Die
kriegsgeschi..
Uberlieferung
über Friedrich
den Grossen .
Georg Winter
Digitiz Jd by Google
Hl STO BISCHE D X TBR8K I1 UNG K X .
HERAUSGEGEBEN' vox J. JASTROW.
— tun i. =
Die
kriegsgeschichtliche Überlieferung
über Friedrich den Grofsen
kritisch geprüft
an dem Beispiel der Kapitulation von Maxen.
Von
Georg Winter.
• Berlin 1888.
R. Gacrtners Verlagsbuchhandlung
Hermann Heyfelder.
*W. Schi'meberger Strafse 26.
Historische Untersuchungen.
In zwanglosen Heften
herausgegeben von
J. Jastrow.
Ii
^S3 ^
/
Die „Historischen Untersnelwiifem" beabsichtigen, flfcr
Monographieen aus dem Gesamt- Gebiete der Geschichtswissenschaft
eine Saiumel statte zu bilden.
Abhandlungen aus dein Altertum, aus den» Mittelalter und
aus der Neuzeit wird diu Sammlung in gleichem Mafse geöffnet
sein. Neben Beiträgen zur Quellenkritik und zur Geschichte der
politischen oder kriegerischen Ereignisse sollen Untersuchungen über
die Entwickelung der Zustände im staatlichen, im wirtschaftlichen
und im sonstigen Kulturleben der Volker geboten werden.
Soweit es mit wissenschaftlicher Gründlichkeit vereinbar ist,
wird die Darstellung in einer Form erfolgen, welche Gang und Er-
gebnisse der Untersuchung auch den Mit forschem benachbarter Ge-
biete zugänglich macht. Um der letzteren Rücksicht auch äufserlich
Rechnung zu tragen, wird jedem Hefte neben der sjsteinatiseheii
Inhaltsübersicht ein alphabetische* Register ond ein
bifelioffraphischesliitterstnrTerteichiils beigefügt werden.
Die Herausgabe der Sammlung hat Herr Dr. J. Jastrow über-
nommen. Beiträge werden an dessen direkte Adresse (Berlin NW..
Marienstrafse 8) oder durch Vermittlung der Verlagshandlung erbeten.
Erschienen sind:
1. .last l ow, J., Die Volkszahl deutscher . Städte zu
Ende des Mittelalters und zn Beginn der Neuzeit. Ein Über-
blick über Stand und Mittel der Forschung. Q JC
2. Altmann, W., Die Wahl Albrechts II. zum römischen
Könige. Nebst einem Anhange, enthaltend Urkunden und
Aktenstücke. 8 Jt.
3. Sultan . W., Prolegomena zu einer römischen
Chronologie. 5 JC.
4. Schöll haffc, K., Das Königslager vor Aachen und
vor Frankfurt in seiner rechtsgeschichtlichen Bedeutung. QJC
5. Friedensburi;, W., Der Reichstag zu Speier 1526
im Znsammenhang der politischen und kirchlichen Entwicklung
Deutschlands im Keformationszeitaltcr. 15 JU
6. Lehmgrübuer, II., Benzo von Alba. Ein Verfechter
der kaiserlichen Staatsidee unter Heinrich IV. Sein Leben und
der sogenannte „Panegyrikus". 4 JL
7. Winter. G., Die kriegsgeschichtliche Überliefe-
rung über Friedrich den Grofsen. kritisch geprüft andern
Beispiel der Kapitulation von Maxen. , 5 JL
Unter der Presse:
8. Masrhke, R., Der Freihei t sprozefs im klassischen
Altertum, insbesondere der Prozefs um Verginia.
R. Gaertners Verlar, H. Heyfeldcr, Berlin SW.
lieft
Heft
Heft
Heft
Heft
Heft
Heft
Heft
J
HISTORISCHE
UNTERSUCHUNGEN.
HERAUSGEGEBEN
VON
J. JASTROW.
Heft VII.
Die kriegsgescbiclitliclie Überlieferung über Friedrich den Grofsen
kritisch geprüft
an dem Beispiel der Kapitulation von Maxen.
. Von
Georg Winter.
Berlin 1888.
R. Gaertners Verlagsbuchhandlung
Hermann Heyfelder.
Digitized by Google
Die
kriegsgeschichtliche Überlieferung
über Friedrich den Grofsen
kritisch geprüft
an dem Beispiel der Kapitulation von Maxen.
Von
Georg Winter.
Berlin 1888.
R. Gaertners Verlagsbuchhandlung
Hermann Heyfelder. ,
< <
Digitized by Google
Digitized by Google
Vorwort.
Die vorliegende Untersuchung verdankt ihre Entstehung einem
kleinen archivalischen Funde, welchen ich vor einigen Jahren im
Geheimen Staatsarchive zu Berlin gemacht habe.
Seit dem Erscheinen des Schöningschen Werkes über den
siebenjährigen Krieg ist von verschiedenen Forschern, welche sich
mit der Geschichte dieses Krieges beschäftigen, wiederholt ver-
geblich nach den von Schöning auszüglich mitgeteilten Akten des
Kriegsgerichts nachgeforscht worden, welches im Jahre 1763 über
Finck und seine Schicksalsgenossen wegen der verhängnisvollen Ka-
pitulation von Maxen aburteilte. Je verworrener und dunkeler
unsere chronikalisch-memoirenartige Überlieferung über jenes Er-
eignis ist, um so mehr mufste das Bestreben der objektiven For-
schung darauf gerichtet sein, eine Grundlage für die Beurteilung
derselben an wirklich authentischem, gleichzeitigem Aktenmaterial
zu gewinnen. Mit Recht aber durfte man hoffen, eine solche
Grundlage vor allem an den Akten jenes Kriegsgerichts zu er-
halten, zumal die Schöningschen Auszüge die Wifsbegierde des
Forschers mehr anregen als befriedigen. Allein leider blieben
bisher alle Nachforschungen nach den Originalprotokollen und den
sonstigen Papieren jener kriegsgerichtlichen Untersuchung erfolg-
los: weder im Geheimen Staatsarchive, noch in den Archiven des
Kriegsministeriums, des Generalstabs oder des Gener al-Auditoriats
hatten sich diese Akten auffinden lassen.
Da gelang es mir, in der im Geheimen Staatsarchive aufbe-
wahrten Immediat-Korrespondenz Zietens mit Friedrich dem Grofsen
zwar nicht die Gesamtheit der kriegsgerichtlichen Untersuchungs-
akten, aber doch einige Fragmente derselben aufzufinden, welche
mir ein nicht Unwesentliches zur Aufhellung der dunklen Vor-
gänge jener Katastrophe beizutragen schienen. Es waren das die
Berichte, welche Zieten dem Könige über den Verlauf der kriegs-
gerichtlichen Verhandlungen erstattet hat, und deren einem ein,
wenn auch kurzer, „Extrakt derer Verhöre" beilag. Eine Ver-
gleichung mit den von Schöning mitgeteilten Auszügen ergab als-
bald, dafs der genannte Forscher die von mir aufgefundenen Pa-
piere nicht gekannt hatte. Dieselben schienen mir aber der Ver-
öffentlichung darum in besonders hohem Grade wert zu sein, weil
sich aus ihnen in einigen nicht unerheblichen Punkten eine ganz
andere Auffassung des Ereignisses von Maxen zu ergeben schien,
als die, welcher wir in den militärischen Memoirenwerken des
18. Jahrhunderts begegnen. Daher kam es auch, dafs ich bei der
ursprünglich beabsichtigten blofsen Veröffentlichung der Akten-
stücke nicht stehen bleiben wollte, sondern dieselben zugleich zu
einer eingehenden kritischen Prüfung jener Memoirenwerke zu ver-
werten beschlofs. Ich zog zu diesem Zwecke noch die übrigen, zum
gröfsten Teil unbekannten Aktenstücke heran, welche sonst noch
für das Ereignis von Maxen im Geheimen Staatsarchive vorhanden
sind. Da nun, wie sich bald zeigte, fast unsere gesamte historio-
graphische Uberlieferung über die Katastrophe in hohem Mafse
mittelbar oder unmittelbar als von Finck beeinflufst erfunden
wurde, so mufsten für eine kritische Sichtung derselben neben
den Kriegsgerichts -Akten vor allem die Berichte herangezogen
werden, welche Finck selbst während des Verlaufs der Ereignisse
dem Könige erstattet hat. Sie waren der geeignetste Prüfstein,
um zu einer klaren Erkenntnis über Wesen und Tendenz der spä-
teren Überlieferung zu gelangen. Daneben wurde, was in der
Kabinets-Korrespondenz und in der Kriegsrepositur des Geheimen
Staatsarchivs an weiterem Material mir von hier aus erreichbar
war, herangezogen.
So wurde aus der ursprünglich beabsichtigten Veröffentlichung
einiger von der Forschung seit lange vermifsten Aktenstücke die
vorliegende Abhandlung, welche den Versuch wagt, auf Grund
einer eingehenden Prüfung des Quellenmaterials zugleich eine ge-
rechtere und richtigere Würdigung eines Ereignisses anzubahnen,
welches in doppeltem Sinne zu den trübsten und dunkelsten der
preufsischen Kriegsgeschichte gehört.
Marburg, im September 1887.
Georg Winter.
Digitized by Googl
Inhalts-Verzeichnis.
Vorwort S. V
Erstes Kapitel. Charakter der historischen Tradition über
Friedrich den Grofsen S. 1—18
Methodischer Unterschied zwischen der Geschichtsforschung Uber Altertum und Mittelalter
einerseits, Uber nenere Geschichte andrerseits. Mangel einer erschöpfenden kritischen Be-
handlang des chronikalischen bei fast ausschließlicher Verwendung des arcbivalischen Ma-
terials in der letzteren. 8. 1—3. Anwendung des Gesagten auf die Periode Friedrichs des
Grofsen, Uber deren chronikalische Überlieferung nur wenige kritische Ansätze vorhanden
sind. S. 4—6. Notwendigkeit und eigentumliche Schwierigkeiten der Lösung dieser Autgabe
infolge des durchweg tendenziösen Charakters der gleichzeitigen und wenig späteren kriegs-
geschichtHchen Memoiren, welcher durch den Gegensatz zwischen Friedrich dem Grofsen und
seinem Bruder Heinrich bedingt ist. S. 7 — 9 Den Mittelpunkt der im Interesse des Prinzen
Heinrich und in tendenziösem Gegensatz gegen den Kflnig verfafsten historischen Arbeiten
bildet das Gaudjsche Journal. Übersichtliche Kritik seiner Quellen nnd seiner Tendenz 8. 10
n. 11. Ableitungen und verwandte Quellen: Warnery, Retzow, Henckel von Donnersmarck,
handschriftliche Quellen. S. 12 — 14. Eigentümliche, abweichende Haltung Tempelhoffs,
Cogniazzos und Archenholz's. 8. 14—16. Umschwung in der historischen Auffassung durch
das Bekanntwerden des authentischen Aktenmaterials, angebahnt durch Bänke, Droysen,
Schafer, Bernhardi. Gegenwärtige Aufgabe der historischen Kritik im Allgemeinen, der vor-
liegenden Untersuchung im Besonderen. S. 17/18.
Zweites Kapitel. Urteile der Zeitgenossen über die Kata-
strophe von Maxen S. 19—33
Kurze Skizze des geschichtlichen Zusammenhangs. S. 19 — 22. Haltung der Umgebung des
Prinzen Heinrich gegenüber dem unglücklichen Ausgang des Unternehmens von Maxen, an
welchem von dieser Seite alle Schuld dem KOnig beigemessen wird. Kachweis dieser Tendenz
in den Aufserungen Gaudys (S. 23—25), Retzows (S. 25 —28), Warnerys (S. 28/29)), deren Auf-
fassung durch Finck im eigenen Interesse bestärkt wird durch die mittelbar oder unmittelbar
von ihm ausgegangene „Relation der unglücklichen Aktion bei Maxen", welche dem «Journal
von dem Finkischen Corps bey Maxen" in der „Sammlung ungedruckter Nachrichten" zu
Grunde liegt. S. 29/30. Verteidigung Fincks gegen die ihm vom Kriegsgericht gemachten
Vorwurfe in einer besonderen Denkschrift. S. 31. Selbständige Haltung Tempelhoffs. S. 32.
Zu einer klaren Erkenntnis Uber Art nnd Wesen dieser Geschichtschreiber ist nur durch Ver-
gleichung mit dem Aktenmaterial zu kommen. S. 32/33.
Drittes Kapitel. Die Entsendung des Fiuckschen Korps nach
Maxen S. 34—45
Lage des preufsischen Heeres in Sachsen im Augenblick der Ankunft des Königs. S. 34 — 36.
Änderung des strategischen Verhaltens nach dem Eintreffen des Königs. Offensive von Seiten
der Hauptarmee, Vorschickung Fincks in den Rttcken der feindlichen Stellung. .Widerspruch
Fincks in einer erregten Scene zwischen ihm und dem Konige. Kritik der Überlieferung
hierüber. S. 36 — 42. Abmarsch Fincks nach Freiberg und Dippoldiswalde. Zusammenstoß
mit einer Abteilang der Reichsarmee. S. 43 — 45.
Viertes Kapitel. Gegenmafsregeln der Österreicher. Beider-
seitige Bewegungen am 18. u. 19. November . S. 45—57
Dauns Rückzug nach Dresden, Entsendung der Reichsarmee in den Süden Dresdens, des
Sincereschen Korps nach Rippien. S. 45. VorrUcken Friedrichs nach Wilsdruff, Einrücken
Fincks in die ihm angewiesene Stellung. S. 46/47. Seine ersten Berichte an den König und
der Befehl des letzteren, das ganze Korps bei Maxen zusammenzuhalten, d. h. alle entsandten
Korps an sich zu ziehen. S. 48/49. Sinn und Bedeutung dieses Befehls, von den Memoiren-
schreibern völlig entstellt, wie Fincks eigene Berichte zeigen. S. 50/51. Dauns Mafsregeln,
um das Fincksche Korps von allen Seiten einzuschliefsen. S. 52. Des KOnigs Befehl, in
welchem er, nachdem er von dem Abmarsch des Sincereschen Korps nach Rippien Kunde er-
halten hat, alles weitere Finck anheimstellt. 8. 53/54 Dauns Aufstellung bei Dippoldiswalde ;
die Höhen bei Maxen mit dem
Finck besetzt Reinhardsgrirnma mit dem Platenschen Korps, die
Hauptkorps. S. 55/57.
Digitized by Google
- vm -
Fünftes Kapitel. Kampf und Katastrophe . . . . S. 57 — 79
Übereilte Aufgabe des Passes von >R«nhard8grimina durch Pinea*. 8. 57/58. Anmarsch der
Österreicher gegen Reinhardsgrimma. 8. 59- Schwankende Haltung der österreichischen
Heeresleitung, Durchmarsch durch den Pate und den dahinter liegenden Wald. Besetzung der
Hausdorfer flöhen mit Artillerie. S. 00/61. Beginn des Angriffs, Vorrucken des Brentanoschen
Korps. S. 62. Einnahme der Maxener Höhen und des Dorfes Maxen durch die Österreichi-
schen Grenadiere. S. 62/63. Fincks vergebliche Versuche, das Treffen an dieser Stelle wieder-
herzustellen. S. 63/64. Der gescheitert« Reiterangriff auf das Brentanosche Korps. S. 64.
Allgemeiner Rückzug der Preufsen durch Schmorsdorf; Einrücken der Österreicher in die
geräumte preußische Stellung von Haxen. 8. 65/66. Stellang der Preufsen bei Ploschwitz und
Falkenhain. 8. 67. Beratung im Heerlager Fincks Uber einen Durchbruchsversuch. 8. 68—71.
Wunsche Durchbrucbsversuoh. S. 72/73. Kapitulation des Finckachen Korps. 8. 74—79.
Anhang I. Entstehungsgeschichte der Überlieferung S. 80 — 133
A. Das „Journal von dem Finkischen Corps bey Maxen"" S. 80 — 99
Zweck der nachfolgenden Untersuchung: Erklärung der entstellten Memoiren - Tradition aus
Qurer Entstehung. Die früheste grOlsere Darstellung des Ereignisses, Grundlage der Tradition,
ist das „Journal von dem Finkischen Corps bey Haxen"; dieses aber ist durchweg nichts
anderes als eine Überarbeitung einer in Fincks Nachlaß befindlichen, von dessen Hand ge-
schriebenen und wahrscheinlich auch von ihm verfalsten „Relation der unglücklichen Aktion
bey Haxen.* 8. 81 — 83. Beweis dieser quellenkritischen Thateache, und zwar a) indirekter
8. 83 — 97, b) direkter 8. 97 — 99. — Ebenso wie diese früheste darstellende Quelle hat
aber auch
B. Das Gandysche Journal S. 99—117
seine Nachrichten, abgesehen von den officiellen, ihm zu Grunde liegenden Quellen (Armee-
listen etc.), zum groben Teil aas der Umgebung Fincks geschöpft und zeigt in seiner ganzen
Darstellung eine deutlich erkennbare gehässige Tendenz gegen den König, wie an seiner Ge-
samtbeurteilung des Ereignisses nachgewiesen wird, 8.99 — 105; und zwar hat auch Gaudy in
einem grofsen Teile seiner Darstellung ('/j — 9 /» des GesamtumfangB) die aus Fincks Um-
gebung stammende „Relation * (Yergleichung und Analyse der betreff. Stellen & 106 — 113),
aufserdem auch noch andere Nachrichten Finckscher Provenienz benutzt 8. 113 — 117.
Aus der „Relation* bez. dem „Journal" und
C J. Gr. Tielckes Beiträgen zur Kriegskunst und Geschichte
des Krieges,
über welche 8. 117 — 119 einige allgemeine kritische Bemerktingen gegeben werden, ist nun
die umfassende Darstellung von
D. G. F. v. Tempelhoff, Geschichte des siebenjährigen
Krieges, Teil 3, S. 346—366 S. 119—130
kombiniert. Dieser zeigt zwar im allgemeinen eine ziemlich unbefangene Haltung (S. 119),
gleichwohl aber hat auch er zweifellos dss auf der „Relation* beruhende „Journal* ausgiebig
benutzt d. h. ebenfalls aus Quellen Finckscher Provenienz geschöpft. Zusammenstellung der
hierfür besonders bezeichnenden Stellen (S. 120—129). Daneben ist die unbefangene Dar-
stellung Tielckes benutzt, namentlich an den Stellen, wo die Bewegungen der Österreicher ge-
schildert werden. Nebeneiuanderstellung der Beweisstellen aus dem „Journal", Tielcke und
Tempelhoff (S. 123 — 129). Aufserdem hat Tempelhoff noch andere Quellen Finckscher Pro-
venienz benutzt. Zusammenfassende Kritik seiner Darstellung. S. 129/130.
Gesamtresiittat der bisherigen Untersuchung: die ganze ursprüngliche Überlieferung von
preußischer Seite geht mittelbar oder unmittelbar auf Finck und dessen Umgebung zurück.
Darauf beruht dann auch die spätere Überlieferung, namentlich Retzow und Warnery. 8. 141/132.
Die Darstellung in der Histoire de la guerre de sept ans des Königs ist ebenfalls nicht un-
bedingt zuverlässig und jedenfalls zu kurz, um als Kontrollmittel dienen zu können, welches
demgemafs nur in den in den weiteren Anhangen mitgeteilten authentischen Aktenstücken zu
suchen ist.
Anhang II. Korrespondenz Fincks mit dem Könige aus den
Tagen vom 14. — 23. November 1759 und einige andere
Aktenstücke S. 134—149
Anhang III. Fragmente der Akten des Kriegsgerichts von
1763 S. 150—156
Anhang IV. Denkschrift Fincks über sein Verhör bei dem
Kriegsgericht S. 157 — 169
Bibliographie (Verzeichn. d. abgekürzt citierten Werke) S. 170 — 171
öp . S. 172—175
Digitized by Google
Erstes Kapitel.
Charakter <ler historischen Tradition über Friedrich den Grofsen.
schichtsquellen im Fortgange der Arbeiten der Monumenta Germaniae
historica eine ganz bestimmte, nach feststehenden Regeln gehand-
habte historisch-kritische Methode ausgebildet hat, welche eine
fast mathematisch sichere Behandlung des Materials ermöglicht,
sind wir auf dem Gebiete der Quellen zur neueren Geschichte trotz
der von Ranke in seiner Abhandlung „Zur Kritik neuerer Geschicht-
schreiber" so klar vorgezeichneten Bahnen zu einem annähernd
sicheren Verfahren noch nicht gelangt. In der Hauptsache mag
das an der Verschiedenheit des Materials, mit dem auf beiden
Seiten zu arbeiten ist, liegen. Man hat sich eben in der Behand-
lung der neueren Geschichte immer mehr daran gewöhnt, aus-
schliefslich das archivalische Aktenmaterial den Untersuchungen
zu Grunde zu legen und die eigentlich historiographischen Quellen
mehr oder weniger in den Hintergrund treten zu lassen. Aber
nicht immer hat das den auf diesem Grunde aufgeführten Ge-
schichtswerken zum Vorteil gedient. Ebenso wenig wie es möglich
ist, eine Geschichte des Mittelalters allein aus den Urkunden zu
gewinnen, ebenso wenig vermag man ein erschöpfendes Bild der
geschichtlichen Vorgänge der neueren Zeit allein aus dem authen-
tischen Aktenmaterial zu entwerfen. Die Folge davon, dafs man
das doch nur zu oft versucht hat, ist es gewesen, dafs unsere Ge-
schichtsclireibung über neuere Geschichte immer mehr einen vor-
wiegend diplomatisch-politischen Charakter angenommen hat, wäh-
rend die anderen, oft erheblich wichtigeren Seiten des geschicht-
lichen Lebens, die man aus offiziellen Akten eben nicht zu erkennen
vermag, über Gebühr in den Hintergrund gedrängt worden sind.
Aber auch bei rein politischen und militärischen Ereignissen
läuft man Gefahr nicht selten zu völlig irrigen Schlüssen zu kommen,
wenn man sich ausschliefslich auf die offiziellen Aktenstücke stützt.
USttorUclir l*nt.r»ucliutigr«Mi. 7. 1
Kritik unserer mittelalterlichen Ge
Digitized by Google
Auch hier vielmehr mufs es als Aufgabe uud Pflicht einer er-
schöpfenden Untersuchung bezeichnet werden, das vorhandene
Material in möglichster Vollständigkeit heranzuziehen ; dazu gehört
aber nicht blofs eine Verwertung der durch die Akten repräsen-
tierten unmittelbaren Reste der Ereignisse, sondern auch eine
kritische Analyse der Meinungen der Zeitgenossen über dieselben.
Nicht selten werden wir durch die letztere auch zu einer unbe-
fangeneren Würdigung der Ereignisse selbst gelangen. Eben hier
aber scheint in der neueren Forschung ein empfindlicher Mangel
vorzuliegen.
Oder ist es nicht ein solcher, wenn bei geschichtlichen Vor-
gängen von der Wichtigkeit der Kriege Friedrichs des Grofsen
eine zusammenfassende Würdigung des erhaltenen zeitgenössischen
Memoiren-Materials so gut wie noch gar nicht versucht worden
ist? Ist doch selbst von den historischen Werken des Königs bisher
nur die Histoire de mon temps zum Gegenstande einer eingehenden
kritischen Untersuchung über die Art ihrer Entstehung gemacht
worden 1 ), während die übrigen Teile der Memoiren des Königs noch
einer erschöpfenden Bearbeitung nach der Richtung der inneren und
äufseren Kritik harren. Ist es nicht in der That an der Zeit, die bei
der Bearbeitung der mittelalterlichen Chroniken gewonnenen Grund-
sätze der Kritik nunmehr auch auf diese und ähnliche wichtige
Quellen der neueren Geschichte anzuwenden? Was würde man
dazu sagen, wenn heute ein Forscher eine mittelalterliche Chronik
für seine Untersuchungen verwerten wollte, ohne sich über Art
und Zeit ihrer Entstehung klar geworden zu sein, ohne erforscht
zu haben, ob er es mit einer primären oder abgeleiteten Quelle
zu thun habe? oder wenn er mehrere Chroniken neben einander
benutzen wollte, ohne sich darüber klar zu werden, ob etwa die
eine mittelbar oder unmittelbar aus der andern hervorgegangen
sei? Bei der Geschichte der Hohenstaufen z. ß. betrachten wir
mit Recht den Standpunkt Raumers, der in seinem für seine Zeit
hochbedeutsamen Werke seine Auffassung durch Citierung einer Anzahl
von übereinstimmenden Quellen belegt glaubte, ohne zu bemerken,
dals diese verschiedenen Quellen thatsächlich nur eine seien, für
einen längst überwundenen. Wir sind uns vollkommen klar darüber,
>) Vgl. Max Posners scharfsinnige Untersuchung : «Zur litterarischen
Thätigkeit Friedrich des Grofsen. Erörterungen und Aktenstücke. 4 * In: „Mis-
ccllaneen zur Geschichte König Friedrichs des (Irofsen 4 *, her. auf Veranlassg.
u. in. Unterstiitzg. der Kgl. Preufs. Archivverwalig. Berlin 1878. S. 205— 4yo.
Digitized by Googl
- 3 -
dafs die Übereinstimmung mehrerer mittelalterlichen Chroniken und
Annalen über ein Ereignis nur dann beweisend für dasselbe ist,
wenn die Unabhängigkeit derselben von einander erwiesen ist.
Auf dem Gebiete der neueren Geschichte aber handeln selbst ver-
diente und bewährte Forscher ruhig nach jenen auf dem Gebiete
des Mittelalters längst veralteten Grundsätzen. Man hält nach
wie vor nicht selten ein Ereignis für hinreichend beglaubigt, wenn
es in mehreren zeitgenössischen Quellen in übereinstimmender Weise
berichtet wird. Die Frage, ob diese Übereinstimmung nicht im
Grunde darauf beruht, dafs die eine Quelle die andere ausgeschrie-
ben hat, wird in der Regel gar nicht aufgeworfen. Mit einem
Worte: die kritische Behandlung chronikalischer Quellen be-
findet sich auf dem Gebiete der neueren Geschichte auch nicht
annähernd auf der Höhe, wie auf dem des Altertums und des
Mittelalters.
Diese Beobachtung zu machen, hat man ganz besonders reiche
Gelegenheit, wenn man unsere neueren Darstellungen über die
Geschichte der Kriege Friedrichs des Grofsen an irgend einem
Punkte eingehender nachzuprüfen gezwungen ist. Ich fürchte nicht
zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dafs gegenwärtig die Ge-
schichte des siebenjährigen Krieges in der Regel nur da als ge-
sichert zu betrachten ist, wo sie in der Hauptsache auf archivali-
schem Material aufgebaut werden kann, dafs aber überall da, wo
die chronikalisch-memoirenartigen Quellen unsere einzige Grund-
lage bilden, eine völlige Unsicherheit herrscht, die einzig und allein
daher rührt, dafs die unerläfsliche Vorbedingung einer zusammen-
fassenden Darstellung, die kritische Sichtung des Materials, noch
nie in erschöpfender Weise versucht worden ist. Vereinzelte, recht
vortreffliche Ansätze sind dazu gemacht worden, auf die wir gleich
noch zurückkommen; an eine Bearbeitung der zahlreichen Me-
moirenwerke über den siebenjährigen Krieg mit der erschöpfenden
Genauigkeit, die man den mittelalterlichen Chroniken, auch den
minder wichtigen, angedeihen läfst, ist bisher noch nicht gedacht
worden. Natürlich aber hat diese empfindliche Lücke in der
Quellenkritik trotz aller grofsen Entdeckungen neuen archivalischen
Materials auch ihren Einflufs auf die neueren Darstellungen des
siebenjährigen Krieges geübt, und zwar natürlich vor allem an
denjenigen Stellen, an denen wir ausschliefslich oder fast ausschliefs-
lich auf jene chronikalischen Quellen angewiesen sind. Unsere
verdientesten Forscher sind auf dem Gebiete der Geschichte des
1*
Digitized by Google
siebenjährigen Krieges thätig gewesen, und dennoch war es mög-
lich, dafs die elementarsten quellenkritischen Thatsachen unbemerkt
blieben; dennoch war es möglich, dafs einer von jenen Forschern
nach dem andern selbst bei erheblichen Ereignissen mehrere jener
Chroniken neben einander als Quellen seiner Darstellung benutzte
oder doch — citierte, ohne auch nur zu bemerken, dafs die citierten
Quellen oft seitenlang wörtlich übereinstimmten, demgemäfs gar
nicht als von einander unabhängige Quellen, sondern als verschie-
dene Ableitungen einer und derselben Urquelle zu betrachten seien.
Oft in der auffallendsten Weise ist diese Thatsache zu Tage ge-
treten, ganz besonders auffallend z. B. bei der Schlacht von Breslau,
über die wir eine von inneren Widersprüchen und Unmöglichkeiten
vollkommen erfüllte Tradition besitzen, die man aber gleichwohl
bisher fast allgemein angenommen hat, weil sie sich eben in einer
ganzen Reihe von Quellen in der Hauptsache in derselben Form
und Fassung wiederfindet. Die Übereinstimmung der Berichte
wurde einfach als Beweis für das berichtete Ereignis betrachtet,
ohne dafs man auch nur den Versuch machte, zu untersuchen, ob
die Ubereinstimmung nicht vielmehr auf einer Abhängigkeit der
Quellen unter einander beruhe, in welchem Falle sie eben aufhörte,
Beweiskraft zu besitzen. Bei näherer Prüfung stellt sich dann
in der That heraus, dafs unsere Berichte über die Schlacht bei
Breslau in allen Hauptpunkten auf einen einzigen zurückgehen, und
zwar auf einen, dessen Zuverlässigkeit sehr zweifelhaft ist, weil er
von dem Hauptbeteiligten herrührt, der sich wegen der verlorenen
Schlacht in demselben zu rechtfertigen suchte 1 ).
Ganz ähnlich liegt die Sache bei anderen Ereignissen des sie-
benjährigen Krieges. Überall zeigt sich dieselbe tappende Un-
sicherheit bei Benutzung dieser chronikalischen Quellen, dieselbe
Unklarheit über das Mafs der Beglaubigung, welches denselben
zuzuerkennen sei, und daher auch dieselbe Unsicherheit in der
Beurteilung der Ereignisse selbst.
Um diesem Ubeistande abzuhelfen, können zwei verschiedene
Wege eingeschlagen werden, und auf beiden ist in allerneuester Zeit
ein erfolgreicher Anfang gemacht worden. Entweder kann man
der Reihe nach die einzelnen Quellen des siebenjährigen Krieges,
') Vgl. meine Abhandlung „Der Feldzug des Herzogs von Bevern und
die Schlacht bei Breslau* in den „Jahrbüchern für die deutsche Armee und
Marine", her. von Marees. August- und Septemberheft 1886. S. 158—182
uud 262—299.
Digitized by Goo
— 5 —
eine jede in ihrer ganzen Ausdehnung, zum Gegenstande kritischer
Untersuchung machen; das ist der Weg, auf dem bei den mittel-
alterlichen Quellen die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde" zu ihren grofsen, in den Monuraenta Germaniae historica
niedergelegten Resultaten gelangt ist; oder man kann die gesamte
über ein einzelnes Ereignis vorliegende Überlieferung auf ihren
inneren Zusammenbang und ihre Abhängigkeit unter einander
prüfen und sich so ein Urteil über die Glaubwürdigkeit jeder ein-
zelnen Quelle bilden. Den ersten Weg hat neuerdings 0. Herrmann
in seinerlnaugural-Dissertation über die Tempel hoff sehe Geschichte
des siebenjährigen Krieges 1 ) eingeschlagen, den letzteren hat mit
grofsem Erfolg namentlich Max Duncker in seiner Abhandlung
über die Schlacht von Kolin 2 ) betreten, und auf der von ihm ge-
brochenen Bahn hat der Verfasser dieser Untersuchung teils im
zweiten Bande seiner Zieten- Biographie, teils in einer Reihe
gröfserer und kleinerer Untersuchungen 3 ) weiter vorzuschreiten
versucht.
Aber auf beiden Wegen ist die Forschung noch immer nicht
über die ersten Anfange hinausgekommen. Was will es im Grunde
sagen, wenn von allen erhaltenen Quellen eine einzige, und auch
diese nicht annähernd erschöpfend, und wenn von der Fülle der
Ereignisse des grofsen Krieges das eine oder andere zum Gegen-
stande eingehender Untersuchung gemacht worden ist! Auch hier
ist eben nur auf dem Wege geregelter Arbeitsteilung zum Ziele
zu kommen. Harrt doch selbst die umfangreichste und kritisch
am meisten bestrittene Quelle, die Grundlage einer ganzen Reihe
von anderen, das Gaudysche Journal, noch immer des kundigen
Bearbeiters und Herausgebers. Sind doch über die zahlreichen
anderen Quellen, Tielcke, Retzow, Warnery, Berenhorst, und
wie sie alle heilseri, wohl vereinzelte, oft recht eindringende kri-
tische Bemerkungen, aber noch keine einzige zusammenfassende
Kritik erschienen!
') 0. Herrmann, Über die Quellen zur Geschichte des siebenjährigen
Krieges von Tempelhoff. Berliner Inaug.-Dissert. 1885, 78 S. vgl. dazu meine
Besprechung in den Göttinger Gelehrten Anzeigen, 1886, No. 19, S. 708—779.
*) Zuerst erschienen im Jahrgang 1870 der „Zeitschrift f. Preufs. Gesch.
und Landeskunde", wieder abgedruckt in dem Buche „Aus der Zeit Friedrichs
des Grofsen und Friedrich Wilhelm III.", 1876.
3 ) Winter, H. J. v. Zieten. 2 Bde. Leipzig 1886 und die oben
8. 4 Anmerkung 1 und in der Vorrede zum 1. Bande d. Zieten -Biographie
citierten Abhandlungen.
Digitized by Google
Wenn dies nun schon von den zuletzt genannten, seit langer
Zeit gedruckt vorliegenden Quellen gilt, so gilt es natürlich noch
in weit höherem Mafse von den massenhaft erhaltenen handschrift-
lichen Tagebüchern und Memoiren, deren allein das Generalstabs-
archiv in Berlin eine fast unübersehbare Anzahl enthält. In Bezug
auf diese, zum Teil aufserordentlich wichtigen Quellen, ist kaum
noch ein Anfang kritischer Bearbeitung zu verzeichnen. Immer
wieder versucht man den zweiten Schritt vor dem ersten zu thun,
d. h. immer von neuem geht man an umfangreiche Gesamt-
darstellungen des siebenjährigen Krieges, wie ja eben jetzt wieder
eine solche von dem preufsischen Generalstabe geplant wird, bevor
noch die unerläfsliche Vorbedingung einer solchen, die kritische
Sichtung des Quellenmaterials, erfüllt ist. Offenbar geht man dabei
von der Ansicht aus, dals das in den Archiven ruhende, zum Teil
auch schon publizirte Aktenmaterial allein die Lösung der Aufgabe
ermögliche und jene jetzt immer mehr als unzuverlässig erkannte
chronikalische Ueberlieferuug überflüssig mache. Und in der That
sind ja auf diesem Wege im höchsten Mafse anerkennenswerthe
Leistungen zu Tage gefordert worden, wie namentlich das uni-
fassende Werk Bernhardis über Friedrich den Grofsen als Feld-
herrn, welches zum überwiegenden Teile auf der von Schöning
veröffentlichen Korrespondenz zwischen dem Könige und dem
Prinzen Heinrich beruht. Aber gleichwohl hat auch dieses Werk
den Beweis erbracht, dafs zu einer vollkommenen und erschöpfenden
Erkenntnis der Vorgänge die gleichzeitigen Memoiren nicht zu
entbehren sind, und dieser Beweis ist noch erheblich durch die
Resultate der Herrin annschen Abhandlung verstärkt worden,
nach dessen Untersuchungen gewifs niemand mehr das Tempel-
hoffsche Werk als entbehrlich bei einer Darstellung des sieben-
jährigen Krieges betrachten wird. Was aber von Tempelhoff
gilt, gilt in derselben Weise auch von den anderen Memoiren,
namentlich von dem Gaudy scheu Journal, welches trotz seiner
tendenziösen Färbung doch auch eine Fülle authentischer und
wohlbegründeter Angaben enthält, auf welche zu verzichten nur
unter gleichzeitigem Verzicht auf erschöpfende Behandlung möglich
wäre. Darum gilt es, vor der Gröfse und Schwierigkeit der hier
vorliegenden kritischen Aufgabe nicht zurückzuschrecken, sondern
mit umfassenden Mitteln an dieselbe heranzugehen, bevor man an
eine neue Darstellung der Thatsachen denken kann.
Diese Schwierigkeiten sind nun allerdings sehr schwerwiegender
Digitized by Google
- 7 -
Art;. Sie hängen mit dem Gesamtcharakter der zu sichtenden
Tradition zusammen, den wir hier, im Anschlüsse an das an an-
derer Stelle Ausgeführte, mit einigen Strichen flüchtig skizzieren
müssen, soweit er sich aus den bisherigen Resultaten der Forschimg
erkennen lälst.
Die vornehmste Schwierigkeit liegt darin, dafs wir es in den
in Rede stehenden Quellen nicht wie bei der Mehrzahl der rein
chronologisch fortschreitenden Annalen und Chroniken des Mittel-
alters mit einfach referirenden, sondern mit stark und bewufst
subjektiv und tendenziös gefärbten Quellen zu thun haben. Nun
wird ja eine gewisse Subjektivität namentlich bei solchen ge-
schichtlichen Aufzeichnungen, welche sich auf kriegerische Ereig-
nisse beziehen, immer zu erkennen sein. Unwillkürlich bestimmt
sich das Urteil des Autors darnach, welcher der beiden im Kampfe
begriffenen Parteien er durch Abstammung oder persönliche Nei-
gung angehört. Nur selten wird der Fall eintreten, dafs über
eine bestimmte Schlacht die von beiden Parteien herstammenden
Berichte überall oder auch nur in der Hauptsache übereinstimmen.
Anders werden sich in jedem Falle die Ereignisse in dem Bericht
eines Angehörigen der obsiegenden, anders in dem eines Ange-
hörigen der unterliegenden Partei wiederspiegebi. Aus diesen
verschieden reflektirten Bildern des Ereignisses dieses selbst fest-
zustellen, ist in jedem Falle eine Aufgabe von nicht zu unterschätzen-
der Schwierigkeit, deren Ueberwindung indes die unerläfsliche
Grundbedingung einer wirklich objektiven Schlachtdarstellung ist.
Selbstverständlich waltet dieser naturgemäfse Gegensatz zwi-
schen den Berichten der beiden kriegführenden Parteien auch in
Bezug auf die Schlachten des siebenjährigen Krieges ob. Er hat
unmittelbar gleichzeitig seinen Niederschlag in den von den krieg-
führenden Staateu veröffentlichten offiziellen Schlachtberichten ge-
funden, die uns über alle Schlachten des siebenjährigen Krieges
erhalten sind. Dieser Gegensatz tritt dann namentlich in den
beiderseitigen Verlustlisten hervor, welche oft so stark von ein-
ander abweichen, dafs zu einem endgiltigen Resultate gar nicht zu
gelangen ist.
Dieser naturgemäfse Gegensatz wird aber im vorliegenden Falle
noch durch einen anderen durchsetzt, der innerhalb der einen der
streitenden Parteien zuweilen in einer Schroffheit hervortritt, die
der zwischen den beiden Parteien selbst vorherrschenden nur wenig
Digitized by Google
nachgiebt. Dieser Gegensatz beruht auf den Parteiungen, welche
innerhalb des preufsischen Heerlagers vorwalteten, und ist für unsere
historische Uberlieferung namentlich dadurch verhängnisvoll ge-
worden, dafs die bei weitem meisten der uns erhaltenen Tage-
bücher, Journale und Memoiren nur von einer dieser beiden Par-
teien ausgegangen sind, während die andere, vornehmlich durch
den König selbst repräsentierte Partei fast nur in dessen eigenen
geschichtlichen Aufzeichnungen zu Worte gekommen ist.
Über Art, Veranlassung und Tragweite dieses innerhalb des
preufsischen Heeres vorherrschenden Gegensatzes sind wir erst
durch die Veröffentlichung des Briefwechsels der Häupter der beiden
Parteien, des Königs und des Prinzen Heinrich, zu voller Klarheit
gekommen'). Dieser Briefwechsel ist für die gesamte Auffassung
der Fridericianischen Epoche von der weittragendsten Bedeutung
geworden.
Denn nach diesem Briefwechsel kann es keinem Zweifel mehr
unterliegen, dafs zwischen dem grofsen Könige und seinem Bruder
Heinrich, nicht etwa blofs über diese oder jene einzelne militärische
Operation, sondern über den gesamten Gang und die leitenden
Motive der preufsischen Politik und Strategie eine tiefgreifende,
wohl zuweilen verhüllte, aber niemals beseitigte, Meinungsverschie-
denheit obwaltete, welche oft zu schroffen und leidenschaftlichen
Erörterungen zwischen den beiden Brüdern gefuhrt hat. Dieser
prinzipielle Gegensatz beruhte im letzten Grunde auf der Verschie-
denartigkeit der Charaktere und der Beanlagung der Brüder. Der
bedächtigere und langsamere Prinz Heinrich vermochte dem kühnen
Fluge der Politik und Strategie seines gröfseren Bruders nicht
immer zu folgen; er sah in dessen selbstvertrauender Kühnheit
nicht selten frevelnde Verwegenheit, spöttelte über die Sucht des
Königs „zu batailliren" und glaubte auf die ungestüme Art dessel-
ben mit einer gewissen Überlegenheit herabblicken zu können.
Prinz Heinrich war eben ein unbedingter Anhänger der alten
Schule, die nicht in der Vernichtung der feindlichen Heeresmassen,
sondern in einer vorsichtigen und wohlüberlegten Besetzung „stra-
tegischer Punkte" unter möglichster Schonung der eigenen Streit-
kräfte das oberste Ziel der Kriegführung sah, während der König,
wiewohl auch er theoretisch noch zum Teil in den Anschauungen
') Der siebenjährige Krieg . . . nach der Originalkorrespondenz Friedrichs
d. Gr. mit dem Prinzen Heinrich n. seinen Generalen von K. W. v. Schöning.
3 Bde. Potsdam 1851.
Digitized by Google
— 9 -
dieser Schule befangen war, praktisch doch sehr oft die Schranken
derselben durchbrach und dadurch die grofse Reform, welche sich
namentlich im Anfange unseres Jahrhunderts durch Napoleon I.
in den strategischeu Grundanschauungen vollzog, teils vorbereitete,
teils auch selbst schon zur Durchführung brachte.
Gerade dieses kühne Durchbrechen der traditionellen strate-
gischen Anschauungen aber war es, weiches dem Könige nicht
nur bei seinem Bruder, sondern auch bei einer ganzen Reihe von
Offizieren seines Heeres Neid und Eifersucht erweckte. Persönliche
Motive aller Art kamen hinzu. Der König, der stets seinen Blick
auf das Grofse, in Politik wie in Strategie, gerichtet - hatte , war
nur selten geneigt, auf die Warnungen und Bedenken der An-
hänger des Althergebrachten einzugehen, und er konnte, um den
ihm von dieser Seite zuweilen entgegengestellten passiven Wider-
stand zu brechen, oft bis zur Härte streng und schroff werden.
Selbst gewöhnt, an seine eigene Leistungsfähigkeit die höchsten
Anforderungen zu stellen, meinte er, auch von seinen Untergebenen
dasselbe Mafs von Kraft und Energie verlangen zu dürfen. Täuschte
er sich in dieser Erwartung, so kannte er keine Schonung, keine
Rücksicht. Und da er manchem seiner Generale, in deren Wahl
er meist, aber nicht immer, glücklich war, Aufgaben stellte, denen
nur er selbst gewachsen war, so fehlte- es in dem furchtbaren
Kampfe der sieben Jahre nicht an herben Enttäuschungen auf des
Königs Seite, an harten Bestrafungen und vermeintlichen Zurück-
setzungen sonst verdienter Generale. Die letzteren aber vermeinten,
die Ursache ihrer Unfälle und ihrer Konflikte mit dem Könige
nicht in der ungeheuren Überlegenheit der Begabung des letzteren,
sondern in seinen verkehrten und überspannten strategischen Grund-
anschauuugen, in seiner launenhaften Härte und Ungerechtigkeit tlvl
erblicken. Alle diese Kreise aber fanden ihren naturgemäfsen
Mittelpunkt an demjenigen, der sie alle an Bedeutung ebenso weit
überragte, wie er an solcher hinter seinem gröfseren Bruder zu-
rückstand: an dem Prinzen Heinrich.
Da war es dann nur naturgemäfs, wenn diese Kreise auch
den Versuch machten, ihre von denen des Königs schroff ab-
weichenden Meinungen litterarisch zu fixieren und damit zugleich
ihr vom Könige hart getadeltes Verhalten zu rechtfertigen. Der
Vorleser des Königs, de Catt, hat uns in seinen Tagebüchern in
anschaulicher Weise geschildert, eine wie fieberhafte litterarische
Thätigkeit schon im Feldlager selbst in diesen Kreisen herrschte.
Digitized by Google
— 10 —
Damals enstand jene grofse Anzahl von Tagebüchern, Journalen
über einzelne Regimenter und ganze Armeekorps, welche die Grund-
lage späterer Memoireuwerke bilden und schon von TempelhofF
in umfassender Weise benutzt worden sind.
Den Mittelpunkt dieser litterarischen Bestrebungen bildet das
Gaudy'sche Journal, welches in einer Reihe von Foliobändeu im
Archiv des Grofsen Generalstabes aufbewahrt wird. Schon Duncker
hat den tendenziösen Charakter desselben in den Hauptzügen fest-
gestellt uud darauf hingewiesen, dafs dieses Journal den Sammel-
punkt aller berechtigten oder unberechtigten Klagen und Be-
schwerden gegen den König bildete, dafs der Verfasser desselbeu
seine Informationen vorzugsweise von denjenigen Offizieren der
Armee erhielt, welche sich in irgend einer Weise vom König für
zurückgesetzt hielten. An eiuem besonders hervorstechenden Bei-
spiele, dem Bericht des Journals über die Schlacht von Kolin, hat
Duncker in überzeugender Weise dargethan, zu welchen Ent-
stellungen und völligen Verdrehungen des Sachverhalts sich Gaudy
hat hinreifsen lassen. Geradezu der Wahrheit entgegengesetzt ist
seine Darstellung, und zwar in der deutlich erkennbaren Absicht,
den Prinzen Moritz von Anhalt von dem dringend auf ihm haf-
tenden Vorwurf eines Zuwiderhandelns gegen die königliche Dis-
position zu befreien und dem Könige selbst die Schuld an dem
Verluste der Schlacht in die Schuhe zu schieben. Ganz besonders
klar vermögen wir das Verfahren und die Arbeitsweise Gaudys
bei seiner Darstellung der Schlacht von Breslau zu erkennen, weil
uns hier die Quelle, der er folgte, erhalten ist. Ich glaube nach-
gewiesen zu haben, dafs Gaudy hier den Versuch, Beverns Haltung
vor und während der Schlacht zu rechtfertigen, sehr einfach in
der Weise gemacht hat, dafs er seiner Darstellung eine von Be-
vern verfafste Rechtfertigungsschrift zu Grunde legte und dieselbe
zum grofsen Teil wörtlich ausschrieb. Die nachfolgenden Unter-
suchungen werden, hoffe ich, den Beweis erbringen, dafs die Sach-
lage bei Gaudys Darstellung über die Katastrophe von Maxen
eine ganz ähnliche ist.
Und so scheint es überall gewesen zu sein. War bei irgend
einem Ereignisse ein Konflikt oder auch nur eine Meinungsverschie-
denheit zwischen! dem Könige und einem seiner Generale zu Tage
getreten, so fand die Auffassung des letzteren bereitwillige Auf-
nahme in das Gaudy'sche Journal. Natürlich wäre es nun von
hohem Wert, wenn es in jedem dieser Fälle gelänge, die Quelle
Digitized by Google
- 11 —
der Gaudyschen Darstellung mit Bestimmtheit festzustellen.
Damit wäre dauu ein sicherer Mafs&tab für die Beurteilung
Gaudys selbst gewonneu. Vor allem wäre dann auch die Mög-
lichkeit gegeben, die von jener Quelle unbeeiuflufsten Stücke der
Gaudyscheu Darstellung herauszuschälen, die dann immer noch
einen selbständigen Wert behalten würden, und zwar um so mehr,
als es unbedingt feststeht, dafs Gaudy neben jeneu tendenziösen
Berichten auch ganz unzweifelhaft authentische Quellen, Armee-
listen, Ordres de bataille u. a. beuutzte. Nach dieser Richtung
wäre gewils zu manchem sehr willkommenen Resultate zu gelangen,
wenn man sich die Mühe machen wollte, das reiche in der
Süfsen bachscheu Sammlung enthaltene derartige Material, wel-
ches Herrmann sehr geschickt für seine Untersuchungen über
Tempelhoff verwerthet hat, nun auch zur Kritik der Gaudyschen
Darstellung heranzuziehen. Damit Hand in Hand gehen müfste
dann eine Vergleichung des Gaudyschen Journals mit den andern
gedruckten und ungedruckten ähnlicher Art, um nach der andern
Seite hin festzustellen, inwiefern Gaudy seinerseits wieder anderen
Memoiren und Tagebüchern zu Grunde liegt. Denn darüber kanu
kein Zweifel sein, dafs wir es in dieser von der Umgebung des
Prinzen Heinrich ausgehenden Litteratur mit einer festorganisierten
historiographischen Arbeit zu thun haben. Bei meinen Studien im
Generalstabsarchive habe ich bei einer ganzen Reihe derartiger
Tagebücher die Überzeugimg gewonnen, dafs sie im Wesentlichen
als Ableitungen aus Gaudy zu betrachten sind. Dafs Gaudy sehr
bereit war, seine Aufzeichnungen litterarisch thätigeu Genossen zur
Verfügung zu stellen, wissen wir ohnedies mit Bestimmtheit; denn
eines der gedruckt vorliegenden Werke der Art, die Memoiren
Retzows, gibt ausdrücklich an, dafs es das Gaudysche Journal be-
nutzt hat.
Im allgemeinen nun arbeiteten diese litterarischen Kräfte, so
lange der König am Leben war, nur im Verborgenen. Mit ihren
zum Teil sehr schroffen Ausfällen gegen Friedrich bei dessen Leb-
zeiten an die Oeffentlichkeit zu treten, dazu fehlte es doch diesen
begeisterten Verehrern des Feldherrngenius des Prinzen Heinrich
an Mut.
Schon zwei Jahre nach dem Tode des Königs aber trat das
erste Produkt der litterarischen Thätigkeit dieser Clique an die
Oeffentlichkeit. Warnery veröffentlichte seine „Campagnes de
Frederic II. roi de Prusse de 175G— 1763", eine Schmähschrift des
Digitized by Google
- 12 -
von dem Könige persönlich sich gekränkt glaubenden Autors, voll
der schimpflichsten Verleumdungen und Verdächtigungen, gegen
welche schon der besonnenere und unbefangenere Tempelhoff nach-
drückliche Verwahrung eingelegt hat 1 ).
14 Jahre nach Warnerys Werk erschienen dann die Memoiren
eines anderen Verehrers des Prinzen Heinrich (welchem das Werk
auch gewidmet ist), die „Charakteristik der wichtigsten Ereignisse
des siebenjährigen Krieges in Rücksicht auf Ursachen und Wir-
kungen. Von einem Zeitgenossen." (J. A. von Retzow, auf dem
Titel nicht genannt), in deutscher Ausgabe 1802, in französischer
1803. Wir erwähnten schon, dafs dieses Werk für die freilich
erst weit später in Angriff genommene Kritik dieser ganzen Gruppe
von Memoiren vornehmlich dadurch von Bedeutuug geworden ist,
dafs es das erste gedruckte Buch ist, welches sich ausdrücklich
auf das Gaudysche Journal als Quelle beruft. Daneben aber lagen
dem Verfasser auch schon die Werke von Tempelhoff und Archenholz
vor, die einzigen, die sich, der eine völlig, der andere wenigstens
in der Hauptsache und im Endurteil, unabhängig von der Gaudyschen
Uberlieferung erhalten hatten. Retzow bespricht in seiner Vor-
rede diese beiden Werke ausdrücklich und fügt dann hinzu, er
wolle manches, was in deren Darstellungen noch unerklärlich und
dunkel geblieben sei, weil dieselben die geheimen Ursachen und
Beweggründe der Ereignisse nicht gekannt hätten, klar stellen.
Was er damit sagen wollte, geht aus dem ganzen Charakter seines
Werkes mit aller wünschenswerten Deutlichkeit hervor; er will
eben jene Darstellungen, welche dem glänzenden Feldherrntalent
Friedrichs des Grofsen, so weit sie es vermochten, gerecht geworden
waren, durch die seinige verdrängen und an ihrer Stelle wieder
die Gaudysche Auffassung des Krieges zur Geltung bringen, d. h.
von neuem nachweisen, dass das Feldherrntalent des Königs im
Grunde keineswegs ein so bedeutendes gewesen sei, wie man an-
nehme, dafs vielmehr der Prinz Heinrich ein bei weitem einsichts-
vollerer, weil vorsichtigerer Stratege gewesen sei. Und wie vor
allem seinem grofsen Gönner, dem Prinzen Heinrich, so erweist
er sich, den Spuren Gaudys folgend, auch allen denjenigen als wohl-
wollender und freundlicher Beurteiler, welche jemals mit dem
Könige in irgend einen Gegensatz geraten waren.
Unter denen, welche in dieses Hom stiefsen, spielt dann weiter
') Vgl. Herrinann a. a. 0. S. 61 u. 62.
Digitized by Google
- 13 -
eine hervorragende Rolle der Generaladjutaut des Prinzen Heinrich,
Graf Viktor Amadeus Henckel von Donnersmarck , der auch eine
Anzahl von Tagebüchern über die einzelnen Feldzüge hinterlassen
hat, welche indes lange Zeit im Dunkel des Gräflichen Archivs
verborgen blieben, bis sie im Jahre 1846 von Zabeler, freilich in
völlig kritikloser Weise, herausgegeben wurden 1 ). Der Heraus-
geber hat sich seine Aufgabe sehr leicht gemacht und nicht einmal
den Versuch unternommen festzustellen, welche der von ihm her-
ausgegebenen Tagebücher denn eigentlich wirklich von dem Ge-
neraladjutanten des Prinzen herrühren, aus welcher Zeit die einzelnen
Stücke stammen u. dgl. m. So konnte es dann geschehen, dafs die
Forschung durch diese hier publizirten Materialien oft in der wun-
derlichsten Weise in die Irre gefuhrt wurde. So hat man früher
allgemein einen tagebuchartigen Bericht über den Feldzug von
1761, den Zabeler aus dem Nachlasse des Grafen veröffentlichte,
nicht allein für von dem Grafen herstammend, sondern auch für
zweifellos gleichzeitig gehalten, bis ich dann bei einer eingehenden
Prüfung desselben nachweisen konnte 2 ), dafs derselbe gar nicht
gleichzeitig sein könne, demgemäfs die ihm früher zugeschriebene
Autorität gar nicht besitze, ein Resultat, welches Herrmann 3 ) dann
noch, freilich ohne besondere Begründung, dahin erweitert hat,
dafs Graf Henckel auch gar nicht als Verfasser jenes „Berichts"
zu betrachten sei. Unzweifelhaft aber ist, dafs auch die von
Zabeler mitgeteilten Aufzeichnungen, gleichviel ob sie sämtlich
von Henckel stammen oder nicht, in ihrer ganzen Haltung und
Tendenz durchaus zu der eben näher charakterisirten Gruppe von
Quellen gehören. Sie atmen Hafs und Geringschätzung gegen
den König, unbedingte Anerkennung für seinen Bruder Heinrich.
Wir erwähnten schon, dafs neben diesen und anderen minder
wichtigen im Druck erschienenen litterarischen Erzeugnissen dieser
Gruppe im Archive des Grofsen Generalstabs und in der von
Herrmann benutzten sogenannten Süfsenbachschen Sammlung noch
eine Fülle von Tagebüchern etc. handschriftlich erhalten sind,
welche, in ihrer Tendenz mit den bisher geschilderten verwandt,
*) „Militärischer Nachlafs des Grafen Henckel von Donnersmarck", her.
von Karl Zabeler. Zerbst 1846. 2 Bde.
a ) Vgl. meine Abhandlung „Zur Kritik Tempelhoffs u. des militärischen
Nachlasses des Grafen V. A. Henckel v. Donnersmarck", Forsch, z. deutsch.
Gesch. XXIV, 453-74.
3 ) a. a. 0. s. S. 51.
Digitized by Google
— 14 —
doch in Bezog auf ihre Beurteilung im Einzelnen noch dringend
einer eingehenden Bearbeitung bedürfen.
Die durch diese Arbeiten und ihre Verfasser mit regem Eifer
verbreitete Anschauung über die Ereignisse des grofsen Krieges ist
lange Zeit die allein herrschende geblieben, neben der die unbe-
fangenere Tempelhoffs und die des Königs selbst nicht zur Geltung
zu gelangen vermochte. Namentlich wurde das Gaudysche Journal
von den kriegsgeschichtlichen Forschern im ersten Drittel unseres
Jahrhunderts in ausgiebigster Weise benutzt, weil es die genauesten
und infolge der Bestimmtheit, mit der sie auftraten, scheinbar
zuverlässigsten Angaben enthielt. An Umfang und Genauigkeit
kann sich keine andere historiographische Arbeit mit dieser Quelle
messen. Dafs die Genauigkeit keineswegs immer mit Zuverlässig-
keit gepaart war, blieb lange Zeit so völlig verborgen, dafs die
Vorlesungen von Offizieren des Grofsen Generalstabs, welche in
den zwanziger Jahren als erste grofse zusammenfassende Darstellung
des siebenjährigen Krieges veröffentlicht wurden, so gut wie aus-
schlieMich dem Gaudyschen Journal entnommen wurden.
Allerdings war nun auch aufser den Werken des Königs selbst,
welche doch für die Beurteilung der Einzelheiten in Folge ihrer
knappen Form nur selten verwertbar waren, noch ein anderes
Werk als Gegengewicht gegen jene tendenziösen Memoiren-Litte-
ratur vorhanden. Es ist das die umfangreiche, im Anschlüsse und
Gegensatz zu dem Lloydschen Werke entstandene Geschichte des
siebenjähriges Krieges von Tempelhoff, mit der sich, wie wir sahen,
die neuerdings erschienene Abhandlung von Herrmann in eingehen-
der und scharfsinniger, wenn auch nicht erschöpfender Weise be-
schäftigt hat. So viel kann jedenfalls nach Herrmanns Unter-
suchungen als feststehend betrachtet werden, dafs Tempelhoff eine
grofse Reihe authentischer und zuverlässiger Vorlagen gehabt und
in besonnener Auswahl benutzt und verarbeitet hat. Dafs sich
Tempelhoff aber von der gegen den König gehässigen Grund-
tendenz im grofsen und ganzen freigehalten hat, war schon vorher
bekannt gewesen. Diese Haltung Tempelhoffs aber verdient um
so mehr Anerkennung, als es auf der andern Seite zweifellos er-
scheint, dafs derselbe doch nicht aufser jeder Verbindung mit jener
nörgelnden und krittelnden Gruppe gestanden hat. Nur hat er
es verstanden, mit besonnener Kritik die in den Werken jener
enthaltenen rein thatsächlichen Angaben von den tendenziösen Zu-
thaten zu sondern. Wie er dabei verfahren ist, dafür ist ganz be-
Digitized by Google
— 15 —
sonders lehrreich eine Vergleichung seiner Darstellung der Expe-
dition Goltz -Zieten gegen die Russen im Jahre 1761. Tempelhoff
hat hierfür, wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe, dieselbe
Quelle benutzt wie ein im Henckelscheu Nachlais erhaltener Be-
richt. Die von mir nur vermutete beiden gemeinsame Quelle ist
dann von Herrmann in der Süfsenbachschen Sammlung aufgefunden
worden. Hier sind wir also in der Lage, die Arbeitsmethode
Tempelhoffs an einem besonders in die Augen springenden Beispiele
zu beobachten. Da stellt sich nun heraus, dafs Tempelhoff und
der im Henckelscheu Nachlafs befindliche Bericht natürlich, eben
weil sie derselben Urquelle folgen, in weiten Strecken wörtlich
mit einander übereinstimmen, dafs aber Tempelhoff die allgemeinen
Urteile, welche natürlich wieder sehr abfällig über den König bez.
seinen Beauftragten, Zieten, lauten, nicht in seine Darstellung auf-
genommen hat, sondern nur in den thatsächlichen Angaben mit jenem
„Bericht" übereinstimmt. Ein anderes ähnliches Beispiel, welches
Herrmann entgangen ist, werden wir im Fortgang der gegen-
wärtigen Untersuchung kennen lernen. Auch hier hat Tempelhoff
eine Quelle benutzt, welche auch den Memoiren Gaudyscher Pro-
venienz in mehr oder minder grofsem Umfange zur Grundlage
gedient hat, gleichwohl aber ist er weit entfernt davon geblieben,
nun auch in dasselbe Horn zu stofsen wie jene Memoirenschreiber.
Vielmehr wird man sagen dürfen, dafs seine Beurteilung der Vor-
gänge der objektiven Wahrheit noch immer am nächsten kommt.
Mit einem Worte: in der Grundtendenz waltet ein wesentlicher
Unterschied zwischen den Quellen Gaudyscher Provenienz und
Tempelhoff ob, ein Gegensatz, in welchem das Recht und die
Wahrheit ohne Zweifel mehr auf Seiten des letzteren zu finden ist.
Eben so fern oder noch ferner stehen jener dem Könige feind-
lichen Tendenz zwei andere memoirenartige Werke, welche noch
vor dem Tempelhoffs erschienen sind, Cogniazos „Geständnisse eines
österreichischen Veteranen" und die „Geschichte des siebenjährigen
Krieges" von dem Hauptmann von Archenholz. Das erstere Werk
nimmt eine ganz eigentümliche Stellung in unserer Memoiren-
Litteratur ein. Von eiuem Österreicher verfafst, ist es doch er-
füllt von einer rückhaltlosen Bewunderung für den grofsen König,
dessen Genius der Verfasser mit aufrichtiger Freude anerkennt.
Eben aus diesem Grunde erwähnen wir das Werk, obwohl wir es
hier im Wesentlichen mit einer Prüfung der von Preufsischcr Seite
vorliegenden Tradition zu thun haben. Seiner Grundanschauung
Digitized by Google
— lö —
nach, kann dasselbe selbst mit gröfserem Rechte, als die Arbeiten
der Umgebung des Prinzen Heinrich, zu der preufsischen Tradition
über den Krieg gerechnet werden. Von preufsischer Seite kann
ihm neben dem Tempelhoffschen eigentlich nur das Archenholzsche
Werk an die Seite gesetzt werden, welches gewissermafsen die
populäre patriotisch-preufsische Tradition repräsentirt, aber, wie
Herrraann richtig bemerkt, im Grunde mehr eine belletristische
als eine historische Leistung ist, zur Widerlegung der durch Gaudy
und seine Nachbeter verbreiteten Auffassung aber schon aus dem
Grunde wenig verwertbar ist, weil es auf die hier in Betracht
kommenden Einzelheiten meist viel zu wenig eingeht.
Für diese Einzelheiten und die mit demselben untrennbar ver-
bundene Wertschätzung der Leistungen der einzelnen Mithandeln-
den blieb vielmehr nach wie vor die Gaudysche Auffassung die
herrschende. Daher das meist ins Mafslose übertriebene Lob,
welches in den früheren Darstellungen selbst da dem Prinzen
Heinrich gezollt wird, wo man Bedenken trug, die Gaudyschen
Verdächtigungen gegen den König ohne weiteres zu wiederholen.
An eine innere und äufsere Kritik der Gaudyschen Überlieferung
selbst aber wurde lange Zeit gar nicht gedacht.
Wenn gleichwohl im weiteren Fortgang der Forschung über
den siebenjährigen Krieg eine allmähliche Umwandlung in der
Grundauffassung vor sich ging, wenn man immer mehr der rich-
tigen Wertschätzung der Verdienste des Königs sich näherte, so
geschah das in erster Linie infolge des Bekanutwerdens des
authentischen Aktenmaterials, aus welchem sich die überlegene,
grofsartige Begabung des Königs mit unabweislicher Notwendigkeit
ergab. Aus dem einen Extrem, in welchem man fast ausschliefs-
lich der Gaudyschen Überlieferung folgte, verfiel man in das
entgegengesetzte, diese nun völlig über Bord zu werfen und eine
neue Darstellung des Krieges ausschliefslich auf Grund des Akten-
materials zu versuchen, wie das namentlich Schöning gethan hat.
So sehr nun auch diesem Extrem der Mangel der Einseitigkeit,
der in dem Schöningschen Werke deutlich hervortritt, anhaftet,
so wird man doch sagen dürfen, dafs mit dem Augenblick, in
welchem zum erstenmal in umfassenderer Weise das archivalische
Material herangezogen wurde, eine neue Epoche in der Geschicht-
schreibung über Friedrich den Grofsen eröffnet war, ja dafs eine
objektive Darstellung jener Epoche hiermit eigentlich erst begann.
Eine grofse Fülle zusammenfassender Darstellungen und einzelner
Digitized by Google
- 17 —
Untersuchungen ist seitdem erschienen, und jede hat der Wissen-
schaft erwünschte vielseitige Bereicherung und Förderung gebracht.
Während nach dem Erscheinen der Biographie Friedrichs des
Grofsen von Preufs, welche in einem besonderen Urkuudenbande
eine Fülle archivalischen Materials brachte, namentlich die grofsen
Arbeiten von Ranke, Droysen und Schäfer es unternahmen,
eine zusammenfassende Würdigung des königlichen Genius zu geben,
wurden gleichzeitig in einer Anzahl von Spezialuntersuchungen
einzelne schwierigere Partieen der Kriegsgeschichte jener Epoche an
der Hand des urkundlichen Materials klargestellt und hie und da
— wie in der vortrefflichen Abhandlung Zimmermanns über den
preufsischen Kriegsplan von 1757 — zugleich einige Bruchstücke
der militärischen Korrespondenz ihrem Wortlaute nach veröffentlicht.
