen von
8 g und darüber pro die dem Organismus einverleibt werden, ohne dass unan-
genehme Nebenwirkungen sich zeigen.
Behandlungsmethode: Man blase vermittels eines Zerstäubers oder eines
langen Papierrohres 4stündlich in die Mund- resp. Nasenhöhle ein:
Bei Kindern unter
3 Jahren:
Kp. : Nitril lozojodolic. pulv.
•bt. 2 g.
Flor, «olfur. 6 g.
D8. Zum Einbluen.
Bei Kindern unter
5 Jahren:
Bei Erwachsenen;
Rp. : Natrli sozojodolic. palv.
•bt. Flor, snlfur. »
2 R-
DS. Zam Einbläsern ||
Rp.:
Natrli sozojodolic. palv.
sbt. 6 g.
D8. Zam Einbissen.
i) Conf. Prof. Dr. Setter , Monatsschrift für Ohrenheilkunde, sowie für Kehlkopf- , Nasen-,
Rachenkrankhel teu. No. 3, 1896.
K Prof. A. Fasane, Archivio internazlonale dl Medlcina e Chirurgla, No. 12, 1897.
„ Dr. Schwarz. Internat, klln. Randschau, No. 21, 1892.
„ Dr. Dräer, Deutsche med. Wochenschrift, No. 27 and 28, 1894.
„ Dr. Maximilian Bresgen, Krankheit*- and Behandlungalehre der Nasen-, Mond-,
Rachenhöhle etc., 2. Aufl., pag., 161.
* Dr. Schwarz, Wiener klin. Wochenschrift, No. 43, 1895.
k) Oonf. Prof. Dr. Langgaard, Therapeut. Monatshefte, Septemberheft, 1888.
„ Prof. A. Fasano, Archivio interaazionale di Medlcina e Chirurgla, No. 12, 1897.
„ Dr. A. Lübbert, Fortschritte der Medicin No. 22 und 23, 1889.
„ Dr. Dräer, Centralblatt für Bacterlologie and Parasitenkunde. Band XIV,
No. 7, 1893.
„ Dr. Spirlg, Zeitschrift für Hygiene und Infectionakrankheiten. Band XIII,
Heft 1, 1893.
„ Dr. Dräer, Deutsche med. Wochenschrift, No. 27 and 28, 1894.
„ Dr. L. Sallnger , Assist. • Arzt , Arbeiten a. d. Ambulatorium und der Privatklinik
für Ohren-, Nasen- und Halsleiden von Professor Dr. Stetter, Königsberg,
Heft H, 1895.
Broschüren und Krankengeschichten gratis nnd franco von
H. Trommsdorff, Chemische Fabrik, Erfurt.
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s<hUu- ,Tabloid h-,v'
Hand- und Taschenapotheken
mit comprimirten ,Tabloid‘-Medicamenten ausgeruestet, sind die
compacteste und bestmoeglichste medicinische Ausruestung fuer
den Arzt. Wir halten eine grosse Auswahl von solchen ,Tabloid -
Apotheken auf Lager und koennen dieselben nach Belieben aus-
gestattet werden. .Tabloid'- Apotheken wurden in den Feldzuegen
von Chitral, Aschanti, Soudan und waehrend des tuerkisch-
griechischen Krieges benutzt. Stanley, Nansen, Jackson und die
kuerzlich stattgehabten hauptsaechlichsten Expeditionen wurden
mit denselben ausgeruestet. Es wurde gefunden, dass die .Tabloid-
Medicamente noch nach dreijaehrigem Reisen in den tropischen
Zonen ihre therapeutische Wirkung beibehalten hatten. Die oben
illustrirte Hand-Apotheke (Modell K) ist vollstaendig ausgeruestet
mit ,Tabloid‘-Medicamenten, Pravazspritze etc.
Von Mk. 160 an.
BURROUGHS WELLCOME & CO., London.
Fner fernere Ansknnli, ll!a:tnti<meo etc. «ende man sieh netint an
P , Linkenheil & Co., Berlin W., Genthinerstr. 19.
Dr. Ernst Sandoir's
künstliche Mineralwasser- Salze
Rationeller Ersatz der versendeten natürlichen Mineralwässer.
Beit 1880 in den Arzneischatz eingefübrt.
Sie mscben keine Schwierigkeiten beim Transport und der Aufbewahrung, eignen sich des-
halb sowohl für den Hausgebrauch, als auch für die Reise und für den Versand in ferne Gegenden.
Die Sandowschen Mineral* aasersalze
gewähren bis über 20C0 pCt Ersparnis.
Trinkkuren hierdurch auch für Un-
bemittelte möglich.
Ea kostet z. B. eine 3- bis 4-wöchentl. Kur mit künstl. Emser oder Carlsbader Salz nur 75 Pf.
resp. 1 Mk. gegen 18 bis 25 Mk. mit versend, natürl. Wasser.
Verzeichniss der dargestellten Mineralwassersalze In Gl&sern mit Maassglas zur Abmessung
einer Dosis (Trinkglas).
Name der Quelle,
deren Analyse der
Darstellung zu Grunde
gelegt ist.
N
*3 a •
oo £ »
shi
o II £
V«
Name der Quelle,
deren Analyse der
Darstellung zu Grunde
gelegt ist.
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00 I M
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2.^-Z
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Name der Quelle,
deren Analyse der
Darstellung zu Grunde
gelegt ist.
M
•a o-i
nt
O || H
Assmannshäuaer ....
450
Kissinger (Rakoczy) . .
100
Sslzbrun. (Kronenq.) . .
200
Baden-Badener . . . .
200
Krankenheiler . . . .
750
Salzschlirfer
75
Biliner (Joeepbq.) . . .
100
Kreuznacher (Elisen-Q.)
60
Sedlitzer
25
Carlsbader (Sprudel) . .
100
Marienbader
10C
Sodener (Milchbr.) . .
150
Ef?er (Balsq.)
100
Mergentheimer . . . .
25
. (Warmbr.) . .
120
Elster (Salzq.) . . . .
100
Neuenahrer (8pr.) . . .
200
„ (Soolbr.) . . .
40
Emser (Kränchen, Kessel-
ufener (Hunyadi Janoa)
15*
Taraaper (Luclusq.) . .
50
brunnen, Victoriaq.)
150
Offenbacher
120
Vichy (gr. grille) . . .
100
Fachlnger
100
PüUnaer
20#
Weilbachcr (Natr.-Lith.)
150
Friedrichshaller ....
25
Pyrmonter (Salzq.) . .
100
Wiesbadener (Kocbbrun.)
100
Haller Jodquelle (Taaailo-
Radeiner
100
Wildunger (Georg-Victor-
quelle)
50*
Saidschützer
25*
qnelle)
300
Heilbr. (Adelbeidq.) . .
100
Sslvatorq. (Eperies) . .
150
Wildunger (Helenenq.) .
120
Homburger Elisabeth-Q.
60
Salzbrun. (Oberbr.) . .
150
• Reep, doppelte Anzahl Weingläser.
In loser Form werden die Mineral wasseraalze nicht abgegeben.
I>r. Ernst Sandow’s
medizinische Brausesalze.
Diese Präparate haben folgende Vorzüge:
Man erreicht die Heilwirkung, welche man für vielo Fälle mit sogenannten Trinkkuren
beabsichtigt : z. B. durch die Eisen-, Kalk- und Lithiumpräparate, Jodsalz, Selterssalz u. a.
Die Medikamente werden dem Patienten in angenehm schmeckender und leicht zu neh-
mender Form geboten.
Die bei der Löaung im Wasser sich entwickelnde Kohlensäure wirkt erfrischend und an-
regend auf die Magenschleimhaut und unterstützt, ebenso wie das begleitende Natrium- oder
Alkalicitrat (die Brausemischung) die Wirkung.
Die pflanzensauren Alkalien, speziell die citronensauren, sollen bei längerem Gebrauch
und in Fällen, wo ea sich darum handelt, dem Blute grössere Mengen kohlensauren Alkalis
zuzuführen, besser vertragen werden, als die kohlensauren (n. Btadelmann-Dorpat: Ueber
den Einfluss der Alkalien auf den menschlichen Stoffwechsel.)
Gebrauchsanweisung: Man füllt ein Trinkglaa (ca. 200 Cbc.) zu */8 mit Wasser, schüttet
das mit dem Maassglas oder einem Löffel abgemessene Brausesalz hinein, rührt schnell mit
einem Löffel etwas um und trinkt die Lösung während der Kohlensäure -Entwickelung aus.
Einem Weinglase entspricht 1/| Maassglas.
Verzeichnis der Braueesalze in Gläsern mit Maatsglas zur Abmessung einer Dosia.
F. Dos.
F. Dos.
F. Dos.
Trink gl.
Trinkgl.
Trinkgl.
Br. Alkalicitrat (für Dia-
Br. Eisencarbonat . . .
80
Br. Jod-Lithiumsalz .
50
betlker)
80
Eiaencitrat . . . .
30
a Lysidinsaiz . . .
20
Bromaals
15
75
Eisen-Manganaalz . .
Eisen-Pyrophosphat .
30
30
• Magnesiumoltrat .
.
löffel-
weise
Brom-Eisensalz . . .
15
Jodsalz 6pCt. schwach
80
. , mit Eisen
30
Calclumphospholactat
30
, 15 pCt. stark.
30
, Natrlumsalicylat
20
Calclumphoepholactat
Karlsbader Salz . .
35
. Piperazinsalz . .
20
mit Eisen
30
Litbiumbenzoat . .
50
a Wismuthsalz . . .
20
Chinin-Eisencitrat . .
so
Lithiumcarbonat . .
50
Rhabarber-Brausesalz
20
Coffeinsalz
Brom- Coffeinsalz . .
20
20
Lithiumcitrat . . .
Lithlumsalicylat . .
50
50
Selters • Erfrlschungssalz
löffel-
weise
„ . . | tu | a . . | «/V | I w«»-
Auch die oben verz. Mineralw.-Salze werden in Bransesalzform angefertigt, pr. Gl. Mk. 1,20.
Die Ban4ow*echeii Salze sind zu beziehen durch die Apotheken, sowie direkt von der
Fabrik. Prospekte gratis von der Fabrik.
Chemische Fabrik von Pr. Ernst Sandow- Ham bürg.
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Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig.
Soeben erehien und sei bestens empfohlen:
Lieber das Pathologische
bei
GOETHE
• von
Dr. P. J. Möbius,
Nerremrit io Le lpiig.
broschirt M. 2.40, gebunden M. 3.20.
Goethekenner, Goetheforscher, Goethefreunde, die ganze grosse
Goethegemeinde, sie alle werden überrascht sein von diesem Buche.
Für sie Lst es ein Ereigniss. Also auch Goethe, dessen classische Ruhe
nicht zum wenigsten ihm den Namen Olympier eingetragen, auch er ein
Kranker? Nun so schlimm ist's nicht. Aber es ist wohl das erste Mai
dass er von einem Mediciner ausschliesslich wissenschaftlich pathologisch
aufs Korn genommen wird. Der Verfasser prüft, nachdem er einen er-
läuternden Abriss des Wesens der Psychiatrie vorausgeschickt und Goethes
Verhältniss zu dieser und der Pathologie überhaupt eingehend beleuchtet
hat, die Figuren Goethes auf ihre pathologisch richtige Zeichnung hin.
Schliesslich kommt Goethe selbst an die Reihe. Ihm und dessen Familie
widmet er die grössere Hälfte des 208 Seiten umfassenden Buches. Da>
Pathologische in Goethe selbst aber zu besprechen nennt der Verfasser
die schwierigste Aufgabe. Sie ist ihm aber gelungen. Bei der ihm eigenen
flüssigen Sprache ist er so klar, leichtverständlich und überzeugend, dass
dem Leser gar keine Ahnung kommt von der »Schwierigkeit der Auf-
gabe, die ein sehr exactes Quellenstudium erfordert hat. Das hoch-
interessante Werk schliesst mit der empfindsamen Betrachtung: .Mac
sagt , dass die Familien wie die Einzelnen eine bestimmte Lebensdauer
haben. Der Stamm Goethes ist verdorrt; seine Familie trieb in ihm
eine köstliche Blüthe und strömte damit ihre Kraft aus. Nach ihm aber
folgten nur noch lebensschwache Triebe. Der Genius erscheint auf der
Erde nicht, um die Zahl der Menschen zu vermehren; seine Werke sind
seine unsterblichen Kinder.*
Digitized by Google
nach Dr. P. G. Unna
schreibt das Archiv für Schiffs- und Tropen -Hygiene auf Seite 855 des
Jahrgangs 1897:
„Um die Haltbarkeit der oiedlcamentöaen Pflaater su prüfen, hatten wir lm
Februar und März d. J. an verschiedene Aerzte in den Tropen in Blechbüchsen ver*
packte Pflaatermulle der Firma P. Beiersdorf k Co. in Hamburg versandt and am
Bericht über die Brauchbarkeit derselben sowie Rücksendung eines Probestückchens
gebeten. Zwei Antworten sind jetzt, Mitte August, eingegangen, nämlich von den
Herren Dr. Glogner in Samarang (Java) and Dr. Klee in Pita* (Britisch-Nord-Borneo).
Beide Herren haben besonders das Collemplastrum Hydrargyri carbolisatum und daa
Collemplastrum chrysarobini, ersterea gegen Furunkulose, letzteres gegen parsaltäre
und seborrhoische Ekzeme und dergl verwandt und sprechen sich über die Kleb-
fähigkeit, Haltbarkeit und Wirkung dieser Pflastermulle sehr befriedigt aus. Die
Probestücke sind im Juni bezw. Juli einfach ln Papier geschlagen durch Brief nach
Deutschland zurückgeaandt, haben aber auch diese ungünstigen Transportbedingungen
ohne Einbusse ihrer Eigenschaften ertragen, wie Referent ln praktischer Anwendung
an Kranken fest« teilen konnte.“
Zur Verhütung von Erkrankungen der Zähne und dos Mundes eignet
sich in den Tropen in hervorragendem Maasse
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Soeben erschien:
Mytekiiiiiiii duodenale.
Ueber seine geographische Verbreitung und
seine Bedeutung für die Pathologie
von
Dr. W. Zinn und Dr. Martin Jacoby
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1898.
No. 5.
Archiv
für
Schiffs- und Tropen-Hygiene.
Band 2.
I. Originalabliandl ungen.
Malaria in der Hauptstadt Mexiko
von Dr. Friedrich Semeleder, Cordova, Staat Veracruz, Mexiko.
Im ersten Hefte dieser Zeitschrift, 1898, in einem werthvollen
Aufsatz von J. H. F. Kohlbrugge, „Malaria und Höhenklima in den
Tropen“, auf Seite 13 in einer Fussnote finde ich:
„Oefter las ich die Behauptung, in Mexiko ist Malaria unbe-
kannt, weil die Stadt so hoch liegt“, u. s. w.
Es ist aber ganz und gar unrichtig, dass in Mexiko die
Malaria unbekannt ist; im Gegentheile ist sie ziemlich häufig. Da-
rüber, dass und warum es so ist, wünsche ich mit Ilirer gütigen Er-
laubnis» Einiges zu sagen.
Als ich vor dreissig Jahren begann in der Hauptstadt Mexiko
zu prakticiren, war Wechselfieber allerdings selten, aber es kam doch
vor. Gegen Ende der trockenen Zeit, also im März und April, sah
ich jedes Jahr 4 — 5 Fälle von Wechselfieber, allerdings ganz leichte.
Seither hat aber das Wechselfieber in Mexiko stetig zugenommen,
und in den letzten Jahren kamen mir jedes Jahr 25 — 30 Fälle in
Behandlung; ja sogar wirkliche Perniciosa kommt vor, wenn auch
bei weitem nicht so häufig als man annimmt. Denn als das Vor-
kommen der Perniciosa einmal festgestellt war, wurde so mancher
Fall, der ohne Diagnose geblieben war, für Perniciosa erklärt. Ich
erinnere z. B. an zwei Fälle von Kindbettfieber, die für Perniciosa
angesprochen wurden.
Wir haben in Mexiko alle Bedingungen, die Kohlbrugge auf-
stellt, als erforderlich zur Entwickelung der Malaria: einen über-
schwemmten und versumpften Boden, wo sich die Plasmodien ent-
wickeln können (zu Ende der Regenzeit), Austrocknung der ober-
flächlichen Schichten, wodurch die Plasmodien beweglich werden
Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. XL 20
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264
Dr. Friedrich Semeleder.
(zu Ende der trockenen Zeit), und Luftströmungen, die den Stank
und die Plasmodien auf geringe Entfernungen (einige Kilometer) za
tragen haben.
Es ist gewiss sonderbar zu lesen, dass eine Stadt lieber-
schwemmungen ausgesetzt und von Sümpfen umgeben ist, (fe
2282 Meter über dem Meere liegt (Toluca, die Hauptstadt de-
Staates Mexiko, im Thale von Toluca, westlich von Mexiko, 64 Kilo-
meter, liegt sogar 2680 Meter hoch, wird ebenfalls überschwemmt nnd
hat auch Malaria).
Die Lösung des Räthsels wird sich leicht finden, wenn wir anf
die Topographie Mexikos zu sprechen kommen.
Als ich in’s Land kam und den grosseu Wassermangel auf der
Hochebene bemerkte, frag ich, warum man keine Windmühlen auf-
setzte, um Wasser aus der Tiefe zu heben, wo es sich ja über»!!
findet. Man antwortete mir, der Wind wäre nicht stark und nick
anhaltend genug. Jetzt gibt es aber doch Windmühlen, die Waser
pumpen. Wahrend der Trockenzeit kann man auf dem Tafelland'
oft Staubsäulen sehen und zuweilen mehrere auf einmal, die über
die Fläche ziehen, bis sie endlich platzen und sich auflösen. Wem
es also auch richtig ist, dass Mexiko kein sehr windiges Klima hat, st
giebt es doch fast immer etwas Bewegung in der Luft und zuweilen
förmliche Wirbelwinde und zwar gerade in der trockenen Zeit Ifc
herrschende Windrichtung ist von Norden und Nordosten, wo ja eben
jene Wasserflächen liegen, die im Winter austrocknen, und die
Malaria in der Hauptstadt Mexiko zunächst heimgesuchten Stadttheik
sind die im Norden und im Osten.
Was nun die Ueberschwemmungen betrifft, so sei bemerk;
dass die Hauptstadt Mexiko in einem weiten Thale liegt
mehr als 2000 Quadratkilometer Grundfläche, rings umgeben n»
Bergketten, von denen einzelne Spitzen eine beträchtliche Höht
erreichen, z. B. der Popocatepetl 5423 Meter, der Iztaccibuat.
4900 und der Ajusco 4153 Meter über der Meeresfläche. Kein
Fluss durchbricht diese Wälle, und die Hauptstadt nimmt nahezu &
tiefste Stelle ein. Die Flüsse des Thaies sind theilweise künstks
eingedämmte Wasserläufe.
In diesem Thale finden wir sechs Seen: die von Chalco ob!
Xochimilco im Südosten, die süsses Wasser haben und nur durct
einen Damm getrennt und durch eine Schleuse verbunden sißd-
Ihre mittlere Wasserhöhe ist 1,17 und 1,2 Meter über dem Boden der
Stadt. Im Osten liegt der See von Texcoco, der grösste von allen.
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Malaria in der Hauptstadt Mexiko.
265
mit stark salpeterhaltigem Wasser, im Mittel 1,9 m uuter der Boden-
fläche der Stadt; und im Norden San Christobal (1,6 m), Xaltocan
(1,56) und Zumpango (4,15) über der Thalsohle. Die Seen von
Xochimilco berühren sich beinahe, sie sind ebenfalls durch einen
Damm getrennt und durch Canäle und Schleussen verbunden. Vom
Xochimilcosee führt ein schiffbarer Canal nach der Stadt Mexiko
und durch deren östlichen Theil nach dem See von Texcoco. Dieser
letzte Theil des Canals führt dem Texcocosee seit 300 Jahren allen
Unrath der Stadt zu.
Nur die beiden ersten, Chalco und Xochimilco, haben so ziem-
lich bestimmte Grenzen, die anderen breiten sich bei starken Regen-
güssen weit aus und überschwemmen das anliegende Land in grosser
Ausdehnung.
Der See von San Christobal bestand zur Zeit der Eroberung
noch nicht; erst im Jahre 1604 unter dem Yicekönig Marquez de
Montesclaros wurde dort ein Damm gebaut, um die von Norden an-
stürmenden Wasser aufzuhalten, damit sie nicht den See von Texcoco
höher schwellen machten und die Stadt Mexiko überschwemmten.
Die gesammte Wasserfläche der Seen beträgt im Mittel etwa
400 Quadratkilometer.
Es finden sich also alle Verhältnisse gegeben, damit die Stadt
Mexiko überschwemmt werde, wenn starke Regengüsse eintreten, oder,
wie Humboldt es erwähnte, die Vulkane um Mexiko, der Popoca-
tepetl und der Iztaccihuatl, beide die Grenzen des ewigen Schnees
überragend, wieder thätig und die grossen Schnee- und Eismengen,
die sie tragen, binnen kurzer Zeit schmelzen würden.
In der That ist der Fall oft genug eingetreten, dass die Haupt-
stadt für kürzere oder längere Zeit unter Wasser gesetzt wird.
Wenn so ein tropischer Regenguss eine ganze Nacht liindurch
dauert, wird ein grosser Theil der heutigen Stadt Mexiko über-
schwemmt, da die Wasser nicht schnell genug nach dem Texcocosee
abfliessen können. Vor einigen Jahren hat man daher im Osten
der Stadt mächtige Dampfpumpen aufgestellt, welche die Wasser-
mengen binnen einigen Stunden bewältigen und nach dem See von
Texcoco werfen. Als ich in’s Land kam (1864) war eine so schwere
Regenzeit, dass noch im Mai 1865 in vielen Strassen der Stadt
Wasser stand, und man nur auf Stegen verkehren konnte. Und was
war das für Wasser, schmutzig, stinkend und von dicken Schichten
grüner Vegetation bedeckt!
20*
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266
Dr. Friedrich Semeieder.
Im Jahre 1446 nach der Rechnung Clavigero ’s, als Moteuczoma*)
llhuicamina regierte, war die Stadt überschwemmt; ebenso 1498, als
Ahuitzotl herrschte; dann 1553 unter dem Vicekönig Don Luis Ye-
lasco II., dann 1580 und 1604, ferner 1607 und 1629. Seit jener
Zeit haben die Spanier grosse und kostspielige Bauten unternommen,
um die Ueberschwemmungsgefahr abzuwenden; Canäle und Dämme
wurden gebaut. Es wurde sogar ein Wasserbaumeister, Adrian Boot,
aus Holland berufen. An eine gründliche Abhülfe war nicht zu
denken wegen der grossen Kosten und der technischen Schwierig-
keiten, die zu bewältigen damals nicht möglich war.
Man beschloss also im Norden des Thaies, wo sich eine Ein-
senkung befindet, einen Stollen zu graben und dnrch denselben
einen der grösseren Flüsse abzuleiten, der sich bis dahin in den
See von Zumpango ergossen hatte. Im November 1607 begann die
Arbeit und im Mai 1608 war der Stollen in einer Länge von 8279
Metern fertig, 3,4 m hoch und 4,2 m breit am Boden; dazu kam
ein offenes Gerinne vom Zumpangosee zum Stollen in einer Länge
von 1592 m. 471000 Indier sollen daran gearbeitet haben und die
Kosten betrugen 3$ 73600 Gold; viele Indier sollen dabei um 's Leben
gekommen sein.
Bei der grossen Fluth von 1629 erwies sich der Stollen als
ungenügend, da er stellenweise verschlämmt war, und man beschloss,
denselben in einen offenen Canal zu verwandeln. Diese Arbeit ging
sehr langsam und wurde erst 1789 vollendet. Dies ist der berühmte
Tajo (Graben) von Nochistongo, durch welchen der Fluss von
Cuautitlan in den Fluss von Tula stürzt und dort einen Wasser-
fall bildet.
Wiederholt wurden Verbesserungen und neue Arbeiten geplant,
wie wiederholt Geld dafür zusammengelegt. Unter Maximilian
bildete man wieder einen besonderen Fonds. Aber jedesmal kam
etwas dazwischen. Das Land lebte seit der Unabhängigkeit von der
Hand in den Mund, und wenn das Geld knapp wurde, griff man
auch den Entwässerungsfonds an. Es war Porfirio Diaz, dem gegen-
wärtigen Präsidenten, Vorbehalten, dem Lande dauernden Frieden
und Beständigkeit zu geben. Da nahm die Stadt Mexiko die Sache
in die Hand; vom Osten der Stadt, wo der Canal von Xochimilco
(Viga) die Stadt verlässt, um nach dem Texcocosee sich zu wenden,
*) Verfasser folgt bei den Eigennamen der aztekisclien Schreibweise, inm.
d. Red.
Malaria in der Hauptstadt Mexiku.
267
soll ein grosser Canal nach Norden fuhren. Derselbe ist an seinem
nördlichen Ende 20 m tief und fuhrt die Wasser dort in einen ge-
mauerten Stollen von 10 Kilometer Länge. Die Mittel der Stadt
erwiesen sich als ungenügend; man machte in England ein grosses
Anlehen, die Bundesregierung steuert jährlich eine bedeutende Summe
bei und eine englische Firma, Pearson and Son, übernahm die
Arbeit und führte sie so weit, dass man der gänzlichen Vollendung
jeden Tag entgegen sehen kann.
Daran schliesst sich eine neue Canalisirung der Stadt.
Die nächste Folge ist schon jetzt, dass die beiden höchst ge-
legenen Seen gänzlich und dauernd austrockneten, aber auch die
Bruunen der benachbarten Ortschaften versiegten. Eine weitere
Folge wird sein, dass ein grosser Theil des Thalbodens des Texcocosees
trockengelegt wird, was eine grossartige Entwickelung von Malaria
mit sich bringen muss, die wahrscheinlich durch Jahre dauern wird.
Eine Abhülfe wird darin bestehen, dass die oberflächlichen Schichten
fiir immer trockengelegt werden und nach und nach unter Cultur
kommen.
Wir sind oft in grösster Verlegenheit, wohin wir unsere Malaria-
kranken schicken sollen, denn in den tief gelegenen und heissen
Theilen des Landes ist die Malaria erst recht zu Hause, und auf der
Hochebene ist der exanthematische Typhus endemisch.
Es wird nach der völligen Entwässerung des Thaies von Mexiko
auch noch ein anderes wichtiges Ergebniss eintreten. Wo immer
man in der Stadt einen halben Meter tief gräbt, trifft man Wasser
und oft rieselnde klare Quellen. Die verschiedentlich dicke Schicht
von Schlamm und Sumpf ruht auf einer Lage undurchgängigen
Mergels. Man hat es oft nicht nöthig gefunden, auf Pfählen oder
Rosten zu bauen, sondern macht einfach einen Graben, schöpft das
Wasser aus, wirft Steine hinein und baut dann munter darauf los
in die Höhe. In Mexiko geschieht, was in allen alten Städten vor sich
geht: der Boden erhöht sich fortwährend, theils auf natürliche, theils
absichtlich durch künstliche Anschüttung. Ganze Stockwerke alter
Häuser sind vergraben worden, und man geht jetzt ein und aus, wo
früher der Halbstock war. Anderseits sind viele alte und schwere
Gebäude theilweise in den Sumpf versunken, und es ist mit Grund an-
zunehmen, dass, wenn einmal der Boden w irklich entwässert sein wird,
vielfache Beschädigungen an den Gebäuden sich einstellen werden.
Wie sehr man sonst rief nach Entwässerung, so sehr bekommt
man jetzt Angst davor.
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268
Dr. Friedrich Semeledej.
Es möge noch bemerkt werden, dass die Versorgung der Stad:
mit Trinkwasser, bei dem fortschreitenden Wachsthum und der zu-
nehmenden Entwaldung, immer ungenügender wird, dass aber das
Thal noch zahlreiche und ergiebige Quellen des besten Wassers hat
die man nutzbar machen kann und wird. Auch besitzt die Stadt
und Umgebung hunderte artesischer1 Brunnen, die fast ausnahmsl^
gutes and reichliches Trinkwasser geben, einige davon enthalt»
allerdings etwas Schwefelwasserstoff.
Eine andere Frage ist oft aufgeworfen worden. Warum er-
baute Cortez die Stadt Mexiko (Tenoxtitlan hiess sie damals) nach-
dem er sie erobert und zerstört hatte, als die Hauptstadt des neues
Reiches von Neu-Spanien an derselben Stelle und nicht auf den
umgebenden Hügeln?
Cortez selbst giebt Antwort darauf in einem seiner merkwürdiges
Briefe (Berichte) an Kaiser Karl V.: weil die Mexikaner gewohnt
waren, von diesem Orte beherrscht zu werden, und er ihnen auch
zeigen wollte, was die neuen Herren daraus machen konnten. Auch
ist sehr zu bemerken, dass Tenoxtitlan nicht in einem Sumpfe lag.
sondern in einem grossen See, der wohl dreimal grösser war als die
Oberfläche der Seen heute ist. Es giebt in der Sadt Mexiko manche
Strassen, die Namen von Brücken führen, die sich früher dort be-
fanden; manche Strassen von heute waren vor hundert Jahren noeh
schiffbare Canäle, die nach und nach ausgefüllt wurden.
Zur Calomelbehandlung der Dysenterie.
Nachträgliche Bemerkung zu der Arbeit: Die Dysenterie in Karnerum rac
Dr. A. Plehn, Kaiserlicher Regierungsarzt.
In Heft 3 dieses Jahrgangs des Archivs für Schiffs- und Tropen-
hygiene theilte ich meine Beobachtungen über die Calomelbehandlung
der Dysenterie mit. Die inzwischen angestellten weiteren Versuche
welche darauf hinzielten, die empfohlenen Calomelgaben von 0.05 g
durch solche von 0,03 g zu ersetzen, haben durchaus die gleichen
günstigen Resultate ergeben, ohne dass Stomatitis als unangenehme
Nebenwirkung in bemerkenswerthen Grade aufgetreten wäre. Ihe
Dosierung zu 0,05 g wird jetzt nun mehr bei Schwarzen angewandt.
A. Plehn.
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Hygienisches und Sanitäres aus Habana
von
I)r. Reinhold Rüge, Marine-Stabsarzt.
Habana ist zur Zeit eine Stadt von etwa 200000 Einw. Die
Strassen in den guten Stadttheilen sind regelmässig angelegt und
schneiden sich im rechten Winkel. Doch sind die Strassen so eng,
dass sich zwei W'agen nur mit Mühe ausweichen können. Ueber
die Strassen hinweg können zum Schutz gegen die Sonne grosse
Leinwandsegel gezogen werden. Die Häuser sind in der inneren
Stadt alle aus Stein gebaut und zeigen meist den für spanische
Häuser characteristischen viereckigen Hof.
Die Reinlichkeit in den Strassen ist massig, obgleich jede
Nacht eine Reinigung der Strassen stattfindet. Auch besteht eine
Abfuhr von Unrath insofern, als Küchenabfälle und Müll des
Nachts in Kästen auf die Strasse gesetzt und dann von Müllwagen
abgefahren werden. Es giebt 4 Markthallen. Ich habe nur die
grösste besichtigen können. Von der mangelhaften Reinlichkeit ab-
gesehen, entsprach ihre Einrichtung im Ganzen der in Deutschland
üblichen. Ein grosses schönes neues Schlachthaus liegt im Westen
der Stadt in der Nähe der Bahnstation Cristina. Es wird täglich
2 mal geschlachtet. Die Thiere werden durch Genickstich getödtet
und dann die Halsadern geöffnet. Es besteht Schlachtzwang.
Die Stadt besitzt eine Wasserleitung, die aber nur gewisse
Theile der Stadt versorgt. Daher kommt es auch, dass nur einzelne
Theile der Stadt canalisirt sind und Closets mit Spülvorrichtungen
besitzt Wo dies nicht der Fall ist, werden die Kothmassen in
grossen Gruben aufgefangen und der Porosität des Bodens das Ueb-
rige überlassen. —
Für Kriegsschiffe ist das Vorhandensein der eben genannten
Wasserleitung sehr angenehm. Denn die spanische Regierung liefert
täglich 30 tons von diesem Wasser kostenfrei in einem Prahm.
Das Wasser wird aus der Leitung direct in den Prahm gepumpt,
der allerdings von einem Dampfbeiboot des betreffenden Kriegsschiffes
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270
Dr. Reinhold Hugo.
Hingsseit geschleppt werden muss, damit das Wasser direct an Bonl
tibergepumpt werden kann. Chemisch und physikalisch hat das
Wasser alle Eigenschaften, die man von einem guten Trinkwasser
verlangen muss. Eine bacteriologische Untersuchung konnte ich an
Bord nicht vornehmen. Es wurde daher dies Wasser nur zum
Waschen und Kesselspeisen benutzt und in den Doppelboden, nicht
aber in die Trink Wassertanks gepumpt. (Als Trinkwasser wurde nach
wie vor nur destillirtes Wasser benutzt.) Dem gegenüber steht aller-
dings das Hafenwasser von Habana in sein- schlechtem Rufe. Das
hat seinen guten Grund. Die Hafeneinfahrt ist an der engsten Stelle
etwa 600 m breit und das Hafenbecken selbst, das fast rund ist
hat einen Durchmesser wie etwa die Kieler Föhrde bei Wyk. Alle
Kloaken münden in den Hafen, aller Unrath der Schifte wird in den
Hafen entleert, und das will bei dem lebhaften Dampferverkehr im-
merhin etwas heissen.
In den Acten der deutschen Marine — betreffend die ostameri-
kanische Station — finden sich folgende Angaben.
Ein Schiff, das von Habana aus einen nordamerikanischen Hafen
anlaufen will, erhält vom nordamerikanischen Consulat nur dann
einen reinen Gesundheitspass, wenn
1. nicht mit Hafenwasser Deck gewaschen ist,
2. kein Verkehr mit dem Bumboot stattgefunden hat.
3. M asche an Land nur in einer vom Consulat als nicht
infectionsverdächtig bezeichnten Anstalt gewaschen wor-
den ist*).
Alle diese Punkte kommen aber natürlich erst in Frage, nach-
dem die Versicherung abgegeben ist, dass kein Gelbfieberfall an Bord
vorgekommen ist. In der Zeit vom April bis zum 1 . December reicht
aber selbst dies nicht mehr aus. Denn während dieses Zeitraumes
legen die Nordamerikaner alle aus Habana kommenden Schiffe eo
ipso in Quarantaine. Die dänischen Behörden in St. Thomas legen
sogar in jeder Jahreszeit jedes Schiff, das von Habana kommt und
kürzere Zeit als 14 Tage unterwegs gewesen ist, in Quarantaine.
gleichgültig ob Gelbfieberfälle an Bord vorgekommen sind oder nicht.
Als ich im Februar dieses Jahres mit S. M. S. „Charlotte“ im
Hafen von Habana lag und den für das nahe gelegene Key West
nöthigen Gesundheitspass besorgte, fand ich, dass auf dem Pass-
Formular unter den vielen Fragen nur eine auf die oben genannten
*) Es giebt jetzt eine gute Dampfw&schanstolt in Habana.
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Hygienisches und Sanitäres aus Habana.
271
Punkte abzielte. Neben vielen anderen Fragen über den Gesund-
heitszustand an Bord wurde Auskunft über die Bezugsquelle des
Wassers verlangt. Aber selbst nachdem der Pass in der verlangten
Weise ausgefüllt und den Thatsachen entsprechend mitgetheilt war,
dass der Gesundheitszustand an Bord durchaus gut wäre und Gelb-
fiebererkrankungen an Bord nicht vorgekommen wären, kam der zum
amerikanischen Consulat besonders als Quarantainearzt kommandirte
amerikanische Marinearzt noch au Bord, um die vorhandenen Kranken
persönlich zu sehen. So vorsichtig sind die Amerikaner selbst Schiffen
gegenüber, die Habana in der guten Jahreszeit verlassen und einen
nordamerikanischen Hafen anlaufen wollen. —
Im Februar 1898 besass Habana 9 grosse Krankenhäuser,
von denen 6 Militairlazarethe waren. Bei dem kurzen Aufenthalt,
den S. M. S. „Charlotte“ in Habana nahm, konnte ich nur das grösste
Militairlazareth und eins der grossen Privatkrankenhäuser besuchen.*)
Stabsarzt Dr. Bassenge, der an Bord S. M. S. „Stosch“ im Jahre
1894 Habana besuchte, hatte Gelegenheit, das zweite grosse Civil-
hospital „de las Mercedes“, das alte Militairlazareth (am Hafen ge-
legen), sowie das Leprahospital „San Lazaro“ zu besuchen. Er
schildert das Hospital „de las Mercedes“ als ein Musterhospital ersten
Ranges**) und hebt zu gleicher Zeit die liebenswürdige Art und
Weise hervor, in der ihm die spanischen Aerzte bei seinem Besuche
entgegenkamen. Ich kann ihm in letzterem Punkte nur beistimmen.
Auch mir sind die spanischen Collegen in Habana stets in liebens-
würdiger Weise entgegengetreten.
In dem Hospital „de las Mercedes“ wird täglich Klinik abge-
halten; für theoretische Collegien ist ein besonderer Saal bestimmt.
Ausserdem dienen der Obductionsraum, das Laboratorium und der
Operationssaal zu Unterrichtszwecken***).
Das grosse Civilkrankenhaus Habanas, das ich sah, die „Quinta
de Salud“, ist ein Privathospital. Es liegt im Westen der Stadt
und ist leicht mit der Pferdebahn zu erreichen.
Dies Hospital ist nach und nach entstanden und die einzelnen
Gebäude mit iliren Einrichtungen haben dementsprechend verschie-
denen Werth. Während die älteren Gebäude mit ihren Einrichtungen
*) Siehe Heft 8, S. 218 dieser Zeitschrift.
**) Bassenge, Bemerkungen über die sanitären Verhältnisse einiger Häfen
in Westindien. Marine-Rundschau 1895, 8. Heft.
***) Bassenge, 1. o. 3. 452.
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272
Dr. Heinhold Rüge.
nur wenig höher stehen, als die Krankensäle in der alten Charite zs
Berlin — die einzelnen Zimmer sind nur viel kleiner und duni-
schnittlich für 4 — 6 Kranke eingerichtet — sind die neueren Anlage:
nicht nur mustergültig, sondern sogar luxuriös ausgestattet, fe
ganze Anlage ist im Blocksystem erbaut.
Besonders hervorzuheben ist der neuste Block, das sogenannt
„Fieberhaus“. In diesem Hause waren vorwiegend Wechselfieber-
Gelbfieber- und Influenzakranke untergebracht. — NB. Die Gelb-
fieberkranken wmrden nicht isolirt !*). — Dieser neue Block har
Treppenstufen aus Marmorplatten, der Boden der Krankenzimmer
und Corridore besteht aus buntfarbigen Kacheln, die Wände and
gleichfalls bis ca. 1 m über dem Fussboden mit Kacheln belegt so
dass jeder Zeit schnell eine allgemeine Desinfection stattfinden kann
Jedes Krankenzimmer ist gross, hell, luftig und geräumig und ent-
hält nur 2 Betten, jedes Bett hat ein Mosquitonetz (das Letztere ist
auch in dem älteren Block der Fall). Die sonstige Einrichtnng de
Krankenzimmer lässt nichts zu wünschen übrig. Die grosse Reinlich-
keit in diesem Block fiel angenehm auf.
Von besonderen Einrichtungen sind noch zu erwähnen:
1. Der Operationspavillon, der allein für sich steht, aa
Zimmer für septische und eins für aseptische Operationen enthalt
Ausserdem befinden sich die entsprechenden Auskleidezimmer dabd
Die Einrichtungen dieses Pavillons entsprechen durchaus den Anfor-
derungen der modernen Chirurgie. Die Instrumente, Desinfections-
apparate pp. waren aus Berlin von Lautenschläger bezogen.
2. Das Badehaus. Dieses Haus enthält neben Voll-, Sitz-
und aller Arten von Douche- und Dampfbädern ein vollständig*
Schwimmbassin. Ich habe bis jetzt noch nie so ausgezeichnet ein-
gerichtete Badevorrichtungen in einem Krankenhaus gesehen.
3. Die Desinfectionsanstalt. Sie dient zur Desinfection <k
Kleider der Neuaufgenommenen etc. Die Apparate stammten »a-
New-York.
4. Die Küche, in der mit Dampf gekocht wird, war reinlich
und gut eingerichtet. Sie bildete einen Block für sich.
5. Isolirpavillons. Diese Pavillons waren hauptsächlich fir
Pockenkranke bestimmt Sie waren zur Zeit meines Besuches nkfc
belegt.
Der Aufnahmepreis in diesem Hospital betrug für einen Krank«*.
*) Vergl. in dieser Beziehung auch Bassenge, 1. c. S. 452.
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Hygienische» und Sanitäres aus Habana.
273
der sieh nicht durch einen laufenden Beitrag eingekauft hatte, 2 $
(»old pro Tag = 8 Mk.
Diesem Hospital gegenüber erscheint das alte, am Hafen ge-
legene Militairlazareth nach den Schilderungen Bassenge’s*)
stellenweise minderwerthig. Das neue grosse Militairlazareth im
Fort Principe mit seinen vorzüglichen Einrichtungen habe ich ja be-
reits erwähnt
Das Lepra-IIospital „San Lazaro“ hat zwei grosse Säle (einen
für Männer und einen für Frauen), ist reinlich gehalten, mit
83 Kranken belegt und untersteht der Leitung von 2 Aerzten und
6 Schwestern. — „Heilungsversuche werden nicht gemacht; man
lässt der Krankheit ihren Lauf und begnügt sich in seltnen Fällen
mit einer symptomatischen, lokalen Behandlung“**). —
Es lag mir natürlich daran, nachdem ich die Krankenhäuser
gesehen hatte, die Meinung der einheimischen Aerzte über die Frage
der Contagiosität oder Nichtcontagiosität des Gelbfiebern, sowie ihre
Ansicht über die Differentialdiagnose zwischen Gelbfieber und Schwarz-
wasserfieber kennen zu lernen.
Der Chefarzt der Quinta de Salud sagte mir Folgendes: „Gelb-
fieber steckt nicht von Mann zu Mann an. Ich persönlich habe
wenigstens bis jetzt nie einen ein wandsfreien , überzeugenden Fall
der Uebertragung von Mann zu Mann gesehen“. Der amerikanische
Quarantainearzt stand auf dem entgegengesetzten Standpunkte und
erzählte mir als für seine Ansicht beweisend folgende Thatsache.
Im alten Militairlazareth lagen Gelbfieberkranke. Das Lazareth ent-
leert seine Abwässer in den Hafen. Die Besatzungen derjenigen
Schiffe, die in der Nähe der Mündungsstellen dieser Abwässer lagen,
erkrankten an Gelbfieber. (Es erkrankten aber auch andere. Verf.)
Während der letzten Hälfte des Januar 1898 erkrankten in Habana
32 Personen an Gelbfieber und starben 8.
Fernerhin sind nach Ansicht des genannten Chefarztes Gelbfieber
und fieberhafter Magendarmkatarrh in den ersten Erkrankungstagen
nicht von einander zu scheiden, bis Eiweiss im Urin auftritt. Ausser
etwaigem Eiweissgehalt ist der Puls diagnostisch wichtig. Beim
Gelbfieber steigt er nämlich nicht zugleich mit der Temperatur, son-
dern bleibt niedrig. Steigt er aber beim Gelbfieber am 2. Tage
plötzlich hoch und tritt viel Eiweiss im Urin auf, so ist das ein
signum malum. — Schwarzwasserfieber und hämaturisches Gelb-
*) 1. c. 8. 452. **) Bassenge 1. c. 8. 453.
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274
Dr. Keinhold Rüge.
yeber sind nur durch die Anamnese und die Blutuntersuchung za
unterscheiden. Denn hier lässt der Eiweissgehalt des Urins im SticL
weil er hei beiden Erkrankungen Vorkommen kann, und Milzschwel-
lung ist ja durchaus kein stetiges Symptom bei Schwarzwassertieber.
Bestätigt gefunden habe ich die bereits von Bassenge mitg<-
tlieilte Erfahrung, dass europäische Frauen während der Gravidit :
dem Gelbfieber am ehesten unterliegen. So waren z. B. von den
deutschen Frauen, die s. Z. in Habana gelebt batten, nur noch i
übrig geblieben, die anderen waren am Gelbfieber gestorben. Na-
mentlich genannt wurden mir allein drei, die in den letzten beiden
Jahren während der Gravidität gestorben waren.
Ebensowenig wie andere Gegenden der Erde war Habana uw
der Influenza verschont geblieben. ZurZeit meines Besuches lagen
noch zahlreiche Influenzakranke in der Quinta de Salud. Die In-
fluenza wurde merkwürdigerweise in Habana mit dem deutschen (? di-
Red.) Ausdruck „Grippe“ bezeichnet.
Pocken kommen dauernd in Habana vor. Während der letzt«
14 Tage des Januar kamen in der Stadt 50 Fälle von Pocken mit
5 Todesfällen vor.
Nach Bassenge’s Bericht sind ausserdem noch Diphtherie und
Ilotz häufig. „Die Ausbreitung und Gefährlichkeit von Diphtherie
in Habana beweist eine im Sitzungssaal der medicinischen Gesellschaft
angebrachte Gedenktafel, wonach in den letzten 15 Jahren mehr al-
20 Aerzte in Ausübung ihres Berufes an Diphtherie erkrankt und
gestorben sind.“ — Rotzkranke fand Bassenge mehrere im Ciril-
hospital „de las Mercedes“. —
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea
von
Dr. Otto Dempwolff,
ehemaligem Arzt der Neu-Guinea-Compagnie.
IV. Andere Leiden bei Europäern.
Wenn es keine Malaria gäbe, so wäre Neu-Guinea ein Paradies
und für Aerzte an Europäern so gut wie gar nichts zu thun.
Die 57 ausgewählten auf Tropentauglichkeit geprüften, meist
jugendlichen Leute, die mein damaliges Clientei bildeten, waren ein
viel zu gutes Menschenmaterial, als dass man an ihnen besonders
interessante klinische Beobachtungen — abgesehen eben von der
Malaria — hätte machen können.
Allgemeine Constitutionskrankheiten habe ich nicht zu sehen
bekommen; die Anaemie wurde durch die universelle Malaria ge-
nügend erklärt, und auch sie war, wie ich früher gezeigt, nur nach
Schwarzwasserfieber hochgradig.
Eigentliche Tropenkrankheiten — ausser Malaria — kamen bei
den Weissen nicht vor.
Von den auch bei uns heimischen Infectionskrankheiten habe
ich nur eine einzige zu behandeln gehabt; diese freilich häufiger,
und in einigen bösen Formen: die Gonorrhoe.
Aus meiner damaligen Praxis führe ich als Beispiel folgende
Krankengeschichten an.
Nr. 26. (Acute Urethritis gonorrhoica.) Infeetiou 2. III. 95 in
Colombo (Ceylon). Urethritis am 13. III. in Singapore bemerkt und Oonoeoecen
nachgewiesen. Am 14. III. Abortivcur durch 2% Argent. nitric. c. Butyr. Caeao
in Stäbchen versucht, jedoch ohne Erfolg. Darnach 0,5 % Zinc. sulfocarbol.-
Lijsung, Besserung Anfang April. Dauerndes Aufhören jedes Ausflusses mit
dem ersten Malariaanfall (Fieber bis 40.2°) am 21. IV.
An diesem Fall habe ich die schnelle Genesung der hohen
Temperatur zugeschrieben, die ja als tödtlich für Gonococcen an-
gegeben wird.
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“276
Dr. Otto Dempwolff.
Nr. 27. (Arthritis gonorrhoica.) Pat. seit Oetober 94 in der Gilouie.
hat (neben häufigen Malariafiebern) im April 95 eine acute Gonorrhoe aquinrt.
die angeblich im Juni ausgeheilt war. Vom 22. VIII. bis 13. IX. hartnäckiges
intermittirendes Fieber, bei dem entzündliche Schwellungen an den Metatarv-
phalangeal-Gelenken und am Calcaneus des rechten Fusses auftraten, Mitt-
November 95 neue gonorrhoische Infection, anfänglich selbst mit Injectionen be-
handelt.
Am 22. XI. 95 schwere, zehnstündige Durchniissung bei I/jscharbeitea ;
sofort daran anschliessend Gelenksteifigkeit, die sich unter Schmerzen bis zur
Bewegungsunfähigkeit steigerte.
Am 25. XI. trat Pat. in Behandlung des Collegen in Stephansort. Damals
bestand Entzündung des linken Hüft- und beider Fussgelenke, erst in den
folgenden Tagen schwollen die Knie an. Dabei Herz intact. Milz massig ver-
grössert, leichte Fieberbewegungen. Dieser Status hat fere idem gedauert bis
Mitte December; nur die Urethritis wurdo gelinder. In dieser Zeit hat Pat
erhalten Natr. salicyl. 20.0 Chloralhydrat 8,0 Salipyrin 38,0 Morph, mur. 0.23.
Chinin, mur. 6,25 Phenocoll 9,0 innnerlich, 0,5% Zinc. sulfocarbol. äusserliea.
2 Vollbäder und Wickelungen der Gelenke — alles ohne deutlichen Erfolg.
Am 14. XII. Transport in’s Enroiäier-Hospital FrWhfn.. Uebernahme in meine
Behandlung.
15. XII. 95. Status praesens: Starke Abmagerung, hohle Augen, hektische
Wangenröthe, Rückenlage. Genick vorgeschoben, hist unbeweglich. — An inneren
Organen nur geringe Milzvergrösserung bis zum Rippenrand. Urin eiweissfre-
zeigt Tripperfäden. Herz frei. — Gelenke:- Kopf fast ganz fixirt, nur geringe
Nickbewegung ausführbar; dabei keine Schwellung oder Dmckempfindlichkeit.
auch nicht in den anliegenden Muskeln. Schultern und Ellenbeugen frei. Von
den Handgelenken nur das Metacarpo-phalangeal-Gelenk des rechten Daumens ge-
schwollen, steif. Hüftgelenke frei, linke lleosacralverbindung druckempfindlich.
Knie- und Sprunggelenke stark geschwollen, geröthet, heiss, auf Druck schmerz-
haft, steif. Metatarso-phalangeal-Gelenke. namentlich der grossen Zehe, geschwollen
Druekempfindlichkeit an der rechten Hacke. — Sonst nur Schlaflosigkeit. Appetit-
tnangel. Reizbarkeit.
Bis zum 19. XII. bleibt unter Watteeiu Wickelung der Gelenke der Status
idem; Probepunction im linken Knio resultatlos.
Vom 20. — 28. XII. fünf heisse Bäder (40 — 44° C.) mit nachfolgendem
Schweiss. Darnach Abschwellung beider Kniee. Geringe Beweglichkeit derselben.
Am 29. XII. infolge Erkältung Nachschub in beide Knie. Zeitweise kleine
Fieber. Chin. mur. 12,0.
Anfang Januar 96 wieder heisse Bäder, Massage der Muskulatur. Sten-
Morphium Abends. Darnach gänzliches Abschwellen an Knie- und Fussce-
lenkon. Hackenschmerz und Nackensteifo bleiben. — Nunmehr Ichthyolsalbe
an den Gelenken, Jodtinctur am Knie. — Allmälig gesteigerte Gehversuche. —
Ende Januar noch sieben Dampfbäder mit folgender Ganzpackung. Nock
immer abends Morphium. Zunehmende Gehfähigkeit. Hackenschmerz schwiudec
Nackensteifo bleibt Sichtliche Hebung des Allgemeinbefindens.
Am 9. II. 96 als gebessert zur weiteren Reconvaleseenz auf die Stabc-n
entlassen.
Hier entzieht sich Pat. möglichst der ärztlichen Controle, äusserst wechselnde
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guiuea.
277
Beschwerden ohne erneuten anatomischen Befund, wird am 15. III. in die Heimath
gesandt. In Deutschland „völlig steif'* angekommen, hat er noch mancherlei
Curen, u. a. Rechtsanwalt Glünicke’sche Iloiltriinke (!) durchgomacht , und soll
Herbst 97 noch invalide gewesen sein.
Dieser Fall war der complieirteste, den ich je gesehen habe.
Ob das „Tropenklima“ oder die Malaria bei der Verzögerung der
Genesung mitgespielt hat, wage ich nicht zu entscheiden.
