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Full text of "Frauenleben"

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Frauenleben 



Hanns von Zobeltitz 



I 





LIBRARY 



OF THE 



University of California. 



Class 



Srctuenleben 



3n Derbinbung mit anöern herausgegeben 

von 

Qanns von 3obcIti^ 

vm 

(ElifabetI) Charlotte 



Bielefelö unö Seidig 
üertag oon Del^agen Sc Klafütg 

1905. 



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(Elifabetl) Charlotte 

I)cr3ogin von Orleans 

(Die pfäl 3 er Cifelotte) 

oon 

Profcffot Dr. 3o6ob tDiUe. 

lltil fünf Kunftbiu&en. 




BMeftlft mb Ceipjig 
t>«rtag oon Otogen & Klafing 
1905. 




Dm* ©on SW" * tDittig in teigig- 



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Dortoort. 



„(Benung unb übcrgcnung oon allem Me- 
iern!" pflegte ein meöerfädjfifdjer Pfarrer aus« 
3tirufen, nadjöem er bereits öret Stunöen geprebigt 
l>atte. So cr3äl)It (Etijabety Charlotte in 6er 
(Erinnerung an üjre 3ugenÖ3eit. „Genug unö 
übergenug oon £ifelotte", mögen Diele jagen, 
wenn [ie jdjon toteöer etroas über öie f)er3ogtn 
von Orleans am £aöenfenfter ausgelegt feigen, 
benn es ift jdjon feljr Diel, Altes unö Heues, über 
biefe merferoürötge 5 r <* u ge|d)rieben tooröen. 
Deutfdje unb Snmjofen, ein jeöer in feiner Art, 
fyaben öiefes £ebensbilb ge3etd|net. 3n 6er 6ra* 
matten Di^tung freitet Ofelotte über bie 
Büfyte, in Iqrifd) gejtimmter Profa (djtpebt fyalb* 
rerklärt ifjre (beftalt burd) bie monbumglän3ten 
(Trümmer bes fjeibelberger Sd)loffes. (Einen tra» 
gijdfen Charakter trägt tfyr fo ge3eidjnetes Büb: 
als Dulberin für 6as Daterlanb unb ben (Mauben 
ifjrer Dater, oon Kummer unb Sorgen gebrückt 
eroedit (ie bas Iftitleib ber ttacfytDelt. Rur mit 
Dorjtdft unb Surüdtfyaltung in 3arten £inien auf« 



gciragen bürften biefe Sarben ber tDatyrtjett ent« 
Ipredjcn. Hber es fefylt gerabe ein bebeutfamer 
3ug, 6er imjere £i[e!otte ausmacht. tDer bas 
(Blücft hat, in pfätyidjen (Bauen geboren unb er* 
3ogen 311 fein, öas Dolfc, meines l)ier u>ol)nt, im 
Derfeetyr mit ifym bis in feine fcleinjten 3üge 3U 
Rennen, 6em toirb meles in £ifeIotiens IDefen 
um fo beutiicfyer herportreten, je länger unö tiefer 
er in tyre Briefe, toie in einen Spiegel hinein« 
föaut. 

Das Buch gtl)t ohne ben beweiskräftigen 
Rpparat von Hnmerkungen in bie Öffentlichkeit; 
bod) l)abe id) im Anfang bie toicfytigfte 3U 
(Brunbe liegenbe £iteratur 3ufammengeftellt unb 
oerroeije fonft auf meinen 1895 in ben Heuen 
Jjeibelberger 3^bü^ern unb auch als Sonber* 
brudt erfc^ienenen (Effat). Dieles i|t if)m entnom* 
men, bod) möchte id} biefe oorliegenbe 3ufammen- 
faffenbe Darfteilung als bas (Ergebnis erneuter 
Stubien betrachtet wiffen. ITIöge ber £efer ben 
(EinbruA geurinnen, baft ein neues dharakterbilb 
ber £ifelotte nicht überflüf|ig getoefen ift. 

fjetbelberg, im Hugujt 1905. 

Dr. 3. BDille, 

Profejjor unö (Dbcrbibliot^eliar. 



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YTTan ift bod) nie roohl in ber 5 r *wbe unb 
* ^' ^ bcf|cr 3U F)aus unb in feinem Daterlanbe." 
3n biefem ftu^en Bekenntnis ift bas (Hjaraftter- 
bilb 6er f) er 3°9t n (Elifabetf) (Efyarlotte oon CDr= 
leans oon ifjr felbft am be[ten ge3eidmet. Das 
Daterlanb aber, beffen (Erinnerung uMe ein roar» 
mer Sonnenftrahl auf ihrem Zehen rur)t, i[t 
mdjt bas I)ei(ige römifdje Heid), tt>e(d)es öamals 
aus taufenb tDunben blutenb öanieberlag. £ife* 
lottens Daterlanb ift bie fonnige Pfal3 mit ir)ren 
grünen Bergen, ihren lieblichen (Tälern unb 
ihrem fröhlichen Dolfce, beffen (Eigenart unoer* 
borben unb unoerfälfdjt, hraftooll unb berb auch 
in ber pfätyfchen S ur l^ntod)ter bis 3U ihrem 
legten Rtem3uge 3um Ausbruch bommt. IDer 
£ife!otte oon biefem Boben r)inmeg3uner)men Der- 
fuctjte, oerftünbe fie md)t. 

(Es i|t auch nid)t gleichgültig, wohin ein Bilb 
gelängt mtrb, bamit es wirken foll. £ifeIottens 
Porträt hann für fid) allein gar nicht betrachtet 
©erben, ofme bafe ringsherum, roie in einer 
Rh^engalerie , anbere (fceftalten in unfern 6c« 

3. tDille, llifab«tf) «Ijartotte o. Orleans. 1 



— 2 — 



jidjtskreis treten, ttidjt ftören unö üerroirren, 
fonöern erklären wollen fie. Hus ötefer Um- 
gebung heraus fällt erft £td)t unö Statten auf 
£ifelottens Bilö, :>or öem urir betrad)tenb ftefyen. 
So oiel oertDanöte 3üge, fo mel gleite Serben 
ringsum in öiefem Rtjnenjaale! Dod) es jinö 
t)t|torijc^e Porträts, bie nur auf öem Jjtnter* 
grunöe öes ge|d)id)tlid)en £ebens tf)re Beleuchtung 
erhalten. ITIan kann £ife!ottens Bilö nic^t gut 
Derjtet)en r of)ne aud) ihren Dater kennen 3U 
lernen, üon öefjen (Eigenart fo oiel auf öie 
(Tochter überging, ohne öem Söntilienfirei|e näher 
3U treten, oon öejjen £ojen, nadj £ifelottens 
(Blauben an ein Derhängnis, aud) ü)r ein gutes 
Stück 3uteit gerooröen toar. 

Hls Kurfürjt Karl £uöu>ig oon öer Pfal3 
nach öem mejtfälij^en $rieöen in {eine fjeimat 
3urückgekehrt toar, kam er als ein 5*entber. 
Keine 3ugenöerinnerung fytlt ihn an öiefem 
Boöen fejt. Beim Ruffteigen öer erften tDetter- 
toolken, öie einen unfjeifoollen Krieg oerkün* 
öeten, toar er 1618 auf öem fjeiöelberger Schlöffe 
3ur tDelt gekommen. Die IDürfel, toeldje balö 
öarnad) am meinen Berge fielen, beftimmten aud) 
öie Richtung jeines £ebenstoeges. ITtit feinem 
Dater, öem Ijartgeprüften IDinterkönig, unö öer 
unerfd)ütterlid) fto^en englijdjen HTutter ging er 
heimatlos einer öunkeln Zukunft entgegen. 3m 
fjaag finöet öie ihres £anöes beraubte kurfürft» 
lidje 5amilie, oon öer (Baftfreunöfdjaft öer ora- 
nifd)en Derujanötfdjaft unö öem (Bnaöenbrote öer 



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— 3 — 

nieöerlänöifchen (beneralftaaten Iebcnö , einen 
tDofynftfc. 3m fröhlichen (Treiben oon Ittasken* 
fejten unö Schlittenfahrten merkte man Raum, öa& 
über öas pfätyjche fjaus (d)on ein fchtoeres Un» 
ujetter [ich entlaöen hatte, ahnte man nicht, was 
im Schoge öer Zukunft noch verborgen lag. 

Seinem Schickfal ergeben, [darnach unö hilflos, 
nur [tark unö unerjchütterlid) in jeinem (Blauben 
[djaut öer Böhmenkönig aus öiefem nieöerlän* 
öifdjen (Ejile hi naus au f & cn ftürmijdj betoegten 
Schauplatj öes roilöen Krieges, wo auch M* 
Zukunft [eines £anöes auf öen 5<*h ncn 9 e * 
fdjrieben fteht, an öen grünen (Tijchen öer Diplo- 
maten Ieiöenjchaftlich unö gelehrt oerfochten roirö. 
Hur einmal noch leuchtete ein f)offnungsftraf)l 
in (ein an <Enttäu[d)ungen fo reifes £eben, als 
(5u[tao Höolf [ein Banner [iegreich entfaltete, 
öas [ich falb naa ) bes Königs (Toöe auch über 
öem Grabe öes Pfalßgrafen jenkte. 

flrm an (Erfolgen, mar biefes Ceben reich 
an hoffnungsoollem tlachumchs, öer fich bei öer 
kleinen Hofhaltung im (jaag unö in Rhenen um 
öie (Eltern oerfammelte. (Ein prächtiges (befehlest 
oon [echs Söhnen unö oier (Töchtern, toelche öie 
flufmerkfamkeit aller Befucher auf [ich lenkte. 
IParö körperliche Schönheit mit jenen 3arten 
£inien unö oornehmen 3ügen, toie [ie oan Dtjck 
unö fjonttjorft in ihren Bilöern überliefert, auch 
nicht allen 3uteil, [o 3etd)neten [ich & 0< *) a U* & u *d) 
geiftige 5 r ifdK un & mannigfache (Talente aus. Die 
kühle Roheit öes [tuartijchen Blutes urirö bei 

1* 



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Dielen ftark übertounben burcf) öen »ärmeren 
£ebensftrom, öen freieren, unge3toungenen 3ug, 
aud) öas öerbere tDefen öes pfätyfdjen Schlages. 
3f)r Sd)ickfal allein fdjon macht uns öiefe Kinöer 
öes Böhmenkönigs intereffant. 

Da oon öen Söhnen öes tDinterkönigs öer 
ältejte, Jrieörid), nod) oon öen böfynifdjen Stän* 
öen 3um (Thronfolger ernannt, in <Begemoart öes 
Daters, bei Befidjtigung öer Silberflotte 1629 
ertrunken toar, jtanö nun feit 1632 öer jugenö* 
liehe Karl £uönrig als öie politifche $\$ut in 
öem jo unpolitifd)en Kreije öes königlichen fjofes 
im tjaag. Der 3arte 3üngling oon fchlankem 
tDuchfe, oornehmen meieren Sügen, toie tt^n oan 
Dtjck gemalt, blickt bereits mit männlichem (Emjte 
aus {einen tylkn Hugen, öie über öie fdjon jc%t 
fd)arf ausgeprägte, in feinen älteren 3ah ren fo 
energieoolle Hölernafe h^ naus ^ CU( ^^ en ' ffieiftig 
hochbegabt, lüiffensöurfttg, nimmt er öie Bilöung 
in jich auf, öie ihm oon öer h<>h en Schule 3U 
£etöen, oon öem reichen toiffenfehaftlichen unö 
künjtlerifchen £eben öer aufftrebenöen ttieöer* 
lanöe öargeboten toirö; er fielet in öie toirt* 
fchaftlichen Triebkräfte öes emporftetgenöen Dolkes 
hinein, unö fühlt über öas <5e3änke öer nieöer* 
länöifchen Ideologen unö öen f)ori3ont feines 
eingelernten l^eiöelberger Katechismus h^ naus 
jenen kräftigen £uft3ug, öer freie (Beöanken in 
kühnem $luge emporträgt. Bei öer Königin, 
öie ihre Blumen, ^unöe unö Hffen pflegt, bei 
öen Schtoeftern, öie malen, tan3en, mutieren, 



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— 5 — 

Derfe mad)en ober rote öte ern|tc f tieffinnige 
(Elifabett) mit Descartes phüofophieren , Ijält er 
es nidjt mehr aus. Die Politik [priest harter 
unb ernfter mit, trofc bes Reitern unb lockern 
£ebens f bas Um am englifchen tjofe empfängt. 
Huf btefem Boöen oerftänblicb,, — nicht charakter- 
los, frei von fyntergebanken an öte englijcfye 
Krone — er jd) eint feine Stellungnahme an öer 
Seite bes Parlamentes gegen bie eigene Derroanbt* 
[d)aft. Dort roar 3U hoffen, ^kx roar eine £efjre 
bereits gegeben, nach ber ein kluger Kopf {ich 
rid)ten konnte, nicht (Enttäufd)ung, fonbern bas 
Blutgericht über feinen ©heim 3errifj bas Banb 
3rotjchen ihm unb ben Puritanern. tDährenb (eine 
Brüber: Ruprecht ber kühne Reiter unb Seehelb 
unö fflortt), ihre Schlachten 3U IDaffer unb 3U 
£anb für öen Rotjalismus roeiterjchlagen, läuten 
bie (blocken öen trieben ^n, unö Karl £uöroig 
kehrt in öie Pfäl3er £anöe 3urück. 

3m 3<*h rc 1650 oermählt er |ich mit <Tf)ar* 
lotte, öes £anögrafen IDilhelm V. oon Reffen 
(Tochter, 1651 kommt öer (Thronerbe Kurprin3 
Karl, am 27. IRai 1652 Gltfabeth dharlotte 
3ur U)elt. 

Run (oft roteöer öas angeftammte (Befchlecht 
auf öer Burg öer Däter. Seilte auc h längft 
öas tiefere Derftänönis öafür, roas es f)ic& 
öeutfeh 3U (ein, fo rou&te öo<h öas Dielgeplagte, 
Don unfagbarem (Elenöe t)eimgefud)te Dolk beim 
Anblicke öes t)eiöelberger Schlotes, bafe man 
nicht mehr fchroeöifd) oöer fpantfd} r kaiferlich 



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— 6 



ober fratt3ö|i|cf}, 6a& man toie6er pfätyfcfi mar. 
Hur ein paar (Tage 3uoor, als £i[elotte 3ur tDett 
kam, 30g 6er letjte Heft fpanifcfyer Befafcung, 
unter lauten Dertoünfcfyungen 6er Bürger, aus 
6en (Toren 6er Seftung Stanfient^al tjinaus. Die 
5rie6ensjonne ftieg nun u>ie6er hinter 6en Pfäl3er 
Bergen fjeroor, über Dertoüjtung un6 Serftörung 
hinaus grüßte |ie 6te 3erfd)offenen ITtauern 6es 
Qeiöelberger S<f|Io||es. Dodj 6ie Seit kehrte bal6 
u>te6er, 6a audj 6ie unoerumftlidje Kraft 6ie|es 
gefegneten £an6es neue 5 r "^* c trieb, un6 6er 
5rof)finn 6es pfalßtfc^en Dölhdjens lebte toie6er 
auf. Karl £u6u>ig beginnt nun fein £an6 un6 
fein §aus oon neuem 3U beftellen. (Er Ijatte 
mel gelernt, um 6iefer fdjtoeren Hufgabe ge- 
mäßen 3U fein. Sein Blick ijt toeit geroorben 
6raufeen im (Betriebe einer größeren polittfcfyen 
tDeit, als 6ie Pfal3 fte 6arftellte. Unterftüfet 
oon 6er unoergleidjlidjen (Triebkraft 6iefes ge* 
fegneten Boöens gewinnt Karl £u6toigs unrt« 
fcfyaftlidje Reform glücklichen (Erfolg, in kleinen 
Der^ältntffen einen großen 3ug. (Beiftooll un6 
l)o^gebi!6et totr6 er 6er Sdjütjer 6er U)tffen= 
fcfyaften, ein Iteufd)öpfer 6er f)ei6elberger Uni» 
oerfttät. TTIan oerfpürte aud} fjier 6ie freie, 
geifttge Rtmofpljäre nie6erlän6ifd}er (Erfahrungen. 
Kampflufttge 3eIoten, 6ie fo oiel Unheil gebraut, 
oerfd)U)in6en oon 6iefem Bo6en. Religiöfe Dul- 
dung, Smfyri* 6es Glaubens befyerrfcfyen 6en 
Denhhreis 6es £an6esf)errn. Dod) in feinem 
aufgeklärten Kopfe u>er6en 6ie freien töeöanken 



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— 7 — 



leicfft oon jenem 3nbifferentismus gejtreift, ber 
mit billigem Spötteln unb Malern £ädjeln über 
bie Bebürfniffe ber Seele fid) tyntDegfetjt. „Unjer 
X>apa," Jagt einmal £i[elotte r „t)at alle 3eit 
oejiert mit allen Religionen, nur im Sd)er3, um 
fid) 3U Moertieren." 3n ben (Eagen r ba UTolanus 
Dulbung prebigt, Spinola, ber Hitularbifdjof oon 
Hina, unb £eibnt3 ernftfyaft mit ber IDieber* 
Bereinigung aller djriftlidjen Konfeffionen redjnen, 
aud) Karl Cubroig um biejen Preis mit bem 
Papfte paktieren möd)te, nimmt man es mit bem 
Glauben nidjt [o genau, ITtan loedjfelt fein Be- 
kenntnis, tote es Politik ober Dorteil oerlangen. 
ITtit einem geiftreidjen Sdjlagtoort ober einem 
kleinen Sd)er3 madjt man fein <Betoi|fen frei. 

3m fjaag beim alten (5efd)led)t nafym man 
bieje Dinge nod) ernjt unb jatj es mit Betrübnis, 
als 3toei Sprojfen bes gut caloinifäen Böhmen- 
königs in ben Sdjofc ber römifcfyen Kirdje 3urück« 
kehrten. Um ben preis ber £tebe taufet prin3 
(Ebuarb leidsten unb fröfjlidjen fjer3ens jein biß» 
djen Bekenntnis aus, als Hnna oon (Bon3aga« 
Heoers, im politiföen Ränkejpiel ber S^onbe 
erprobt, toie in £iebesabenteuern , fjeirat[tiften, 
unb Bekehren erfahren, ben leichtlebigen Pfafy 
grafen einfing. Dielleid)t i[t if)re Kunjt baran 
fdjulb, bafj audj £ouije Fjollanbine, bie gelehrige 
Sdjülertn fjontfyorjts, [djon jedjsunbbreifeig 3ö^re 
alt, bem 3toange bes fjoflebens in bie Stille bes 
Klofters entflog. Dod) fie blieb aud) unter bem 
Soleier einer Hbti|[in bie alte, genial, itjrer 



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— 8 — 

Kunft getreu, babet unoeränbert im pfätyjdjen 
Schlag, ftets fetter, üoII Sd)er3, 3ungenfertig, 
amüfant unb ,,po||terltcf)". So taucht fie in £tfe* 
Iottens £eben als eine freunöttdje (Erfcfjeinung auf. 
3m Kloftergarten oon IlTaubuiffon toeröen toir jie 
uneöerfinöen. 

3n ben arbeitsoollen 3^ten, ba Karl £ub* 
toig bie erften 5 r "djtc bes neubeftellten Bobens 
fyeimfüfjrt, treten 3U>ei 5tauengeftalten im fjeibel* 
berger (Befidjtskreife auf, 6ie uns nid)t unbekannt 
jein bürfen, toenn fie uns fpäter toieber be* 
gegnen, bie eine üorübergefyenb , bie anbere 
bauemb, tief unb un3ertrennltd) mit bem Zehen 
ber £ifeIotte üerroadjfen. Beibe jelbjtänbige 
(Beifter füllen fidj niajt toot)l unter bem ynanq* 
oollen Hegiment ber ftuartifdjen Iltutter unb 
oerlaffen gerne ben ftillen fjaag , um bie (Bajt* 
freunbjdjaft bes Brubers in ^eibelberg 3U ge* 
niesen. IDar audj fein fjausfdjatj knapp be* 
meffen, fein Sinn 3um (Beben md)t geneigt, fo 
fanben fie bod) in ber geijtigen £uft Itafyrung 
genug. 3* nad) Heigung natjm eine jebe baoon 
in ftcfy auf. Hur kur3e Seit finb fie ba: (Elifa* 
betf), bie ältefte ber S^toeftem, nocfy ein Pfä^er 
Kinb, bocfy ernft, in fid) gekehrt, tiefgelefyrt unb 
u)if|ensburftig , grübelnben (Beijtes, als Jreunbin 
Descartes' fdjon in ber tDelt bekannt, als bie 
(Belehrte, „bie (Brieden", Don ben (Bef fünftem 
angeftaunt, als bie 3erftreute mit fyarmlofem 
Spotte von ifynen beefyrt. ITicfyt fo leicht wie 
bie anberen kommt fie über bas Sdjidtfal ifjres 



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— 9 — 



fjaufes fjinroeg. Das Derfjängnis , roeldjes un* 
abläjjig ifjre Samilie verfolgt, gibt ifjr 3U benken 
über öie Rätfcl öiejer IDelt, über öen Dualis* 
ntus 00m freien tDillen unö Rbfjängigkeit, von 
Seele unö £eib, (blauben unö tDiffen, (Eoö unö 
£eben. 3n öem Sudjen nad) öer (Erkenntnis 
(Bottes, nad) öer Kuf)e öer Seele, öer roafyren 
(Blückjeligkeit kommt jie, oon Seneca unö Descar* 
tes unbefrieöigt 3U öen tttqjtikern unö (Quäkern, 
als Hbtijjm öes eoangelifcfyen Reidjsftiftes fjer* 
forö fyat jie mit Zabbabit öer innern (Erleuchtung 
jid) ergeben, feiner (Bemeinöe öen Scfjutj öer 
flbtet gewährt. tDtlliam penn fyat fie öort ge* 
fegnet. 

(Ban3 anöers öie jüngfte unter öen Göddern 
öes tDinterkönigs : Sophie, ifjrem Bruöer Karl 
Cuöroig getftesoerroanöt, öer Örei3el)n 3afyre älter 
öie £ieblingsfd)tx>efter gerne (eine geliebte (Eodjter 
genannt, roie fie in rejpektoollem Sd)er3e ifjn 
„mon eher papa" tituliert fjat. fln geiftiger 
5ri(d)e jinö fie beiöe gleid) jung geblieben, 
fjontfyorft Ijat uns ifyr 3ugenbbilbd)en hinter- 
laffen: Keine Sd)önf)eit in öem Ijarmonifdjen 
(Bleidjmafje öer Cinien, aber oon feinen, t>or* 
nehmen 3ügen; nic^t ofyne flnmut, öod) öer 
Sdjalk fte&t öatjinter, öer gerne öen anöern 3U 
lachen gibt, ofyne öafj fie es merken, roie man 
über fie jelber fid) luftig madjt. (Eine ^eitere, 
fröt)lid)e Perjon ift [ie immer geblieben, öa [ie 
längjt an öer Seite (Ernft Rugufts als Kurfürftin 
oon fymnooer 00m füllen ©arten 3U fjerren* 



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— 10 — 



Raufen aus ftül)l unö vernünftig, in vornehmer 
Deradjtung ober mit fpöttifdjem £äd)eln öie IDelt 
betrautet unö beurteilt. Hber alles, toas fie jagt 
unö fcfyreibt, i|t coli (beift. 

flud) jie l)at mit einem ptylofopljen 5**unö* 
fdjaft gefdfyloffen, im anregenöen (befprädje mit 
£eibni3 öie Rätjel öes Dafeins 3U ergrünöen Der* 
fudjt. Dod) öas t^eil ifyrer Seele Ijat if)r feeine 
unglüc&Iidjen Stunöen bereitet. Hm f<f)ltdjten, 
natürlichen (Blauben an (Bott finbet fie (Benüge. 
„3l)n 3U lieben unö 3U ef)ren unö {einen Häuften 
3U lieben als fid) f elber", gilt tljr als öas tOefen 
öer Religion. Darum fteljt fie frei über öem 
Dogma, u>eld)es öie Konfeffionen trennt unö Un* 
frieöen jtiftet, glaubt emjtl)aft oöer 3ur Unter* 
Haltung, - man toetfe es md)t immer - , öafc öie 
tDieöerüereinigung öer cfyriftlicfyen Kirnen beoor* 
jtefje, empfängt öen (Träger öes neuen 5n*öens* 
geöanfcens, öen Bifdjof pon Gma, plauöert aud) 
mit £eibnt3, geurifc fefjr geijtreid) unö mit fdjarfer 
3unge, über fttrc^Iic^e 5ragen. Hber alles roirö 
in letztem (Tone abgemalt, gar nid)t erregt, 
ftüf)l unö vernunftgemäß lu'e unö öa mit ehx>as 
Sarfcasmus getvü^t. RIs öie Befd)ütjerin öes 
3nötfferentismus toill Karl £uöroig öie £ieblings* 
fdjtoejter in öie Konfcoröienfeird)e 3U Itlannljeim 
malen laffen. Dabei ift fie für iljre eigene Kirdje 
beöadjt, if)r fjof roirö ein H[t)l für öie vertriebenen 
Reformierten 5*anfcreid)s, Jie läßt ein reformiertes 
Begaus in fjannover bauen, fdjenfct eine ©rgel 
unö rietet fid} einen eigenen Sitj ein, aber fie 



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hört ben Pteötgcr nur gerne, roenn er „nicht 
melancholijch ift u , jdjreibt bann lieber ihre 
Briefe unb lieft amüjante Bücher im hinter« 
grunbe ihres Kir^en[tu!jls. 3ft fie inkognito, 
toie in Denebtg, geht fie auch einmal in bie 
fcatholijche Kirche 3ur Beizte, um öie Dinge 
oon ber anöem Seite kennen 3U lernen. Das 
freigeiftige Spielen mit ben tieferen 5 r <*gen 
£ebens toar nun einmal 5ie|em jungen <5e» 
|d)lechte eigen. <Es fjat nic^t immer gute Störte 
getragen. Cifelotte kann öaoon er3öt)(en. 

IDie mit ber Konfeffion nahm es Sophie aud) 
mit ber (Efje gan3 oernunftgemäfo. Sie follte 
Georg IDilhelm oon fjannooer heiraten, ber 
(Efjeoertrag war (1656) [chon gemacht, bod) ber 
lebensfrohe Bräutigam roollte noch einmal bie 
Sreuben bes oene3ianifd}en Karneoals lebig ge* 
niefeen unb oergafe barüber ber heimatlichen 
Braut in einer XDeije, ba& er {ich felbft ihrer nicht 
meljr toürbig erachtete. Huf {einen ehrbaren 
XDunfd) h a * ^h m öann fein Bruber (Emft Huguft 
bie füge £ajt abgenommen. Da {ich P ra &* 
ti{che Philojophin entjd)Iofj, nun ben jüngern 3U 
lieben, n>ar (ie hocherfreut, ihn liebensroürbig 
3u finben, unb h<*t 3eitlebens bie[en (Eau|ch ni<ht 
bereut. 3m 3ah™ 1658 verliefe bie junge fjer- 
3ogin oon fjannooer bas Ijetbelberger Schloß. 

flicht lauter frohe (Einbrüche nahm fie com 
pfa^ifchen tjofe mit. Sie fah noch bie Schatten 
über Karl Cubtoigs jungem fjausftanb aufftetgen. 
nicht fo leicht mie Sophie hat bie fjefftf^e Ghar- 



— 12 — 



Iottc tfyre alte ttebe mit einer neuen oertaufdjt. 
Sie ijt nad) eigenem (Beftänönis roiöer ihre 
TTeigung öem (Batten gefolgt. 3n öer jdjönen, 
Raiten, eigenjinnigen 5 rau f an & £uötoig 
tro^ aller Zärtlichkeit keine Gegenliebe. tDas 
er in [einer (Efjejtanösabredjnung über Jie fagt 
unö klagt, urirö im allgemeinen aud) oon an* 
öerer Seite, jelb[t oon öer aufrichtigen Schtoieger* 
mutter betätigt. TTtit jeharfem Blicke hat Sophie 
in öer neuen Schioägerin fofort einen HTangel 
an „(Efprit" erkannt. Sd)ön, gefalljüchtig, glan3» 
unö 3er|treuungliebenö roar Charlotte aud). So 
gab es an öer Seite eines letöenfdjaftltchen, Ijerri* 
fchen, fparfamen, eifer{üd)tigen unö öa3U nodj 
getjtoollen tttannes keinen guten (Eon. 

Da nimmt öie bereits keimenöe Iteigung öes 
finnltd) angelegten fjerrn 3U öem jugenölichen, 
anmutigen Jjoffräulein öer Kurfürftin, 3U £uife 
oon Degenfelö, bei aller, ihrer[eits lange be* 
umfyrten äurücktjaltung immer leiöenjc^aftlidjeren 
Sort[c^ritt unö reift 3U öem ern[tlid)en (Beöanken 
einer Sdjeiöung oon öer lieblojen $xau. Über 
öie Dorgänge auf öem Schlöffe hat |t<h ein gan3es 
(Betoebe oon IDa^rljeit unö Dichtung pikanter Hrt 
|<hon öamals oerbreitet, {elbjt in nächfter Hälfe 
i|t Sophie nid)t frei oon romanhaften Phantafien. 
(Ehrenhaft toar öie <5ejd)icf}te nicht. Hm tief jten 
ift £uifens Bruöer, öer efyrenfejte $eröinanö oon 
Degenfelö, öaoon berührt, öer in öiefen Vor- 
gängen eine Sd)änöung (eines altritterlichen f)au< 
fcs fielet, loo öie <Ef)e unö itjre Unlöslichkett noch 



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13 — 



fjeitig gehalten warb. Den testen (Eropfert Blutes, 
erklärt er, opfern 311 roollen, um bas (Eobesurteil 
feiner Sd)roe|ter 3U unter3eid)nen, roenn 6er Kur» 
fürjt ifjre (Ef^re nid)t fjcrftelle, fic gar nid)t oöer 
nur fyetmlid) heirate. 

Unbekümmert um bas Urteil ber tDelt Ijat 
Karl £ubtoig, kraft öer iljm 3ujteljenben geift- 
lidjen unö tDeltlicfyen 3urisbiktion, felbjt ben 
Scfyeibebrief für fid) beftötigt unb bie (Efye ge* 
löft. Hm 6. 3önuar 1658 roarb £uije als 3U)eite 
5rau bem Kurfürften angetraut. <Erft 3ef)n 
3a^re nad^er ift eine Stanbeserljölning erfolgt. 
Der Harne eines läng[t oerklungenen uralten 
<5efd)lecf)ts , beffen Bejitj fdjon im fünf3eljnten 
3af)rf)unbert an bie Kurpfal3 übergegangen a>ar, 
lebte in £uife unb ifyren nachkommen, ben Rau* 
grafen unb Raugräfinnen ber Pfal3 roieber auf. 
(Efyarlotte u&id) nidjt com piatje. Der fjoffkanbal 
ging oon neuem in bie IDelt hinaus, um balb 
unter ben glücklichen (Einbrüchen bes raugräf* 
liefen Regiments 3U oerjtummen.. £uije f nod) 
mehrere 3 a h rc ben Blieben ber burdjaus nid)t 
fanften Rioalin ausgefegt, f)at gleich il)r an ber 
Seite bes eiferfüdjtigen , argioöljnif djen (Batten 
nidjt immer rofige Gage gehabt, aud) bie in 
Dorurteilen oon Rang unb Stanb befangene fyö» 
fijcfye (5e|elljd)aft roirb iljr bas £eben nid)t leidft 
gemacht Ijaben. Dod) Karl £ubu)ig blicht am 
(Enbe {einer (Tage mit bem (Befühle bes (Blüches 
auf biefe Derbinbung 3urüch, unb bamit fyat fi* 
il|re Probe beftanben. 



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— 14 — 



Unter 6iefen hüben Derljaltniffen roädfft £ife* 
Iotte fjeran. Uod) roar fte 3U fefyr Kin6, um 
6en (Ernft 6er Dorgänge 3U oerftefyen. Hur 6ie 
Rute tf|rer erjten fjofmeifterm, 6er 3ungfer (EI3 
von d}ua6t, blieb 6em allc3cit mutroilligen Hög- 
ling aus jenen Gagen in (Erinnerung. 3u alt 
un6 3U fdjioacf), öas fdjon 6erbkräftige Kin6 3U 
bänbigen, gab jie 6as Hmt 6er (Erjiefyung an 
Huna Katharina üon Uffeln ab. (Erotj (Ernft 
un6 Strenge fjat 6ie[e ausge3eicfynete Dame 6ie 
nie oerfagenöe £iebe un6 Dankbarkeit 6er £ife- 
lotte fid) erworben. Dodj in 6er fjei6elberger 
fjofluft roar fdjroer 3U e^ieljen, roo öte (Eltern* 
liebe, in ftarke (Begenfätje geteilt, Derroirren6 un6 
[d)aöigen6 auf 6en in 6er Bil6ung begriffenen, 
jugen61id)en (Efjaraftter einwirken mußte. Die 
gefeite, menjd)enkun6ige Sophie füllte 6as am 
etjeften, 6a fie einen (Einfluß 6er TTTutter gegen 
6en Dater 3U bemerken glaubte. So roar es Seit, 
£ifelotte aus 6em ifyr 6roljen6en Sroiefpalt 6er 
<5efüt)le fyinroeg 3U nehmen. Sophie felbft erbot 
fid), eine TTTutter 3U fein. „3dj roer6e Sie fyegen, 
als roär es mein eigen Kin6," fdjrteb fie öem 
geliebten Bru6er. Sie roill „keine gelehrte Sdjur* 
mann aus if}r madjen", aber „6ie (Brimaffen oon 
6er TTTutter fyer ifjr austreiben". 

Hn 6er tjan6 ifjrer fjei6elberger (Er3tef}erin 
kommt £ifelotte im 3ult 1659 nad) fjannooer. 
Sie roar ein gefun6es, 6erb angelegtes Kin6. 
„TDäre gut 3U effen," meinte tfjr (Dnkel fjer3og 
(fceorg TDilfjelm, „roenn man fie rote ein Span« 



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— 15 — 

ferftel braten könnte." Der gute fjeibelberger 
Schlag kommt fd)on früfy bei ifyr heraus. (Eben 
|o ausgeladen, rote unge3ogen, t)at [ie alle 
Spiele, 6a es 3U fpringen unb 3U poltern, 3U 
fingen unb 3U (freien gab, lieber gehabt, als 
bte 3arte Befdjäftigung ber Weinen ITtäbcfjen, 
bie einjtoetlen in ber puppenftube 3U Künftigem 
£ebensberufe Ijarmlos unb unbefangen fiel) cor* 
bereiten. ,,3d) bin mein £ebtage lieber mit 
Degen unb 5Knten umgegangen, als mit puppen, 
toäre gar gern ein 3unge geworben." „Kaufte* 
blattfenecfyt" l)at man fie genannt, ba fie einem 
00m Sturmtoinb emporgetriebenen Blatte gleid), 
mefyr in ber £uft als auf öem (Erbboben fid) 
beroegte. Sie felb[t i|t oertounbert, baff fie 
beim Dielen Springen nidjt fdjon „fyunbertmal 
ben fjals gebrochen Ijabe". Dabei roar fie 
frfjon früf)e geiftig aufgetDecft. „Sie t)at einen 
Derftanb," fagt Sophie, „roie oon 3t»an3ig 
3a^ren, aber man mu|j Diel erinnern, fonft 
gefyt es tjolber bie polter." So regen ©eiftes, 
muß fie immer Unterhaltung tjaben. IDirb 
oft „gefixt", toenn fie in ber Kirdje 3U fjan* 
nooer mit Jingerfjutblumen knallt unb bie An- 
baut ftört. Singt aber and} brao mit ber <£e* 
meinbe unb toeife fid) im fyofyen Alter nod) gut 
bes Cieöes 3U erinnern, fo man ba3uma( ge« 
rabe gefungen fyat, ntd)t afynenb, bafj in biefen 
üerfen bie Kraft ifyres innem £ebens liegen 
follte. 

Hur 3U rafd) gingen ein paar Kinber jafyre oor- 



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16 



über: in tjannooer, mit bem Scfylofe an 6er £etne, 
ober in (Teile, wo Dertoanöte fürftltd) roofynten, 
gan3 befonbers auf bem fd)ön gelegenen Sdjloffe 
3burg, roo (Ernft Ruguft Jeit 1661 als eoan« 
gelifdjer Bifcfyof, ofyne bie ©snabrüAer in ttjrem 
Seelenfyeile 311 ftören , feine Pfrünbe i>er3ef)rte. 
Überall neue unb ^eitere (Einbrüche! XDie in 
einem (Budikaften toerben aud) vor öem alternben 
fluge alle biefe Bilber lebenbig. Bunt unb 
mannigfadj , t>erfd)U)inbenb unb aneber fyerpor* 
fcommenb 3ief)en fie oorüber: bie fdjönen Papa* 
geten, bie fie für bas treue tjünbd)en $ibtl 
umtauften mu&, Soliman unb (Türk, feine ge* 
festeren Kollegen, bas fdföne, oom (Dnkel ge* 
[Renkte (Bejpann, bas untertjaltenbe £eben in ber 
(Teller rjofhüdje, roo bie er|ten Kocfyoerfudje ge- 
malt toerben. Beim guten Hbt 3U 3burg bas 
reidje (Ejfen lögt bleibenben (Einbrudi in einer 
eckten Pfäl3erin 3urüdt. ITur um tDeüjnadjt, 
bie Buben mit bem Stern, üoran ber fyeilige 
Petrus, mit (einer grinbigen fjanb, nehmen alle 
31lufionen oom (Tfjrijtkinb unb parabies ber 
fcritifd) gejtimmten £ife!otte l)imr>eg. 

3m TTooember 1659 gefyt bie erjte gro&e 
Reife mit Sophie nad) bem Jjaag 3um Befudje 
ber (Brofcmutter , ido £i(elotte (Triumphe feiert. 
Hllgemein toirb fie berounbert. TTtit ifyrem fri|d)en 
(betjt, gutem fjumor, ifyren fdjlagfertigen flnt* 
©orten, bie Diel Rnlafj 3um £a(b,en geben, gefällt 
fie ber (Befellfcfyaft. Daß man „|o gar nichts 
fje|fi[d)es, nur alles pfätyfcb, an iljr ftnbet", gibt 



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— 17 — 



tfyr einen 5t*ibrief aud) 3um fonft kühlen fjer3en 
6er Böljmenkönigin , öie in ifyren alten (Tagen 
nod) einmal roarm unö 3ärtlic^ 3U roeröen be* 
ginnt. Hffen unö fjunöe toeröen auf einige 3eit 
oergeffen unö nur „£ifelotte" l)ört man rufen. 
Selbft öer Utarquis IDaffenaar, öer roetterfefte 
Seemann, öer fid) fonft nur mit öen Spaniern 
auf öem IDafjer Ijerumfdjlägt , toirö 3ärtltd) ge* 
jtimmt. Kein tDunöer, öafe man aud) fjeirats* 
plane fd)mieöet, als öer kleine Prin3 tDilfjelm 
von (Dramen öem poffierlidjen Befudje öen t^of 
mad)t. Sonjt i[t nur öer Spradjmeifter emjt, 
man lernt lieber tan3en unö fingen. Sophie 
aber tft ftol3 auf ifjren Högling unö meint, £ife* 
lotte toeröe oon (Tag 3U (Tag fdjöner. Dod) im 
Srüfjjaljr 1660 geljt es roieöer nad) fjannooer 
3urü(k. Dier 3afy* nod) bleibt £ifelotte am fjofe 
ifjrer (Tante. „Perfekt unö ido1}1 geregelt" fjat 
jie itjn genannt. Dod) Sophie füljlt, öafo es in 
öer Stille 3U 3burg für eine Prin3effin, öie als 
fcodjter eines Kurfürften für fyöfyere Dinge be= 
ftimmt fdjien, 3U „bürgerlid)" ^erging. Da3U 
roill Karl Cuöroig feine (Todjter toieöer fyaben, 
öenn in3tt)ifd)en l)at Charlotte ofjne [einen IDiöer* 
fprud) öas 5 e H> geräumt unö fid) nad) Kaffel 
3urüdtge3ogen. (Eine böje Sunge gibt öen Rat, 
man müffe in ^eiöelberg alle Brunnen 3umad)en, 
roeil fonft öer Kurfürft aus Betrübnis fid) er« 
fäufen mödjte. 

£ife!otte fdjieb 00m f)ofe tfjrer roofjrbeforgten 
(Tante mit öem unDerlöfd)lid)en (Einörucke, „ba\) 

3. VOillt, Ciifabetf) (Hjarlotte o. (Drltons. 2 



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— 18 — 



fie niemals beffere (Tage gehabt fytbe". 3^rc 
(Erinnerungen finö nieöergelegt in einer großen 
3al}l oon Briefen, öeren Deröffentlidjung mix 
[o Diel neue 3üge oon £id)t unö Statten aus 
6em £ebensbilöe £ijelottens oeröanken. tDas 
oom Sdjreibtifdje 3U tjannooer unö fjerrenfyaufen 
an £ifelotte kam, tft oerloren, bod) liegen aus 
öem reiben geiftigen £eben öer Jjer3ogin unö 
fpäteren Kurfür[tin oon fjannooer uns |o oiel 
anöere 3eugniffe oor, öaß fic oerglidjen mit öen 
(Beöankengängen in £i(e(ottens lebhaftem unö 
frifd) puljierenöem 3nnern, Blatt für Blatt uns 
über3eugen, toie ftark öer (Einfluß öer geift* unö 
tyumoroollen Sophie auf alle £ebensanfd}auungen 
öer ttidjte getoefen i|t. „(Euer £ieböen Scfyrei* 
ben," [agt fie, „finö ein (Efyeil oon meinen Reit* 
quien, fo id) am meiften oenoafyre, weilen (Euer 
£ieböen öie ein3ige ^eilige [ein, tooburd) mir 
öie große (Bnaöe oon (Bott ertoiefen tooröen unö 
roelcfye mir am meiften (Butes getfyan tyaben." 
Die Betounöerung ifyrer geiftigen Dornefymfyett 
ift ftets oerbunben mit rü^renöer Dankbarkeit 
für ifyre <5üte. „(Euer £ieböen fyaben Sdjön* 
Reiten, fo nie oergeljen, nemlid) öero großen 
Derftanö unö t)it>acität, öero (Benerofität unö 
<5üte." 5ür £ifelotte ift fie „öas Lustre oon 
allen Jjöfen toegen Ujres Derftanöes unö iljrer 
(Eugenöen 1 '. „Grandeur" ift bei Sophie natür« 
lid). Um öen preis, ü)re chfcre tante unfterblid) 
machen 3U können, möd)te £ifelotte lieber fofort 
fterben. 



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19 — 



Sophie wax mit ben (Erfolgen ihrer <Er3ie* 
hungskunft nicht un3ufrieben, als fic £ijelotte 
nad) fjeibelberg entlieg. Don ber „(Erbfünöe" 
toaren nad) ihrer Uteinung nur öie „(Brimmaffen" 
geblieben; biefe konnten burd) eine öftere Selbft* 
betradjrung im Spiegel kuriert werben. Bas 
3nnere blieb r>on 6er mütterlichen (Erbfdjaft un- 
berührt, öie ttatur war robuft aber gut. 

fluch öer 5*äulein oon Uffeln, 6ie noch, üor 
bem Abrieb £ifelottens, ben (Dberftallmeifter 
txm fjarling geheiratet, unb bann als ©bertfof« 
meifterin in ber hownooerjehen Samilic oerblieb, 
hat bie Prin3ef|in niemals oergeffen. 3hrer (Büte 
unb Strenge, jelbft ihrer Hute h a * f« 3eitlebens 
gebankt. „IDenn man ans Rennen ginge, [o 
habt 3hr mir in meiner 3ugenb oiel mehr (Butes 
gethan, als ich me * n £eben toerbe thun 
können," jd)reibt |ie einmal fpäterhin. 3n ihrem 
Briefwechjel mit tjerrn unb $xau von tjarling 
jinb bie 3eugni|fe rührenber Anhänglichkeit unb 
Dankbarheit niebergelegt. 