Eine eigentümliche Schickung aber wollte es, dafs die aus den
Kreisen des Prinzen Heinrich stammende Memoirentradition den
stärksten Stöfs erlitt durch das Bekanntwerden des schon mehrfach
erwähnten Briefwechsels eben jenes Prinzen mit seinem königlichen
Bruder, wie derselbe in dem Schöningschen Werke über den sieben-
jährigen Krieg der allgemeinen Kunde unterbreitet wurde. Um
sich den ungeheuren Fortschritt, welchen die historische Forschung
durch diese Benutzung des archivalischen Materials gemacht hat,
klar zu vergegenwärtigen, braucht man nur das neueste umfassende
kriegsgeschichtliche Werk Bernhardis über Friedrich den Grofsen
als Feldherrn mit dem mehrfach erwähnten Generalstabswerke zu
vergleichen. Hier erscheint der König, recht im Gegensatz zu der
früheren Anschauung und zu dem strategischen Verhalten seines
Bruders Heinrich, klar und evident als das, was er war: als einer
der gröfsten Feldherrn, welche je gelebt, als der Vorbereiter und
Vorkämpfer einer neuen Auffassung über Wesen und Mittel des
Krieges, einer Auffassung, welche in den napoleonischen Kriegen
des 19. Jahrhunderts zum erstenmal in voller Ausdehnung in
Wirksamkeit trat.
Wir sehen also, dals über die Ereignisse des siebenjährigen
Krieges uns zwei neben einander herlaufende Überlieferungsreihen
vorliegen, die eine rein urkundlich, die andere stark und bewufst
subjektiv gefärbt und chronikalisch. Beide stehen zu einander in
schroffem Gegensatz und fuhren zu einer diametral verschiedenen
Auffassung der Ereignisse; wie die frühere Forschung fast aus-
schüefslich der chronikalischen, so ist die spätere fast ebenso aus-
schliefslich der urkundlichen Überlieferung gefolgt. Es liegt auf
HUtorUch« Unter»uchjngen. 7 2
Digitized by Google
— 18 -
der Hand, dafs zu einer zugleich erschöpfenden und unbefangenen
AufPassung der Ereignisse nur zu gelangen ist, wenn man beide
Reihen mit einander zu vereinigen sucht, indem man Wert und
Glaubwürdigkeit der einen an der anderen prüft.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dafs zur Lösung dieser
Aufgabe zwei Wege möglich sind: entweder die Prüfung der chro-
nikalischen Quellen der Reihe nach in voller Ausdehnung jeder
einzelnen (der von Herrmann gewählte Weg) oder erschöpfende
Kritik der chronikalischen Uberlieferung über ein bestimmtes Er-
eignis durch Vergleichung mit der über dasselbe Ereignis er-
haltenen urkundlichen Überlieferung (der von Duncker gewählte
Weg). Zu einem weiteren Fortschreiten auf dem zuletzt bezeich-
neten Wege scheint mir das Ereignis von Maxen in besonders
hohem Grade geeignet zu sein. Einmal nämlich ist hierbei der
besprochene Gegensatz zwischen dem Könige auf der einen, dem
Prinzen Heinrich und dem in Frage kommenden Generale auf der
andern Seite in besonders schroffer Weise in die Erscheinung ge-
treten und hat auch in der chronikalischen Überlieferung einen
besonders schroffen Ausdruck gefunden. Dann aber sind wir hier,
in Bezug auf das urkundliche Kontrollmaterial, obwohl nicht un-
erhebliche Teile desselben verloren gegangen sind, insofern in be-
sonders günstiger Lage, als uns die gleichzeitigen offiziellen Rapporte
desjenigen Hauptbeteiligten, den wir zugleich als den Haupt-
urheber der chronikalischen Überlieferung kennen lernen werden,
vorliegen, welche als Koutrollmittel der letzteren in hervorragen-
dem Mafse geeignet sind. Denn wenn sich zeigen läfst, dafs die
mit dem Ereignis völlig gleichzeitigen Berichte des Hauptbetei-
Hgten die einzelnen Thatsachen sehr erheblich anders schildern als
die von demselben Manne beeinflufsten späteren chronikalischen
Darstellungen, so wird man in deren Entstehungsart und Tendenz
einen besonders klaren Einblick gewinnen können.
Darnach ergiebt sich der Weg, den unsere Untersuchung ein-
zuschlagen hat. Wir beginnen mit einer Darlegung der Beurtei-
lung, welche die chronikalischen Quellen dem Ereignisse gewidmet
haben, und ergänzen diese Ausfuhrungen über die Grundanschauung
der chronikalischen Überlieferung durch eine eingehende Unter-
suchung ihrer äufseren Entstehung; alsdann suchen wir durch Ver-
gleichung derselben mit den urkundlichen Nachrichten, und zwar
in erster Linie mit den Berichten Fincks selbst, zu einer objek-
tiven Erkenntnis des Ereignisses selbst vorzudringen.
Digitized by Google
- 19 —
Zweites Kapitel.
Urteile der Zeitgenossen über die Katastrophe von Maxen.
Mehr als einmal ist es Friedrich dem Grofsen im Laufe des
furchtbaren Krieges der sieben Jahre begegnet, dafs er eben in
dem Augenblicke, in welchem er den Gipfel des kriegerischen
Erfolges ersteigen zu könuen wähnte, durch einen jähen Wechsel
des Geschicks in die dunkle Tiefe verzweifln ugsvoller Bedrängnis
hinabgestürzt wurde. Dramatischer, packender und grofsartiger
hat sich dieser Wechsel niemals vollzogen als in dem schlachten-
reichen Kriegsjahre 1757. Prag und Kolin, Rofsbach, Breslau und
Leuthen: eine ganze Welt von stolzer Siegesfreude und banger,
sorgenvoller Bedrängnis ist in diesen Namen enthalten. Aber
immer wieder erhob sich die Sonne des königlichen Genius in
gleicher Helle und Klarheit, und gerade dann, wenn die Feinde
am sichersten meinten, Friedrich endgiltig niedergeworfen zu haben,
zeigte sich die ganze Kraft seiner eingeborenen Begabung in ihrem
hellsten Lichte. Wie war es ihm doch so glänzend gelungen,
durch den Einen Tag von Leuthen die furchtbare Niederlage,
welche das Heer des Herzogs von Bevern bei Breslau erlitten
hatte, nicht nur wett zu raachen, sondern dem siegesgewissen
Feinde eine Niederlage zu bereiten, welche völliger Vernichtung
seines Heeres fast gleich kam ! Wie hatte er doch selbst nach dem
harten Schlage, den er bei Hochkirch erlitten (1758), seine ganze
strategische Überlegenheit gewahrt: war es doch nach jenem ver-
hängnisvollen Tage fast erschienen, als wenn bei Hochkirch nicht
er, sondern Daun der Besiegte gewesen wäre.
Dann aber folgte das Jahr 1 759 mit seinen furch tbaren Schlägen.
Als die Schlacht von Kunersdorf verloren war, da schien es wirklich,
als wenn dem Adler die Flügel für immer beschuitten wären, als wenn
es ihm nicht mehr gelingen sollte, in kühnem Fluge sich emporzu-
heben. Damals hat es in der That Momente gegeben, in denen
Friedrich selbst an der Möglichkeit seiner Erhaltung und Rettung
verzweifelte. Aber was ihm selbst vielleicht in jenen furchtbaren
Tagen unmöglich gewesen wäre, das machte die Uneinigkeit und
Unthätigkeit der Feinde möglich. Er selbst hat es als eine Art von
Wunder bezeichnet, dafs er damals nicht einem tragischen Ge-
schicke erlegen sei. Sobald er aber merkte, dafs der Feind den
vernichtenden Schlag, den er gegen ihn führen konnte, nicht führte,
da wich der Geist der Entmutigimg und Verzweiflung so schnell
2*
Digitized by Google
— 20 —
von ihm, wie er über ihn gekommen war. Gegen Ende des Ok-
tober war die siegreiche russische Armee wieder aufserhalb des
Bereiches, in dem sie ihm empfindlichen Schaden zufügen konnte.
Der König vermochte, wenige Monate nach der vernichtendsten
Niederlage, die er je erlitten, schon wieder daran zu denken, seinen
Feinden die Vorteile, die sie infolge der Schlacht von Kuners-
dorf auf sächsischem Gebiete errungen hatten, wieder zu entreifsen.
Als er, selbst von einem furchtbaren Gichtanfalle geplagt und in
Schlesien festgehalten, den General Hülsen mit dem gröfsten Teil
des Heeres, welches gegen die Russen gekämpft 'hatte, nach
Sachsen zur Verstärkung des Heeres seines Bruders Heinrich ent-
sandte, da war sein Absehen schon wieder auf nichts Geringeres
gerichtet, als darauf, die gesamte österreichische Heeresmacht
zur Aufgabe Sachsens und zum Rückzüge nach Böhmen zu zwingen.
Sobald sein Gesundheitszustand es nur irgend gestattete, eilte er
selbst „auf den Fittichen der Vaterlandsliebe und der Pflicht ')"
nach Sachsen. Am 13. November traf er bei dem Heere seines
Bruders ein.
Hier hatte sich inzwischen die Lage der Dinge so günstig
gestaltet, dafs es schien, als werde Friedrich den grofsen Endzweck,
zu dessen Durchführung er herbeigeeilt war, in der That erreichen.
Daun hatte, sowie er die Nachricht von dem Eintreffen de3
Hülsenschen Korps und von der bevorstehenden Ankunft des Königs
in eigener Person vernommen hatte, trotz der Ueberlegenheit seines
Heeres auf jeden Angriffsgedanken verzichten und sich in eine
unangreifbare Verteidigungsstellung in der Nähe Dresdens zurück-
>) Vgl. die eigenhändige Nachschrift zu dem Briefe des Königs an den
Prinzen Heinrich d. d. Glogau, 'J. November 1759 bei v. Schöning, der sieben-
jährige Krieg, Bd. II, S. 187: Je commence ä me remettre. je volerai ä vous
sur les ailes de l'amour de la patrie et du devoir, mais vous ne verrez arriver
qu un squelette renipli de bonne volonte^ mon äme fera aller mon corps ca-
cochyme et faible; toute fois je ferai tout ce que le peu de forces, que j'ai r
ine permettront deutreprendre.
In ähnlicher Weise äufsert sich Friedrich in einem eigenhändigen P. S.
zu einem Schreiben an den Minister Grafen von Finckenstein d. d. Glogau,
4. November (Orig. G. St. A. Rep. 98, 77 G.): je pars le 7 pour la Saxse,
je serai 1* 11 a Torgau, je suis tres faible, et quoi qu' estropie encore je ferai
tout ce que ma debilite me permetera de Tent6r, und in einem weiteren
eigenhändigen P. S. zu einem Schreiben an denselben, d. d. Elsterwerda,
12. November (Origin. ebda,): je suis arive ici. bien loin davoir recoeuilli
toute mes forces; je suis encore Infirme, mais avec im peil de bonne volonte
Tarne fait aller le Corps quelque Cacochime qu'il soit.
d by Google
— 21 —
ziehen zu müssen geglaubt. Prinz Heinrich, welcher diesen Erfolg,
ohne eine entscheidende Waffentat zu wagen, erreicht hatte, mochte
glauben, dafs auch die Räumung ganz Sachsens durch die Oester-
reicher ohne Schwertstreich zu erreichen sein werde.
Friedrich aber war anderer Meinung. Es konnte ihm nicht
zweifelhaft sein, dafs Daun, so sehr er auch auf alle Angriffs-
gedanken für den Rest des Feldzuges verzichtet hatte, doch der
in der Hofburg gegen ihn herrschenden Stimmung gegenüber nie-
mals wagen könne, ganz Sachsen ohne Kampf aufzugeben und so
den einzigeu wirklichen Gewinn, den man in diesem Jahre errungen
hatte, wieder aus den Händen zu lassen. Nur durch ein kühnes
und energisches Vorgehen, nur dadurch, dafs man die Rückzugs-
linie des österreichischen Heeres ernstlich zu bedrohen versuchte,
war, darüber gab sich der König keiner Täuschung hin, der grofse
Endzweck, den er sich gesteckt hatte, zu erreichen. Und dieser
Endzweck sollte erreicht werden: der König wollte dazu alle
Kräfte anspannen. Sowie er bei dem Heere angekommen war,
war es vorbei mit den blofsen „Demonstrationen", durch welche
sein Bruder Heinrich Daun hatte aus Sachsen „hinausmanövrieren"
wollen. Wir können es dahingestellt sein lassen, ob der Prinz
es wirklich, wie einer der Geschichtschreiber aus seinem Heerlager
behauptet'), unternommen hat, den König vor seinem „übereilten"
Vorgehen zu warnen. Sicher ist, dafs Friedrich sich an den Wi-
derspruch, den er in diesen Kreisen fand, nicht kehrte, sondern
sofort daran ging, durch eine kühne That den Dingen eine ent-
scheidende Wendung zu geben. Es ist in der Hauptsache bekannt,
auf welche Weise er das versuchte. Der Erfolg hat gegen ihn
entschieden: die Folge der kühnen, fast verwegenen Entsendung
Fincks in den Rücken der österreichischen Aufstellung war die
Kapitulation von Maxen, einer der furchtbarsten Schläge, die
Friedrich je betroffen haben und unzweifelhaft derjenige, welchen
er am schwersten verwinden konnte. Denn nicht blofs der Ver-
lust an Menschen und das Milslingen des grofs angelegten Planes
war es, was den König niederdrückte, sondern vor allem das Un-
erhörte der Thatsache, dafs ein ganzes preufsisches Armeekorps in
offenem Felde das Gewehr vor dem Feinde gestreckt hatte. Es
») Retzow in seiner „Charakteristik der wichtigsten Ereignisse des sie-
benjährigen Krieges etc. Berlin 1802. 2. Teil. S. 169. Wir kommen auf
die Stelle noch zurück; vgl. auch Bernhardi. Friedrich der (Irofse als Feld-
herr, Bd. I, S. 457 ff.
Digitized by Google
— 22 -
war ein .Ereignifs, wie es in der Ruhinesgeschichte des preufsischen
Heeres noch nicht dagewesen war. Die Nachricht hat einen völlig
überwältigenden, niederschmetternden Eindruck auf den König
hervorgebracht. Eine ganze Weile hat mau versucht sie ihm
geheim zu halten. Als er dann doch das Ereignifs in seiner voller
Ausdehnung erfuhr, war er wie zerschmettert. „Mein Gott", so
rief er aus, „ist es denn möglich? Soll ich gekommen sein, um
mein Unglück nach Sachsen zu bringen')?" Noch ein Jahr später
hat er seinem Bruder Heinrich gegenüber die Ansicht ausgesprochen,
dafs er, wenn er unterliege, seinen Untergang von dem Tage des
unseligen Ereignisses von Maxen zu datieren habe. Er hat den
21. November 1759 dem General Finck, auf den er bisher grofses
Vertrauen gesetzt hatte, nie verziehen. Mit aller Strenge des
Kriegsrechts ist er gegen ihn vorgegangen.
Die Zweifler und Nörgler im Heerlager des Prinzen Heinrich
aber schienen durch diesen traurigen Ausgang Recht behalten zu
haben. Wohl waren auch sie über die Gröfse und Furchtbarkeit
des unseligen Ereignisses betroffen und erschrocken, aber in ihre
patriotische Trauer mischte sich doch eine Art von Genugthuung
und Schadenfreude. War es nicht wirklich so gekommen, wie der
Prinz Heinrich und seine Umgebung es vorhergesehen hatten?
Hatten sie nicht buchstäblich vorhergesagt, was kommen werde
und kommen müsse? Lag es nun nicht auf der Hand, dafs der
König mit seiner fortwährenden Sucht „zu bataillieren" nur alles
verdorben hatte, was der vorsichtige und weise Feldherr, Prinz
Heinrich, so klug und vorsichtig und in Folge dessen so glücklich
•) Vgl. die aufserordentlich anschauliche und interessante Schilderung,
welche der Vorleser des Königs, de Catt. von den Vorgängen im Heerlager
des Königs heim Eintreffen der Unglücksbotschaft in seinen „Tagebüchern' 1
entworfen hat. Publikationen aus den preufsischen Staatsarchiven. Bd. 22,
namentlich S. 408. Es ist kein Zufall, dafs de Catt gerade an dieser Stelle
der gleichzeitig niedergeschriebenen Tagebücher von den Leuten spricht,
welche sich ein Vergnügen daraus machen den König herabzusetzen und den
Prinzen in die Höhe zu erheben (vgl. S. 405 unten!). De Catt war damals
noch unbefangen genug, das Treiben dieser Kreise zu verurteilen ; „mais est —
on raisonnable?" so fährt er fort. „Le Prince agit avec menageinent. mais il
a ä rGpondre; l'armee n'est pas a lui. Et condamnera-t-on son frere. qni. maitre,
peut entreprendre davantage? et ne pent-on pas hasarder un peu. pour es-
perer de gagner beaucoup? Ganz anders als in den Tagebüchern werden diese
Vorgänge von de Catt in den weit später entstandenen, sehr tendenziös ge-
färbten Memoiren (a. a. 0. S. 262) geschildert. Vgl. hierüber Kosers Ein-
leitung zu der Ausgabe S. XXV.
Digitized by Google
- 23 —
begonnen hatte? In diesen Kreisen war man nicht einen Augen-
blick zweifelhaft, dafs Finck an diesem traurigen Ereignisse voll-
kommen unschuldig sei, dafs es gar nicht anders habe kommen
können 1 ), nachdem der König einmal den übereilten Schritt der
Entsendung Fincks in den unhaltbaren Posten von Maxen gethan
habe. In letztem Grunde sei daher der König allein an dem ganzen
Unglück schuld. Natürlich that Finck, dem viel daran liegen mufste,
sein Verhalten zu rechtfertigen, alles, um diese Auffassung der
Dinge zu bekräftigen und den Eindruck, welchen die Äufserungen
des Königs und der Spruch des Kriegsgerichts hervorbrachten,
abzuschwächen. In rührender Einmütigkeit stellen Finck und die
sämtlichen Memoirenschreiber aus dem Heerlager des Prinzen
Heinrich die Sache so dar, als wenn ersterer an dem Ausgange
völlig unschuldig sei. Das ganze Verhalten des Königs wurde in
das denkbar schwärzeste Licht gestellt, Finck erschien hier gleich-
sam als ein Märtyrer der Ungerechtigkeit des Königs, der durch
seine Unbesonnenheit und Tollkühnheit das ganze Unheil über das
preufsische Heer herbeigezogen habe. Prinz Heinrich selbst ging
mit gutem Beispiele voran, indem er es geradezu aussprach, dafs
die Ankunft des Königs an dem ganzen Unglück schuld sei 2 ).
Natürlich stimmte nun in diesen von dem Prinzen Heinrich
gegen seinen Bruder eingeschlagenen Ton die ganze Clique ein,
welche stets bereit war, die Handlungsweise des Königs in dem
denkbar ungünstigsten Lichte erscheinen zu lassen. Während Finck
vor allem darauf ausging, sich so weit als möglich zu rechtfertigen,
war bei der schriftstellerisch ungemein rührigen Umgebung des
Prinzen das entscheidende Motiv für ihre die Thatsachen auf den
Kopf stellende Darstellungsweise die Sucht, den König herabzu-
setzen und ihren hohen Gönner auf dem so gezeichneten Hinter-
grunde als den eigentlichen Helden des Krieges erscheinen zu lassen.
Allen voran ging hier natürlich wieder Gaudy, dessen Journal
recht eigentlich den Sammelpunkt für alle gegen den König ge-
J ) Begegnen wir doch dieser Anschauung selbst in einem Schreiben des
königlichen Kabinetssekretärs Eichel an den Minister Finckenstein vom
26. Xovember (aus Wilsdruff. Original im Ü. St. A. Rep. H8, 77, G. Die
betr. Stelle ist chiffrirt, im Kabinet dechiffrirt), wo eine kurze Schilderung
des Ereignisses mit den Worten anhebt: Le g6n6ral de Finck est malhenreux
et apparemment innocent. Sa Situation a 6t6 des plus scabreuses etc.
(Anhang II, Aktenstück 20).
2 ) Vgl. die bei Bemhardi a. a. 0. S. 458 angeführte Randbemerkung
des Prinzen zu einem Schreiben des Königs vom U. Dezember.
Digitized by Google
- 24: —
hässigen Berichte bildete. Bei ihm tritt die Endabsicht dieser
Clique am frühesten und am unverhülltesten hervor: in recht
schroffem und beabsichtigtem Gegensatze stellt er die unbegreif-
liche Handlungsweise des Königs dem ruhmreichen Verhalten des
Prinzen in ausführlicher Erörterung gegenüber. Er wird gar nicht
müde des letzteren Lob zu singen: „Er (nämlich der Prinz) hatte
einen Feldzug gemacht, der ihn mit Ehre überhäufte und der
allem dem, was jemals im Kriege grofses geschehen, zur Seite ge-
setzt werden könnte !" Und nun folgt eine eingehende Schilderung
der grofsen Verdienste, welche sich der Prinz eben in diesem
Feldzuge erworben habe. Im letzten Grunde läuft dann seine
ganze Erörterung ungefähr darauf hinaus wie die gleich zu er-
wähnende Retzows, dafs Daun ganz gewifs den Rückzug nach
Böhmen angetreten haben würde, wenn man nur von preufsischer
Seite ja nichts gethan hätte, um ihn dazu zu zwingen'). Und
dann heifst es weiter, die herrlichen Früchte seines weisen Ver-
haltens seien dem Prinzen „aus den Händen gerissen" worden, na-
türlich durch niemand anders als durch den König, der durch
seinen „unglücklichen Gedanken", das Fincksche Korps nach Maxen
in den Rücken des Feindes zu entsenden, alles verdorben habe.
Der gänzliche Mifserfolg dieses Unternehmens sei von „gewissen
Leuten", darunter auch von Finck selbst 2 ), mit aller Bestimmtheit
vorausgesehen worden. Die Ursache dieser Entsendung aber sei
„den meisten" verborgen geblieben. Die Ungereimtheit dieser
ganzen Ausführungen Gandys liegt auf der Hand; sie erreicht ihren
Gipfelpunkt in dem nachfolgenden Satze, von dem es nahezu un-
begreiflich erscheint, wie ihn ein Stratege von Fach niederschreiben
konnte. „Nach gewöhnlichen Begriffen", so sagt er, „war leicht
zu ermessen, dafs, wenn der Feind auch willens war, sich nach
Böhmen zurückzuziehen, er, da er gewifs noch über 70 000 Mann
') Vgl. unten das. was wir über die verwandten Aeuf Gerungen Retzows
bemerkt haben. Die ganze, sehr bezeichnende Stelle des Gaudy 'sehen Jour-
nals ist von mir im Anhang I in dem Abschnitt „Gaudy" mitgeteilt worden.
2 ) Ich werde unten auf Grund der Korrespondenz Fincks mit dem Könige
nachzuweisen suchen, dafs es doch keineswegs so unzweifelhaft ist, als uns
unsere Quellen glauben machen wollen, dafs Finck von Anfang an das
Schicksal seines Korps vorausgesehen habe. Im Gegenteil enthalten seine
Berichte an den König mehrere sehr bezeichnende Aeufserungen , in denen
er der Ansicht desselben, dafs Daun sich durch die Gefährdung seiner Rtick-
zugslinie zum Abzug auf dem rechten Elbufer veranlafst sehen werde, durch-
aus beipflichtet.
Digitized by Google
— 25 —
bey einander und alle Vortheile des Terrains in Händen hatte, sich
nicht dahin mit Gewalt würde treiben lassen". Nach welcher
Logik Gaudy nun annahm, dafs Daun den Rückzug, zu dem er sich
durch Gewalt nicht würde treiben lassen, angetreten haben würde, wenn
der Feind gar nichts unternommen hätte, um ihn dazu zu zwingen,
ist nicht wohl abzusehen. Und in dem Tone geht es weiter. Der
König erscheint als die Ursache alles Unglücks, an dem Finck na-
türlich vollkommen unschuldig ist. Sehr merkwürdig ist es nun
aber, dafs Gaudy, nachdem er alle Beredsamkeit aufgeboten hat,
um diese Lage der Dinge zu erweisen, noch eine ausführliche Er-
örterung darüber anstellt, durch welche Mafsregeln Finck den
traurigen Ausgang seines Korps hätte vermeiden können. Wie
denn? Wenn es wirklich solche Mafsregeln gab, dann trifft doch
die Schuld, dieselben nicht angewandt zu haben, nicht den König,
sondern Finck. Man sieht, zu welchen Ungereimtheiten und Wi-
dersprüchen sich diese übereifrigen Anhänger des Prinzen hinreifsen
liefsen, nur um ihren Endzweck zu erreichen und alle Schuld an
dem ganzen Unheil dieses Unternehmens dem Könige in die Schuhe
zu schieben.
Aber Gaudy war keineswegs der einzige, der solchen Unsinn
niederschrieb. Fast noch toller sind die Aufserungen, welche
Retzow über das Ereignis zu Tage gefordert hat, und zwar dies-
mal obue sie seiner sonst viel benutzten Quelle nachzuschreiben.
Seine Darstellung hat vielmehr das zweifelhafte Verdienst, eine
neue und bis zu einer gewissen Grenze selbständige Variation
desselben Themas entdeckt zu haben, wenngleich natürlich der
Grundzug und Endzweck der Erörterung derselbe ist wie bei seinem
Gesinnungsgenossen Gaudy.
Wir wiesen schon darauf hin, dafs Retzow erzählt, der Prinz
habe bald nach der Ankunft des Königs diesem Vorstellungen ge-
macht, die von ihm beabsichtigte schnelle Verfolgung des Feindes
„werde zu nichts weiter dienen, als vielen braven Leuten das Leben
zu rauben. Er sei überzeugt, Daun wünsche nichts angelegent-
licher, als auf eine anständige Art Sachsen zu verlassen, um
seine Winterquartiere in Böhmen zu beziehen. Wäre dieses —
wie er aus gewissen erhaltenen geheimen Nachrichten schliefsen
müsse — sein Plan, so würde die Räumung von Dresden eine
Folge davon sein, indem es inkonsequent sein dürfte, eine starke
Besatzung darin zu lassen, welche, durch die Gebirge abgeschnitten,
auf keinen Beistand zu rechnen hätte, deren Loos folglich auf jeden
— 2(5 —
Fall eine sichere Gefangenschaft sein würde. Er bäte daher den
König, mit etwas weniger Übereilung zn Werke zu gehen und
blofs durch gut gewählte Demonstrationen der abgesonderten Korps
den Feldmarschall Daun teils in die Notwendigkeit zu versetzen
seinen Rückzug zu beschleunigen, teils durch ein passiveres Ver-
halten ihm gewissermafsen einen Vorschub zu leisten, seinen be-
absichtigten Rückzug zu beschönigen." Leider aber sei, so fährt
Retzow fort, der König durch diese „auf sehr richtigen Voraus-
setzungen beruhenden Vorstellungen" nicht zu überzeugen gewesen,
und so sei es dann gekommen, wie es hätte kommen müssen. Das
vollkommen Verkehrte, ja Unsinnige dieser Ausführungen Retzows
ist von Bernhardi in so überzeugender und klarer Weise nachge-
wiesen worden, dafs ich hierüber durchaus auf seine Ausführungen
verweisen kann. Das, worauf es Retzow bei dieser schlecht er-
fundenen Erzählung, die er uns da auftischt, ankommt, ist im
Grunde nichts anderes, als dafs der Leser den Schlufs ziehe: also
hat der König durch seine Ankunft und sein unüberlegtes Vor-
gehen alles verdorben, was die Weisheit des Prinzen Heinrich
geschaffen hatte. An anderer Stelle (a. a. 0. S. 167/68) hat er
das mit aller wünschenwerten Deutlichkeit offen ausgesprochen.
„Gleich am folgenden Tage", so berichtet er, „brach er (nämlich
Daun) auf, um sich bis Wilsdruff zurückzuziehen, und Prinz Heinrich
hatte den Ruhm, denselben blols durch ein geschicktes Manöver
zu diesem Entschlüsse gebracht zu haben. Wie glücklich wäre
die preufsische Armee gewesen, hätte dieser Prinz ferner
freie Hand behalten, die Operationen nach seiner Einsicht einzu-
richten! Allein das Verhängnis hatte ein anderes beschlossen" etc.
Und gleich darauf folgt dann die Erzählung von der Ankunft des
Königs und den von diesem ergriffenen kriegerischen Maisnahmen.
Die ganze Erzählung Retzows trägt hier wie überall, wo es sich
um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Könige und dem
Prinzen Heinrich handelt, einen unverkennbar gegen erstereu ge-
hässigen Charakter 1 ). Wenn nun schon das Verhalten des Königs
Schiebt Retzow doch (S. 170) dem Könige als Motiv für seinen ganzen
Plan den Wunsch unter, sich durch einen coup d'Sclat „an dem Feldmarschall
Daun auf eine ausgezeichnete Weise zu rächen", d. h. im Grunde auf per-
sönliche Eitelkeit des Königs. Dafs der König thatsächlich ganz andere,
grofsartig sachliche Zwecke verfolgte, wufste Retzow sehr wohl und hat es
immittelbar nachher selbst ausgeführt; aber die Gelegenheit mufste doch
benutzt werden, um die Handlungsweise des Königs auf möglichst kleinliche
Motive zurückzuführen.
Digitized by Google
— 27 —
im allgemeinen scharf getadelt wird, so geschieht dies natürlich
mit besonderem Nachdruck an der Stelle, wo von der Entsendung
Fincks berichtet wird. Freilich mufs Retzow, widerwillig genug,
anerkennen, dafs des Königs Plan „grofs angelegt" war, „allein",
so fahrt er alsbald fort, „die Mittel zu diesem riesenmäfsigen Plane
waren mit zu wenig Vorsicht gewählt, als dafs er den Wünschen
des Königs hätte entsprechen können." Und damit wir ja nicht
im Zweifel gelassen werden, wohin auch hier die ganze Beweis-
führung hinauslaufe, schliefst er dieselbe mit folgendem sehr be-
zeichnenden Satze: „Wir überlassen es jedem Sachkundigen, zu
beurteilen, ob das ganze Projekt, von dessen sonderbarer Ausfüh-
rung ich Augenzeuge war, zur Wirklichkeit gebracht werden konnte,
ohne vorauszusetzen, dafs ein Feldherr an der Spitze einer so grofsen
Armee gänzlich den Kopf verlohren hatte; und ob Prinz Heinrich
durch die kluge Fortsetzung seiner bisherigen geschickten Manöver
nicht eher den Zweck, Sachsen vom Feinde zu reinigen und alles
wieder in das vorige Geleise zu bringen, würde bewirkt haben."
Ob Daun nicht noch mehr den Kopf müfste verloren gehabt haben,
wenn er, an der Spitze eines starken Heeres und in einer unan-
greifbaren Position, Sachsen verlassen hätte, ohne dafs von preufsi-
scher Seite etwas Ernsthaftes geschehen wäre, diese Frage hat
Retzow ebenso wenig beantwortet wie die andere, welche Geheim-
mittel denn der Prinz anwenden wollte, um diesen Zweck zu er-
reichen. Dafs dem Prinzen „Geheimnisse" zu Gebote standen über
„die Art, im gegenwärtigen Falle die Operationen klüglich einzu-
leiten", und dafs Finck in diese Geheimnisse eingeweiht war, be-
hauptet Retzow allerdings, aber leider hat er versäumt, sie uns
mitzuteilen. Demnach sind wir ausschliefslich auf die thatsächlich
von dem Prinzen vor der Ankunft des Königs ergriffenen Mafs-
regeln angewiesen; und danach scheint es, als ob der Prinz mit
seinen „Demonstrationen" im wesentlichen denselben Gedanken
verfolgt hätte, den der König, nur in bei weitem kühnerer und
grolsartigerer Weise, zur Ausfuhrung brachte. Hatte doch Prinz
Heinrich schon mehrere Tage vor der Ankunft des Königs den-
selben Generallieutenant Finck, dem dann auch der König die Aus-
führung seines Planes anvertraute, mit einem besonderen Korps
voraus entsandt, um die linke Flanke der österreichischen Auf-
stellung zu beunruhigen. Finck war am 9. nach Rofswein an der
Freiberger Mulde marschirt, dann noch weiter vorgerückt, hatte
Brentanos Korps aus Nossen vertrieben und dann bei Siebenlehn
Digitized by Google
- 28 —
Stellung genommen; ja wenn wir Tempelhoff 1 ) Glauben schenken
dürfen, hatte der General Finck schon vom Prinzen Heinrich den
Befehl erhalten, kleinere Trupps bis Dippoldiswalde und Dohna,
d. h. im Rücken der feindlichen Aufstellung, streifen zu lassen. Es
liegt also auf der Hand, dafs der Prinz Heinrich sehr wol einge-
sehen hatte, dafs die Verdrängung der Österreicher nur durch eine
Bedrohung ihrer Rückzugslinie zu erreichen sei; nur hatte er die
Sache als eine blofse „Demonstration" aufgefafst, während der
König in gewohnter Weise sie ernst und nachdrücklich in die
Hand nahm. Ohne Zweifel hätte der Prinz Heinrich und seine
Umgebung, wenn die Entsendung Fincks durch den König den
beabsichtigten Erfolg gehabt hätte, mit überlegener Miene das
Hauptverdienst für sich in Anspruch genommen unter Hinweis
darauf, dafs ja auch er schon mit der Ausführung jenes Plans be-
gonnen habe. Nun aber, da der Plan, fügen wir gleich hinzu,
zum grofsen Teil durch Fincks Schuld, mit einer so furchtbaren
Niederlage geendet hatte, war es ja so bequem zu erklären, der
König habe durch sein übereiltes Vorgehen alles verdorben; sie
selbst, der Prinz und seine Genossen, würden das alles natürlich
viel vorsichtiger und besser gemacht haben. Dafs Finck sehr arge
Versehen gemacht hatte, trat in diesen Kreisen vollkommen in den
Hintergrund. Ganz verschliefsen freilich konnte sich selbst ein
Retzow nicht dagegen, dafs Finck z. B. durch die widerstandslose
Aufgabe des Passes von Reinhardsgrimma einen argen Fehler
begangen habe; dafs alles anders gekommen wäre, wenn dieser
Fehler nicht begangen wurde, geht aber aus seiner Schilderung in
keiner Weise hervor. Vielmehr ist nach seiner Darstellung daran
gar kein Zweifel, dafs den Köuig die Hauptschuld treffe, ja dafs
es nach den verkehrten Maisnahmen, die derselbe getroffen, gar
nicht anders habe kommen können.
In dasselbe Horn stiefs natürlich die gesamte Umgebung des
Prinzen Heinrich. Warnery 2 ) z. B. bezeichnet den Plan des Königs
geradezu als eine „wahre Chimäre, welche ihm wenig Ehre machte."
Dafs Finck an dem ganzen Unheil unschuldig sei, darüber herrscht
auch in seiner Darstellung nicht der mindeste Zweifel. Daher wird
auch das spätere Verhalten des Königs Finck gegenüber in den
') III, 351.
2 ) In seinem 1788 erschienenen Werke „Canipagnes de Frederic II, roi
de Prusse ; de 1756 a 1762* namentlich S. 344.
Digitized by Google
— 29 —
schwärzesten Farben als ungerechte Härte gegen diesen wackeren
Mann (ce brave homme) bezeichnet.
Natürlich war diese AufPassung, welche bei einem nicht un-
bedeutenden Teile der Offiziere des preufsisehen Heeres die herr-
schende war, niemandem erwünschter, als Finck. Er hat nicht
gesäumt, nach Kräften für dieselbe einzutreten, und Warnery und
Retzow werden einen grofsen Teil der Nachrichten, auf denen sie
fufsen, aus seiner Umgebung oder von ihm selbst erhalten haben.
Ja, als ihre Werke erschienen, lag bereits eine gewissermafsen
offizielle Fincksche Darstellung des Ereignisses gedruckt vor. Denn
wie ich mich durch eine eingehende Vergleichung zu meiner eigenen
Überraschung überzeugt habe, beruht das im IT. Teil der soge-
nannten „Sammlung ungedruckter Nachrichten 1 )" gedruckte, bisher
für völlig objektiv gehaltene und vielfach benutzte „Journal von
dem Finckschen Korps bey Maxen im Jahre 1759" durchweg und
zumeist wörtlich auf einer handschriftlich im geheimen Staatsarchive
verwahrten „Relation der unglücklichen Aktion bey Maxen", welche
von Fincks Hand geschrieben und vielleicht von ihm selber ver-
fallt, sicher aber in seiner unmittelbaren Umgebung entstanden ist 2 ).
Dieses Journal aber hat auf die späteren Geschichtsschreiber
einen um so nachhaltigeren Eindruck gemacht, als es sich über
die Thatsachen selbst als sehr wohl unterrichtet erweist. Man kann
sagen, dafs es, im Verein mit dem Gaudyschen Journal und seinen
Ableitungen, die gesammte spätere Uberlieferung vollkommen be-
herrscht hat. Selbst Tempelhoff, der, zum Teil als Augenzeuge,
verhältnilsmäfsig am unbefangensten urteilt und die von Finck
begangenen Fehler mit Nachdruck hervorhebt, hat sich in erster
Linie und vornehmlich auf jenes Journal gestützt 3 ).
Man sieht, die Auffassung, welche in der Umgebung Fincks
und in den Kreisen des Prinzen Heinrich vorwaltete, beherrschte in
gewissem Sinne die öffentliche Meinung, der Finck als eine Art
von Märtyrer erschien. Nur zwei sehr unangenehme Thatsachen
störten die Zirkel dieser Memoirenschreiber und liefsen manchen
Unbefangenen doch stark daran zweifeln, ob deren Auffassuug
wirklich die einzig mögliche, wahre sei : das war einmal die That-
*) Der zweite Teil der „Sammlung", um den es sich hier handelt, ist
Dresden 1782 erschienen. Das betr. Journal steht S. 591—608.
a ) Ich habe den Nachweis hierfür im Anhang I erbracht, der überhaupt
für die äufsere Geschichte der Entstehung unserer Quellen nachzulesen ist.
*) Vgl. Anhang I den Abschnitt „ Tempelhoff. "
- 30 —
sache, dafs der König selbst, nicht blofs unmittelbar unter dem
niederschmetternden Eindrucke der Ereignisse, sondern lange nach
denselben, vor allem in seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges
an der Auffassung festhielt, dafs Finck selbst die Kapitulation von
Maxen verschuldet habe, und demgemäfs seinen Groll gegen Finck
nicht aufgab, denselben vielmehr seine Ungnade auch nach dem
Kriege empfindlich fühlen liefs. So weit aber hatte es die ten-
denziöse Auffassung der erwähnten Kreise doch noch nicht gebracht,
dafs die Mehrzahl der Unbefangenen ihre gehässigen Erzählungen
über des Königs Ungerechtigkeit und Neid nun wirklich für wahr
gehalten hätten. Die meisten nahmen vielmehr mit Hecht an, dafs,
wenn der König Finck nach wie vor ernst und nachhaltig zürne,
er auch seine wohlerwogenen Gründe dazu haben müsse. Noch
unangenehmer für jene dem König feindlich gesinnte „Clique" war
die zweite Thatsache, dafs ein nach dem Kriege aus hochangesehenen
und verdienten Generalen zusammengesetztes Kriegsgericht, an dessen
Spitze kein Geringerer als Hans Joachim von Zieten stand, Finck
in aller Form für schuldig erklärte und mit Kassation und ein-
jährigem Festungsarrest bestrafte. Diese Thatsache war nicht aus
der Welt zu schaffen. Die Behauptung aber, mit der man dem
Urteil des Königs gegenübertreteu konnte, dafs er nämlich aus per-
sönlicher Verstimmung und aus Ärger über das Scheitern seines
Planes Finck mit ungerechter Ungnade verfolge, konnte dem
Spruche des Kriegsgerichts gegenüber, der nach eingehendster
Prüfung des Sachverhalts gefällt war, nicht verfangen'). Denn es
war allgemein bekannt, dafs ein Charakter wie Zieten, der früher
durch seine oft allzu grofse Selbständigkeit in Konflikt mit dem
*) Die Akten dieses Kriegsgerichts, aus denen Schöning im 2. Bande
seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges. S. 195 ff., einige Auszüge mit-
geteilt hat, waren seitdem trotz zahlreicher Nachforschungen, die von den
verschiedensten Seiten unternommen wurden, vollkommen verschollen. Auch
ich habe im Archiv des Grofsen Generalstabes, im Gcneral-Auditoriat und in
der Geheimen Kriegskanzlei vergebens nach denselben geforscht. Dagegen
ist es mir gelungen, in der im Geheimen Staatsarchive aufbewahrten Imnie-
diat-Korrespondenz Zietens die Berichte zu finden, welche Zieten dem Könige
über den Verlauf des Gerichts erstattet, und welche Schöning nicht gekannt
zu haben scheint. Diese Berichte, deren einem ein leider nur kurzer „Ex-
trakt derer Verhöre" beiliegt, habe ich im Anhang III zum Abdruck gebracht.
Die eigentlichen Original-Protokolle aber, aus denen offenbar Schöning seine
Mitteilungen schöpfte, siud auch im Geheimen Staatsarchive nicht aufzu-
finden.
Digitized by Google
- 31 -
König geraten war, seine Überzeugung gewifs nicht mit Rück-
sicht auf die Stimmung des Königs änderte, dafs er so wenig wie
die andern Generale zu einer Verurteilung Füicks sich verstanden
haben würde, wenn sie nicht wirklich von seiner Schuld über-
zeugt waren.
Das Gefühl, dafs dieses kriegsgerichtliche Urteil doch in den
Augen der meisten Besonnenen und Unparteiischen zu seinen Un-
gunsten zeugte, hat Finck selbst sehr deutlich gehabt. Er hat
sich daher nicht damit begnügt, durch jeue „Relation", welche
überarbeitet als „Journal" dann im Druck erschien, auf die öffent-
liche Meinung einzuwirken; auch das schien ihm nicht zu genügen,
dafs viele der mit ihm gefangen genommenen Offiziere, in ihrem
eigenen Interesse, seine Auffassung zu verbreiten suchten und z. ß.
den sächsischen Artillerie-Hauptmann J. G. Tielcke«) in aus-
giebigster Weise mit Nachrichten versahen, sondern er hat es auch
für nöthig gefunden, sich in einer eigenen Denkschrift gerade
gegen die Vorwürfe zu verteidigen, welche ihm vom Kriegsgerichte
gemacht worden waren. Er sagt zwar in dieser Denkschrift, er
habe dieselbe nur „zu seiner eigenen Beruhigung und Defension
aufgesetzt-)", aber wir können mit Bestimmtheit annehmen, dals
er den Inhalt derselben ebenso wenig geheim gehalten hat, wie
die „Relation der unglücklichen Aktion bey Maxen." Wie er diese
') Tielcke gibt, wie ich im Anhang I hervorgehoben habe, in dem „das
Treffen bey Maxen" behandelnden ersten Stüek seiner „Bey träge zur Kriegs-
Kunst und Geschichte des Krieges von 1756 bis 1768" (Freyberg 1775) selbst
wiederholt an. dafs er Xachrichteu von den gefangenen preufsischen Offizieren
erhalten habe.
'-) Diese Denkschrift, welche im Generalsstabsarchive in mehreren Ko-
pieen vorhanden ist, ist bereits mehrfach benutzt, Auszüge ans derselben sind
im Generalstabswerk über den siebenjährigen Krieg und von v. Taysen („Znr
Beurteilung des siebenjährigen Krieges", Berlin 1882, S. 67) mitgeteilt worden.
Alle, welche sie bisher benutzt haben, bezeichnen sie als eine von Finck „ein-
gereichte" Verteidigungsschrift, sodafs der Leser die Meinung fassen raufs,
Finck habe sie offiziell, etwa bei Gelegenheit der Verhandlungen des Kriegs-
gerichts, eingereicht. Thatsächlich ist sie erst bei weitem nach dem Kriegs-
gericht verfafst worden, wie der Eingang unzweideutig erkennen läfst. Da
ich im Geheimen Staatsarchiv das von Finck in ganzer Ausdehnung eigen-
händig geschriebene Original des wichtigen Aktenstücks aufgefunden habe
und bisher ein voller Abdruck desselben nicht vorliegt, so glaubte ich der
kriegswissensehaftlichen Forschung eine nicht unwillkommene Bereicherung
ihrer Kunde zu bringen, wenn ich dasselbe, wie im Anhang IV geschehen
ist, in vollem Wortlaut mitteilte.
Digitized by Google
— 32 —
dem Verfasser des in der ^Sammlung ungedruckter Nachrichten" ver-
öffentlichen Journals zur Bearbeitung und Veröffentlichung überliefs,
so liegen deutliche Anzeichen dafür vor, dafs auph diese Denkschrift
nicht nur ihm selbst zur Beruhigung, sondern auch dem Publikum
zu zweckdienlicher Aufklärung zu gereichen bestimmt war.
Wir sehen also, wie das Bestreben Fincks und der Umgebung
des Prinzen Heinrich im wesentlichen auf dasselbe Ziel hinauslief:
Entschuldigung beziehungsweise vollkommene Reinwaschung Fincks,
schroffe Anklagen gegen den König, Verherrlichung der weisen
und vorsichtigen Kriegführung des dem Könige an Feldherrngenie
weit überlegenen Prinzen Heinrich. Der einzige der preufsischen
Geschichtsschreiber des siebenjährigen Krieges, der sich, trotzdem
auch er Fincksche Quellen benutzte, eine gewisse Unabhängigkeit
und Besonnenheit des Urteils auch hier bewahrt hat, ist Tempelhoff 1 ).
Zu einer vollen und klaren Erkenntnis der Sachlage vermochte
aber auch er nicht durchzudringen, weil er eben im wesentlichen
auf Nachrichten aus der Umgebung Finck! angewiesen war. So
konnte es trotz der sehr entgegengesetzten Darstellung, welche der
König selbst in seiner Histoire de la guerre de sept ans über das
Ereignis von Maxen entwarf, kommen, dafs die Auffassung der
Kreise des Prinzen Heinrich und Fincks selbst lange Zeit die Ge-
schichtsschreibung fast ausschliefslich beherrschte, und zwar um so
mehr, als ihr trotz aller tendenziösen Entstellungen, die sie ent-
hielt, doch ein Körnchen Wahrheit nicht fehlte; denn darüber sind
auch heute die Meinungen aller Strategen einig, dafs die Art, wie
der König seinen Plan durchzufuhren suchte, kühn, ja verwegen
genannt werden mufs. Eine andere Frage aber, die jene Memoiren-
schreiber gar nicht in dem Leser aufkommen lassen wollten, die
sie vielmehr als zu Ungunsten des Königs und zu Gunsten Fincks
von vornherein entschieden hinstellten, ist die, ob der kühne
Plan nicht trotzdem durchfuhrbar war, ob zum wenigsten nicht in
jedem Falle der schimpfliche Ausgang des Unternehmens vermieden
werden konnte, wenn Finck die Fehler, welche er beging, vermieden
hätte. Um hierüber zu einem abschliefsenden und völlig unab-
*) Wie aufserordentlieh mächtig die in der Umgebung des Prinzen
Heinrich herrschende Anschauung über das Ereignis auf die Zeitgenossen
eingewirkt hat, sieht man am besten daraus, dafs selbst des Königs Kabinets-
sekrctär Eichel sich von derselben nicht unbeeinflufst erhalten hat. Vgl. die
oben S. 2:1 Anm. 1 citierte Stelle und den im Anhang II gedruckten Brief
Eichels an Finckenstein vom 24. November.
Digitized by Google
- 33 —
hängigen Urteil zu gelangen, ist es erforderlich, sich das Ereignis
selbst in seinem ganzen Verlauf und in allen seinen Einzelheiten
zu vergegenwärtigen, und es mufs fast wunderbar erscheinen, dafs
das jetzt, da die Schätze der Archive jedermann zur Benutzung
offen stehen, noch nicht in erschöpfender Weise versucht worden ist.
Wenn ich es in den nachstehenden Untersuchungen wage diesen
Versuch zu unternehmen, so ermutigt mich hierzu der Umstand,
dafs ich neben den bisher von der Forschung fast ausschliefslich
benutzten, oben kurz charakterisierten geschichtschreibenden Quellen
in der Lage bin, noch die Reste der Korrespondenz zwischen
Finck und dem Könige, welche uns erhalten, bisher aber noch
niemals erschöpfend verwertet sind 1 ), zu benutzen, um an ihnen
und an den bisher gleichfalls unbekannten Fragmenten der Akten
des Kriegsgerichts die Berichte jener Geschichtschreiber zu kon-
trollieren. Ich glaube, dafs es an der Hand dieser Aktenstücke
möglich ist, das Bild, welches uns die bisherigen Darstellungen
von dem Ereignis entwerfen, nicht unwesentlich zu vervollständigen
und zu berichtigen und zu einem wenigstens annähernd abschliefsen-
den Resultat zu gelangen, soweit das bei der Unvollständigkeit
des bisher zugänglichen Materials möglich ist. Denn nicht nur
eiu grofser Teil der Akten des Kriegsgerichts, sondern auch mehrere
wesentliche Stücke der Korrespondenz des Königs mit Finck sind
bisher noch immer verschollen geblieben, die letzteren wohl vor-
nehmlich deshalb, weil mehrere Berichte Fincks und mehrere Ka-
binetsordres des Königs während des Ereignisses selbst von Daun
abgefangen wurden. Möglich, dafs sie sich dereinst, wie schon
früher eine ganze Anzahl den preufsischen Feldakten entstammen-
der Aktenstücke, noch im Wiener Kriegsarchive auffinden. Möglich
auch, dafs selbst in den preufsischen Archiven an irgend einer
entlegenen Stelle noch ein für die Beurteilung des Ereignisses nicht
nn wesentliches Aktenstück verborgen liegt 2 ). Im grofseu und
ganzen wird das mir zugäugliche Material zur Lösung der ob-
schwebenden Schwierigkeiten ausreichen.
1 ) Ich habe dieselben im Anhang II mitgeteilt.
2 ) Auf meine an das Geheime Staatsarchiv gerichtete Anfrage sind mir
nur die von mir benutzen Aktenstücke aus den Reposituren 63. 92, 96 und 98
zugegangen. Ich darf daher wohl annehmen, dafs weitere Materialien vor-
läufig von den Herren Beamten des Archivs nicht aufgefunden worden sind.
UUcoruchc Liutr.uchungp» 7. •}
Digitized by Google
Drittes Kapitel.
Die Entsendung des Finckschen Korps nach Maxen.
Suchen wir uns zunächst einen Überblick über die Lage der
Dinge zu verschaffen, wie sie sich gestaltet hatte, als der König
am 13. November im Heerlager seines Bruders in der Gegend von
Lommatsch eintraf. Daun war, wie wir erwähnten, schon durch
die Schlappe, welche eines seiner entsandten Korps unter dem
Herzoge von Ahremberg am 29. Oktober bei Pretsch erlitten hatte '),
einigermafsen entmutigt. Sowie er dann erfuhr, dafs das von dem
Könige vorausgesandte Hülsensche Korps herannahe, um sich mit
der Armee des Prinzen Heinrich zu vereinigen, gab er sofort und
definitiv alle Angriflfegedanken auf. Obwohl er auch nach dem
Eintreffen dieser Verstärkung der preufsischen Armee nicht un-
erheblich überlegen war — das Zahlenverhältnis stand, die Reichs-
armee eingerechnet, etwa wie 75 000 zu 52 000 Mann — , so be-
schlofs er doch alsbald sich in die Nähe der sächsischen Haupt-
stadt zurückzuziehen und sich mit deren Deckung zu begnügen.
Das nördliche Sachsen gegen den schwächeren Feind zu halten,
wurde nicht einmal ein Versuch gemacht. Freilich mufste Daun
sich sagen, dafs dieses Verhalten bei dem Kaiserlichen Hofe nicht
auf Zustimmung rechnen dürfe; denn mit Recht war die Kaiserin,
wie Daun sehr wohl wufste, der Meinung, dafs es dem letzteren
mit seinem dem preufsischen erheblich überlegenen Heere doch
zum wenigsten gelingen müsse, den augenblicklichen Besitzstand
zu wahren. Dafs der soeben noch von den Russen empfindlich
geschlagene Feind gleichwohl am Schlüsse des Feldzuges noch
!) König Friedrich selbst inafs anfangs diesem Gefechte eine entschei-
dende ßedeutuug hei. Am 2. November fügt er einem von Glogau aus an
den Staatsminister Grafen von Finckenstein gerichteten chiffrierten Schreiben
(Orig. im G. St. A. Rep. 98. 77 G.) folgende eigenhändige Nachschrift an :
mon frere vient de remporter im avantage qui pent devenir decisif pour la
Campagne. Und eine ähnliche Auffassung begegnet uns in einem Schreiben
Eichels an Finckenstein, d. d. Torgau, 5. November (Orig. ebda.) r in welchem
eine ziemlich eingehende Schilderung von Dauns Rückzug in den ersten No-
vembertagen enthalten ist. Über die Frage, ob die Österreicher Dresden
halten oder sich nach Böhmen zurückziehen werden, spricht Eichel eine ent-
schiedene Ansicht nicht aus. An der einen Stelle des Briefes sagt er. es
scheine, „als ob sie (seil, die Österreicher) Drefsden souteniren wollen", an
einer späteren Stelle desselben Schreibens aber spricht er die Hoffnung aus,
dafs in 8 Tagen „vielleicht" von den Österreichern kein Mann mehr in Sachsen,
sein werde.
Digitized by Google
— 35 —
wieder in den Besitz von Sachsen gelangen sollte, war der Kaiserin
ein nahezn unerträglicher Gedanke. Selten ist man in Wien mit
der Kriegführung des „grofsen Zanderers" unzufriedener gewesen
als eben damals, und man hat dem Feldmarschall gegenüber kein
Hehl daraus gemacht '). Daun sah ein, dafs er seinen sonderbaren
Beschlufs, vor dem schwächeren Feinde den Rückzug anzutreten,
vor dem Wiener Hofe rechtfertigen und die Verantwortung dafür
sich dadurch erleichtern müsse, dafs er die Entscheidung in die
Hände eines verstärkten Kriegsrates legte, auf dessen Beschlüsse
er sich dann berufen könne. Natürlich sprach sich derselbe in
seinem Sinne aus: am 4. wurde der Rückzug angetreten, der über
Oschatz und Lommatsch zunächst am 6. bis Heinitz am Meifsner
Grund fortgesetzt wurde. Prinz Heinrich folgte dem Feinde in
langsamen Märschen und traf am 7. in Lommatsch ein. Hier
vollzog sich die Verbindung seines Heeres mit dem Hülsenschen
Korps. Doch machte er auch nach dieser Verstärkung mit dem
Hauptheere keinen ernstlichen Versuch, den Rückzug der Oster-
reicher zu beunruhigen. Er schien sich in der Tat der Hoffnung
hinzugeben, dafs Daun sieb ohne weiteres bis Böhmen zurückziehen
werde, während dessen Absehen doch gerade darauf gerichtet war,
Dresden zu decken und im südlichen Sachsen die Winterquartiere
zu beziehen. Um nun doch seinerseits etwas zur Bechleunigung
des Rückzuges der Österreicher beizutragen, beschlofs Prinz Heinrich
eine „Demonstration" gegen die linke Flanke ihrer Aufstellung zu
unternehmen 2 ). Zu diesem Zwecke gab er dem Generallieutenant
Finck, der am 7. November bis Döbeln marschiert war, den Befehl
nach Rofswein an der Freiberger Mulde vorzurücken und ein festes
Lager bei Etzdorf zu beziehen. Als sich Daun durch diese „De-
monstration" zu keinerlei Veränderung in seiner Stellung veranlafst
sah, beschlofs der Prinz noch ein übriges zu thun und Finck den
Befehl zu geben, das bei Nossen stehende Brentanosche Korps aus
*) Vgl. die Ausführungen Arneths (Maria Theresia und der siebenjährige
Krieg, Bd. 2, S. 54/55 und namentlich die in Anm. 95 angeführte Stelle aus
dem Kabinetsschreiben an Daun vom 18. November 1759). Dafs man auch
preufsischerseits über Dauns Absicht, sich zurückzuziehen, ebenso wie über
die Unzufriedenheit des Wiener Hofes und namentlich der Russen darüber
informiert war. ergiebt sich ans der Kabinetskorrespondenz jener Tage. (G.
St. A. Rep. 98, 77 G.).
2 ) Am ausführlichsten sind diese ersten Bewegungen des Finckschen
Korps vor dem Eintreffen des Königs bei Tempelhoff III, H50 ff. geschildert,
dem wir in der Hauptsache folgen.
;$*
Digitized by Google
- 36 —
seiner Stellung zu vertreiben und sich direkt in der linken Flanke
der österreichischen Hauptstellung festzusetzen. Zu diesem Zweck
wurde Fincks Korps auf 18 Bataillone und 35 Schwadronen ver-
stärkt und dadurch wirklich in den Stand gesetzt, die ihm gestellte
Aufgabe zu lösen. Das Brentanosche Korps wurde in der That aus
Nossen zurückgeworfen, worauf Finck auf den Anhöhen zwischen
Siebenlehn und Zelle, genau in der linken Flanke der Österreicher,
Stellung nahm.
An demselben Tage, an welchem Finck in dieser Weise die
ihm gestellte Aufgabe löste, traf der König bei der Armee ein.
Im grofsen und ganzen war er mit den Anordnungen, welche der
Prinz getroffen hatte, einverstanden; nur meinte er, dals man
gröfserer Kraftanstrengungen bedürfen werde, um das Endziel, den
Rückzug Dauns nach Böhmen, zu erreichen. Er sah wohl ein,
dafs es mit einer blofsen „Demonstration" gegen die feindliche
linke Flanke nicht gethan sei, dafs man vielmehr einen Versuch
machen müsse, die Rückzugslinie der Österreicher auf dem zugäng-
licheren linken Elbufer ernstlich zu bedrohen und sie dadurch
möglicherweise zu zwingen, auf das rechte Ufer des Flusses hin-
überzugehen und auf diesem, dessen Pässe viel grÖfsere Schwierig-
keiten bereiteten, den Rückzug zu bewerkstelligen. Eine, wenn
auch vielleicht unklare und unsichere Vorstellung von dieser Lage
der Dinge muTs auch dem Prinzen Heinrich wohl vorgeschwebt
haben; denn er hatte Finck, als er ihm den Befehl zur Vertreibung
Brentanos aus Nossen erteilte, zugleich angewiesen, von Nossen
aus kleinere Streifereien bis Dippoldiswalde und Maxen zu unter-
nehmen '). Dieser Gedanke war es, den der König mit Eifer ergriff
und in energischerer und grofsartigerer Weise durchzuführen beschlofs.
Zugleich aber war er nicht gemeint, mit dem Hauptkorps die ab-
wartende Stellung beizubehalten, welche der Prinz beobachtet
hatte; vielmehr beschlofs er alsbald auch von dieser Seite angriffs-
weise vorzugehen. Die Beratung, die er über diese Veränderungen
') Tempelhoff III. 351. Es ist wichtig, das ausdrücklich festzustellen
denn danach ist es kein Zweifel, dafs Prinz Heinrich im wesentlichen den-
selben Gedanken verfolgte, den der König später zur Ausführung brachte;
nur wagte es der Prinz nicht, ihn mit Thatkraft zu betreiben. Wäre die Ent-
sendung Fincks geglückt, das glaube ich hier noch einmal aussprechen zu
sollen, so würde der Prinz wahrscheinlich das Hauptverdienst für sich in
Anspruch genommen haben. Da sie mifsglttckte, schob er die Schuld des
ganzen Plans auf den König.
Digitized by Google
— 37 -
des strategischen und taktischen Verhaltens mit seinem Bruder
hielt, scheint ziemlich lebhafter Art gewesen zu sein; einer der
Geschichtschreiber aus der Umgebung des Prinzen weifs uns wenig-
stens von eindringlichen Vorstellungen zu berichten, welche der
Prinz gegen die Gedanken des Königs entwickelt habe 1 ). Sei dem,
wie ihm wolle: so viel steht fest, dafs der König sich durch etwaige
Einwendungen nicht beirren liefs, sondern alsbald zur Ausfuhrung
seines Plaues schritt. Er wurde darin noch dadurch bestärkt, dafs
Daun alsbald nach seiner Ankunft seine rückläufige Bewegung in
der Richtung auf Dresden fortsetzte. Gleich am Tage nach seiner
Ankunft, noch bevor er selbst sich mit dem Hauptheere in Be-
wegung setzte, erteilte der König Finck von Dörschnitz aus den
schriftlichen Befehl, noch weiter bis Rabensberg und Neukirch
vorzurücken und von dort aus aufs genaueste die Bewegungen der
Feinde zu beobachten 2 ). Unmittelbar danach begann er mit der
Vorwärtsbewegung des Hauptheeres. Er hielt Eile um so dringen-
der für geboten, als er eben jetzt Kunde von dem weiteren Zu-
rückweichen Dauns erhielt. Er selbst setzte sich an die Spitze
der Avantgarde des aus 7 Bataillonen und 10 Schwadronen be-
stehenden Wedellschen Korps, um den Rückzug des Feindes zu
beunruhigen und zu erschweren. Wirklich gelang es ihm, in der
Nähe von Korbitz die Nachhut des Sincereschen Korps einzu-
holen und derselben empfindliche Verluste beizubringen. Er nahm
alsdann Stellung bei Krögis, wo am Nachmittage die Hauptarmee
ebenfalls eintraf; der General Schenkendorf wurde sogar bis Deutsch-
Bohra vorgeschickt, und von der andern Seite her versuchte auch
Finck durch ein entsandtes kleineres Korps unter Wunsch dem
Feinde Abbruch zu thun.
Nachdem man so in der Front mit dem Feinde energische
Fühlung bekommen hatte, hielt der König den Augenblick für ge-
kommen, auch seinen Gedanken einer ernstlichen Gefahrdung der
feindlichen Rückzugslinie zur Ausfuhrung zu bringen. Er liefs
daher von Krögis aus dem Generallieutenaut Finck den Befehl zu-
gehen, mit seinem am weitesten vorgerückten Korps an der linken
Flanke der österreichischen Aufstellung vorüber zunächst nach
Freiberg und von dort nach Dippoldiswalde und Maxen, das will
') Reteow II, 169; vgl. unsere Ausführungen oben S. 25/26.
2 ) Vgl. No. 1 der im Anhange No. II mitgeteilten Korrespondenz
zwischen dem Könige und Finck. Das betr. Schreiben scheint, wie die
meisten der übrigen, der bisherigen Forschung unbekannt geblieben zu sein
Digitized by Google
- 38 —
sagen genau in den Rücken der Österreicher zu marschieren. Das
Korps, über welches Finck zu diesem Zwecke verfugte, mochte an
Infanterie und Kavallerie zusammen genommen etwa 14 000 Mann
betragen.
Wir sagten es schon: Das Unternehmen, welches der König
auf diese Weise ins Werk setzte, war kühn, ja verwegen. Denn
wenn er auch mit Sicherheit annehmen konnte, dafs Daun mit
dem österreichischen Hauptheere nicht wagen werde, im Angesicht
des von Friedrich persönlich geleiteten preufsischen Hauptheeres
seine unangreifbare Stellung zu verlassen und sich mit gesamter
Macht auf das unbequeme, in seinem Rücken stehende Fincksche
Korps zu stürzen, so konnte ihm doch auf der andern Seite nicht
unbekannt sein, dafs südlich Dresden die etwa 20 000 Mann zählende
Reichsarmee stand, die, der Zahl nach allein dem Finckschen Korps
schon beträchtlich überlegen, im Verein mit einem von der öster-
reichischen Hauptarmee zu entsendenden Korps Finck mit er-
drückender Übermacht entgegentreten konnte. Auf der andern
Seite hatte der König indessen zu oft die Unschlüssigkeit Dauns
erprobt, als dafs er trotz der Hochkirchener Lehre mit Sicherheit
einen raschen Schritt desselben gegen Finck hätte erwarten sollen.
Er hoffte vielmehr, dafs sich Daun durch das in seinem Rücken
stehende Korps, dessen Stärke er nicht kannte, so beunruhigt fühlen
würde, dafs er es vorzöge, auf das rechte Elbufer hinüberzugehen
und von dort aus über Stolpen und Schluckenau den Rückzug nach
Böhmen anzutreten 1 ). Thatsächlich wissen wir auch aus neuer-
») Über den Endzweck der Entsendung Fincks und über den Erfolg,
den er sich von derselben versprach, hat sich der König unmittelbar gleich-
zeitig in einem Schreiben an Finckenstein vom 14. November 1759 geäufsert,
in welchem (nicht eigenhändigen) Schreiben es u. A. heifst: „Jay deja un
Corps ä Dippolswalde. oü le General Finck marche de nous avec 20 Ba-
taillons et 35 Esquadrons. Je fais occuper le defil6 de Maxen et celui
d'Oppendorff, ce qui precipitera necessairement la marche de Daun, II y a
encore un Detachement, que j'envoye en Boheme, qui ruinera le Magasin
d' Aussig et qui commettra des ravages considerabies dans la Province pour
hater sa retraite, de sorte que Je puis Me flatter avec quelque apparence de
probabilite qu'entre ci et huit jours il n'y aura plus d'Autrichien» en ce
Pais ci.
Nous avons chancelö et 6t6 prets ä tomber, mais cependant malgr6 toutes
ces infortunes uous nous trouvons debout et a la fin d une Canipagne fcerissöe
de dangers nous nous trouvons ä la fin de cette Campagne dans la position,
oü nous avons 6t6 Tann6e passöe. Ce miracle n'est deu qu ä la malhabilete
et ä toutes les fautes grossieres de nos Ennemis etc.
Digitized by Google
— 39 —
dings bekannt gewordenen Äufserungen von österreichischer Seite,
dafs Daun im ersten Augenblicke der Überraschung über das kühne
Vorgehen des Königs an den Rückzug gedacht hat und „nur durch
Lacys ernstliche Gegenvorstellung abgehalten worden ist, die un-
angreifbare Stellung zu räumen, die er inzwischen hinter dem
Plauenschen Grunde, den rechten Flügel an Dresden gelehnt, ein-
genommen hatte ')". Aber auch für den Fall, dafs Daun sich zu
einem schnellen Vorgehen entschliefsen sollte, mochte der König
glauben, eine ernstliche Gefahr für Finck nicht befürchten zu
müssen. Wilsdruff, wo sich in den nächsten Tagen das preufsische
Hauptquartier befand, war von Dippoldiswalde nur etwa 2 Tage-
märsche entfernt, und der König konnte mit Recht annehmen,
dafs sich Finck wenigstens so lange werde behaupten können, bis
er vom Hauptheere aus ausreichende Unterstützung empfange.