Nr. 28. (Arthritis gonorrhoica.) Pat. ist 7 Jahre in Australien, 4 Jahre
in Neu-Guinea gewesen. Ende Deeember 95 in Stephansort gonorrhoische In-
fectioD, Urethritis, Selbstbehandlung mit Injectionen. Am 5. I. 96 Ausbruch des
Gelenkrheumatismus. Es waren ergriffen beide Knie- und Sprunggelenke; in den
ersten Tagen gingen die ohnehin geringen Erscheinungen rechts zurück, während
am linken Bein, auf dem Pat. bereits dreimal schwere Lymphnngitis durchgemacht,
pralle Spannung des Kniegelenks, fixirte FlexionssteUung desselben, Oedem von
der Mitte des Oberschenkels bis zu den Zehen, Druckgeschwiir am linken äusseren
Knöchel auftrat. Alles unter leichten Fieberbewegungen um 38’. Während
des ganzen Monats Januar blieb dieser Status, nur die Gonorrhoe war subacut
und es trat leichte psychische Verwirrtheit auf. Pat. verbrauchte Chin. mur.
17.0 Natr. salieyl. 20,0 Salol 21,0, Chloral. hydrat. 30.0 Morph, mur. 0,2, benutzte
0. 5% Zinc. sulfocarbol.- Injectionen, und bekam alle ein um den anderen Tag
heisse Vollbäder, sowie Wattewickelung der Gelenke.
Am 1. II. wurde eine Consultation über ihn abgehalten, die Uoberführung
in’s Europäer-Hospital verlangte, und damit schloss: „die Vorhersage ist zweifel-
haft. Wiederherstellung der Gesundheit im Schutzgebiet ist ausgeschlossen.
Besserung des Zustandes bis zum Abgang des nächsten Postdampfers, welcher
die Ueberfiihrung nach Europa gestattet, liegt wohl im Bereich der Möglichkeit.1'
Am. 2. II. wurde Pat. nach Friedrich Wilhelms-Hafen transportirt.
Am 3. H. lautete der Status praesens: Passive Rückenlage. Temp. 38.2°.
Innere Organe, ausser grosser Milz, frei. Urin eiweissfrei. Sonsorium klar.
Gedäehtnissschwäche, resp. Erinnerungstäuschungen. Bleiche Hautfarbe. Schmerz-
hafte, druckempfindliche, heisse Schwellung des linken Kniees, das in höchster
spitzwinkliger Flexionsstellung fixirt ist; Oedem, weiss, prall, spindelförmig da-
rüber; Oedem an den Knöcheln und dem Fussriicken. Decubitus am äusseren
Knöchel. Druckrüthung der Haut über dem linken Gesiiss. — Eiterausfluss aus
dem Penis.
Vom 3. — 14. II. erhielt Pat. ausser Morph. 0,01 Abends und einmal Sulfonal
1.0 kein Arzneimittel, wohl aber Priessnitz um Knie und Knöchel und ein heisses
Bad, sowie besorgteste Allgemeinpflege. Dabei blieb der Status idem, nur der
Decubitus heilte; Pat. war fieberfrei und nahm jedenfalls an Kräften nicht ab.
Am 14. II. Operation (mit Dr. Wendland und Stabsarzt Matthisson), Chloro-
formnarkose, langsam und schwierig, aber ohne Zufälle. Auf der Höhe derselben
Streckung des Unken Beines, die ohne Kraftaufwand gelingt, Anlegung zweier
1 . einenbinden als ..ansae“ an Ober- und Unterschenkel mittelst Leimverband.
Endlich Anschienen des gestreckten Beines auf je eine Holzpelotte am Ober-
und Unterschenkel, die durch Eisenstangeu verbunden sind, mittelst 1.0 imver-
band. — Nach der Operation viel Schmerz bis zu Wuthanfällen. Morph. 0,01 5.
Fieber.
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278
Dr. Otto Dempwolff.
17. II. (ledern am ganzen Oberschenkel, während der Unterschenkel abge-
schwollen ist. Ersatz des Leimverbandes durch Flanelibinden. Liiin. alumio.
acct. auf das Knie. Fieberfrei.
20. II. Decubitus am Steissbein. Ungt. einer.
22. II. Stat. id. Oedem am Oberschenkel im Abschwellen. Ersatz der
Pelottenschiene durch Drahtbose, Flanellbinden und Extension.
24. II. Oedem abgeschwollen. Mercurialexanthem. — Warme Vcllbäler.
Priessnitz am Knie. Reispuder.
28. II. Exanthem und Decubitus schwinden. Drahthose weg. Keine
Schlafmittel mehr. Merkliche Besserung des Allgemeinbefindens.
Anfang März: Zunehmende Besserung.
Am 15. III. verlässt Pat. die Colonie mit folgendem Status: Allgemeinbe-
finden gut. Psyche klar. Appetit, Verdauung vorzüglich. Kein Fieber. Ausser
PulsbeBchleunigung und Milztumor innerlich nichts Abnormes. Gonorrhoischer
Ausfluss unmerklich. Kein Decubitus. Leichtes Oedem des linken Beines von
der Mitte des Oberschenkels bis zu den Knöcheln. Darunter ein Knie- und
Fussgelenkserguss nicht nachweisbar. linkes Bein gebrauchsunfähig: Pat wird
im Stuhl an Bord gebracht. — Pat. hat 4 Wochen in Singapore im Hospital ge-
legen und später in Deutschland gymnastische Curen gebraucht Er soll nnr
eine Steifheit des linken Knies nachbehalten haben, sonst völlig genesen sein.
Dieser Fall war sicher sehr schwer, dass der Kranke mit dem
Leben davon gekommen, verdankt er nur der aufopfernden Pflege
unserer Schwester. —
Selbstständige Krankheiten des Circulationssystems kommen
nicht vor.
An den Respirationsorganen habe ich einige Erkältungskrank-
heiten behandelt, Rachen- und Bronchialcatarrhe, auch dreimal trockene
Pleuritiden. Alle diese Fälle genasen schnell ohne wesentliche
Therapie. Diese geringe Empfänglichkeit für Erkältungen musste
um so mehr auffallen, als einerseits jeder Einzige oft genug unver-
muthet und auf längere Zeit durchnässt wurde, andererseits alle
Farbigen sehr unter Husteu und Catarrhcn litten. Es lag der Ge-
danken nahe, dass wir Weissen aus unserer rauhen Heimath eine
grössere Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse mitbrachten,
im Kampf um’s Dasein mit dem meteorologischen Milieu seit Genera-
tionen erworben. —
Auch von selbstständigen Krankheiten des Yerdauungstractus
habe ich wenig zu berichten: ein Tumor abdominis wurde rar
Operation heimgesandt; bei zwei Fällen von Taenien gelang dis
Abtreibung ohne Rückfall.
Am Urogenitalsystem — abgesehen von der Gonorrhoe — habe
ich nur dysmenorrhoische Beschwerden bei den verheiratheten Frauen
zu verzeichnen, Ausfall der Menses, oder profuse Blutverluste. Nur
Aerztliche Erfahrungen in Neu-Gtiinea. 079
gegen letztere habe ich therapeutische Erfolge gehabt, diese aber
stets und prompt: mit Extr. Hydrast. Canad.
Von Hautleiden waren wir Europäer wenig geplagt: vor Allem
gab es nicht so viel Ungeziefer, wie anderwärts, keine Flöhe,
Wanzen u. s. w., nur Mosquitos der milderen Art, die auch au der
See in der trocknen Zeit fast ganz ausst&rben. Ah und zu belästigte
ein Erythema solare (durch Lanolin zu vermeiden) oder „rother
Hund“ ( — in einem ganz schlimmen Fall halfen tägliche heisse
Süsswasserbäder — ), und zuweilen auch Ringwurm (herpes ton-
surans?), durch die Farbigen angesteckt, theils direct (cherchez la
feinme), theils indirect durch die Leibwäsche, welche unsere Boy ’s
oft zu faul waren auszukochen. Gegen diese peinliche Flechte sah
ich von einer 5 °/0 Chrysorabinsalbe stets Erfolg, während Naphtol,
Schwefel etc. nicht so prompt halfen.
Beim Thema „Hautleiden“ will ich noch eine Affection erwähnen,
die meines Wissens nur in Indonesien, besonders häufig anscheinend
auf Neu-Guinea vorkommt. Es sind kleine juckende Papeln an den
unteren Extremitäten, die man von einer Buschtour mitbringt, die
unter dem Kratzeffect bald in flache, eiternde Geschwüre übergehen,
und die erst in Wochen heilen, unter Hinterlassung eines jahrelang
fortbestehenden bräunlichen Pigmentfleckes. Sie hiessen bei uns
„Buschmucker“; es sind angeblich minimale rotlie Milben darin ge-
funden worden. Jedenfalls giebt es ein sicheres prophylactisches
Mittel, dessen Kenntniss ich den protestantischen Missionaren ver-
danke: Balsam. I'eruv., rein oder bis 1 0 °/0 spirituös verdünnt, zur
sorgfältigen Einreibung der unteren Körperhälfte vor jeder „Busch-
tour“. Dieses Mittel half auch therapeutisch am ersten Tage gegen
die rotlien Papeln angewandt, während die Geschwüre mit feuchten
Umschlägen und Borsalbe sehr langsam ausheilten.
Damit wäre ich bei den Fussgeschwüren im Allgemeinen ange-
langt, — dem einzigen Thema aus allen „chirurgischen“ Fällen, bei
dem ich eine Erfahrung zu verzeichnen hätte. Die alten Tropen-
leute nehmen an, dass man keine Malariaattaque bekäme, solange
offene Beinschäden, überhaupt Eiterungen am Körper bestünden,
und „die schlechten Säfte ableiteten“. Dies kann ich halbwegs l>e-
stätigen; d. h. während im Allgemeinen alle Verletzungen bei Weissen
sehr langsam heilten, liessen Eiterungen unmittelbar nach einer
Malariaattaque sichtlich nach, und speciell Beinschäden wurden der
üblichen Behandlung zugänglicher. Ich fasse dies aber so auf, dass
Archiv (. Schiffs- u. Trope »Hygiene. II. 21
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280
Dr. Otto Dempwolff.
die hohen Fiebertemperaturen den Mikroorganismen der Eiterung
ebenso schädlich sind wie denen der Gonorrhoe. —
V. Krankheiten der Farbigen.
Die Farbigen meines Klienteis waren ein buntes Gemisch ver-
schiedenster Rassen: Halfcast’s von Europäern, Javanen mit ihren
Weibern und Kindern, Chinesen (nur Männer), Melanesen von der
Gazelle-Halbinsel, aus Neu-Mecklenburg (hierher auch WTeiber), von
Buka und den Salamonsinseln, Papuas von den French Islands und
vom Huongolf, und endlich ab und zu freie Eingeborene — „Tamul“
— von der Astrolabebay. Umgangssprache mit den gelben Rassen
war das brauchbare Küstenmalayisch, mit den Schwarzen aber die
jämmerliche Carricatursprache „Pitchenenglish“ (aus busiuess-englisi
corrumpirt), so dass, namentlich bei Neuankömmlingen, mangels ge-
nügender Verständigung der ärztliche Beruf zur Veterinärprast-
wnrde. Dazu kamen erschwerend die eigentümlichen Anschauungen
der verschiedenen Völker über Krankheiten und Therapie. Es ist
dies ein interessantes Thema der Ethnologie, in das ich nur lang-
sam und unvollständig eingedrungen bin. Das Wesentlichste Mir die
Praxis war, dass die gelben Rassen häufig Leiden zu übertreiben und
zu simuliren suchten, um der Arbeit zu entgehen, die Schwärzet
dagegen dissimulirten, um nicht in ’s Hospital zu müssen. Die Javanen
und Chinesen benutzten in ihrem starken Arzneiglauben gern hei-
mische Mittel uncontrolirbarer Art, die Schwarzen waren einem tiei-
gewurzelten und stark suggestiven Aberglauben unterworfen: der
Furcht vor Gespenstern und Zauberei, womit sie alle Leiden erklärten,
für die sie keine nahe liegende Ursache sahen. Glücklicherwet*
bezog sich diese Furcht nicht auf den Weissen und seine Arzneimittel:
für chirurgische Eingriffe und für Sectionen boten die Iteminiscenar.
aus der früheren Cannibalenzeit der meisten Schwarzen sogar ein
günstiges Yorurtheil. Im Allgemeinen also brachten die Farbigen der
europäischen Behandlung kein grosses Yerständniss entgegen, sondern:
unterwarfen sich derselben aus gewohnter Subordination ; besten Falls
hatten sie das Zutrauen, dass der Doktor ein „guter Mann“ sei. wesi
er sie nicht zur Arbeit anhielt und sie nicht strafte.
Den einzelnen Krankheitsbildern, die ich der Mittheilung fir
werth halte, schicke ich eine Uebersicht voraus, wie stark sich die
verschiedenen Leiden an der Morbidität und Mortalität betheiligten
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.
281
ich betone hier nochmals, dass dies nur für Friedrich Wilhelms-Hafen
und die Jahre 1895 und 96 gilt.
An der Morbidität betheiligten sich äussere Leiden mit 37 °;0
aller Krankheitställe und 30 % der Behandlungstage; Malaria be-
anspruchte 17,7% und resp. 3,6%, Beriberi 2,4 % resp. 7,0%,
Dysenterie 0,3% resp. 0,8%, Pocken 2,2% resp. 4,4%, Gonorrhoe
19,7% resp. 30,4 °/0, Lungen-Tuberculose 0,3% resp. 1%, alle
anderen Krankheiten zusammen 20,4% resp. 22,8%.
I/epra, Cholera, Syphilis sah ich nie, Elephantiasis nur bei
freien Papuas.
Die Mortalität setzte sich zusammen aus 2 Todesfällen au
äusseren Leiden, 12 an Malaria, 5 an Beriberi, 8 an Pocken und
28 an mannigfachen inneren Leiden.
Grössere Verletzungen von Bedeutung sind mir nur bei zwei
Leuten vorgekommen.
Nr. 30. (Complicirtc Schiidelfractur.) 20. VI. 95. Etwa 18 jähriger Mela-
nese hat von einem Javanen einen Beilhieb von hinten her über die rechte Schädel-
seite erhalten. 6 cm lange Hautwunde mit glatten Kündern; unregelmässiger
Kiss von derselben Länge im Os parietale, dessen obere Partie derart eingedrückt
ist. dass der rauhe Rand des unteren Knoehentheil vorsteht. Sensorium klar,
keine Hirnsymptome. — Jodoformtrockenverband. Heilung per secundam in drei
Wochen ohne Fieber oder andere Reactionen.
Nr. 8t. (Verstümmelung von Gesicht und Unterarm.) 22. II. 96.
Javanischer Halfcast. Beim Fischeschiessen mit Dynamit ist eine Patrone ver-
früht in seiner Hand, wahrscheinlich als er die Zündschnur an der Cigarre ent-
zündete, explodirt. Ueber eine Stunde lang im Boot zur Station transportirt,
kam er bei Bewusstsein an und bot folgenden Anblick: von der rechten Hand
standen nur noch die Reste von drei Metacarpalknochen ; Sehnen. Muskeln und
Hautfetzen hingen herum; die rechte Gesichtshälfte war eine Breimasse, das
Auge ausgelaufen, die Wange am Mundwinkel in Thalergrösse so weggerissen,
dass der Finger vom Munde aus durchdrang; Quetschwunden auf Stirn, Schläfe.
Kinn und Hals.
In Chloroform- und Morphium betäubung wurden Mitteihand und die meisten
JJandwurzelknoehen entfernt, so dass zur Bedeckung des Restes die Hautfetzen
ausreichten. Am Gesicht wurde nur Reinigung vorgenommen und relativ asep-
tischer Verband angelegt. Tiefer Collaps verbot weitere Eingriffe. — Am Abend
war Pat etwas erholt und fieberfrei; ebenso am 23. II.
Am 24. II. zeigten sich Armstumpf und Wange gangraenos; es werden
mehrstündige Spülungen mit 1 % Liquor Alurn. acet. verordnet. Pat. blieb fieber-
frei und bei völlig flüssiger Diät und reichlichem Weinconsum — er war Potator
— relativ bei Klüften.
In den nächsten 4 Wochen begrenzte sich das Gangrän, das übrigens nur
die Haut betroffen, allenthalben deutlich. Aus den Granulationen zuweilen auf-
tretende Blutungen standen auf Liqu. ferr. sesquichlor. Die gut vernarbten Ver-
letzungen im Gesicht und im geschrumpften Bulbus machten ein Einschreiten
21*
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282
Pr Otto Dempwolff.
nnnöthig. Nur au dem Armstumpf wurde am 28. III. uoch — in Gemeinseiaf:
mit Hm. Stabsarzt Matthisson — die Amputation bis zum oberen Drittel da
l'uterarmes ausgeführt. Der Heilungsprocess verlief glatt; Ende April thitf Pit
wieder als Aufseher Dienst; er erlernte schnell mit der linken Hand zu Schreiber,
sogar wieder Fische schlossen.
In leiden Fällen ist die grosse Widerstandsfähigkeit, die
„Lebenskraft“ bemerkenswert!!. Die schnelle Heilläkigkeit, nameDt-
licb von Schnittwunden, die liier nicht so deutlich war, habe ich
in anderen Fällen von Messerstichen, Säbelhieben etc. bei Farbigen
häutiger bewundert
Nr. 32. (Schnittwunde.) 8. IV. 96. Etwa 30jähriger Baka; Poliz---
soldat. Hat sich durch Treten auf ein scharfes Messer am Hacken verletzt
damit noch etwa 2 Stunden Posten gestanden , so dass er durch den Blutverlust
fast collabirt ins Hospital kommt 6 cm lange. 2 cm tiefe, glatte Schnittwunde,
stark blutend, lu der dicken Epidennis brechen die Wundnadeln ab. deshalb
Heftpflasterverband, llocblagerung des Beines.
11. IV. Pat. hat den Verband abgerissen. Wunde ist frisch vernarbt un:
bricht nicht mehr auf, obwohl Pat. umhergeht
Weitaus die grösste Anzahl äusserlich Kranker hatten Ulcera
cruris. Aehnlich wie bei unserer Arbeiterbevülkerung entwickelt«;
sich aus kleinen Epidermisdefecten in Folge von Stössen und
Quetschungen durch Vernachlässigung Geschwüre, deren dünne
Narben, namentlich Uber dem Schienbein immer wieder aufbrachen.
Varicen spielten keine Rolle bei der Entstehung dieser Geschwüre.
Besonders böse und oft brandige Geschwüre traten bei Leuten auf
die mit dem Löschen und Laden von Kohlen beschäftigt gewesen
waren.
Die meisten Fälle wurden ambulant behandelt, und über se
kein Buch geführt. Im Hospital wurde folgender Behandlungsplan
durchgeführt, nachdem ich anfangs Jodoform, Aristol, Dermatol u. s. w.
ohne gute Erfolge durehprobirt. Zunächst gründliche Reinigung des
ganzen Reines, und speciell des Geschwürs mit dem scharfen Löffel,
bei brandigen Stellen 10°/u Alaunbäder oder Alum. ust. pulver
direct auf die Wunden. Alsdann feuchte, täglich gewechselte Um-
schläge (Watte mit abgekochtem Wasser getränkt, Pergamentpapier.
Mullbinde) bis sich eine eiterfreie, rosige Granulationsfläche gebildet
hatte, eventuell dabei Höllensteintouchirung. Darnach Zinkleim ver-
band, alle 3—4 Tage gewechselt, bis zur völligen Heilung. Eudbdi
zmveilen, bei grossen Defecten, Massage der Haut resp. Narbe. So
kam ich in 3 — 6 Wochen immer zum Ziel. Transplantationen, roc
fremder oder des Kranken eigener Haut sind mir — und auch
anderen Kollegen draussen — stets missglückt.
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Aerztliclie Erfahrungen in Neu-Guinoa.
283
Phimosen-Operationen musste ich in 10 Füllen wegen
häufiger und vernachlässigter Balanitis vornehmen. Daltei wünschten
die Iieute stets Incision, weil sie mit dem Verlust des ganzen
Fraeputium abergläubische Vorstellungen verbanden. Aehnlich wider-
strebten sie Zalmextractiouen, mit der Begründung, sie würden der-
einst getötet und verspeist werden, wenn in der Heimath ihre
Landsleute die Zahnlücken sähen. Es betraf dies natürlich nur
Melanesen.
Zwei vereinzelte Fälle von Erysipel kamen vor, am 9. II. 96
bei einem javanischen Viehhirten und am 25. VII. 96 bei einem
Melanesen, der Anfang Juli schwere Blattern Überstunden hatte.
Bei Beiden wunderte das Oedem vom Gesicht Uber den Schädel und
Hals in grossen Zacken bis auf Brust und Rücken. Die pigmentirte
Haut blieb unverfärbt, nur bei dem Javaneu war der jeweilige Rand
rüthlich abgegrenzt. Beide Kranke genasen unter äusserer Behand-
lung mit Amylum und Collodium ohne innere Mittel; sie haben
keine anderen Kranken augesteckt, obwohl eine Isolirung nicht
durchzufiihren war.
Ich komme nun zur Beschreibung eines Leidens, das weder ich
noch die sechs anderen deutschen Aerzte, die es draussen gesehen
haben, unter eins der uns bekannten pathologischen Bilder bringen
konnten.
Das Ijeiden sah ich nur hei Schwarzen, Melanesen und Papuas.
Bei neun Leuten, sechs Männern und drei Weibern, habe ich es
behandelt.
Bei den genannten Völkern sind, wie ich vorausbemerken muss,
bei allen Individuen beider Geschlechter von früher Kindheit an die
leisten- und noch mehr die Oberschenkel- (Rosenmüller’schen) Drüsen
derb und schmerzlos bis Wallnussgrösso geschwollen, wohl in Folge
der mannigfachen inficirten Epidermisverletzungen der unteren Ex-
tremitäten. Von diesen Lymphdrüsen (bei freien Papuas sah ich
auch andere, z. B. in der Achselhöhle ergriffen) beginnen nun einige
schmerzhaft zu schwellen und zu erweichen; die überliegende Haut
wird straff, glänzend, dünn, und bricht an einigen Stellen, oft sieb-
artig, auf, sondert ein spärliches, klebriges Secret, mit etwas Blut
und Eiter vermischt, ab, und bedeckt sich bald mit eintrocknenden
Borken. Entfernt man diese nach eiuigen Tagen, so tritt eine weiche
Grauulationsmasse hervor, die bei priiparirenden Incisionen sich als
erweichte Lymphdrüse erweist, über der die Haut weggefressen
ist. Räumt man nun das ganze Drüsenpacket weg, so bleibt über
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284
I)r. Otto DempwoUf.
der Höhlung die Haut von normalem Aussehen zurück, nur am
Rand — abgesehen von operativen Incisionen — verdünnt, wie bei
einem spontan aufgebrochenen kalten Abcess. Die tief gelegenen,
iiusserlich intacten Drüsen zeigten theil weise auf der Schnittfläche
einen Streifen rahmig-klebriger Einschmelzung.
Diese Drüsenaffection fehlte in keinem Falle. Häutig befürchtete
ich bei Leuten, die mit weichen schmerzhaften Bubonen ins Hospital
kamen, dasselbe Leiden, verordnete Einreibung mit grauer Salbe und
sah Besserung: solche Fälle zähle ich natürlich nicht mit. Bei dreien
der neun von mir behandelten Kranken blieb die geschilderte Xee-
bildung der Drüsen das einzige Symptom. Nach der Exstirpation
der ganzen Drüsenpackete trat Genesung ein: ein Recidiv blieb
während der vier resp. 16 Monate, welche die Leute noch in meinem
Wirkungskreis sich aufhielten, aus. Der dritte Kranke, auch nur
mit Drüsenaffectionen , kam bald nach der Exstirpation auf eine
andere Station, von wo aus ich noch ein halb Jahr später hörte,
dass es ihm gut gehe.
Bei zwei anderen Kranken entwickelte sich etwas später als in
den Drüsen dieselbe schwammige, klebrig-secemirende Granulaöoa-
masse an circumscripten Hautstellen an den Genitalien da, wo kein«
Lymphdrüsen unter der Haut sassen. Dieselben Hessen sich mit dem
scharfen Löffel auskratzen und erwiesen sich dabei als begrenzt
Einer dieser Patienten blieb, operirt, die 13 Monate über, während
deren ich ihn noch sah, recidivfrei; der andere, ein Weib, wurde
dreimal operirt; am 5. XI. 95, 18. XII. 95 und 19. IX. 96; dann
büeb sie, so lange ich sie sah, gesund und gab einem gesunden
Kinde Anfang 97 das Leben. Dieser Fall stellte ein deutliches
Recidiv dar.
Die vier übrigen Kranken kamen mit den» Leiden an Drüsen
und anderen Organen in Behandlung. Zwei Patienten fand ich be
Uebemahme meines Postens bereits in einem Zustand, der eine
Operation unthunlich erscheinen Hess: über handgrosse Hautstellen
waren in schwammige Granulationen verwandelt, die äusseren Geni-
talien angefressen: bei dem Manne die Glans penis und der mon>
veneris, bei dem Weibe die ganzen Schamlippen und der Damm:
bei beiden bestand hochgradiger Kräfteverfall; sie starben nach
einigen Monaten. Die beiden letzten Kranken meiner Beobachtung,
auch mit multipeln schwammigen Granulationsheerden in Drüsen und
äusseren Genitalien, genasen nach eingreifenden, an mehreren Terminen
vorgenommenen Exstirpationen.
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Aerztliche Erfahrungen in Xeu-Gninea.
285
Bei den freien Eingeborenen sollen Spontanheilungen Vor-
kommen.
Als ich nach Neu-Guinea kam, galt dies Leiden als „phagae-
daenischer Schanker“. Mit Ulcus molle hatte es aber sicher nichts
zu thun, ebensowenig mit Syphilis. Etwas erinnerte es an Lymplio-
sarcom; mit der Beschreibung der Frnembosia deckte es sich nicht.
Leider sind mir sämmtliche exstirpirten Driiseu, die ich in Spiritus
aufbewahrt hatte, auf der Heimreise verloren gegangen.
Ich komme nun zu den „inneren Krankheiten“.
Malaria in Gestillt von Fieberantällen und Milzvergrösserung
hatte jeder Farbige, eingeboren oder eingefuhrt. Die allermeisten
Attaquen aber waren ephemer, und heilten spontan in '/» — 2 tägiger
Arbeitsbefreiung mit einer von dem jeweiligen Abtheilungsleiter ver-
abreichten Chiningabe oder ohne dieselbe. Solche Fälle bekam ich
nur unter meinen Hausdienern etc. zu sehen; sie verliefen genau so,
wie die leichtesten Anfälle bei uns Europäern, nur mit dem Unter-
schiede, dass sie viel seltener recidivirten.
Nr. 33. (Malaria intermittens.) 14 jähriger Javane. Drei Monate im
Lande, im letzten angeblich regelmässige tertiana, Nachmittags 3 Uhr einsetzend;
kein Arzneimittel.
27. VII. 12 h. a. in. 37,3. — 4 h. p. m. 39,2. — 6 h. p. m. 38.0 Schweiss.
28. VII. 7 h. a. in. 37,6. — 12 h. a. m. 40,0 Bad. 3 h. p. m. 38,0. —
6 h. p. m. 39,0.
29. VII. 7 h. a. m. 36,0 Chinin. 0.75. — 3 h. p. m. 37,2. — 6 h. p. m. 88.0.
30. VII. 8 h. a. m. 37.2 Chinin 0,75. — 3 h. p. in. 36,4.
31. VII. u. 1. VIII. fieberfrei; noch dreimal 0,75 Chinin; geheilt entlassen.
Nur schwerere Fälle kamen in Hospitalbehandlung; Remittens
war häufig, Continua selten; der Uebergang in Cachexie war in
mehreren Fällen zu beobachten.
Nr. 34. (Malaria remittens.) 18jähriger Melauese.
24. IV. 95. a. in. 36,9 Chinin 1.0. — p. m. 89,5 Chin. 2,0, erbrochen.
25. IV. a. m. 89,5 Chin. 1,0. — p. m. 87,2 Chin. 1,0, erbrochen.
26. IV. a. m. 39,2 Chin. 1,0. — p. m. 37.6 Chin. 1,0, erbrochen.
27. IV. a. m. 37,6 Chin. 1,0. — 12 h. a. m. 36.3. — 6 h. p. m. 86,9
Chin. 1,0.
28. IV. a. m. 37,2 Chin. 1,0. — 12 h. a. m. 86,8. — li h. p. m. 37,4
Chin. 1,0.
Vom 29. IV. fieberfrei, kein Chinin mehr.
Nr. 35. (Malaria remittens, Cachexie, Exitus.) Etwa löjähriger
Melanese.
13. V. 95. p. m. 38,4 Chin. 1,0.
14. V. 6 h. a. m. 87,5. — 12 h. a. m. 38,4. — 6 h. p. m. 38,9 Chin. 1,0.
15. V. 6 h. a. m. 87,3 Chin. 1,0. — 12 h. a. m. 38,7. — 6 h. p. m. 88,3
Chin. 1,0.
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286
Dr. Otto Dempwollf.
16. V. (La. m. 37.1 Chin. 1,0. — 12 h. a. m. 37.2. — 6 h. p. m. 37A
Cliiu. 1,0.
17. V. 6 h. a. m. ? — 12 h. a. m. 37,9. — 6 h. p. m. 37,7 Chin. 1,0.
18. V. 6 h. a. in. 37,6. — 6 h. p. m. 37,3 Chin. 1,0.
19. Y. 6 h. a. m. 36,8. — 6 h. p. in. 37,2 Chin. 1,0.
20. Y. 6 h. a. in. 37,1 Collaps. Camphora 0,3. — 6 h. p. m. 37,0.
21. V. 6 h. a. m. 36,1. — 6 h. p. m. 37,0. )
22.
V.
3»
36,0. —
11
36.4.
23.
V.
11
35.8. —
»1
36.3.
24.
V.
!*
35,5. —
IV
35.6,
mehrfach Cliampher,
25.
V.
11
84,8. —
1*
36,2.
Aether etc.
26.
V.
17
35,8. —
11
36,2.
27.
y.
11
36,2. —
1«
38,8.
28.
Y.
11
35,9. —
Exitus.
Complicationen waren seltener als beim Europäer. Ein Theil
der vielfachen Darmcatarrhe mag mit Malaria zu thun gehabt haber
so wahrscheinlich wie bei den Weissen in Nr. 8 und Nr. 10 war
aber der causale Zusammenhang nie.
Ilaemoglobinurie sah ich nur bei meinem chinesischen Koch
zweimal auftreten.
Nr. 36. (Malaria haemoglobinurica.) 25jähriger Chinese, aus EU-
nau; seit März 95 in Neu-Guiuea. Schwächlicher Mann, massiger ( »piumrauehe
Hat häufige, kurze Fieber, gegen die er viel Chinin verbraucht.
25. XII. 95. Tag über Fieber, gegen das Fat. noch bei hoher Temperatur
1,0 Chin. nimmt. — Nachts Haemoglobinurie.
26. XII. Dauernd über 40°. Anhaltende Haemoglobinurie. Panaritius
am rechten Mittelfinger.
27. XII. T. zwischen S8,0 und 39,4; Abends 36,5. Status idem. Ker.
Medicament.
28. XU. Morgens T. 37.1. Urin blutfrei. Panaritium geschnitten. Dareas
Fieber bis 39,5, aber klarer Urin.
Ab 29. XII. lieberfrei, Urin normal. —
Nachdem Pat. am 12. I. 96, am 20. u. 22. I. 96 und am 9. II. 96 klen»
Fieber ohne Blutharnen mit Chiningaben unter 1,0 überwunden bat, bekommt
er am 28. II. Fieber bis 39,0 mit einem zweiten Anfall von Haemoglobinort.
der auch am 29. II. anhält. Ob, resp. wann Pat vorher Chinin genommen, si
nicht ermittelt — Er erhält keine Medicameute, trinkt viel Thee, ist ohne Pflee-
Am 1. III. ist Pat. fieberfrei, sein Urin hell, ohne Blut und Eiweiss.
Am 15. III. verlässt Pat. das Schutzgebiet, kehrt aller im Mai zurück, a»;
ist bis December, ohne schwere Fieber zu haben, dort geblieben und arbeii-
fähig gewesen, hat aber seinen früher übermässigen Chiningenuss auf die wr-
ordneten Gaben beschränkt.
Differentialdiagnostische Schwierigkeit habe ich manchmal gehabt
ich erwähne nur einen Fall:
Nr. 37. (Malaria oder Abscess). Etwa 22jähriger Melanose.
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Aerztliche Erfahrungen in Ncu-Guinca. 287
3. VI. 95. Aufgenuiiimen mit 37,8 Tenip. und Gliederschmerzen. In den
nächsten sechs Tagen unregelmässige Temperaturen bis 39,0 mit Remissionen bis
37 8. 38.1, einmal bis 36,8. — In dieser Zeit verabreichte 5.0 C'hin. sind
erfolglas.
Am 10. VI. zunehmende Schmerzen im linken Unterschenkel, der in
Flexionsstellung fixirt ist. l’riessnitz'sche Umschläge. Fieber nur zwischen
3S.0 und 37.2.
Am 12. VI. Tiefe Ineision, Eröffnung eines unter dem Gastrocnemius ge-
legenen Abcessos. Darnach Temperaturabfall bis 36.1.
Iu den nächsten Tagen Drainage, secundäre Naht und schnelle fieberfreie
Genesung.
Die Therapie der Malaria war bei den Farbigen viel unzu-
länglicher, als bei den Europäern. Vor allein mangelte es an ge-
nügender Pflege; weder der europäische Heilgchülfe, noch die beiden
farbigen Wärter konnten ihre 40 — 50 Kranken so warten, wie die
Schwester ein bis fünf Europäer. Auch war an Krankenkost nicht
immer das zu beschaffen, was dem Gaumen der verschiedenen Kassen
genehm war. Schliesslich war auch Hydrotherapie nur in geringem
Maasse anzuwenden, schon deshalb, weil von den Indicationen für
die farbige Haut nicht mehr bekannt ist, als dass sie andere sein
müssen, wie für die pigmentlose; — ich habe mich auf Bäder.
Güsse und, bei Javanen, Packungen beschränkt. Also blieb im
Wesentlichen nur die medicamentöse Behandlung, das Chinin, das
natürlich sehr ungern genommen und oft erbrochen wurde; am besten
ging es noch mit etwas Cognac, Salzsäure und Wasser, und indem
der Nachgeschmack durch Trinken einer frischen Cocosnuss weg-
gespült wurde.
Von alledem ist die Folge, dass 22% — fast ein Viertel —
aller Todesfälle durch Malaria verursacht wurden.
Beriberi sah ich nur in vereinzelten Fällen von Chinesen und
Javanen eingeschleppt und auf einige Melanesen übertragen, lieber
dies Thema kann ich mich dem, was l)r. Wendland**) über sein
viel grösseres Material mittheilt, ganz anschliessen, und muss
die Ansicht Dr. Hagges*), die Beriberi in Neu-Guinea sei eine
Malariafomi und durch Chinin zu heilen, für meine Fälle abweisen.
Echte Dysenterie bekam ich nur aus dem Bismarckarchipel
eingeschleppt an Keconvalescenten (Strafgefangenen) zu sehen; ich
kann nichts darüber berichten.
Dagegen muss ich der Fülle und wechselvollen Bilder anderer
*) Dieses Archiv I. p. 237.
**) AerztL Rundschau 1894.
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288
Dr. Ott» Derapwolff.
Darmleiden gedenken. Acuter Durchfall, chronischer Dünndann-
catarrh, Dickdarmcatarrh und -geschwüre, fiebernd und mit sub-
normalen Temperaturen, einige Male mit Mundfaule verbunden; auf
Ipecacuanha oder Tannin etc. sich bessernd, oft spontan heilend,
zuweilen mit langsamer Abzehrung, mitunter in plötzlichem Tode
endigend; immer neue Bilder, oft bei demselben Kranken wechselnd,
vorgestern dünnflüssiger, gestern schleimig-eitriger Stuhl, heute ge-
formt mit frischen Blutgerinscln ; — ich habe bei meinem kleinen
Material die Aetiologie nicht entwirren können. Worauf ich am
meisten fahndete, Darmparasiten habe ich nie mit Sicherheit naeh-
weiseu können. Ein ursächliches Moment war wohl W echsel in der
Ernährung (für Melanesen ungewohnter Reis), ein anderes Erkältungen;
— Verdacht auf ein specifisehes Contagium habe ich nie schöpfen
können.
Gonorrhoe war weit verbreitet unter den Farbigen, wie ich
bereits in Cap. IV. erwähnt. Ihre zeitraubende, monatlange Be-
handlung, namentlich der Weiber — desinficirende Waschungen und
Ausspülungen, Ichthyoltampons u. s. w. — machte diese Art Kranken
zu Stammgästen des Hospitals. Dabei war eine besondere Crux die
Absperrung derselben aus gesundheitspolizeilichen Gründen, die um
so schwieriger durchzufüliren war, als fast niemals subjective Be-
schwerden die Libido sexualis einschränkten. Es fehlten nämlich
— im Gegensatz zu den Europäern — alle schweren Complicationen,
wie Cystitis, Epididymitis, Pyosalpinx u. s. w.; nur spitze Condylome
und Erosionsgeschwüre kamen vor.
Den Blattern widme ich ein besonderes Capitel.
Lungentuberculose kam zu meiner Zeit nur bei drei
Melanesen vor, allemal bei Leuten, die als Besatzung des Compagnie-
dampfers in Sidney gewesen waren. Alle drei hatten massenhaft
Tuberkelbacillen im Sputum und erlagen ihrem Leiden.
Bronchitis war häufig, aber nie schlimm.
Ilerzklappenfehler constatirte ich zweimal an Leuten, die
kurz vorher die Blattern Überstunden hatten.
Ein Empyema pericardii ergab einmal die Section bei einem
Melanesen, den ich bei Lebzeiten als Simulanten angesehen. Er
hatte kein Fieber und reine Herztöne gehabt; und ich hatte versäumt,
die Herzgrenzen genau zu bestimmen.
AerzÜiehe Erfahrungen in Neu-Guinea.
289
die bei Tage schärfer sahen als ich, konnten Nachts z. B. nicht als
Bootssteuerer benutzt werden, weil sie nicht über eine Bootslänge
hinaus wahrschauten.
Von Hautleideu sah ich echte Psoriasis nur einmal. — Krätze
und Ringwurm, oft universell, waren unter den Schwarzen ungemein
häufig, bei den gelben Rassen seltener. Den Pilz des Herpes ton-
surans habe ich nicht nachgewiesen, Krätzmilben jedoch wiederholt
gefunden. Styrax und Peiubalsam gegen Scabies, Chrysorabin
(5 — 1 0 °/0) gegen Ringwurm waren die üblichen Heilmittel. Nur
universeller Ringwurm war äusserst hartnäckig, doch habe ich für
die Behauptung, dass er marantisch mache und für andere Leiden
prädisponire, kein überzeugendes Beispiel gesehen.
Hier mögen noch die vereinzelten Fälle von Giftwirkung,
die ich gesehen, ihren Platz finden. Gar nicht selten kamen Schwarze
mit der Klage über „Fischbisse“. Sie zeigten minimale aber sehr
schmerzhafte Verletzungen an den Extremitäten, bekamen hohes
Fieber, lagen 2 — 4 Tage arbeitsunfähig herum, und gingen dann,
ohne besondere Behandlung (ausser Wundreinigung, Umschläge,
Wein etc.), genesen wieder zur Arbeit. Es ist von Steinbach*) aus
Jaluit aufmerksam gemacht, dass einige Fische der Südsee erectile
Stachelflossen mit Giftdrüsen besitzen. Ich habe vermuthet, dass es
dergleichen auch in den Gewässern Neu-Guineas giebt.
Wirkliche Fischvergiftung mit tödtlichem Ausgang kam ein-
mal vor.
Nr. 38. (Fischvergiftung.) Etwa SOjähriger, äusserst kräftiger Javane.
18. II. 96. Der Mann hat sich die lieber eines Fisches gebraten, den die
Papuas „buliii“ nennen (den mir Niemand zoologisch bestimmen konnte), und
dieselbe trotz der Warnungen der Neupommern, welche eben diese Leber als
„no good“ weggeworfen hatten, verspeist. Zw'ei Stunden später war er tot auf-
gefunden. Die alsbald in Gemeinschaft mit lim. Stabsarzt Matthisson von S. M. S.
Möwe vorgenommene Section ergab keinen Anhaltspunkt für eine andere Todes-
ursache, so dass „Vergiftung“ die wahrscheinlichste Diagnose blieb. Im Magen
fanden sich noch theilweise unverdaute Reste der gebackenen lieber.
Endlich muss ich noch verschiedene dunkle Fälle erwähnen,
in denen die Diagnose bei Lebzeiten gamicht und auch auf dem
Secirtisch nicht genügend aufgeklärt wurde.
Nr. 89. Etwa 20jährige Melanesin. Die kräftige und gut genährte Frau
hat Ende Januar 96 einen fieberhaften Bronchialcatarrh durchgemacht.
In der Nacht vom 6. zum 7. II. 96 bekommt Pat. plötzlich Haemoptoc,
*) Veröffentlichungen von Gelehrten und Forschungsreisenden aus deutschen
Schutzgebieten 1895.
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290
I)r. Otto Denipvvolff.
die aber auf Ruhe bald steht. Tags über hustet sie wenig, hat geringes Fieber
und behauptet krank gezaubert zu soin und sterben zu müssen. Der
Zustand ihrer Organe bietet keinen Anlass zu irgend welcher Besorgnis.«. specteG
das Herz functionirt kräftig und regelmässig.
In der Nacht zum 8. 11. treten Beängstigungen auf und Morgens lh.S0a.rn.
stirbt sie, ehe ich gerufen werden konnte.
Sectiousprotocoll vom 8. II. 96. 11 h. a. m. Gut genährte weibliche
Leiche einer Mclanesin. Totenstarre in allen Glicdmaassen. Uedem beider Unter-
schenkel. Spuren äusserer Verletzungen nicht zu finden. — Pupillen eng. Zunge
zwischen die Zähne geklemmt. Aas dem Munde quillt etwas Speichel. —
Beim Oefihen der Bauchhöhle fliesst etwa V« Liter klarer gelber Flüssigkeit
heraus. Vorgelagerte Eingeweide blass. Rechter Leberlappen durch Binde-
gewebsstränge an den Rippenrand geheftet. Zwerchfellstand beiderseits 4 Rippr
In den Brusthöhlen keine Flüssigkeit, im Herzbeutel vier Esslöffel klarer
gelben Ergusses. Im rechten Herzen dünnes rothes Blut und Speckgeriu-ei:
linkes Herz, stark zusammengezogen, enthält nur wenig geronnenes Blut. Rla]>pec
intact. Endocard sehr blass, von spiegelndem Glanz. Myocard derb, blass, frv:
von Fettzeichnung. —
Rechte Lunge: Ober- und Mittellappen zeigen an der Oberfläche punkt-
förmige Blutaustritte, die an einer markstückgrossen Stelle confluiren. Di.~
Stelle, der ganze rechte Unterlappen und der rechte Überlappen sind von derber
Consistenz und zeigen auf der Sclmittfläche dunkelrothbraune Farbe, feinst
Kornelung und leberartiges Aussehen. Alle anderen Paiticn der Lungen sind
vou normaler Beschaffenheit.
Die Milz ist zum Tbeil bindegewebig mit dem Zwerchfell verwachsen, i.nr»
22 cm lang, 15 cm breit, 8 cm dick, von derber Consistenz. zeigt auf der Schnitt-
fläche deutliche Follikel und Balken.
Nieren klein; Capsel ziemlich adbäreut, zeigt stellenweise Blutustritte
Oberfläche grob gekörnt, blass gelbbraun; Schnittfläche, namentlich in der Rmdea-
substanz deutlich gezeichnet.
Blase contrahirt. Uterus nicht vergrössert. Ovarien enthalten mehrere lo
Haselnuss grosse Cysten.
Von einer weiteren Section der Unterieibsurgnne muss aus äusseren Grund«
Abstand genommen werden.
Diapuose: Multiple Lungenentzündung (deren Ansdehnung den plötzlicher
Tod kaum erklärte), Milzgeschwulst.
Nr. 40. Etwa 18jühriger Yabim. 6. XII. 96. Hat Tags über gearbeitet
ist Abends unter Schmerzen zusammengebrochen, ins Hospital gebracht, alstal-
veretorben.
Section am 7. XII. 96. 12 h. a. m. Kräftig gebaute laiche. Totenstarr
in allen Gliedern; Borken und Narben von Kratzpusteln. Kein Zeichen äusserer
Verletzungen. Mund geschlossen, ohne Aetzungen. After dgl. Nase und Ohre«
frei. Pupillen weit. Keine Oedeme. — In der Bauchhöhle keine freie Flissi-
keit. Dünndarm massig aufgetrieben, nirgends verfärbt, blass. Zwerchfellstast
rechts 3., links 4. Rippe. Beim Ablösen des Brustbeins findet sich hinter de®
Griff desselben, durch lockeres Bindegewebe befestigt, eine blassrothe Drüsec-
iiiasse, die beim Freipr&pariren nach oben bis V, cm von der gut entwickelt!»
Schilddrüse reicht, nach unten bis 5 cm liiuter das Sternum sieh erstreckt, utri
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Aerztliche Erfahrungen iu Xeu-üoinea.
•29 t
die ganze obere Brustapertur ausfüllt. Unterhalb derselben, im vorderen
Mediastinum, sitzen einige weiche, nussgrosse Lymplidrüsen.
ln beiden Brusthöhlen keine, im Herzbeutel ein Theelöffel klarer Flüssigkeit.
Herz grösser als die Faust des Mannes ; beide Kammern schlaft und bis weit in
die Schlagadern mit Speckgerinseln gefüllt. Klappen frei, Eudocard glatt, Musku-
latur ohne besondere Zeichnung. Beide Lungen stark durch Luft aufgetrieben,
überall von polsterartiger Consisteuz. glatter, blasser Oberfläche, glatter dnokel-
rother Schnittfläche, auf der sich weisser. blasiger Schaum ausdrücken lasst
An Leber, Milz und Nieren ist makroskopisch nichts Krankhaftes zu
'dien. Bei der Herausnahme des Darmes findet man im Mesenterium zahl-
reiche weiche, hasolnnssgrosse Lymphdriisen. — Der Wurmfortsatz ist 10 cm
lang, nicht verwachsen. Speiseröhre und Dünndarm dicht am Duodenum werden
abgebunden und sammt dem Magen herausgenommeu. ln der Speiseröhre dünner,
weisslicher Speisebrei; der Mageninhalt besteht aas grünlicher ((«alle), mit Fett-
tröpfchen durchsetzter (01. Ricin.), nicht besonders übelriechender Flüssigkeit, in
welcher als einziger fester Bestandtheil ein erb.sougros.ser, grünlicher Brocken
von pflanzlicher Stmctur sich befindet. — Im Duodenem nur dünnflüssige Galle.
Diagnose: Herz- und Lungenlähmung aus unbekannter Ursache. Restirende
Thymus, multiple Lymphdriisenschwelluugen. —
In diesen und ähnlichen Fällen hätte eine chemische, histo-
logische und bacteriologische Untersuchung wohl mehr Licht in den
Zusammenhang gebracht, und die Forderung einer kleinen Labora-
toriumseinrichtung drausscu ist nicht nur wissenschaftlich erwünscht,
sondern verspricht auch practischen Nutzem —
Zum Schluss will ich nur kurz einen Blick aut' die Ursachen
unserer ungünstigen Morbidität und Mortalität werfen.
Die Ungewissheit der Diagnose intra vitam, wie ich sie an
einigen Beispielen illustrirt habe, lässt sich erweitern zu einer grossen
Unwissenheit über die natürliche Hygiene und Pathologie bei den so
verschiedenen Menschengruppen, aus derten unser Arbeitermaterial
zusammengewürfelt war: ihr Leben unter normalen Bedingungen
kannten wir zu wenig, um unsere abnormen Verhältnisse thunlichst
darnach einrichten zu können. Directe Folge davon ist die Unsicher-
heit in der Therapie, die sich nicht weit vom Nihilismus des „nil
nocere‘* entfernt. Ein weiterer Factor war der in Cap. I erwähnte
Umstand, dass unser Arbeitermaterial nicht eine Auslese der Besten,
sondern einen Ausschuss der Ueberzähligen ihres Volkes darstellte;
speciell die chinesischen Kuli waren oft der Auswurf der Itasse. —
Den dritten Factor endlich, das Klima Neu-Guineas, können wir
erst dann beurtheilen, wenn die beiden ersten ungünstigen Momente
ausgeschaltet sein werden. Wie drausseu versucht wird, Erfahrungen
zu sammeln und zu hygienischen Maassnahmen zu verwerthen —
durch Ueberwachung des Anwerbegeschäftes , durch vorzügliche
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202
Dr. Otto Dempwolff.
Arbeiterwolmungen, durch Versuche in der Massenemährung, durch
Ansiedelung ganzer Arbeiterfamilien u. s. w. — das auszuführen, ist
hier nicht der Ort.
VI. Eine Blatternendemie.
Musste das vorige Capitel sich auf eine dürftige Mosaik von ver-
schiedenartigen und oft unvollkommenen Beobachtungen beschränken,
so will ich versuchen hier, ein zusammenfassendes Bild von einer
Seuche zu geben, die von April bis Juli 96 unsere Station heimsuchte:
eine Blatternendemie unter den Farbigen.
Blattern hat es offenbar lange vor unserer deutschen Colonisation
unter den Eingeborenen gegeben: das beweisen die Pockennarben
an den Nasen alter Tamul, die sie angeben, seit ihrer Kindheit zu
haben, das beweist der eigene Name, den diese Seuche jedenfalls in
einigen Dialecten hat.
Freilich, als man 1885 Kaiser Wilhelms-Land zu besiedeln be-
gann, war nirgends eine derartige Epidemie zu bemerken, und erst
die Kulieinfuhr aus Java und Singapore — wo beständig Blattern
endemisch Vorkommen — machte den Impfzwang aller angeworbenen
Arbeiter, namentlich auch der Schwarzen, nothwendig. Dazu wurde
Lymphe vom staatlichen Vaccine Institut aus Batavia bezogen.
Diese Lymphe wurde auf dem Postdampfer im Kühlraum unter Auf'-ict:
des Arztes mitgebracht und im Schutzgebiet möglichst bald nach der Abholung
von Bord verbraucht Die recht günstigen Resultate meiuer Impfungen bi.-
April 96 waren:
26. VII.
95 von 32 Erstimpfungen 31 erfolgreich
22. IX.
95 „ 22
22 „
22. XL
95 „ 32
1
6. I.
96 „ 17
15 „
26. n.
86 „ 11
43 „
Zusammen 112 Erfolge bei 147 Erstimpfungen = 76%. Am 22. XI 95
war das schlechte Resultat dadurch zu erklären, dass die Lymphe bereits 13 Tag'
an Land war.
Trotzdem ist es im Juni 93 durch Infection von Java aus zu
einer bösen Epidemie in Stephansort und anderen Stationen ge-
kommen, die erst 94 erlosch; und es ist leider wahrscheinlich, dass
von dort aus durcli heimkehrende Contractarbeiter die Seuche zum
Huongolf verschleppt ist. Dort hat sie jedenfalls 95 gewiithet und
ist von Süden nach Norden vorgedrungen, so dass wir Anfang 96
Aorztliclie Erfahrungen in Neu-Guinea. 293
niedrigen Inseln nach Neu-Pommem übergreifen. Während deshalb
dort für die Ansiedelungen auf der Gazellehalbinsel umfassende
Quarantaine-Maassregeln inscenirt wurden, stattete che Seuche un-
vennuthet uns auf der Hauptstation einen Besuch ab.
Am 21. IV. 96 trafen 104 neu angeworbene Farbige mit dem
Dampfer „Ysabel“ in Friedrich Wilhelms-Hafen ein, 87 aus den
Inseln östlich von Neu-Mecklenburg, 8 aus Neu- Lauenburg — nur
auf Monate für den Schilfsdienst geheuert — und 9 von kleinen
Inseln um Rook-Island. Von letzteren wurde ein Knabe, Samal mit
Namen, von dem Anwerber als fieberkrank in's Hospital geliefert
lind die Leiche eines Mannes zur Beerdigung ausgeschifft. Die
Section dieses bot nichts Besonderes, constatirte nur gänzliche Ina-
nition und als Todesursache Herzlähmung. Eine Besichtigung der
übrigen 103 ergab keinen hospitalbedürftigen Kranken.