3m Sommer bes 3ah rcs 1663 ift Cijelotte 
nach fjeibelberg 3urückgekehrt. llun war fie elf 
3ahre alt unb follte noch etwas mehr lernen, 
als was oon frönen Wörden unb frommen 
£ieberoerfen burch bie gute fjarlmg bem jugenb» 
liehen Kopfe ber Prin3ef{in als bauernber Befitj 
bereits eingeprägt war. 3hr Bruber Karl hat, 
feiner künftigen Stellung entjprechenb , ben be- 
rühmten (Belehrten unb Staatsmann <E3ed)iel Span« 
heim 3um Direktor feines frühjten Stubiums ge» 

2* 



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20 



fjabt. Sur £ifeIotte genügte einfache fjauskoft. 
Dod) aus intern Umgang mit öem angefetjenen, 
um öas pfäl3ifd>c fjaus oeröienten TITanne, öer 
bei gemeinjamen lTtaf)l3eiten unö Beluftigungen 
öer Kinöer ftets mit 6er (Bouoernante 3ugegen 
mar, tft if)r öer Refpekt oor feinem (Beift unö 
feiner (Beleljrfamkeit unö öie (Erinnerung an feine 
guten Spa&e geblieben. Als öann Sponheim auf 
feine öiplomatifdjen Reifen ging, trat ein fjerr 
von Sanöeoille an feine Stelle, öef[en 3nftruktion 
aud) in ei^elnen Punkten für öie fjofmeifterin 
öer Prin3effin 3ugefd)nitten toar. (Erft 1663 
übernahm Urfula Kolb oon tDartenberg if)r 
oeranttDortungsooIIes Rmt. (Einfad) unö Der» 
ftänöig roar aud) ifjr Don Karl £uön>ig auf* 
gefegtes päöagogifdjes Programm. Diel £ern* 
ftoff l)at £ifelotte nidjt aufnehmen müjfen, el)e 
öas £eben il)r fo manche brauchbare £el)re gab. 
So l)at fie il)re öeutfd)e Sprache gelernt, in ifyrer 
urtoüd)[igen Kraft, unö oorab öie öeutfdje Bibel 
öabei 3ur £ef)rmeiftertn gehabt. Rud) in öen 
alten Dolksbüdjern fanö £i|elotte gemütretdje 
Haljrung. 5ür öas 5 ran 3Öfifdje toar bei ifjrem 
Befuge im fjaag öurd) öen Spradjmeifter fdjon 
oorgearbeitet. Sie t)at jeöenfalls öicfe Sprache be* 
reits Dollkommen bel)errfd)t, et)e fie nad) Stank» 
reid) kam. Rn rfjeinifdjen f)öfen 3umal toar öas 
5ran3öfifd)e öie Spradje öes Derkeljrs. Der Unter« 
rid)t in öer Religion follte nad) Karl £uömigs 
TDunfd) frei oon jeöem konfejfionellen Stanö« 
punkte jein. (Es genügte, öie £el)ren öer eigenen 



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— 21 — 



Kircfye 311 kennen, nad) öem Katechismus fie 
em3up ragen, im £efen 6er Bibel, im Rbenb« unö 
ITTorgengebet öie Pflichten gegen (Bott 3U er* 
füllen. Dulöung gegen flnöersgläubtge toar ein 
<5runÖ3ug ötefcr religiöfen (Er3iefyung, öeren £ern* 
jtoff nid)t mefyr als eine Stunöe in öer IDodje 
beanfprudjte. Dogmati[d)e (Erörterungen blieben 
öem fcinblidjen Denfcfcreife ferne. „THtd) öeud)t," 
jdjreibt £ifelotte einmal [pätertyn jelber, „baß 
unfer fjerr üater 6er Kurfürft feelig uns eben 
nidjt gar eifrig fyat in 6er Religion er3tef)enlaffen." 
Arn toenigften mar öie prin3ef[in für 6as „KTora« 
Iiftertoer6en" im Unterricht empfänglich . Die 
3ungfer Kolb mußte mo^l barüber Klage führen, 
öaß £ijelotte aus £utfyers Hijcfyreöen fid) gera6e 
6as fyeraus3ufud)en pflegte, toas if)r am toenigften 
nufcte, öaß if>r 6ie fyftörcfyen oon 6en (Befpen* 
jtem nid)t übel gefielen un6 fie alles übrige ab* 
gefcfjmadtt fanb. ITTit 6er (Ef)rfurd}t cor (Bort, 6em 
(Befyorfam gegen öie (Eltern, mit 6er Achtung oor 
einem jeöen, 6er es oeröiente, roaren für £i[elotte 
im großen un6 gan3en öie etfjifdjen Kapitel er- 
[djopft. Um |o breitern Kaum nimmt öie An- 
jtanöslefyre ein, öie mit ftrenger (Einteilung öer 
Stunöen öen Derkefyr öer prin3e[fin innerhalb 
öes fjöfifdjen £ebens unö mit öer Außenwelt 
regelt, alles mit 3eitgemäßem 3ufdmttt, nid)t 
fo marionettenfyaft wie bei öer engli|d)en <2>roß* 
mutter, in öer prayis nid)t jo jtrenge, wie auf 
öem Papier. (Bebunben an öen ifyr oorgejdjrte« 
benen ausert»af)lten Umgang aud) mit öen An- 



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22 — 



gehörigen öer Beamtemx>elt unö öer Untoerfität 
fanö Cifelotte über öie Schlofcmauer ^tnaus auch 
öen IDeg 3um Dolke. Das 5*öf)Hd)e unö Sinnige, 
was [ie f)ier fanö, auch öas Unanftänöige unö 
Derbe, mas fie mit befonöerem Derftänönis 
auffing, öer fdjöne Dialekt öer Ijetöelberger 
Straße, öas alles fyat toohl auch im Schlöffe 
oben manch oermanöten 3ug gehabt. XDann unö 
wo follte aud) £ifelotte öte ed)te Pfä^erin ge* 
tüoröen fein , als in ihrer 3ugenö ? Unter* 
Gattungen unö Vergnügungen mancherlei Hrt, in 
öer Kolbin 3nftruktion nid)t Bezeichnet , Jorgen 
für ^eitere (Einörücke. £an3 unö tttufik, gejunöe 
Spiele in freier £uft, Ausflüge in öie Pfal3 3U 
IDagen unö Pferö roechfeln mit öer al^ett be* 
liebten Komööie im öieften (Eurm öes väterlichen 
Stoffes. Hn Saftnacht 1670 follte große Utas* 
keraöe fein. Schon toar £ifelotte 3ur Hurora, 
öie Sd)ulmetfterin Kolb 3ur Geres auserfe^en. 
Da macht öie fjoftrauer um 5rieörich oon Däne« 
mark einen öicken Strich öurch öie ^eitere Red)* 
nung. Die (Eriump^tDagen roeröen 3urücfegefahren, 
öer bunte $litttx Derfdjtoinöet in öer (Barberobe. 
„So finö aus lauter (Böttern lauter Sterbliche 
gerooröen", fchreibt betrübt öie ins Sioit 3urück* 
oerfefcte Hurora, behält aber für öas nädjfte 
Ittal il|re Rolle im fluge. „So kann mir $xau 
t>on fjarltng nur berichten, ob fie gerne frühe 
aufftehen roill ober nicht, öann »eilen ich Q ^ s " 
öann öie Pforten öes Hages in meiner tltacht 
toill ich nicht eher aufmachen, als toann fie mUL* 



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— 23 — 



Hud) Me 3ungfer Kolb toar nid)t immer im« 
jtanöc, ben ausgeladenen tDilbfang 311 3ÜgeIn, 
eine jener (E^iefjerinnen , bie ooller (Ermah- 
nungen ftedten, oon Tttorgen bis Rbenb fjerum* 
korrigieren unb bie unfdjulbigen Ungeßogenfyetten 
tote große Staatsaktionen betrauten, fjatte bar* 
um £ifeIotte keine befonbere Zuneigung 3U if)r r fo 
blieben roemgftens bie frönen <Er3äf)tungen toie 
bas fltärdjen 00m Rübe3aljl, bie grufeligen <5e= 
|penftergefd)id)ten, oor allem aber ber 3ungfer 
roeife Sprüche i^rem Högling in bauember (Er- 
innerung bis ins fyofye Alter. „3§t Kinber, es 
gel)t nirgenbs tounberlidjer 3U als in ber H)elt," 
pflegte bie Kolbin 3U fagen. Das follte freilid} 
£i|elotte einmal bitter erfahren. Aber oorerft 
toufote Jie nitfjts oon ben umnberbaren (Bangen 
bes menjd)Hd)cn £ebens r lounberlid) erfdjien if)r 
nur bie weife 3ungfer (elbft. £ujtig wollte (ie 
fein unb konnte fie md)t anbers fein in ber 
tounberbaren IDelt bes oäterlidjen Sdjloffes, too 
fie auf bie Berge klettert unb iljre fjetbelberger 
Sprünge ma$t. Unoergefeli^e (Einbrücke ber 
3ugenb begleiten fie oon fjier aus ins £eben. 
5reier oon ber fteifen (Etikette, als fie einft 
tfyre (Brofemutter in ber Kinberftube eingeführt, 
betoegte fidj bas £eben ber f)öfifd}en 3ugenb in 
IDalb unb $tlb: beim (Erbbeerenfu^en im Ketfcfyer 
IDalb, beim 5if^ e « * m Sdjlo&graben , beim 
Kirfdjeneffen in bes Ämtmanns oon £anbas fjaus 
unb (Barten, toofyin £i|elotte beim erften Sxüty 
rot ben Sdjlo&berg tynabfteigt. „Jjabe mi^," 



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— 24 — 

fdjretbt fie, „fo ooller Kirnen gefreffen, ba& id) 
nid)t mehr gehen fionntc." Huf einem umge« 
toorfenen IDeiöenbaume fifcenb lieft fic unö führt 
6a3ioifd}en !)armlo|e Unterhaltungen mit öen 
Bauern oon Oftersheim unö Schülingen, öie 
oorübergehen. Bei ihrem fonjt |trengen unö 
ernften Dater fat) (ie manch leutfeligen 3ug, öer 
|ie öem Dolke nahe braute. tttit feinem Alltags« 
leben, jeinen altväterlichen Sitten unö Gebräuchen, 
(einen £ieöern unö Sprühen toarö |ie bekannt. 
Seine Derbheit unö (Treulosigkeit, [ein fröhlicher 
fjumor, haben fid) if)rer (Erinnerung, ihrem (Eha* 
rakter, ihrer Spraye tief eingeprägt. (Berne 
öenkt fie öaran 3urück, roie neben Ballett unö 
Komööie auf öem Schlöffe fie an öer fjanö öes 
Daters aud) öie Sdjroetjmger oöer ITtannhetmer 
„Kermes" befud)t hat, wo man bekanntlich keine 
fauern (Befidjter macht. tDar ihr Dater guter 
£aune, öa hörte fie manch fröhlichen Sang, toie 
öas gut pfäl3ifd)e £ieblingslieö Karl £uötoigs: 

„So laffet öas tDaffer öer töänfen (Trank fein, 
3eöermann # jeöermann trinket gern tDein, 
Unö fonöerlid) öu unö td). 
Die Bauern am tteckar unö über öem Hhetn, 
Sie haben otel tDaffer unö trinken unö trinken 

öen U)em." 

3n ihrer 3ugenÖ3eit roar ja öas TDah^eichen 
öer alten Pfal3, öas große ^eiöelberger $afy, von 
Karl £uöroig roieöer aufgerichtet rooröen unö mit 
finnigen Sprüchen ge3iert. tDarö öiefes Heiligtum 
fonft mit öem bei f)ofe beliebten HeckanDein 



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— 25 — 



gefüllt, fo finb £ifelotte unb tfjr Bruber Karl 
fdjon in ifyren Ktnbertagen mit öcm tleujtäbter 
„fo gut unb gefunb ift" bekannt geworben. 
Ulan nannte if)n auf öem Sd)Iojfe ben „Kur« 
fürftlidjen KinberiDein", benn man [afy in feiner 
£ebenskraft aud) bei ben jüngf ten Dertretern bes 
pfätyfdjen Dolkes nod) keinen Schaben für £eib 
unb Seele. 

3n ber 3n|truktion für 3ungfer Kolb toar 
freiließ bapon nichts 3U lefen, bafc man bie (Er» 
3tet)erin 3um Harren galten unb Poffen mit tfyr 
treiben folle. Die £ef}ren ber 3ungfer Kolb 
fanben in £i|elottens ITCutoillen Dielfad) einen 
unfruchtbaren Boben. Hod) als 5ünf3igerin er« 
3äf>It fie uns, roas es bamals „für einen £armen 
in fjeibelberg gemacht", als fi*, bie ausgeladene 
Holter bes £anbest)errn, einmal bei einer alten 
Jrau bie ftärker fyeruortretenben Partien ifyrer 
untertanigen Rückfeite 3ur 3ielfd)eibe ber flrm* 
bruft naljm. Die 3ungfer Kolb an ber Haje 
f}erum3ufüf)ren , roar £ifelottens befonberes Der* 
gnügen. 3[t aud) bas (Erlebnis mit bem Speck* 
jalat aus £ifelottens Briefen jcfyon einmal e^ablt 
toorben r fo ift biefe G>efd)id)te bod) um ifjrer 
originellen $oxm willen unb als eine Probe 
ber lebenbigen fyumoroollen (E^ä^lungskunjt ber 
Pfä^erin jo toertooll, bafc roir itjren 3ugenb* 
jtreid) gerne nod) einmal pon ifjr felbjt uns er- 
sähen laffen: 

„Die gute 3ungfer Kolb betrog id) oft in 
meinen jungen 3alpeii mit ttadjts 3U e|fen. 



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— 26 — 

Rllein toir aßen nid)t fo öeltkate Sachen, als 
aue (Tfyokolaöe, Kaffee unö (Tfyee, fonöern toir 
fraßen einen guten Krautfalat mit Spedt. 3cfy 
erinnere mtcfy, öafe man einsmals in metner 
Kammer 3U ^eiöelberg eine (Tfyür oeränbert unö 
öerotoegen mein unö öer Kolbin Bett in öie 
Kammer tfyate, jo r>or meiner 3ungfern Kammer 
mar. Die Kolbin fyatte mir verboten, ttadjts 
in öer 3ungfern Kammer 3U gefyen. 3d) t>er« 
fpracfy ntcfyt über öie Scfyioelle 3U kommen, (ie 
follte ficfy nur 3U Bett begeben, icfy könnte nod) 
nicfyt fcfylafen, wollte öie Sterne nocfy ein wenig 
am Senfter betrauten. Die Kolbin wollte mir 
nidjt trauen, blieb immer an ifyrem Itaofyttud) 
fitjen. 3cfy (agte: fie jammerte micfy, fie follte 
fid) öocfy 3U Bett legen unö öen Dorfyang auf- 
malen, [0 könnte fie micfy ja fefyen. Das tfyat 
jie. Sobalö fie im Bett war matten öie 3ungfern 
ifyre (Tfyür auf unö fetjten öen (Teller mit öem 
Spe&falat auf öie Sdjwell. 3cfy tfyat, als wenn 
mein S<fynuptucfy gefallen wäre, fyub öamit öen 
(Teller auf unö ging ftradts ans 5*nfter. Kaum 
fyatte icfy örei gute ITTaul coli gefcfyluckt, fo fließt 
man auf einmal öas Stück los, fo auf öer Hltan 
oor meinem Softer mar, öenn es war ein Branö 
in öer Staöt angangen. Die Kolbin, fo öas 
5euer unerhört fürtfyt, fpringt aus öem Bett, 
icfy aus 5ordjt ertappt 3U weröen, werfe mein 
Serxnet mit fambt öem filbernen (Teller mit Salat 
3um Senfter naufe, fyatte alfo nicfyts mefyr, öas 
ITTaul ab3utoifcfyen. 3n öem fyöre id) öie fyö^erne 



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— 27 - 



Stiege herauf gelten. Das mar öer Kurfürft 
unfer Papa, öer harn in meine Kammer, 311 
fefyen, u>o öer Branö n>ar. XDie er mtd) (0 mit 
öem fetten Tttaul unö Kinn fafje, fing er an 311 
fdjroören: .Sacrement £ijelotte, idf glaub, 31)r 
fd)miert (Eudj etwas auf öen (Befielt.' 3dj 
fagte: ,(Es ift nur TTTunöpomaöe, öie id) toegen 
öer gefpaltenen £ef3en gefdpniert fyabe*. Papa 
fagte: ,3fjr feiö jd)mut$ig'. Da kam mir öas 
£ad)cn an , Papa unö alle , fo bei ifym waren, 
meinten, id) roäre närrifd) tooröen, fo 3U lachen. 
Die Raugräfin kam aud) herauf unö ging öurd) 
meiner 3ungf ern Kammer, kam öaf)er unö (agte : 
? Rf), roic riedjts in öer 3ungfer Kammer nad) 
Specffalat'. Da merkte öer Kurfürft öen poffen 
unö (agte : , Das ift öenn (Euer ITCunöpomaöe 
£ifelotte<. IDie i$ fafy», öafc öer Kurfürft in 
guter £aun mar, geftunö id) öie Sad) unö Der* 
3äf)lte öen gan3en fymöet, toie id) öie fjof» 
meifterin betrogen Ijätte. Der Kurfürft ladjte 
nur örüber, aber öie Kolbin ^at mirs lang nid)t 
ocr3ie^en/ 

Ittef^r öurd) ifjre eigenen Unge3ogenl)eiten, 
als öurd) emfte (Einörüdte ift für £ifelotte öie 
<Er3tef}ungsfwnft öer altgefd)eiten 3ungfer Kolb 
in (Erinnerung geblieben. Die fadjoerftänöige 
Sophie aber l)at öiefe fjetöelberger päbagogik 
immer für eine „mächante" gehalten. 

So amdjs £ifelotte unter öer Strenge öes 
Daters, öo$ als eine alle3eit luftige 3ungfrau 
Ijeran. ITCit unbegren3ter £iebe war fie iljm 



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— 28 — 



ergeben, unb ben aus ihrem Katechismus fd)on 
gelernten Refpekt oor öen (Eltern fyat fic auch 
ba betoahrt, wo berfelbe in natürlicher (5efat)r 
getoefen ift. Sie oerftanb bes Daters gärten 
unb Schwächen unb blieb feft in il|rem Urteil, 
baß „Karl £ubtoig ber befte fjerr ber IDelt 
fei". Dor allem ließen bie neuen 5 am iH* n * 
oerhältni[Je , benen fie als bie (Tochter ber oer= 
ftoßenen IHutter gegenübergeftellt toar, keinen 
Stachel, keinen aud) nur leisten 3ug oon (Eifer» 
fud)t unb mißtrauen in iljrem fjer3en 3urück. 
Die (Efjc Karl £ubioigs mit £uife oon Degenfelb 
roarb reich ge[egnet. Der Kreis ber Kinber er- 
vo eiterte fidj faft oon 3<*h r 3U 3<*h r - 3u län* 
gerem £eben rauchten oon ben brei3ef)n nur 
fünf Knaben unb brei ITIäbdjen l)eran. (Es 3eugt 
für bie (Büte oon £i|elottens l^en, bie Un* 
eigennüfctgkeit unb Selbftlofigkeit ihres <Tha* 
rakters, baß fie in ihnen jtets bie blutsoer* 
umnbten (Befchtoifter anerkannt l)at. XDir werben 
biefen prächtigen 5*9 uren lieber begegnen. 

Ilun kam auch Seit, baß mehr als £ife* 
lotte Jelbjt bie anbern barüber nachbauten, roie 
bie luftige (Tochter Karl £uba>igs am beften 3U 
oerheiraten toäre, „benn ber Prin3effinen fjet« 
rath," h at fl« einmal felber gefagt, „toirb feiten 
aus £iebe gesehen, fonbem burch Raifon unb 
ba3U thut Schönheit nichts". 

(Einen kurlänbijchen Prin3en h<*t fie 3toar aus 
eigener Raifon ^eimgef^ickt. Daß fie auch ben 
benachbarten IUarkgrafen 5n*&n<h TUagnus oon 



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— 29 — 



Baöen „fester gefyeirat f)ätf unb ifjr 3um (Troff 
bie fjeirat 3urüdigcgangen ( er3äl)lt fie uns Jelbft 
in ifyrer örolltgen XDeifc. Unter ben TTad)barn 
ift bie Sadje {djon fo toeit fertig, aud) öic Rau* 
gräfin tjat 3ugejtimmt, ba roill bes ITCarfcgrafen 
Dater, als guter $ rcun b 6er Kurfürjtin GI)ar= 
Iotte, bod) aud) in Kaffel Kon[en3 unö Segen 
tjolen. Der unglüdtlidje 3ufall aber fügt es, 
bafe um biefe 3eit lotfjringifdjes Kriegsoolk in 
bie Pfäl3er Dörfer eingefallen ift unb Pferbe 
geftofjlen f)at. Die aufgeregten Bauern galten 
bie auf bem IDege nad) Kaffel 3*ef)enbe oor* 
neunte babifdje (5efellf^aft für lotljringifdje 0ffi« 
3iere, fahren mit ifyren Prügeln kräftig unter 
fie fjinem unb Ijolen ifjre üermeintlidjen Pferbe 
urieber 3urüdt. 3n {einen oertoanbtfdjaftlidjen 
Dorgefüfjlen fyat ber alte IHarfcgraf nur 6en 
einen (ftebanhen, bag Karl £uött>ig il)n 3ur 
Strafe für feine Keife nad) Kaffel tjabe burd)* 
prügeln laffen — unb bie <5efd)id)te gefjt fd)liefc* 
ltd> für ben jungen $teiersmann m it einer f>oI» 
fteinifdjen Beirat aus. „Diefes toar toof)I eine 
von ben grofjen Jreuben, fo id) in meinem £eben 
empfunben," fdjreibt £ifeIotte. IDar itjr aud) 
ba3umal „ber gute Jjerr 3U affectiert unb ab» 
gefdjmacfet", fo finb beibe fpäterfjin gute $minbe 
gemorben. 

ßefdjidtter gel)t es, toenn Damen foldje (5e* 
fdjäfte in bie fjanb nehmen. 3n3t»ifd)en ^at 
Rnna (bon^aqa, bie Princeffe Palatine, fid) iljre 
(Bebanfecn gemacht unb ifjre 5äben fo gut ge« 



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30 — 



fpomten, ba& aud) Karl £uöu>ig gefangen warb. 
Hm 30. 3unt 1670 toar Henriette, öie (Semafjltn 
öes J)er3ogs Philipp oon Orleans, öte Sd)tDä« 
gertn £uöu>igs XIV. gejtorben. fceilnaljmsDoll 
fuc^t tljm öte prin3efftn fdjon nad) ein paar 
ITConaten öie £ücke au$3ufüllen — £ifelotte ftefyt 
im Dorbergrunöe roidjtiger Derfyanölungen. tjer* 
30g Philipp fyat 3toar eine anöere Dame im 
Huge, toie es öenn an Kanöiöattnnen nid)t feljlt, 
öie in Denoanötfdjaft mit öem fran3Ö|ifd)en 
Könige, nid)t ungerne, mitten auf öer euro* 
päifdjen Büfyne eine toenn aud) kleine Rolle 
übernehmen toollen. Dod) öie unermüöltd)e, in 
fjeiratsoermittelungen bereits erprobte Prin3effin 
glaubte ifyres Sieges fieser 3U fein, fobalö nur 
öas eine öer fjinöerniffe, öie $rage öer Religion 
übertounöen fei. Um öiefen Punftt örefyt fid) 
öenn aud) öer 3unfd)en Karl £uött>ig unö öer 
freunölidjen $d)tx>ägerin geführte Briefuoedjfel, 
öefjen Anfänge nod) in öen fjerbft 3urüdtgel)en. 
Um einer fo „inbifferenten Sadje" toillen fo 
glän3enöe flusjtdjten 3U oerfdje^en, toäre nad) 
öer prin3e|fin lUeinung ein rcatpres „Ittal^eur", 
3umal aud) Karl £uön)ig öie Über3eugung fjabe, 
bafe man in einer anöern Religion könne feiig 
roeröen. Hber fo jtark toar bod) öer 3nöifferen» 
tismus öes Kurfürften nid)t, um frei Don Be« 
öenken 3U fein, wo öie Über3eugung öer eigenen 
(Eod)ter, nid)t öie feine, in 5h*9* kam. 

Hu$ £ifelotte erklarte, öafj es kein 3eidjen 
aaljrer 5*ömmigkeU fei, feinen (Blauben gegen 



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31 — 



einen anöem um3utaufd}en , öen man noch gar 
nid)t kenne, unö leichtfertig einen folgen Schritt 
um öen preis einer betrat 3U tun. (Einen 
3u>ang aber roollte Karl Cuöroig nid)t aus- 
üben. Doc^ gegenüber öem TDiöerfpruch öes 
eigenen (beuriffens unö öen Derlockungen eines 
politifchen Dorteüs, öer ihm in einer Dertoanöt» 
|d)aft mit öem mäd|tigjten BTonardjen (Europas 
gefiebert erfchien, ließ er roemgftens öer Hoff- 
nung noch Kaum, auch über öie (Blaubensfrage 
l)inaus3uhommen. ITCtt außeroröentlichem <33e* 
fdjidt toeiß öie menfehenkunöige ITIantuanerin öem 
jehroanfeenöen Jjerrn 3U Reifen unö einen plan 
3U entwerfen, nach welchem £ifelottens fjeirat 
als ein ohne , ja gegen öen XDillen öes Kur* 
fürften abgeflogenes (befchäft öer Ru&enwelt 
gegenüber öen Schein eines unfehulöigen tjanöels 
wahren unö auch in öen Rügen öer proteftan« 
tifchen Politik (ich oeranttoorten ließe. 

3nkognito [oll Karl £uötoig mit öer (Tochter 
nach Strafeburg kommen. Ijier roill öie Pfafy 
gräfin ihre Überreöungskunjt oerfuchen. Dom 
3efuitenpater 3ouröan unterftütjt ift fie ihres 
(Erfolges (icher. 3n öen Rügen öer U)elt ift es 
öas (Ergebnis eines längft oorbereiteten fjanbels, 
öeffen Derantroortung öie fjeiratsoermittlerin 
übernimmt — öenn öer überrafchte Dater u>eifj 
ja nichts öaoon. Um fein (Bemiffen 3U beruhigen, 
bleibt öem Dater unbenommen, eine (Erklärung 
öahin ab3ugeben, ba& er roeöer nach öer einen, 
noch öer anöern Seite h* n M« (Entfd)liefjungen 



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— 32 



feiner Götter beeinfluffen roolle. „Das möge 
(fcott unb 6er EDelt genügen." Karl £ubu>ig 
toar bamtt geholfen. Rbgefdjieben vom <5e* 
triebe bes tjofes übernimmt nun bes Kurfürjten 
gelehrter Sekretär Gfyeoreau ben Unterricht ber 
£ijelotte in ben teuren ber römiföen Ktrdje. 
Die Prin3ejfin lernt fdntell; fdjon nad) einigen 
(Tagen finb fie am (Enöe. Da £ifelotte „Reinen 
IDiberfprud) mefyr ergebt", kann ber £el)rmeifter 
mit feinem (Erfolge 3uf rieben fein, bas t>on ber 
Prin3ejfin flnna feftgejefcte Programm orbnungs* 
gemäß abgefpielt werben. 

Sunädjjt ber flbjcfyieb vom fjeibelberger 
Schlöffe unb ber jdjönen Pf at3 ! tlod) in fjotyem 
Hlter gebenkt £ifelotte jenes (Tages, ba fie in 
bie fjofkutfd)e jtieg unb Karl £ubtoig unb Sophie 
bei ber tDegfafyrt bas fdjöne £ieb oom „Scfyet* 
ben" jangen. TTtan u>ei& nkfyt: gcf^alj es, um 
£ifeIottens (Tränen 3U trocknen ober im befrie* 
bigten (Befühle, baß ein guter Ijanbel geglückt 
[ei. flud) Kurprin3 Karl unb bie 3ungfer Kolb 
gaben bas Geleite. 3n Strasburg getjt alles 
otjne Störung ab, Hnna <5on3aga l)at alles gut 
vorbereitet, audj ben tjetratskontrakt bis 3um 
Untertreiben beforgt. Die religiöfe S^age ift 
auf Karl £ubmigs tDunfd) barinnen nid)t be» 
rütjrt. Dann Reibet £ifelotte oon ben 3fjreu. 
„niemals," [treibt Sopt|ie, „fyabe id) einen er« 
greif enberen Rbfcfyieb gejefyen." 

Der lefcte unb undjtigjte Hkt ge^t bann 3U 
tttefc in $3ene. Halbem Pater 3ouroan jid) 



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(Elifabctt) Charlotte f^enogin von Orleans. 
(Bemalte von 3°" IDecnir. im Königl. ITCufeum 3U Berlin. 



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33 



übe^cugt, ba& mit Cifelottens neuem (Blauben 
olles in ©rbnung ijt, jdjwört fte iljren alten 
ab. Itidjt otjne tDiberfprud) , bod) aud) nid)t 
emft unb tief tjat £tfelotte bie Dorgänge auf» 
genommen. „ITIir las man nur etwas cor, 
u>03U id) 3<* ober Hein Jagen mu&te, weldjes 
id) aud) nad) meinem Sinn getan unb ein paar 
HTal Hein gejagt, wo man wollte, bafj td> 3<* 
fagen follte, es ging aber burtfy, mu&te in mid) 
jelber brüber lachen. (Begen ber (Eltern Der* 
bammung tjabe id) fo tjart proteftiert, baft 
nichts baoon ift bei mir gefprodjen worben. 
3d) fyörte genau 3U unb antwortete gan3 nad) 
meinem Sinn. (Dfjne ^erßklopfen können foldje 
Spektaklen nidjt oorgefyen." Dann wirb bie 
fjeirat burd) Prokuration uol^ogen, alles mit 
großem 3eremoniell, (Bepräng unb 5ejtlid)keit, 
felbft am Hbenbe bas 5*uerwerk fehlte nid)t. 
„3n 3©ei ober brei Stunben wirb jie ITCabame 
Roqale," fd)rieb cor Beginn bes Aktes [eelen* 
oergnügt TTConJieur Gfjeoreau bem auf ITadjrtdjt 
ungebulbig Ijarrenben Dater. Sdjon jefct will 
er wiffen, wie feljr Cifelotte burd) ifjren (Beijt 
unb itjrc ITIunterkeit gefalle. Sold) froher Stirn« 
mung ift bie tjer3ogin oon Orleans fid) nidjt 
erinnerlich. Hur bittere (Tränen begleiten fie 
auf ifjrem IDeg. „Denn id) oon Strasburg bis 
Ctjälons nichts getrau bie gan3e Itadjt, als 
fdjreien , benn id) nidjt oerfdjme^en konnte ben 
Rbfdjieb, [0 id) ba genommen, id) fjab mid) 3U 
Strasburg l)ärter gef teilt, als mirs ums fjer3 war." 

3. Wille, Cltfabctt) Charlotte d. (Orleans. 3 



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— 34 — 



Die ITtantuanerm fyatte ifjr <5ef<^äft gut be* 
jorgt. Sic ijt jtol3 barauf. ,,3d) fühle eine 
unbänbige 5rcuöc über ben glücklichen Husgang 
eines fo großen tjanbels" fd)reibt fie. Rud) 6er 
„überragte Dater" teilt bie gleiten (Befühle. 
IDährenb bie (Tochter toeinenb ber fran3Öfi[d)en 
(Bren3e 3U3ief)t, toirb 3U fjeibelberg unter pauken 
unb trompeten unb bem Donner ber (Befdjütje 
auf ber tDallmauer bes S^IojJes bas glückliche 
(Ereignis gefeiert. 

tDte ausgemalt, roirb nun von TTtet} aus 
jener, ber Prin3ef[in in bie $eber btktierte, an 
Karl £uba>ig gerichtete Brief abgefdjicftt , worin 
fie bem „afynungslojen" Dater ihren Übertritt 
melbet unb um Der3ei^ung bittet, bafj fie ilmt 
nur aus $urd)t n [^i fäon üor ^ rer flbreife ihren 

ipotjlbebac^ten (Entfc^luß anoertraut habe. Karl 
£ubu)ig tjat aud) bie U)m 3ugecoie(ene Holle bes 
„<Betäu[d)ten" gut ge(pielt, ba es nun galt, ber 
proteftantijcfjen Politik gegenüber ben Schein ber 
Unjdjulb unb Überrafcfyung 3U wahren. Über 
biejen (Blaubenswed)fel will jid) ber getäu|cf)te Dater 
tröften mit ber Über3eugung, ba& Cijelotte in ben 
fjauptartikeln bes chriftlichen (Blaubens, ber keine 
menjcf)lichen 3ntere|jen kenne, beharren, baß if)r 
Hun ftets im (Einklang bleiben werbe mit jenen 
roa^ren chriftlichen (Empfinbungen, bie allen chrift* 
liefen Konfefjionen gemeinfam jeien. Hlles übrige 
überläßt er bem lieben f)errgott, ber ein Richter 
fei über bas (fcewiffen ber Ofelotte. „flud) er wirb 
Red)enfchaft Bedangen über (Euere fjanblung." 



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35 — 



Der (Blaubensroecfjfel öer Pfä^ertn ift als 
[oldjcr kein aufeeroröentlidjes (Ereignis 3U einer 
3eit, öa fürftlic^e Konoerftonen in öer £uft 
lagen, öie man nadj fo Dielen (Betoittem gerne 
gereinigt fyätte oon öer leitet ent3ünöbaren 
Spannung konfeffioneller (5egen|ät$e. Diefe f)ei* 
rat ift DerftänöUd) in öer Umgebung öes frei* 
öenhenöen Kurfürften unö feiner Sdjtoefter So* 
p^ie r öie mir beiöe kennen, gar ni^ts öer* 
umnöerlidjes bei jener Bekefyrungspolitik , öie 
oon ITCaubuiffon aus unter £eitung öer fröfylidjen 
Hbtiffin unö ifjrcr glaubenseifrigen Sekretärin 
Brinon ifjre ttefce in öas einft ftrengcahnnifdje 
fjaus öes IDinterkönigs tjineinfpinnt. Rud) öie 
Bekefjrungskunft öer geiftreidjen Sophie fjat ifyr 
gutes (Teil an öiefem (5laubensgefd)äft , öeffen 
3roeifelf)aften (Erfolg if>r £ifeIotte gar oft in gutem 
fjumor unö ofme Kemt3eid)en inneren feeltfd)en 
3n>iefpalts oorgeroorfen fyat. Aber öie Pfyilo* 
foptyn oon I)errenf)aufen tröftet jid) mit öem 
(Beöanken, öafc öie präöeftination alles „fo 3um 
Dortetl" gefdjtdtt Ijabe unö „roenn £utf)er unö 
Galoin nidjt gekommen, toir öod} alle nod) ka» 
tfyolifd) tnären." 

Hur Karl £uöroig fyielt coäfjrenö öes gan3en 
Qanöels feine tttaske cor, öie U)tn erft öie 
(frefdjidjtsforfdjung öer neueften Seit Ijintoeg» 
genommen fyat. Die Politik fyat öen Kurfürften 
3um fjeudjler gemalt im frioolen (Erugfpiele 
mit öen fyeiligften (Bütern, in einer $oxm, öie 

lüeöer oor öem (fcetoiffen nod) oor öer einfachen 

3* 



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36 — 



TIToral 3U oeranttoortcn u>ar r ein Rht, öcffen 
<E$td\id Sponheim, öcr treue Hatgeber öes pfäl* 
3ifd)en fjaufes, ntd)t 3euge jein toollte. 

ttidjt freitmlltg fyat £ifeIotte ifjren £ebens* 
rocg getoäfjlt, im (befyorfatn gegen öen Dater 
I)at fte fid) gefügt. „Papa fjatte mid) auf öem 
§als, roar bang, id) möchte ein alt 3üngferd)en 
toeröen, fyat mid) alfo fortgejdjafft, fo gefcfyannö er 
gekonnt." So fdjreibt |ie jpäterfyin, nadj trüben 
(Erfahrungen, an tyre Gante Sophie. 

TTtit folgen (befühlen ift fie auefy öie Strafte 
pon dl) ä Ions nad) Paris ge3ogen. 




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II. 



s toor eine neue unö grofce tDelt, in öie nun 
£i|eIotte an öer Seite fjer3ogs Philipp oon 
Orleans, unter öem gemeffenen (Bepränge r/öfi* 
fdjen Zeremoniells unö öem <5etö|e raufcfyenöer 
$eftli<f)&eiten eintrat. 

3toar fte(fte aut$ in £i[eIottens Kopf noerj 
oiel oon jener Dorftellung oon (Bröfce, öte irjr 
eigenes fjaus rjart an öen Ranö öcs Untergangs 
gebracht rjat. Heben öer (5eler/r[amfeeit ir/rer 
Bibelftellen unö (Befangbudjoerje f^atte fie aud) 
in öen (Bejdji^tsbüc^ern geblättert, mar fie |tol3 
auf ifjr (2>efd)Ied)t, bas, toie (ie fid) einmal 
ausörütft „öie größten fjäupter gemacht rjat". 
Kaifer £uöroig unö Ruprecht roaren ifjr lebenöig. 
Da ftanöen am Sraöricrjsbau tfyres oäterlid) cn 
Sdjloffes öie Reihen ir/rer Rfynen mit irjren 
Kronen, S3eptem unö $d)u>ertem; ein jeber 
er3äl)lte ein befonberes Stücf ©e{(fjict)te. Die 
Pfäl3er erjdjienen £ifelotte immer noefj als eine 
befonöere Ration. Aber öie 3eiten 5ri*örid}s 
öes Siegreichen , öer feine Radjbarn 3irtern ge- 
malt, roaren oorüber. Hng|tooll j^aut Karl 




— 38 



£ubmtg über feine (Breden, voo ber fran3Öjtfd)e 
König immer nachbarlicher l)eranrürft. IDährenb 
bas mächtige 5^önRrei^ bem übrigen (Europa 
gebietet, von einem fcarolingifdjen tDeltreiche 
träumt, jeine Blicfe über bas ttteer hinaus* 
rietet, in glän3enben (Erfolgen, in IDohlftanö 
unb Heidjtum fdjmelgt, richtet Karl £ubmig 
mühfam, felbjtentbefjrenb feine oermüjteten £anbe 
mieber ein, |d)lagt fid) ferne oon jeber großen 
Politik mit feinem ITCaht3er Hac^barn um bie 
3infen ber leibeigenen Ijerum. IDar auch £ife* 
lottens Itatur niemals politifd) angelegt, in bie« 
fem neuen Ijort3onte oerjchmanb ihre nationale 
Dorjtellung oom heimatlichen Heic^e, fie jelbft 
mar ja um ben Preis ber fran3Öfi[d)en (Bunjt 
unb 5^eunbfd)aft oerkauft. 

Der fran3Öfifd)e Staat aber, mit bem jefct 
bie europäifd)en Kabinette rechnen, oerkörpert 
{ich m & em jungen ITtonarchen, ber, aus ber 
Dormunbjd)aft TTta3arins entlafjen, felbjt 3U 
regieren beginnt, in £ubmig XIV. (Eine glän* 
3enbe (Erjd) einung , Doli Stol3, Dornefmtheit, 
IDürbe unb Selb[tbemu&tjein, in jeber Bewegung 
ein König. Don fjaufe aus gehen ernjte, mora= 
Iijche (Er3iefmng unb tiefere Bilbung ihm ab, 
alles i|t auf ben äußern (Einbrucf 3ugefchnitten. 
3um fdjrankenlofen (Benujje bes £ebens mar ber 
liebensmürbige 3üngling mehr exogen, als 3ur 
Pflicht bes künftigen Monarchen. „Dabei mar 
er Don natürlichem Derftanb, aber ignorant unb 
fchämte fid} bafür," jagt £ifelotte. (Ehriftlich unb 



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39 



kird)tid), ging fein religiöfes Bebürfnis nidjt tiefer, 
als auf bie gebankenlofe (Erfüllung feiner kird)* 
lid)en Pflichten. 

£ubtoig übernahm feinen Staat fertig, fo roie 
if)n lange 3uoor bie großen ITTtniftcr im Kampfe 
mit bem mächtigen Rbel aufgebaut , in feiner 
gan3en (Bröße, feiner tDtrtfdjaftlidjen £ebenskraft, 
feinem freien Kirdjentum unö feinem reiben 
geiftigen 3nf)alt. Bodj kein Surft tjat es jemals 
oerjtanben, fo gejcfyitft bie 5nid)te ber Der* 
gangenfyett unb bas reiche £eben ber (Begenroart 
in allen feinen Strömungen auf feine perfon 3U 
lenken, jid} felbjt in ben Mittelpunkt bes Staats* 
unb Kulturlebens l)inein3uftellen , baß alles oon 
ifym ausgel)enb f in ifym oereinigt erfcfyien. Staats* 
männifd) oon fjauje aus gar nidjt gebilbet, toenn 
aud) als König arbeitfam unb ftrebenb, nid)t 
ofyne Sinn für bas (Broße unb Sd)öne, mad}t er 
bie £el)ren ber lDif[enfd)aft oon ber unbef cfyränkten 
Ittacfyt bes Staates in fid) felbjt 3um betounberns* 
toerten Softem. Der Staat wirb Selbfotoerf, 
roirb 3um Befpotismus, beffen glän3enben (Erfolgen 
bie tieferen fittlidjen unb red)tlid)en (Brunblagen 
fetjlen, ber in finnlofen Kriegen feine Gatenfudjt 
befriebigt unb bie roirtfdjaftlidjen (Brunblagen 
bes Staates 3erftört, jobalb bas (Blücf ifjn oer- 
läßt. Btefer Allmacht muß fidj alles fügen, 
felbjt bas freie Benken in if)m aufgeben. IDenn 
Bofjuet gelehrt l)at, baß ber Btonard) aud) in 
Religionsfadjen (Betoalt gebrauten bürfe, fo 
muß jid) aud) bie Kircfye unterioerfen, gleidjoiel 



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— 40 



ob öer römifcfje Stuf)I ober öas freifyeitsliebenbe 
fjugenottentum feine Hed)te 3U tx>afyren fuc^t. 
Die (Einheit bes Staates crforbert, bafj audj 
alles nad} bem einen (Blauben lebe, roeldjen 
ber König befiehlt. fjat ber Staatsgebanke bas 
(Ebikt oon tlantes gegeben, fo kann er es ebenfo* 
gut toieber aufgeben. Keine Schränke ftefyt biejem 
Königtum im tDege, benn bas Dolk felbft, nad} 
bem legten fiegretd) 3urüdtgefd)lagenen Rngriff 
ber feubalen (Betoalten, aus unf)eiloollen IDirren 
glückltd) herausgekommen, fieljt in ber neuen 
fejten (Drbnung Rettung unb fjeil, füljlt in biefem 
(Bla^e bes fran3öfifd)en Hamens audj auf allen 
(Bebieten bes geiftigen £ebens fid| felbft gehoben 
unb geabelt, arbeitet felbft mit an ber Selbft* 
Vergötterung bes IlTonardjen. 

Alle Straelen bes Ruhmes unb ber (Efyre, 
bie aus ber Hrbeit einer auserlefenen Sdjar 
von Staatsmännern unb fjeerfüfjrern, t>on Didj* 
tem unb Künftlern ausgeben, fammeln fid) um 
bas fjaupt bes ftol3en Königs. Sf^öfifdje 
Literatur in bem Klange einer oornel|men 
Spraye bringt aud) in bas polttifd) 3erriffene unb 
oerkümmerte Deutfdjlanb ein, toelcfyes kaum nod) 
feine eigenen taute formen kann, beffen poetifdje 
Kraft erlogen ift in ber oertoilberten Denkart 
eines langen rofyen Krieges. IDas (Beift, IDiffen 
unb Bilbung befitjt, was politifd) unb unrtfdjaft* 
lid) oon (Einfluß ift, ftrömt am fran3Öfifd)en Jjofe 
3ufammen, ber in ber pradjt feiner (Erfdjeinung, 
in bem gefefcmäfjigen 3ufd)nitt feines £ebens, 



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41 



aud) gefellftfjaftlid) ein unübertroffenes ITTujter 
für (Europa abgibt. XDie 6er Staat trögt aud) 
biefer tjof bie Keime bes Verfalles in f id) ; Der« 
fd/roenbung unb Sittenlofigkeit, ein £eben oljne 
IDafyrtyeit unb ofyne (Tiefe, bie Sünbe burd) äußere 
5römmtgkeit oerbedit, unterwühlen biefe glän* 
3enbe unb formenfd)öne tDdt ooll frud)tbarer 
(Bebanken, ooll geiftiger Rnregung unb künft* 
Ierifd|en Staffens. 

Hic^t fremb ift fran3Öfifd)e Bilbung aud) bem 
pfätyfdjen f)ofe. 3u Beginn bes fed)3eljnten 
3afyrf)unberts fdjon glaubte Kurfürft Philipp, 
ber Sörberer fyumaniftifdjer Stubten, [einem Sofyne 
£ubtt)ig am fran3Ö[ifd)en fjofe eine beffere unb 
feinere (E^iefjung 3U geben, als fie 3U fjaufe 
unter ber gebiegenen 3ud)t eines ehrbaren ge* 
lehrten Sdjulmeifters , une 3of)annes Keucfylin, 
Dorbereitet toar. Ttteljr als perf online Huf« 
faffung Ijaben bie Be3iet)ungen 3um fran3Öftjd|en 
Galoinismus , ber toätjrenb ber (Blaubenskriege 
in lebenbtgem Derkefyre mit bem ITIittelpunkte 
prote|tanttfd)er europäifdjer Politik, bem Deibel* 
berger f)ofe ftanb, bie Diplomatie befyerrfcfyt unb 
am früfyeften in Deutfcfylanb bas |d)U)ül|tig rofye 
Rktenbeutfc^ burd) bas elegante 5ran3öjifä per« 
ebelt. Dod} bie ^errfdjaft bes franßöjifc^cn Dor« 
bilbes im reicfygeftalteten f)ofleben toarb burd) 
bas (Elenb bes Krieges üorerft oerfyinbert. Karl 
£ubu)ig fyatte keine mittel, auefy nur in be« 
fd^eibenem TTIafoe fid) im erborgten (Bla^e ber 
Derfailler d>efellfd)aft 3U fonnen. iDäfyrenb bie 



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42 



erften flteifter öes neuen £ttmlireid) über öie 
£out>refaffaöe fid) ifjre (Beöanfcen madjen, £eoreau 
3U Derfailles öen Sit$ öes Königtums in maje* 
[tätigen 3ügen ausbaut, f liefet öer Pfä^er öie 
Dädjer {eines oäterlidjen Sd)loffes aus, i[t frofy, 
toenn er nur trneöer roofjnen kann. flrmfelig nad) 
großem äeitgemä&en TTCuftern gemejjen roar noefy 
unter feinem ITadjfolger f)ier alles eingerichtet. 
Don glmrjenöen Su&bööen, über roeldje jefct öer 
Befucfyer öes ftilooll fyergericfyteten 5tieörid)sbaues 
oorftdjtig bafyin fd)leid}t, umfjte öas einfache Ö3e* 
fdjledjt jener Pfäl3er u>ol)l nichts. Don par* 
kett Ijatte £tfeIotte 3um erftenmal in 5^nftreid^ 
gehört, „fyabe kein parquet 3U tjeiöelberg ge* 
fel)en, fonöern lauter Bretter", fdpretbt fie nod) 
1711. (Ein Kurfürft, öer tote ein fd)lid)ter 
Bürgersmann genau in fein Rusgabenbud) oer* 
3etcf)nen läfjt, wenn er beim Sdjneiöer um 3U)ölf 
Kreu3er feinen Rock tjat ausbeffern laffen, bei 
einem Jjeiöelberger Buben, öer nad) alter guter 
Sitte fein Sommertagslieö fingt, fid) 3ur Belol)« 
nung mit einem (Bulöen unö öreifeig Kreu3ern an 
feiner üafdje oergreift, fyatte nichts 00m Sonnen* 
ftönig an fid), öer tlaufenöe an einem tlage für 
Ballet unö Komööie oerfd)leuöerte. Ängftlid) 
rennet Karl Cuöroig mit feinen Staaken, toenn 
er nur für einen einigen Kunftabenö im öidten 
tlurm eine fran3Öfifd)e (Truppe antoerben roill, 
unö begnügt fid) lieber mit öem aud) unferer 
£ifelotte unoergefolidjen Peter Squen3, öer iljm 
billiger um neun (Bulöen oorgefpielt toirö. Klein* 



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— 43 — 



bürgerlich ift trotj oometynen <3ufd)nittes noch 
alles an biefem fjofe, ben gerne öer Canbesherr 
©erläßt, um gemeinjam mit feinem froren Dolke 
pfätyfdje 5röt)Ud)fcett beim Scheibenfd)ießen ober 
auf öer Kirdjroei^e 3U genießen. Keine rafft* 
nierten (Einbrücke läßt biefes £eben in Cifelottens 
(Erinnerung 3urück. tticfyts nimmt fie mit als 
bie Unoerborbenheit ber 3ugenb, fo rein unb 
kraftig coie bie IDalbluft, bie übers Hecftartal 
hinaustoeht. (Eine reiche Prin3effin mar fie nicht, 
nicht reifer, meint 5*au oon Seoigne, als ITtabe* 
moifelle be (Brancet), bes t)er3ogs bilbfehöne Illai* 
treffe. 3f)re aus ber Pfafy mitgebrachte Aus* 
ftattung roar fo gering, baß man fid) barüber 
auffielt. Ruch bie in ihrer Deranttoortung 
empfinbli^e Prin3effin Anna muß bem pfätyfdjen 
(Befchäftsträger in Paris fagen laffen, baß es 
beffer geroefen roäre, für £eina>anb 3U forgen, 
ftatt ein koftbares flrmbanb 3U (Renken unb 
ber Schwägerin bes Königs nur fedjs fjemben 
für ben neuen fjausftanb mit3ugeben. 

Als eine neue (Erfdjeinung , mit tteugierbe 
erwartet, mit fcfjarfen Blicken beobachtet tritt fie 
in bie fran3Öfifdje (befell[chaft ein. Ob fie bie 
fdföne, muntere, aber kokette unb leichtlebige 
f)er3ogin Henriette erfetjen toirö , bie oon ben 
Stuarts eine (tarke IHifdjung feurig toallenben 
fran3Ö|i|d)en Blutes mit ^erübergenommen f bie 
mit ihrem feinen (Teint, urie Kojen unb 3asmtn, 
alle ent3ü*t h^ ? So h a * ™<* n l ic h gefragt. 
Klan mar oon ihrem (Erfcheinen überragt. £ife« 



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— 44 — 



Iottc machte öen beften (Einöruck. UTatt finöe 
fie fcfyöner, als man fid) geöad)t, fie fpredje 3iem* 
lid) gut fran3Öftjd} r tan3C aucfy gut, fo tx^lt 
uns öer branöenburgifd)e (Befcfyäftsträger am 
fran3öftfd)en tjofc. 

(Etoas oerftänöntsDoIIer fjat fic ifyr alter 
Sreunö öcr 3ugenö, <E3ed)tel Sponheim, bei ifyrem 
erften Huftreten gefdjilöert. Ulan konnte öie 
neu^efynjäfyrige Jjer3ogin nad) öen Hnfprüd)en 
fran3Öftfd)en (befcfymackes keine Sdjönfyeit nznntn, 
aber fie u>ar oon fdjöner Stgur, freier Belegung, 
unge3toungener Haltung, eine angenehme t>or» 
neunte (Erlernung. 3fyr freier, offener Blick 
lieft feein Sioeifel an tfyrem 3nnern, öas Doli 
Suoerläffigfceit unö (Düte toar. nichts (bekünftel* 
tes, nichts Viertes war an tfyr. <5efallfud)t 
war if)r jo fremö toie il)r öie Wittel fremö roaren, 
in benen 5 rfl uen geübt finö, um 3U gefallen. 
Unfähig 3U jeöer Derftellung, ging ifjr aud} jeöes 
(Talent ab im Spiele öer 3ntriguen fid) aus» 
3U3eid|nen. UTan füllte jefjr balö, öafj it>r gutes 
^er3 Steunöjc^aft 3U gewähren unö tDofjltaten 
aus3utetlen ftets bereit war. (Eine geiftoolle 5w*u f 
taie tltaöame öe Secignö, fanö fofort heraus, 
öafc aud} ein gefunöer Ittenfd)em>erftanö in öem 
muntern IDejen fteckte, öafj fie fefyr entfdjloffen, 
aber aud) ftarrköpfig fein konnte. Das mar 
eben öie „(Erbfünöe", öie Sophie ifyrem Högling 
nid)t l)at austreiben können. 3fyre fdjlagfertige 
Heöe unö Hntoort, toomit jie fo leidjt öie (bunft 
öer englifcfyen (Bro&mutter gewann, ließ fid) audj 



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— 45 — 

üor 5cm (blande öes Derfailler fjofes ntc^t ein* 
fdjüdjtem. „Kein Blatt oors ttlaul 3U nehmen", 
war ifyr roidjtigfter (Brunöfatj im Umgang mit 
ITTenfcfyen. Sie mü&te keine Pfäl3erin geroefen 
[ein, tDenn fie jemals öiefes (Erbteil verloren Ijätte. 