Dafs das möglich war, sieht man am besten daraus, dafs das zu
diesem Zwecke entsandte Hülsensche Korps nur wenige Stunden
zu spät bei Dippoldiswalde ankam und sicher nicht zu spät ge-
kommen wäre, wenn Finck nicht durch den unbegreiflichen Fehler
der vorzeitigen Aufgabe des Passes von Reinhardsgrimma die Ent-
scheidung gleichsam wider Willen beschleunigt hätte. Ja, nach
den vorliegenden österreichischen Quellen mufs es, wie wir nach-
weisen werden, als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden, dafs
der österreichische Angriff auf Maxen vielleicht überhaupt nicht
stattgefunden hätte, sicher aber erheblich verzögert worden wäre,
wenn Daun bei seinem Vorrücken von Dippoldiswalde her den
Pafs von Reinhardsgrimma besetzt gefunden hätte.
Im allerschlimmsten Falle konnte aufserdem der König selbst
mit der Hauptarmee Finck zu Hilfe eilen. Dafs er auf dem Marsch
von Daun angegriffen werden würde, war wenig wahrscheinlich.
Daun hätte dann die Plauener Höhen verlassen und die Entschei-
dung in offener Feldschlacht suchen müssen, und dafs er dazu
wenig Neigung hatte, war dem König gewifs nicht unbekannt.
Eben weil diese Gefahr im Falle eines Vorbeimarsches der ge-
samten preußischen Armee an der linken Flanke der Österreicher
so sehr gering war, hat man neuerdings von sehr berufener Stelle
aus 2 ) die Ansicht ausgesprochen, dafs der König im vorliegenden
Falle sicherer gegangen wäre, wenn er noch kühner vorgegangen,
») Arneth a. a. 0. S. 55. Die Nachricht findet sich schon bei Retzow
a. a. 0. S. 171 Anmerkung.
J ) Bernhardi I, 464/65.
Digitized by Google
— 40 —
unter Zurücklassung eines Beobachtungskorps in der Front der
österreichischen Aufstellung selbst mit dem Hauptteil seiner Armee
in die Stellung von Dippoldiswalde vorgegangen wäre, Finck danu
von hier ans nach Maxen vorgeschickt und die Verbindung mit
ihm durch Besetzung des Postens von Reinhardsgrimma hergestellt
hätte. Annähernd dieselbe Auffassung hat übrigens, wie Taysen 1 )
mit Recht bemerkt, auch Finck selbst schon in der Denkschrift,
welche er im Hinblick auf das Urteil des Kriegsgerichts aufge-
zeichnet hat, ausgesprochen. Möglich, dafs der Zweck des Königs
auf diesem Wege leichter erreichbar war als auf dem thatsächlich
gewählten; erreicht werden konnte er aber auch auf dem letzteren.
Die Umgebung des Prinzen Heinrich freilich, vor allem aber
Finck selbst, war nicht dieser Meinung. Eis wird uns berichtet,
dafs letzterer, als er den Befehl des Königs zum Abmarsch nach
Dippoldiswalde erhielt, in grofse Aufregung geraten sei und be-
schlossen habe, einen Versuch zu machen, den König von diesem
Gedanken wieder abzubringen. Zu diesem Zwecke eilte Finck in
das Hauptquartier nach Krögis, und hier scheint es 2 ) dann zwischen
l ) v. Taysen, a. a. O. S. 67.
'-) Sehr wahrscheinlich hat sich die bekannte Scene zwischen dein Könige
und Finck ungefähr in der Weise abgespielt, wie sie uns überliefert ist. So
ganz unzweifelhaft, wie man bisher angenommen hat-, ist das aber doch nicht.
Denn die Übereinstimmung der Quellen, die allerdings vorliegt, will wenig
besagen, da sie im Grunde alle auf denselben Ursprung zurückgehen. Retzow
und seine Vorgänger und Nachfolger haben sie aus Tempelhoff (III, 353) ent-
nommen; ihm sind auch die neueren Darsteller gefolgt. Woher aber hat sie
Tempelhoff selbst geschöpft? Unzweifelhaft hat er sie von Finck selbst oder
von jemand aus dessen unmittelbarerer Umgebung erfahren; wenigstens ist die
Fassung der Worte des Königs ganz ebenso wie in der Finckschen Denk-
schrift. Ja die Übereinstimmung zwischen dieser und der Darstellung
Tempelhoffs ist an dieser Stelle so auffallend grofs, dafs es mir sehr wohl
im Bereich der Möglichkeit zu liegen scheint, dafs Tempelhoff die Denkschrift
selbst benutzt hat. Ich füge die beiden Stellen zur Ergänzung dessen, was
ich im I. Anhang zur Kritik der Tempelhoffschen Darstellung bemerkt habe,
hier neben einander:
Fincks Denkschrift. Fol. I des Manu-
skripts im Geheimen Staatsarchiv.
Da nun Ihro Majestät der König . . .
den General Wunsch antraf, so befahl
Er denselben, mir mündlich zu sagen,
ich sollte noch denselben Tag nach
Dippoldswalde marchiren ; ich war in-
defsen ausgeritten, um das terrain zu
Tempelhoff III. 352/53.
Als der General- Wunsch mit seinen
Truppen zurück kam, begegnete er
dem Könige, der die Stellung des
Feindes in Augenschein nahm. Der
König gab ihm den Auftrag, dem
General Fink zu sagen, dafs er gleich
d by Google
— 41 —
ihm und dem Könige zu einer sehr erregten Scene gekommen zu
sein. Als nämlich Finck auf die in ungnädigem Tone gestellte
aufbrechen und nach Dippoldiswalde
marschireu sollte, um dem Feinde
den Rückzug nach Böhmen so be-
schwerlich als möglich zu machen;
denn der König glaubte, dafs er sich
gewifs nach diesem Lande zurück-
ziehen würde, um darin die Winter-
quartiere zu nehmen. Es war 3 Uhr
Nachmittags, als der General Fink
diesen Befehl erhielt, und hierauf eilte
er selbst zum König, den er in dem
Dorfe Krögis antraf. Der König
empfing ihn sehr ungnädig und fragte,
ob er seine Befehle nicht erhalten
hätte? Als dies der General Fink
mit Ja beantwortete, sagte der König,
er sollte gleich nach Maxen marschi-
ren; und da er deswegen einige Vor-
stellungen machen wollte, bekam er
zur Antwort: Er weiss, dass ich keine
Difficultäten leiden kann ; mache Er
dafs Er fort kömmt.
besehen, wo der Feind gestanden, da
ich den General Wunsch begegnete,
welcher mir sagte, was ihm der König
befohlen, und dafs Ihro Majestät gantz
in der Nähe wären; es war schon .i l*hr
Nachmittag, die bagage des Corps und
ein Theil der Artillerie war noch zu-
rück, und konte selbiges vor Abend
nicht herankommen; da ich nun so
nahe bey den Könige war, so glaubte
icH sehr gut zu thun, selbsteu hinzu-
reiten und dieserhalb Vorstellungen
zu thun und von Ihro Majestät wegen
mein ferneres Verhalten selbsten Be-
fehle einzuholen. Ich traft 7 Ihro Ma-
jestät in den Dorffe Kroegis an, und
hatten Selbige den General -Major
von Lentu'us bey sich. Ihro Majestät
empfiengen mich wieder Vennathen
höchst ungnädig, mich fragend, was
ich wollte und ob ich seine or-
dres nicht bekommen hätte; da
ich nun antwortete, dafs ich in dieser
Absicht zu Ihro Majestät käme, um
solche zu empfangen, befahlen Sie mir.
ich sollte sogleich nach Maxen
marchiren; da ich nun dieserwegen,
und dafs es unmöglich wäre noch den-
selben Tag zu marchiren, einige Vor-
stellungen thun wollte, sagte mir der
König: Er weifs, dafs Ich keine
difficultäten leydon kan; ich
konte also weiter nichts erhalten, als
dafs ich nur erst den andern Tag als
den 14. (mufs heifsen den 15.) mar-
chiren und meinen March über Frey- 1
berg nehmen durflfte. und waren die
letzten Worthe Ihro Majestät: Herr, j
mache er, dass er fort körnt."
Ich gebe zu, dafs die Übereinstimmung nicht so grofs ist. dafs man
damit eine Benutzung der Denkschrift durch Tempelhoff für erwiesen halten
könnte. Immerhinreicht sie hin. es wahrscheinlich zu machen, dafs Tem-
pelhoff seine Nachrichten direkt oder indirekt von Finck erhielt.
Obwohl demgemäfs die ganze Erzählung im letzten Grunde von Finck
Digitized by Google
— 42 —
Frage des Königs, was er denn wolle, ob er seine Befehle denn
nicht erhalten habe, antwortete, er komme, um dieselben persön-
lich einzuholen, soll der König ihm geantwortet haben, er solle
sogleich nach Maxen marschieren. Und als dann Finck hiergegen
einige Einwendungen machen wollte, soll ihm der König zugerufen
haben: „Er weifs, dafs ich keine Diffikul täten leiden kann". „Herr,
mache Er, dafs Er fortkommt", so sollen die letzten Worte des
Königs an Finck gelautet haben. Dieser allerdings deutlichen
Sprache habe dann Finck keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen
gewagt, sich vielmehr beeilt dem Befehle des Königs nachzukommen.
Er scheint sich in der Folge wirklich beruhigt zu haben; denn
seine Berichte der nächsten Tage sind keineswegs in so verzwei-
felter, beunruhigter Stimmung gehalten, wie man nach den Er-
zählungen der Geschichtschreiber annehmen sollte. Im Gegenteil
scheint es nach diesen Berichten fast, als wenn Finck die Gefahr,
in der er schwebte, anfangs weit weniger klar erkannt hätte, als
der König selbst. Wir werden hierauf im Laufe unserer Er-
zählung noch zurückkommen 1 ).
Finck entsandte nunmehr sofort ein Regiment nach Freiberg,
selbst herstammt, wird man sie doch in der Hauptsache für richtig halten
dürfen ; denn dafs eine Scene ähnlicher Art vorgefallen ist, deutet, wenn auch
in viel unbestimmterer Form, schon Tielcke, dessen erster in Betracht kommen-
der „ Beitrag" schon 1775, also 12 Jahre vor dem ü. Bande Tempelhoffs. er-
schienen ist, an (S. 9 Anmerkung), und auch die Fassung des unter No. 4
im Anhang II mitgeteilten Berichtes Fincks vom 15. läfst auf eine vorange-
gangene Auseinandersetzung mit dem Könige schliefsen.
Schliefslich sei. was bisher übersehen worden ist. noch erwähnt, dafs der
Befehl, nach Dippoldswalde und Maxen vorzurücken, Finck nicht nur, wie
unsere Quellen angeben, durch Wunsch mündlich überbracht wurde, dafs
Wunsch vielmehr auch eine schriftliche Ausfertigung desselben an Finck zu
übergeben hatte. Dieselbe, welche ausdrücklich auf die Wunsch und Gersdorff
mündlich erteilten Weisungen Bezug nimmt, ist von Krögis, 14. November,
datiert und im Anhang II unter No. 2 von mir mitgeteilt worden.
l ) Einstweilen sei schon hier auf eine Äufserung Fincks in einem Be-
richte, den er noch auf dem Marsche am 15. dem König erstattete, hinge-
wiesen. (Anhang II, No. 4). Finck schreibt hier: „Der feind ist in einer
bredouille; wenn er aber von dieser Seythe nuiunehro so sehr eingeschrenkt
wird, sollte Er sich nicht resolviren seine Bagage und einen Theil der Armee
über der Elbe zu schicken und gegen Zittau nach Böhmen marchiren?" Diese
Äufserung beweist doch zweifellos, dafs Finck in jenem Augenblick die
Meinung des Königs, die Entsendung nach Maxen werde Daun zum Über-
gang auf das rechte Elbufer veranlassen, vollkommen teilte und am aller-
wenigsten an eine ihm selbst drohende ernstliche Gefahr dachte.
Digitized by Google
- 43 -
um die in dieser Stadt stehenden 3 Bataillone an sich zu ziehen.
Er selbst brach am frühen Morgen des 15. November von Augustus-
berg bei Nossen auf und gelangte noch an demselben Tage bis
nach Nieder-Bobritsch östlich von Freiberg. Gleichzeitig ging der
Obriste Kleist, der in Freiberg stand, mit einem leichten Streif-
korps über Augustusburg und Marienberg nach Böhmen ab, um
die österreichischen Magazine in Saaz, Teplitz und Aulsig zu ver-
nichten.
Finck hatte seine Avantgarde unter Wunsch schon am 15.
bis Küngenberg (östlich von Nieder-Bobritsch) vorrücken lassen;
er selbst brach am 16. von letzterem Orte auf und marschierte
bis Dippoldiswalde. Hier kam es dann zu dem ersten kleinen Zu-
sammenstofs mit dem Feinde. Als nämlich Fincks Avantgarde bei
Dippoldiswalde anlangte, entdeckte sie jenseit des Orts eine Feld-
wache der Reichsarmee, die natürlich alsbald zurückgeworfen wurde.
Von Gefangenen, die man bei dieser Gelegenheit machte, erfuhr
man, dafs eine stärkere Abteilung der Reichsarmee — man sprach
von 4 Bataillonen Baiern und Pfälzern und 4 Grenadier-Kom-
pagnien und behauptete, dafs der Prinz von Stolberg und der Ge-
neral Effern selbst sich bei dieser Abteilung befanden — auf den
Anhöhen bei Ober-Häfslich nördlich Dippoldiswalde stände. Diese
Aussage der Gefangenen war ganz korrekt: es war eine Abteilung
der Reichsarraee, der Fincks Truppen hier begegneten. Aber Finck
benutzte diese Gelegenheit zu schneller That nur wenig. Er selbst
entschuldigt das damit 1 ), dafs ein starker Nebel, der an jenem wie
an den folgenden Tagen herrschte, ihn an einer genauen Erkun-
dung der Zahl und Stellung der Feinde verhindert habe. Genug,
ein ernstlicher Angriff wurde nicht untemommeu. Finck begnügte
sich damit, die Vorposten der Feinde, die ihn bei seinem Vorgehen
in nicht eben energischer Weise mit Kanonen beschossen, zu ver-
treiben und durch Gersdorff mit einiger Reiterei verfolgen zu lassen.
Man uahm dem Feinde 2 Kanonen und eine Anzahl von Gefangeneu
ab. Die Abteilung der Reichsarmee zog sich, ohne sehr erheblich
behelligt zu werden, nach Dresden zurück, von wo sie am nächsten
Tage mit dem übrigen Teile den Marsch über Pirna nach Giefs-
hübel antrat.
Finck klagt in dem Berichte, welchen er dem Könige noch
an demselben Tage über den kleinen Zusammenstofs erstattete,
l i Beriebt No. 0 im Anhang II, der den kleinen Zusammenstofs viel
eingebender schildert als Teinpelhoff III, 353.
Digitized by Google
- 44 —
dafs er bei weitem noch nicht sein ganzes Korps zusammen habe.
Ein bedeutender Teil unter Lindstädts Führuug sei noch zurück,
weil die Wege so abscheulich schlecht seien, dafs namentlich die
schweren Kanonen, die „Brummer", nicht fortzubringen seien.
Obwohl Finck übrigens jetzt schon durch Deserteure die allerdings
verfrühte Nachricht erhielt, dafs Brentano mit einem besonderen
Korps gegen ihn entsandt werden solle, um ihm die Verbindung
mit dem Könige abzuschneiden, fafste er seine Lage doch keines-
wegs als eine ungünstige oder gar verzweifelte auf, gibt vielmehr
seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dafs weder Daun noch die
Reichsarmee ernstliche Anstalten zum Rückzüge nach Böhmen
träfen. Er scheint also auch jetzt noch im grofsen und ganzen
die Ansicht des Königs über die Lage geteilt zu haben.
Nachdem Finck selbst in Dippoldiswalde angelangt war, ent-
sandte er alsbald die aus 6 Bataillonen, G Schwadronen Husaren
und den Dragonerregiraentern Plathen und Württemberg bestehende
Avantgarde unter Kommando des Generals Wunsch nach Maxen.
Die Infanterie bezog ein Lager auf den Höhen bei diesem Dorfe,
Wunsch selbst ging mit einem Freibataillon und den Husaren noch
bis Dohna vor, wo er einige Truppen der Reichsarmee antraf, die
sich indessen bei seiner Annäherung auf Grofs-Sedlitz zurückzogen 1 ).
Die Nachrichten, die man über die Bewegungen der Feinde
erhielt, lauteten unbestimmt und widersprechend genug, doch
waren die meisten derart, dafs sie Finck in seiner Annahme, Daun
wolle den Rückzug nach Böhmen antreten, bestärkten; man wollte
wissen, dafs Daun bereits die sämtliche Bagage über die Schiff-
brücke bei Dresden auf das rechte Elbufer geschafft habe, und
dafs dieselbe ihren Weg über Stolpen nehmen solle.
Im wesentlichen war Finck nunmehr in den ihm vom Könige
bezeichneten Stellungen angelangt. Er selbst wollte Wunsch nach
Maxen folgen, sobald Lindstädt, der mit einem Teil der Truppen
noch immer zurück war, angelangt sein würde. Die Frage war
nun, welche Gegenmafsregeln die Österreicher ergreifen würden,
ob sie, wie der König und auch Finck selbst annahmen, sich durch
das in ihrem Rücken stehende Korps des letzteren so beunruhigt
fühlen würden, dafs sie es vorzögen, sich nach Böhmen zurück-
zuziehen, oder ob sie den energischen Entschiufs fassen würden,
Vgl. No. 6 und 7 des Anhangs II mit der Darstellung Tempelhoffs
III. 353.
Digitized by Google
— 45 —
sich aus den Fängen des unbequemen Drängers zu befreien. Davon,
wie ihr Entschlufs ausfiel, mufste das Schicksal der nächsten Tage
abhängen.
Viertes Kapitel.
»
Gegenmafsregeln der Österreicher. Beiderseitige Bewegungen
am 18. und 19. November.
Wir hoben schon hervor, dafs in der That eine Nachricht auf
uns gekommen ist, nach welcher Daun nach der Entsendung des
Finckschen Korps in den Rücken der österreichischen Aufstellung
wirklich ernstlich daran gedacht habe, sich nach Böhmen zurück-
zuziehen, d. h. eben das zu thun, was der König mit jener Mafs-
regel bezweckt hatte. Schliefslich aber gewann doch in seiner
Umgebung die ruhige Überlegung die Oberhand, Die Uberliefe-
rung schreibt Lacy das Verdienst zu, daraufhingewiesen zu haben,
dafs es doch möglich sein müsse, das schwache Fineksche Korps
mit überlegener Macht aus seiner Stellung zu vertreiben oder gar
von allen Seiten einzuschliefsen und auf die eine oder andere Weise
zu vernichten. Man wird Daun zugestehen müssen, dafs er, nach-
dem er sich einmal von dieser Möglichkeit hatte überzeugen lassen,
mit Umsicht und Besonnenheit die erforderlichen Mafsregeln ergriff.
Sobald er die Nachricht von der Entsendung Fincks erhalten
hatte, beschlofs er, sich mit der Hauptarmee in die unangreifbare
Stellung, welche ihm der Plauensche Grund westwärts von Dresden
darbot, zurückzuziehen, die Reichsarmee weiter südlich zu entsen-
den und mit ihr im Verein mit einem Teile der österreichischen
Armee eine Aufhebung des Finckschen Korps zu versuchen. Dafs
die Hauptarmee in der genannten Stellung vor einem Frontangriff
des Königs sicher sei 1 ), konnte er mit Bestimmtheit annehmen.
Mit um so gröfserer Ruhe und, wie er hoffen konnte, um so
leichter unbemerkt von der Aufmerksamkeit des Königs konnte
er die Mafsregeln gegen Finck ins Werk setzen. Zunächst galt
es die Hauptarmee gegen Finck zu sichern. Zu diesem Zweck
wurde der Heeresteil, der bisher unter Sincere die rechte Flanke
der Armee gedeckt hatte, auf die Höhen von Rippgen im Rücken
der Hauptaufstellung, mit der Front gegen das Fineksche Korps,
») Die zeitgenössischen Ueschiehtsquellen schildern sämtlich die Unan-
greifbarkeit der Stellung im Plauenschen Grunde mit beredten Worten
Digitized by Google
46 —
aufgestellt. Ein zweites kleineres Korps unter Brentano wurde
ebenfalls südwärts entsandt, und zwar sollte es zunächst auf der
Strafse nach Pirna fortmarschieren, dann aber sich mehr westwärts
halten, während gleichzeitig auf dem geraden Wege über Mügeln
und Pirna die ganze Reichsarmee in die ihr bei Giefshübel ange-
wiesene Stellung rücken sollte. So konnte man hoffen, Finck von
drei Seiten zugleich entgegentreten zu können.
An demselben 17. November, an welchem diese Vorkehrungen
im österreichischen Heerlager teils angeordnet, teils schon zur Aus-
führung gekommen waren, wurden auch in der preufsischen Stellung
zwei wichtige Veränderungen vorgenommen. Auf der einen Seite
folgte der König mit der preufsischen Hauptarmee der sich nach
Plauen zurückziehenden österreichischen bis Wilsdruff, wo er der
letzteren gegenüber ein Lager bezog, auf der andern Seite rückte
Finck, nachdem nunmehr Lindstädt mit dem Rest des Korps in
Dippoldiswalde angelangt war, mit dem Hauptteil seines Korps
nach Maxen vor, während Wunsch mit der Avantgarde endgiltig
in die Stellung von Dohna einrückte 1 ). Um sich eine Verbindung
mit der Hauptarmee des Königs offen zu halten, liefs Finck in
Dippoldiswalde Lindstädt mit 4 Bataillonen und dem Kürassier-
regiment von Vasold stehen und stellte aul'serdem bei Ober-Häfslich
den Major von Haugwitz mit 3 Schwadronen auf, um beständig
nach der Gegend von Possendorf und Rabenau zu patrouillieren,
damit man rechtzeitig von allen feindlichen Bewegungen Kunde
erhalte.
Während Finck sich so gegen etwaige Bewegungen der öster-
reichischen Hauptarmee mit ausreichender Vorsicht zu decken
suchte, scheint er dem Marsche der Reichsarmee nicht dieselbe
Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Sonst hätte er sich unmÖg-
ich die unvergleichliche Gelegenheit, dieselbe während ihres
Marsches anzugreifen, unbenutzt entgehen lassen. Schon Bern-
hardi 2 ) hat darauf hingewiesen, dafs das ein unbegreiflicher
Fehler Fincks gewesen sei; denn unzweifelhaft konnte er sich doch
') Die nächsten Ausführungen dürften dem Leser ohne Zuhilfenahme
eines Planes nur schwer verständlich sein. Von den leicht zugänglichen ge-
druckten Plänen, neben denen es noch eine ganze Reihe handschriftlicher
giebt. zeichnen sich durch Deutlichkeit und Übersichtlichkeit die dem 1. „Beitrag 44
Tielckes beigegebenen aus; von neueren Plänen erwähnen wir vor allem den
ganz vortrefflichen in den „Beiträgen zur Geschichte der österreichischen
Kavallerie. 44
•0 I, 461.
Digitized by Google
— 47 -
der bekanntlich nicht eben hervorragend disciplinierten, ihm auch
an Zahl unterlegenen ') Reichsarmee für gewachsen erachten. Dafs
dieselbe sich auf dem Marsche von Mügeln nach Pirna befinde,
hatte er schon, als er noch in Dippoldiswalde stand, durch Wunsch
erfahren 2 ) und fand es nach seiner Ankunft in Maxen durch eigene
Beobachtung bestätigt. Unbegreiflicher Weise aber kam er gar
nicht auf den Gedanken, dem gegenüber schleunigst seine Truppen
zusammenzuziehen und die Reichsarmee im Marsche anzugreifen.
Es ist in hohem Mafse wahrscheinlich, dafs dieser Versuch gelungen
und die Reichsarmee durch einen energischen Angriff auf Dresden
zurückgeworfen worden wäre; denn Brentano stand mit seinem
Korps am 17. noch nicht nahe genug, um schnell eingreifen zu
können. Dafs mufste Finck wissen, da eben am Morgen dieses
Tiiges ein an Brentano vom Hauptkorps entsandter Adjutant in
die Hände der Truppen Wunschs gefallen war 3 ) eben weil er dessen
Korps noch nicht in der ihm bezeichneten Stellung angetroffen hatte.
Seinerseits aber hätte Finck die Reichsarmee von Maxen und
Dohna aus sehr schnell erreichen können; einzelne kleinere Kroa-
tentrupps waren unmittelbar bei letzterem Orte vorbeimarschiert
und hatten ihn sogar vorübergehend besetzt, wurden aber von
Wunsch wieder vertrieben 4 ). Weiter geschah von preufsischer
Seite nichts. Ein ernstlicher Angriff hätte das Netz, in welchem
die Feinde Finck zu fangen gedachten, zerrissen, bevor es noch
zugezogen war. Aber — der Angriff unterblieb. Der einzige
Erklärungsgrund für diese Unthätigkeit Fincks bei dieser wichtigen
Gelegenheit liegt darin, dafs er glaubte, die Reichsarmee wolle
sich „Hals über Kopf" nach Böhmen zurückziehen 5 ). Er scheint
also auch in diesem Momente noch keineswegs, wie er später immer
») Denn ein grofser Teil derselben war in Dresden als Besatzung dieser
Hauptstadt zurückgeblieben, so dafs der für den Marsch nach Griefshübel ver-
fügbare Rest kaum mehr als 10 MO Hann betragen haben dürfte.
') Vgl. Anhang II, Ber. No. 8.
») Ebenda No.-8 und 9.
4 ) Sammlung ungedr. Nachr. II, 594; vgl. unten im Anhang I.
*) Anhang II, No. 8; „Wunsch läst mir melden, dafs man die Armee
durch Mügeln delilireu sähe nach Pirna; ich weifs aber zuverlässig, dafs es
nur die Reichs- Armee ist; alles, was von selbiger in Dresden gestanden, ist
gestern ausmarchiret [das ist ein Irrthum Fincks, ein grofser Theil der
Reichsarmee blieb in Dresden] und, wie es heist, gehet alles über Halfs und
Kopf nach Böhmen; ob Daun diesen Weg folgen wird oder bey Dresden die
Elbe passiren, weiss ich noch nicht; in Dresden soll kein Mensch mehr an
einer Defension gedencken."
- 48 —
behauptet hat, an eine Gefahr, die ihm von diesen vorbeimar-
schierenden Truppen drohe, geglaubt zu haben. Gerechtfertigt
wird übrigens sein Verhalten auch dadurch nicht; denn gerade die
Erschwerung und Beunruhigung des von dem Könige erwarteten
Rückzugs der Österreicher war der Zweck, der mit Fincks Ent-
sendung erreicht werden sollte. Jedenfalls haben wir in seinem
Verhalten an diesem Tage den ersten der Fehler, die er begangen
und durch die er seinen Untergang zum grofsen Teil selbst ver-
schuldet hat, zu erkennen.
Es kann hierbei nicht oft genug darauf hingewiesen werden,
dafs Finck nicht, wie er später im Verein mit seinen litterarischen
Genossen mit Bestimmtheit behauptet hat, die ihn bedrohende Ge-
fahr von Anfang an vorausgesehen hat, dafs er vielmehr, wie wir
sahen, auch jetzt noch durchaus die Meinung des Königs, dafs die
Österreicher sich nach Böhmen zurückziehen würden, getheilt zu
haben scheint.
Noch am 17. hat Finck dem Könige in einem eingehenden Be-
richte Nachricht über die von ihm bezogene Stellung gegeben ').
Leider besitzen wir die Antwort, welche der König auf diesen
Bericht erteilt hat, nicht. Wohin aber seine Ansicht neigte, er-
giebt sich aus einer Dorsualbemerkung, die er den Kabinetssekretär
Eichel auf die Rückseite des ersten der drei von Finck am 17. er-
statteten Berichte (Anhang No. 7) schreiben liefs. Diese Bemer-
kung enthält nur die kurze Weisung, dafs Finck mit seinem ganzen
Korps nach Maxen gehen, d. h. doch alle erheblicheren Detaschie-
rungen vermeiden solle. Der König sah sich zu diesem Befehle
durch die Meldung Fincks, dafs er Lindstädt in Dippoldiswalde
zurücklassen wolle, veranlafst. Von der Entsendung Wunschs nach
Dohna wufste der König noch nichts. Aber die Fassung jener
Dorsualbemerkung läfst erkennen, dafs er auch diese Entsendung
nicht gebilligt haben würde. Er war der Ansicht, dafs Finck sein
ganzes Korps zusammenhalten müsse, um einem unvorhergesehenen
Angriffe nachdrücklichen Widerstand leisten zu können. Unsere
chronikalischen Quellen, nach denen der König ausdrücklich nur
die Heranziehung Lindstädts aus Dippoldiswalde befohlen hat 2 )
') Anhang II, No. 9.
*) Den Befehl des Königs, dafs Lindstädt nach Maxen nachrücken
solle, von dem wir sonst nur jene Andeutung in der Dorsualbemerkung be-
sitzen, bringen alle Quellen bei; er findet sich schon bei Tielcke S. 0, ebenso
bei Gaudy und in der „Sammlung ungedr. Nachr." II, 694, sowie an der betr.
Digitized by Google
— 49 —
— wie natürlich, da er von der Entsendung Wunschs noch nichts
wufste — , tadeln diesen Befehl des Königs mit schroffen Worten
und sind geneigt, demselben das ganze Unglück Fincks zuzuschreiben;
denn durch die Aufgabe Dippoldiswaldes sei die Verbindung mit
der Hauptarmee des Königs aufgehoben worden. Und allerdings
kann nicht geleugnet werden, dafs die Besetzung Dippoldiswaldes
mit Rücksicht hierauf von Bedeutung war. Aber die Beobachtung
der Österreichischen Hauptarmee, auf die es vornehmlich ankam,
konnte auch durch eine kleinere Kavallerie- Abteilung, wie eine
äolche dann thatsächlich in Dippoldiswalde verblieb, erreicht werden.
Eine solche dort zurückzulassen war auch gewifs der Ansicht des
Königs nicht entgegen. Er wollte nur die Entsendung erheblicherer
Korps verhindern, die sich doch als zwecklos erwiesen haben würde.
Denn zum Widerstand gegen einen ernstlichen Angriff würden die
wenigen Bataillone Lindstädts doch nicht ausreichend gewesen
sein. Zur Patrouillierung und Beobachtung der Stellung der öster-
reichischen Hauptarmee aber waren auch einige Husaren-Schwadronen
ausreichend. Der König hatte also so Unrecht doch nicht, wenn
er Finck anbefahl, Lindstädt mit den Infanterie-Bataillonen an
sich zu ziehen. Dafs er gegen die Zurücklassung der Husaren-
Schwadronen Einwendungen gemacht habe, davon findet sich in
keiner unserer Quellen eine Andeutung, die, als zur Entschuldigung
Fincks dienend, doch gewifs nicht unterblieben wäre, wenn etwas
derartiges wirklich erfolgt wäre. Wenn also Finck 1 ) und seine
Anhänger in jenem Befehl des Königs geradezu die Ursache des
ganzen Unheils zu erkennen behaupteten, so war das zum wenigsten
eine arge Übertreibung. In dem Moment wenigstens, in welchem
Finck jenen Befehl erhielt, scheint er keineswegs seine Lage durch
Stelle der handschriftl. „Relation 4 *, anf der das Journal beruht; Tempelhoff III,
:J55 hat ihn in etwas ausführlicherer Fassung, der Retzow II, S. 173 und die
späteren folgen. Namentlich Retzow tadelt den Befehl mit schroffen Worten.
Dafs derselbe übrigens thatsächlich erteilt wurde, ergibt sich nicht nur aus
jener Dorsualbemerkung, sondern auch aus den Antworten Fincks. (Anhang II,
No. 10 u. 11.)
J ) Vgl. mit den auf vorg. Seite in der Anm. citierten Stellen die nach-
folgende Äufserung Fincks in der im Anhang IV. mitgeteilten Denkschrift:
„Dem Könige meldete ich, wie ich auf dessen Befehl die Generals Lindstaedt
und Vasold an mich gezogen hätte, dafs nunmehro aber das Loch bey Dip-
poldswalde völlig offen wäre, und machte Dim zugleich die Beschreibung von
der gantzen feindlichen Position, worauf aber keine Antwort mehr erhalten
habe."
HlMori-h. Uat™.rh.n,.n. 7. 4
Digitized by Google
— 50 -
dessen sofort erfolgte Ausführung für besonders gefährdet gehalten
zu haben. In dem ersten Berichte, den er darauf hin dem Könige
erstattete 1 ), meldete er nur ganz kurz, dafs er den Befehl ausge-
führt habe, ohne eine direkte Meinungsäufserung daran zu schüefsen.
Dafs er aber an eine dadurch entstehende Gefahr nicht dachte,
geht deutlich aus der Nachschrift zu seinem Berichte hervor, in
welcher er ausdrücklich seine Meinung dahin ausspricht, „er glaube
schwerlich, dafs er eine affairo generale mit den Leuten bekommen
werde." In einem zweiten Bericht von demselben Tage 2 ) deutet
er allerdings an, dafs er die Räumung des Postens von Dippoldis-
walde für bedenklich halte und deshalb zwar Lindstädt an sich
gezogen, aber doch wenigstens drei Schwadronen Husaren dort
stehen gelassen habe, aber so dringlich, wie man nach seinen
und seiner Anhänger späteren Äufserungen glauben sollte, ist ihm
die Gefahr keineswegs erschienen; im Gegenteil, er gibt unmittel-
bar nachher nochmals seiner Ansicht Ausdruck, dafs in wenigen
Tagen („zwischen morgen und übermorgen") Sachsen vom Feinde
geräumt sein werde. Wenn also unsere Quellen 3 ) behaupten, Finck
habe die in der Aufgabe von Dippoldiswalde liegende grofse Gefahr
dem Könige mit eindringlichen Worten geschildert und dabei eine
eingehende Darstellung der Stellung sämtlicher feindlicher Korps
gegeben und erklärt, er würde bei Maxen und Dohna vom Feinde
völlig umringt werden, so müfsten alle diese Äufserungen in einem
verloren gegangenen Berichte Fincks gestanden haben. In den
erhaltenen findet sich davon nicht das mindeste; im Gegenteil
lassen sie deutlich erkennen, dafs Finck an eine ernstliche ihm
drohende Gefahr damals noch gar nicht dachte und über die Be-
wegungen des Brentanoschen und Sincereschen Korps gar keine
zuverlässigen Nachrichten hatte. Aber auch das ist nicht einmal
wahrscheinlich, dafs ein Bericht des von unseren Quellen und von
Finck selbst später bezeichneten Inhalts verloren gegangen ist;
denn sonst iniüste sich doch die darin bezeichnete geäncrstisrte und
fast verzweifelnde Grundstimmung mit noch gröfserer Klarheit und
*) Anhang II, No. 10.
*) Anhang II, No. 11.
3 ) Noch ausführlicher als die übrigen Quellen äufscrt sich über den
Befehl des Königs und die von Finck dagegen erhobenen Einwendungen das
Graudysche Journal, welches in dem Teile über den Feldzug von 17Ö9.
S. 301—24 die Katastrophe von Maxen eingehend behandelt. Die betr. Stelle
ist unten im Anhang 1 ausführlich besprochen.
Digitized by Google
- 51 -
Schärfe in dem am folgenden Tage (19. November) erstatteten
Berichte ') Fincks wiederspiegeln. Das ist aber keineswegs der
Fall; im Gegenteil. Obgleich Finck, als er jenen Bericht nieder-
schrieb, schon mit Bestimmtheit wufste, dafs ein österreichisches
Korps gegen ihn im Anmarsch nnd schon bis Dippoldiswalde ge-
langt sei, denkt er doch noch immer keineswegs daran, dafs ihm
eine Gefahr der Umzingelnng drohe, ist vielmehr noch immer der
Ansicht, dafs sich die Österreicher nur den Weg nach Böhmen
frei machen wollten. Er sagt sogar ausdrücklich das Gegenteil
von dem, was ihm die späteren Berichte zuschreiben. „In meinem
Posten," so berichtet er dem Könige, „werden sie mich nicht at-
taquieren; allen Abbruch von der Welt werde ich ihnen thun.
Sollten sie aber wider Vermuten mich eiuschliefsen wollen,
so bin versichert, E. K. M. werden mich degagiereu."
Wir werden sehen, dafs der König selbst, noch bevor Finck
diese Worte niederschrieb, schon eine viel bestimmtere und klarere
Vorstellung von der wirklichen Sachlage hatte. Wir haben also
die ganze Überlieferung, nach welcher Finck vom ersten Augen-
blick an die ihm drohende Gefahr erkannt und den König immer
und immer wieder vergeblich gewarnt habe, als eine unzweifel-
hafte Entstellung der historischen Wahrheit zu betrachten. Die
Berichte Fincks selber zeugen mit aller Deutlichkeit gegen das,
was er später, um sich zu rechtfertigen, behauptet hat und was
ihm dann eine ganze Reihe anderer nachgeschrieben haben.
Wir sahen, dafs Finck, dem Befehle des Königs entsprechend,
den bisher in Dippoldiswalde zurückgelassenen General Lindstädt
nach Maxen an sich gezogen und bei Dippoldiswalde nur 3 Schwa-
dronen Husaren stehen gelassen hatte. Der Hauptteil des Korps
stand also jetzt bei Maxen, ein vorgeschobenes Korps unter
Wunsch, welches nach dem Eintreffen Lindstädts in Maxen durch
zwei weitere Bataillone verstärkt wurde, in Dohna. Die Bäckerei
befand sich in Freiberg. Von dort brachten am 18. November
zwei Bataillone (Zastrow und Grabow) einen Brottransport zu dem
Finckschen Korps. Sie wurden bei Dippoldiswalde von den Spitzen
des soeben anrückenden Sincereschen Korps ein wenig beschossen,
vermochten aber mit sehr geringem Verlust an ihren Bestimmungs-
ort zu gelangen. Für Finck aber hatte dieser kleine Angriff
gegen den Brottransport die Bedeutung, dafs er dadurch von
l , Anhang II, No. 13.
4*
Digitized by Google
- 52 —
dem Herannahen eines österreichischen Korps in Kenntnis gesetzt
wurde.
Inzwischen hatte nämlich Dann begonnen an dem Netze zu
arbeiten, in welchem er das Fincksche Korps zu fangen gedachte.
Am 18. November wurde mit dem Befehlshaber der Reichsarmee
die Verabredung getroffen, dafs dieser von Giefshübe) und Dohna
aus dem Finckschen Korps in den Rücken fallen sollte, während
Daun selbst von Dippoldiswalde aus den Angriff gegen dessen Front
unternehmen wollte. Während aufserdem das Brentanosche Korps
bis Röhrsdorf vorgeschoben wurde, sollte der Hauptangriff von
Dippoldiswalde her mit dem Sincereschen Korps unternommen
werden. Zu diesem Zwecke wurde das letztere Korps, welches
schon bisher allein dem Finckschen überlegen war 1 ), noch mit
5 Grenadierbataillonen, 3 Infanterie-Regimentern, 1 Bataillon Kroa-
ten und zwei Kürassierregimentern verstärkt und dem Kommando
des im Range älteren Generals Odonnel unterstellt. Alsdann
setzte es sich am 19. früh um 7 Uhr von Rippgen aus auf der
geraden Strafse nach Dippoldiswalde in Marsen. Finck, der an
demselben Morgen nach den Höhen von Gompsen und Röhrsdorf
geritten war, konnte diese Bewegung des Sincereschen Korps
deutlich wahrnehmen, aber wir sahen schon, dafs er ihr eine so
sehr grofse Bedeutung nicht zuschrieb, vielmehr in seinem Bericht
an den König, den er eben an diesem 19. niederschrieb, noch der
Ansicht Ausdruck gab, dafs die Österreicher sich nur den Rück-
zug freimachen wollten.
Der König aber war in diesem Augenblicke bereits anderer
Ansicht. Er hatte schon am 18. abends durch Zieten Kunde von
dem bevorstehenden Marsche des Sincereschen Korps erhalten und
daraus ganz richtig geschlossen, dafs es auf das Fincksche Korps
abgesehen sei, dafs Daun also keine Rückzugsgedanken hege. Als-
bald teilte er Finck den von Zieten erstatteten Bericht mit und
stellte es ihm völlig anheim, welche Mafsregeln er demgegenüber er-
greifen wolle 2 ). Noch wäre es ja Finck ein leichtes gewesen, den
') Es bestand aus folgenden Regimentern: Hnsaren-Regiment Scezeni,
Stabs- Dragoner- und Jnng-Modena-Dragoner-Regiment, den Kürassier-Regi-
mentern Zerbelloni, .Pretlach, Schmerzing, Alt-Modena und 16 Bataillonen
Infanterie. Tielcke S. 6 vgl. mit Tempelhoff III, 357.
2 ) Vgl. das entscheidende Schreiben des Königs von 18. November im
Anhang II No. 12. Es ist bekannt, welche Rolle dasselbe in den Darstel-
lungen aller unserer Quellen spielt. Diese Rolle ist insofern sehr eigentüm-
Digitized by Google
— 53 —
Österreichern mit Besetzung von Dippoldiswalde zuvorzukommen.
Der König mag angenommen haben, dafs Finck das thun werde.
Denn dafs die Besetzung Maxens nur Mittel zum Zweck, nicht
Endziel der Entsendung Fincks gewesen sei, mufste er bei dem
letzteren als bekannt voraussetzen. Nicht darauf kam es doch an,
den Posten von Maxen unter allen Umständen, auch gegen 3- und
4 fache Ubermacht zu halten, sondern darauf, Daun durch die Be-
setzung dieses Postens zum Rückzüge nach Böhmen und zur Auf-
gabe Dresdens zu bewegen. Das war Finck doch bekannt. Er
mufste wissen, dafs jetzt die Erhaltung seines Korps die Haupt-
sache war, nachdem der mit seiner Entsendung beabsichtigte
Zweck verfehlt worden war. Was konnte dem Könige an Maxen
Hegen, wenn dieser Endzweck nicht erreicht wurde ') ? Diese Auf-
fassung hielt der König für so selbstverständlich, dafs er die Wahl
der zu ergreifenden Mafsregeln getrost Finck anheimstellen zu
lieh, als das Schreiben von beiden Parteien als für sie sprechend angesehen
wnrde. Der König und mit ihm das Kriegsgericht legten mit Hecht eben
daranf Nachdruck, dafs durch dieses Schreiben die Entscheidung völlig in
Fincks Uände gelegt wurde, dafs daher gerade in Folge dieses Schreibens
die Verantwortung allein diesen treffe. Von den zeitgenössischen Schrift-
stellern hat allein Tielcke, dem es also auch bekannt gewesen sein mufs,
klar erkannt, dafs dieses Schreiben entscheidend gegen Finck zeuge und im
Kriegsgericht gegen ihn den Ausschlag gab (S. 9., Anm. **). Alle übrigen
Schriftsteller, voran Finck selbst in seiner Denkschrift und die Umgebung
des Prinzen Heinrich, legen den Nachdruck auf die eigenhändige Nachschrift
des Königs, die sie als für Finck sprechend nur dadurch bezeichnen konnten,
dafs sie ihr einen ganz anderen Sinn unterlegten, als sie thatsächlich ge-
habt hat.
') Diese in der Natur der Sache liegende Auffassung wird zudem noch
ausdrücklich bestätigt durch das im Anhang II abgedruckte Schreiben Frie-
drichs an den Minister Grafen von Finckenstein, welches unmittelbar unter
dem Eindruck des Ereignisses, am 22. November, geschrieben ist. Hier heifst
es: „Ce Corps ayant etg attaqu§ le 20 e - par un Ennemi fort superieur, au
lieu de se replier sur Freyberg, comme il devoit le faire dans ce
cas, a (sie!) malheureusement pris le parti de se retirer vers la petite ville
de Dohna" etc. Und dem entsprechend heifst es in einem Anhang II No. 21
auszttglich mitgeteilten Kabinets9chreiben an Schlaberndorf vom 27. November.
„Der Gen.-Lieut. v. Fink hatt sich nach freyberg retiriren sollen,
allein die umstände haben ihn ohne zweiffei genöthiget sich nach dem Städt-
gen Dohna zu retiriren" etc. Man sieht, dafs der König keineswegs der Ansicht
war, dafs Finck unter allen Umständen habe in Maxen stehen bleiben
sollen, dafs er vielmehr als selbstverständlich ansah, dafs sich Finck im Falle
eines allzu überlegenen Angriffs nicht nur nach Dippoldiswalde, sondern sogar
nach Freiberg zurückziehen müsse.
Digitized by Google
- 54 —
dürfen glaubte. Klarer konnte er das nicht thun, als indem er
ihm schrieb, er überlasse „dies alles seinen Dispositionen und nö-
tigen Anstalten." Der König glaubte indes, dafs auch im Falle
der Aufgabe des Postens von Maxen ein Kampf mit einer der
feindlichen Armeen nicht zu vermeiden sein werde. Nur diesen
Sinn konnte seine eigenhändige Nachschrift haben: „Er wird ent-
weder mit den Reichern oder mit Sincere einen Gang haben."
Ganz unbegreiflicherweise ist von Finck und seinen Anhängern
dieser einfachen Meinungsäufserung des Königs die Bedeutung
eines Befehls untergeschoben worden. Wenigstens haben sie dies
später behauptet '). Ob Finck diese Auffassung schon im Augen-
blicke des Vorgangs selbst gehabt hat, ist sehr zweifelhaft.
Möglich, dafs er jenes Schreiben des Königs vom 18. noch nicht
erhalten hatte, als er den Bericht vom 19. abfafste; sicher aber ist,
dafs er nach diesem schon näher besprochenen Briefe auch in
jenem Momente noch keine klare Vorstellung von der ihm drohen-
den Gefahr gehabt hat und deswegen in Maxen stehen geblieben
ist. Darauf läfst sogar eine andere Stelle eben jener Denkschrift
mit einiger Wahrscheinlichkeit schliefsen. Er sagt nämlich : „Dafs
ich nicht früh genung erfahren 2 ), dafs der Feldmarschall Daun mit
fast den gantzen zweyten Treffen in der Nacht aufgebrochen, sich
mit Sincere conjungiret und nach Dippoldswalde marschiret ist,
davon ist mir wohl nicht die Schuld beyzumessen" ; und weiter :
„Man saget, warumb ich den Feldmarschall Daun nicht bey Dip-
poldswalde attaquiret hätte; es ist wahr, dafs es mir, nach dem
Evenemcnt zu judiciren, leid thut, dafs ich es nicht gethan habe" etc.
Ohne Zweifel erkennt er doch damit die Berechtigung dieses Ein-
wands an, d. h. er gibt zu, dafs ein Verlassen der Maxener
Stellung und ein Angriff auf Dippoldiswalde mit jenem Befehl des
Königs recht wohl vereinbar gewesen wäre. Finck ist also von
der Schuld, der. richtigen Moment zur Aufgabe des Maxener
Postens versäumt zu haben, in keinem Falle freizusprechen. Aber
auch wenn er blieb, war ein anderer Ausgang, wie wir gleich
sehen werden, keineswegs aufser dem Bereich der Möglichkeit.
M Vgl. die betr. Stelle in der Denkschrift Fincks im Anhang IV. die
schon wiederholt, zuletzt von v. Taysen a. a. 0. S. 68 wörtlich mitgeteilt ist.
2 ) Wir haben oben gezeigt, dafs diese Angabe thatsächlich unrichtig
ist, dafs Finck schon am Morgen des 19. über die Bewegung des Sin cereschen
Korps durch eigene Beobachtung unterrichtet war.
Digitized by Google
— 55 —
Wenden wir nunmehr unsere Aufmerksamkeit dem weiteren Fort-
gange der beiderseitigen Bewegungen zu.
Als das Sinceresche, nunmehr Odonnelsche Korps vor Dip-
poldiswalde eingetroffen war, kam Daun selbst von der Hauptarmee
herangeeilt, um die weiteren Mafsnahmen zu leiten. Das Korps
bezog ein vorteilhaftes Lager nördlich von Dippoldiswalde, mit dem
rechten Flügel an die Höhen von Maltern, mit dem linken an
die von Ober-Häfslich gelehnt; 3 Bataillone wurden nach Dip-
poldiswalde vorgeschoben. Dann begab sich Daun Zur Hauptarmee
zurück, um zugegen zu sein, wenn der König etwa eine Bewegung
gegen diese vornehme.
Nunmehr konnte Finck nicht mehr im Unklaren darüber sein,
dafs es auf einen ernstlichen Angriff gegen ihn abgesehn sei. Er
erkannte sofort, dafs es, um sich gegen denselben zu decken, vor
allem erforderlich sei, den Pafs von Reinhardsgrimma, der den
einzigen Zugang von Dippoldiswalde nach seiner Stellung in Maxen
darbot, zu besetzen. Zu diesem Zweck erhielt der General- Major
von Platen, der soeben dem Brottransport entgegengesandt worden
war und sich auf dem Rückwege befand, den Befehl, mit den
Truppen, die er bei sich hatte (3 Grenadierbataillonen und einem
Dragoner-Regiment) die Höhen bei Reinhardsgrimma und dieses
Dorf selbst zu besetzen. Aufserdem blieb das Bataillon Zastrow
bei Reinhardsgrimma stehen, während das Bataillon Grabow bei
Hansdorf zwischen Reinhardsgrimma und Maxen aufgestellt wurde.
Finck selbst besetzte mit dem Hauptkorps, da die Anzahl seiner
Truppen für die ursprünglich in Aussicht genommene ausgedehn-
tere Stellung auf den Höhen bei Hausdorf einerseits, bei Dronitz
und Wittgendorf andererseits nicht ausreichte, nur die Höhen bei
Maxen selbst. Und zwar wurden mit der Front gegen Hausdorf
5 Bataillone aufgestellt, deren linke Flanke, gegen Mühlbach hin,
das Fincksche Regiment deckte, während hinter ihnen ein Dra-
goner- Regiment und 3 Schwadronen Husaren standen 1 ).
') Alle diese Bewegungen und Mafsnahmen des Finckschen Korps werden
von den hauptsächlichsten Quellen in derselben Weise geschildert ; es ist un-
zweifelhaft, dafs die verschiedenen Darstellungen im Grunde nur eine sind;
das Journal in der Sammlung ungedruckter Nachrichten ist, wie erwähnt,
nur ein überarbeiteter Abdruck der in Fincks Nachlafs befindlichen Kelation ;
aus ihm haben auch Gaudy und Tempelhoff geschöpft ; vgl. den Anhang I.
Tielckes Nachrichten weichen von den genannten in Einzelheiten ab. sind
aber kaum in Betracht zu ziehen, da Tielcke wirklich genau nur über die
Bewegungen der Österreicher unterrichtet ist.
Digitized by Google
— 56 —
An die rechte Flanke jener 5 Bataillone schlofs sich, mit der
Front gegen Lungwitz, das Regiment Rebentisch an, welches zu-
gleich die Verbindung mit dem Lindstadtschen Korps, welches
mit der Front nach Dronitz und Wittgendorf aufgestellt war, her-
stellte '). In dem Winkel zwischen den beiden Teilen des Korps
marschierte die schwere Kavallerie auf, vor welcher ein Dragoner-
Regiment und 6 Schwadronen Husaren standen. Platen verblieb
in seiner Stellung bei Reinhardsgrimma, Wunsch bei Dohna, um
das Hauptkorps gegen einen Angriff der Reichsarmee sicher zu
stellen, von der man wufste, dafs ein Teil davon von Giefshübel
in der Richtung auf Dohna entsandt worden war. Die Batterien
standen auf den Maxener und Schmorsdorfer Anhöhen verteilt,
die sämtliche Bagage war in der Niederung bei Maxen aufgefahren.
In dieser Aufstellung, welche bei Anbruch der Dunkelheit
beendet war, gedachte Finck den Angriff des Feindes zu erwarten,
wenn derselbe wirklich erfolgen sollte, woran Finck noch am
Morgen des 20. zweifelte 2 ). Für jeden Fall machte er, wie er
wenigstens später behauptete — erhalten ist kein weiterer Be-
richt vom 19. und 20. — den Versuch, den König noch einmal
eingehend von seiner Lage zu unterrichten und ihn um Hilfe zu
bitten, auf die er im Fall eines Angriffs sicher rechnen zu können
glaubte. Der Bericht ist jedenfalls nicht in die Hände des Königs
gekommen; ebenso hat Finck seit dem Abend des 19. keine Ordre
des Königs mehr erhalten; die einzige, die vom 20. vorliegt, ist
nur im Konzept erhalten, das Original ist unzweifelhaft in die
Hände der Österreicher gefallen.
•) In den Darstellungen des Journals in der Sammlung ungedr. Nach-
richten (resp. der Relation in Fincks Nachlafs) und bei Tempelhoff III, 358/59
wird die Lage dadurch einigermafsen verdunkelt, dafs die Höhen, auf denen
Lindstädt aufgestellt war. als „Schmorsdorf er Höhen* bezeichnet werden,
während sie thatsächlich ziemlich weit von diesem Ort entfernt waren. Der
Zweck der Lindstadtschen Stellung war ja die Maxener Höhen gegen Bren-
tano, der am Morgen des 20. noch bei Röhrsdorf stand, zu decken, und das
konnte sicher nicht von den Schmorsdorfer Höhen aus geschehen. Eine rich-
tige und vollkommen anschauliche Darstellung gibt der vortreffliche Plan
in den „Beiträgen zur Geschichte der österreichischen Kavallerie."
») Vgl. folgende Stelle des Gaudyachen Jonrnals : „Den 20. mit Anbruch
des Tages begab sich der Generallieutenant Finck nach Reinhardsgrimma
und fand, dafs die jenseits diesem Orte stehende feindliche Vorposten sich
noch mehr zurückgezogen hatten; es war auch alles auf dieser Seite ruhig,
welches glauben liefs, dafs heute nichts vorfallen würde.*
Digitized by Google
— 57 —
Aber einer Benachrichtigung des Königs bedurfte es nicht
mehr, derselbe war über die Sachlage ausreichend unterrichtet;
in dem Moment, als der Kampf ausbrach, war die unter Hülsens
Leitung entsandte Hilfe (7 Bataillone und 18 Schwadronen) schon
unterwegs. Die Frage war, ob Finck den Angriffen des Feindes
bis zu Hülsens Ankunft werde widerstehen können.
Fünftes Kapitel.
Kampf und Katastrophe.
Finck hat selbst in seiner Denkschrift mit aller Bestimmtheit
ausgesprochen, dafs er in dem Augenblick, in welchem er den
Kampf als sicher bevorstehend ansah, mit voller Bestimmtheit darauf
gerechnet habe, dafs er Hilfe von der Hauptarmee des Königs
erhalten werde. Da er nun noch in seinem ersten Bericht vom
19. — dem einzigen von diesem Tage, der erhalten ist — die
Gefahr, in der er schwebte, noch keineswegs als eine sehr drohende
und sicher bevorstehende bezeichnet hatte, da er, wie er selbst
angibt, wufste, dafs die späteren Berichte, die er etwa noch er-
stattet hat, nicht mehr in die Hände des Königs gelangt waren,
so mufste er annehmen, dafs der letztere die ersehnte Hilfe erst
absenden werde, wenn er durch den Schall der fallenden Schüsse
davon unterrichtet wäre, dafs die Österreicher einen Angriff unter-
nähmen. Dafs dann noch zum mindesten ein Tag vergehen ♦
werde, ehe die vom König entsandte Hilfe herankäme, wufste er
gleichfalls. Sein vornehmstes Augenmerk mufste also ohne Zweifel
darauf gerichtet sein, die endgütige Entscheidung so lange als
möglich hinzuziehen. Dazu gab es nur Ein Mittel: starke Be-
setzung der sehr starken und schwer angreifbaren fiöhen bei
Reinhardsgrimma. Der Pafs bei diesem Orte war der einzige
Zugang, der sich für einen Angriff von Dippoldiswalde her darbot;
er war geradezu unpassierbar, so lange die benachbarten Höhen
von preufsischen Truppen besetzt waren. Unzweifelhaft hätte also
nach der Ansicht aller Fachleute, auch derer, welche sonst am
eifrigsten für Finck Partei ergriffen haben der auf jenen Höhen
*) Selbst Gaudy, dessen Darstellung mit einer beredten Verteidigung
Fincks schliefst, gibt doch zu, dafs durch eine stärkere Besetzung der Rein-
hardsgrimmaer Höhen die Katastrophe wahrscheinlich vermieden worden wäre.
Nach seiner Ansicht hätte Finck sogar jene Höhen mit seinem ganzen Korps
besetzen müssen.
Digitized by Google
— 58 —
aufgestellte Generalmajor von Platen erheblich verstärkt werden
müssen, damit es ihm gelinge, das Odonnelsche Korps an einem
Angriff auf die Hauptstellung in Maxen zu verhindern. Gegen
Brentano allein wäre die letztere zu halten gewesen, selbst wenn
dieser, was nicht wahrscheinlich war, einen Angriff unternahm,
bevor das Hauptkorps den Pafs von Reinhardsgrimma genommen
hätte. Der Hauptangriff hätte dann, wenn er überhaupt zu stände
gekommen wäre, sicher erst am 21. erfolgen können, d. h. in
einem Augenblicke, wo das Hülsensche Korps schon bei Dippoldis-
walde angelangt war und den Angreifern in den Rücken fallen
konnte. Es ist daher gar kein Zweifel, dafs es ein verhängnifs-
voller Fehler Fincks war, Platen nicht nur nicht zu verstärken,
sondern ihm bei dem ersten Anrücken der Österreicher den Befehl
zum Rückzug zu geben und damit den entscheidenden Pafs dem
Feinde kampflos preiszugeben ').
Wir sahen, dafs Daun am 19. Abends, nachdem das Odonnel-
sche Korps die Stellung bei Dippoldiswalde bezogen hatte, zur
Hauptarmee zurückging. In der Frühe des 20. kehrte er nach
Dippoldiswalde zurück. Um dieselbe Zeit, jedenfalls noch bevor
*) Dieser Schritt Fincks wird von allen prcufsischen Quellen einstimmig
verurteilt. Die Äufserang Gandys führten wir schon an; ehenso bestimmt
spricht sich Tempelhoff III, 360 aus, obwohl er sonst an dieser Stelle der
Darstellung der Kelation in Fincks Nachlafs folgt. Ja selbst Retzow, der
sonst mit so grofer Entschiedenheit für Finck gegen den König Partei er-
greift, sieht sich doch an dieser Stelle veranlafst der Wahrheit die Ehre zu
geben. „Hiernachst aber, u so sagt er auf S. 177, „ist es auffallend, dafs
Fink, da er sich einmal vorgenommen hatte, seine Stellung zu behaupten,
die Hohlwege in und bei Reinhartgrimma, durch welche der Feind zu ihm
kommen mufste, nicht länger besetzt hielt. Die Schwierigkeiten, die in
diesem Falle die Österreicher hier antreffen mufsteu. würden durch die mit
Schnee und Eis bedeckten steilen Berge noch vermehrt worden sein; auch
will man behaupten, Daun, der die Möglichkeit, dieselben zu erklettern, be-
zweifelte, sey schon im Begriffe gewesen, die ganze Unternehmung aufzu-
geben, und nur durch die Beharrlichkeit des Majors Fabri zur Fortsetzung
derselben aufgemuntert worden, nachdem dieser die Berge verlassen fand."
Die letztere Nachricht findet sich aufserdem nicht nur bei Tempelhoff, dem
sie Retzow entnommen haben mag, sondern schon bei Tieicke (S. 12) und in
ähnlicher Fassung sogar in der offiziellen, von Daun selbst abgefafsten öster-
reichischen Relation (abgedr. bei Tieicke, S. 29); nur fehlt hier die Er-
wähnung Fabris. Wenn also Daun schon das Erklettern der unbesetzten
Höhen für fast unausführbar hielt, so hätte er einen Angriff auf dieselben»
wenn sie ausreichend von preufsischen Truppen besetzt gewesen wären, sicher
nicht unternommen.
Digitized by Google
- 59 —
sich die österreichische Armee in Bewegung gesetzt hatte, war
Finck ausgeritten, um zu rekognoszieren. Da er den Feind noch
unbeweglich in seiner alten Stellung antraf, neigte er sich der
Ansicht zu, dafs derselbe an diesem Tage noch keinen Angriff
beabsichtigte 1 ). Er ritt von hier nach der Gegend von Röhrs-
dorf hin, wo eben jetzt nach den Meldungen, die ihm zugegangen
waren, die Vortruppen des Brentanoschen Korps zum Vorschein
kamen. Platen und Mosel, welche bei Reinhardsgrimma stehen
blieben, erhielten eingehende Verhaltangsnmfsregeln, die wir leider
nicht kennen, für den Fall eines feindlichen Angriffs.
Dieser liefs nunmehr auch nicht mehr lange auf sich warten.
Sofort nach Dauns Rückkehr nach Dippoldiswalde hatte sich das
dort stehende österreichische Korps in der Richtung auf Rein-
hardsgrimma in Bewegung gesetzt. Der Marsch erfolgte in 4 Ko-
lonnen, zwei von der Kavallerie und zwei von der Infanterie; die
Avantgarde bestand aus einem Husaren- Regiment, mehreren
Schwadronen Kürassieren, einigen Kroaten und 5 Grenadier-
Bataillonen unter dem Befehl des Generalmajors Baron von Sis-
kowitz. Ein kleineres Korps unter Seckendorf blieb auf der Höhe
von Maltern stehen, um das vorrückende Hauptkorps vor einem
etwaigen Angriffe von der preufsischen Hauptarmee her zu decken.
Gleichzeitig setzte sich das Brentanosche Korps, welches bei Röhrs-
dorf stand, in der Richtung auf Maxen in Bewegung, und ein
Teil der Reichsarmee, die bei Giefshübel stand, marschierte gegen
Dohna hin, um dem Finckschen Korps den Rückzug nach jener
Seite hin abzuschneiden und das in und um Dohna aufgestellte
Korps unter Wunsch zu beschäftigen 2 ).
Die Avantgarde des von Daun selbst geleiteten Odonnelschen
Korps gelangte in kurzer Zeit auf der von Dippoldiswalde nach
Dresden führenden Hauptstrafse bis auf die nordwestlich von dem
Reinhardsgrimmaer Pals gelegenen Höhen, welche von den von
Platen besetzten südöstlich gelegenen vollkommen beherrscht
werden. Wäre Platen in seiner Stellung verblieben, so hätten
die österreichischen Truppen angesichts der preufsischen in den
Grund hinabklettern und durch den Pafs marschieren oder die
von den Preufsen besetzten Höhen erklettern müssen. Beides
») Das berichtet, wie erwähnt, ausdrücklich das Gaudysche Journal.
2 ) Über die Bewegungen der österreichischen Truppen werden wir na-
türlich am ausführlichsten durch die österrreichische offizielle Relation unter-
richtet.
Digitized by Google
— 60 —
wäre sicher nicht geschehen. Aber wir sahen schon, dafs Finck,
einer etwas ängstlich und besorgt lautenden Meldung Platens zn
grofsen Einflufs auf seine Entschlüsse einräumend, alsbald den Be-
fehl erteilte, die Reinhardsgrimmaer Höhen zu verlassen und sich
auf die von Hausdorf zurückzuziehen. Damit war dem Feinde
der Hauptzugang zu der Maxener Stellung preisgegeben, ein Fehler,
der durch nichts wieder gut gemacht werden konnte Während
Platen und Mosel ebenso wie ein bisher in Hausdorf aufgestelltes
Bataillon sich auf die hinter dem Dorfe liegenden Höhen zurück-
zogen, wurde in letzterem Dorfe selbst Major Haugwitz mit
3 Schwadronen Husaren stehen gelassen, um den weiteren Marsch
des Feindes zu beobachten.
Trotz des Abzuges der Platenschen Truppen schwankte dann
die österreichische Heeresleitung einige Zeit, ehe sie sich zum
weiteren Vormarsch entschlofs. Der Pafs, in welchem das Dorf
Reinhardsgrimma liegt, ist sehr eng, die zu beiden Seiten an-
steigenden Höhen sind sehr steil und schroff. Dazu kam, dafs es
in den letzten Tagen geschneit und stark gefroren hatte, so dafs
der Zugang noch beschwerlicher wurde. Einige der Offiziere,
welche nach dem Abmarsch der preufsischen Truppen die Gegend
rekognoszierten, erklärten es geradezu für unmöglich, mit dem Ge-
schütz und der Reiterei durchzukommen, zumal da die Pferde der
letzteren nicht scharf beschlagen waren. Eine schon sehr früh
auftauchende Uberlieferung 2 ) schreibt dem Ingenieur-Major Fabri
das Verdienst zu, Daun, der schon geneigt gewesen sei, das ganze
Unternehmen aufzugeben, doch von der Möglichkeit eines weiteren
Vormarsches überzeugt zu haben. Wenn Daun schon so ge-
schwankt hat, trotzdem die das Dorf beherrschenden Höhen von
den Preufsen verlassen waren, so ist es mehr als wahrscheinlich,
dafs der weitere Vormarsch aufgegeben worden wäre, wenn Platen
in seiner Stellung verblieben wäre. Nunmehr aber wurde der
Wald hinter dem Dorfe mit Kroaten und Husaren besetzt, unter
deren Schutz der Marsch durch Reinhardsgrimma und den da-
hinter liegenden Wald ausgeführt wurde. Die dadurch der preu-
fsischen Aufstellung auf den Maxener Höhen immer näher rückende
Gefahr wurde noch dadurch erhöht, dafs man von der preufsischen
Stellung aus den Anmarsch der Feinde nicht beobachten konnte,
•) Vgl. meine Ausführungen oben S. 58. namentlich die Anmerkung.
a ) Tielcke a. a. 0. S. 12 vgl. mit Tempelhoff III, 360.
Digitized by Google
— 61 —
weil die nicht besetzten Höhen zwischen Reinhardsgrimma und
Hausdorf den Blick hemmten
Sobald die Grenadier-Bataillone der österreichischen Avant-
garde aus dem Walde herauskamen, wurde schnell eine der das
ganze Terrain beherrschenden Höhen zur Rechten des Weges nach
Hausdorf besetzt; es gelang auch, eine Batterie von 8 Zwölf-
pfundern auf diese Höhe hinaufzuschaffen 2 ), auf welche sich auch
Daun selbst begab, um die Stellung des Finckschen Korps zu re-
kognoszieren.