Der Knabe Samal, mit dem sich Niemand verständigen konnte,
•wurde, weil er Nachts delirirend auf der Insel umherwaudelte, in
den einzigen verschliessbaren Hospitalraum, in die Weiberabtheilung
eingesperrt.
Am 23. IV. brachte der Postdampfer Stettin die frische Lymphe
aus Batavia, mit der am näclisten Morgen 95 der Neuangeworbenen
geimpft wurden.
Am selben Tage, am 24. IV., zeigte sich bei Samal ein ver-
dächtiger Ausschlag: linsengrosse Papeln mit oedematösem Hof und
kleiner Delle an Brust und Bauch, von derselben Farbe wie seine
Haut; dazu Oedem der Augenlider. Meine Diagnose „Blattern“ be-
stätigte mir der Missionsarzt Dr. Frobenius, der die Epidemie 1893
mitgemacht hatte. Das war am Vonnittage. Bereits am selben
Nachmittage werden folgende Maassregeln ausgeführt:
p. Samal wurde in’s Isolirhaus am Prinz Heinrichs-Hafen gebracht
und ihm zwei Schwarze als Wärter beigegeben, die angeblich 1893
schon die Blattern überstanden hatten; — deutliche Narben wies
keiner unserer Farbigen auf. Sämmtliche neu angekommenen
103 Leute wurden auf die Quarantäne-Insel Piawey gebracht, und
ihnen drei alte erprobte Melanesen als Aufseher mitgegeben. Die
Habe dieser Leute wurde verbrannt, das Schiff Ysabel gründlich mit
heisser Sodalösung gewaschen und mit Carbolkalk ausgestreut.
Endlich wurden sowohl unsere Arbeiter und durch Vermittlung der
Missionare die freien Eingeborenen vor dem Verkehr mit dem
Isolirhaus und der Quarantäne-Insel gewarnt, als auch die benach-
barten Stationen polizeilich benachrichtigt.
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294
Dr. Otto Dein|)wolff.
Bei dem Samal verbreitete sich am nächsten Tage der Aus-
schlag über den ganzen Körper; die l’apeln wurden, ohne ihre Farbe
zu verlieren, zu Pusteln, secernirten wässerig, confluirten theilweise,
bedeckten sich hier und da mit Borken, und wurden von zahlreichen
Schmeissfliegen umschwärrat, deren Stiche die qualvollen Schmerzen
offenbar noch erhöhten. Ilabei waren die Augen total Tersch wollen,
und die Lippen trocken zerrissen; die geschwollene, alter nicht
diffus gerütliete Mund- und Rachenschleimhaut war von schwarzen
Pusteln mit dunkelrothem Hof durchsetzt, die Temp. blieb hoch und
der ganze Kranke war ein Bild des Jammers. Kühlende Bäder.
Waschungen mit 1/4#/, Lysollösung, Borsalbe, sowie Getränke und
Früchte waren alles, was ich ihm zur Linderung bieten konnte.
Eine innerlich medicamentöse Therapie habe ich weder in diesem
noch in späteren Fällen versucht.
Am 26. IV. erlag der Kranke seinem Leiden und wurde un-
weit des Isolirhauses tief im Korallenkalk beerdigt; die beiden Wärter
wurden zur Nachquarantäne in -ein ehemaliges Pulverhäuschen auf
der Insel Beliao isolirt.
Die nach Piawey gebrachten Leute blieben während der nächsten
Tage gesund. Aber gerade in diesem wichtigen Fall versagte die
Lymphe gänzlich: nur ein Imptling bekam Pusteln. Inzwischen
bauten die Leute die seit 94 vorhandenen, aber arg schadhaften
Atapschuppen zu kleineren Häusern in Eingeborenmanier um, legten
Wege und Taropflanzungeil an, und benahmen sich bei meinen last
täglich ausgefiihrten Revisionen ganz einverstanden mit ihrem Schick-
sal, um so mehr, als sie wenig zu arbeiten, aber genug Lebensmittel
an Reis, Salzfleisch und Tabak vor sich hatten.
Da traten am 4. V. unter ihnen zwei neue Blatternanfälle aut
am selben Tage erkrankte ein Säugling aus dem Weiberhospital, ia
dem Samal intemirt gewesen war, alle unter denselben Symptomen:
nach dreitägigem prodromalem Fieber mit „specitischem“ Kreuz-
schmerz kamen kleine Papeln mit oedematösem Hof zum Vorschein.
Nun musste das Pockenhospital am Prinz Heinrich-Hafen wieder be-
zogen werden, diesmal unter einem javanischen Mandoer aus Stephani-
ort, der nachweislich die Seuche durchgemacht hatte; neue Gräber
wurden für alle Fälle 6 Fuss tiet in die Koralle gehackt, das Weiber-
hospital gründlich desinlicirt u. s. w.
Am 5. V. folgten zwei weitere Erkrankungen in Piawey unc
eine aus dem Weiberhospital. Der Tags zuvor eingelieferte Säugling
starb, während seine Mutter — auch späterliin — gesund blieb.
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Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 095
•
Bei diesen Kranken konnte ich schon zwei Formen unterscheiden :
die schweren, deren Bild dem geschilderten bei Samal glich, und
leichtere, wo nach denselben dreitägigen Prodromen die Papeln über
Rumpf, Glieder und Gesicht verstreut und zu zählen waren, nach
1 — 2 Tagen sich in Pusteln mit oedematösem Hof und Delle ohne
Farbveränderung verwandelten, die in weiteren 4 — 6 Tagen ohne
zu confluiren eine Borke bekamen, welche allmälig trocknete und
abfiel, so dass nach etwa 2 Wochen vom Ausbruch der Krankheit
an nur circumscripte helle Narben ohne Vertiefung zurückblieben, die
in 1 — 2 Monaten das normale Hautpigment wiederhatten.
Ich wäll hier gleich erwähnen, dass die leichteren Fälle sämmt-
licli — ohne Arzneimittel — heilten, von den schweren aber nur
2 und dies auf folgende Art: das Stadium der oft in Handteller-
grosse contluirenden und nässenden Pusteln mit stellenweisen , oft
abgekratzten und wieder getrockneten Borken dauerte etwa 2 Wochen;
die Leute sahen mit ihren verschwollenen eiternden Augen, mit der
oedematösen, rünstigen Haut schrecklich aus und litten offenbar
grosse Schmerzen. Während dieser Zeit waren indifferente Salben,
kalte Bäder, Lysolwaschungen (gegen die Fliegen) die einzige Ver-
ordnung, Wein, Cocosnussmilcli, Bananen die einzige Ernährung.
Heilten dann die Borken langsam ab — und gleichzeitig die Schleim-
liautaffectionen aus — , so kam unter dem abschilfernden Epithel
ein ganz abgemagertes Individuum mit hohlen, aber offenen Augen,
eingefallenen Wangen, schlotternden Gliedern und marmorirter oder
scheckiger Pigmentirung zum Vorschein. Unter guter Ernährung
rundeten sich dann in einigen Wochen die Formen, die Haut wurde
glatt und nahm ilir ursprüngliches universelles Pigment wieder an.
Narben — Oberflächenveränderung — hatten auch diese schwersten
F'älle fast nirgends, nur um die bei allen diesen Rassen sehr derbe
Nase, allenfalls am Mund und Stirn blieben unregelmässige Ver-
tiefungen zurück, die dem Antlitz etwas verwittertes gaben. Dieses
waren auch die einzigen Zeichen, welche jene alten Tamul aufwiesen,
die nach eigener Angabe vor vielen Jahren die „siasxi“ ül>erstanden
hatten. —
Ich kehre zum chronologischen Bericht zurück.
Am 6. V. erkrankte noch eine Frau aus dem Weiberhospital.
Ich rapportirte damals folgende U ebersicht meines Ressorts: Pocken-
lazareth 1 Wärter 6 Kranke; Qarantänestation Piawey 7 Geimpfte,
97 ohne Erfolg Geimpfte; im Hospital 2 Wärter, 35 Kranke, sämmt-
lich geimpft; in Nachquarantäne auf Beliao 2 frühere Pockenwärter.
Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. II. 22
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Pr. Otto Dempwolff.
296
•
Am selben Tage machte ich noch die unliebsame Entdeckung,
dass eine Anzahl gerade der ältesten Arbeiter ungeimpft auf der
Station umherlief. Einige intelligente Schwarze, die den Sinn der
Schutzimpfung begriffen, meldeten sich freiwillig, andere gestanden
es bei einer Generalvisite, die ich sofort abhielt Auf Impfharben
war nicht viel zu geben, da solche sich oft sehr schnell wieder normal
pigmentiren, andererseits manche Leute ähnliche Tätowirungsnarben
hatten. Alle vermuthlich Ungeimpften wurden mangels anderer
Localitäten im Getängniss isolirt. Zu erklären war diese betrübende
Thatsache hauptsächlich dadurch, dass vor meiner Zeit keine Impf-
listen geführt waren.
Bald darauf ereignete sich ein anderer unangenehmer Zwischen-
fall. In der Nacht vom 7. zum 8. V., während eines wüsten stunden-
langen Regens hatten einige der in Piawey Quarantainirten erst ein
Canoe und dann ein Boot gestohlen, das unglücklicherweise mit
Rudern am Ufer bei der Station lag, und waren ihrer 20, alle von
einem Dorf Lil der Geryt I)enys-Inseln stammend, vor Tagesanbruch
entflohen. Als zwei farbige Aufseher auf selbst gefertigtem Floss
mit der Meldung auf der Station ankamen, war es schon 8 Uhr
Morgens, die um 9 */» Uhr von mir mittelst Dampfpinasse unter-
nommene Verfolgung wurde durch ein Mi-ssverständniss in falscher
Richtung ausgeführt — die Flüchtlinge entkamen. Nach Gerüchten
der Tamul sind Leichen in der Vitiazstrasse angetrieben, was glaub-
würdig war, da das Boot nicht seetüchtig war, und die Leute keine
Lebensmittel mitgenommen hatten.
Am 8. V. war auch der Postdampfer rückkehrend wieder ein-
gelaufen, und konnte uns zufällig zwei Platten Kuhlymphe, die über-
zählig waren, überlassen. Damit impfte ich am 10. V. die 10 alten
Ungeimpften im Getängniss und verwandte den Rest zur Ueber-
impfung auf 2 Kälber behufs Selbstbereitung grösserer Mengen
Vaccine. Ich hatte kein Glück damit: die Impfpusteln verwandelten
sich bald in confluirende Krusten, von denen keine brauchbare
Lymphe zu gewinnen war.
Am 11. V. erkrankten wiederum 2 Leute von Piawey, und der
eine der in Nachquarantäne befindlichen Pockenwärter bekam unter
leichten Fielierbewegungen einen papulösen Ausschlag, der, ohne sich
in Pusteln zu verwandeln, in 14 Tagen abheilte — Variolois.
Dann starben in den nächsten Tagen die beiden erkrankten Weiber
und ein Mann, so dass bis dahiu die Seuche 1 1 Kranke und 5 Tote
gefordert hatte.
Aerztliohe Erfahrungen in Neu-Guiuea. 297
Dieser langsame aber unaufhaltsame Fortgang der Endemie
veranlasst*: mich zu einer Maassnahme, die sich in der Folge glänzend
bewährte: die humane Weiterimpfung auf alle ohne Erfolg Geimpften,
und späterhin auch auf alle überhaupt auf der Station anwesenden
Farbigen, die nicht in meine« Impflisten als immunisirt verzeichnet
waren. Ich führe hier das Resultat sämmtlicher humanen Impfungen
zusammen an:
Datum
Stammimpflinge
Impflinge
Erfolg bei
17. V.
2
7
7
18. V.
1
9
9
25. V.
8
62
58
8. VI.
33
187
164
12. VI.
1
5
4
Demnach sind innerhalb 5 Wochen von 270 Impflingen 250
mittelst 45 Stammimpflingen erfolgreich human geimpft (93°/„).
Der Rest von 20 Mann ist am 18. VI. nochmals mit Kuhlymphe
geimpft worden — ohne Erfolg — und darf als vorher immun an-
gesehen werden.
Ehe diese Immunisirung durchgeführt worden war und ihre
Erfolge entfaltet hatte, finden sich am 21. und 23. V. noch zwei
I’ockenfälle unter der Bedienungsmannschaft meines Quarantäneboots
«in, — alten Jungen, die angeblich längst geimpft waren; der eine
starb am 29. V.
Dazu kamen auf der Station und auf Piawey einige merkwürdige
Fälle vor: mit oder ohne Prodromalfieber zeigten die zum Theil
sicher geimpften Leute vereinzelte mit Borken bedeckte Pusteln ohne
Hof auf der Haut, die eine glatte helle, später pigmentirende Narbe
hinterliessen, sehr ähnlich den Pusteln bei den leichteren Pocken-
fallen. Ich hatte damals keine Gelegenheit einen anderen Arzt zu
consultiren; in meinen Lehrbüchern waren „Blattern bei Farbigen“
nicht besonders beschrieben, so nahm ich — in dubio pejus —
Variolois an und isolirte diese Leute — im Ganzen fünf — zu den
in Nachquarantäne befindlichen.
Am 30. V. erkrankte ein alter Arbeiter mitten auf der Station
an schweren Pocken (er starb am 6. VI) und gab Anlass, dass „die
Hauptstation polizeilich als verseucht erklärt“ wurde. Dieser etwas
zu krasse Ausdruck hatte strenge Absperrmaassregeln seitens unserer
Nachbarstation Stephansort und Verkehrsbehinderungen für den am
15. VI. eingelaufenen Postdampfer zur Folge.
Aber die Seuche hatte ihren Höhepunkt schon überschritten.
Am 1. VI. konnten die ersten 2 Geheilten in Nachquarantkne ent-
22*
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I)r. Otto Dempwolff.
lassen werden; am 8. VI. folgten die anderen nach, so dass das
Isolirhaus leer stand.
Am 12. VI. kam auch der grösste Theil der nunmehr erfolg-
reich Geimpften von Piawey zur Entlassung auf die Station.
Am selben Tage erfolgten zwei unerwartete Nachschübe:
Ein eben, eine Woche zuvor, geimpfter Mann, der sich heimlich
den Nachlass seines an den Pocken verstorbenen Landsmannes an-
geeignet hatte, erkrankte an der leichten Form der Krankheit Dieser
Fall hat noch ein besonderes klinisches Interesse: Pat. hatte die ge-
wöhnlichen Prodrome von hoher Continua, 40,2°, Kopf- und Kreuz-
schmerzen, entfieberte aber am dritten Tage unter heftigem Schweiss
und Erbrechen bis 36,4° und bekam sein Exanthem in Gestalt ver-
einzelter Papeln unter leichten Temperaturerhöhungen erst am
vierten Tage.
Die beiden anderen am 1 2. VI. auftretenden Blattemfalle waren
schwer — und für mich sehr betrübend. Die Kranken gehörten
zu jenen fünf Leuten, die von mir als an Variolois erkrankt zu den
in Nachquarantäne Befindlichen isolirt waren; und jene Annahme
„Variolois“ bedeutete eine Fehldiagnose. Sie klärte sich jetzt auf:
jene mit Borken bedeckten Pusteln rührten von Brandwunden her,
die als „Moxen“ bei einzelnen Stämmen der Südsee zur einheimischen
Therapie gegen Schmerzen gehören. Das hatte ich nicht gewusst;
mein Fehler lag aber darin, dass ich nicht die Abwesenheit des für
Blattern charakteristischen oedematösen Hofes um die Papeln, resp.
Pusteln beachtet hatte.
So musste das Isolirhaus wieder bezogen werden. Ein Kranker
starb am 19. VI.; die beiden anderen genasen — der Schwerkranke
offenbar nur durch die gute, europäische Ernährung, welche ihm die
Dame, in deren Hause er Diener gewesen, andauernd zukommen
liess — ; beide Pat. wurden am 5. VII. genesen entlassen.
Da auch längst — am 18. VI. — die letzten Leute aus
Quarantäne von Piawey weggeholt waren, da auch vier Wochen lang
kein Fall mehr vorgekommen war, so konnte das Erlöschen der
Seuche auf der Hauptstation Anfang Juli 96 amtlich ausgesprochen
werden; 2 '/« Monate nach dem Ausbruch. Im Ganzen waren
17 Schwarze erkrankt, 9 genesen, 8 gestorben.
Noch ein Nachspiel hat die Seuche gehabt, eine begrenzte Ver-
breitung unter den freien Eingeborenen, den Tamul.
Am 9. VII. kam mein Freund Labetot, Stammeshäuptling von
Gragett zu mir und erzählte: „beliatamol taimon mat, — siasxi
Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 299
funilak; am dangan asiis“ — „ein Mann vom Dorf Beliao ist ge-
storben, die Pocken haben ihn geschlagen; wir alle sind in Angst“.
— In der That ergaben Nachforschungen, dass in den Dörfern
Beliao (auf derselben Insel, wo unsere Nachquarantäne-Gebäude,
und auch das Europäer - Hospital lagen) , in Siar und Lilibob
einige Fälle vorgekommen und sogar den Missionaren verheimlicht
waren. Offenbar waren dieselben durch unerlaubten Verkehr und
Tauschhandel mit den Stationsarbeitem eingeschleppt. Es wurden
in den nächsten Wochen 6 Kranke constatirt, von denen 2 starben.
Die Symptome waren die nämlichen, wie bei unseren Schwarzen; die
einheimische Behandlung bestand in sehr sorgtältiger Pflege seitens
der Verwandten; als quasi Medicament wurde nur die rothe Farbe,
mit der sich die Tamuls sonst festlich bemalen, als Streupulver auf
die Pusteln benutzt Dieses ist meist Bleimennige, selten rothe
Erden; erstere haben wohl eine gewisse desinficirende Wirkung,
letztere sind austrocknend: diese Therapie also recht vernünftig.
Eine weitere Ausbreitung der Seuche unterblieb, wohl weil seit Jahren
•durch die Missionare und uns alle Kinder imentgeltlich geimpft
waren — die alten Leute aber die Ueberlebenden früherer Epidemien
darstellten. Anfang September konnte auch hier die Seuche als
erloschen betrachtet werden; und Anfang October konnte ich, beauf-
tragt zu Recherchen in den umliegenden Eingeborenendürfem, nach
fünftägiger Buschtour berichten, dass „zur Zeit das Herrschen einer
Blattemepidemie unter den Eingeborenen auf Inseln wie in Berg-
dörfern in Abrede zu stellen sei“,. — So ist denn auch bis zu den
letzten Nachrichten von Anfang 98 die Astrolabe-Bai von fernerem
Auftreten der Seuche verschont geblieben.
Als Ilesume der Erfahrungen bei dieser Blatternendemie fasse
ich zusammen:
Die durch einen Kranken aus der Gegend von Rook-Island ein-
geschleppte Seuche fand ihre Verbreitung auf und bei der Station
aus folgenden Ursachen: ein Theil der älteren Arbeiter war noch
nicht erfolgreich geimpft, ohne dass Jemand darum wusste; die
innere Absperrung einzelner Theile der Station gegen andere uni
gegen die nähere Umgebung liess sich aus Mangel an zuverlässigem
Aufsichtspersonal nicht strikt durchführen; die frische Kuhlymphe
für die Neuankömmlinge versagte. Dazu vermehrte die Zahl der
Kranken um zwei Fälle die Fehldiagnose: für Variolois gehaltene
Moxen.
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Dr. Otto Dempwolff.
Zur Bekämpfung der Seuche erwiesen sich alle Isolirungsvor-
kehrungen als unzweckmässig, vielmehr erstickte dieselbe an der
Immunisirung aller in Frage kommenden Farbigen durch humane
Weiterimpfung.
Die zum Theil seit Jahrzehnten nicht revacdnirten Europäer
wurden von der Krankheit nicht berührt.
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II. Besprechungen und Littera turangaben
a) Hygiene. Physiologie und Statistik.
Lm Troupei Coloniales. Statistique de la Mortalitd. F. Borot et U. A. Legrand.
Paris-Bailliere et FiLs, 1897.
In sechs Capiteln behandeln die Verfasser die Mortalitätsstatistik der Colonial-
truppen von 1891 bis 1895 von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Diese
bestehen in der Hauptsache in Vergleichen der allgemeinen Mortalität der ein-
zelnen Jahre, des Alters der Soldaten und Unterofficiere, denen ein Vergleich mit *
fremdländischen Colonialtruppen folgt, sowie eine Gegenüberstellung der Mann-
schafts-Mortalität zu der der Officiere verschiedener Grade. Dann ist hervorge-
hoben die Mortalität je nach den einzelnen Colonien, die Ursachen der Mortalität,
die Mortalität der einzelnen Expeditionen der colonisirenden Mächte, worunter
Deutschland fehlt, und die Mortalität in den einzelnen Epidemien. Während die
allgemeine Mortalität der Mannschaften des französischen Heeres in Frankreich
1896 auf 5,29 pro 1000 festgestellt ist, führen Schlussfolgerungen aus Resultaten
einzelner Jahre bei den Colonialtruppen irre, da die Curven der einzelnen Jahre
sehr unregelmässig sind; deshalb haben die Verf. dieselbe aus einer 5jährigen
Periode bestimmt, sie beträgt darnach 42,95 pro 1000 und nach den einzelnen Jahren
von 1891 bis incl. 1895 41, 88, 25, 27, 76 pro 1000. Davon hatten die Marine-
infanterie 44,38, die Disciplinarabtheilung der Füsiliere nur 4,99. Das Alter
spielt eine grosse Rolle. Soldaten von 21 Jahren zeigten 10, 92 pro 1000 Mor-
talität, von 20 Jahren 6,72, vom 21. bis 26. Jahre etwas mehr, das Alter von
27 — 30 Jahren hatte die geringste Ziffer mit 7,14. Da nachweislich im 2. Dienst-
jahre des Soldaten die höchste Sterbeziffer vorhanden ist, im 1. Jahre die nied-
rigste, und die Zahl der Soldaten im Alter von 20 Jahren fast nur in das 1. Dienst-
jahr fällt, so ist deren niedrigerer Mortalität kein grosses Gewicht beizumessen.
Es stellten vielmehr weitere Untersuchungen fest, dass Soldaten unter 28 Jahren
sich am schlechtesten akklimatisiren, vom 25. Jahre erst ist ein bedeutendes Her-
absinken der Mortalität bemerkbar, welche am geringsten wird mit 34—85 Jahren.
Der Vergleich zwischen der Officiers und Mannschaftsmortalität giebt als Resultat
eine nur etwas geringere Sterbliehkeitsziffer für die Oficiere = 39,8 und 7 mal
grösser als in Frankreich selbst, sie wurde geringer 1894/95, höher in den früheren
3 Jahren. Unter den Premierlieutenants und Capitänen (Hauptleuten) war die
Mortalität am höchsten, 78 u. 51, von da an abnehmend je nach der höheren
Charge mit Ausnahme der Bataillonchefs, die Militärärzte stellen 15,78 auf 1000.
Während die englische Colonialarmee eine Mortalität von ca. 17 pro 1000 aufwies, die
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11. Besprechungen und Litteraturangahen.
niederländische (jedoch im Verlaufe des Atjehkrieges) 1892 bis 1804 46 pro tOOu
betrag (welche nachher his auf 19 sich verminderte), und die spanische zwischen
12, 96. 40 und die auf den Philippinen 67, 80, soll die der Franzosen, wie dä»
Verf. daraus schliessen wollen, „im grösseren Theile ihrer mehr oder weniger
pacificirten Colonien bedeutend geringer sein“. Dieses ist durchaas willkürlich,
wenn nicht je nach dieser Eintheilung ihrer Colonien, auch die Mortalität der
fremdländischen Truppen berechnet wird, was im Folgenden nicht immer geschieht
Vielmehr werden nur Vergleiche zwischen den Expeditionen der französischer
Truppen mit denen der englischen, holländischen, italienischen und spanischen ge-
macht, die sich, wie auch die vorgenannten Vergleiche, nicht auf die gleichet
Jahre beziehen, sondern oft bis zu 20 Jahren, wie auch geographisch-klimatisch
sehr auseinander liegen. Z. B. war 1874 die Mortalität der Holländer im schlimm-
sten Kriegsjahre auf Atjeh (während im indischen Archipel Cholera herrschte.
92, 1894 aber 16,35 auf 1000 Europäer und 22,94 auf 1000 malayische Sol-
daten, und 1862 iin mexikanischen Feldzuge verhielt sich die Mortalität durch
feindliche Geschosse zu der durch Krankheiten bei den Franzosen wie 49 zu 14a
ln Daliomey hatten die Franzosen 1892 — 1893 eine Gesammtmortalität von 154.1c
auf 1000 Europäer und 36,20 auf 1000 Eingeborne; die Spanier 1876 auf des
Philippinen mit 109, auf Cuba von 1895 bis 1896 mit 101.30 übertreffen
Mortalitätsziffer der französischen Expeditionen. Unter gleichen klimatisch*!
-Verhältnissen wäre es übrigens billig gewesen, sowohl diese Vergleiche als aiie
übrigen anzustellen, dann Algerien und Tunesien z. B. mit in Rechnung zu bringen,
wo bei Engländern, Holländern und Spaniern nur Tropencolonieo. bei Holländer:
sogar nur solche in den äquatorialen Gebieten in Frage kommen, führt diese
Aufstellung leicht zu Gunsten der Franzosen irre. Die Mortalität durch ver-
schiedene Krankheiten, speciell Cholera, Gelbfieber, Typho-Mularia, Dysenter,
belehrt uns, dass während der Expedition der letzten Jahre günstigere Verhält-
nisse durch Verbesserungen auf hygienischem Gebiete, obwalten.
In ihren „Conclusions“, welche fast in jedem Satze patriotische Ansrufe ent-
halten, kündigen die Verf. als nachfolgende Arbeiten an: „Maiadies des Soldat-
aux pays chauds“ und „L’hygiene des soldats dans les regions intertropicales".
welche ebenso willkommen sein sollen, als das hier besprochene, lehrreiche tu>:
fieissig zusammengestellte Buch.
C. Dä übler (Berlin).
Statistiqa tanitarla dell' armata per gli anni 1895 • 1896, Ulnittero della aiarim.
Rom 1898, Ludovico Cecchini.
Aus der amtlichen mit Kurven und Tabellen ausgestatteten Gesundheit-
Statistik der italienischen Flotte für die Jahre 1895—96 geht hervor, das-
die gesundheitlichen Verhältnisse sich gegen die früheren Jahre bedeutend ge-
bessert haben. Die Jahresziffer der Erkrankungen welche in den Jahnen 1874
—92 von 700 °/oo auf 400 Voo U[>d 1898—94 auf 882 •/« bez. 352 %» gesunkee
war, ist für 1895 und 1896 375'/« bez. 854%o- Die Tagesziffer der in ärzt-
licher Behandlung Befindlichen war 29°/oo bei. 28%, gegen 32 — 33 in frühe-
ren Jahren. Die Zahl der als untauglich Zuriickgewiesenen war 8-41 •/„ Rri
7.72'«). die der Todesfälle 1895 3.95 °/M, womit der niedrigste bisher berech-
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If. Besprechungen und Litteratu rangaben.
303
nete Durchschnitt von 1890 wieder erreicht wurde. Die hohe Sterblichkeit
des Jahres 1896 ist durch den Ausbruch des Gelbfiebers an Bord der „Lom-
bardia“ im Hafen von Rio de Janeiro, auf das Ertrinken von 8 Mann beim
Sinken eines Torpedoboots und auf die Xiedermetzelung von 10 Mann durch die
Somali bedingt.
Syphilitische und venerische Erkrankungen sind ain zahlreichsten, zeigen
aber eine leichte Abnahme.
Die an Land befindlichen Truppen hatten eine grossere Morbidität als die
Eingeschifften.
Der Bericht stellt mit Befriedigung fest, dass Dank der strengeren Aus-
wahl bei der Aushebung und den Fortschritten der medizinischen und hygieni-
schen Fürsorge die ausgedienten Leute fast in derselben Zahl zu den Familien
und ins Erwerbsleben zurückkehren wie sie gekommen sind!
M.
Zur geographischen Pathologie Siams von Chr. Rasch. Janus 1897. Bd. 1, März-
April.
Gelegentlich seines Aufenthaltes in Siam sammelte Verfasser über die Häufig-
keit pathologischer Erscheinungen folgende Erfahrungen, die zugleich seine frü-
heren Mittheilungen über-denselben Gegenstand (Yirchow’s Archiv, Bd. 1 40, Heft 2)
ergänzen sollen.
Sehr selten scheinen in Siam vorzukommen — wenigstens begegnete Ver-
fasser ihnen nur sehr vereinzelt oder auch gar nicht — Nephritis (auffällig in
einem so exquisiten Malarialando, bestätigt von Gowan), Rachitis, Carcinom (auch
Gowan), Hämophilie, Noma; verhältnissmässig selten oder wenigstens nicht häufiger
als bei uns dürften Vorkommen: Erkrankungen des Herzens und der Gefässe,
gelbe Leberatrophie und perniciöse progressive Anämie. Zu recht häufigen Er-
scheinungen dagegen zählen Struma (Cretinismus dagegen indessen wohl selten),
Erolithiasis (auch von Campbell, Gowan, Scheube beobachtet), besonders bei den
Farbigen auftretend (ausschliesslicher Genuss des rohen Menamwassers), Furun-
culosis (vorzugsweise zur heissen Jahreszeit), Angina follicularis, sowie Hämato-
Cbylurie, Elephantiasis Arabum, gewisse Erysipelformen, varieöse Leistendrüsen,
Hodenentzündungen. Hydrocele und Lymphosarcom, die letzten 7 Krankbeitszu-
stände neuerdings nur für Symptome der Filariakrankheit erklärt (nur bei Far-
bigen constatirt).
Von thierischen Giften erwähnt Verfasser die Schädlichkeiten, welche die
Mosquitoplage hervorruft, ferner die sehr häufigen Stiche der Scorpione und Sco-
lopender, sowie die verhältnissmässig seltenen Bisse giftiger Schlangen. Von
pflanzlichen Giften verdienen Beachtung der Saft und die Ausdünstungen des
Lackbaumes und die Lamphongf nicht, die. um beherzt zu werden, genossen
wird, aber Schwindel und bei höherer Dosis auch Geisteskrankheit hervorzu«
rufen im Stande ist. Die I,amphong-Intoxication.spsychosen erinnern lebhaft
an die narkotischen Rauschzustände der Jakuten und Jukagiren. Cannabis indira
wird nur selten, und dieses zumeist von den in Siam lebenden Hindus, geraucht. —
Da Siam das einzige Ijmd sein soll, wo Albinos unter den Elephanten Vorkommen,
so befremdet der Umstand einigermassen, dass unter den Eingeborenen dies«
Zustand nur sehr selten angetroffen wird.
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304 II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Des weiteren giebt Verfasser ein Verzeichniss der einheimischen Bezeiii-
rrangen für ein« Reihe von Krankheiten und ihrer Symptome. Er sch li esst sei»?
Mittheilungen mit einer Mortalitätsstatistik der Fremdenlegion. Wir ersehen m
dieser Zusammenstellung, die sich auf die Jahre 1864 bis 1892 bezieht, dass sei
die Sterblichkeit im Laufe der letzten Jahrzehnte gebessert hat. Dank der grösser«
Beachtung, welche die Europäer jetzt mehr der Hygiene schenken, und ihrer je«
massigeren I .ebenswei.se. Auffällig ist unter den Sterblichkeit™ rsaehen der ge-
ringe Procentsatz, den dieselben für Malaria stellen; unter 96 Todesfällen in das
angegebenen Zeiträume nur 6 Fälle, was möglicher Weise aber darauf beruh es
mag, dass mancher derartiger Kranker des Klimawechsels halber ausserhalb des
lindes geht Für die Eingeborenen besteht nicht die von manchen Autoren ihnea
nachgerühmte Immunität Auch für Cholera ist das Sterblichkeitsverhältniss der
Europäer ein niedriges: unter 96 Todesfällen nur 5 Fälle. Hingegen erfordert
die meisten Opfer die Dysenterie: unter 96 Todesfällen 15. — Bezüglich der Yer-
theilung der Sterblichkeit auf die Jahreszeit findet Verfasser, dass diese am grössten
in den Monaten März, April, Mai, August und September (heisse Jahreszeit und
Hegenzeit), am niedrigsten in den Monaten Oetober bis Ende Februar (trockne
und kalte Jahreszeit) ist.
0. Busch an- Stettin.
Les yeux et les fonction* visuelles des Congolais von E. Pergens. Janus, März-
April 1698. p. 459—463.
Aus der kurzen Mittheilung von P. interessirt besonders das Resultat, wel-
ches die Untersuchung der Sehschärfe, besser Sehleistung von 50 Congobewohner:
ergab. Es wird dadurch die Liste der bis jetzt nach dieser Richtung hin unter-
suchten Naturvölkern in anerkennenswerther Weise vervollständigt. Die Prüfung
wurde mit der Steiger’schen Hakentafel für Analpheten vorgenommen (im Freien '- ;
da aber diese Tafel im V ergleieh zur Snell’schen 4/> mal so leicht zu erkennen
ist, muss jedes einzelne Resultat mit */« multiplicirt werden, so dass also besst-ieö-
weise eine mit der ersteren erhaltene 4 fache Sehleistung in Wirklichkeit eet
einer 3fachen entspricht. Demgemäss müsste die ganze Tabelle reducirt wer!«
P. fand nur:
8 = 1
S = 1,5
ESI
ISI
ESI
bei 40 Männern
2
16 |
18
^ |
l
„ 10 Frauen
—
2
6
1
- 1
—
2
2
22
19
* 1
i
also S > 1 in ca. 92 %i da die ersten Columnen mit S = 1 und S = 1,5 nach vsr-
genommener Reduction auszuscheiden hätten. Die ursprüngliche Annahme, des
die Naturvölker den Culturvölkem mit ihren Sehleistungen so gewaltig überleget
seien, hat auf Grund vergleichender Untersuchungen modificirt werden müssea.
Aus der Cohnschen Zusammenstellung*):
•) B«rl. KUn. Wocbentchr. 1898. 3Jo. 20.
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11. Besprechungen und Litteraturangaben.
305
S 1 — 2
S 2 — 8 ;
S 3 — 4
S 4 — 8
8>1
238 Uncivilisirte
48%
40%
1%
5?
00
©
90 V.
2620 Civilisirte
62 „
23 „
3,6 „
0,3 „
90 „
2858 Untersuchte
61%
25%
CO
0,8 V.
90 Vo
geht hervor, dass auf beiden Seiten S> 1 bei 90% der Untersuchten vorhanden
war, wobei allerdings zugestanden werden muss, dass die Naturvölker mit 42%
S>2 die Culturvölker mit rund 27 % über ein Beträchtliches überragen.
Sehlaefke (Cassel).
Pestnachrichten.
Die Hoffnung auf ein baldiges Erlöschen der Seuche in Indien hat sich
nicht erfüllt. Mitte August meldete die Stadt Bombay das Wiederauf flackern
der Krankheit. Die dritte Augustwoche brachte 103 Todesfälle gegen 83 in der
Vorwoche. Die Verschlimmerung der large dauert an. Die erste September-
woche forderte in der Präsidentschaft Bombay aus 167 Districten über 2000
Todesfälle gegen 7 im ganzen übrigen Indien, die folgende Woche wies für die
Präsidentschaft 2800, für die Stadt 170 Todesfälle auf. Die letzten Nachrichten
vom 30. September verzeichnen 119 Todte in der Woche für die Stadt
Bombay, 3000 für die Präsidentschaft, 1 für Karachi, 2 für Kalkutta, 2 für
die Präsidentschaft Madras.
Der Bestätigung bedarf noch die Nachricht von dem Auftreten der Pest in
X all -T rang (Französisch -Hinterindien), wo sich das Inipfungs-I-ahoratorium von
Dr. Yersin befindet. M.
b) Pathologie und Therapie.
Malaria.
lieber die Wirkung des Chinin* auf die Leukocyten von C. Binz. Ann. internst, de
Pharmacodynamie. VoL IV, fas. III et IV.
Binz nimmt gegenüber den von Laveran (traite du paludisme) mehrfach ge-
äusserten Zweifeln Veranlassung, seine schon in den 70er Jahren gefundene und
seither durch zahlreiche Untersucher bestätigte Beobachtung über den lähmenden
Einfluss des Chinins auf die Leukocyten von neuem nachdrücklichst zu betonen.
In dieser Beziehung theilen die Leukocyten genau das gleiche Schicksal mit den
Malariaamöben. Damit soll aber keineswegs die Frage berührt werden, ob die
I.eukocyten bei der Heilung der Malaria unter Umständen doch eine Rolle spielen
könnten. Da Laveran selbst hervorhebt, dass das Chinin die Malariaparasiten
sicher tödte, so ist zunächst nicht einzusehen, warum noch die Leukocyten bei
dem Heilungsvorgange neben dem Chinin in Action zu treten hätten. Wohl aber
ist auch Binz davon überzeugt, dass diese Körperchen bei der Spontanheilung
der Malaria (ohne Chinin) durch Phagoeythose betheiligt sind.
0. Schellong.
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306
II. Besprechungen und Littcraturnngabcn.
Ueber Malaria- und andere Blutparatiten nebst Anhang: Eine wirksame Methode der
Chromatin- und Blutfärbung von Dr. Hans Ziem&nn, Marinestabsarzt. 180 Seiten
mit 165 farbigen Abbildungen und Photogrammen auf 5 Tafeln und 10 Fieber-
curven. Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1898.
Im Vorwort giebt Verf. au, dass seinen Studien Malaria-Fälle zu Grunde
liegen, die er 1894 im Mariuelazareth zu Wilhelmshaven, 1894/95 an Bord
8. M. S. „Hyäne“ in Kamerun und auf einer sechsmonatlichen Studienreise v»»n
April bis September 1897 in den Fiebergegenden Italiens beobachtete. Ausserdem
wurden noch eine grosse Anzahl von Vögeln und Kaltblütern untersucht, um
Material für ein vergleichendes Studium der betreffenden Blutparasiten zu ge-
winnen.
1. Historischer Ueberblick.
Nachdem der Verf. kurz die grundlegenden Arbeiten Golgi's und der
Italiener gestreift hat. kommt er unter
2. Eintheilung der Malaria-Parasiten
auf seine eigenen Untersuchungen zu sprechen. Er verfügt über ein Material
von 254 Malaria-Fällen, und zwar umschliesst dieses Material heimische, italienische
und tropische Malaria. Mannaberg’s Eintheilung in Parasiten mit Halbmond-
bildung und ohne Halbmondbildung nimmt er an. Allerdings weist er die An-
sicht M's.f dass die Halbmonde durch Vereinigung zweier Parasiten entstünden,
zurück. Er tritt sodann Laveran’s Ansicht, dass der Malariaparasit einheitlich
aber polymorph sei, mit demselben Grund entgegen, den Ref. in seinem Referat
über Laveran's neuestes Werk „Tratte du paludisme“ auch schon angeführt batte:
Z. sagt wörtlich: „die degenerirenden Parasiten der leichten heimischen Malaria
werden aber nie zu Halbmonden. Letztere gehören vielmehr nur den Parasiten
der bösartigen Tropen- bezw. estivo-autumnalen Fieber an.“ — Auch erkennt er
den Unterschied zwischen dem Golgi'schen Tertiana- und (Junrtana- Parasiten an.
Ob der sogenannte kleine Parasit verschiedene Abarten hat, lässt Z. noch offeu.
Einen Parasiten der Tertiana maligna will er eventuell noch gelten lassen. Die
Fieber mit langen Zwischenräumen erklärt er dadurch, dass einzelne Parasiten
durch das Chinin nicht vernichtet würden und nun lange Zeit brauchen, bis sie
sich wieder so weit vennehrt haben, um einen neuen Anfall auszulösen. Beweis
für die Richtigkeit seiner Annahme scheint ihm der Umstand zu sein, dass solche
Fieber mit langen Zwischenräumen nach einer energischen und zeitig genügend
anhaltenden Cbininbehandluug selten oder gar nicht beobachtet werden.
3. Allgemeine Morphologie und Biologie der Malariaparasiten.
Nachdem die Ansichten der Italiener und Mannabergs über den feineren
Bau der Parasiten und über die Veränderungen, die sie während der Foit-
pflanzungsperiode erleiden sollen, mitgetheilt sind, werden die Ausdrücke ..Plas-
modien, Sporen und Sporulation“ als unrichtig bezeichnet. letztere beiden des-
halb, „weil die sogenannten Sporen von den jungen Parasiten in der Struktur
gar nicht zu unterscheiden sind“. Es ist das nach Verf. ’s Ansicht wichtig, weil
man den Sporen eine ganz besondere Widerstandskraft gegen Chinin bounass.
Die Darstellung des allgemeinen Entwicklungsganges der Parasiten entspricht
dem in den früheren Arbeiten gegebenen. Ausdrücklich bemerkt Z. noch, dass
die Entwicklung sümmt lieber zur Fortpflanzung kommenden Malaria-
parasiten an die rothen Blutzellen gebunden ist, und dass er eine
II. Besprechungen und Litteratu rangaben .
307
sei bstständi ge Fortentwicklung im Pias ma, wie sie La veran annimmt,
■vorläufig nicht anerkennen kann. Dies schliesst aber nicht aus, dass die
Parasiten manchmal 'len Blutkörperchen nur angeheftet sind. Als Beweis für
dieses Vorkommen wird der Umstand angeführt, dass man öfters in gefärbten
Präparaten die Parasiten — und zwar die kleine Parasitenart — theilweise den
Hand des inficirten Blutkörperchens überragen sieht.*) Andererseits erklärt diese
Thatsacho wiederum die Erscheinung, dass die kleinen Parasiten mechanische
Hindernisse im Capillarkreislauf finden und sich in den Capillametzen der inneren
Organe ansammeln.
Viele der Parasiten werden steril und erscheinen dann als grosse, ninde,
freie Körper, deren Pigment lebhaft beweglich ist (Sphären). Ein Unterschied
zwischen den Sphären der Tertiana- and ljuartanaparasiten liess sich nicht er-
nennen. Sowohl von den Sphären der grossen als auch der kleinen Parasitenart
können sich kleine runde Stücke abschnüren, die ebenfalls lebhafte Pigmentbe-
wegung zeigen, uud diese Körperchen sind es, die wahrscheinlich Laveran zum
Glauben an ein extraglobuläres Dasein der Parasiten gebracht haben. Der Ein-
wurf Mannaberg’s, dass es sich bei diesen kleinen runden Körperchen wegen der
grossen Beweglichkeit des Pigments nicht um kadaveröse Formen handeln könne,
erscheint nicht stichhaltig, da Verf. in 2 Fällen von Perniciosa bei der Section
noch 11 bezw. 14 Stunden nach dem Tode im Milzsafte solche kleine runde
Körperchen mit lebhafter Pigmentbewegung fand, während die amoeboide Be-
weglichkeit der endoglobulären Formen bereits erloschen war. Ausserdem lässt
sich an diesen runden freien Formen im gefärbten Präparat der allmälige
Untergang des Chromatins nachweisen. Natürlich kann man auch chromatinhaltige
Sphären finden, wenn ein rothes Blutkörperchen zerrissen und der fortpflanzungs-
fähige Parasit**) damit frei geworden ist.
Zwischen entwicklungsfähigen und sterilen Parasiten giebt es natürlich eine
Menge von Uebergangsformen. Der erste Anfang zum Sterilwerden der
Parasiten ist durch staubförmige Beschaffenheit des Chromatins gegeben. Dann
tritt eine auffallend starke Pigmententwicklung und Pigmentbeweglichkeit hinzu.
Das Pigment wird grobkörniger oder stäbchenförmig, und es lässt sich eine Vo-
lumenzunahme des betreffenden Parasiten über das Normale hinaus feststellen.
..Zwischen der Abnahme der vitalen Eigenschaften, speciell der Fortpflanzungs-
fähigkeit der Parasiten und der Zunahme des Pigmentes besteht ein directes
proportionales Verhältniss1' und umgekehrt.
In Bezug auf die jüngsten Formen bemerkt Verf.: „Im ungefärbten Prä-
parat Ist indess ihre Unterscheidung von Trümmern von rothen Blutzellen nur dann
leicht, wenn die jungen Parasiten sich noch nicht getrennt haben und noch in
der Nähe des Pigmenthaufens liegen. Starke Beweglichkeit können auch die
ebenfalls runden oder ovalen, abgeschnürten Stücke von rothen Blutzellen zeigen . . .
Aber auch hier (bei Quartana) getraute ich mich nie, einen jüngsten noch extra-
globulären, einzelnen (Juartana-Parasiten im lebenden Präparat als solchen zu
diagnosticiren”. (Mit dieser vorsichtigen Auffassung stimmt Ref. vollkommen
überein.) Die allerjüngsten , extraglobulären, chromatinhaltigen Parasiten der
*) Vom Ref. wiederholt bei Kamerun-Malaria beobachtet.
••) Junge extraglobuläre cbromatinloae Parasiten wurden nie beobachtet, wohl aber bei
leichten Recidiven jüngere endoglobuläre Parasiten mit wenig oder keinem Cbromatin.
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II. Besprechungen und Litternturaagabcn.
Sommer- Herbst- und Tropenfieber wurden nie im peripherischen, sondern nur
im Milzblut gefunden. Die Geisselformen sieht Z. als „untergehende“ Formen
an, weil sie gleich den freien, sterilen Sphären häufig eine Beute der Leukocyten
werden und lebhafte Pigmentbewegung haben. Im gefärbten Präparat wurden
sie nie gefunden.
4. Der Quartauaparasit und 5. Der Tertianaparasit
werden gemeinschaftlich abgehandelt. Für die erstere Parasitenart standen
10 Fälle italienischer Quartana und ein Fall aus Mittelamerika, für das Studium
der Tertiana 15 Fälle aus Deutschland, 18 Fälle aus Italien und Trocken präparate
aus St. Louis (Amerika) zur Verfügung. Es ist nicht möglich, in einem Referat
die eingehende Beschreibung des Entwicklungsganges der beiden Parasitenarten,
wie sie Verf. giobt, ausführlich zu besprechen. Ich will nur einzelne wichtigere
Punkte hervorheben. Entgegen seiner früheren Ansicht, dass in den Tropen
möglicherweise häufiger die sterilen Formen der kleinen Parasiten für erwachsene
Tertian- oder Quartanparasiten gehalten worden sind, giobt Verf. jetzt zu, dass
der Tertian- und Quartanparasit nicht allein an die gemässigte Zone gebunden
sind.*) Ein allmäligerj l'ebergang einer Parasitenart in die andere, speciell
des Quartanaparasiten in den Tertianaparasiten, wurde niemals beobachtet. „Nach
dem jetzigen Stande unsorer Kenntnisse ist der Quartanaparasit jedenfalls mor-
phologisch wie biologisch als wohl charactorisirt zu betrachten.“
Nachdem die bereits von Golgi aufgestellten Unterscheidungsmerkmale der
beiden Parasitenarten mit Ausnahme der regelmässigen Theilungsformen aner-
kannt sind, hebt Verf. noch besonders hervor, dass die {»orcellanartige Beschaffen-
heit des Protoplasmas des (Quartanparasiten der hyalinen Beschaffenheit des Pr*-
toplasmas des Tertianparasiten **) gegenüber sehr charakteristisch ist. Auch behält
der wachsende junge Quartanparasit in Folge seiner geringen amöboiden Be-
weglichkeit eine mehr runde Form oder erstreckt sich als breites Band von
einem Rande des Blutkörperchens zu dem gegenüberliegenden, während der
Tertianparasit die abenteuerlichsten Formen zeigt. Das Chromatin liegt beim
Tertianparasiten fast immer excentrisch, oft wie ohne Zusammenhang mit dem
Protoplasmaleibe, beim (Quartanparasiten in der Peripherie oder in der Nähe der
Peripherie, jedenfalls nie so excentrisch wie beim Tertianparasiten. Während
nun bei Tertian parasiten die Chromatintheiluug erst 12 Stunden vor dem Aufall
beginnt, tritt sie beim Quartanparasiten schon 24 Stunden vorher ein.
Dabei ist die beim Tertianparasiten sehr deutliche achromatische Zone beim
Quartanparasiten selten zu finden. „War das Chromatin des erwachsenen Tertian-
parasiten schon in eine Anzahl feinster Chromatinfäserchen zerfallen, so gestaltet
sich die folgende Theilung ganz ähnlich, wie beim Quartanparasiten, jedoch derart,
dass sie nach im Ganzen etwa 48 Stunden schon vollendet ist. Die Zahl der
neuentstandenen Parasiten betrug in der Mehrzahl 16.“ Die Theilungsfonn der
Margarethenblume hat Verf. im lebenden Blute beim Quartanaparasiten zwar
gefunden — namentlich wenu nur 5 — 6 junge Parasiten bei der Theilnng ent-
*) Kef beobachtete sowohl Id Westindien (Port an Princc) als mach bei einem aas TjUltJM'
(Java) stammenden Malarlafleberrückfall Malariaparasiten, die von den Parasiten der heimisch**
Tertiana nicht zu unterscheiden waren.
**) Diese Form beobachtete Kef. auch bei einem aus Java stammenden doppeltes
Tertianfieber.
LI. Besprechungen und Ijtteraturangaben.
309
standen — aber auch die Morulafonu. wie sie sich bei der Reifung des Tertian-
parasiten findet. „Ueberhaupt konnte ich eine solche Gleichmässigkeit der Ent-
wicklung, wie sie Golgi beschreibt, nicht immer finden. . . . Die Lagerung der
jungen Parasiten (Tertiana) im Mutterparasiten bot nur selten die regelmässige,
von Golgi beschriebene Sonnenblumenform. Meist zeigten sie die Morulaform.“
6. Die Parasiten der estivo-autumnalen Fieber der Italiener
(der Perniciosa der Tropen).
Hier standen 210 Fälle zur Verfügung. 87 stammten aus Kamerun, einer
aus Persien (Moliammerah), einer aus Ostafrika (Erythrüa) und 121 aus ver-
schiedenen Gegenden Italiens. Einen deutlichen Unterschied zwischen den kleinen,
aus verschiedenen Gegenden der Erde stammenden Parasiten konnte Yerf. nicht
finden*); auch keine Veränderung in den Parasiten bei Rückfällen, die später in
Deutschland auftraton. „Oefter schon bei diesen kleinen Formen (1 % p) sieht
man, im Gegensatz zu den Parasiten der leichteren Fieber, sjieciell der Qnartana.
wie sich das Chroniatinkörnchen in die Dingo streckt, Stäbchenform annimmt
und nach vorhergegangener Einkerbung in 2 — 3 sich wieder rundende, kleine
Chromatinkörnchen zerfällt“ Häufig sind die Blutkörperchen mehrfach inficirt.
Es wurde ein Fall von fünffacher Infection eines rothen Blutkörperchens be-
obachtet. Hat das Chromatinkorn eine Grösse von etwa 1 p erreicht, so ver-
schwinden bei der Kameruner Malaria die Parasiten aus dem peripherischen
Blute, um ihre Entwicklung in bekannter Weise in inneren Organen zu vollenden.
Bei den Sommer -Herbstfieborn Italiens erscheint 80 — 3ü St. nach Beginn des
Anfalls der Parasit als kleine Scheibe von */« Blutkörperchengrösse. Das Chro-
matin entfaltet nunmehr eine intensive Thatigkeit durch Theilung und Ab-
schnürungen. „Niemals sah ich indess wie immer bei der (juartana und häufig
bei der Tertiana, einen Zerfall des Chromatins in einzelne kleinste Fäserchen.“
Es entsteht vielmehr ein kurzer, etwas aufgelockerter, mit Einbuchtungen ver-
sehener Chromatinstrang. Das allerletzte Stadium der Reifung ging aber auch
in Italien in der Mehrzahl der Fälle in inneren Organen vor sich. Es bilden
sich 8 — 16 junge Parasiten unter gleichzeitigem Verblassen und Zerfallen des
nicht vergrösserten, infioirten Blutkörperchens. Die Theilungsform ist die Morula-
form. I)a es wegen des zeitweisen Verschwindens der kleinen Parasitenart aus
dem peripherischen Blute nicht möglich ist, eine genaue Bestimmung ihrer Ent-
wicklungsdauer vorzunehmen und da sonst durchgreifende Unterschiede nicht
nachweisbar sind, so fasst Z. die kleinen Parasiten zu einer einzigen Gruppe
zusammen.