Sold) freimütiger Reöe kam audj öer König 
mit Derjtänönis unö IDofjltDollen entgegen. „(Er 
fyatte es gerne/' gejtefjt uns £i[elotte, „öafc man 
ifym frei fyerausfagte, tx>as man öenke." Diel* 
leicht mar fie öic (Einige, öie es tat. Denn 
Don niemanö anöerm aus öer gan3en fran3öjijd)en 
(5efellfd)aft, öic nur im (Beöankenkreije öes (5e* 
bieters lebte, fyaben toir ein foldjes Urteil. 3f)r 
frijdjcs tDefen, ifyre muntere Rrt, ifyr gejunöes 
Urteil, fremöartig in einer oon 3eremoniellen 
(ftejefcen eingeengten IDelt, wirkten auf öen König 
(0 befreienb, öafc er gerne aus Jeiner felbft* 
er3U)ungenett IDürbe heraustrat, ^armlos unö 
frei mit öer Pfäl3erin cerke^rte. (Es fällt öen 
Hafyejteljenöen geraöe3u auf, urie oiele $xtu 
Reiten unö (Bunjt öie junge f)er3ogin geniefct, 
öie überall bei 5e[ten unö Komööien, bei öer 
3agö unö im engen Kreife in öer lTäf)e öes 
Königs öas coed)|eloolle £eben geniest. 3jaac 
öe Ben|eraöe, öem fjofe naljeftefyenö, i[t Der» 
©unöert, öafc eine 5rau, öie in ifjrem gan3en 
lDe[en unö Ruftreten öas ©egenjtüA 3U öer ein|t 
umfd)tx>ärmten unö angebeteten fcfyönen Henriette 
öarftellte, weit mefyr als öie oerjtorbene Ije^ogin 
mitten im 3ntere|[e |tanö unö Betounöerung er- 
regte, flud) £i|elotte f)atte öas (Befühl, als ob 



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46 



jie ber töefellfchaft nid)t uninterejfant unb fo gan3 
ä la mode roäre. „Rlles was id) |agc unö 
tf)ue, es [ei gut ober über3tt>erg, äftimieren öie 
fjofleute bermafcen, bafj es mid) wo^l lagert 
mad)t." (Es ift grunbfalfd) an3unehmen, baft 
bieje natürliche, berbe PfäDjerin, mit ihren jitt* 
liefen unb fchlichtreligiöfen Rnfchauungen jofort 
bie Sdjattenfeiten tt^rcr Umgebung burdjfchaut unb 
jid) oon ben neuen Cebensbebingungen abgeftofjen 
gefüllt habe. $n>f)licf) nimmt |ie alle £ebens* 
genüjfe in [icf) auf. (Eag für (Tag betoegt fie fidj in 
raufdjenben 5c[tltd)feeiten bes glan3oollen fjofes, 
bei (Dpern unb Komööien, bei Reiten unb 3^9^ 
unb im engften Kreije, roo fie, bie Ruserlefene 
ber Dertrauten, noch ohne fittlid)e (Entrüftung fid) 
geehrt fühlt, an ber Seite ber IHaitreJje ITtonte* 
jpan ben ITIittagsfchmaufj in bes Königs Kabi* 
nett ein3unehmen. $xd unb unge3umngen nimmt 
fie bie|e IDelt trrie jie ift. UTan ift oielleicht er* 
jtaunt unb oeriounbert über fie r aber niemanb 
nimmt es übel, bafj fie anbers geartet ift toie bie 
übrigen, jid) jogar roenig barum kümmert, ob bie 
doiffure gerabe ober fd)ief auf bem Kopfe jitjt. 
So fühlt fie fid) 3unäd)ft glücklich in biefer neuen 
flbtoechfelung, in ber (Bunjt bes mächtigften fjerrn. 
„(Es ift wahrlich ein braoer, guter fjerr," fdjreibt 

fie an Sophie, „ich h a & ^ n recJ ) t ^ el) » rocnn aU( ^ 
bie chöre tante bei biejer (bun|tüertheilung ben 
t)or3ug geniest." Hicht anbers 3unäch|t finö aud) 
bie (Einbrüche ihres jungen fjaus[tanbes an ber 
Seite t)er3og Philipps, bes königlichen Brubers. 



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tltonfieur, eine unterfefcte 5i<jur, auch fonft 
im Ruberen bas (Begenftück 3U 6er oomel)men 
königlichen (Erfdjeinung feines Brubers, teilte 
oielleidjt nur bie oberflächliche, auf alles Hu&ere 
gerichtete (E^iehung mit bem König. IDie £ife* 
lotte uns er3äfjlt, h at il)r (Batte nicht einmal 
orbentlid) lefen unb fccjretben gelernt. £ubioig r 
3U großen Bingen bejtimmt, lernt unö tx>öd}ft 
mit jeinen l}öf}*ren 3tDecken, tjerjog Philipp ba* 
gegen toirb feiner £ebtage nur in nid)tsfagenben 
3nterejfen feftgehalten. (Eine kraftlofe, oerroeid)* 
lichte ITatur, bie fd)on in ber Kinö^eit lieber mit 
ben jugenblicfyen Dertretern bes u>eiblid)en <5e* 
fchled)ts cerkehrt, aud) im reiferen Alter gar 
nid)ts männliches an fid} trögt. Uod) als 3üng* 
ling Don neun3ef)n 3afjren üertreibt er fid) bie 
kojtbare Seit im Spiel mit bunten Steinen unb 
Bänbem; als £iebhaber bes äußeren Schmuckes 
konnte er für Hrmbänber unb Brillanten (Eau* 
fenbe Derfcf/leubern, [einen (Teint fo gefd)ickt kul« 
tioieren, roie [eine galanten Damen ihre melken 
(Befidfter toieber jugenblid) aufputzten. Schlad) 
an (Beift unb Charakter, ijt felbjt bergnügen unb 
Unterhaltung, roenn es Denken, XTTütje unb fln« 
ftrengung erforberte, nicht feine Sache. (Er fühlt 
fid) mehr bei Soften, Kepräfentationen , HTaske« 
raben unb in ben ©rgien bes Palais Roqal 3U 
f)aufe, too man im Kreife feiner oerborbenen 
(Bunftlinge ber Sittenlojigkeit unb bem £a[ter in 
allen formen ^ulbtgt, fühlte fich bort toohler als 
braufoen auf ber 3a9&, wo £ifelotte in IDinb unb 



— 48 — 



IDetter burd) 5*K> unblDalb als oenoegene Ketterin 
bahinjagt. (Es fehlen ihm bie guten Seiten nicht, 
er ift, rote £ifebtte uns üerfidjert, „ber befte 
ITCenfch," aber in ber f flechten (Befellfd)aft ber 
Spieler, Schlemmer unb IDüftlinge ge^t er unter. 
Don einjd)meid)elnöem, offenem IDejen, als £ebe* 
mann, öer aud) gerne leben lagt, gewinnt er bie 
(Bunft öes Dolkes, bas it)tn freilich aud) fehlere 
üerbredjen 3ugetraut fjat. 

Irtan kann fid) keine jtärkeren ßegenfätje 
benken, als biefe (Eh* fie barg: bem kraftlofen 
tDiiftling gegenüber bie kemfefte, lebensfrohe 
£ifelotte, beren Reinheit für [ie bie ftärkjte 
£ebenskraft in biefer oerborbenen Umgebung 
blieb. XTXtt gutem fjumor fudjt fie bie über ihrem 
Jjaufe auffteigenben Statten t)intDeg3ujc^euchen. 
ITtit ftarkem Pflichtgefühl bewahrt jie ben com 
Sdjickfal ttjr 3ugeu>iefenen piafc. Die (Ehe i|t ihr 
eine heilige Pflicht, beren 5*euben unb Grübjal 
fie 3U tragen \)at, toenn auch Karl £ubroig unb 
Sophie über ber IJer3ogin „gut katholifche" Auf« 
faffung in gewohnter tDeife ihre (Bioffen machen 
mögen. „Dafe (Euer £iebben unb ©nkel über 
mich lachen, öafj ich ietjt fo gut katholifd) bin 
unb jo Diel oom Sacrament bes (Eheftanbes Ijaltc, 
jo fd)lägt mir aber foldjes Sacrament wohl 
genug 3U, um 3U roünfchen, bafj es eurig währen 
möge unb man kein mittel finöen möge, fei* 
biges 3U fd)eiben. Denn wer mid) oon Uton« 
fieur f djeiben wollte, tt)öte mir keinen (Befallen, 
brumb können (Euer £iebben toohl öenken, ba& 



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mir eine folcfye TTtobe, toettn jie aufkommen 
follte, gan3 unb gar mi&fatten tx>ürbe unb toenn 
es nötfyg txmre, noch brei Hbjurationen 3U tf)un, 
tote ich 311 HTefc getlfan, um 3U perfuabiren, ba& 
5er (Efjeftanb ein Sacrament fei unb beroroegen 
nid)t könne gefdjieben werben, fo toürben (Euer 
£iebben anftatt ber einen noch brei oerfiegelte 
Promeffen bekommen." So f treibt £i[eIotte an 
Sophie, unb roas fie fagte, follte tt)rem eigenen 
Dater 3ur £ehre bienen, ber jetjt von neuem bie 
Sdjeibung oon ber Kurfürftin dljarlotte betrieb. 

Die (Begenfätje aber toaren 3U ftark, um 
auf einem fo fittlich lockern Boben bauernb 
glückliche Derhältniffe 3U fdjaffen. Hoch 3ur 
Seit, ba £ifeIotte fid) ben (Breden 5 r önkrei^s 
näherte, meinte $hm oon Seoign6, nun feien 
cor ber neuen (Erlernung „bie (Engel" auf acfjt 
(Tage t>erfd|U)unben. Das roaren bie koketten 
Schönheiten, bes Htarfd)alls be (brancet) Göd)ter r 
Don benen befonbers (Elifabetl) mit ihren 3inet 
gefährlichen flugen, als bie TTTaitreffe bes fjer* 
3ogs PhiHpp, bas gan3e Palais Roqal mit feiner 
auserlefenen Schar oon £ebemännern geflickt 
unb angenehm birigierte. Die „(Engel" flogen 
roieber gerbet auf ben f^lüpfrigen Boben, wo 
£ifelotte niemals 3U t) au l e war unb in ihrer 
gefunben Huffaffung oon (Ehre unb (Betoiffen 
nur kur3e Seit ben (Batten 3U feffeln um^te. 
Die Herrlichkeit im f}<mfe ©rleans bauerte nicht 
lange, roo nun bie (Bünftlinge bes tj**3 0 9 s » wie 
ber dheoalier be £orraine unb TTIarquis b'Gffiat, 

3. EDilie, GUfabettj (Charlotte o. Orleans. 4 



50 



auf roeldje bas Uolfc als auf bte (Biftmörber 
ber uerftorbenen fjer3ogin beutete, if)r Jjanbtoerk 
triebet aufnahmen. tDäfyrenb £ifeIotte um (Belb 
für TDeifeeug betteln muß, roerben (Eaufenbe in 
einer ttadjt oerfpielt, immer neue Summen aus 
Paris geholt unb oerfd)ix>inbeu unter ben tjän* 
ben, feoftbare Diamanten roeröen 3U (Belb ge* 
macfyt unö £t|eIottens oon tf^r nie gefefyene pfäl= 
3if<f}e tffitgift ift balö oertan. Hur ein tjinbernis 
ftef)t biefer roüften (Befelffdjaft im IDege, bas 
ift Cifelotte felber mit ber Reinheit ifyrer Seele 
unö öer gan3en Unoerborbenfyeit ifpres (Efja« 
rakters. Solche (Erfcfyeinungen [inb unbeliebt in 
unreiner £uft. (Ein jd)U)ad)er dffarafeter u)ie Qer* 
30g Philipp, bem ein Urteil über fittlid) gejunbe 
tttenfcfyen fdjon gan3 oerloren gegangen ift, fällt 
in jebe Schlinge, mit ber man ifyn oon ber eigenen 
5rau ab3U3iel)en fudjt. 

So ftefjt bie ehrbare 5*au eines (Tages mitten 
im f}offclatfd) einer £iebesgefd)id)te, beren Quelle 
im Kreife ber frioolen IDüjtlinge unb (Benoffen 
bes f)er3ogs allein fdjon ein Beroeis ber £üge 
toar. (Es gab Seiten, bafc £ifelo tte im eigenen 
(Bematjl ifyren fcfylimmften $einb faf), er felber 
fdjeu iljrer (Efyrbarfceit aus bem IDege ging, 
menn er nid)t Gelegenheit fanb, im Bunbe mit 
feinen (Bünftlingen bie Stellung feiner eigenen 
5rau bis fyinauf 3um König 3U untergraben. 
IDer permag bei biefen S3enen gerne 3U Der« 
roeilen, bie, ©ie einft im fjeibelberger Scfyloffe, 
nun aud) im Palais Roqal unb in St. (Eloub, 



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— 51 



nur in anöerer trüber 5ärbung fid} abfptelten, 
coo öie öcrbe r im 3omc jeljr mafjioe £ifelotte 
aud) jo manches kräftige öeutfcfye tDort in harter 
tDiöerreöe öem (batttn entgegenjd)leuöerte , fo 
fdjroer in 6er Rnklage, öa& Sophie meinte, „ein 
gefunöes (Befyirn fyabe es ntdjt erjonnen." So 
kamen bte (Tage, öa öic fröfylidje £ijelotte nad) 
ITTaubuijfon ins Klofter 3ief>en sollte, König £uö* 
©ig in {Teilnahme für jeine Sd}tDägerin 5neöen 
gebot, man in fymnooer oe^roeifelte unö £ije* 
lotten öas Büö 6er geriebenen TTTuttcr oorfyielt, 
in Karl £u6roigs Seele aber öic Reue un6 Der« 
antroortung aufftieg un6 6as (Bejpött über ernjte 
un6 ^eilige Dinge im £ager 6er Srctgciftcr per» 
ftummte. 

Unter 6iefen (Einörüäten roudjfen nun öic 
Kinöer f)eran, 6er ITTutter fätoerfte Sorge. 3f)r 
Sofyn Philipp, 6er künftige Regent, oerfprad) 
fdjon jeines Derjtanöes toegen etroas 0röentlid)es 
in 6er IDelt 311 toeröen. Had} öem Jjorofkop 
|ollte tym jogar ein Sifc auf öem Stuhle petri 
einmal be[d)teben fein, £ifelotte aber meinte, Dom 
ftntidjrijt ftedte mefyr in ifjm. Rls Kinö füll 
unö emft, eine mefyr mäödjenljafte Hatur, folg« 
(am unö gelehrig, roarö er am Beifpiele öes 
Daters oeröorben, öer keinen (Einfluß öer ITTutter 
öulöete unö öarüber ladjen konnte, toenn er in 
öem eigenen Spro[[en öie Hnlagen 3um lafter* 
fyaften IDüftling fd)on frül) jid} entwickeln fafy. 
(Ein Glück, öafc <EIt(abett> Gfjarlotte, öie Holter, 
in öer oerpefteten £ebensluft tugenöfjaft unö rein 

4* 



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52 — 



blieb, aud) fonft öas (Ebenbilb öcr ITtutter, 
lebenöig unö ausgelaffen, oIIc3cit munöfertig. 
„Das TTIaul i[t tljr brat) gelöft r " fagt ftol3 öie 
Hluttcr r „Jdjlägt ifjrem Hamen Ofelotte nidjt 
übel nad), ift ioof)l fo eine öolle Rummel, als 
id) vor öiefem roar." 3n öiefem Ktnöe fietjt 
|ie ifjre eigene 3ugenö tx>ieöer. IDie lebens* 
toafyr l)at jie in öer Godjter ifjr eigenes Porträt 
uns ge3eid)net! ,,3d) bin t>erfid)ert," fdjreibt fie 
an Sophie, „toenn jie öas (blücfc f^ätte r (Euer 
£iebben unö (Dnde 3U entreteniren , trmröe fie 
öiejelben ein toenig ladjen machen, öenn fie fjat 
all poffirlidje (Einfäll. 3d) öarf mid) ntdjt fo Jefyr 
mit tljr f amiliarifiren , öenn fie fürdjt keinen 
Seelemnenfdjen auf öer EDelt, als mid) unö ot)ne 
mid) Rann man nidjt mit ifjr 3ured)t kommen. 
Sie fragt gar nidjts nad) UTonfieur. tDenn er 
fie ausfi^en mill unö id) nid)t öabei bin, Iad)t 
fie ifjm ins (Befidjt. 3f)re Jjofmeifterin betrügt 
fie 00m ITIorgen bis in öie Tladjt. 3d) glaube, 
öafo es aller £ifelotten it^r Haturel ift, fo toilö 
in öer erften 3ugenö 3U fein, fjoffe, öafj mit öer 
Seit ein toenig Blei in öas OJueckfilber fiommen 
roirö, wenn tljr mit öer 3eit öas Rafen fo t>ergel)t, 
als es mir ©ergangen ift, feitöem id) in $tan&* 
reid) bin." £ifelottens (Eodjter l)at fpäterljin an öer 
Seite öes fjcr3ogs Karl £eopoIÖ oon £otl)ringen üjr 
(Blüdt ertragen Rönnen, fjat fie aud) nad) öer Spe* 
Rulation öer ITIutter öen künftigen römijdjen König 
3ofepf) nid)t bekommen, fo ift fie öod) öie Stamm« 
mutter öes öfterreidjifdjen Kaiferfjaufes gerooröen. 



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Um il)r beftes Ked)t, um öie <Er3ief)ung unö 
öte 3ukunft öiefer Ktnöer fjat fie öte Ijärtejten 
Kämpfe 3U befielen, erfolgreich nur inforoeit, 
als U)r, trofc aller brutalen (Begentotrkung von 
Seite öes Daters, nic^t fcfyon in früher 3ugenö 
öie fjer3en öes Sofynes unö öer (Eodjter ent* 
fremöet tooröen finö. Der Deutfdjenfyafc öes 
f}er3ogs oon Orleans Ijat gefyinöert, öa& $xau 
oon tjarling alte Be3ief)ungen toieöer aufnahm. 
(Segen jenen TUarquis ö'(Effiat, öen 3um fjof* 
metfter öes Sohnes bejtimmten intriguanten 
tDüftling, l)at fie öas $tlb öer <Er3tel)ung mutig 
unö Der3tDeiflungsüolI üerteiöigt. IDas oon öer 
Seele it)res Kinöes öamals nod) gerettet toarö, 
Ijat öann Rbbö Dubois um fo grünölidjer oer* 
öorben. Kaum [inö öte Kinöer fjerangetoadffen, 
foll aud) if)re 3ufcunft nad) öes Königs IDillen 
öer tjauspoltttk feiner TUaitreffen geopfert teeröen. 
£tfelotte, unbeugfam in öem (befühle, einem alten 
legitimen tjaufe entfproffen 3U jein, ift empört 
über öen (Beöanken, il)r eigenes <5efd)led)t öurd) 
öas Baftaröenblut aus öoppeltem (Efyebrudje per* 
öorben fefyen 3U müffen. f)at fie aud) im jtarften 
IDiöerftanöe gegen öen König eine (Efye iljrer 
(Eocfyter mit öem Sofyne öer TITontefpan, öem 
fyäpdjen unö fjinhenöen Duc öu ITlaine, öem 
„jttnfcenöen Buben", toie fie ifyn nennt, oer* 
fyinöert, fo blieb i^r öod) öie nafye Dertoanöt* 
[djaft mit öer ITTaöemoijelle öe Blois, öer (Tochter 
oon £uöu)igs TUaitreJfe, nidjt oerfagt. IDof)l roeiß 
fie über öie Sd}tx)iegertod)ter nid)ts Schlimmeres 



54 — 



3U jagen , als öafj jie fyängenöe Backen unö 
fdjiefe (Taille Ijat, mit öem Kopfe 3ittert, fpridjt 
als toenn „jie Brei im Utaul fjätt", fid) ein* 
bilöet fd)ön 311 fein, fid) öarnad) pufct unö öas 
(Befielt ooller TTtou^en trägt, fonjt mit itjrem 
fjerrn unö jetner Samilic toof)l 3U leben oer= 
jtetjt, ja öafj jie jogar Derftanö l)at unö 3ett- 
roetje angenehm fein kann. Hber für £ifelotte 
bleibt fie öie Unebenbürtige, nur öer „UTaus* 
öreck", öer ftd) unter öen „Pfeffer" öer ge* 
borenen r)äufer gemifcfyt Ijat. Das genügt, um 
in jtänöigen tDiöerfprüdjen t^r Urteil ab3ugeben, 
in flusörücken unö Sormen, öie in ifyrer fjeimat 
auef) t)eute nodj, meift an öen Uieöerungen öes 
Iteckar, 3U Qaufe finö. Docf) öie £iebe 3U ifyrem 
Sofme r)at unter öiefer Stimmung nid}t gelitten, 
„fjoffe, öafe Um unfer fjerrgott aus öiefem 
£abr/rintf)e einmal erretten toirö," fdjreibt fie an 
Sophie, glücklief) in öem (Befüfjl, öafc öer 5fad) 
öer <Er3ief)ung aud) öem Sofme nicfjt öie £iebe 
3ur ITtutter genommen t)at, öajj öer in £ajtern 
alt gemoröene Regent öod| „ein guter Bub" ge* 
blieben ift. (Ein rüfyrenöes, treues Derfjältms ift 
alle3eit 3a>ijd)en beiöen geblieben. 

ftn einem fjofe aber, öa alles in (Beöanfeen 
unö Heöe, in jeöer Betoegung bis 3ur oor« 
gejdjriebenen 3al)l ber Stritte öem IDillen öes 
Königs folgte, mar öie als ftarrköpfig oon rjaufe 
aus bekannte £ifelotte in ifjrem 3är>cn IDiöer« 
ftanöe, in öen nicfyt immer fer>r geroäfjlten Hus« 
örücken ifpres Urteils eine bisher ungewohnte 



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— 55 



(Erfdjeinung. HIs offene, ehrliche tlatur fehlte 
ir/r jebes <ßejd}t<fe, burd) öie oerjcrjlungenen 
IDege bes Derjailler fjofes fid) f)in6urc^3ua>inöen r 
ohne nad) allen Richtungen I)in kräftig an» 
3u[to(3en. IDas fie im oergeblicrjen Kampfe 
um öie ebenbürtige <Er/e ihres Sohnes geäußert 
haben unb 3U bes Königs 0t|ren gebrungen 
[ein mag, lagt |id) aus it)ren eigenen Seilen 
entnehmen. Die 3ntrigue arbeitet im ftillen, 
£ifeIotte tut nad) Pfä(3er Hrt nur 3U oft unb 
3u laut bas Iftaut auf. Sie gab ihre (Befühle 
jeöe^eit beutlich 3U Derfterjen. (Eine S^ou, bie 
nad) Saint Simon's (Er3ählung unter bem frijcr/en 
(Einbruch biefer Ittesalliance oor oerfammeltem 
fjofe ir/tes Sohnes fjanbfmfc mit ein paar hräf* 
tigen ©r^rfeigen erroibert, fd)lug aud) fonft gerne 
einen (Eon an, ber oom fjeibelberger Burgroeg 
3U r)au|e, jelbft ins $ran3Öfifche übertragen, 
nid)ts weniger als t)offöt)ig roar. Sainte Beuoe, 
ber unfrer £ijelotte ein burcr/aus e^renbes Denk* 
mal gejefct t)at, ift als 5tö«3o|e oom natürlichen 
(Befühle geleitet, bafe biefe berbe Kraft unb 
biefes Ungeftüm nicht immer nach fran3öfifd)em 
(Be(cf)maAe roar. fluch ^ e 3eitgenoffen höben fo 
gebaut unb £ifeIotte felbft \)at mit einer geroiffen 
Selbfoufrteöenheit 3ugeftanben, baft Sranfereich 
fie niemals poliert l^abt. Znbmxq XIV. aber 
gab alles auf bie Politur. Konnte er auch * n 
guter £aune auf manchen berben Scher3 ber 
ausgelafjenen Pfäl3erin in unge3roungener tDei[e 
eingehen, |o [d)eint |ie, nach eigenem (Beftänbnis, 



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56 — 



bie (Breden biefer 5*etf)ett in gut pfäfyfdjer 
Rrt 3cittDet[c überfdjritten 3U ljaben. ITtu&te 
öod) öcr Dauphin über ifyren, mit Dorliebe oon 
ber Strafte entnommenen Unterfyaltungsftoff Klage 
führen, ber Beid)toater im auftrage bes ijödjften 
fjerrn ifyr einen „erfdjrecklicfyen 5^3 " erteilen, toetl 
jie allßufrei im Reöen toäre. Titan lieg it)r be* 
beuten, baft nur mit Kückfidjt auf bie Sd)toäger* 
fdjaft bes Königs ifyr eine Derabfdjiebung Dom 
fjofe erfpart geblieben fei. £ifeIotte ift Ijart 
barüber betroffen, flm nä^jten Gage konnte 
if)r bas freunblicfye £äd)eln bes Königs metleidjt 
jagen, bafj es mit ber Derbannung nid)t fo 
emft gemeint fei. „ITtir aber roars gar nic^t 
läd)erlid}," fdjreibt fie offentje^ig an Sophie, 
„Ijab bestoegen toieber roie orbinari eine tiefe 
Reoeren3 gemalt, aber bitter fauer brein ge= 
fefyen. Jjätte man mid) fo unfcfyulbiger tDeife 
ejilirt, glaube id}, bafc id) burc^gangen txmre 
unb 3U (Euer £iebben kommen." 

So l)at £ifelotte mit tf)rer 3unge ftd} bie 
(Dunft bes it)r fonft freunblid) gefinnten Königs 
mandjmal grünblidj perfekt. £ubu>ig XIV. 
roar ein fjerrfdjer, nur an Befehlen unb (Befyor* 
fam getoofynt, Selbftfyerr im Staate, unangreif» 
bar in feinem fdjrankenlofen EDillen aud) ber 
<5efellfd)aft gegenüber, flm rDenigften konnte er 
es ©ertragen, roenn man bie intimften Seiten 
feines £ebens berührte. Solange eine £a Palliare 
ober ITtontefpan unb eine gan3e Scfyar oon (Be= 
liebten bas königliche tjaus im abtoedjjelnbem 



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— 57 — 



Spiele fmnlidjer Rei3e unö bered)nenber Kabalen 
befyerrjdjten unö öie (Tochter Philipps IV. oon 
Spanten als eine b,albDerge[fene Königin im 
fjintergrunöe f ag r fyat jicb, £ifelotte über biejes 
jittenlofe (Treiben toenig aufgeregt unö öiefe 
jdjtoacfyen Seiten öes Königs in tf)ren Briefen 
kaum berührt. Soweit U)r eigenes (5e[d)(ed}t 
oom bürgerlichen Blute betoafyrt bleibt, läfjt jie 
aud} eine ÜTontefpan regieren unö mad)t itjre 
Spaße über öas (Treiben öer (Balants unter 
üjren eigenen Kammerjungfern. „So toenig glück« 
lieb, man jonjt an öiejem fjofe lebt, er ijt öoefy 
oon |o großem Hang unö (Eclat", öaß £ifeIotte 
gar gern i^r Patenkinö Sophie (Tfyarlotte oon 
r)annooer einmal einen Sifc auf öem Stuhle £ub* 
roigs öes fjeiligen gegönnt hätte. Bei öen Dielen, 
öie [td} im (51an3e öer königlichen (Bnaöen Jon« 
nen, ijt £ife!otte nicht öie letjte. 3hre Dereb,rung 
für öen König i|t jo auffallenö, baß man, nad) 
öen Hnöeutungen öer 5 rau oon Seoignä, bei 
fjofe öarüber feine fcher3haften (Blojfen machte. 

Seit öem (Tage aber, öa jie für ihre freie 
Reöe jenen „erjdjrec&lichen erhalten, man 
toie eine „Kammerfrau" jie traktiert t)at, be* 
ginnt auch in ihren Briefen öas (Befühl immer 
ftärher b,eroor3utreten , als ob fie im Schatten 
fäße. Die (Einfielt # baß jie mit einen (Teil öer 
Sdjulö trage, ijt ib,r niemals gekommen. 

Um öiefe 3eit fteb,t 5rau oon Tttaintenon 
auf öer rjöhe ihres (Einflujfes ! 

3n öer fransöjijc^en (Befeuchte b,aben in allen 



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— 58 — 



Seiten $rauen eine bebeutenöe Stellung im polt« 
tifcfyen unö geifttgen £eben eingenommen, t>er* 
hängnisüoll unö jegensretcf) t)aben fic gewirkt, 
bei Dielen ftet)t klar unö öeutlich ihr Bilönis 
oor uns. Keine aber ift von folgern (Einfluß 
auf ein gan3es Zeitalter geroefen, als Sta^iska 
ö'flubtgne, öie aus kleinen, armen Derfyält* 
nijjen heraus 3ur £ebensgefäl)rtin £uöu>tgs XIV. 
emporgefttegen, [ein inneres £eben mit einer oft 
gel)eimnisoollen TTtadjt 6er perfönlichkeit be= 
herrjd)t Ijat. Als öie (Enkelin eines Kämpfers 
für öie reformierte Kirche in 5 ran ^ c ^ ift fic 
aus Hrmut unö Hot burch Dertoanöte in ein 
Klofter gebraut, öer katfjolifdjen Kirche 3uge* 
führt rooröen. <Er[t fünf3elm 3at|re alt, h a * 
fie mittellos unö oerlaffen in öer XDclt öafteljenö, 
an öer Seite öes Burleskenötdjters Scarron eine 
Derforgung gefunöen. 3n einem anregenöen 
Kreife oon S^riftftellern unö 5reunöen öer frönen 
£iteratur arbeitet öie geiftig hochbegabte S rau 
an iljrer innern Bilöung weiter. 3hre gan3e 
Perfönlid)keit muß in allen ihren Do^ügen balö 
über öen £iteratenkreis hinaus bekannt geworben 
fein, öa fie balö natf) öem (Eoöe ihres ITtannes 
3ur <Er3tef)ung öer Kinöer öer TTTontefpan be* 
rufen warb. ITIit öer im 3al)re 1673 erfolgten 
Anerkennung öiefer nad)kommen{d)aft öurd) öen 
fran3Öfif<hen König kam auch bit tDitwe Sear» 
ron in öie engjten Kreife öes fjofes. Sie tritt 
öem König näher, tltit magijcher (Behalt rotrö 
er oon öiefer perfönlichkeit erfaßt. IDeöer aufcer- 



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— 59 



oröentlicfye Schönheit noch 3ugenö oöer h°fy e 
(Beburt fionntcn öen König an3ief)en. 3h re (Er* 
fcheinung erfaßte tt)n innerlich läuternö. (Ein 
angenehmer gefunöer föeift, ein Derfjältnis un* 
begren3ten Uertrauens r kein üorübergehenber 
Raufd) finnlicher (Etnörücke, tötete in ifym öas 
Sinnliche ob. Aus einem £eben öer oberfläch* 
ttchften Dergnügungen unö fittlid) fdjrankenlofer 
tDillkür heraus, finöet er eine $rau, öie un* 
befd)olten in ihrem TDanbel, oon reifer innerer 
Bilöung, öas £eben toüröiger betrautet, mit 
ernjter unö geiftreicher Unterhaltung öen König 
3U feffeln oerfteljt. 31)r Einfluß auf öas innere 
£eben öes Königs roirö fo ftark, öafj fie es 
roagen kann, ü}m feine eigene unö feines fjofes 
fittliche Deröerbnis t>or3uftellen , in öem oon 
Sünöen unö Sdjanbe gereinigten {jaus auch We 
Königin in ihre Rechte roieöer eht3ufetjen. ITlarie 
tlerefia geftefjt, öiefer 5*<*u *h r £ebensglück oer* 
öanftt 3U §abex\. (Ein 3<*h r na( ty & em ^°& e 
Königin tritt 1 684 öie i^roifchen mit öer fjerr* 
fchaft tltaintenon befchenkte tDitoe Scarrons 
(elbft als fjerrin in öas königliche fjaus. Sie ift 
fich ih^er fchroierigen Stellung in einer heimlichen, 
öoeh un3toeifelhaft öurch kirchliche (Trauung be= 
tätigten (Ehe mit £uöroig XIV. öem Urteile 
öer XDelt gegenüber uoll betoufjt. fjafj unö 
Heiö ift ihr neben Beamnöerung reichlich 3uteil 
geiooröen. Doch Autorität öer Kirche be* 
ftärkt fie im Berou&tfem einer Senbung, öie ihr 
3um Seelenheile öes Königs unö 3um Beften öes 



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— 60 



Staates un6 6er Kirche 3ugef allen fei, 6afc fie 
nad) 6em flusjprud)e ihres Beidjtoaters „ein 
iröijd)es Königreich um eines fyimmlifcfjen nullen 
aufgeopfert habe". 3n öiejem h°h en Beruf, 6er 
itjr toie eine göttliche Sen6ung erfdjien, f)at [ie nad) 
6em Urteile 6er ihr naheftehenöen, in gan3 an* 
6ern (Beöankenkreifen lebenöen 3eitgenoffen öurd)= 
aus nach uneigennützigen (Brunöjäfcen gefyan6elt, 
wohltätig un6 fegensreich gewirkt. Bod) Segen 
un6 Unheil finö manchmal nahe beieinan6er. 

3n ihrem religiöjen un6 kirchlichen Benken 
gehört 5* au oon TTIaintenon 6en „Benoten" an, 
6ie an 6er äußern (Erfüllung 6er kirchlichen 
Pflichten kein Genüge fin6en, fonöern in ftrenger 
Selbftprüfung un6 Selbft3ucht ihr (Blaubens* un6 
Seelenleben 6em Rate un6 6er £eitung eines aus« 
ertoählten Seelforgers, eines „Birecteurs", über- 
laden, im unbe6ingten Bertrauen un6 (Behorfam 
nach feinen Rnorönungen 6enken un6 h anoe ^ n » 
gleich roie ein Kranker 6en Borfchriften oes fl^tes 
folgt. 3n 6em ^eiligen (Eifer, mit welchem Stau 
oon TTIaintenon an ihrem eigenen Seelen* un6 
(Blaubens3uftan6 , toie an 6er Bekehrung 6es 
Königs arbeitet, fin6 ihr alle äußern mittel un6 
(Einflüjfe frem6 , [ie nimmt es ernft mit 6en 
innern (Bütern. Sie ift Rnhängerin 6er Sul* 
picianer, 6ie bei aller Ureue gegen 6en römifchen 
Stuhl bei aller kirchlichen Seftigkeit, 6ie IHoral 
un6 Kafuifttk 6er 3^fwiten oerioerfen. 3n 6en 
imtem Kämpfen, welche 6ie Kirche Frankreichs 
erjehüttern, hat fie an 6er Seite Boffuets un6 



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- 61 — 



Itoailles' öiefen Stanöpunkt aud) gegen öen all* 
mächtigen pöre £a Ghaife t>ertreten. Das Be* 
öcnklidjc unö Derhängnisoolle ihrer „Devotion" 
lag im <5ehorfam gegen ihre Seeljorger, öenen 
fie fief) felbjt als politi|d}es IDerfeßeug in öen 
tDid)tigften Jragen öes Öffentlichen £ebens Eingab. 
Rls politifche Hatgeberin bes Königs ftefjt [ie 
mitten in öen 3nterejfen öer Staatsgefdjäfte, öie 
fie r 3toar 3urückf}altenö, öoe^ oom Könige immer 
toieöer gefugt, in öer Stille, geheimmsDoll, — 
um mit Dilleroi 311 reöen — toie eine ITCaul* 
rourfsarbeit beforgt. Als Stüfce unö (Erojt öer 
Kirche, roie it|r Seelforger (Boöet fie genannt ljat f 
teilt jie öeffen Rnfdjauung , öafj 3n>ang gegen 
flnöersgläubige ntd)t allein löblich, fonöern aud) 
Pflicht öes Königs fei. Die protejtanti[d)e Kirche 
5rankreid)s 3U 3erftören, roar einer öer oerhäng* 
nisoollften (Beöanfeen öes königlichen flbfolutismus, 
öefjen rein politifd)en fjtntergrunö aud) £ifeIotte 
t>erf tanöen l)at. „Dag man öie Reformirten 
hier im £anöe übel tractirt," jagt |ie, „approbire 
id) nid|t, allein man jieljt, bafo öie Politik allein 
fdjulöig öaran ift." — (Db öie tttaintenon bei 
Hufhebung öes (Eöikts oon ttantes irgenötoelchen 
perjönlidjen (Einfluß ausgeübt hat, i|t nidjt ent- 
fdjteöen. IDenn fie aber öie Mahnung (Boöets 
befolgte, öafj ihre tDid)tigfte Aufgabe fei, öen 
Staat unö öie Kirche gegen öen 3<*ntenismus 
unö Proteftantismus 3U fd)üfcen, fo mu&te fie öie 
Politik öes Königs billigen. 3hre jefct bekannt 
gerooröene, im 3<*h rc 1697 gegen öie 3urück« 



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— 62 — 



Berufung 6er vertriebenen Proteftanten abgefaßte 
Denkfdjrift gibt uns tfyre Rnfcfyauungen klar 
unb öeutlid) uneber. Hur einen (Beioiffens* 
3toang l)at fie oertoorfen. Der 3roang 3ur 
Beizte unö 3um (Empfang ber Sakramente er« 
fdjien tf)r als religiöfer 5^oeI. So trägt fie 
mit bie Scfyulb an einer Politik, bie taufenbe 
arbeitsfrotjer Bürger auf öie Galeeren üeranes 
ober bauernb bem fran3Öjtfd}en Boben entfrem* 
bete. Die £olgen blieben nid)t aus. £ife(otte 
fyat biejelben in ifyrer bra[tifdjen XDeifc 3um Aus* 
brück gebraut: „gemannt mid)," (agte fie, „an 
bie Kinber, fo in bie £uft jpeien baß es i^nen 
felber mieber auf bie tta|e fällt." 

Der Derfud} aber, ben König 3U einem 
innerlichen £eben 3U bekehren, aus einem kirch- 
lich leeren SormenMenft 3U einer tieferen Huf* 
faf[ung ber reltgiöfen tDahrfjeiten, 3U chrijtlichem 
(Beijte, l)eran3U3iel)en, mar erfolglos. 3n feinem 
3nnern fanb bas ITCifJionsroerk ber TTtaintenon 
einen unfruchtbaren Boben, wo unter ber for- 
mellen 3ud}t ber Beid)toäter aus ber fpani|d|en 
Schule nur bie 5urd)t cor ben Strafen ber fjölle 
an Stelle bes (Betoijjens unö öer Selbfterkennt* 
nis geblieben toar. Darum fa^ 5^öu oon Alain* 
tenon in öcm Beidjtoater öes Königs unö ein* 
flu|reid)ften (Beglichen bes Staates, bem pfcre £a 
Gfyaije, bas größte Ijinbernis ihres innern Be= 
kehrungsroerkes. „3n Religionsjachen," f treibt 
£ifelotte, „i[t unfer König blutsignorant , unb 
oertraut fid) auf roas bie, fo er lieb hat ihm 



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63 



öaoon oorfchtoätjen unö wetten if)r 3ntereffe ift 
ihn allc3eit formten 3U galten, öamit er keine 
weitere (Erklärung fucht, fo muffen fie ihm öie 
fj'öll am fjei&eften machen unö ihn oon öenen 
ab3iel)en, fo if)m öie tDafjrfyeit fagen könnten. 
Suöem fo ift es leichter ein paar (Bebeter auf 
Cateinifd) bafjer 3U päppeln, als Recht unö- <5e* 
red)tigkeit 3U üben unö unferm Häuften nichts 
3u tfjun, als was roir wollten, öafc uns gefcf)et)e, 
welches öie redete Religion ift. Ulan konnte 
ntd|t einfaltiger in öer Religion fein, als öer 
König war. (Er wußte nicf)t anöers, worinnen 
öie Religion beftünbe, als in öem, was öie 
Beic^toäter fagten." Diefe öurdjaus richtige 
fluffaffung h a * niemanö mehr mit £ifelotte ge* 
teilt, als 5*(*u ^on TTtaintenon. Daß ü)r (Er« 
3iehungswerk über öiefen (Erfolg religiöfer (Ein« 
falt nicht hinausgekommen mar : fold) fchwerer 
<Enttäufd)ung blieb fie fich bis ans (Enöe ihrer 
(Tage bewußt. Sie felbft hat 3ugeftanöen, baß 
fie mit guten Rbfidjten öabei oiele 5eh* er 
gangen l^abe. 

Doch in öie geheimnisoollen XOege ihres 
politifchen unö religiöfen IDirkens ein3UÖringen, 
über i^re öeröienfte unö ihre Sdjulö oolle Klar- 
heit 3U bekommen, öürfte fchwerlich gelingen. 
IDie fie felbft gewünfdjt unö mit überlegtem 
(Ef)rget3 il)r £eben öarnaef) einrichtet t^at, wirö 
fie öer tDelt immer ein Rätfei bleiben. Aus 
öen ehrlichen Derjuchen ein gerechtes Urteil über 
fie 3U gewinnen, ift ihre beöeutfame 5igur immer« 



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64 



l)tn geläuterter unb klarer hervorgegangen, als 
jte ehebem erfchten. Sie als eine kalte, beredj* 
nenbe, in flauem ITTifcbrauch ihrer ßutorität unb 
heuchlerifcher 5römmigkeit geflickte $rau 3U be- 
trauten, tDiberfprid)t cor allem bem Urteile ber 
3eitgenoffen, fo roeit man ihnen gerechtes Urteil 
3utrauen mu&. flud) ein Ulann uon ftarkem 
cafoinijchen Blute, u>ie (E3ed)iel Sponheim, Ijat 
biejer $xau, aus ihrer Umgebung heraus, feine 
Anerkennung nic^t oerfagen können. 3n tugenb* 
haftem U) anbei glaubte jie bie fjetlsgüter ber 
Kirche 3U oerbienen. XTTcfjr <E^rget3 als $xöm* 
migkeit ^at |ie felber ihr Streben genannt. 

(5an3 anbers ift bas Bilb, welches £ifelotte 
oon ber mäd)tigften unb einflufjreichften ßxaxi 
im Staate £ubroigs XIV. uns fynterlaffen l)at. 
(Ein unauslöfd)li(f)er Ijafe füljrt I)ier ben pinfel 
3u kraftigen, berben, oft fefyr fchmutjigen Striaen, 
fo baft felbjt bie wahren 3üge kaum ft<f)tbar 
finb unter bem IDiberfpruch ber finnlos tjin* 
getoorfenen 5<rc&en. 3n toilber £eibenfd)aft ift 
pieles getrübt, fo baß biefes Bilb, einer ge* 
rechten unb l)iftorijd)en Betrachtung gegenüber, 
roie biefelbe aus guten (Quellen uns fyeute möglicher 
ift, als ehebem aus £a Beaumelle's Karikaturen, 
gar frembartig gegenüberjteht. Hlles, toas £ife* 
lotte, bie ehrliche, jittlich reine Pfäl3erin, in ber 
oerpefteten £uft bes fran3Öjifd)en fjofes Bitteres 
erfahren an Ungnaben, 3urückfetjung unb (Eni* 
täufc^ung, fällt ber allmächtigen Dame 3ur £aft. 
3um Danke finb iljr fo Diele (Ehrentitel 3uteil 



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IS o r 3 o i n <EIifabetf) Charlotte. 
Bilönis in 6«r Sammlung öcs l^ciöelbergcr Sdjloffes. 



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65 — 



getoorben, tme deiner anbern Sterblichen tljrer 
3eit. Sic ift t}eyc unb (Teufel 3ugleid), bas oer* 
flucfytefte tDetb oon 6er IDelt, „bie alte Dettel, 
bie alte Sd)ump, öic alte 3ott unb Kumpumpel". 
Ittdjts ift jo [d)Ie$t in ber IDelt, toas i!)r md)t 
3U3utrauen toäre. Die unglaublichen unb un« 
toat)rften Dinge fpinnt bas erregte (betyrn ber 
f)er3ogfn oon ©rleans aus: (Eine ITtamtenon, 
bereu (Einfluß bes Königs Ijaus oon Unrat ge* 
reinigt hat, foll felbft bas unfittlic^e (Treiben 
am f)ofe unterftü^en. Sie t)at bie Daupfyine 
umbringen, bem ITCanfarb unb £ouoois ben (Bar* 
aus madjen laffen. IDä^renb ber Hungersnot 
bes 3atjres 1 709 joll fie mit (betreibe fpekuliert 
unb bas ^ungernbe Dolk betrogen ^aben. (Db* 
roof)l fie am (Enbe il)rer (Tage gar nichts von 
Bebeutung befaß, l)at fie bod) ben König be» 
{totalen. Rls fie längft com Sdjauplafc ber Politik 
in bie Stille oon St. (Tqr fid) 3urücfcge3ogen f)at, 
ift 1719 bes J)er3ogs oon £otl)ringen Sdjlofj 3U 
£uneoille in Branb geraten. Hiemanb anbers 
kann es getan ^aben, als bie alte tttatntenon, 
nur toeü in jenen toilben Gagen ber Regentfdjaft 
ber t)er3og nid)t ein Parteiganger bes Duc bu 
ITtaine getoefen fei. 3n lifelottens Hugen ift „ber 
(Teufel in ber fjölle nid)t fo bog r toie bies alte 
IDeib". Hlles Unheil kommt oon biefer „alten 
3ott", bie keine größere 5* eu be hat, als bie 
fjerjogin beim König fd)led)t 3U machen. Sie ift 
„ber Schatten oor bem Sonnenlichte bes Königs, 
oon nur ftarker 3nfluen3. IDeil ber König bie 

3. UMUe, Cltfalxt!) Charlotte o. Orleans. 5 



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— 66 — 

Sonne 3um Sinnbitö fyxt, Itann man öie Rite 
tDol)I eine Sonnenfinfternife feigen, öenn fie oer» 
öunkelt ötefe Sonne je mef)t als öie rechte Sonne 
pergangen 3<*l}t geu>efen. Der $l*dtm oon 6er 
regten Sonnenfinfternifj ©ergebt in paar Stunöen, 
öiefer $le<ken aber roirö währen, fo lange öie 
Hlte leben txnrö". 3fyre U)ünf(f)e für öie Htam* 
tenon finö ebenfo undjrif tlid) , wie itjr Urteil. 
„tDeldjer Zenker," treibt fie an Sopfjie, „unfere 
alte Hompompel l)ier toollte wegnehmen, öen 
follte id) tx>o^I für einen etjrlidjen ITtann galten 
unö gern für ifjn bitten, öafj er möge geaöelt 
toeröen. Rber meine Partie i(t gefafct, id) roill 
künftig öie Seit nehmen, urie jie kommt unö für 
meine (Bejunö^eit forgen, öenn obfdjon id* ntdft 
jung bin, fo ift bod) öie alte 3ott älter als id), 
fyoffe alfo r öafj id) nod) oor meinem (Enöe öen 
Spafe Ijaben ©erbe, öen alten (Teufel ber[ten 3U 
felien." 

Selbft öie oome^men 3üge in öer äufeern 
(Erlernung öer ITtaintenon, toie fie uns TTTtg* 
narö unö anöere bargeftellt fyaben, finöen oor 
£i|elottens Kritik keine (Bnaöe. Das Jeuer in 
öen Rügen öer geiftoollen 5rau lagt Jie nod) 
gelten, „aber fie l)at ein einge3ogenes ITtaul, 
bläßt öie Itaslöc^er auf, meines üjr ein bog 
töefidjt machte unö tx>ol)l roies, u>as jie u>ar\ 
tDenn Jie gar £i|elotten fafy, „30g fie gleich öas 
ITtaul 3urü(k unö machte eine öoppelte £eft3e". 

Die fjer3ogin füljlt ftd) oom tjaffe öer Ittatn* 
tenon oerfolgt, aber öie Beu>eije öafür finö oft 



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— 67 — 

kinblidtfter unb miberfprud)$t>ollfter Hrt. Sic 
gefte^t, baff fie keinen (Hinflug f)abe f traut aber 
bodj ber mädjtigften 5* a u 5™nfcrei<*)s bie (Ein» 
bübung 3U, ber König tyabe feine ^eimlim.e Jjei« 
rat, nur aus 5urd)t oor Cifelotte, ot/ne 3metfel 
©or iljrer böfen 3unge, 3U oeröffentltdjen ftdj 
gefreut. Sie Wagt über tyre Surückfefcung, 
gibt an jebem ifyr 00m König erteilten Dermeis, 
an jebem unfreunblidjen IDort, ber Tltaintenon 
bie alleinige Sd)ulb. (Erofcbem glaubt fie, bafj 
ber König üjr nichts fdjaöen könne, meil er bie 
all3ugrob gefponnenen 3ntriguen ber Tltaintenon 
burdffäaut fjabe. Sie ffält fim, barüber auf, bafe 
mäfyrenb ifyrer Krankheit gan3 5rankretm, ftdj 
nad) ifjrem Befinben erkunbigt, nur bie ITtar* 
quife ntd}t, unb bom, ift er xfyc lieber: „ber 
alten fyifcel Qafj gegen fie bauert fort als bas 
Sieber/ Über mas fie klagt, bas umnfdjt fie 
fid). £ifelotte ift über3eugt, bafj bie Tltaintenon 
bes Königs t}er3 allein befifct, „benn mos fie 
liebt, liebt ber König, mos fie Ijafjt, fjafet ber 
König", fie roeifj, ba& bie geliebte $rau ab» 
folute „tfteiftertn von allen feinen Sinnen unb 
(fcebanken ift." Dennod) traut fie, biefer bä» 
monifdjen (Bemalt gegenüber, tfyrer eigenen Be- 
beutung nodj einen ^aßerregenben (Einfluß 3u. 
Denn bie (Bnabe bes Königs 3U ifyr ift alter 
als feine tiebe 3ur tltaintenon. „3dj mar fd)on 
über fünfunb3man3ig 3a^re alt, mie fie in 5<">*ur 
kam. Das gab tyr Hrgmotjn, ba& im, mim, ntty 
burd) fie, fonbern burm, meinen eigenen Kopf 

5* 



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— 68 — 



regieren wollte, unb bafc, n>eil 6er König <&üte 
für mid) l)atte, ich ifyn befabüfiren roürbe, fid) 
oon öem boshafttgen liiere jo blinblings führen 
3U Iaften." 