Schon bevor die Österreicher diese Höhe besetzt hatten, waren
auf Fincks Befehl zwei der auf den Hausdorfer Höhen aufgestellten
Platenschen Bataillone in die Hauptlinie auf die Maxener Höhen
zurückgezogen worden, so dafs bei Hausdorf nur noch die beiden
Bataillone Grabow und Zastrow und die 3 Husaren-Schwadronen
unter Haugwitz standen. Jetzt zogen auch diese Truppen sich in
die Hauptlinie zurück, auf deren rechtem Flügel sie sich aufstellten.
Nunmehr wurde von dem Daun-Odonnelschen Korps der
Hauptangriff eröffnet, während sich das Brentanosche Korps bisher
im grofsen und ganzen noch ruhig verhalten hatte. Daun wufste
von Anfang an seine grofse Überlegenheit an Artillerie zu voller
Geltung zu bringen. Während die bereits erwähnte Batterie
rechter Hand Hausdorf die linke Flanke der preufsischen Stellung
beschofs, wurden unmittelbar darauf auch nach den linker Hand,
dem Centrum und rechten Flügel der Preufsen gegenüber, liegen-
den Höhen Batterien geschafft; auf zwei Anhöhen verteilt standen
hier 40 Geschütze, während Finck, da 4 Kanonen sich bei dem
Wunschschen Korps befanden, kaum über die Hälfte dieser Ge-
schützzahl (ausschliefslich der Bataillons-Geschütze) verfugte 3 ). Dazu
') Über diese Terrainschwierigkeiten hat sich Tielcke a. a. O. S. 13
ausführlich geäufsert.
a ) Nach Tielcke S. 14, dem Tempelhoff III. 360 folgt, war es ein Haupt-
mann Schröder, dem das Hauptverdienst hierbei gebührt.
3 ) Die Zahl der österreichischen Geschütze ergibt sich aus der Dar-
stellung Tielckes, der der ofnciellen österreichischen Relation folgt; die der
preufsischen wird verschieden angegeben, am niedrigsten bei Gaudy, der die
bei Haxen aufgestellten schweren Geschütze (die Bataillons-Geschütze nicht
mitgerechnet) nur auf 11 beziffert und anfserdem nur noch 9 Haubitzen an-
führt, und in der „Sammlung ungedr. Nachrichten tt II 597 ; eine etwas höhere
Zahl ergibt sich, wenn man die verschiedenen Angaben Tielckes mit ein-
ander kombiniert, doch kommt man sicher über eine Gesamtzahl von einigen
zwanzig nicht hinaus.
Digitized by Google
- 62 -
kam noch, dafs nunmehr, nachdem auf dieser Seite sich ein
aufserordentlich starkes Geschützfeuer entwickelt hatte, welches
von preufsischer Seite mir schwach erwidert werden konnte,
auch das Brentanosche Korps zum Angriff vorging und denselben
ebenfalls mit einem Geschützfeuer aus 8 achtpfundigen Feld-
schlangen eröffnete. Die österreichischen Kanonen waren an-
fangs etwas zu hoch gerichtet, so dafs sie der preufsischen
Gefechtslinie selbst wenig Schaden zufügten; aber um so gröfsere
Verwirrung richteten sie dadurch an, dafs die Kugeln von
beiden Seiten her in die hinter der Linie aufgefahrene Bagage
einschlugen. Die Knechte wollten sich aus diesem Kreuzfeuer in
Sicherheit bringen und jagten links und rechts hinter den Truppen
umher. Finck gab zwar sogleich den Befehl, die Bagage solle
nach Schmorsdorf abfahren, aber die Unordnung war so grofs,
dafs dieser Befehl nicht recht zur Ausfuhrung kam').
Inzwischen hatte sich unter dem Schutze dieses Geschütz-
feuers die Angriffskolonne der österreichischen Infanterie zu beiden
Seiten der Strafse nach Maxen gebildet. Sie bestand im ersten
Treffen aus 8 Grenadier-Bataillonen, während die übrige Infanterie
das zweite Treffen bildete, die gesamte Kavallerie aber die linke
Flanke der Angriffskolonne deckte. Die Angreifenden waren den
Verteidigern fast um das Doppelte überlegen; denn für die Maxener
Höhen, mit der Front gegen das Odonnelsche Korps, hatte Finck
anfangs nur 5 Bataillone zur Verfugung, zu denen dann noch die
beiden Bataillone Grabow und Zastrow hinzukamen. Schon das
erste Treffen der Österreicher war also der gesamten hier verfüg-
baren preufsischen Streitmacht um ein Bataillon überlegen. Den
Angriff gegen den rechten preufsischen Flügel leitete General
Siskovitz, dem der Marquis d'Ainse zur Unterstützung beigegeben
war. General Dombasle befehligte die Truppen, welche gegen die
linke Flanke der Preufsen vorgingen. Als die letzteren von der
Hausdorfer Höhe, die sie besetzt hatten, zum Angriff herabmar-
schierten, um auf der andern Seite der Thalsenkung die von den
Preufsen besetzten Maxener Höhen Zu ersteigen, rückten aus der
preufsischen Aufstellung zwei Bataillone vom linken Flügel (Kleist
und Schenkendorf) von ihrer Anhöhe herab, um den angreifenden
österreichischen Grenadieren in die Flanke zu fallen; aber sie
wurden von der auf der Hausdorfer Höhe verbliebenen Batterie
») Tielcke S. 15 ; Sammlung ungedr. Nachr. II, 601 und Gaudy.
Digitized by Google
- 63 -
so furchtbar beschossen, dafs sie zum Rückzug in die Liuie ge-
nötigt und dann ebenso wie die Bataillone Grabow und Zastrow
von den österreichischen Grenadieren geworfen wurden. Die
Tapferkeit und Todesverachtung, mit der die letzteren bei dem
ausserordentlich schwierigen Angriff die Maxener Höhen hinauf
vorgingen, wird von Freund und Feind rühmend anerkannt. Durch
diesen erfolgreichen Angriff hatten die Österreicher an dieser Stelle
eine Bresche in die preufsische Aufstellung gelegt, welche sie als-
bald benutzten, um in das Dorf Maxen vorzudringen und von hier
ans die in der preufsischen durchbrochenen Linie noch stehenden
Bataillone im Rücken zu beschiefsen.
Man kann Finck die Anerkennung nicht versagen, dafs er in
diesem Augenblicke das Menschenmögliche geleistet hat, um das
Treffen an dieser Stelle wieder herzustellen. Er entsandte vom
rechten Flügel das Regiment von Rebentisch und die zwischen
diesem und dem Lindstädtschen Korps aufgestellten Dragoner vom
Regiment Württemberg; ja, obwohl sich inzwischen auch das
Treffen zwischen dem Lindstädtschen und dem Brentanoschen
Korps zu entwickeln begonnen hatte, zog er doch das zur Deckung
dem ersteren beigegebene Grenadierbataillon von Willemay nach
diesem gefahrdetsten Punkte der Maxener Aufstellung. Allein alle
diese Versuche scheiterten. Die Dragoner gerieten in das feind-
liche Artilleriefeuer und verloren ihren Kommandeur, den Obristen
von Münchow, welcher schwer verwundet wurde. Das Bataillon
Willemay, welches eben in dem Moment eintraf, als die Öster-
reicher iu das Dorf Maxen einrückten, brachte zwar anfangs den
am meisten bedrängten Bataillonen Finck und Kleist einige Er-
leichterung und suchte die Österreicher wieder aus Maxen zu ver-
drängen; allein das letztere gelang nicht, einen dauernden Erfolg
vermochte weder dieses Bataillon noch das Regiment Rebentisch
zu erringen; das letztere wurde vielmehr alsbald über den Haufen
geworfen. Vergeblich versuchten Rebentisch und Mosel die Ba-
taillone wieder einigermafsen in Ordnung zu bringen. Unaufhalt-
sam wichen die Truppen aus der Stellung auf den Maxener Höhen
zurück. Diese rückläufige Bewegung konnte um so weniger zum
Stillstand gebracht werden, als es inzwischen auch der österreichi-
schen Kavallerie, freilich unter unsäglichen Schwierigkeiten, ge-
lungen war, die Maxener Anhöhen zu erklimmen und den hier
kämpfenden preufsischen Bataillonen in die rechte Flaake zu
Digitized by Google
— 64 —
fallen. Es war kein Zweifel, dafs die Entscheidung an diesem
Punkte endgiltig zu Ungunsten der Preufsen gefallen war 1 ).
Inzwischen aber war auch auf der andern Seite des Schlacht-
feldes, wo das Lindstädtsche Korps gegen das Brentanosche
kämpfte, die Entscheidung gefallen. Finck hatte nämlich, als das
Brentanosche Korps von Rohrsdorf her gegen Dronitz und Witt-
gendorf vorrückte und Miene machte, den auf den Maxener An-
höhen kämpfenden Preufsen in den Rücken zu fallen, beschlossen,
seinerseits mit der in dem Winkel zwischen dem Lindstädtschen
und dem Hauptkorps aufgestellten schweren und leichten Kavallerie
einen Angriff gegen Brentano zu machen, um, falls dieser den
erwarteten Erfolg habe, noch einige Infanterie von dem Lind-
städtschen Korps nach den am meisten bedrohten Maxener An-
höhen herüber zu entsenden. Das Brentanosche Korps war kaum
ein Drittel so stark als das Daun-Odonnelsche; Finck mochte also
hoffen, dasselbe durch einen energischen durch Artilleriefeaer unter-
stützten Reiter-Angriff am weiteren Vorrücken zu verhindern.
Dann hätten in der That von den 4 zum Lindstädtschen Korps
gehörigen Bataillonen noch einige gegen Daun verwendet werden
können. Allein der von sämtlichen Kürassieren und Husaren un-
ternommene Angriff, der anfangs in der That einen glücklichen
Ausgang zu nehmen schien, schlug schliefslich völlig fehl. Aus
welchen Gründen, wird aus den preufsischen Quellen wenig ver-
ständlich. Dieselben berichten nur, die Reiterei hätte sich zu
weit rechts gezogen, sei in sumpfiges Terrain geraten und dann
') In der Hauptsache stimmen die preufsischen Quellen in der Schilde-
rung dieses Kampfes mit den österreichischen überein ; die ersteren sind auch
hier im wesentlichen auf denselben Ursprung zurückzuführen; einige origi-
nale Notizen enthält das Gaudysche Journal, doch sind die Abweichungen
in den Einzelheiten so geringfügig, dafs ich mir ein näheres Eingehen auf
dieselben ersparen kann. Die „Relation" in Fincks Nachlafs weicht hier in-
sofern auch sachlich von dem sonst aus derselben geschöpften „Journal* in
der „Sammlung ungedr. Nachrichten" ab, als sie das Scheitern der Attacke
der Württemberg. Dragoner dem (ieneral von Gersdorff Schuld gibt. Vgl.
dagegen des letzteren Aussage vor dem Kriegsgericht im „Extract derer Ver-
höre" im Anhang II. Noch schärferen Tadel spricht Finck in der im An-
hang IV mitgeteilten „Denkschrift" über die Bataillone Grabow und Zastrow
und das Regiment Rebentisch aus. Dem letzteren macht er geradezu den
Vorwurf, dafs „die mehresten" von demselben zum Feinde übergegangen
seien, weil es „ungemein viel Österreicher und Russen in Reih und Glieder
hatte."
Digitized by Google
— 65 —
durch das feindliche Kanonenfeuer zurückgetrieben worden, ehe
sie ihren Angriff recht begonnen habe >)• Auch Finck selbst ver-
mag über den Verlauf dieses Augriffs keine Rechenschaft zu geben 2 ).
Etwas mehr Licht kommt in die Sache durch die österreichischen
Berichte, obwohl auch in ihnen ein dicht ans Fabelhafte grenzen-
des Element enthalten ist. Immerhin wird doch der Mifserfolg
des preufsischen Angriffs einigermafsen erklärlich, wenn wir hören,
dafs den anrückenden preufsischen Reiterschwadronen die öster-
reichischen energisch entgegentraten und dafs es hier zu einem
heftigen Reitergefecht kam, bei welchem sich nach österreichischer
Angabe namentlich eine Schwadron der Schmerzing-Kürassiere in
hervorragender Weise ausgezeichnet hat. Wenn freilich in dem
ihr deshalb von Brentano ausgestellten Tapferkeits-Zeugnis 3 ) be-
hauptet wird, dafs diese eine Schwadron zwei preufsische Regi-
menter in die Flucht geschlagen habe, so werden wir keinen
Augenblick zweifeln, das für eine Übertreibung zu erklären. Aber
so viel scheint festzustehen, dafs der Mifserfolg der preufsischen
Reiterei doch keineswegs so unerklärlich war, wie es nach den
preufsischen Berichten scheinen könnte, dafs er vielmehr durch
einen regelrechten Sieg der österreichischen Kavallerie herbeige-
führt wurde. Unzweifelhaft haben dazu die Terrain-Schwierigkeiten
das Ihrige beigetragen, und jedenfalls ist es nur durch diese zu
erklären, dafs die geschlagenen Schwadronen nicht in ihre frühere
Stellung bei dem Lindstädtschen Korps zurückwichen, sondern sich so
weit im Bogen rechts herumzogen, dafs sie schüefslich bei dem
Wunschschen Korps in der Gegend von Ploschwitz 4 ) anlangten.
Wunsch versuchte sie noch einmal zum Angriff zu fuhren, jedoch
ohne erheblichen Erfolg.
Dadurch war nun die Stellung des Lindstädtschen Korps um-
*) Im grofsen und ganzen haben die preufsischen Quellen hier alle die-
selbe dunkle Wendung: anfangs habe es geschienen, als werde der Angriff
gelingen, dann aber habe sich die Kavallerie zu weit rechts gezogen und
dadurch .das nötige Terrain* 4 verloren (so das „Journal" in der Sammlung
ungedr. Nachr. II, 604, das hier mit der Relation in Fincks Nachlafs nicht
ganz übereinstimmt; so Tempelhoff III, 362, der aufserdem aber noch das
feindliche Kanonenfeuer mitwirken läfst).
a ) Er sagt in der „Denkschrift" nur ganz kurz, jener Angriff sei „rc-
pous8irt tt worden.
s ) Mitgeteilt in den „Beiträgen zur Geschichte der österreichischen
Kavallerie" 8. 408.
4 ) Vgl. den Brief Wunschs an seine Frau im Anhang II.
Digitized by Google
— 66 —
somehr unhaltbar geworden, als inzwischen die Entscheidung auf
den Maxener Höhen gefallen war, die preufsischen Truppen sich
von dort nach Schmorsdorf zurückgezogen hatten. Dorthin wich
nunmehr auch die Infanterie des Lindstädtschen Korps zurück.
Brentano rückte infolge dessen seinerseits vor und vereinigte sich
mit dem Daunschen Korps, an dessen linken Flügel er sich an-
schlofs. Im wesentlichen hatten jetzt die österreichischen Truppen
dieselbe Stellung inne, welche bei Beginn des Kampfes die preu-
fsischen besetzt hatten, während die letzteren nunmehr die Reste
ihrer geschlagenen Bataillone auf den Schmorsdorfer Höhen
sammelten. Schon nahte der Abend heran, aber die Österreicher
waren noch nicht gemeint, mit der Ausnutzung der errungenen
Vorteile innezuhalten. Sie gingen aufs neue zum Angriff vor und
trieben die preufsischen Truppen auch von den Schmorsdorfer
Anhöhen herunter. Mit Mühe gelang es Finck, die zersprengten
Reste seiner Truppen bei Anbruch des Abends auf den Anhöhen
hinter Ploschwitz und Falkenhain, d. h. in unmittelbarer Nähe der
Stellung des Wunschschen Korps zu sammeln.
Wunsch stand nämlich im wesentlichen noch in derselben
Stellung wie am Morgen des verhängnisvollen Tages. Obwohl
sein Korps nur 5 Bataillone und einige Schwadronen Husaren
zählte, hatte doch der in die Gegend von Dohna entsandte Teil
der Reichsarmee, der Wunsch gegenüberstand, keinen ernstlichen
Angriff unternommen, wenngleich es zu einigen kleineren Schar-
mützeln gekommen war. Ihre Hauptaufgabe sahen die Truppen
der Reichsarmee vielmehr darin, die Einschliefsung des Finckschen
Korps vollenden zu helfen und demselben, wenn es durch die An-
griffe der Österreicher geschlagen wäre, den Rückzug abzuschneiden.
Zu diesem Zwecke waren am Morgen des 20. zwei Husaren-Regi-
menter unter dem General-Feldmarschall-Lieutenant Grafen v. Palffy
und eine gröfsere Abteilung Kroaten und Husaren unter General-
Feld Wachtmeister von Kleefeld in die Gegend von Dohna entsandt
worden. Ihr Herannahen war Finck von Wunsch in dem Augen-
blick gemeldet worden, als der Angriff des Daunschen Korps be-
gann. Aufserdem waren zur Unterstützung Palffys und Kleefelds
noch 5 Bataillone Infanterie und ein Dragoner-Regiment unter
dem Prinzen von Stolberg, den Generalen Grafen von Effern und
Fugger und dem Feldwachtmeister Marquis von Voghera von Giefs-
hübel entsandt worden. Während die letzteren in Burkhardswalde
Stellung nahmen, rückten Palffy und Kleefeld bis Dohna und dar-
Digitized by Google
- 67 —
über hinaus vor und nötigten Wunsch dadurch, die schwache Be-
satzung, welche er nach Dohna selbst gelegt hatte, zurückzuziehen
und mit seinem ganzen Korps auf den Höhen von Ploschwitz
Stellung zu nehmen, wo er in der Hauptsache unbehelligt blieb.
Dagegen konnte er es nicht verhindern, dafs Palffy sich weiter
nordwestlich nach Gamig zog und dadurch mit dem Brentanoschen
Korps Fühlung bekam. Ein Teil der Truppen des letzteren unter
Führung des General-Feldwachtmeisters von Uyhazy vermochte sich
infolgedessen an der Verfolgung der von den Österreichern geschla-
genen Truppen des Finckschen Korps in erfolgreicher Weise zu betei-
ligen und denselben zwei Fahnen und zwei Standarten abzunehmen ').
Als nach Einbruch der Dunkelheit der Kampf abgebrochen
wurde, war das Netz um das Fincksche Korps vollkommen zuge-
zogen. Die geschlagenen Reste desselben standen, mit dem
Wunschschen Korps vereinigt, im Bogen auf den Anhöhen von
Ploschwitz und Falkenhain zusammengedrängt, welche sich nach
Nordosten und Osten hin in ziemlich steilem Abfall nach dem tief
eingeschnittenen Thal der roten Müglitz hinabsenken. Die Haupt-
masse des preufsischen Korps stand mit der Front gegen die
Schmorsdorfer Höhen, welche jetzt von dem Daunschen und Bren-
tanoschen Truppen besetzt waren. Nach Süden hin war jeder
Ausweg durch die bei Burkhardswalde und Hälslich aufgestellte
Reichsarmee, nach Dohna und Sürssen-Gamig hin durch die ent-
sandten Korps derselben unter Palffy und Kleefeld versperrt. Die
Frage war nun nur noch, ob es den geschlagenen Trümmern des
preufsischen Korps gelingen werde, durch einen konzentrierten
Angriff gegen irgend einen Punkt der feindlichen Aufstellung dieses
Netz zu durchreifsen, d. h. sich durchzuschlagen. Diese Frage
war es dann in der That, welche in der angst- und sorgenvollen
Nacht vom 20. auf den 21. November im preufsischen Heerlager
erwogen wurde.
l ) Über die Bewegungen der Reichsarmee werden wir am eingehendsten
unterrichtet durch den „Bericht von dem den 20. und 21. November 1759
durch ein von der combinirten Reichs-Armee detaschirtes Corps auf die
feindlichen Posten zu Dohna und dasiger Gegend gemachten Angriff,** abgedr.
bei Tielcke a. a. O. S. 34—38. Wir glaubten dieser offiziellen Relation in
diesem kleinen Abschnitt ohne Bedenken folgen zu dürfen, da ihre Dar-
stellung in allem wesentlichen mit den, freilich nur dürftigen Berichten,
welche von preufsischer Seite vorliegen, übereinstimmt. Zu den bisher be-
kannten letzteren bietet der im Anhang II mitgeteilte Brief Wunschs an
seine Frau eine willkommene Ergänzung.
5*
Digitized by Google
- 68 -
Uber die Einzelheiten dieser Beratungen vollkommene Klarheit
zu gewinnen, wird wohl für immer eine Unmöglichkeit bleiben.
Die Aussagen, welche die einzelnen Generale, Finck, Rebentisch,
Wunsch, Gersdorf vor dem Kriegsgericht machten, widersprechen
einander so schroff, dafs jeder Versuch einer Vereinigung dieser
Berichte scheitern mufs. Aber an der Hauptsache kann darum
doch kein Zweifel sein: die Ereignisse selbst sind der beste Prüf-
stein der Beschlüsse, aus denen sie hervorgegangen sind.
Zunächst steht so viel fest, dafs die verschiedenen Möglich-
keiten sich der Umstrickung der Österreicher zu entwinden, in
dem Kriegsrate ernstlich in Erwägung gezogen worden sind, und
dafs der Entschlufs zur Kapitulation erst gefafst wurde, als man
sich von der Unmöglichkeit eines Durchbruchs überzeugt zu haben
glaubte.
Überblickt man die Karte der Gegend, welche in Betracht
kommt, und sucht man sich durch die gleichzeitigen und späteren
Schlachtpläne ein klares Bild von der Stellung beider Parteien zu
verschaffen, so erkennt man leicht, dafs ein Durchbruch nur an
drei Stellen versucht werden konnte. Entweder mufste man im
Thal der roten Muglitz aufwärts marschieren und über Weesenstein,
Luchau, Lauenstein nach dem Erzgebirge zu entkommen suchen.
Dieser Plan hatte insofern viel für sich, als Finck wufste, dafs
Kleist mit seinem nach Böhmen entsandten Streifkorps auf dem
Rückmarsch begriffen war, so dafs man hoffen konnte, sich mit
ihm zu vereinigen und dann, allerdings auf weitem Umwege über
Frauensteiu und Freiberg zur Hauptarmee zurückzukehren. Einen
nicht viel geringeren Umweg mufste man machen, wenn man
nordwärts über Sürssen durchzubrechen und dann in weitem Bogen
nach Westen über Possendorf zur Armee des Königs zu gelangen
suchte. Am kürzesten, aber auch am gefährlichsten, ja nach Lage
der Dinge fast unmöglich wäre natürlich der Durchbruch nach
Dippoldiswalde gewesen. Hier hätte man nichts geringeres leisten
müssen, als mit den geschlagenen Truppen dem überlegenen Feinde
die Stellungen wieder abnehmen, die man ihm am Tage vorher
preisgegeben hatte. Stellt man freilich die Frage nur so: „wo
wäre es am ehesten möglich geweseu, die Reihen der Feinde zu
durchbrechen?" ohne auf die allgemeine Lage Rücksicht zu nehmen,
so würde die Antwort unbedingt lauten müssen: am schwächsten
war die feindliche Umzingelung nach Dohna, Mügeln und dem
Elbthal hin; hier hätte man nur den schwachen Teil der Reichs -
Digitized by Google
- 69 —
armee unter Kleefeld zurückzuschlagen gehabt. Thatsächlich aber
wäre mit einem Durchbruch nach dem Elbthale hin nichts ge-
wonnen worden, da es von hier aus schlechthin unmöglich war,
zur Armee des Königs zu gelangen, ohne der bei Dresden-Plauen
aufgestellten österreichischen Hauptarmee geradewegs in die Arme .
zu laufen. War doch die Absicht Dauns am 20. gerade darauf
gerichtet gewesen, das Fincksche Korps in die Elbebene zu drängen,
wo er es sicher zersprengen zu können hoffte. In dem Bericht,
welchen er über das Ereignis nach Wien erstattete und der dann
der offiziellen österreichischen Zeitungsrelation zu Grunde gelegt
wurde '), behauptet er, „wann die Nacht nicht bereits einzubrechen
angefangen hätte, wäre das gesammte feindliche Corps zweifeis ohne
in die Elbe gesprenget worden." Zieht man dies in Betracht, so
wird man anerkennen müssen, dafs dieser Ausweg nicht ernstlich
in Betracht kommen konnte. Die drei andern Möglichkeiten aber
wurden in der That erwogen.
Zuerst scheint man au einen Durchbruch nach Süden hin
über Weesenstein und Burkhardswalde gedacht zu haben. Finck
schickte einige Offiziere aus, um zu erkunden, ob der Feind den
Weg durch das Müglitz-Thal offen gelassen oder nur schwach be-
setzt habe. Allein man fand, dafs der enge Pafs, durch den man
hier hätte marschieren müssen, sehr stark vom Feinde besetzt
war. In der That stand hier der gröfsere Teil der Reichsarmee
unter dem Prinzen von Stolberg, welcher in der Nacht noch durch
drei weitere Bataillone und einige Geschütze verstärkt wurde 2 ),
da man österreicherseits erfahren hatte, dafs Finck auf dieser Seite
durchzubrechen versuchen wolle.
Nunmehr dachte man in der That daran, den Ausweg der
Verzweiflung zu ergreifen und einen Durchbruch nach Maxen zu
versuchen, indem man einen Angriff gegen die Schmorsdorfer
Höhen, von denen man am Tage vorher vertrieben worden war,
unternehme. Wenn wir den, allerdings sämtlich direkt oder in-
direkt aus der Umgebung Fincks herstammenden Nachrichten
unserer Quellen 3 ) Glauben schenken dürfen, so hätte Finck in der
0 Tielcke a. a. 0. S. 31.
*) Das wird ausdrücklich in dem offiziellen Bericht von der Reichsarmee
(Tielcke S. 36/37) erwähnt.
3 ) „Journal" in der Sammlung ungedr. Nachrichten S. 605/6, welches
hier vollkommen mit der Relation im Finckschen Nachlafs übereinstimmt.
Aus dem „Journal" hat wieder Tempelhoff III. 362 geschöpft. Auch in der
„Denkschrift" (Anhang No. IV) hat sich Finck in ähnlicher Weise geäufsert.
Digitized by Google
— 70 —
That den Generalen bereits die für diesen Angriff erforderlichen
Befehle erteilt gehabt. Man wollte versuchen, die Truppen wieder
zu formieren, dabei aber stellte sich heraus, dafs die Bataillone des
Finckschen Korps — das Wunschsche hatte wenig gelitten —
außerordentlich schwach waren. Wenn aber unsere Quellen an-
geben, die Zahl der kampffähigen Infanterie hätte nur noch 2836
Mann betragen, so ist diese Zahl sicher zu gering ') ; sie läfst sich
weder mit der von Finck selbst angegebenen Gesamtzahl der
Truppen einschliefslich des Wunschschen Korps noch damit ver-
einigen, dafs bei der Kapitulation nach allen übereinstimmenden
Angaben zum wenigsten 12 000 Mann in Gefangenschaft gerieten.
Eine genaue Zählung mag auch im Dunkel der Nacht und bei
der im Lager herrschenden Verwirrung nicht möglich gewesen
sein. Dagegen darf mau der Versicherung Fincks 2 ), die Truppen
seien in dem Mafse entmutigt gewesen, dafs man einen ernstlichen
erneuten Angriff gegen Daun nicht habe wagen können, Glauben
schenken. Jedenfalls steht fest, dafs von dem Angriff auf die
Schmorsdorfer Höhen Abstand genommen wurde. Nach Fincks
Versicherung hätten dann alle Generale ratlos still geschwiegen,
nur Rebentisch sei offen mit der Ansicht hervorgetreten, dafs nun-
mehr nichts anderes übrig bleibe als die Kapitulation 3 ). Rebentisch
') Dafs diese genaue Zahl sich in allen Quellen, welche überhaupt eine
Anzahl feststellen, findet, hat nichts Auffallendes: sie geben eben alle auf
die Relation im Nachlasse Fincks zurück. Dafs sie sich auch bei Tielcke
(S. 21) findet, wird darauf zurückzufuhren sein, dafs derselbe nach seiner
eigenen Angabe vielfach Nachrichten aus Fincks Umgebung erhielt. Dadurch,
dafs immer eine Quelle die andere ausschreibt, ist es gekommen, dafs sie
alle das Versehen begangen haben, die Zahl 2836 gar für die Gesamtzahl
der Infanterie zu halten und anzugeben. Die Relation in Fincks Nach-
lafs hatte ausdrücklich bemerkt, dafs in dieser Zahl das Wunschsche Korps
nicht inbegriffen sei, dafs das ganze Korps nicht viel über 7000 Mann aus-
machte. Das „Journal" in der „Sammig. ungedr. Nachr." hatte diesen Zusatz
weggelassen, und aus ihm ging die nunmehr ganz unsinnige Zahl in die
Tempelhoffsche Darstellung Über. In der „Denkschrift" beziffert Finck selbst
den Rest seiner Truppen auf „7000 etliche hundert Mann."
a ) Vgl. die „Denkschrift" im Anhang IV unter No. 2.
3 ) Dies ist einer der Punkte, über den es schwer, ja unmöglich ist zu
einem endgiltigen Resultate zu gelangen. Wie man aus den im Anhang III
mitgeteilten Kriegsgerichts-Akten (a, b und d) ersieht, hat Rebentisch nicht
nur geleugnet, dafs er den Rat zur Kapitulation gegeben habe, sondern sogar
behauptet, „dafs er sich zur Schliefsung der capitulation gebrauchen zu
lassen, geweigert, solches aber ihm von dem General von Finck ausdrücklich
anbefohlen worden" (Aktenstück a). Das Kriegsgericht war indes der
Digitized by Google
71 —
hat das freilich in dem Verhör, welches 4 Jahre später stattfand,
mit Bestimmtheit in Abrede gestellt, ohne indessen die Mitglieder
des Kriegsgerichts überzeugen zu können.
Unstreitig 1 ) aber ist, dafs der einzige, welcher wirklich den
ernstlichen Vorschlag machte, in jedem Falle einen Durchbruchs-
versuch, zum wenigsten mit der gesamten Kavallerie, welche wenig
gelitten hatte, zu machen, der General-Major von Wunsch war.
Meinung, dafs er dessen (nämlich den Rat zur Kapitulation gegeben zu
haben) „sowohl aus des General von Wunsch als des General von Finck
Aussage verdächtig" bleibe (Aktenstück b). Der endgiltige Spruch des Ge-
richts gegen ihn lautete: „dafs der General-Major von Rebentisch mit Ein
Jahr Vestungs- Arrest zu bestrafen, weil, wenn gleich nicht erwiesen, dafs
er dem General-Lieutenant von Finck den Rath gegeben, die Capitulation
bey Maxen zu schliefsen, er jedoch durch seine hin und wieder gemachte
Einwürfe die bereits genommene gute Resolutiones auf und zurückgehalten."
Finck hält auch in seiner „Denkschrift** daran fest, dafs Rebentisch sich für
die Kapitulation ausgesprochen habe. Merkwürdig ist es, wie warm Finck
hier Rebentisch verteidigt obwohl derselbe doch im Verhör, freilich um sich
selbst zu verteidigen, gegen ihn ausgesagt hatte.
Auffallender Weise hat allerdings nach den bei Schöning a. a. 0.
S. 196 f. mitgeteilten Auszügen aus jetzt nicht mehr vorhandenen Kriegs-
gerichts-Akten (vgl. unten Anhang III) Fincks Adjutant von Pfau im Verhör
ausgesagt, „der General von Wunsch habe keineswegs aus eigenen Stücken,
sondern auf Befehl des Finck den Versuch gemacht, sich mit der leichten Ca-
vallerie am 21. durchzuschlagen, und zwar habe dies der General von Finck selbst
thnn wollen, der Wunsch habe aber bemerkt: dafs, wenn Finck wegginge, gleich
alles verloren sein würde, worauf der Commandirende geblieben wäre;* und auch
der Adjutant Lieutenant von Winterfeldt äufserte sich nach diesen Auszügen
in demselben Sinne. Allein trotz dieses bestimmten Zeugnisses glaube ich
unbedingt daran festhalten zu müssen, dafs der Vorschlag eines Durchbruchs-
versuchs von Wunsch und nicht von Finck ausgegangen ist. Ich sehe den
zwingenden Grund hierzu in den Äufserungen, welche Finck selbst in
seiner Denkschrift über diese Frage niedergeschrieben hat. Finck wufste mit
Bestimmtheit, wie hoch es der König Wunsch anrechnete, dafs er einen
Durchbruchsversuch gemacht hatte. Ist es auch nur denkbar, dafs er bei
dieser Sachlage selbst in seiner zu seiner Verteidigung bestimmten Dar-
stellung zugegeben hätte, dafs der Vorschlag von Wunsch ausgegangen sei,
wenn es nicht wirklich so war? Man sieht aus der Fassung deutlich, dafs.
Finck sich entschuldigen will, weil er nicht seinerseits den Befehl zum
Durchbruch gegeben habe. Deswegen behauptet er, von vornherein die Ver-
geblichkeit dieses Versuchs erkannt und Wunschs Vorschlag gewissermafsen
nur widerwillig gutgeheifsen zu haben. Auch Tempelhoff III, 363 schreibt
den Vorschlag Wunsch zu. Die Adjutanten Fincks müssen sich also geirrt
haben, was bei nur mittelbar Beteiligten nach einem Zeitraum von fast
4 Jahren nicht wunderbar erscheinen kann. Fincks eigene Aussage ist hier,
Digitized by Google
— 72
Nachdem die Beratungen zu dem Resultat geführt hatten, dafs
ein offener Durchbruchsversuch als voraussichtlich vergeblich auf-
gegeben wurde, gab Wunsch der Ansicht Ausdruck 1 ), dafs man
dann zum wenigsten mit der Kavallerie, welche noch ziemlich
unversehrt war, unter dem Schutze der Nacht durch den Pafs von
Sürssen zu entweichen suchen müsse. Es sei immerhin möglich,
dafs diese Bewegung sich der Aufmerksamkeit des Feindes entziehe.
Habe man aber den Pafs von Sürssen, bei dem nur wenige Reichs-
truppen unter Palffy standen, die man eintretenden Falls zurück-
werfen zu können hoffen durfte, hinter sich, so werde es auch
möglich sein, in weitem Bogen westwärts Possendorf zu erreichen
und von dort zur Hauptarmee des König3 zu gelangen.
Finck ging auf diesen Vorschlag ein, obwohl er, wie er später
behauptete, die Unmöglichkeit seiner Durchfuhrung einsah. Dem
Kriegsgericht leuchtete diese Unmöglichkeit nicht ein, und in der
That ist nicht abzusehen, warum der Versuch des Durchbruchs
an dieser schwächsten Stelle der feindlichen Aufstellung nicht hätte
gelingen sollen, wenn er rechtzeitig unternommen wurde, vor allem
aber, wenn Finck, eben mit Rücksicht auf dieses Unternehmen,
nur noch eine Stunde gewartet hätte, ehe er Rebentisch au Daun
absandte, um mit diesem über die Kapitulation zu verhandeln.
Ein anderer Vorwurf, der Finck mit Bezug hierauf nicht ohne
Berechtigung vom Kriegsgericht gemacht wurde, ist der, dafs er
sich nicht selbst, an die Spitze dieser zum Durchbruch bestimmten
wo sie gegen ihn selbst zeugt, entscheidend. Dafs Wunsch im Verhör das
Verdienst des Dnrchbruchsversuchs für sich allein in Anspruch nimmt, würde
zwar an sich kein Beweis sein, unterstützt aber doch in diesem Falle die
durch Fincks eigene Äufserungen gewonnene Anschauung. Vgl. auch das
Schreiben Wunschs an seine Frau im Anhang II.
») Ich folge hier im wesentlichen der Darstellung Fincks in seiner
Denkschrift (aus den in vorg. Aninerkg. angegebenen Gründen). Wenn Pfau
im Verhör behauptete, dafs Finck* selbst sich an die Spitze der Kavallerie
habe setzen wollen, so ist diese Angabe noch unmöglicher als seine übrige
Aussage. Gerade der Vorwurf wurde Finck vom Kriegsgericht gemacht,
dafs er das nicht gethan habe. Gegen diesen Vorwurf aber hat Finck kein
Wort der Verteidigung vorgebracht. Im Gegenteil, er führt, wie gesagt, in
der Denkschrift nur aus, aus welchen Gründen er den Vorschlag Wunschs
von vornherein für undurchführbar gehalten habe. Dagegen giebt das Kriegs-
gericht der Ansicht Ausdruck, dafs es doch nicht unmöglich gewesen sein
würde, sich mit der ganzen Kavallerie durchzuschlagen, „wenn es nur zei-
tiger und beym Anfange der Nacht wäre entamiret worden." (Anhang III,
Aktenst. b.)
Digitized by Google
- 73 —
Truppen gestellte habe. Wenn zu seiner Verteidigung angeführt
worden ist, dafs die zurückbleibenden Truppen nach des Ober-
befehlshabers Abmarsch völlig verloren gewesen wären l ), so ist
dieser Einwand völlig unstichhaltig, wenn man erwägt, dafs Finck
schon in dem Augenblick, da Wunsch mit der Kavallerie abmar-
schierte, zur Kapitulation entschlossen war. Diese abzuschliefsen
war gewüs seine Anwesenheit nicht erforderlich. Noch „völliger"
als durch eine Kapitulation hätten die Truppen auch in Fincks
Abwesenheit nicht verloren 3ein können.
Wunsch trat mit der gesamten Reiterei morgens 3 Uhr seinen
Abmarsch von den Ploschwitzer Höhen in der Richtung auf Sürssen
an. Die Feinde scheinen ihn anfangs wenig oder garnicht be-
helligt zu haben, dagegen verlangsamte sich der Marsch dadurch,
dafs man bei der völligen Finsternis unausgesetzt mit größter
Vorsicht vorgehen mufste. Erst mit Anbruch des Tages langte
die Reiterei bei dem schwer gangbaren Pafs von Sürssen an. In
dem Augenblick aber, wo sie sich anschickte, diesen schwersten
Teil ihrer Aufgabe zu lösen und den Pafs zu überwinden, waren
im Heerlager der Infanterie die Kapitulations- Verhandlungen be-
reits so weit gediehen, dafs sie einen verhängnisvollen Einfluss auf
den Durchbruchsversuch gewannen.
Noch vor Anbruch des Tages und bevor von feindlicher Seite
irgend ein Versuch zur Erneuerung des Angriffs gemacht war,
hatte Finck den General Rebentisch in das feindliche Heerlager
entsandt, um mit Daun über eine Kapitulation zu verhandeln.
Ausdrücklich wird in dem österreichischen Schlachtbericht 2 ) ge-
sagt, dafs Rebentisch noch vor Tagesanbruch bei den äufsersten
Feldwachen angekommen sei. Unwillkürlich fragt man sich,
warum Finck die Eröffnung der Verhandlungen so sehr beschleunigt
hat, während er doch genau wufste, dafs eine glückliche Durch-
führung des Wunschschen Versuches nur möglich sei, wenn es
*) Vgl. die angeführte Aussage Pfaus im Verhör. Schöning II. 196.
2 ) Bei Tielke S. 32. Auch Tempelhof III, 363 gibt an, dafs Reben-
tisch „eine Stunde vor Anbruch des Tages" abgesandt worden sei. In dem
österreichischen Bericht heifst es dann ausdrücklich weiter, dafs die erneuten
Angriffe der Grenadiere auf die preufsischen Truppen erst begannen, als
Lacy schon abgefertigt war. mit Rebentisch sich ins preufsische Lager zu
begeben, und dafs sie dann auf Dauns Befehl sofort eingestellt wurden.
Dem widerspricht auch die Darstellung in der Finckschen „Denkschrift"
(Anhang IV, Punkt 4 am Anfang) nicht.
Digitized by Google
— 74 —
gelinge, Zeit zu gewinnen? Konnte er nicht zum wenigstens warten,
bis die Feindseligkeiten wieder eröffnet wurden, und konnte er
nicht dann wenigstens so lange stand zu halten suchen, bis Wunsch
den Sürssener Pafs glücklich überwunden hatte? Das sind Fragen,
deren Beurteilung wir den Strategen Ton Fach überlassen müssen.
So viel aber wird auch der Historiker mit Bestimmtheit sagen
dürfen, dafs Finck mit den Kapitulations-Verhandlungen sicher
länger gezögert hätte, dafs er vor allem den unseligen Entschlufs,
Wunsch in die Kapitulation einzubegreifen, nicht gefafst haben
würde, wenn er gewufst hätte, dafs eben jetzt das Kleistsche De-
tachement auf seinem Rückmärsche aus Böhmen in Reichstädt
bei Dippoldiswalde angelangt ') und gleichzeitig auch das von dem
Könige unter Hülsen entsandte Entsatz-Korps im Anmarsch nach
Dippoldiswalde begriffen sei. 2 ) Dann hätte er es wahrscheinlich
sogar auf einen Verteidigungskampf ankommen lassen, da er die
begründete Hoffnung hätte hegen dürfen, dafs ein grofser Teil der
feindlichen Streitkräfte nach entgegengesetzter Richtung verwandt
werden müsse. Noch weniger konnte er natürlich wissen, dafs
der letztere Fall bereits eingetreten war, dafs Daun bereits wäh-
rend der Nacht 6 Bataillone Infanterie und zwei Kavallerie-Regi-
menter gegen Maxen und Reinhardsgrimma entsandt hatte, weil
von dem bei Dippoldiswalde zurückgelassenen General Seckendorf
der Bericht eingegangen war, dafs seine vor Dippoldiswalde auf-
gestellten Husaren und Dragoner von den Vortruppen eines an-
rückenden preüfsischen Korps zurückgetrieben worden seien und
dafs man in gröfserer Entfernung dieses Korps selbst wahrge-
nommen habe. Daun war dadurch in solche Besorgnis versetzt
worden, dafs er zugleich auch an das Hauptheer den Befehl gehen
liefs, unverzüglich Verstärkung nach Rippgen zu schicken. 3 )
Es kann wohl, wie erwähnt, keinem Zweifel unterliegen, dafs
Finck sich mit der Eröffnung der Kapitulations-Verhandlungen
weniger beeilt hätte und dafs diese Verhandlungen einen ganz an-
dern Gang genommen hätten, wenn diese Tatsache der Ankunft
eines Entsatz-Korps auch im Heerlager Fincks bekannt gewesen
') Das Eintreffen des Kleistschen Detachements während der Nacht
wird nur von Gaudy erwähnt.
2 ) Über den Marsch des Htilsenschen Korps berichtet am ausführlichsten
Tempelhoff III. 365/66, der selbst zu diesem Korps gehörte und den Marsch
mitgemacht hat.
3 ) Vgl. die offizielle Österreich. Relation bei Tielcke a. a. 0. S. 31/32.
Digitized by Google
— 75 —
wäre. Zum allerwenigsten wäre dann die Reiterei unter Wunsch
gerettet worden, welche nunmehr gleich der Infanterie dem Schick-
sale der Gefangenschaft anheimfiel.
Als die österreichische Feldwache, bei welcher Rebentisch an-
gekommen war, hierüber bei Daun Bericht erstattete, entsandte
dieser den General-Feldmarschall-Lieutenant Grafen Lacy mit der
ausdrücklichen Weisung, die Verhandlungen nur auf der Grund-
lage einer unbedingten Übergabe in Kriegsgefangenschaft zu
fuhren.
Lacy ritt mit einer Anzahl österreichischer Offiziere in Be-
gleitung Rebentischs in das Hauptquartier der Preulsen hinüber.
Finck, der keinen Ausweg der Rettung mehr zu erblicken glaubte,
ging ohne Schwierigkeiten auf die Bedingung völliger Gefangen-
nahme seines Corps ein. Die Kavallerie, welche unter Wunsch,
wie wir sahen, am Pafs von Sürssen angekommen war, wurde zu-
nächst nicht besonders erwähnt. Da gewahrte Lacy von dem
Orte aus, wo die Verhandlung geführt wurde, jene im Abzug be-
griffene Kavallerie und verlangte alsbald, dafs dieselbe in die Ka-
pitulation mit einbegriffen werden müsse. Finck müsse sogleich
an Wunsch den Befehl zur Rückkehr erlassen. Es scheint nicht,
dafs Finck diesem Ansinnen erheblichen Widerstand entgegen-
gesetzt hat. Sicher ist, dafs er seinen Adjutanten von Pfau ent-
sandte, um Wunsch die Lage der Dinge mitzuteilen und ihn zu
bedeuten, dafs sein Versuch zu entkommen wahrscheinlich nicht
gelingen werde. Sehr wahrscheinlich aber ist es, dafs er ihm
aufserdem auch den Befehl zurückzukehren geschickt hat ').
') Die Aussagen, welche von Finck, Wunsch und Fincks Adjutanten
von Pfau im Verhör gemacht wurden, weichen im einzelnen sehr von ein-
ander ab, kommen aber in der Hauptsache auf dasselbe hinaus. Pfau gab
au, er sei von Finck zu Wunsch entsandt worden, um ihm, falls er den
Grund von Sürssen noch nicht passiert habe, zu sagen, dafs er dann
allerdings als zum Korps gehörig betrachtet und in die Kapitulation ein-
begriffen werden müsse (Schöning II, 197). Finck selbst scheint sich in
seinen Aussagen widersprochen zu haben. Das eine Mal behauptete er, dafs
er „den General von Wunsch nicht befehlsweise habe zurückrufen lassen,
sondern nur demselben, indem der Feind darauf bestanden, dafs solche sich
ebenfals zu Krieges-Gefangenen ergeben sollen, nur habe sagen lassen, wie er
es als unmöglich ansehe, dafs er durchkommen könnte, er demnach ebenfalls
gezwungen seyn würde, sich zum Krieges-Gefangenen zu ergeben." Thatsäch-
lich freüich kommt das ziemlich auf dasselbe heraus, wie ein direkter Befehl
(Anhang III, Aktenstück b). Nach den Schöningschen Auszügen (II, 196)
scheint Finck von vornherein zugegeben zu haben, dafs er den Befehl zur
Digitized by Google
— 76 —
Noch vor dem Adjutanten Fincks war übrigens auch Lacy
selbst bei Wunsch angelangt; man sieht, wie viel den Öster-
reichern daran gelegen war, Wunsch mit in die Kapitulation ein-
zubegreifen. Das spricht nicht gerade dafür, dafs Wunschs
Unternehmen von vornherein aussichtslos gewesen ist. Zum
wenigsten hätte seine Verhinderung den Österreichern noch Ver-
luste an Mannschaft gekostet. Vor allem aber hätte sich Finck
nicht dahin bringen lassen sollen, darauf einzugehen, dafs Wunsch
in die Kapitulation einbegriffen werde. Mit Recht hat man von
sachkundiger, sonst Finck keineswegs abgeneigter Seite die Frage
aufgeworfen, was Finck denn Schlimmeres als die Kapitulation
hätte begegnen können, wenn er sich dem Ansinnen der Zurück-
beruftmg Wunschs widersetzt hätte 1 ). Dafs Daun alsdann gegen
die preufsische Infanterie alsbald wieder die Kanonade eröffnet
hätte, ist wenig wahrscheinlich. Ja man kann sagen, dafs das
sicher nicht geschehen wäre, weil Daun eine Erneuerung des
Kampfes nach dem Eintreffen preufsischer Truppen in Dippoldis-
walde, von dem Finck freilich nichts wusste, gar nicht wünschen
konnte. Auf der andern Seite aber kann mau mit Recht auch
fragen, weshalb Wunsch, wenn er noch an eine Möglichkeit des
Gelingens seines Versuchs glaubte, sich an den Befehl Fincks ge-
kehrt hat. Dafs derselbe nur erzwungenerweise gegeben worden
war, wusste er ja. Nicht minder wusste er mit Bestimmtheit,
dafs in diesem Falle ein Ungehorsam gegen seinen Vorgesetzten
ihm nur zum Verdienst angerechnet werden würde. Daraus, dafs
er dem Befehl Folge leistete, scheint doch hervorzugehen, dafs
sein Unternehmen in diesem Augenblicke von ihm selbst als aus-
sichtslos angesehen wurde, freilich nur deswegen, weil eben Finck
die Kapitulationsverhandlungen zu früh eröffnet hatte. Wunsch
Umkehr an Wunsch erlassen habe. Nur fügte er hinzu, dafs dieser Befehl
ja für Wunsch nicht verbindlich gewesen sei, „da er von einem kriegs-
gefangenen General nicht nöthig gehabt hätte, eine Ordre anzunehmen."
Wunsch seinerseits hat auf das Bestimmteste behauptet, nicht nur einmal,
sondern mehrere Male den Befehl zur Umkehr von Finck erhalten zu haben
(vgl. Anhang III, Aktenstück b und den Brief Wunschs an seine Frau Anhg. II).
In seiner später niedergeschriebenen „Denkschrift" hat übrigens auch Finck
selbst nochmals ausdrücklich zugegeben, dafs er auf das Ansinnen Lacys
eingegangen sei, „wohl wissend," wie er hinzufügt, „dafs sich der General
Wunsch an meine ordres nicht mehr kehren würde, wenn er eine Möglichkeit
eingesehen hätte, fortzukommen."
') Vgl. das Generalstabswerk über den 7jährigen Krieg. Teil 3, S. 217.
Digitized by Google
— 77 —
selbst hat sich in dem Verhör in diesem Sinne geäufsert. Er gab
an, er „würde sich an die vielfach an ihn geschickten Ordres zum
Umkehren nicht gekehrt haben, wenn er nicht gleichzeitig ver-
nommen: dafs das ganze übrige Corps sich bereits ergeben habe,
und dafs er also die ganze Macht des Feindes allein auf seinen
Schultern haben würde" ').
Für den Gang der Dinge selbst hat demgemäfs die Frage,
ob Finck den ausdrücklichen Befehl an Wunsch wirklich ergehen
liefs, keine entscheidende Bedeutung. Wunsch würde sich haben
ergeben müssen, auch wenn er den Befehl hierzu nicht erhalten
hätte. Wie die Dinge einmal lagen, war sein Unternehmen als
gescheitert anzusehen. Finck aber wird dadurch von der morali-
schen Verantwortlichkeit für jenen Befehl nicht befreit. Es war
ganz berechtigt, dafs es der König Wunsch hoch anrechnete, dafs
er wenigstens einen Versuch des Durchbruchs gemacht hatte, und
ihn demgemäfs nicht wie die andern Generale vor ein Kriegs-
gericht stellte. Denn dafür, dafs sein Versuch mifslang, war er
sicher nicht verantwortlich. Er wäre wahrscheinlich gelungen,
wenn Finck auch nur eine Stunde länger Widerstand zu leisten
versucht hätte.
Thatsächlich war nunmehr das Geschick des ganzen Finckschen
Korps einschliefslich der Wunschschen Reiterei entschieden. Die
Kapitulation wurde abgeschlossen. Das einzige kleine Zugeständ-
nis, welches erreicht wurde, war, dafs den gefangenen Truppen
ihre Bagage belassen wurde. Das ganze Korps zählte im Augen-
blick des Abschlusses der Kapitulation sicher nicht erheblich mehr
als 7000 Mann, doch scheinen schon am Tage vorher eine grofse
Anzahl von Gefangenen in die Hände der Österreicher gefallen
zu sein 2 ). Aber nicht die Höhe dieses Verlustes allein war es,
J ) Schöning a. a. 0. S. 197.
2 ) Die Frage, wie stark das Fincksche Korps überhaupt von vornherein
gewesen sei, ist sehr schwer zu Deantworten. Wir wissen aus unseren
Quellen, dafs dasselbe aus 18 Bataillonen, 3 Kürassier-, 2 Dragoner- und
einem Husaren-Regiment bestand, aber über die Stärke derselben wissen wir
wenig. Viele derselben hatten gegen die Hussen mitgekämpft und dort
einen grofsen Teil ihrer Mannschaft eingebüfst. Gaudy schätzt deshalb das
gesamte Korps nur auf 10000 Mann. In der Anzahl der Bataillone und
Schwadronen stimmt Tempelhoff III, 347/48, 351 mit Gaudy überein. Er be-
ziffert das Fincksche Korps bei dessen Entsendung durch den Prinzen Heinrich
auf 13 Bataillone und 35 Schwadronen und läfst es am 11. durch 4 Bataillone,
am 12. durch 1 Freibataillon und zwei Kavallerie -Regimenter verstärkt
Digitized by Google
- 78 -
welche dem König mit Recht diesen Schlag als einen furchtbaren
und kaum wieder gut zu machenden erscheinen liefs: schwerer
wog materiell der Verlust der Kadres, unwiederbringlich aber war
vor allem der Verlust, den der preufsische Waffenruhm durch
diese bisher in den Annalen der preufsischen Kriegsgeschichte un-
erhörte Kapitulation erlitten hatte 1 ).
Was auch Finck damals und später zu seiner Verteidigung
anführen mochte, der König hat ihm diesen Schimpf, den er den
preufsischen Waffen angethan hatte, nie verziehen.
Gewifs wird man Finck wegen der unglücklichen Lage, in die
er geriet, sein Mitgefühl nicht versagen können, wenngleich bei
einer gewissenhaften Prüfung des vorliegenden Quellenmaterials
daran kein Zweifel sein kann, dafs er durch eine Reihe verhängnis-
voller Irrtümer und Versehen diese Lage selbst zum grofsen Teil
herbeigeführt und den Untergang seines Korps verschuldet hat.
werden. Über die Angaben Fincks in Betreff der Stärke seines Korps im
Augenblick der Kapitulation (wenig mehr als 7000 Mann) habe ich schon
oben S. 70 Anm. 1 gesprochen. Dagegen gaben die österreichischen Listen,
welche hierüber ausgegeben wurden, nach Tielckes Angaben (S. 25) die
Gesamtzahl der Gefangenen auf 14 922 Mann an. Von Generalen gerieten
aufser Finck selbst die Generalmajore Rebentisch, Mosel, Lindstädt, Wunsch,
Platen, Gersdorf, Bredow und Vasold in Gefangenschaft. Die Summe aller
Oberoffiziere betrug nach den österreichischen Listen 549. Diesen Listen
folgen die „Beiträge zur Geschichte der österreichischen Kavallerie 14 S. 409,
welche den Gesamtverlust der Preufsen auf 9 Generale, 549 Offiziere und
ca. 14 000 Mann beziffern. Die neueren Darstellungen von preufsischer Seite
beziffern ihn niedriger, das Generalstabs werk S. 204 auf 10—12 000 Mann,
Schäfer II, 1. 339 auf 12 000, ebenso hoch Bernhardi (1, 463). Sicher sind in allen
diesen Zahlenangaben die Gefangenen, welche am 20. während des Kampfes
und in der Nacht auf den 21. in die Hände der Österreicher fielen, mit ein-
begriffen.
l ) Der letztere Punkt ist es vornehmlich, der den König zu seiner
dauernden Ungnade gegen Finck und seine Genossen veranlafste. Er hat
dem schon unmittelbar unter dem Eindruck des Ereignisses Ausdruck ge-
geben in dem kurzen Antwortschreiben, welches er Finck auf dessen Meldung
über das traurige Ereignis erteilte. (Anhang II, Aktenstück 15 und 16).
Ebenso hat später das Kriegsgericht auf diese moralische Seite der Sache
grofsen Nachdruck gelegt, indem es erklärte: „Allein es ist hierbey zu
erwegen, dafs bey einem ferneren Angriff auf den Feind, wenn solcher auch
mifslungen wäre, der gröfste Theil des corps ein härteres Schicksahl nicht
als die Krieges-Gefangenschaft hätte haben können: wobey statt dessen, dafs
ein gantzes corps im freyen Felde das Gewehr auf eine deshonorirende Weyse
niedergelegt, die Ehre deren Waffen couserviret und ein exempel zur Übeln
Nachfolge vermieden worden seyn würde" etc.
Digitized by Google
- 79 -
Gewifs wird man auch dem von ihm selbst geltend gemachten
Argumente, dafs er der Sache des Königs durch Erhaltung seines
Korps einen gröfseren Nutzen zu verschaffen gehofft habe, als
durch dessen völlige Aufopferung, ein gewisses Mafs von Berechti-
gung nicht versagen können, auf der andern Seite aber mufs doch
mit Nachdruck betont werden, dafs in einem Kriege, in welchem
es sich um Existenz und Ehre eines Staatswesens handelt, die
Rücksicht auf den vermeintlichen Nutzen nicht die allein mafs-
gebende oder auch nur ausschlaggebende sein darf. An kein Bei-
spiel aus der Weltgeschichte ist mit bezug hierauf mit gröfserem
Rechte erinnert worden 1 ), als an das von Thermopylä. In wie
ganz anderem Lichte würde uns die gesamte Geschichte Spartas
erscheinen, wenn Leonidas bei Thermopylä — kapituliert hätte!
Ganz gewifs ist auch der König nicht von jedem Vorwurf frei-
zusprechen. Die Entsendung des Finckschen Corps in den Rücken
der feindlichen Aufstellung war, das sagten wir schon, mehr als
kühn, sie war verwegen bis zum äufsersten. Dafs aber der
traurige Ausgang keineswegs als notwendige Folge derselben an-
gesehen werden kann, glauben wir durch unsere vorstehenden
Untersuchungen nachgewiesen zu haben.
l ) Bernhardi I, 464.
Digitized by Google
Anhang
I
Entstehungsgeschichte der Überlieferung.
A. Das „Journal von dem Finkischen Corps bey Maxen."
Die vorstehende Darstellung hat den Versuch unternommen,
die bisherige Auffassung über das Ereignis von Maxen in mehreren
nicht unerheblichen Punkten abzuändern und eine neue Grundlage
für die Beurteilung der einzelnen handelnden Personen zu schaffen.
Diese Abweichungen von der bisher so gut wie alleinherrschenden
Anschauung beruhen vornehmlich darauf, dafs die früheren
Forscher, vereinzelte Ansätze einer grundsätzliehen Quellenkritik
abgerechnet, allzusehr unter dem Banne der Memoiren-Überliefe-
rung gestanden und derselben eine Glaubwürdigkeit beigemessen
haben, welche ihr nicht zukommt. Wohl hat namentlich Bern-
hardi auf die Ungereimtheiten der Retzowschen Darstellung auf-
merksam gemacht, aber an eine umfassende und erschöpfende
Untersuchung darüber, wie denn nun eigentlich unsere Quellen
zu jener von ihm als irrig erkannten Beurteilung der Ereignisse
gekommen sind, ist er doch nicht gegangen. Wäre ihm die Tat-
sache bekannt gewesen, dafs fast unsere sämtlichen geschicht-
schreibenden Quellen im letzten Grunde mittelbar oder unmittelbar
auf Finck und seine Umgebung zurückgehen, so würde er damit
den Schlüssel zu dem sonderbaren Verhalten der zeitgenössischen
Geschichtschreiber gefunden haben. Diesen Schlüssel durch Klar-
legung der Entstehungsgeschichte dieser Überlieferung aufzufinden,
ist die Aufgabe der nachfolgenden Untersuchungen.
Es wird dabei nicht zu vermeiden sein, den Leser in die
Einzelheiten der Untersuchung einzuführen, da das Resultat wichtig
genug ist, um es bis ins kleinste zu begründen. Denn wenn die
bisherigen Darstellungen ihre vornehmste Grundlage eben in der
Tatsache gefunden haben, dafs der Verlauf der Katastrophe in
Digitized by Google
- 81 -
allen unseren Quellen im wesentlichen in derselben Weise erzählt
wird, so mufs diese ganze Grundlage naturgemäfs in sich zu-
sammenbrechen, wenn es gelingt, nachzuweisen, dafs diese Quellen
nicht von einander unabhängige, selbständige Berichte sind, sondern
mehr oder weniger direkt auf dieselbe Urquelle, den Bericht des
unmittelbar Beteiligten, zurückgehen, also nicht als durchaus
objektiv, sondern als parteiisch gefärbt zu betrachten sind.
Uberblickt man das gesamte Quellenmaterial, welches uns
über die Gefangennahme Fincks bei Maxen erhalten ist, so ist
bisher, wenn man von den von preufsischer und österreichischer
Seite in den Zeitungen veröffentlichten „officiellen Bulletins" ') ab-
sieht, als eine unserer vornehmsten und objektivsten Quellen das
in der „Sammlung ungedruckter Nachrichten" Teil 2, S. 591 — 608
abgedruckte „Journal von dem Finkischen Corps bey Maxen im
Jahre 1759" betrachtet worden. Man meinte annehmen zu können,
dafs das Journal unmittelbar nach den Ereignissen niedergeschrieben,
d. h. in der Weise anderer Tagebücher der Art aus Notizen in
gleichzeitigen Parolebüchern entstanden sei 2 ). Diese Ansicht war
schon unmittelbar nach dem Erscheinen des zweiten Teils jener
Sammlung verbreitet und ist die Ursache gewesen, dafs jenes
Journal, wie wir sehen werden, von den militärischen Memoiren-
schreibern, vor allem von Tempelhoff, in ausgiebigster Weise be-
nutzt wurde, während andere Aufzeichnungen verwandter Art, wie
') Solcher Relationen enthält die „Heldengeschichte Friedrich des An-
dern 44 , 5. Teil (Frankfurt und Leipzig 1760) S. 1003-1017 von preufsischer
Seite zwei, deren zweite („Schreiben eines prenfs. Offiziers aus dem Lager bei
Wilsdruf, 10. Dezember*) jedoch nichts weiter enthält als eine Widerlegung
der übertriebenen Angaben der österreichischen Relationen über die Anzahl
der Gefangenen. An derselben Stelle findet sich auch die österreichische
offizielle Relation, die außerdem noch bei Tielcke und in den „Danziger
Beiträgen" gedruckt ist. Alle drei Relationen nebst Verlustlisten finden
sich auch bei Seyfart. 3. Tl. 2. Abtlg. S. 437 ff.
2 ) Eine ziemlich allgemein gehaltene, zusammenfassende Schilderung
der Entstehungsart dieser Tagebücher und Journale giebt O. Herrmann in
der Berliner Inaugural-Dissertation : „Über die Quellen der Geschichte des
siebenjährigen Krieges von Tempelhoff" 1885; doch ist die Untersuchung weit
entfernt davon, erschöpfend und vollständig zu sein; so hat Herrmann voll-
kommen übersehen, dafs Tempelhoff, wie wir sehen werden, bei der Dar-
stellung des Ereignisses von Maxen das „ Journal" in der „Sammlung nngedr.
Nachrichten 44 sehr ausgiebig benutzt hat. Vgl. im übrigen meine Besprechung
der Herrmannschen Dissertation in den „Göttinger Gelehrten Anzeigen" 1886
No. 19, S. 768 ff.
HUtoritche Untersuchungen. 7. o
Digitized by Google
— 82 -
die zwei Jahre später (1784) in der Bellona erschienenen, fast
unbeachtet blieben.
Es mnfste daher von der höchsten Bedeutung sein, über
Wesen und Entstehung dieser, wie es schien, frühesten darstellen-
den Quelle zu einem klaren Resultate zu kommen. Da fand ich
nun in dem im Geheimen Staatsarchive beruhenden Nachlasse
Fincks eine eigenhändig von Finck niedergeschriebene „Relation
der unglücklichen Action bey Maxen", die ich alsbald durch ein-
gehende Vergleichung als Grundlage jenes Journals erkannte. Sie
ist von Finck ungefähr gleichzeitig mit einer Denkschrift nieder-
geschrieben worden, welche er im Hinblick auf das Verhör,
welches in der kriegsgerichtlichen Untersuchung gegen ihn vor-
genommen worden war, aufgezeichnet hat (mitgeteilt im An-
hang IV). Als Entstehungszeit haben wir also etwa die Jahre
1763 — 64 anzusehen. Ob die Relation von Finck, wie eigen-
händig geschrieben, so auch verfafst ist, läfst sich nicht fest-
stellen, doch spricht die Wahrscheinlichkeit dafür. Das in der
„Sammlung ungedruckter Nachrichten" veröffentlichte „Journal"
ist nun zweifellos nichts anderes, als eine Überarbeitung jener
Relation im Finckschen Nachlafs. Und zwar hat es sich der
Herausgeber des „Journals" sehr bequem gemacht; er hat ganze
Seiten lang die Relation wörtlich abgeschrieben, an einigen an-
dern Stellen hat er einige nicht erhebliche Kürzungen vor-
genommen. Namentlich hat er den Schlufs der „Relation",
welcher doch eine gar zu einseitige Verherrlichung von Fincks
Verhalten in sich schlofs, ganz weggelassen. Der Anfang ist ein
wenig gekürzt. Sonst sind die Abweichungen wenig erheblich.
Am leichtesten und bequemsten würde es ja nun sein, den
Beweis dafür, dafs das „Journal" im wesentlichen nur eine Über-
arbeitung der „Relation" ist 1 ), direkt anzutreten, d. h. die in
*) Dieselbe Relation findet sich aufser im Nachlasse Fincks noch in
einem zweiten, dem „Journal" in der „Sammlung ungedruckter Nachrichten"
noch näher stehenden, von Schreibers Hand stammenden Exemplar in der
Rep. 63, 85 des G. St. A. Doch lege ich der Vergleichung mit dem „Journal"
naturgemäfs die von Finck selbst niedergeschriebene Fassung (A) zu Grunde.
Die andere Fassung (B) könnte geradehin als eine Abschrift des „Journals"
betrachtet werden. Möglich wäre es indes auch, dafs die letztere die un-
mittelbare Grundlage des „Journals" gewesen wäre; damit würde aber
unsere Beweisführung in der Hauptsache nicht abgeändert, sondern nur
um eine Instanz verschoben werden. Beruht das „Journal" auf der Fassung B.
sind diese beiden als identisch aufzufassen, so beweise ich mit der Ver-
Digitized by Google
- 83 —
beiden vollkommen wörtlich übereinstimmenden, oft Seiten langen
Stellen nebeneinander zn setzen. Um aber jedem Einwände
gegen meine Beweisführang von vornherein zn begegnen, ziehe
ich es vor, den Beweis indirekt zu führen, d. h. erst alle Ab-
weichungen ohne Ausnahme zusammenzustellen und zu zeigen,
dafs auch die stärksten derselben immer noch des Uberein-
stimmenden so viel haben, dafs man selbst auf Grund dieser
nicht wörtlich übereinstimmenden Stellen auf eine innere Ver-
wandtschaft der beiden Quellen schliefsen könnte, dafs aber sicher
keine derselben geeignet ist, gegen eine solche Verwandtschaft
zu zeugen. Alle unter den Abweichungen nicht angeführten
Stellen stimmen absolut wörtlich überein. Am Schlüsse stelle
ich dann zur Ergänzung noch zwei längere Stellen dieser Art zu-
sammen und ergänze so die indirekte Beweisführung durch die
direkte.
Der Leser wolle sich die Mühe nicht verdriefsen lassen, nun-
mehr mit mir in die Einzelheiten der Untersuchung einzutreten.