7. Die sterilen Formen der kleinen Parasiten.
Zu diesen Formen rechnet Yerf. neben den freien Sphären und Geissel-
körpern auch die Halbmonde. Eine Membran konnte er an letzteren nicht er-
kennen. Bei den italienischen Halbmonden wurde öfters ausgesprochene Sichel-
form mit spitz ausgezogenen Enden und starke Einknickung beobachtet, die so
weit gehen konnte, dass zwei mehr oder weniger gleich grosse Theilstüeke ent-
standen, die nur noch durch eine dünne Brücke mit einander in Verbindung
*) Die Thellungsformen der italienischen Sommer-Herbstfieberparoaiten hatten durch-
schnittlich 3 4 Blutkörperchengrösse , die der Kameruner Malaria manchmal sogar
nur » *
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II. Besprechungen und Litteratur&ngaben.
standen. Verf. hält das nicht für ein Anzeichen von Fortpflanzung, sondern
setzt diese Erscheinung in Parallele mit den Abschnürungen, die er bei den
Sphären der heimischen Malaria beobachtete.
„Einer der Hauptunterschiede zwischen sterilen Formen der benignen
und malignen Parasiten ist jedenfalls die eigenartige Starrheit, welche das
Protoplasma der Halbmonde und der entsprechenden Sphären, im Allgemeinen,
wenigstens Anfangs zeigt, ausserdem die dunklere Farbe des Pigments.“ Chro-
niatin Hess sich zum Theil in verkümmerter Form in den Halbmonden nach-
weisen. in der übergrossen Mehrzahl der Fälle verschwand es aber gänzlich, und
an seiner Stelle blieb ein hellerer Fleck übrig, der sich ebenso wenig wie die
achromatische Zone färben liess. Daher kommt es auch, dass die Halbmonde
gewöhnlich nur an den Enden Farbe annehmen. An den Sphären Hessen sich
nur degenemtive Vorgänge beobachten.
8. Klinische Bedeutung des Parasitenbefundes bei tropischen
bez. estivo-autumnalen Fiebern.
Der Parasitenbefund steht zuweilen im Widerspruch mit den klinischen
Erscheinungen. Verf. beobachtete in Grosseto (Italien) 4 derartige Fülle, wo der
Milztumor, die übrigen klinischen Symptome und die prompte Wirkung des
Chinins die Diagnose auf Malaria stellen Hessen und wo trotzdem in einigen
Dutzenden von Präparaten keine Parasiten zu finden waren. Umgekehrt be-
obachtet man Fälle, in denen bei relativer Geringfügigkeit der klinischen Symp-
tome die Anzahl der Parasiten auffallend gross ist. Um dies zu erklären, muss
einmal eine grosse Empfänglichkeit des Erkrankten für das Malariagift bezw.
eine starke Virulenz der Parasiten oder eine gewisse Immunität bezw. eine
mangelhafte Virulenz der Parasiten augeuommen werden.
Bei Fällen von italienischer Tertiana maligna konnte der jeweilige Parasiteo-
befund mit dem jeweiligen Krankheitsstadium in Uebereinstimmung gebracht
werden ähnlich wie bei der Tertiana siinplex. Während des Aufalls fanden >ich
die ganz jungen Fonnen schon in erheblicher Zahl, am Tage der meist kurz
dauernden Apyrexie die grösseren Siegelring- oder die bereits gerundeten Formen
mit Pigmentbildung, vor, und während des Beginnes des Anfalls die grosseren
homogen aussehenden Fonnen mit Pigmentblock. Wie bei der gewöhnlichen
Tertiana, so veranlasst auch bei der malignen Tertiana nur die Mehrzahl «ier
zeitlich auf derselben Entwicklungsstufe stehenden Parasiten die jeweiligen An-
fälle. „Eine ganz gleichzeitige und gleichartige Entwicklung sämintlicher Mit-
glieder einer Parasitengeneration findet sich eben nicht Dieselben sind oft
mindestens 12 — 14 Stunden auseinander Hegend. Dies ist auch wohl der Grund
für die oft ausserordentlich lange Dauer der Anfälle, so dass die Apyrexie zu-
weilen nur einige Stunden beträgt.“ Bei den übrigen Fiebertypeu der Sommer-,
Herbst- und Tropeufieber war es nicht mögUch die Gesetze, die Golgi für Quar-
tana und Tertiana aufgestellt hat, praktisch verwerthen zu können. ,.In der
überwiegenden Mehrzahl der eben erwähnten Fieber findet man während und
gleich nach dem Anfalle eine Anzahl jüngster endoglobuhirer Parasiten, welche
einen Rückschluss auf die vorher stattgehabte Reifung der kleinen Parasitenart
gestatten. Im Stadium der Apyrexie findet man grössere Ring-, Siegelring- "der
schon unregelmässige Formen. Die weitere Entwicklung findet in inneren Or-
ganen statt.“ — Nun giebt es sicherlich typische intermittirende Tropenlieber,
II. Besprechungen und Littcreturangaken.
311
die durch verkehrte Behandlung irregulär gemacht werden können, indess be-
obachtete Z. in Kamerun trotz symptomatischer Behandlung Fieber, die von
vornherein irregulär waren.
9. Beeinflussung der I’arasiten durch Einwirkungen irgend welcher
Art mit therapeutischen Bemerkungen.
A. Durch Tod des Patienten.
11 — 14 Stunden nach dem Tode wurden die endoglobulären Parasiten ruhend
und in Scheibenform gefunden. Die Ringform wurde nicht mehr beobachtet.
Das Chromatin erschien rundlich, war aber noch gut färbbar. Im Gegensatz
hierzu fand sich das Pigment der Sphären in lebhafter Bewegung. Diesen
letzteren Umstand sieht Z. für einen Beweis dafür an, dass diese letzteren
Formen Kadaverformen sind.
B Beeinflussung der Parasiten durch Conservirung von Malariablut in
BltUegt’n.
Es wurden folgende Resultate gewonnen :
1. Die Parasiten lassen sich anscheinend 24 St. lang im Blutegel erhalten,
ohne sich morphologisch zu verändern.
2. Eine Weiterentwicklung im Blutegel findet uieht statt, im Gegentheil
von einem bestimmten Zeitpunkte ab degenerative Vorgänge.
3- Das Chromatin bleibt länger färbbar als das Protoplasma
4. Die jungen Parasiten des Sommer -Herbst -Fiebertypus fangen nach
2 — 3x24 Stunden an, ein extraglobuläres Dasein zu führen.
Infeetionsversuche konnten mit dem im Blutegel conservirten Blut nicht
vorgenommen werden.
C. Beeinflussung der Parasiten durch Phenocollum hydrochloricum.
Es wurden zur Prüfung Fälle von Malariafiebern genommen, die keine
Neigung zur Spontanheilung zeigten. Weder auf die grossen noch auf die kleinen
l’arasitenarten wirkte es irgendwie hemmend ein. Die Parasiten entwickelten
sich weiter.
D. Beeinflussung der Parasiten durch Methylenblau ■
Es wurden zur Prüfung dieses Mittels ebenfalls nur Fälle ausgesucht, die
keine Neigung zur Spontanheilung zeigten. Neigung hierzu kann man annehmen,
wenn man „bei Tertiana und Quartana zu einer Zeit noch Parasiten mit beweg-
ichem Pigment findet, wo die Pigmentbewegung schon längst hätte aufhören
müssen, wo sich mit anderen Worten schon vor dem Fieberanfalle eine Anzahl
ler grossen sterilen Formen im Blute finden“ und wenn sich bei Sommer-Herbst-
iebern oder Tropenficbern eine Menge steriler Formen wie Halbmonde etc. im
Blute finden. Das Methylenblau hatte absolut keine Wirkung auf die Parasiten
md wurdo wegen seiner Nebenwirkungen : Strangurie — trotz Muskatnuss —
Appetitlosigkeit und Erbrechen ungern genommen. Versuche mit kleinen Tages-
losen 0,4 — 0,6, die wochenlang angewendet wurden, konnten nicht gemacht
venien. Das Mittel konnte im Durchschnitt bei einer Tagesdosis von 0,9 — 2,0
.ielmehr nur 3 Tage lang gegeben weiden. Bei diesen Versuchen fand Verf.
iugleich, dass die entwicklungsfähigen, ringförmigen, endoglobulären Parasiten
Ier Sommer-Herbstfieber im lebenden Präparat sich nicht mit Methylenblau
Archiv {. Schiff«- o. Tropenhygiene, n. 23
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II. Besprechungen und Ijtteraturangaben.
färben Hessen, wohl aber Sphären. Dieser Umstand mag seine "Wirkungslosigkeit
in der Blutbahn erläutern.
E. Spontanheilung.
Wie die Spontanheilung zu Stande kommt, ist noch unentschieden. .Jeden-
falls ist der Vorgang des Absterbens der Parasiten bei Spontanheilung verschieden
von der Abtödtung, wie sie durch Chinin erfolgt.“ Die Leukocytose als Heil-
factor weist Z. zurück. Denn er konnte nie chromatiuhaltige (also fortpflanzung-
fähige) Parasiten im Innern von Leukocyten finden, vielmehr waren es immer
nur sterile Formen, insbesondere die Sphären und Geisselkörper. die von Leuko-
cyten umflossen wurden. Bemerkenswerth erschien in einigen Fällen lang an-
dauernder Fieber die auffallend starke Vennehrung der Blutplättchen. Dasselbe
geschah in dem in Blutegeln aufbewahrten Malariablut.
F. Beeinflussung der Parasiten dureh Chinin.
„Während bei der Spontanheilung das Chromatin der Parasiten schwindet,
und darauf auch die anderen schon beschriebenen characteristischen Veränderungen
im Parasiten eintreten (Zunahme des Volumens. Zunahme des Pigments etrl
wird nach meinen Untersuchungen durch Chinin in erster Linie der Protoplasmi-
leib des Parasiten betroffen. Das Chromatin wird scheinbar erst durch die Zer-
störung des Protoplasmas in Mitleidenschaft gezogen .... Je weiter der Para-;-
in der Entwicklung fortschreitet, desto schwieriger wird es, die zerstören;»
Wirkung des Chinins wahrzunehmen . . . Giebt man also das Chinin so. da*
die Hauptwirkung desselben in die Zeit der Bauptthätigkeit der Chromatintheilur.-
fällt, so geht die Entwicklung der Parasiten ruhig weiter, d. h. die Theilung des
Chromatins schreitet fort“ Der Grund zu dieser Erscheinung liegt darin. (!*>■
das Chromatin beim erwachsenen Parasiten etwa die Hälfte, beim jungen aber
nur V» des Volumens einnimmt Es können also die jungen Formen dem Chinin
nur wenig Widerstand entgegensetzen, weil sie zum grössten Theil aus Prx-
plasina bestehen, das vom Chinin zerstört wird. Bei den reifen Formen ist da-
Verhültniss nahezu umgekehrt. Also wirkt das Chinin wenig oder gar nicht zaf
sie ein. Dazu kommt noch, dass bei den reifen Formen die Vitalität des Chr-
matins besonders stark Ist was seinen Ausdruck in der Theilung desselben find- ;
„Es Ist durchaus rationell, das Chinin in einem möglichst frühen Stadium mS
die Parasiten wirken zu lassen, wenn irgend möglich noch auf die extraglobulärs
Formen, dieses sowohl bei der heimischen wie bei der tropischen Malaria" .
Eine ältere Vorschrift sagt bereits, dass das Chinin, welches nach 5 — 6 Stunde!
seine Hauptwirksamkeit entfaltet, 5—6 Stunden vor dem Anfalle zu geben sei.
da dann im Anfalle selbst das Chinin auf die neu entstandenen Parasiten wiri‘
Es ist aller auch rationell, das Chinin im Fieberabfall zu geben, wenn sich sch«
jüngste endoglobuläre Formen finden. Meist gab ich das Chinin bei tropisch*
und estivo-autumnalen Fiebern beim ersten T.-Abfall, um nicht die Wirkung de
Chinins mit der des Anfalls zusammenfallen zu lassen. Bei heimischer Miiir-
braucht man derartige Rücksichten weniger zu nehmen, da die betreffenden An-
fälle an sich schon leichter sind. Aehnlich wird schon längere Zeit von 4«
Marineärzten gehandelt. . . . Empfehlenswerth ist es im Allgemeinen, bei Tertücu
und ljuartana an dem alten Modus festzuhalten und 1,0 Chinin 5 bis 6 Stand-'
vor dem Anfälle einzugeben.“ Da aber in allen den Fällen, in denet
Neigung zur Spontanheilung besteht, die Parasiten auch in vors!-
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II. Besprechungen und Litteraturaugahcn.
313
schritteneren Stadien leichter vom Chinin beeinflusst werden, so
können derartige Fälle nicht dazu benutzt werden, um aus ihnen
allgemein gültige Gesetze für eine rationelle Chininthorapie her-
zuleiten.
Chinin giebt Verf. fernerhin auch dann, wenn sich nur die sterilen Halb-
monde im Blute zeigen; nicht der sterilen Halbmonde wegen, sondern um die
eventuell noch in inneren Organen befindlichen kleinen Parasiten zu tüdten.
„Die Höhe der einzelnen Dosis überschritt bei der Tertiana und Quartuna
sinipl. nicht 1,0. Wenn 5 bis 6 Stunden vor dem erwarteten Fioberanfalle 1,0 Ch.
gegeben war, so wurde diese Dosis auch an dom folgenden Tage wiederholt.
Seihst schwerer verlaufende Fälle von Tertiana wichen durchaus den gewöhn-
lichen Chinindosen .... Nach der Entfieberung wurde auch bei heimischer
Malaria noch 3 bis 4 Tage täglich 1,0 Chinin gegeben, oin Verfahren, das ich
Golgi in Pavia ebenfalls amvenden sah. Man hat dadurch die Möglichkeit, etwa
noch übrig gebliebene Krankheitskeime ebenfalls abzutodten und dadurch spätore
Kecidive nach Möglichkeit zu verhüten. Bei Tropen- und estivo-autuiunalen
Fiebern war die höchste Tagesdosis 3,0 Ch. Es war das nur in allarmirenden
Fällen, wo es sich um einen enormen Parasitenreichtlium handelte. Meist kam
ich mit 1 — 2,0 vollkommen aus. Indication zu sofortiger Chiningabe war das
'Vorhandensein einer Anzahl kleinster endoglobulärer Parasiten (steht im
directen Widerspruch mit R. Koch’s Ansicht. Ref.). Fehlten dieselben einmal
nach Eintritt des Fiebers und ging die Temperatur nicht herunter, wurde trotz-
dem Chinin gegeben, in der Annahme, dass sie sich noch in inneren Organen
aufhielten . . . Eine Verzettelung des Chinins in kleine Dosen fand nicht statt
Im Gegcntheil wurden eine Stunde nach Verabreichung des ersten gr. Chinin,
eventuell noch 0.5 — 1,0 Chinin gegeben, nach einigen Stunden im Bedarfsfälle
noch einmal 0,5 — 1,0. Handelte es sich bei Remittens in Kamerun um Parasiten
verschiedener Entwicklungsstufen, so muss man jedenfalls versuchen, durch auf
■den Tag vertheilte Chinindosou eine fractionirte Sterilisation des Blutes zu er-
zielen . . . Nach unseren Beobachtungen schwinden die kleinen Parasiten bei
durchschnittlich 2,0 Chinin pro die schnell aus dem Blute.“
Warm empfiehlt Z. Einspritzungen von Chinin, bimur. 0,5 auf 2,0 Wasser
in die Glutäen. Diese Einspritzungen sind schmerzlos und nicht von unange-
nehmen Nebenwirkungen wio subcutane Chinineinspritzungen begleitet (Intra-
muskuläre Chinineinspritzungen von höherer Concentration als die angegebenen
sind schmerzhaft )
„Während der Infection wurden solange täglich 1 — 2, selten auch 3 gr.
■Chinin gegeben, als sich noch fortpflanzungsfähige Parasiten im Blute fanden . . .
Auch nach der Entfieberung wurde Anfangs täglich, etwa 2 bis 4 Tage lang,
später bis meist zum 8. Tage jeden 2. Tag 1 gr. Chinin gegeben, ev. noch weitere
8 Tage jeden 3. Tag . . . Bei diesem Verfahren gelang es, speciell in Kamerun,
die Zahl der Recidive ganz aussorordentlich einzuschränken. Bei meinen Fällen
verhielten sich die Neuerkrankungen zu den Recidiven wie 2,8 : 1, dies in einem
schweren Fieberjahre. Früher war das Verhältnis« oft umgekehrt.“ Durch
prophylactisch angestellte Blutuntersuchungen gelang es Z. in 15 Fällen, die
Fiebererreger vor dem Anfall zu erkennen, durch Chinin zu tödten und so die
Infection überhaupt zu beseitigen.
„Wenn es nicht gelingt, durch Chinin, gegeben in der Apyrexie, den
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
2. Anfall bei einer Quotidiana zu verhüten, so ist damit noch nicht gesagt, dass
das Chinin nicht im Stande wäre, eino stärkere Wirkung im sogenannten Incu-
bationsstadium auszuüben. In diesem ist die Zahl der Parasiten noch klein, der
Körper durch die erste Fieberattacke noch nicht geschwächt Bekanntlich müssen
die Parasiten erst eine gewisse Anzahl erreicht haben, ehe sie im Stande sind,
einen Anfall auszulösen. Ich will gerne zugeben, dass der Aufenthalt an Bord
des gesunderen Schiffes möglicherweise günstigere Bedingungen schafft für eine
derartige prophy laotische Anwendung des Chinins wie an Land.
Ich will ferner zugeben, dass diese Art der Prophylaxe in den Tropen io
erster Linie nur wird von den Schiffsärzteu geübt werden können, die ihre Leute
auf dem Schiff immer beisammen haben. Bei der angedeuteten Behandlungs-
weise erkrankte in Kamerun und überhaupt in Afrika nur 31,39 % der Besatzung
incl. Neuerkrankungen und Recidive, obgleich die Mannschaft viel an Land kam.
Von den Officieren, die sehr viel auf Jagd gingen in gefährlichstem Malaria-
terrain, erkrankte überhaupt nur einer mit einmaliger T. Steigerung auf 37.8
mit gleichzeitig massigem Parasitenbefunde. Die Zahl 31,39% bleibt noch um
6% hinter entsprechenden Zahlen in sogenannten guten Jahren zurück.
Gestatten äussere Verhältnisse nicht systematische Blutuntorsuchungen. so
rathe ich dringend, bei Aufenthalt in gefährlicher Malariagegend z. B. bei Jagd-
parthien, jeden 3. Tag 1.0 g Chinin zu nehmen, bei längerem Aufenthalt viel-
leicht jeden 4. Tag 0,5 g, und zwar immer Abends, um die Chininwirkung währeod
der Nacht abklingen zu lassen.“ —
(Ref. hat dies Capitel desshalb so ausführlich behandelt, weil die Frage der
Chinintherapie ja in letzter Zeit von Robert Koch aufgerollt worden ist.)
10. Leben der Parasiten in der Aussenwelt und der
Infectionxmodus.
Ueber das lieben der Parasiten in der Aussenwelt und über den Infection*-
modus ist Sicheres bis jetzt noch nicht bekannt. Vert versuchte in Fliegen, die
er mit parasiten haltigem Blute gefüttert hatte, die Parasiten später vergeblich
nachzuweisen. Ebenso wenig Erfolg hatte die Untersuchung von Erde aus
Malariagegenden. Die Uebertragung durch Mosquitos ist nur eine Hypothese,
ebenso wie alle die anderen Vermuthungen und Ansichten, die über den In-
fectionsmodus ausgesprochen sind.
11. Incubation.
Ein Incubationsstadium von wenigen Stunden erkennt Z. nicht an. Denn
selbst die kleinen Parasiten brauchen mindestens eine 24stündige Entwieklungs-
dauer. Wer eine wenige Stunden betragende Incubationsdauer annimmt, muss
dann auch annebmen, dass in solchen Fällen die Parasiten sich bereits tm
Theilungsstadium befandeu, als sie in den Körper eindrangen. „Damit wirs
aber gesagt, dass der Parasit eine ähnliche Entwicklung in der Aussenwelt durefa-
machte wie im menschlichen Organismus .... Sicher erscheint mir, dass der
Parasit nicht sofort so doch mindestens sehr bald nach erfolgtem Eindringen in
den Organismus dieselbe Form zeigt wie während der Malariaerkrankung selb«.
Das zeigen die festgestellteu Fälle von etwa 4 8 ständiger Incubationsxeit“ —
Für gewöhnlich wird eine Incubation von 8—20 Tagen angegeben.
II. Besprechungen und Litteraturaiigaben.
315
12. Stellung der Blutparasiten im Thierreiche und Eintheilung.
„Als Nichtzoologe habe ich von einer eingehenden Erörterung dieser
interessanten Frage absehen zu müssen geglaubt, umsomehr, als es sich dabei
nur um Hypothesen bis jetzt handelt“ Bis jetzt erscheint es am practischsten,
alle Parasiten der rothen Blutkörperchen von Menschen und Thieren unter dem
Sammelnamen Haemosporidien zusammenzufassen, ihre Stellung im zoologischen
System aber offen zu lassen.
Die Haemosporidien oder Blutkörperparasiten wären dann einzutheilon in :
t. Haemosporidien des Menschen oder eigentliche Malariaparasiteu mit
folgenden Arten oder Varietäten:
a) Parasiten der Tertiana
b) „ ,, (juartana
c) „ „ Tropen- bez. estivo-autumualen Fieber.
2. Haemosporidien anderer Sängethiere. Zu ihnen gehörte als den Malaria-
parasiten nahestohond
a) Der Parasit der febris malarioformis.
b) Parasiten des Texasfiebers der Rinder und des Carceag der Schafe.
c) Parasiten der Ictero-Haematurie der Schafe.
d) Parasiten des Hundes. Es handelt sich dabei um kleine bimförmige
bewegliche, endo- und extraglobuläre Gebilde, färbbar mit Methylen-
blau und nach Chinin verschwindend. Sie fanden sich bei einem
Hunde, der nach einer Jagd im Sumpfterrain unter Fieber, Schwäche
und etwas Icterus erkrankt war.
Ob und welcher Zusammenhang unter den Formen von a — d besteht, kann
nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse noch nicht entschieden werden.
3. Huemosporidien der Vögel.
4. Haemosporidien dor Kaltblütler.
13. Untersuchungen über die Parasiten des Texasfiebers des Rindes.
Verf. konnte Trockenpräparate von Rinderblut untersuchen, das von Rindern
stammte, die an Blutpissen zu Grunde gegangen waren. Ein Fall stammte aus
der Nähe von Venedig (Codigoro), die anderen aus dem ager romauus. Die auf-
gefundenen Parasiten bestanden aus einem Chromatinklümpchen, einer achro-
matischen Zone und dem Protoplasmaleib. Die kleinen Formen waren rundlich,
die grösseren bimförmig, zeigten aber kein Pigment. Einmal wurde ein chromatin-
und pigmentloses Gebilde angetroffen, das einem Halbmonde der menschlichen
Malaria ähnelte, nur 3 bis 4 mal so klein war. Ueberhaupt ähnelten diese
Parasiten morphologisch ganz ausserordentlich den Parasiten der Sommer-
Herbstfieber.
14. Die Blutparasiteu bei Vögeln.
Untersucht wurden im Ganzen 190 Vögel und zwar auf Helgoland 102 und
in Italien 88. Von den auf Helgoland im October und November untersuchten
Vögeln, die von Norden nach Süden zogen, war kein einziger inficirt, von den
von Mitte April bis Mai von Süden nach Norden ziehenden Vögeln hingegen 20
und zwar am stärksten Buchfinken, dann Thurmfalken, Sumpfohreulen, braunkehlige
Wiesenschmätzer und rothrüc-kige Würger. In Italien waren die Sperlinge und
Nachtigallen am meisten inficirt. 3 Steinkäuze zeigten eine neue Parasitenart.
Es gelang nichtinficirte Vögel durch parasitenhaltiges Blut von Vögeln derselben
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II. Besprechung»; n und I.itteraturangaben.
Art zu inficiren und im Blute der Impflinge stets dieselben, wohl charaeterisirtei
Parasiten wieder nachzuweisen. Auch gelang es, einen Grünling durch das Bin:
eines iuficirten Buchfinken und eine I /ich taube durch das Blut einer in heilten
Turteltaube zu inficiren. In beiden Fällen aber verschwanden die Parasiten aß-
mälig wieder aus dom Blute der Impflinge.
„Allen Vogelblutparasiten war gemeinsam, dass sie auch in kernlosen rothec
Blutzellen schmarotzen konnten, und dass die gestreckten, endoglobulären , ver-
wachsenen Formen bei der Beobachtung des lebenden Blutes nach einiger Zeit
z. Th. das Bestreben zeigten, extraglobulär zu werden und sich abzurunden."
Eintheilung.
Verf. nimmt 8 Typen an:
1. Typus A. Eine Fortpflanzung liess sich innerhalb der rothen Blut-
körperchen nicht mit Sicherheit feststellen. Dieser Typus hatte 2 ünterab-
theilungen :
a) Parasiten von gestreckter Form, mit oft typischer Hantelfigur.
b) Parasiten von oft mehr plumper Form mit abgerundeten Ecken z. Tb.
auch mit kurzen, amöboiden Fortsätzen. In der äusseren Form nähern die
letzteren sich schon
2. Typus B, bei dem eine Theilung des Chromatins vorzukommen schien,
und der in seinem ganzen morphologischen Verhalten eine Mittelstellung zwischen
A und C einnahm.
3. Typus C, mit schneller Entwicklung, die in einem Falle höchstens
etwa 48 Stunden dauerte. Der Typus ist klein, dreht den Kern des infkirten
rothen Blutkörpers in typischer Weise um seine Längsachse, bildet oft nur 6 — i
junge Parasiten und kann pathogen sein.
1. T ypu* A.
Aus der Fülle der Beobachtungen und der eingebenden Beschreibungea
können nur verschiedene Thatsachen hervorgehoben tverden. Einzelheiten müssen
im Original nachgelesen werden.
Der Typus A wurde in Italien bei Nachtigallen, Sperlingen. Lerchen und
Steinkäuzen, in Deutschland bei Buchfinken, braunkehligen Wiesenschmätzern. Thunn-
falken, Sumpfohreulen, Sperbern etc. gefunden. Sie sind schwerer zu erkennen
als die Malariaparasiten dos Menschen, denn ihre Conturen sind weniger scharf.
Ihre Lage ist vorwiegend an der Längsseite des Blutkörperchenkernes. Sie büdea
Pigment. Amöboide Beweglichkeit ist nicht wahrzunebmen. Typisch war die
schwache Entwicklung des Chromatins. Von den inficirten Blutkörperchen btieh
oft nur der freie Kern übrig. Der dadurch extraglobuliir gewordene Parasit nahm
runde Form an. Diese freien runden Formen kamen häufig beim Typus A und
B vor und erwiesen sich oft in Folge lebhafter Pigmentbewegung. Abnahme der
Färbbarkeit des Protoplasmas etc. als steril. Nach Ueberimpfungen auf gesunde
Vögel wurden bei den Impflingen die ersten Parasiten am 7. bezw. 8. Tage ge-
sehen. Diese Impfungen fanden auf Helgoland statt, wo eine natürliche nach-
trägliche Infection ausgeschlossen war. Verfütterungen von stark inficirten Yogei-
organen an Schwarzdrosseln führten auf Helgoland zu keinem Erfolge. Ibe
inficirten Vögel zeigten nie Spuren von einer Krankheit oder von verminderter
Fresslust.
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IJ. Besprechungen und Litteraturangaben.
317
2. Parasiten des Typus B.
Dieser Parasit ähnelt dem vorher genannten sehr und wurde an einem
ThunnfalJieu beobachtet. Er hat im Allgemeinen Neigung, sieh abzurunden bezw.
ovale Form anzunehmen. Die erwachsenen Formen sind etwas grösser als beim
Typus A, sterile Formen kommen auch hier vor. Neben runden sieht man auch
gestreckte freie Formen. Chromatintheilungen wurden beobachtet. Sie ähnelten
denen der Quartanaparaaiten. Die Dauer des Entwieklungscyklus konnte ans
Mangel an Material nicht festgestellt werden. Verfiitterung von Organtheileu
eines Thurmfalken an Athene noctua blieb erfolglos.
3. Parasiten des Typus C.
Diese Farasiteuart wurde bei einem Kirschkembeisser und bei 2 Grünlingen
beobachtet. Hier zeigten dio Thiore deutliche Krankheitssymptome. Der Kirech-
kembeisser starb sehr rasch, der eine Grünling nach 2, der andere nach 3 Tagen.
Die Parasiten zeigen eine geradezu erstaunliche Proliferationsfähigkeit des
Chromatins, „so dass es zur Fortpflanzung kommen kann ohne jede Spur einer
Pigmentbildung, ferner die häufige 2-, 8- ja 10-faehe Infection eines rothen Blut-
körperchens.“ Merkwürdigerweise wurde eine Drehung des Blutkörperchenkernes
um seine Längsaclise in den inficirten Blutscheiben wiederholt beobachtet Der
wachsende Parasit behält im Allgemeinen seine rundliche Form. Das Chromatin
theilt sich ähnlich wie bei den Parasiten der Sommer-Herbstfieber. Die grösseren
Formen können die Blutzellen oft bis zu */5 ausfüllen. Unter den mittelgrossen
und besondere den grossen Formen lassen sich sterile erkennen. Alle Formen
kommen extraglobulär vor.
15. Eine neue Parasitenform beim Steinkautz (Athene noctua.)
(Das sogenannto I^ukocytozoon Danilewsky?)
Auch hier können aus der eingehenden Beschreibung nur dio wichtigsten
und interessantesten Thatsachen herausgenommen werden. Verf. unterscheidet
3 Phasen.
1. Phase. Man bemerkt runde oder ovale zarte Parasiten, die etwa */$ oder
volle Blutkörperchengrösse haben und frei sind. Amoeboide Bewegungen nicht
mit Sicherheit festzustellen. Sie enthalten Chromatm.
2. Phase. Neben den eben erwähnten freien Formen finden sich auch solche,
die den ebengenannten sehr ähnlich aber mit einer äusserst fein contourirten und
stellenweise granulirteu Masse umgeben sind. Di&se Masse Hess sich nur matt
„grauröthlich“ färben. Innerhalb derselben fand sich noch ein Leukoeytenkern.
Ob es sich bei diesen Gebilden um Parasiten handelte, dio in einem Leukocyten
schmarotzten, konnte Verf. nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Der Parasit wächst
bis zu IV, Grösse eines Blutkörperchens von Athene noctua, färbt sich auffallend
viel dunkler als eine freie Form und zeigt neben einem Chromatinkern ein Chro-
matinbüschel. Das ganze Gebilde wird wetzsteinförmig. Es fanden sich bis 8
dieser Gebilde im Gesichtsfeld.
3. Phase. Der Parasit wird oval und schliesslich rund, der degenerirte
Leukoeytenkern löst sich ab, der runde Körper des Parasiten zerfällt Eine Thei-
lung des Chromatins konnte mit Sicherheit nicht beobachtet werden. In inneren
Organen fanden sich ebenfalls keine Theilungsformeu. Trotz mehrwöchentlicher
Dauer der Blutuntersuchungen wurde stets doreelbe Blutbefund erhoben. Der
Vogel zeigte nio Krankheitssymptome.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Es wurden häufig Geissein beobachtet. Die Geisselkörper war etwa von Blnt-
körporchengrosse. Sie waren unpigmentirt und hatten 2 — 4 GeLsseln. Sie fand«
sich fast immer schon unmittelbar nach Anfertigung des Präparates.
16. Blutparasiten bei Kaltblütern.
Positives Resultat hatten die Untersuchungen nur bei Rana eseulenta. Ifc-
Jugendform des Parasiten stellt sich hier als 3 n langes, ovales oder bimförmiges
Körperchen ohne amooboide Bewegung dar. Im gefärbten Präparat zeigt sich ec
compactes Chrumatinkorn. Der Parasit streckt sich beim Wachsen in die fängt,
der Rand zeigt zuweilen amneboide Beweglichkeit. Die Theilung des Climmatins
ist der bei Malariaparasiten ähnlich. Schliesslich wird der Parasit mehr und mehr
rund, seine nmoeboide Beweglichkeit deutlich, die lichtbrechende Stelle, in der di?
Chromatin liegt, verschwindet ebenso wie bei dem reifenden Malariaparasiten, in-
dess das Chromatin verschwindet nicht. „Es wird wegen der jetzt stattfindend«
Theilungsvorgänge nur unsichtbar im ungefärbten Präparate“ — . Der Parse:*
kommt zur Ruhe. Es tritt eine Differeucirung im Protoplasma auf und zuletzt
tauchen immer deutlicher werdende, kleine lichtbrechende Stellen auf. und es
bilden sich 10 — 12 kleine, junge Parasiten, die dann anfs Neue rothe Blutzoll«
infieiren können. — Im gefärbten Präparat stellt sich die Theilung des Chromatins
ähnlich wie beim Tertianaparasiten dar.
Ob ein Unterschied zwischen diesen eben beschriebenen Froschblutparasif«
und den sogenannten Gaule'schcn Würmchen besteht oder nicht, konnte Verf.
nicht entscheiden. „Denn im gefärbten Präparat liessen die Jugendformen d-*r
beiden keinen Unterschied entdecken, die von Labbe als Cvstenbüdungen be-
schriebenen Formen repräsentirten in meinen Präparaten keine Cysten, und end-
lich konnte ich eine Fortpflanzung der Gaule'schen Würmchen nicht entdecken.'
Verf. hält es für möglich, dass diese Gebilde den Halbmonden der menschlichen
Malaria entsprechen, also steril sind. Z. machte noch die Beobachtung, dass
Frösche, die anfangs sieh bei der Blutuntersuchung als nicht inficirt erwiesen haften
und dann mit inficirten Fröschen zusammengesperrt wurden, nach einigen Tag«
mit amoeboiden Blutkörperchen parasiten inficirt waren. Er lässt die Frage offen,
ob wirklich eine Infection stattfand, oder ob es sich bei den scheinbar gesund«
Fröschen um einen Zustand der Iätenz gehandelt hat.
17. Die sogenannte Cytamoeba bacterifera Labbc.
Diesen Parasiten erkennt Verf. nicht an. Er glaubt, dass es sich einfach
um Bactericn handelt, die zufällig mal auf einem Blutparasiten oder in einer
Blutknriterchenvncuole lagen. Diese Bacterienbündel fanden sich auch frei ie
Blute.
Eine wirksame Methode der Chromatin - und Blutfärlmng.
Nachdem die Färbemethoden von F. Plehn, Grassi und Feletti, sowie tob
Mannaberg kurz erwähnt sind, bespricht Verf. die Methode von Romanowskv
Das Verdienst R.’s besteht nach Ansicht des Verf. darin, dass R. er-
kannte, dass sich bei der Mischung von wässerigen Methyl enblau-
und wässerigen EosinlösungeD ein dritter neutraler Farbkörper er-
geben kann, dereine besondere Affinität zu den chromatiren Kern-
netzeu besitzt. Verf. färbte nach der Romanowsky 'sehen Methode, erhielt aber
.stets unbrauchbare Präparate. Er ging also^nun darauf aus, ein Verfahren sus-
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II. Besprechungen uii'i Litteratuiangaben.
319
findig zu machen, bei dem es gelingt, den vorerwähnten neutralen Farbkörper so
zu erhalten, dass sich mit ihm brauchbare Chromatinfärbungen erzielen lassen.
Bei diesen Versuchen stellte sich zunächst heraus, «lass die verscliiedenen Methylen-
blausorten der verschiedenen Fabriken sich verschieden verhielten. Als brauch-
bar erwiesen sich nur das Methylenblau med. pur. der Höchster Farbwerke und
das Methylenblau reetificat nach Ehrlich von Dr. Grübler. Aber auch diese beiden
Methylenblausorten waren verschieden in ihrer Wirksamkeit. Ja! selbst das
Methylenblau der Höchster Fabrik, das Yerf. später ausschliesslich benutzte, war
in seinen verschiedenen Lieferungen von verschiedener Wirksamkeit. Das wasser-
lösliche Höchster Eosin hingegen — Marke BA und AG — verhielt sich fast
constant, auch dasjenige anderer Fabriken.
Beim Arbeiten mit diesem Höchster Methylenblau und Eosin fand nun Z..
dass der dritte neutrale Farbkörper, der beim Mischen wässeriger Losungen der
vorgenannten Farben sich bildete, sich sowohl in einem Ueberschuas von Methyleu-
blau als auch von Eosin wieder löste. Es kam also darauf au. auf empirischem
Wege eine Mischung herzustellen, iu der der dritte neutrale Farbkörper weder in
dem Methvleublau noch in dem Eosin der Mischung sich wieder auflöste.
Die mühsamen Versuche, die hierzu uöthig wurden, beschreibt Verf. aus-
führlich. Sie müssen im Original eingesehen werden. Das Resultat, das schliess-
lich gewonnen wurde, ist folgendes. Die besten Chromatin -Färbungen wurden
mit nachstehender Mischung erzielt:
1 % 24 Stunden alte, wässrige Methylonblaulösung: 0,1 % wässeriger Eosinlösung*)
= 1:5 oder 1 : 6.
„Nach durchschnittlich 80 Minuten**) hat man ein prachtvoll klares Präparat
mit intensiver Färbung des Chromatins. Nach etwa 8 Wochen ist das Mischungs-
verhältniss der beiden F'arbencomponeuten manchmal schon wie 1:4 V* oder
1 : 5l/i“.
Dies ist dos allgemeine Schema. Da aber selbst das Methylenblau der Höchster
F'arbwerke in seiner F'arbkraft verschieden ist, so ist es nothwendig, dass der je-
weilige Untersucher sich seine Farbmischung immer erst einstellt. Er muss von
vornherein darauf gefasst sein, dass die Chromatinfärbung schon bei einem Ver-
hältniss des Methylenblaus zum Eosin von 1 : 4 eintritt oder aber auch erst bei
einem Verhältniss von 1:7. Es ist daher uöthig, sich die zwischen diesen Grenz-
werthen liegende Mischungsverhältnisse herzustellen, alle Mischungen mit Prä-
paraten zu beschicken und von 10 zu 10 Minuten den Erfolg der Färbung zu
prüfen. Da sieh nun die Kerne der weissen Blutkörperchen ebenso färben wie
das Cbromatin der Malariaparasiten, so kann man zur Einsteihing der Farb-
lösung einfache Blutpräparate verwenden und braucht keine Malariapräparate
zu opfern.
■) Wird am besten durch entsprechende Verdünnung einer 1 % wässerigen Eosinlösung
hergestellt. Verf. versuchte später sc Stelle dee Eosins diesem nahe stehende Verbindungen
wie Phloxin, Rose Bengale, Uranic und Erythrosin r.n verwerthen. Aber nur das letztere er-
wies «ich in nachstehendem Verhältniss anwendbar: 1 o,o Methylenblaulösung 0,1% Erythrosin-
lösung = 2 : 3 bis 3 : 4. Ee dauerte aber 45 Mim, bis die Chromatlnfärbung eintrat, und die
Resultate waren wenig sicher und weniger gut als Eoslc.
Kann unter Umständen aber such 60 Minuten dauern. — Umgekehrt erzielte Verf.
schon nach 1 1 r Minuten wundervolle Chromat in firhun gen bet Anwendung folgender Mischung :
Com- , Sltrirte Methylenblaulöaucg gemischt mit 1°0 Eosinlösnng im Verhältniss S : tl. Durch
sehr vorsir-htigee Erwärmen der Mischung konnte die Färbezeit bis auf 1 , Min. abgekürzt
werden. Dann waren die erstellen Resultate sber oft ungletchmässig.
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320
II. Besprechungen und Tjtteraturangaben.
Bei der Herstellung der Farbmischung sind aber verschiedene Vorsiete-
manssregeln zu beobachten. Um eine vollständige Lösung des Methylen Was?
zu erzielen ist es nöthig, das Methylenblau in kleinen Mengen nach und a»±
unter fortwährendem Schütteln und Umrühren in siedend heisses "Wasser n
schütten. Es darf die ganze Menge des Methylenblaus nicht auf einmal zugesetz
werden, auch das Wasser nicht etwa auf das Methylenblau gegossen werden, wa
sonst ungelöste Methylenblaustückchcn sich erhalten und die Farbreaction di-
el u roh unsicher gemacht wird. In gleicher Weise ist die wässerige Beinloses:
herzustellen. Filtrirt zu werden brauchen die Lösungen nicht. Filtration ~ch»»-r
ausserdem die Färbekraft für Chromatin.
Sind diese beiden Lösungen fertig, so wird zunächst die erforderliche Mes«
Methylenblaulösung im Messcylinder abgemessen und dieser unter stetem Ft-
rühren, das wenigstens zwei Minuten lang fortgesetzt werden muss, die eben«
genau abgemessene Menge Eosinlösung zngesetzt. Ein dicker Niederschlag*! =
wie bei der Mischung von stärker concentrirten Methylenblau- und Eosinl-ösuue^
— bildet sich bei diesen dünnen Lösungen zwar nicht, wohl aber ein meullisti
schimmerndes Häutchen. Dies Häutchen ist für gewöhnlich das Zeichen, I
die Mischung das richtige Verbältniss und damit eine gute Farbkraft für ds
Chromatin hat.
Die Farbllüssigkeit wird nun in ein Blockschälchen gegossen, indem beiws
ein beschicktes Deckgläschen liegt und zwar mit der Blutschicht nach unten. E.-
ist nöthig, in der Flüssigkeit zu färben und das Deckgläschen nicht etwa schwirrest
zu lassen. Denn das vorerwähnte metallisch schimmernde Häutchen, das dis
Flüssigkeit überzieht und auf welches das Deckgläschen zu liegen kommen würfe
enthält Niederschläge und Crystalie, die das Präparat verunreinigen. Dieses Hjk’-
chen ist daher auch mittelst Fliespapiers zu entfernen, sobald man das Präpaiv
aus dem Blockschiilchen nimmt.
Das herausgenommene Präparat wird in frischem Wasser abgespült oed
untersucht
„Es sind dann die rotheu Blutzellen rosa gefärbt, die Kerne der sämmtikfe*
Leukocyten in einem beinahe leuchtenden wundervollen Carminviolett, die Fr-
toplasmaleiber der Lymphocyten blau, der grossen mononukleären Leukocyta
hlassblau, oft bis auf eine schmale Randzone beinahe farblos, der Mastzellen ebee-
falls bläulich. Der Protoplasmaleib der neutrophilen Leukocyten erscheint M*
carminviolett gefärbt, die Granulationen derselben noch etwas dunkler oanm>
violett .... Die Granulationen der eosinophilen Zellen erscheinen tiefreti.
Findet man, wie nicht ganz selten bei Perniciosa, kernhaltige rothe BlutzeU-c. s-
ist auch deren Kern dunkel carminviolett gefärbt . . . Die Blutplättchen nebtwe
ebenso wie das Chromatin der Kerne der weissen Blutzellen die eanninvioWst
Färbung an . . . bandelt es sich um Malariablut, so erscheint das Chromatin der
Parasiten ebenfalls carminviolett, oft umgeben von einem deutlich sichtbare
bellen Hofe, das Protoplasma der Parasiten blau. Bei Tertianablut färben ja
die rothen Blutzellen, die schon etwas herangewachsene Parasiten beherberge,
nur schwach rosa, entsprechend der schon im lebenden Präparat zu bemerkend«
•) Den dicken Niederschlag, der eich bei der Miachung concentrirtcrer Methylenblau-
Eoeinlösungen bildet, nahm Verf. vom Filter auf und versuchte Ihn direct zur Färbung zu br*
nutzen. Der Versuch misslsng, weil sich der Niederschlag nicht löten lieaa.
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11. Besprechungen uml Litteraturangaben. 32 1
Entfärbung .... Die Nüaneen der speeifisehen Chromatinfärbung schwankten
zwischen einem zarten Both bis zu einem kräftigen, leuchtenden Carminviolett, das
zuletzt in eine beinahe schwärzliche Färbung übergehen konnte. Diese letzteren
Nüaneen erhält man bei Anwendung besonders wirksamer Mischungen und hei
längerer Dauer der Färbung.“ „ . . Die Kerne der Lymphocyten nehmen die
spezifisch zu nennende Färbung früher an wie die anderen Leukozyten und ver-
lieren sie auch schwerer. Andererseits nehmen die kleinen Cbromatiukiirner der
jungen Parasiten, die sich bei Tropen- und estivo-autumnalen Fiebern finden, die
spezifische Färbung eher an als die Kerne der Lymphocyten. Ferner ist die
Färbung der Chromatintheilungsfiguren der erwachsenen Parasiten schwerer zu
erzielen als die der jungen Parasiten. Präparate von Vogelblut erfordern länger
dauernde Färbung als die von Menschen oder F’roschblut, vorausgesetzt, dass
mau auch die Kerne der rothen Blutkörper carminviolett färben will.“
..Noch an */« fahr alten ungefärbten Trockenpräparaten vermochte ich das
Chromatin der Leukocyten und der Malariaparasiten zur Darstellung zu bringen.
Zum Einbetten der Präparate nehme man am besten Xylolcanadabalsarn. Meine
Präparate erhielten sich bis jetzt 1 */» Jahr z. Th. vollkommen unverändert.“
Zum Schluss ist noch zu bemerken, dass jede für Chromatinfärbung
bestimmte Lösung nur einmal benutzt werden kann. Schon bei zweiter
Benutzung derselben Lösung weiden die Kesultate unsicher. Misch- und Mess-
gefässe sind vor jedem Gebrauch auf das Peinlichste zu reinigen. Die Peinigung
ist bei dem Gebrauch von dünnen Losungen sehr viel leichter als bei der An-
wendung von concentrirten Lösungen.
Weiterhin machte Verf. Färbeversuche mit seiner Methode bei verschiedenen
Ba'terienarten. Bei Oidium lactis, Oidium albicans, Aspergillus uiger, Torula
rosacea, Torula alba und nigra, Sacharomyces cerevisiae, Spirillum undula majus
und minus, Spirillum rugula etc. gelang es ihm, neben dem blaugefärbten Protoplas-
inaleib das enrmingefärbte Chromatin darzustellen. Hierbei kam es nun öfters
vor, dass die Präparate überfärbt wurden. Anfangs entfärbte Verf. mit •/» — 1%
Essig- oder Salzsäure. Späterhin aber verworthete er mit grossem Ge-
schick den Umstand, dass sich der dritte neutrale Farbkörper so-
wohl in einem Ueberschuss von Methylenblau als auch von Eosin löst.
Er legte die überfärbten Piäparate entweder in eine 1% Methylenblau- oder 0,1%
Eosinlösung, je nachdem eine zu starke Färbung des Chromatins oder des Pro-
toplasmas stattgehabt hatte und erzielte mit diesem Verfahren ganz ausgezeichnete
Kesultate. Die Lösungen wurden so dünn genommen, weil in stärkeren Lösungen
eine zu rasche Entfärbung erfolgte. —
Das vorliegende Buch enthält vorwiegend die Resultate eigener Beobachtungen.
Der Verf. hat alle Typen der Malariafieber in verschiedenen Theilen der Erde ge-
sehen und ist somit in den Stand gesetzt, Vergleiche anstellen zu können. Das
reichhaltige Material ist gut durchgearbeitet, die Thatsachen sind nicht wie z. B.
in dem neusten Werke iaveran’s (Traitö du paludisme 1898) nur einfach anein-
ander gereiht. Im Gegentheil! — An der Hand der durch eigene Beobachtung
gewonnenen Ansichten bespricht der Verf. die Ansichten anderer Autoren und
erörtert eingehend das „F'ür“ und „Wider“ in den verschiedenen Streitfragen.
Ob er dabei immer das Richtige getroffen hat, wird ja die Zukunft lehren. Im
Grossen und Ganzen aber kanu Ref. ihm nur beistimmen.
Durch die neue Färbemethode ist Z. im Stande gewesen, verschiedene bis
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322
II. Besprechungen und Litteraturaugal >ei\.
jetzt offene Fragen zu lösen. Einerseits erscheint die Alt der Fortpflanzung der
Malariaparasiten endgültig feslgestellt und andererseits ist uns ein VerstänJniss
dafür möglich gemacht worden, wie und warum das Chinin sehr viel mehr auf
die jüngeren Malariaparasiten als auf deren reife Formen wirkt. Wir haben durch
die Chromatinfärbungen endlich einen positiven Anhalt für die Behandlung und
Beurtheilung der Malariafieber erhalten.
Die beigegebenen Tafeln sind nicht nur sachlich richtig, sondern auch künst-
lerisch schön. Namentlich gut getroffen ist der Farbenton auf Tafel 1U — einen
gn >ssen Quartana- Parasiten darstellend — und die feinen Farbennüancen der
sterilen und chininisirten Formen auf Tafel I. Diese Tafeln sind eine Zierde
des Buches und stechen vortheilhaft gegen die nichtssagenden Abbüdungeo in
dem eben erwähnten Buche Laveran's ab. Das vorliegende Buch bedeutet jeden-
falls einen wesentlichen Fortschritt in der Malariaforschung.
Buge. Kiel.
Beri-Beri.
Heber Beri-Beri von Dr. F. Grimm, Berlin. Deutsche Med. Wochenschrift No. 29.
1898.
Der Aufsatz stellt einen Auszug dar aus eiuem 1897 bei S. Karger er-
schienenen Buche „Klinische Beobachtungen über Beri-Beri“ von A. Grimm,
welches in diesem Archiv von Scheube und mir s. Z. besprochen wurde. Der Verl
widmet in seinem Aufsatz ganz besonders der Symptomatologie der Beri-Beri
seine Aufmerksamkeit und behauptet, wie auch in seiner Brochüre, dass von einem
anerkannten, einheitlichen Krankheitsbild der Beri-Beri nicht die Rede sein könne,
ohne übrigens auch hier seiner bereits besprochenen Arbeit irgend etwas Neues
hiuzuzufügen. Das Anfangsstadium der Beri-Beri, meint der Verf., sei ausser von
ihm , niemals genauer notirt resp. gesehen, und er unterscheidet je nach ein-
maliger oder wiederholter Aufnahme des hypothetischen Virus, das einfache wo
von dem complieirten Beri-Beri accumulntum. Da, wie erwähnt, die Abhandlung
auch in diesem Abschnitt nichts Neues bringt, aber unserer allgemeinen Auffas&um:
der Krankheit als eine degenerative Neuritis entgegentritt, ohne sie, wie man fordern
muss, dafür pathologisch -anatomisch anderweitig zu characterisiren, kann man
darüber nur auf die früheren Recensiouen hinweisen, welche eine solche Art der
Publication ablelinen. Dasselbe gilt von Verf.'s hypothetischem Virus, als aetwh-
gischem Moment, welches er sich in Seeth ieren vorhanden denkt, und welche*
durch richtige Zul>ereituug. Garkocheu z. B. unschädlich zu machen sei Die*
richtige Zubereitung kann doch ebensogut in Privat- oder Krankenhäusern,
auch in einem Gebiet, wo solche Seetliiere vorzugsweise genossen werden, erfolgen-
überhaupt stets bei ärztlicher Coutrole, und doch empfiehlt Verf. in erster Luü?
als Therapie und zur Verhinderung wiederholter Aufnahme der Noxe die
anderer Auffassung gehandhabte und erfolgreiche Translocatiou in Beri-Ber*
freie Gegenden, und giebt zugleich au. dass Beri-Beri von Chinesen n*h
Australien verschleppt sei. In seinen Angriffen gegen meine Recension sein«
Buches, sowie gegen andere Beri-Beriforseher, so besonders in Bezug auf
grundlegenden Arbeiten Sehenbe’s, auch auf die Glogner's machte Verf. ua-
riehtige und geringschätzige Bemerkungen. So sagt er, dass Scheube in seine»
II. Besprechungen und I.itteraturangaben.
323
'Werke: „Die Krankheiten der wannen linder“ das Fehlen des I’atellarreflexes
als ein Zeichen beginnender Beri-Beri ansähe, während Scheube pag. 157/58 nur
sagt: Dagegen fehlen die Kniescheibensehnenrellexe. auch nach Jendrasik (Pekel-
haring u. Winkler) sehr häufig, namentlich fast ausnahmslos in allen Fällen mit
ausgeprägten p:\retischen Erscheinungen. Dies Symptom ist manchmal schon
wenige Tage nach Beginn der Erkrankung nachzuweisen und überdauert oft
Monate lang, ja ein Jahr lang und darüber alle übrigen Krankheitserscheinungen.