Da& £ijelotte in ihrer heimatlichen frifdjen 
unö berben Hrt in ben t^ö^ften Kreifen nid)t 
immer gefallen unb auch manche beuttiche Be= 
roetfe öafür erhalten l^at, urifjen toir aus ihrem 
eigenen ITtunbe jd)on. 3h rc ehrliche pfäl3tfc^e 
Grobheit toarb oon ben <&e[efcen ber höfiföen 
Politur niemals übertounben. Sie roar gefürchtet, 
tuenn bie £eibenfd}aft über jte ftam. Sie konnte 
na<h eigenem ©eftänbms, „um (ich beißen tüte 
ein (Eber." „Madame est sauvage", Wang es 
roie ein tDetterberid)t burd} bie (Befellfchaft. Das 
Donnern oarb bann fo kräftig, baß fem IDiber* 
hall aus roeiter 5*™e auch 3um <Dt)re bes Königs 
brang. Sie bemüht fich 3tt>ar, jo er3ählt |ie 
uns, eines beffem Betragens. Aber jeber (Erfolg 
auf biefem (Bebtete ber Selbfter3iehung (oll nur 
3um neuen Ärger ber ITtaintenon bienen, roeil 
bie bann keinen (Brunb 3ur Klage h^be. Hls 
ob eine $ttm» bie „abfolute herrjeht", keine an* 
bern mittel unb TDege fänbe, Ctfelotte um bie 
(bnabt bes Königs 3U bringen! „Hls ber König 
3U TKonts voax", [djreibt |ie, „tyat ich ™™ Beftes 
allen Damen 3U gefallen, man lobte mich unb 
td) öaehte ich fyätte toas [chönes ausgericht. IDie 
ber König toieber 3urückkommt, oerbrof} es ber 
alten 3ott, baß man mit mir 3ufrieben getDeJen." 
Unb besiegen |oll bie Stimmung bes gan3en 



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königlichen fjoflagers gegen fie auf einmal um* 
getoanöelt fein! 

Dabei traut fie öer 5^u r u>eld)e Stanfcreid) 
regiert, öie kleinlichften Schikanen 3U: „Alle 
(Tag t^ut fie mir brüsqutren, lagt mir an öes 
Königs (Eafel öie Schüjfeln, roooon ich effen roill 
cor öer Ras roegnehmen, toenn id) 3U i^r gehe, 
fieht jie mich über öie Helfet an unö fagt mir 
nidjts unö tad)t mich aus mit ihren Damen". 
Das alles aber l)at £ifelotte nid}t abgehalten, 
öie „alte Rumpumpel" öod) imeöer 3U belügen. 
Stimmung unö fjanöeln fte^en oft 3ur gleiten 
Seit in ftarkem HKÖer|prud). tDäljrenö £ifelotte 
auf öem fjeiöelberger Sc^log b er g öas 5^ttieren 
ntd)t gelernt 3U haben erklärt, fyat jie bod) 
roieöer öie ©unft öer t>erhafcten 5rau gefugt. 
„(Db ich 3 roa * mc "t Bejtes tljue, |o kann ich & oc h 
öes alten tDeibs (Zmnft nicht erlangen/ 1 ®ft 
mufj fie gegen ihren Willen ihren IDeg 3U öen 
(5emäd)ern öer fltaintenon nehmen, gleichwie fie 
in einem Befud), öen ihr $xau oon fltaintenon 
abftattet, gerne eine Demütigung öer fto^en 
Dame 3U jehen glaubt. Ofelotte mufj felbft 
ge|tef)en, ba& fie manche Gefälligkeit ihr oer« 
öankt. „Sie h<*&* mich," f treibt 5rau oon 
fltaintenon, „aber gleichtoohl ertoeift fie mir 
mehr Rückfichten als mir oon ihr gebühren." 
3n öen wenigen pertraulichen Briefen, öie ihr 
Deranlaffung geben (ich über Cifelotte 3U äufeern, 
finöen roir öen flusöruck eines milöen Urteils, 
kein IDort, öas eine Spur öes fjaffes in (ich 



70 — 



trüge. Sie ljat ber Prm3efftn Urfini gegenüber 
bie Über5eugung ausgefprochen, baff fie ben fjag 
öer fjer3ogin nicht oerbiene unb »eicht, auch ba, 
mo jte oertrautejter tDeife fid) äußern könnte, 
jebem garten Urteile aus. 

Ruhe unb (Taktgefühl ^aben alle 3eitgenöjft« 
fd)en Beriete biefer merktoürbigen 5rau ntd^t 
beftritten. Hud) umfjte fie, u>as Cifelotte Don 
ihr ^ielt; was fte nicht felbft hörte, konnte fie 
oon anöem erfahren. (Es \}at in biefem ttefe 
Don 3ntriguen in biefer XDelt oft zweifelhafter 
Kreaturen auch Beri(hterftattem unb 3anfchen* 
trägem nicht gefehlt. (Eine kluge, menjchen« 
kunöige 5*öu lieg fid) baoon nicht erregen, fie 
brauste biefe trüben fremben Quellen nicht, wo 
ihr fcharfer Blick auch * n geheimen Regungen 
ber Cifelotte htnetnfchaute, fl* »u&te genau wie 
ihr eigenes Porträt in ben Briefen ber £ifelotte 
gezeichnet war. 

Aber ber tjer3ogin oon (Orleans ging gerabe 
bas ab, was man tDeltklugheit nennt, fie konnte 
ihre heimatliche 0ffenl}eit unb oft feljr volks- 
tümliche Grobheit nicht verleugnen. Dabei ift 
fie leichtgläubig, nimmt alles auf, was man aus 
bem £ager ber Htaintenon oft mit wohlburch* 
bachter Hbficht ihr 3uträgt, wirft bie nachritten 
wie fie kommen burdjeinanber. Kaum gebaut 
war bie Hebe fchon aus bem Ittunbe in einer 
$orm, bie man in verfeinerten Kreifen nicht 
gewohnt mar. Sie fleht Dinge, bie anbre nicht 
fehen, glaubt vieles, n>as unglaubbar, [ieht ba* 



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— 71 



bei aud) Dieles fef)r fdjarf unb gut. (Eine merk« 
u)üröig roedjfelnbe Stimmung ijt bei ifyr bemerk* 
bar. Sie toill fid) ntd)t argem, txmljrenb man 
ben 3orn in tyren Kopf (teigen jtefjt, fie glaubt 
bie anbern mit Kütjle unb Derad)tung, mit gletd)- 
gültiger £u|tigkeit 3U ftrafen, roätjrenb jie in 
gleichem Ittomente in jeben Blick ber tttaintenon, 
in jebes $d)tnun3eln bes Königs toie in ein IDetter» 
glas hineinfielt. 3e kühler unb oornefymer „bas 
teuflifdje tDeib" tyren Hngriffen begegnet, um (0 
kräftiger wirb bas fjetbelberger Deutfd) ber £i|e* 
Iotte. (Berabe bas Unnahbare, bas (Befyeimnis. 
oolle im tDejen ber ITIaintenon unb in ifyrem 
Dertyältnis 3um König gibt bem Kopfe ber Pfäl= 
3erin immer neuen Stoff 3um Denken unb (brübeln. 

Dod) gab es aud) Seiten, ba man fid) roieber 
oerfö^nte unb mu)erbrüd)lid)e Steunbfd^aft burdj 
(Tränen unb reueuolles (Bejtänbnis befiegelt roarb. 
Die „alte 3ott" konnte fogar in £ifelottens Rügen 
gar ni^t übel ausfegen, fogar lobenswerte Dinge 
tun. Hls nad) bem (Tobe bes fjer3ogs t>on Orleans 
etwas tDinbftille in biefem Sturme ber £eiben* 
fd)aften eingetreten toar, freute fid) £ifeIotte 
nldjt, für einige (Bnabenberoeife bes Königs als 
ein Seiten ber oon ber Ittarquife ausgetjenöen 
(5efinnung iljr 3U banken unb fie it)rer unoer« 
brüd)lid)en 5?cunbfd)aft 3U oerfic^ern. fln tfjrer 
Dankbarkeit, bie nur mit bem £eben enben 
könne, möge man md)t 3roeifeln. „Alle tDo^l- 
tliattn bes Königs gelangen burd) Sie an mid} 
unb balb wirb meine Sreunbfdjaft ber 3fyten 



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— 72 — 



fdjulbigen Achtung gleichkommen." £ifelotte, bie 
eine fjerrjehaft über ihren eigenen Kopf ber 
HTaintenon perunes, kann fie roieberum um Rat- 
fd)lag unb Belehrung bitten. 

IDer oermag ben Kätfeln bes Seelenlebens 
nad^ugehen, öie wir felbjt im Husbrucbe ber 
Briefe als bes eigenften Befcenntniffes niemals 
gan3 erklären Rönnen! 3roei grunboerfchiebene 
Itaturen, bie fich abftie&en, l)at bie (Befriste 
an einem piatje nebeneinanber geftellt. So oiel 
aber kann auch ber fd)lid)te|te TTTenfchenkenner 
aus Cifelottcns Briefen entnehmen, baff es bei 
allen natürlichen (Begenfäfcen bod) ber Sonnen» 
könig ift, in beffen £idjt unb Statten beibe 
5rauen gehen. (Erft ber Schatten mad)t uns oft 
im Bilbe bie £inien beutlid). 

£ifelotte fyat bas (Beftänbnis abgelegt, ba& 
nur ber Glaube, als Ijabe bie HTaintenon i!)r 
bie (Bnaöe bes Königs endogen, ber (5runb ihres 
fjaffes geroefen fei. Hn Sophie ^at fie getrieben, 
bafj nur ber £iebe 3um König ihr fjafj gegen bie 
ITtaintenon entfprungen fei. tDir toiffen aus ben 
Berieten aller bem fjofe Ita^efteljenben, aus ben 
Briefen ber £ifelotte felbft, txrie aufrichtig ihre 
Dereljrung für ben König mar, ben fie zärtlich 
toie einen Dater liebte". Grofc alles tinheiles, 
bas ihrem eigenen Qaufe, rote mir feljen roerben, 
von bes Königs Politik unberfutyr, h a * fie in 
iljm einen „ guten unb geregten fjerrn" gefe^en. 
IDie Diele, konnte auch £ifelotte fid) bem (Ein« 
brücke biefes mächtigen Monarchen nicht ent3ief}en, 



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öeffen Grfdjeimmg geraöe ihren ftark ausgeprägten 
Begriffen oon „(Branöeur" fefjr entjprad). Sie 
mar oon geraöeßu kinölichem $tol3e erfüllt, an 
feinem Ijofe etoas 3U gelten, jo gan3 ä la mode 
3U fein, ttlan kann öen tDechfel ihrer Stimmung 
an öem jeweiligen Stanöe 6er königlichen (Bunft 
bis in öie feinjten ©emütsbetoegungen hinein be* 
meffen. Bas (Befühl, burd) eine Ittaintenon t>er* 
örängt 3U jein, get)t öurd) alle ihre Äußerungen. 
Eber fie bebenkt nicht, baß ihre ftarken Hn* 
griffe gegen öie (Ehe öes Königs, ifyr Kampf 
gegen öie Derfchroägerung mit feinem Baftaröen* 
gefd)lec^t ihre Stellung 3eihoeife erfc^roeren mußte. 
Itun fiel)t fie an öer Seite öes Königs eine 5*<*u 
herrf djen, öie, Don armer Herkunft, als einfüge 
Cebensgefä^rtin eines Poffenöic^ters öie l)öfif dje 
IDelt regiert. „3n einer chaise ä porteur, fo 
man auf oier Räöer gefegt fjat, fiet)t man fie 
thronen, t>on oier Kerlen ge3ogen, roährenö öer 
König roie ein £akai nebenhergeht." (Eine S^au, 
öie „ignorant unö nichts als öas Bürgerliche 
oerfteht", läßt fich oon Prin3en unö Pri^effinnen 
an ihrer dafel aufwarten, fich oon & cr Dauphine 
roie oon einer Kammermagö frifieren, nur um 
roenigftens eine Königin nach3umachen, öie fie 
nicht h^t toeröen können. So öurchbricht fie alle 
Schranken öes t)öfifc^en £ebens, fifot mit ihren 
Damen auf Haburetten, wohin öoeh nur öie 
Angehörigen öes königlichen Kaufes gehören. 
„Die gan3e tDelt ift ,in öen Hugen öer Cifelotte' 
oerkehrt". „Diefe Seit, fagt fie, ift öifferent, von 



— 74 — 

6er, ha öer König mid) bitten fcam, 311 erlauben, 
öafj ITtaöame Scarron mit mir nur einmal effen 
mödjte, nur um TITonfieur öe tttaine, fo nod) ein 
Kinö war, {ein (Effen 3U föneiöen." 

Alle öiefe Äußerungen fpredjen öeutlidj : (Eifer« 
fucfyt unö Rangjtol3 finö Ijier öie (Brunbtöne i^rer 
Stimmung. 

röte feiten eine 5rau ift fid) Ofelotte öen 
(Emporkömmlingen gegenüber i^rer Hbftammung 
bemüht. Hn einem fjofe, wo eine bürgerliche 
Itlatntenon öie Königin fptelen will, 6er König 
felbft öurd} jein ITTad)twort [eine eigenen Krea« 
turen 3U fürftlicfyem Stan6e emporhebt, 3eigt öie 
f}er3ogtn oon Orleans me^r als öeutlid), öa& 
(ie, öie (Eodjter 6es Kurfürjten üon 6er Pfal3, 
nid)ts geringeres fei, als öie fie umgebenöe (be- 
fellföaft, welker fie fo gerne öen (Ehrentitel 
öes £umpengefinöels Derleifjt. Diefe Ducs haben 
nadj ihrer Itteinung nur tDüröe, keine (beburt, 
was fie finö, oeröanfeen fie öer (bnaöe öes Königs. 
Das (bottesgnaöentum fte&t t^r ftarfc im Blute: 
„Die öeutfdjen prin3en ^aben (Bott 3um Dater 
unö 3ur ITlutter, fie finö frei. Die emporgefcom» 
menen Dornehmen 3U Derfailles finö gemacht, 
wie man Pafc^as unö De3ire mad}t. So ein 
lumpener Duc will einem Pfal3grafen öen Rang 
ftreitig machen!" ruft fie einmal aus. tttit öer 
„(Branöeur" am fran3Öfifd)en fjofe, wo öie prin- 
ce8 da sang unebenbürtig heiraten, ift es nicht 
weit her. (branöeur ift nur bei öen öeutfdjen 
Sürften, „öenn fie traben feeine Bürger 3U Der» 



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— 75 — 



manbten unb bienen md)t". ITtit Hjrem (Bemafyl 
mufj (ie fid) über foldje Dinge oft ge3ankt fyaben, 
öenn: „IKein fjerr", fdjretbt fie, „bilb ficfy ein r 
6a& kein Dergleichen mit i^m unb einem Kur* 
fürften 3U machen fei." Darum toil! fie ifyre 
(Tante oor jeber 3urudi[e^ung bewahrt toiffen, 
in bem freuöigen (Bebanften, mit ifyr auf ber 
Reife nad) ^wbem ein Kenbe3oous 3U Ijaben. 
Sie forfc^t genau aus, ob man bie fjer3ogin 
oon Hannover aud} mit einem 5<*uteuil beehren 
unrb unb allem nadj ift fie über biefe totdjtige 
Srage bes ^öfifdjen Zeremoniells mit iljrer Um» 
gebung nic^t einig geworben. „Stinkfjoff artig", 
fagt fie, ift man t)ier. (Es roirb ein gan3er plan 
ausgebaut, toie fie inkognito mit öer ([ante 3U- 
fammentreffen unb plaubem könne. „IDtll midj 
aisbann mit (Euer £iebben unb ©ncle in einer 
Kammer einfperren, altoo id) mdjts anbers als 
bie alte £ifelotte begehre 3U fein, xoomit (Euer 
£ieböen alles madjen können, n>as (Euer £ieb» 
öen beliebt, benn id) bin unb werbe biß in 
tobt (Euer £iebben £eibeigen oerbleiben unb ba- 
mit werben mir alles bes oerbriefjlidfen (Be* 
pränges quit fein/ £ife!otte will, wie fie oft 
bekennt, nt^t otel oon 3eremonie wiffen unb 
öod) l)ält fie oiel barauf, wenn ifyre eigene Perfon 
babei in 5* a 9* kommt unb kann über einen Stfo 
00m ober hinten im IDagen ernftfjaft bishu= 
tieren. „Geburt ift oor nichts 3U achten, toenn 
keine (Eugenb öabei ift," meint wofyl £ifelotte. 
Do$ ift niemals über fürftli^e „miffteiraten", 



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— 76 — 



toenn fie gar in bürgerliche Kretfe eingegriffen 
Ijaben, fo berb, fo Ijart, ja man Rann fagen, fo 
brutal geurteilt tooröen, toie aus ifyrem TTtunöe. 
„(Bort oer3eif)e mtrs, td) glaube id) oergäbe einer 
Dame efjer 3ef)n (balants, als eine tTCisfyeirart)!" 
Der f)od)mut öer englifcfyen (brofjmutter, öie lieber 
oon öen (Bnaöen öer nieöerlänöifdjen Staaten 
leben, mit fremöen TTtitteln fjof galten toill, als 
nid)t nad) außen l)in fürjtltd) fid) 3U 3eigen, ift 
als (Erbftüdt aud) auf öie (Enkelin, toenn aud) in 
anörer $oxm, übergegangen. tDic fyafjt jie bas 
(Einbringen öer Unebenbürtigen in öen fürftlidjen 
Stanö, öas Dermengen öes „HTäufeöretfes mit öem 
Pfeffer"! (beraöe öie (Eugenö, toeldje fie rüt^mt, 
gilt bei öer efyrentoerten Rpotfyekerstodjter ftnne 
£i[e gar roenig, öa fie öen 5ft r l* cn Ceopolö oon 
Defjau 3um Ulanne bekommen, öer „ein altes 
fjaus oerfdjänöet". „(Es kann einem oerörie&en, 
bafe [0 manche efyrlicfye £eute fterben unö fold) 
eine Bejtia leben bleibt. Ulan [ollte nur Apo- 
theker oon feinen Söhnen machen. Don einem 
|old)en Kerl kann nidjts gutes kommen. 3d) 
fyoffe, öiefer ka^le Sü*! 1 au f einem Utift 
mit feinem Rpotf)eker3eug fterben." 

Unö gar jene (Eleonore ö'Olbreuje, öie HTai* 
treffe (Beorg tDtlfyelms oon (Teile, öie ftcfy glüdt* 
lid) gejdjätjt fyätte, einen oon ITIonfieurs Kammer« 
öienern 3U fjeiraten, als fjer^ogin an öer Seite 
oon £ifelottens Paten! Hun aud) in Deutfd)lanö, 
wo „öie $ürftenge|d}led)ter bisher fiel) pur gehal- 
ten l)aben, alles oerquadtelt" toie in Srankretfy 



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— 77 — 



ba kein <5efc^Iec^t mehr tjt, „toel<hes oier ^ncn 
oon Dater unb ITtutter beroeifen könnte!" „3<h 
glaube, toer ber f)er3ogin oon (Teile Genealogie 
recht nach ber tDa^eit auffegen |ollte f toürbe 
un[er guter Pathe fich mit oiel fjanbioerksleuten 
alliirt finben. tDenn toir |o reich toären, als 
toir oon gutem fjaus fein, mürben toir mef)r 
baar (Belb haben, als nun." Dteje Dame, roeldje 
gleich ber ITCaintenon ben (Ehrentitel einer „hoch* 
müßigen 3ott" führt, Ijat gan3 toie bie fran- 
3Öfif<he fjeje grofje plane im Kopf, ihr Bajtarben* 
geblecht mit altfürjtlidjem Blute 3U mengen, 
fjätte gerne ge[e^en, toenn itjr „Baftarblem" 
Sophie Dorotfjee, bie fpätere ljer3ogin oon Rty* 
ben, ben Prisen (Beorg oon Dänemark gehei- 
ratet. 3a, ein „folctjes Stück roa 9* es 
jogar in gleicher IDeije auf ber fjer3ogin Sophie 
Ältejten, ben Prin3en (Beorg £ubioig, für iljre 
(Tochter 3U fpekulieren, toas nach £ifelottens Rn* 
fdjauung „in ben Eiligen (Beift gejünbigt toäre". 
Bekanntlid) gelang bie[e Spekulation. 3u oer* 
letjtem Stol3e kommt 3ugleid) bie (Eiferfudjt, baß 
biefe unebenbürtige 5^u (Beorg tDil^elms auch 
noch bas (Blück fyat, in ber Höhe ber Sophie 
leben 3U bürfen. „Da3u i|t |ie nicht geboren, 
toie ich Wteibt £ifelotte, „unb ich, M* ^ 
(Euer £iebben über alles liebe, ehre unb rejpec* 
tire, mufj immer [0 toeit oon (Euer £iebben jein, 
öafj mein Schreiben Sie kaum emichen können." 
(Eine (Eiferfudjt oon rührenber (Treue! (Es kamen 
roohl bie 3eiten, ba auch £ifelotte burch ihre 



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— 78 — 



tEante an biefe I)er3ogin von (Teile „etwas Sdjönes 
unö fjöflidjes fagen läfjf, oon tfjrer flufmerk- 
famkeit einen Augenblick gerührt ift. Dod) ein 
Dierteljafyrfyunbert voll (Erfahrung über tftenfdjen« 
wert unö Tllenföenglück fyat fie oon 5er fln» 
fcfyauung nid)t feilen können, bafj ITtesalltancen 
tote Krankheiten feien, „ba& man fid} mit joldjen 
Derirrungen encanaillirt , im Umgang mit 6er 
unebenbürtigen Derwanbtfdjaft unoermerkt iljre 
elenben unö ignoblen Senttmenten annimmt". 

tlid)t anbern (Brabes ift in ttjren Rügen bie 
^eirat ifjres Sohnes mit „öer malitiöfeften (Erea- 
tur ber IDelt, bes Königs unb ber tttontefpan 
Hodjter". „£iefje mir mdjt oorwerfen, in fo 
was 3nfames confentirt 3U fyaben, aus Jlatterie 
unb aus freiem tDillen, benn bas könnte idj 
mir felber nicfyt oergeben unb bas würbe mein 
teutfefy fjer3 unb Geblüt, fo id) immer nod) oer- 
fpüre, in (Ewigkeit nidjt 3U gut galten. 41 

Solche Birkungen mu&te aud) eine (ftemein* 
fdjaft mit ber5*an3iska b'flubtgnä Ijeroorbringen. 
Sie ift in £ifeIottens Äugen „ber Hüft, beffen 
(Beftank ber König rieben muff. „IDemt ber 
grofce mann," fdpreibt fie an Sopf)ie, „wollte, 
baß wir feinen TDeifjraud) galten follten, fo follte 
er uns aufs tüemgfte golbene EDeifyraudrfäffer 
geben, folgen auf3uf äffen." 

So blinb unb urteilslos fie in ber £etben* 
fdjaft aud} fein mag, in einem Punkte fal) fie 
klar, baß bie abfolutiftifdje 3bee £ubwigs XIV., 
welche bie Unterwerfung ber proteftanten unter 



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■ 



— 79 — 

feinen IDiflen oerfongte, oon öer tttamtenon 
unterftüfct unö geföröert u>ar, roenn aud) in 
anöerm Sinne als £ifelotte es ergrünöen konnte. 
Sie [alj mit Red}t in öicfer Unterörückung reit» 
giöfer Stei^eit öen beginnenben tDirtfdjaftttdjen 
unö jtttlid)en Huin öes Dolkes. Sie fanö mit 
gan3 natürlichem (Befühle heraus, u>ie eine 3um 
Politiken Sutern unö 3ur gejellfchaftUchen Übung 
geiooröene Deootion öie IDaf^eit unö Suoer* 
läfjigkett aller £ebensbeöingungen untergraben 
mufcte, ohne 3U &>i[(en, öafj im 3*fuitismus, öen 
jie bekämpfte, aud) 5 rau oon tttamtenon öurd)* 
aus nid)t ihren reltgiöjen unö morali[^en Bunöes* 
genoffen gehabt hat. Sie fie^t mit oollem Red)t 
in öiefer $tau öie tDäcfjterin öer kirchlich, oöer 
tüte |ie es nennt, bigott geftimmten 0rönung. 
3mx>ietDeit jie nach £i[elottens ttteinung öas Hmt 
einer Kefcerricfyerin über öiefe gottesfür^tige 
tDelt geführt, öurd) ein Regiment pon Spionen 
über Reformierte unö 3ön|eni[ten Had)rid)ten 
erhalten, fid} [ogar um öie (Einjefcung öer Pfarrer 
gekümmert Ifat, öürfte fchtoer 3U fagen [ein. 
IDenn £i|elotte aber meint, mit ein paar ttlil* 
Honen wäre öas Sdjidtfal öer Deröammten ab» 
3Utoenöen getoefen, [0 oerjteht fie öie £age öer 
Dinge falfd). tDahrheit unö Phantafie mengen 
fid) in ihrem Kopfe manchmal fet>r lebenöig öurch- 
einanöer. 

Aber aud) nad) öer anöem Seite kennt £ife- 
lotte öie (befahren öer kirchlichen Politik, öenn 
5rau oon tttaintenon (chürt in öer eigenen Kirche 



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— 80 — 

fo übereifrig bas 5*uer, baß feine Summen auf 
bas fjaus 3urüA|d)lagen unb 3erjtörenb um fid) 
greifen. 3n bem Streite gegen ben Perfekter ber 
gallikanifdjen Kirdje, ben ßratorianer (ßuesnel, 
beffen oielbegefyrtes (Erbauungsbudj: „Die Betraf* 
tungen über bas Iteue ftejtament" com (Erabifdjof 
3u Paris , bem Karbinal Uoailles approbiert, 
Don Bojfuet empfohlen mar, jtefjt bie ITtarquife 
im Dorbertreffen. Die Derbammungsbulle (Tie* 
mens* XI. ijt ifjr tDerk, ot)ne bafe jie im Über- 
eifer merkt , baß ifjre Angriffe aud) gegen ben 
Hefter IloaUtes |id) richten, ben fie als tftit* 
Kämpfer gegen bie fjerrfdjaft ber 3*fuiten über 
bie Seele bes Königs fid) ausgetoäljlt fyat. 3n 
Unklarheiten unb tDiberfprüdjen, bie einer oer* 
fdjiebenartigen Stellungnahme 3um tDillen ber 
Kurie Raum geben, toirkt biefes Derbammungs» 
inftrument 3er|törenö auf bem Boben ber fran* 
3Öjifd)en Kirdje. 3n Staat, t)of unb (Befellfdjaft 
greifen bieje ©egenfätje ein. Dom kird}Iid)en 
Stanbpunkte f)ängt (Hinflug r Stellung, Dulbung 
unb Sieben ab. (Es ijt bie rechte £uft, too bie 
3ntrigue im Stillen roie bas Unkraut nrndjert, 
XDafyrfyeit unb Dertrauen oon £üge unb jd}euer 
Dorfidjt, reiner (Blaube oon tjeudjelei Derbrängt 
nrirb, too nad) £ifeIottens ITCeinung „bie Salfä* 
fyeit regiert". IDenn man jemanb ins Unglück 
bringen roill, muß man nur fagen: (Er ijt f)u» 
genott ober 3ön|eni|t, jo ijt bie Sadje getan. 
Bigott 3U fein, ijt hier bie große UToöc unb 
n>er nid)t auf ben Sdjlag fein kann, f}at nichts 



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— 81 — 



3U hoffen. Die fjeuchler lad)t man nicht aus, 
fie lachen anöere aus, fo nicht finö tote jte, 
öenn fic Ijaben öie Ulac^t unö (bemalt in öen 
Qänöen, fie öenken, öie Gottesfurcht ift 3U 
allen Dingen Hut} unö ^at öie Derhei&ung uon 
öiefem unö jenem £eben". 3n öiejer £uft ijt 
Ctfclotte nicht 3U Qaufe. (Eine grunöoerfchteöene 
£ebens» unö tDeltanjdjauung trennt fie , öie ka* 
tholifd) gemoröene (Tochter Karl £uön>igs, trofc 
(Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten 00m „Sonnen- 
könig unö feinem oerhafcten Schatten". 

Der kühl btnktnben, jeöes IDort abt»ägenöen 
5rau oon ITtaintenon, in öeren 3nnerem öas 
(Bemütoolle kaum einen piatj §at, öie alle ihre 
(Befühle in ftarker Zurückhaltung beherrfd)t, 
fteht öie in ihrem gan3en tDefen naturtoüchfige 
£ifelotte gegenüber, öie oft 3ügelIos in öer 
£eiöenfd)aft toeit mehr fagt, als überlegt. Das 
oomehme geiftige Übergewicht öer fran3Öfifchen 
Dame rei3t in feinem oorfidjtigen , oielöeutbaren 
unö rätfelhaften flusöruck öas leicht erregbare 
(Temperament öer Pfäl3erin, öie unklug, in öerber 
Unfchulö nur 3U oft mit ihren innem Hegungen 
auch ih*e Schmähen bloßlegt unö öamit mehr 
als einmal öen (Triumph ih**r menfehenkunöigen 
überlegenen (Begnerin leicht macht. TTtanch tref= 
fenöes, urteilsficheres IDort, manch kinöliche An- 
fchauung, oft auch öie maffioe Sprache öerber 
(Empfinöung finö in öiefem Kampfe £ifelottens 
abroehrenöe tDaffen. 

So blieben öie (Begenfäfce unübertoinölich. 

3. HMUe, CHfabetl) afjarlotte o. Orleans. 6 



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82 — 



©b aud) IDinbjttlle unb Sturm, Krieg unb $x\^ 
ben im £ager 6er beiöen merkroürbigen $xautn 
geroedjfelt, unauslöfdjlid) blieb ber tjafe, für ben 
in £ifeIottens f)er3en aud) $rau von HTaintenon 
kein Heilmittel gefunden fjat. £ange l)at bie fjer* 
3ogin toarten müflen, bis ifjr djrijtlidjer tDunfd), 
„ben alten Teufel berjten 3U fcljcn", roenn aud) 
oljne (5erau[d) , burd) einen fanfteren (Tob ber 
TTtarqui[e im 3af)re 1719 erfüllt toarb. 

„(Ein Donnertoetter ," meint aber £i|elotte 
bod), „fjabe bie Krankheit ber breiunba^ig« 
jäfyrigen $xau einfdjlagen mad)en!" „Die alte 
Sdjrump ift üerreckt!" ruft fic in getxufj nid)t 
feinfüljlenbem iEriumplje aus. 




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m 



Bleibt uns auch Cifelotte auf biefem von Gegen» 
jtrömungen unterkühlten Boben ber Kirche 
ben Betoeis eines gegen jie perfönlicf) gerichteten 
Rngriffes ber TTtaintenon fdjulöig, [o genügen 
bie ftarken GegenfcHje religiöjer Huffaffung allein 
fdjon, um bie bereits oon anbern (Etnflüflen gegen 
bie l)errjc^en5e 5*<*u bes Königreichs eingegebene 
Stimmung in öen Grunblagen ityrer tDahrheit 
unb (Einbilöung 3U befejtigen. 

Um ber Politik mitten f)at man £ifeIotte 
i^ren Glauben abfd)u>ören laffen. Sie [elbjt fagt, 
öafj berjelbe niemals |ef)r fejt getoejen |ei. Don 
bem, toas burd) ihre Ziehung, oon religiöfen 
unb kirchlichen Begriffen ihr oon fjauje aus mit» 
gegeben roarb, konnte jie alfo nicht oiel oerlieren. 
TTtit bogmatijchen 5™9*n mar ifjre 3«genb nicht 
geplagt toorben, am toenigften konnte [ie bei 
tfyrem Pater bas Dorbilb eines innerlich religiös 
über3eugten, geläuterten unb kirchlich gefetteten 
Hochkommen ber kaloinijchen Pfeifer finben. Hud) 
bie ftusfprüdje ihrer Gante Sophie roaren nicht 
geeignet, bie Gefühls« unb Gebankenroelt ber 

6» 



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— 84 — 



jugenblicfyen Pfa^erin in ein für fid) abgegren3tes 
(Blaubensfoftem em3U3H>ängen. Starke Deootion 
mar bamals roeber nadj pfätyfdjem nod) tjannö» 
t>erjd)em Schlag. Der in einem umfangreichen 
Briefu>ed)jel 3eitlebens fortunrkenbe (Einfluß ber 
Sophie ijt ein auffallenb ftarker. Dteles naljm 
von öiefer geiftreidjen 5t*unbin eines £eibni3 aud) 
Ofelotte auf, alle i^re flusfprüdje unb Urteile in 
^eiligem (Emjte unb fjarmlofem Sd)er3e kann man 
auf ifyre (Quelle nad) fjannooer oerfolgen. (Einem 
tieferen (Einbringen in bie <5ef)eimni[Je ber H)elt, 
in bie bunkeln 5* a 9*K religiöfen £ebens, in bie 
(Breden bes (Erkennens \tanb fie ferne. Die 
TTtetapI)t)ftk toar ein unbekanntes Reid) für jie. 
„Don unitäs unb nid)ts," jagt Jie einmal, „kann 
id) nid)t raifonniren, benn td) begreife nid)ts 
baoon." 

IDas iljrem Ktnbesf)er3en bie gute 5*<*u von 
fjarling oon frönen Sprühen, Der|en, £iebern 
unb (Bebeten eingeprägt, roar tf)r geblieben. 
Unter ben (Einbrücken ifyres £ebens unb [einer 
mannigfachen (Erfahrung fyat (ie nur bie ^eilige 
Schrift als il)ren tDegroeifer fejtgefjalten unb fid) 
fonft, urie ber (Englänber 5^^i"9r »Up bi^en 
Religion apart für fid) 3ured}tgemad)t". (Es ift 
ein einfacher fd)tid)ter dlpriftenglaube, ber jid) 
bem lieben fjergott ergibt, o^ne Diel (Bebet unb 
Ktrdje feinen tDillen erfüllt, in guten IDerken 
[ic^ öufeert unb [on[t ben geraben tDeg im £eben 
getjt. „(Blaube unb gute IDerke müffen alle3eit 
beijammen fein, Keilen bie guten IDerke bie 



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— 85 — 



5rücf)te bes Glaubens fein." IDcr gar nid)ts 
glaubt unb chriftlid) lebt, wirb nad) ihrer Huf« 
fa[[ung eher feltg, als wer alles glaubt unb 
ein (Eqrann ift. „So hoffe i<h, weilen id) (Bott 
treulich anrufe, mein Beftes tlfue, nad) jeinen 
Geboten 3U leben unb ihm ohne Aberglaube 3U 
bienen, ba& nad) melen (Erüb[alen, fo er mir in 
biefem £eben 3ugefd)i(kt, meine Sünbe genung fjat 
büßen machen unb bas Dertrauen, (0 id) ^abe 
auf bas Derbienft unfers tjerrn 3*fu d^riftt mid) 
nad) biefem £eben in Gimmel bringen wirb, bin 
alfo weber t>or biefer nod) oor jener tDcIt in 
Sorgen." Sie ijt überjeugt, „baß bie red)te 
Religion bie i|t, |o ein (E^rift in feinem t)er3en 
hat unb auf (Bottes TDort hört; bas übrige feinb 
nur Pfaffengefdjwätj. 3n welker Religion es 
aud) fein mag, man kann allein burd) bie tDerke 
oon red)tem (Blauben jubiciren." 

So fe^r £ifelotte jtets räjonieren, ihrem 
Denken keine Schränke anlegen laffen will, fo 
macht (ie bodj oor (bott als bem Unbegreiflichen 
fjalt. „(bott 3U abmiriren unb 3U eftimiren burd) 
[ein IDerk, bas kann man fchwerlid) laffen, fo» 
balb man nur nadjbenkt, aber (bott 3U begreifen, 
bas komm mir nid)t 3U. (bott ber allmächtige, 
ift fo unbegreiflich, baß es feiner Allmacht 3U« 
wiber unb kleinlich ift, wenn wir ihn in ben 
Schranken unferer (Drbre wollen einfließen". Um 
ihn ehren 3U können, finb bietUenfchen 3U fdjwach 
unö 3U gering, „Rad) unferer Hrt 3U reben müf- 
fen wir unferm fjergott wohl tttenfehentugenben 



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— 86 



geben, alfo kann man fagen, ba& alles (Bute 
unb Böge 3U (Bottes (Efjrc gereicht, benn tote er 
bie Bögen jtraft, |o gegen if)n jünbigen, baraus 
entfteht feine (Gerechtigkeit, u>as (Butes geflieht 
kommt Don ihm unö erroeift feine (Bitte." 

IDenn aber 6as (Etoige unö fjimmlif che fo ferner 
3U t>erftef)en ift, fo tft es aud) nur eine (Bnaöe 
(Bottes, toenn 6er Allmächtige uns erleuchtet, bas 
Jjimmlifche 3U oerfte^en, um bie Seligkeit ba3U 
3u erlangen. £ifelotte ift bur^aus beterminiftif^. 
„3n ben Ratf)fd)Iüffen (Bottes liegt alle Zukunft, 
er l)at bie (Befchicke ber tttenfdjen in ber fjanb, 
er ^at alles toie an Ketten gelängt. XDeil mir 
feine (Befdjöpfe finb r müffen mir toohl 3U ihm 
bitten, i^n loben, ihm banften, aber bas Beten 
kann an einem ewigen Katf)fd)tuf3 nichts änbem. 
Ulan ergibt fid) in ben IDillen (Bottes unb hofft 
auf (Ehrifti Derbienft, ber uns nad) biefem £eben 
in ben Gimmel bringen u>irb. Hn biefen gött- 
lichen Rathfd)lu|$ ift auch unfer IDille gebunben. 
„So ftarft unfere (Eigenliebe aud) fein mag, meiere 
uns allein kann glauben machen, baß roir einen 
eigenen IDillen höben, fo finben toir boch fo 
manchmal in unferm £eben, bafe ettoas anbers 
als unfer IDille uns treibt unb regiert, baß mix 
nichts tt)un, als toas längft oorgefehen mar, toas 
nur thun follen." 3h* $an$ts (Empfinben, alle 
ihre £ebensäufcerungen ftehen unter biefem IDil- 
len (Bottes. „(Beht mirs nad) meinem (Befallen, 
bin ich luftig, kommen mir öerbriefcltdi&eiten, 
bin ich unluftig, bis es üorbet ift." Über bas 



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— 87 — 



Verhängnis taufest aud) feein Ejorofkop hinaus, 
öas nur gut tft „oljne (Blauben jid} öamit n>ie 
mit einem Spiel 3U amü|teren, öenn es öioerttrt 
tr>of}I, wenn man öie llas ^tncinf tedit. " Bei 
ötefem (Beöanfeen über öie etoige Bejtimmung 
kommt if)r öas gan3e HTenjchenleben u>ie ein 
ITTarionettentfyeater t>or, „öemt man macht uns 
gefyen fyier unö öafjer, allerfyanö perfonnage 
fpielen unö öarauf fallen toir auf einmal um unö 
öas Spiel i[t aus". Der (Eoö ift öer poUcinell, 
öer einem jeöen [einen Stofe gibt unö ifyt oon öer 
Bühne oerfc^minöen lögt. „So lange man öarauf 
[tel)t r mufj mans (0 gut machen, als man kann, 
öas übrige öer Barmf}er3igfeeit (Bottes über* 
ia(fen." 

IDenn aber nach öiefer erotgen Beftim* 
mung aud) öie (Erkenntnis öes Uberiröifdjen nur 
eine (Bnaöe öes unbegreiflichen (Bottes ijt r öann 
Ijat öer TTIcnf^ feein Recht eine Hegel 3U machen, 
nac^ öer man feiig toeröen feann oöer nicht. 
„3d) fyabe nicejt Danitat genug, um mir jemalen 
ein3ubilöen f öa& mid) (bott öer Rllmädjtige in 
biefe IDelt gefanöt fyat, um aller Seelen Richter 
3U fein unö 3U roiffen roer jelig roeröen feann 
oöer nicht." Huf öiefem (Eingriff in öie (Ent- 
feh eiöungen (Bottes ruf)t öas Unglück aller 3eiten, 
öie 3tDietrad}t, öer f)ag unter öen Konfeffionen, 
um fo unbegreiflicher, öa es |id) um unfidjtbare 
(Büter fjanbelt. „Wollte (Bott," jagt £i[elotte, 
„toir nriifoten fo getx>tg r toarum fich öie örei 
chriftlichen Religionen 3anfeen, als man geunfj 



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— 88 — 



weife, warum fid) Me fjunbe bei&en. Denn 
orbinarie ijt es ums (Effen 3U t^un bei ihnen. 
Da& fid) bie chriftlid)en Religionen aber 3anften 
ijt um 5 r * u &*n 3 U geniefeen, fo kein Rüg ge» 
fehen, kein ®h r gehört unb nie in keines 
Blenjdjen t}er3 kommen ift. Das ift fdjwer 3U 
begreifen." 

TTIit natürlicher vernünftiger (EoIeran3 ftefjt 
bie (Tochter Karl £ubwigs, ber in ben mer 
IDänöen feines (Eintrachttempels eine gan3e ge* 
fd)idjtlid)e (Entwicklung 3U überwinben glaubte, 
über ben Konfejftonen. (Ein ausgeprägter Kon* 
feffionalismus ift ihr fremb. „tDenn id) bie 
tDafjrheit fagen folle, fo bin ich, wie flpoftel 
Paulus fagt, weber apollifch nod) paulifd), nod) 
kephifd), weber reformirt, nod) katt)oltfd) ober 
tutf)erifd}, fonbern id) werbe fo t>iet wie mög* 
lid) ift r eine redete (E^riftin fein unb barauf 
leben unb fterben." 

„Der Glaubens Grunb ift bei allen djrtft* 
liehen Religionen berfelbe", bteKatt}oUfd)en hoben 
if)n fo gut wie bie anbem. Der Unterfd)ieb 
bes Glaubens bei £ut^eranern unb Katholiken 
ift na^ i^ter ttteinung fo gering, „ba& es gar 
nic^t ber Tituse wertf) ift barüber 3U bifputtren". 

„Glaubt mir," f djreibt fie an bie uns nod) 
näher tretenbeRaugräfin£uife, ihre Stieffdjwejter, 
„ber Unterfdjieb ber (Ehriftenreligionen befteht 
nur in Pf affenge3änk , fo, welche fie auch f c * n 
mögen, Katholifche, Reformirte ober £utherifd)e 
haben alle Ambition unb wollen alle (Ehriften 



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— 89 — 



etnanber wegen 6cr Kettgion ^afeen mad)en, 
bamit man ü)rer Donnötfjen fyaben mag unb |ic 
über bie tltenfdjen regieren mögen. Aber roaljre 
Gfjrijten, fo <2>ott bie (bnabe getljan ifyn unb bte 
CEugcnö 31t lieben, kehren fid) an bas Pfaffen* 
ge3änft nidjt, fte folgen (Bottes IDort, fo gut fie 
es oerfte^en mögen unb ber (Drbnung ber Kirnen, 
in welcher fie fid) fmben, laßen bas <5e3änfe ben 
Pfaffen, ben Aberglauben bem pöpel unb bienen 
in ifyrem §er3en unb fudjen niemanb Hrgernufc 
3U geben/ 3n Religionsfadjen 3U 3anfeen ift 
toiber ben ^eiligen (Beift, „benn er ift ber (Betft 
ber £iebe unb bes 5^ c ^ cns r kann alfo unmög* 
li&l 3anfe unb Jjaber anrieten/ 1 „Aud) Cutter 
ift gewefen wie alle (Beiftlidjen in ber IDelt, fo 
alle gern IUeifter fein wollen unb regieren, " 
l)ätte nad) itjrer Über3eugung beffer getan „ feeine 
aparte Kird)e 3U machen an bas gemeine Befte 
ber (E^riften^eit gebaut, fid) mit IDiberlegung 
einiger päpftltdjer 3rrtümer 3ufrieben gegeben 
unb fo oiel mefjr guts ausrichten können". 
Hic^t unberührt oon ben (Bebanfeen einer Der* 
einigung ber Kirnen, womit tfjr Dater ol)ne 
tiefere religiöfe Über3eugung fpielte, worüber 
aud) Sophie ifyre ITtetnung in einem regen Brief« 
oerfeefyr mit £ifelotte aus tauf c^te, ftanb fie bod) 
aud) biefer Bewegung mit ftarfeem mißtrauen 
gegenüber unb fyätte mit einem bauemben $rit* 
ben allein fid) föon begnügt. 

XDctyrenb if^re (Tante, bie Äbtiffin oon fjer- 
forb, um bie Ratfei ber IDelt fid) abmütjt, ben 



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90 



wahren tt)eg 3ur (Blücfcfeltgkeit oergeblid} fudjt, 
Sophie oon fjannooer mit (&ei[t unb IDi^ fid) 
tyre flnfdjauung 3ured)t mad)t, läßt jid) aud) 
£i[elotte mit bem Unbegreiflichen bie £ebens« 
freube nid)t Derberben f begnügt fid) bamit aud) 
bie Hätjel bes 3*nfeits bem lieben fjerrgott 3U 
überladen. 

Hur bas Sinnliche ift für £ifelotte fa&bar. 
3n naioer, natürlicher tDeife oerfudjt jte, fo weit 
es geht, auch bie $rage ber Unfterblichkeit unb 
bes £ebens nad) bem (Tobe fid} oerftänbHch 3U 
machen, bleibt aber jchliefclich in ooller Skepjts 
hängen. 

3n ihrer ttäfye lebte ein alter glaubiger 
5reunb, il)r ehemaliger Stallmeifter ober fjof* 
meifter aus ber fjeibelberger 3eit, (Etienne Po* 
Her. HIs Angehöriger einer alten (Emigranten- 
familie war er in pfätyfcfye Dienfte gekommen 
unb mußte fid) in feiner Stellung am §ofe Karl 
£ubu>igs bie bauembe £iebe unb 5™unb|<f)aft 
ber jungen £iJelotte 3U erwerben. (Er ^atte f 
roie fie (elbft bekennt, „feine f)ofmeijterf teile reb* 
lid) oerricht". Seine Perfönli^keit mad)te auf bie 
Prin3efjin einen tiefern (Einbruck als bas päba» 
gogif^e f)anbu>erk ber 3u«9f« Kolb, bie nie 
recht emft oon ihrem Högling genommen worben 
ift. polier mar £ifelotte nad) 5rankreid) gefolgt; 
nic^t burd) einen beftimmten Dienft, wot)! aber 
burdj £iebe unb Dertrauen blieb er mit ihr 
uerbunben, in biefer fremben IDelt eine ber 
wenigen treuen Seelen. Alle Sorge unb Be« 



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— 91 — 



kümmernis fyat fie öem alten 5**unbe ano ertraut 
unb Uroft unö Rat bei tym gefunben. (Ein gläu- 
biger, ktrd)lid)er , frommer Hlann, oon feftem 
Gfjarakter, innerem abgeklärten tDefen, erfcfyien 
er tifetotte als einer üon ben toenigen, an 
öenen bie (Bnabe Gottes ifyre tDunber getan 
l|at. So roanbelte er bis ins fyofye Älter oon 
91 3afyren in (Bottesfurcf)t, ofyne oiel öaoon 3U 
reben, auf ben rechten IDegen eines (Eljriften, urie 
tfjn £ifelotte fiel} badjte, in öie IDelt bes (Blau* 
bens oerfenkt unb bod) alle3eit luftig babei. 3n 
ben (Tagen, ba ein perfönlidjer Derkefyr 3toifc^cn 
beiben feltener warb, trat ein reger Briefioecfjfel 
an feine Stelle, ber in feinem ernften (Behalt 
oon allem, ums £tfelotte [onft getrieben fjat, 
in oome^mer tDeife abftidjt. Don bem Ijannöoe* 
rtfcfyen unb pfäfyfdjen £one, in bem man fid) 
in oft red)t flauer tDeife gegenfeitig ladjen 
machte, audj religiöfe $tagen mit f)iftörd)en amü» 
fanter Hrt 3U roü^en glaubte, ift fyer nidjts 
3um merken. Ofelotte fdjroieg oor einem Wanne, 
ber el)rfurd)tgebietenb, „wie ein ed)ter fjeiliger", 
Dor ifjr ftanb. Hur bie Briefe ber f}er3ogin 
finb uns aus biefem Derkeljre erhalten. HTefyr 
als fonft urirb bie $™ge oon (Tob unb Unfterb- 
lidjheit befyanbelt. (Erotj alles (Emftes kommt 
aber £ifelotte aus Sroeifel unb Unglaube nidjt 
hinaus. Unfafjlicfy erjdjeint il)r biefe gan3e über- 
finnige, unfidjtbare IDelt. Derftänbnislos ftefyt 
fie ber tiefinnerlicfyen kontemplatioen tlatur Po- 
liers gegenüber unb madjt kein §et)l baraus 



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— 92 — 



oon öem, was unmöglich in ifyrer (Beöanften- 
toelt Aufnahme ftnöen kann. Über öas £eben 
nad) öem (Tobe ljat tyr öes Ulercurius oan 
Qelmont Bud) über öte TTIetempfocofe 311 öenfcen 
gegeben, toeldjes leljrt, öafc öie Seelen 5er Der» 
ftorbenen in öie £eiber öer Heugebornen fyin* 
über toanbern. Hber öie Seele unö ifyr £eben 
ift für £ifeIotte eben öas Unfaßbare. 3n ifjrem 
Streben nad) (Erkenntnis nur Don finnlidjen (Ein« 
brücken geleitet, mad)t fte jtd) öie merfciDüröigften 
Dorftellungen oon öiefen Seelentoanölungen, öeren 
prakttfd|en tDert fte, fcfylie&licfy oon £eibni3 be* 
einfiufet, aud) auf ifyre geliebten tjünbdjen an* 
roenöet. „tlad) meinem fd}led)ten Sinn 3U raifon* 
niren," fagt fie, „follte td) efyer glauben, bafc 
alles 3U (Brunöe gefyt, roenn mir fterben unö 
jeöes Clement, roooon wir tooröen, feine Partie 
toieöer 3U fid) nimmt, um urieöer roas anöers 
3U machen, es fei ein Baum oöer Kraut oöer 
fonft mos, öas urieöer 3ur (Ernährung öer leben- 
öigen (Treatur öient/ 

flud) in öiefen 5*agen bewegt fid) £ifelottens 
Denken nur in Kontrooerfen , bod) ifyren nur 
glaubbaren, nidjt aber begreifbaren (Bott roill fte 
ntdjt in einer allgemeinen ttaturkraft aufgeben 
laffen. ITCan füfflt, roie fie, öie fleißige Bibel« 
leferin, fid) bemüht, einen feften (Blaubensgrunö 
für ifyr Dafein 3U fdjaffen unö immer toieöer 
Sdjeu trägt, 3U einer reinen Itaturbetracfytung 
fid) 3U ergeben unö öem djriftlidjen töotte feine 
fjerrfdjaft über öie ITtaterie 3U nehmen, „beren 



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93 — 



£ebens[aamen öie ITatur erhält unö toieöer 3U 
(Brunöe füfyrt". 3ljre (Tante, öle pi)ilofopl)in 
von tjerrenfyaujen, pflegte „öte Dame TTatur öte 
beffere Ijälfte Gottes" 311 nennen. £ifelotte fyat 
oielleidjt aud) bie|e £efyre oon fjannooer herüber* 
genommen, aber ni^t |o geiftreid) oeröauen 
können, unö fölieftlid) öen Pro3e& öes erotgen 
£ebens, tote alle tfyre 3toeifel öer (Zmaöe (Bottes 
anheimgegeben, „öte allein öte TTtadjt fjat, aud) 
öie Seele unfterblicfy 3U machen". 