Ich erwähnte schon, dafs die erste Abweichung sich gleich
am Anfang findet, der in der „Relation" ein klein wenig aus-
fuhrlicher ist als im Journal.
Der Anfang lautet in der „Relation": „Der General Lieute-
nant von Finck hatte die ordre vom Könige, mit seinen Corps
hinter der feindlichen Armee vorzurücken und den Posten bey
Maxen zu occnpiren.
Nachdem er nun den 15t. Novembre 1759 bey Dippolds-
widda angekommen, daselbst ein Corps derer Reichs-Trouppen
unter den Printz von Stolberg gezwungen sich zurückzuziehen,
defsen arriere garde 2 Canons abgenommen und unterschiedene
Gefangene gemacht , so detachirte Er den 16ten den General
Wunsch mit der Avantgarde nach Maxen; selbige bestand aus
3 Grenadier-Battaillons, Benckendorff, Willemey und Kleist, dem
gleichung mit der von Finck niedergeschriebenen, dafs Fassung B aus
Fassung A geschöpft ist; da nun Fassung B mit dem „Journal* identisch
ist, so beruht alsdann auch das Journal indirekt auf der Fassung A. Das
Verhältnis ist also entweder:
Fassung A
Fassung A _ ~ T
— oder Fassu ng B
Fassung B. Journal. ■• '.
Journal.
In beiden Fallen steht der Zusammenhang des „Journals" mit Fassung A
fest, und nur auf diesen kommt es an.
6*
Digitized by Google
- 84 -
Regiment von Cassel, denen Dragonern von Platen und Würten-
berg, 7 Esquadrons Hussaren von Gersdorff, und den Frey-Ba-
taillon von Salenmon; unsere Hussaren bekamen hierbey einen
Adjutanten des General Brentanow und etliche Gemeine gefangen."
(S. 1 des Mscr.). Das „Journal" hat hierfür (S. 591/92) folgende
kürzere Fassung: „Den 15. November stand das Finkische Corps
bey Dippoldswalde, die Armee des Königs aber bey Wilsdruf und
Neustadt, ohnweit Meifsen. Da nun dieses Corps noch weiter
hinter die feindliche Armee vorrücken sollte, so wurde der Gene-
ral-Major von Wunsch den 16ten mit den 3 Grenadier-Bataillons
von Benekendorf, Willemai und Kleist, mit dem Regiment von
Cassel, den Dragoner -Regimentern v. Platen und Würtemberg,
7 Escadrons Husaren von Gersdorf und dem Freybataillon
v. Salenmon als eine Avantgarde nach Maxen geschickt. Unsere
Husaren bekamen hierbey einen Adjudanten vom Gen. Brentano
und etliche Gemeine gefangen." Mit dem letzten, wörtlich über-
einstimmenden Satz gehen die beiden Darstellungen ineinander
über.
Diese Ubereinstimmung ist dann 1 '/ a Seiten lang eine absolut
wörtliche mit folgenden winzigen, rein stilistischen Ausnahmen:
Journal S. 592.
Der Feind verliefs Dohna nach
einigem Widerstand.
Ebda.
viele Cavallerie und Seiten- Pa-
trouillen.
Ebda.
aus der Stadt Dohna das Frey-
bataillon wieder herauszog.
Ebda,
v. Horn und Bredow.
S. 593.
mit dem Grenad.-Bat. v. Billerbeck.
Relation, Mscr. fol. la.
Der Feind verliefs nach einigen
Wiederstand die Stadt.
Ebda. fol. la u. b.
viel Cavallerie mit starcken Sey-
then-Patrouillen.
Ib.
das Frey-Bataillon aus der Stadt
wieder herauszog.
Ebda.
von Bredow und Horn.
Ebda.
mit dem Grenadier-Battaillon von
Homboldt (welches hernach Biller-
beck genannt wurde).
Dann folgt eine ganz kleine, unwesentliche sachliche Ab-
weichung. Es heifst:
Journal S. 593.
2. Bat. v. Rebentisch und 1. Bat.
von Schenkendorf von Dippolds-
Relation lb.
2 Batt. Rebentisch von Dippolds-
walda nach Maxen. Das BattaiUon
Digitized by Google
— 85 —
walde nach Maxen; den Gen.-Major
v. Landstadt aber liefs er mit 3
Bataillons v. Lehwald, Hülsen, v.
Knobloch nnd mit dem Kürassier-
Regiment von Vasold in Dippolds-
walde stehen, damit die Strafse
von Freyberg offen erhalten würde
und die Proviantwagen zum Corps
nach Maxen sicher gehen konnten;
wobey er den Major v. Haugwitz,
welcher in dem Dorfe Ober-Häfslich
mit 3 Escadrons postiret war, die
Ordre ertheilte, beständig mit ver-
schiedenen Patrouillen gegen Pos-
sendorf u. Rabenau zu patrouilliren,
um bey Zeiten von allen feind-
lichen Bewegungen Nachricht zu
erhalten. n
von Schenckendorff und die Cui-
rassiers von Vasold aber musten
unter Commando des General Va-
sold in Dippoldswalda stehen blei-
ben, zu welchen der General-Major
von Lindstädt mit denen 3 Bat-
taillons von Lehwald, Hülsen und
Knobloch diesen Tag nach Dip-
poldswalde kommen sollten. Der
General-Lieutenant liefs in der Ab-
sicht diese Trouppen zurück, damit
die Strafse von Freyberg offen er-
halten würde und Er die Commu-
nication mit dem Könige behielte,
auch die Proviant- Wagens zu dem
Corps nach Maxen sicher gehen
konten; wobey Er den Major von
Hauckwitz, welcher in den Dorffe
Ober-Haeselich mit 3 Esquadrons
Hussaren postiret war, die ordre
ertheilte, beständig viele Patrouillen
gegen Possendorff und Rabenaw
zu schicken, um bey Zeiten von
allen feindlichen Bewegungen Nach-
richt zu bekommen."
Man ersieht, dafs der Schlufspassus schon wieder die wört-
liche Übereinstimmung zeigt; die einzige kleine Differenz betrifft
die Postierung des Bataillons Schenckendorf. Es liegt indessen
auf der Hand, dafs es sehr wohl möglich ist, dafs der Heraus-
geber des „Journals" im stände sein konnte, seine Vorlage nach
eigener Kenntnis zu verbessern.
Sofort folgt dann (S. 594 des „Journals") wieder wörtliche
Übereinstimmung; nur hat die „Relation" zwischen „sähe man"
und „in der Feme" noch die Worte „von der Maxener Höhe",
welche im „Journal" fehlen; statt „heran rücken" „hervor
kommen", zwischen „Battaillons und Escadrons" und „rückten bey
Maxen ins Lager" hat die „Relation" noch die Worte „con-
jungirten sich mit der Avantgarde." Im nächstfolgenden Satz ist
die Abweichung wieder ein wenig gröfser.
Journal S. 594.
„Das Regiment von Cassel, das
Freybataillon und 3 Escadrons Hu-
saren aber marschirten noch den-
selben Nachmittag mit dem Gen.- quadrons Hussaren abermahl de-
Relation S. 2 a.
Der General Wunsch wurde mit
das Regiment von Cassel, das Frey-
Battaillon von Salenmon und 3 Es-
Digitized by Google
— 86 —
Maj. von Wunsch nach Dohna,
welches der Feind mit Croaten
wieder besetzt hatte, die man aber-
mals heraus jagte und Dohna da-
gegen mit den 3 Bataillons besetzte.
Den 18. Nov. erhielt der Gen.-
Lieutenant Befehl, die in Dippolds-
walde stehende Bataillons und das
Regiment von Vasold an sich zu
ziehen.
Er gab dem General v. Lind-
städt hiervon sogleich Nachricht,
welcher auch noch denselben Tag
mit den Bataillons und Escadrons
im Maxner Lager ankam" etc.
tachiret, noch denselben Nachmit-
tag nach Dohna zu marchiren,
welches der Feind mit Croaten
wieder besetzt hatte, die es aber
auf dessen Annäherung verliefsen,
der General Wunsch besetzte hier-
auf die Stadt und die Schantze
hinter derselben, die 3 Esquadrons
Hussaren wurden gegen Mügeln,
Gamich und Grofs-Sedlitz postiret.
Den 18. erhielte der General-
Lieutenant von Finck vom Könige
Befehl, die in Dippoldswalda
stehende Battaillons und Esqua-
drons an sich zu ziehen.
Er gab dieserwegen den Ge-
neral Lindstädt und Vasold sogleich
ordre aufzubrechen, welche auch
noch selbigen Tages mit denen
I 4 Battaillons und dem Vasoldschen
Cuirassier-Regimente im Lager bey
I Maxen ankamen.
Daun folgen nur noch ganz geringe Abweichungen. „Da-
gegen dem General v. Wunsch die 2 Bataillons" etc. (Journal),
„dagegen den General Wunsch auf sein Verlangen die 2 Batt."
(Relation), „unterschiedliche Angriffe" (Journ.), „unterschiedene
Angriffe" (Relation) etc.
Journal 594/595.
Der General von Wunsch liefs
das Regiment v. Münchow auf der
Anhöhe bey Ploschwitz aufmarschi-
ren und daselbst die Nacht über
bleiben.
Relation fol. 2 a.
Das Regiment von Münchow
marchirte auf der Ploschwitzer
Anhöhe auf und blieb die Nacht
über bey den Gewehre stehen.
Dagegen fehlt S. 595 des Journals ein ganzer Satz, welcher
in der „Relation" steht.
Journal 595.
„Dippoldswalde ward diesen
Abend durch die 2 Bataillons
v. Grabow und v. Zastrow, so die
Proviantwagen vom ganzen Corps,
mit Brod beladen, von Freyberg
escortiret hatten, wieder besetzt."
Relation f. 2 a.
Dippoldswalde war diesen
Abend durch die 2 Battaillons von
Grabow und Zastrow, so die Pro-
viant-Wagens mit Brodt beladen
von Freyberg escortirten, wieder
besetzt worden, auch hatte der Ge-
neral-Lieutenant den Major Hauck-
witz mit 3 Esquadrons Hussaren
Digitized by Google
- 87 —
in Ober-Häselich stehen lassen, um,
wie schon gemeldet, die gehörige
Patrouillen zu thun und auf alle
feindliche mouvements ein auf-
merksames Auge zu haben."
Doch ist die Auslassung nicht so auffallend, weil dieselbe
Nachricht schon früher berichtet war, so dafs die Wiederholung
vom Herausgeber des „Journals" als überflüssig ausgelassen werden
konnte.
S. 595 hat das „Journa
statt des in der „Relation'
an-
gegebenen falschen Ortsnamens Ringelshayn den richtigen Rein-
holzhain substituiert; kurz darauf lälst das Journal die in der
Relation stehenden Worte „gar wohl" aus; dagegen zeigt sich
wieder eine gröfsere Abweichung bei der Angabe der Regimenter,
welche den Proviantwagen entgegenmarschieren sollten.
Journal 595.
so befahl der Gen.-Lieutenant, dafs
zu derselben mehrerer Sicherheit
der Gen.-Major v. Platen mit den
Dragonern v. Würtembcrg und den
3 Grenadier -Bataillons von Kleist ,
v. Billerbeck, v. Bcnekendorf ohne
Anstand den Proviantwagen auf der
Strafse nach Reinholzhain entgegen
marschiren sollte; dem Major
v. Haugwitz aber wurde die Ordre
geschickt, die feindliche Vor-
truppen so lange als möglich durch
ein und andere Bewegung aufzu-
halten, und sich hierbey mit dem
Transport der Brodwagen gegen
Reinhardsgrimme zurück zu ziehen.
Relation 2 b.
so befahl der General-Lieutenant,
dafs zu derselben mehrerer Sicher-
heit der General-Major von Platen
mit denen Dragoner von Würten-
berg und dem Cürassir-Regimente
von Horn, desgleichen der General
von Mosel mit denen Grcnadier-
Battaillons von Billerbeck und
Benckcndorff ohne Anstand denen
Proviant -Wagens auf der Strafse
nach Ringelshayn entgegen mar-
chiren sollte; dem Major v. Hauck-
witz aber wurde die ordre ge-
schickt, die feindliche Vor Trouppen
so lange als möglich aufzuhalten
und sich nächstdem mit der Es-
corte derer Proviants-Wagens zu
conjungiren."
Am Schlufs von S. 595 hat das Journal die Worte „nach
einigen gehabten kleinen Attaken" eingeschoben, welche die Re-
lation nicht hat.
Dann aber folgt eine Stelle, an welcher die Abweichungen
beider Darstellungen in der Ausdehnung fast einer Seite ziemlich
starke sind, wenngleich sich noch immer zahlreiche wörtliche
Anklänge finden. Das Journal ist meist kürzer und stellt sich
im allgemeinen als ein Exzerpt aus der Relation dar, hat aber
Digitized by Google
auch einige kleine, aber ganz unerhebliche Zusätze, die der Her-
ausgeber desselben sehr wohl aus eigener Erinnerung hinzugefügt
haben kann.
Journal 596.
Der General-Lieutenant v. Fink
beobachtete unterdessen von der
Anhöhe bey Hausdorf, dafs das
über Wendisch-Carsdorf heran mar-
schirende feindliche Corps ver-
schiedene Bewegungengegen
Dippoldswalde machte und
starke Vorposten gegen Rein-
hardsgrimme anrücken liefs;
dahero dem General-Major
von Platen die Ordre zuge-
schickt wurde, disseits Rein- i
hartsgrimme mit den Ba-
taillons undDragonern stehen
zu bleiben und das Dorf be-
setzt zu halten.
DieSpions und Deserteurs
meldeten, dafs sich der Feld-
marschall Daun bey diesem
feindlichen Corps befände,
dafs dieses Corps gegen
30 000 Mann stark sey, viele
Artillerie bey sich führe und
die Preufsen auf der Seite bey
Hausdorf angreifen wollte,
sobald die Reichsarmee bey
Dohna und der General von
Brentano zwischen Dronitz
und Wittgendorf attakiren
würden. Der Gen eral-Lieute-
nant v. Fink kehrte also alle
mögliche Anstalten vor und
wollte anfänglich die bey-
den Anhöhen gegen Drohnitz
und Wittgendorf oecupiren,
weil diese Höhen alle das
übrige Terrain zu bestreichen
schienen; allein, solches zu
bewerkstelligen, fehlte es an
hinlänglichen Truppen etc.
Relation fol. 2 b und 3 a.
Da nun das feindliche
Corps gegen Dippoldswalda
seinen march fortsetzte und
gegen Reinhardsgrim starcke
Vorposten vorrücken liefs, so
befahl der General-Lieutenant
denen Generals von Platen und
Mosel mit denen bey sich
habenden Battaillons und Es-
quadrons diesseith Reinhards-
grim stehen zu bleiben und
das Dorff vor sich wohl be-
setzt zu behalten; sie behielten
zu dem Ende noch das Bataillon
von Zastrow bey sich, das Bat-
taillon von Grabow mustc Haus-
dorff besetzen, ingleichen den Berg
hinter diesen Dorffe gegen die
Teuffels-Mühle und die Proviant-
wagens nach dem Lager fahren;
der General-Lieutenant hatte hier-
bey die Absicht, im Fall ihm der
Feind attaquiren wollte, so viel als
möglich selbigen aufzuhalten, seinen
march beschwerlich zu machen und
Zeit zu gewinnen, damit der König
von diesen gefährlichen mouvement
des feindes noch zu rechter Zeit
Nachricht bekommen könte. Die
Espions und Deserteurs mel-
deten, dafs sich der Fcld-
marschall Daun bey diesen
feindlichen Corps selbst be-
finde, dafs, nachdem das
gantze zweyte Treffen sich
in der Nacht mit dem Corps
de reserve von Sincere con-
jungiret hätte, dieses Corps
gewiss 30000 Mann starck
sey, vile Artillerie bey sich
führe und die Preufsen auf
der Seythe von Hausdorff an-
Digitized by Google
— 89 -
greiffen wollte, so bald die
Reichs-Armee bey Dohna und
der General Brentanow zwi-
schen Dronitz und Wittgen-
dorff attaquiren würden.
Nachdem nun durch dieses
feindliche mouvement dem Corps
des General-Lieutenants die Retraite
nach Freyberg und des Königs
Arm6e abgeschnitten war, so re-
solvirte der General-Lieutenant von
Finck den Feind in seinen Posten
zu erwarten, in Hoffnung, der
König würde en faveur seiner
mit der gantzen Macht gegen der
Weiseritz vorrücken, wodurch Er
unfehlbahr würde Lufft bekommen
haben. Er kehrte dahero alle
mögliche Anstallten vor und
wollte anfänglich die beyden
Anhöhen bey Hausdorff oc-
cupiren, den rechten Flügel
aber vor Maxen auf die An-
höhen gegen Dronitz und
Wittgendorff postiren; allein
solches zu bewerkstelligen
fehlte es an hinlänglichen
Trouppen.
Das Folgende stimmt wieder vollkommen wörtlich überein,
nur dafs bei der Aufzählung der 5 Bataillone (Journal 596 gegen
Ende) die beiden Bataillone Kleist und Benekendorf ihre Stellen
getauscht haben. Hinter „die linke Flanke" etc. (Journal 596,
Z. 4/5 von unten) hat die Relation „von diesen 5 Battaillons",
statt „Finksche Regiment" hat die Relation „das Battaillon von
Finck", statt „bedeckte" „besetzte"; dann heifst es weiter:
Journal 596/97.
„Gegen die rechte Flanke dieser
5 Bataillons sollte sich das Regi-
ment v. Rebentisch postiren, der-
gestalt, dafs es die Anhöhe gegen
Lungwitz einnehme; an den
rechten Flügel von Rebentisch
sollte das Bataillon v. Schenken-
dorf, ferner, nach der Schmors-
dorfer Anhöhe, die schwere Ka-
Relation fol. 3 a.
Gegen die rechte Flanque dieser
5 Battaillons sollten sich die 2 Bat-
taillons von Rebentisch und 1 Bat-
taillon Schenckendorff postiren, der-
gestallt, dafs sie die Anhöhen gegen
Lungwitz einnehmen, um von der
Seythe denen feindlichen entreprisen
t£te zu biethen oder auch ä porte
zu seyn die vorbemeldcte 5 Bat-
Digitized by Google
— 90 —
vallerie aufmarschiren, vor welcher
Linie die Platenschen Dragoner
und 6 Escad. Husaren sich
setzen sollten. Zur Bedeckung der
Kavallerie und des rechten Flügels
war der General - Major von
Lindstädt mit den Bataillons
von Lehwald, Hülsen und
Knobloch auf den Anhöhen
von Schmorsdorf postiret,
welchen allen das Bataillon
von Willemai den Rücken
deckte, falls sich durch die
Gründe von Wesenstein und
Häselich etwas Feindliches
heran nahen wollte. Der Ge-
neral von Wunsch sollte sich mit
den Regimentern von Münchow
und Cassel, 1 Escad. Husaren,
dem Freybataillon von Salenmon
und 4 1 2 pfündigen Kanons bey
Dohna gegen die Reichs -Armee
setzen' 1 .
taillons zu souteniren. An den
rechten Flügel von Schenckendorff
gegen die Schmorsdorffer Anhöhen
zu, als den eintzigen Orth, wo die
Cavallerie terrain hatte zu agiren,
sollten die 15 Esquadrons schwerer
Cavallerie aufmarchiren und hinter
selbige im zweyten Treffen das Re-
giment jung Plathen Dragoner und
4 Esquadrons Hussaren von Gers-
dorff. Ueber der Cavallerie be-
setzte der General-Major von
Lindstädt die Schmorsdorffer
Anhöhen mit die 3 Battaillons
von Knobloch, Hülsen und
Lehwald, das Grenadier-Bat-
taillon von Willemay wurde
so postiret, dafs es den Rücken
deckte, fals sich durch die
Gründe gegen Wesenstein und
Häselich etwas feindliches
heran nahen wollte, auch dafs
man es gebrauchen konte, wo es
der General-Lieutenant in der Action
vor nöthig befinden würde. Der
General von Wunsch sollte mit
2 Battaillons von Cassel, 2 Bat-
taillons Münchow, ein frey Bat-
taillon von Salenmon und 3 Esqua-
drons Hussaren bey Ploschwitz
stehen bleiben, um der Reichs-
Armee die Passage bey Dohna zu
verhindern und den General-Lieute-
nante wenigstens von dieser Seythe
sicher zu stellen; es wurden ihm
zu dem Ende aufser denen Regi-
ments-Canons noch 4 Zwölffpfünder
mitgegeben. tt
Auch an dieser längeren Stelle, diö wir hier aus der Relation
und dem Journal zusammengestellt haben, ist des Übereinstimmen-
den so viel, dafs man schon auf Grund derselben eine innere Ver-
wandtschaft beider Quellen annehmen könnte. Diese Stelle ist
aber ohne allen Zweifel diejenige, welche noch die meisten Ab-
weichungen zeigt. Im folgenden wird die Ubereinstimmung schon
wieder bedeutend gröfser, wenn auch nicht so absolut wörtlich,
wie dies am Anfang beider zuweilen Seiten lang der Fall war.
Digitized by Google
- 91 -
Im nächsten Absatz des Journals hat die Relation statt „bey der
Redoute" „bey der alten Fleche" und auch sonst hier und da
ähnliche Abweichungen, darunter eine kleine sachliche, indem das
„Journal" die 2 nach der „Relation" auf der Anhöhe vor dem
Schenckendorfschen Bataillon aufgestellten Batterien nicht er-
wähnt. Sonst ist die Ubereinstimmung wörtlich. Merkwürdig
ist, dafs die beiden letzten kleinen Absätze auf S. 597 des
Journals in der „Relation" fehlen. Dann aber wird die Uberein-
stimmung wieder eine bis auf unwesentliche stilistische Ab-
weichungen wörtliche. Man vergleiche:
Journal 598.
Gegen Abend sähe man das
Oesterreichische Corps gegen Dip-
poldswalde ein Lager beziehen,
wobey sich verschiedene seiner Vor-
posten zurücke zogen.
Der General -Lieutenant be-
mühete sich inzwischen durch Hu-
saren und abgeschickte Landleute
Sr. Königl. Majestät von allem die
gehörige Nachricht zu ertheilcn.
Allein die mehresten von diesen
kamen die Nacht wieder zurück
mit dem Vermelden, dafs die Wege
überall durch die feindlichen Vor-
posten besetzt wären. Ein ge-
meiner Husar aber kam den Abend
noch mit Briefen von dem Husaren-
Obristen von Kleist an, worinnen
er berichtete, dafs er seine Expe-
dition in Böhmen glücklich ausge-
führt habe. Weil nun dieser
Husar der Gegend sehr kundig
war, so wurde solcher an Se. Königl.
Majestät in der Nacht mit Briefen
gleich wieder zurück geschickt.
Relation 3 b u. 4 a.
Man sähe das Oesterreichische
Corps ein Lager in den festen
Posten bey Dippoldswalde be-
ziehen, wobey sich verschiedene
Vorposten zurück zogen.
Der General-Lieutenant ver-
säumte bey diese Umstände keinen
Augenblick und wendete alle Mühe
an, um dem Könige durch Hussa-
ren, sichere abgeschickte Land
Leuthe und Espions von allen
Nachricht zu geben, sehr viele aber
kamen in der Nacht zurück mit
dem Vermelden, dafs, weil alle
Wege und Stege von den feind-
lichen Vorposten besetzt wären, sie
nicht hätten durchkommen können.
Ein grüner Hussard kam aber den
Abend noch mit Briefife von den
Obristen von Kleist an, worin der-
selbe berichtete, dafs er seine in
Böhmen gehabte Expedition eines
Theils glücklich ausgeführet hätte;
weil nun dieser Hussard der Gegend
sehr kundig war, so wurde solcher
am Könige in der Nacht mit
Briefe gleich wieder zurück ge-
schickt.
Die beiden nächsten Seiten, Journal S. 598 Absatz 3 bis
S. 600 Absatz 2 incl. und die entsprechenden Stellen der Re-
lation zeigen absolut wörtliche Ubereinstimmung mit wenigen (im
ganzen 5 — 6 einzelne Worte oder Umstellungen) nicht erwähnens-
Digitized by Google
— 92 —
werten Abweichungen. Hinter Absatz 2 auf S. 600 folgt in der
Relation noch der Satz: „Alle diese Hindernifse, da man den
feind das terrain Fufs vor Fufs disputirte, machten, dafs er seine
Haupt- Attaque nicht ehr als zu Mittage anfangen konte." Der
ganze nächste Absatz stimmt wieder wörtlich, das dann Folgende
in der Hauptsache überein; nur sagt das Journal, die Kanonade
habe „bereits eine Stunde" gedauert, während die Relation von
einer „starken halben Stunde" spricht. Sonst geht die Uberein-
stimmung die ganze Seite 601 des „Journals", Seite 5 a der „Re-
lation" durch. Nur auf der letzten Zeile von S. 601 des „Jour-
nals", S. 5 a der Relation zeigt sich eine bemerkenswerte Ab-
weichung. Hier macht die Relation dem General Gersdorff einen
Vorwurf, den der die Relation benutzende Herausgeber des Jour-
nals wohl für ungerechtfertigt hielt und deshalb wegliefs. Die
ersten Worte des Satzes „Die Dragoner von Würtemberg" sind
noch beiden gemeinsam, dann aber heifst es in der Relation
weiter: „und die 3 Esquadrons Hussaren, welche hinter diese
Battaillons postiret waren, um, wenn was vom Feinde durch-
kommen sollte, solchen gleich zu repoussiren, waren aus einer
übelen Beurtheilung des Generals von Gersdorff, um sie vor der
hefftigen Canonade in etwas sicher zu stellen, ohne des General
Lieutenants Wifsen von dorten weggezogen und mehr rückwerts
postiret worden, dafs sie also zu späthe kamen, wie sie auf den
eindringenden Feind einbauen sollten; zum Unglück wurde der
Obriste von Münchow, Commandeur dieses Regiments, hart
blessiret, wodurch die Esquadrons in Unordnung geriethen und
diese Attaque, so alles gleich wieder hätte herstellen können,
lief fruchtlofs ab." Der letzte Satz über Münchows Verwundung
steht dann wieder im „Journal" S. 602, dessen Herausgeber also
der Verwundung Münchows die alleinige Schuld am Mifsglücken
der Attaque zuschreiben wollte.
Dann folgt wieder wörtliche Ubereinstimmung; nur nennt
das Journal S. 602 Abs. 3 statt des von der Relation angeführten
Benekendorfschen das Kleistsche Bataillon neben dem Finckschen,
und ebenso auf S. 603 Abs. 2 und 604 Abs. 3. Diese wörtliche
Übereinstimmung erstreckt sich wiederum auf fast volle drei Seiten,
in denen kaum hier und da eine einzelne Redewendung abweicht.
Nur das Fehlschlagen der Kavallerie-Attaque (Journal S. 604,
Relation Fol. 6a) wird in der Relation ausführlicher als im Jour-
nal geschildert, jedoch so, dafs man unzweifelhaft erkennt, dafs
Digitized by Google
— 93 —
auch hier die erstere dem letzteren zu Grunde liegt. Man ver-
gleiche:
Journal S. 604.
Anfänglich schien sie (seil, die
Attake) nach Wunsch auszuschla-
gen ; da sich aber unsere Kavallerie
rechts weg zog, verlor sie hierdurch
das nöthige Terrain und wurde
vom Feind über den Haufen ge-
worfen, ehe sie ihre Attake recht
angefangen hatte. Die Husaren
und Kürassiers zogen sich bey den
Teichen durch den kleinen Grund
auf die dasige Anhöhe zurück, wo-
selbst sie sich wieder setzten.
Relation Fol. 6 a.
Anfänglich schien auch die
Attaque der Cavallerie nach Wunsch
auszuschlagen; da sie sich aber
zu weit rechts zog, verlohr sie das
gehörige Terrain und ward vom
Feinde über den Hauffen geworfen;
der General von Bredow raillirte
sie zwar wieder und versuchte et-
liche mahl einen neuen Angriff,
welches aber allezeit fruchtloss ab-
lief; sie giengen endlich bey denen
Teichen vorbey durch den Grund
auf die dasige Anhöhe zurück,
woselbst sie sich wieder setzten,
sie hatten aber dadurch so viel
Terrain verlohren, dafs sie während
der gantzen Action zu nichts mehr
zu bringen und gebraucht werden
konten.
Der ganze nächste Absatz zeigt wieder vollkommene Über-
einstimmung; dagegen werden die Mafsregeln, welche Finck nun-
mehr ergriff, in der Relation wieder ein wenig ausführlicher in
apologetischer Weise geschildert, während das Journal hier ein
wenig kürzt.
Journal 604/605.
Dem Generallieutenant v. Fink
blieb also nichts mehr hierbey
übrig, als auf eine geschickte Re-
traite bedacht zu seyn. Er liefs
dahero alles, was man von Kano-
nen noch hatte, auf die Schraors-
dorfer Anhöhe auffahren und brachte
unter deren beständigen Feuer den
Rest der Bataillons zurück.
Der Feldmarschall Daun bekam
hierdurch Gelegenheit sich mit dem
Brentanoschen Corps zu vereinigen.
Er erneuerte seinen Angriff gegen
die Bataillons des Generals von
Lindstädt und jagte solche von den
Schmorsdorfer Anhöhen herunter,
Relation 6 b und 7 a.
Der General-Lieutenant v. Finck
resolvirte also sich auf die Schmors-
dorffer Höhen zu setzen und da-
selbst sich biss auf den letzten
Mann zu wehren. Er Hesse da-
hero alles, was man noch von Ca-
nons hatte, auf und bey diese
Höhen auffahren und brachte unter
deren beständigen Feuer den Rest
derer Battaillons zurück; und da
dieses des General-Lieutenants letzte
ressource war, so wendete Er auch
doppelte Kräffte an, um alles in
Ordnung zu bringen und den Feind
bey einen neuen Angriff gehörig
zu empfangen.
Digitized by Google
— 94 —
worauf sich mit der einfallenden Der Feldmarschall Daun bekam
Nacht die Action endigte. hierdurch Gelegenheit sich mit dem
Der Generallieutenant v. Fink Brentanowschcn Corps zu ver-
suchte die Bataillons einigermafsen einigen. Er erneuerte seine An-
wieder zu formiren. griffe von allen Seythen gegen die
Schmorsdorffer Anhöhen, da denn
nach einer hartnäckigen Gegen-
wehr die Brigade des General von
Lindstädt leider auch zum weichen
gebracht wurde. Der Obrist Lieute-
nant von Petersdorff warf sich
zuletzt noch mit das Battaillon
von Lehwald in das Dorff Schmors-
dorff und that aus selbigen die
tapfferste Gegenwehr, wodurch auch
die feindliche Cavallerie abgehalten
wurde in die in Unordnung ge-
rathene Bataillons einzuhauen, da
sonsten noch denselben Abend alles
zerstreut und gefangen würde ge-
nommen seyn; endlich aber sähe
dieses Battaillon sich auch ge-
zwungen das Dorff zu verlassen,
worauf sich mit der einfallenden
Nacht die Action endigte.
Der Feind occupirtc nunmehro
das Dorff Schmorsdorff und die
Höhen dabey; der General-Lieute-
nant von Finck hingegen suchte
sein unglückliches Corps bey
Falckenhayn und Ploschwitz, wo
der General Wunsch stand, wieder
zu samlen und einigermafsen zu
formiren; seine Flanquen waren
zwar durch Gründe gedeckt, vor
seine Fronte war aber alles offen,
und die Höhen, welche der Feind
vor ihm occupirte, waren nur einen
halben Canonen-Schufs von Ihm ent-
fernet; einen andern Posten zu
nehmen war nicht möglich, weil
der Feind alles besetzt hatte.
Im folgendem herrscht wieder vollkommene Ubereinstimmung.
Nur folgender Satz zeigt einige, wenngleich nicht erhebliche Ab-
weichungen:
Journal 605.
Der Generalmajor von Wunsch
hatte mit den 4 Bataillons ein
Relation 7 a.
Der General Wunsch hatte in-
dessen bey Ploschwitz eine hefftige
Digitized by Google
— 95 —
besseres Glück gehabt: die Reichs-
armee, welche ihn von 10 Uhr des
Morgens bis in die Nacht auf ver-
schiedene Weise attakirt, war nicht
diesseits dem Dohnaschen Grund
gekommen.
Canonade von der Reichs-Armee
ausgestanden, welche Er bestmög-
lichst beantwortete, solche auch in
solchen Respcct erhielte, dafs sie
sich nicht getraueten den Grund
von Dohna zu passiren.
Der Rest von S. 605 und die ersten Absätze von 606 des
Journals stimmen wieder genau mit der Relation (Fol. 7 b) über-
ein, nur steht bei der Angabe der Stärke des Restes des Finck-
schen Korps in der Relation noch, dafs in der bei beiden an-
gegebenen Zahl (2836) die Truppen des Generals Wunsch nicht
mit einbegriffen seien, dafs das Korps im ganzen genommen aber
nicht viel über 7000 Mann gezählt habe. Sehr merkwürdig,
wenn nicht auf einem Abschreibe- Versehen oder einem Druck-
fehler beruhend, ist es, dafs das Journal (sonst mit denselben
Worten wie die Relation) den Feind als 18 mal so stark bezeich-
net, während die Relation, immer noch zu hoch, von einer 7 mal
stärkeren Ubermacht spricht. Im übrigen geht die Uberein-
stimmung bis zum Schlufs von S. 606 des Journals weiter; dann
aber und zwar die ganze Seite bis zum Schlufs stellt sich das
Journal wieder als ein etwas abkürzendes Exzerpt aus der Re-
lation heraus. Um dies zu veranschaulichen, lassen wir einen
Teil dieses Schlusses folgen:
Journal 607.
Der Entschlufs des General-
lieutenants lief endlich darauf hin-
aus, dafs der Generalmajor von
Wunsch sogleich unter dem Vor-
theil der Nacht mit den Drago-
nern und Husaren abgehen und
sich in der Gegend von Lungwitz
und Lockwitz zu des Königs Armee
durch den Feind durchschlagen
sollte.
Der Generalmajor von Wunsch
setzte sich sogleich vor dieser Ka-
vallerie; er war aber wenig avan-
cirt, als der Tag mit einer neuen
Kanonade des Feindes anzubrechen
anfieng.
Nun blieb für die Infanterie
das letzte Mittel übrig mit dem
Feinde in der Geschwindigkeit, so
Relation 8 a.
Der Entschlufs des General-
Lieutenants von Finck lief endlich
dahin aus, wenigstens zu suchen
etwas zu retten; dahero Er den
Vorschlag des General Wunsch
approbirte, dafs selbiger nemlich
suchen sollte, ob es möglich wäre,
sich mit den Dragoner und Hus-
saren in der Nacht bey dem
Feinde, ohne dafs er es gewahr
würde, vorbey zu ziehen und her-
nach in der Gegend von Luck,
Lockowitz und Leibnitz hinter der
feindlichen Armee weg über Pos-
sendorff zum Könige zu stossen.
Der General Wunsch marchirte so-
gleich ab; da aber den ersten
Grund nur Mann vor Mann pas-
siren konte und die Pferde dazu
Digitized by Google
— 96 —
gut als möglich, zu kapituliren, ehe
die Schwäche des Corps durch den
ganz anbrechenden Tag vollkommen
entdecket würde etc.
noch musten geführet werden, so
hielte dieses so lange auf, dafs der
Tag schon an zu grauen anfieng,
als er noch nichts avanciret war
und der Feind auch zugleich mit
einer neuen Canonade den Anfang
machte. Die Trouppen waren be-
reits von der Action des vorheri-
gen Tages ungemein intimidiret
und fiengen schon wieder an unter
der Bagage sich zu verlauffen; es
blieb also dem General Lieute-
nante nichts als das betrübte Mittel
übrig, mit dem Feinde in der Ge-
schwindigkeit so gut als möglich
einen accord zu treffen etc.
Man sieht, in der Hauptsache kann auch hier an der Iden-
tität der beiden Darstellungen kein Zweifel sein, nur hat die
(vielleicht von Finck selbst herstammende) Relation naturgemäfs
das Bestreben eingehender Motivierung, während der Heraus-
geber des Journals sich im grofsen und ganzen auf eine kurze
Schilderung der Thatsachen beschränken zu dürfen glaubte und
aus diesem Grunde den ganzen auf Fol. 8 b und 9 a der Relation
nach Schlufs der eigentlichen Darstellung folgenden Schlufspassus
ganz wegliefs. Wir lassen denselben zur Ergänzung unserer Unter-
suchung hier folgen.
„Dieses war leider das Ende dieser unglücklichen Action,
welche, ob sie gleich verlohren gegangen und das gantze Corps
in das gröste Unglück gestürtzet hat, demselben und denen
preufsischen Waffen dennoch zur grösten Ehre gereichet, da sel-
biges neinlich kaum 12 000 Mann starck war, dennoch einer feind-
lichen Armee von 50 000 Mann tete gebothen, selbiger Fufs vor
Fufs das Terrain disputiret, (wodurch denn der Feind einen sehr
grofsen Verlust erlitten) und sich bifs den andern Morgen ge-
halten, ehe es sich zu Kriegs-Gefangen ergeben hat, weil ihm
kein eintziges Rettungs-Mittel mehr übrig blieb. Der Feind selbsten
hat nicht unterlalsen die Bravour der Preufsischen Trouppen bey
dieser Gelegenheit zu rühmen, und wunderte sich dahero bey der
Uebergabe nicht wenig, dafs das Corps nur so schwach sey, da
sie es fiir weit stärcker gehalten hatten, in Ansehung des starcken
Verlustes, welchen sie Tages vorhero in der Action erlitten hatten.
Zum Beweise auch des Egards, welchen Sie für solche brave
Digitized by Google
— 97 —
Trouppen hegten, accordirte der Feldmarschall Daun bereits nach
der Ergebung zu Kriegs Gefangen auf Vorstellung des General-
Lieutenants von Finck dem gantzen Corps ihre völlige Equipage,
mit der Erlaubnifs, solche nach unsern Landen abzuschicken."
Wir haben im vorstehenden sämtliche Abweichungen, auch
die unbedeutendsten, zwischen dem „Journal" und der „Relation"
zusammengestellt; sie sind nirgends so stark, dafs sie gegen die
Identität beider sprächen. Man wird vielmehr das Verhältnis
sich etwa so zu denken haben, dafs die „Relation" entweder in
Fincks eigener oder in einer andern Handschrift dem Herausgeber
des „Journals" vorgelegen hat, dafs er sie und sie allein dem Ab-
druck zu Grunde legte, ohne sich gerade allenthalben sklavisch
an seine Vorlage zu binden. An einigen Stellen hat er nicht un-
erheblich gekürzt, den Schlufs, welcher ausschliefslich der Ver-
herrlichung Fincks gewidmet ist, ganz fortgelassen, ebenso jene
Stelle, an welcher der Verfasser der „Relation" einen grofsen
Teil der Schuld des unglücklichen Ausgangs Gersdorff in die Schuhe
schieben wollte. Sonst aber zeigen selbst die von uns als ab-
weichend zusammengestellten Stellen auffallende Übereinstimmung.
Ungleich leichter wäre, wie bereits erwähnt, der Beweis zu er-
bringen gewesen, hätte ich mich damit begnügt, die unbedingt
und wörtlich übereinstimmenden Stellen zusammenzustellen. Freilich
hätte ich dann Journal und Relation in mehr als zwei Dritteln
ihrer Ausdehnung nebeneinanderstellen können. Vielleicht aber
dient es, nachdem die Abweichungen als nicht sehr erheblich
nachgewiesen sind, zu willkommener Ergänzung des Beweises,
wenn ich irgend zwei längere von den Stellen, welche ich als
vollkommen übereinstimmend bezeichnet habe, nebeneinanderstelle.
Der Leser wird dann sofort erkennen, dafs ein Zweifel an dem
Verhältnis der beiden Quellen zu einander vollkommen ausge-
schlossen ist. Man vergleiche:
Journal S. 592.
Der General-Major v. Wunsch
Hess diese Bataillons und Esca-
drons bey dem Dorfe Maxen ein
Lager beziehen; er selbst aber
gieng mit 5 Escadrons Husaren
und dem Freybataillon noch gegen
Dohna. Es war derselbe Vor-
mittag sehr nebelicht, dafs man
wenig um sich sehen konnte. Die
Relation fol. la.
Der General-Major Wunsch liefs
diese Battaillons und Esquadrons
bey dem Dorffe Maxen ein Lager
beziehen; er selbst aber gieng mit
5 Esquadrons Hussaren und mit
dem frey-Battaillon noch gegen
Dohna.
Es war denselben Vormittag
sehr nebelicht, dafs man wenig um
ni»torleche Untenuchungen. 7. 7
Digitized by Google
- 98 —
Husaren-Patrouillen meldeten in-
dessen, dafs Dohna vom Feinde
besetzet sey, auch bey Mügeln
feindliche Infanterie und Cavallerie
vorbey marschire. Der General
Wunsch blieb also ohnweit Plosch-
witz auf der Anhöhe gegen den
Wasserthurm mit den Husaren
stehen, durch das Freybataillon
von Salenmon aber Hess er die
Stadt Dohna attakiren. Der Feind
verliefs Dohna nach einigem Wi-
derstand und zog sich gegen Grofs-
Sedlitz zurück. Dagegen das Frey-
bataillon die Stadt und die Schanze
von Dohna besetzte.
Als der Nebel sich verlohren
hatte, sähe man die Reichs-Armee
durch Mügeln nach Pirna defiliren
und viele Cavallerie und Seiten-
Patrouillen solchen Marsch gegen
Dohna bedecken. Dahero der Ge-
neral von Wunsch, weil er hiebey
dem Feinde nichts anhaben konnte,
aus der Stadt Dohna das Frey-
bataillon wieder heraus zog und
mit allen nach Maxen ins Lager
zurück gieng.
sich sehen konte, die Hussaren-
Patrouillen meldeten indessen, dafs
Dohna von den Feinde besetzet sey,
auch bey Mügeln feindliche Infan-
terie und Cavallerie vorbey mar-
chire: der General Wunsch blieb
also ohnweit Ploschwitz auf der
Anhohe gegen den Wasser-Thurm
mit denen Hussaren stehen, durch
das Frey-Battaillon von Salenmon
aber Hess Er die Stadt Dohna
attaquiren : Der Feind verliess nach
einigen Wiederstand die Stadt und
zog sich gegen Grofs-Sedlitz zurück,
dagegen das Frey-Battaillon die
Stadt und die Schantze von Dohna
besetzte.
Als der Nebel sich verlohren
hatte, sähe man die Reichs-Armee
durch Mügeln nach Pirna defiliren
und viel Cavallerie mit starcken
Seythen-Patrouillen solchen March
gegen Dohna bedecken ; dahero der
General Wunsch, weil er hiebey
dem Feinde nichts anhaben konte,
das Frey-Battaillon aus der Stadt
wieder herauszog und mit allen
nach Maxen ins Lager zurück gieng.
Dafs eine solche, vollkommen wörtliche Übereinstimmung
nicht auf Zufall beruhen kann, liegt auf der Hand. Nach dieser
und einer ganzen Reihe anderer, ebenso wörtlich übereinstimmen-
der Stellen kann auch für den besonnensten Forscher kein Zweifel
mehr obwalten, dafs das Journal im wesentlichen nichts anderes
ist, als ein in Einzelheiten gekürzter und überarbeiteter Abdruck
der im Finckschen Nachlasse erhaltenen Relation. Diese bisher
unbekannte Thatsache ist aber für die Geschichte der Überliefe-
rung darum von so grofser Bedeutung, weil das Journal seit
seinem Erscheinen als eine der wichtigsten Quellen über die
Katastrophe von Maxen betrachtet und, wie wir weiter unten
nachweisen werden, schon von TempelhofF in ausgiebiger Weise
benutzt worden ist. Da ist es dann aber doch von der aller-
gröfsten Bedeutung zu wissen, dafs diese Quelle aus der Um-
gebung Fincks herstammt und daher zweifellos in dessen Sinne
gefärbt ist. Wenn man dann noch hinzunimmt, dafs aufser dieser
Digitized by Google
— 99 —
„Relation" höchst wahrscheinlich auch die im Anhang IV mit-
geteilte , von Finck ansgesprochenermafsen zu seiner eigenen
Rechtfertigung niedergeschriebene Denkschrift den Memoiren-
schreibern der späteren Jahre mittelbar oder unmittelbar zur
Verfügung stand, so wird es vollkommen klar, dafs der Ursprung
unserer gesamten Überlieferung in Fincks unmittelbarer Um-
gebung und bei ihm selbst zu suchen ist.
Das ist auch bei denjenigen Quellen der Fall, welche nicht
in erster Linie der Rechtfertigung Fincks dienen, vielmehr vor
allem die Absicht verfolgen, das Verhalten des Königs in ein
möglichst ungünstiges Licht zu stellen, was dann freilich im vor-
liegenden Falle ziemlich auf dasselbe herauskommt. Als den
Mittelpunkt dieser letzteren Quellengruppe haben wir das früheste
und umfassendste der Memoirenwerke aus der Umgebung des
Prinzen Heinrich zu betrachten,
B) das Gaudysche Journal.
Unzweifelhaft haben dem Verfasser dieses Journals wie sonst,
so auch hier, die mannigfachsten Quellen zur Verfugung gestanden.
Die genaue Fassung seines Berichts über die Zusammensetzung
des Finckschen Corps und die Verteilung der Truppenteile an
den einzelnen Tagen, welche oft weit genauer ist als in der „Re-
lation" und im „Journal", ja selbst als in den Berichten Fincks
an den König, läfst erkennen, dafs Gaudy genaue Armeelisten
und ähnliches Material offiziellen Ursprungs benutzt hat. Diese
seine Grundlagen im einzelnen nachzuweisen, ist natürlioh hier
nicht möglich, da man zur Vergleichung samtliche erhaltenen
Armeelisten und Campagne-Journale heranziehen müfste. Diese
Arbeit aber wäre nur bei einer zusammenhängenden Bearbeitung
des ganzen Journals, d. h. bei einer Herausgabe desselben, möglich.
Für den vorliegenden Fall aber wäre die Lösung dieser Aufgabe
nicht einmal erforderlich. Denn nicht darauf kommt es uns au,
woher Gaudy seine unzweifelhaft authentischen Angaben dieser
Art entnommen hat, sondern darauf, welches Material ihm zur
Grundlage für seine Gesamtauffassung und Beurteilung der Vor-
gänge gedient hat. Man mag über das Gaudysche Journal in
seiner Tendenz urteilen, wie man will, — und es wird kaum
möglich sein, in dieser Beziehung in der uugünstigen Beurteilung
zu weit zu gehen — jedenfalls würde jede Kritik weit über das
Ziel hinausschielsen, welche behaupten wollte, man könne das
7*
Digitized by Google
— 100 —
Gaudysche Journal nun einfach über Bord werfen. Es kann gar
keinem Zweifel unterliegen, dafs Gaudy zum Teil auf höchst
wertvollem, zuverlässigem Material beruht; nur niufs in jedem
einzelnen Falle untersucht werden, inwieweit er auf der andern
Seite tendenziös gefärbte Berichte zu Grunde legte und inwieweit
er dem authentischen Material eigene tendenziöse Zusätze hinzu-
fügte. 1 )
Diese Vorsicht ist aber vor allen Dingen in allen den Fällen
unerläfsüch, wo er motivierte ungünstige Urteile über den König
abgiebt, beziehungsweise wo er einen im Gegensatz zu dem Könige
stehenden General gegen den König in Schutz nimmt. Es ist ja
zur Genüge bekannt, dafs ( Gaudy in nahen Beziehungen zu dem
Prinzen Heinrich stand und überall da ungünstig über den König
urteilt, wo dadurch ein günstiges Licht auf die Handlungsweise
des Prinzen fällt. Da aber der Prinz in seinen ganzen militärischen
Anschauungen in einem ausgesprochenen Gegensatz zum Könige
stand, so wurde sein Heerlager naturgemäfs der Mittelpunkt aller
derer, welche sich vom Könige mit Recht oder Unrecht zurück-
gesetzt glaubten. Die Stimmung dieser Kreise spiegelt das
Gaudysche Journal ab; denn aus diesen Kreisen schöpfte es seine
hauptsächlichsten Informationen. Neben den authentischen Quellen,
die er benutzte, standen Gaudy in jedem einzelnen Falle die Be-
richte der unmittelbar Beteiligten und Interessierten zu Gebote,
und zwar vorzugsweise derer, die selbst in einen ausgesprochenen
Gegensatz zum Könige geraten waren.
Die Annahme liegt also von vornherein nahe, dafs Gaudy im
vorliegenden Falle ebenso verfahren ist, d. h. im Grunde seine
Nachrichten hauptsächlich aus der Umgebung Fincks oder von
diesem selbst bezogen hat. Er konnte, wenn er den Angaben
des bei dem Könige in dauernde Ungnade Gefallenen folgte, den
doppelten, seinen Bestrebungen entsprechenden Zweck erreichen,,
einmal den „unschuldig" vom Könige Verfolgten gegen die ihm
gemachten Vorwürfe zu verteidigen, zugleich aber das Verhalten
des Prinzen Heinrich in das denkbar günstigste Licht zu setzen,
») Vgl. meine Ausführungen über Gaudy im II. Bande meines Zieten
nach dem Register, namentlich die Stelle über die Schlacht von Kolin,
S. 232 ff. und meine Abhandlung „Zieten bei Kolin u im 8. Beiheft zum Jahr-
gang 1884 des „Militär-Wochen-Blattes", endlich meinen Aufsatz Über die
Schlacht bei Breslau im August- und September-Heft des Jahrgangs 1886
der Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine, her. v. G. v. Marpes.
Digitized by Google
— 101 —
indem er es zu den unglücklichen Unternehmungen des Königs,
deren „Opfer" Finck wurde, in einen wirkungsvollen Gegensatz
stellte.
Dafs dieser Grundgedanke seine ganze Darstellung beherrscht,
dafs seine Darstellung als durchaus im Sinne Pincks gehalten zu
betrachten ist, hoben wir schon im 1. und 2. Kapitel der Darstellung
hervor; zum weiteren Beweise dafür mag hier zunächst die ganze
Stelle im Wortlaute folgen, in welcher er seine Beurteilung des
Vorgangs zusammenfallt. Er sagt am Schlüsse seiner die Seiten
301 — 324 ! ) des Foliobandes, welcher die Campagne von 1759 be-
handelt, umfassenden Darstellung:
„Alles in der Armee des Königs bedauerte den General-
lieutenant Finck, der beständig die Achtung der Kenner seiner
Geschicklichkeit wegen sich zu erwerben gewufst und ihren Bey-
fall in allen Gelegenheiten verdienet hatte. Er hatte das ihm
wiederfahrne Unglück deutlich vorher gesehen 2 ), allein selbiges
auch durch die kräftigsten Vorstellungen nicht abwenden können,
vielmehr erhielt er ausdrückliche und unwiedersprechliche Befehle
bifs Maxen vorzurücken und sogar auch die Trouppen, die er zur
Unterhaltung der Gemeinschaft mit der Armee des Königs in und
bey Dippoldiswalda hatte stehen lassen, an sich zu ziehen; von
diesem Augenblicke an glaubte er sich in einer verzweifelten Ver-
fassung zu befinden, und aus dem vorhergegangenen Detail er-
hellet hinlänglich, wie sehr sie es gewesen. Gewisse Leute, denen
die Befehle, die dieser General erhalten hatte, bekannt geworden
waren, sahen das bevorstehende Unglück seines Corps mit Augen
und rechneten schon den Tag von defsen Niederlage aus; der
Prinz Heinrich aber war es ohnfehlbar, dem dieser Vorfall am meisten
nahe gehen mufste. Er hatte einen Feldzug gemacht, der ihn
mit Ehre überhäufte, und der allem dem, was jemahls im Kriege
großes geschehen, zur Seite gesetzt werden könnte; er hatte im
Frühjahr durch seineu Einfall in Böhmen des Feindes so ansehn-
') Ich vermag hier und an den folgenden Stellen nicht die einzelnen
Seiten zu citieren, die sich der Leser zum Zweck der Nachprüfung daher
selbst aufsuchen mufs; denn ich benutze nicht das Journal selbst, sondern
eine auf meine Bitte von einem Beamten des General Stabsarchivs für mich
angefertigte Abschrift, welche nur am Anfang die Angabe enthält, dafs das
Abgeschriebene die Seiten 301—324 des Journals enthalte.
2 ) Zur Sache mufs ich hier wie im folgenden auf die Untersuchungen
des 3. und 1 Kapitels verweisen; hier kommt es mir nur darauf an, die
Tendenz des Journals zu kennzeichnen.
Digitized by Google
— 102 -
liehe Magazine ruiniret und über 2400 Gefangene gemacht; hier-
auf die Reichsarmee und die bey ihr befindliche österreichische
Trouppen bifs Nürnberg zurückgetrieben, das grofse Magazin zu
Bamberg und viele andere verderben lafsen und einen grofsen
Teil von Francken in Contribution gesetzt; er hatte, nachdem er
das Commando der Armee in Schlesien übernehmen müfseu, nach
der unglücklichen Schlacht von Cunnersdorf durch geschickte und
abgemessene Bewegungen den Feldmarschall Daun gezwungen sich
von den Rufsen zu entfernen und die Niederlaufsnitz zu verlafsen,
um Böhmen und Dresden zu decken; er hatte, nachdem er seinem
Gegner die Meynung beygebracht, dafs er sich mit seiner Armee
nach Schlesien zurückziehen würde, ihn durch einen mit der
gröfsten Kunst gemachten forcirten Marsch zu seiner Linken
tourniret, dadurch das Ufer der Elbe gewonnen und den Schau-
platz des Krieges wieder Willen des Feindes auf die linke Seite
dieses Flufses gezogen; er hatte mit einer Armee, der die feind-
liche, die Reichstrouppen mitgerechnet, fast dreymal (!) überlegen
war, sich in seiner Stellung bey Torgau erhalten, den Herzog
von Ahremberg, der mit einem so starken Corps sich ihm im
Rücken setzte, gezwungen sich wieder zurück zu ziehen und seine
Arrieregarde geschlagen; er hatte, als endlich der Feldmarschall
Daun die Hoffnung aufgab, Meister von der linken Seite der Elbe
zu werden, und sich gegen Dresden zurückzog, durch die Jalousie,
die er durch das Fincksche Corps ihm beständig auf seiner
linken Flanque geben liefs, und da er mit der Armee ihm auf
dem Fufse folgte, ihn aus einer Stellung in die andere gedrängt,
und nichts war gewifser, so wie alle darüber in der Folge ein-
gezogenen Nachrichten es einmüthig versicherten, als das des
feindlichen Generals Absicht dahin ging, sich nach Böhmen zu-
rück zu ziehen und daselbst in die Winterquartiere zu rücken,
welches, wenn das Fincksche Corps nicht weiter wie bifs Dippol-
diswalda vorgerückt wäre, auch würcklich und um so eher ge-
schähen wäre, da der Obrister Kleist mit einem Detachement in
Böhmen eingedrungen war, und der Feldmarschall Daun besorgen
mufste, dafs mehrere Trouppen ihm folgen und er dadurch die
Gemeinschaft mit seinen Magazinen verlieren würde; auf den
Fall eines Rückmarsches aber mufste er entweder Dresden ver-
lafsen oder zugeben, dafs es samt der Besatzung wäre genommen
worden, und auf diese Art hätte er alle Vortheile seines difs-
jährigen Feldzuges wieder fahren lafsen müfsen.
Digitized by Google
— 103 —
Difs waren die Früchte, die Prinz Heinrich durch seine
weise Mafsregeln und durch die grofse Geschicklichkeit, mit der
er sie auszufuhren wüste, gesammlet und zu sammlen verdienet
hatte; allein sie wurden ihm aus den Händen gerifsen; denn der
unglückliche Gedanke, das Fincksche Corps nach Maxen ganz im
Rücken des Feindes zu schicken, ohne einmahl die Gemeinschaft
zwischen demselben und der Armee zu erhalten, und die ganz
natürlicher weise darauf erfolgte Niederlage dieses Corps, welche
so zu sagen dem Feinde recht abgenöthiget wurde, änderten die
ganze Lage der Sachen; dann der Feldmarschall Daun, nachdem
er einen so grofsen Coup gemacht, dachte nunmehr an keinen
Rückzug nach Böhmen, sondern beschlofs den Winter über in
Sachsen stehen zu bleiben, weil er wohl einsähe, dafs die Armee
des Königs, nachdem sie jetzo einen so grofsen Verlust erlitten
hatte, ihn daran nicht verhindern konnte.
Die eigentliche Ursach, warum der Generallieutenant Finck
sich mit seinem Corps so weit hatte wagen müfsen, blieb denen
meisten verborgen; denn nach gewöhnlichen Begriffen war leicht
zu ermefsen, dafs, wenn der Feind auch willens war sich nach
Böhmen zurückzuziehen, er, da er gewifs noch über 70 000 Mann
bey einander und alle Vortheile des Terrains in Händen hatte,
sich nicht dahin mit Gewalt würde treiben lafsen; es würde auch
wohl der Feldmarschall Daun das Fincksche Corps nicht bey
Maxen haben stehen lafsen, wenn er seinen Marsch nach Böhmen
auf der linken Seite der Elbe über Zehista und Giefshübel ge-
nommen hätte; dafs er aber in Rücksicht auf dieses Corps die
Elbe pafsiren und über Zittau seine Retraite machen würde, war
auf keine Weise zu vermuthen, denn seine Macht war zu grofs,
um sich dergleichen Gesetze vorschreiben zu lafsen, und man
durfte sich dergleichen vielleicht nur alsdenn versprechen, wenn
er aufs Haupt geschlagen gewesen wäre; es ist und bleibt also
schwer zu begreifen, was das Fincksche Corps bey Maxen habe
ausrichten sollen. Indefsen ist noch etwas anzumerken: Der Zu-
fall hatte gewollt, dafs, als der König den 13ten bey der Armee
des Prinzen Heinrich angekommen war und das Commando der-
selben übernommen hatte, der Feldmarschall Daun in der folgen-
den Nacht, ohne vielleicht von vorgedachter Ankunft Nachrichten
zu haben, sein Lager bey Katzenhäuser verliefs und sich zurück-
zog; difs geschähe eigentlich, wie es auch oben gesagt worden,
weil in seinem Rücken das Corps des Generallieutenant Finck bis
Digitized by Google
— 104 —
Nofsen vorgedrungen war, der Obrister Kleist aber sich mit seinem
Detachement nach Freyberg gewendet hatte, welches dem Feld-
marschall Daun die ßesorgnifs, die Gemeinschaft mit seinen Ma-
gazinen in Böhmen oder diese selbst zu verlieren gegeben hatte;
allein man hatte diesen Rückzug der Ankunft des Königs bey-
zumefsen für gut gefunden, und dieser mit der Verachtung, die
ein jeder Anschein zu einer glücklichen Begebenheit bey ihm
gegen seine Feinde erweckte, glaubte nunmehr den Feldmarschall
Daun bald zwingen zu können, Sachsen ohngesänmt zu verlafsen,
welches eigentlich die geheime Triebfeder war, die das Fincksche
Corps bifs Maxen brachte.
Es wäre indefsen doch ein Mittel vorhanden gewesen selbiges
zu retten, allein es mußte den 19ten, als den Tag vor der Action,
und sobald der Feind gegen Dippoldiswalda anrückte, ausgeführet
werden, nehmlich dafs anstatt den Generalmajor Platen mit einigen
Trouppen hinter dem Defile von Reinhardsgrimma zu setzen, der
Generallieutenant Finck sein ganzes Corps diesen Posten hätte
einnehmen lafsen; er ist sehr stark, und die Höhen, welche auf
dieser Seite das lange Dorf bordiren, sind beträchtlicher, als die
jenseitigen, und commandiren sie; folglich konnte der Feind als-
dann unmöglich difs Defile pafsiren, auch nicht einmal wagen
es zu unternehmen. Es ist wahr, dafs das Brentanosche Corps
und die hinter Dohna stehende feindliche leichte Trouppeu denen
Unsrigen würden nachgerückt seyn, allein sie konnten nur an die
rechte Flanque gelangen, und diese war durch Verhacke im Rein-
hardsgrimmer Walde hinlänglich zu decken. In dieser Stellung
konnte der Feldmarschall Daun abgehalten werden einen förm-
lichen Angriff zu thun, und wenn sie auch dem Generallieutenant
Finck nicht stark genug geschienen hätte, so blieb ihm frey in
der folgenden Nacht, nemlich in der vom 19ten zum 20ten nach
Schmiedeberg zu marschiren und sich daselbst hinter der Weilsritz
zu setzen, alsdenn war ihm noch weniger etwas anzuhaben; es
ist bekannt, dafs von denen Höhen von Reinhardsgrimma dahin
nur eine Strafse führet, und dafs er wohl von seiner Bagage oder
Artillerie hätte etwas im Stiche lafsen müfsen; allein dergleichen
Unglück wäre doch mit dem, welches seinem Corps begegnete,
nicht zu vergleichen gewesen; in der Stellung bey Maxen hin-
gegen durfte er gleich sich nichts gutes versprechen, nachdem er
«die Höhen von Haufsdorff wegen der Schwäche seines Corps nicht
einnehmen und von selbigen den Feind verhindern konnte, durch
Digitized by Google
— 105 —
den Reinhardsgrimmer Wald zu dringen; so bald difs nicht ge-
schehen konnte, war die Action verlohren, weil gedachte Höhen
die von Maxen völlig commandiren und des Feindes so sehr zahl-
reiche Artillerie fast allein die Sache entscheiden konnte."
Auf den schroffen Widerspruch, der zwischen diesem letzten
Absatz und den vorhergehenden Teilen der Darstellung Gaudys
obwaltet, sowie auf die sonstigen zahlreichen Widersprüche und
Verdrehungen der Wahrheit in dessen Erzählung habe ich schon
im Laufe der Untersuchung selbst wiederholt hingewiesen. Der
wörtliche Abdruck dieser ganzen Stelle sollte nur den Nachweis
vervollständigen, dafs dem Gaudyschen Journal auch hier in aus-
geprägtester Weise die Tendenz zu Grunde liegt, das ganze Ver-
halten des Königs möglichst ungünstig, das des Prinzen Heinrich
in ausgesprochenem Gegensatz dazu möglichst günstig zu schildern,
Finck aber als das Opferlamm einer unbegreiflichen königlichen
Laune hinzustellen. In letzterer Beziehung ist Gaudy freilich im
letzten Abschnitt seiner Darstellung ein wenig aus der Rolle ge-
fallen, aber im grofsen und ganzen kann an der Tendenz der
mitgeteilten Stelle kaum ein Zweifel obwalten. Es ist ungefähr
derselbe Gedankengang, den Bernhardi in der Darstellung von
Gaudys Nachbeter Retzow nachgewiesen und nach Gebühr als
unsinnig erwiesen hat.
Woher aber hat Gaudy das Material zur Aufbauung dieser
Darstellung genommen? Sollte er eine Rechtfertigung Fincks
versucht haben, ohne sich bei diesem selbst oder in seiner un-
mittelbaren Nähe Rats erholt zu haben? Sicher nicht! Nicht
überall vermögen wir seine Quelle nachzuweisen, aber soviel hat
mir eine eingehende Vergleichung als feststehend erwiesen, dafs
Gaudy die sicher in Fincks unmittelbarer Umgebung entstandene,
vielleicht von ihm selber verfafste „Relation" in ausgiebiger Weise
entweder in der Fassung, wie sie Finck selbst niedergeschrieben,
oder in einer andern, nahe verwandten benutzt hat. Da ich
keineswegs behaupten will, dafs die „Relation" Gaudys alleinige
Quelle gewesen sei, so ist es hier nicht nötig, dem Leser die ge-
samte Vergleichung, wie ich sie aufs genaueste durchgeführt habe,
vorzulegen, sondern ich brauche nur deren Resultat mitzuteilen
und durch eine Nebeneinanderstelluug einiger längerer Stellen
darzuthun, dafs die Übereinstimmung nicht etwa auf einem Zufall
beruhen kann, sondern nur erklärlich ist, wenn man die Benutzung
der einen Quelle durch die andere annimmt.
Digitized by Google
— 106 —
Die mir vorliegende Abschrift aus dem Gaudyschen Journal
umfafst, soweit sie die Fincksche Expedition ausschliefslich be-
trifft, 31 Folioseiten; davon entfallen reichlich 4 auf die eben
mitgeteilte Stelle, welche eine von Gaudy selbst hinzugefugte Be-
urteilung des ganzen Ereignisses darstellt. Von den verbleibenden
27 Folioseiten habe ich bei 13V 2 , d. h. genau bei der Hälfte der
ganzen Darstellung, eine mehr oder weniger starke Übereinstim-
mung mit der Relation gefunden, und zwar habe ich eine solche
nur als feststehend angenommen, wenn ganze Sätze bez. längere
Abschnitte wörtlich übereinstimmten. Die sachliche Überein-
stimmung wird man, ohne zu hoch zu greifen, auf 2 / 3 der ge-
samten Ausdehnung ansetzen dürfen. Die wörtliche Überein-
stimmung findet sich oft eine ganze Seite ununterbrochen. Um
ganz sicher zu gehen, zog ich jedesmal nicht nur die „Relation",
sondern auch das „Journal", dessen Fassung ja, wie wir sahen,
zuweilen von der der „Relation" abweicht, zur Vergleichung
heran , um festzustellen , ob das dem „Journal" zu Grunde
liegende Manuskript etwa der Gaudyschen Fassung näher stehe.
Von wesentlicher Bedeutung konnte das natürlich nicht sein, da
„Journal" und „Relation", wie wir sahen, in der Hauptsache
identisch sind. Die Heranziehung des „Journals" erwies sich so-
gar als völlig belanglos; eine Regel war nicht zu entdecken; bald
näherte sich, wo „Journal" und „Relation" von einander ab-
weichen, Gaudy mehr dem einen, bald mehr dem andern. Wahr-
scheinlich ist eben die „Relation" in mehreren Fassungen im
Heerlager verbreitet gewesen, von denen eine von Gaudy benutzt
wurde. Es liegt daher am nächsten, die von Fincks Hand ge-
schriebene „Relation" der Vergleichung zu Grunde zu legen, wo-
mit indes nicht gesagt sein soll, dafs gerade sie Gaudy vor-
gelegen hat. Es genügt, die genaue Verwandtschaft im all-
gemeinen festzustellen. Zu diesem Zwecke stelle ich mehrere
beliebige der übereinstimmenden Stellen aus der „Relation" und
Gaudy nebeneinander; wir wählen zunächst eine Stelle, welche
gleich am Anfange der „Relation" steht, um zu zeigen, dafs die
Übereinstimmung alsbald beginnt, sowie die „Relation" einsetzt.