Zu Anfang der Krankheit und in galoppirenden Fällen beobachteten Pekelhariug
u. Winkler auch Steigerung der Kniescheibensehnenrellexe mit Fussclonus."
Vorher sagt Scheube: „Was die Reflexthätigkeit der Beri-Berikrnnken botrilft, so
verhalten sich nach meinen Beobachtungen die von der Haut ausgelösten Re-
flexe in der Regel normal, nur ausnahmsweise sind dieselben vermindert oder
gesteigert." Pekelharing und Winkler lässt Grimm aber dazu im Gegensatt
erscheinen.
Wie Herr Dr. F. Grimm Thatsaehen behandeln zu müssen glaubt, zeigt er
weiter, indem er pag. 460 Zeile 22 u. 23 in Bezug auf einzelne Anschauungen
M. Glogner's, die übrigens durchaus nicht richtig aufgefasst zu sein scheinen,
einfach sagt: „Karl Däubler empfiehlt die Lehren dieses Autors als fundirt". That-
sachlich habe ich pag. 213 im 8. Heft dieses Archivs im Hiublick auf Herrn
Grimms Schrift pnblicirt: „Aber er (der Anfänger) wird auch sonst in Bezug
auf die unvergleichlich besser fundirten, verdienstvollen Arbeiten Scheube’s,
Pekelhariugs's, Bälz's, auch Glogner's und Anderer irregeleitet etc.“ Auch in seinem
polemischen Artikel braucht er, wie früher die Trichinosis zum Vergleich bei der
t ’onstruction seiner verschiedenen Krankheitsformen und verwahrt sich dabei gegen
die Ansicht Gelpke's, dass Beri-Beri mit der Trichinosis grosse Uebereinstiminung
zeige. Herr Grimm verlangt bei Reeension seiner Arbeit weitere Nachprüfungen,
wo er selbst nur Vermuthungen, aber keine experimentellen Nachweise auf
ätiologischem und pathologisch -anatomischem Gebiete aufstellen kann, während
wir durch eigene klinische Beobachtungen an grossem Material in verschiedenen
Tündern, verbunden mit mikroseopischen Arbeiten und Sectionsergebnissen, wohl
im Stande sind, sein angegebenes klinisches Material und daraus abgeleiteten
Schlüsse zu beurtheilen.
Weder durch geringschätzige Hinweise auf seine Recensenten, noch dadurch,
dass Herr Grimm seine ,. 20jährige naturwissenschaftliche und ärztliche Thätigkeit“
hervorhebt, kann er das, was haltlos ist und wissenschaftliche Principien verletzt,
ausgleichen. Dass bei sehr acuter Beri-Beri mit kurzem, nicht ganz 48stüudigem
Verlauf in den äquatorialen Trepenländem fettige Degeneration der Nerven, auch
des N. vagus vorkommt, habe ich früher nachgewiesen, dieser Befund ist anderer-
seits bestätigt, aber auch bei nicht acuten Fällen ist dieses vom ersten Anfang an
beobachtet worden, besonders in der indischen Armee, wo von Soldaten anstrengen-
der Dienst gefordert wird. Daher muss die Zumuthung Dr. Grimm's, worauf er
einen Theil seiner Symptomatologie stützt, alle vorgängigen Beobachter hätten
den Anfang der Beri-Berierkrankung nicht gesehen, zurückgewiesen werden.
K. Däubler.
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324
111. Sonstige Werke.
III. Sonstige Werke.
Malittle predominantl nei paeai caldi e iemperati. von Dr. Filippo Rho, Turin 1S97.
Rosenhorg & Sellier. (Fortsetzung.)
Der exanthematische Typhus Ist in wannen Ländern selten, das Riiek-
fallfieber bricht, da es nichts mit klimatischen Verhältnissen zu thitn hat.
in Indien in Hungerjahren aus und ist auch in Aegypten schon beobachtet wor-
den. DerTetnnus kommtauf der ganzen Erde vor. nimmt jedoch in den Tr-
pen an Häufigkeit zu. Bemerkenswerth ist es, dass nicht die heissesten Mona-
te die meisten Erkrankungen an Starrkrampf aufweisen . sondern die Mona:-
vor und nach der Regenzeit, welche die grössten Temjieraturschwankungen zei-
gen. Die Neger zeigen eine grössere Disposition dem Tetanus gegenüber, al-
die Weissen, wohl weil die zahlreichen leichten Haut Verletzungen das Emdring-t
des Giftes erleichtern. Neugeborene weiden vom Nabel aus infieirt und sterben
z. B. in Rio de Janeiro alljährlich in grosser Zahl am Tetanus.
Die Tuberkulose verheert den ganzen Erdball. Trockene heisse Lander
weiden jedoch weniger von derselben heimgesucht als feuchte, trotz der grösseren
täglichen Temperaturunterschiede. Schlechte hygienische Verhältnisse leisten der
Krankheit auch in den Tropen Vorschub.
Auch der Aussatz ist allenthalben zu finden, alle Kassen weiden befal-
len, in jeder mit Vorliebe die ärmeren Classen wegen der schlechten Körper-
pflege und Unreinlichkeit Die Frage der Ansteckung bei Lepra hält Rho für
noch nicht entschieden. Selbst bei Rater Damien ist es möglich, dass die Über-
tragung nicht von Person zu Person, sondern durch Luft, Wasser. Nahrungs-
mittel u. s. w. erfolgt ist.
Es steht nicht sicher fest, ob die Syphilis durch klimatische Verhält-
nisse überhaupt beeinflusst wird. Nach Rho spricht sich die Mehrzahl der
Beobachter dahin aus, dass der Verlauf in den Tropen ein milderer, die »Jueck-
silberwirkung eine leichtere und raschere ist und zwar sowohl bei Europäern
wie liei Eingeborenen. Betreffs des Scorbut schliesst sich Rho den I-eitsätzen
Moores, welche für Indien aufgestellt siud, aber auch für widere Troj>enländer gelten
können, an: 1. Scorbut herrscht in latenter Form l>ei den ärmeren Classen. 2. Der-
selbe kann in dieser Form ohne deutliche Symptome bestehen, aber den Ver-
lauf anderer Krankheiten ungünstig beeinflussen. 8. Unzureichende Nahrung
auch mit frischer Pflanzennahrung, kann die Krankheit hervorrufen, rascher
ensteht dieselbe bei Mangel an Pflanzenkost. 4. Mangel an' Sonnenlicht ist für
die Krankheit im höchsten l inule begünstigend. 5. Es giebt kein wirklich
antiskorbutisches indisches Kraut als Hausmittel. 6. Citronensnft verliert rasch
seine günstige Wirkung hei längerer Aufbewahrung in warmen Ländern. 7. Von
allen Früchten ist die Mango- Eracht im unreifen Zustande getrocknet als diä-
tetisches Mittel am meisten zu empfehlen.
Ueber diu erste Classe der chirurgischen Krankheiten (Cnpitel XX. 1)
„lufectiöse W undk rank hei ton”, widersprechen sich anscheinend die Be-
obachter. Alts allen Tropenländern liegen Berichte über don Heilungsverlauf bei
schwer Verwundeten und 0|>e rillen in den grossen Hospitälern und auf Kriee~-
schiffen vor. Während einer Reihe von Jahren ist z. B. in den Kranken-
häusern von Calcutta kein Fall von Hüftgelenksresection durehgekommen. Dem-
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III. Sonstige AA'erke.
325
gegenüber stehen die günstigsten Ergebnisse nicht nur der modernen antiseptischen,
sondern auch der einheimischen Wundbehandlung mit Kameelmist, Kuhdünger,
(gekauten oder zu Brei gekochten Blättern verschiedener Pflanzen. Ref.) sowie die
häufig vorkommende rasche Heilung von völlig vernachlässigten schweren Ver-
letzungen. worüber Mittheilungen von Aerzten aller Nationen aus den Colonieu vor-
liegen. Der Unterschied liegt in der Oertlichkeit. Massemmhäufung von Kranken
begünstigt die Entwickelung der betreffenden Krankheitserreger, welche in freier
Luft entweder nicht vorhanden sind oder nicht zur Entwicklung gelangen und
anscheinend erst eingeschleppt worden sind.
Oberflächliche, leichte Verletzungen zeigen dagegen allenthalben in den
Tropen oft die Neigung sich in „atonische oder phagedänische Beschwüre um-
zuwandeln; da ein bacteriologisches Criterium für ein selbstständiges Krankheits-
bild fehlt, und Uebertragungsversuehe vergeblich gehlielten sind, so muss man
annehmen, dass individuelle Schwächezustände, imgünstige gesundheitliche äussere
Verhältnisse und klimatische Einflüsse dem Leiden das eigenthiimliche Gepräge
verleihen.
Lymphangitis perniciosa, welche besonders in Brasilien auftritt. und
Elephantiasis Arabum behandelt Rho in zwei getrennten Abschnitten.
Die Studien von Moncorvo filho (siehe Besprechung in Band I, Heft 3, Seite 215
des Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene), welcher die Lymphangitiden und Ele-
phantiasis wenigstens im Kindesalter auf den Erysipel -Streptocoeous Fehleisen’s
zurückführt scheinen dem A'erfasser noch nicht bekannt gewesen zu sein. Rho
neigt betreffs der pemieiösen Lymphangitis zu der Ansicht, dass dieselben
durch Streptococcen hervorgerufen wird, nimmt aber für die Elephantiasis, so-
weit dieselbe endemisch auftritt, die Filariosis als Ursache an. Die sporadischen
Fälle können durch die verschiedenartigsten Störungen des Lymphumlaufs ent-
stehen. Die operative Behandlung des elephantiastischen Scrotums wird eingehend
besprochen.
Die Stomatitis intertropicalis hätte bei der tropischen Diarrhöe oder
den Aphthae tropicae ihren Platz finden können, Roh giebt hierbei wie bei Er-
örterung des in Aegypten häufigen Vorkommens der Mund beule der Kinder,
bouton de l’enfanee, brufalo. die Ausführungen von August Hirsch in dem be-
kannten grundlegenden Werke wieder. Auch die Angaben über A’erbreitung
der Hämorrhoiden bei den Europäern in wannen (Andern, während dieselben
bei den Negern nicht Vorkommen (? lief.), und über die Entstehung der bei Tro-
penvölkem so häufigen Hydrocele in Folge sexueller Excesse und der Beklei-
dung mit weiten Gewändern, welche nicht wie der europäische Hoscuboden den
Hoden stützen sind dem oft citirten deutschen Buche entnommen.
Bezüglich der Augenkrankheiten der wannen Länder tlieilt Rho die in
ilassauah von den italienischen Aerzten gemachten Erfakningen mit. Europäer
und Eingeborene zeigten auf diesem Gebiete der Pathologie eine ganz verschiedene
Morbidität. Die Unreinlichkeit der Eingeborenen zeitigt kartarrhalische und eitrige
Erkrankungen der Augenbindehaut und Hornhaut in allgemeiner Verbreitung, Ka-
tarakte sind sehr häufig, auch die Pocken gehen auf den Augapfel über, sodass
Blinde in grosser Zahl in den Strassen zu finden sind. Die Italiener dagegen
erkrankten nach den amtlichen Statistiken womger häufig iui Augenleiden als im
Mittelmeer oder im indischen Ocean. Nur die Hemeralopie, welche bei den Einge-
boroen fehlt, wurde in mehreren hartnäckigen Fällen beobachtet, die Heiin-
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326
III. Sonstige Werte
Sendung dos Kranken nöthig machten. Das grelle, durch lein Gebüsch gemil-
derte Licht der sonnigen Colonie erklärt das Auftreten derselben. Bemerkens-
werth ist es. dass die kühlere Jahreszeit mehr Fälle von Conjunctivitis und
Hemeralopie aufweist als die heisse.
Wohl nur wenigen colonialen Aerzten ist es heute noch vergönnt, die Aus-
führungen Bho’s über die Verletzungen durch Pfeilscbüsse pracrisch
verwerthcn. Ihre Behandlung ergiebt sich nus den Grundlehren der Chirurgie.
Die vergifteten Pfeilwunden sind nach der Art des Giftes verschieden gefährlich.
Die Somali verwenden das Ouabain, ein Glycosid, welches durch Kochen der Wur-
zeln mehrere Arten von Apoeineen (Apoeynaceen. Ref.) mit etwas Gummizusatz
gewonnen wird, und ein starkes Herzgift ist Derselben Pflanzengattung ent-
stammt das Kuua der Bambaras im Sudan; die Körner einer Strnphanthus-Art lie-
fern im wässerigen Extraet unter Zusatz von Euphorbiaceen - Früchten dieses Gift.
Die Buschmänner sollen Schlangengift für ihre Weile verwenden, die Hotten-
totten Saft von Wolfsmilcharten.
Diu wenig bekannten asiatischen Weilgifte rufen llerzlähmung und Krämpfe
hervor. Das bekannte Curare ist durch die Giftpfeile der Indianer am Orinoe»
und Amazonen -Strom bekannt geworden. DasUpas-Gift der Eingels »ronen Bor-
neos quillt aus Rindeneinschnitten von Antiaris Toxicnris und wirkt ähnlich : doch
sollen sieh die holländischen Colonialtruppen durch rasches Aufsehneiden und
sorgfältiges Aussaugen erfolgreich gegen die Wirkung desselben schützen. Wenn
schwerere Erscheinungen nuftreten, so ist künstliche Athmung sorgfältig und
lange durchzuführen. Geradezu fin de siede erscheinen die Melanesier, deren
Weilgift aus Sumpferde gewonnene pathogene Mikroben enthalten soll, nämlich
den Tetanushacillu-s und den Vibrio septicus!
(Fortsetzung folgt.) M.
I)r. Borei: Comment on deviant Mddecin d’un Paquetbot. — Paris. Georges Car re
et C. Naud. — 1898.
lieber Rechte und Pflichten, über specielle Ausbildung, Stellung und Hono-
rirung, kurz über den Sonderberuf der Schiffsärzte ist in letzter Zeit mehrfach
in der hanseatischen Tagespreise und in ärztlichen Fachblättern geschrieben
worden. Namentlich ist der Vorschlag einer besonderen Vorbildung mit an-
schliessender Prüfung und einer staatlichen Ueberwachung, ja Verstaatlichung
dieses Berufszweiges gemacht worden. Da eischeint die Mittheilung zeitgemkss,
wie unsere Nachbarn, die Franzosen, dieselbe Frage geregelt haben.
Dr. Borei, selbst „Medecin sanitaire maritime“, schreibt darüber in dem
oben genannten Werkchen kurz, aber klar und sachlich. Er theilt seinen Stoff
in fünf Abschnitte: 1. Die Schiffsarztprüfung. 2. Die grossen Dampfergesell-
schaften. 3. Formalitäten bei der Abfahrt. — Verzeichniss der Arzneimittel und
Instrumente. 4. Der Gesundheitspass. — Formalitäten im Ausland. 5. Der ärzt-
liche Dienst an Bord.
Für uns hat hauptsächlich das erste Capitel Interesse. DerVerf. citirt aus
der Polizeivorschrift für die Schifffahrtshygiene, „regiement de police sanitaire
maritime“, deren Cap. III., Art. 15 u. 16:
„Jedes französische Dampfschiff, das für den Postdienst oder für
den Transport von mindestens 100 Passagieren bestimmt ist, und das
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ID. Sonstige Werke. 327
eine Reise von mehr als 48 Stunden, einschliesslich der Anl&ufsplätze,
macht, ist verpflichtet, einen geprüften Schiffsarzt am Bord zu haben.“
„Dieser Arzt muss Franzose sein und das ärztliche Doctordiplom
besitzen; er führt den Titel eines Medecin sanitaire maritime“ — (was
wir mit „geprüfter Schiffsarzt“ verdeutschen können).
„Art 18. Die geprüften Schiffsärzte werden aus einem vom
Minister des Inneren aufgestelltem Verzeichniss ausgesucht, nach einer
Prüfung vor einer Commission, die vom Minister auf Vorschlag des
Gesundheitsamtes (Comite de direction des Services de l’bygiene) be-
rufen ist“ u. s. w.
Die Prüfungsvorschrift (programme de l’examen) vom 8. XII. 98 beschränkt
sich auf einige schriftliche und mündliche Proben (epreuves). Die schriftliche
Prüfung umfasst einen Aufsatz über die Pathologie der ansteckenden Krankheiten,
und einen Aufsatz über die hygienische Gesetzgebung, zu dem der Candidät die
einschlägigen Werke vorgelegt erhält; für den ersten sind 1 */», für den zweiten
ist 1 Stunde Frist gegeben. Die mündliche Prüfung besteht aus einer Frage über
dieselben Themen, einem practischen Versuch (cpreuve) aus der Bakteriologie
(„Färbung und Diagnose der hauptsächlichen pathogenen Mikroben“), und einer
Desinfectionsprobe („Herstellung und Anwendung der gebräuchlichen antiseptischen
Flüssigkeiten, Sterilisation mit den im Laboratorium und an Bord gebräuchlichen
Apparaten.“ Für diese practischen Versuche ist je eine halbe Stunde bewilligt.
Yerf. selbst sagt, dass es für einen Mediciner, der frisch von der Univer-
sität kommt, nichts Leiohteres giebt, als dieses Examen zu bestehen.
Hoffentlich wird man sich in Deutschland nicht mit einer solchen Prüfungs-
vorschrift begnügen, die nicht viel mehr als eine Formalität bedeutet, sondern
vor allem Stätten eröffnen, wo der angehende Schiffsarzt sich auf seinen Sonder-
beruf — durch Specialcurse an den Krankenhäusern der Hansastädte u. s. w. —
vorbereiten kann. Borei weiss dem französischen Arzt zu Vorstudien für jene
Prüfung nur eine Reihe guter Bücher zu empfehlen, welche allerdings den Ein-
druck erwecken, als würde in Frankreich mehr auf dem Gebiet der Schifffahrts-
nygiene veröffentlicht, als bei uns. In der That scheint mir, wenn ich die deutsche
Litoratur über Schiffshygiene durchgehe — das Werk von Kuleokampff, die Ab-
handlungen von Nocht, Reineke u. A„ die Rathgeber von Schmidt und Gärtner,
die Broschüre von Jentsch u. s. w. — das Bedurfniss nach zwei Büchern vor-
zuliegen: nach einem Sammelwerk der bestehenden Vorschriften für Hafen- und
Schiffshygiene aus der ganzen Welt, als Handbuch mit Formularen und Mustern,
das an Bord jedes ins Ausland gehenden Schiffes sein müsste, und zweitens nach
einer kleinen sachlichen Schrift, die dem jungen Arzt sagt, nicht nur, wie er
eine Stelle als Schiffsarzt erlangen kann, sondern vor allem, wie er sich am besten
darauf practisch vorbereiten muss, — solange die Vorbildung der Schiffsärzte nioht
officiell geregelt ist.
Dr. D— ff.
Zur Besprechung eingegangene Werke:
Compte rendu de la Conference internationale concemant les Services sanitaires
et Vhygiene des chemins de fer et de la navigation.
Bruxelles 1898, van de Weghe.
Archiv für Schiff»- a. Tropenhygiene. 1L 24
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328
UL Sonstige Werke.
Dr. Paaquale Moscato, Sulla emoglobinnria parossistica da chinina.
Milano 1898, Francesco Vallardi.
„ Sülle localizzazioni multiple che l’infezione palustre puö
produrre. Milano 1892, Leonardo Vallardi
„ Sulla malattia del Tomaselli owero sulla febbre ittero-
ematurica da chinina. Milano 1889 ib.
„ Infezione palustre chronica, Napoli 1897, Detken u. Rocholl.
,. Sulla intossicazione chinica nella infezione tifoide e nella
leucemia. Milano 189S. A. Roncati.
Conun. Salvatore Tomaselli, La intossicazione chinica e l'infezione malarica.
Catania 1897, C. Calatola.
Dr. P. Just Navarre, Le prophylaxie du paludisme.
Lyon 1896, Association typographique.
Dr. Bonnasy, Secours aux marins des grandes peches.
Toulouse 1898, Lagarde et Sebille.
Dr. L. Leiatikow, Therapie der Hautkrankheiten.
Hamburg u. Leipzig 1897, Leopold Voss.
Dr. Friedrich Plehn, Die Kamerunküste. Studien über Klimatologie, Physio-
logie und Pathologie in den Tropen. Berlin 1898, August Hirschwald.
Dr. Willibald Qebhard, Die Heilkraft des Lichtes. Leipzig 1898, Th. Grieben.
Prof. Dr. Leichtenstern, Ueber Ankylostoma duodenale.
Wiener klin. Rundschau 1898, No. 23 — 27.
Dr. W. Zinn und Dr. Martin Jacoby, Ankylostoma duodenale.
Leipzig 1899, Georg Thieme.
Sanitätarat Dr. Scheube. Pest. Separatabdruck aus der Realencyklopaedie der
gesammten Heilkunde. Wien, Urban u. Schwarzenberg.
Prof. Dr. C. Eykman, Over Gezoudheid eu Ziekte in heete Gewesten. An-
trittsrede gehalten am 1. October 1898.
Utrecht, J. van Druten.
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Die Behandlung der Syphilis
mit dem Hydrarg. sozojodolic. wird von vielen Seiten mit Recht gerühmt, denn
sie bietet folgende Vortheile:
1. Sie führt zu einer Heilung, die von den internen Mitteln in dem gleichen
Zeiträume keinesfalls, sondern höchstens von der Inunctionscur erreicht werden kann.
2. Die Infiltration nach der Injection ist viel geringer als bei dem grauen
Oel und anderen Quecksilberverbindungen.
3. Das Hydrarg. sozojodolic. hat nicht nur den Vorzug der Leichtlöslichkeit,
sondern vereinigt auch in sich die günstigen Eigenschaften der schwerlöslichen
Präparate in Bezug auf eine andauernde und energische Wirkung.
4. Wöchentlich eine Injection entspricht einer wöchentlich 15—18 gr in sich
fassenden Inunctionscur, wodurch die Anwendung eine sehr billige und bedeutend
angenehmere für den Patienten wird.
5. Die Injectionen sind fast schmerzlos, wenn ca. 6 Minuten vorher eino
Pravaz - Spritze voll einer 4—5 proc. Cocain, muriat. Lösung — an der betreffenden
Stelle injicirt wird.
Bp. Hydrarg sozojodolic. 0,8 gr, nommiice cum aq. deat 5,0 gr. adde Kalii jodati 1,6 gr,
aq. dest. ad 10 gr M. Filtra! D. S. Bubcutanlöaung.
Conf. Prof. Dr. Schwimmer, Wiener kiin. Wochenschrift , No. 26, 1891.
„ Prof. Dr. Stetter, Arbeiten a. d. Ambulatorium und d. Privatklinik etc., Heft II. pag. 19 ff.
,, Prof. Dr. V. Janovsky, Caaopis -Lekaru Cenkych, No. 21 und 22, 1892.
„ Prof. A. Faeann, Archirlo internationale di Medicina e Chirurgia, No. 12, 1897.
„ Prof. Dr. Seifert, Münchener med. Wochenachrift , No. 47, 1888.
H Dr. Oaudin am Hupital 8t. Louia, Paris, Specialbroschüre.
„ Dr. M. Endlitz am Ilopital 8t. Louis, Paria, Bpecialbroachüre.
„ Dr. Thoman, Wiener klin. Wochenschrift, No. 38, 1889.
„ Dr. Herzog, Therapeut. Monatshefte, August -Heft 1889.
Dr. Rosinski, Therapeut. Monatshefte. Dez. -Heft 1893.
,, Dr. Mario Qro, Le Injezloni di Sozojodolato di Mercurio. Clinica dermopath. di
Prof, de Amids, Napoli 1894.
„ Dr. Payet, Journ. des Malad, cutan. 1895, pag. 200-
„ Dr. Alfred Berliner (Dr. B. Ledermanns Poliklinik f. Hautkrankheiten, Berlin), Allgem.
Med. Gentral - Zeitung. No 38, 1896.
„ Dr. Eugen Berneick, Inaugural - Dissertation , Königsberg 1. Pr., 1897, pag. 28.
Wie behandelt man Ulcus molle?
Dr. Th. Trapesnikow, Docent an der kaiserl. militärmedicinischen Akademie
in St. Petersburg, schreibt hierüber (Therap. Blättor 1893, No. 2) unter anderem:
„Bei Tagliihnern, die ihre Geschwüre ausserordentlich schmutzig halten, und
bei solchen Kranken, die nur 1 — 2 mal wöchentlich ambulatorisch behandelt
werden, genügten 1 — 2 Einstreuungen mit feinverriobenem Natrium sozojodolic.
pulv. (pure), um die Ulcera zur Heilung zu bringen. Bei gaugrünescironden
und phagedäni schon Geschwüren genügte ebenfalls eine 2 — 3 malige Applikation
des Pulvers, um diese Komplikation zum Stillstand zu bringen. Wenn man
den Hoilungsprocess des Ulcus molle bei Anwendung von Jodoform
einerseits und Natrium sozojodolicum andererseits mit einander
vergleicht, so lässt sich nicht verkennen, dass die letztgenannte Be-
handlungsweise der ersteren bedeutend überlegen ist und es scheint
mirdurchaus nicht übertrieben, wenn ich mir zu behaupten erlaube,
dass man das Natrium sozojodolicum geradezu als ein Speeiflcnm gegen das
Ulcus molle ansehen kann.'1
In gleicher und ähnlichen Weise äusserten sich:
Prof. A. Fasano, Archivio intornazionalo di Medicina e Chirurgia,
No. 12', 1897,
und in Privatmittheilungen viele Herren Aerzte.
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von Chitral, Aschanti, Soudan und waehrend des tuerkisch-
griechischen Krieges benutzt. Stanley, Nansen, Jackson und die
kuerzlich stattgehabten hauptsaechlichsten Expeditionen wurden
mit denselben ausgeruestet. Es wurde gefunden, dass die ,Tabloid-
Medicamente noch nach dreijaehrigem Reisen in den tropischen
Zonen ihre therapeutische Wirkung beibehalten hatten. Die eben
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bei Iiungentuberculose, bei Hals-, Hasen- und Augenleiden,
sowie bei entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller
Art, tkeils infolge seiner durch experimentelle und klinische
Beobachtungen erwiesenen reducirenden, sedativen und anti-
parasitären Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption
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-h Hamburg. -j—
nach Dp. P. G. Unna
schreibt das Archiv für Schiffe- und Tropen -Hygiene auf Seite 855 des
Jahrgangs 1897:
„Um die Haltbarkeit der medicamentösen Pflaster zu prüfen, batten wir im
Februar und März d. J. an verschiedene Aerzte in den Tropen ln Blechbüchsen ver-
packte Pflaatermulle der Firma P. Beiersdorf & Co. in Hamburg versandt und um
Bericht über die Brauchbarkeit derselben sowie Rücksendung eines Probestückchens
gebeten. Zwei Antworten sind jetzt, Mitte August, eingegangen, nämlich von den
Herren Dr. Glogner ln Samarang (Java) and Dr. Klee in Pitas (Britisch-Nord-Borneo).
Beide Herren haben besonders das Collemplaatrum Hydrargyri carbolisatum und das
Collemplaetrum chrysaroblni, erste res gegen Furunkulose, letzteres gegen parasitäre
und seborrhoische Ekzeme und dergl. verwandt und sprechen sich über die Kleb-
fähigkeit, Haltbarkeit und Wirkung dieser Pflaatermulle sehr befriedigt aus. Die
Probestücke sind im Juni bezw. Juli einfach in Papier geschlagen durch Brief nach
Deutschland zurückgesandt, haben aber auch diese ungünstigen Transportbedingungen
ohne Etnbusse ihrer Eigenschaften ertragen, wie Referent in praktischer Anwendung
an Kranken feststellen konnte.1*
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100
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60
Sedlitzer
25
Carlebader (Sprudel) . .
100
Marienbader
10C
Bodener (Milchbr.) . .
150
Eger (Saliq.)
100
Mergentheimer . . . .
25
« (Warrnbr.) . .
120
Elster (Saliq.) . . . .
100
Neuenahr er (Hpr.) . . .
200
• (Soolbr.) . . .
40
Einser (Kränchen, Kessel-
Ofener (Hunyadi Janos)
15*
Taraaper (Luciusq.) .
50
brunnen, Victoriaq.) •
150
Offenbacher ....
120
Vichy (gr. grille) . . .
100
Fachlnger
100
Püllnaer
20*
Weilbacher (Natr.-Lith )
150
Friedrichshaller ....
25
Pyrmonter (Salzq.) . .
100
Wiesbadener (Kochbrun.)
100
Haller Jodquelle (Tassilo-
liadetner
100
Wildunger(Georg-Victor-
quelle)
50*
Saidschützer
25*
quelle)
300
Hellbr. (Adelheid.* > . .
100
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150
Wildunger (Hclcnenq.) .
120
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ln loser Form werden die Mineralwassersalze nicht abgegeben.
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Diese Präparate haben folgende Vorsüge:
Man erreicht die Heilwirkung, welche man für viele Fülle mit sogenannten Trinkkuren
beabsichtigt : z. B. durch die Eisen-, Kalk- und Lithiumpräparate, Jodsalz, Selterssalz u. a.
Die Medikamente werden dem Patienten in angenehm schmeckender und leicht zu neh-
mender Form geboten.
Die bei der Lösung im Waaner sich entwickelnde Kohlcnaäuro wirkt erfrischend und an-
regend auf die Magenschleimhaut und unterstützt, ebenso wie das begleitende Natrium- oder
Alkalicitrmt (die Brauaemiacbung) die Wirkung.
Die pflanzensauren Alkalien, speziell die cltronensauren, sollen bei längerem Gebrauch
und in Fellen, wo es sich darum handelt, dem Blute grössere Mengen kohlensauren Alkalis
zuzuführen, besser vertrsgen werden, als die kohlensauren (n. Btadelmann-Dorpat: Ueber
den Einfluss der Alkalien auf den menachlichen Stoffwechsel.)
(•ehranrhKsn Weisung: Man füllt ein Trinkglas (ca. 200 Cbc.) zn >/g mit Wasser, schüttet
das mit dein Maassglas oder einem Löffel abgemessene Brauscsalz hinein, rührt schnell mit
einem Löffel etwas um und trinkt die Lösung während der Kohlensäure - Entwickelung aus.
Kinem Wr Jnglaso entspricht *, Maassglas.
Verzeichnis der Brausesalze in Glüsern mit Maassglas zur Abmessung einer Dosis.
F. Dos.
Trink gl.
F. Dos.
Trink gl.
F. Dos.
Trlnkgl.
Br. Alkallcitrat (für Dia-
betiker) 30
Bromsais j 15
75
15
30
I
, Brom-Eiscnsalz . .
Cslciuxnpbospholactat
Calciumphospholactat
mit Eiaen
, Chlnin-Elsencitrat . .
, Coffeinsalz |
Brom- Coffeinsalz .
Br. Eisencsrbonat
s Eisencitrat ... .1
„ Eisen-Mangansalz .
, Elsen-Pyrophosphat J
. Jodsalz 6 pCt, schwach
• » 15 pCt. stark .
• Karlsbader Salz .
a Lithiumbenzoat
„ Lithiumcarbonat . .
• Lithiumcitrat . . .
» Lithinmsalicylat . ,|
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30
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. Lysldinsalz . . . .
* Magncsinmcitrat . .
„ . mit Eiaen
. Natriumsallcylat . .
« Piperazinsalz . . .
. Wlsmuthsalz . . . .
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50
20
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Schiffs- und Tropen-Hygiene.
Band 2.
I. Originalabliandlungen.
Die Beriberi-Epidemien im Richmond Asylum in Dublin.
Von Dr. B. Scheube.
In den letzten Jahren hat das im Richmond Asylum in Dublin
beobachtete epidemische Auftreten einer eigentümlichen Krankheit,
welche mit der Beriberi identificirt wurde, grosses Aufsehen eiTegt.
Bisher lagen jedoch über dieselbe nur kurze Notizen der englischen
medicinisehen Presse, namentlich des British Medical Journal, vor,
welche kein Urtheil über sie gestatteten. Vor Kurzem hat nun der
Director des Richmond Asylum Conolly Norman in einem auf der
diesjährigen Versammlung der British Medical Association in Edin-
burgh gehaltenen Vortrage, welcher im British Medical Journal
veröffentlicht worden ist*), einen ausführlicheren Bericht über die
Dubliner Epidemien erstattet. Wegen des Interesses und der Be-
deutung, welche die letzteren gerade für die Tropenmedicin haben,
dürfte eine eingehendere Besprechung derselben au dieser Stelle ge-
boten erscheinen. Ich will daher im Nachfolgenden an der Hand
des Berichtes von Norman eine möglichst genaue Darstellung von
ihnen geben, damit der beriberi-kundige Leser in den Stand gesetzt
wird, sich selbst ein Urtheil über die Natur der Krankheit zu bilden.
Die erste Epidemie im Richmond Asylum wurde 1894 beobach-
tet. Den eigentlichen Beginn derselben vermag Norman nicht
genau anzugeben, da anfangs, wie derselbe überzeugt ist, viele leichte
Fälle übersehen oder falsch gedeutet wurden. Im Ganzen kamen
bei einer durchschnittlichen Belegung der Anstalt mit 1 503 Kranken
174 Fälle zur Beobachtung, von denen 127 Männer >md 47 Frauen
*) On beri-beri occurring in temperate climates. Bvit. Med. Journ. 1898.
Sept. 24. S 87*.
Archiv f. Schiffs- u. Tropenbygicne. II. 25
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330 Dr. B. Schaube.
betrafen. Die Erkrankungen nahmen von Juni bis September anfangs
allmälig, später rapid zu, und im October fand wieder eine rasche
Abnahme statt. Nach diesem Monate traten keine frischen Fäik
mehr auf. 18 Männer und 7 Frauen fielen der Krankheit zum Opfer,
was einer Sterblichkeit von 14,3 °/0 entspricht.
Im Laufe des folgenden Jahres kamen keine neuen Erkran-
kungen vor.
Aber im Juli 1896, in welchem Jahre die mittlere Krankenzahl
1686 betrug, brach die Krankheit von neuem aus und nahm bis
zum September zu, und noch bis zum Schlüsse des Jahres zeigten
sich Fälle. Im Ganzen wurden 114 Personen, 31 Männer, 76 Frauen
und 7 Wärterinnen, befallen, und es starben 2 Männer und
6 Frauen, also 7 % der Kranken. Von den Wärterinnen erlag
keine.
Im Jahre 1897, während die Anstalt durchschnittlich mit
1800 Irren belegt war, nahm die Krankheit eine noch grössere Aus-
breitung an. Es erkrankten 246 Personen, 47 Männer und
199 Frauen, darunter 2 Wärter und 6 Wärterinnen. 4 Fälle,
welche in den Januar fielen, gehörten noch der Epidemie de» vor-
hergehenden Jahres an. Bis zum Juli kam keine weitere Er-
krankung vor. Dann häuften sich aber die Fälle: im Juli wurden
134, im August 50, im September 7, im October 3, im November
37 und im December 6 beobachtet. Die Sterblichkeit stellte sich
auf 4,4 %, indem bei 1 1 Patienten, 3 Männern und 8 Frauen, die
Krankheit einen tödlichen Verlauf nahm. Vom Warte personal
starb Niemand.
Die Gesamnitzahl der Erkrankten in den 3 Epidemien betrug
demnach 534, die der Gestorbenen 44 = 8,23%.
Was das Krankheitsbild, welches die Patienten darboten,
betrifft, so schildert Norman dasselbe folgendermassen :
Die erste Erscheinung, welche beobachtet wurde, war gewöhn-
lich Oedem auf der Vorderfläche der Tibia. In der Regel bestand
auch schon frühzeitig Empfindlichkeit auf tiefen Druck (wo? ist nicht
angegeben), und meistens konnte ein leichter Grad von ober-
flächlicher Anästhesie nachgewiesen werden. Bei Geisteskranken
ist es natürlich unter Umständen schwierig, Auskunft über subjective
Empfindungen zu erhalten, und oft ganz unmöglich, das Vorhanden-
sein von Sensihilitiitsstörungen festzustellen. Solche Kranke, welche
sieb über ihre Empfindungen aussprechen konnten, klagten in diesem
Stadium der Krankheit gewöhidich über Krämpfe in den Wadeo-
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Die Beriberi-Epidemien im ßicbmond Asylum in Dublin. 331
muskeln und auch über ain mehr oder weniger starkes schmerz-
haftes Geflihl von Ameisenlaufen sowie eine unangenehme Em-
pfindung von Taubsein.
Immer bei etwas vorgeschrittener Krankheit, gewöhnlich vom
ersten Beginn an, machten sich ferner Störungen von Seiten des
Herzens geltend. Diese waren etwas variabel. Am constantesten
■war eine ungewöhnliche Erregbarkeit desselben, indem schon eine
ganz leichte Anstrengung genügte, eine bedeutende Beschleunigung
der Herzthätigkeit hervorzurufen. Tachy-cardie , unabhängig von
Bewegungen, war allgemein. Häufig bestand ein eigenthiimliches
Missverhältniss zwischen Herz und Puls: das Herz schlug anscheinend
kräftig, und der Puls war doch äusserst schwach. Starke Herzthätig-
keit mit sichtbarer Hebung der Brust war nichts ungewöhnliches.
Die Herzdämpfung war in der Regel vergrössert, besonders nach
rechts, und diese Vergrösserung trat oft ganz plötzlich ein. Manch-
mal zeigte sich der Rythmus der Herztöne verändert. Der 2. Pulmonal-
ton war gewöhnlich accentuirt. Verdoppelungen waren häufig, ge-
wöhnlich des 2. Tons an der Spitze, bisweilen auch des 1. Mitunter
waren Geräusche von variablem und inconstantem Charakter zü
hören, am häufigsten ein weiches blasendes Geräusch über der
Pulmonalis, weniger häufig ein Geräusch neben dem 1. Ton an der
Spitze, manchmal nur nach Anstrengungen wahrnehmbar. Präcordial-
druck und Augst waren nicht selten, selbst in leichten Fällen.
Gewöhnlich bestand auch Beschleunigung der Athmung und
Oppression. Verlust oder Schwäche der Stimme wurde mitunter be-
obachtet. Bisweilen, selbst in günstigen Fällen, vermochten die
Kranken nicht tief zu husten und zu messen. Die Athmung war oft
costal, augenscheinlich in Folge von schwacher Thätigkeit des Zwerch-
fells. Häufig ward über ein Gefühl von Druck in der Magengegend
geklagt. Erbrechen trat in etwa 5°/0 der Fälle auf. In der ersten
Epidemie leitete dasselbe gewöhnlich den tödtlicheu Ausgang ein;
in den späteren schien es nicht diese übele Vorbedeutung zu haben.
In einigen wenigen Fällen begann die Erkrankung mit Erbrechen
und manchmal auch Durchfall.
Motorische Störungen. Die erste und auffallendste Er-
scheinung war Schwäche der Peronealmuskeln und der Flexoren des
Fusses. Die Folge hiervon war fast immer die Neigung den Fuss
hängen zu lassen und einwärts zu drehen. In fortschreitenden Fällen
wurden alle Beinmuskeln afificirt. Der Gang war sehr verschieden.
Die meisten Kranken gingen langsam und schwankend. Einige
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332
Br. B. Scheube.
schrieben diese Störung, vielleicht ganz richtig, bloss den Schmerzen
zu. Andere klagten über Schwäche in den Beinen, welche sie un-
fähig machte, dieselben frei zu gebrauchen. Bisweilen war der
Gang der Kranken vollständig normal.
Eine sehr gewöhnliche Erscheinung, durch welche der Gang
am charakteristischsten verändert wurde, war eine Neigung, den Fus*
sehr hoch zu heben, um zu verhüten, dass die herabhängenden
und kraftlosen Zehen den Boden schleiften. Der Fuss wurde dann
stampfend ähnlich wie bei Tabes auf den Boden aufgesetzt, und
wenn der Kranke sich auf die Füsse stützte, trat ein Hm- und
Herschwanken nach vorn und hinten ein. Auch noch andere
Störungen des Ganges kamen zur Beobachtung, So ging ein Patient
mit dem einen Bein in der beschriebenen Weise, während das andere
wie von einem Hemiplegiker leicht geschleift wurde.
In einer kleinen Zahl von Fällen waren die Muskeln des Vorder
und Oberarmes empfindlich und die Strecker kraftlos. Der Hände
druck war oft schwach. Wirkliche Lähmung der Strecker der Hand
wurde in weniger als 1 °/0 aller Fälle beobachtet und war nur in
1 Falle vollkommen.
Die Strecker des Oberschenkels waren oft gelähmt. Viele
Kranke konnten, wenn sie am Boden sassen, nicht ohne Hülfe ach
aufrichten. Oft waren die Patienten unfähig sich zu bücken, ohne
zusammen zu sinken. Sie konnten ganz gerade stehen, aber sobald
die Kniee gebeugt wurden, fielen sie in Folge der Schwäche des
Quadriceps zu Boden. Eine allgemeine Muskelschwächo mit Abneigung
gegen jedwede Anstrengung war gewöhnlich vorhanden. Oft boten
die Waden, manchmal auch andere Muskeln, in den früheren Stadien
ein hartes Gefühl dar-. Dies war mitunter beschränkt auf eigec-
thümliche, längliche Maasen, besonders am äussem Kopfe des
Gastrocnemius.
In 1 Falle wurde einseitige Lähmung des Oculomotorius, Ptosis.
Erweiterung der Pupille und Strabismus divergens beobachtet
Neigung zu Contractureri in den gelähmten unteren Extremi-
täten zeigten sich in etwa l/i Dutzend von Fällen, aber nur
2 Patienten blieben in Folge derselben lahm. Eine sehr interessante,
constante und auffallende Erscheinung war hochgradige Erschlaffung
der Gelenke, besonders der Knie- und Fussgelenke, welche zweifel-
los theils auf Muskelschwund, theils auf eine Erschlaffung der Ränder
zuriickzufiihren war.
Muskelntrophie zeigte sich selten, ohne dass vorher Oedeir
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Die Beriberi-Epidemien im Richmond Asylum in Dublin. 333
beobachtet worden war, gewöhnlich wurde erstere nach Verschwinden
des letzteren bemerkt. Manchmal war das Oedem nur leicht und
flüchtig, und etwas später konnte man Muskelatrophie wahrnehmen.
Diese war oft sehr ausgeprägt, und die Muskeln waren dabei weich
und schlaff.
Was die elektrischen Reactionen anlangt, so konnten in
einigen Fällen gar keine Veränderungen derselben nachgewiesen
werden. Häufig waren diese sehr unbedeutend und verschwanden
frühzeitig in der Reconvalescenz wieder, lange bevor die Erscheinungen
von Seiten des Herzens sich verloren. Oft bestanden sie lediglich
darin, dass bei galvanischer Reizung die Gontractionen träge
und die .latente Periode lang war. Die Fälle mit ausgeprägter
Muskelatrophie zeigten Entartungsreaction. An den Muskeln und
Nerven der oberen Extremitäten wurden keine elektrischen Ver-
änderungen beobachtet. Der Trapezius wurde nicht untersucht.
Sensibilitätsstörungen. Bei den geistig normalen Kranken
bildete oft ein Gefühl von Müdigkeit in den Wadenmuskeln die
erste Krankheitserscheinung. Die Patienten klagten über Schwäche
und Schwere der Füsse. Krämpfe und Taubsein waren häufig.
Eine der Wärterinnen gab an, dass sie weder ihre Fussohlen auf
den Pedalen ihres Zweirades, noch die Feder in der Hand
deutlich fühlen konnte. Stechende, brennende, bohrende Schmerzen
waren regelmässig in der Haut der Beine vorhanden. Eine sehi
gewöhnliehe Klage war ein Gefühl ähnlich dem Stechen von Nesseln.
Einige Kranke klagten über Schmerzen in den Fussohlen. Einer
hatte eine Empfindung, als ob sein Fuss in heissen Leim ge-
taucht wäre.
Schmerzen in den Muskeln wurden in einigen Fällen geklagt
und waren manchmal sehr heftig. Bei vielen bestanden abwärts
schiessende Schmerzen in den Gliedern. Die häufigste Klage war
ein mitunter sehr heftiges, schmerzhaftes Gefühl, als ob Insecten über
eine wunde Fläche kröchen, welches Norman mit dem Piri-piri der
Japaner ideritificirt.
Hautanästhesie war mit verschiedenen Parästhesien gemischt.
Eine sehr gewöhnliche Erscheinung war Unempfindlichkeit für ganz
leise Berührung, z. B. das leichte Darüberstreichen mit einem Pinsel,
während stärkerer Druck auf derselben Stelle Schmerz von dem
oben beschriebenen Charakter hervorrief. Oft bestand rund um jede
Zone von Hypästhesie herum eine solche mit sehr ausgesprochener
Hyperästhesie. In einigen Fällen wurde das Gefühl von Tauhseip,
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Dr. B. Scheube.
die verminderte Empfindung von Objecten, Entfernungen u. s. vr.
von Schmerzen begleitet.
Anästhetische oder hyperästhetische Flecken oder Streifen fanden
sich in verschiedenen Fällen au vielen Körperstellen, am häufigsten
aber an den Unterschenkeln, wo sie auch meistens zuerst auftraten,
aber auch an Oberschenkeln, Rumpf, oberen Extremitäten, Nacken und
Gesicht. In 2 Fällen wurden isolirte anästhetische Stellen an den Lippen
nachgewiesen. Die Anästhesie hielt manchmal eine beträchtliche
Zeit an und schien sich allmälig auszubreiten, um dann allmälig
wieder abzunehmen. Häufiger zeigte sie kleine tägliche Schwankungen
und verschwand oft mit wunderbarer Schnelligkeit. In einigen Fällen
war das schmerzhafte, oft mit Anästhesie verbundene Ameisenkriechen
am schlimmsten in der Nacht In anderen konnte man häufig die
flüchtige und variable Natur der Anästhesie beobachten. Mehr als
einmal wurde letztere nur am Morgen wahrgenommen. In einzelnen
Fällen wurde auch der Pharynx untersucht und anästhetisch ge-
funden.
Die Wadenmuskeln erwiesen sich immer, wenn der geistige Zu-
stand der Kranken eine Untersuchung zuliess, auf tiefen Druck
empfindlich. Auch die oberflächlichen Nerven waren empfindlich,
mitunter sogar sehr stark, besonders der Peroneus.
Die Reflexe, sowohl die oberflächlichen als tiefen, waren in
Fällen, welche frühzeitig unter Beobachtung kamen, gewöhnlich ver-
stärkt. Wenn die Krankheit fortschritt, wurden die Patellarsehnen-
reflexe in der Regel herabgesetzt, nicht immer auf beiden Seiten
gleichmässig, und wenn ausgesprochene Schwäche bestand, waren sie
immer erloschen.
Wassersucht. Oedem bildete, wie Norman glaubt, eine
constante Erscheinung, wenn es auch in einzelnen Fällen so unbe-
deutend war, dass es übersehen wurde und die Krankheit daher
direct in das atrophische Stadium überzugehen schien. In leichten
Fällen und zu Beginn der Erkrankung war es am deutlichsten längs
der innern Fläche der Tibia. Weniger constant waren Füsse UDd
Unterschenkel allgemein geschwollen. Oedem konnte ferner ge-
wöhnlich auch über dem Kreuzbein, oft über Brustbein oder Rippen,
über dem Uluarrande, des Vorderarmes entdeckt werden, und nicht
selten, selbst in leichten Fällen, zeigte sich das Gesicht gedunsen.
Manche Fälle boten allgemeines Anasarka dar. Lungenödem war
häufig, und auch llydropericardium und Hydrothorax wurde be-
obachtet. Das Hautödem war wunderbar verschieden: in einigen
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Die Benberi-Epidernien im Richmond Asylum iti Dublin. 336
Fällen erzeugte Fingerdruck leicht eine Grube, in andern war dies
nicht der Fall, indem eine teigige, rayxödematoide Schwellung be-
stand. Mitunter wechselte das Oedem schneller seinen Ort, als
dies bei anderen Formen von Anasarka zu geschehen pflegt, und es
verschwand auch in manchen Fällen mit ausserordentlicher Ge-
schwindigkeit. In einigen Fällen wurde auch Oedem des Augen-
hintergrundes nachgewiesen. Bisweilen bestand leichter Erguss in
die Gelenke, insbesondere das Kniegelenk.
Was den Verlauf der Krankheit betrifft, so war der Beginn
derselben in der Regel ein schleichender. Bei den geistig normalen
Patienten konnte festgestellt werden, dass ein Gefühl von Müdigkeit
in den Unterschenkeln mit gelegentlichen Krämpfen oft eine be-
trächtliche Zeit bestimmteren Symptomen voranging, während es bei
den Geisteskranken im Allgemeinen schwierig war, Prodromal-
erscheinungen nachzuweisen. Manchmal waren die Anfangssymptome
von einer lebhaften Steigerung der Temperatur begleitet, welche aber
bald wieder verschwand. 2 Fälle entwickelten sich in der Re
convalescenz von Typhus, und verschiedene Kranke wurden nach dei
Genesung von Dysenterie befallen. Der Verlauf der Krankheit war
ein ausserordentlich variabler: mitunter war derselbe ein stetiger,
viel häufiger dagegen ein ruckweiser. Ganz characteristisch waren
die auch sonst bei Beriberi beobachteten Erscheinungen: plötz-
liche Aenderungen zum Schlechten bei Kranken, die sich an-
scheinend wohl befanden, ausserordentliche Häufigkeit von Relapsen,
manchmal ganz plötzliche Todesfälle, welche nicht selten bei an-
scheinend gut fortschreitender Reconvalescenz eintraten. Die Dauer
eines Anfalles war vollkommen imbestimmt; im Ganzen zeigten die
schwereren Fälle der ersten Epidemie einen schnelleren, sei es
günstigen oder ungünstigen, Verlauf, als die leichteren Fälle der
späteren Epidemien. Im Allgemeinen neigten die Fälle im frühen
Stadium der Krankheit zu zunehmender Wassersucht und Schwäche,
dann verschwand die Wassersucht, und ausgesprochene Muskel-
atrophie trat zu Tage, welche sich wieder allmälig besserte, während
Lähmung und Anästhesie sich gleichzeitig verloren.
Der Tod erfolgte auf verschiedene Weise. Jener furchtbare
Zustand, der so oft bei Beriberi beschrieben und den Japanern unter
dem Namen Shiyo-shin*) bekannt ist und offenbar durch Insufficienz
eines überanstrengten und geschwächten Herzens hervorgerufen wird,
*) Deutsch: das Herz wird geetosseu.
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336
Dr. B. Scheute.
raffte verschiedene Kranke nach kürzerem oder längerem Bestände
der Krankheit, oft mit blitzartiger Geschwindigkeit einsetzend, unter
den bekannten Erscheinungen (Unruhe, Erbrechen, heftige Pulsation
des Herzens, Dyspnoe, Cyanose, Orthopnoe u. s. w.) dahin. Oft war
der Tod anscheinend hauptsächlich durch Lungenödem bedingt
Auch Synkope, offenbar in Folge von Degeneration des Herzmuskels,
die auch nach dem Tode gefunden wurde, war keine seltene Todes-
ursache, manchmal, wie erwähnt, in scheinbarer Reconvalescenz.
Hydropericardium und Hydrothorax trugen wahrscheinlich in ver-
schiedenen Fällen zum tödlichen Ausgange bei. In manchen Fällen,
namentlich bei alten und geschwächten Kranken, schien lediglich
allgemeine Erschöpfung die unmittelbare Todesursache zu sein.