Rud} öas £eben im 3^nfeits madjt ifjr bar* 
um u>enig Sorge. (Eine Sel)nfud)t öortfytn kennt 
fie aud) in öen £eiöen öes iröij^en Dafeins ntd)t. 
„Die Störte a>iflen in toeld} £anö jie 3tefjen, 
aber mir armen ITtenj^en txrijjen nur, wo wir 
(ein, alfo gar kein IDunöer, öafj tx>ir nidjt [0 
grofc (Empreffement unö (Eil fyaben toeg3U3ie!jen, 
als öie Stördje." Den glü&feligen „Dorge(d)mack 
öes ewigen £ebens", öen ifjr oerjtorbener Bruöer 
noefy auf öer (Eröe empfunöen , kann fie nidjt 
teilen, öa ifjr [tark ausgeprägtes finnlidjes tDa^r- 
ne^men oon einer unfidjtbaren IDelt fid} keine 
Dorftellung machen kann, „öenn Hiemanö i|t 
jemalen aus jener IDelt kommen, um 3U fagen, 
toie es öorten ijt". ,,3d) bin [0 grob," [agt 
fie, „öafj id) geftefyen mufe, öafc id) ofyne mein 
Sinnen nidjts Rngenefymes begreifen kann, unö 
es null mir nid)t in öen Kopf, roie id) ofyne meine 
Rügen u>as fd}ön [et)en, nod) offne meine (Dfyren 
was Rngenefymes fyören, nod) offne Kopf öenken, 
unö öas fynöert fefjr meine 5wu&e 3«m Sterben." 



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94 



Um die roteöer3ufel)en, fo man oerloren fjat, 
Öa3u ift naefy Ofelottens Glauben „nid}t bie ge* 
ringjte Rpparentj". Da fie fid) ein foldjes tDieber* 
jetjen nur finnlid) oorftellen kann, jo finbet |ie 
im 3^n|«its bod) immer uneöer ein Stüdt ber 
biesfeittgen IDelt mit S^euöen unb £eiben, bas 
UMebererkennen roäre barum nur ein 3toeifeI- 
fyaftes (5lück, man müfjte Don biefer tDelt immer 
tDieber erfahren, fid) für <5utes unb Böfes inter* 
effieren, aljo toeber im Gimmel oöllig glüdifelig, 
nod) in ber fjölle oöllig oerbammt fein können. 
XPof^I könnte es aud) gefcfyetjen, bafj Perjonen, 
bie man liebt, ütelleidjt gar nid)t bie Seligkeit 
erlangen. IDas für ein f}er3eletb müfcte man bei 
bem (Bebanken empfinben, fid) im 3^nfeits nic^t 
toieber3uerkennen! Rus allebem fcfyliefet £ije* 
lotte, ba& jene t)immlijd)e IDelt ehoas gan3 an* 
bers fein müffe, als biefe irbifdje. Ulan roirb 
nichts mefyr erkennen, als ben lieben <5ott, alfo 
aud} ber Anblick bes (Eobes uns nid}t tröften 
über ben Derluft unferer Angehörigen. Die Ijimm* 
lifdje Seligkeit aber, in roeldje ifyr 5™unb 
Polier, fdjon auf biefer (Erbe toanbelnb, Derfenkt 
ift, für bie er in Ubertoinbung aller tx>eltlicf)en 
5reuben unb £eiben £ifelotte 3U e^ie^en fudjt, 
Ijat für fie nicfyt einen fo fyofyen tt)ert, ba& man 
im Rngefidjt bes (Eobes befonbers frolj fein könnte, 
„flud} ber Pfarrer roirb es uns abf plagen, wenn 
man tfym beim IDort nehmen könnte ins 3 e n* 
feits 3U geljen." Der JEob ift für £ifelotte eine 
„erfdjrecklidje (Extremität, um Rulje 3U finben". 



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95 



TUan brauet tt^n nicht 31t fürchten. „Dag, toenns 
ans Sterben kommt, man jeine partt)ie nimmt 
unb fid) eben nicht närrijch ftellt", bas kann 
fie begreifen. 

IDie £ifelotte fich in bie überftnnliche tDelt 
nic^t hineindenken oermag r fo gibt es für [ie 
auger öem lieben (Bott keine Autorität, bie uns 
bas linficfytbare begreifen 3U machen imjtanbe 
wäre. (Einen menfdjlidjen Dermittler 3toifchen 
fid) unb bem (Eroigen teilt fie nid)t anerkennen, 
(bottes IDort, bas in ber Bibel jtefyt, gibt ifyr 
bie Rid)tfd)nur bes dpriftlicfjen tjanbelns, fie 
nimmt auf, roas \t\x oerftänölid) i|t. Über bie 
IDunber grübelt jie nid)t nad), bie als (Bleich* 
niffe unb Parabeln in ihrem tiefen innem mora* 
Itfdjen (Behalt ihren religiöfen Bebürfniffen ge* 
nügen. Hur bas IDunber oon Bileams (Efelin 
toirb ihrem Stoetfel er[t beim Hnbüdt bes pöre 
£a dt)ai[e, bes königlichen Beidjtoaters rf mit 
feinen langen ©fyren" Derftänblid). ®h ne Kirche 
unb Pfarrer, allein im (bebet unb (Befang, könnte 
fie im Derkef)re mit töott bleiben. Sie u>ill nichts 
anöers als ihn „abmiriren". Darum l|at [ie für 
einen priefterftanb, ber uns bie Seligkeit 3U ©er- 
mitteln berufen ijt, nicht Diel übrig, roeil fie oon 
feiner Unfähigkeit, uns bas Überfinnlidje oer- 
ftänblich 3U machen, ebenfo über3eugt ift, toie 
oon ihrem eigenen Unoermögen jene tDelt 3U 
begreifen. 

Prebiger toaren nach H) rcr tttemung gut, ba 
bie £eute noch Ignorant toaren im (Ehriftentum, 



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— 96 



nun ba man rneiß , was man Griffen foll , finö 
Jie unnötig. 3t)re Rbnetgung gegen bie Prebigt 
muj3 ein <Erbftü<& ifyres Daters fein, ber feein 
5reunb berfelben mar, fonft aber auf bie fdjled)* 
ten präbifeanten ein fcfyarfes Auge fyatte unb bie 
Hnorbnung gab, bie prebigten „feur3 unb neroos 
3U galten", alles Salbungsvolle unb bie „comb- 
btantenfyaften (Beftus", tote aud) ben „(Ballt* 
matfyias" fja&te, unb perfönlidj mand) f cfyarfen 
Denoeis erteilte. 

Prebigten wirfeten auf £ifelotte ni^t allein 
burd) ben (Eon, fonbern aud) bas HToralifieren 
einfdjläfernb roie „ein Opium". „(Es gibt fo 
einen fanften Sd)laf unb mid) beucht, man fd)läft 
befjer in ber Prebigt, als im Bett", fdjreibt fie 
an Sophie. Bei „fanftem tDetter", wenn ein 
Regen in ber £uft ijängt, Ijat jie fdjon bas frofje 
Dorgefüf)!, mit einem braoen Schlaf über bie 
£änge ber Prebigt t)inaus3ufeommen. IDenn (ie 
infolge ftarfeen Jjuftens fdjlafloje Hädjte gehabt, 
brauet jie nur, roie bie HIten ben (Tempel bes 
Rsfeulap, fo bie Kirdje auf3ujucf)en, um jid) burdj 
eine prebigt gejunb fdjlafen 3U laffen. Sie muß 
mit ben präbifeanten fd)led)te (Erfahrung gemalt 
Ijaben, bafe fteiner oon itjnen fie oon biefem aud) 
in fjeibelberg unb fjannooer eingefeffenen (Erbübel 
feurieren konnte, nur ber König aud) l)ier mit feiner 
tltadjtoollfeommenfjeit eingreifen unb mit einem 
feräftigen Stoße bes (Ellbogens ber neben üjm 
fifcenben, tief eingefd)lummerten 5*au Sd)u>ägerin 
Hugen unb ©Ijren roieber öffnen mußte. Rls 



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97 — 



tt)r bei fyötyerem Alter immer lauter aud} bas 
Sdjnarajen ankam, roarb bie Sadjc bodj |o beöenfe» 
Iii), ba& fie fid) oon einem Sitje unter 6er Kan* 
3cl unb fdjiiefolid) audj pon ber tfyr befonöers ge« 
fät)rtid}en Itad)nuttagsprebigt öispenfieren burfte. 
„3di glaube aber," meint £ifelotte, „öaft ber 
(Teufel wenig baxan benftt, ob ia) in ber Kird} 
fc^Iaf ober nidjt, benn Sdjlafen ift eine tnbiffe» 
rente Sad), toeldje keine Sünbe, [onbem nur 
eine menfdjltdje Sdjn>ad)t)eit ift. IDir fefyen wenig 
Prebiger, fo bie Kunft fjaben, unfere Paffionen 
3u bämpfen, feinb fie ftark, fo werben fie unfer 
Hteifter, feinb fie fdnpad}, fo u>erben wir ITTeifter, 
aber bie fjerrn präbicanten t^un nidjts baoon 
noa) ba3u, fie feinb ITCenfdjen, eben wie wir 
unb Ijaben genung mit fid) felber 3U tfyun." 
So finb it)r bie prebiger „orbinari nid)t fefyr 
3eitDertreiblid)," „bie reformierten Pf arrer bringen 
ntd)t Diel 3U lachen/' ber frönen prebigten aber 
fyält fie fid) für unwürbig, benn unoerbefferlia) 
blieb fie aud) i^nen gegenüber im (Erblafter bes 
Schlafes. 

(Es ift keine tiefe Huffaffung bes f)ol)en Be« 
rufes, ber auf ber Kan3el bas IDort ergreift, 
aber et)r(id) unb ^armlos. Das Spaden unb 
Sd)er3en über religiöfe unb kird)(id)e Dinge, be« 
fonbers ba, wo ein tieferes Derftänbnis ifjr Der* 
fagt blieb, mar £ifelottens tlatur eigen. Der 
£efer tyrer Briefe wirb biefem 3uge überall be« 
gegnen, bod) ifnt nidjt fyart beurteilen bürfen, 
wenn er bas frötjlidje, aufgetoecfete Dolk ber 

3. UM II«, «itfalxtf) Charlotte o. Orleans. 7 





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98 — 



Pfat3 Kennt. £ifelottens fjumor auch in Mefen 
ernften Dingen mar fo gut im fjeibelberger Sdjloffe 
3uf)auje, toie er im brieflichen Derkehre mit Sophie 
von fjannooer jtets neue Itaffrung unb Anregung 
gefunben t)at. (Er ijt ein (Erbjtück aus 6er alten 
Heimat, tDO unter bem Segen bes Rimmels, ber 
auf öiefen Boben feit 3^rt)unöerten meber* 
jtrömt, fröhliche UTenfc^en gebeten, bie £ebens» 
auffajfung mehr nach ber frönen RufjentDelt als 
nad) ber innern gerichtet ijt unb ber liebe fjerr* 
gott eher oergefjen roirb, als im garten Kampfe 
um bas armjelige Dajein in Sorge unb Hot. 
Die £ebenslujt ijt ftärker, als bie Hbfee^r oon 
ber tDelt unb bie Sorge um bas fjeil ber Seele. 
Kontemplatioe Itaturen jinb bie Pfäl3er auch 3U 
£ijelottens 3eiten nicht getoefen. Da& ihr ber 
Husbrucfe einer „fröhlichen d^rijtin" unter ben 
trüben (Erfahrungen ihres langen £ebens nicfjt 
oerloren gegangen ift, 3eigt eben, toie ftark tlpre 
fjerhunft nad)toirkte. 3m jieben3ehnten 
hunbert u>ar bieje bis 3um 3nbifferenttsmus ge* 
jteigerte leichtere Huffafjung bes religiöjen unb 
kirchlichen £ebens nur eine Reaktion gegen ben 
bogmatifchen (Eifer ber Dorfafjren mit all jeinem 
Unheil, was er gebraut. ITTan hatte jefot bie 
unfeligen Solgen ber Religionskämpfe am eigenen 
£eibe oerfpürt. 3n bem Drange nach Übertönt' 
bung ber (Begenjäfce oerlor man oft bie Richtung 
unb ben Boben, auf bem man fe[tgemur3elt jd)ien. 
Hlan jagte gar oiel, mas man jelber nicht glaubte, 
nur um fict) frei 3U fühlen unb frei 3U jeheinen. 



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99 



IDer am meiften über bie (ßeheimniffe bes (Glau- 
bens ftd) amüfierte, mar noch lange nid)t 6er 
(Bottlofefte. Hber alles ijt bei tifelotte ohne Hrg 
unö offne oerlefcenbe Rrt, ber Kern einer auf* 
richtigen, natürlichen 5^mmigheit ift baoon un- 
berührt. Sie ge|tet)t, bafr es beffer unö billiger 
Jet, „nie als mit Refpect unb Submiffion oon Gim- 
mel unö Religion 3U reben". „allein ich glaube, 
wenn nur aus luftigem Jjumor unb nid)t aus 
Bosheit ober Derad)tung ber Religion einem 
einige Dejiererei entfährt, bafc es eben feeine 
(Eobjünbe i[t unb baß es fdjier übeler getfjan ift, 
ITtebiffance oon |einem Ttächften 3U fagen, als 
mit Religionsfadjen Poffen 3U treiben. Denn 
toenn man mit Religionsfadjen poffen treibt unb 
man madjts 3U grob, ift es nur fdjlimm oor 
fleh felber, toas aber ben Häuften betrifft, bas 
giebt 3mpreffion, man glaubt unb nimmt bem 
Ränften bie (Ehre, toelches bod) in allen Reli- 
gionen oerboten ift/ 

IDof)l ohne Prebiger, nid|t aber ohne bas 
Singen fcann fid) Cifelotte bie Kirche benfeen. 
(Es finb bie alten Kirchenlieber unb Pfalmen, bie 
fie meint unb bie ihr noch lebenbig im (Bebächt- 
niffe haften. Sie fingt, toenn fie allein ift in 
ber Kammer ober brausen im freien §tlb. Oft 
tönt aus ber Kutfdje h eraus fy* fröhliches, 
geiftliches £ieb. Der reformierte 5 rcs & oma l cr 
3acques Rouffeau ^oxt fie ben fechften Pfalm 
fingen, toährenb er in einem ber königlichen 
Sd)löffer an feinen £anbfchaften fifct, eilt, 00m 

7* 



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100 — 



(Beifte fetner Kirche ergriffen, com (Berüfte 
Ijerab, um ber §er3ogin 3U S^feen 3U fallen. 
Doktor £utl)er toeifc fie barum Dank, ba& er fo 
tyibfcfye £ieber gemalt fyabe, „id| glaube, bafe 
bies oielen £uft gegeben fjat, lut!)erifc^ 3U 
toerben, benn bas l)at etroas luftiges, aber bie 
ITtifterten mit if)rer Kontemplation toären meine 
Sadje nid)t". nichts ift ttjr frember, als ein 
Derfenken in göttliche Betrauung, tote es jefet 
bie OJuietiften im Stile Senelons unb ber ITta» 
bame (5ut)on machen, „bie beftänbig (2>ott lieben 
unb kämen [ie gleid) in bie eroige Derbamm* 
nife". So roenig fie einen (Beiftlidjen brauet, 
ber iljre Seele leitet, fo wenig t^at fie au<f), 
oon ber Bibel, abgcfefyen, religiöfe Bücher, nötig. 
„Rlle Büdjer oon Religionsfacfyen kommen mir 
langroeilig cor." (Es ift be3eid)nenb, bafc fie 
au&er ber Bibel keine flnbadjtsbüdjer benufct, 
fonbem alle ifyre (Bebete fid) f elber mad)t, eine 
burdjaus felbftönbige Hatur, bie audj il)ren Um« 
gang mit (Bott gan3 ifjrem „ Rumore" fid) an« 
pa&t. (Ein (Iljriftentum , befjen IDert nad) if^rer 
ftuffaffung üor allem im guten Jjanbeln auf 
ben geraben IDegen bes £ebens bejtefyt, meibet 
barum aud) bas Übermaß bes „<5eiftlid)en" 
in ber Unterhaltung, roie es in religiös unb 
kirdjlid) geftimmten Seiten befonbers ftarfe f^cr» 
oor3utreten pflegt. ,,3d) glaube nid)t, baß unfer 
Herrgott oon bem (Etjriften erforbert, an nichts 
als geiftlicfye Sachen 3U benken, benn fonften 
l)ätte er uns nity bie £iebe bes Häuften fo fefyr 



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— 101 - 



empfohlen. Denn weilen uns ber Allmächtige 
in biefe tDelt gefegt Ijat 3U fetner (Et)r unb öes 
Hä^jten Hufc, ift es nötf)ig HUes 311 frören, um 
baburd) cor Beibes Rnlaß 3U beRommen, alfo 
baß toer von nichts als geiftlidjen Saasen ^ören 
wollte, wäre es eine unnötige Bigotterie." 

IDie ihr gan3es inneres £eben, überläßt fie 
auch ihr ftilles Sünbenbekenntnis gerne ofjne 
Dermittelung 6em lieben (Bott. (Eine Büßerin, 
bie um ihr Seelenheil [d)on in biefer IDelt fid) 
(Bebanken macht, im emjten Ringen mit fi<h 
jelbft, bie tDege 3um Qimmel fid) 3U ebnen oer* 
fudjt, ijt £ijeIotte niemals gemefen. „XDenn wir 
keine anbere Betrübniß Ratten, toie unfre Sünbe, 
meint fie, „wäre es gar luftig. IDegen meiner 
Sünben fjabe id) mein £eben lang nicht meinen 
können. u 

TTTit biefen (Bebanken über Heligion unb 
Kirdje, 3eit unb (Ewigkeit lebt nun bie katf)o* 
lifd) geworbene £ifelotte in einer Umgebung, bie 
oon kirchlicher Strenge beherrfcht ift. So wenig 
auch oom fchroachen bogmatifchen proteftantismus 
ihrer (Er3iehung geblieben ift, fo ftark unb un= 
überwinblid) fteht ihre Hnfchauung im (Begenfatj 
3U einem (Blauben, ben ihr ein politifd)er macht- 
fpruch aufge3u>ungen \\at Grofc (Erfüllung ber 
äußeren kirchlichen Pflichten, bleibt fie mit ihrer 
nüchternen fluffaffung alles Uberfinnlichen einem 
Kultus gegenüber fremb, ber feit 3öh^^ u «^erten 
bas Unfiä}tbare, (Behetmnisoolle bes religiöfen 
£ebens, überreich an frönen flusbrucksformen, 



— 102 — 



ben gläubigen Gemütern 3ufüf)rt. 3n tyrer ftb» 
netgung gegen alle äußeren religtöfen $ormen 
unb Kemt3eid)en ging fie fo toeit, bafj fie felbft 
bas Kreu3 nid)t leiben konnte unb fie fid) bar* 
über auffielt, toenn bie fromme Raugräfin Cuife, 
als reformierte (Efjriftin, fold) ein Sinnbilb auf 
ber Bruft trug. 

Unfähig, jtd) mit fjtlfe biefer äußeren UTittel 
bie überfinnltdje IDelt in einem ftarken (Blauben 
311 eigen 3U madjen, fielet fie nur infjaltslofe 
5ormen. „ Salut , Prebigt unb IUeffe r " fagt fie 
einmal, „mögen roofyl gut fein für jene IDelt, 
in biefer IDelt feinb fie bitter langweilig. 3$ 
bin gar natürltd), als bafj alle (Brimaffen in 
ber katf)olifd)en Kirche mir gefallen können. " 
Katholiken finb ü)r 3U ftreng, wollen nur 5urd)t 
unb keinen (Eroft machen. Die tDege 3um fjtm« 
mel finb freilief) für £i(eIotte l)ier nidjt fo bequem, 
als fie bieje in ifyrem einfachen Derkefjre mit 
(5 ott fief) eingeri<^tet hat. Das Diele Beten unb 
Kird)gel)en, cor allem bie ftrengen Sorberungen 
bes Bu&fakramentes toaren barum nid}t nad) 
ihrem (Befchmadt. Rud) ^ier liebt fie alles kur3, 
tx>ie bie prebigt. „XDenn td} keine große tlteffe 
habe, bin id) mit meiner Rnbadjt balb fertig, 
benn id) l)abe einen Gapellan, ber mir in einer 
Diertelftunbe bie Hieß ejpebirt, bas ift fo mein 
Sad)." „Kur3e (Bebete, lange Bratamrfte," 
pflegte bie luftige Pfäl3erm 3U fagen. Da fie 
fid) mit bem 3cnfeits in ihrer Skepfis unb ihrem 
aufrichtigen Dertrauen 3U ben geregten (Entfchet* 



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— 103 — 



öungen ifyres Gottes fdjon abgefunöen Ijat, fo 
kann fie fid) aud) mit öcr kirchlichen fjilfe 3ur 
(Erlangung öcs Rimmels roie 3ur Rettung aus 
öer tjölle ntc^t befreunöen. 

3n öraftigen 3ügen ^at fie uns if)re £ange* 
toetle toä^renö öes (Bottesötenftes gefdjilöert, too 
fte gan3 nach flrt öer Sophie ein geiftliches Buch 
roährenö öer Rief je lieft. RTanchmal kommt auch 
ein weltliches Öa3nnf<hen, roenn ihre (Beöanken* 
weit gar nicht für öas (Beiftliche geftimmt ift. 
Bei öen Pro3e[fionen h a * fte mehr auf öie 
fd)önen (Tapeten ad)t unö auf fid) jelber, öamit 
fie auf öent grünen (Teppich öes feftlich ge* 
fdjmückten Boöens nicht ausgleite, als bafo fie 
in öen (Bang öer ^eiligen fjanölung uerfenkt 
wäre. So glaubensfdjroad) war unö blieb £tfe* 
lotte. *(Dh ne raifonniren 3U glauben" ging U)r 
ebenfowenig in öen Kopf, als fie mit tttaccioni, 
öem Bifdjof uon fltarokko unö (Beneraltrikar für 
fjannooer, fid) oerftänöigen konnte, „öafo unfer 
Herrgott öen (Blauben fo fd)wer gemad)t r öamit 
man öefto größere Rteriten ^ätte, alles 3U 
glauben, um öen fjimmel 3U gewinnen". Aber 
öas „Raifonniren" toolltc fid) £ifelotte nicht 
nehmen Iaffen. „Rtich beucht," fagt fie, „öer 
üerftanö ift wie ein TTIeffer, wenn er nicht 
öurdj Raifonniren gewebt wtrö, wirö man ftumpf 
unö öumm." 

tlac^ $nmkreid) gekommen, ift fie mit Dielen 
t)of)en IDüröenträgem bekannt woröen, allen 
öamaligen Sü^rern öes religiöfen unö kirchlichen 



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104 — 



$rankrei<f) nafje getreten. Sie foltte in 6iefem 
Umgang in ifyrem (Blauben geftärkt tx>er6en. 
„2di fyatte aber Ittü^e/ er3äf)lt fie uns, „3U 
fefyen, wo 6er ftatl}oti(d)e Glaube toar. 3n 
general braute man 6ie Sadje 3toar gleid) 
üor, in 6er fluffaffung aber war kein einiger, 
6er 6ie Sad) toie 6er an6ere glaubte." Sie 
laajte toot)l 6arüber un6 roäre irre geu>or6en, 
u>enn fie nid)t fd|on „ttjr bissen Religion" mit 
Ungeurißfyeit un6 3roeifel in (Einklang gebraut 
tyätte. Sie fal) 6en Streit 3u>ifd)en 5 6n *l° n 
un6 Boffuet entbrennen, l)örte oon Quesnels Der« 
bammung, füllte in inniger Geünafyme mit 6en 
verfolgten Hef ormierten , 6ie tf)r Daterlanö oer* 
liefen oöer auf 6en (Baleeren ifyre Übe^eugung 
büßen mußten un6 ^atte bei aller Befdjränkt» 
f)eit tljrer (Theologie 6od) 6en klaren Blick, a>ie 
unter 6iefem Streit 6as gläubige Dolk 6en metften 
Sd)a6en litt. „Daß alle eines Glaubens fein 
könnten, toenn fie nur <&ott lieben, 6em ttäd)ften 
ntcfyts 3U lei6e tljun un6 6er guten IDerke jid) 
befleißigen sollten," warb i^r 3um freu6igen, 
offenen Bekenntnis. IRit ifyren Beidjtoätem lag 
fie 6aljer in ftän6igem Streite bei aller perfön» 
lidjen 5 reun &f a ) a fc »Daß fie keinen bocilen 
ßeift Ijabe", beklagt Ujr Beidjtoater Cignteres, 
mit 6em fie roegen feines (Blaubens an (Beifter, 
(Befpenfter un6 fjejen ifjre unfdjulöigen Spaße 
trieb, ernftfjaft ins (Beriet ging, roenn er oon 
Der6ammung 6er Reformierten fprad), 6em fie, 
wenn es nötig roar, aud) „blatt ^erausgeftanb", 



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105 — 



bafc fie 311 alt fei, „um einfältige Sachen 3U 
glauben". Über Reliquienbtenft unb ^eiligen* 
oerefjrung gab es bie lebfyaftejten unö fd^ärfften 
Ruseinanberfefcungen, bie fchliefclich mit bem frieb« 
liefen Kompromiffe enbigten, ba& £ijeIotte toenig» 
ftens bas, toas fie übel fänbe, nicht tabeln, am 
beften über religiöfe Dinge künftighin gar nidjt 
reben follte. 

Grotj biefer ftarfcen IDiberfprüche ift £ife* 
lotte oon burdjaus toleranter (Befinnung. Sie 
f)at niemals baran gebaut ober aud) ben XDunfd) 
geäußert, anbere 3U ihrer Hteinung 3U bekehren. 
XDas fie oon tfjrcr Umgebung abflögt, ift gerabe 
bas geroaltfame Dorgehen gegen Red)t unb Über« 
3eugung. 3t)r (Eintreten für alle religiös Der* 
folgten, ob es 3önfeniften ober Reformierte finb, 
entfpringt bem aufrichtigen IDahrheits* unb (De* 
redjtigfeeitsgefühl. „IDenn man bie Ceute fo 
tractirt hätte, roie ich faf>* fcatholifch follen 
toerben, tDÜrbe ich es mein £eben nid)t geworben 
fein", fchreibt fie unter biefen (Einbrüchen. Das 
Hufgehen bes religiöfen £ebens in einem poli- 
tifdjen 3u>ang, bas Dorbringltche unb Hllein- 
maßgebliche ber 5 r öntmiglieit , ba bie Gottes- 
furcht 3ur Profeffion roirb unb alles fi<h mit 
bem TTtantel ber Deootion bebeätt, miberfpricht 
ihrer fluffaffung ber oollen Befcenntnisfreiheit. 
„3ch fcann nicht leiben," fagt fie, „toenn Könige 
meinen, baß fie mit Deootion unb Beten (Bott 
gefallen; ba3U h<*t er fie ja nicht auf ben (Thron 
gefefct, fonbem um (Butes 3U thun, Recht unb 



106 



(5ered)ttgkeit 3U üben, öas follte öle rechte De* 
ootion öer Könige fein. IDenn ein König ITlor* 
gens unö flbenös betet, ift es fdjon genug, im 
übrigen foll er nur öaran öenken, {eine Unter« 
tljanen glücklief) 3U machen. Uad) meinem ge» 
ringen Derftanö ift es tnel beffer öie £eute 
glauben 3U Iaffen, txrns fie wollen, öenn öen 
(Blauben kann bodj ttiemanö 3tmngen unö man 
mad)t nur lauter fjeucfjler aus öen £euten, roenn 
man fie in ifyrem (Blauben 3toingen will." (Eine 
foldje Deootion hat nad) ihrer Huffaffung öes 
Königs Raifon erftickt unö kommt nid)t 00m 
^eiligen (Beift. „Denn id) kann mir nicht ein« 
bilöen, baß es (Bottes U)erk fein kann, einem 
öer fo üiel Derftanö oon nötigen ^at, £anö unö 
£eute 3U regieren, öas Befte 3U benehmen, öie 
Dernunft unö Raijon." TTTefyr als es öem König 
erträglich fein modjte, fyat fie ihm h cr 3h a f* öar« 
über ihre IKeinung gefagt. So blieb ü)r freies 
Bekenntnis kein (Beheimms in öer offöiellen 
öeooten tDelt. Ulan mußte, mos eine 5^ u » öie 
in ooller Derftänönislofigkeit ihrer eignen ktref)* 
liehen Übung unö öer tiefern Beöeutung öer 
äußern kirdjlidjen $ormen nur 3U fe^r geneigt 
toar, in ihrem Urteile öie (Breden oon 5*ömmig» 
kett unö fjeud}etei öurc^einanöer 3U bringen, 
über Religion unö Kirche öadjte, roie roatyr« 
haft aud) roie unrichtig unö ungerecht fie im 
^eiligen 3om unö im öerben Scheie fid) äußerte. 
IHan hörte, tote t>eräd)ttid) tljre Reöe ging über 
einen Stanö, öem if)r Seelenheil fo erfolglos 



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— 107 — 



anoertraut mar, ben fie öer Sünben gegen bie 
kirchliche 5™h e ü befd)ulbigte. Hls geheime 
fjugenottin war jie in jtreng gläubigen Kreifen 
oeröä^tig. „ITCan meint," fdjreibt |ie an Sophie, 
„mein (Blaube fei nid)t am ftärkften." (Es 
bekannt, toie teilnafjmsüoll |ie für 6ie Hefor* 
mierten eintrat, roie |ie für bie Dielen auf bie 
Galeeren Derurtetlten heimlich Sammlungen oer* 
anftaltete. Das genügte, um ihre Äußerungen 
aud) nad) außen hin 3U überwachen. 3hre Briefe 
nach fjannoper finb 00m poftmeifter (Tora) er* 
brodjen tooröen, öer mannen u>eber d}riftltd)en 
noc^ anftänbigen aber ftets gutge3ielten tDunfch 
öer gereisten Sd)reiberin 3U fdjnupfen bekam. 
Das Diele Räjonieren h<*t man offi3ieII ihr ver- 
boten. 

Ulan toirb aber trofc allebem nid)t Jagen 
können, baß fie um i^res fchroachen Glaubens 
unllen perfönlich h a * bulben müfjen ober gar 
Derfolgung erlitten habe. 3t)r gefunber Jjumor 
hat ihr über mand) offenen unb geheimen Angriff 
hinausgeholfen. 3hre tyittm unb [paßhaften 
Äußerungen über große unb kleine Schmähen 
unb Gebrechen bes kirchlichen £ebens unb geift* 
liehen Stanbes finb kein Seugnis für ein roelt. 
fdjeues ITtartqrium. 3m Gegenfafc 3U manchen 
Äußerungen über kirchlichen 3n>ang rühmt fie 
fid) öod) toieber ihrer 5^ciheiten, bie fie im Cefen 
ber Bibel unb (Empfang bes Sakramentes in 
beiberlei $orm genießt unb ftellt ben aufgeklärten 
3ug, ber burch bas fran3Öfifche, katholifche Dolk 



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— 108 — 



gefyt, öen gutgläubigen unö kirdjentreuen Deut* 
fcfyen als ITCujter t)tn. 

flud) öie perjönticf|en Be3iel)ungen 3U öen 
jtrengjten Deooten tx>eröen öurd) öen rjäretifdjen 
Sretmut öer Pfä^erin nicr/t geftört. Die IDafy> 
ijeit U)res innern tDefens unö öie (Büte ifyres 
tje^ens überbrückt öie roette Kluft religiösen unö 
fcirdjlicf/en (Empfinöens. Sie, öie ausgekrochene 
(Begnerin alles afketifdjen £ebens, öie mit billigem 
$d}er3e TTtöncfje unö Itonnen beöenfct, i|t in 
Klöjtern ein gerne gefefjener (Baft. 0ft fäfjrt fie 
3U ifjren „ttönndjen", öen Garmelitern nad) öer 
5aubourg St. (Bermatn hinaus, um itjre Rnöadjt 
3U Dementen, unö füfylt (ict) tootjl bei öen „rai* 
fonnablen £euten", öie niemals üerjäumen, am 
(Beburtstag öer freigebigen r)er3ogin ifjr ein 
Hngebinöe 3um 3eid)en öer Srcunöfdjaft 3U über- 
reifen. IDenn aber irjr r)er3 ooll roar 3um 
Rusfdjütten, nafym fie 3ur Rbttfjtn nad) UTau* 
buifjon ifyre 3ufludjt, öie nod) im Alter oon 
87 3al)ren oon allen geehrt, ftrenge öas Klofter 
regierte, fyod)aufgefd)ür3t öurdj öie (Bemüfebeete 
öes Kloftergartens fdjritt oöer in öer füllen 
Seile öen pinfel führte, um Kirchen unö Klöjter 
mit fjeiligenbilöern 3U bedenken. (Es roar für 
£ifelotte eine „rechte £uft" oier* bis fünfmal 
im 3at)re öort 3U mittag efjen 3U öürfen unö 
mit öer treugeliebten (Tante 3U plauöern. Sie 
fafj in öiefer etjnoüröigen , bei [trenger fljftefe 
frijd) unö gejunö gebliebenen Äbtiftin, nid)t allein 
„eine gute tugenöfyafte Sürftin, öie oeröiente feiig 



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— 109 — 



3U roerben", fonbern aud) bas (Ebenbilb iljres 
Daters. 3* älter bie Rbtiffin u>ar6, um fo mel)r 
kam in flugen unb ttlunb, in ber Stimme unb 
ben ITIienen, biefe Ähnlichkeit 3um Dorfchein. 3n 
btefer $rau jaf) £ifelotte ed}te Deootion. (Es 
toar ein gefunber, retner Pro3eft ber innern Hb* 
klärung, ber in offenem, freunblichen Blicke 311m 
HusbruA kam. ITTit ihrem klaren Derftanbe, 
ber bis ins fyofje Alter aus ihren Rügen leudj* 
tete , konnte fie audj manchen Spaß vertragen, 
|elb|t toenn er in bie leicht empfinbltchen Saiten 
ber (Blaubensftimmung eingriff. Der ins calci* 
nifdje 5<*milienlager eingebrungene (Blaubens* 
tocd)fel hatte ben 5rieben nic^t geftört. Die je 
(Befellfdjaft mar 3U gefreit, 3U begabt, aud) 3U 
oberf läßlich , um fid) nic^t aud) fjumorootl mit 
ben gegebenen (Eatfachen abfinben 3U können. 
So laßt Karl £uba>ig ber geftrengen Hbtiffin unb 
SchtDefter ein Bilb £utl)ers unb {einer Käthe als 
(Bedenk anmelben. „Was bamit tfjun" — gab 
fie 3ur Rntoort, — „um t>or ein tDirthshaus an* 
ftatt bes Sdjilbs 3U Renken?" So mar bie luftige 
unb „poffierliche" Perfon gan3 nad) bem fjer3en 
ber £tfelotte, bie in ber Klofter3elle unb im 
(Bemüfegarten 3U ITIaubuiffon fidj mannen guten 
droft unb oiel Weitere Unterhaltung geholt hatte, 
fjier bei ben ttonnen unb ihrer geftrengen J)errtn 
füfjlt bie glaubensjdjtDadje £ifelotte fid} monier 
als in ben (bebauten an bie anbere (Tante, bie 
als Hbtiffin 3U tjerforb in ber innern (Erleuchtung 
bie (Behetmniffe (Bottes 3U ergrünben fudjte unb 



in bieten Dingen keinen Spaß oertragen fcomtte. 
Daß man bei oerfäieöener Denfcungsart in Ziehe 
unb Jrieben beieinanber wofmen, $riftlt$e Ziehe 
alles ausgleiten könne, burfte fte 311 TTtaubutffon 
erfahren. IDenn |ie im Priefterftanbe tyrer Seit 
ein fjinbernis auf biefem IDege fal), fo ift eine 
foldje an|d|auung in ber tDelt ber finnlofen (Blau- 
bensoerfolgung oer|tänbli$, t>ielfa$ au$ richtig, 
gtunbfalfd) in ber naioen Hnföauung, als ob 
bie Derfcfytebenfyeit ber Konfe|fionen nur ein 
„ambitieufes" lttad)u>erfi ber Seelforger wäre. 
Daß bie „Pfaffen", welcf) (Blaubens fie au$ fein 
mögen, jelbft wieber ein (Ergebnis ber aus (Beift 
unb fyx$ entfprungenen oielfeittgen ttatur» unb 
(Bottesbetradftung unb ibrer prafctifäen Bebürf* 
nifje finb, fjat fie ebenfowenig etngefetyen, wie 
jie aud) nur in ben äußern Kultusformen bie 
tyftorifä geworbenen (Begenfäfce aufgefaßt Ijat, 
eine nidjt tief gefjenbe, meljr t)ausgeba<feene Hm 
ftd|t, weld>e ben (Bang ber XDeltgefd)td)te im feeb. 
3 el)nten 3a^unbert nur als ein Kapitel Bog, 
matj bejubelt. Dabei fielet fie in ber Kirnen, 
poltttk t^rer Gage wieberum fe^r fd>arf. Hucb 

Sri n Ä WÖT - ^ S <W™>e „bie He. 
fugterten Gabens gemalt wie aller Sramofen 
fjumor es mit ff* ^ \^ 
was guts 3 u hoffen , u L 1 « «2 
«eine (Bebulb, Ä «**. I" W 

unb folgen nur bero S «n m ° 6cratton tn J** 

Kepers, meinen fie aH* «. r mmt 

» aues oerloren, (einb in alles 



— III — 



extreme." Dorf) ift fie in ifjrer Rbneigung gegen 
bas prtejtertum niemals fo blinb geioefen, um 
nid)t aud) öas (Bute com Böfen, bas tDafyre com 
5alfd)en 3U unterfdjeiöen. TDie fie in öer polt» 
ttj^en ITlacfyt öes 3^fuitenoröens kein tjeil für 
Srankreid) fal), fo ift fte öod) oon öem tüd)* 
tigen Kerne, öer in ü)tn fteckt, über3eugt unö 
erfreut aud) in öiefem Stanöe „oiel amdtere unö 
eljrlicfye £eute unö gute Steunöe" 3U finöen. So 
war öie kird)lid)e £ifeIotte beftellt! 

(Ein tiefer innerer tDiöerfprud) ift öer 5fad) 
üjrer Bekehrung aus poütifdjer Raifon. Sie ift 
efytlid} genug, uns öies felbft un3cü)ligemal 3U 
bekennen, fonft müßte unter öen pielen, öie als 
„^eudjler" fie oerurteilt, fie felbft öie größte 
f)eud)lerin geteejen fein. 



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IV. 

TVe 5 re M) e ft un & ^ c Tonart, in welcher Karl 
U £ubtoigs (Eod)ter ifyre ITtemung jagte, mar 
im ^öfifd>cn unb kirchlichen Srankreicfy etoas 
Heues. So roagte toofjl niemanö 3U reben, mo 
man porfdjriftsgemäft fdjroieg unö felbft an bes 
Königs Hafel „es ftiller ^erging, als in einem 
tlonnenref ektorium , kein IDort gefprodjen, an 
kein £ad)en gebaut warb". IDer roollte es ben 
Söflingen unb Deooten oerargen, bafj fie balb 
offen unb efyrlid), balb in fjinterlift unb $al\ty 
Ijeit ben ITtunb ber fjeibelbergerin geu>altjam 3U 
fliegen fugten? Grofc allebem toar bas Ver- 
trauen bes Königs 3U £ifelotte niemals ge> 
f^tounben. 

Um fo fdjroerer unb erfcfyütternber toaren t^re 
innern Konflikte 3u>tfd}en ber aufrichtigen fln- 
fyänglidffceit an ben König unb ber kinblidjen, 
t>on ftarkem unb rüfyrenbem fjetmatgefühl be* 
gleiteten £iebe 3um Dater, feitbem bie Politik 
eine harte unb ungewöhnliche Spraye führte. 

Aus Staatsraifon coar bie Pfal3gräfin (Eli* 
fabett) (Ttjarlotte fjer3ogin oon (Drleans geroor- 



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113 



ben, „bamit folcf) h°*! e Kilianen 3U mehrer Sta* 
bilicrung unb Befefttgung ber 5 r <wfcreich nöc^ft 
angren3enöen £anbe, Ruhe unö Sicherheit bienen 
möchten." Darüber mar aber £tfelotte nicht ge* 
fragt rooröen. „Ulan f)at mich roiber IDillen fyter* 
her gefteeftt, ^ier mu& ich leben unö auch fterben, 
id) mag roohl ober übel fein," fdpreibt fic an 
Sophie. Die Staatsraifon aber, ötc Karl £ub* 
toig unö bie princeffe Palatine mit bejonberer 
Selbföufrtebenheit befolgte, trug nun UjreSrüdjte. 
Unter ihren Schlägen litt bas unfd)ulbige Opfer, 
unb Karl £ubroig brach unter ben (Enttäufcfyungen 
feines Dielgeplagten, arbeitsoollen £ebens 3U* 
fammen. 

Dafj ber Pfäfyer Kurfürft fdjon bei ber tDafjl« 
frage £eopolbs I. 1657 fid) bem fran3Öfifd)en 
Könige gegen eine bebeutfame (belbfumme 3ur 
Unterftüfcung eines fran3öfifcf)en Kanbibaten oer* 
pflichtete, mar nur eine tDieberfjolung oon Dor* 
gangen unb politijchen maßregeln, bie bereits am 
Pfäl3er £ubu>ig V. ein Dorbilb Ratten. 5inan« 
3ielle unb politifche Schwäche, bie ftühne, phan* 
taftifche Dorftellung oon einem aufbrauchen König- 
reiche unb bie unfidjere Stellung 3um beutfdjen 
Reiche [elbft, nötigten auch K a *l £ubtoig 3U einem 
Hnfdjluö an bie fran3Ö[i(d)e Krone. IDas ba= 
mals ber 3mang ber £age einem Reicfysfürjten 
gebot, kann nid)t unter ber (Beuriffensfrage heu- 
tigen nationalen (Empfinbens gerietet ©erben. 
Rieht alles toar ficher unb bef eftigt, toas ber 
IDeftfäUfche $rtebe gefc^affen, manche (Erfahrung 

3. IDiUe, «Hfabetl» Charlotte o. (Drleans. 8 



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— 114 — 

ntdjt oergeffen, fo wenig ftd) polttifd)es Dertrauen 
burd) Pergament unb Siegel fcfyaffen läßt. Das 
ttttßtrauen gegen 6en neu gemähten Kaifer r 
beffen perfönlid)e (5eringfd)ät3ung öem Kurfür|ten 
gegenüber lefcterem ni<$t unbekannt mar, 6er 
alte Streit mit Kurbaqern um bas Heid)soifia- 
riat, bas mit {einer gan3en gefdjidjtlidjen (Ent* 
toi&lung bie (Erinnerung ber mtttelsbadjtfdjen 
Rauskriege 3<rt)rtjunöerte 3urü<k lebenbig erhielt, 
erfüllten ben auf tDaljrung fetner Hechte bis ins 
fclemfte bebauten Pfälßer mit berechtigtem miß* 
trauen. Ber Streit mit bem ITCai^er lladjbarn 
um bie IDilbfänge mar kaum beenbet. So blieb 
ein flnfdjluß an 5 ran & r rid)» beffen biplomatifcfye 
Kunft mit einem gan3en Blenbmerk oon Dor* 
teilen bie oerljängnisoolle (Broßmacfjtspolitik bes 
pfätyfdjen fjaufes oermirrte, bie jdjeinbar ein3ige 
Bürgfdjaft für bie fo nötige Kulje unb Sicher- 
heit ber mühfam mieber fjergeftellten Pfal3. Als 
aber ber Krieg 3tmfcf)en £ubmig XIV. unb bem 
beutfdjen Reid) au$3ubred)en broljte, ba mar bem 
fran3Öjifd)en König mit einer bloßen pfätyfdjen 
tteutralität nid}t gebient. Seine 5orberungen ge« 
j^a^en in einer $oxm, oon oermanbtfd)aft- 
ltdjen Rücffidften unb Dorteilen weit entfernt mit 
brutaler (Bemalt ftd) geltenb matten unb ben Kur» 
fürften, ber in3mifd)en aud) mit bem Kaijer 3um 
Sdjutje feiner Pf äl3er £anbe unterljanbelte, cor bie 
fd)mierigfte (Entfdjeibung feines Cebens ftellten. 
(Er mußte, mas feinem £anbe beoorftanb. Sd)on 
feine Heutralität bekam er in ben Derfyeerungs« 



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— 115 — 



3ügen ber (Turenne'fdjen (Truppen 3U büßen, nod) 
efye feine IDiener Senöung bekannt getooröen 
war. Was i^m „bas fjer3 abnagt", tft 5er 
(Bebanke: na$ feinem (Tobe bas arme Dolk 
ber (Bnabe bes Jeinbes preisgegeben 311 fe^en. 
M tDenn meine £eiben," fdjreibt er an feine Scfyroe* 
fter Sophie, „3U meinem Huljme beitragen könn* 
ten r fjätte id> ifyn mefyr unb mit befferem <5e= 
toiffen, als ber djriftlidje (Türke." Das (Bcfüljl 
ein Deutfdjer 3U fein, übertoiegt in biefer fdjtoie* 
rigen £age alle politifdjen Bebenken. Seine 
militärifd)e Sdjroäcfje, bie ifym nichts übrig läßt 
als in einem (Turenne angetragenen Stoeikampfe 
perfönlid) für bie (Eljre feines £anbes e^utreten, 
trägt in biefen (Tagen einen untemeljmenben, mu= 
tigen 3ug. flud) bie 5° r ^ eru "9 cn & es fran3Ö* 
fifdjen (befanbten Bet^une fdjüdjtern Karl £ub* 
©ig nid)t ein. (Er oerroirft fie unb übernimmt 
„alle £eiben, coetl er kein Sklaoe 5 ran ^ c ^ s 
fein will". 

fludj bas Tllitleib feiner (Tochter £ifelotte mit 
ifjremDaterlanb unb ifyre perfönlidjen Bemühungen 
in biefer üerfyänignispollen £age rühren itjn nid)t, 
in bem Augenblicke, ba „if)m ber Raud), ben 
(Turenne längs ber Bergftraße fyat machen laffen, 
in ben flugen toel|e tljut." (Es finb „polttica, mit 
benen er feine f)er3liebfte (Todjter nid)t inkommo* 
biren tr>ill." „tDenn man einer fremben Itation 
nid|t untertänig fein u>ill," fdpreibt er an £ije- 
lotte, „fo muß man bagegen etwas baran roagen". 
So fafy nun £ife!otte bas (Elenb bes Krieges über 

8' 



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116 — 



ihr geliebtes Daterlanb Ijereinbredjen, bod} öie 
Jeuerfäulen, öie Karl £ubtxrigs langjährige flr* 
beit 3erftörten, roaren nur öie Dor3eid)en künf- 
tiger Dertoüftung. Rod) erlebte Karl £ubung 
ötc Hrbeit öer ITtefcer Reunionskammer, öie 
tf>rc lügenhafte juri(tijd)e (Belehrjamkeit nur an 
all3u oiel erumnfehtem Stoff in bem Derroickelten 
Staatsrecht 6es alten Reimes 3U ihrem Dorteil 
verarbeiten unb too bas klare Redjt unb jurijtif^e 
Dialektik oerjagten, brutale <5et»alt 3U fjilfe 
nehmen konnte. Der Rnfprud} auf alle Be* 
{jungen, bie etnft in irgendwelchem Rbhängig« 
keitsi>erf)ältms 3U ben an 5^wkrei^ in ben 
legten Snebensj^lüjjen abgetretenen Canbfdjaften 
ftanben, griff aud) in bas pfätyfdje (Bebtet ohne 
geroiffenhafte Bebenken ty n ri n - Karl £ubn>ig 
fah, rote fein jd)önes £anb 3er|tü(!elt unb 3er* 
fetjt roarb, roährenb il)m nid)ts übrig blieb, als 
hinter Stößen roeitläuftiger Debuktionen unb Klage* 
fünften jtd) 3U t)erfd)an3en. Unter biefen (Er« 
lebnijjen unb trüben Husfidjten bejdjlofc Karl 
£ubtoig ant 20. Rugujt 1680 fein £eben üoller 
Hrbeit unb Sc^idtfale. Die Staatsraijon cor allem, 
tDeldjer feine (Eodjter 3unt ©pfer ausgeliefert 
toarb, h artc fy n \d)XDtx getäuf^t, ihr Sdjtckfal in 
5rankreid) ihm Sorgen unb Reue gebradjt. £ije* 
lottens 3arte Rücket t>at biejen 3u|tanb burd) 
ftille, jd)iDeig|ame Dulbung gefront. 3fjr Dater 
follte nid)t erfahren, roie fc^Iec^t es ihr in ben 

erften 3ahren **) rer ty* an & er Seite eines 
^arakterlojen tDüftlings, in einem £eben t>on 



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— 117 — 

3ntrtguen unö Derfolgungen ergangen war. „3ch 
habe öem feiigen Papa," fdjreibt [ie fpäterf)tn, 
„alles per^e^It, toeil man mir gefagt, öa&, nad)* 
öem id) uoegge3ogen f 3ljrc (fcnaöen fid} öermafren 
3u Qer3en genommen, öafj td) |o toiöer meinen 
IDillen aus purem (Befyorjam wäre hergekommen, 
obgleich id) über3eugt geroefen roäre, baff id) 
hier nicht glücklich fein amröe, öaft es 3f)re 
(ftnaöen fefjr geöngftigt unö traurig gemacht hätte. 
Deshalb Ijabe id) alles oerfjalten, fo lange es 
nur möglich getDejen." 