Man vergleiche:
Relation fol. la. Gaudy.
„Unsere Hussaren beka- Unsere Husaren machten
men hicbcy (nämlich bei dem auf diesem Marsch einen Ad-
Vormarsch der Avantgarde gegen jutanten des Generals Bren-
Digitized by Google
— 107 —
Maxen) einen Adjutanten des
General Brentanow und et- >
liehe Gemeine gefangen. Der
General-Major Wunsch liefs
diese Battaillons und Esqua-
drons bey dem Dorffe Maxen
ein Lager beziehen; er selbst
aber gieng mit 5 Esquadrons
Hussaren u. mit dem Freybat-
taillon (der Name Salenmon ist vor-
her genannt) noch gegen Dohna.
Es war denselben Vor-
mittag sehr nebelicht, dafs
man wenig um sich sehen
konte, die Hussaren - Pa-
trouillen meldeten indefsen,
dass Dohna von dem Feinde
besetzet scy, auch bey Mügeln
feindliche Infanterie und Ca-
vallerie vorbey marchire. Der
General Wunsch blieb also
ohnweit Ploschwitz auf der
• Anhöhe gegen den Wasser-
Thurm mit denen Hussaren
stehen, durch das Frey-Bat-
taillon von Salenmon aber
liefs Er die Stadt Dohna at-
taquiren: der Feind verliefs
nach einigen Wiederstand
die Stadt und zog sich gegen
Grofs-Sedlitz zurück, da-
gegen das Frey-Battaillon die
Stadt und die Schantze vor
Dohna besetzte.
Als der Nebel sich ver-
lohren hatte, sähe man die
Reichs-Armee durch Mügeln
nach Pirna defiliren und
viel Cavallerie mit starcken
Seythcn - Patrouillen solchen
March gegen Dohna bedecken;
dahero der General Wunsch,
weil er hiebey dem Feinde
nichts anhaben konte, das
Frey-Bataillon aus der Stadt
wieder heraus zog und mit
allen nach Maxen ins Lager
zurück gieng.
tano und 43 Mann gefangen.
Der Generalmajor Wunsch
liefs sein Corps bey dem Dorfe
Maxen mit dem linken Flügel an
demselben und Fronte gegen Klein-
Röhrsdorff machend ein Lager
beziehen; er selbst aber ging
mit 5 Eskadrons Gersdorff
unddem Freybataillon Salen-
mon bifs gegen Dohna vor,
um zu rckognosciren.
Es war diesen Vormittag
ein solcher Nebel, dafs man
wenig um sich sehen konnte;
die Patrouillen meldeten in-
defsen, dafs das Städtchen
Dohna vom Feinde besetzt
wäre, auch bey Mügeln feind-
liche Infanterie und Cavalle-
rie defilirte; es war difs die
Rcichs-Armee, die heute aus der
Gegend von Dresden aufgebrochen
war und ihren Zug nach Gieshübel
richtete; man schmeichelte sich
unserer Seits, dafs ihre Absicht
wäre durch Böhmen in die Win-
terquartiere zu gehen, allein die
Folge lehrete es anders. Der
Generalmajor Wunsch blieb
ohnweit Bioschwitz auf einer
Höhe gegenüber dem bey
Dohna liegenden Wasser-
thurm mit denen Husaren
stehen und liefs letzteren
Ort durch das Frey bataillon
attaquiren; es stand, wie gesagt,
seit gestern in selbigem ein De-
tachement Croaten, die sich aber
gleich nach einigem Wider-
stande gegen Grofs-Sedlitz
zurückzogen, dagegen das
Freybataillon die Stadt und
eine nahe jenseits derselben
auf der Höhe aufgeworfene
Schanze besetzte. Als der
Nebel gefallen war, sähe man
deutlich die Reichs-Armee
durch Mügeln gegen Pirna
Digitized by Google
108 —
defiliren und viele Cavallerie,
welche starke Seiten-Pa-
trouillen detachirt hatte, die-
sen Marsch nach der Seite
von Dohna decken, daher der
Generalmajor Wunsch, da er
dem Feinde hiebey nichts an-
haben konnte, das Frey-Ba-
taillon wieder aus diesem
Orte herauszog, es mit einem
Detachement Husaren in
Falckenhayn einrücken liefs
und mit dem Rest der letzteren
in sein Lager bey Maxen zu-
rückkehrete.
Schon diese eine Stelle ist sehr bezeichnend für das Ver-
hältnis der beiden Quellen zu einander. Man sieht, das Gaudysche
Journal ist ausführlicher und hat einige Zusätze, die in der „Re-
lation" fehlen. Wenn wir von beiden Quellen weiter nichts kennen
würden, als diese beiden Stellen, so würde die Annahme nahe
liegen, dafs Gaudy die ursprüngliche Quelle, die „Relation" ein
Auszug aus derselben sei. Aber es liegt auf der Hand, dafs
dieses Verhältnis unmöglich ist. Dafs Finck mit eigener Hand
sich über ein Ereignis, dessen Hauptheld er selbst war, einen
Auszug aus der Aufzeichnung eines Dritten, unmittelbar gar
nicht Beteiligten gemacht haben sollte, ist an sich so unwahr-
scheinlich wie möglich, während es auf der andern Seite Gaudjs
immerwiederkehrende Praxis ist, Berichte der Beteiligten seiner
Darstellung zu Grunde zu legen. Aufserdem zeigt die Handschrift
deutlich, dafs dieselbe ungefähr gleichzeitig mit der im Anhang IV
veröffentlichten Denkschrift, d. h. also kurz nach dem Kriegs-
gericht entstanden ist, also zu einem Zeitpunkte, wo die erst 1778
abgeschlossene Darstellung des Gaudyschen Journals sicher noch
nicht bis zum Feldzug von 1759 vollendet war. Finck ist schon
1766 in Kopenhagen gestorben und hat daher das Gaudysche
Journal in seiner heutigen Gestalt sicher gar nicht zu Gesicht be-
kommen. Das Verhältnis der Quellen kann also nur das um-
gekehrte sein: Gaudy hat die „Relation" für seine Darstellung be-
nutzt. Denn die wörtlichen Ubereinstimmungen sind so stark,
dafs an einen Zufall dabei gar nicht zu denken ist. Möglich
bleibt indessen, dafs er die „Relation" nicht in der im Finckscheri
Nachlasse vorliegenden, sondern in einer andern Fassung benutzt
Digitized by Google
— 109 —
hat. An der Benutzung dieser oder einer ganz nahe verwandten
Quelle kann schon nach dieser Stelle kein Zweifel sein. Die
kleinen erklärenden Zusätze Gaudys beweisen nicht das mindeste
dagegen; er schreibt eben aus voller Kenntnis der Sachlage, über
die er aus authentischen Quellen genau unterrichtet ist; aufserdem
aber hatte er in seiner Stellung beim Prinzen Heinrich genügende
Gelegenheit, sich näher zu erkundigen. So war er keineswegs ge-
zwungen, sich sklavisch an die ihm vorliegende Quelle zu binden.
Wenn er in derselben die Nachricht von dem Vorbeimarsch feind-
licher Truppen bei Mügeln vorfand, so konnte er leicht aus
eigener Kenntnis hinzusetzen, dafs dies Teile der Reichsarmee
waren. Das Verhältnis ist also hier in der Hauptsache so, dafs
Gaudy die ihm vorliegende Fassung der Relation wörtlich kopierte,
au den Stellen aber, wo ihm das die Deutlichkeit wünschenswert
erscheinen liefs, selbständige Zusätze aus andern Quellen oder aus
eigener Kenntnis hinzufügte. Die Hauptsache bleibt immer, dafs
die vornehmste Grundlage seiner Darstellung hier wie an vielen
andern Stellen die aus Fincks unmittelbarer Umgebung stammende
„Relation" war. Auch im nächstfolgenden bleibt dieses Grund-
verhältnis in der Hauptsache bestehen; nur mehren sich die selb-
ständigen Zusätze, namentlich bei der Schilderung der österreichi-
schen Bewegungen, bei der Gaudy u. a. die österreichische offi-
cielle Relation zu Rate gezogen zu haben scheint, die ihm hierfür
ausreichendes Material darbot; doch läfst sich eine direkte wört-
liche Benutzung nicht nachweisen. Wohl aber kehren nach
kurzen Zwischenräumen immer wieder Stellen wieder, welche
wörtlich aus der „Relation" herübergenommen sind, ohne dafs
sich indes der Verfasser ganz so sklavisch wie die meisten andern
der Memoirenschreiber seiner Zeit an seine Vorlage gehalten
hätte. Immer aber genügt die Übereinstimmung vollauf, um die
innere Verwandtschaft zweifellos klar zu stellen. Man ver-
gleiche z. B.:
Relation 2 b und 3 a.
Die Espions und Deserteurs
meldeten, dafs sich der Feldmar-
schall Daun bey diesen feindlichen
Corps selbst befinde, dafs, nach-
dem das gantze zweyte Treffen
sich in der Nacht mit dem Corps
de reserve von Sincere conjungiret
hätte, dieses Corps gewifs 30 000
Gaudy.
Die Kundschafter und einige
ankommende Deserteurs versicher-
ten, dafs der Feldmarschall Daun
selbst sich bei dem feindlichen
Corps befände, dafs es gegen
30 000 Mann stark wäre, viele
Artillerie mit sich führte, und dafs
es hiefse, der Generallieutenant
Digitized by Google
— 110 —
Mann starck sey, viele Artillerie
bey sich führe und die Preufsen
auf der Seythe von Hausdorff an-
grciffen wollte, sobald die Reichs-
Armee bey Dohna und der General
Brentanow zwischen Dronitz und
Wittgendorff attaquiren würden . . .
Er kehrte dahero alle mögliche
Anstauten vor und wollte anfäng-
lich die beyden Anhöhen bey Haus-
dorff occupiren, den rechten Flügel
aber vor Maxen auf die Anhöhen
gegen Dronitz und Wittgendorff
postiren, allein solches zu bewerk-
stelligen, fehlte es an hinlänglichen
Trouppen, wefshalben der General-
Lieutenant sich genöthiget sähe,
nur die Anhöhen um Maxen zu
besetzen.
Finck würde von drey Seiten an-
gegriffen werden; er kehrte also
alle mögliche Anstalten vor dem
Feinde zu begegnen. Sein Vor-
satz war anfanglich, die beyde
neben Haufsdorff liegende starke
Anhöhen mit seinem linken Flügel
zu besetzen, um den Feind zu
verhindern aus dem Reinhards-
grimmer Wald zu debouchiren, den
rechten aber auf denen Höhen von
Maxen gegen über Drohnitz und
Wittchendorff zu postiren, weil von
selbigen alles vorliegende Terrain
bestrichen werden konnte; allein
difs ins Werk zu richten fehlte es
ihm an hinlänglichen Trouppen,
und die Schwäche seines Corps
erlaubte ihm nicht sich so weit
auszubreiten, es blieb ihm also
nach seiner Meinung nur übrig,
auf den Fall der Feind gegen ihn
anrückte, die Höhen nahe um
Maxen allein zu vertheidigen, wozu
er dann auch vorläufig eine Dis-
position entwarf und bekannt
machte.
In der „Relation" folgt dann sogleich eine genaue Be-
schreibung der Aufstellung des Finckschen Corps, während Gaudy
zunächst den Anmarsch der Österreicher beschreibt. Bezeugt
diese Abänderung in der Anordnung der Anlage der Darstellung
die schriftstellerische Selbständigkeit Gaudys gegenüber seinen
Quellen, so zeigt er doch wieder nach der andern Seite wieder
dieselbe Abhängigkeit von denselben wie die andern Memoiren-
schreiber. Er ändert die Anordnung der Abschnitte, die Abschnitte
selbst nimmt er fast wörtlich herüber. Nachdom er seine QueUe
eine ganze Weile verlassen, kehrt er wieder zu ihr zurück; die
Aufstellung selbst wird, obwohl an einen ganz andern Punkt der
Gesamtdarstellung verlegt, dann doch wieder im wesentlichen
mit denselben Worten geschildert wie in der Relation, in die er
mit den Worten „der Generallieutenant Finck stellte hierauf die
Ordre, dafs die Trouppen das Lager abbrechen und nach der be-
kanntgemachten Disposition ihre verschiedenen Posten einnehmen
sollten", wieder einlenkt und zwar mit unmittelbarer Anknüpfung
Digitized by Google
— 111 -
an die oben mitgeteilten Worte, die in seiner Darstellung 3 '/ 2 Seite
vorher stehen. Und zwischen diese beiden Stellen schaltet er dann
wieder andere ein, die in der „Relation" erst nach der Schilderung
der Aufstellung folgen, und zwar wieder in der Hauptsache wörtlich.
Man gewinnt dadurch einen ziemlich klaren Einblick in die Ar-
beitsmethode Gaudys. In der Anordnuug des Stoffes steht er
seiner Quelle sehr selbständig gegenüber, an ihrem Wortlaut selbst
ändert er nur wenig und Unerhebliches. Ich stelle zum Beweise
noch eine weitere Stelle aus beiden Quellen nebeneinander, die
Gaudy an einen andern Ort (vor die Schilderung der Aufstellung)
gestellt hat, während sie in der „Relation" hinter dieser Schilde-
rung steht; die Übereinstimmung ist trotz dieser Umstellung eine
nahezu vollkommen wörtliche:
Relation 4 a.
Den 20. mit Anbruch des Tages
ritte der General-Lieutenant von
Finck nach Reinhartsgrim und
fand daselbst die Oesterreichische
Vorposten in etwas zurück ge-
zogen : Nachdem er denen Generals
von Platen und Mosel weitere Ver-
haltungsbefehle ertheilet hatte, so
ritte der General-Lieutenant nach
der Gegend von Röhrsdorf zurück,
wo sich etwas feindliches sollte
sehen lafsen. Nicht lange hierauf
liefs der General von Platen mel-
den, dafs sich das feindliche Corps
zu bewegen anfange, welches sein
abgeschickter Adjutant gleich dar-
nach mit der Nachricht bestattigte,
dafs der Feind in zwey Colonnen
gegen Reinhardsgrim anraarchire.
Gaudy.
Den 20. mit Anbruch des
Tages begab sich der General-
lieutcnant Finck nach Reinhards-
grimma und fand, dafs die jenseits
diesem Orte stehende feindliche
Vorposten sich noch mehr zurück-
gezogen hatten ; es war auch alles
auf dieser Seite ruhig, welches
glauben liefs, dafs heute nichts
vorfallen würde. Nachdem er nun
denen Generalmajors Mosel und
Platen weitere Vcrhaltungsbefehle
ertheilt hatte, so ritt er nach der
Gegend von Klein-Röhrsdorff zu-
rück, wo, wie man ihm angezeigt
hatte, sich von neuem etwas vom
Feinde sollte haben sehen lafsen;
kurz darauf, und als er noch auf
dem Wege dahin war, liefs ihm
der Generalmajor Platen melden,
dafs das bey Dippoldiswalda cam-
pirendc feindliche Corps anfienge,
sich in Bewegung zu setzen, wel-
ches dieser General gleich darauf
durch seinen Adjutanten mit dem
Zusatz bestätigen liefs, dafs es in
vier Colonnen gegen Reinhards-
grimma anmarschirte.
Digitized by Google
- 112 —
Ähnliche Übereinstimmungen finden sich dann auch bei der
Schilderung des eigentlichen Kampfes; z. B.
Relation 5 a.
Während der Zeit, dafs der
General-Lieutenant von Finck auf
diese beyde attaquen seine Auf-
mercksamkeit richtete, entstand
unter der Bagage ein entsetzlicher
Lerm und die gröste Unordnung;
die zu hochgerichtete feindliche
Canonen-Kugeln und Haubitz-Gra-
naden fielen unter selbiger, die
Knechte wollten sich aus solchen
Feuer in Sicherheit bringen und
jagten lincks und rechts hinter die
Regimenter herum: der General-
Lieutenant wollte diese Unordnung
gerne abhclffen und befahl, dafs
der gantze train vom Corps nach
Schmorsdorf fahren sollte, allein
die Unordnung und Furcht unter
den Knechten war zu grofs, als
dafs dieser Befehl gehörig befolget
würde.
Gaudy.
Aufser der gefährlichen Ver-
fafsung, in der er sich befand, und
währender Zeit er auf beyde An-
griffe alle seine Aufmerksamkeit
richtete, um ihnen nach Möglich-
keit zu begegnen, entstand unter
der hinter denen Trouppen im
Grunde aufgefahrenen Bagage eine
entsetzliche Unordnung und Ler-
men; die zu hoch gerichtete feind-
liche Canonen und Haubitzen
schofsen ihre Kugeln nnd Granaten
im Bogenschufs in die Wagenburg
und unter die Packpferde; die
Knechte wollten sich aus diesem
Feuer in Sicherheit bringen und
jagten links und rechts hinter
denen Trouppen herum, welches
den Muth derselben und ihre Con-
tenance eben nicht vermehrte; der
Generallieutenant Finck stcllete
zwar augenblicklich die Ordre,
dafs alle Bagage bey Schmorsdorff
wieder zusammen gefahren werden
und daselbst verbleiben sollte ; allein
die Zerstreuung derselben war zu
grofs, als dafs solches hätte be-
folgt werden können, und die Angst
der Knechte erlaubte ihnen nicht
zu gehorsamen; folglich blieb alles
zerstreuet und in Bewegung.
Endlich lassen wir noch eine Stelle über die letzten Momente
vor dem Entschlufs zur Kapitulation folgen. Beide Quellen be-
richten gemeinsam, dafs sich bei Einreichung der Listen die Zahl
der Kampffähigen, das Wunschsche Corps nicht mitgerechnet, nur
noch auf 2836 Köpfe belaufen habe; dann heifst es weiter:
Relation 7 b und 8 a.
Dieser Umstand setzte den Ge-
neral-Lieutenant in eine neue
grofse Verlegenheit. Eine neue
Attaque mit 8 Canons, die ihm
Gaudy.
Dieser Umstand setzte den Ge-
nerallieutenant Finck in eine neue
Verlegenheit; die mehreste Artille-
rie war verlohren; einen neuen
Digitized by Google
— 113 —
noch übrig geblieben waren, und
so wenig Leuthen gegen einen nun
mehr als 7 mahl stärckern Feind,
der in der vortheilhafftesten Posi-
tion stand, und delsen zahlreichen
Artillerie zu unternehmen, schien
unüberlegt und unverantwortlich
zu seyn : Sich durch die vom Feinde
besetzte Defilees weg zu ziehen,
war nicht möglich, ohne Mann für
Mann aufzuopffern ; sich gefangen
nehmen zu lafsen blieb also das
letzte Mittel; allein hierzu wollte
der General-Lieutenant sich keines-
wegs entschliefsen , obgleich nie-
mand eine Mittel-Strafse zwischen
den Gefangennehmen und der vor-
setzliehen Aufopfferung des gantzen
Corps entdecken konte etc.
Angriff mit einer solchen Handvoll
Leute und 8 Canonen, denn so
viele waren nur übrig geblieben,
auf einen so ungemein überlegenen
Feind, und der eine so zahlreiche
Artillerie bey sich hatte, zu machen,
hielt er für unüberlegt und unver-
antwortlich, weil ein guter Erfolg
gar nicht zu hoffen war; durch
die vom Feinde besetzte Defiles zu
dringen war nicht möglich, ohne
vorsetzlich Mann für Mann aufzu-
opfern; sich ohne weiteren Angriff
gefangen zu geben, schien also das
letzte Mittel zu seyn; allein hierzu
wollte er sich keines weges ent-
schliefsen, obgleich kein Mittelweg
zwischen der Ergebung und der
vorsetzliehen Aufopferung des Corps
zu finden war.
Dafs Gaudy n. a. gerade diese Stelle, in welcher alle Finck
entschuldigenden Momente kurz zusammengefafst werden, fast wört-
lich herübergenommen hat, ist für die Endabsicht seiner Dar-
stellung sehr bezeichnend.
Wir können uns mit diesen Stellen begnügen; sie erweisen
zur Genüge, dafs Gaudy die „Relation" selbst oder eine ihrer Ab-
leitungen — denn ohne Zweifel liefen deren mehrere am — be-
nutzt hat. Mehr wollen wir nicht beweisen; im Gegenteil, wir
geben unbedingt zu, dafs ihm aufserdem noch andere Quellen vor-
lagen. Für uns entscheidend ist, dafs er als eine der hauptsäch-
lichsten Grundlagen, der er mehr als die Hälfte seiner ganzen
Darstellung, und zwar weitaus die wichtigsten Partieen entnahm,
eine Quelle benutzte, deren Ursprung aus Fincks Umgebung über
allen Zweifel erhaben ist. Seine Darstellung ist nicht objektiv,
sie mifst in dem Streite zwischen dem Könige und Finck nicht
mit gleichem Mafse, sondern sie ist eine Tendenzdarstellung zu
Gunsten des letzteren.
Diese Sachlage erhellt nicht nur aus den Stellen, welche, wie
wir sahen, der „Relation" entnommen sind; sie tritt auch in den
Teilen seiner Darstellung hervor, in denen sich eine Ubereinstimmung
mit jener „Relation" nicht erkennen läfst. Das zeigt sich gleich
am Anfang seiner Darstellung bei den Bewegungen des Finckschen
Korps am 15. und 16. November, die in der „Relation" noch
HiatorUche Untrr»uchung«n. 7. g
Digitized by Google
— 114 —
nicht eingehender behandelt werden. Hier zeigt sich Gaudy so
genau unterrichtet, seine Angaben stimmen mit denen der Berichte
Fincks an den König in allen Punkten so genau überein, dafs die
Vermutung, Gaudy fufse auch hier auf mündlichen oder schrift-
lichen Mitteilungen Fincks, sehr nahe liegt. Vielleicht lief aulser
der uns erhaltenen „Relation" noch eine andere in diesen Kreisen
um, welche auch die vorhergehenden Tage behandelte; vielleicht
aber hat Gaudy auch nur mündliche Erkundigungen bei Finck
selbst oder den Offizieren seiner Umgebung mit den Angaben der
Armeelisten kombiniert: dazwischen sind dann auch immer wieder
Nachrichten über die Vorgänge bei der preufsischen Hauptarmee,
so namentlich über das mit einigen kleinen Scharmützeln ver-
bundene Vorrücken der Avantgarde unter Zieten nach Kesselsdorf '),
eingeschaltet, die offenbar einem aus der Hauptarmee stammenden
Tagebuche entnommen sind.
Ganz unzweifelhaft auf mittelbaren oder unmittelbaren Mit-
teilungen Fincks beruht die Stelle, an welcher Gaudy über den
Befehl des Königs, Lindstädt aus Dippoldiswalde nach Maxen nach-
rücken zu lassen, und über die damit im Zusammenhange stehen-
den Rapporte Fincks berichtet. Wir wiesen schon im 3. Kapitel
unserer Darstellung darauf hin, dafs in den uns erhaltenen Be-
richten Fincks von Äulserungen einer ernstlichen, durch jenen
Befehl bei Finck hervorgerufenen Besorgnis nichts zu entdecken
ist, dafs er sich vielmehr gerade in deu Berichten, in welchen er
auf jenen Befehl des Königs zu sprechen kommt, noch ziemlich
zuversichtlich über seine Lage ausspricht. Möglich, dafs der Brief,
in welchem er seine Besorgnisse näher begründet, verloren ge-
gangen ist; dann konnte ihn aber auch Gaudy nicht kennen, kann
vielmehr über seinen Inhalt nur durch Finck unterrichtet worden
sein. Man höre, wie sich Gaudy hierüber äufsert: „Der General-
lieutenant Finck hatte dem Könige gemeldet, dafs bey seiner Vor-
rückung von Dippoldiswalda nach Maxen er einige Trouppen bei
ersterem Orte würde stehen lafsen, und er hatte sich erdreistet
dazu zu setzen, dafs aufser dieser Vorsicht er in eine sehr übele
Verfafsung gerathen und ausgesetzt werden könnte die Gemeinschaft
mit seiner Beckerey zu Freyberg und mit der Armee selbst zu
verlieren; er hatte zugleich angezeigt, dafs er bey Maxen und
Dohna vom Feinde fast umringet seyn würde, weil die Reichs-
*) Vgl. hierüber meinen „Zieten", Bd. I. S. 325, Bd. II, S. 374/75 u. 379
Digitized by Google
- 115 —
Armee nach Gieshübel marschiret wäre, der Feldmarschall Daun
aber schon Gestern durch seine ganze Reserve unter dem General
Sincere die Höhen bei Rüppgen, welche auf der Strafse, die von
Dresden nach Dippoldiswalda führet, liegen, hätte einnehmen und
das Brentanosche Corps bifs an das Defile von Lockwitz vorrücken
lafseu, dafs überhaupt der Posten von Maxen nur gegen die
böhmische Seite, wo er von der Muglitz gedeckt ist, keineswegs
aber nach der von Dresden stark wäre, und er, waun keine
Trouppen bey Dippoldiswalda ständen, grofse Gefahr laufen würde."
Halten wir hier zunächst einen Augenblick inne, um diese Dar-
stellung zu prüfen. Der Bericht, in welchem Finck meldet, dafs
er Lindstadt in Dippoldiswalde zurückgelassen habe, ist uns zum
Glück erhalten ; wir können also kontrollieren, inwiefern sein Inhalt
dieser Inhaltsangabe Gaudys entspricht. Er ist im Anhang II
unter Nr. 9 mitgeteilt. Es heifst da nur ganz kurz „der General
Lindstädt bleibet zwar noch morgen hier stehen; da es aber nicht
weit nach Maxen, kan ich ihm auf alle Fälle gleich an mich ziehen."
Das ist geschrieben noch von Dippoldiswalde aus, bevor Finck
selbst nach Maxen aufbrach, also sicher auch bevor der Befehl
des Königs, Lindstädt nach Maxen folgen zu lassen, ausgefertigt
war. Von der bei Gaudy stehenden Motivierung der Zurücklassung
Lindstädts und von der Schilderung der Finck drohenden Gefahr
ist da nicht mit einem Worte die Rede; der nächste aus Maxen,
18. November, datierte Brief (Anhang II, Nr. 10) aber nimmt
schon auf jenen Befehl Bezug. Vor dem Eintreffen dieses Befehls
also enthält keiner der uns erhaltenen Briefe etwas von dem, was
Gaudy berichtet. Es könnte sich also wiederum nur um einen
verloren gegangenen Brief, von dem Gaudy eben nur durch Finck
selbst Kenntnis erhalten haben kann, handeln. Aber es ist nicht
einmal wahrscheinlich, dafs ein solcher Bericht, wie ihn Gaudy
schildert, jemals geschrieben und abgegangen ist. Sonst würde
Finck den Befehl des Königs, Lindstädt an sich zu ziehen, nicht
so ruhig aufgenommen haben, wie er das in dem Bericht vom 18.
(Nr. 10) thut. Er meldete da nur: „dafs ich mit meinem Corps
hier angekommen bin, auch den General Lindstädt noch an mich
ziehe, welcher diesen Abend hier eintreffen wird." Erst in einem
zweiten Berichte von demselben Tage fügt er eine, wenn auch
nur ganz nebensächlich hingeworfene, gar nicht sehr betonte
Aufserung der Besorgnis hinzu, indem er (Bericht Nr. 11) sagt:
„Der General Lindstädt ist schon zu mir gestolsen, 3 Esquadrons
8*
Digitized by Google
- 116 -
Hussaren habe aber noch bey Dippoldswalde stehen lafsen, nm
zn patrouilliren , und damit der feind nicht gewahr wird,
dafs dieses Loch nicht besetzt ist." Von eindringlichen
Vorstellungen, zn denen sich Finck wegen der Besetzung Dippoldis-
waldes dem Könige gegenüber in seinen Berichten „erdreistet"
habe, ist also in diesen, soweit sie uns erhaltsn sind, vor dem
Eintreffen des königlichen Befehls gar nicht, nachher aber nur
in diesem kleinen Sätzchen die Rede. Danach ist dann auch das,
was Gaudy weiter berichtet, zum wenigsten sehr übertrieben, er
fährt nämlich fort:
„allein diese Vorstellungen wurden in ungnädigen Aasdrücken ver-
worfen und ihm die Ordre erteilt, die bei Dippoldiswalda stehen
gebliebenen Trouppen gleich an sich zu ziehend
Leider liegt uns der Befehl de* Königs selbst nur in einem
ganz kurzen Entwurf vor (vgl. hierüber oben S. 48 der Dar-
stellung). Dafs aber von eindringlichen Vorstellungen, welche
der König „in ungnädigen Ausdrücken" hätte zurückweisen können,
in den uns erhaltenen Berichten Fincks nicht die Rede ist, sahen
wir schon. Die Frage, ob solche in einem etwa verloren ge-
gangenen Berichte enthalten waren, ist in diesem Falle unerheblich.
In jedem Falle kann Gaudy die Nachricht von dem Inhalte dieses
angeblichen oder vielleicht auch wirklich vorhanden gewesenen
Briefes nur von Finck selbst erhalten haben; denn ein verlorener
Brief war eben auch für Gaudy verloren. Möglicherweise hat
Gaudy hier die Denkschrift Fincks (Anhang TV) vor sich gehabt,
in welcher Finck ebenfalls behauptet, er habe dem Könige Vor-
stellungen wegen jenes Befehls gemacht; sicher aber stammt seine
Darstellung hier aus Mitteilungen irgend welcher Art von seiten
Fincks. Über die Art, wie Tempelhoff sich über diesen Bericht
Fincks und den Befehl des Königs äufsert, werde ich unten in
dem Abschnitt über Tempelhoff kurz berichten. Auch seiue An-
gabe kann nur aus Fincks Umgebung stammen, doch vermeidet dieser
viel unbefangenere und ruhigere Schriftsteller, näher auf die ihm
nicht im Original vorliegenden „Vorstellungen" Fincks einzugehen.
Nach dem Gesagten wird man jedenfalls soviel mit voller
Bestimmtheit sagen können, dafs das Gaudy sehe Journal sich nicht
nur im allgemeinen als durchaus im Sinne Fincks gefärbt erweist,
dafs es vielmehr in weiten und zwar in den entscheidenden Teilen,
auf Quellen rufst, deren Ursprung zweifellos auf Finck und seine
Umgebung hinweist.
Digitized by Google
— 117 —
Bevor wir uns nun der dritten grofsen, von preufsischer Seite
vorliegenden Darstellung, der Tenipelhoffs, zuwenden, müssen wir
noch einen Augenblick bei einer von gegnerischer Seite veröffent-
lichten Quelle verweilen, welche 2 Jahre vor dem betreffenden
(III.) Bande des Tempelhoffschen Werkes erschienen und ohne alle
Frage vou Tempelhoff an mehreren Stellen benutzt ist; es ist das
die Darstellung, welche der kursächsische Artillerie-Hauptmann
J. G. Tielcke
im ersten Stück seiner „Beyträge zur Kriegs-Kunst und Geschichte
des Krieges von 1756—1763" (Freyberg 1775 4°) vou der Maxener
Katastrophe entworfen hat.
Im allgemeinen kann darüber kein Zweifel sein, dafs Tielckes
Darstellung in allem Wesentlichen auf der österreichischen offiziellen
Relation, die er selbst als Anhang mitgeteilt hat, beruht. In
grofsen Partieen zeigt sich wörtliche Ubereinstimmung mit derselben,
wie jeder Leser durch eine Vergleichung mühelos erkeunen wird.
Auf der andern Seite aber ist es ebenso zweifellos, dafs er, wie
er selbst angiebt, auch zahlreiche Mitteilungen von preufsischer
Seite erhielt. So iührt er in einer Anmerkung (zu S. 9) die be-
kannte Erzählung an, dafs Finck dem Könige Gegenvorstellungen
gegen seine Entsendung nach Maxen gemacht habe. Selbst über
das entscheidende Schreiben des Königs, in welchem er Finck die
weiteren Mafsregeln und damit auch vorkommenden Falls den
Rückzug aus seiuer Stellung in Maxen anheimstellt, ist Tielcke
(ebenfalls S. 0) seinem Hauptinhalte nach unterrichtet; nur er-
kennt er, abweichend von den preufsischen, Finck blindlings fol-
genden Berichterstattern, an, dafs jenes Schreiben des Königs au
Finck gegen den letzteren zeuge. Er will sogar wissen, dafs
dasselbe eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen des
Kriegsgerichts gespielt habe; durch die Vorlegung desselben sei
der für Finck ungünstige Ausgang des Gerichts herbeigeführt
worden. Er fügt hinzu; „S. M. der König waren so gnädig ge-
wesen, von diesem Briefe im Processe wider den General Fink
nichts zu erwähnen. Der General Fink zog sich also sein Un-
glück selbst durch Bekanntmachung dieses Briefes zu." Mau sieht
also, dafs Tielcke, obwohl auch er Nachrichten aus der Umgebung
Fincks erhielt, obwohl er durch gefangene preufsische Offiziere
auch über den Hauptinhalt der Finckschen Berichte an den König
unterrichtet war, doch weit entferut war, aus diesem Material die
Digitized by Google
— 118 —
Folgerungen zu ziehen, welche Gaudy u. a. daraus zogen, dafs
er in den gehässigen Ton gegen den König gar nicht einstimmt,
vielmehr ausdrücklich ein Zeichen der Milde des Königs Finck
gegenüber hervorhebt. Auch sonst ist er keineswegs gemeint,
Finck dem Könige gegenüber als unschuldiges Opferlamm hinzu-
stellen und die Schuld an der Katastrophe des ersteren dem letzteren
aufzubürden; er hebt im Gegenteil hervor, dafs Finck nach Empfang
jenes entscheidenden Schreibens vom Könige sich sehr wohl hätte
retten können und dafs er es nur „vielleicht aus zu grofseni Zu-
trauen zu seinem Muthe und dem ihm bisher stets folgenden Glücke,
welchen Fehler man besonders bey seinem Hinmarsch nach Maxen
an ihm bemerket haben will" (S. 9), nicht gethan habe. Und wie
er anerkennt, dafs Finck sich im richtigen Augenblick dem ihm
gelegten Netze noch hätte entziehen können, so hebt er auch im
Folgenden bei der Darstellung des Kampfes selbst die Fehler
hervor, durch welche Finck seinen Untergang beschleunigt, wenn
nicht herbeigeführt habe. Namentlich weist er mit Nachdruck
darauf hin, dafs die Entsendung des Wunschschen Korps nach
Dohna zwecklos und daher, da das Hauptkorps dadurch zu sehr
geschwächt wurde, verderblich gewesen sei (S. 13). Finck scheint
das selbst gefühlt zu haben, denn Tielcke behauptet, von gefangenen
preufsischen Offizieren erfahren zu haben, „dafs der General Fink
beym Angriff der Kayserlichen zwey bis drey Officiers an den Ge-
neral Wunsch geschickt und die 2 Bataillons Münchow zum Soutien
des Maxner Berges verlangt, aber allemahl zur Antwort erhalten,
er könnte diese Bataillons nicht missen" (S. 13).
Den mifsglückten Kavallerie-Angriff, der in den preufsischen
Berichten völlig dunkel bleibt, fuhrt Tielcke darauf zurück, dafs
sich die Kavallerie „durch Teiche, sumpfigte Wiesen und Gebüsche"
durchziehen mufste, „dahero weder sich formiren noch mit ge-
hörigem Choc attaquiren" konnte, sondern zurückgeschlagen wurde
(S. 17). Diese seine Angabe ist neuerdings durch das in den „Bei-
trägen zur Geschichte der österreichischen Kavallerie", verf. in der
Abtlg. für Kriegsgeschichte des k. k. Kriegs- Archivs (Wien 1881)
S. 408 abgedruckte Tapferkeitszeugnis bestätigt worden, welches
General Brentano am 24. November 1759 der seinem Corps bei-
gegebenen Schwadron Schmerzing-Kürassiere ausgestellt hat.
Der Rest von Tielckes Darstellung ist zum überwiegenden
Teile aus der österreichischen offiziellen Relation und der ebenfalls
von ihm mitgeteilten Relation über die Bewegungen der Reichs-
Digitized by Google
- 119 -
armee kombiniert. Daneben zeigt sich auch hier, dafs dem Ver-
fasser, wie er auch selbst (S. 21 Anmerkung) angiebt, Berichte
von preufsischer Seite vorlagen. So wird er namentlich die An-
gabe, dafs sich bei der Zählung der noch vorhandenen preufsischen
Truppen nur noch 2836 Mann kampffähig vorgefunden hätten, von
Offizieren des Finckschen Corps erhalten haben. (Vgl. über diese
Zahl und den in Bezug auf dieselbe in mehreren Quellen vor-
waltenden Irrtum oben S. 70 Anmerkung 1.)
In jedem Falle hat sich nach dem, was ich soeben angeführt
habe, Tielcke trotz der aus Fincks UmgebuDg bezogenen Nach-
richten in dem Zwiespalt zwischen dem Könige einer- und Finck
und seinen Anhängern andererseits eine unparteische Haltung be-
wahrt; deswegen mag auch der nach unabhängiger Haltung stre-
bende Geschichtschreiber, zu dem wir uns jetzt wenden, Tielckes
Darstellung für ein willkommenes Gegengewicht gegen die Berichte
der Anhänger Fincks gehalten und aus diesem Grunde benutzt
haben.
G. F. von Tempelhoff
behandelt die Katastrophe bei Maxen in dem 1787 erschienenen
dritten Teile seiner „Geschichte des siebenjährigen Krieges in
Deutschland", S. 346 — 366. Über die Quellen, welchen dieser
ohne Zweifel objektivste der zeitgenössischen Geschichtschreiber
des siebenjährigen Krieges (die Werke des Königs selbst aus-
genommen) in seinen Werken gefolgt ist, hat neuerdings Herrmann,
wie erwähnt, in seiner Inaugural-Dissertation eingehend, aber bei
weitem nicht erschöpfend, gehandelt. Dafs Tempelhoff an der für
uns in Betracht kommenden Stelle das in der „Sammlung ungedr.
Nachr." vorliegende „Journal" '), aufserdem aber Tielckes Dar-
stellung benutzt hat, ist Herrmann entgangen. Beides aber ist für
die Beurteilung des Wertes seiner Aufzeichnungen von hervor-
ragender Bedeutung. Gelingt es uns z. B., den Nachweis zu
führen, dafs Tempelhoff jenes Journal benutzt hat, so ist damit
der Beweis erbracht, dafs auch er einen Teil seiner Darstellung
mittelbar oder unmittelbar aus der Umgebung Fincks schöpfte.
Unzweifelhaft zeigt er das redliche Streben, sich von der diesen
Quellen zu Grunde liegenden Tendenz freizuhalten, immerhin ist
es doch von grofser Bedeutung, zu wissen, dafs sie auch für ihn
den Grundstock seiner Darstellung bildeten.
') bez. die demselben zu Grunde liegende „Relation".
Digitized by Google
— 120 —
Dieser Nachweis aber ist zu erbringen und soll in den nach-
folgenden Untersuchungen erbracht werden; ja es scheint, dafs
Tempelhoff ähnlich wie Gaudy, aufser dem „Journal" bez. der
„Relation" noch andere Quellen Finckscher Provenienz zu Gebote
standen, so dafs auch seine Darstellung, unbeschadet ihres gröl'seren
Strebens nach Unparteilichkeit, als eine Ableitung der von Finck
beeinflulsten Überlieferung zu betrachten ist.
Bleiben wir zunächst bei dem „Journal" bez. der „Relation"
stehen. Wir legen hier der Vergleichung, abweichend von dem
Gaudy gegenüber eingeschlagenen Verfahren, das „Journal" in der
„Sammlung üngedruckter Nachrichten" zu Grunde, da dasselbe
bei dem Erscheinen des Tempelhoffschen Bandes schon gedruckt
vorlag und die Annahme, dafs er die handschriftliche Fassung be-
nutzt habe, zum wenigsten nicht notwendig ist; dann aber schien
eine Vergleichung derjenigen Stellen, an denen eine merkliche
Abweichung zwischen „Journal" und „Relation" vorlag, eine
gröfsere Annäherung Tempelhoffs an das erstere zu ergeben. So
viel kommt auf die Frage nicht au, da an der sachlichen Über-
einstimmung zwischen „Relation" und „Journal" nach dem oben
Gesagten nicht zu zweifeln ist.
Die Ähnlichkeit der Tempelhoffschen Darstellung mit dem
Journal beginnt gleich da, wo das letztere einsetzt, doch ist die
Übereinstimmung anfangs nirgends eine wörtliche; Tempelhoff er-
scheint stellenweise als ein kurzer Auszug aus dem „Journal", an
anderen Stellen zeigt es sich wieder deutlich, dafs er noch andere
Quellen neben dem „Journal" benutzt hat. Beweisend für das
Verhältnis der beiden Quellen zu einander wird diese Überein-
stimmung natürlich erst, wo sie in längereu Abschnitten eine
mehr oder weniger wörtliche ist. Die erste Stelle, an der dies
der Fall ist, ist die folgende:
Sammlung üngedruckter Nach-
richten II, 595.
Den 19. in der Frühe reco-
gnoscirtc der General-Lieutenant
gegen Gompsen und Röhrsdorf.
Als der Nebel herunter gefallen
war, sähe der General-Lieutenant,
dafs aus dem Daunschen Lager
auf der Strafse von Dresden nach
Dippoldswalde ein starkes Corps
marschirte, welches ihm nicht lange
Tempelhoff III 357/58.
General Fink war unterdessen
ausgeritten, um in der Gegend von
Röhrsdorf und Gompsen den Feind
zu rekognosciren. Ein starker
Nebel und das trübe Wetter ver-
hinderte die Bewegungen des
Feindes zu entdecken; als es aber
heller wurde, ward er gewahr, dafs
ein starkes Korps aus dem Daun-
Digitized by Google
I
— 121 —
hernach von dem Major v. Haugwitz
von Ober-Häselich ebenfalls ge-
meldet wurde.
Weil nun die letzte Proviant-
wagen ohngefahr um diese Zeit
erstlich Reinholzhain pafsiren
konnten, folglich von dem Feind
noch hätten eingeholet werden
mögen, so befahl der General-
Lieutenant, dafs zu derselben
mehrerer Sicherheit der General-
Major von Platen mit den Dra-
gonern von WUrtcmbcrg und den
3 Grenadier-Bataillons von Kleist,
von Billcrbeck, von Benekendorf ')
ohne Anstand den Proviantwagen
auf der Strafse nach Reinholzhain
entgegen inarschiren sollte; dem
Major v. Haugwitz aber wurde die
Ordre geschickt, die feindliche
Vortruppen so lange als möglich
durch ein und andere Bewegung
aufzuhalten und sich hierbey mit
dem Transport der Brod wagen gegen
Reinhardsgrimme zurück zu zie-
hen' 2 ). Inzwischen hatte das Feuer
der beyderseitigen Blänkers und
die Nachricht von dem anmarschi-
renden Feind den Transport der
Brodwagen dergestalt beschleuniget,
dafs selbiger nach einigen gehabten
kleinen Attaken mit dem General-
Major von Platen in Reinhardts-
grimme zugleich eintraf.
sehen Lager auf der Strafse nach
Dippoldiswalde marschirte. Wie-
wohl nun der General Fink noch
Zeit hatte, sich zurüekzuziehn und
dem Feinde bei Dippoldiswalde
zuvor zu kommen, so beschlofs er
doch, stehen zu bleiben und ihn
zu erwarten 3 ); weil er aber be-
sorgte, der Feind möchte den
Transport mit Brod aufheben, so
detaschirte er den General Jung-
Platen mit den Grenadierbataillonen
Kleist, Billerbeck und Benkendorf
und den Dragonern von Wttrten-
berg nach Reinholzhain und schickte
dem Major Hauchwitz, der mit
3 Schwadronen Husaren bei Häselich
stand, den Befehl, den Feind so
lange als möglich aufzuhalten und
sich hernach mit der Bedeckung
der Brodwagen nach Reinhards-
grimmc zurückzuziehen. Der Feind
unternahm indessen nichts und be-
gnügte sich blofs den Transport
von einer grofsen Entfernung mit
Kanonenschüssen zu beunruhigen,
die keine andre Wirkung thaten,
als dafs sie den Marsch desselben
beschleunigten, so dafs er den
Nachmittag glücklich im Lager
eintraf.
') Die sonst wörtlich mit dem Journal übereinstimmende Relation zeigt
hier eine kleine sachliche Abweichung von demselben. Einmal erwähnt sie
neben den Württemberg-Dragonern noch das Kürassier-Regiment von Horn,
dann giebt sie an. dafs die Grenadierhataillone von Mosel geführt worden
seien, endlich läfst sie bei der Nennung dieser Bataillone das Bataillon
v. Kleist aus. Man sieht, dafs Tempelhoff in allen drei Punkten dem „Journal"
und nicht der „Relation" folgt.
2 ) Dieser letzte Satz ist in der Relation stilistisch anders gefafst: „und
sich nächstdein mit der Escorte derer Proviant wagens zu conjungiren." Wieder
steht die Tempelhoffsche Fassung der des Journals näher als der der Relation.
3 ) Diesen einzigen selbständigen Zusatz zum Journal könnte Tempelhoff
recht wohl der. wie wir gleich sehen werden, neben dem Journal am meisten
benutzten Darstellung Tielckes (S. 9) entnommen haben.
Digitized by Google
— 122 —
Und in derselben Weise geht die Übereinstimmung weiter;
sie ist sachlich eine vollständige; in der stilistischen Anordnung
aber bindet sich Tempelhoff nicht sklavisch an seine Vorlage;
z. B.:
Journal S. 596.
Die Spions und Deserteurs mel-
deten, dafs sich der Feldmarschall i
Daun bey diesem feindlichen Corps
befände; dafs dieses Corps gegen
30 000 Mann stark sey, viele Ar-
tillerie bey sich fübre und die
Preufsen auf der Seite bey Haus-
dorf angreifen wollte, sobald die
Reichsarmee bey Dohna und der
General von Brentano zwischen
Dronitz und Wittgendorf attakiren
würden.
und weiter:
Journal S. 596.
nach welcher letztern Disposition
auf der Maxner Anhöhe gegen
Hausdorf die 5 Bataillons v. Kleist,
Grabow, Zastrow, Benekendorf und
Billerbeck, hinter denenselben aber
die Dragoner von Würtemberg und
3 Escadrons Husaren v. Gersdorf
zu stehen kamen. Die linke Flanke
gegen Mühlbach deckte das Fink-
sche Regiment und bedeckte mit
50 Mann die alte Redoute. Gegen
die rechte Flanke dieser 5 Ba-
taillons sollte sich das Regiment
v. Rebentisch ') postiren, dergestalt,
dafs es die Anhöhe gegen Lung-
witz einnehme; an den rechten
Flügel von Rebentisch sollte das
Bataillon von Schenkendorf, ferner
nach der Schmorsdorfer Anhöhe
Tempclhoff 358.
Der General Fink erfuhr durch
i seine Spione und verschiedene an-
kommende Ueberläufer, dafs der
Feldmarschall Daun beschlossen
hätte ihn auf der Seite von Haus-
dorf mit einem Korps von 30 000
Mann anzugreifen, und dafs es die
Reichsarmee bei Dohna und der
General Brentano zwischen Dronitz
und Witgendorf zu gleicher Zeit
thun sollten.
Tempelhoff 358.
Nach diesen (seil. Anstalten)
sollten die Bataillone Kleist, Ben-
kendorf, Billerbeck, Grabow und
Zastrow die Höhe bei Maxen gegen
Hausdorf besetzen und hinter ihnen
die Dragoner von Würtenberg und
3 Schwadronen Husaren von Gers-
dorf zu stehen kommen ; die linke
Flanke gegen Mühlbach das Regi-
ment Fink und die rechte Flanke
das Regiment Rebentisch decken
und zu dem Ende die Höhe gegen
Lungwitz besetzen. Das Bataillon
von Schenkendorf sollte sich an
den rechten Flügel von Rebentisch
schliefsen, bei der Schmorsdorfer
Höhe 6 Schwadronen Husaren und
die Dragoner von Platen in der
ersten und die schwere Kavallerie
') Hier zeigen sich trotz sonstiger wörtlicher Übereinstimmung einige
kleine sachliche Differenzen zwischen „Journal 1 * und „Relation" (s. oben S. 89).
So erwähnt die letztere das Bataillon von Schenkendorf schon hier in un-
mittelbarer Verbindung mit dem Regiment Rebentisch, während dasselbe im
„Journal" erst ein wenig später genannt wird. Wieder folgt Tempelhoff
der Fassung des „Journals."
Digitized by Google
— 123 -
die schwere Kavallerie aufmarschi-
ren, vor welcher Linie ') die Pla-
tcnschcn Dragoner und 6 Esca-
drons Husaren sich setzen sollten.
Zur Bedeckung der Kavallerie und
des rechten Flügels war der Ge-
neral-Major von Lindstädt mit den
Bataillons v. Lehwald, Hülsen und
Knobloch auf den Anhöhen von
Schmorsdorf postiret, welchen allen
das Bataillon von Willemai den
Rücken deckte, falls sich durch
die Gründe von Wesenstein und
Häselich etwas Feindliches heran
nahen wollte. Der General von
Wunsch sollte sich mit den Regi-
mentern von Münchow und Cassel,
1 Escad. Husaren 2 ), dem Frey-
bataillon von Salenmon und 4 zwölf-
pfündigen Kanons bey Dohna gegen
die Reichs- Armee setzen.
Die dann folgende Darstellung des Angriffs der Österreicher
bei Teinpelhoff scheint aus der offiziellen österreichischen Relation
(abgedruckt in den „Dauziger Beiträgen" Teil 9, S. 52 — 66 und
bei Tielcke, Stück 1, S. 26 ff.) entnommen zu sein, doch ist sie
sehr abgekürzt; zuweilen zeigen sich deutlichere Anlehnungen an
Tielckes Darstellung als an die österreichische Relation 4 ); die
einzelnen Kolonnen sind im allgemeinen ebenso augeführt, nur
dals an Stelle der Namen der einzelnen Regimenter zusammen-
fassendere Bezeichnungen treten; Anlehnung an Tielcke mitten in
der Darstellung zeigt z. B. folgende Stelle:
in der zweiten Linie zu stehen
kommen, und der General Lind-
städt mit den Bataillonen Lehwald.
Hülsen und Knobloch die Höhen
bei Schmorsdorf besetzen, um die
Kavallerie und den rechten Flügel
zu decken und dem über Witgen-
dorf kommenden Feinde die Spitze
zu bieten; und alle diese dem 3 )
Bataillon Willemay den Rücken
decken, wofern sich durch den
Grund von Wefsenstein und Höse-
lich feindliche Truppen herauf-
schleichen wollten. Der General
Wunsch aber sollte mit 2 Ba-
taillonen Münchow, 2 Kassel, dem
Frcibataillon Salenmon und 1 Schwa-
dron Husaren bei Dohna gegeiudie
Reichsarmec stehen bleiben.
Tielcke S. 11.
Auf der Höhe von Maltern blieb
der General-Feldwachtmeister Ba-
ron von Seckendorf mit den Regi-
Tempelhoff 359.
Auf der Höhe bei Maltern blieb
der General Seckendorf mit 2 In-
fanterieregimentern und etwas Ka-
l ) Also stehen nach dein „Journal" die Platen-Dragoner und die Husaren
in der ersten Linie, wie das Tempelhoff. dem „Journal" folgend, ganz korrekt
ausdrückt. Die „Relation" läfst beide im zweiten Treffen stehen.
a ) Die Relation hat hier „3 Esquadrons Hussaren", Tempelhoff, dem
„Journal" folgend, eine.
3 ) soll wohl heifsen: allen diesen das Bataillon.
4 ) Die Danziger Beiträge hat Tempelhoff, wie Herrmann a. a. O. S. 29
behauptet, nicht benutzt. Die offizielle österreichische Relation hat ihm also
wohl nur in dem Tielckeschen Abdruck vorgelegen.
Digitized by Google
— 124 -
mentern Botta und Jung-Collo-
redo etc , um den Kayser-
lichen den Rücken frey zu halten,
wenn etwan ein Preufsisches
Corps von Freyberg überDip-
poldiswalda anrückte.
vallerie stehen, um dem Feld-
marschall Daun den Rücken zu
decken, wenn etwa ein preufsi-
sches Korps über Dippoldis-
walde anrücken sollte.
Die offizielle österreichische Relation (Tielcke S. 28) hat hier
eine etwas andere Wendung: „Baron von Seckendorf . . . [ist]
auf der Anhöhe bey Maltern, wo der rechte Flügel gestanden,
zurückgelassen worden, um sich der Passage von Freyberg
auf Dippoldiswalda zu versichern').
Sowie nun aber Tempelhoff wieder auf die Schilderung der
preufsischen Stellungen und Operationen kommt, offenbart sich
sofort wieder die Verwandtschaft mit dem „Journal"; z. B. :
Journal S. 598.
Den 20. ritt der General-Lieu-
tenant v. Fink mit dem Anbruch
des Tages nach Reinhartsgrimme
und fand die Österreichischen Vor-
posten in etwas zurückgezogen.
Nachdem er den Generals v. Platen
und v. Mosell weitere Vcrhaltungs-
befehle ertheilet hatte, so ritte der
General-Lieutenant nach der Ge-
gend von Röhrsdorf zurück, wo
sich etwas Feindliches sollte sehen
lassen.
Tcmpelhoff 359.
General Fink rekognoscirte
gleich mit Tages - Anbruch den
Feind und fand dessen Vorposten
bei Reinhardsgrimme etwas zurück-
gezogen. Er gab hierauf dem Ge-
neral Plathen die nöthigen Ver-
haltungsbefehlc und ritt nach der
Gegend von Röhrsdorf, um die
feindlichen Bewegungen zu beob-
achten.
Auch ir dem Folgenden ist die Übereinstimmung noch grofs,
zuweilen wörtlich, doch hat hier Tempelhoff die Erzählung des
Journals vielfach durch taktische Erörterungen unterbrochen.
Sehr bezeichnend für sein Streben, sich von der Tendenz der ihm
vorliegenden Finckschen Überlieferung frei zu halten, ist da
namentlich der Tadel, "den er darüber ausspricht, dals Finck den
Pafs von Reinhardsgrimma zu früh aufgegeben habe. Er mag
hierzu auch durch die Schilderung Tielckes (S. 12) angeregt
worden sein, den er im Folgenden neben dem Journal fortwährend
J ) Nebenbei sei hier darauf hingewiesen, dafs die offizielle österreichische
Relation durchweg wörtlich auf dem Bericht Dauns nach Wien (mutat.
mutand.) beruht, soweit sich das wenigstens aus den in den «Beiträgen zur
Gesch. der österreichischen Kavallerie" mitgeteilten Teilen des letzteren er-
sehen läfst.
Digitized by Google
— 125 —
benutzt. Ihm hat er wahrscheinlich auch das entnommen, was
er über die Rolle, welche Fabri bei dem Vormarsch der Öster-
reicher nach Reiiihardsgrimma spielte, und über den Anteil des
Hauptmanns Schröder an der Besetzung der rechts vor dem
Walde gelegenen Anhöhe mit eiuer Batterie beibringt. Hier zeigt
sich überhaupt ziemlich grofse Übereinstimmung mit Tielcke,
z. B.:
enge
Tielcke S. 12.
Man fand die Passage
und wegen des starken Frostes
und etwas wenig Schnees beschwer-
lich und die Anhöhen steil und
glatt, und viele hielten es für
unmöglich mit dem Geschütz
und Reuterey durchzukom-
men, da zumahl die Pferde nicht
scharf beschlagen waren. Allein
der damahlige Major Fabri vom
grofsen Staabe (oder Feld-In-
genieur-Corps) versicherte
dem Feldmarschall, dafs es
zwar beschwerlich, aber dem-
ohngeachtet möglich zu
machen sey, welches er bey
genauer Untersuchung gefunden
und dafür stehe. (Davon steht in
der Offiziellen Oesterreichischen
Relation nichts.)
Tempelhoff 360.
Das Defilee in diesem Dorfe
ist sehr enge, und der Durchgang
konnte dem Feinde durch ein gut
angebrachtes Artilleriefeucr sehr
beschwerlich gemacht werden. Es
hatte die Tage vorher etwas gefroren
und geschneiet ; dadurch waren die
Berge sehr schlüpfrig geworden,
und verschiedene feindliche
Officiere hielten es für un-
möglich sie zu ersteigen. Feld-
marschall Daun ward dadurch
selbst schon wankend gemacht, als
der Major Fabris vom Feld-
Ingenieurkorps ihn durch die
Versicherung, dafs es zwar
Mühe kosten, aber doch mög-
lich sein würde, zur Fortsetzung
seiner Unternehmung bewog.
Diese Übereinstimmung mit Tielcke
zeigt
sich auch im
ganzen folgenden Abschnitte, während die Verwandtschaft mit
dem „Journal u hier völlig zurücktritt. Es scheint, als habe
TempelhofF hier Tielcke einfach exzerpiert. Man vergl. :
Tielcke S. 14/15.
So bald die Bataillons des Gre-
nadier-Corps von der Avantgarde
aus dem Wald heraus kamen, er-
stiegen sie die Höhe rechter
Hand, wohin sich auch der
Feldmarschall begab, um des
General Finks seine Stellung,
und wie ihme beyzukommen, zu
besehen. Die Grenadier-Bataillons
aber liefs er, so wie sie ankamen,
Tempelhoff 360.
Die österreichischen Grenadiere
erstiegen mit vieler Mühe
eine von diesen Höhen, die
rechter Hand des "Weges von
Reinhardsgrimme nach Hausdorf
liegt, und der Hauptmann
Schröder brachte in der Ge-
schwindgkeit eine Batterie
von acht- bis zwölfpfündigen
(soll wohl heifsen 8 zwölfpfündigen)
Digitized by Google
— 126 -
am Abhänge der Bergo verdeckt,
bis zum Angriffe Halt machen.
Der Hauptmann Schröder von
der Kayserlichen Artillerie
brachte auch in der Geschwin-
digkeit acht zwölfpfündige
Canonen auf diese Anhöhe.
Dieses kostete zwar nicht
wenig Mühe, da das ziemlich
jäh angehende Terrain wegen des
starken Frost es und wenigen Schnees
oder vielmehr Glatteises sehr
schlüpfrig war, allein es wurde in
kurzer Zeit durch geschickte An-
legung der Leute möglich gemacht.
Diese Batterie traf in die
Preufsische linke Flanque
und that ihnen grofsen Ab-
bruch. Ueberhaupt war das
Stückfeuer von beyden Theilen sehr
lebhaft, das Kayserliche aber we-
gen Vortheil des Terrains von
mehrerer Würkung. So bald diese
Batterie zu spielen anfieng, zog
sich der General riaten mit
seinen 2 Bataillons in die
Linie zurück Die Kay-
serlichen Grenadiers, denen die In-
fanterie folgte, rückten indefs in
Colonnen, und die Cavallerie ihnen
links immer mehr aus dem Walde
hervor und fiengen an sich zu
formiren, wobey ihnen die Reute-
rey die linke Flanque deckte. Die
Kayserlichen brachten darauf auf
die rechts vorwärts liegende Höhe
Nr. 24 acht Haubitzen und 6 sechs-
pfündige Canonen und nach Nr. 64
26 Canonen von verschiedenen Ca-
libre, worauf das Feuer aufser-
ordentlich lebhaft wurde.
Auch in dem nächstfolgenden Abschnitt zeigt sich noch
grofse Verwandtschaft zwischen Tielcke und Tempelhoff; z. B.:
Kanonen hinauf, indefs der
Feldmarschall Daun auf der-
selben die Stellung des Fink-
schen Korps bei Maxen reko-
gnoscirte und den Entwurf zum
Angrif machte. Diese Batterie
nahm die Bataillone Grabow
und Zastrow in die linke
Flanke und nöthigte sie, sich
nach den Höhen bei Maxen in die
aufmarschirtc Linie zurückzuzie-
hen . Die österreichi-
schen Grenadiere zogen sich links
nach den Höhen, wo die Bataillone
Grabow und Zastrow gestanden
hatten, und brachten 26 Kanonen
von verschiedenem Kaliber auf eine
noch vor dieser, näher gegen
Maxen, liegende Höhe, und auf
einen andern vor dem rechten
Flügel des Feindes liegenden Berg
liefs der Feldmarschall Daun
8 Haubitzen und 6 sechspfündige
Kanonen auffahren, um den linken
Flügel des Finkschen Korps zu
beschiefsen.
Tielcke S. 15.
Nachdem die Canonade 3 4 Stun-
den gedauert hatte, liefs der Feld-
Tempelhoff 361.
Nachdem das Feuer von dieser
Batterie ohngefähr drei Viertel-
Digitized by Google
— 127 —
marschall den Angriff thun und
zwar auf den rechten Flügel durch
die Grenadiers unter dein General
Siskowitz, welche der Marq. d'Ainse
mit seiner Brigade Infanterie unter-
stützte, und auf dein linken Flügel
durch die Brigade des General
Pombasle. Die Cavallerie gieng
in der Vertiefung und durch Haus-
dorf durch, um dem feindlichen
Feuer nicht so sehr ausgesetzt zu
seyn.
1 stunden gedauert hatte, rückten
die feindlichen Grenadiere unter
dem General Zischkowitz gegen
den rechten Flügel des Finkschen
Korps an und wurden bei diesem
Angrif durch die Brigaden des
Markis d'Ainse und des General
Dombasle unterstützt. Die öster-
reichische Kavallerie ging durch
Hausdorf, um den Grenadieren die
linke Flanke zu decken und den
preufsischen Bataillonen auf den
Maxener Höhen in die rechte Flanke
zu kommen.
Während Tempelhoff also hier bei der Schilderung der öster-
reichischen Angriffsbewegungen vorzugsweise Tielcke folgt, kehrt
er alsbald zu seiner preufsischen Quelle, dem „Journal** zurück,
sowie er auf die Gegenmalsregeln Fincks zu sprechen kommt;
z. B.:
Journal S. 603/4.
Ehe es aber noch so weit bey
Maxen kam, liefs der General-
lieutenant durch die Kürafsier-
regimenter und Husaren das feind-
liche Corps des Generals Brentano
attakiren und unterstützte diese
Attake auf »las lebhafteste durch
unsere Artillerie auf beyden Seiten,
in Hofnung, wenn solche glücklich
ablaufe, von den 4 Bataillons von
Lehwald, Hülsen, Schenkendorf und
Knobloch noch etliche gegen die
Attake des Feldmarschalls Daun
gebrauchen zu können.
Anfanglich schien sie nach
Wunsch auszuschlagen; da sich
aber unsere Kavallerie rechts weg
zog, verlor sie hierdurch das
nöthige Terrain und wurde vom
Feind über den Haufen geworfen,
ehe sie ihre Attake recht ange-
fangen hatte. Die Husaren und Kü-
rafsiers zogen sich bey den Teichen
durch den kleinen Grund auf die
dasige Anhöhe zurück, woselbst
sie sich wieder setzten.
Tempelhoff 361/62.
Auf der andern Seite kam der
General Brentano immer näher in
den Rücken des Finkschen Korps.
Der Geueral Fink liefs hierauf,
che noch die österreichischen Gre-
nadiere die Höhen bei Maxen er-
stiegen hatten, dies Korps durch
die Kürassierregimenter und Hu-
saren angreifen, die er mit einem
lebhaften Feuer aus seiner Artille-
rie unterstützte. Er unternahm
diesen Angrif, damit, wenn er
glücklich abliefe, er von den Ba-
taillonen Knobloch, Lehwald, Hau-
sen (soll wohl Hülsen heifsen) und
Schenkendorf einige dem Feldmar-
schall Daun entgegen setzen könnte.
Allein die Kavallerie verlor dadurch,
dafs sie sich zu weit rechts zog,
das Terrain und ward durch das
feindliche Kauonenfeuer zurückge-
trieben, ehe sie einmal den Angrif
recht angefangen hatte.
Digitized by Google
— 128 —
und weiter:
Journal 605.
Der General -Lieutenant von
Fink .... liefs sofort durch einige
Offiziers die Wege nach Wesen-
stein und Burghardswalde reco-
gnosciren, des Vorhabens, in der
Nacht dahin und jenseits dem
rothen Wasser weiter fort zu mar-
schiren. Diese engen Passagen
aber waren von der Reichsarmee
und den Panduren schon stark be-
setzet; weshalben dieser Vorsatz,
so sehr man ihn auszuführen suchte,
nicht angehen wollte.
Tempelhoff 362.
In dieser traurigen Lage liefs
er (seil. Finck) durch einige Offi-
ciere die engen Wege nach Wessen-
stein und Burkartswaldc rekognos-
ciren und war entschlossen, sich
in der Nacht mit dem Korps durch
sie jenseits des rothen Wassers
fortzuziehen. Allein sie waren
schon alle durch die leichten Trup-
pen unter den Generalen Palfy
und Kleefeld von der Reichs-
armee so gut besetzt, dafs keine
Ilofnung übrig blieb durchzu-
kommen.
Und so geht es weiter; manchmal stellt sich Tempelhoff als
ein kurzer Auszug aus dem „Journal" dar, hier und da aber ist
die Übereinstimmung wieder völlig wörtlich. Die wenigen Zu-
sätze (wie oben die Namen der feindlicheu Generale) kann Tempel-
hoff recht wohl aus eigener Kenntnis hinzugefügt haben. So gut
wie wörtliche Übereinstimmung herrscht z. B. wieder au folgender
Stelle:
Journal 606.
Als man hierbey die Bataillons
mit Patronen versah und in Pelo-
tons einzutheilen suchte, so fand
sich, dafs die mehresten Bataillons
ganz aufserordentlich schwach
waren.
Die Generalmajors rapportirten
solches, und da sich der General-
lieutcnant eben eine Liste von
sämmtlichen Bataillons eingeben
liefs, so fand sich, dafs die ganze
Infanterie nicht mehr als 2836
Köpfe stark war.
Tempelhoff 362.
Zu dem Ende wurden die Ba-
taillone mit frischen Patronen ver-
sehen, dabei aber fand mau, dafs
die mehresten aufserordentlich
schwach waren. Die Generale
meldeten dies, und als sich hierauf
der General Fink eine Liste von
der Stärke der Bataillone eingeben
liefs, so fand er, dafs die ganze
Infanterie nur noch aus 2836 Mann
bestand.
uud gleich dahinter sehr bezeichnend:
Ebda. Tempelhoff 363.