Bisweilen führte Lähmung der Athmungsmuskeln, besonders des
Zwerchfells, allein oder in Verbindung mit Herzinsuffidenz, den
Tod herbei. Auch anderen Krankheiten erlagen die Patienten leicht
Wie schon aus der oben angegebenen Sterblichkeitsziffer hervor-
geht, bestanden bemerkenswerthe Unterschiede zwischen den 3 Epi-
demien. In der ersten war die Sterblichkeit hoch, Sbiyo-shin häufig,
es gab eine grosse Zahl von Fällen mit allgemeinem, ausgeprägtem
Oedem und die Lähmungen waren ausgesprochen. In der zweiten
Epidemie war die Sterblichkeit geringer, Shiyo-shin war allgemein,
Anasarka selten und die motorischen Störungen weniger in die
Augen springend. In der dritten endlich zeigte die grosse Mehrzahl
der Fälle den milden Typus, welcher von mir als rudimentäre Form
bezeichnet worden ist; allgemeines Anasarka wurde kaum beobachtet
Unmöglichkeit zu gehen bestand sehr selten, und es war eine ganz
besondere Neigung zum Auftreten von schmerzhafter Formication
(Piri-piri) vorhanden. In jeder der späteren Epidemien kamen aber
Fälle vor — - es handelte sich oft um ,.Uelapse“ — welche an die
während der ersten vorherrschenden Erkrankungen erinnerten.
Die Angaben, welche Norman über den pathologisch-ana-
tomischen Befund macht, sind etwas dürftig. Abgesehen von
den weniger wesentlichen Veränderungen und den hydropischen Er-
scheinungen wurde in den peripheren Nerven (V agusäste, Phrenicus.
Peronei u. s. w.) parenchymatöse Degeneration, in manchen
Fällen mit einem leichten Grade interstitieller Besserung gefunden.
Gehirn und Rückenmark boten nichts Besonderes dar. Das Herz-
muskel zeigte fast immer fettige Degeneration, manchmal ausser-
ordentlich ausgesprochen. Die Muskeln der Extremitäten, welche
betroffen gewesen waren, wiesen körnige Degeneration auf.
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Die Beriberi-Epiiiemien im Riehniond Asylmn in Duolin. 337
Die Aetiologie der besprochenen Epidemien ist dunkel. Die
1 »akteriologischen Untersuchungen, welche angestellt wurden, führten
zu keinem positiven Ergebnisse. Anfangs glaubte man einen dem
Pek elbaring 'sehen gleichenden Coccus isolirt zu haben, später
stellte sich aber heraus, dass man sich geirrt hatte. Eine Ein-
schleppung von auswärts konnte nicht nachgewiesen werden. Weder
bevor noch während die Krankheit in der Anstalt herrschte, kamen
ähnliche Fälle anderswo in Dublin zur Beobachtung.
Norman giebt eine genaue Beschreibung der Lage und des
Zustandes des Richmond Asylum, welcher ich Folgendes entnehme.
Dasselbe ist für die geisteskranken Armen der Stadt Dublin und
der Grafschaften Wicklow und Louth bestimmt, und etwa s/s seiner
Insassen stammen aus der Stadt. Es befindet sich auf einem un-
gefähr 59 Acres (24 ha) grossen Grundstücke, das innerhalb der
Stadt gelegen ist, und wird zum Theil von dem dicht bevölkerten
Armenviertel umgeben. Unmittelbar grenzen ein grosses öffentliches
Hospital, ein grosses Arbeitshaus und ein Getängniss an. Die Ge-
bäude liegen verhältnissmässig hoch, 90 — 120 Fugs über dem
mittleren Wasserstande des Liffey-Flusses, an welchem die Stadt
erbaut ist Der Untergrund besteht aus festem, undurchlässigem
Thou, welcher von einer dünnen Schicht „gemachter Erde*1 be-
deckt ist.
Der ältere Theil der Gebäude, welcher jetzt die Frauen-
abtheilung bildet, ist etwa 84, der neuere, die Männerabtheilung
umfassende, ungefähr 45 Jahre alt, und die hygienischen Verhältnisse
derselben sind in mancher Hinsicht schlechte, was sich durch die
grosse Häufigkeit von Schwindsucht, Dysenterie und anderen In-
fectionskrankheiten sowie die hohe Sterblichkeit in der Anstalt aus-
spricht. Da bis vor 12 Jahren die Canalisation sich im denkbar
schlechtesten Zustande befand, ist, obwohl seitdem ein ganz neues,
gutes Drainage-System eingeführt worden ist, der Boden unter und
in der Umgebung der Gebäude mit Abfallstoffen gesättigt. In sehr
schlechtem Zustande befanden sich ferner die Fussböden und die
Ventilationseinrichtungen, und dabei war die Anstalt seit mindestens
1886 in hohem Grade überfüllt: wo etwa 1000 Kranke Platz ge-
habt hätten, waren über 1500 untergebracht.
Das Trinkwasser der Anstalt, welches der städtischen Wasser-
leitung entstammt, ist dagegen von guter Beschaffenheit Auch die
Kost war gut und hinreichend. Die Insassen der Anstalt bekommen
überhaupt keine Nahrung, welche nicht auch in der Stadt allgemein
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338
Dr. B. Scheube.
gegessen wird. Besonders zu erwähnen ist, dass Reis, welcher neuer-
dings wieder verschiedentlich in ätiologischen Zusammenhang mit der
Beriberi gebracht worden ist, nur wenig, eigentlich nur zu thera-
peutischen Zwecken, verabreicht wurde. Eine Aenderung in der
Kost trat zu Anfang des Jahres 1894, also kurze Zeit vor dem Aus-
bruche der ersten Epidemie, ein, indem von da an die Kranken,
welche bisher Freitags weder Fisch noch Fleisch bekommen hatten,
an diesem Tage getrockneten Fisch erhielten. Da letzterer wahr-
scheinlich von Neu-Fundland, wo vielleicht Beriberi endemisch ist,
kommt, konnte daran gedacht werden, in demselben die Ursache
der Krankheit zu suchen. Aber derselbe Fisch wird allgemein
Freitags von der Arbeiterbevölkerung Dublin’s gegessen, und durch
einen Zufall unterblieb die Fischverabreichung auf der Abtheilung
der Epileptischen, und gerade unter diesen traten 1894 verhältniss-
mässig die meisten Erkrankungen aut. Endlich wurde gegen Ende
1894 der importirte getrocknete Fisch durch frischen einheimischen
Fisch ersetzt, und gleichwohl brach die Krankheit 1896 und 1897
wieder aus.
Dies sind in der Hauptsache die Mittheilungen, welche Norman
über die Dubliner Epidemien macht. Der beriberi-kundige Leser wird
durch dieselben gleich mir den Eindruck erhalten haben, dass die
Krankheit, um welche es sich hier handelt, in der That Beriberi
ist. Nicht nur das allgemeine Krankheitsbild, der Beginn und der
weitere Verlauf der Erkrankung, sondern auch die einzelnen Symp-
tome entsprechen ganz den Krankheitserscheinungen der Beriberi.
was bei den sporadisch bei uns vorkommenden Fällen multipler
Neuritis gewöhnlich nicht der Fall zu sein pflegt Die verschiedenen
von mir aufgestellten Formen der Beriberi, die acute pemiriöse, die
hydropisch-atrophische, die atrophische, die rudimentäre, sind sämmt-
lich in der von Norman gegebenen Darstellung der Krankhat
wieder zu erkennen. Auch der pathologisch-anatomische Befund ist
in den wesentlichen Punkten derselbe. Das secundäre Hinzutreten
zu andern Krankheiten (Typhus) wurde gleichfalls wie bei Beriben
beobachtet.
Die Vertheilung der Krankheitsfälle auf die einzelnen Monate,
wie sie für die letzte Epidemie angegeben ist, erinnert an die, welche
ich bei der Beriberi in Japan gefunden habe. Es ist zu bedauern,
dass dieselbe nicht genauer auch für die anderen Epidemien mit-
getheilt worden ist und Angaben über die die Epidemien begleiten-
den Witterungsverhältnisse gänzlich fehlen. Ueberhaupt ist eine
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Die Beriberi-Epideinien im Richtnond Asyl um in Dublin. 339
Vervollständigung des Nor man 'sehen Berichtes, welcher gewiss dem-
nächst in einer ausführlicheren Veröffentlichung erfolgen wird, in
manchen Punkten dringend zu wünschen. Ueber die Dauer der
Krankheit lauten die Angaben sehr unbestimmt. Das Vorkommen
von Recidiven — Norman spricht von „Relapses“ — wird zwar er-
wähnt, etwas Näheres über dieselben erfahren wir jedoch nicht. Vor
Allem ist aber die Mittheilung von Krankengeschichten und Sections-
protokollen unumgänglich nöthig. Erst nach Ausfüllung dieser Lücken
wird man in den Stand gesetzt sein, ein ganz bestimmtes Urtheil
über die Natur dieser Krankheit abzugeben, doch zweifle ich nicht,
dass dasselbe ebenso ausfallen wird wie das oben ausgesprochene.
Persönlich habe ich ausserordentlich bedaueit, dass ich durch äussere
Umstände behindert war der freundlichen Einladung Norm an ’s,
welche dieser im Juli v. J., als die letzte Epidemie eben aus-
gebrochen war, an mich richtete, Folge zu leisten und mir durch
eigenen Augenschein ein Urtheil über dieselbe zu bilden.
Hat man es bei den Dubliner Epidemien wirklich mit Beriberi
zu thun, so steht man bei der Frage nach dem Ursprung derselben
bis jetzt vor einem vollkommenen Käthsel. Dass die Nahrung,
welche man neuerdings wieder als Ursache der Beriberi beschuldigt
hat, in ätiologischer Hinsicht nicht in Frage kommt, hat Norman
überzeugend dargethan. Die ungünstigen hygienischen Verhältnisse,
welche in der Anstalt herrschten, namentlich die starke Ueberfullung
d eise Iben, haben zweifellos eine wichtige Rolle in der Aetiologie ge-
spielt, wie es ähnliche Verhältnisse auch sonst bei der Beriberi zu
thun pflegen, aber an sich können dieselben nach unsem An-
schauungen vom Wesen der Beriberi unmöglich die Krankheit
erzeugt haben. Gehen wir von der Annahme aus, dass es sich bei
der Beriberi um eine infectiöse multiple Neuritis handelt, welche
durch die schädigende Einwirkung von toxischen, von einem speci-
flschen Mikroorganismus, sei er pflanzlicher, sei er thierischer Natur,
gebildeten Stoffen hervorgerufen wird, mag derselbe nun selbst in
den menschlichen Körper eindringen oder sich nur in der Umgebung
des Kranken, im Boden, in Gebäuden u. s. w. befinden und von
hier aus seine Wirkung entfalten — welche letztere Ansicht zuerst
von Fiebig ausgesprochen und neuerdings von Manson adoptirt
worden ist — gehen wir also von dieser Annahme aus, so können
wir uns das Auftreten der Beriberi an einem Orte, wo dieselbe vor-
her nicht existirt hat, nur so vorstellen, dass die Krankheitserreger
von irgend einem Beriberi-Herde eingeschleppt worden sind. Dass
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340
Dr. B. Scheube.
dieselben sowohl durch Menschen als auch durch leblose Gegenstände.
Kleider u. dergl., verschleppt werden können, ist als eine feststehende
epidemiologische Tliatsache anzusehen. Wenn man bedenkt, dass
Dublin eine Hafenstadt ist, die mit der ganzen Welt in Schiffsver-
kehr steht — auf den in die englischen und auch die deutschen
Häfen einlaufenden Schiffen sind Beriberi-Fälle keine grossen Selten-
heiten — ferner, dass zwischen der Einschleppung der Krankheits-
erreger und dem Ausbruche der Epidemie, welches zudem in seinem
Beginn übersehen wurde, vielleicht eine geraume Zeit liegen kann,
und dass bei Geisteskranken es oft ausserordentlich schwierig oder
selbst ganz unmöglich ist, anamnestische Erhebungen über ihr Vorleben
anzustellen, dürfte eine Einschleppung der Krankheit, welche sich
vollkommen der Beobachtung entzogen hat, durchaus nicht in das
Bereich der Unmöglichkeit gehören. Bei dem feuchten Klima Dublins
und den schlechten hygienischen Verhältnissen, welche das Richmond
Asyl um darbot, können die Krankheitserreger hier einen günstigen
Nährboden für ihre Entwickelung gefunden haben. Dass die Ben-
beri nicht auf tropische und subtropische Länder sich beschränkt,
sondern auch im gemässigten Klima auftritt, ist eine längst be-
kannte Thatsache. Schon im Jahre 1881, nach einer durch Yezo
unternommenen Reise, habe ich darauf hingewiesen, dass auf dieser
nördlichen japanischen Insel, welche ein durchweg gemässigtes Klima
und einen 6 — 7 Monate langen, kalten Winter hat, Beriberi vor-
kommt.
Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass fast zu gleicher
Zeit wie im Richmond Asylum in Dublin auch in mehreren anderen
Irrenanstalten Englands und Nordamerikas Beriberi oder beriberi-
ähnliche Krankheiten beobachtet worden sind. So im Suffolk County
Asylum in Melton (Suffolk) im Winter 1894/95 und 1896/97, im
Alabama State Asylum in Tuscaloosa (Alabama) 1895 und 1896 und
im Arkansas State Asylum in LitÜe Rock (Arkansas) 1895. Ueber
die Epidemien in Melton und Little Rock liegen meines Wissens bis-
her keine genaueren Mittheilungen vor, so dass man keine Ansicht
Uber dieselben äussem kann. Ueber die Epidemien in Tuscaloosa hat
Bondurant einen vorläufigen Bericht erstattet, den ich leider nur
nach einem Referate im Janus (H. 5. 1898, S. 492.) kenne. Durch
dies bin ich nicht vollkommen überzeugt worden, dass es sich bei
den im Ganzen 84 Erkrankungen wirklich um Beriberi gehandelt
hat. Das Krankheitsbild ähnelte nicht so auffallend dem der Beri-
beri, wie dies bei den Dubliner Epidemien der Fall war, und zeigte
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Die Bariberi-Epidemien im Rioiunond Asyluni in Dublin. 341
mehrere Besonderheiten (manchmal sehr heftige Erscheinungen von
Seiten des Verdauungskanals, Reizung der Nieren). Die Ursache
der Krankheit sucht Bondurant in dem schlechten, einem gestauten
Flusse entnommenen Trinkwasser der Anstalt, deren sonstigen' sani-
tären und diätetischen Verhältnisse gute waren.
Die von Orthmann (Grafenberg-Ludenberg) und Tippei (Alt-
scherbitz) in deutschen Irrenanstalten beobachteten vereinzelten
Fälle von multipter Neuritis, welche von Norman gleichfalls der
Beriberi zugerechnet werden, haben sicher nichts mit echter Beri-
•>eri zu thun. Zu einer so weit gehenden Ansicht, wie sie Balz be-
reits vor Jahren ausgesprochen hat, dass die bei uns sporadisch
vorkommenden Fälle von multipler Neuritis nichts Anderes sind
als sporadische Falle von Beriberi, kann ich mich, wie ich schon
früher geüussert habe, nicht bekennen. Meiner Meinung nach sind
beide Krankheiten zwar mit einander verwandt, aber nicht identisch,
indem sich dieselben zu einander verhalten mögen etwa wie die
Cholera nostras zur Cholera aaiatica.
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Therapeutische Mittheilungen aus der Tropenpraxis
von Dr. J. H. F. Kohlbrugge,
pract Arzt am Sanatorium Tosari (Ost-Java).
I. Zur Behandlung der tropischen Leberhypertrophie oder Leberhärte.
Eine auf Entzündung beruhende Hypertrophie der Leber kommt,
wie wir alle wissen, sehr häufig in den Tropen vor, auch ist jedem
Tropenarzte bekannt, dass diese Hypertrophie (zuweilen auch nur
Hyperämie) durch sehr verschiedene Krankheiten hervorgerufen wer-
den kann. Ich will hier auf diese Dinge nicht näher eingehen.
In Bezug auf die Therapie ist natürlich die erste Forderung
diese, dass man der Indicatio causalis genügt, dass man z. B. durch
Chinin erst die Malaria heilen muss, welche die Leberech wellung
hervorrief. Nun ist aber auch- allgemein bekannt, dass nach Elimi-
nirung der Ursache die secundäre Leberschwellung (Leberhärte) oft
noch lange Zeit bestehen bleiben und den Patienten sehr belästigen
kann. Ausserdem giebt es noch eine Leberschwellung sui generis,
deren Ursache uns oft unbekannt ist und die man darum klima-
tischen Einflüssen in die Schuhe schiebt (Indian liver). Solche
primären Leberschwellungen zeigen oft ein sehr unregelmässiges, re-
mittirendes Fieber, welches zeitweise oder bleibend verschwinden kann,
die Hypertrophie der Leber bleibt in letzterem Falle aber oft noch
lange bestehen. Wer einmal solch’ eine Leberschwellung acquirirte,
der ist meist vielen Recidiven unterworfen, und sehr oft endet die
Krankengeschichte mit einem Leberabscess, den man bei lange an-
haltendem Fieber und nach überstandener Dysenterie stets ver-
rauthen muss.
Solche Kranke thun gut, die Tropen zu verlassen, ehe es so weit
gekommen ist
Es fragt sich nun, wie soll man solche primären Schwellungen,
um der Abscessbildung vorzubeugen, wo dies überhaupt möglich ist
und die obengenannten secundären Schwellungen nach Wegnahme
der Ursache heilen?
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Therapeutische Mittheilungen aus der Tropenpraxis. 343
Ich beachte dabei flir die primäre Hepatitis nicht jenes Stadium,
wo die Entzündung noch in vollem Gange, das Fieber erheblich, die
Leber sehr schmerzhaft ist und man die antiphlogistische Behand-
lung einleiten muss; ich will hier nur die Therapie des zweiten
Stadiums betrachten, in welchem die acuten Symptome schon nach-
gelassen haben*) und nun die Leberschwellung Monate, Jahre lang
bestehen bleibt, den Patienten belästigend und ihn stets mit neuer
Entzündung oder Recidiven der oft der Entzündung zu Grunde lie-
genden Malaria bedroht; von solchen Patienten mit vergrösserter
oder zuweilen auch nur verhärteter Leber findet man unzählige in
den Tropen, viele sind sioh dabei Anfangs dieses locus minoris resi-
stentiae gar nicht bewusst. Am besten bezeichnet man diesen chro-
nischen Zustand wohl mit „Leberhärte“, und diese wird auf Java
mit den folgenden Arzneimitteln behaindelt: Calomel, Karlsbader
Salz, Arsenik, Jodkali, Jodtinctur (äusserlich) und besonders auch
mit den Toemoelawak-Knollen**).
Ferner schreibt man eine geeignete reizlose Diät vor und schickt
die Kranken oft in’s Gebirge, wo die Leber häufig sehr schnell ab-
schwillt bei gleichzeitiger Verbesserung des Ernährungszustandes.
Ich will auf diese Heilmittel, die alle ihren eignen Werth haben,
nicht weiter eingehen und hier nur ein, wie ich glaube, neues thera-
peutisches Verfahren beschreiben, dass ich den Collegen empfehlen
möchte, die nur zu oft erfahren haben werden, dass sie ihre Patienten
aus der Behandlung entlassen mussten, ohne die Hypertrophie der
Leber ganz zum Schwinden gebracht zu haben.
Ich suchte nach einem Mittel, um die Blutcirculation in der Leber
zu beschleunigen, da die Hypertrophie in den Tropen mit Hyperämie
gepaart ist. Diese Beschleunigung glaubte ich erst durch äusseren
Druck, also Massage erreichen zu können, sah aber bald ein, dass
diese Methode nicht geeignet sei : Erstens weil die Fälle relativ selten
sind, wo die Leber so weit unter dem Rippenbogen hinabreicht, dass
inan sie leicht massiren kann, denn oft handelt es sich nur um einen
harten Leberrand, den man nur bei tiefer Inspiration erreichen kann.
Die Leber ist in solchen Fällen eher atrophisch als hypertrophisch,
*) In einigen Füllen von „Indian liver“ fehlt das acute Stadium überhaupt
ganz und ist das Leiden von vornherein ein langsam vorechreitendes . chro-
nischer Art.
**) Toemoelawak von Curcuma zerumbeh Roxb. Am besten wirkt der aus
den Knollen frisch ausgepresste Saft, weniger gut das Deeoct oder Pillen der ge-
trockneten Knollen.
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344
Dr. J. H. F. Kohlbrugge.
aber sehr hart. Zweitens war die Massage bei den meisten Patienten
sehr schmerzhaft und ausserdem ermüdend, da man, um Erfolg zo
haben, doch einen Widerstand hersteilen musste, also nur bei durch
Inspiration fixirtem Diaphragma massiren konnte. Drittens kann
man immer nur den Leberrand und nicht die Leberfläche mit den
Fingern kneten.
Ich suchte also ein anderes Verfahren, um einen geringen, mehr
indirecten aber gleichmässigeren Druck auszuüben und dabei gleich-
zeitig die Circnlation zu beschleunigen.
Solch’ ein Mittel fand ich in tiefen Inspirationen mit gleichzeitigen!
Druck auf den Bauch.
Jede Inspiration vermindert den Druck in den grossen Venen
der Venenstrom wird beschleunigt, das Venenblut schneller dem
Heizen zugeführt. Der Einfluss der Athmung ist bei den grossen
Venenstämmen am grössten, in denen ja stets ein negativer Druck
herrscht, der positiv wird und stets zunimmt, je weiter die Stammt
sich vom Herzen entfernen. Es war also anzunehmen, dass der Blut-
druck iu den Venae hepaticae, den letzten Seitenzweigen der Yens
cava inferior, welche gerade dort in diese einmünden, wo die untere
Hohlvene durch das Foramen quadrilaterum des Zwerchfells in den
Brustkorb tritt, sehr dem Einfluss tiefer Athemzüge unterworfen sein
müsse, dass tiefe Athemzüge also viel Blut aus der Leber zum Herrn
führen würden. Auch wird durch solche tiefe Inspirationen ein Druck
durch das Diaphragma auf die Leber aurgeübt Dieser Druck ist
aber nicht erheblich, da die Leber in die Bauchhöhle hinabsteigei;
kann; verhindert man die Leber, bauchwärts auszuweichen, dann muss
durch diesen künstlichen Widerstand jede Inspiration einen starker
Druck auf die Leber ausüben.
Von diesen Erwägungen ausgehend, lasse ich nun meine Patien-
ten recht oft (mehrmals täglich) eine Art Gymnastik üben. Sie
.schnüren den Bauch mit den Händen zusammen, indem sie die
Daumen auf die Hüften legen und mit den Fingern den Bauch zu-
sammen drücken, dabei inspiriren sie langsam aber so tief wie nur
rgend möglich.
Durch dieses einfache Verfahren, das man jedem Patienten in
einer Sitzung lehren kann, sah ich die chronische taberhärte sehr
schnell schwinden, weit schneller als früher durch die alleinige An-
wendung (intern oder extern) von Arzneien, welche man übriges*
mit diesem Verfahren combiniren kann.
Tosari, 16. Juni 1898.
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Kurze Bemerkungen Uber die Theorie der Malaria-Ueber-
tragung durch Mosquitos und Uber Geisseiformen bei Blut-
körperparasiten
von
Dr. Hans Ziemann, Marine-Stabsarzt.
Den Anlass zu den folgenden kurzen Bemerkungen gab ein
sehr interessanter Vortrag*), den Patrick Manson im Juli 1898 zu
Edinburg gelegentlich der British Medical Association gehalten.
In demselben giebt M. zunächst eine ganz kurze Darstellung
der Malariaparasiten, wie sie sich im lebenden Blute und innerhalb
des menschlichen Körpers darstellt. Eine Anzahl der neuentstan-
denen jungen Parasiten lässt er eine Beute der Ieukocyten werden,
was, in dieser bestimmten Form ausgesprochen, wohl keine allge-
' meine Gültigkeit haben dürfte. Dies nebenbei.
Die chromatinhaltigen, entwicklungsfähigen Parasiten werden
jedenfalls nach meinen Untersuchungen nicht eine Beute der Leuko-
cyten, sondern nur die sterilen, bez. chromatinarmen.
Im Anschluss an jene kurze Schilderung kommt er auf die be-
kannten Geisselkörper der Malariaparasiten zu sprechen, Gebilde, die
sich erst eine Zeit nach Anfertigung des Deckglaspräparates aus
runden, sphärischen, pigmentirten Körpern bilden und mit einer An-
zahl lebhaft beweglicher Geissein versehen sind. Die betreffenden
Körper sind schon mehrfach in dieser Zeitschrift beschrieben, sodass
eine ausführliche Darstellung unnöthig erscheint
Manson glaubte nun, dass die Geisselkörper, da sie sich erst
bildeten nach der Entnahme des Blutes, in Beziehung ständen zu
dem Leben des Malariaparasiten ausserhalb des menschlichen
Körpers.
Die Malariaparasiten, die nicht von selbst den menschlichen
*) An Exposition of tbe Mosquito-Malaria Theory and its recent Develop-
ments. Journal of Tropical Medicine N. 1. Vol. I. Fast derselbe Vortrag
erschien auch im Brit. med. Journ. Sept. 24. 1898. N. 1909. cf. auch Lanoet 1898.
N. 3912. S. 488.
Archiv f. Schiff*- u. Trop«uhy^lene. II. 26
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346
Dr. Hans Ziemann.
Körper verlassen könnten, würden mit dem Blute von Mosquitos
aufgesogen, in deren Mägen sich dann die Geisselkörper bildeten.
Hier brächen die Geissein ab, um alle Eingeweide der Mosquitos
zu durchdringen und so das extracorporale Leben der Parasiten
gewissermaassen cinzuleiten. Er hält also die Geissein selbst für den
wesentlichsten Bestandtheil der Geisselkörper. Wenn der so inficirte
Mosquito im Wasser stürbe, könnte nach M. sich der Mensch infi-
ciren entweder durch Genuss des betreffenden Wassere, oder durch
Einathmung etwaiger staubförmiger Rückstände.
Freie Geissein, die sich von den Geisselkörpem gelöst haben
und nun mit ziemlich lebhafter, schlängelnder Beweglichkeit durch
das Gesichtsfeld schiessen, kann man nicht selten sehen. Ich sah
dieselben namentlich in den Blutpräparaten inficirter Vögel mehr-
fach*). Dass die Mosquitos die Wirthe des Malariavirus sein
könnten, ist bekanntlich schon von anderen Autoren behauptet
cf. Laverans**) neuestes Buch und die Berichte R. Kochs aus Ost-
Afrika. Die neueren Arbeiten von Bignami in Rom standen mir noch
nicht zur Verfügung***). Manson speciell kam zu jener Hypothese
durch das Verhalten der Mosquitos als Wirthe der Filarien.
Gehen wir nun nach diesen Vorbemerkungen zu den Unter-
suchungen des englischen Oberstabsarztes Ronald Ross in Ostindien
Uber. Ross fand, dass TO*/, von den Halbmonden, die mit Malaria-
blut von Mosquitos aufgesogen wurden, sich im Magen derselben
in Geisselkörper verwandelten, worauf die Geissein abbrachen.
Warum nicht auch die anderen 30 "/„ von den Halbmonden sich
im Mosquitomagen in Geisselkörper verwandeln, wird nicht gesagt.
Später entdeckte er in den Magenwandungen von einigen ge-
sprenkelt ausseheudcn Mosquitos, die mit estivo-autumnalen
Parasiten gefüttert waren, einige kleine ovale, pigmentirte Zellen.
Zur selben Zeit traf er ähnliche Gebilde in den Magenwandungen
eines grauen Mosquito, der einige Tage vorher das Blut eines
Tertianakranken gesogen. Das Pigment war in jenen Zellen angeb-
lich nicht von dem der Malariaparasiten zu trennen. Ross mass
diesen Befunden gleich eine grosse Bedeutung bei.
In der ausgesprochenen Absicht, die Mosquitotheorie weiter
*) H. Ziemann, ITeber Malaria- und andere Blutpamsiten nebst Anhang.
Eine wirksame Methode der Chromatin- uod Blutfärbuog. (?. Fischer. Jena 1898.
•*) A. Laveran: Traite du Paludisme. Paris 1898, Seite 66.
***) Zeitungsnotizen. Yergl. indess A. Bignami: Le ipotesi sulla biolcgu dei
parassiti malarici fuori dell' uomo. Policlinieo. 1896. Vol. 111.
Kurz» IkmierkoDgen über die Theorie der Malariaübertragung etc. 347
auszubauen, arbeitete er zunächst weiter mit inticirten Vögeln.
Menschenniaterial stand ihm angeblich bei Beginn jener grösseren
Reihe von Untersuchungen noch nicht zur Verfügung. Er benützte
Vögel, die inficirt waren durch einen Parasiten, Proteosoma Labbö.
Derselbe ist kleiner als der hantelförmige Blutkörperparasit, den
man auch Halteridium Labbe nennt, dreht den Kern des rothen
Blutkörpers zur Seite und zerfallt in eine verhältnissmässig geringe
Zahl junger Parasiten. Dagegen war es mir bis jetzt trotz einer sehr
grossen Reihe von Untersuchungen unmöglich, eine Fortpflanzung der
Halteridien in der Blutbahn zu finden*). Die entgegengesetzten
Befunde von Labbe, der eine regelmässig auftretende Sporulation
beschreibt, glaube ich mit Bestimmtheit als irrig erwiesen zu
haben, (cf. v. WasielewBki**). Auf die Unterschiede der verschie-
denen Vogelblutparasiten habe ich ausführlich aufmerksam gemacht***).
Proteosoma Labbö entspricht in meinem Buche dem Typus C. der
Vogelblutparasiten. Wenn nun R. graue Mosquitos mit dem Blute
von Sperlingen, Lerchen und Krähen futterte, welches Proteosoma ent-
hielt, konnte er sehr oft in den Magenwandungen die schon früher
erwähnten kleinen pigmentirten Zellen wiederfinden. Von 245 grauen
Mosquitos, die mit proteosomahaltigem Sperlingsblute gefüttert waren,
zeigten 72 °/0 — also doch nicht alle — der Verf. — die pigmen-
tirten Zellen in den Magenwandungen. Mosquitos, die parasiten-
freies Blut gesogen, zeigten pigmentirte Zellen in den
Magenwandungen niemals.
Was wird jetzt nach Ross aus den pigmentirten Zellen in der
Magen wand des Mosquito?
Letztere besteht aus verschiedenen Schichten, einer äusseren,
bestehend aus den Verzweigungen der Luftsäcke, 2 Schichten von
Muskelfasern, und zwar longitudinalen und circulären, die mit-
einander ein Gitterwerk von rechteckigen Maschen bilden, ferner einer
strukturlosen Membran. Die innerste Schicht, gewissermaassen die
mucosa des Magens, bestand aus verschiedenen Zelllagen.
R. fand nun die pigmentirten Zellen nicht in der sogenannten
mucosa des Magens, sondern auf der äusseren Oberfläche der
strukturlosen Membran, bez. zwischen den Maschen der Muskel-
schichten. Das früheste Stadium, am 1. Tage der Infektion des
Mosquitos, konnte er noch nicht entdecken.
*)Nur einmal habe ich eine Art von Sporulntionskörper bei
Halteridien vom Fichtenkreuzschnabei, Loxia europaea, gesehen.
**) v. Wasielewski: Sporozoenkunde. 0. Fischer, 1896.
***) L c.
26*
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348
I)r. Hans Zientaan.
Am 2. Tage zeigt sich der Parasit als oraler Körper von
6 — 7 (x Durchmesser, bestehend aus homogenem Protoplasma mit
etwa 20 intensiv schwarzen Pigmentkömehen und deutlicher
Aussenkontur. Allmälig wächst der Körper, sodass er am 3. und
4. Tage 3 oder 4 mal so gross ist wie am 2. und gewinnt unter
Umständen ein granulirtes Aussehen,
Am 4. oder 5. Tage wird er mehr sphärisch mit einem Durch-
messer von 60 bis 70 g. Die Wandung ist jetzt dicker. Im Inneren
kann man dann Körnchen in concentrischer Anordnung finden. Nach
6 oder 7 Tagen ragt der Parasit als ein warzenähnlicher Körper in
das Lumen der Magenhöhle hervor. Er nennt denselben jetzt Proteo-
8oma-Coccidium.
Ross fand ferner, besonders bei den Mosquitos, bei denen die
erwähnten warzenähnlichen Parasiten geplatzt waren, in allen Ge-
weben sehr kleine spindelförmige Körper. Er konnte dieselben auch
erhalten, wenn er die grossen pigmentirten Zellen in der Magen-
wandung der Mosquitos durch leichten Druck zum Platzen brachte
und dann den Inhalt in Kochsalzlösung untersuchte. Da sie keine
deutliche lokomotorische Eigenschaft Insassen , leitete er ihre
Verbreitung in den Geweben von der Blutbewegung her. Die kleinen
Gebilde , die er germinal rods nannte , fand er auch in den
Zellen von 2 Drüsen, die, je eine, an der Kopfseite der Mosquitos
liegen und durch einen gemeinsamen Ausführungsgang mit dem
Rüssel in Verbindung stehen.
Ross glaubte auf diese Weise den Weg gefunden zu haben,
auf dem die germinal rods möglicherweise den Körper der
Mosquitos wieder verliessen.
Er nahm zum Beweise Mosquitos, die mit pfoteosonrahaltigem
Spatzenblute gefüttert waren und bewahrte sie 6 — 7 Tage auf, bis
er glaubte, dass die germinal rods sich gebildet hatten, und auch
bereits in die erwähnten Drüsen gedrungen waren. Dann setzte er die
infizirten Mosquitos artf Sperlinge, deren Blut bei genauester Unter-
suchung keine Blutparasiten gezeigt hatte. Nach wenigen Tagen
zeigten sich grosse Mengen von I’roteosoma in dem Blute der von
den Mosquitos gestochenen Sperlinge.
Gerade hier wäre eine Zahlenangabc äusserst wünschenswerth
gewesen, da nur grosse Zahlen unter den Verhältnissen, unter
denen Ross arbeitete, etwas beweisendes haben.
Zweifellos bieten die Untersuchungen von Ross äusserst Interes-
santes dar. Schade nur, dass sie irr einent Lande angestellt sind, wo
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Kurie Bemerkungen über die Theorie der M&l&riaübertragung etc. 349
die natürliche Infection der Vögel eine so äusserst häufige ist, wo also
nicht inficirte Vögel noch während der Untersuchungsperiode eine
nachträgliche, natüi liehe Infection mit grösster Leichtigkeit erwerben
können. Ich habe derartige Vorgänge in Italien bei Vögeln mehr-
fach gesehen*). Dass erwachsene, vollbefiederte Vögel eine natür-
liche Infection davontragen sollten durch Stiche inficirter Mosquitos,
erscheint mir bis jetzt nicht recht glaublich, oder es müssten nur
besondere Mosquitoarten dazu befähigt sein. Andererseits ist es
ja möglich, dass junge, noch nackte Vögel ihre etwaige Infection
durch inficirte Mosquitos davontragen können, und dass diese Infection
sich unter Umständen lange Zeit erhält. Dann fehlt vor Allem
auch noch die Nutzanwendung der letzterwähnten Versuche auf die
malarische Infection des Menschen.
Ich will zwar nicht leugnen, dass dieselben, oder ganz ähnliche
Factoren, die speciell die Proteosoma-Iufection der Vögel veranlassen,
mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Infection mit den sehr nahe
verwandten Malaria-Parasiten des Menschen veranlassen können.
Indess die Beschreibung der Biologie jener pigmentirten
Körper, die sich in den Magenwandungen saugender
Mosquitos finden können, ist doch noch eine äusserst
lückenhafte. Das allererste Stadium kann uns Ross nicht zeigen.
Auf welche Weise sich die germinal rods im Blute
von Vögeln, die jene germinal rods von Mosquitos ein-
geimpft erhielten, nun in echte Proteosoma-Parasiten
verwandeln, wird uns ebenfalls nicht verratben. Das
wäre doch nothwendig, um die Beweiskette zu schliessen, wenigstens,
wenn diese Versuche in einem Malaria-Lande angestellt
werden.
In Bezug auf die Befunde von R. sagt Manson selbst, dass er
die Malariaübertragung durch Mosquitos nicht für den auschliess-
lichen Modus der Infection ansähe. In der That sind mit der
Mosquitotheorie manche Thatsachen, wie das plötzliche Auftreten
schwerer Malariaerkrankungen nach stärkeren Bodendurchwühlungen,
bis jetzt noch nicht recht in Einklang zu bringen. Eine weitere Er-
örterung dieser höchst interessanten Frage würde den Rahmen der
kurzen Abhandlung überschreiten. In meinem Buche hatte ich auch
die Möglichkeit einer Uebertragung der Malaria durch stechende
Insekten zugelassen.
*) 1. c. 8. 104 u. folgende.
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350
Dr. Hans Ziem&nn.
Vor Allem sagen uns die Untersuchungen von Ross noch nicht,
wie sich das Malariavirus ausserhalb des menschlichen Körpers fort-
pflanzt. Das Malariavirus ist zweifellos schon vorhanden in (legenden,
in denen hieb keine Menschen aufhalten. Es muss sich also auch
unabhängig von Menschen fortpflanzen können. Manson hält aber
eine Infection von Mosquito durch Mosquito für möglich und glaubt,
dass möglicher Weise bestimmte Mosquitosorten auch nur bestimmte
Malariaparasitenformen beherbergen. Alle diese Fragen werden
jedenfalls Gegenstand der eingehendsten Untersuchungen in der
nächsten Zeit sein" müssen. Handelt es sich doch um Dinge von
grosser practischer Bedeutung. Auch das wird zu prüfen sein, ob
nicht etwa das Malariavirus von einem Mosquito auf seine Nach-
kommenschaft übergehen kann, wie die Parasiten des Texasfiebers
der Rinder von der Rinderzecke auf deren Eier übergehen. Jeden-
falls existiren nach meinen Untersuchungen die Blutkörperparasiten
ausserhalb der inficirten Menschen oder Thiere entweder in einer
anderen Form, als innerhalb des Organismus oder als Parasiten von
Lebewesen, die ihnen einen Ersatz bieten für das parasitäre Dasein
bei höherem Organismen*).
Bestätigen sich die wichtigen Befunde von Ross, so träfen beide
Vermuthungen zu. Wir würden dann möglicherweise auch nur
einen Infectionsmodus, den durch Stich von Insocten haben. In
diesem Zusammenhänge sei auch der von Manson citirten Befunde
von Mac Callum**) von der Jobn-Hopkins-Universität in Nord-
Amerika Erwähnung gethan. Derselbe studirte die hantelformigen
Blutkörperparasiten der Vögel, die sogenannten Halteridien, und
beobachtete, was schon von anderen und auch von mir gesehen
war, wie im Deckglaspräparate die hantelförmigen Parasiten die
Blutkörper z. Th. verliessen und rund wurden. Diejenigen von
ihnen, welche mehr hyalines Aussehen hatten, wurden dann zu
Geisselkörpem, von denen die Geissein abbrachen. Letztere
drangen darauf in andere, mehr granulirt aussehende Sphären ein.
Nach einiger Zeit hätten dann die so gewissermaassen befruchteten
Sphären Würmchenform gewonnen und lokomotorische Eigenschaften,
die es ihnen gestatteten, durch weisse Blutkörper hindurchzudringen.
Nach Mac. Callum wäre durch die erwähnten Eigenschaften den
*) L o. Ziemaun: lieber Malaria etc. 8. 90.
**) On tbe Hämatozoou lafections of Birds. The Joum. of Expertin.
Medicine. Vol. UI. N. I. 98.
Karze Bemerkungen über die Theorie der Malariaübertragung etc. 351
Parasiten vielleicht die Möglichkeit gegeben, aus dem inticirten
Organismus wieder in die Aussenwelt zu gelangen.
Es ergiebt sich jetzt die Kombination von selbst, dass in den
Mitgen von mit Proteosoma inficirten Mosquitos, mit denen Koss
experimentirte, sich ebenfalls Blutwürmchen bildeten, ähnlich denen,
die Mac Callum bei Halteridien-lnfection fand, und dass diese Blut-
würmchen erst sich zu den erwähnten Proteosoraa-Coccidien im
Mosquitomagen umwandelten. Ross indess scheint die Bildung
der beweglichen Blutwürmchen aus den sphärischen Körpern
nicht gesehen zu haben. Ich habe in vielen hunderten von sogleich
untersuchten Präparaten von inficirtem Vogelblut niemals ge-
sehen, wie freie Geissein in Sphären eindrangen. Wohl alter konnten
sie zeitweise sich an eine freie Sphäre heranlegen. Vielleicht hätte
aber die Beobachtung des lebenden Blutes noch länger ausgedehnt
werden können. Jedenfalls scheint Glück dazu zu gehören, den
eventuellen Befruchtungsact zu sehen. Nach Mac Callum würden,
wie wir gesehen, aus Sphäre und eingedrungener Geissei ein Blut
würmchen mit lebhafter Beweglichkeit. Sollte sich diese Be-
obachtung bestätigten, so wäre sie allerdings von
principieller Bedeutung. Wir hätten dann eine Bildung,
die in gewisser Beziehung an die Bildung der Zygoten
aus Gameten bei manchen Algen erinnerte.
Thatsache ist, dass man spedell bei den hantelförmigen Para-
siten schon im intraglobulären Stadium öfter zwei Formen unter-
scheiden kann, eine mehr hyaline mit oft ziemlich reichlichem, aber
aufgelockertem Chromatin und eine mehr granulirt aussehende, sich
dunkler blau färbende mit wenigem oder gar keinem Chromatin.
Jedenfalls ist dasselbe sehr viel schwerer färbbar wie bei der ersten
Form*). Ich beobachtete schon vor Kenntniss der Befunde Mac
Callums dieses Verhalten im letzten Sommer auf Helgoland speciell
bei Kreuzschnäbeln häufiger. Beide Formen wurden im Deckglas-
präparate zu freien sphärischen Körpern, bei denen ebenfalls das
Chromatin sich verschieden verhielt Auf Tafel IV, Fig. 11 u. 13.
meines Buches ist die Verschiedenheit der beiden Formen
ebenfalls schon angedeutet Die dunkelblau gefärbten Sphären
zeigten bei den Fichtenkreuzschnäbeln, Loxia europaea, weniger, dann
meist compactes, oder gar kein Chromatin, dagegen eine helle
Stelle an dem Orte, wo sonst das Chromatin liegt, die hyalinen
*) Ziemanu 1. c.
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362
Dr. Hans Ziemann.
Sphären oft eine wirre Aufknäuelung von Chromatinfaden, oft auch
eine Art staubtörmiger Auflösung derselben. Das Chromatin trat
dann aus den hyalinen Körpern heraus, nachdem es zunächst
an die Peripheiie gerückt. Taf. IV. Fig. 1 3. Einige Male sah mau
die ganze Masse des Chromatins, in anderen Fällen nur einige auf-
geknäuelte Fäden desselben neben, aber ausserhalb des Parasiten
hegen. Einmal sah ich einem solchen Chromatinfädchen etwas
schwach gefärbtes Protoplasma anhängen*). Was weiter aus dem
Chromatin wurde, konnte ich damals nicht sagen. Die Mac Callumsche
Combinatiou, dass cs sich bei den erwälmten 2 Formen möglicher-
weise um eine männliche und eine weibliche Form des Parasiten
handelte, ist mir nicht gekommen. Jedenfalls dürfte es
interessant sein, dass mir der Nachweis von der Aus-
wanderung bez. Ausstossung von Chromatin aus sphäri-
schen Körpern gelungen ist. Das Chromatin ist bekanntlich
eines der wichtigsten Elemente der Blutkörpcrparasiten. Daher
ist meine Feststellung auch für die Mac Callum’schen
Untersuchungen vielleicht von Wichtigkeit. Eine Aus-
stossung bez. Auswanderung von Chromatinelementen
habe ich übrigens auch schon bei den von mir ent-
deckten eigenartigen Blutparasiten von Athene noctua
in Italien gefunden. Vergl. darüber den betreffenden Passus in
meinem Buche. Eine solche Auswanderung, bez. Ausstossung von
Chromatin kommt bei den Sporozoen mehrfach vor.
Leider ist es mir bis jetzt nur eimsd im gefärbten Präparate
gelungen, eine hyaline, pigmentirte Sphäre zu entdecken, aus der
zwei Chromatinfäden heraushiugen, und die als echte Geisselform
anzusprechen war. Die Chromatinfädcn fingen zusammen mit
einem pheripher gelegenen Cliromatinklumpen. Es handelte sich um
ein Präparat von inficirtem Buchfinkenblut. Schon früher hatte
der russische Forscher Sacharow die Chromatinnatur der Geissel-
liiden darzuthun gesucht. Weiteres habe_ ich darüber in der
Literatur bis jetzt nicht gefunden. Sacharow glaubte bei den
Malariaparasiten eine karyokinetische Zelltheilung annehmen zu
müssen. Wenn diese gestört würde, träte die Chromatinsubstanz aus
*) Von den Protoplasmaf&den, die von absterbenden Zellen, z. B. rotben
lllutzellen, zuweilen ausgehen und Goisselbewegung zeigen, hatte ich die Gensei-
fiideu unserer Blutlorperparasiten schon früher getrennt wegen ihrer gteich-
mässigen Gestalt und der bestimmten, wenn auch äusserst zarten Kontur, d.
Ziemann 1. e. S. 31.
Kurze Bemerkungen über die Theorie der Malariaüberiragung etc. 353
den runden Parasiten heraus und hülfe zur Bildung der Geisselfäden
beitragen. Wie ich schon früher gezeigt, ist indess eine
karyokinetische Zelltheilung der Malariaparasiten nicht
anzunehmen.
Nachdem das Chromatin aus den hyalinen Sphären heraus-
getreten, zerfallen letztere und werden als sterile Körper eine Beute
der Leukocyten.
Nach der Auffassung von Mac Callum wirkten die Geissein also
wie Spermatozoen. ln diesem Falle aber könnten sie nicht nur aus
Cliromatin bestehen, sondern müssten auch etwas Protoplasma haben.
Vergl. die obige Beobachtung. Die Untersuchungen darüber werden
noch fortgesetzt. — Die Beweglichkeit des Pigments hängt bei den
hyalinen Sphähren, bez. den Geisselformen möglicherweise zusammen
mit der Beweglichkeit der austretenden Chromatinfädchen. Zweifel-
los ist die Bedeutung der Geisselfäden bei den Vogelblutparasiten
eine ähnliche, wie bei den Parasiten der menschlichen Malaria.
Dann würden, die Richtigkeit der Mac C'allum’schen und der
Ross’schen Beobachtung vorausgesetzt, die Geisselkörper nicht als
sterile Körper zu betrachten sein, also auch nicht die Halbmonde,
aus denen bei estivo-autumnalen Fiebern sich die sphärischen und
Geisselkörper bilden. Die meisten Beobachter, darunter die ganze
römische Schule und ich, betrachteten sie für sterile Gebilde, weil
bei ihnen keine Fortpflanzung zu sehen war, weil sie auftraten,
ohne das gleichzeitig Fieber zu bestehen brauchte. Ich speciell
hatte bei Halbmonden wohl noch Chromatin gefunden Taf. II.
Fig. 24 meines Buches, indess in sofort gehärteten Präparaten
meist eine derartige feine Auflösung desselben, dass es unter den
Pigmentkömehen sich meiner Beobachtung entzog.
Zweifellos werden auch eine ganze Anzahl von Halb-
monden in Wirklichkeit steril; da ihr Chromatin ver-
kümmert, wenn es nicht Gelegenheit erhält, in einem
Geisselfäden wieder als befruchtendes Agens zu wirken.
Ein endoglobulärer Parasit dagegen macht seine Entwickelung stetig
durch bis zur sogenannten Sporulation, wenigstens bei menschlicher
Malaria. Die früher von mir steril genannten Formen, die Halb-
monde etc. treten dagegen, wie ich stets betont, erst dann auf, wenn
der Körper eine Art Schutzkraft erlangt. Diese lässt es nicht mehr
zur Bildung von Parasiten kommen, die aus sich selbst heraus die
Fähigkeit schöpfen, sich allein weiter zu vermehren. Fassen wir
als Resume zusammen, so baben wir, immer vorausgesetzt, dass Ross
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364
Dr. Hans Ziemano.
und Mac Callum Recht haben, bei den Blutkörperparasiten Welleicht
2 Arten der Fortpflanzung.
a) eine ungeschlechtliche (die gewöhnliche bei Menschen-Malaria)
b) eine geschlechtliche (meist bei Halteridien).
Die erstere glaube ich endgültig festgelegt zu haben.
Ueber die Häufigkeit der zweiten sind weitere Untersuchungen noth-
wendig. Die von mir als steril bezeichneten Formen müssten dann
nur als männliche bezeichnet werden.
In diesem Zusammenhänge sei noch besonders darauf auf-
merksam gemacht, dass ich bei inficirten Exemplaren von Buchfink,
Fringuilla coelebs L., und Sumpfohreule, Asio accipitrinus Fall., dem
Sperber, Ascipiter nisus, der Turteltaube, Turtur communis, und
Fichtenkreuzschnäbeln, Loxia europaea, neben den pigmentirten
eigentlichen Blutkörperparasiten auch unpigmentirte, deutlich chro-
matinhaltige, z. Th. auch mit Geissein versehene freie Parasiten
gefunden habe.
Es waren Gebilde, die sich im gefärbten Präparat als kleine
rundliche oder mehr längsovale freie Körper darstellten, mit zart
blaugefärbtem Protoplasmaleibe, einer ziemlich grossen achromatischen
Zone im centralen Theile und einer compacten, bez. aufgefaserten
Chromatinmasse im Inneren der achromatischen Zone. Die ev. Be-
ziehungen zu den eigentlichen Blutkörperparasiten wurden noch offen
gelassen. Am deutlichsten waren ähnliche Gebilde bei der Athene
noctua zu sehen, (cf. die Abbildungen in meinem Buche auf Tafel 111.
Fig. 29 u. 33.) Die Mac .Callum 'sehe Beobachtung regt jedenfalls zu
erneuten Untersuchungen Uber die Rolle dieser noch unerforschten
Parasiten an.
Das Eine erscheint sicher, dass die von mir beschriebene
Färbemethode zur Klärung dieser wichtigen Frage beitragen wird
Mac Callum selbst betont die Noth Wendigkeit einer wirksamen Kern-
lärbung, um seine Untersuchungen über die Bedeutung der ge-
schilderten Blutwürmchen zu Ende zu fuhren. Speciell der
fernere Vorgang der Verschmelzung eines Geisselfadens mit einem
sphärischen Körper würde sich mit unserer Färbemethode ohne grosse
Schwierigkeit aufklären lassen müssen. Sehr wünschenswerth wäre
es, wenn auch die in den Magenwandungen der Mosquitos von Ros
gefundenen pigmentirten Zellen, die zur Bildung seiner germinal rods
führen, sich der Färbung zugänglich erwiesen.
In Bezug auf die Färbungsmethode verweise ich auf das Referat
Ruges im vorigen Hefte dieser Zeitschrift. In neuerer Zeit ge-
Kurze Bemerkungen über die Theorie der Malamübertraguug etc. 355
lang es mir, meine Doppelfärbung des Chromatins und des
Protoplasma schon in 5 Minuten zu erzielen.
Recept: Methylenblau med. pur. Höchst 1,0
Borax 2,5
Aq. destill. 100,0
davon 1 Theil gemischt mit 4 Theilen einer 0,1 °/0 Eosin (A.-G.
Höchst) Lösung. Auch bei Anwendung dieser Lösung muss vor
Herausnahme der Präparate das ev. gebildete Häutchen von der
Lösung abgestreift werden, da sich sonst Niederschläge bilden. Ueber
weitere Einzelheiten, speciell auch die Anwendung mit Kalilauge
versetzter Methylenblaulösungeu , vergleiche einen demnächst im
Centralblatt für Bacteriologie erscheinenden Aufsatz: Ueber Doppel-
färbung bei Flagellaten, Pilzen, Spirillen und Bacterieu.
Auf das obige Thema werde ich bald noch zurückkommeu.
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Transformation des Archives de m6decine navaie et coloniale.
1,68 Archives de medecine navaie et coloniale publiees en Francs
depui8 trente-quatre ans ont c&sse de paraitre ou plutot se sont transformees.
On sait quelle riebe mine de renseignements constitue ce recueil qoi jus-
que dass ces dernieres annees etait le seul qui füt consacre k l'etude de 1’hygteD*
navaie et de la pathologie exotique.