Hun, öa mit Karl üiöurig aud) alle feine 
Sorgen begraben finö, ^at fie öas (Befühl, einfam 
unö unoerftanöen in einer Umgebung 3U leben, 
öie fie oon einer Sdjulö an öem (Eoöe ihres Daters 
nicfyt freifpredjen kann. Dem Sohne öer Sophie, 
Jjer3og (Beorg £uöroig, öer in St. (Elouö geraöe 
bei if)r roeilte, gab fie in öiefer Stimmung ein 
paar Seilen nad) tjannooer mit. „Hun id) fixere 
Gelegenheit habe," fdjreibt fie öarin, „kann id) 
aud) frei Ijerausreöen, muß öeroroegen fagen, öaft 
(Euer £ieböen nod) glücklicher fein, öenn id). Denn 
ob Sie fdjon ebenfooiel oerlieren, rote id), fo feinö 
Sie boch nic^t obligirt bei öenjenigen 3U leben, 
roeldje ohne Smeifel an 3l)rer tönaöen öes Kur« 
fürften tEoö Urfad) fein, öurd) öen dfyagrin, fo 
fie ihm gegeben unö öiefes ift mir t^att 3U oer« 
öauen. 3a/' fogt fie 00m König, „ehe er 
Papa fo oerfolgt hatte, geftehe ich, & a 6 ^ **) n 
fehr lieb l)atte unö gerne bei ihm mar. Ru&er» 
öem kann ich (Euer £teböen wohl oerftd)ern, öafj 



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— 118 



es mir fauer gcnung ankommen tft unö I)tnfüro 
mein £ebenlang ankommen nrirb. IDcnn mtd) 
(Bott öer Allmächtige fo glückfeltg mad)te unö 
3U Papa 3Öge, könnt mir toohl nid)t bejfer ge* 
fd^en, öenn mein gan3es £eben kann l)infüro 
nio^t anöers, als elenö fein." 

Dod) öie (Erfahrungen, öie £tfelotte aus ihrer 
politifchen fjeirat 30g, roaren noch nicht 3U 
£nöe. 

Dem tatkräftigen, toillensftarken Karl £uötoig 
wax fein Solm Karl als neuer Kurfürft gefolgt. 
(Eine toeid)e, kränkliche, mehr 3um (Erübfinn ge* 
neigte als mit ftarken Dorfäfcen ausgerüftete Ha« 
tur. Die (Erfahrungen feiner 3ugenö mit all 6en 
unerfreulichen (EinörMen öes häuslichen Sanftes 
öer (Eltern, eine ftrenge unö harte, feinem 3arten 
tDefen unö feinen finnigen Anlagen wenig ent» 
fpred|enöe, oon ihm felbft bitter beklagte (Er* 
3iehung unö eine unglückliche (Ehe an öer Seite 
öer öänifchen IDilhelmine (Emeftine Iafteten auf 
öem £eben öiefes Soften, öejjen Seele oon einer 
geraöe3u krankhaften, fdjtoermütigen Stimmung 
erfüllt xoar. Dabei ließ öas oon £ifeIotte ertoartete 
halbe Dufcenb Kinöer, too3U fie in ungeöulöiger 
Dorfreuöe fd)on „Rmen" Jagte, in öiefer 00m 
fteten (Beöanken öer Trennung geleiteten (Ehe 
auf fid) toarten. ITtit öem (Eoöe öes Kurfürften 
ging öer alte fimmemfehe Stamm, öer fo mannen 
Sproffen oon (Tatkraft unö Begabung öem £anöe 
gerenkt, im 3<*h rc 1685 3U (Enöe. 

Durch Derträge loar öie £inie öer Heuburger 



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— 119 — 



Pfd3grafen 3ur nachfolge bejtimmt. Rber öie 
fran3Öfifd)e Krone, öeren flnfprüdje auf pfäl* 
3ifd)es (Bebtet fid) fdjon in öer rüchjicb.tslojen 
Prayis öerReunionskammer betätigten, nutjte aueb, 
öas (Erbrecht 6er §er3ogin pon Orleans auf 6en 
Prumtbefifo öes oerftorbenen Kurfürjten mit ge= 
roaltjamem Ittadjtfprucb.e aus. XDie es 3U allen 
Seiten ge|d)ab,, b,at aueb, £ifelotte bei ifyrer 
Dertjeiratung allen Helten auf [ouoeräne unö 
£efjensgüter öer Pfal3 entfagt. König £uöu>ig 
griff über öen alloöialen Bejitj hinaus , feinen 
flnfprüdjen nad) follten gan3e pfätyfdje £anöesteile 
6cm fran3Öjif^en Staate 3ufallen. Umftänöltdje 
juriftijcfye Deöu&tionen, geurifjenloje Prüfungen 
alter Pergamente, öeren fjerbeijdjaffung einer 
^eute nod) fühlbaren piünöerung öer pfätyfdjen 
Hr^iogeiDölbe gleichkam, lange Pro3eJje oor 
Reistagen unö öem römijdjen Stuhle roaren 
nur öas Dorjpiel öer (Ereigmjje öer 3ö^re 1689 
unö 1693, öeren (Erinnerungen, wenn aud} nid)t 
immer öer Dollen tDaf)rb,eit entfprecfyenö , im 
Hnblicfee öes fjeiöelberger Sd^loffes lebenöig 
to erben. Das Bilö öes fran3Öfifd)en Königs fteljt 
über öen Jlammen, öie als öie tDegtoeifer bar* 
barijdjer Kriegsfüfyrung öas gefegnete Pfäl3er 
£anö DertDÜjtet Ijaben. IDas aber l)eut3utage 
öie geredete tyjtorifcb.e Kritik oon öem garten 
Urteile über öen „ al(erd)ri[tlid)f ten König" fyin* 
toegneljmen mufj, Ijat fcfyon £i|elotte erfafjt. flud) 
fie fielet in £ouoois öen fjaupttjelöen jener furcht- 
baren (Eage, in ITtelac öen fjenkersknedjt , öer 



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— 120 — 

ein graufames Urteil mit öer ga^en, if)m 
eigenen rohen Gemütsart 3ur Ausführung bringt. 
IDir tDtffcn f öaß öer Doll[tredwngsbefef)I 3ur 
Denxmftung öer Pfal3 öem feinen (Befühle eines 
großen Heiles öer fra^öfijchen Befehlshaber 
nnöerjprach , öaß ein Duras auf öie Derant* 
tr>ortung einer unauslöfd)Hd)en Schmach oor öem 
Rid)terftuhle öer HacfytDelt hintDies, öaß ein Hej|6 
mit (Tatkraft unö £i|t öen Ijeiöelberger Bürgern 
half, öas oerfyeerenöe 5euer oon ihren Dächern 
ab3im>enöen. „(Es grauet mir recht," fdjreibt 
Ofelotte, „roenn ich an AH es geöenfee, fo UTon* 
jieur £out)ois hat brennen Iafjen, ich glaube, er 
brennt brat) in jener tDelt öaroor. (Er mar 
greulich cruel, nichts konnte ihn jammern. * So 
blieb auch tttelacs rohe Siqnx in ihrem (5e* 
öächtnis haften. „XDenn man öen roüften TTtelac 
ein roenig öen Buben butjen möchte, arnre es 
mir gar nicht leiö, ich kann ty n n W Wöen # 
toeilen er fo barbarifch unö cruel ift." (Es er« 
fdjeint ihr als ein befonberes Derhängnis, bafj 
öer allmächtige tltinifter £ouoois hat plöfclich 
jterben müffen, noch tym Heue für jene 
Gaten kommen konnte. 

Sengen unö Brennen ift in jener 3ett unö 
lange oorher allgemeiner Kriegsgebrauch gemefen. 
3um 3u>ecke öer Deckung eines Rü&3uges, 3ur 
Strafe für oertoeigerte Kontribution war ein 
(old/es ITtittel noch fa keinem Koöej öes Dölker* 
rechts oerpönt. flud) öer Rück3ug öer 5*an« 
3ofen im 3ah*e 1689 muß in öer Hrt feiner 



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— 121 — 



Ausführung unter öiefem ta&tifdjen (Befichts* 
punkte betrachtet werben. Um bem nachrücken* 
öen Gegner öen Huf enthalt auf öem £anöe, in 
öen S^Jtungen unö Stäöten unmöglich 3U machen, 
flog öie Branöfackel in öie (tillen Käufer frieö« 
fertiger Bürger unö Bauern. Doch € * ne f° 
kühl unö erbarmungslos, nach toohlöurchöachtem 
Sqfteme öurchgeführte Denoüftung, 3erftörung 
unö $d)änöung, öie über alles nach h artcm 
Kriegsgebrauche taktifch als nottoenöig (ErfcheU 
nenöe hinausging unö bis in öie Ruheftätten öer 
(Toten t)tnabftieg r hat öie ©ejehichte jeitöem nicht 
mehr 3U De^eidmen. tttüjfen mir auch mit un« 
ferm Urteile öer (Tatfache uns fügen, öafc öie aus» 
gebrannten 5enjterhöhlen un & Gnebel öer Jjeiöel* 
berger paläfte, roie toir öiejelben f^ute cor uns 
fehen, keine S^üchte mehr öer barbarifchen Pfal3« 
oerroüftung finö, fo bleiben genug öer unoerttlg* 
baren Spuren jener (Taten übrig , um uns aus 

öer Dergangent)eit h eraus £*h rcn f** r ^u* 
kunft 3U geben. 

(Es kommen fehlere (Tage für £ifelotte, coli 
Hufregung unö Hngft, voll 3orn unö (Trauer. 
Sie ift empört, baff öiefer Krieg um ihr (Erb- 
recht geführt roeröen foll, öafj um ihreturillen öie 
armen Pfä^er leiöen müfjen, öie Kontributionen 
in öen Stäöten unö Dörfern in ihrem Hamen 
erhoben roeröen. „IDoIlte (5ott, öafj es roahr 
roäre, öa& man mir alles (Belö geben hätte, 
|o man aus öer armen Pfal3 ge3ogen unö öafe 
man mich gewähren liege. (Es folüe alles öer 



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— 122 — 



Jjeimat 3ugute kommen. * „Das mad)t mir bas 
fltx$ bluten unb man nimmt mir es nod) fy>d) 
cor übel, bafc \d\ traurig örüber bin/' ruft fie 
mehrmals aus bei bem (Beöanken, baff fie für 
bas (Enbe bes ftmmerfd)en Stammes büfeen müffe. 

Sd)on im Oktober 1688 ^atte fjeibelberg 
fid) unter günftigen Bebingungen ben St^ofen 
ergeben. Hber bas in ber Kapitulation Der» 
briefte Derfpredjen, au&er ber auferlegten Kon- 
tribution von oier3igtauf enb Stanken bie (Ein» 
roofyner nicfyt t»eiter aus3upre[fen, toarb in immer 
neuen unö [tfjroeren Jorberungen unb Be= 
brückungen erfüllt. Dergeblid) l)at £ifelotte beim 
König unb £ouoois unter (Eränen unb Bitten 
für if)re Ijeibelberger Schonung unb (Erleichterung 
tfjrer bebrängten £age 3U erlangen oerfucfyt. 
(Ein alter Bekannter aus ifyrer 3ugenb3eit, 3o* 
fyann EDeingart, ber IDirt 3um „König oon Por- 
tugal", fdjon früher als ein ber fran3ö|if d)en 
Sprache künftiger Ittann burd) Karl £uötoig mit 
Huftragen an feine Godjter abgedickt, erfdjien 
jefct abermals perjönlid} mit einer Bittfdjrift ber 
^eibelberger Bürgerfdjaft im Kabinette ber fjer» 
3ogin. Bis tief in bie ttad)t hinein ljat jie am 
4. De3ember 1688 mit bem roackem £anbs« 
manne eine Unterrebung, weiter Dorftellungen 
beim König unb bem Kriegsminijter gefolgt finb. 
Hlit £ouoois r ber fein Dorget)en bamit in bar» 
fd)er IDeife entfdjulbigte, ba& bes Königs Dölker 
reben müßten, kam es 3U heftigen fluseiuanber» 
(efcungen. Als man £i|elotte bie (Erklärung gab, 



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— 123 — 



öaß man ifjrettDegen in öie Pfal3 gefyen roolle, 
Dcrlangtc fte felbft, an öie Spitje öer Armee 
3U treten unö ifyre Sadje öen armen Pfä^ern 
gegenüber 3U oertreten, oöer roenigftens öen 
Qer3og 3U flicken, oon öeffen (Einfluß fie eine 
fdjonenöe Beljanölung öer fjetöelberger Bürger* 
fdjaft unö öer Pfal3 3U erwarten glaubte. flud) 
ftc tjat richtig erfaßt, baß tyre (Erbfdjaftsfacfye 
nur ein Doramnb 3um Kriege fei, öem öie 
tDofylberecfytigte $ur<f)t 3ugrunöe liege, es möcfjte 
öer Kaifer nad) öem 5vieben mit öen (Türken, 
unter Hufgebot öer gefamten freigetooröenen 
Heilsarmee einen erfolgreichen Schlag gegen öie 
5ran3ofen ausführen. 3f)r „3ntereffe", öas man 
auf öen Sd)ilö öer branbfdjatjenöen fjeerfjaufen 
fdjreibt, fyat für fie keine Beöeutung. Don öen 
pf ätyfcfyen , aus öer Derfteigerung öer kurfürft* 
liefen tttobtlien erlöften <&elbern toarö ifyr ofyne* 
öies feein Pfennig 3uteil. 

3n gerei3ter Stimmung, offne Hbfcfyieb, ent« 
läßt fie öen Dauphin 3ur Armee, öem brutalen 
£om>ois ketjrt fie öen Rücken unö tDüröigt if)n 
lange 3eit keines Blickes — aber öem braoen 
IDeingart konnte fie nidjt Reifen. Die t)anö 
auf öie Bruft gelegt, unter (Tränen unö Scfylud^en, 
öas ifyr öie Stimme fyemmt, füfyrt fie öie Der« 
fyanölung mit öem Bürger ifyrer Daterftaöt. 3o« 
tyann IDeingart, öeffen Beriet roir kennen, ift 
tief ergriffen oon feiner UTiffion. „IDollte gerne 
mein Blut unö £eben aufopfern oor öie arme 
Pfal3, toenn id) jie öamit glückfelig machen 



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— 124 — 

könnte/' fagte £ifelotte 311 if)m. ITtit ötefem 
Bekenntnis einer treuen Seele oerfolgt |ie in 
(Beöanken 6en U)eg ü)res £anösmanns nad) r)aufe, 
roo nun beim üoröringen öer öeutfdjen rjeere 
öer Rü&3ug öer 5 ran 3ojen unter 3erftörung unö 
üermüjtung ftd) üoltyefyt. Balö flog öie Branö* 
fadtel in öer Pfal3grafen Sdjlofe, (Eürme unö 
Baftionen jtü^ten, roo nid)t il)r geroaltiger Bau 
öer 3erftörenöen tttadjt öes Puloers trotte, unö 
audj öie Staöt erfahrt manches Denk3eid)en finn* 
lofer Denoüjtung. Ringsumher, jo roeit öas 
fluge oon 3^ttenbüt)l rjerab öas gejegnete £anb 
bet)errfd)t: alles in 5^ ammen r öeren blutigroter 
Sd)ein öen Dom 3U Speier unö öen ftolßcn Kran3 
roerjrrjafter {Türme öer alten Reicfysftaöt 00m 
raudjerfüllten r)immel abr/eben. 

Unoerftanben in if|rem Sd)mer3, oon 3n* 
grimm gegen öen König erfüllt, non TTtijjrrauen 
umgeben, öas aud) einem <E3ed)iel Sponheim öen 
Derkefyr mit öer flu&enroelt erfcfyroert, empfängt 
fie (Tag für (Tag öie Kunöe oon öen (Eaten ITte- 
lacs. „r)ätte id) tjier etroas," f treibt fie an So* 
pfyie, r/ fo mid) jonften erfreuen könnte, fo toüröe 
man oielleid)t unangefe^en alles (Elenös, fo man 
erlebt, bod) rool)l etlid} mal lujtig fein können. 
Hber eben ötefelbigen £eute, fo an unferes armen 
Daterlanöes Unglück fcfyulöig {ein, oerfolgen mid) 
perjönltcr/ Ijier aud) unö kein £ag oergefyt, öafj 
man nidjt roas neues oeröriefelio^es f)at. Unö 
mit öiefen £euten allen muß man fein £eben 
bis ans <£nö 3ubringen unö wenn fie einem nur 



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125 



jagen wollten, toas fie toollen, könnte mau fid) 
barnad) ridjten, aber man fagt einem nidjts unö 
altes, was man fagt unb ttjut, finbt man übel. 
3d) roollte lieber, baß man mid) tjetmltd) fdjlüg 
unö baß to] barnad) quitt baoon märe, als baß 
man mid) fo 3ergt, rote man tl)ut, benn bas 
quält einem bas Warft aus ben Beinen unb 
madjt einem bas £eben gan3 Derbrießlid)." 

flurfj ein anberes an Sophie von fjannooer 
geridjtetes Sdjreiben gibt uns in ergreifenber 
IDeife bie tiefen in ftarkem fjeimatsgefüfjle 
n)ur3elnben Seelenfcämpfe ber treuen Pfäfyerin 
uneber: „IDas mid) am meiften baran fd)mer3t 
ift, baß man fid} meines Hamens gebraust, um 
bie armen Ceute ins äußerfte Unglüdt 3U ftü^en 
unb roenn id) barüber jdjreie, toeiß man mir's 
gar großen Unbank unb man profct mit mir 
barüber. Sollte man mir aber bas £eben bar- 
über nehmen ©ollen, fo kann id) bod) nidjt laffen 
3U bebauem unb 3U betoeinen, baß id) fo meines 
Daterlanbes Untergang bin unb über baß alle 
bes Kurfürften meines t}errn Datter feiigen 
Sorge unb ttlüfje auf einmal fo über einen 
fjaufen getoorfen 3U fefjen. 3d) Ijabe einen 
folgen flbfdjeu cor Rlles, fo man abgefprengt 
ijat, baß alle Hadjt, fobalb id) ein toenig ein- 
fd)lafe, bäudjt mir, id) fei 3U fjeibelberg ober 
Ulan l)eim unb fet)e all bie Dertoüftung unb 
bann faljre id) im Schlaf auf unb kann in 310 ei 
gan3er Stunben nidjt roieber einfd)lafen. Dann 
kommt mir in ben Sinn, u>ie Hlles 3U meiner 



126 — 



Seit mar, in welchem Stanö es nun ift f ja in 
u>eld)em Stanö id) felber bin unö 6a kann id) 
mid} öes SIcnnens nid)t enthalten." 

Die (Ereigniffe öes 1693 von £uöang XIV. 
gegen eine europäifdje Koalition geführten Krie« 
ges fyaben nur oorübergefyenö öie Rfjeinlanöe 
berührt. Dod) für fjeiöelberg toar abermals 
eine 3eit 6er £ei6en beftimmt. Der 3ufall 
wollte, bafc 6ie 3erftörung 6er Staöt, welche 
abgetoefjrt öurd) 6ie fjilfe menfdjenfreunölidjer 
(D friere gegen 6en IDillen £out>ois' im 3^re 
1689 nur 3um (Teile gelang, nun öurd} 3ufällige 
Umjtän6e t>on 6en rotlöen Husbrüdjen 6er über» 
mütigen Solöateska begleitet, fid) um fo grünö» 
lid)er 001130g. 

Der tiefe Sd)mer3 6er fjer3ogin oon Orleans 
ift treuer Rnljänglid)kett an ifjre fjeimat ent- 
fprungen. (Es ift 6as (Befühl, »elcfyes einen 
jeöen mit nie6erbeugen6er (bemalt erfaßt, 6er 
[ein Dater fyaus, öie Statte glüdtfetiger (Erinne« 
rungen, unter öem 3er[törenöen (Elemente öes 
5euers 3ujammen|tür3en fielet. IDeitblickenbe poli« 
tijdje Betrachtungen l|at £i[elotte öen Dorgängen 
auf öer öamals fo entfdjeiöungsoollen tDeltbüfyne 
nidft gefdjenkt. 3fyre Reflexionen gelten über 
öen <Befid)tskreis öer guten Pfal3 unö öes öicken 
Gurrnes auf öem fjeiöelberger Sdjloffe, öem man 
fo oiel £eiö angetan fyat, nidjt hinaus. £uö« 
toigs XIV. tDeltpolitik, öie mit 5*uer unö 
Sdjroert aud) über Karl £uöu>igs £anöe öatyn 
fd|reitet, empfinöet £ifelotte toie eine gegen fie 



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127 — 



perfönlid) gerichtete Aktion. (Db 5er König, je 
nac^ Stimmung, [ie hinter oöer langer oor öer 
(Türe warten läßt, mad)t if>r im (Brunöe genom* 
men mehr Sorge, als öas Sd)idtfal öer öeutfd^en 
(Bren3lanöe, öie ftüdtroeife öem fran3Öfifd)en tlad]* 
bam 3ufallen. Die Reife bes Königs unö öes 
Dauphins 3ur Belagerung oon Strasburg t>er« 
3eidjnet jie ohne jeöe befonbere (Erregung, in 
gleichem Htem3ug rote öie urfprünglid} geplante 
5afprt nad) Ghamborb, moljin „Komöbianten, 
Ittuf ikanten unö Balletiers " fdjon bef teilt finb. 
3n öie alte, ehrroürbige beutfaje Ret<hsftabt ift 
fie balö nad) öer Übergabe, 1681, mit öem König 
einge3ogen f ohne bafj ihr öie Beöeutung biefes 
(Ereigniffes 3um Beroufjtfein gekommen roäre. 
3fyr „5lennen" ijt öer Husbrudt perfönlitt)er, niajt 
politifdjer Stimmung. „IDie id) bei öem 0d)fen 
Dorbei gefahren, ift mir eingefallen, roie id) 3f) rc 
©naöen ben Kurfärften öas letjte TKal öa ge» 
fe^cn, öa ift mir öas Sinnen fo gräulidj ankom« 
men, öa& id)'s nicht habe oerhalten können." 
ITIit ihren geringen politifdjen Begriffen, öeren 
fie felbft fidj rühmt, ift fie unberoufot öie Holter 
Srankreidjs geworben, als öie Sdjroägerin öes 
mäd)tigften Königs jener (tage, öeffen ttieöer* 
lagen, gleidpiel root)er öie Silage kommen, 
aud) £ifelotte mit (Teilnahme be|d|öftigen. Sie 
ift er3Ümt, roenn man il|m keinen ehrlidjen 
öen gönnen null, erfreut, bafj öie fran3öfifchen 
fjeere 1703 in öer erften S<hlad)t bei tjödrftäbt 
öen lUarkgrafen £ubroig Don Baöen gefdjlagen 



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128 



unö ge3cigt Robert, rote fte „H)r fjanöroerk t>er« 
ftefyen". Derflucfyt fte einen £ouoois unö ITtelac, 
öte ifjre Dater ftaöt in Branö geftedtt Ratten, fo 
folgt fte roteöerum erroartungsuoll öem Sieges* 
3uge Dtllars' im 1706 unö freut ftd}, roie 
jeöe anöere (Eod)ter öes fran3Öfifd)en Boöens, 
öafj „öte Kampagnen auf allen Seiten roofjl cor 
ifjren König anfangen". Sie ift im £aufe öer 
3afyre in öie allgemeinen fran3Öjifcf)en 3ntere[fen 
Ijineingeroadjfen , als TTIutter öes künftigen Re* 
genten mit öem Sd)ickfale 5^ankrei^s, oerbunöen. 
Hn öem großen König, öer ifyr t)aterlanö Der« 
roüften liefe, bliebt fie mit Berounöerung öoefj roie« 
öer empor. Seine Krankheit mad)t xfyc für öie 
Zukunft öes £anöes unö oor allem ifyres Sohnes 
Sorge, öer com Parlament gefaßt i|t, öem 
fd)roere Kämpfe beoorftefyen. Daß öer ailmädj« 
tige öen König nod) lange 3<*l}*e erhalten möge, 
ijt iljr aufridjtigfter IDunfd). 

„Unfer Rufym oöer unfer Unglück," fagte 
Rtajillon an ifyrem (Brabe, „roar ifyr Unglück 
oöer it)r Rufym. Durd) Blut unö 5 r *unöfd}aft 
mit öem größten Gfyetl öer europäi[d)en Surften 
oerbunöen, gehörte fie niemanöen mit öem Ijer3en 
an, als öer Ration unö inmitten öes Krieges, 
roeldjen fte gegen uns rüfteten, waren ifyre Der* 
binöungen mit fremöen t)öfen nichts als glän» 
3enöe 3eugen il)rer £iebe 3U 5* aTl kreid}." (Ein 
kleines Stück IDal)rl)eit liegt in öiefer fluffaffung, 
öie fonft unferer £ifelotte unter öer (Elegan3 fran- 
3öfifd)er £obfprüd)e in keinem 3uge aud) nur 



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— 129 — 



annäfyernö gerecht 31t roerben t>erftcf)t. Aber 
bas Blut ber beutferjen £tfelotte, roelcr/es naef) 
bes £etchenrebners überjchtoenglichem £obc im 
ftan3Ö[tfd}en Blute burd) alle Rbern ^tnöurd| ben 
gememjamen llrfprung beiber Dölker aus uralten 
Seiten 6er fränktfehen IDanberungen unb Staaten 
roieberfinben, bie (Tochter Karl £uba>igs bei iljrcr 
Ankunft in Stonkretd) nur mit bem alten Dater« 
lanbe roieber uerbunben ^aben foll t roar eben 
bod) ein anberes, ein fran3Öfifd)em IDefen frem* 
bes. £ubang XIV., ben £i(elotte als angenehmen 
ßejellfchafter „oon fjer3en liebte", mit bem fie 
fid) „bioertiren", mit bem fie fchroätjen unb lachen, 
bem fie auch manche Kränkung Beleihen konnte, 
bebeutete für £ijelotte noch lange nid)t bas Stank* 
reic^, über roelchem jie ihre Herkunft nie oergaft. 
Bie t)er3ogin t>on Orleans blieb auch als $nm. 
3Öjin jtark in ber Daterlanbsliebe , bie eine 
beutfdje roar. (Es ijt kein politifches (Befühl, bas 
in feuriger Rebe 3um Ausbruch bröngt unb roie* 
ber oerraufcht, ober niebergebeugt in ein fenti* 
mentales TTtartrjrium ausklingt, fonbern natür- 
liche Jjeimatsliebe, um fo roiberftanbsfähiger, als 
jie frei oon allen politifdjcn Reflexionen roar. 
Rieht ber in jeinen politifd)en (Breden toechfelnbe, 
bamals fehr unklare Begriff bes beutjehen Dater« 
lanbes, fonbern beutfehes IDefen bleibt unoer« 
fälfeht unb rein in £ifelotte gewährt unb burch 
ein jtark ausgeprägtes Beroufctfein ihres beutjehen 
Jürjtenblutes , gegen fremben (Einfluß gefchütjt. 
„fjalte es oor ein groß £ob, roenn man jagt, 

3. IDtlU, <f Ufabett) at)arIotte o. Orleans. 9 



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öa{$ id) ein teut|d) I)cr3 Ijabc unö mein Dater* 
lanö liebe. Diefes £ob toeröe id) ob (Bott tx>ill 
fudjen bis an mein <Enöe." „tEcutfdjIanö ift mir 
nod) al^ett lieb unö id) bin jo wenig propre 
oor 5rankreid), öaft id) mein gan3 £eben mitten 
im f)of in einer grofeen (Einfamkeit 3ubringe." 
„fteutfdjlanö war mir lieber unb finöe id) es 
nad) meinem Sinn Diel angenehmer, wie es 
weniger pracfjt unö mef)r Rufrid)tigkeit h at - 
tlad) pradjt frag id) nichts, nur nad) Reölid)* 
keit, Hufrid)tigkeit unö tDahrt)ett." 3n Dielen 
3ügen treten bis in ifjre alten Gage öas fjeimats* 
gefüfjl unö öie Sef)nfud)t nad) Deutfdjlanö 3U* 
tage. „Bei öen Seinigen in feinem Daterlanö 
bleiben 3U können, ^alte td) oor öas (Blückltchfte 
oon öer IDelt, öenn in fremöen Canöen ift 
man alle3eit fufpect." Darum ^ört [ie gerne, 
wie es alle3eit in Deutjdjlanö 3ugel)t, gel)t es ifjr 
„wie öen alten Kutfd|ern oöer 5 u h r * eu * cn > öie 
nod) gern öie Peitfdje kladten hören, wenn [ie 
nid)t mef)r fahren können". 

,,3d) habe es," fdjreibt jie einmal, „jeber3eit 
für eine (Ef) rc gehalten, eine Geut[d)e 3U fein 
unö öie teutjdjen ITtajtmen 3U behalten, obwohl 
fie hier nid)t gefallen." Sie öurd)3ufüt)ren, war 
nicht leicht §at Jie auch in ty*** Umgebung 
keine Tttenjd)en|eele, mit öer jie öeutfeh jpre- 
chen kann, als öie ihr oertraute 5*öu oon Rath» 
jamhaufen, öie mit gutem fjumor fo manche 
köftliche (Bejchichte aus öem bunten (Betriebe öer 
weltlichen unö geiftlichen <5efell|d)aft 3um £ad)en 



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— 131 — 

gibt, fo rettet fte fid) in öeutfchen Büßern unö 
brieflicher Unterhaltung mühfam öie geliebten 
heimatlichen £aute. Sie ift ftol3, von £eibnt3 
3U hören, öa& fie noch 9"t öeutjdj fd)reiben 
könne. „IDürbe recht betrübt [ein, toenn ichs 
oergeffen jollte." IDie fie toährenö öer latei* 
nifchen ITIefje öeutfd) 3U ihrem fjergott reöet, fo 
klingt auch abfeits oom (Bebränge öer Summen 
ihre Jelbjtgemachte kur3e £iturgie in beutfdjen 
£auten aus. Durch öie öeutfche Bibel, öie alten 
lutherifdjen Kirchenlieöer , öie (Bebete aus ihrer 
3ugenÖ3eit bleibt ihr öeutfches Sprachgefühl leben» 
öig, in öie|em Sufammenhang ein jtarker Reft 
protejtanti jeher Herkunft. Um fo fd)mer3licher 
empfinöet jie es, roie in Deutjdjlanö öie fd)öne 
ITlutterfprache auger Übung kommt, oerroilöert, 
mit fran3Öfi|chen Brocken gefüttert rotrö, um gan3 
3ugrunöe 3U gehen. „Kann nicht üertragen, 
Heutjche 3U finöen, fo ihre TTCutterfprach [0 oer* 
achten, öafj jie nie mit anöem teutfd) reöen unö 
jdjreiben toollen. Das ärgert mich recht." „Das 
kommt mir albern oor," fagt jie ein anöermal, 
„öafj unjre gute (Eeutjche als 5™ n 3Öfif<h fdjreiben 
wollen, als toenn man nicht auch teutjch (^reiben 
könnte. 3ch fürchte, öas (Eeut[d)e roirb fich 
enölich fo oerlieren, öafj es keine teutjdje Spraye 
mehr {ein unrö." „Reö man öenn kein leutjch 
mehr in Heutjchlanö?" ruft jie er3Ürnt aus, öa 
ein hannooerjeher Prin3 fich ftets öer fran3Öjijchen 
Sprache beöient. Der Deutfdje 3U f)auje fchämt 
fich jeiner kräftigen Sprachlaute, öie Jjer3ogin üon 

9' 



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132 — 

Orleans forgt öafür, öafc fie nid)t oerloren gelten, 
ift cr3Ürnt r öafc it)r Page, öer 5 rau oon Dar- 
ling Sofm, in öer fran3Öfifd)en Umgebung fein 
Deutfd) faft oerlernt ^at. Huf Befehl {einer 
fjerrin mufe er öas Dergeffene aus einem £efyr* 
bud)e roieöer auffrifdjen unö £ifelotte, rote cor 
einer Sd)ulmeifterm , feine öeutfdjen (Bebele her« 
unterfagen. 

Über öie Hffennatur öer Deutzen, öte „alles 
perfect galten, roas nur aus 5t<*nkrei<f) kommt", 
ergießt ftd) tf)r ganjer Spott, lltit ernften 
Sorgen ftefjt fie aud) „öie böfoen Gonöuiten" in 
Deutfdjlanö ein3ief)en, roo neben feinen gefell» 
(djaftlidjen $ormen auch öie gan3e fittlidje Der* 
öerbnis öes glän3enöen fran3Öfifchen f)ofes ein 
ftarft begehrtes ITCufter roirö. „(5ott gebe, öafc 
oon öenen, jo es h^Pd) finöen roeröen, öie 
metften fein mögen." IDälprenö Deutfchlanö feine 
3ugenö nad) 5ran&reid) flickt, um feine Sitten 
unö £ebensart 3U lernen, l)at öie fjer3ogtn pon 
Orleans unter heftigem tDiöerfpruch il>res Jjaufes 
oergeblid) öie eigenen Kinöer in öeutfdjer (Er* 
3ief)ung cor öamaliger fran3Öfifd)er Unjittltch&eit 
3U retten Derfudjt. 

So öeutfd) roie il)re (Befühle, ift aud) alle* 
3eit itjr TTIagen geftimmt. IDenn fie uns aud) 
fagt, öafo it)r Appetit kein ftarlter fei, fo bilöet 
öod) öie Speifeftarte keinen untergeoröneten (Teil 
it}rer brieflichen Unterhaltung, fjier mar nichts 
mi)ftifd) unö unoerftanölid) , öod) oieles begriff 
fie nic^t, roas öie fran3öjijd)e Küd|e if)r auftrug. 



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133 — 



„Das frcm3öfi|cf) (Befrag oerletb H)r alles (Effert, 
befonbers bie Bielen Ragouts finb it)r 3Utoiber." 
3h* (Befchmack tft fef)r unpolirt, benn fie oerad)-- 
tet, was fonft bie Damen mit Stuben genießen. 
„(Efyee kommt if)r roie fjeu unb TTtift r Kaffee tme 
Hufe unb 5*i9&<>h ncn Dor." Sd)okolabe ift it)r 
3u füfj, alle bie Dinge haben für fie etroas 5remö= 
länbifd)es. Sie h a * if)r „beutfd) ITtaul auf bie 
beutfdjen Speifen oerleckert." „IDenn id) teutjd) 
(E[fen ertappen kann, ejfe id) oon gan3em fyx$tn." 
(Ein Diner 3U St. (Eloub „mtt breifcig Sd)üfjeln" 
gibt if)r Stoff 3U einem langen Brief , eine gan3e 
Speifekarte urirb ba entwickelt, bod) über all 
ben feinen Sachen fteigen heimatliche (Erinne* 
rungen unö (Belüfte aus bem Dampf ber fran« 
3Öftfd)en Sd)üffeln auf, ber Duft ber Bratoürjte 
unb bes Sauerkrauts kommt if)r aus weiter S^rne 
in 6te Hafe hinein. „3 a » £ui[e," fdjreibt 
fie an bie Raugrafin, „ich fage es (Euch rcc *)t 
üon (brunb ber Seele, es würbe mir eine rechte 
Sreube fein, wenn ich mit (Euch auf gut Heutfd) 
effen könnte: Sauerkraut, braunen Kohl, (Brun» 
beln unb Krebs." 

,,3d} geftehe," fchreibt [ie an ihre Hante 
Sophie, „ich möchte gern noch einmal eine 
teutfehe (Tomöbie mit pickelhäring fehen, braunen 
Kohl, gut Sauerkraut unb Rtnbfleifd) mit tTteer« 
rettid). 3d) bin gewifj, wenn id) wäre, wo 
man bas 3urid)t, würbe es mir beffer bekommen, 
als alle <Drbonan3en oon ben Doctoren." Das 
in Sr^nkreich oeradjtete Sauerkraut aber blieb 



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— 134 



al^eit ifjre £eibfpeife. (Ein Kod), ber es in 
Strasburg 3ubcrcitcn gelernt Ijat, erfetjt itjr 
toenigftens biejes Cebensbebürfnis, tuäfyrenb keiner 
Don biefer beliebten 3unft bie Pfannenkudfen nad) 
IjannÖDerjdjer Art jo redjt im dmffe Ijat. Rud) 
aus ber 5^tne kommen von Seit 311 3eit an» 
genehme Spenben unb toenn iljr oon ben Douaniers 
nid)t \d)on an ber <&ren3e bie Senbung uon TTIett» 
toürjten „ toeggefreffen " unb ber lleckartx>em 
„ausgefoffen" roirb, fo bleibt aud) nad) biejer 
Seite Ijtn bie fyeimatlidje Seljnjucfyt ber guten 
£ifelotte auf einige Seit toieber gefüllt. 

Daterlanbsgefül)! i[t treue Jjeimatliebe im 
fjer3en ber £i[elotte, bie niemals üerleugnen 
konnte, toofyer jie jtammte unb auf bie|em fran* 
3Ö[ijd?en Boben nidjt einmal ben Rr3ten traute, 
ba fie bas pfälßtfc^c naturell nicfyt oerjtünben. 
Selten l)at ein Tttenjdjenkinb brausen in ber 
5rembe, ein gan3es tttenjd)enalter com Boben 
feiner Herkunft getrennt, in frembe Sitten unb 
Rnfdjauungen burd) bie ITCadjt ber (Berootniljeit, 
toenn aud) mit ftarkem tDiberftreben , ein* 
getoad)|en, bie alten, jtarken tDur3eln gefunb 
erhalten toie bieje fje^ogin oon Orleans. 
„ITIid) beudjt," fdjreibt fie einmal, „mix Pfä^er 
fyaben bas, roir lieben bas Daterlanb bis in ben 
CCob unb geljt uns nichts brüber." Sie kann 
nid)t begreifen, roie Karoline oon IDales, eine 
ansbad)i[d)e Prin3effin, (Englanb lieber Ijaben 
kann, als Deutfdjlanb. ,,3d) bin gar nidft fo, 
bie liebe Pfal3 gefjt mir über alles/' „So lang 



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— 135 — 

mein pfäfyfches fjer3 fid) in mir regen roirö, 
roeröe id) eine aufrichtige (Eeutfdje bleiben." Ulan 
fielet aus öiefem (Beöanfeengang , tüte eng tt^rc 
oaterlänbifdjen Begriffe ge3ogen finö. UTit allen 
ihren (Erinnerungen hängt fie an öer pfätyfcheri 
(Eröe. ff Käme id) einmal in öie Pf al3 , ich 
roüröe mic^ toöt ©einen. " Sie h at e ^ ne 
Karte ihres fjeimatlanöes kommen laffen. Da 
gefyt fie in (Beöanfeen fpa3ieren r toät)renö fie 
t)incinf djaut : oon fjeiöelberg nad) $nmkfurt, von 
lllannt)eim nad) 5 ran ^ cn ^ a ^ n( *tf) Heuftaöt unö 
IDorms, „too fic um öas fd)öne, nun in Schutt 
unö flfdje liegenöe Katzems trauert, worauf öie 
Ijiftorie com £inötourm gemalt t»ar". „tttein 
(Bott, roie mad)t einem öies öie alten Seiten ge- 
benfeen, |o leiöer nun oorbei fein." 

Hudj öas fröhliche Dolfe, beffen (Eigenart in 
iljr felbft fo lebenöig ijt, ftefjt ihrem fyx$tn 
nalje. Die guten Pfä^er „finö ihr nod) allc3cit 
lieber als alle anöem Kationen". Kommen 
£anösleute nad) S^anftreid), fo haben fie freien 
Sutritt bei ihr, ja fie i|t böfe, 3U hören, baft 
oiele fo blööe finö, oon öiefer lanösmännifchen 
Sreiheit feeinen (Bebraud) 3U machen. „(Es ift 
billig," fagt fie, „bafe alle heibelbergifcc/e £eute 
mid| fehen, öenn ich *) a & c m * ln Daterlanö oon 
fje^en lieb." „Hlle guten Pfä^er oon alter 
Kunöfchaft bitte ich 3 U grüben," fdjreibt fie in 
öie alte Heimat. 

tDährenö öiefes üolfe am Hechar unö Hhein 
heut3utage fo oft, feiner uralten (Eigenart fid) 



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— 136 — 

[cfyämenb, {eine kräftige Spradje mit if)r fremben 
Stammeslauten 3U oerbeffern glaubt, i[t 6er 
BrteftDedjfel ber tjer3ogin oon Orleans eine 
Sunbgrube für pfäl3ifd)e Dialektforfdjung ge» 
toorben. Sie mu& aud} fonft eine au&erorbentlid) 
(ic^ere Ruffaffungsgabe für alles Dolkstümlidje 
gehabt t)aben, ba& fie trotj kur3en Aufenthaltes 
am Jjofe ber Sophie |o gerne 3ur (Ergöfcung ifjrer 
Gante aud) nieberbeutfdjen Dialekt 3um Beften 
gibt. Sie konnte pfätyfd) unb fyannöoerifd}, aud) 
nid)t übel braunjd)U)etgifd) burdjeinanber reben. 

Das Sd)ickfal biefes pfätyfdjen £anbes, mit 
bem irrigen oerflodften , madjt bie Banbe ber 
3ufammengel)örigkeit im £aufe ber 3<*f)re immer 
f efter, obgleid) bie perfönlid)en Berührungen fid) 
nur auf bie |eltenen beutjdjen Befuge am fran* 
3Öfifd}en f)ofe betränken, unb bas neue re* 
gierenbe fjaus burd) feine Politik, ber uns be* 
kannten Denkroeife £ifelottens gegenüber, enge 
freunbfdjaftlicfye Be3iet)ungen 3U begrünben ntd)t 
tmftanbe roar. Kaum t)at Ofelotte bie Granen 
um bas fjeibelberger Sdjlofe, toenn aud) nur 
oorübergefyenb , getrocknet, als bas auf pfäl« 
3ifd)em Boben fdjon fo oft gegebene Sdjaufpiel 
religiöfer Unbulbfamkeit nun oon ber anbern, ber 
katfjolifdjen Seite aus in Dielen traurigen Akten 
auf bie polttifdje Büf)ne tritt. Da f)ört £ifelotte 
oon ben pfäljifdjen S^milien, bie mit tjab unb 
(But burd) £otf)ringen 3iefjen, bem ITteere 3U, 
um brüben im £anbe IDilliam penns unterm 
Sdjufce religiöfer 5teil)eit unb Dulbung eine neue 



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fjeimat 311 begrünben. 3n fjeibelberg unö öer 
Pfal3 tobt öer Kampf um (Blauben unö Be= 
kennen, um Kirdje unö Kirdjengut. 3fyre Briefe 
ftnö von tiefem Sd)mer3e über öiefe Dorgänge 
erfüllt, unö toie einjt 3um (Throne £uöroigs XIV. 
öringt ifyre kräftige Spraye im Rusörucke öes 
Rbfdjeues aud} an öen pfätyfcfyen Jjof. Dem 
Sekretarius öes Kurfürften Karl Philipp fjat 
fie, roie einft öem Couoots, fo „gut teutfd)" iljre 
ITteinung gefagt, „öafe er gan3 beöuöelt mar." 
3n rüfjrenöer fjeimatfjsliebe fpricfyt fid) öas TTtitleib 
für ifjre „guten Pfeifer" aus, öen „oerflud)ten 
Pfaffen" aber, als öen Dollftrediern öer neuen 
Politik, roünfd)t jie öen „(balgen an öen fjals". 
„(Es i|t eine elenöe Sacfye, öafj nrir ITCenf djen 
al(3eit glü&lid) leben motten unö öod) allen 
möglichen 5lei& amoenöen, etnanöer öas £eben 
fauer 3U machen; fo närri(d) feinö mir arme 
Ulenf^en. Die fidj öurd) Pfaffen regiren laffen, 
tfjun alle3eit toas über3tDerg. M 

Unter öen Bilöern aber, öte in gellen unö 
öüftern 5<rc&en vor öem geiftigen ftuge öer £ife» 
lotte oorübe^ieljen , kefyrt öie gute Staöt fjeibel* 
berg mit tfyrem oerlaffenen Sd)lo&, ifyren Kirnen 
unö (Türmen, ifyreu engen (Raffen unö ifjren fröf). 
liefen Bürgern immer tmeöer. ITTannfyeim mit feiner 
3erfallenen $efte, öas fdntakenreidje Scfytoefctngen 
mit öem nafyen Ketfdjer IDalö unö öen guten 
(Eröbeeren können über öem prunkoollen Der« 
fatlles unö (Ertanon, über öer Stille oon Htarlt) 
unö St. (Tlouö nid)t oergeffen toeröen. Aber 



— 138 — 



jebe (Erinnerung klingt in roerjmütigem Hone 
aus. „3cfj glaube, toenn id) Ittannfyeim, Scf/toet» 
3ingen ober Jjeibelberg roieberjefyen follte, ba& 
ict) es nid)t roürbe ausftetjen können unb oor 
Hfyränen oergefjen." £euer unb Raud) fteigt über 
ben Stätten ber glücklichen 3ugenb 3 um Gimmel 
auf. 3n ber (Balerie 3U St. (Eloub r/ängt bas Schloß 
mit bem (Barten, fie fier/t ben piafc, roo fie in 
ifjrer 3ugenb gekegelt unb 3U Yiadft gegeben r/at. 
„tDill nierjt baoon reben, es ift gar 3U traurig 
fo bricht fie ifyre (Bebanken r»erfd)eud}enb mitten 
im berebten (Einbrucke ber (Erinnerungen roieber 
ab. Haugräfin £uife roar im (Dktober 1718 
roieber in J}eibelberg. Da braucht £ifelotte nur 
baoon 3U r/ören, unb bie lEränen treten ifjr in 
bie ftugen. „(Es ift mir burd)s ljer3 gegangen", 
fagt fie, unb roie es tf)r ums J)er3 ift, jo fdjretbt 
fie es nieber. Alles toirb ba oor iljr lebenbig. 
IDenn £uife oieIIeid|t in bes alten £anbas tjaus 
am Kornmarkt geroofynt, ba r/at fie ja bas 
„arme Sd)lo& im Hlonbfcrjein" gefer/en, fo roie 
es r/eute roieber r/emieberfer/aut, roenn im fyerbft* 
lierjen (Beroölke fyalboerloren bas ÜTonblicr/t über 
gebrochene ITlauern feine geifterfyaften Statten 
wirft. 