Aber hierzu wollte der Ge- j Indessen konnte er sich doch
nerallieutenant von Fink sich , nicht cntschliefsen, sich auf freiem
keineswegs entschlicfsen, obgleich Felde gefangen zu geben, wie-
niemand eine Mittelstrafse | wohl keine Mittelstrafse zwi-
Digitized by Google
— 129 —
zwischen dem Gefangenneh-
men und der vorsetzlichen
Aufopferung des ganzen Corps
entdecken konnte.
und weiter:
Journal 607.
Nun blieb für die Infanterie
das letzte Mittel übrig, mit dem
Feinde in der Geschwindigkeit so
gut als möglich zu kapituliren,
ehe die Schwäche des Corps durch
den ganz anbrechenden Tag voll-
kommen entdecket würde.
sehen dem Gefangengeben
und dem Aufopfern des ganzen
Korps zu finden war.
Tempelhoff 363.
Dem General Fink blieb nun-
mehr nichts übrig, als mit dem
Feinde in der Geschwindigkeit so
gut als möglich zu kapituliren, ehe
er die Schwäche seines Korps ent-
deckte.
Das übrige ist im „Journal" nur sehr summarisch geschildert,
daher findet sich dann keine weitere Übereinstimmung; eher
scheint eine Benutzung der Darstellung Tielckes vorzuliegen, doch
ist die Übereinstimmung nirgends eine so vollkommene, dafs sich
diese Frage endgiltig entscheiden liefse. Die Schilderung des
Vormarsches des Hülsenschen Korps beruht auf eigenen Er-
innerungen oder Aufzeichnungen Tempelhoffs, der zu diesem Korps
gehörte.
Fassen wir das Resultat unserer bisherigen Untersuchungen
über Tempelhoff zusammen, so werden wir sagen müssen: er hat
seine Darstellung der Kämpfe um Maxen aus dem „Journal" in
der „Sammlung ungedruckter Nachrichten" und Tielcke in der
Weise kombiniert, dafs er bei der Schilderung der preuisischen
Bewegungen und der Vorgänge in der Umgebung Fincks dem
ersteren, in der der österreichischen Bewegungen dem letzteren
folgte. So sehr wir also sein Streben nach Wahrheit und Un-
Parteilichkeit sowohl in seinen eigenen Aufserungen (z. B. über
die zu frühe Räumung des Passes von Reinhardsgrimma) als auch
darin, dafs er zur Kontrolle auch die im ganzen unbefangene
Darstellung Tielckes heranzog, anerkennen müssen, so bleibt doch
die Thatsache bestehen, dafs er die Nachrichten über die Vor-
gänge in Fincks Heerlager ebenso wie Gaudy einer Quelle ent-
nahm, die aus Fincks unmittelbarer Umgebung stammt und die
Grundlage der in dessen Sinn gefärbten Tradition bildet.
Aber das „Journal" war bei ihm wie bei Gaudy nicht die
einzige Fincksche Quelle, die er benutzte; er hat vielmehr auch
sonst mittelbar oder unmittelbar von Finck selbst Mitteilungen
HUtorUehe Unter»uchun*en. 7. Q
Digitized by Google
130 —
aller Art erhalten. Ich habe schon in der Darstellung der Er-
eignisse daranf hingewiesen, dafs die Erzählung von der heftigen
Scene zwischen dem Könige [und Finck so stark an des letzteren
eigenen Bericht in dessen Denkschrift anklingt, dafs die Ver-
mutung nahe liegt, er habe diese Denkschrift selbst eingesehen.
Ebenso kann er die Kenntnis von dem Inhalt des Finckschen Be-
richts über die Zurücklassung Lindstädts in Dippoldiswalde nur
aus Fincks Umgebung erhalten haben. Er hat voraussichtlich
auch hier dieselbe Quelle wie Gaudy oder diesen selbst (wovon
sich freilich an dieser Stelle sonst keine Spur findet) benutzt.
Sehr bemerkenswert für seine viel ruhigere Auffassung aber ist
doch die Art, wie er dies thut. Während Gaudy, wie wir sahen,
sehr ausführlich über den Inhalt dieses gar nicht vorhandenen
Briefes berichtet, giebt Tempelhoff nur kurz an, dafs Finck dem
Konige die Zurücklassung Lindstädts bei Dippoldiswalde gemeldet
habe; während Gaudy dann genau über die Vorstellungen spricht,
welche Finck dem Könige dieserhalb gemacht habe, giebt Tempel-
hoff (III, 354) nur kurz das Motiv Fincks zur Zurücklassung Lind-
städts an, ohne direkt zu sagen, dafs Finck dasselbe in seinem
Berichte an den König angeführt habe; er sagt nur, Finck habe
Lindstädt und Vasold in Dippoldiswalde zurückgelassen, „nicht
allein um die Gemeinschaft mit Freiberg frei zu haben, woher er
seinen Unterhalt nehmen mufste, sondern auch um sich zurück-
ziehen zu können, dafern er durch die Ubermacht des Feindes
dazu genöthigt werden sollte." Woher Tempelhoff dann die nähere
Fassung des königlichen Befehls, Lindstädt nach Maxen nach-
kommen zu lassen (S. 355) entnommen hat, läfst sich nicht mehr
feststellen. Ebenfalls Finck selbst verdankt Tempelhoff unzweifel-
haft die Kenntnis des entscheidenden Schreibens des Königs vom
18. November, welches er allein in vollem Wortlaut mitteilt,
während es sonst weder im Original noch im Concept ent-
halten ist.
Auch er folgte also Quellen Finckschen Ursprungs, aber die
Anerkennung wird man ihm nicht versagen dürfen, dafs er sich
von der Tendenz derselben in viel höherem Mafse unabhängig er-
halten hat als Gaudy, dem gerade diese Tendenz die ihm vor-
liegenden Quellen als besonders willkommen erscheinen liefs, wäh-
rend Tempelhoff überall das Bestreben zeigt, sie durch eine andere,
in dem Streit zwischen dem Könige und Finck völlig unparteiische
Quelle zu kontrollieren. Daher auch die sehr unabhängige, der
Digitized by Google
— 131
geschichtlichen Wahrheit sehr nahe kommende Gesamtbeurteilung,
welche er S. 364/65 dem ganzen Ereignis zu Teil werden läfst und
in der er bewufst dem Streben derer, die das Verfahren des
Königs gegen Fiuck als hart und ungerecht hinstellen wollen,
entgegentritt, indem er es geradezu ausspricht, man dürfe den
König keiner unbilligen Härte beschuldigen, dafs er nach geen-
digtem Kriege Finck vor ein Kriegsgericht gestellt habe.
Fassen wir das Resultat der gesamten vorstehenden Unter-
suchung kurz zusammen, so geht es dahin, dafs die ganze
ursprüngliche Überlieferung von preufsischer Seite (natürlich den
entsprechenden Teil der Darstellung des Königs ausgenommen)
mittelbar oder unmittelbar auf Finck und dessen Umgebung
zurückgeht. Unmittelbar aus dieser Quelle ist die im Nachlasse
Fincks handschriftlich aufbewahrte „Relation" geflossen, die sogar
wahrscheinlich von Finck selbst verfafst ist und in mehreren
Fassungen in den litterarisch thätigen Offizierskreisen des Heer-
lagers des Prinzen umlief. Eine dieser im grofsen und ganzen
mit der „Relation" identischen, in Einzelheiten aber abweichenden
Fassungen haben wir in dem in der „Sammlung ungedruckter
Nachrichten" abgedruckten „Journal vom Finkischen Corps" vor
uns. Wir haben uns den Hergang, wie Herrmann in allgemeiner
Ausdehnung ausfuhrt, wahrscheinlich ähnlich zu denken, wie bei
den mittelalterlichen Annalen und Chroniken. Die „Relation"
lief im Heerlager um und wurde den meisten dort niedergeschrie-
benen Tagebüchern und Journalen zu Grunde gelegt, deren Ver-
fasser dann entweder aus eigener Kenntnis oder aus ihnen vor-
liegenden officiellen Quellen selbständige Zusätze hinzufügten. In
dieser Weise ist z. B. das hervorragendste dieser Journale, das
Gaudysche, aus der „Relation" entstanden. Eine Kombination
aus der letzteren bez. dem „Journal" und dem vorwiegend auf
österreichischen Quellen fufsenden, aber daneben ebenfalls von
Finckscher Seite mit Nachrichten versehenen Werke Tielckes
haben wir in Tempelhoffs Darstellung vor uns, in der noch am
meisten Streben nach selbständigem und unabhängigem Urteil zu
erkennen ist.
Diese Quellen aber sind die Grundlage der späteren Über-
lieferung gewesen. Retzow (Charakteristik der wichtigsten Er-
eignisse des 7jährigen Krieges. Deutsche Ausgabe. 2. Teil.
168 — 177), der sonst meist auf Gaudy beruht, scheint hier in
seinen sehr dürftigen ^tatsächlichen Angaben eher Tempelhoff
9*
Digitized by Google
— 132
und dem „Journal vom Pinkischen Corps" gefolgt zu sein. That-
sächlich Neues bringt er gegenüber den schon zergliederten
Quellen nicht bei; den gröfsten Teil seiner Darstellung füllen die
schon in der Darstellung näher charakterisierten taktisch-strate-
gischen Erörterungen aus, die in ihrer Tendenz durchaus mit
denen Gaudys übereinstimmen, in der Fassung aber an dieser
Stelle nirgends eine unmittelbare Anlehnung an diesen erkennen
lassen. Vielmehr beruft er sich (S. 171) ausdrücklich darauf, dafs
er selbst den Ereignissen als Augenzeuge beigewohnt habe, was.
indessen nur in beschränktem Mafse richtig ist; denn zu dem
Finckschen Korps gehörte er nicht, und von dem Hauptheere aus,
bei dem er sich in der Begleitung des Prinzen Heinrich befand,
konnte er allzu genaue eigene Beobachtungen nicht machen. In
der That sind dann auch die mit grofsem Pathos (S. 168) ange-
kündigten thatsächlichen Angaben so dürftig, dafs aus ihnen ein
klares Bild von dem Verlauf der Sache nicht zu gewinnen ist.
Der Verfasser begnügt sich damit, das Verfahren des Königs in
der schroffsten Weise zu tadeln und geradezu zu verdächtigen,
doch kann auch er nicht leugnen, dafs doch auch Finck nicht
tadelfrei aus der Sache hervorgegangen ist; nur betont er wieder-
holt ausdrücklich, dafs die Hauptschuld den König treffe. „Man
kann nicht leugnen", so sagt er auf S. 175, „dafs der König so-
wohl wie Finck hier fehlten, obgleich ein gröfserer Anteil auf
ersteren zurückfällt, wenn letzterer, aus zu grofser Peinlichkeit,
seinem Schicksale eigenmächtig vorzubeugen, nicht Entschlossen-
heit genug hatte". Die Tendenz, die Retzow verfolgt, liegt
überall so offen zu Tage, dafs sie eines Beweises gar nicht be-
darf. In Bezug auf die Thatsachen kann weder er noch Warnery,
der in der Tendenz durchaus mit ihm übereinstimmt, als originale
Quelle betrachtet werden.
Wir sehen also, dafs in dieser gesamten Memoiren-Uber-
lieferung über die Katastrophe von Maxen eine ausgesprochen für
Finck und gegen den König voreingenommene Tendenz vorwaltet,
der gegenüber, wie erwähnt, eine objektive Auffassung der Er-
eignisse in den neueren Darstellungen um so schwerer zur Gel-
tung kommen konnte, als die vom Könige selbst (Histoire de la
guerre de sept ans, Oeuvres V, 28 — 30) entworfene Darstellung viel
zu kurz ist, um eine Kontrolle der übrigen Überlieferung zu er-
möglichen. Aufserdem aber darf nicht verkannt werden, dafs auch
der König an dieser Stelle nicht ganz unbefangen urteilt, sondern.
Digitized by Google
— 133 —
seinem au sich berechtigten Unwillen gegen Finck doch allzuviel
Eiuflufs auf seine Darstellung des Ereignisses eingeräumt hat.
Wohl vermag man aus seiner Darstellung mit voller Klarheit die
von seinen Gegnern so arg mifsdeutete oder verkannte Absicht zu
erkennen, die er bei der Entsendung Fincks nach Maxen ver-
folgte (vergl. die oft citierte Stelle auf S. 28: „Lea malheurs,
qu'avait essuyes le Roi dans cette campagne, auraient ete repares
en partie s'il avait pu reprendre Dresde), aber die Darstellung des
Verlaufs selbst kann nicht als imbedingt zuverlässig anerkannt
werden. Ist es nach dem vorhandenen Material schon einiger-
mafsen zweifelhaft, ob Finck, wie der König angiebt, wirklich von
vornherein den Befehl hatte, sich bei Annäherung eines überlegenen
feindlichen Heerteils sofort zurückzuziehen, so ist es selbst nach den
Akten des Kriegsgerichts sicher nicht korrekt, wenn der König
behauptet (S. 30), Finck habe Wunsch, als er mit der Kavallerie
durchbrechen wollte, jede Feindseligkeit verboten (M. de Finck
et ses collegues lui interdirent toute hostilite). Für die Beurteilung
der Vorgänge im einzelnen kann die Schilderung des Königs wegen
ihrer Kürze ohnehin nur in zweiter Linie in Betracht kommen.
Bei dieser Beschaffenheit des chronikalischen Quellenmaterials,
über die man sich im einzelnen bisher noch nie völlig klar ge-
worden ist, liegt es auf der Hand, dafs der Versuch einer völlig
objektiven Darstellung des Ereignisses gar nicht auf Grund des-
selben allein unternommen werden kann, dafs derselbe vielmehr
nur unter Zugrundelegung der erhaltenen Reste der Feldakten
und der officiellen Akten des Kriegsgerichts zu einem endgiltigen
Resultat fuhren kann. Auf dieser Grundlage vornehmlich habe
ich daher die Darstellung der Vorgänge aufzubauen versucht.
Mag dabei noch manche Frage, über die uns das Material im
Stich läfst, ungelöst bleiben, an der Hauptsache selbst scheint mir
bei einer unbefangenen inneren und äufseren Kritik der Quellen
und der Thatsachen kaum noch ein erheblicher Zweifel obwalten
zu können.
Digitized by Google
Anhang II.
Korrespondenz Fincks mit dem Könige aus den
Tagen vom 14. bis 23. November 1759 1 ) und einige andere Aktenstücke.
1. Der König an Finck, d. d. Dormitz (DörscJmite), 14. November.
Original mit Friedrich» eigenhändiger Vntertchrift im 0. St. Ä. (Rep. 96).
Mein lieber General-Lieutenant von Finck. Da der Feind
marchirt ist und sich aller apparence nach bey die Sieben Eichen
und Nieder Polentz setzen würd, so müfset Ihr so gleich auf-
brechen und Euch auf die Höhen yon Rabensberg, Neuckirch
und den Schlofs-Berg setzen und Mir so gleich einen Rapport
schiken, was Ihr dorthen vor Nachrichten habet; Ich breche mit
der Armee auf, und wen sich kein empechement findet, werde Ich
das lager gegen Lotheim, Leutwitz, Porsnitz und der Gegend nehmen.
Ich bin Euer wohl aflfectionirter König Eighdg. Utschr.
x ) Leider ist diese Korrespondenz, welche, vollständig erhalten, unsere
vornehmste Quelle sein würde, nur sehr fragmentarisch auf uns gekommen.
Die von mir hier, teils aus der Kabinetts-Registratur des Königs, teils aus
dem Nachlasse Fincks mitgeteilten Stücke sind, wie es scheint, die einzigen
erhaltenen. Mehrere Berichte Fincks sind, wie erwähnt, wohl in Dauns
Hände gefallen und deswegen nicht in die preufsischen Archive gelangt.
Von den Kabinetts-Ordres des Königs aber sind weit mehrere, als wir hier
mitteilen, in Fincks Besitz gekommen. Er citiert deren in seiner unten im
Anhang IV mitgeteilten Denkschrift eine ganze Anzahl, die nicht mehr vor-
handen sind. Wahrscheinlich hat er sie dem Kriegsgericht vorgelegt, und
mit den verschwundenen Akten dieses Gerichts sind auch diese Ordres ver-
loren gegangen. Einigen Aufschlufs gewähren indes auch die hier mitge-
teilten Stücke, welche bisher der Beachtung der Forschung zumeist entgangen
sind. Ich gebe sämtliche Originale in ihrer Schreibweise; nur bei der unter
Nr. 22 abgedruckten Kopie habe ich von dieser diplomatischen Genauigkeit
absehen zu dürfen geglaubt.
Digitized by Google
— 135 —
2. Der Kimig an Finck, d. d. Krögis, 14. November 1759.
Original im Xachlatse Pinckt im Oeh. St 1. (Rep. 92).
Mein lieber General-Lieutenant v. Finck. Wegen dem jetzigen
March des Feindes mufs Ich Euch berichten, das gegen Käbschütz
und dortiger Gegend Selbige Ihr lager genommen haben. Meisen
ist von uns genommen, und dabey sind 150 Gefangene gemacht
worden. Wedeil stehet mit einen Corps daselbst. Meine Avant
Garde von der Armee stehet in Miltitz, und Ich habe mein Quar-
tier in Krögis. Anstadt dafs Ich Euch geschrieben habe, gegen
Danneberg zu marchiren, So werdet Ihr befser thun, nach Die-
poldswalde zu marchiren und stark nach Maxen detachiren, damit,
wen der Feind von seiner Bagage zurüke was schiket, Ihr solche
in Empfang nehmen könnet. Auch habe Ich Nachricht, dafs in
Ausig ein starkes Magazin seyn soll; wen es möglich, so mufs der
Obrist von Kleist zusehen solches im Brand zu steken oder zu
ruiniren, auch eine 8 bifs 10 Dörffer in Böhmen ansteken, so eine
kl(eine) revange vor Laudon ist. Ich habe den General Wunsch
und Gerstorff gesprochen und en gros dieses gesaget, Ich fuge also
dieses alles auch noch schrifftlich bey. Ich bin Euer wohlaffectio-
^ Kön ^- Eighdg. Utrschr.
Eigenhändige Nachschrift: „und mihr offte von allen, was
passiret, nachricht gegeben.« Eighdg
3. Finck an den König, d. d. Augnstusberg bei Nossen. 15. November.
Original im Oeh. St. A. (Rep. 96).
Auf E. K. M. allergnädigsten Befehl marchire mit den aller-
frühesten von hier ab und werde so weit als möglich gehen, die
Avantgarde aber unfehlbahr bifs Dippoldswalde poussiren, auch so
offte als möglich von allen, was vorfallt, E. K. M. allerunterthänigst
rapportiren. Den Obristen Kleist habe bereits die ordre E. K. M.
zugeschickt, und wird Er heute früh schon von Freyberg abmar-
chiret seyn.
4. Finck an den König, d. d. Auf dem Marsch bei Freiberg.
15. November.
Original im 0. St. A. [Rep. 96).
Auf Euer Königlichen Majestät allergnädigstes Schreiben melde
allerunterthänigst, dafs ich gewifs nicht einen Augenblick ruhen
werde, um den feind allen Abbruch von der Welt zu thun. Kleist
Digitized by Google
13(5 -
wird suchen das grofse Project auszuführen, wenn es möglich; er
wird aber ein oder zwey Tage aus meiner Connexion kommen,
indefsen sind Ihm alle Wege und Stege bekant, dafs Er sich alle-
zeit gut aus der Affaire ziehn wird; was gegen Maxen, Ottendorf
und der Gegend werde ich indefsen besorgen, wenn E. K. M. nur
die eintzige Gnade vor mich haben und glaube, dafs ich wie bifshero
mit allen Eyffer und Fleifs agiren werde; der feind ist in einer
bredouille; wenn er aber von dieser Seythe nunmehro so sehr ein-
geschrenckt wird, sollte Er sich nicht resolviren seine Bagage und
eine Theil der Armee über der Elbe zu schicken und gegen Zittau
nach Böhmen marchiren?
Bleistiftbemerkg. in dorso aus des Königs Kanzlei: „Ich
dank ihm und sehr gut."
o. Finde an den König, d. d. Nieder-Bobritsch, d. 16. November 1759.
Original im 0. St. A. (Rep. 96).
E. K. M. melde allerunterthänigst, dafs ich gestern nicht weiter
als Nieder Bobritsch habe kommen können; der General Wunsch
ist mit der Avantgarde bifs Klingenberg gegangen; vom feinde
haben wir nichts angetroffen, aufser dafs im Tharanter Wald sich
einige Hussaren aufhalten; ein Deserteur ist angekommen, welcher
gestern früh von Kesselsdorff weggegangen, selbiger saget, dafs
die Armee dahmahls schon ordre gehabt hätte zu marchiren; ich
breche heute mit den frühesten wieder auf und werde noch heute
E. K. M. ferneren allerunterthänigsten Rapport abstatten.
Bleistift-Dorsalbemerkung aus des Königs Kanzlei: „sehr
gut."
6. Finch an den König, d. d. Dippoldiswalde, d. 16. November.
Original im G. St. A. (Rep. 96).
E. K. M. melde allerunterthänigst, dafs wie ich heute mit der
Avantgarde bey Dippoldswalde ankam, wir jenseyth erst eine feld-
wache antraffen, welche gleich poussiret wurde ; wegen den starcken
Nebel konte man aber nichts weiter gewahr werden, einige Ge-
fangene aber sagten aus, dafs der Printz von Stolberg und der General
Effern mit 2 Battaillons Bayern und 2 Battaillons Pfältzer nebst
4 Grenadier Compagnieen nebst etwas Cavallerie jenseyth Hälslich
auf der Höhe stünde; alle ihre Vorposten wurden durch dieses
Dorff zurück getrieben; ob zwar der feind aufieng etwas zu cano-
Digitized by Google
— 137 —
niren, retirirte er sich doch bald, da Ihm der General Gersdorft
verfolget und den feind 2 Canons abgenommen hat; wie viel Ge-
fangene wir haben, weifs noch nicht eigentlich, 30 bifs 40 sind
nur noch zu dato eingebracht worden.
Ich bin hier nur mit 11 Battaillons und der Cavallerie ange-
kommen, der General Lindstädt ist mit das übrige noch zurück
und kan vor morgen wegen des abscheulichen Weges nicht hier
seyn; alle Artillerie und Brodtwagens sind noch bey Ihm, die
grofsen Brummers kan ich gar nicht fortbringen, sie sind noch
nicht in Freyberg angekommen; ich habe befohlen, dafs sie dort
sollen stehen bleiben.
Vom feinde habe weiter keine Nachrichten, als dafs die Reichs
Armee noch bey Dresden stehet und Daun vermuthlich noch bey
Kesselsdorff; ein forster, welcher gestern in das kleine Lager von
den Printz von Stolberg gewesen, hat daselbst gehöret, als wenn
Brentanow mit einen Corps über Hertzogswalde marchiren sollte,
um mir die Communication mit Ihro Majestät zu benehmen; bifs
dato aber habe ich weder durch Patrouillen noch sonsten von
diesen march was erfahren können; morgen bleibe ich hier stehen,
werde mich aber nach denen Nachrichten richten, ob ich noch
was detachire, um den feind Abbruch zu thun. Mich wundert,
dafs weder von Daun noch der Reichs Armee bifs dato noch nichts
rechtes nach Böhmen detachiret ist, auch sehr wenig Bagage zu-
rück gegangen; wenigstens wollen die Leuthe hier herum nichts
davon wifsen; ungefehr 3 Esquadrons Hussaren sind gestern gegen
Lauenstein marchiret.
(Nachschrift): Der feind ist bifs Possendorff verfolget
worden und hat sich vermuthlich gegen Dresden zurück-
gezogen.
7. Finck an den König, d. d. Dippoldiswalde, 17. November.
Original im 0. St. Ä. (Rtp. 96).
E. K. M. melde allerunterthänigst, dafs ich den General Wunsch
mit 5 Battaillons, ein frey Battaillon, 6 Esquadron Hussaren und
die Dragoner von Plathen und Würtenberg nach Maxen detachiret
habe, um daselbst sich zu setzen; wenn der Generai Lindstädt
heute mit der Artillerie und die Brodtwagens noch ankörnt, so
werde ich Ihm mit einige Battaillons und ein Regiment Cavallerie
hier stehen lafsen wegen der Communication, ich aber werde mit
den übrigen auch morgen nach Maxen marchiren; den General
Digitized by Google
— 138 —
Wunsch habe die ordre gegeben, wenn Er einen Conp zwischen
der Zeit machen kan, solchen ohne weitere Anfrage zn unter-
nehmen; ein fuhrmann, welcher von Pirna gekommen, saget,
dafs sich vieles von der Reichs Armee nach Böhmen zöge; den
Augenblick körnt einer von meinen Ausgeschickten von Dresden
zurück; derselbe versichert, dafs die Sämbtliche Bagage von Daun
über der Schiffbrücke, auch durch der Stadt über der Elbe defi-
lirte und ihren Weg gegen Stolpen nähme. Die Reichs-Armee
sollte bifs gegen Lockewitz stehen, und ein grofser Theil von Daun
seiner Armee wäre auch schon bey Dresden angekommen. Er
will sogar versichern, dafs Daun gestern in der Muschinska Garten
angekommen wäre, und heute hätte man Ihm in Dresden ver-
muthen; von allen werde bald nähere Nachrichten erhalten. Alten-
berg, Lauenstein und Gifshübel ist bereits vorgestern vom feinde
mit Croaten und Hussaren besetzt Wörden. Ich avertire den
Obristen Kleist davon, welcher bey Rechenberg hat herein gehen
wollen; gehet es an, so mufs Er seinen Coup heute machen.
E. K. M. frage allerunterfchänigst an, ob ich den Hussaren die
beyde erbeuthete Canons jede mit 50 Rthl., imgleichen die 5 Pferde,
die davor sind und wir bey der Artillerie höchstnöthig haben,
bezahlen kan.
Bleistift-Dorsalbemerkung aus des Königs Kanzlei: „Er
müfse mit d. gantzen Corps nach Maxen gehn." (Eichels
Hand.)
8. Finck an den König, d. d. Dippoldiswalde, 17. November.
Origin. im G. St. A. (Rtp. 96.)
E. K. M. melde allerunterthänigst, dafs der General Wunsch
bey Maxen heute den Adjutant von Brentanow nebst einige Mann
gefangen bekommen. Brentanow hat heute wollen in Maxen ein-
treffen, er körnt aber zu späthe; nach meinen Nachrichten will
Daun heute sein Haubtquartier in Nettnitz haben. Wunsch läst
mir melden, dafs man die Armee durch Mügeln defiliren sähe
nach Pirna, ich weifs aber zuverläfsig, dafs es nur die Reichs
Armee ist; alles, was von selbiger in Dresden gestanden, ist gestern
ausmarchiret, und wie es heist, gehet alles über Halfs und Kopff
nach Böhmen ; ob Daun diesen Weg folgen wird oder bey Dresden
die Elbe passiren, weifs ich noch nicht; in Dresden soll kein
Mensch mehr an einer Dcfension gedencken; nach allen Ansehen
Digitized by Google
— 139 —
ist alles in Confusion, und bekommen wir gewifs noch was ab;
von Kleist habe Nachricht, dafs Er heute in Böhmen ist, heute
raufs Er den Coup machen oder er reussiret Dicht; ich habe Ihm
von allen avertiret, Lindstaedt körnt endlich mit die Brodtwagens
an, ich marchire morgen nach Maxen, lafse aber Lindstaedt hier
stehen."
Der Brief war dreifach zusammengefaltet; auf den von diesen
Brüchen gebildeten 6 Flächen der Rückseite finden sich, kreuz
und quer geschrieben, eine grofse Fülle von Bleistiftbemerkungen
aus der Kanzlei des Königs (von Eichels Hand), die ich aber leider
nur noch zum Teil zu entziffern vermochte. Mit Bestimmtheit zu
entziffern ist vor allem, dafs der König die Absicht ausspricht,
sich selbst mit der Armee in Marsch zu setzen und vorzurücken,
offenbar um Finck zu Hilfe zu kommen. Deutlich erkennbar sind
u. a. die Worte: „Ich setze mich sogleich mit der Armee in
March, um bifs . . . vorzurücken.
9. Finck an den König, d. d. Dippoldiswalde, 17. November.
Origi,t. im Q. St. Ä. (R«p. 96).
Auf E. K. M. allergnädigstes Schreiben aus Limbach melde
allerunterthänigst, dafs ich morgen nach Maxen marchire und zu
Wunsch stofsen werde ; selbiger hat die Cavallerie von der Reichs
Armee etwas canoniret, weiter ist aber noch nichts vorgefallen.
Der General Lindstaedt bleibet zwar noch morgen hier stehen;
da es aber nicht weit nach Maxen, kan ich ihm auf alle fälle
gleich an mich ziehen; in der Schreibtaffel von den Adjutanten
von Brentanow habe ich gefunden, dafs ihm Daun dictiret, dafs
Er über Plauen nach Nöttnitz marchiren würde. Es haben bey
Brentanow die Croaten angefangen zu rebelliren, dieserwegen ist
er von Brentanow zu den Feldmarschall Daun geschickt geworden,
selbiger hätte Ihm gesagt, Er könte nur gerade nach Maxen gehen,
da würde Er Brentanow antreffen, auf dieser Arth wäre Er ge-
fangen worden. Er sagt, Daun wäre sehr mifsvergnügt und hätte
in zwey Tagen fast keinen Menschen gesprochen. Er saget, Ihre
Intention wäre gewesen von Dresden über Nossen, Freyberg,
Chemnitz und Zwickau einen Cordon zu ziehen und die Winter
Quartiere zu nehmen; nunmehro glaubte Er aber, dafs sie wohl
nach Böhmen gehen würden.
Digitized by Google
— 140 —
10. Finch an den König, d. d. Maxen, 18. November.
Orig. im 0. St. A. (Bep. 96).
Auf E. K. M. drey gnädige Schreiben melde allerunter-
thänigst, dafs ich mit meinen Corps hier angekommen bin, auch
den General Lindstaedt noch an mich ziehe, welcher diesen Abend
hier eintreffen wird. Brentano oder Sincere stünde bey Possen-
dorff; ich glaube, dal's es erster gewesen ist, es kan sein, dafs Er
von meinen march nichts gewust hat, den er wollte von die
Berge herunter marchiren und den Grund bey Gompsen passiren,
ich schickte ihm gleich was entgegen, da er wieder zurück muste
und durch meine Canonen viel mufs verlohren haben. Die Reichs
Armee ist in Sicherheit und hat schon gestern bey Cotta ge-
standen; ich habe Wunsch gegen Dohna geschickt, woselbst ich
abermahl canoniren hören; er wird diejenigen, die da durch wollen,
noch wohl etwas ängstigen.
(Nachschrift.) Ich glaube schwerlich, dafs ich eine Affaire
Generale mit die Leuthe bekommen werde."
Auf der Rückseite wieder einige Bleistift -Bemerkungen,
welche ich nicht entziffern konnte.
11. Finch an den König, d. d. Maxen, 18. November.
Origin. im G. St. A. fliep. 96).
E. K. M. melde allernnterthänigst, dafs ich Dohna besetzt
habe; der feind hat sich alle Mühe gegeben, um uns dieses zu
verwehren, hat es aber nicht verhindern können; das Corps,
welches heute tentirte bey Gompsen über das defilee zu gehen,
hat sich auf die Höhen ungefehr bey Soebringen wieder gesetzt,
sie haben aber keine Zelter aufgeschlagen ; nach allen Nachrichten
heifst es, dafs sie diese Nacht abmarchiren werden; bey Cotta
siehet man wenig oder fast gar keine feuer mehr, daher es zu
vermuthen, dafs die Reichs Armee ihren Weg schon nach Böhmen
genommen hat; ich glaube, dafs Daun Ihnen diese Nacht folgen
wird; in Dresden sollen sie vor ein Comifs Brodt schon 6 gr. be-
zahlen. Der General Lindstaedt ist schon zu mir gestolsen, 3 Es-
quadrons Hussaren habe aber noch bey Dippoldswalde stehen
lafsen, um zu patrouilliren, und damit der feind nicht gewahr
wird, dafs dieses Loch nicht besetzt ist. Zastrow und Grabow
sind mit einen Transport Brodt unterwegens und werden vermuth-
lich diesen Abend damit in Dippoldswalde eintreffen; von Kleist
Digitized by Google
— 141 —
habe ich noch keine weitere Nachricht, ich hoffe aber, dafs Er
morgen schon zurück seyn wird, ich hoffe, dafs zwischen morgen
und übermorgen Sachsen vom feinde wird geräumet seyn."
12.
Am Abend dieses Tages wurde dann die nachstehende, für
die Beurteilung der Haltung Fincks entscheidende Kabinettsordre
des Königs an Finck ausgefertigt, welche in dessen Besitz ge-
langte, aber im Original nicht mehr erhalten zu sein scheint.
Wir sind daher auf den Abdruck bei Tempelhoff ITT, 356 ange-
wiesen, nach welchem ich den der Ordre beigegebenen Bericht
Zietens im 2. Bande meines „Zieten", S. 376, abgedruckt habe.
Die Kabinetts-Ordre lautet:
Mein Heber General Lieutenant yon Finck! Ich überschicke
Euch hierdurch in Einlage den Rapport des General Zieten, aus
welchem ihr alles ersehen werdet, und überlasse dieses alles
Euren Dispositionen und nöthigen Anstalten. Ich bin etc.
Wilsdruf, deu 18. November 1759.
Eigenhändige Nachschrift: Er wird entweder mit den
Reichem oder mit Sinceren einen Gang haben.
Der der Ordre eingelegte Bericht Zietens lautet:
E. K. M. überschicke anbei einen von den Oesterreichern de-
sertirten Korporal. Dieser sagt aus, dafs Sincere mit dem Korps
de Reserve zwar mit der Armee marschirt, aber eine Stunde
hinter derselben bis gegen Dippoldiswalde sich gewendet. Der
General Brentano, welcher mit seinem Korps, so wie er gestern
im Daunschen Hauptquartiere, welches in der Dresdner Vorstadt
in der Gräfin Moschinska Garten sei, erfahren, hätte gestern in
Döhlen sein sollen, sei aber, wie er dahin gekommen, nicht mehr
dort gewesen, und habe es geheifsen, dafs er schon Nachmittags
um 3 Uhr gegen Maxen zu marschirt sei.
Kesseldorf, den 18. Novbr. 1750. „.
Zieten.
13. Finde an den König, d. d. Maxen, 19. November.
Chiffrierte», in der königlichen Kamtei dechiffriertes Origin. im 0. St. Ä. (mit der Beieichnung: Duplicat)
[Rep. 96].
Ein Corps vom Feinde hat sich nach Dippoldswalde gezogen.
Die Escorte vom Brodt ist attaquiret worden. Ich habe ihr ein
Soutien gegen geschicket und alles bis ohngefehr 6 Wagens sau-
Digitized by Google
— 142 —
viret. Ich habe brodt bis den 23ten, von Dresden komt ein
Corps gegen Dohne anmarchiret. Die communication mit E. K. M.
ist unterbrochen ; ich weifs noch nicht, ob es zn einer affaire
kommen wird; ich glaube, sie wollen sich die passage nach Böhmen
frey machen. In meinen Posten werden sie mich nicht attaquiren;
allen Abbruch von der Welt werde ich ihnen thun. Sölten sie
aber wieder Vermuthen mich einschliefsen wollen, so bin ver-
sichert, E. K. M. werden mich degagiren. Zwey Deserteurs von
die Pionniers sagen aus, dafs Daun selbst bey dem Corps heute
früh gewesen, welches gegen Dippolswalde marchiret ist. Daun
hätte sie um Gottes willen gebethen bald zu machen, dafs die
Laufbrücken fertig werden, das Dorff wufsten sie aber nicht zu
nennen. Sie sagen, Beck und Sincere wären bey diesem Corps,
imgleichen die Russische Canons.
(En clair.) Den Augenblick schreibt mir Kleist, sein Coup
ist gelungen, die Gen. Braun und Bülow hat er in Toeplitz über-
dem gefangen bekommen, Haddick seine Equipage, Haddick selbst
ist nur eine Stunde vorher fortgewesen.
(En chiffres.) Nun siehet man, warum Daun in der bredouille
ist, indefsen ist der March des Feindes gegen Dippolswalde mir
sehr unangenehm, haubtsächlich wegen der Communication mit
E. M. und wegen der Fourage. Lange kan es aber doch nicht
währen. Kleist schreibt mir, dafs er heute noch ein Magasin ver-
brennen will, und morgen will er zurück seyn."
Auf der Rückseite befindet sich folgender Entwurf von Eichels
Hand zur
14. Antwort des Königs an Finde, d. d. 20. November
(ohne Ort).
Ich hätte gestern erfahren, dafs was nach Dippolswalde ge-
kommen, ohne gewust zu haben, was es gewesen, und dafs dort
geschofsen worden, ohne dafs ich gewust auf wen. Da ich aber
diese Nacht durch Deserteurs und Patrouillen alles klar bekommen
hatte, So hätte ich (en chiffres) den General Hülsen mit 7 Bat-
taillons und 18 Esquadrons gegen Dippolswalde marchiren lafsen
und befohlen, sich Eine halbe Meile davon zu setzen, damit, wenn
das feindtliche Corps auf ihn marchiren wolte, Er solchen gleich
im rücken gehen könte oder, wo der Feind das Corps bey Dippols-
walde attaquiren wolte, er von der andern seyte gleich dazu
kommen könne. Die Armee stehe noch hier, aufser was davon
Digitized by Google
— 143 —
detachiret sey. Es wäre nur Brentano und Sincere dorten, von
Beck aber sey gar nichts da. Heuthe müste Kleist bei ihn seyn,
also machte er und Hülsen 25 Battaillons aus, und Cavallerie
hätten sie mehr, als wie er gebrauchte, wenn nehmlich Kleist
wieder zurück wäre. Meine patrouillen hätten mir rapportiret,
der Feind nähme seinen March von Dippolswalde auf Frauenstein,
und dieses machte mir glauben, dafs er über Frauenstein nach
Böhmen gehen werde, um über Nöllendorff zurückzukommen, um
von hinten Lufft zu machen, davor er sich denn in acht zu nehmen
wifsen werde, und wenn das geschähe, so müste der Posten von
Dohna weg.
15. Finck an den König, d. d. Dresden, 21. November.
Orig. im 0. St A. {Rep. 96).
Allerdurchlauchtigster etc.
Es ist mit den gröfsesten Chagrin, dafs ich E. K. M. aller-
unterthänigst melden mufs, dafs, nachdem ich gestern von drey
Seythen bin attaquiret worden, ich endlich nach einer hartnäckigen
Gegenwehr bin geschlagen worden; der Rest des Corps samlete
sich in der Nacht bey Ploschwitz, ich tentirte zwar, um in der
Nacht die Cavallerie noch suchen durchzubringen; es war aber
alles vergeblich; nachdem ich nun fast die vollige Artillerie schon
verlohren hatte, es mir auch an Munition gebrach, so bin ich
leider gezwuugen worden, mich mit den Rest heute morgen zu
Krieges Gefange zu ergeben. E. K. M. sind viel zu gerecht, als
dafs Höchstdieselben wegen diesen betrübten Vorfall mir einiger
Ungnade zuwerffen werden, da ich mir denn der allerstrengsten
Untersuchung unterwerffe und ersterbe in der tieffsten Devo-
tion etc.
Mit Bleistift-Dorsalbemerkungen.
16. Der König an Finck, d. d. Wiledruf, 23. November 1759.
Undatiertes Concept von Schreibers Hand mit Korrekturen Eichels in der Kabinetts- Registratur
des Königs, Original im Nachlasse Finck* im 0. St. A. (Rep. 92).
Oedruckt bei v. Schöning, a. a. 0. II, 200.
Mein lieber General Lieutenant von Finck! Euer Schreiben
vom 21ten dieses ist Mir eingeliefert worden. Es ist bis dato
ein gantz unerhörtes Exempel, dafs ein Preufsisches Corps das
Gewehr vor seinem Feindt niedergeleget, von dergleichen Vorfall
man vorhin gar keine Idee gehabt. Von der Sache selbst mufs
Digitized by Google
- 144 —
Ich annoch Mein judicium suspendiren, weil Ich die eigentlichen
Umstände, so dabey vorgegangen, noch gar nicht weils. Ich bin
Ener wohlaffectionirter König. ^. ^ jj 8C h
Aufser dieser Korrespondenz zwischen dem Könige und Finck,
welche die Hauptgrundlage für unsere Beurteilung der chronika-
lischen Quellen und für die Kritik der Thatsachen gebildet hat,
enthält das G. St. A. namentlich in der Kabinetts-Registratur noch
eine Reihe von Aktenstücken, in denen sich gelegentliche Bemer-
kungen über das militärische Ereignis neben den den Hauptinhalt
bildenden politischen Erörterungen eingestreut finden. Diese No-
tizen sind von mir für die Darstellung verwertet, die hauptsäch-
lichsten auch in den Anmerkungen wörtlich angeführt worden.
In gleichem Grade wichtig für die Beurteilung der strategisch-
taktischen Einzelheiten, wie die Berichte Fincks, konnten diese
Aktenstücke naturgemäfs nicht sein. Für die Beurteilung des
Ereignisses im allgemeinen aber sind einige derselben doch nicht
ohne Bedeutung. Diese mögen zur Ergänzung der vorstehend
veröffentlichten Korrespondenz des Königs mit Finck hier noch
ihre Stelle finden.
17. Der König an den Minister Grafen
von Finckenstein, d. d. Wilsdruff, 22. November 1769 (praes.
[von Fimlcensteins Hand] 24. November).
Original im 0. St. Ä. (fiep. 98, 77 0 )
Mon eher Comte de Finckenstein. C'est avec le dernier cha-
grin, que Je Me vois oblige de Vous informer d'un desastre, qui
contre tous, que j'aurois jamais pu attendre, vient de nous arriver
et qui m'est d'autant plus sensible, que Je n'en connois gueres
d'exemple. J'avois detache le Lieutenant General Finck et les
Generaux Majors Rebentisch et Wunsch avec 16 Bataillons et
35 Esquadrons pour occuper le Poste de Maxen. Ce Corps ayant
ete attaque le 20 e - par un Ennemi fort superieur, au Heu de se
replier sur Freyberg, comme il devoit le faire dans ce cas, ä (sie!)
malheureusement pris le parti de se retirer vers la petite ville de
Dohna, ou ayant ete enveloppe de tous cotes par l'armee ennemie,
ü se vit oblige, apres s'etre defendu au possible, de mettre bas
les armes et de se rendre prisonniers de guerre. Voila du malheur,
dont Thazard n'en fait essuyer qu'ä moy seul. J'ignore encore le
Digitized by Google
— 145 —
vrai detail de cette malheureuse affaire, mais c'est au moins ce
que j'en ai appris par les bruits, qui en courent. Vous tacherez
de pallier au Public ce desastre le inieux que Vous pourrez.
Oepeudaut tous les avis uous disent, que nonobstant cela le Ma-
rechal Daun faute de vivres et de subsistance marchera encore au
premier jour en Boheme; Ton croit meme qu'il abandonnera
Dresden ce qu'il faut que j'attende ici, car dans le cas qu'il ne
voudroit pas la quitter de son propre gre, il faut que (Je) la
prenne de force avant que de finir cette Campagne. Et sur ce
Je prie Dieu, qu'il Vous ait en sa sainte et digne garde.
Eigenhändige Nachschrift: tout ce que je Vous ai predit
L'annee passee a dressden, ne s'acomplit malheureusement
que de reste. Je lutte cependant toujours Contre ma
mauvaise fortune. Le Malheur ne m'abat pas, mais
il m'impasiente a la fin, car en verite c'en est trop;
peut etre que La Demarche pressipitee de la Cour de
Londres poura nous devenir favorable dans ces Circon-
stances. adieu.
Federic.
18. Aus einem Schreiben Eicltels an Finckenstein, d. d. 23. Nov.
(ohne Ort, „in höchster eyl"), praes. 25. November 1759.
Orig. 0. St. Ä. (lUp. 98, 77 G.)
„Ew. Excell. werden von der grofse meines Chagrins
über ein desastre, dergleichen bey denen Preufsischen Trouppen
ohne Exempel ist, selbst urtheilen, wovon ich mir noch bis diese
stunde keinen rechten begriff machen kan, zumahlen der G. L.
von Finck sich sonst in allen gelegenheiten sich so wohl und so
vorsichtig betragen, auch die Gen. Majors Wunsch und Rebentisch
bey sich gehabt, die beyde und sonderlich der erste sich sonst in
allen gelegenheiten sehr distinguiret haben, dafs ich also vermuthe,
es müfse der fehler an den terrain und der Situation von Maxen
liegen, welches aber doch besonders die Herren Generals Finck
und Wunsch kennen müfsen, da sie in denen vorigen Campagnen
unter Commando des Printz Heinrich Höh. der orthen verschie-
dentlich campiret haben. Es bleibet mir also ohnbegreiflich, dafs
ein starcker feind in 3 Corps den finckschen sich so näheren und
ankommen können, um selbigen einen so grofsen echec anzu-
bringen.
HHlorUche UnUnuchu»«e.,. 7. 10
Digitized by Google
— 146 —
19. Aus einem Schreiben Eichels an FincJcenstein, d. d. Wilsdruff,
24. November (praes. von Finckensteins Hand 26. November).
Original im 0. St. A. (Rep. 98, 77 0).
Den Augenblick kommet die sämbtliche Bagage von den ver-
unglückten finckischen Corps zurück, als die, wie icb nun höre,
denen Officiers des Corps in der getroffenen Capitulation gantz frey
reserviret worden, so dafs man von solcher auch nicht einmahl die
verpflegungs-Gelder derer Regimenter und Compagnien, die sich
doch wohl an 50 000 Rthl. betragen mögen, abgefordert hat. Es
ist niemand von Leuthen dabey, die jemanden eine rechte Idee
dieses unglücklichen vorfals geben könte; so viel ich aber von
einigen mit solcher Bagage zurück gekommenen Regiments Quartier
Meisters begreiffen können, so ist der Posten von Maxen wohl
dergestalt beschaffen, dafs, wer sich einmahl darin als in einen
Kefsel von anhöhen fouriret hat, so bald er einige der anhöhen
verlieret, verlohren ist. Dieses ist hier. Das Corps hat im gründe
bey den Dorfe gestanden, die tiefen defilees daherum haben den
feind favorisiret, dafs er sich sehr starck auf beyde flanquen des
Corps und sonderlich hinter das Corps ziehen können, ohne dafs
es dafselbe sonderlich gewahr geworden, bifs dafs der würckliche
angriff geschehen ; bey solchen ist gleich die Haubtanhöhe, so mit
einen schwachen Regiment, unter welchen viele Sächfsische Re-
cruten gewesen, nebst der darauf Batterie (sie!), ehe der secours
den Berg heran kommen können, mithin auch die einige retraite
nach freyberg verlohren worden, die andere anhöhen seynd auch
bald wegen schlechter defension des gemeinen Manns verlohren
worden; der feind hat darauf das Dorf Maxen mit Haubitzen im
Brand gestecket und von 4 Batteries das im gründe gestandene
Corps gekreutzet; alles ist unter einander gelauffen, die Cavallerie
hat wegen des Terrains gar nicht agiren können, ein theil davon
auch nicht gewolt, man hat also nicht hinterwärts ziehen und re-
tiriren können, ohne den starcken feind auf denen höhen zu de-
logiren, wozu wenig Lust und keine apparence gewesen; in solcher
confusion hat man sich bis an die höhenprecices von Dohna ge-
zogen, wo das non plus ultra gewesen. Die nacht ist dazu ge-
kommen und den folgenden morgen, als den 21. dieses, die Capi-
tulation geschlofsen gewesen. Die G. M. Wunsch und Putkammer
haben solche nicht mit zeichnen, noch annehmen wollen, sich aber
endtlich, da, was ihnen eigentlich von diesen Corps gehöret, zu
schwach gewesen, um durch den feind penetriren zu können. Das
Digitized by Google
— 147 —
Haubtwerck scheinet mir also zu seyn, dafs man sich in der-
gleichen gefährlichen Posten fouriret, und dafs man demnechst
von der ankunfft und daseyn eines so starcken feindes, und dafs
solcher sich hinterwärts nnd von beyden seyten herum gezogen i
wenig oder nichts gewust hat etc.
20. Aus einem Schreiben Eichels an FincJcenstein, d. d. Wilsdruff,
26. November (praes. von Finckensteins Hand 28. Novbr.)
Oriff. im O. St. A. Rep. 98. 77 0. (die betr. Stellt chiffriert und im Kabinett dechiffriert).
Le Gen. de Finck est malhenrenx et apparemment innocent.
Sa Situation a ete des plus scabreuses. Pas plus eloigne de
l'ennemi, qu'a une mile et demie du camp de toute 1' Armee
ennemic, il en a pu s'en approcher en tres peu de tems par des
bois et par des defiles tres profonds sans presque en etre appercu.
L'orsqu'on a tu marcher un corps ennemi du cote de Pirna, c'a
ete justement ce gros Corps, qui s'est mis au dos de Finck. On
l'a pris, comme s'ü se retireroit en Boheme. Quoique le poste
de Maxen soit fort, tandis qu'il est defendu par les hauteurs, il
n'y a cependant nulle retraite, des que l'ennemi s'est reudü
Maitre des hauteurs. Voila ce qui est malheureusement arrive
lä. Nos trouppes se voyant surprises de 3 cotes ä dos et en
flanc perdirent la contenance, abandonnerent apres une foible re-
sistance contre l'ennemi, qui les pressa, une hauteur apres l'autre,
se trouverent dans un cul de sac, ou la confusion la plus affreuse
s'est mise, qu'aucun des Generaux ni d'autres braves officiers n'a
pü redresser. Le digne Gen. Wunsch, qui avoit son poste aupres
de Dohna, ou il avoit repousse L'ennemi avec beaucoup de perte,
qui l'avoit attaque en merae tems que Finck füt entrepris et qui
ne voulüt entendre parier d'aucun accord, mt cependant entraine
et oblige ä se rendre egalement.
21. Aus einem Kabinetts- Schreiben an Schlaberndorff, d. d. Berlin,
27. November.
Concept, „im Xanten de» Herrn Ora/en ron Ftnckenstein Excell.*, geteichnet ton Podewils und
Mnckewtein im G. St. A.
Bep. 68. 85 (Krieg mit Oederreich A).
Von dem Zustande der Sachen in Sachsen kan ich Ew. Ex-
cellentz nicht anders denn sehr betrübte nachrichten melden, wie
wohl ich nicht zweiffle, dafs Sie von dem unglück, so mit dem
Finkischen Corps vorgefallen, bereits informiret seyn werden.
Es war selbiges bekantermafsen detachiret, um den posten von
10*
Digitized by Google
— 148 —
Maxen zu besetzen. Daselbst wurde es den 20ten von einer sehr
überlegenen macht des feindes an dreyen orthen zugleich ange-
griffen und nach einer gethanen guten Gegenwehr geschlagen.
Der Gen. Lieut. v. Fink hatt sich nach freyberg reti-
riren sollen, allein die umstände haben ihn ohne zweiffei ge-
nöthiget, sich nach dem Städtgen Dohna zu retiriren, woselbst er
sich den 21ten dergestalt eingeschlofsen und von munition ent-
blöfset gesehen, dafs er sich mit dem gantzen Überrest seines
Corps zu Kriegesgefangenen ergeben müfsen. Dieses Unglück,
wovon die Preufsische Historie kein Exempel darbiethet, ist so
grofs, dafs es nicht zu verwundern wäre, wenn das blatt sich in
Sachsen gäntzüch umwendete etc.
22. Aus einem Schreiben von Wunsch an seine Frau in Berlin,
Kopie, von Eichel mit Schreiben vom 11. Detember 1759 an Finckensttin übersandt, im 0. St. A.
Rep- 98. 77 6.
Du wirst Dich wundern, dafs ich aus Dresden schreibe.
Leider ist das ganze Fincksche Corps gestern kriegesgefangen ge-
macht worden. Kann das wohl die Welt glauben? Leider aber
ist es an dem. Die Oesterreicher attaquirten uns an drei Orten
zugleich, wobei der Feldmarschall von Daun selbsten dabei in
Person gewesen. Der General Finck stunde bei Maxen, ich aber
stunde mit 4 Bataillonen vor Dohna auf der Anhöhe von Plosch-
witz; ich hatte vor meiner die Reichsarmee und den General
Ried und Kleefeld mit 10 Bataillons Croaten und 5 Cavallerie-
Regimentern. Ich blieb auf meinem Platz stehen, sowohl in
währender Action, als auch die ganze Nacht. Allein die andern
C ... bei Maxen sind gelaufen, als wenn sie der Teufel wollte
holen, und nahmen in gröfster Confusion ihre Retirade zu mir.
In der Zeit, da ich hörte, dafs es oben bei Maxen schlecht ginge,
so ritte ich von meinem Posten weg und gab indessen das Com-
mando dem Obristen von Wolffersdorf. Wie ich an unsere Ca-
vallerie, so bei Maxen gestanden hatte, hinkam, fände ich solche
in der gröfsesten Confusion; ich raffte solche zusammen und atta-
quirte die Oesterreichische Cavallerie, jagte sie auch ziemlich weit
zurück hart unter die feindlichen Kanonen, allein das verfluchte
Gut von uns verliefs mich und war auch nicht mehr zum Auf-
halten, in Summa es waren C . . . Die Hälfte von der Infanterie
ist während der Action desertiret. Gestern früh aber, ehe es Tag
wurde, hatte mich resolviret mit die Husaren und mit die zwei
Digitized by Google
- 149 —
Dragoner-Regimenter, nämlich Jung-Platen nnd Württemberg,
mich durchzuschlagen. Ich war auch schon durch das Defile* bei
Zehren, allein der General-Lieutenant von Finck, welcher den
General von Rebentisch mit einem Trompeter zum Daun ab-
geschickt, liefse mich zurück rufen und dabei sagen, dafs ich nicht
marschieren solle, weilen sonsten das ganze Corps ins gröfste Un-
glück kommen würde und über die Klingen springen würde. Mit-
hin haben wir uns als s. v. schlechte Kerls ergeben müssen; ich
würde zwar Unrecht thun, wenn ich sagen thäte, der Herr General
Finck ist daran Schuld.
Morgen marschieren wir nach Böhmen über Prag. Einige
wollen sagen, dafs wir nach Linz kommen würden. Ich denke
aber, der König wird mich bald ranzioniren. Grüfse mir Alle
insgesammt, Grofse und Kleine; sie werden sich sehr wundern,
dafs ich auf eine so infame Manier habe müssen gefangen werden.
Geduld aber; ich werde doch wohl Gelegenheit haben den König
zu sprechen.
Dresden, 22. November 1759.
(Bei dieser von Schreibers Hand stammenden Kopie glaubte
ich bei der Wiedergabe von diplomatischer Genauigkeit in Bezug
auf die Orthographie absehen zu dürfen.)
Digitized by Google
Anhang III.
Fragmente der Akten des Kriegsgerichts über Finck.
a. Bericht Zietens an dm König, d. d. Berlin 2. Mai 1763.
Original ton Schreibers Hand mit eigenhändiger Unttrtckrift im Geheimen Staate-Archiv ru Berlin
Im media t- Korrespondenz H. J. v. Zielens.
Allerdurchlauchtigster, Grofsmächtigster König,
Allergnädigster König und Herr.
E. K. M. berichte ich in AUerunterthänigkeit, wie dafs bey
dem Verhör, welches E. K. M. mir und dem General-Lieutenant
von Wedel über die Generals von Finck, Gersdorff und v. Reben-
tisch aufgetragen haben, vorgekommen ist, dafs sich der General
von Rebentisch auf das Zeugnifs derer übrigen Generals von dem
corps, welches sich bey Maxen dem Feind als Krieges-Gefangene
ergeben, über den punct berufen hat: dafs er sich zur Schliefsung
der capitulation gebrauchen zu lafsen geweigert, solches aber ihm
von dem General von Finck ausdrücklich anbefohlen worden. Weil
nun erforderlich seyn möchte, defswegen die Generals von Mosel,
von Bredow und Vasold zu verhören, so wird auf E. K. M. höchsten
Ordre beruhen, ob solche sich zum Verhör alhier einfinden sollen,
und ob E. K. M. das nöthige defswegen an genannte Generals
Höchst-Selbst ergehen zu lafsen geruhen möchten, oder ob ich
solches thun soll.
Da auch nöthig ist, dafs der vormahlige Adjudant des Ge-
neral- Lieutenant von Finck, Nahmens von Pfau, welcher sich in
Potsdam befindet, darüber verhöret werde, ob er von wegen des
General von Finck dem General von Wunsch die ordre gebracht,
dafs derselbe mit der Cavallerie, mit der er sich bey Maxen durch-
zuschlagen versucht, zurück kommen sollen ; so stelle in Allerunter-
thänigkeit anbeim, ob E. K. M. Allerhöchst zu befehlen geruhen
möchten, dafs solcher sich zu dem Ende alhier einfinde.
Digitized by Google
— 151 —
Und diesem habe ich einen Auszug von denen Verhören,
welche über anfangs gedachte Generals gehalten worden, aller-
unterthänigst beyfugen wollen und verharre dabey in der allersub-
missesten Treu und Devotion
Berlin, den 7. May 1763.
| E. K. M.
eigenhändig AUerunterthänigst treu gehorsamster Knecht
l H. J. v. Zieten.
Diesem Berichte liegt bei:
b) Extract Derer Verliöre y welclie über die Generals
von Finck, von Oersdorff und von Rebentisch auf die allerhöchst
vorgeschriebene Fragen gehalten worden.
Der General von Finck vermeinet:
1. Dafs er bey Maxen keine andere position, als welche er da-
selbst genommen, hätte nehmen können, indem er auf der flöhe bey
Maxen 5 Battaillons, hinter diesen Battaillons das Regiment Wür-
tenberg Dragoner und 3 Escadrons Husahren: Auf der andern
Seythe der Höhe 3 Battaillons: An diese 3 Bataillons die übrige
Cavallerie: Ueber der Cavallerie auf den Höhen bey Schmorsdorff
4 Bataillons postiret: Den General von Wunsch aber mit 4 Ba-
taillons, 1 Frey-Bataillon und 3 Escadrons Husahren nach Dohna
zu detachirt gehabt, um gegen die Reichs-Truppen Tete zu machen,
um die rechte Flanque zu decken.
Und dafs das mouvement des Feindes nach Dippoldswalde zu,
wodurch er mit dem corps von der armee abgeschnitten worden,
in der Nacht geschehen, er also solches nicht eher als den 19. No-
vember des Morgens, wie er recognosciret, entdecken können,
wefswegen er, und da der Feind sich auf 30 000 Mann starck nach
Dippoldswalde hingezogen gehabt, in der position, worinn er ge-
wesen, hätte bleiben müfsen.
Dem Verhör kann nun zwar eigentlich nicht bekannt seyn,
ob die position, welche der General von Finck bey Maxen ge-
nommen, nicht befser hätte genommen werden können. Weilen
ihm aber, wenn er mit einiger vigilance hätte agieren wollen,
und er sich nach der Anweisung, welche er von Sr. M. dem König
erhalten, gute spions angeschafft hätte, der March des Feindes
nach Dippoldswalde zu nicht verborgen bleiben können, er auch
sein Augenmerck vorzüglich auf die Gegend von Dippoldswalde
Digitized by Google
- 152 —
haben sollen, da Ihro M. der König ihm den Tag vorher Nachricht
gegeben, dafs der Feind mit einen corpa nach Dippoldawalde nnd
der Feldmarschall Daun mit einen andern corps nach Maxen
marchire, er anch selbst eingesehen, dafs, wenn der Feind die
Gegend von Dippoldswalde occupire, er mit seinem corps abge-
schnitten seyn würde, so wird er dafür, dafs er den Feind in der
position erwartet, allezeit responsable bleiben.
2. Will er nicht eher bemerckt haben, dafs er sich mit der
Infanterie nicht mehr retten können, als da solche vom Feinde
geschlagen und von die Anhöhen herunter getrieben gewesen, zu
welcher Zeit es nicht mehr möglich gewesen, mit der cavailerie,
welche, indem er mit derselben das Brentanosche Corps attaquiret,
vom Feinde geworffen und bifs in der Gegeud, wo der General
Wunsch gestanden, zurückgetrieben worden, sich durchzuschlagen,
weil schon alles vom Feinde besetzt, auch damahls die Cavailerie
nur noch 2195 Pferde starck gewesen. Weil nun der General
von Finck vorher schon eingesehen, dafs wegen der grofsen Macht,
welche er wieder sich gehabt, die Infanterie nicht zu retten ge-
wesen, so läfset man dahin gestellet seyn, ob in solchen Umständen
nicht die prudence erfordert hätte, die Resolution zu ergreiffen,
sich mit der Cavailerie durch Hülfle der Nacht, ohngeachtet sie
nur noch so starck gewesen, durchzuschlagen und durchzuschleichen;
wie es denn nicht gerade unmöglich zu seyn scheinet, dafs solches,
wo nicht gantz, doch zum Theil auch noch nachher, da die In-
fanterie schon geschlagen gewesen, hätte reussiren können, wenn
es nur zeitiger und beym Anfange der Nacht wäre entanuret
worden.
3. Will er den General von Wunsch aus der Ursach nicht an
sich gezogen haben, weil dadurch seine rechte flanque offen ge-
worden seyn und die Reichstruppen so dann durch Dohna eine
ungehinderte passage gehabt haben würden.
Aus Mangel genungsahmer Kenntnifs des Terrains mufs zwar
das Verhör dahin gestellet seyn lafsen, ob dadurch die lincke
flanque offen geworden seyn würde. Es kommt aber hierbey und
gegen defsen Anführen zu erwegen, dafs S. M. der König ihm
den Tag vorher angewiesen haben, sein corps in einen Klumpen
zu haben, und dafs, weil Dohna von Maxen auf eine halbe Meile
entlegen, ob nicht der Feind, ohne Dohna berühren zu dürfen,
ihm nichts desto weniger in die lincke flanque kommen können.
Digitized by Google
— 153 —
4. Ist zwar die capitulation nicht schrifftlich, sondern nur
mündlich abgehandelt worden, und führet der General von Finck
zur Ursach an, dafs er solche mit dem Feind geschlofsen, damit
die Lenthe, welches grösten Theiis Landes-Kinder gewesen, zum
Dienst ins künfftige conserviret bleiben möchten, weil ein fernerer
Angriff, indem das gantze corps, aufser dem corps, so der General
von Wunsch bey sich gehabt, welches aus 1800 Mann bestanden,
nach der defaite der Infanterie nur noch 5071 Mann starck ge-
wesen, nichts helffen würden: und weil einmahl capituliret worden,
so wäre dann der Bagage nur beyläufig mit erwehnet.
Allein es ist hierbey zu erwegen, dafs bey einen ferneren
Angriff auf den Feind, wenn solcher auch mifslungen wäre, der
gröste Theil des corps ein härteres Schicksahl nicht, als die Krieges-
Gefangenschafft hätte haben können: wobey statt defsen, dafs ein
gantzes corps im freyen Felde das Gewehr auf eine deshonorirende
Weyse niedergelegt, die Ehre derer Waffen conserviret und ein
exempel zur Übeln Nachfolge vermieden worden seyn würde, wie
denn auch bey einen ferneren Angriff die Bagage mit Nutzen
employret werden können, wenn solche dem Feind eiponirt und
defsen Truppen darauf gezogen worden wären.
5. Will zwar der General von Finck den General v. Wunsch,
wie derselbe entrepreniret hat, sich mit die Dragoner und Husahren
durchzuschlagen, nicht befehlsweise haben zurückrufen lafsen, son-
dern nur demselben, indem der Feind darauf bestanden, dafs solche
sich ebenfals zu Krieges-Gefangenen ergeben sollen, nur haben
sagen lafsen, wie er es als unmöglich ansehe, dafs er durchkommen
könnte, er demnach ebenfals gezwungen seyn würde, sich zum
Krieges-Gefangenen zu ergeben. Wogegen aber der General
von Wunsch 4 Officiers benennet, welche ihm der General v. Finck
nachgeschickt, um ihn zurück zu rufen, wovon aber jedoch nur
erst einer abgehöret werden können, weil die andern nicht zu-
gegen. Und wenn denn auch eben damahls, wie der General
von Finck denselben zurück rufen lafsen, gantz und gar unmöglich
gewesen, dafs der General von Wunsch in der entreprise sich
durchzuschlagen hätte reussiren können, so würde doch solches,
wie auch der General von Wunsch angefuhret hat, daraus ent-
standen seyn, weil, nachdem die bey den General von Finck zurück
gebliebene Truppen das Gewehr gestreckt, die gantze attention
des Feindes und defsen gantze Macht auf ihm allein hätten fallen
müfsen.
Digitized by Google
- 154 —
Der General-Major yon Gersdorff aber hat angefiihret:
1. Wie dafs er die Anhöhe, auf welche er von dem General
von Finck placirt gewesen, eher nicht verlafsen, als die Infanterie,
so eben daselbst placirt gewesen, solche schon verlafsen gehabt,
woranf dann die cavallerie, nachdem sie von der feindlichen In-
fanterie bey einer attaque, welche er anf solche gemacht, eine
salve bekommen, wobey der Obriste des Würtenbergischen Regi-
ments geblieben, sich ebenfals zurückgezogen. Wobey er, der
General-Major von Gersdorff, behaupten wollen, dafs daselbst kein
Terrain vorhanden gewesen, auf die feindliche Infanterie in dem
moment einzuhauen und zu attaquiren, wie selbige die Anhöhen
erstiegen. Es ist dieses aber irrig, und mufs also derselbe sich
nicht a portee gehalten haben, auf den Feind, wie solcher die
Anhöhe herauf gekommen, und eher selbiger sich railliren können,
mit der cavallerie einzuhauen und solchen zurück zu werfen.
2. Wird hingegen von dem General von Wunsch attestiret,
dafs derselbe mit bey der cavallerie gewesen, mit welcher er sich
durchzuschlagen gesucht, solcher auch hiebey, so wie er, der Ge-
neral von Wunsch, bereits ein defilee passirt gehabt.
Der General-Major von Rebentisch hingegen hat angefiihret:
1. Dafs er dem General von Finck den Rath nicht gegeben
zu capituliren. Jedoch bleibt er defsen sowohl aus des General
von Wunsch als des General von Finck Aufsagen verdächtig.
2. Und dafs er sich zu der Unterhandlung, die capitulation
mit dem Feind zu schliefsen, gebrauchen lafsen, hätte er auf aas-
drücklichen Befehl des General von Finck thun müfsen, der, als
er die commission nicht übernehmen wollen, sich derer Wori\\e
bedienet: ich befehle es ihnen, mein Kopf stehet darauf, dafs ich
dem König die Lenthe conservire. Zum Beweifs defsen beziehet
sich der General von Rebentisch auf das Zeugnifs derer übrigen
Generals von dem corps. Die alhier sich gegenwärtig befindende
Generals von Wunsch und von Lindstedt aber entsinnen sich nicht
solches gehört zu haben.