Le corps de sante de la marine, qui avait assure los Services de la flotte
et des colonies francaises jusqu'en 1890, ayant ete scinde en deux brauch«
distinctes, le recueil oii so publiaient ses tinvaux devait cesser d'etre ootnmuü
aux deux corps. Ce dcdoublement a ete realise depuis eette an nee (1898).
Le Ministero de la Marine continue de publier les Archives de medeciae
navaie, qui font directement suite i\ l’ancienne publication fondee en 1864 per
le Comte de Chasseloup Laubat
D’autre part le Minister« des Colonies publie les Annales d’hygiene et
de modecine coloniales, dont la redaction est confiee i M. le docteur Ker-
morgant, inspecteur general du Service de sante des Colonies franeaises. Cee
Annales formeront une oollection de materiaux rolatifs a l’hygiene, a la ptthe-
logie, a la climatologie exotiques, a l’ethnographie et aux Sciences naturelles.
Nous sommes beureux de saluer ce nouveau recueil, auquel la baute wa-
jietence de son Redacteur en cbef garantit le succes. C. F.
a) Hygiene, Physiologie und Statistik.
Notes sur la mortaliti des troupe* d’lntanterie et d'artlllsrle de marlae eaeemdee w
Cochinchine (1890 i 1896). Fontaine. Annales d'hygifcne et de mededne colo-
niales, 1898 p. 114.
De 1890 it 1896 les tronpes franpaises casemeee en Cochincbine ontfoars:
la mortalite suivante:
Mortalite pour 1000
Annee
Infanterie de marine
Artillerie de marine
1890
10,58
12,00
1891
5,83
28,00
1892
10,00
12,00
1893
10,58
10,00
1894
5,00
16,00
1893
8,18
18,33
1896
19,99
22,85
Moyenne de sept annees ■ 9,93
16,41
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
357
. Moyenne de sept annees pour Iee deux armes 11,22 pour 1000.
L’amölioration des condition» sanitaires de la Oochinchine, signalee dbjä par
le travail de M. Bounafy *) s'est donc confirmee. I/augmentation de la mortalite
en 1896 est due au deces d’un certain nombre de soldats venus du Tonkin et
debarques a Saigon pendant leur vovage de retour.
La mortalite plus consider&ble des soldats d’artillerie parait due k ce que
ceux-ci s’occupent sonvent, en dehors de leur Service regulier, a des travaux
fatigimnts de construction et de surveillance.
Des deces observee on Cochinchine le tiers seulement est du aux affections
sporadiques, chirurgicales ou vcneriennes, qui s'observent aussi en Europa; gräoe
au recrutement plus soigneux des soldats designos pour les colonies, cos affections
y sont plus rares qu’en Kurope; les deces rösultent surtout des maladies ende-
mique*, la moitie environ est due it la dysenterie et ä l’hepatite suppuree.
La dysenterie et la diarrhde chronique restent les maladies dominantes,
matgre une diminution de frequeuce et de gravite tres apprcciable dans les lo-
calites oü l'on a pu ameliorer les eaux de boissons.
Le paludisine tend a disparuifre a mesure que les ri vieres sont cultivees:
on no constate plus les fornies gravee que dans les postes eloignes et dans les
localites oü l'on affectue de grands travaux de terrassement.
La fievre typhoide est beauoonp plus frequente que le cholera eher, les
Europeens, tandis que le cholera sovit ebaque anneo chez les indigenes.
Outre les deces, les rapatriements ont eto tres nombreux, 228 |iour 1000
pour rinfaiiterio do marine, 349 |iour mille pour l’artillerie de marine; une assez
g lande proportion de ces rapatriements est due a des maladies sjioradiques, mais
ce sont les maladies endemiques, surtout la dysenterie, qui on 'ont necessitc le
plus grand nombre. C. F. (Liege).
Ltt Troupe« Colonialei. II. Maladlot du toldat aux payt chaudt p. F. Burot et M.
A. Legrand. Paris. Boiliiere et Fils 1897.
Nachdem die Verf. im ersten in diesem Archiv referirteu Theil ihres
dreibändigen Werkes ziffemmässig von verschiedenen Gesichtspunkten aus, in
5jährigen Perioden die Statistik bearbeiteten und bis vor einigen Jahren, um es
hier voranzustellen, 42,95 pro 1000 Mann als allgemeine Mortalitätsziffer fanden,
gehen sie in diesem Bande darauf aus, zu bestimmen, welche Krankheiten diese
Zahl in den Colonien bedingen, welches ihre Ursachen speciell im militärischen
Leben waren, seien sie örtlicher Natur in Tropen und Subtropen, oder abhängig
von anderen Einflüssen, und weshalb sie hier und da die Malignität der Krank-
heiten befördern.
Nach diesem Plane werden in 12 Capiteln abgehandelt Paludismus, Diarrhoe
und Dysenterie, Hepatitis, Insolation und Hitzschlag. Cholera, Gelbfieber, Typboid-
fieber, Tuberculose. Im 9. Capitel unter verschiedenen Krankheiten die gleichen
wie in Europa, so Nervenkrankheiten, Lungen-, Magenkrankheiten, Hautkrank-
heiten. Syphilis u. s. w. Daun in besonderen Capiteln chirurgische Krankheiten
resp. Verwundungen im Kriege, Unglücksfälle. In einem kürzeren Referate ist
es unmöglich, den ganzen knapp besprochenen aber reichen Inhalt des
Bandes wiederzugeben, aus der Fülle des Gebotenen möge aber Einzelnes hervor-
* B. Archiv Mr Schiffe- und Tt()penbyg1*nCi 1897, Bud I, 8. 20 S (Bet.).
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358
II. Besprach ungen und Litte ratu rangaben.
gehoben werden. Die Malaria, Paludisme der Franzosen, rafft unter 1000 •Ge-
storbenen der Colonialtruppen f.00 dahin, also 60%, die Diarrhoe, Dysenterio
und Hepatitis 200 pro 1000. Noch nicht 35 Verwundungen kommun auf
1000 Krankheitsfälle, während in Dahomey 104 Todesfälle auf 1000 Verwundungen
überhaupt entfielen, eine nicht so kleine Zahl! Allein, betrachtet man die Art
(Schussfracturen) der Verwundungen, bei denen in grosser Anzahl vergiftete
Wunden geschaffen wurden, so erscheint sie viel geringer als die in europäischen
Kriegen. Ausserdem starben in den Colonialkriegen an Verwundungen unmittel-
bar auf dem Schlachtfelde, wo Colonialtruppen oft in nächster Nähe des
Feindes sich befinden, resp. mit ihm haudgemein werden, mehr als */,, aller durch
V erwundungen Eingegangener. Die Distanz der Kämpfenden in Dahomey, Tonkio etc.
betrug meistens nur 50 — 200 Meter, niemals war sie höher als 500 Meter.
An anderen Orten in den Tropen giebt uns die Statistik von 1890 z. & nur
16,4 Todesfälle auf 1000 Verwundungen an. Der Tetanus spielt unter den
Todesursachen der Verwundeten die Hauptrolle, selbst bei Phagedaenismus
tropicus. Die Verfasser fanden, dass die hauptsächlichsten Krankheitsursachen
für Tropenkrankheiten und eigenartige Zustände sonstiger Krankheiten, wio man
sie in den Tropon antrifft, im Boden und im Klima wurzelten In der Periode
der grossen Endemien überwogen, wie auch sie fanden, die tellurischen Einflüsse,
die Rolle des Klimas hingegen sei eine secundäre. Diese Sätze suchen die Ver-
fasser mit Geschick und indem sie eine hervorragende Beobachtungsgabe zeigen,
zu beweisen, sowohl bei dem Capitel Paludisme-Malaria — als bei denen
über Enteritis und Dysenterie in Verbindung mit Hepatitis. Man kann ach
nicht dem Eindruck entziehen, dass ihre Beobachtupgen und Versuche beweis-
kräftig sind, besonders, wenn man die Ziffern der Mortalität und Morbidität der
Europäer, welche permanent am Lande blieben, mit denen vergleicht, welche an
Bord von Schiffen, und wie Verfasser hervorheben, auch nur 300 Meter vom
Lande entfernt, vorherrschten und dazu die Erfolge der Krankenbehandlung an
Bord in Beziehung auf die von an Land Erkrankten oder bereits Beliandelten
in Betracht zieht. — Man überzeugt 3ich dann, welcher eclatante Unterschied
zu Gunsten der Ausschaltung des Bodens am Schiffe, (mehr als %) wenn auch
ganz in der Küstennähe, hervortritt. Nach Verf. Untersuchungen ist lehmiger
Untergrund, worin Wasserstanung und Ansammlung stagmrender Feuchtigkeit in
den obersten Bodenschichten, nöthig zur massenhaften Entwicklung von Malana-
keimen, sowie denen der Dysenterie. Die Malariakeime denken sie sich so an
der Bodenoberfläche und Pflanzendecke haftend, welche besonders bei be-
ginnender Austrocknung gegen Ende der Regenzeit mit der Luft leichter io
Contact kommen können. (Insecten? Ref.) Der Infectionsmodus gebt narb
Verff. vor sich nicht von Organismus zu Organismus, sondern durch Dazwischen-
kunft des Bodens mit stagnirendem Wasser. Die Dyseuterieamöben befinden
sich auch hauptsächlich im Stauwasser, resp. Pfützen und dem Wasser aus
oberflächlichen Bodenschichten. Am meisten beweiskräftig für die Anschauungen
der Verf. ist das glänzende Resultat der Franzosen in den jüngst verflossenen
Jahren, welches sie theils durch Bodenassanirung — Verbindung künstlicher
Drainage mit schon vorhandener natürlicher — erreichten, theils dadurch, da»
sie Truppencantonnements auf Boden mit Wasserstau vermieden und das Tnnk-
wasser sanirten. An den betreffenden Plätzen sahen sie dabei die Mortalität der
Colonialtruppen von 42,95 auf 5,4 pro 1000 Manu herabsinken. Die i®
II. Besprach ungen und Litteraturangaben.
369
III. Bande gegebenen Verhaltungsmaassregeln für die Truppen in den Tropen
und Administrationsoinrichtungen reihen sich diesen grundlegenden Haassnahmcn
nur an. C. Bäubier (Berlin).
Conaidlrations gdndrales sur la morbidlM et ia mortallM de l’annde 1897. Apercu
demographiqne de la Martinique. Gries. Annales d'hygiene et de medeeine
coloniales, 1898, p. 234.
la population totale est d'environ- 190000 habitants. La mortalite et la
nataiite annuelles (par 1000) ont ete:
Annee Mortalite Nataiite
1894 32,3 28,5
1895 23,7 27,4
1896 22,3 26,9
Moyenne annuelle: 28,1 27,6
La mortalite considerable de 1894 est accidentelle et due A uno epidemie
de grippe; la moyenne des deux annee» 1895 — 1896 soit 23 pour 1000, est ä
jieine superionre ii la mortalite franoame, malgro la densite beaucoup plus grande
de la population dans l'ile. Celle-ci compte en effet 191 habitants par kilometre
carre, alors que la France en compte seulement 72.
La nataiite (27,6 pour 1000) est plus elevee qu'en France; le nombre des
naissances illegitimes parait etre considerable, la nuptialite etant tres faible.
Dans la gamison la mortalite a ete
en 1893 6,14 pour 1000
» 1894 7,tö „ „
» 1895 11,40 „ „
„ 1897 20,8 „ „
L'augmentation de la mortalite en 1897 est due & une epidemie de fievre
jaune.
Une statistique oomparative, ne portant malheureusement que sur une
Periode de quatre mois, tendrait ä etablir que les troupes creoles ont une mor-
bidite plus grande que les troupes europeennes de la garnison.
Du l«r Septembre au 31 Decembre 1897 la morbiditn a ete
pour les soldata europeens 172 pour 1000
„ „ „ creoles 249 „ „
Parmi les diverses inaladies observees en 1897 dang la garnison nous notons
26 cas de fievre jaune dont 10 (leces
4 „ » grippe dont 0 decös
101 „ „ malatlies endemiques diverses dont 2 deces
81 „ „ mal. sporad. (f. typhoide) dont 3 deces
48 „ „ inaladies chirurgicales dont 0 deces
34 „ „ inaladies veneriennes dont 0 dece»
10 „ „ maladies cutanees dont 0 deces.
C. F. (Liege).
L’attlgtince publique aux coloniet. A. Kermorgant. Annales d’hygiene et de
medeeine coloniales, 1898, p. 244.
M. le docteur A. Kermorgant, inspecteur general du Service de sante des
colonies fran^aises, a consacre une etude tres interessante & la qnestion si deli-
cate de Tassistanco publique dans les possessions franvaises.
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360
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
On sait que le Ministers des Colonies possede en France un persoonei
medical special ; ces inedecins sont adjoints aux gouvorneurs des colonies non
seulement pour soigner les malades, mais pour lui servir de conseillers dans le
regiement des questions d’hygiene et de polioe sanitaire. On cherclie k eviter
ainsi que daos certaines possessions oü les lüttes de partis sont tri» aigues, 1'ia-
teret des |>opulations ne soit sacrifiö a des interets electoraux.
Le departeinent des colonies a pris a sa Charge les anciens höpitaux rnili-
taires et en a fait des höpitaux coloniaux, oü sont re$us non seulement les
fonctionnaires de la oolonie, europeens ou indigenes, mais les colons, les femmes
et les enfants. On fixe chaque anoee, pour les malades autres que les militaires,
un prix de la journee d'höpital, etabli on faisant intervoair Ta supputation des
frais göncraux; on arrive ainsi ä faire rembourser par le budget local et par
les particuliers une. notable partie des depenses. L’Etat garde k sa Charge les
frais d’hospitalisation des militaires et une partie de la solde du personnel me-
dical; de la sorto les sommes dcpensees par l'Etat sont relativement faibies, toat
en assurant aux fonctionnaires ct aux colons un reel confort et des soins eclaires.
C’est ainsi qu a la Guadeloupe le fonctionnement de tout le Service medical,
y compris les soins donnes aux militaires de la garnison, ne coüte ä l’Etat qnt*
26651 francö (20699 pour le personnel et 5952 pour le materiel).
Dans les colonies qui jiossedeut des ressources süffisantes (Mayotte; Nossi-
Be, Dahomey, Congo, Cote d’ivoire, Guinee franvaise) le Ministere fait aujour-
d’hui supporter tous les frais au budget local; mais il lui prete son personnel.
survoille les achats de vivros, de inedicaments, de materiel et controle les de-
penses.
A coto de cette assistance hospitaliere, destinee surtout au jiersonncl eu-
ropeen, il existe dans beaucoup de colonies fran«;aises une assistance publique
pour les indigenes; ce sont « des hospicos, dos leproseries, des asiles d’alieo*.
« des dispensaires, des ouvroire, des creches, des bureaux de bienfaisance. Les
« hospices n’admettent en general que les natifs indigents. Quelques uns cepen-
« dant peuvent recevoir d'autres categories de malades; mais les (»ersonnes qui
« sont on mesure de payer preferent de beaucoup so faire traiter, malgre U
• differonce de prix, & l’höpital colonial oü ils sont sür de trouver le confort et
« les soins que ne sauraient leur procurer les hospices. Ceux-ci ne sont en effet
« que des ötablissements assez rudimentaires ... On ne saurait songer ä y diriger
• un fonctionnaire, si modeste füt-il. »
M. Kermorgant fait une Enumeration detaillee de ces ötablissements d’issi-
stance publique destines plus specialemeut aux indigenes a la Martinique, a 1»
Guadeloupe, ä la Reunion, ü la Guyane et en Cochinchine; il fournit des ren-
seignements tres precis sur leurs budgets. L’auteur expose la necossite de eon-
server ooncurremment ces deux systemes d’assistance publique, qui s’adressint
a une « clientele » tres-differente, ont besoin d'une Organisation distiocte. La pre-
sence des * medecins coloniaux » nommes par l’Etat pennet ii celui-ci d'exercer
une inflnence directrice eminemment utile sur lVeuvre si diffteile et si complexe
de rassainissement des colonies, et lü meine oü l’occupation militaire est reduite
k url minimum et semblerait rendre inutile un personnel medical special offidelle-
inent attache k la colonie, il importe que l’Etat conserve sa part d’autorit1 dao*
le Service des höpitaux destines aux fonctionnaires et aux colons.
Nous ne pouvons que uous associer aux idees de M. Kermorgant: il oons
II. Besprechungen und Litteraturangaben. 361
parait que dans les colonies, oü le laisser-ailer domine trop souvent la vie, il y
aurait un reel danger it laisser entierement aux autorites locales, et surtout 4 des
autorites electives, l'initiative et la direction dee mesures d’hygiüno. Nous
connaissc ns trop la repugnance des communee, en Europa meme, 4 inscrire 4
leur budget des depenses d'assainissement, pour douter un instant des avantagee
d'une intervention du pouvoir central, et aux colonies, oü il y a plus de choses
4 faire dans cette voie, cette intervention doit etro encore plus energique, pour
assurer la protection des fonctionnaires et des soldats envoyes par la metropole.
M. Kermorgant termine son etude par l'expose des mesures d’interet general
prises par le Service de sante des colonies pour oombattre diverses maladies evi-
tables qui frappaient surtout les populations indigenes.
Un institut vaccinogene a ete fonde 4 Saigon (Cochinchine) en 1890; il
donne d’excellents resultats, gräce 4 l'emploi de jeunes buffles pour l'obtention
de la lymphe vaccinale. Pendant l’annoe 1895 on a prepare 4 l'aide de 250 bufflons,
80000 tubes de vaccin dont chacun pent servir 4 l’inoculation de 40 personnes;
une grande partie de ces tubes a ete distribuee non seulement dans les colonies
francaises de l’Extreme Orient mais ä Hong-Koog, Shanghai, Singapore, Bangkok,
Canton, Yunnan, Manille. On a meme pu ' envoyer de ce vaccin 4 la Reunion,
4 Mayotte, Nossi-Be, Diego-Suarez, Obock, oü il a donne des resultats superieurs
au vaccin d’Europe. En Cochinchine meme on a pendant cette annee 1895
vaccine 182153 individus, dont 116144 pour la premiere fois, avec 90 pour 100
de sucoes.
Les resultats n’ont pas tarde 4 se faire sentir: la mortalite par variole, si
elevee dans certaines colonies, a beauooup diminue et en Cochinchine notamment,
oü le nombre des vaccinations a ete considerable, la population indigöne a
augmente de pres d’un quart: jusqu'en 1885, la Cochinchine eomptait moins de
1800000 Smes, chiffre qui ne paratt pas avoir etc depasse anterieurement; en
1891, quelques annees apres la pratique en grand des inoculations vaccinales,
la population s’elevait 4 2034453 babitants; 4 la fin de 1896 on en eomptait
2262813.
Un second institut vaccinal a ete installe 4 St-Louis du Senegal, et un
troisieme va l’etre 4 Madagaskar.
A ces instituts a ete annexe un Service special pour la vaccination antira-
bique*).
Enfin un institut bacteriologique a ete fonde 4 Nha Trang, dans l’Annam
pour l’etude de la vaccination antipesteuse.
Ajoutons que le serum antivenimeux du Dr. Calmette, medecin principal
des colonies et directeur de l’Institut Pasteur de Lille, a ete repandu gratuitement
par ce savant dans les colonies franqaises oü il rend de grands Services.
Puissent les pouvoire publics pereeverer dans cette voie et se penetrer de
cette idee si simple et si souvent meconnue que dans les colonies les depenses
les plus urgentes sont celles qui assurent la vie et la sante des colons.
C. F. (Liege).
Dia Akklimatisation das Euraplars In den Tropan von Stabsarzt Dr. Koerfer in
Schlettstadt, Deutscb-med. Wochenschr. 1898, Nr. 27 u. 28.
Die Erschwerung der Akklimatisation des (Nord-) Europäers in den Tropen,
•) 8. Archiv für Schiff*- and •jv0pcnbygieoe> B*nd I, i897, B. 81 (Ref.)
Archiv far Schifft- a Tropenhy^ U. 27
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362 11. Besprechungen und Litte raturangaben.
und das chronische Siechthnm, welchem er dort anheimfiült, basiren nicht uf
einer Erschwerung der Wärmeabgabe. Hierfür sprechen die bekannten Unter-
suchungen Eykman’s, welche ergaben, dass „im ruhenden Körper Wärmeabgabe
und Wärmeproduction beim Malaien und Europäern im wesentlichen dieselbe »ist
und die Körpertemperatur bei keinem von beiden eine Erhöhung erfährt1, ferner
die Thatsache, dass Europäer sich in den Tropen bei körperlicher Arbeit im all-
gemeinen wohler fühlen, als bei müssigem Leben auf der Station, endlich die
grosse Seltenheit des Hitzschlages in den Tropen — K. sah in 27, Jahren keines
einzigen Fall. — Verfasser sieht die Ursache der Erschwerung der Akklimatisa-
tion des Europäers in den Tropen in einer unzweckmässigen Lebensweise und
zwar einer zu reichlichen Zufuhr von Fetten, zum Theil schädlichen Sorten,
und von Alcohol d. h., in einer chronischen Intoxication mit Propylalcohol und
Aethylalcohol. K. erinnert daran, dass vom Aequator nach dem Nordpol die
Menge der vegetabilischen Nahrungsmittel allmälig ab-, die Quan-
tität der animalischen Nahrungsmittel und damit auch des Fettes
zunimmt, dass ferner jede der bekannten 3 Zonen auf unserem Planeten ihr
bestimmtes Fett hat (Thranzone, Schweinefettzone [nach dem Hauptfettrepräsen-
tanten der warmblütigen Thiere] und Oelzone). Es ist nicht gleichgültig,
welche Art und welche Menge von Fett man in den verschiedenen
Zonen geniesst: die Fette der jeweilig kälteren Zone sind in der
nächstwärmeren gesundheitsschädlich, ln diesem Sinne zu verwerten
sind die Facta, dass fettreiche Nahrung im Sommer schlechter vertragen wird,
als im Winter, die Wintermonate sich zu Leberthrancuren besser eignen, der
Leberthran in der kalten Zone ein Nahrungsmittel, in der gemässigten ein Arznei-
mittel ist, nicht zum wenigsten das Verbot des Schweinefleischgenusses in
Talmud und Koran, hervcrgegangen aus der Erkenntniss der Schädlichkeit dieser
Fettsorte im heimathlichen Klima. — Wahrscheinlich erklären sich die Tropen-
diarrhöen zum Theil durch übermässigen und un zweckmässigen Fettgenuss, die
Tropenanämie durch chronischen langsamen Zerfall der rothen Blutkörperdien
infolge fortgesetzter geringer Ueberladung des Blutes mit Glycerin, wie sie bei
überreichlichem Fettgenuss in den Tropen eintritt (? Ref.). Vielleicht (? Bei)
beruhen die Schwarz Wasserfieber auf einer combinirten Giftwirkung der Malaria-
toxine und des Glycerins und zeigen sich nur deshalb nicht bei dem Eingebo-
renen, weil er ebeu nicht fortgesetzt seinen Körper mit Glycerin vergiftet —
Intravenöse und subcutane Glycerininjectionen erzeugen bekanntlich Hämoglo-
binurie, Glycerin ist andererseits in jedem Fette enthalten.
R. Pfeiffer-Cassel.
Dl« KamerunkDst«. Studien zur Klimatologie, Physiologie und Pathologie in den
Tropen von Dr. Friedrich Plehn. Berlin, Hirschwald 1898.
Die sehr hübsch geschriebene, 356 Seiten umfassende Monographie Plehn*
giebt ein anschauliches und abgerundetes Bild über alle diejenigen Verhiltnaw
der Colonie, welche den Arzt interessiren, und kann in dieser Hinsicht geraden
vorbildlich wirken. Denn es ist nicht nur Krankheit und Gesundheit, sondern
in feinem zu erschliessenden Colonisations-Gebiet noch mancherlei Anderes, wo-
rauf der Arzt zugleich in seicer weiteren Eigenschaft als Naturforscher und
Mensch sein Augenmerk zu richten hat; und als ein solcher tritt uns der Ver-
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
363
fassor überall entgegen. Dass er das Ganze unter dem grosseren Gesichts-
winkel einer langjährigen tropischen Erfahrung siebtet und der Literatur dabei
eine ausgedehnte Berücksichtigung angedeihen lässt, gereicht dem Buche noch
zu höherer Werthschätzung; und in dieser Hinsicht hebt sich dasselbe aus dem
Rahmen einer localen Monographie weit heraus und wirkt anregend und belehrend
auf jeden Gebildeten, welcher an der Eigenartigkeit tropischer Lebensverhältniase
überhaupt Gefallen findet.
Aus dem reichen Inhalt des Buches hebe ich nur das Folgende hervor:
I. Klimatische Verhältnisse. In Kamerun besteht eine Regen- und
eine Trockenzeit; die Regenzeit, von Ende Mai bis October ist zugleich trotz des
höchsten Sonnenstandes, die kühlste des Jahres; die tiefste mittlere Temperatur
hatte (1.93/94) der October mit 24,3°, die höchste mittlere Temperatur der
Januar mit 26,6°. Januar, Februar und März sind die wärmsten Monate. Während
der Trockenzeit ist die tägliche Teperaturkurve eine ziemlioh gleicbmässige;
in die Zeit kurz vor Sonnenaufgang, also zwischen 6 — 6 Uhr, fällt das Temperatur-
minimum; dann steigt die Tagescurve steil an, erreicht ihr Maximum gegen
2 Uhr Mittags, um von da ab, langsam und stetig bis zum Minimum wieder
abzufallen. Die Tagestemperaturkurve während der Regenzeit ist dagegen eine
unregelmässige. Die mittleren Tagesmaxima liegen zwischen 26,2° und 30,2°;
der höchste Werth überhaupt betrug 32,8° (Mai 1894); die mittleren Tages-
mini ma schwankten zwischen 21,4° und 23,4°; die niedrigste beobachtete
Temperatur betrug 20,1 ° (März und Juni 1893). Die durchschnittliche tägliche
Temperaturschwankung betrug 6,8°. Das bezieht sich Alles jedooh nur auf die
Küstenebene. Das Klima im Gebirge nähert sich mehr den europäischen
Temperaturverhältnissen, auch hinsichtlich der täglichen Temperaturschwankung,
welche bereits auf der c. 500 m hohen Barombistation 14,4° betrug.
Die Luftfeuchtigkeit ist eine ausserordentlich hohe, 88% im Mittel
(1898/94) an der Küste, 75% im Binnenlande.
Trotz der fast völligen Sättigung der Luft mit Wasserdampf ist Nebel-
bildung dank der kräftigen See- und Landbrise im Kamerunthaieselten, anders
ist es in den tiefer eingeschnittenenen, die Richtung der Brise mehr oder weniger
kreuzenden Nebenflüssen.
Am Tage weht der Wind von Westen (Seebrise), in der Nacht von Osten
(Landbrise). Die Tornados sind stark webende Landwinde von nordöstlicher oder
südöstlicher Richtung; erst wenn sie das Meer erreichen, nehmen sie den
Charakter des gefürchteten Wirbelwindes an; die Dauer des Tornado währt
höchstens 2 Stunden.
n. Ueber die Beeinflussung einiger physiologischen Funktionen
des Europäers durch das tropische See- und Tiefland-Klima.
Wie Plehn bei vorübergehendem Aufenthalt in heisseD Räumen, z. B. den
Maschinenraum des Dampfschiffes, eine vorübergehende Steigerung der
Körpertemperatur von im Mittel 0,4° C- konstatirte, welche durch körper-
liche Anspannung noch erheblich erhöht werden konnte, so fand er bei seinen
Selbstvereuchen , beim Uebergang aus der gemässigten in die Tropenzone, und
zwar proportional dem Ansteigen der Luftemperatur, eine unverkenn-
bare Zunahme der Körperwärme von 86,6° auf 37,6°, und an 5 weiteren Ver-
suchspersonen einen mittleren Anstieg um 0,46°. Dabei kommt es auf die
Zeit der Ausreise an; fällt di^e]be in den Sommer, so kann diese Temperatur-
27*
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364
II. Besprechungen und Litteraturang&bcn.
differenz auch ganz fortfallen. „Bei längerem Tropenaufenthalt tritt als eins der
Zeichen erfolgter Äccliinatisation ein Ausgleich der Körpertemperatur in der Art
ein, dass der in den Tropen lebende Europäer dieselbe Körpertemperatur hat,
wie in den gemässigten Breiten“. Die Davy’sche Annahme, dass die Körper-
wärme des Tropenbewohners um 1° F. erhöht sei, konnte demnach nicht be-
stätigt werden. Die Körpertemperatur der westafrikanischen Neger zeigt
keine charakteristische Abweichung gegenüber der des acclimatisirten Europäer*.
Auch hinsichtlich des Pulses war ein besonderes abweichendes Verhalten weder
bei Europäern, noch bei Schwarzen, zu konstatiren. Dagegen ergaben Blut-
druckv ersuche an der Art. temporal, dextra, im Allgemeinen niedrigere Werthe
(um 0.6 — 16,7 mm Hg) als in der Heimath. Hinsichtlich der Respiratioos-
frequenz ergab sich keine wesentliche Verschiedenheit beim Europäer in ge-
mässigten Breiten und bei längerem Aufenthalt in den Tropen. Das Gleiche gilt
von der Urinmenge, welche nur relativ, d. h. im Verhältniss zu der Flüssig-
keitsaufnahme verringert ist, dem specifischem Gewicht (1022 bis 1027) und
der Reaction des Urins (sauer). Auch charakteristische Veränderungen des
Blutes, besonders hinsichtlich der Zahl und Grösse der Blutelemente, konnteo
bei gesunden Individuen in den Tropen nicht festgestellt werden; die sogen&nute
Tropenanämie ist demnach auch nach der Annahme Plehns eine pathologische
Erscheinung. Alles in Allem scheint auch nach Plehns Beobachtungen ein ab-
weichendes Verhalten der hauptsächlichen physiologischen Funktionen in den
Tropen nicht zu bestehen.
III. Die Malaria in Kamerun. Dieses Capitel ist mit grosser Aus-
führlichkeit behandelt und umfasst nicht allein eine Klinik der Kameruner
Malaria, sondern der Malaria der Tropen überhaupt Plehn hat hierbei -seine
neuesten ostafrikanischen Forschungen vielfach mit heranzieben können. Inter-
essant sind seine Nachprüfungen der Ross (Manson-) sehen Muskito-Versucbe.
wiewohl dieselben zu einem positiven Ergebniss nicht führten. Er fand in den
mit Malariablut gefütterten Mosquitokörpem die grossen pigmentirten
Amoeben nach 2 — 3 Stunden nach der Aufnahme lebens- und beweguogs-
fähig; doch konnte er „sporulationsähnliche Vorgänge“ bei ihnen nicht beobachten:
„nach *4 — b Stunden waren die Parasiten ausnahmslos abgestorben, uufarbbar und
unbeweglich, soweit sic sich in den veränderten Blutkörpern überhaupt noch er^
kennen Hessen .... Nach noch kürzerer Zeit starben auscheineud die kleinen
pigmentlosen amöboiden Formen ab", nämlich schon nach */* Stunde.
Halbmonde erweisen sich als widerstaudfähiger; doch konnte die Umwandlung
derselben in die ovaläre oder anuere Formen (Ross) ebenfalls nicht bestätigt
werden. Auch die Versuche, durch mit Malariablut gefütterte Mosquitos, beim
Menschen, eine Infection hervorzubringen, ergaben kein ein wandsfreies Resultat.
Immerhin mag die Möglickeit, dass solches einmal geschehen könne, zugegeben
werden. Doch sprechen die Kameruner Verhältnisse ganz und gar dagegen,
dass dieses etwa der gewöhnliche lnfectionsmodus sei. Auch die Trink wasser-
thoorie erfährt durch die Kameruner Beobachtungen keinerlei Stütze. Mit be-
kannter Vorliebe verweilt der Verf. bei dem „Schwarzwasserfieber“. Die zahl-
reichen aufgeführten Krankengeschichten, z. Thl. mit den dazu gehörigen Sectioo*-
protokullen lassen an Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig. Interessant ist
der Hinweis, dass das Schwarzwassel lieber durch das gelegentliche Auftreten von
Herzthront bösen, intra vitam durch Spitzengeräusch wahrnehmbar, sehr an-
II. Besprechungen und IJtteruturangabon.
365
günstig komplicirt werden kann. Wie bei dem Sch warzwas.se rfiebcr so nimmt
Plehn übrigens bei jedem Malariafieber in mehr oder weniger ausgesprochenem
Orado, einem Zerfall rother Blutkörperchen an und erblickt event. darin sogar
(wie Kef.) die direkte Ursache des Fieberanfalls. Neben dem Schwarzwasserfieber
ist auch der eng damit zusammenhängenden Chininbaemoglobinurie ein
breiter Raum gewidmet, ohne dass es mit Bestimmtheit ersichtlich ist, ob I’lebn
diese beiden Begriffe vollkommen identificirt.
Zwei weitere Capitel sind den nicht auf Malariainfection beruhenden Krank-
heiten und den allgemeinen sanitären und hygienischen Verhältnissen der
Kameruoküste gewidmet. Hervorzubeben ist daraus ein Fütterungsversuch bei
2 Affen mit den Embryonen der Ftlaria medinensis, welche bei einem Affeu
anscheinend ein positives Ergebnias hatte, und wodurch dio Uebertragbarkeit
des Guineawurms durch den Genuss von embryonenhaltigem Wasser, ohne
das Dazutreten von Zwiscbenwirtben, bewiesen erscheint.
Die sanitären Erfahrungen bezüglich der Colonisationsaussichten von Kamerun
fasst Plehn dahin zusammen, dass von dem ungesunden Küstengebiet ein Rück-
schluss auf die Verhältnisse der höher gelegenen Partien der Coloniu nicht statt-
haft sei. Hier kommen, wie schon auf der Yaundestation ersichtlich, weit
günstigere sanitäre Verhältnisse in Betracht, und bleiben in dieser Richtung
weitere Beobachtungen Vorbehalten. Eine Acclimatisation des Europäern an der
Küste sei nicht denkbar.
0. Schellong.
Pestnachrichten.
Der Monat September hatte mit 1800 Erkrankungen an Pest in Bombay
den höchsten Stand der Seuche bezeichnet.
In der ersten Octoberhälfte hielt die Zunahme der Krankheit iu Bombay
an. Am 3. October wurdon 209 Todesfälle für die verflossene Woche gemeldet,
aus der ganzen Präsidentschaft aber 4000. Besonders heftig trat die Epidemie
in Bangalore auf. Der Stand blieb in der ersten Octoberhälfte fast unverändert,
am 17. October berichtete Bombay 200 Todesfälle und die Präsidentschaft 4300.
Iu Mysore und Baroda trat die Krankheit stärker auf. In Nordmdien erlosch
die Seuche, Kalkutta wurde in der zweiten Octoberwoche amtlich für pestfrei
erklärt. Mitte October machte sich eine leichte Besserung bemerkbar, soweit die
Stadt Bombay in Betracht kommt, denn am 25. October wurden dort 118, am
1. November 98 Pesttodte für die Woche festgestellt, in der Präsidentschaft aber
noch 4700 bez. 5000. In verschiedenen Landestheilen nimmt nach Mittheilungeu
aus Madras vom 19. Nov. die Seuche stark zu. In Samarkand wurde nach einem
Berichte vom 22. October die Pest in dem Dorfe Anzob amtlich zugegeben, wo-
hin dieselbe anscheinend durch von einer Karawane eingehandelte Kleidungs-
stücke verschleppt worden ist. Die Krankheit hatte bis zu dem genannten Tage
schon 32 Opfer gefordert, die örtliche Begrenzung ist jedoch gelungen, denn am
2. November waren von den noch vorhandenen 14 Kranken 9 genesen, 4 ge-
storben, ein neuer Fall kam am 6. November hinzu, sodass noch 2 Kranke iu
Behandlung verblieben. Bia Jütte November sind dann keine weiteren Er-
krankungen vorgekommen.
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366
II. Besprechungen und Litteraturangaberi.
In Wien starb am 19. October der Laboratoriumsdiener Bariscb. weich«
sich beim Reinigen der Käfige für Versnchsthiere angesteckt hatte; der ihn be-
handelnde Arzt Dr. Müller und die pflegende Wärterin Pecba erkrankten h(M
darauf und wurden am 23. bez. 80. October Opfer ihres Berufs. In Folgt
strenger Isolierungsmaassregeln sind weitere Erkrankungen nicht voigekommea
M
b) Pathologie und Therapie.
Malaria.
Noles sur le paludisme obssrv* ä Dakar (Sdntgall. Clarac. Annales d'hygieot
et de medecine coloniales 1898 p. 9.
La Situation de Dakar comme port d'escale donne aux observations de 1L
Clarac un interet particulier. Les tronpes europeennes de Dakar et des camp!
representent, avec les fonctionnaires et les employes de commerce, un total ie
hnit Cents Europeens environ, qui presque tous se font soigner ä Fhüpital.
La dysenterie, la diarrhee sont rares parmi cette populaüon, et prae
que toujours benignes; Dakar est en effet pourvu d'une bonne distribution d'eaa.
et l’on pourrait considerer cette rille comme une des stations coloniales les plus
saines, si le paludisme n’y regnait en maitre pendant quatre ou cinq moa de
l'annee (Aoüt — Novembre).
Dn des traits principaux du paludisme ä Dakar est sa disparition k peu pr»
oomplete pendant les septs premiers rnois de l'annee, et l'explosion brusque dimt
Epidemie violente vers la fin de la saison des pluies et dans les mois qui lui sac-
cedent. La morbidite s'eleve alors k 100 % de la population blanche.
Les malades, k ce moment, ne presentent d’ordinaire pas les trois stad«
bien tr&nches de l'acces paludeen classique. Celui-ci ne s’ubserve guere qu'aa
debut de la saison seche, chez les sujets anterieurement impaludes, surtout eher
les cachectiques. In fievre remittente avec temperatures plus ou moins elevees.
mais prolongee avec des periodes de remission plus ou moins nettes, est ie type
le plus frequent. Selon le moment et surtout selon le sujet, ce type s’accompagi»
de symptömes bilieux, parfois tres marques. Le frisson du debut manque sw-
vent ou passe in aper,- u.
La periode febrile dure trois ou quatre jours; la temperature, quelle que
soit dailleurs la medication suivie, tombe ä la fin du troisieme jour ou *-
oommencement du quatrieme.
Dans certains cas, soit parce que la remission, tres courte, a passe inapervue.
soit par 1 Intervention d’acces subintrants, ia fievre affecte la marche continue et
le trace thermometrique a de grandes analogies avec celui de la fievre typhoid«.
Toutefois ces cas sont rares et l auteur considere comme rares k Dakar lee maai-
festations de la veritable infection typhoide.
Notons qne chez tous les malades qu'il ränge sous la rubrique du Psiu-
disme, Fauteur a pu constater la presence de l'hematozoaire de Laveran; mais
il ne donne auctui detail sur Im forme« parasitäres obeervees et il ne fait aucsa
rapproehement entre ces formes et la marche de la temperature ou les pbeoo-
menes subjectifs observos.
Les acchs percicieux ont ete plutöt rares, et la mortalite, assez faible. aa
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II. Besprechungen und Litteraturangaben.
36t
pas depasse 2, IS pour 100 cas de fievre paludeenne.
Quant aux causes de cette explosion si soudaine du paludisme, l'auteur les
trouve surtout dans l’impregnation, par les pluies, des couches superficielles du
sol, forme de roches poreuses, riches en fer, impregnatioa suivie d une Evaporation
assez considerable, les ondees etant presque toujours Separees par des periodee
de plusieurs jours sans pluie.
L'auteur consacre un cbapitre special 4 l'etude de la fievre hemoglobi-
nurique, endemiquj 4 Dakar, oü eile parait etre cependant moins frequente que
ne l’ont dit d’anciens auteurs.
M. Clarac a constate au spectrosoope la presence de l’hemoglobiue dans
l'urine de oas malades toutes les fois qu’il l'a recherchee; l’examen microscopique
lui a montre l'absence d’hemorrhagies renales et, du cöte du sang, la brusque
destruction des globules rouges, dont le nombre peut tomber 4 1000000 seule-
ment au ’oout de 24 4 48 heures. Mallieureusement il ne parait pas avoir re-
cherche, chez les 27 malades qu'il a observes, la presence dans le sang de l'he-
matozoaire de Laveron ou de tout autre parasite. Du moins il est muet sur ce
point. tout en se prononyant, apres discusaion, pour le rattachement de la fievre
hemoglobinurique au paludisme. Signalous un fait interessant observe 4 Dakar,
c'est que l’hemoglobinurie n’apparait pas dans cette ville, au cours de i’epidemie
annuelle de fievre remittente; eile se montre surtout dans tout le Senegal de
Decembre 4 Avril, c’est 4 dire 4 un moment oü les statistiques hospitalieres in-
diquent que le paludisme a commence 4 disparaitre ou a disparu 4 peu pres com-
pletement Mais chez les malades observes par M. Clarac il y avait eu anterieure-
ment des attaques de paludisme et pour cet auteur 1'iufection paludeenne chro-
nique et l’empreinte qu’elle laisse dans l’organismo constituent tout au moins cne
cause predisposante tres importante de la fievre hemoglobinurique.
Quant 4 la fievre jaune, qui s’est montree au Senegal, et 4 laquelle certains
observateurs ont cru pouvoir rattacher la fievre hemoglobinurique, M. Clarac la
oonsidere oomme absolument distincte. D signale l'app&rition de l’ictere comme
precoce et brusque dans l'bemoglobinurie et comme tardivo dans la fievre jaune,
oü le facies au debut est rouge acajou, avec injection des sclerotiques.
La mortalite de la fievre hemoglobinurique 4 Dakar s’est elevee, de 1892 4
1896, 4 80% du nombre des cas observes.
M. Clarac discute la question du traitement. Presque toujours, l’hemoglo-
binurie etant preoedee d’acces febriles semblables aux acces paludeens ordinaires,
le malade a dej4 pris de la qu'nine quand lemission d'urines colorees vient pre-
ciser le diagnostic. Des lors M. Clarac renonce 4 la quinine si, ce qui arrive
souvent, la temperature baisse; l’encombroment des reins, l'anurie est aussi une
contre-indicatioD. Si la fievre persiste il donne des doses moderees, seit par
jour 1 gramme ou 1 gr. 50 par la bouche ou 0,75 4 1 gramme en injection», en
aoutenant, s’il y a lieu, le oeur par la cafeine.
La medication Chloroformee n’a donne 4 l'auteur que des resultats douteux,
et n'a pas artete les vomissements aussi sürement que l'ont obeerve d'autres
auteurs.
Quant 4 la tisane de Kinkelibah oonsideree 4 la cöte occidentale d’Afrique
comme un specifique, eile a ete difBcilement sup[>ortee et sa valeur therapeutique
ne r essort pas des essais irregmjers faits par l’auteur. C. F. (Liege.)
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368
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
Lepra.
Rapport sur lei condition« dana letquellot ta trouvent actuollement los Idpronx h
Nouveile Calddonio. L. E. Pierre Annales d’hygieno et de medeciue colo-
niales, 1898, p. 149.
La lepre a pris une grande extension a la Nouveile Caledooie non seole-
ment dans la population indigene, mais chez les Europeens. L'auteur estime i
une soixantaine le. nombre des lepreux d’origine europeenne: les deux tiers eo-
viron sont des condamnes trans portes, les autres sont soit des surveillants, sott
des colons libres. Quant aux indigenes canaques, les evaluations sont tres diffi-
ciles et varient, suivant les auteurs, entre 1500 et 4000 malades. Les Canaques
ont conscience de la contagiosite de la lepre, mais ils ne se soumettent quetns
difficilement aux mesures d'isolement qui leur sont presentes, et qui comportent
une Separation complete d'avec leur tribu; il en res ulte que sur ce nombre ouo-
siderable de malades uno ceutaine seulement sont internes dans une leprosene.
Pour remedier k cette Situation, on a propose de creer pour les Canaques
des leproseries particulieres, annexees aux villages indigenes et placees sous U
surveillance dun officier du corps de sante des Colonies. Une leprosene speciale
sera installee pour les blancs dans une des iles. Mais riuternementen'y sera pas
obligatoire: « Tout individu qui justifiera de ressources süffisantes pourra etre
« autorise ä se faire soigner chez lui, ä la conditiou de se soumettre aux me-
« eures antiseptiques prescrites par les medecins. » C. F. (Liege).
Lepra bericht.
Seit den Verhandlungen der Lepraconferenz ist auf unserem Gebiete eine
gewisse Ebbe eingetreten und die Ausbeute in der Literatur nur eine geringe.
Die Untersuchungen über den Leprabacillus und über die
Histologie der Lepra von V. Babes (Berlin, Karger, 1898, 8 M.) sind die
directe Frucht der Lepraconferenz. Denn diese gab dem Verf. nur wenig Ge-
legenheit, auf seine Befunde näher einzugehen. Wohl aber konnte er eine An-
zahl von Präparaten unter dem Mikroskop und mittelst Projection demonstrier.
Daher empfahlen ihm zahlreiche Mitglieder der Conferenz, seine Befunde genau
abzubilden und zu beschreiben. Diesem Wunsche kam er um so bereitwilliger
nach, als seiner Ueberzeugung nach einstweilen, bis es gelingen wird, positive
Kultur- und Thierversuche mit Leprabacillen anzuführen, die pathologische
Histologie der Lepra berufen ist, uns in manchen allgemeinen und practischec,
die Lepra betreffenden Stadien eine sichere Basis zu gewähren.
Ausser den anschaulichen Bildern der Histologie der Lepra kommen be-
sonders eine Reihe practischer an diese Untersuchungen sich anschliesseuder
Fragen in Betracht} welche Babes näher betrachtet und zu beantworten sacht.
Dass der Leprabacillus die Ursache und zwar die alleinige Ursache der Er-
krankung ist, wird wohl heute kaum mehr angezweifelt. Die Fälle, in welchem
der Bacillus nicht gefunden wurde, sind auf diagnostische oder Versuchsfehler
oder darauf zurückzuführen, dass die Stellen, an welcher die Bacillen sitzen, nicht
entdeckt wurden. Weniger wahrscheinlich ist die Annahme, dass die Bacillen
periodisch verschwinden und wieder auftauchen köuneu.
Ob der Leprapilz ein Bacillus ist, hat hauptsächlich theoretisches, botanisches
II. Besprechungen '»«1 litteraturon gaben.
369
Interesse. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass der Leprapilz mit dem Tuberkel-
pilz verwandt ist. Auch der von Babe« erbrachte Nachweis, dass der Lepra-
bacillus eine tuberkulinartige Substanz enthalt, und dass der Lepröse auf Tuberkulin
allgemein und local reagirt, sind weitere Beweise für diese Annahme. Babes
konnte auch beim Leprabacillus Kolbenbildung und Verzweigungen wie beim
Tuberkelpilz nachweiscn. Die feinere Structur des I/eprapilzes ist jener des
Tuberkelpilzes sehr ähnlich, dennoch ist es leicht auf Grund der Form, der
eigentümlichen Färbungsweise, sowie der Topographie der beiden Bacillen, be-
sonders der eigentümlichen Coloniebildung des Leprabacillus, dieselben scharf zu
unterscheiden. Ein richtiges Unterscheidungsmerkmal der beiden Bacillen be-
steht noch dariu, dass es bisher nicht gelang, einwandsfrei Culturen des Lcpra-
bacillus zu gewinnen und denselben auf Thiere zu übertragen.
Bemerkenswert ist, dass Babes bisher in allen tödtücben Fällen von
Lepra und oft auch im Lebenden Bakterienassociationen namentlich mit Eiter-
coccen und diphteroiden Bacillen fand. Unter den letzteren constatirto er fast
regelmässig eine nach Ehrlich nicht gänzlich entfärbte Form, welche auch
mikroskopisch dem Leprapilz ähnlich erscheinen kann.
Der von Babes erbrachte Nachweis des Vorhandenseins der Bacillen in
den Haarfollikeln und an der Oberfläche der Haut, dann in den verschiedenen
Secreten, sowie der massenhafte Bacillengebalt des Geschwürseiters Lepröser,
spricht für die Möglichkeit einer Infection durch einfachen Contact. Dennoch
aber hält Babes eine Erkrankung auf diesem Wege, ja sogar durch Impfung
mit Bacillenmaterial durchaus nicht für einwandsfrei nachgewiesen. Es sei un-
zweifelhaft, dass die ausgeschiedenen Bacillen zum Theil lebensfähig sind, zum
Zustandekommen der Infection seien aber offenbar noch andere Momente
nothwendig.
Nach Babes Anschauung sind wir nicht im Stande, die Wege zu be-
stimmen, auf welchen die Invasion der Bacillen in den Organismus stattfindet.
Wahrscheinlich können äussere Verletzungen oder die Ausführungsgänge der
Drüsen als solche angesehen werden, vielleicht auch die Tonsillen, sowie jene
Schleimhäute, wie die Nasenscbleimhaut oder die Conjunctiva, an welcher primäre
Leprome gefunden werden. Die tieferen Verdauungs- und Bespirationswege
kommen für die Infection vielleicht ebenfalls in Betracht, während in einzelnen
Fällen primäre Leprome an den äusseren Genitalien (Kaposi) auch für die
Möglichkeit eines Eindringens der Bacillen auf geschlechtlichem Wege hinweiseo.
Die lufectionswege sind bei Nervenlepra noch dunkler, es wäre ja möglich, mit
Dellio die hyperämischen Flecken bei derselben als primäre Leprome aufzu-
fassen, von welchen dann die Invasion der Hautnerven erfolgen würde. Doch
wissen wir andererseits durch Philippson, dass derartige Flecken auf metasta-
tischem Wege ztt Stande kommen können und also vielleicht immer eine secun-
däre Localisation darstellen könnten. Als Wege dagegen, auf welchen die Bacillen
den Organismus verlassen können, sind uns die meisten Secrete und Excrete,
vielleicht mit Ausnahme des Harns, bekannt.
Merkwürdig ist, dass die Gewebszellen sich dem Eindringen der Bacillen
gegenüber auffallend indiffereut verhalten. Was die Streitfrage betrifft, ob die
l>eprabacillen innerhalb oder ausserhalb von Zellen liegen, so ist Babes in
Uebereinstimmung mit fast allen Lepraforschern aber im Gegensätze zu Unua
der Meinung, dass die Bacillen sowohl iutra- als extracellulär vorkommeu. Die
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370
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
hauptsächlichste Wirkung des Leprabacillus auf die Zelle besteht in Vergrösserang.
Vacuolisirung, Pigmentschwund, Kernseguientirung und Fragmentirung, manch-
mal Durchtränkung des Protoplasma mit säurefester Substanz und in Bildung
fettartiger, sowie gelblicher homogener Massen im Protoplasma.
Babes glaubt nicht, dass die Nervenlepra stets durch lepröse Veränderungen
der Hautnerven im Niveau der Flecken und aufsteigender Bacillen in entsprechen-
den Nervenstämmen (Dehio), noch durch die von Jeanselme in einzelner
Fällen gefundenen Veränderungen der weissen Substanz des Rückenmarks xn
erklären sei.
Auf die Frage, inwiefern sich die histologischen Ergebnisse der Lepra-
forschung für die Therapie der Krankheit verwerthen lassen, bemerkt Babes,
dass diu Verwandtschaft der Bacillen mit den Tuberkelbacillen in Betracht komme.
Weiter spricht er sich ziemlich günstig über die Wirkung des Tuberkulin, wis
Referent freilich nach seinen eigenen Erfahrungen nicht bestätigen kann. Pie
von Babes beobachtete augenfällige Besserung, Abflachung und Erblassung der
Leprome beobachtet man eben nach den verschiedensten aber durchaus nicht
specifischen Maassnahmen. Von der Surumbehandlung nach Carasquilla er-
wartet auch Babes keine wesentliche Beeinflussung des Lepraprocesses.