So oerfolgt fie in (Bebanken ben IDeg irjrer 
teuem £uife. „ITTicr/ bünkt, id) ferje (Euern IDeg 
oon rjter, roerbe bie gan3e Dorftabt burcr/far/ren 
burdjs Spet)erer (Er/or, lagt Kirchen unb IDib* 
lingen auf bie rechte rjanb unb fafyrt bei ©fters* 
rjehn unb Hpelle oorrjer burdjs kleine IDälödjen, 



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— 139 



hernach nach Schwetzingen." Rud) von Schroetjingen 
bis hinein ins tjeibelberger Sd)lofj, burd) ben 
oiereckigen üurm mit feinen geharnifchten tDappen* 
haltern unb ber Uf)r barüber, befd)reibt Jie uns 
ben tDeg. Alle (Drtltc^hcttcn , Käufer unb Kur* 
d)en, am IDege ben Brunnen mit ben 3toei 
Röhren, oor einem rjaufe bas Rushängejchilb mit 
ben 3toet Scr/affcr/eren tjat fie öeutlid) oor ben 
Rügen. Denkt |ie gar an bas nahe Schriesheim, 
fo roerben heimatliche (Befühle auch i m Wagen 
toieber lebenbig, benn bie (Trauben fallen ihr ein, 
fo im Übermaße fie genofjen unb nun fchon längjt 
roieber glücklich ©erbaut h ar - »fyobt fo er* 
fcr/recklich gefreffen, bafj mir ber Bauch 1° bifo 
geworben, bafj ich n ^ me *) r g*h cn konnte, fyat 
mir aber nidjt gefchabt, fonbern nur beffere £uft 
3um ITtittageffen gemacht/ 

EDie freut fie fid}, 3U hören, bafj bas „gute, 
ehrliche fjeibelberg roieber [o roohl gebauet i(t. 
(Bott roolle es cor fernerem Unglück bewahren. 
Rber feit ITlonfieur be £ouoois tobt ift, brennt 
unb fengt man nicht mehr, toie 3U feiner Seit, 
fjoffe alfo, bafj es nid)t mehr roirb gebrennt 
roerben." IDie alles nun gebaut unb ausfielet, 
roill fie roiffen, ob bie fjetliggeiftkircrje ihr fpifces 
Dad) roieber erhalten h a * unb bie alte Tleckar* 
brücke roieber r/ergeftellt ift. 

Hur bas Schloß liegt noch un & ocrlaffen. 
Sie kann es ben tteuburgern nicht oer3eihen, ba& 
fie bas alte Stammhaus nid)t roieber fjcr^eftellt 
unb fernab in Düffelöorf in oerfchtoenberifdjer 



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— 140 — 



Pretest eine neue gtän3enöe Refiöen3 ftd) errietet 
tjaben. Scfyon barum kann, nadj ttprer Ttteinung, 
kein echtes Pfäl3cr Blut mefyr in itjnen fließen. 
Der neue Kurfürft 6er Kurpfal3 l)ätte nad) ifyrer 
ITteinung beffer getan, mit öen 3ioan3igtaufenö 
(Talern öas „arme Sdjloß" txneöer 3U bauen, als 
eine Opera. „(Ei mein (Bott, es i[t öen fjof« 
Ieuten, ja gar öen $wmöen fo mel ljunöert 3^r 
fyier nid)t befd)tx>erlid) gefallen, ins Sdjloß 3U 
^eiöclbcrg burd) öen großen Berg 3U fahren unö 
öurd) öen Burgroeg 3U gefyen, roarum follte es 
öenn jetjunö [0 fdjtoer fein?" 

Daß Karl Philipp öas Sdjloß 3U Wann* 
fyetm 3U bauen unö unter (einen Pfä^ern 3U 
tDofynen geöenkt, kann bei Ofelotte nur Zuneigung 
für öen neuen tjerrn ertoecken. Hber öas (5e* 
rüd)t, er roolle öen |tol3en I)alb3erftörten XDofjnfi^ 
auf öem 3*ttenbüf)I rafieren (äffen r mad}t ifyr 
Sorge. Bei Karl Philipps Bruöer, öem Kur* 
fürften Don (Trier, ift fie öamals in einem rül)* 
renöen Bittfcfjreiben für (Erhaltung ifyrer oäter« 
liefen Burg eingetreten: „IDeilen id) öort geboren 
unö er3ogen bin, kann id) foldjes nid)t ofyne 
Sd)mer3en frören, es fyat mir fdjon fo Diele 
(Tränen gekoft unö roüröe mir aufs neue fcoften, 
wo foldjes gefd)ef)en follte. (Ein Dater feiner 
Untertanen kann nid)t fo graufam in öem 
armen Jjeiöelberg Ijaußen, eine foldje (Tfyat öürfte 
iljm nid)t 3um Rufjme gereichen." 

tDte fie in (Beöanken öa fjinunterfdfaut auf 
öie Dädjer öer Staöt, mo fie in ifjrer Kinöfyeit 



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— 141 



ficfy an ben Störten auf ben Kaminen amüfierte, 
nrirb's aud) brunten lebenbig. Rlle Mo engen 
(Baffen unb Käufer, bie frifd) unö fäuberlich auf 
ben Itterianfchen Kupfern oor £ifelottens feuchten 
Rügen fid) ausbehnen, beoölkern |id) mit leben* 
bigen (Beftalten, oft nur in unklaren Umriffen 
toeröen |ie uon ihrem (Bebäd)tni[fe erfafot. Rite 
Bekannte [inb es, Kinber ber J)onoratiorentoelt, 
bie, Spielgenoffen ihrer 3"9^, nun felbft toie* 
ber Kinber unb (Enkel um fid) oerfammeln, fo 
bafc £ife!otte bie Generationen fdjon nid)t mehr 
auseinanber galten kann unb oon ber Raugräfin 
ihrem (Bebädjtmffe fid} aufhelfen lafjen muß. Die 
Hebel, £anbas r bie Spina leben im Ijalbbunkel 
ber (Erinnerung. IDas bie kleine Spina madjt, 
bie Karl £ubroig „noch |o fd)öne IKärdjer oer» 
3el)len konnte ", roill fte roiffen. Rus allen 
IDinkeln unb (Ecken tauchen aud) bie (Beftalten 
bes kleinbürgerlichen £ebens, bie Originalfiguren 
ber Strafte Ijeroor, mit ihrer l^ausgebackenen, 
aber froren Denkart, ihren lebenbigen Reben, 
Sprühen unb Slüdjen. RH ber Dienerfdjaft tfjres 
Daters erinnert [ie fid) nod) in [päteren 3<*h rcn 
unb u>ill von ifjrem Sd)ick[ale hören. ITIit bem 
Kutjdjer Rmbroftus unb bem Peter mit bem 
roten Sd)nau3bart fjat, urie bas ehren, unb roetter* 
feften 5 u h r I cu * en alten Schlages gerne pon ber 
3ugenb 3utei( roirb, aud) £ifeIotte bauernb 5^eunb- 
fd)aft gehalten. 

So toie nun bas heimatliche Dolk in ihrer 
(Erinnerung weiter lebt, ift fie aber aud) felber 



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142 



geblieben. 3f)te angeborene tTaturtDÜd)figkeit 
konnte oon öer fremöen, oerfeinerten Kultur 
eines ga^en ITTenfdjenalters mit ihren ©erführe* 
rijd)en Hei3en unö Rütteln nid)t überwuchert wer* 
öen. Hm toenigften machte auf jie öie fran3Öfifc^e 
Rtoöe einen (Einöruck. Statt öiefes Dorbilö nad)* 
3uäffen, jollten, nad) i^rcr Ruffaffung, öie öeutjcfyen 
Srauen eine (Ef)re öarin (ucfyen öurd) ftugenö 
unö (Ehrbarkeit anberen Rationen ein gutes Bei« 
fpiel ab3ugeben. „So jung, als id) aud) ge« 
tüejen, h a & e X( § & 0( fy me bit 5 an ^ajei r jo unjere 
ehrlidje Geutjdje haben, öie fra^öjtjdfe UToöen 
3u folgen, begreifen können, öenn mich beud)t, 
ba& nichts raijonnableres war, als ba& jid} ein 
jcöer kleiöen mögte, une es ilmt am bequemjten 
unö gemäd)lid)[ten ift." So fefjr jie öarauf jat), 
ba& bei fjofe aud) im äußeren öer Refpekt oor 
öem König gewahrt blieb, fo befag jie bod) für 
jold) t)o^en 3weck nur, toas unbeöingt nötig 
war: grand habit für öie (Tour unö ein Reit* 
kleiö für öie 3<*QÖ. „f)abe auch m meiner 
(Barberobe nur einen einigen Rad)trocf, um öa* 
mit auf3ujtet)en unö 3U Bett 3U gehen." „Putjen" 
wollte jie {ich nie. Ruch alle äu&eren Schön» 
hettsmitteldjen, wie jie öas gefallfüd)tige, h ö f^ e 
Dolk jener (Tage ausjtuöierte , um öamit auch 
öen öeutjdjen Damen ihre naturfrifd)en , rojigen 
IDangen mit fremöartigen pinjeljtrichen 3U Der* 
öerben, waren tijelotte fremö. Sie wollte lieber 
ihre Rubeln haben, „als weifje Sachen auf öem 
C&ejidjt". „Bin mein £ebtage mit keinem d>e« 



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— 143 



fdjmier umgangen." Dod) öie gute £uft unb 
bie Hebe Sonne fjatten biefem Haturfcinbe ifjren 
(Brufj in frifdjen, kräftigen aufgetragen. 
Don früt) ITIorgens bis fpät 3um Hbenb auf ber 
3agb, kam fie fonnenoerbrannt, „rott) toie ein 
Krebs" nad) fjaufe. „tDenn (Euer £iebben," 
(treibt fie an Sopf)ie nad) Ijannooer, „meine 
fjänbe feüffen, ift es roof)l eine redete 5aftenjad), 
benn bie Hlortification fotooljl, als roie öie De* 
mutl) toürbe fid) t)ierin finben , benn id) glaube 
nid)t, bafj umfdjtere (ums auf gut pfätyjd} 3U 
fagen) unb rötfyere Poten in ber gan3en IDelt 
können gefunben roerben, als bie meine fein." 

£ifelotte fyatte aud) oon (Eitelkeit nid)ts ge* 
lernt am fran3Öfifd)en f^ofc. (Eine Sdjönljeit ift 
fie it)re £ebtage nid)t getoefen, Ijat fid) aud) 
bafür nidjt gehalten. Dod) bie 3al)lreid)en Bilber, 
bie mix von ben (Tagen ifjrer Ktn6t>eit an oon 
ifyr befitjen, 3eigen uns, baß ifyr felbjtge3eid)netes 
Porträt glüdtlidjenoeije nid)t alle Rf)nlid)fceit mit 
ben TDerfeen bes pin[els tjat. IDer £ifeIotte aus 
bem Bilbe fid) erinnert, bem fdjroebt immer U)r 
großes Porträt Don Jjqacintfye Higaub oor, tnie 
es in Stidjen unb Deroielfältigungen t)eut3utage 
populär geworben i[t. £ifelotte [elbft fat) in 
biefem ITIeifterrDerfee il)r am beften getroffenes 
(Ebenbilb. „Ittan l)at fein £eben nid)ts töleidjeres 
ge[el)en, als Rigaub mid) gemalt l)at." 

Diefer Künftler ift ber offi3ielle Porträtmaler 
ber Ijöfe, gan3 nad) (Etikette, mit pompöfer 3ere* 
monieller Staffage fifcen ober flehen feine $igunm ba. 




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— 144 



So tjaben mir tifelotte als !jer3ogtn von 0r- 
Ieans uor uns im grand habit unterm koftbaren 
Jjermelinmantel , öer mit öen £ilicn 5 ran ^ re ^ s 
gefdjmückt ift. Stolß unb (Energie, beiöe in fjotjem 
ITCa&e ifyr eigen, fpredjen aus ifpren 3ügen. Don 
öen feineren £inten öer jtuartif d)en ' Herkunft ift 
nicfyt mefyr triel 3U merken, gefunö, öerb unö 
kräftig, ifjrem innem tDejen r>ern>anöt, rufyt 6er 
ftark gebaute Kopf auf kräftigen Schultern. Streng 
unö ernft, öer äußeren IDüröe entfpre^enö, meljr 
offi3ielI königlid) als unge3toungen natürlich, 
blickt £ifelotte in öie XDcIt, nicfyt fo, toie fie los« 
gelaffen aus öem f)öftfd)en 3u)ange uns ent- 
gegentritt. Hber eine ehrbare, toüröige öeutfdje 
5rau ift es, öeren kräftige tjanö öie Krone 
Orleans berührt. 3fjre u>of)lu>ollenöen , treu* 
fye^igen 3üge fpredjen toeit rnefp: aus öem 
Bilödjcn heraus, meines fie für (Etienne Polier 
tjat malen Iaffen. Rud) öen £e[ern öiefer Blätter 
tritt öie[es TTIeöaillonporträt cor flugen. 3t)re 
gra3iöfe 5*9"*» f« tOeenij uns gemalt l)at, 
i[t längft Derf^tounöen. Sorgen unö Ärger, urie 
jie [elber (dje^ljaft gejtefyt, tjaben fie bick unö 
runöltd) gejtaltet. „ITtager roie ein Sdjeit tjol3 
bin id) aus öer Pfal3 gekommen, aber nun bin 
id| eine alte, öicke Pagoöe." 3f)r jtark unö breit 
angelegtes Kinn unö öie fd)toer Ijerabljängenöen, 
t>on Blatternnarben öurd}furd)ten Backen, ifjr fon- 
nenoerbranntes (befielt paßten nid)t einmal übel 
Öa3u, öodj 3ur Sdjönfyeit trugen fie nidft bei. 
„Bin eine toüjte, fyäfjlidje $\qux; fabe ober öas 



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145 



(Blück, gar nichts banadj 3U fragen, benn id) be« 
gefjre nid)t, ba& jemanb uerliebt cor mir fein 
folle. " Hlefjrf ad) t)at |ie bejonbers in älteren 3al)ren 
in brolliger tDeife ifjr Porträt ge3eid)net. „tDie 
(Euer £ieböen," fdjreibt [ie im Riter oon 60 3afy*en 
an Sophie, „bero £ifelotte gefeiten unb jie jo 
too^l laufen unb [pringen konnte, war [ie leid)t 
unö jung. IXun bin id) alt unb jd)u>er, bas gibt 
grofje Deränberung. 3d} bin genug, bafo wenn 
id) |o glücklid) mare, ba& (Huer £iebben mid) an 
einem ®rt jef)en könnten, fo Sie nid)t oermutfyen, 
bafe tdj ba toäre, roenn idj nidjt rebte, mürben 
Sie mid) otynmöglid) kennen. fliehte oerrun3elten 
Rügen, meine ^ängenben grofjen Backen, meine 
jdjneetDei&en Jjaare, meine Ijöf)len 3U)ijd)en ben 
0f)ren unb Backen unb mein grofj boppelt Kinn 
toürbe (Euer £iebben gar nid}t an £ijelotte er« 
innem. 3d) gleite mir jelbjten in nichts mefjr, 
mein langer fjals i[t gan3 kur3 geioorben, fjabe 
nun bicke, breite Schultern, ab[d)eulidj bicke 
fjüften." Der Haugräfin £uife fyat jie alle ifyre 
Hun3eln aufge3äf)lt. „So bin id) ein artiges, 
braunes $d)ät5d)en." Rber was tut's? Rud) bie 
Sdjönfyeit i[t jdjliefjlid), roie alles, ein Derfyängnis; 
„toenn toir unfere eigenen Künjtler mären, [0 
©ürbe man überall nur auserlejene Scfyönfyett 
feljen." <Db Ijübjd) ober Ijäfjlid), ein Raujdje* 
blattkned)t fragt ntc^t banad). 

Als ein echtes, unoerborbenes ttaturkinb liebte 
|ie bie Hatur unö oerjtanb ifyre Sprache. J>icr 
fanb jie tDafyrfyeit unb Srctfjett, nichts a>ar ge* 

J. UMIW, Clifabctf) ttjarlotte o. Orleans. 10 



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— 146 — 



künftelt in biefer IDelt, wo ötc Sonne jie grüßte 
unb bie XDälber im IDinbe raufdjten. „3m grünen 
(Bras bei einem Brunnen 3U effen," gab ifjr bejferen 
Rppetit als an ber königlichen Gafel, wo jebc 
Beilegung geregelt war. „Was bie Itatur macfyt, 
finbe icf) alleßcit jd)öner, als was bie ITCenjd)en 
machen, jo magnifique es aud) fein mag." Die 
ttacf)tigallen fingen, bie $Tö\&\e quaken 3U fyören, 
ift iriuftk für il>r ©f)r, lieber als bie Stimmen 
ber TTtenfcfyen unb bie fd)önjte ©pera. Urfprüng= 
lid)e Kraft, üolles £eben füf)lt jie nur brausen 
in $elb unb IDalb. Keine Situation kann jie 
jo fdjön finben, toie ein fliefeenb tDajfer. (Ein 
(Becoitter, bas im gewaltigen Donner 3U uns 
rebet, kommt it)r als ein „magnifique spectacle" 
üor, es mad)t bie Allmacht Gottes abmirieren, 
toie umnberbarlid) er alles in ber Hatur gemalt 
t)at. IXidjt Paris, ber „abjd)eultcf> jtinkenbe ©rt," 
bejjen £uft fie krank macf)t, jonbern bie Scfylöjjer 
auf bem £anbe, im kühlen, jtillen IDalbe 3iel}cn 
jie an : ITTarli) mit feinem jdjattigen Parke, 5on* 
tainebleau, „bas jo beutjd) ausfielt", mit {einen 
kühlen, traulichen (5emäd)ern unb Kammern, oon 
beren 5*njtern aus jie neugierig alles beobachten 
kann, toas im cour du donjon ober im Küdjen* 
fyof uor jicf) geljt. St. Gloub liebt jie cor allem. 
„(Es ijt ber fd)önjte (Drt ber tDelt." Da [ief)t jie 
vom Sd)reibtifd) aus burdjs offene ^enfter bas 
Sobom mit feinem fjäujermeere am fernen, buf» 
tigen ljori3onte auftauten, bas liebliche Seinetal 
mit üppigen Selbem, blüt|enben <5ärten unb grün« 



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— 147 — 

fdjimmernbem (5ef)öl3 311 itjren Süfeen, ötc Jeronen 
Dörfer Dant>res, Daugtrarb unb 3[jt) 3ur Renten, 
ben Bois be Boulogne „mit öer {teinernen Brücke" 
3ur £inken üor jid) liegen. „ttatur gefyt über 
Kunjt." tDiejen unb 5*1^* jwb ifjr lieber, als 
bie gleidjmäfeig 3ugejtutjten fjecken unö abge* 
3irkelten Beete fran3Öftjd)er (Bartenkünjtler, lieber 
jiet)t |ie ben aus feuchtem (Erbreid) Ijerüor* 
[prubelnben (Quell, bie oom Reifen fyerabraufdjen* 
ben, alles mit fid) fortreifjenben tDafferjtröme in 
ifyrer urjprünglidfen £ebenskraft, als bas oon 
ITCenfdjenkunft einge3roängte , in feinem natür* 
litten Drange gehemmte (Element. 3nnerlicb l mit 
biejer Hatur oerroanbt, fudjt jie aud) im Umgang 
mit il)r Dergnügen unb (Bejunbfyeit. Hls küfyne 
Heilerin unb $reunbin ber 3agb ift jie an ber 
Seite bes Königs eine gern gefetjene S'xqnx. „Das 
ijt ein rechte £u[t oor ein Haujd)eblattkned)t, 
toie id) bin , benn man barf fid) ba nid)t oiel 
butjen unb rotl) antfyun, als roie bei bem Ball." 
Alles ift Doli oon £ebensfrijd)e in ifyr, toenn fie 
bas jetyroere „grand habit" ablegen unb in ein- 
fachem 3agbkleibe [idj frei füllen barf. So jagt 
jie auf flinkem Pferbe ben fjirjd) unb jdjeut aud) 
bie (Befahren ber tDoIfsjagb nid)t. Dabei fjat 
jie manchen Sali getan, manches Hbenteuer er« 
lebt. Klitfdjt aueb, einmal bas Pferb, oom Der* 
folgten (Tiere ins toilbe Hennen gebraut, auf 
bem feuchten Boben aus unb £ijelotten gefyt beim 
5all ber (Ellbogen ent3tx>et, jo jud)t jie bei ber 
natürlid|en tDeistyeit bes Dolkes fjilfe, lagt jid} 

10* 



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— 148 — 

von einem Dorübergeljenben Bauern bie Knoden 
einftroeilen toieöer 3ufammenfli(ken unb kommt 
unter Kopf jdjütteln ber gepuberten fjofär3te mot)l* 
gemut 3U fjaufe lieber an. 

Die tlatur, öte alles gut meint unb red)t 
madjt, ftann nad) il)rem ftarken (Blauben aud) 
feilen. So wenig, wie „ben Pfaffen" über ifyre 
Seele, laßt fie aud) ben Doktoren ein Hedjt über 
tljren £eib. Sie ftnö beibe „Gfjarlatans wie bte 
Rboocaten". Sdfon bei ifyrem (Eintritt in bte 
fran3ö|i|d)e (5efellfd)aft l)at jie fid) gegen är3tlid)e 
berorbnung gewehrt. Sie wollte keines Hr3tes 
Sklaoin fein, „unb erklärt, jelbjt wenn er ein (Engel 
wäre, könne jie niemals einen Doctor lieben". 
„Die Doctoren müffen, wof)l etwas ba^er lagen, 
oon iljrer Kunjt, um fid) nötfyig 3U madjen. 3dj 
finbe aber nichts (Beletjrters, als bie TTatur, Iajfe 
alfo jelbige walten. (Es ift bod) alles fjafarb, 
benn man ^ann in ben £eib nidjt fefyen, roas 
oorge^t unb roas fdjon einem l)ilft, fäabtt bem 
anbern unb id) bin perfuabirt, baß bie inroen* 
bigen £eiber ber ITCenfdjen eben fo unterfdjieblid) 
fein, rote bie (Befidjter, al|o roas einen faloirt, 
bringt bas anbere ums £eben." Alle Hr3neien 
jinb iljr 3uwiber, benn jie toirb „grittlidj wie 
eine tDanblaus bauon". So folgt jie, nur um 
nid)t geplagt 3U werben, 3eitroeife aud) bem 
Hr3te, bas übrige [teilt fie bem lieben (Bott an- 
leint. (Ein Stüdt Determinismus ftedtt aud) in 
Cifelottens HTebi3in. 

Unoerfälfdjte kraftvolle Hatur wollte £ife* 



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— 149 — 



lottc aber aud) in ben ITTenfd)en fefyen. So ift 
es kein tDunber, bafe fie jid) über 6en englifdjen 
König 3&kob IL unb feine (Einfalt lujtig mad)t, 
robujte unö ungehobelte Jiguren, roie Peter öer 
(Bro&e it)r imponierten. Hm fran3öfifd)en fjofe f)at 
fie ben 3aren Rennen gelernt. (Er erfdjeint ifjr 
als ein guter Kerl nur roeil er „gar nicfyt affec* 
tirt unö oI)ne $a^on ift." 3n ifjrer Umgebung 
roaren 6ie|e Bilber oerfälfdjt. ITtan Jaf) nicfyt 
metjr roas gut unb fdjledjt, roo tDafjrljett unb 
(Erug fidj abgren3ten. Itur auf ber Bülme, in 
ber bramatifdjen Kunft trat tfjr bas £eben ent* 
gegen fo roie es ift: bie Ittenf d)en mit tyren 
(Eugenben unb £aftem, iljrem Kämpfen unb 
Ringen, tfjren 5 rcu ^ n un & £etben. Die IDelt, 
bie fie umgibt, fjat bei TTtoltere feeine ITtasfee 
mefyr üor. „Ulan {pielt ben (Eartuffe bejto ge* 
tye^ter, inbem Iliemanb prätenbirt, ein iEartuffe 
3U fein/ fdjreibt £ifelotte 1692, ,,id) glaube aber, 
öaf| roenn jemanbes jefct bergleidjen Komöbien 
machen (ollte, roürbe es ni^t gut gefyei&en wer- 
ben , inbem man aisbann glauben mürbe, bag 
man etliche Originale abgecopirt f)ätte, fo je^iger 
Seit fyod) am Brette fein." Alle ferieufen Sachen 
werben nadj Cifelottens Huffaffung nirgenbs in 
ber IDelt fo angenehm oorgebradjt, wie in 6en 
Komöbien. tDeber ber Pfarrer auf ber Kan3el 
nod) ber <5e(d)id)tsfd)retber gibt bie IDelt roie fie 
ift. „3n ber Kird) lefyrt man's unangenehm, aber 
in ben Komöbien roirb es angenehm oorgeftellet, 
roie bie (Eugenb belofmt unb bas £after gejtraft 



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— 150 — 



toirb." „3n ben tjiftorien feinb mehr £ügen, als 
in ben Komöbien, benn ba raifonntrt man unb 
gibt Urjachen von ben (Eoenements, woran fcein 
ITtenfch nie gebaut hat. Die Komöbien feinb mit 
bic tDelt gef)t. " (Ein Stüät, rote le mort de Pompäe 
„mit feinen noblen Senttmenten," meint £i|eIotte r 
gäbe ber Seele mehr Itafjrung, als eine prebigt. 
„Denn man meint, ber prebiger fei baoor be* 
3af)(t, über bie £after 3U fchmätjen, aber burch 
(Ejempel 3U fehen, roas £ob bie Hugenb ermirbt 
unb roas Deracfjtung bas £a|ter nach fid) 3iel)t, 
bas touchirt mid) mef)r." Der ernften ^oljen 
Hufgabe ber Komöbie ift fid) £ijelotte roohl be« 
toußt, fie bekunbet aud) über bie ausübenbe 
bramatifd)e Kun|t ein gejunbes Urteil, fie achtet 
roof)l auf gutes unb fehleres Spiel unb ftellt 
an bie Kün[tler bie größten flnforberungen. Die 
fittlid)e Hufgabe bes Schaufpteles fte^t in ihren 
Hn|d)auungen fo t)o^ r baß fie felbft im ftarfc be* 
tonten Rei3 bes Sinnlichen nod) lange feeine Sünbe 
unb bie tiefere tDirkung einer großen Dichtung 
nicht beeinträchtigt fieht. „flugen unb (Dfjren 3U 
hinein, toenn es nur 3um (Buten führt," ift nicht 
fd)limm. „IDen bie Opera unb Komöbien änbem, 
beucht oljnebem nichts, benn nach ber heiligen 
Schrift ift bem Reinen alles rein." So hat fid) 
£ifelotte trotj bes Derbotes ber fran3Öfifchen (Beift* 
liehen unb ber um bas Seelenheil ihter (Bemetnbe 
beforgten lutherifchen Pfarrer 3U 5*anfcfurt, ihren 
„größten Spaß, ben fie in ber U)elt hat, nicht 
oerberben laffen". 



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— 151 — 



£i[elotte ift von 6cm richtigen (Befüfyle ge- 
leitet, öajj öie[e auf öen Brettern fid) beroegenöe 
IDelt nur öurd) öie Illad}t öer Spraye, nidjt 
öurd) öie mujikalifdjen Wittel jener £age ifyrem 
3nnern 3ugefüljrt weröen konnte. Das muftka* 
lt[d)e Drama unferer Seit tjätte auf öiefc 5rau 
einen eben[o tiefen (Einörucfc gemacht, rote öas 
Sd)au[piel jie 3um IDeinen braute, wenn [ie 
3pt)igeniens (Eoö auf öer Büfjne jafy. So blieb 
für [ie öie fjerrfdjenöe italienifdje (Dper nur eine 
„Katjenmujik". Das Sdjaufpiel, nidjt öie Opera 
30g £t[elotte an. 

Dod) [ie brauste öie £oge nid)t, um oon 
fyier aus mit ifyrem „sens commun" öie IDelt 
3U betrauten, ftanö [ie ja mitten auf öer Büfnte. 
(Dfjne mit3ureöen flaute [ie nod) mef)r hinter öie 
Kuli[[en, als auf öas Publikum. 3n fyunöerten 
oon Briefen fyat fie uns aus öer unmittelbaren 
Umgebung fyeraus ötefes Zehen in fyeitern unö 
öüjtem Serben, in fyumorooller unö bitterböjer 
Stimmung ge[d)ilöert, [ie [elbjt, nad) Rang unö 
0rönung eine öer er(ten in öiejer (Befelljdjaft, 
öod) in iljr eine S^wte- Ijat [ie aud) in öen 
erjten 3<*f)ten tfjres Aufenthalts com Rei3e öiejer 
neuen, glän3enöen IDelt jid) beftridten laffen, [0 
öffneten [id) ifjren klaren flugen öod} balö öie 
tiefen, öunklen fjtntergrünöe öiejes £ebens mit 
öem rajdjen Hieöergang [einer beften Kräfte, 
feinem äujjern Schein, [einen 3ntrigucn, [einen 
Sünöen unö £a[tem. „tDer öas £adjen oer« 
treiben will, mag fid) nur in 5^ anhre ^ ocr< 



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— 152 — 



heiraten, es toirö ifym balö genug ©ergeben. * 
„Hlles ijt nid)t (Bolö was glä^t," (agt [ie, „unö 
was man aud) oon 5er frait3Öfif djen £ibertät 
prallen mag, [o feinb alle Dtoertijfementen fo 
ge3ioungen unö ooller (Eontrainte, öafo es nidjt 
aus3u[pred)en ijt." 5rei oon leeren Zeremonien 
unö Komplimenten wollte [ie leben. ,,3d) Ijaffe 
alles, toas (Eeremonien ift oöer Hrt öaoon Ijat." 
„Blinöekuh unö Derfteckelsfptelen, fo man fd)a>afcen 
unö lachen öarf oöer artige Hat^fetger 3U hören," 
toaren mehr nad) il)rem (Bejdjmacfe, als ein prunk« 
haftes Dergnügen oöer öas übelgeroohnte (Blück* 
fpiel, bei öem jie als Unbeteiligte „einjam am 
Kamine fifcen" unö fidj langweilen mu&te. 

Um>erfäl[d)t, toie öie tlatur, öie [ie liebte 
unö oerjtanö, blieb £ifelotte auf einem Boöen, 
öer [0 oiel Unnatur in öen Sormen öer feinern 
£ebensart wie öer Ausartung öer £ebensfü^rung 
immer oon neuem er3eugte. Hugenöljaft unö 
rein blieb [ie in öiefer gefährlichen £uft r un* 
ceröorben unter einem oeröorbenen (be[d)led)t. 
Doch nic^t rote eine Sittenrichterin, öie auf ihre 
eigene ftugenö pocht, urteilt [ie über ihre Um* 
gebung. „(Es i[t ein groger 3rrthum," [agt [ie, 
„wenn man meint, öie gan3e EDelt 3U corrigiren, 
man h<*t ja TUühe [ich [elb[t 3U corrigiren unö 
3U befjern, ge[d)roeige anöere. Das kommt (bott 
allein 3U." 

Ris aber öas Weltgericht mit [einem harten 
Urteile kam, öa hat niemanö fo aufrichtig unö 
teilnahmsooll für öas Unglück öes königlichen 



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— 153 — 



fjaufes unö öes £an6cs gefüllt, rote £ifelotte. 
Sie fah noch öas in [einer glän3enöen Illach t 
einjt [tol3e 5* Q ukreich unter öen Schlägen öes 
fpamfchen (Erbfolgekrieges nieberftnken, öen Ruhm 
öes Königs erblaffen, öas Unglück in raffen 
Schritten ^eraneilen unö öie blaffe (Beftalt öer 
Hungersnot über emtelofe 5^ren öa^in fehlet* 
<hen. Drei Generationen öes königlichen Kaufes 
rafft in kur3er Seit öer (Eoö fjinu>eg. Kaum 
toar 1711 öer Dauphin gejtorben, als auch ein 
3afyr banad} fein Sohn, öer Duc öe Bourgogne, 
als tüchtiger Charakter, oon eöler HTenfchenliebe 
unö ftaatsmännifdjer Begabung öie berechtigte 
Hoffnung öes Dolkes, ihm gefolgt mar unö 1714 
auch öer nädjfte (Thronerbe, öer fj**3°9 oon Bern), 
£ifelottens (Enkel, im kinölichen Älter ins (Brab 
fank. Sie mufc l\bxtn t bafc man öem <5ifte ihres 
eigenen Sohnes öie Sdjulö an öem Dielen unö 
raffen Sterben gibt. „Des Königs Betrübnis aber, " 
f abreibt £ifelotte, „hätte Steine erreichen können." 
(EeilnahmsooU fteht fie an fetner Seite, um ihm 
öie trüben (Beöanken öurch ihre totere Unter« 
haltung 3U oertreiben, aber 3um £ad}en machen 
reichten ihre Scheie nicht mehr aus, fie toar 
froh, toenn fie nur ein „Schmm^eln" in feinem 
emften (befiele faf). Hm 1. September 1715 nahm 
fie oon £uöu>ig XIV. an feinem Sterbebette flb* 
fchieö. „Der König," f treibt fie unter öen fri- 
fchen (Einörücken feines (Eoöes, „hat m * r oer " 
fiebert, öafj er mich alle3eit geliebt fjättc unö 
mehr, als ich felber gemeint, öa& es ihm Ieiö 



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— 154 — 



fei, wenn er mir jemals (Efyagrtn gegeben." Die 
gute Cifelotte oergifjt öarüber alles, u>as man 
gegen fie getan fjat. 

Run unternimmt es ifjr Sot)n fjer3og Philipp 
als Regent, öas finkenbe Staatsfdjiff roeiter 3U 
lenken. (Ein TTtann oon {Talent unö (Beift, öer 
aud) gerne unö mit Derftänönts öas (Erbe öes 
künftlerifdjen unö tDiffenfdjaftlidjen $rankreid) 
pflegte, als Kriegsmann örau&en im 5 ß tö* cr * 
probt, ein ritterlicher, oorneljmer Ijerr, aber ein 
tDüftling unö (Trinker. £ifelotte t)at uns kein 
fjefyl gemacht aus öem lafterfyaften £eben ifyres 
Sprößlings. IDir unffen, bafj jie an öiefen $t\xd\* 
ten öer (Er3iel)ung fdjulölos roar. Ridjt als öie 
fjeqogin oon Orleans, jonöern als ITtutter ftefyt 
fie mit jd)lid)tem Rate öem Regenten 3ur Seite. 
3eöem politifcfyen (Etnfluffe fyat fie entfagt. Politik 
ging über ifyren f)ori3ont. „3dj tfyue mein Zehen 
nichts," fagt fie in naioer Befdjeiöenfyeit, „toorin 
mein Derjtanö erfdjeinen kann." ,,3d} t}abe mir 
{elber 3uftice getfyan unö weilen id} toenig unö 
gar geringe (Dpinion üon meinem Derftanbe tjabe, 
öie Partie genommen, mid) in nid)ts fjoljes nod) 
xoas öie Regierung angebt 3U mifdjen. Die fran* 
3ö[i[d)e £uft ambitieux 3U roeröen, alles re« 
gieren 3U toollen t)at mid) (5ott fei Dank nod) 
nid)t angefteckt." So blieb fie „terre ä terre" 
unö tat gut öaran. 

Hber öie Regentfdjaft tfyres Sohnes erfüllt 
ifyre legten mit ferneren unö bangen 

Sorgen unö trübt ifjren Blick in öie 3ukunft 



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155 — 



5rankreid)$. Itun fielet |ie bas Baftarbengejd)led)t 
bes Königs, cor allem öcn ifyr oerfyaftten Duc 
bu Ittaine, als bie intriguantcn unö erbitterten 
Gegner itjres Sohnes, bie eben erft ebenbürtig 
bekretierte Hriftokratie am Ruber bes Staates. 
tDäfyrenb fid} bas Sdjaufpiel ber 5*onbe 3U tr>te= 
berfyolen |d)eint, beginnt aud} öas Volk 311 murren 
unb bie erften tDettertoolken ber künftigen He* 
üolution fteigen am Ijori3onte auf. 

Unter bem fctyroinbelfjaften 3ufammenbrucfye 
ber £atDfd|en Bank, ber {Eaufenben ben £ebens* 
nero 3er[tört fyat, f)ört £ifelotte ben $lud) bes 
betrogenen Dolkes auf bas fjaupt bes Regenten 
Ifemiebergetm. Hm 17. 3uli 1720 ergebt fid) 
jener ftufftanb, ber im toilben ftnjturm aud) bas 
Palais Roqal bebrofjt. £ifelotte kennt ifyr parijer 
Dolk, jie roei&, ba& unter ifym fic gerne gefefyen 
roirb unb lagt jid) nidjt bange machen. ^er3* 
Ijaft fäfjrt fie mitten hinein, in bie tobenbe 
menge. Hn ber Rue St. Jjonorö kann jie oor 
bem aufrüfyrerijdjen ttTenfd)engetDül)l nidjt Inn* 
burd) kommen unb muß eine tjalbe Stunbe {jalt 
machen. Was gefcfyietjt ? Statt 3U [djelten, toirb 
bas erregte Dolk rul)ig unb [egnet bie braoe Stau. 

£i[eIotte fyat in ben langen 3<*l)ren ifjres 
£ebens oiel erbulbet unb ertragen. „Weine Der* 
brte&lidfkeiten," fagt [ie einmal, „jinb toie bie 
Köpfe t>on ber fjqbra oon £erna, wenn einer 
abgeflogen, kommt ein anberer toieber." Docfy 
es toar ein £os, u>as jo oiele mit iljr teilen, 
toenn jie auä) nicfyt auf ber fjöfje ber (Bejell- 



— 156 — 

fdjaft ftefyen. Sic hat nichts Derwanbtes mit ben 
Siguren, bie in öas (Betriebe öer tDeltbü^ne 
hineingeboren, in ben (Bang öer (Bejchichte ein* 
greifen, oon beren Schickfalen bas (Blück unb 
Unglück ber Dölker abfängt. IDas jie erlebt, 
fpielt |id) allein in ihrem 3nnern ab, rein menjd)* 
lid), nid)t in ber tDechfelwirkung toeltljiftorifc^er 
Konflikte berührt es uns. U)ot}l kann jie unjer 
HTitleib erregen, aber mit bunkeln Satben allein 
lagt |id) ihr wahres (Eharakterbilb nicht barjtellen. 
XDas [ie uns jo an3ief)enb macht, i(t öoeh gerabe 
bie fyeitere Seite ihres U)e[ens. Sie ijt wie bie 
Itatur ihres fjeimatlanöes, bie nach heftigen G3e* 
wttterjtürmen immer wieöer freunölid) uns an* 
Iadjt, eine ed)te Pfä^erin, in beren 3nnerem rajdj 
unb Iebenbig alle (Befühle auf- unb nieöer* 
fteigen, bem (Queckjilber gleich, bas im IDetter- 
glas emporjdjnellt, wenn öic £uft rein geworben 
unb bie Sonne nur ein wenig wieber aus ben 
IDolken t)eroor|d)aut. So nimmt Jie biefe tDelt 
tote Jie i(t. Hur wer bas Dolk am tteckar unb 
Rheine kennt, oerjteht auch ben raffen tDed^fel 
unb bie Dielen IDiöerjprüche in £i|elottens Stim- 
mung. Sie könnte manchmal bas £eben leibig 
werben in öer geräufdpollen , unehrlichen unö 
fallen (Bejelljchaft unö ijt öod) wieöer gerne 
überall babei, wo etwas los ijt. TTtelancholijch 
gejtimmt, bis 3um (Tobe betrübt, kann jie auch 
wieöer lebenöig roeröen, wo es fröhlich 3ugcl}t. 
Schon weit über bie 5ünf3ig h^aus macht jie 
auf bem Maskenball ihre gewohnten Spä&e, ba& 



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157 — 



fic meinte, „ber König müfjte jid) feranfe ladjen 
über ifjre ITtasfeerabe". (Erotj aller erlebten (Erüb* 
fal benfet fie bod) gerne 3urücf an bie 3eiten, ba 
fie als toürbige ITtabame oon 5*Gnferetd) mitten 
im Ijofleben ftanb unb eine Rolle fpielte. „tDollte 
<5ott ber König lebte nod)," fagte fte einmal 
fpätertjm. „3d) tjatte meljr (Eroft, mefyr Der* 
gnügen an einem (Tag, als id) in ben fedjs 3ctl}ren 
oon meines Sohnes Hegence l)abe. (Einjt toar 
es ein f)of unb feein bürgerlid) £eben, an öas 
id) mid) nidjt gewönnen feann, in bem id) all 
mein £eben bei fjofe geboren unb er3ogen bin." 
Hls tjer3og Philipp, U)r <5emal)l, in fpäteren 
3al)ren fid) bie Börner abgelaufen l)at, |inb bei 
£i|elotte aud) bie feummeroollen (Tage oergeffen. 
3m (Brunbe genommen mar aud) biefer IDüftling 
„ein guter fjerr" unb nur ein (Dpfer ber Der* 
füljrung. Ungelefen roanbern nad) feinem (lobe 
bie (Erinnerungen an bie fjerrfdjaft ber galanten 
Damenwelt ins $tutx. „Deucht aud) ber be[te 
TTlann ben (Eeufel nid)t," fo foll bod) feein Schatten 
auf bem Hnbenfeen aud) eines jd)led)ten Titannes 
rul)en, ber fo fc^roer gegen £ifelotte gefünbigt 
l)at. (Es liegt ein großer unb ebler (Efjarafeter* 
3ug in biefem Dergeben unb Dergeffen. Sd)er= 
3enb geftel)t fie gar oft, ba& fie unter Kummer 
unb Sorgen biefe, fett unb run3elig geroorben fei. 
tDas tut's? „(Es ift gar 3U roafjr, ba& (Eraurig* 
feeit 3U nichts nufc ift r bie £uft rubelt eben fo 
fel)r r u>ie ber dtyagrin unb toenn man oft in 
bie Sonne unb ben VOinb gel)t, rubelt man 



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— 158 — 



unfehlbar. Das £adjen run3elt ebenfo feljr, tote 
bas tDcincn. £ujtig fein," jagt £i|elotte, „madjt 
gejunb, traurig fein krank, ttidjts i[t gefunber 
als ber gute fjumor." Sold) eine £ebenspl)ilo* 
[opfyie ift in öcr Pfal3 3U fjauje. 

3u ben Derbrtejjjlicfykeiten, bie tt)r ben guten 
Jjumor |o oft oerbarben, kam nun aud) 6as 
Hlter mit {einen kleinen unb großen (Bebredjen 
unb bie Seit, ba man jtd) nad) Rutje unb Stille 
fe^nt. Scfyon jeit bes Königs (Eobe 3iet)t jid) 
£i[elotte mefyr in bie (Emfamfteü 3urü<k, lebt 
lieber mit itjren f}unben unb Dögeln 3ufammen f 
als mit ITtenjdjen, blättert gerne in ifyren Kupfer* 
jtidjen, freut fid) an ben Ulebaillen unb gefdjnit* 
tenen Steinen, bie |ie mit (Eifer unb Derjtönbnis 
gejammelt l)at. Kommt ber Stützing ins £anö, 
bann eilt jie aus bem geräufdjoollen unb jünb» 
haften Babel an ber Seine in bie Stille von 
St. üloub, mo bie Had)ttgallen ifyr Serenaben 
barbringen unb bie tDalbluft il)re [inkenben 
£ebenskräfte roieber auffrißt. „(Es ift kein 
Kartfyäufer, " |d)reibt fie, „fo ein [tiller unb ein» 
jamer £eben füfyrt als td)." 3m Rückblick auf 
oergangene (Tage getjt es il>r roie Dielen , benen 
im 3unel)menben Hlter bie neuen Dcr^ältniffc 
unb bas fyerantDadjjenbe (5efd)led)t als eine Der* 
kefyrte IDelt erfdjeint. Seit bem (Tobe iljrer ge« 
liebten (Tante (1714) ijt t)ier offnebies ein Stück 
i^rcs £ebens [d)on genommen roorben unb nur 
mit einer einigen treuen Seele taujdjt [ie nod) 
ifyre (Bebanken aus. ITtefjrfad) auf unjerem 



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159 — 



IDege ift uns Raugräfin £uife begegnet. (Es 
fehlte uns einer öer fdjönften unö eöelften 3üge 
im Gf)arakterbilbe öer £ifelotte, sollten toir 
ifjrer innigen Be3ief)ungen 3U öen raugräflicfyen 
Kinöern Karl £uöurigs üergeffen. Dorab öen 
£efern öer Briefe Ofelottens (ollen Jie keine frem* 
öen 5iguren fein. 

Don öen Söhnen öer £uife oon Degenfelö 
jtanö öer ältejte Karl £uöroig unferer £tfelotte 
bejonöers nafye. 3m 3 a fy re 1658 geboren, kam 
er nur 3U früfje, öem Gebote öes Daters ge* 
Ijordjenb, an öas öamals fo Dertoilöerte fjanö* 
toerk öes Krieges. Blit fünf3efyn 3a^ren [d)on 
l)at er aus öem Kampfe gegen (Turenne ge* 
fangene Staffen mit nad) fjaufe gebraut, aurf) 
1675 Jid) tapfer mit öem $einöe gefdjlagen. 3ur 
Kur feines Siebers nad) fjeiöelberg 3urückgekef)rt, 
jollte er in öiefer unfreiwilligen ITtufje, nad) Karl 
£uötoigs tDunfd), „im t»al)ren unö oernünftigen 
Gfyriftentum" etroas be[[er informiert roeröen. 
ITIit meinem (Erfolge öies gejdjaf), toifjen toir nid)t. 
Unter öer Sprung (E3ed)iel Sponheims fjat er 
balö öanad) im 3^^ 1677 in fjollanö £anö 
unö £eute unö öas Staatsleben kennen gelernt. 
Dann aber begannen feine Kreu3* unö <3}uer3Üge 
3U IDaffer unö 3U £anöe. Unter öem f)er3og 
oon £otf)ringen fefyen wir ifyn gegen (Erequi an 
öer ITIofel unö Saar kämpfen, an öer Belage« 
rung oon (Tanger (1680) nimmt er auf einem 
englifdjen Kriegsfdjiffe teil. Durd} Dermittlung 
öer f)er3ogin Sophie in fymnöoerfdje Dienjte ge- 



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— 160 — 

frommen, 3tef)t er an 6er Spifce eines Heiter* 
regiments 1 684 gegen öie (Türken. Bei Patras 
aber erreichte er öie f)öf)e feines Ruhmes, als 
er öie 3ur Unterftütjung Deneöigs abgefeierten 
(Truppen fiegreid) befehligte. tttit Stol3 reöet 
jeitöem !jer3ogin Sophie oon öiefem Bruöer, öem 
jie als (Tfjrijtenbefreier in einem nad) Korintt) 
geridfteten Briefe einen größeren (Erfolg als öem 
Rpojtel Paulus 3ufd)reibt. Bei öer Belagerung 
Tlegropontes oom $kbex befallen, fyat öer tapfere 
ITtann fein £eben befchlofjen. 

Das Dert)ältnis Cifelottens 3U öiefem Stief« 
bruöer blieb ein rüfyrenöes. Als er fie 1673 
befudjte, ift öie Steuöe groß. „J)er3lieber $d)U)ar3* 
köpf, es freut mid) im Qe^äufele örinne, baß 
Du mein guter Bub ankommen bift, " f treibt fie 
an if)n, ooll Ungeöulö, ihn nun balö 3U fetjen. 
Ttimmt ifym aud) md)t übel, toenn er nad) Sol« 
öatenart nid)t gerne lange Briefe oöer gar md)t 
fdjreibt. Kommt aber ein Brief, öann ift fie 
überglüdtlid). „31)r feiö ein braoer Bub," fdjreibt 
fie einmal, „öaß 3h r (Eud) nun roieöer einmal 
mit Sdjreiben einftellt, unö toenn 31jr mir nid)t 
balö getrieben hättet, fo hättet 3^r einen Brief 
oon mir empfangen, roorin ich ärger gefenottert 
l)ätte, als (Euere ITCama, toie 3ljr nicht fülle 
^abt jitjen roollen, als man (Euch gecraioniret 
hat/ Das „liebe Karllutjdjen" wirb aud) als 
roetterfefter Kriegsmann immer no<h im (Tone 
öer Kinöerftube behanöelt, aber h°fa Hd)tung 
unö tiefgehenöe Ciebe fpricht aus öer StteffdjtDefter 



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— 161 



I)er3lid)en (Brü&en. Als er nad) mannen gelben* 
taten „capabler Offizir" geworben, null fie 3roar 
oerfudfen, ilm nid)t mefyr als „Ktnö 3U trac- 
tiren". Dod) [ie bringt's md)t 3uu>ege. „tDenn 
3fyr lu'er wäret, glaube id) bod), ba& idj (Eud) 
nod) wofyl etlid) mal liebes Sd)u>ar3höpfel fyeifjen 
würbe, welches fid) wofyl in bem Sdmeegebirge 
oon (Tirol nid)t wirb gebleut fyaben." „Bübel 
oergifc es nur ntc^t r " jagt fie 3U öem tapfern 
(Dberft, ba |ie an öie $xau Haugräfin ein paar 
Hufträge für tlm l^at. Seiner Älmlidjkeit mit 
öem Dater oerbanftte er gan3 befonbers bie Zu- 
neigung ber Stieffdjwefter. £tfelotte rüfymt feine 
(Dffenf)er3igkeit. hierin waren beibe einanber 
innerlid) uerwanbt. Des Haugrafen frühen (Lob 
f^at bie fjer3ogin oon Orleans niemals über- 
winben können, nod) im Ijoljen Alter kann fie 
nur unter (Tränen oon ifym reben. Der „braoe 
Bub" blieb treu in ifyrem <Bebäd)tnis. 

