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Full text of "Jahresberichte"

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Jahresberichte 




Philologischer 



Verein, Berlin 




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JAHREöBKßlCHTB 

DES 

PHILOLOGISCHEN VEREINS 

zu 

BEKLIN. 



K£UNZ£HNT£K JAHfiGANG. 



BERLIN. 

WElDMANliSCHE BUGüHAIiDLUKG. 
1893. 



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1. 

L i V i u s/) 



I. Ausgaben. 

]) T. Livii ab urbe cuiidita libri I, II, XXI, XXII. Adianctae sunt partes 
«eleetae ex libris Iii, IV, VI. Für den Schalgebraueh heraosgegebea 
voB Anton Zisf er I«. Dritte, verbeaswie Anfiafo. Mit Vinkitna;, 
NMnenverMidiBia, Anbuf , 5 Karten und d Abbildiogen. Wien «nd 



^) Nach den EredieioeD neines letsten Jthreaberielits (Zeitiehp. f. d. 

C\V. 1892) sind von mehreren dort br^prrichenen Aasgaben und Sihiiftea 
anderweitig Hezeusiooeo erschteaeo. leb stelle das, was mir bekannt ge- 
worden ist, im Folgenden zusammen (der Name des Rezensenten und der Ort, 
wo die Anzeige so finden ist, stehen in Hlaminern). 

C. Hanpt, Livius-Kommentar (M Hrah, Päd. Arch. 1S92 S. III; E. 
Wölfl; WS. f. klass. Fhil. 1892 Sp. 463 fl.; Söhns, Ceotrai-Org. 1892 8.609} 
B. KoUer, N. Phil. Rdseh. 1892 S. 23S). — Livii partes aeleetae von 
Grysar-Bitschofsky (Bruncke, N. Phil. Rdscb. 1891 S. 21S; Widmann, Gymn. 
Iby2 Sp. 203). — Livius B. 1—2 ed. Novak (E. Thoraas, Rev. crit. 1891 
S. 206). — Livius B. 1—2,21—22 von Ziogerle, 2. Anfl. (Widmann, Gymn. 
1992 Sp. 203; K. Phil. Rdsch. 1892 S. 2:i9). - Livius B. G— 10 ed. Zingerle 
(E. Thomas, Rev. crit. 1891 S. 2601f.; W. Heraeus, WS. t. klass. Phil. 1892 
i>p. 517 0*.; J. GoUing, Zeitschr. f. d. öst. Gymn. 1892 S. 838). — Livius 
B. 8, erkl. von Lvterbaeker (W. Heraevs» WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. 575f.; 
Widmann, Gymn. 1892 Sp. 431 f.). — Livius ß. 9, erkl. von Luterbacher 
(F. Fügner, Berl. Phil. WS. 1892 Sp. 714 ff.). ^ Liv ius B. 9—10 erkl. von 
Weirscnbora — H. J. Müller, 5. Aufl. (M. T. Tathaui , (iJass. Rev. VI (1892) 
Wr. 1; Ed. Wolff, WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. 294f.). — Livius B. 21, erkL 
von E. Wölfflin, 4. Aufl. von F. Luterbnrhrr 'K. Wnlff, WS. f. klass. PhiL 
1892 Sp. 211ff.). ~ Livias B. 22, erkl. von VVeilsenboru— H. J. Müller 
(M. T. Tatbim, Claas. Rev. VI (1692) Nr. 1; B. Rrah, Päd. Areh. 1892 S. 107; 
Ed. Wolff, WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. 296 F.). — Livius B. 36-38 voo 
Wcirsenborn-M. Müller (Bruncke, N. Phil. Rdsch. 1891 S 2:<1 ff; E. Wolff, 
WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. 182ff.). — Fügner, Lexicon Livianum (A. Schmidt, 
Zeitschr. f. d. öst. Gymn. 1891 S. 1038). — Gustafsoo, De Livii Itbro XXI 
enirnrlnndo (E. Thomns, Rew rrit. 1891 S. 26ü ff V — Hülsen und L i n d »er. 
Die AUiaschiacht (A. de Cieuleueer, Hev. de Tiustruction publique en Belgiqae 
1892 S. 2010*.). V. Stern, Das haanibalische Troppenveraeiebna bei Li- 
vius (F. Spiro, Berl. Phil. WS. 1891 Sp. 1584; \V. Sölten, DLZ. 1892 
Sp. 1202f.). — Win kirr, Dir Dittographien in dt^ti IVikomacbiaDischen 
Codices des Livius. i (J. Goiiiug, Zeitschr. f. d. öst. Gymu. 1891 S. 936). 
JahieahaiUhto ZIZ. 1 



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Jahr«tb«riehtfl d. pliilolog. Vereins. 