Für die Prophylaxe der Lepra, glaubt Babes, wird erst dann ein sicherer
Boden gewonen werden können, wenn es gelungen ist, die Existenzbedingungen
des Leprabacillus zu erforschen. Die Isolirung der Kranken, namentlich in
zweckmässigen Asylen wird umsomehr von Nutzen sein, als die Entfernung der
Leprösen aus ihrer Familie wohl am wirksamsten die Verbreitung dieser exqui-
siten Familienkrankheit hintanbalten wird. Ueberhaupt ständen ja bei der ge-
ringen Anzahl von Leprösen in Europa und bei deu in der Regel schlechten
socialen Verhältnissen derselben deren Internirung in Asylen viel weniger
Schwierigkeiten entgegen, als jener der Tuberkulösen,
Bemerkenswerthe Untersuchungen über die Verbreitung der Lepra-
bacillen von den oberen Luftwegen aus liegen von Schäffer aus der
Breslauer dermatologischen Universitätsklinik (Ach. f. Dermat. u. Syph. Bd. 44)
vor. Man hatte sich schon vielfach mit der Ausscheidung der Leprabacillen be-
schäftigt, indess bezogen sich diese Untersuchungen hauptsächlich auf die Haut
Wenn uns allerdings neuere Untersuchungen gelehrt habenv dass eine Bacillen-
abgabe auf diesem Wege vorkommt, so scheint sie doch nicht allzu gefährlich xu
sein, da ja eine Uebertragung auf andere für gewöhnlich nur durch Be-
rührung oder indirect durch Wäsche, Kleidungsstücke, Gebrauchsgegenstände etc.
zu Stande kommen könnte. Ferner sind die Bedingungen für eine längere Er-
haltung der Lebensfähigkeit nicht sehr günstig, da wahrscheinlich die Lepra-
bacillen bei längerem Aufenthalt auf der trockenen Epidermis allmälig absterben.
Dagegen wurde bisher ein Weg der Ausscheidung der Leprabacillen ganz ver-
nachlässigt oder viel zu wenig beachtet, der aus mehrfachen Gründen bedeutungs-
voller als die übrigen Arten der Bacillenabgabe an die Aussenwelt erscheint, die
Verbreitung der Mikroorganismen von den Schleimhäuten der oberen Respirations-
wege, insbesondere der beim Sprechen betheiligten Organe.
Die leprösen Infiltrate sind zumal bei der tuberösen Form sehr häufig
der Schleimhaut des Mundes, der Nase und des Kehlkopfes localisirt und ent-
halten ausserordentlich grosse Bacillenmengen. In der That ergab nun die
Untersuchung, welche Schäffer an 2 Patienten mit tuberöser Lepra aus dem
II. Besprechungen und Litteratu ran gaben.
371
Memeler Bezirk aufstellte, ganz überraschende Resultate. Zherst wurde die
practisch wichtigste Frage der Bacillenausscheidung beim gewöhnlichen Sprechen
geprüft. Die oft wiederholten Untersuchungen gaben stets positive Resultate,
ln 10 Minuten wurden mehrere Tausend gut färbbarer Leprabacilien ausgeworfen.
Bei einigen Versuchen Hessen sich Bacillen in einer Entfernung von 1 '/» Meter
nachweisen, nach längerem Suchen auch noch in etwas grösserem Abstand.
Es wurden ferner auch von Schaffer Versuche über die Möglichkeit,
durch therapeutische Maassnahmen, dem Auswerfen von Bacillen Einhalt zu thun,
angestellt. Am meisten schien noch eine gründliche Ausspülung der Mundhöhle
mit nachfolgender Aetzung der zugänglichen erodirten oder ulcerirten Flächen
mit dem Argentum nitricum-Stift zu bieten. Indessen waren doch noch stets
mehrere hundert Bacillen nach 10 Minuten langem Sprechen auf den Objectträgern
nachweisbar; auch nahm die Zahl der ausgeworfenen Bacillen schon nach einigen
Stunden wieder erheblich zu.
Beim Husten konnte Schaffer eine geringere Verschleppung der Bacillen
constatiren. Auch die Exspirationsluft wurde auf ihren Gehalt an Leprabacilien
geprüft. Sie kann im Allgemeinen als baclllenfrei bezeichnet werden. Auch beim
Niessen werden ausserordentlich zahlreiche Leprabacillen entfernt, die Mikro-
organismen werden hierbei noch weiter verbreitet als bei Sprech versuchen.
Darnach kommt Schaffer zu dem practisch sehr wichtigen Ergebnisse,
dass von Leprösen mit Schleimhauterkrankungen, die nicht etwa als ungewöhn-
lich hochgradig anzuxehen sind, Tausende von Bacillen beim Sprechen, Räuspern,
Husten und Niessen in weite Entfernungen verbreitet werden, und dass diese
Bacillenverschleppung durch therapeutische Maassnahmen nicht zu verhindern ist.
Hiernach erörtert Scbäffer die Frage, welche Bedeutung diesen Be-
funden znkommt Diese grösste Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die aus-
geschiedenen Bacillen lebensfähig sind, zumal sie in feuchtem, schleimigen Stadium
nach aussen kommen und gerade wegen der Eigenart des Ausscheidungsmodus
in kürzester Zeit auf Gesunde gelangen können. Andererseits sieht aber Scbäffer
selbst in der Annahme, dass die Bacillen auf dem geschilderten Wege
den Körper grossentheils lebensfähig verlassen, hierin noch kein allzusehr be-
unruhigendes Moment, weil die klinische Erfahrung stets gelehrt bat, dass die
Gefahr der Lepraübertragung thatsachlich ausserordentlich gering ist.
Spronck (In Semaine med. Sept. 1898. — La culture du bacille de Hansen
et le serodiagnostic de la lepre) hat zahlreiche Colturversuche auf den ver-
schiedensten Nährmedien mit dem Leprabacillus angestellt In 3 Fallen von
Lepra mixta erhielt er einen dem Leprabacillus morphologisch ähnlichen Bacillus,
der zur Serodiagnose dienen könnte. Die Bacillen entnehmen ihren Nährstoff
den leprösen Geweben and eignen sich schlecht zu künstlichen Kulturen. Auf
Kartoffeln liegen sich noch am besten kleine Colonien bei 38 Grad in 10 Tagen
anlegen. Es gelang nicht, die Colonien auf Kartoffeln weiter zu cultiviren,
doch wurden sie leicht auf Löffler'sches Gelatinepferdeserum übertragen. Die
nnbewegUchen, chromogenen, faculativ aeroben Bacillen gediehen nicht in Fleisch-,
wohl aber in Fischbouillon. Die Kultur erzielt einen vom Leprabacillus etwas
verschiedenen Bacillos, welcher durch die Flemming’sche Lösung nicht schwarz
gefärbt wird und sich bei dem Ehrlich'schen Verfahren schneller entfärbt als
dieser. Er ist für Thiere nicht pathogen und dem diphtheritischem resp. pseu-
dodiphtheritischen Bacillus ähnlicher als dem Tuberkel bacillus. Das Serum
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37*2 II* Besprechungen und Litteraturangaben.
Lepröser agglutfnirte mit den cuitivirten Bacillen im Verhältniss von */» bis */,*.
bei 3 alten Fällen anaesthetischer Lepra betrug die Agglutination 20 bis 40.
Klinische Symptome, Dauer oder Intensität der Krankheit sind hierbei ohne Eia-
tluss. Das lepröse Serum bewahrt unter Abschluss von Luft und Licht seine
Agglutinationsfahigkeit 6 Wochen, getrocknetes Serum haftet noch nach einem
Monat Zur Serodiagnose lassen sich nur frische, lebende Kulturen verwerthen.
Ueber viscerale Lepra berichtet der Referent (Arch. f. Dermat o.
Syph. Bd. 43. 1888). In einem Falle von tuberöser Lepra ergab die Unter-
suchung von Leber, Niere und Zunge keine Leprabacillen, während dieselben
in der Milz geradezu enorm zahlreich waren. Das hierbei gefundene constante
Vorkommen der Bacillen in Zelleu und die zunehmende Vacuolisirung dieser
Zellen macheu es ausserordentlich wahrscheinlich, dass die Leprabacillen ge-
wissermaassen das Zellprotoplasma aufzehren. Man kann mit Sicherheit erkennen,
dass die Leprazellen die durch Bacillen masseu veränderten Zellen der Milzfollikel
sind. Darnach hält Ref. mit Neisser an der Thatsache der intracellulären
Existenz für den überwiegenden Theil der im Organismus befindlichen Bacillen
fest. Die Bacillen fanden in meinem Falle unzweifelhaft durch die Lytnphge-
fässe und Lymphspalten ihre Vorbreitung. Ref. vermuthet, dass die Milz eine
Art Filtrirkörper darstellt und die Leprabacillen aus dem Blute hierhergeschwemmt
und deshalb in so grosser Zahl in der Milz zu finden sind, weil sie hier gewisser-
maossen unschädlich gemacht und als Depot reservirt werden können. Freilich
liege darin auch wieder eine Gefahr, denn jetzt könne bei jeder neuen Steigerung
der physiologischen Zellthätigkeit z. B. bei Fieberzuständen aus der Milz wieder
ein reichliches Conglomerat von Leprabacillen in die Blutbahn geschwemmt
werden und dort Verheerungen anrichten. Vielleicht sei auch so der schädigende
Einfluss des Jodkalium bei Leprösen aufzufassen, wie ja auch andererseits der
Nachweis von Leprabacillen im Blute während der Fieberattaquen ausschliesslich
oder wenigstens leichter gelänge.
Mit der Serumtherapie der Lepra beschäftigte sich ueuerdings Dehi«
(St Petersburger Med. Woch. 27, 1898) und A. Grünfeld (Dermat Zeitschr.
Bd. V, 1898). Beide bedienten sich des von Carrasquilla empfohlenen Serams,
und beide kommen zu verschiedeneu Resultaten. Dehio bereitete sich da»
Lepraheilserum durch Uebertragung auf ein Pferd selbst, während Grünfeld das
Serum aus der Fabrik von E. Merck in Darmstadt bezog, wohin er primäres
Serum von zwei Leprösen seiner Beobachtung gesandt hatte. Dehio hat seme
Kranken fast 2 l/i Monate lang mit Seruminjectionen behandelt, aber was die
therapeutischen Erfolge anlangt, so bedauert er, erklären zu müssen, dass die-
selben gleich Null waren. Kein einziger seiner Leprakranken wurde geheilt j*
kein einziger hatte auch nur die geringste. Besserung erhalten. Im Gegensätze
hierzu beobachtete Grünfeld bei zwei Leprösen eine bedeutende, ja bei den
einen sogar eine erstaunliche Besserung nach der Behandlung. Er ist überzeugt,
dass wir in dem Serum ein Mittel haben, welches Nutzen bringen kann. Dehio
dagegen hält es für noch nicht bewiesen, dass in dem Carasquilla'schen Heilseron-,
ein specifisches Antitoxin der Lepra vorhanden ist. Er vermuthet vielmehr, das*
sich in diesem Heilserum Proteine, Albuinosen und sonstige nicht specifische
Eiwei8öderivate vorfinden, welche die von Carasquilla beschriebenen Ver-
änderungen bewirken und die Resorption der leprösen Infiltrate und die
Heiluugavorgänge an den leprösen. Geschwüren hervorzurufen vermögen. Er
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II. Besprechungen und LitteraturangabeD.
373
sieht hierin ein Analogon der Tuberkulinwirkung und die Zukunft müsse lehren,
ob die therapeutischen Erfolge Carrasquilla’s auf die Dauer Vorhalten werden oder
ebenso vergänglich sind wie die Effecte des Tuberkulin.
Eine interessante Mittheilung liegt von Dr. J. A. Yoorthuis (Apeldoorn)
vor (Experiments with Dr. Unna's new method of treating leprosy. Janus.
Juli-August 1898). Verf. practicirte in Deli an der Ostküste Sumatras, i. J. 1894
hatte er mehrere Europäer wegen Lepra io Behandlung. Die Erkrankung ist
daselbst unter den . chinesischen Kulis und den Tabakspflanzern sehr häufig.
Unna hatte nun gefunden, dass eine Substanz im menschlichen Körper existire,
welche eine vollkommene Immunität gegen den Leprabacillus zeigt, die Muskel-
subetanz. Verf. glaubt, dass es von der grössten Wichtigkeit wäre, Lepröse mit
einem Präparat zu behandeln, welches aus Muskelsubstanz bestehe. Er benutzte
dazu Valentine’s meat juice in Form von subcutanen Injeetionen. Der Erfolg
war ein negativer. Dann brachte er die Substanz direct in das Blut duroh
intravenöse Einspritzungen. Hier schien der Erfolg ein besserer zu sein. Es
wurde begonnen mit 0,2 ccm Meat juice, welches mit der gleichen Menge
künstlichen Serum (NaL chlorat, 0,5 Natr. pbosphor. bas. 0,1 Aq. dest 100,0)
verdünnt war. Es wurden 4 Fälle bei chinesischen Kulis nnd Tabakspflanzern
behandelt. Wenn der Erfolg auch kein sehr grosser war, so konnte doch immer-
hin eine bemerkcnswerthe Besserung des Allgemeinzustandes und Zurückgehen
einzelner Knoten constatirt werden. Jedenfalls scheint es ihm von Wichtigkeit,
eine weitere Prüfung der Muskelextracte auf die Lepra vorzunehmen. Einen
genaueren Bericht darüber wird noch Dr. Broee van Dort aus Rotterdam ver-
öffentlichen.
Schliesslich sei noch ein Artikel von Prof. Sommer in Buenos Ayres (La
Settimana medica. 28. Juni 1 898) erwähnt. Er weist darauf hin, dass in heissen
Gegenden die Lepra da am häutigsten ist, wo viel Wasser und daher zahlreiche
Mosquitos existiren. Auch Kaposi berichtete auf der Lepraconferenz zu Berlin
(Oct. 1897. Bd. II, S. 69) von einem Menschen, welcher bis zu seiner Fahrt im
Suczcanal nichts au sich wahrgenomtnen hatte und während dieser Fahrt an
seinem Finger ein Bläschen bekam. Er nahm an. dass vielleicht eine Mücke
ihm gestochen haben könnte. Unmittelbar darauf entwickelten sich die Er-
scheinungen der Lepra.
Max Joseph (Berlin).
Pocken.
Mlsilon« de meine au Cambodge. J. Nogud. Annales d'hygiene et de medecine
coloniales, 1898, p. 169.
La variole est tres-frequente au Cambodge, oü eile existe depuis un temps
jmmemorial: endemique dans toute l'etendue du royaume, eile revet frequemment
le caractere epidemique. I/es indigenes connaissent bien Ie caractere contagieux
de cette maladie, mais ils ignorent les fa^ons variees dont se fait la contagion
et, leur incurie naturelle aidant, le fleau fait d enormes ravages. On peut estimer
ä 90 pour 100 la proportion des enfants qui en sont atteints; la mortalite est
considerable et atteint 60 ä 70 pQU1- 100 du nombre total des malades.
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374
II. Besprechungen und Idtteraturangaben.
Depuis quelques annees les medecins cambodgiens ont com mente ä pratiquer
la variolisation, suivant en cela l'exemple des Chinois et des Malais: ils prennent
du pus varioleux sur des sujets porteurs d une variole benigne, et avec la pointe
d’un couteau ils font trois scarifications assez profondes ä chaque bras, determi-
nant ainsi de 1 arges cicatrices de la dimension d une piece d un fr&nc; les paysan*
paient au medecin cambodgien une piastre par enfant ainsi variolise.
M. Nogue a entrepris de nombreux voyages dans l’interieur pour pratiqoer
des vaccinations jenneriennes; il employait le vaocin prepare ä l’institut de Saigon
(Cochinchine); son rapport, tres dctaille, rend compte des difficultes multiples qa'il
a rencontrees dans raccomplissement de sa mission. On regrette de devoir
oompter parmi ces difficultes l’indifference ou 1’opposition de divers resident» en-
ropeens. II est ä remarquer que des le debut la population chinoise s'est moo-
tree beaucoup moins refractaire que les indigenes cambodgiens k l'adoption de U
vaccination. Dans ces derniers temps meine, les medecins chinois exenjant au
Cambodge ont une tendance tres marquee ä abandonner la variolisation et k
pratiquer la vaccination europeenne; ils achetent ä Singapore du vaccin provenant
de rinstitut frau^ais de Saigon. # C. F. (liege).
Parasitäre und Hautkrankheiten,
M. E. Odrlosola, Professeur ä la Faculte de medicine de Lima. La maMie
da Carrion ou la vtmiga pdruvienne. Carre et C. Naud, Paris 1898.
Die in Peru unter den Indianern endemische Krankheit Berrugas oder
Verruga, maladie de Carrion (nach einem Studenten der Medicin genannt, welcher
sich den Ansteckungsstoff einimpfte und 39 Tage später an der Krankheit
zu Grunde ging), ist auf Bezirke der Departements von Aniacks und Lima be-
schränkt, und zwar hat sie ihren Sitz in bestimmten „Quebradas“, tiefen von
Flussläufen durchquerten Gebirgseinschnitten mit tropischer Hitze und Vegetation.
Die Einwohner dieser Quebradas bleiben von der Krankheit verschont oder
sind nach einmaligem Ueberstehen derselben immun. Für den Fremden bringt eio
Aufenthalt von wenigen Stunden die Gefahr der Infection mit sich. Ausser dem
Menschen werden auch Hund, Pferd, Maulesel, Lama, Esel, Kuh, Schwein, Huhn
und Puter befallen, besonders schwer meist die Einhufer.
Eine Epidemie mit erschreckender Sterblichkeit breitete sich bei Gelegen-
heit von Vorarbeiten für die Oroya-Eisenbahn aus.
Die Inkubationsdauer schwankt zwischen 15 und 40 Tagen. Als Vorläufer
treten Kopfschmerz, Hinfälligkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, besondere in
den Beinen, auf. Nach Verlauf von weiteren 8 — 10 Tagen bricht Fieber mit
einmaligen oder wiederholten Schüttelfrösten unter Steigerung der Schmerzen bis
zur Unerträglichkeit auf.
Den Verlauf kennzeichnet schwere, schnell sich steigernde Anämie bisweilen
verbunden mit vielfachen Hämorrhagien, Schwindel und Ohnmächten. Leber und
Milz sind geschwollen ebenso wie die meisten Lymphdrüsen.
Deliren und Koma mit schweren Erscheinungen von Seiten der Lungen uod
des Verdauungssystems stehen gegen Ende im Vordergründe des Krankheitsbflde*
Ein Symptom der Krankheit ist das Auftreten der eigentlichen verruga „der
Blattern der Anden“ (bouton des Andee). Es giebt indessen Fälle, welche k
II. Besprechungen und Litteraturangaben.
376
schnell verlaufen, dass dieses Symptom nicht zum Ausbruch kommt. Tritt die
Eruption deutlich hervor, so bessern sich die Allgemeinerscheinungen. Es giebt
auch Fälle, in denen die Krankheit bis zum Ausbruch der verruga milde ver-
läuft und sogar unbemerkt bleiben kann. Die genaue Nachfrage vermag aber
auch dann die Vorläufer des Exanthems meist festzustellen: Mangel an Appetit,
Schwäche, unerklärliche Anämie, unbestimmte Schmerzen in den Gliedern,
Oedeme der Unterschenkel, subfebrile abendliche Temperaturstoigerungen. Un-
gewöhnlicher ist das Auftreten eines rheumatoiden Tortikollis, von Haemoptoe
oder pseudotabiscben Symptomen. Es wird die miliare oder knotige Form der
verruga unterschieden.
Die miliare Verruga kann sich aus einer Patechie entwickeln, über welcher
sich eine rothe, spitze Pustel von glänzendem Aussehen erbebt ln anderen
Fällen sehen die Anfangs tstadien wie Thautropfen oder Sch weissperlen aus und
gewinnen später das Aussehen eines Variolabläschens, bisweilen bilden sie eine
weisse matte Erhebung.
Die Grösse variirt zwischen der eines Stecknadelknopfes und einer Erbse,
der Inhalt ist röthlich, bisweilen weinroth. Die grösseren neigen zur Stiel-
bildung. Nach verschieden langem Bestehen stösst sich die Epidermis ab, die
Knötchen bluten dann und verblassen. Grössere zerfallen schnell und be-
decken sich dann mit braunen Borken. Bisweilen trocknen kleine Bläschen ein,
ohne sich zu öffnen und verschwinden spurlos.
Das Exanthem tritt zuerst an den unteren Gliedurmaassen auf und breitet
sich in Schüben meist symetrisch aufsteigend auf den übrigen Körper aus. Der
Ausbruch ist mit Jucken und selbst Schmerzen verbunden. Prädilectionsstellen
sind: vordere Seite der Ober- und Unterschenkel, Hinterseite der Vorderarme,
Stirn, Backen, Ohr, Nase. Am Knie und Ellenbogen bilden sie häufig warzige
Auflagerungen.
Alle Schleimhäute werden von der miliaren Form befallen, besonders die
Conjunctiva. Bei Autopsien werden miliare Knötchen in allen Organen
gefunden.
Von grossen Knoten (verrugas noduleuses ou mulaires), die aus kleinen
Knoten der Haut oder des Unterhautgewebes sehr schnell entstehen, werden be-
sonders Gesicht und Gliedmaassen befallen. Farbe und Ferm erinnern an den
Milzbrand-Karbunkel, die gespannte Haut ist schmerzhaft, die Knoten werden
kugelig und stielen sich. Die Grösse schwankt zwischen der einer Haselnuss
und einer Orange. Sie sind von abschuppender Epidermis bedeckt Am Stiel
ist die Haut pigmentirt, häufig rissig. Die Oberfläche ulcerirt im weiteren
Verlauf, heftige Blutungen und Nekrosen sind nicht selten. Die Eiterung kann
in der Tiefe fortschreiten, bisweilen mumificirt die Gesohwulst unter allmäliger
Schrumpfung.
Die verrugas mulaires sind auf die Haut beschränkt In den Organen
findet man nur miliare Knötchen bis zur Grösse einer kleinen Erbse.
Von Complicationen sind Bronchopneumonien, Darmkatarrhe, Sumpffieber
und Tetanus die häufigsten.
Die histologische Untersuchung der miliaren nicht ulcerirten Hautknötcben
zeigt reichliche Leukocyteninfilteration auch der Epidermislager. Die Papillen
sind zu erkennen: Jede Spur der Drüsen und des Fettgewebes ist verschwunden.
Das ganze Knötchen ist von Entzündungselementen eingenommen, von denen
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II. Besprechungen und Litteratu rangaben.
viele in Mitose getroffen wurden. Es fanden sich auch hier und da mit fibrin-
armer seröser Flüssigkeit gefüllte Höhlen. Riesenzellen und käsiger Zerfall
kommen nicht vor.
Ausser diesen fand sich in den verruga-Knötchen ein Bacillus, welcher
unter anderen auch der Weigert-Gram 'sehen und Ziehl'schen Färbung sich zu-
gänglich erwies, die Grösse und Form ist den Koch’schen Bacillen fast gleich.
Sie liegen meist in den Zwischenräumen, seltener in Zellen und verursachen nie-
mals Riesenzellbildung.
Im Blut fand der Verfasser gemeinsam mit einem Schüler einen kurzen
Bacillus (de 2 ä 5 p). Die Bacillencultur brachto denselben zur Entwicklung.
Iinpfversuchc an einem Hunde waren erfolglos.
Das Werk ist mit Abbildungen und Karten vortrefflich ausgestattet.
Dr. Drüner.
Discovery of tho parental ferm ef a British Guiana bloodworm. By C. W. Daniela.
British Medical Journal. April 16. 1898. p. 1011.
Die erwachsene Form einer der kürzlich von Patrick Manson bei Indianern
beschriebenen Filaria hat D. bei der Section von zwei Indianern entdeckt, bei
denen die embryonalen Formen während des Lebens im Blute vorhanden waren.
Die erwachsenen Formen fanden sich im Mesenterialfette und in der Umgebung
des Pankreas, bei der einen Leiche auch im subperitonealen Fett.
Victor Lehmann.
The Texas Screw-Worm. Leading Artide. The New-York-Medical Journal 1898
Vol. LXVII. Nr. I.
In der Decombemummer der Zeitschrift „The Laryngoscope“ sind mehrere
Artikel über die Störungen enthalten, welche der sogenannte Texas-Schrauben-
wurm im menschlichen Organismus, besonders in der Nase und den Nachbar-
höhlen, hervorrufen kann. Nach Dr. Goldstern ist der Schraubenwurm die Urre
von Coinpsomyia (Lucilia) macellaria, er ist •/* Zoll lang. V* Zoll breit, aus ea-
zelnen Segmenten aufgebaut , zwischen welchen Borsten ringförmig angeoidnet
sind, wodurch ein schraubenähnliches Aussehen bedingt wird. Die einzelnen
Entwickelungsstadien des Wurmes werden in der Goldstein’schen Arbeit durch
Abbildungen illustrirt, entlehnt dem Bulletin of the Texas Agriculture Experi-
ment Station (1890). Menschen mit Ozaena, Otorrhoe sind besonders gefährdet;
die Larven haften sehr hartnäckig an den Geweben und sind oft nur schwer zc
entfernen, am leichtesten gelingt die Beseitigung der Larven nach Abtötung durch
Chloroform mittelst einer Zange.
R. Pfeiffer-Cassel.
Gelb/Uber,
Sanarelll: L’immuniti e la aieroterapia contro la febbra gialla. (Annali di medi-
cioa navale. Settembre-Ottobre 1897.)
Das zur Immunisirung der Thiere nothwendige Serum wird entweder a®
der Leiche sofort oder kurz nach dem Tode oder durch Aderlass von Recoovate*
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II. Besprechungen and Litteraturangaben, 37?
oenten entnommen. Znr Immuniairung von Meerschweinchen gegen Gelbfieber
sind 6 bis 7 Monate sehr vorsichtiger Behandlung nöthig. Ebenso sind Hunde
and Pferde schwer und erst nach langer Zeit za immanisiren. Immerhin hat
Verfasser die schützende and heilende Wirkung seines Meerschweinchen-, Hunde-
und Pferdeserums erwiesen. Entsprechende Versuche mit normalem 8erulil von
Menschen und Thieren haben keine specifische Wirkung desselben ergeben.
Dreyer (Köln).
Sanarelll: Prfme aaperlenzs intorno all’ Implego 4el alere curatito • preventlve
eontro la fsbbr* glalla. (Annali di medicina navalo. Maggie 1898).
Die Hoffnungen auf eine erfolgreiche 8erumtherapie beim Gelbfieber
stützten sich auf die Verhältnisse der Akklimatisation und der Immunität nach
Ueberstehen eines einmaligen Fiebers.
Das Serum zur Gelbfieberbehandlung des Menschen muss von einem Thiere
gewonnen werden, dessen Serum die Gelbfleberinfection beim Thiere verhütet
und heilt. Dieses Serum wirkt bactericid und nicht antitoxisch. Es kann also
nur bei frühzeitiger Anwendung von Erfolg sein. Wenn bereits Anurie oder
Delirien bestehen, so ist es für die Anwendung des Serums zu spät.
Von acht mit Serum behandelten Kranken starben 4, die nach diesen
Grundsätzen hätten ausgeschlossen werden müssen. Ein sehr schwer Kranker,
der aber keine Anurie und keine Delirien hatte, wurde gerettet, ebenso drei
mittelschwere Fälle. Nach jeder Seruminjection ging die Temperatur herunter.
Bei einem Kranken genügte am zweiten Krankheitstage eine Seruminjection, um
Abfall des Fiebers und Heilung herbeizuführen. Später hatte Verfasser Gelegen-
heit, reichere Erfahrungen in der Provinz S. Paulo zu sammeln. Zunächst
wurden 2 Kinder am 2. bezw. 8. Tage des Gelbfiebers in Behandlung genommen.
Sie erhielten je 20 und 65 cbm und wurden gerettet Von 6 weiteren Kranken
starben 2, von denen einer bereits anuriBche Erscheinungen beim Beginn der
Behandlung hatte. Später wurden die Injectionen immer intravenös und in
grösseren Mengen gemacht. Hierbei zeigte sich, dass Fiebersteigerungen auf-
traten, auf die aber alsbald Remissionen folgten Uebrigens vertrugen die be-
ginnenden Fälle und solche, welche an Affectionen der Milz und Leber infolge
von Malaria oder an Herzmuskelerkrankungen litten, diese Injectionen schlechter.
Von 22 mit Serum behandelten Kranken starben 6. Diese 27 % Mortalität hält
Verfasser für einen Erfolg der Serumtherapie, da die Mortalität beim Gelbfieber
sonst 45 bis 50*/o im Mittel beträgt und bei der vorhandenen Epidemie 80%
erreichte. Auch der prophylactische Werth des Serums konnte in einem Ge-
fangniss erprobt werden, in derh Gelbfieber ausgebrochen war, das mit der
propbylactischen Impfung der übrigen Insassen sistirte.
Es ist beschlossen, ein Institut für Serumtherapie des Gelbfiebere in der
Hauptstadt von S. Carlos de Pinhal zu errichten.
Dreyer (Köln).
lirri-Berri.
Walther K. Hunter, A contrlbutlon Io tha etiology of btri-berl. The Lancet 1897.
July 31. S. 240.
Derselbe, A nolt on the »tlology of borl-beri. Ebenda 1898. June 25. 8. 1748.
Verf. bricht in diesen beiden Arbeiten eine Lanze für den Pekelharing-
Archlv t. Bchlffi- u. Tropenhygiene. 11.
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378
EI. Besprechungen und Litteraturangaben.
and Winkler’ sehen Beriberi-Coccus, welcher in den letzten Jahren schon tut
der Vergessenheit anheim gefallen schien. Es gelang Hunter in Glasgow, in
4 Fällen von Beriberi, welche 8 Laskaren und 1 Eingebomen von Zanzibar be-
trafen, aus dem Blute Staphylococcen (mehrmals neben verschiedenen Bacillen,
einmal neben Streptococcen) zu züchten, die er mit Pekelharing und
Winkl er’ 8 weissem Staphylococcus identificirt, und welche, bei Kaninche
wiederholt in die Bauchhöhle injidrt Lähmung, Tod und parenchymatöse Di
generation der Nerven der Hinterbeine, bei 2 Thieren, bei denen Injectioneu
auf 41 • C. erwärmter Culturen, die vielleicht immunisirt hatten, vorausgegangen
waren, nur Nervendegeneration (mehrmals auch kleine Leberabßcesse) hervor-
riefen. Die nämlichen Staphylococcen, nur weniger virulent, indem Injectionen
von ihnen bei Kaninchen bloss Nervendegeneration ohne Lähmungserscheinungen
verursachten, fand er auch in dem Reise, welcher 2 der Kranken zur Nahrung
gedient hatte, und ist daher geneigt die letztere als die Ursache der Krankheit
anzusprechen.
Ref. hat in seiner Monographie über die Beriberi (Jena 1804. 8. 188 ff.)
die Untersuchungen Pekelharing und Winkler's einer eingehenden Kritik
unterzogen. Das dort Gesagte gilt im Wesentlichen auch von den Arbeiten
Hunter’s. Scheube.
Sonstige InfecHonskrankheitetu
Un Cat 4e Tätanee, traltd par l’lnjectlon Intra-c4r4braj« d’anUtoxIne.
Unter diesem Titel erfolgen An Nummer 70, 72, 78 und 77 der Presse
medicale 1898 kurze casuistische Mittheilungungen von M. Garnier. M. Robert,
M. L. Ombredanne und M. Leon Delmas. Die Behandlung geschah nach
der Methode von Roux und Borrel, die Fälle von Robert und Delmas
endeten letal, die beiden anderen mit Genesung. Garnier empfiehlt neben der
intracerebralen gleichzeitige subcutane Seruminjectionen und Anwendung von
Chloral', er führt die in seinem Falle während der Reconvalescenz auftretende,
vorübergehende psychische Störung nicht auf die intracerebrale Injection zurück,
hält sie vielmehr für den Ausdruck einer verzögerten Reparation bei einem
atheromatösen Kranken. Ombredanne injicirte 7 ccm Serum intracerebral,
60 ccm auf subcutanem Wege innerhalb 86 Stunden bei einem 11 jährig«
Kinde und gab am Tage der Aufnahme 2 g Chloral. — Der ungünstige Aus-
gang in Robert 's Falle beruhte möglicherweise auf einem — nicht sioher ver-
meidbaren — Injeotionsfehler, bei Delmas auf einer Combination der Tetanus-
bacillen mit Eitercoocen, gleichzeitiger lymphatischer Constitution und Tubercula«.
Delmas empfiehlt prophylactische Seruminjeoüon bei irgendwie tetanusver-
dächtigen Wunden und sofortige Injeotion bei sioher ausgebrochenem, diagnostici>
barem Tetanus. R. Pfeiffer-Cassel
•acterlolofllacäe Befund« bei Pneumonien der Neger von Dr. W. Kölle in Kimberiej
(Süd-Afrika). Deutsch-med. Wochenschr. 1898, Nr. 27.
Die vielfach verbreitete Ansicht, dass die Negerpneumonie eine Krankheit
■ui generis und aetiologisch scharf von der croupösen Pneumonie der weis«
II. Besprechungen und Litteraturangaben. 379
Race in trennen sei, ist irrthumlich. Nach Kolle sind die klinisch mehrminder
einheitlichen Fälle pathologisch-anatomisch in 2 Groppen zu theilen: die eine mit
dem anatomischen Bilde der Pneumonia crouposa, die andere mit dem Character
der Inflaenzapneumonie. K. konnte aus 15 infiltrirten Langen 11 mal den Fränkel-
schen Diplococcus, 4 mal den Influenzabacillus cultiviren, in 18 Sputis 16 mal die
Diplococcen, 2 mal die Influenzabacillen bacterioscopisch und culturell nachweisen,
und zwar waren die genannten Infectionserreger in Menge in den Sputis vor-
handen, ihre biologischen Eigenschaften zeigten keine Abweichung. Beide Infec-
tionskrankheiten traten gleichzeitig in Epidemien auf, diese verliefen ungemein
bösartig (60—70% Morbidität bei über 1000 Fällen); gemischte Infection mit
Inflnenzabacillen und Diplococcen kamen nicht zur Beobachtung. Geeignete Des-
infectionsmaass regeln, Verbesserung der Lüftungsanlagen und Cementirung des
Bodens der Sohlaf räume brachten beide Epidemien zum Schwinden. — Das Vor-
kommen einer besonderen Negerpneumonie mit unbekannter Aetiologie ist dem-
nach sehr fraglich.
R. Pfeiffer-Cassel.
WMaft raactlen In natives ot Indla. By W. C. Brown. British Medical Journal.
March 12, 1868. p. 684.
Es wird vielfach angenommen, dass die eingeborene Bevölkerung Indiens
immun gegen Typhus sei und zwar deshalb, weil die meisten als Kinder leichte
Typhusanfälle durcbgemacht hätten. Surgeon-major Freyer glaubte einen Beweis
hierfür darin zu finden, dass nach seinen Untersuchungen das Blutserum der
Erwachsenen bei der WidaT schon Agglutinationsprobe einen positiven Ausfall gäbe.
B. hat nun das Blutserum Eingeborener vielfach geprüft und kann den positiven
Ausfall nicht bestätigen. Er glaubt, dass der Irrthum durch falsche Klumpen-
bildung entstanden ist, die häufiger und schneller im tropischen als im gemässigten
Klima einträte.
Victor Lehmann.
Epidemie Carebro-Spinal Fever In Indla, wlth three cases by Surg.-Capt. Buchanan,
J. M. 8 , Read at the British Medioal Association, Edinburgh. The Journal
of Tropical Medicine Vol. I No. 1.
Der kurzen Mittheilung dreier eigener Beobachtungen folgt ein historisch-
statistischer Ueberblick über die in den einzelnen Theilen Indiens, besonders den
grossen Gefängnissen Bengalen« beobachteten Epidemien. Der Abschnitt über
die Symptomatologie zeigt die sehr weitgehende Aehnlichkeit zwischen dem
Cerebro-8pinalfieber nnd der Meningitis oerebro-spinalis epidemica, auch die Aetio-
logie beider Krankheiten ist die gleiche. — Der historische Theil bringt
mancherlei Interessantes, die übrigen Abschnitte der Arbeit kaum etwas Neues.
R. Pfeiffer-Cassel.
Ei* Fall vor Maltafleber durch Agglutination das Mlkrococcus MolKsntls nachträglich
dtagsostlclri von Dr. B. Kratz. — 'Wiener kün. Wechenacar. i897, No. 49.
Der F«ll betrifft einen Arzt, der im Winter 1896 — 97 in Ajaocio weilte
und im Februar 1897 acut mit hohem Fieber erkrankte, welches mit wechseln-
den Remissionen und längeren Exacerbationen vier Monate andauerte, ohne dass
28*
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380 II- Besprechungen und Litte ratu ran geben.
ausser Milztumor und massiger Anaemie greifbare klinische Symptome anfgetreten
wären. Ein leichtes Recidiv schwand spontan, dann folgte dauernde Genesung.
Gestützt auf die Mittheilung von Wright und Bensaude konnte Kr. nachträg-
lich oonstatiren, dass das Serum des mitgetheilten Falles exquisit agglutinirend
auf den Microooccus Melitioensis (Bruce) wirkte und zwar hei einer Verdünnung
des 8erums auf das 300 fache, ja wenn gleich mit weniger prompten Erfolge,
auf das 1000 fache! — Somit war die Diagnose sicher. — Der Agglutinations-
process ermöglicht es, sporadische Fälle von Maltafieber zu erkennen und die
geographische Verbreitung wie die epidemiologischen Verhältnisse dieser interes-
santen Infectionskrankheit näher zu studiren.
R. Pfeiffer-Cassel.
SUvestrinli Pouvoir agglutlnant du sang inr Iw euRmw es boulllon de staghyfewgM
Sana deux ca» dlnfecUon itaptiylococclque. — Riforma medica 1898, Vol. E
No. 82. — Referat von E. Feindei in Nummer 78 der Presse medicale 1898.
An der Hand zweier einschlägiger Fälle schlieest S., dass das Blutserum
von Individuen mit 8taphylococceninfection agglutinirende Kraft auf diese
Staphylocoooen ausübt Diese Reaction ist eine Infectionsreaction und tritt an
Bouillonculturen auf auch bei Anwesenheit der Mikroben im Blute.
R. Pfeiffer-Cassel
OrgankrankKciUm.
Treplcal Haart by Surgeon-Colonel X. Kaokleod, Professor of Clinical and Military
Medicine, Army Medical School, Netley. — The Journal of Tropical Mediane.
Vol L, No. 1.
Verf. betont die grosse Häufigkeit der Herzstörungen in der britischen
Tropenarmee: es handelt sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht
um schwere anatomische Veränderungen, sondern mehr um eine functioneile
Schwäche: Irritabilität, Irregularität der Herzaction, leichte Dilatation, aocid ec teile
Geräusche eto. Bei geeigneter d. h. schonender und ruhiger Lebensweise können
sich solche Pat. vollkommen wohl fühlen, die Symptome schwinden, dagegen re-
agiren sie auf grössere körperliche Anstrengungen sofort mit Herzbeschwerden,
sind daher für den Militärdienst meist dauernd untauglich. Aetiologisch wichtig
sind vor Allem die Anstrengungen des Dienstes, welchen sich die noch nicht
voll entwickelten Herzen — 60% der englischen Soldaten sind unter 23 Jahres
— oft nicht gewachsen zeigen, ferner Aloohol-, Nicotinmissbrauch, Excesse ia
Venere und die schädigende Einwirkung der Tropenhitze auf den Organismus mit
den erhöhten Anforderungen an das Herz. — Es ergiebt sich die richtig«
Consequenz daraus, nur Leute mit absolut normalem Herz und Gefäsi-
system zur Arbeit, bez. zum Militärdienst, in den Tropen zuzulassen ; nur so
wird und kann es gelingen, die hohe Frequenz der Herzaff ectionen bei Europäern
in den Tropen ländern herabzusetzen. Irgendwie ein tretende Störung der Hera-
action sollte sorgsam beobachtet worden, derartige Leute müssen in weitwar
ärztlicher Controls bleiben.
R. Pfeiffer-CasaeL
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Sachverzeichniss,
(Die fett gedruckten Zahlen bezeichnen Originalarbeiten.)
Abdominaityphus 61.
Aeclimatisation 361.
L’Afrique äquatoriale 58.,
Anaemie, tropische 60. 143, 261. S62.
Anchyloetoma duodenale 62.
Archive8 de medicine oavale et co-
loniale 356.
Arthropoden Iflt.
Astrolabe-Bay 186.
Angenkrankheiten 86. 240. 288. 825.
Aussatz s. Lepra.
B.
Balanitis 288.
Bandwürmer 86.
Bekleidung und Gepäck bei Landungen
in den Tropen 38.
Benadir-Küste 188.
Beri-Beri 39. 19, 60, 103, 104. 111, 184.
186, 287. 822. 377.
Epidemie, Die, Im Richmond Asyl um
in Dublin 329.
Bilharzia 258.
Blattern s. Pocken.
Blntparasiten 806.
— bei Vögeln 315 n. i.
— bei Kaltblütern 818 u. 1
British New-Ouinea bloodworm 875.
Bronchitis 288.
Bubonen 109.
Calomel bei Dysenterie 129.
Cerebrospinalfieber 879.
Chinin, Zur Frage des prophylaktischen
Gebrauchs in tropischen Fieber-
gegenden 167.
— 149 u. f. 164 u. f. 187 u. f. 306, 812.
Cholera 117. 182.
Cochinchine, Mortalite des troupe;
casemees en 856.
Colonies, L'assistance publique aux 361
Colorado Desert 214,
Congolesen 304.
Cuba, Sterblichkeitsverhältnisse des
spanischen Heeres auf 218,
Cytamoeba bacteriiera 818.
D.
Dakar 866.
Dannkatarrhe 288.
Del Sur 215.
Dengue 6L 117.
Deutsch-Ostafrika 253. 259.
Diarrhöe, tropische 61, 262.
Diphtherie 274,
Dysenterie 67, 61. 96, 109, UL 189,
223. 229. 289, 287,
— in Kamerun 126.
Dyspepsie 262.
K.
Eczeme 83, 95.
Elephantiasis 97, 825.
Empyema pericardii 288,
Erysipel 288.
Euchinin 108.
— Die bisher mit E. gemachten Er-
fahrungen 284,
Exantheme, acute fieberhafte 85,
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382
Ssch Verzeichnis«.
F.
Farbige, Krankheiten derselben 280.
Febris perniciosa 1Q5.
Filaria Kilimarae 28.
— medinensis 36. 43 363.
Fort Mojave 2U.
Friedrich Wilhelms-Hafen 187.
O.
Gelbfieber SL 222. 220 u.f. 876. 377.
Geologie, der deutschen Schutzgebiete 1 UL
Geschlechtskrankheiten 31, 275 u. (. 288.
824.
Geschwüre 62. 97 282.
Giftfische 192. 280, 282,
Gonorrhoe 215 n. f. 288.
Grünspanvergiftung, Eine, beobachtete zu
Pangani U
Guinee-Wurm 62.
H.
Habana, Hygienisches und Sanitäres aus
m
Habana 221.
Harn, Parasiteneier im 114,
Hautkrankheiten 83,95.114.244,281.212,
Heart, tropical 880.
Hepatitis 117.
Herzfehler 288.
Hitzechlag 60. 120,
Höhenklima 5. 88,
L '
Java 241,
Ichtyol, Das, in der 8ohifts- und Tropen-
prazis 23,
Icterus 227, 258.
Impfung, gegen Pooken 84. 239. 292,
Influenza 117. 274. 379.
Julian 218.
K.
Kamerun 254.
— -Küste 362.
Keuchhusten 86.
Kiautschou, Brief aus 333.
Kisiba 256.
jClima, von Tunisien 102.
— von Südkalifornien 19t.
— von Kamerun 368.
L.
Las Palmas 219.
Leberbärte 343.
— hypertrophie 343,
Lepra 61, 92, 109, 240, 218, 324. 3«8n.f
Lepraconierenz 63.
Lethargia intermittens 90.
Lipome 8(L
Loa Angeles 196 u. £.
Lymphadenitis 81, 288.
Lymphangitis perniciosa 326.
M.
Maladie de Carrion s. Verruga.
Malaria, und Höhenklima in den Tropen».
— 88- 106. 108. HL IAO u. £. ISA 223.
228. 239. 243. 245. 247. 23A 213 n-i
285 n. f. 805. 864. 366.
— Blutbefund bei 106. 250.- 306 u- i
— haemoglobinurica 92. 154. 286. 3&L
r— in der Hauptstadt Mexico 2ßSL
— -Uebertragnng durch Moequitoe 861.
Maltafieber 379.
Managua 18 u. f.
Marine-Atlas 262.
Martinique 859.
Masern 244. 262.
Matagalpa 73 u. f.
Med ec in de paquetbot 826.
Melannrie 104. 192.
Methylenblau 811. 819.
Militärlazarethe, Zustände in spanischen
218.
Mosqnitos 188. 861 u.f.
Mount Wilson 217.
ir.
Nervenkrankheiten 8L 261.
Neu-Guinea, Aerxtiiche Erfahrungen in
186. 276.
Neuritis, multiple 841-
Nicaragua, Tropenmodiciniache EAk*
rangen aus 69.
O.
Orchitis 8L
Sachverzeichnis».
383
P.
Palmdale 215.
Paludismus s. Malaria.
Parasiten fit 114, 181.
Parotitis 81.
Pelantoengan 107.
Peru 878.
Pest 102, 25a.
Pestnachrichten 89. 100. 184. 24fi. 805.
888.
Pfeilgift 828.
Pfeilsehüsse 828.
Phenooollum hydrochloricum an,
Pneumonie der Neger 377.
Pocken 84. 227. 239. 282. 292 n. f 868. 878.
Polyneuritis 89.
Pyrexien 189.
Q.
Qarantäne 970.
B.
Reis nah rung St 49.
Reunion 175.
Rotz 274.
Ruhr s. Dysenterie.
S.
Salton 213.
Sandflöhe 82. 72,
San Diego 186 u. f.
Scharlach 262.
Schiffahygiene 177.
Schiffearzte 826.
Schlafkrankheit 61 HO.
SchlangengUt 62. 80. 115 191.
Schwarzwasserfieber, Umfrage über das92.
— 168, 182. 248, 258, 265, 26t 382.
Soorbut 824.
Scorpione 62, 80, 122,
Siam 808.
Statistica sanitaria 802.
St. Barbara 201 u. f.
Stomatitis 825.
Südamerika, Pathologie der Westküste von
244.
Südkaliformen , Klima und Krankheiten
von 126.
Syphilis 324.
T.
Tausendfüssler 62. 182.
Tenggeresen 242.
Terre neuve (Neufundland) 178.
Tetanus 78. 824. 378.
Texasfieber 187. 286, 316,
Texas screw-worm 376.
Toemoelawak-Knollen 343.
Trinkwasser 100.
Tropenklima, Einfluss desselben auf 3—
Nervensystem 245.
Tropenpraxis, Therapeutische Mitthei
lungen aus der 342.
Tropical medicine, education in 100.
Troupes coloniales 301. 387
Tuberculose 229. 288. 824.
Typhiitis 127.
Typhus 22L 232, 379.
— exanthematicus 287. 324,
TT.
Ulcera cruris 989.
V.
Verruga 244, 374
Verwundungen im Seekriege 2*0.
Vigo 218.
Vorder-Indien 180.
W.
Waffen, vergiftete 62.
Wechselfiober s. Malaria.
Westusambara 245.
Widals Reaction lOfi, 879.
Wundheilung 78, 281.
Wundkrankheiten 824.
T.
Yuma 211 u. f.
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Namenverzeichniss.
(Die fett gedruckten Zahlen
Abraham, Phineas HO.
Accureo iaa.
Alvarez ÖL
Arimond 235.
Armaaer Hansen 66.
Araing 65
Ashmead 63.
B.
Babes 368.
Bacelli 171.
Baelz LLL äiA
Bassonge 271.
Beard 26JL
Below 104. 192.
Bense 258.
Bensaude 380.
Berge8grün 65,
v. Bergmann, A., 62. 109.
Bertram 188.
Besnier 6iL
Bignami 18.
Binz 305.
Bo eck 65.
Bondurant 340.
Boorema 17.
Borei 826. 318,
Brieger 66,
Brown 108, 379.
Bruce 880.
Buohanan 879.
Burot llL 801. 357.
Buzzi 65.
bezeichnen Originalarbeiten.)
o.
Cagigal 110.
Calmette 115.
Carasquilla 65. 370.
Castellan 102.
Clane 366,
D.
Daniela 376.
D&nilssen f<5.
Danneil 176
Darier 66.
Däubler U, ISA. 32«.
Davidson 9.
Dehio 66, 870.
Delmas 87S.
Dempwolff 106. 131. 276.
Dieudonne 112.
Diettrich 105.
Döring 25«.
Do hi 64.
Doysen 35.
Dryepondt 60,
E.
Edauw 106.
Ehlers 6L
Ehrlich 368.
Eykman 38. 103. 166, 257.
r.
Fiebig 339.
Firket 62.
F'isch 165.
Fontaine 856.
Namenverzeichnis.1!
386
Franklin 206.
Freyer 879.
Freymadl 88.
Frobenius 164.
O.
Garnier 378.
Gazeau 178.
Glogner 108.
Goedhuis Rail 287.
Goldstein 376.
Golgi 2iL 30t
Grawitz 250.
Gray 198.
Gries 859.
Grimm 322.
Growford 85.
Grünfeld 372.
H.
Hagge 134. 150. 287.
Eallopeau fit
Hasper 164.
Hellat fib.
Hirota 186.
Hirsch 164. 32t
Hüppe 117.
Hunter 104. 377.
X.
Judassohn 9t
Jeanselme 65.
Joseph, Max fit 872.
K.
Kaposi 389.
Kartulis 5L 258.
Kermorgant 859.
Koch, Robert 186. 192. 245. 258.255.259.
Körfer 861.
Köster 105.
Kohlbrugge t fit 24t 24t 24t 842.
Kohlstook 165.
Kolb 2t
Kolle 878.
Kretz 379.
Kronecker 180.
Kruse 51.
Kubitza 256.
L.
Labbe 818.
Labonde 114.
: Langhaus 262.
Laurence 65.
Laveran 1L 110. 175. 247. 861 u. f.
Lawrie 108.
Legrand 171. 801. 357.
Leistikow 93.
Lepierre 110.
Löffler 371.
Lu barsch fit
Lubbers 107.
M.
Mac Call um 108. 350 u. f.
Maclaud 114.
Macleod 380.
Mannaberg 18 u. f. 170. 250. 306.
Manson fit 100. 114, 33t 34t
Marchiafava 250.
Mense 33. 61. 92. 249.
Metschnikoff 18.
Moncorvo filbo 325.
Moore 824.
Morris 86.
Musehold 64.
N.
Nagel 109.
Navarre, Just 171.
Neisser 84. 372.
Nieuwenhuis t
Nogue 368.
Norman 329 u. f.
O.
Odriozoda 374.
Ombredanne 378.
Orthmann 341.
P.
Pasqualo 57.
Pekelharing 13t 877.
Pergens 804.
Philipson 869.
Pierre 368.
Plehn, A. UL 128, 170. 174. 284. 250.
263.
Plehn, F. 10t 16t 114. 862.
Portenga 260.
Poskin 58.
Pugibet 118.
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386
Nem enrerx eiche ;js.
B.
Basch 245. #08.
Rho 118. 189. 280. 324,
Robert 878.
Roes 108. 348 u.f. 384,
Rothschuh 69.
Roux 878.
Rüge 115. 216. 244. 26».
8.
Sanarelli 117. 376. 877.
Schneller 83. 870.
Schellong 134. 134. 167.
Schenct 177.
Scheube 117. 322- 829.
Schreber 1.
Schumburg 100.
Schwalbe 195.
Sederholm 67.
Semeleder 268.
Siedamgrotzky 103.
Silrestrini 380.
Sommer 378.
Spengel 80 u. f.
Spronck 371.
Stammeshaus 105.
Steinbach 289.
Steudel 150.
Stromer ▼. Reiohenbach 119.
Strube 114.
Suess 120.
T.
Therou 179.
Thibierge 68.
Tippei 341.
U.
Unna 63. 369.
V.
Voorthuis 108. 873.
Vordermann 48.
W.
Wassiliewaky 847.
Wendland 184. 287.
Weyer 262.
Wigglee worth 109.
Winkler 878.
Wrigth 880.
Wyatt Smith 169.
T.
Yersin 117.
SS.
Ziemann 808. 845.
1 o 9 2 Z 6
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