Berlin, den 2. May 1763. gez. J. L. Reinecken,
Ober-Auditeur von der Armee.
c) Bericht Zielens an den König, d. d. Berlin, 18. Mai 1763.
Origin. im Oth. Staato-Archiv wu Berlin, tbda.
E. K. M. haben mir allerhöchst befohlen, dafs ich demnechst
berichten solen: was für Generals und Officiers zu einen Krieges-
Digitized by Google
— 155 —
Recht über die Generals Ton Finck, von Gersdorff nnd von Reben-
tisch erfordert werden.
Da nun dieses Krieges-Recht wird gehalten werden können,
so bald die in der Sache nnter andern noch erforderlich gewesene
Nachricht von dem General-Major von Bredow wird eingekommen
seyn, welche nnnmehro in einigen Tagen ankommen mufs, so habe
ich in tieffster Submission berichten sollen, dafs zn dem Krieges-
Recht
Zwey Generals von der Infanterie oder cavallerie, deren
Stellen auch allenfals durch General-Lieutenants ersetzt
werden können. So dann noch besonders
zwey General-Lieutenants
zwey General-Majors
zwey Obristen
zwey Obrist-Lieutenants und
zwey Majors
sonst gewöhnlicher mafsen erfordert werden, wiewohl darüber
dafs ein dergleichen Krieges-Recht aus so viel Persohnen von der-
gleichen Chargen bestehen soll, von E. K. M. kein Gesetz vor-
handen ist, dafs es also um so viel mehr lediglich auf E. K. M.
allerhöchste ordre beruhet, ob solches aus so viel Persohnen von
denen erwehnten Chargen bestehen soll, und welche Generals und
Officiers es eigentlich seyn sollen, die dazu genommen werden
sollen.
Der ich etc. Eigenhändige Unterschrift Zietens.
Als Antwort auf dieses Schreiben Zietens erging eine Ka-
binetts-Ordre des Königs an Zieten vom 19. Mai, in welcher be-
stimmt wird, dafs die General-Lieutenants von Wedell, von Czette-
ritz, von Wylich und von Forcade dem Kriegsgerichte beiwohnen
sollten '). Die Kabinetts-Ordre ist abgedruckt in der Zieten-Bio-
graphie der Frau von Blumenthai Bd. II, S. 345/46 2 ).
a ) Auf Grand der in den Zeitungen erschienenen kurzen amtlichen Be-
richte teilt Rödenbeck in seinem „Tagebuch oder Geschichtskalender aus
Friedrichs des Grofsen Regenteoleben" Bd. 2, S. 215 sowohl diese Ordre als
die Nachricht mit, dafs das Kriegsgericht am 17. Mai in Zietens Wohnhause
stattfand. Letztere Nachricht mufs wohl irrtümlich sein, da das Gericht
doch erst nach jener Ordre stattgefunden haben kann.
2 ) Die sehr unglaubwürdige Verfasserin spricht im Anschlufs an diese
Ordre von verschiedenen Zwistigkeiten, welche bei Gelegenheit dieses Kriegs-
Digitized by Google
— 15« —
d) Bericht Zietens an den Kimig, d. d. Berlin, 26 Mai 1763.
Origin. im Geh. Staatt-Airhiv tu Berlin, ebda.
Allerdurchlauchtigster etc.
E. K. M. habe ich die wieder deu General -Lieutenant
yon Finck, die General-Majors von Gersdorff und von Rebentisch
durch das auf E. K. M. allerhöchste Ordre veranlafste Krieges-
Recht solcher gestallt gesprochene Sententz:
1. dafs der General-Lieutenant von Finck zu cassiren und
mit Ein Jahr Vestungs-Arrest zu bestrafen, weil derselbe mit der
seinen Character gebührenden prudence und Resolution bey dem
Corps, so er bey Maxen unter seinen Commando gehabt, nicht
agiret, ob ihm gleich hierbey etwas malitieuses und eine lächete
nicht beygemefsen werden kann.
2. dafs der General-Major von Gersdorff ebenfalls zu cassiren
und mit zwey Jahr Vestungs-Arrest zu bestrafen, weil er bey der
feindlichen attaque bey Maxen die unter sich gehabte cavallerie
nicht so disponiret, dafs sie nicht in den erforderlichen Moment
auf die feindliche Infanterie attaquiren können, hierdurch aber
Gelegenheit gegeben, dafs der Feind die Infanterie von der An-
höhe bey Maxen vertrieben und sich auf die Anhöhe festgesetzt,
mithin das gautze Corps aus seiner Position vertrieben und in
eine Enge gebracht worden.
3. dafs der General -Major von Rebentisch mit Ein Jahr
Vestungs-Arrest zu bestrafen, weil, wenn gleich nicht erwiesen,
dafs er den General-Lieutenant von Finck den Rath gegeben, die
Capitulation bey Maxen zu schliefsen, er jedoch durch seine hin
und wieder gemachte Einwürfe die bereits genommene gute Re-
solutiones auf und zurück gehalten
in allertiefster Submission einsenden sollen.
Der ich etc. Eigenhändige Unterschrift Zietens.
gerichts zwischen Zieten und Ramin vorgekommen sein sollen; doch trage
ich um so mehr Bedenken dieser Erzählung Glauhcn beizumessen, als sich
durch andere Quellen irgend eine Beziehung Ramins zu diesem Kriegsgerichte
nicht feststellen lilfst. Auf dem oben mitgeteilten Berichte Zietens hat
Eichel mit Bleistift die Namen der Offiziere verzeichnet, welche nach
Befehl des Königs an dem Kriegsgericht teilnehmen sollten.
Digitized by Google
Anhang IV.
Denkschrift Fincks über sein Verhör vor dem Kriegsgericht.
Eigenhändig» Niedtrtchrift Fincks in denen Xachlaa« im Q.8t.Ä. (Rep. 92).
In dem Verhör, welches angestellet wurde, meine Conduite
wegen der unglücklichen Affaire bey Maxen zu untersuchen, wurden
mir folgende Fragen gethan:
1. Warumb ich in der schlechten Position bey Maxen
wäre stehen geblieben.
2. Warumb ich mich nicht mit die Generals vor der Ca-
vallerie gesetzt hätte, und gesucht durchzuschlagen.
3. Warumb ich den General Wunsch nicht an mich ge-
zogen hätte.
4. Warumb ich den General Wunsch hätte zurückberuffen,
da er mit die Hussaren und Dragoner hätte wollen
suchen durchzukommen.
5. Warumb ich, um die Bagage zu retten, eine Capitula-
tion unterschrieben hätte.
6. Warumb ich mich mit den gantzen Corps nicht hätte
massacriren lafsen.
Meine Antwort auf alle diese fragen ist so gewesen, dafs ich
geglaubet habe, ich würde mir genungsam gerechtfertiget haben;
da aber das Gegen theil geschehen, so habe dieses zu meiner
eigenen Beruhigung und Defension aufgesetzt.
1. Warum ich in der schlechten Position bei Maxen wäre stehen
geblieben.
Nachdem ich mit meinen unterhabenden Corps auf Befehl
Ihro Königlichen Hoheit des Printzen Heinrichs den 12. Novemb.
1759 den glücklichen march von meinen Lager bey EtsdorfF und
Roswein nach Nossen thate, den feind daselbst delogirte und den
Digitized by Google
lincken flügel der feindlichen Armee in ihren Lager canonirte,
auch nachdem ich mich in des feindes lincken flanque setzte, den
Feldmarschall Daun zwang in der Nacht vom 12. auf den 13.
sein vortheilhafftes Lager zu verlafsen, so detachirte ich den 13.
in aller frühe den General Wunsch und Gersdorff den feind zu
folgen, um von seinen march und ferneren position Nachricht ein-
zuziehen. Da nun Ihro Majestät der König wieder bey der Armee
angekommen waren und mit der Avantgarde den Feind folgete,
auch den General Wunsch antraf, so befahl Er denselben mir
mündlich zu sagen, ich sollte noch denselben Tag nach Dippoldis-
walde marchiren; ich war indefsen ausgeritten, um das terrain zu
besehen, wo der Feind gestanden, da ich den General Wunsch
begegnete, welcher mir sagte, was ihm der König befohlen, und
dafs Ihro Majestät gantz in der Nähe wären; es war schon 3 Uhr
Nachmittag, die bagage des Corps und ein Theil der Artillerie
war noch zurück, und konte selbiges vor Abend nicht heran-
kommen; da ich nun so nahe bey dem Könige war, so glaubte ich
sehr gut zu thun, selbsten hinzureiten und dieserhalb Vorstellungen
zu thun und von Ihro Majestät wegen mein ferneres Verhalten
selbsten Befehle einzuholen. Ich traff Ihro Majestät in den Dorffe
Kroegis an; und hatten Selbige den General Major von Lentulus
bey sich. Ihro Majestät empfiengen mich wieder vermuthen höchst
ungnädig, mich fragend, was ich wollte und ob ich seine
ordres nicht bekommen hätte; da ich nun antwortete, dafs
ich in dieser Absicht zu Ihro Majestät käme, um solche zu
empfangen, befohlen Sie mir, ich sollte sogleich nach Maxen
marchiren; da ich nun dieserwegen, und dafs es unmöglich
wäre noch denselben Tag zu marchiren, einige Vorstellungen thun
wollte, sagte mir der König: Er weifs, dafs Ich keine diffi-
cultäten leyden kan; ich konte also weiter nichts erhalten, als
dafs ich nur erst den andern Tag, als den 14., marchiren und
meinen March über Freyberg nehmen durffte, und waren die
letzten Worthe Ihro Majestät: „Herr, mache er, dafs er fort
kömt." Dieses war meine gantze Abfertigung, die angeführten
Brieffe und ordres des Königes zeigen genung, wie sehr ich bin
pressiret worden, den Posten bey Maxen zu nehmen. Ich kam
den 15. mit meinen Corps bey Dippoldswalde an, den 16. schickte
ich den General Wunsch mit der Avant Garde nach Maxen, ich
blieb aber stehen, in Hoffnung, der König würde seine Meynung
ändern und mich mit den Corps nicht so sehr exponiren; da aber
Digitized by Google
— 159 —
die Brieffe das Gegentheil beweisen, so marchirte ich endlich den
17. selbst nach Maxen, nm mich wegen längerer Zögerung keine
Verantwortung zuzuziehen, ich liefse aber zu mehrerer Vorsicht
den GeDeral Lindstädt mit 3 Battaillons und den General Vasold
mit 5 Esquadrons Cavallerie und 3 Esquadrons Hussaren bey Dip-
poldswalda stehen. Auf den Rapport, den ich dem Könige von
meiner Position machte, erhielte ich*die]Antwort Nr. 7; auf selbige
zog ich sogleich die Generals Linstädt und Vasold an mir und liefs
nur die drej Esquadrons Hussaren stehen, um Patrouillen zu thun
und mir Nachrichten von des feindes Bewegungen zu geben: dem
Könige meldete ich, wie ich auf defsen Befehl die Generals Lindstädt
und Vasold an mich gezogen hätte, dafs nunmehro aber das Loch
bey Dippoldswalde völlig offen wäre, und machte Ihm zugleich
die Beschreibung von der gantzen feindlichen Position, worauf aber
keine Antwort mehr erhalten habe. Es ist vor mich ein Unglück,
dafs ich keine Copeyen von meine Rapports behalten habe, selbige
würden mich gewifs noch mehr gerechtfertiget |haben; der Feld-
marschall Daun sagte mir bey der Gefangennehmung, wie er aus
einen meiner Rapports am Könige und aus einen Schreiben des
Königes an mir, welche beyde er aufgefangen, ersehen hätte,
dafs ich sehr gute Vorstellungen müste gemacht haben.
Ich kau nicht läugnen, dafs ich mich ungemein wunderte,
wie man in dem Verhör laut der ersten Frage den Posten bey
Maxen zu einer schlechten Position machen wollte, da der König
selbigen in allen seinen Briefen einen sichern, guten und sehr
vortheilhafften Posten nennet; wie konte ich ihm also verlafsen,
da ich keine ordre dazu hatte, ohne der grösten Verantwortung
ausgesetzt zu seyn? Man giebt mir schuld, der König hätte mir
ja in seiner letzten ordre Nr. 9 die freye Disposition überlafsen,
auf welcher ordre ich mich hätte zurück ziehen können, man hat
aber nicht darauf reflectirt, dafs der König in eben derselben ordre
mit höchst eigener Hand geschrieben: Er wird entweder mit
die Reichers oder mit Sincere einen Gang haben. Hätte
der König an mir geschrieben: vermöge den Rapport des General
Ziethen überlafse ich es seiner Disposition, den Posten zu be-
haubten,, oder, wenn er es nöthig findet, sich gegen Dippolds-
walda zurück zu ziehen, so hätte ich mich legitimiren können,
wenn ich diese Parthie ergriffen hätte; da der König aber nur in
generalen terminis schreibet, so will ich den fall setzen, ich hätte
mich zurück gezogen, so würde der feind sich gewifs begnüget
Digitized by Google
— 160 —
haben, nur den Posten bey Maxen zu besetzen und übrigens gantz
stille zu stehen: Womit hätte ich mich alsdenn rechtfertige(n)
wollen; würde es nicht geheifsen haben, er hat aus einer Furcht
und als ein schlechter Mensch seinen Posten verlafsen? hätte ich
alsdenn die ordre Nr. 9 vorschützen wollen, so würde man mich
gewifs auf das, was Ihro Majestät dieser ordre mit eigener Hand
angehänget, verdammet haben, und ich hätte risquiret, als ein
schlechter Mann meinen Kopff zu verlihren; wie konte ich auch
mit die Reichs-Armee und Sincere eine Action haben, da die eine
bey Cotta, der andere bey Possendorff stunde, wenn ich nicht in
meiner Position bey Maxen stehen blieb? Dafs ich nicht früh
genung erfahren, dafs der Feldmarschall Daun mit fast den gantzen
zweyten Treffen in der Nacht aufgebrochen, sich mit Sincere con-
jungiret und nach Dippoldswalde marchiret ist, davon ist mir wohl
nicht die Schuld beyzumefsen; man sehe nur die gantze Position
von beyden Seythen auf der Charte an, so wird man mich hier-
innen nichts zur Last legen können, ja ich kan mit Wahrheit
sagen, dafs ich in den gantzen Corps der erste gewesen bin,
welcher das mouvement des feindes gewahr worden ist, wovon die
Generals Bredow und Mosel Zeugen sind. Man saget, warumb ich
den Feldmarschall Daun nicht bey Dippoldswalde attaquiret hätte ;
es ist wahr, dafs es mir, nach den Evenement zu judiciren, leid
thut, dafs ich es nicht gethan habe; wer aber diesen Posten
kennet, weifs, dafs es sehr schwer würde gewesen seyn, wo nicht
unmöglich, zu reüssiren, und da ich fast gewifs voraussähe, dafs
diese entreprise fehl schlagen würde, so würde man es mir für
temerair ausgeleget haben, wenn ich mit einen Corps von noch
nicht 12000 Mann einen feind, der 30 000 Mann starck war, in
seinen vortheilhafften Posten attaquiret hätte; ich hätte hierzu
nicht einmahl mein gantzes Corps employren können, weil ich
noch was gegen der Reichs Armee und Brentanow hätte müssen
stehen lafsen, damit selbige mir während der Action nicht im
Rüken attaquiren könten.
Ich urtheilte also folgender gestallt.
Da der Feldmarschall Daun in der Nacht vom 18. zum 19.
aufgebrochen ist, den 19. bey Dippoldswalde stehen gebliebe(n),
und wenn er mich attaquiren will, solches vor den 20. des Mittags
nicht geschehen kan, ich mich auch alle Mühe gab, um Ihro Ma-
jestät von allen Umständen, in welchen ich war, Nachricht zu
geben, so schiene es mir fast unmöglich und unglaublich zu seyn,
Digitized by Google
— 161 -
dafs Iliro Majestät nicht bey Zeiten von allen hätten Nachricht
bekommen sollen; das Aufsenbleiben meiner Rapports hätte allein
Argwohn verursachen können, dafs nemlich die Communication
zwischen dem Könige und mir durch ein starckes feindliches
Corps müsse unterbrochen seyn; die natürliche Lage brachte es
auch mit sich, dafs dieses nicht änderst, als durch einen march
des Feindes nach Dippoldswalda geschehen konte. Ich urtheilte
dahero, Ihro Majestät würden laut dem Versprechen, welches Sie
mir in die Brieffe Nr. 7 und besonders Nr. 8 gethan, nicht so
bald Nachricht von Daun seinen mouvement erhalten haben, als
Sie sich in march gesetzet haben würden, bey Bennerich, Pester-
witz und gegen der Weiseritz vorzurücken, ein Posten, in welchen
ich das Jahr vorhero mit einen sehr kleinen Corps d' Armee den
Feld-Marschall Daun 2 gantzer Tage tete gebothen hatte; wäre
dieses geschehen, so hätte ich in der That nicht viel risquirt; Daun
wäre gewifs gleich umgekehrt und würde vielleicht zu späthe ge-
kommen seyn, sein zurück gelafsenes erstes Treffen noch zu sou-
teniren, da denn hieraus die gröste confusion bey den Feinde
hätte entstehen können; Daun ist hiervor auch bange uud schon
auf den point gewesen zurück zu marchiren, wenn ihm ein ge-
wifser Major Fabri, nunmehriger General Major, nicht zur attaque
determinirt hätte. Von der Seythe über Freyberg konte ich mir
wohl keinen Succurs vermuthen, indem selbiger 2 Märsche zu
thun hatte. Leider habe ich mich aber in meinen Beurtheilungen
und Schlüfsen geirret, und ist aus meiner bülige(n) und gerechte(n)
Hoffnung nichts geworden; bin ich aber defsentwegen straf bahr?
Dieses zu beurtheilen überlafse ich allen, die das terrain kennen
und eine genuugsahme Einsicht vom metie haben. Dafs aber ein
Corps von kaum 12 000 Mann von einen Feinde, der 50 000 Mann
starck ist, geschlagen wird und sich den andern Tag mit den
Rest von 7000 etliche hundert Mann ergeben mufs, nachdem ihm
kein eintziger Winckel durchzukommen übrig bleibet, dieses ist was
gantz natürliches und gereichet mir zu keiner Schande, noch
weniger hätte geglaubet darum bestraflft zu werden. Selbst bey
der Action sind Sachen vorgefallen, wovor kein General respon-
sable seyn kan, nemlich die bey den Battaillons von Zastrow und
Grabow thateu ihr Devoir nicht, das Regiment von Rebentisch,
welches diese hätte souteniren sollen, thate sehr schlecht; die
Ursache war wohl, dafs es ungemein viel Oesterreicher und Rufsen
in Reih uud Glieder hatte. Dieses Regiment, welches fast völlig
HUtvrUche UnMriachungvn. 7. 11
Digitized by Google
— 162 —
complet war, war den Abend nach der Action nur noch. 200 Mann
starck ; die todten nnd blessirten waren von diesen Regimente nach
proportion des Verlustes sehr geringe, folglich dafs wohl die meh-
reste zum feinde übergegangen waren. 5 Esquadrons Dragoner
und 3 Hussaren, die ich postiret hatte, wenn der feind einbrechen
sollte, solchen zu repoussiren, wurden aus einer übelen Beurtheilung
von den General von Gersdorff ohne mein Wifsen von da weg-
gezogen und an einen andern Orth, wo sie zu agiren nicht ä portee
waren, postiret. Die Cavallerie, durch welche ich die feindliche
von Brentano attaquiren liefs, um bey diesen verworrenen Um-
standen mich an einen Orth Lufft zu schaffen, wurde repoussirt
und setzte sich nicht ehr als ungefehr in der Gegend, wo der Ge-
neral Wunsch bey Ploschwitz stund, da ich denn während der
gantzen Action mit ihr nichts mehr anfangen konte. Dieses sind
die wahren Ursachen, welche mir die Action haben verliehren
machen, da ich vielleicht, wenn alles sein Devoir gethan, ohnge-
achtet der grofsen force, mit welcher man mich attaquirte, meinen
Posten dennoch würde behaubtet haben; ein solches Exempel hatte
ich nicht lange vorhero den 21. Septembr. bey Meyfsen gegeben T
welcher Vorgang einen jeden bekant ist und also unnütze hier
anzuführen.
2. Worumb ich mich mit die Generals nicht vor der CavaUe)'ie
geseteet hätte und gesucht durchzusclüagen.
Die Action endigte sich mit der Nacht, ich versäumte keinen
Augenblick, um nur alle Wege und Fufs Stege zu recognosciren,
wo ich glaubte den feind entgehen zu können, fand aber alles
sehr gut von selbigen besetzt, ich hätte nur Mann vor Mann
aufgeopffert und dennoch nichts ausgerichtet; hiervon kan nur
derjenige judiciren, der das terrain genungsam kennet. Bey diese
desperate Umstände resolvirte ich, noch vor Anbruch des Tages
den feind selbst zu attaquiren und mich durchzuschlagen; hierzu
hatte ich auch alles disponiret und die Generals abgefertiget;
nachdem mir aber gemeldet wurde, wie das Corps so sehr ge-
schmoltzen, die Lenthe auch so intimidirt waren, dafs ich den
Abend alle Mühe hatte, das wenige, was mir noch übrig geblieben
war, zu erhalten, weil auf einigen kleinen Gewehr-Schüfsen alles
schon wieder lieffe, auch des Morgens, da der feind einige Ca-
nonen-Schüfse that, schon wieder zu lauffen aufiengen, so stellte
mir der General Rebentisch vor, dafs dieses ein Unternehmen
Digitized by Google
- 163 -
■wäre, welches unmöglich auszuführen sey, alle übrige Generals
schwiegen stille und wüsten nichts zu sagen, der General Wunsch
meinte, man müste doch suchen mit die Hussaren und Dragoner
durchzukommen, dieses monvement würde der Feind vielleicht
nicht gewahr werden, weil es nur so wenig trouppen wären; er
meinte, er wollte, weil es noch dunckel, suchen bey den Feinde
vorbey zu kommen, hernach hinter der feindlichen Armee, die bey
den Plauenschen Grund stund, sich wegziehen und über Possen-
dorff, welches jedoch der feind auch besetzt hatte, zu des Königs
Armee stofsen. Ich sähe die Unmöglichkeit von diesen Project
vollkommen ein; um aber mich nichts reprochiren zu können, gab
ich ihm alles, was er verlangte, mit, wohl einsehend, dafs sein
Vorschlag nur in Worthen, aber nicht in der That bestand,
welches denn auch der Ausgang dieser entreprise vollkommen
zeigte; dieser beweiset auch die Unmöglichkeit mich mit der Ca-
vallerie durchzuschlagen; eine Cavallerie, die den Tag von der
Action zu nichts zu bringen war, die das eintzige Mittel durch-
zukommen versäumet hatte, nemlich wie ich sie auf das Corps
von Brentano attaquiren liefs, und die auch wahrhafftig keine
Lust zum ferneren schlagen bezeugte, mit dieser Cavallerie hätte
ich müfsen in des feindes Gegenwarth viele Defilees passiren, wo
nur Mann vor Mann durchkommen konte, und vor mich stund
der Feld Marschall Daun mit der grösten force auf die Anhöhen
von Schmorsdorff, welches keinen halben Canon Schufs von mir
entfernet war. Wer dieses alles ohne einiges Vorurtheil be-
trachtet und das terrain hinlänglich kennet, kan auch hierinnen
mir nicht die geringste Schuld beymefsen; es hat wohl niemand
mehr Lust bezeuget sich durchzuschlagen als ich, wenn ich nur
die geringste Möglichkeit dazu gesehen hätte.
3. Warumb ich den General Wunsch nicht an mich gezogen hätte.
Ich war anfänglich Willens, den General Wunsch an mich
zu ziehen und sagte es ihm, derselbe stellete mir aber vor, wie
sehr mir daran gelegen, dafs der feind das defile" bey Ploschwitz
nicht passirte; ich resolvirte also ihm stehen zu lafsen, damit ich
wenigstens auf meiner rechten Flanque gedeckt wäre; ich lafse
auch einen jeden urtheilen, der das metie verstehet, ob es zu
wenig, 5 schwache battaillons und 3 Esquadrons Hussaren zu ge-
brauchen, der gantzen Reichs-Armee, welche mit allen Croaten
und dabey stehenden regulairen Oesterreichischen Trouppeu ge-
ll*
Digitized by Google
— 164 —
wifs weit über 20 000 Mann starck war, tete zu biethen; wenn
ich Wunsch an mich gezogen hätte, so würde die Action nicht
so lauge gewehrt haben und ich mit den gantzen Corps noch
denselben Abend theils massacrirt, theils gefangen worden seyn;
man hätte mich aber alsdenn gewifs zur Verantwortung gezogen,
wenn der General Wunsch declariret hätte, wie er mir vor-
geschlagen das defile bey Ploschwitz zu defendiren, welches ich
aber nicht hätte thuu wollen, ja man würde dieses gewifs als ein
Ursache des Verlustes der Action angegeben haben; in allen
Sachen, aber besonders im Kriege läfset es sich nach dem evene-
ment am besten urtheilen.
4. Waramb ich den General Wunsch hätte zurück beruffen, da
er mit die Hussaren und Dragoner Mtte tvotten suchen durch-
zukommen.
Der General Wunsch war von mir den 21t. des Morgens um
3 Uhr völlig abgefertiget und wüste, dafs, nachdem mir kein
Mittel zu entkommen mehr übrig blieb, ich mich am Feinde er-
geben würde und zu dem Ende den General Rebentisch mit einen
trompeter herüber schickte, die Conditiones so gut als möglich
zu treffen. So wie ich es aber vorhergesehen, so geschähe es;
wie der Generai von Rebentisch nebst den General Lascy und
mehrere Oesterreichische Generals gegen 8 Uhr zurück kam und
es schon lange heller Tag war, hatte der General Wunsch nur
das erste defile passiret und war in der gantzen Zeit nicht
1000 Schritte avanciret; er hatte noch viele defiles zu passiren
und dieses in Gegenwart des Brentanoschen Corps, welches vor
ihm stund, die Reichs-Armee und alle Croaten und Panduren, die
ihm im Rücken und zur Seythen stunden, nicht zu rechnen, da
er mir denn selber gestanden, dafs er von diesen trouppen noch
niemahlen so viele beysammen gesehen hätte; ich konte dieses
alles von dem Orth, da ich stand, bey dem bereits hellen Tage
am besten gewahr werden. Bey der Abfertigung hatte ich den
General Wunsch gesaget, ich würde, wenn es angienge, den
Feind mit pour parles suchen aufzuhalten, damit er Zeit gewönne
fortzukommen; der General Lascy aber, da er den General Wunsch
vermifste und sein mouvement gewahr wurde, weil er noch so
nahe bey uns stund, verlangte von mir ihm ordre zu schicken
halt zu machen und sich gleichfals zu ergeben; ich trug dieser_
halb kein Bedencken, wohl wifsend, dafs sich der General Wunsch
Digitized by Google
- 165 —
an meine ordres nicht mehr kehren würde, wenn er eine Mög-
lichkeit eingesehen hätte fortzukommen. Anf vielfältiges Be-
drohen vom feinde schickte ich den zweyten Officier an den Gen.
Wunsch ab ; er giebet zwar vor, ich hätte ihm wohl 5 bifs 8 Offi-
ciers geschickt, ob er gleich keinen zu benennen weifs, ich es
mir auch nicht erinnere, so wollte ich doch wünschen, ich hätte
ihm können 20 und noch mehrere officiere schicken, er hätte sie
alle mitnehmen können, immer mehr Zeit gewonnen und von
ihnen erfahren können, wie es bey mir stünde und was der feind
für mouvements gegen ihm machte, wornach er sich hätte richten
können; denn das wüste er doch sehr wohl, dafs ein Kriegs-
gefangener General ihm keine ordres mehr zuschicken konte, und
da er wüste, dafs ich in feindes Händen war, so konte er sich
wohl vorstelleu, dafs ich in Gegenwart der feindlichen] Generals,
von welchen ich so zu sagen entourirt war, ihm wegen seinen
weitern march und Verhalten unmöglich mehr was sagen lafsen
konte; er muste also selbst zum besten wifsen, wie er sein Pro-
ject ausführen wollte, da ich ihm nicht mehr helffen konte. Statt
aber von diesen allen zu profitiren, so kam der General Wunsch
an und ergab sich mit seinen Corps. Der General Lascy konte
bey dieser Gelegenheit nicht unterlafsen ihm gerade ins Gesicht
zu sagen, dafs seine gantze entreprise eine blofse fanfaronade
wäre; er würde geglaubet haben sich dadurch beym Könige zu
recommendiren, da er doch Selbsten die Unmöglichkeit durchzu-
kommen einsähe; hierauf schwieg er stille und konte auch mit
recht nichts darauf sagen, weil es die Wahrheit war. Hierdurch
wird nun der altonaische Zeitungs Schreiber auch wiederlegt, als
welcher in seinen Mercur No. 94 unter dem Articul aus den
Brandenburgschen vom 12. Junii 1763 vorgiebt, der General
Wunsch wäre der Meynung gewesen, das Corps müste sich durch-
schlagen, und hätte er sich erbothen an der Spitze des Regiments
Jung Plathen der erste zu seyn, um alles, was sich dem Durch-
marche wiedersetzen würde, aufzuräumen; allein dieses Gutachten
wäre nicht befolget, weil 8 andere Generals Persohnen dasselbe
gar zu wagsam befunden. Wer den Zeitungs Schreiber dieses be-
richtet hat, ist von der Sache sehr schlecht informiret gewesen,
und ersiehet man aus der Wahrheit, die ich hier schreibe, genug-
sam das Gegentheil; ja ich wiederhole es noch einmahl, dafs ich
wohl vor allen die mehreste Lust zum Durchschlagen bezeuget
habe; alle, die um mich gewesen, sind Zeuge, wie schwer es
Digitized by Google
— 16G —
mir gefallen, in einer Gefangennehmung zu willigen; selbst der
General Wunsch, wenn er nach seinen Gewifsen und der Wahr-
heit gemäfs sprechen will, weifs dieses zum besten, weil er die
gantze Nacht mir jederzeit zur Seythe gewesen ist.
5. Warumb ich, um die Bagage zu retten^ eine CapiMation
unterschieben hätte.
Ich war nicht in die Umstände, um von dem feinde eine
grofse Capitulation zu verlangen, es ist auch von mir niemahlen
dergleichen unterschrieben worden, sondern ich war leider ge-
zwungen, mich schlecht weg gefangen nehmen zu lafsen; dafs uns
der feind die Bagage gelafsen hat, geschähe lediglich auf meine
nachherige mündliche Vorstellung. Und da wir doch einmahl ge-
fangen waren, so war es wohl meine Schuldigkeit vor die armen
officiers und gemeine so viel als möglich zu sorgen und zu ihrem
besten beym feinde was auszuwürcken.
6. Warumb ich mich mit den gantzen Corps nicht hätte
massacriren lafsen.
Dafs dieses nicht geschehen ist, hat die einbrechende Nacht
verhindert, sonsten würde es mir nicht befser als den General
Fouquet gegangen seyn; ich habe schon vorhero genuug gezeiget,
dafs mir kein Mittel übrig blieb zu entkommen; so viele Lenthe
aber aufzuopfern, ohne dem Könige nur den geringsten Dienst
dadurch zu erzeigen, dieses hätte ich wohl vor Gott, dem Könige
selbst und der gantzen Welt nicht verantworten können, zumahlen
ich wüste, dafs in unserer Gewalt noch so viel Kriegsgefangene
waren, mit welchen wir gleich hätteD können ausgewechselt
werden; ich konte aber nicht vorher sehen, dafs die dieserwegen
errichtete Verträge vom feinde würden aufgehoben werden und
wir dadurch leider bifs zum frieden in der Gefangenschafft bleiben.
Nachdem ich nun alles gethan hatte, was man menschlicherweise
von mir verlangeu konte, die mehreste artillerie verlohren ge-
gangen war, die Infanterie wenig munition mehr hatte, die Pferde
der Cavallerie auch iu schlechte Umstände waren und zum agiren
kein terrain hatte, mir auch kein Loch in der Nacht heimlich
zu entgehen offen gelafsen war, und der gemeine Mann so intimi-
*
Digitized by Google
— 1G7 —
dirt war, dafs mau ihm nicht mehr am feinde heranbringen konte,
so blieb mir leider wohl nichts mehr übrig als ^eine unglückliche
Gefangenschafft zu erwehlen.
Der General Vasold giebt fälschlich vor, er hätte gegen die
Ergebung am feinde protestiret; wer ihm kennet, der weifs, dafs
er zu allen ehr ja saget, als dafs es ihm einfiele zu protestireu;
dafs ihm auch dieses uiemahlen eingefallen ist, davon sind alle
Generals Zeuge, besonders der General Wunsch; er giebt auch
vor, ich hätte die ordre zur attaque der Cavallerie au ihm ge-
schickt; ich wüste wohl nicht, was mich dazu hätte bewegen
können, da der General Bredow älter war als er und die gantze
Cavallerie commendirte, er auch wüste, wie sehr ich diesen wür-
digen Mann Ihm preferirte; hat er geglaubet, durch dieses Vor-
geben mir tort zu thun, weil er wohl gemerckt hat, dafs ich in
Ihm eben kein grofses Vertrauen setzte, so kau hierauf weiter
nichts sagen, als: Herr vergieb Ihm, denn er weifs nicht, was
er thut.
Ich lafse nunmehro einen jeden beurtheilen, der das metie
verstehet, ob 'ich so straf bahr gewesen bin, als man mich ver-
urtheilet hat; das Kriegsrecht selbst gestehet in der Sentenz, dafs
man mir nicht die geringste lachete beschuldigen könte, Worth,
welches mir jedoch sehr choquirte, als wenn man mich, solches
zu begehen, hätte capable geglaubet, da doch alle meine Richters
vom ersten bifs zum letzten von meiner bezeigten Fermete in
vielen fällen Zeugen abgegeben haben. Diese meine Richter
haben in ihren Spruch blofs auf der Anklage, aber nicht auf
meiner defension gesehen, es sind viele Worthe in der Sentenz,
durch welche man mir aber keiner Schuld überführet; die Gegend
selbst war ihnen, um von allen gehörig zu urtheilen, wenig oder
gar nicht bekant: Ich wollte wünschen, ich hätte von den
gautzen Verhör und der Sentenz eine Abschrifft, so könte ich
meine defension noch befser ausfuhren; denn es kan seyn, dafs
mir unterschiedene Kleinigkeiten, die dabey vorgefallen, aus dem
Sinne gefallen sind. Meine Situation bey Maxen war leider so,
dafs, wenn mir nicht ein besonderes Glück wiederfuhre, so muste
ich allezeit unglücklich seyn, ich hätte eine Parthey ergreiffen
mögen, welche ich wollte, und kan ich mit recht sagen, ich bin
gestrafft, weil ich unglücklich gewesen bin. Hier mufs ich noch
des General von Rebentisch gedencken, welcher auch wegen dieser
Action zur Verantwortung gezogen und unglücklich geworden
Digitized by Google
— 168 -
ist, indem man ihm schuld gegeben, er hätte mir zu der Ergebung
am feinde gerathen und sich zu dieser Unterhandlung von mir
gebrauchen lafsen. Meine defension ist hierinuen die seinige; ich
mufs aber dabey gestehen und ihm zum Ruhm nachsagen, dafs
er während der gantzen Actiou sich als ein rechtschaffener, braver
und vernünfftiger General aufgefuhret hat; hiervon bin ich nicht
allein, sondern das gantze Corps ein Augen Zeuge gewesen, da-
hero mir sein Unglück um desto mehr nahe gegangen; denn er
hat gegen mir aufrichtig gesprochen, da hingegen die übrigen
Generals zu alles still geschwiegen haben oder auch dergleichen
Vorschläge gethan, die sie nachhero auszufuhren nicht im Stande
gewesen sind.
Ich fuge diesen noch meine Meinung hinzu, was ich nemlich
glaube, dafs da hätte geschehen können: Ich hätte nemlich mit
meinen Corps nicht weiter als bifs Dippoldswalde marchiren müfsen;
hätte ich aber nach Maxen gehen sollen, so muste mir der groste
Theil der Armee folgen, oder auf der Nachricht, dafs ich mich
bey Maxen etabliret hätte, gleich mit der gantzen Macht bey
Pesterwitz und der Weiseritz vorrücken, wobey ich dennoch ris-
quirte; wäre mir aber der gröfste Theil der Armee gefolget, so
hätte man befser profitiren können eine ravage in Böhmen zu
machen, man hätte Kleist können Infanterie mitgeben, so würde
er befser reussiret haben die feindliche Magazins zu ruiniren, und
dieses wäre hinreichend gewesen Daun zu zwingen, Dresden und
gantz Sachsen zu verlafsen; die Umstände, welche ich davon in
meiner Gefangenschafft erfahren habe, sind davon für mich über-
zeugende Beweifsthümer. Will man mir einwenden, zu diesen
Project würde es schwer gefallen seyn der Armee die Subsistentz
zu verschaffen, so gebe darauf zur Antwort: hätte man hierzu
nicht Rath schaffen können, so wäre es befser gewesen, das gantze
Project zu abandoniren, oder man hätte mir nicht weiter als bifs
Dippoldswalde sollen vorrücken lafsen; dabei wäre es nöthig ge-
wesen den Posten bey Klingenberg auch noch hinlänglich zu be-
setzen. Der jetzige General Major von Kleist von die Hussaren
weifs zum besten, was ich hierüber mit Ihm in Freyberg ge-
sprochen, und mit was vor einen Wieder willen ich nach Maxen
marchiret bin. Es ist wahr, man mufs im Kriege öffters was
auf den Hazard ankommen lafsen; da nun aber nicht alle Hazards
reussiren, so ist auch derjenige General nicht straffbahr, welcher
Digitized by Google
— 169 —
unglücklich ist, zumahlen wenn er dergleichen entreprisen nicht
vor seinen Kopff unternommen hat, sondern dazu beordert ist,
man ihm auch in seiner conduite mit recht nichts zur Last
legen kan.
Ich schliefse dieses und wünsche alle meine Richters, dafs
keiner von ihnen jehmahls in der critischen Situation kommen
möge, in welcher ich gewesen bin; ich bin fast versichert, dafs
es keiner würde befser gemacht haben als ich.
v. Finck.
Digitized by Google
Bibliographie.
(Verzeichnis der abgekürzt citierten Werke.)
Archen holz, J. W. v.. Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutsch-
land. 2 Teile. Berlin 1789—93. 8°.
Arneth, Freiherr v., Maria Theresia und der siebenjährige Krieg. Band 2.
Wien 1875. 8*.
Beihefte zum Militär-Wochenblatt, herausgeg. von v. Löbell. 1882, 1. Heft.
1884, 1. 2. und 8. Heft. Berlin. Mittler u. Sohn. 8°.
Beiträge zur Geschichte der österreichischen Kavallerie, verf. in der Ab-
teilung für Kriegsgeschichte des k. k. Kriegs- Archivs. 2. Lieferung.
Wien 1881. 8°.
Bellona, Ein militärisches Journal. 3. Band. Dresden 1784. 8°.
Bernhard], Friedrich der Grofse als Feldherr. 2 Bände. Berlin 1881. 8°.
Blumenthal, Zieten-Biographie. 1. Auflage. Berlin 1797, 2. 1800, 3. 1805,
ins Französische übersetzt in 2 Bänden. Berlin 1803. 8°.
de Catt, Unterhaltungen mit Friedrich dem Grofsen. Memoiren und Tage-
bücher; herausgeg. von Reinhold Koser. Band XXII. der „Publika-
tionen aus den kgl. preufs. Staatsarchiven." Leipzig 1884. 8°.
(Cogniazzo), Geständnisse eines österreichischen Veterans in politischer
u. militärischer Hinsicht auf die interessantesten Verhältnisse zwischen
Österreich und Preufsen während der Regierung des grofsen Königs
der Preufsen, Friedrichs des zweyten etc. Breslau 1794. 8°.
Danziger Beiträge. „Beyträge zur neueren Staats- u. Krieges -Geschichte.*
Zweyte Auflage. Danzig 1757—1764. 190 Stücke in 19 Teilen. 8°.
Duncker, Max., Aus d. Zeit Friedrichs des Grofsen u. Friedrich Wilhelms III.
Leipzig 1876. 8°.
Oeuvres de Fr6deric le Grand.
Bd. Il-V. Berlin 1846-1847
(Akademische Ausgabe.) 8°.
Geschichte des siebenjährigen Krieges. Mit Benutzung authentischer Quellen
bearbeitet von den Offizieren des grofsen Generalstabs. 6 Teile in
8 Bänden. Berlin 1827—1847. 8°.
Helden-, Staats- und Lebensgeschichte Friedrichs des Andern. 5. Teil.
Frankfurt und Leipzig. 1760. 8°.
Henckel von Donnersmarck, Militärischer Nachlafs, herausgeg. von Karl
Zabeler. 2 Bände. Zerbst 1846. 8°.
Herrmann, 0., Über die Quellen der Geschichte des siebenjährigen Krieges
von TempelhofF. Inaugur. Dissert. Berlin 1885. 8°.
Frßderic IL, Histoire de mon temps
— , Histoire de la guerre de sept ans
Digitized by Google
- 171 —
Jahrbücher für die deutsche Armee u. Marine, herausg. von Cf. v. Marees.
Bd. LVI1I. Berlin 1886. 8°.
Posner, Max. Zur litterarischen Thätigkeit 'Friedrichs des Grofsen in:
„Miscellaneen zur Geschichte König Friedrichs des Grofsen", her. von
der preufs. Archivverwaltung. Berlin 1878. 8°.
(Retzow, F. A. v.), Charakeristik der wichtigsten Ereignisse des sieben-
jährigen Krieges. 2 Teile. Deutsche Ausgabe 1802, französische
1803. Berlin. 8°.
Rödenbeck, Tagebuch oder Geschicht8kalender aus Friedrichs des Grofsen
Regentcnleben. Bd. II. Berlin 1841. 8°.
Sammlung ungedruckter Nachrichten, so die Geschichte der Feldzüge der
Preufsen von 1740-1779 erläutern. Teil 2. Dresden 1782.
Schäfer, Arnold, Geschichte des siebenjährigen Krieges. 2 Bände in
3 Bden. Berlin 1867—1874. 8°.
Schöning, K. W. v., Der siebenjährige Krieg nach der Originalkorrespon-
denz Friedrichs des Grofsen mit dem Prinzen Heinrich und seinen
Generalen. 3 Bände. Potsdam 1851. 8°.
Seyfart, Geschichte des seit 1756 in Deutschland geführten Krieges. Frank-
furt und Leipzig. 1759-1765. 14 Teile. 4°.
Taysen, von, Zur Beurteilung des siebenjährigen Krieges. Berlin 1882. 8°.
Tempelhoff, G. F. v., Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutsch-
land zwischen dem Könige von Preufsen und der Kaiserin Königin
mit ihren Alliirten. 3. Teil. Berlin 1787. 4°.
Tielcke, J. G., Bey träge zur Kriegskunst und Geschichte des Krieges von
1756 bis 1763 mit Plans u. Charten. I. Stück. Freyberg 1775. 4°.
Warnery, Campagnes de Frederic II. roi de Prufse de 1756 ä 1763. 1788
s. 1. 8°.
Winter, Georg, Hans Joachim von Zieten. Eine Biographie. 2 Bände.
Leipzig 1886. 8°.
— , Zieten bei Kolin. 8. Beiheft zum Jahrgang 1884 des Militär-Wochen-
blattes.
— , Der Feldzug des Herzogs von Bevern in Schlesien und die Schlacht
bei Breslau. August- und Septemberheft 1886 der „Jahrbücher für
die deutsche Armee und Marine", herausgeg. von v. Marees.
— , Zur Kritik Tempelhoffs und des militärischen Nachlasses des Grafen
V. A. Henckel v. Donnersmarck in den „Forschungen zur deutschen
Geschichte". Bd. 25. 453 - 474.
Zimmermann, A., Aus dem Briefwechsel Friedrichs des Grofsen; die Ent-
stehung des preufsischen Planes für den Feldzug von 1757. 1. Beiheft
zum Jahrgang 18b2, 1. u. 2. Beiheft zum Jahrgang 1884 des Militär-
Wochenblattes.
Digitized by Google
R e g i s t e r. 1 )
Die kleinen Zahlen rerweisen auf die Anmerkungen und auf den zugehörigen Text»
Ahremberg, Herzog von, 'iL 102.
Ainse, Marquis de, 02. 12L
Altenberg (Altenburg) im Erzgebirge
iftR.
Altonaische Zeitung 105.
Archenbolz, W. von. Geschichte des
siebenjährigen Krieges in Teutsch-
land 12. 15. 10.
Augustusberg bei Nossen 43. 135.
Augustnsburg iLL
Auisig 38. 43. 135.
Bamberg 102.
Beck, Österreich. General 112. 143.
Bellona (militärische Zeitschrift) 82.
Benekendorf, preufsisches Grenadier-
Bataillon 83. 84. 82. 89. 92. 121
122.
Bennerich s. Pennerich.
Berenhorst 5,
Berlin 142. 148. 150. 151. 154. 150.
Bevern, Herzog von, 4. 10. 19.
Billberbeck (fiüher von Humboldt),
preufs. Grenadier-Bataillon 84. 82.
12L 122.
Bioschwitz s. Ploschwitz.
Blumenthal, Frau von, Zieten-Bio-
graphie 155 2 .
Bobritsch. Nieder-, 43. 13fi.
Bohra, Deutsch-, 32.
Botta, Österreich. Regiment 124-,
Braun, Österreich. General 142.
Bredow, v., preufs. General-Major 77 2 .
flim iii 160. 102.
— , preufs. Regiment 84.
Brentano, Österreich. General 22. 35*
30.4L40.42.50.52.5fi.58.59.
Gl— 67. 84. 88. 89. 93. 24. 104. 102.
Hfl. 115. 118. 122. 122. 1817—141.
143. 152. lfiü. 162—164.
Breslau, Schlacht bei 4. 10. 19.
Bülow, v. 142.
Eurkhardswalde 00. 62. 69. 128.
Carsdorf, Wendisch-, 88.
Cassel, v., preufs. Regiment 84. 85.
90. 123.
Catt, de, Vorleser des Königs 9. 22 1 .
Chemnitz 13 ( .>.
Cogniazzo, Geständnisse eines österr.
Yeterans IS.
Colloredo, Jung-, Österreich. Regi-
ment 124.
Cotta 14a im
Czetteritz, v., General-Lt. 155,
Danneberg, s. Tanneberg.
Danziger Beiträge 81 1 . 1231
Daun, österreichischer Feldmarschall
19-21. 24». 25. 2fil 22. 33. 34. 35».
36—38», 39^ 42. 44. 45. 47 5 . 52—55.
58 1 59. 60 2 . 61-. 64. 00. 62. ßfi. 20.
22. 73 2 . 74*. 25. 20. 84. 88. 93. 94.
92. 109-KU m 115. 120. 122.
124 1 . 125-127. 134». 137—142. 145.
148. 149. 152. 1tW— 161- 103. 108.
Dippoldiswalde 28. 30. 32. 38 1 . SSL
40-. 43. 44. 46—55. 57—59. 68. 24.
20. m-Rfl. 88, 91. 102L 104. 111.
114-116. 120. 12L 124. 13fL
135—143. 151. 152. 158—161. Ifl8.
»1 Die Ortsnamen sind, auch wenn sie nur in Aktenstücken in alter
oder enstellter Form vorkommen, im Register in der modernen Schreibweise
gegeben. Die alte oder entstellte Form ist entweder in Klammern daneben-
gestellt oder durch Verweise kenntlich gemacht.
Döbeln 35.
Döhlen bei Mügeln ML
Dörschnitz (Dörsnitz) 32. 134.
Dohna 28, 44. 46— ix. 50-58', 56. 59.
66. 67 1 . 88. HL 86, 88—90, 25, ÖL
98. 104. 107. 10S. lltL 114. 118.
122, 123. 140. 14l>-144. 14() -148.
15L 152,
Dombasle, Österreich. General 62. 12L
Dresden 20, 25, 341 35, 32=39. 43 4k
47i- V 53. 59. 69. 102. 1QL im 121L
133. 137. - 14: J . 145. 118. 141L 168.
Dronitz 8. Tronitz.
Effern. Graf von. Österreich. General
43. 66. 13fL
Eichel, Kabinettssekretär Friedrichs
des Grofsen 231 32». 34». 48. 138.
133. 142. 143. 145-148. 155*.
Elsterwerda 20 1 .
Etzdorf 35. lüL
Fabri, Österreich. Major 58. 60 3 . 125.
lfil.
Falkenhain 66. 67». 91 108,
Finck, y. preufs. General, s. Inhalts-
verzeichnis.
Finck. v., Regiment 63. 89. 92. 122.
Finckenstein, Graf von, preufsischer
Minister 20». 23». 32». 34». 38». 53».
144-148.
Forcade, von, preufs. General-Lieute-
nant 155.
Fouqu6, preufs. General lfiß.
Frauenstein 68. 14:1
Freiberg 32. 40*. 42. 43. 5L 53 l . 68,
85.8189.104.114,112. 124. 130,
135. 131. 139. 144. 146. 148. m
101. 168.
Friedrich der Grofse, s. Inhaltsver-
zeichnis.
— Histoire de mon temps 2.
— Histoire de la guerre de sept ans
30, 32. 132. 133.
Friedrich Wilhelm III 51
Fugger, Graf v., österr. General 66.
Gamig 67_ 86.
Gaudy 5. Ü KL 11 12, 14—16. 23-25.
29. 48 3 . 50». 55». 56 2 . 57». 58». 59».
61*. 62». 64». 74». 77*. 99-117.
(Kritik), 118. 120. 12a— 132.
Gersdorf, von, preufs. General-Major
40 2 . 43. 64. 68. 77*. 92. 97. 135. 137.
150. 15L 15L 155, 158. 162.
— Husaren-Regiment 84. 90, 1QL 122.
156.
Giefshübel 43. 46. 47». 52. 56.59, 66.
103, 102. 115, 138,
Glogau 20». 34».
Goltz, Freiherr von der, 15.
Gompsen 52. 120. 140.
Grabow, preufs. Grenadier-Bataillon
5L 61-64». 86, 88, 122, 126. 140,
16L
Haddik, Österreich. General der Ka-
vallerie 142.
Häselich ÖL 90, 123.
Häfslich, Ober- 43. 46, 55. 85. 8L
12L 136.
Haugwitz, von, preufs. Major 46. üü.
6L 85-87. 121
Hausdorf 55, 60 -62. 88. 89. 101 110.
122. 125, 122,
Heinitz 35,
Heinrich. Prinz v. Preufsen fi, 8! 9.
11-13. 16 — IS. 20-22». 23—29.
32». 34-36». 32. 40. 52 s . 77'. ÖS.
im 1ÜL 103, 105. 11)9. 132, 145,
1 07.
Horn, v., Kürassier-Regiment 84. 82.
121
Heldengeschichte Friedrichs des An-
dern 81».
Henckel v. Donnersmark, Graf von
13»- 2 . 15,
Herzogswalde 13L
Hochkirch, Überfall bei 19. 38,
Hülsen, von, preufs. General 20. 34,
35. 39, 52. 5k 74»-». 142, 143.
— Bataillon 85, ÜLL 123. 122.
Humboldt, v., Grenadier-Bataillon. 8.
Billerbeck.
Katzenhäuser 103.
Keaselsdorf 114. 136. 137_ L4L
Kleefeld, von, Österreich. General-
Feldwachtmeister 66. 62. 69 12a
148.
Kleist, von, preufs. Husaren-Obrist
43. 91 102. 101 135. 138-140. 142.
143. 16H.
— Grenadier-Bataillon 62. 63. 68. 74».
83. 81 82. 89. 92, 121». 122.
Klingenberg 43, 136, 168,
Knobloch, von, Bataillon 85. 90. 123.
127.
Kolin, Schlacht bei 5, 10, 19.
Kopenhagen 108.
Korbitz 32.
Krögis 3L 40, 42*. 135, 158,
Kunersdorf, Schlacht bei 19, 20, 102.
Lacy 39. 45, 73 2 . 251 26. lfil 165.
Laudon 135.
Lauenstein 68. 137. 138.
Lehwald, v.. preufs. Bataillon 85. 90.
94. 123. Iii
Leibnitz s. Leubnitz.
— 174 —
Leitwitz bei Bautzen 134.
Lentulus, von, preufs. General-Major
40 2 . 158.
Leubnitz 05.
Leuthen, Schlacht bei 19.
Leutwitz s. Leitwitz.
Limbach bei Wilsdruff 139.
Lindstädt, preufs. General-Major 44.
46. 48 2 . 49-51. 56 1 . 63-66. 77 3 .
8a. 86. 90. Ü3. 94. 114. 115. 123.
130. 13L 139. 140. 151. IM.
Linz 149.
Lloyd LL
Lockwitz bei Dresden 95. 113. 138.
Lommatsch M. 35.
London, Hof von 145.
Lotheim (Löthain?) IM.
Luchau 68.
Lungwitz 56. 89. 95. 122.
Maltern 55. 59. 123. 124.
Maria Theresia 35.
Marienberg 43.
Maxen s. Inhaltsverzeichnis.
Meilsen 84. LSfl 1f»?.
Miltitz 135.
Modena, Jung- 1 Österreich. Kürassier-
— , Alt- | Regimenter 52 1 .
Moritz von Anhalt 10.
Moschinska, Gräfiu 138. 14L
Mosel, v., preufs. General-Major 59.
ÜLL ß3. 77 2 . 87. 88. 111. 121. U>4.
150. 160.
Mügeln 46. 47 5 . 08. 86. 98. 107. 109. 138.
Mühlbach 56. 122.
Münchow, Obrist von 63. 92.
— , Regiment 86. 90. lia 123.
Napoleon L 9. 12.
Nettnitz s. Nöttnitz.
Neukirch 3Z 134.
Neustadt 84.
Nöttnitz 138. 139.
Nollendorf 143.
Nossen 22. 35. 36. 43. 104. 132» 157.
Nürnberg 102.
Odonnel, Österreich. General 52. 55.
58. 59. ÖL 62. 04.
Oppendorf 38.
Oschatz 35.
Ottendorf 136.
Falffy, Feldmarschall-Lieutenant 61L
62. 22. 128.
Pennerich 161.
Pesterwitz ML 168.
Petersdorf, v., Obrist-Lieutenant 94.
Pfau, von.' Fincks Adjutant IL 72 l .
73». 75». 150.
Pirna 43. 46. 47\ 98. 107. 138. 147.
Platen, v., preufs. General-Major 55.
56. 58-61. 77 2 . 87. 88. 104. III.
12L 124. 126.
— , Dragoner-Regiment 44. 84. 90.
122. 123 1 . 13L 149.
Plauen 39. 45. 46. 69. 139. 103.
Ploschwitz 65—67. 23. 86. 90. 94. 98.
1QL 143. 148. 162—164.
Podewils, preufs. Minister 147.
Polenz, Nieder- 1.34.
Porschnitz (Porsnitz) 134.
Possendorf 46. 68. 22. 85. 95. 13L
140. 160. 163.
Potsdam 150.
Prag, Schlacht bei 19. 149.
Pretlach, Österreich. Kürassier-Regi-
ment 52 1 .
Pretsch, Gefecht bei 34 1 . 102.
Puttkammer, v., General-Major 146.
Rabenau 46. 85.
Rabenberg (Rabensberg) 32. 134.
Rabschütz 13").
Ramin, v., 155*.
Rebentisch, v.. preufs. General-Major
63. 68. 70* 22. 73 2 . 25. 77*. 84. 8JL
122 1 . 144. 145. 149-151, 154—156.
1Ü2. 164. 162.
— , Regiment 56. 63. 64 1 . 16L 162.
Rechenberg 138.
Reichstädt 24.
Reinecken, Ober-Auditeur 154.
Reinhardsgrimma 28. 29. iß. 55. 56 2 .
521. 58 1 . 59-61. 24. 82. 88. 104,
105. HO. HL 12L 124. 125. 129.
Reinholzhain 87. 1*21.
Retzow, v., 5. IL 12. 21». 24L 25-28.
29. 37 1 . 39 l . 40 2 . 48 2 . 58L 80. 105.
13L 132.
Ried, Österreich. General 148.
Rippien (Rippgen) 45. 52. 24. 115.
Rödenbeck 155 1 .
Röhrsdorf 52. 56'. 59. 64. 102. HL
190. 124.
Rofsbach. Schacht bei 19.
Rofswein 22. 35. 1 57.
Saaz 43.
Salenmon, preufs. Freibataillon 84. 85.
90. 92. 98. 10Z. 108. 123.
Sammlung ungedruckter Nachrichten
29». 32. 47*. 48 2 . 55 1 . 56. 61 3 . 621
64L 65 1 . Ö9 3 . 70 1 . 81 2 . 82». 119. 120 ff.
129. 13L
Scezeni, Österreich. Husaren-Regiment
52».
Schencke ndorf. von 32
— , Bataillon 62. 84. 85. 89. 90. 91.
122. 122.
— 175 —
Schlaberndorf, v., preufs Minister 53 l .
ML
Schluckeau 38.
Schmerzing, Österreich. Kürassier-
Regiment 52 1 . 65. 11a
Schmiedeberg 1Q4,
Schmorsdorf 56 l . 62. fifi. 67 1 . 69. 7JL
89.90.93.91.112.122. 123. 15L 163.
Schöning, K. W. v., 6. 8». 16. 12. 20 l .
30». 71». 23L 75*. 77 l . 143.
Schröder. Österreich. Hauptmann 61 2 .
125. 126.
Seckendorf, Baron, Österreich. General-
Feldwachtmeister 59. 24. 123.
Sedlitz, Grofs- 44, 86. 98. 102.
Seyfart 81 1 .
Siebeneichen 1H4.
Siebenlehn 22. 3fL
Sincere. Österreich. General 32. 45. 50.
5L 52, 54». 55. 88. 109. 115. 140.
Hl Iii 159. 1(K).
Siskowitz, v., Österreich. General 5JL
62. 122.
Soebrigen 110.
Stolberg. Prinz von, 43. fiß. 69. 83.
lüfi. L3L
Stolpen 38. 44. 138.
Sürssen fiL öS. 22. 13. 24. 75 1 .
Süfsenbachsche Sammlung IL 13. 15.
Tanneberg 135.
Tempelhoff, Geschichte des sieben-
jährigen Krieges 5. 6» IQ. - 13 a .
14-16. 28 l . 29*. 32. 352. 36 i. 402.
43». 44'. 48 2 . 52». 55 1 . 56 l . 5&L 60 3 .
Ol 2 . 62 1 . 65 l . 69*. 2ÜL 71». 73 3 . 74 2 .
77 J . 81 2 . 98. 116. 112. 119-131
(Kritik), 14L
Teplitz 43. 142.
Teufelsmühle 88.
Tharandt 136.
Tielcke, Beyträge 5. 31 1 . 40 a . 46 l .
48 2 . S2» a . 55». 581 60 3 . 61 67».
fifl 1 ' 2 - 70». 73*. 74 3 . 77 3 . 81». 117—119
(Kritik), 121» 128«. 124 ff., 131.
Torgau 20». 34». 102.
Tronitz 55. 56. 64. 88. 89. HÜ 122.
Uyhazy, Österreich. General - Feld-
wachtmeister 62.
Vasold, preufs. General -Major 49».
77 2 . 8JL 8JL 130. 162.
— preufs. Kürassier-Regiment 46. 85.
Voghera, Marquis von, Österreich.
Feldwachtmeister 66.
Warnery, Campagnes de Frdd6ric II.
5. IL 12. 28*. 29. 132.
Wedell, v., preufs. General 32. 135.
150. 155.
Weesenstein ÖS. 69. 90. 123. 128.
Wien 35. 69. 124».
Willemay, preufs. Regiment 63. 83.
84. 90. 123.
Wilsdruff 23. 20. 39. 46. SIL 84,
14L 143. 144. 146. 142.
Winterfeldt, v., Fincks Adjutant 71»
Wittgensdorf (Wittgendorf) 55. 56.
OL 88. 89. 11£L 122. 123.
Wolfersdorf, Obrist von, 148.
Württemberg, preufs. Dragoner-Regi-
ment 44. 03. 64». 84. 8L 121». 122.
132. 149. 15L 154,
Wunsch, v., preufs. General-Major 37,
40 2 . 43. 44. 46. 47*. 48. 4JL 5L 56.
59. 6L 65*. 66. 67». 68. 70 3 . HL
72». 23 75». Zfi. 77 2 . 83-86. 90.
9L95.92.9S.102.mU2.118.12i
m 135-140. 1 44- 1 48, 150-154.
15L 158. 162-167.
Wylich, v, preufs. Gen.-Lt. 155.
Zastrow, Grenadier-Bataillon 5L 55.
61. 62, 63. 64». 86. 88. 122. 12JL
140. Ifll.
Zehista 103»
Zehren 149.
Zelle 36.
Zerbelloni, Österreich. Kürassier-Re-
giment 52».
Zieten, Hans Joachim von 15. 30».
52. 114. 129. 140. 150, 151. 154-156.
159,
Zittau 42L 139.
Zwickau 139.
Druck tob Leonhard Slraton, Berlin 8W.
Digitized by Google
R. Gaertners Verlag, H. Heyfelder, Berlin SW.
Altmaun. W. Der Römerzug Ludwigs des Baiern. Ein Beitrag znr
Geschichte des Kampfes zwischen Papsttum und Kaisertum. 4 JL
Bradley, .4. C. Die Staatslehre des Aristoteles. Eiu Essay. Über-
setzt von J. Imelmann. 2. Aufl. 1,80 JL
tierber, 4i. Die Sprache als Kunst. % neubearb. Aufl. 2 Bände. 20 JL
— Die Sprache und das Erkennen. 8 JL
Glesebrerht, W. v. De litterarum studiis apud Italos primis
medii aevi saeoulis. Acceduut nonuulla Alphani carmina vel
emendata vel inedita. 2 JL
Haym. It. Hegel und seine Zeit. Vorlesungen Uber Entstehung und
Ent Wickelung, Wesen und Wert der Hegelschen Philosophie. S JL
— Herder nach seinem Leben und seinen Werken. 2 Bände. 35 JL
— Wilhelm v. Humboldt. Lebensbild und Charakteristik. 10 ofL
— Die romantische Sohule. Eiu Beitrag zur Geschichte des deutschen
Geistes. 12 JL
| Jahresberichte über das höhere Sohulwesen. Herausgegeben von
C. Rethwisch. I. Jahrgang (1886). 8 JL
Jobb, It. C. Richard Bentley. Eine Biographie. Antoris. Über-
setzung von E. Wühler. 2. Auttage. 4 JL.
«loci, K. Zur Erkenntnis der geistigen Entwicklung und der schrift-
stellerischen Motive Piatos. Eine Studie. s 2 JL
Knoke, F. Die Kriegszüge des Germanicus in Deutschland.
Mit 5 Karten. 15 JL
Kreyhor, «I. L. Annaeus Seneoa und seine Beziehungen zum
Urchristentum. 5 JL
Lenz, M. Martin Luther. Festschrift der Stadt Berlin zum 10. November
1SS3. 3£it 1 Titelbilde. 2. Aufl. 3 JL., geb. 4 JL
L-ewy, II. Altes Stadtrecht von Gortyn auf Kreta. Nach der von
Halbherr und Fabricius aufgefundenen Inschrift, Text, Übersetzung
und Anmerkungen nebst einen Wörterverzeichnis. 2,50 JL
ItoIVs. JL. Erinnerungen und Mitteilungen aus Griechenland. Nebst
einem Vorwort von Otto Jahn. 4,50 JL
Schilling;, H. Quellenbuch zur Geschichte der Neuzeit Für
die oberen Klassen höherer Lehranstalten. 5 JL, geb. 5.Ö0 JL
Trendel eil bürg*, A. Die Laokoongruppe und der Gigantenfries
des Pergamenisohen Altars. Ein Vortrag. 3Iit 2 Lichtdruck -
tafeln. 1.20 JL
Wochenschrift für klassische Philologie. Herausgegeben von Georg
Andresen und Hermann Heller. Preis vierteljährlich 6 JL
Soeben erschien:
Die neuere deutsche
Geschichtswissenschaft.
Eine Skizze
von
Lord Acton.
Autorisierte Übersetzung von J. Imelmann.
8°. 1.40 JC
In ungemein «relialtvoller Darstellung wird in dieser Schrift der
Gnny charakterisiert, den die historischen Wissenschaften in Deutschland
von Antaug unseres Jahrhunderts bis zur Gegenwart genommen haben.
Alle Gebiete der Geschichtswissenschaft, auch Theologie und National-
ökonomie, tiuden vom Standpunkte universellster Lebensauffassung eine
eingehende Beachtung.
Unter der Presse:
Jahresberichte der Geschichtswissenschaft
im Auftrage der
Historischen Gesellschaft in Berlin
' heniusu-eyobi'n von
J. Hermann und .1. Jastrow.
VI. Jahrgang 1883. VII. Jahrgang 1884.
Etwa je 60 Bg. gr. 8".
(— Die Jahrgänge I— V sind im Verlage von E. S. Mittler & Sohn
in Berlin erschienen. - )
Seit 1873 erscheinen in meinem Verlage:
Mitteilungen aus der historischen Litteratur.
Herausgegeben von der
historischen Gesellschaft in Berlin.
Vierteljährlich ein Heft gr. 8°. Preis des Jahrgangs 6 JU
Die „historische Gesellschaft in Berlin" liefert durch die „Mit-
teilungen aus der historischen Litteratur" ausführliche Berichterstattungen
über die neuesten historischen Werke mit möglichster Bezugnahme auf
den bisherigen Stand der betreffenden Forschungen. Sie glaubt, da der
Einzelne nicht alles auf dem Gebiete der Geschichte Erscheinende durch-
sehen . geschweige denn durcharbeiten kann, den Lehrern und Freunden
der Geschichte einen Dienst zu leisten, wenn sie dieselben durch objektiv
gehaltene Inhaltsangaben in den Stand setzt, zu beurteilen, ob für ihren
Studienkreis die eingehende Beschäftigung mit einem Werke nötig sei
oder nicht.
R. Gaertners Verlag, H. Heyfelder, Berlin SW.
»•UC« IM LiJMtAM »'»ICH». (Mfll.
V
. r
-
Digitized by Google
Digitized by Google