Prag, F. Tempskv, 1892. Xu. 356 S. kl. S. 1,50 M, freb. 1,S0 M. 
— Vgl. £. Thomas, Hev. crit. 1891 S. 344; A. Schmidt, Zeitacbr. f. 
d. 88t. Gymn. 1892 S. 221 IT. 

Diese dritte Auflage unieischeidet sich von der vorhergehen- 
den naiiienilich dadurch, dals 1) alle Jleigaben von Auiang bis zu 
Ende in deutscher Sprache geboten werden, und dafs 2) ein splen- 
dider Druck mit größeren Lettern und breiteren Intervallen an- 
gewandt ist, der dem Auge woblthut Beide Neuerungen k&nnen 
nur gelobt werden. 

Die Einleitung (5 S.) über die rdmische Gescbicbtsschreibung 
bis Livius einscliliefslich ist etwas erweitert worden; sie enthält 
für den Schüler eher zu vipl als zu weni^r , namentlich in der 
ersten Hälfte sind manche Lmzelliciifn unnölig. Der neu hinzu- 
gefügte Anhang besteht aus drei Ai likeln: 1) Die röniii?che Staats- 
verfassung (4 S.)t 2) Einiges über das römische Kriegswesen (5 S.), 
beides von J. Jung ; 3) Die Divination bei den ROmem (5 S.), 
von G. Hergel. Diese Artikel sind [ganz kun gehalten, bieten 
aber IMtkdem mehr, als der Schüler zu wissen braucht. Nr. 3 
kMnte getrost fehlen, auch Nr. 1 und 2 sind nicht onentbehrlich; 
will Zingerle diese Stücke in Zukunft beibehalten, so mub er 
sdne Adjutanten zu .shli«ti?rher Nachbesserung anhalten. 

Der Text hat an manchen Steilen Änderung erfahren. Es 
heifst im Vorwort: ,,Den Text habe ich einer genauen Revision 
unterzogen, wobei ich das Beachtenswerte in seither erschienenen 
neuesten Tublikationen, sowie Winke der freundlichen Rezensionen 
und hrlefliehen Mitteilungen gewissenhaft au benutzen bestrebt 
war**. Der Hsgb. hat sich im 21. und 22* Buche namentlich an 
Luchs angeschlossen, ist aber sowohl hier wie in den anderen 
Büchern (warum die Stücke aus dem 3., 4. und 6. Buche sich 
nicht an das 2. 13uch anschiielsen, sondern hinter dem 22. Buche 
folgen, ist schwer 7a\ erkennen) weiter gegangen als jener und 
stimmt im wesentlichen, aber iitnieswegs fil)pr;ill. mit Wfsb.-Ml. 
öberein. Übrigens hat auch die hloise Hückbitla auf den Schüler 
einige Änderungen veranialst. Auf die gewählten Laa. kann ich 
hier nicht eingeben, weil ich öfter Gesagtes wiederholen möfste; 
fragen niOchte ich dber doch, ob 2, 36, 2 die Konjektur ^et tte 
consttbW nmtiarei wegen § 4 (m* «ol ^open oc wmUet comidibus) 
als so sicher zu gelten hat, daft sie in den Text aufgenommen 
werden durfte. Ich halte ea, wie statt ac überliefert ist, nicht 
för unentbehrlich, was Mg.s Ansicht zu sein scheint, der (et) ea 
schreibt, im Geiienteil, ich sfihe p> hVher, wenn es fehlte; wenn 
es aber geändert werden soll, so entwickelt sich aus ea doch wohl 
leichter et als ac; ac vor c durch Konjektur herzustellen, hat 
überdies selbst in der ersten Dekade seine Bedenken. 

£ihe konsequente Orthographie ist beabsichtigt gewesen, aber 
nicht Ikberall erreicht; hierauf wird hei der nächsten Auflage ge- 
achtet werden müssen. Dahin gehört auch, dafs die beigegebenen 



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Li vi äs, von B« J. lllillor. 



Karten einige Namen in anderer Form zeigen als der Text; auf 
der ersten, welche „Roma ^ Carthago secundi belli punid tem- 
pore'* betitelt ist. findet sich z. B. Afeminm und Trasimenus. — 
Druckfehler: 2, 3, 7 litteris\ 2, 31» 6 «fiitltcare (derselbe Fehler bei- 
WX8b. Mi.)r 2, 54, 5 ^oTüori. 