3n jugenblidjen 3al|ren war audj ber 3weit- 
ältefte, ber Raugraf Karl (Ebuarb, auf bem Selbe 
ber (Efjre aus bem £eben gegangen. 3uerjt in 
nieberlänbifcfyen, bann in kaiferlid)en Dienften ift 
er 00m babifdjen (Türkenbe3winger ITtarkgraf 
Cubwig l)od)gefd}ät}t worben, fyat unter biefem 
Selbfyerrn 1688 in mehreren Sd)lad)ten gekämpft, 
erft 3i»eiunb3tDan3ig 3<*f}re alt ift er bann bei 
3arek 1 690 gefallen. An (Tapferheit unb Kriegs- 
luft bem älteren Bruber gleid) f roar er im 
(Tfyarakter oon Upn grunboerfd)ieben. (Ein per- 
fd) [offener ttlenfdj, ber kaum Hebe unb Antwort 

3. tD i 1 1 e , «Hfabet!* (Hjarlotie o. Orleans. 1 1 



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— 162 — 

gab, niemals eine UTeinung im £eben bekennen 
roollte, 3eitcoeife red)t unfyöflid) unö malitiös war. 
So hat Ofelotte ötefen „Dudtmäufer" gejdjilöert. 
So 3ioei Itaturen paßten nid)t red}t 3ufammen, 
3umal öte TUa^nungen öer £ifelotte bei öiefem 
Sttefbruber otjne jeöen (Erfolg blieben. „Denn 
fo oft id) aud) gebeten, mit mir offenf)er3ig 3U 
reben, fo fjab id) bod) ntd)ts anbers aus if)m 
herauskriegen Können als: 3a, Hein unö id) 
toeiö nic^t. (bott gebe, baß bie hollänöifd)e £uft 
ihm bie 3unge beffer löfen möge." Aber roeber 
bie nieberlänöifche £uft nod) bie (Türken höben 
ihn gebeffert. 

Diel Sorgen oerbanben £ifelotte mit ihrem 
Stiefbruber Karl ITtorttj. (Er war ein hod)» 
begabter fjerr, Don lebhaftem Derftanö, 3um 
(belehrten geboren, oon einem bea>unbernsu>erten 
(Beöädjtnis. Ttad) feinen Stubien in £eiben, 
Utrecht unö auf öer Hfeaöemie 3U IDolfenbüttel 
hat man grofee Dinge oon ihm erwartet. Der 
gelehrte 5 0 ^ r ^ us meinte, öer Raugraf werbe 
einmal ein lebenöiges Buch werben, fo umfajfenö 
waren fdfon frühe feine Kenntniffe. „Seines* 
gleiten," meint fjer3ogin Sophie, „fei nid)t mehr 
in öer IDelt, öer fooiel gelefen Ijabe unö fooiel 
wiffe. (Eine hieine $\qut, von unfdjönem Huftem, 
wenig geeignet, „eine Dame 3U djarmiren, wenn 
nt^t öer Derftanö öas Befte öabei tfjat* IHit 
feiner perüdte a la £eibni3 f<hrttt er n>ie ein 
(belehrter öafyer, unö öod) ift öer hochbegabte 
Ittenfch niemals in öer Stuöierftube hängen ge* 



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— 163 — 



biteben. Dem Beifpiele ber Brüber folgenb, h a * 
er meijt in branbenburgifchen Dienften auf ben 
Sd)lad)tfelöern £of)n unö (Efyren gejuckt. tDo 
fid) in jener 3eit bie tDaffen kreu3ten, am Rhein, 
in öen Itieberlanben ober in Ungarn, n>ar ber 
Haugraf Karl Utoritj babei. Don tjaufe aus ein 
gutmütiger Kerl, fyat bas Kriegsroefen bod) 
manche rohe £eibenfchaft in ihm gro& ge3ogen, 
einem fjaubegen, ber, roenn's braufjen nichts 3U 
fcfylagen gab, bas geroofjnte fjanbtoerk gerne auf 
bem Kücken feiner Dienerfdfaft in Übung ^ielt. 
Don [einen menfehlichen Schwachheiten aber mar 
bie £iebe 3um IDein bie größte. Als bas Pobagra 
in [eine Beine kam, meinte Sophie toohl, nun 
toerbe er im Kopfe klüger. Aber Ieiber ging 
aud) ber <5ei[t über bem Saufen 3ugrunbe. 3n 
5riebens3eiten Ijielt ftd) Karl tttorifc gerne am 
hannöoerfchen fjofe 3U tjerrenhaufen auf, mo ber 
erfahrungsreiche unb unterl^altenbe Kriegsmann 
ein gerne gejefyener (Baft bei ber fürftliefyen (Tafel 
war, als ein echter Pfäl3er, mitteilfam, nicht 
immer üorfichtig im (E^ählen, „toenn ber IDein 
feinen (Effect nur f)alb getyan ^atte. Kam's aber 
grob, roarb's rtbicul," fagt £ifelotte. 

(Es ift rüfyrenb 3U Iefen, toie Ofelotte, bie 
bod) 3U fjaufe in ber eigenen Samilie genug 
Sorgen 3U tragen hatte, an ber Befferung biefes 
„Dollfäufers unb Krakelers " mit tttilbe unb per* 
nünftiger tta<^fid)t arbeitet. Sie liebte biefen 
Stiefbruber oon gan3em fje^en unb ließ nicht 
gerne unoerbient Böfes über ihn fagen. Seine 

11* 



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— 164 — 

innerlichen (Qualitäten follten feine 5*hfo et« 
fetjen am toenigftens burfte man fi<h über feine 
„Schönheit" moquieren. „Ilach meinem Sinn ift 
es bejfer," meint £ifelotte r „ein gut (Bemüth 3U 
^aben, als ein fdjön (Beficht." TKit feinem „Saufen" 
nahm fie's bagegen emft r roährenb bie aus- 
gelaffene Sophie gleich rührenb beforgt, öod) gerne 
über ben fonft geliebten Haugrafen 3U lachen 
pflegte, toenn bie ITtacht bes tDeines feine Stritte 
üon öer geraben Richtung abführte. Utit tiefer 
Betrübnis faf) £ifelotte, roie unter bem unbejroing« 
baren £after £etb unb Seele eines jungen ITtannes 
3ugrunbe ging, ber „ein perfecter Phüofoph" 
hatte werben können. Vergeblich h at f* e *h m 
alle3eit bas Beifpiel bes nüchternen Daters oor 
bie Seele gehalten. Ungebeffert ift er bis an fein 
(Enbe geblieben. Hls er am Sterben lag unb ber 
Paftor Klenk ihn ermahnte, an fein fjetl 3U 
benfcen unb (bott um Der3eihung 3U bitten, gab 
er ihm bie ftur3e Hnttoort: „tDenn (Er moralifieren 
roill, fo ift (Er nicht mehr mein 5*eunb." So 
ftarb er als wackerer Krieger unb Grinker am 
13. 3uni 1702. 

Don ben Söhnen ber Degenfelb |inb nur 
3t»ei unferer £i|elotte unbekannt geblieben: Karl 
Huguft, ber fdjou als fieb3ehnjährtger 3üngling 
mit Karllufc 3u|ammen im Dienjte ber Dene3ianer 
gegen bie (Türken gefochten hat, burd) Soppens 
Dermittlung in branbenburgifche Dienfte kam unb, 
erft neun3ehn 3<*h rc *>or ber Schtoabron bes 
Regiments fjutf) in ber Schlacht bei fjotton am 



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165 — 



20. September 1691 einen rufymoollen Solbaten» 
tob ftarb. Das jüngfte ber raugräflidjen Kinber, 
Karl Kafintir, ift als Ijoffnungsooller 3üngling 
auf öer Ritterakabenue in TDolfenbüttel im 3roei* 
kämpfe gefallen. 

Hlle aber, wie fie Haugrafen tye&en, waren 
eigenartige fjerren, gleid)oiel ob mel)r £id)t ober 
meljr Schatten auf iljren Bilbern rufyt. tDofyin jie 
bas Sdjickfal aud) oerfcfylägt, £ifelotte folgt tfyrem 
£ebensweg mit warmem 3ntereffe. Sinb ifyr aud) 
3wet ber fünf Stiefbrüber niemals unter bie 
Rügen gekommen, fo null |ie frol) barum {ein, 
„benn id) weift, mos id) nod) oor Sd)mer3en 
empfinbe, wenn tdj an meinen lieben Karlluft 
gebenfte; Ijätte i^ biefe gekennt, würbe id) oiel- 
leidjt jie aud) bebauern." 

flnbers geartet, wie bie Kaugrafen, waren 
iljre brei Sdjweftern. Dieles Ratten jene com 
Dater, Karl £ubwig, geerbt, cor allem bie freie 
Huffaffung ber religiösen IDelt, ein jeber lebte für 
fid) nadj feiner eigenen (Bottesbetradjtung, füllte 
ben (beift (Rottes lieber brausen in Sturm unb 
tDetter als in ben kahlen IDänben bes reformier- 
ten Betljaufes. Die brei Sdjweftern bagegen 
waren feft in ifyrer reformierten fluffaffung, nad) 
ber ITteinung ifjrer freibenkenben Gante Sophie 
ütelletdjt nur 3U feft. „Der I)eibelberger Kate» 
d)ismus, M meinte fie, „fei nid)t ber IDeg, um fein 
(blüefe im gegenwärtigen 3af)rf)unbert 3U machen. " 
Sd)er3fjaft pflegte aud) £ifelotte fie bie „Deooten" 
3u nennen. flud) im Sinne Karl £ubwigs war 



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166 — 



eine ftark ausgeprägte konfejftonelle Ktcfytung 
gar nidjt. Seine öer fjofbame gegebene päöa* 
gogifäe 3nftruktion toar kur3 unö bünöig: Die 
ITCäöd)en jollten gut fran3ö|ijd) unö öeutfd) fpre« 
djen lernen, md)t ljeud)leri|d), nidjt fdjetnljeilig, 
aber aud) nidjt kokett unö ntd)t intriguant toer* 
öen. Xlaö) öes Daters IDunfd) finö jie alle |o 
geraten, alle öer alten Degenfelö gleid), oon 
fanftem (Efyarakter, anmutig unö liebenstoüröig. 
Hur eine oon öen Raugräfhmen, öie 1659 ge« 
borene Karoline, fyat öen Stanö einer oornefymen 
(Efye gewählt unö öem Utein^arö oon Schömberg, 
Bruöer öes berühmten tllar(d)alls Karl oon Sd}om> 
berg, ifyre fjanö gereicht. IIid)t immer konnte 
fie öem roeitoer3ioeigten Cebenspfaöe öes (Batten 
folgen, öer, nad) Derhreibung feines reformierten 
(3)efd)Iecf}ts oom fran3Ö|ifd)en Boöen, brausen in 
öer IDelt als Kriegsmann ein ruljelofes £eben 
führte. Karoline, öie oon Seit 3U 3eit aud) in 
fjeibelberg tooljnte, ift nad) fedföeljnjäfjriger <E^c 
gejtorben unö in öer tDejtminfter«Hbtei 3U £onöon 
begraben. Hur oorüberget)enb taucht it)r Bilö 
in öen Erinnerungen öer £ifelotte auf. 

(Ein kur3er Briefioedjfel l)at uns mit öer 
3toeitälte|ten öer Raugräfinnen, mit Hmelie (Eli« 
(abetf) bekannt gemalt. Rud) flmelife, toie £ife« 
lotte jie nennt, toar in iljrer 3ugenö mit ifjren 
blonöen fjaaren, frijdjen 5<u?fcn f ityrcm Jamalen 
Hassen, ein liebliches (Befdjöpf. 3m reformier» 
ten (Blauben gut geraten, mufete jie toegen tfjrer 
5römmigkeit mannen Sd)er3 über |idj ergeben 



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— 167 — 



Iaffett. „Ittit Demut öen fjimmel gewinnen 3U 
roollen," war nid)t nad) Ofelottens <5efd)ma<&. 
£ie& öod) öie fröfylidje „Rofcenl)äufern\ toie £t|e* 
lotte tyre öeutfdje fjoföame, öie $x<m £eonore 
pon Ratfyfamfyaufen, nannte, öurd) öie Jjer3ogtn 
öer frommen Rmelife fagen, fie möge nicfjt 3U 
anöädjtig [ein, toeü £enor mit if)r 3ufammen in 
einem IDagen in öen fjimmel fahren toolle. 
Rber öie Raugräfin war eine luftige (Efyriftin, 
it)r Derftanönis für I)armlo[en Sd)er3 u>ar öurd) 
öen Ijeiöelberger Katechismus ntcfjt oeröorbcn 
tooröen. Sie fftelt es gerne toieöer mit öem 
alten Demofcrtt, in öer wenig öeooten Huf« 
faffung, öafc alles in öer IDelt öes Rusladjens 
wert fei. Rls im 3af)re 1709 tt^r £adjen 3U 
(Enöe war, fjat man jie 3U St. Peter in tjetöcl* 
berg beigefefct. 

Bort ragt ein in fdjn>eren barocken 5 orm *n 
gemeißelter Stein aus Öem f)alböunkel öes Gfjores 
fyerDor, öer neben Rmelie (Elifabetf) aud} oon 
Raugräfin £uife uns e^ä^It. tDenige öer Rn- 
öäd)tigen, öie 00m (beijte vergangener (Tage in 
öiefer <5rabktrd)e erfaßt jinö, loiflen, öaß f)ier 
ein Stück oon £ifelottens £eben begraben liegt. 

£uife, öie jüngjte t>on öen Göddern öer Degen« 
felö, ift 1661 in fjeiöelberg geboren, 3efyn 3afyre 
3uoor, als öie jugenölid)e £ifelotte öie Sd)tDägerin 
öes erften ITtonardjen öes öamaligen (Europa ge» 
rooröen u>ar. Dod) öie 3eit genügte, um in gc» 
meinfamen 3ugenöerinnerungen ein un3errei&bares 
Banö öer £reunö[d)aft 3U {Raffen. Hidjt anöers 



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168 



als öie prin3cfjin öes Kaufes roudjs audj £uife 
heran in Anmut unö Befd)eiöenf)eit, öabet von 
ernftem IDcjcn. Rlle ötc um jte maren jchloffen 
fie ins !jer3, Karl £ubroig cor allem, öer in ifjr 
öas (Ebenbild öer TUutter fal). Sie muß in öer (Tat 
reich an (Eugenben gemefen {ein, öafj fogar öie 
Kurfürftin (Eharlotte öiejem (Ebenbilö öer Degen« 
felö ihre roärmjte Zuneigung entgegenbrachte. 
So ^at fie auch überall öie (Baftfreunbfchaft öes 
pfätyfchen Jjaufes genoffen, mehrfach 3a>ifd)en 
f>ei6clbcrg , t)annooer r Kaffel, aud) bei ihrer 
Sd)u>efter Karoltne in £onöon ihren Aufenthalt 
getoechfelt. Kurfürftin Sophie bemühte fich öie 
liebliche janfte (Er[d)einung öauernö in ihrer Um* 
gebung 3U Ijaben, nur öen Dorurtetlen öes fjofes 
über Rang unö Herkunft txmnfchte fie öie bereits 
als (Brofefjofmeijterin ernannte Raugräfin nid)t 
aus3ufet$en. Später hat Raugräfin £uife in Sranfe- 
furt ihren IDoljnji^ genommen, um 00m Sd)om» 
berger tjofc aus öie umfangreichen (fcüter ihres 
englifchen Sd)n>agers mit männlicher <5efd)äfts» 
getoanötheit unö Umjicfyt 3U oerroalten unö öie 
Derbtnöung mit öen itjr befreunöeten fjöfen 3U 
unterhalten. Als treue Anfängerin öes refor« 
mierten (Blaubens oerfolgt fie teilnafjmsDoll öie 
Dorgänge auf öem Boöen öer Kirdje, gerne be= 
reit ihrer eigenen kleinen ©emeinöe öurd) tat« 
kräftige Unterftüt^ung einen Rückhalt gegen öie 
Stürme öer 3eit 3U gewähren. Den Reformierten 
5ranfcfurts hat fie im Stromberger f)ofc öen 
erften Betfaal eingerichtet. 



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— 169 — 



Had} bem (Eobe irjrer Brüber mar bas kleine 
von Karl £ubtrrig ben Kaugrafen überladene 
£erjen, öie Burg Streidjenberg mit bem Dörferjen 
Stebbad), an £ui[e gefallen, wo fie 3eitweije, tote 
in einer Weinen fjerr|crjaft für bas IDorjl ifjrer 
wenigen Untertanen mütterlid) bejorgt war. „3d) 
rjalte es für eine öer fcrjönjten Saasen in ber 
tDelt oor ben RIenfd]en Red)t 3U tfjun unb einem 
jeben Redjt 3U geben, wo man kann." Darnad) 
fyat [ie immer gefyanoelt. 

Don aller DDelt wegen irjrer (Eugenb geliebt, 
wegen itjres gellen Derjtanbes unb itjrcs 3uoer* 
läjjigen (Erjarakters als Ratgeberin gefugt, rjat 
jie bod) bei £ifelotte bie größte unb rürjrenbjte 
£iebe gefunben. 3m Sinne ber tjer3ogin von 
Orleans konnte ja audj bie (Erje Karl £ubwigs 
als eine Ittifjrjeirat gelten. Die oome^me tDelt, 
welche ungeadjtet tfyrer eigenen Sünben bamals 
großes <5efd)rei erhoben f)at, war nidjt anberer 
Ifteinung. Dod) cor bem Bilbe bes Daters unb 
ber Degenfelb fdjwanb bei £i|elotten jeber <5e» 
banke über Rang unb Herkunft, unb bei Rau* 
grafin £uije erjt war nur bas menjd)ltd) (Eble, 
xvax nur bie (Eugenb ein rjor/er Abel. „Die 
(Eugenb ijt alle3eit ber Sd)önljeit oo^ierfen unb 
weilen 3r)r bie befifct, ijt es kein IDunber, baß 
man (Eud) ejtimirt unb wertrj r/at. Dag 3rjr 
meiner S ra " RTutter (Eod)ter nidjt jeib," [crjreibt 
jie ein anbermal, „ijt (Euere Scr/ulb nidjt. 3fjr 
reparirt bas Unglück (Euerer Geburt burd} Diele 
(Eugenben, warum jollt td) (Eud) benn nid)t 



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— 170 — 

Itcben? ©b fcugenb $mar keinen Rang gibt, [o 
ift jie bod) über alles 311 ejtimiren unb bas mad)t 
aud), baß td) (Eud) oon f)er3en lieb ffabe." (Es 
ift in ifjren flugen ein Mangel an „flufe^ieljung", 
wenn bie Raugräfinnen bei Kurfürft (Beorg £ub* 
wig, in fjannooer, wie Bauerinnen befyanbelt, 
wäfjrenb am fjofe 3U Kajfel |ie prin3ef {innen 
gleid) geartet werben. 

Hls Karl £ubtoig unb faft alle bie Rau- 
grafen unb Raugräfinnen längft 3U (brabe ge* 
tragen waren, aud) ber Kurfürftin Sophie Bilb 
nur in wehmütiger (Erinnerung unferer £ifelotte 
üorföwebte , ba i[t Raugräfin £uije bas letjte 
Banb mit ber alten Ejeimat. „XDen follte td) 
lieber in mein Kabinet wünjdjen, als (Eud), 
liebe £ui|e? 3f)r feib ja, was mir jefct in 
gan3 Geutjd)lanb am (Beblüte am nädtften ift 
unb was mir allein übrig geblieben oon allem, 
was id) in (Eeutjdjlanb am meif ten geliebt Ijabe 
unb baxan kann id) nidjt 3weifeln, benn id) weife, 
wie treu (Euer $xau HXutter meinem fjerrn Dater 
gewejen i[t, aljo jeib 3fjr of)nfel)lbar, wag id) 
alleweil gejagt fyabe, unb wenn 3f)r aud) nur 
Karllutj Sd)we[ter (eib, ben id) wie mein leiblich 
Kinb geliebt Ijabe unb an welken id) nidjt 
benken kann, oljne öafe mir bie frönen in 
ben Rügen kommen unb bas I}er3 fd)wer wirb. 
Rufe öiejem allem fel)t 3f)r wol)l liebe £uife, bafe 
es gar keine $fatterie ijt, wenn td) (Eud) bei 
mir in mein Kabinet wünfdje, [onbem, öafe es 
redjt oon tje^en €m|t ijt. Das i[t pofjirlidj, 



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— 171 — 



öafe 3f)r fagt, baft 3fjr 3U keinem Settoertreib 
gedickt jeib unö unangenehm, fliehtet 3^r öenn, 
öafc id) lauter Denus unö öer jd)önen tjelena 
(Befiele um mich ^aben muft, öa& id) in meinen 
Riter lauter öanfcenöe unö fprtngenöe per[onen 
um mich habe? Hein, Hein, liebe £ui|e, td) bin 
nun in öem Riter, too td) keine £u[t mehr ^offe r 
als öie oon öer 5™unöjchaft." 

£ui|e mar aller Betreibung nad) keine Sd}ön* 
hett, öie Reinheit ihrer Seele erjetjte öen Sauber 
äugerer <Er[d) einung. „Was mir alle3eit an (Euch 
gefallen wirb/' [dpreibt £i|elotte, „ift (Euere ftugenb 
unö gutes (Bemühe. Da jelje ich me *) r nad), a * s 
fd)öne (Bejichter, tDeldje öod} nicht lange fd)ön 
bleiben." £ui|e toar oon tiefer Srömmigfceit, tn 
ihrem reformierten Bekenntnis feft unö uner* 
(chütterlich, kirchlich gut gefinnt unö eifrig. Doch 
3U)ijd)en 3toei Spöttern, Sophie unö Ofelotte 
[i^enö, toill [ie nicht 3U öen Deooten geßä^It 
toeröen unö rechtfertigt |id) gerne gegen öen Dor« 
rourf, öafj [ie eine oon öen pietijtinnen fei, toelche 
öie ^er3ogin oon Orleans öen „Rarrinnen" gleich» 
3uftellen pflegte. Rber Raugrafin £uije toar 
ni(ht ohne (Einfluß auf öie religiöje Stimmung 
£ijelottens, roirkte milöemö auf ihre kirchliche 
Rnjchauung, öie ha™hs oiel 00m Sarkasmus 
öer £ehrmei(terin 3U fjannooer h*™bernahm unö 
auch öen (Eifer öer Deooten auf öen lutherifchen 
unö caloinijchen Kan3eln öurch Spott unö (Emjt 
3U öämpfen juchte. Die jtark moralijierenöe 
Reigung öer Raugrafin behagte £i[elotten 3toar 



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— 172 



nidjt immer. „3d) fefye, baf) 3fyr greulid) in ber 
UToralität begriffen feiö," fdpreibt jie einmal. 
Dorf) am Heiligtum bes tiefen innern religiöjen 
Cebens rüttelte jie nicfyt, jie mar boefy {elbjt roieöer 
3u jtark im (Bottoertrauen unö in (Bottesliebe; in 
bem reinen Quelle, ber aus £uifens Seelenleben 
klar unö fjell if)r entgegen kam, fyat jie jidj jelbft 
gern mieber gejetjen, toie in einem Spiegel. Sie 
roufjte, ba& in öiejem £eben alles unt>erfälfd)t 
unö ed)t roar, aud) (blaube unb Kirdje. Kam 
bei 6er Raugräfin aud} mancher 3ug heraus, ber 
gar nid)t an bie „fjeibelbergijdje Rufer3ud)t" am 
fjofe Karl £uba>igs erinnerte, [o mar bod) ein 
jeber Brief, ben £uije jdprieb, für £ifelotte roie 
ein tröftenbes (Eoangelium. Sie oerfpürt bie 
Kraft bes Gebetes, bas für |ie oon £uifens 
£ippen kam. „31>r feib fo gottesfürd}tig," f treibt 
[ie an bie Haugräfin, „baff, roenn mir <5ott ber 
Rllmäd)tige tTrojt unb (Erleichterung fcfyidten jollte, 
mürbe idj es (Euerem (Bebete 3ufd)reiben." Sdjer3« 
Ijaft jdjreibt fie einmal: 5tau oon Ratfjjamfyaufen, 
„roäre gut bafür, bafj £utfe keine Sünbe Ijabe", 
aber Ofelotte Ijatte (Efyrfurdjt cor ber Reinheit 
biejer Seele unb oerjdjlofj fid) ifjrem (Einflujfe 
nidft. „tDoljl 3U leben, roie 3fyr tf/ut, liebe £uije, 
i[t bod) öer redjte IDeg, heilig 3U roerben, benn 
alle, öie es geworben, roaren keine (Engel, 
[onöern alle ITtenjdjen, roie 3fyr jeiö unb bie 
Demutf), bie 3l)r fyabt, i[t bod) nitfyt bie gering|te 
Staffel ba3u. 3m Gimmel i|t man heilig, auf 
(Erben aber mujj man's ©erben." 



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— 173 — 



So ift es kein 3ufall, bafj £tfelotte in ihrem 
brieflichen Derkef)re mit ber Raugräfin möglichft 
frei von jenem öerben fjumore bleibt, ber mit 
Snnismus unb ^armlo[em Spotte gemifä}t, bie 
Unterhaltung (o gerne mit pikanten <5efd)id)ten 
U)ür3t. Sie umfote moty, bafj tjiftörchen, toeld)e 
bie (5ren3e bes flnjtanbes bereits überfchritten, 
eher in fjannooer bei ber lachlujtigen , für bas 
©bf3Öne mehr empfänglichen Sophie, ihre IDir» 
kung nicht verfehlten. 

Seit bem (Tobe Karl £ubu>igs roar bie Stel- 
lung ber raugräflidjen Kinber nicht mehr bie 
alte. 3^t galten |ie nur als bie nachkommen 
ber Degenfelb, als 5**robe» D** neue Kurfürft 
Karl unb feine kaltfinnige bänijche (Bemahlin 
teilten bie (befühle ber t)er3ogm oon Orleans 
nicht, roelcher jene Stunbe bes flbfdjiebes 3uStraf3= 
bürg unoergejfen blieb, ba Karl £ubang bie rau» 
gräflichen Kinber ihr unb ihrem oermeintlichen 
(Einfluffe am fran3Ö[i[chen fjofe aufs roärmfte 
empfahl. 

Karl Cubroig, ber im Sparen unb Rechnen 
hart unb unbeugfam , feiner eigenen Rtutter 
bie gejuä}te Unterftütjung , bem tapferen Rup- 
recht einen Sifc in ber Pfal3 oertoeigerte unb 
bie Pforte ber väterlichen Burg oer|chlo&, h atte 
für bie Hochkommen ber Degenfelb fooiel Der« 
(chrieben unb roieber 3urückgenommen, bafj ihnen 
nichts verblieb. tDährenb bie Raugrafen mit 
bem Degen in ber Sauft fid) burdfs £eben hin- 
burdjjchlugen, fanben bie 3ungfem bei Sophie 



— 174 — 

unb Cifelotte bie Betoeife treuer Swrforge. Beibe 
Reiben, toenn es möglid) mar, aud) öie IDorte 
in (Taten umgejetjt, fte [penöeten tfjre 5*eunb« 
fdjaft mit jenem feinen, i^rcr innerlich oornefymen 
tlatur eigenen Hakte, toeldjer bas (5efütjl einer 
enoiefenen (Bnaöe ntdjt aufkommen ließ unb oor 
3urück[etjung anberen gegenüber jdjüfcte. 

Bis nadf bem (Lobe bes Kurfürjten Karl ber 
fran3Öfijd)e König feine *)anb auf bas pfätyföe 
allobiale (Erbe legte, ba benfet £ifelotte baran, 
was tfyren Sd)ut$befol)lenen aus bem (Erbe ge* 
büfjren könne unb null bafür Jorgen, baff bie 
„ Haugraf fdjaft", ifjnen nid)t ent3ogen roerbe. (Eine 
fjarmlofe unb aljnungslo[e Huffa[{ung ber Dinge, 
toie fie toaren unb nod) kommen [ollten. Bei beut 
„je verrais" bes Sonnenkönigs, ber bis 3um 
Ärgernis oon £i[elotte mit Bitten fid) belöftigt 
füllte, ijt es geblieben unb aud) ber fjtx^oq 
von (Drleans, ber „maitre de la communaut6 i< , 
!|at fid) um bie Sorgen ber Degenfelbfdjen ITad)* 
kommenfdjaft fo toenig toie um bie IDünfdje feiner 
eigenen $rau gekümmert. Die Raugrafjdjaft, 
eine „ Antiquität, beren Realität in unbekannten 
£änbem liege," toie 5**&i nan & oon Degenfelb 
meinte, fyätte nidjt oiel geholfen. Daß ber f)er« 
3ogin oon (Drleans „oon ber Pfal3 nidjts ge- 
bühre", toar eine (Erklärung ooll IDafyrfyeit unb 
(Efyarakter. Seinen Dank aber Ijat ber ritterliche 
fjerr in bem fdjönen Bekenntnis 3um Husbruck 
gebracht, baß man bie gan3e tDelt burcfyreifen 
unb auger Sophie oon Qannooer unb ber fjtx» 



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— 175 — 



3ogtn t>on Orleans kein brtttes Don folc^er (Büte 
finben hönntc. 

31jr fchönftes Denkmal aber Ijat fid) £ifelotte 
[elber gefefct. Sie ift r rote tmr bis jetjt toiffen, 
nur einmal im 3af)re 1683 nad) Deutfchlanb 
gekommen. Über ihr flüchtiges tDicöerfeljcn mit 
ihrer TUutter 311 Bockenheim hat fie ebenjo flüchtig 
berichtet. Der Befuch ber $er3ogin Sophie am 
fran3Ö[i[chen fjofe im 3ah r * 1679 ift aus ihren 
TTtemoiren bekannt. XDie geiftooll unö amüfant 
fyat jie gejehübert, als fic oor £uburig XIV. 
trat, roie rüijrenb, als £ifelotte ihr in bie Hrme 
flog! So roar £i|elottens {tarkes Ijeimatsgefühl 
nur auf öen Husfprudj ber brieflichen Unter* 
haltung angeroiefen, [0 fd)rieb fie ihre oielen unb 
langen Briefe unb ohne, baß fie es wußte unb 
roollte, bie unfehlbaren Denkumrbigkeiten ihres 
eigenen £ebens. „IDenn bas Brieff ^reiben fchäb« 
lieh toäre," fagte fie einmal, „bann müßte fie 
längft tot fein." Sie h at ^ a 9 für dag ge- 
trieben nach Qarnioocr an Sophie, nach fjeibel- 
berg unb Srankfurt an £uife unb fonft in alle 
IDelt h^öus, ©0 Denoanbte unb 5**unbe fa&en, 
keine Billetten, toie biefelben für bie (Bebanken- 
armut ber mobernen Brieffchreiber 3ugefchnitten 
finb, fonbem große, umfangreiche Blätter. CDft 
hat fie achtunb3u>an3ig Bogen an einem (Tage ge» 
fd)rieben. ©ft jifct fie bis 3um erften Stroth 
am Schreibtifche. Sie konnte fchreiben, ©ährenb 
bas größte (Beräufch fie umgab, ihr Gatte neben- 
an mit feinen (Benoffen unter oiel (Befdjrei fein 



176 — 



Spieldjen madjte. Selbft roenn eines t^rer f)ünb* 
d)en übers naffe Papier fprang unb ein Säulen 
3urüdtlteg f gab bas keine ernftljafte Störung. 
VOas oon biefen Briefen bis jetjt t>eröffentlid)t 
ift, ge!)t fdjon in bie Gaufenbe, felbft im 3eit- 
alter bes Briefes eine gan3 aufjerorbentlicfye (Er* 
fcfyeinung. (Es mar ifyr £ebenselement, Briefe 3U 
fcfyreiben, „tfjr ein3iger (Eroft unb iljre einige 
Sreube in ber tDclt". „Briefe [inb tyr Beroeife, 
öaö man fleißig an bie Seinen benftt. Ulan jefct 
aufs Papier, roas ber ITTunb nid)t [agen kann, 
al[o i[t man luftig, müffen bie Briefe Iujtig fein, 
i|t man traurig, besgleidjen, bamit unfere Sreunbe 
ben (Eejt nehmen können in allem, roas uns be* 
trifft." Alles, roas jie fdjreibt, i[t barum ber 
unmittelbare ftusbrudt ifjrer Seelenftimmung, jie 
fdjreibt, roie fie benkt, roie's aus bem Kopf 
heraus kommt, fdjreibt fie es nieber, |o lebhaft, 
baß fid) ber £efer ganß in ifyre tlat^e t)inge3ogen 
füf)It, bie roeiteften (Entfernungen geiftig über» 
brüdtt roerben. Da fefyen roir fie fifcen unb 
|d)reiben, itjre Dertraute, bie Rotjenhäuferin, ba* 
neben, roie {ie Seibe jpinnt unb über alles ladjt, 
roas £ifelotte £u|tiges 3U Papier bringt. IDir 
hören fie fingen, alte Dolkslieber unb fdjöne G>e* 
fangbud)tferfe, roir hören fie audj fabelten. „Pfui, 
liebe £uife," ruft fie if)r ba3roijd)en, roenn fie 
3U oiele Komplimente oon ihr l)ören muß, bie 
£ifelotte gar nidjt üertragen kann. £ifelotte roill 
aber fid) nidjt allein felbft, fonbern auch anbere 
unterhalten. 3n bie emften Betrachtungen tfjrcs 



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— 177 



Cebens ftreut fie iljre oft gefunben Urteile über 
bie guten unb fd)led)ten, über bie pernünftigen 
unb närrifdjen Tllenjc^en ein, bie im bunten <5e= 
umljle an ifjr oorüber3iel)en, über bie großen, 
(Ereignifje brausen in ber TDelt, toie bie kleinen 
Dorgänge in ifyrem Kabinett, unb roären es aud) 
nur tfyre f)ünb<f|en unb Dögel, über beren £eiben 
unb Sreuben |ie in kinbltcfyer (Teilnahme be« 
richtet. XDill [ie ifyre (Tante Sophie ladjen madjen, 
fefylt es aud) nidjt an fjiftörcfyen pikanter unb 
gar merktoürbiger Rrt, benn jelbjt im eigenen 
tjaufe benimmt man fid) nid)t immer falomnäfjtg. 
Hlles roirb in unmittelbarer $rifcf}e cr3äl>lt. Sie 
fölägt ba oft (Töne an, u>ie mir biefelben fyeute 
nod) in ifyrer fjetmat, bei ben in IDinb unb tDetter 
braun unb berb getoorbenen Hüterinnen ber <5e* 
müfekörbe Ijören können, toenn fie auf gut 
pfätyfd) ptjilofoptjieren unb 5r*unblid)ketten ein« 
anber 3uroerfen. Hlles, roas aus ifyrem Kopfe 
fyerausfprubelt, formt fid} gan3 nad} Pfä^er ftrt 
3U Bilbern, poller (Empfinbung unb £eben: (Es 
ift ein föumler (Tag, man füfylt, tpie bie bi&e 
£ifelotte fid) abmüht, nod) einen Brief fertig 3U 
bringen. w fld}, liebe £uife," (agt (ie plötjlid), 
m \d) muß aufhören, id) Jdftoifc gar unerhört, 
»erbe beroroegen nichts me^r Jagen, als bajj id) 
(Eud) im Sommer unb TDinter, tjcrbft unb $xüli» 
ling lieb behalte." lftand)mal jcfyläft fie überm 
Schreiben ein unb roenn bie Hugen roieber aus- 
gerieben jinb, fäfyrt fie in oft gan3 anberen ö>e* 
bankengangen weiter. Das (inb an fid) gan3 

3. CD ill«, «Habet!» «Ijürlott« o. Orleans. 12 



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— 178 — 



unbebeutenöe Dinge, gar nid)t toert, öarüber 3U 
berichten. Rber mit toelc^er natürlichen £ebens« 
frifdje, gatt3 aus öem unmittelbarften (Empfinöen 
heraus finö |ic ge3eid)net! Da ift |ie mit ifyrer 
hausgebaAenen Religionspl)ilofopl)te befdjäfiigt, 
halt fidj gerabe in 6er Unterhaltung mit Sophie 
darüber auf r öafc „man öen £a3arus nic^t brao 
nad) jener tDclt quaeftionirt habe" unö ift darüber 
felber eingefd)lafen. „tttufe ein Wein Itidterlein 
thun" — Jagt fie unö lagt öie 5eöer finfcen. 
Der (beöankenftrich in ihrem Briefe ma<ht uns 
eine gan3e Situation lebendig: EDtr fehen öie 
£ifelotte oor uns eingefdjlafen, oielleicht öen Kopf 
auf öie fjänöe geftüfct, nur ^ören fie auch 
[d)nard)en f toas jie ja oortreffltcfy oerftanö. Aber 
es öauerte nid)t lange, öa roac^t [ie föon toieöer 
auf. M Itun bin id) toieöer toadter," fagt [ie 
oergnügt, „es hat ein fjalb Stünöchen gemährt. 
(Es t|at mtd) geöürft, ich ^abe ein gut Srunft 
auf (Euer Cieböen (befunöheit getfjan. " Den 
£a3arus fyat (ie gan3 oerfdjlafen unö gan3 anöere 
töeöanfcen gehen ihr öurd) öen Kopf. Da ftehen 
plötjlich Soliman unö Gür&, ifjrc £tebling$hunbe 
aus öer 3ugenÖ3eit üor ihr, fie t^at fi<h toieöer 
jung gejchlafen unö fieht öas Kmö, öas {ie {elber 
war, oor ftd), mit (einer Sammetmüfce unö öen 
blau unö toei&en 5eöem öarauf. XDie einfach 
unö lebenswahr fyat fie mit nur ein paar Strichen 
öas hieine, unbeöeutenöe (Erlebnis ge3ei<hnet, öa 
fie in ihren Kinöerjahren, mit ihrer TTtutter, öen 
erften ITlai mit einem Itad)tef(en auf öer TTtü^lau 



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— 179 — 

bei UTannfyetm feiert, ein [djtoer (Benritter nieöer« 
geljt unö jie ftd) krank lachen mill über öie 
(Brimaffen ifyr ängftlidjen tjofmeifterin, öer 3"«9 Ä 
fer Kolb ! IDie ftimmungsooll ift öas Bilödjen 
ge3eid)net, 6a fie als kleines HTäödjen bei öer 
Uffeln iljren Befud) mad)t, öie 311 fjeiöelberg 
mit U)rer Sdn»ejter unö 3n>ei anöern alten Damen 
in einem §aufe 3ufammen rooljnt, wo jie öie 
(Tage öer Rufye genießen, u>o alles oon fyollän« 
ötjdjer Sauberkeit glch^t: öas roeifte £ifd)3eug 
unö öas fd)öne alte Po^ellan im Schranke. 
UTan füt>It öie warme Sonne fjiitemfdjeinen in 
öies altjüngferliche Stillleben. 

Bas Sprunghafte öer (bebanken, urie es öem 
leid)t erregbaren, ra(d) öenkenöen unö plauöem« 
öen pfäl3t(d)en Dolke fo eigen ift # kommt audj 
in £i[elottens Briefen 3um flusöru<k. 3fyre <Be* 
öanken arbeiten fo rafd}, öafj fie öer 5*&** 
uorauseilen, oft in merkroüröigem Durd)etnanöer 
aufs Papier fließen unö öarüber manchmal öer 
Sa^bau aus öen Sugen gefjt. IDatyrenb fie über 
öie „Pfaffen" in gewohnter IDeife los3iel)t, weil 
fie if)ren Pfäl3ern öas £eben fauer machen, 
kommt tl)r mitten im Ärger öer IDunfd) an, ein» 
mal in i^rem Ceben mit Haugräfin £uife 3U 
mittag 3U effen unö öamit toirö aud) öer junger 
nad) öem geliebten Sauerkraut lebenöig. Kaum 
aber ift es in (bebanktn oeröaut, fo gelten if)r 
[djon »ieöer ljunöerterlet anöere Dinge öurdj öen 
Kopf, ttidjts oon leeren Phrafen, urie öie Übung 
öes BrieffHles fie 3um langweiligen ßefefc ge- 

12* 



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— 180 — 



macht l)at, tft in £ifelottens Briefen 3U fpüren. 
flud) im Schlußworte öes (Bruces finbet fid) 
6er lebenbige Husbrudt roahren Gefühlslebens, 
„flbieu, liebe £uije r " hat jie fd)on gefagt, ba fällt 
ihr, man roeifj nid)t wie, auf einmal tr)r Detter, 
ber £anbgraf (Beorg ron Reffen ein, ber „mit 
feinem abjdjeulidjen Tllaul fo unangenehm lachen 
konnte". Dann Jagt |ie nod) einmal flbteu, 
embraffiert in (Beöanfeen bte teure 5**unbin unb 
IdjUefot i^ren Brief. 

IDenn fonjt ben Ceuten öic (Bebanken aus» 
gehen, reben |ie t>om TDetter. niemals ift fo oiel 
öie Rebe baoon getoefen, als in Ofelottens Briefen. 
Hber ber lebhaften Pfäl3erin kommen babei bie 
beften unb fünften (Bebanken. „IDir höben eine 
Poetin in ihr gefunben," f treibt einmal bie oon 
£ifelottens Briefen enfyüdtte Sophie an Karl 
£ubroig. (Es ift poetifdje Stimmung, bie unter 
bem (Einbruch ber roechfelnben 3at)res3eiten oft 
in nur wenigen Seilen 3um Husbrudt kommt, 
(treibt ber Srühling feine erften Blüten, ba wirb 
au<h bie (Erinnerung an ihre fd)öne IJeimat 
lebenbig. Da ftef)t fie bie fröhliche Kinberfdjar 
ben Schlofeberg l}tnauf5iet)en f um bas Sommer« 
lieb bem Kurfürften oo^ufingen unb fie fingt 
felbft mit ihnen, frifdj wie fie es noch behalten hat: 

„Struh, Straf}, Stroh, ber Sommer ber ift bo, 
tDtr finb nun in ben Soften 
Da leeren bie Bauern bie Haften, 
IDenn bie Bauern bie Haften leeren, 
IDoU uns (Bott ein gut 3 a h r befdjeren, 
Struh, Struh, Stroh, ber Sommer ber ift bo." 



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— 181 — 



3n ihrer lebenbtgen Schreibart ^at £ijelotte 
manche Ähnlichkeit mit 5*<*u oon Seoignö. Aber 
bie gei(trei(^e fran3Öjijche Dame jdjafft literarijdje 
Kunjtoerke. 3n allem, roas £i|elotte jdjreibt, i[t 
Itatur, urroüchjig, oft red)t ungeformt. ITlühjam 
ringt jie mit bem Deutzen. Sie [elb[t i[t er» 
jtaunt, baff man ihre Briefe jd)ön finbet. „An- 
genehm jchreiben," meint |ie f „roäre bejfer als 
correct." Sie toeifj gar nid)t, toie angenehm jie 
[djreiben kann. 3t)re Briefe [inb toie bie Blu- 
men, bie auf jteiler Bergeshöhe mitten aus bem 
Selsgejtein in ber IDilbnis, nur Dom Ijimmel 
gepflegt, ^tausroadjjen unb bod) in frijchen unb 
frönen 5 ar & cn blüfm. So hat Cifelotte ge- 
trieben, bis ihr bie $eber aus ber müben 
fjanb fiel. 

Huf ihren legten Briefen ruht fdjon öer 
fjaud) bes £obes. „3ch fühle/ jdjreibt jie am 
26. Itooember 1722, „bafj es mir bie Seele aus 
bem £eib 3tcf)t r möchte mich » 0 W * n anbere 
Welt umnbern machen, welches eben gar kein 
groß Unglück, toenns nur gejd)CDinb unb ohne 
grofje Schmer3en gejchehen könnte." Sie h^t in 
ben legten TDochen oiel mit Rtemnot 3U tun. 
Da kommen bie berühmtejten unb gelehrtejten 
Är3te gelaufen, um ihr bie bejten Hoffnungen 
3u machen. Hber bie wahre Hatur auch bti ber 
alten £ife!otte jdjläft erjt mit ihrem legten fltem- 
3uge ein. Sie jagt ihnen, ba& jie Scharlatans 
jeien unb jie jterben müfje. 

Hm 3. De3ember, roährenb jie bie legten 



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— 182 — 

3eilen tfjres £ebens (treibt, kommt nod) einmal 
ein Brief von Rougräfin £uije. „ (Erhält mir 
(Bott bas £eben bis übermorgen, werbe id) ant* 
Worten, nun aber nur fagen r bajj id) <Eud| bis 
an mein (Enöe lieb behalte." (5an3 wie [ie baä^te 
war btes (Enbe nalje. 

Hm 8. De3ember 1722 um 4 U^r in 6er 
Srüije ift £i|eiotte auf tyrem £iebihtgs|ifce 3U 
St. (EIouö, 71 3a^re alt, gejtorben. (Einfadj 
unb fd)lid)t wie fie war, fyat man iljrem tDunjd}e 
gemäß, ofyne jeben tjöfifdjen prunk bie fje^ogm 
oon (Drleans nad) St. Denis in bie ©ruft ber 
fran3Ö|ijä)en Könige übergeführt. 

„Alles war Deutjd) an i^r," jagt ifyr Seit« 
genoffe, ber 5ran3ofe Saint Simon. 



•7 . — 

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6er t)auptfäd)licf) benütjten Citeratur. 



Schreiben bes Kurfürjten Karl Cuburig oon 6er 
Pfal3 unb 6er Seinen, ijrsg. oon U). C fjollanb, 1844 
(Btbliotbrt 6es literar. Per. 167). 

Briefe 6er (Elifabetb. Charlotte oon Orleans, bjsg. 
oon TD. £. tjollanb. 6 Bänbe, 1867—1881 (ebenbaf. 
88, 107, 122, 132, 144, 157). 

ITtemotren 6er r)er3ogin Sophie nadjmals Kur« 
fürftin oon tjannooer, f|rsg. oon Hb. Ködjer, 1879 
(Publik, a. 6. Preufe. Staatsardjioen 4). 

Briefxoecbjel 6er Qenogin Sopfjie von fjannooer 
mit ifjrem Bru6er, 6em Kurfürften Karl Cu6n>ig oon 
6er Pfal3 un6 6es Unteren mit feiner Sdjumgerin, 6er 
Pfal3gräfin Anna, b,rsg. oon <E. Bo6cmann, 1885 (eben. 
6a|. 26). 

Briefe 6er Kurfürftin Sophie oon fjannooer an 
6ie Raugräfinnen un6 Raugrafen 3U Pfal3, b,rg. oon 
<E. Bo6emann, 1888 (ebenbaj. 37). 

Aus 6en Briefen 6er tje^ogin (Elifabetb, Charlotte 
oon Orleans an 6ie Kurfürftin Sophie oon r)annooer, 
b,rsg. oon <E. Bo6emann. 2 Bänbe. 1891. 

Briefe 6er r)er3ogin (Elifabetb, <Tb,ar(otte oon <Dr« 
leans an ifjre frühere r)ofmei|terin (L K. o. fjarling 
geb. o. Uffeln unb 6eren (bemab.1 (beb.. Rat Sr. o. Dar- 
ling ju Ijannooer, b,rsg. oon <E. Bobemann. 1895. 



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184 — 



aus bcn Briefen 6er fjer3ogm (Elifabety Charlotte 
oon (Drleans an (Etienne polier be Bottens, ^rsg. dou 
S. fjellmann. 1903 (Bibliothek bes Itter. Der. 231). 

Lettres de Madame de Sevigne publ. par Mon- 
marque. vol. II, III et IX. 1862 ff. 

Saint Simon, Memoires. Nouv. edit. publ. par 
A. de Boislisle. vol. III et IX. 1879 ff. 

Ezechiel Spanheim, Relation de la cour de 
France en 1690 suivie de la Relation de la cour 
d'Angleterre en 1704 publ. par Emile Bourgeois. 
1900. 

Corre8pondance generale de Madame de Main- 
tenon publ. par. Th. Lavallee. 4 Bde. 1865—1866. 

M. J. D'Aumale, Souvenirs sur Madame de 
Maintenon publ. par. le c te d'Haussonville et 
G. Hanotaux. 3 Bde. 1904. 

Die übrige Ctteratur ogt. 3. tDtlle, Pfa^gräftn 
(Elifabetr) (Charlotte , r)er3ogin uon (Drleans. (Heue 
fjetöelberger 3af}rbüd)er, Bö. V. S. 225 ff. unb Son* 
berabör. S. 38 ff. 



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