2) Titi Li vi ab arbe coudita libri XXI, XXII, XXIII, XXIV, XXX. 
Edidit Antonius Zingerle. Für den Schuigebrauch bearbeitet tob 
P. Albre hl Mit 2 Karteo. Leiplig, 6. Freytag, 1893. VU v. 
334 S. 8. 1,50 M, geb. 1,80 M. 

Wie die unter Nr. 1 besprochene Ausgabe Zingerles durch 
die Instruktionen ffir den Unterricht an den Gymnasien in Öster- 
reich ins Leben gerufen ist, so scheinen die neuen preufsischen 
Lehrpläne zu der Albrechtschen Bearbeitung den Aniafs geboten 
zu haben. Es giebt Buchhändler, die, wenn in den Erlassen der 
Behörde von einer Auswahl die Rede ist, nicht ruhen und nicht 
rasten, ais bis «lip ein besonderes Buch mit dieser Auswahl auf 
deu Markt gebracht haben, und man kann wohl die Vermutung 
wagen, dafs auch bei vorliegender Bearbeitung der lebhafte Wunsch 
des Verlegers uiitge\sjikt liai, der neben der Auswahl iur Oster- 
reich auch eine für Preufsen bringen wollte. Es läfst sieb aber 
Dicht verkennen, dafs die Sache in beiden Fällen nicht gleich liegt. 
Auch Zingerle hat seine Auswahl „för den Schulgebrauch" heraus- 
gegeben. Dies verstehe ich aber nicht so, dals die Einleitung, 
das Namenverzeichnis und der Anbang etwas Besonderes sein 
sollen, wodurch das Buch zu einem Schulbuche werde; man 
kdnnte ohne das alles auskommen. Zingerle hat vielmehr nur 
diejenigen Fartieen des Livianischen Geschichtswerkes zusammen- 
gestellt, welche nach den ,, Instruktionen" auf den österreichischen 
Gymnasien gelesen werden sollen, und so hat seine Auswahl volle 
Berechtigung. \Vt:nn dagegen die neuen preufsisclieii Lehrpläoe 
vorschreiben: für Untersekunda Auswahl aus Livius, für Ober- 
Sekunda Livios mit besonderer Rücksicht auf den i>eschichte- 
Unterricht, für Untere und Oberprima Privatlektfire, namentlich 
aus Uvius, so kann dem allem mit den fünf irö Titel genannten 
Büchern unmöglich genftgt werden. Die Beschränkung auf die 
dritte Dekade ist außerdem ganz einseitig. Eine Auswahl, die 
allen genannten Zwecken dienen wollte, müfste mit T. Manlius 
beginnen und mit L. Aemilius Paulus gchlielsen; vorliegende Aus- 
wahl würde hörhslens für Obersekunda passen. Aber auch so 
ist die Abtrennung des 25. Buches vom vorhergelieiiden nicht zu 
billigen; denn wer wird die Belagerung von Syrakus blofs in der 
ersten, weniger luleressaateu Hälfte lesen lassen! Hiernach läfst 
sich schliefsen, dafe die vorliegende Answahl nicht durch die 
neuen LehrpÜne, sondern durch jene LebrplanentwOrfe veranlafst 
ist, welche vor Jahresfrist die preufslsche Lehrerwelt beängstigten. 
Der Verfasser der letzteren wird sich wundern, da& von seinen im 

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Jalirdtberiehte d. philolog. V^reios. 



Orkus schlummernden Vorschlägen gerade der die Lmuslektfire 
betreffende wieder zum Leben erweckt ist. Fflr den Unterricht 

bilden Clirestomathieen einen unnötigen Zwang; die Textausgaben 
sind jetzt so billig« dafs man die Bestimmung der Fartieen, die 
gelesen su werden verdienen, den Lehrern selbst uberlassen 
kann. 

Die Alhreciitsche Ausgabe unterscheidet sich von der Zingerle- 
scben dadurch, dafs fortlaufend am Rande kum luhaiisangaben 
Terzeicbnet sind (Rede des Hannibal, Verhalten des Senats, Rü- 
stungen der Karthager, der Lohn der Sieger, Hasinissa geströstet 
u. dergl*)- Darum helllBt sie auch zum Schulgehrauch „bearbeitet**. 
Dafs hierbei nicht allein an Schüler gedacht ist, geht aus der 
Einleitung und dem Anhange (Das römische Kriegswesen zur Zeit 
der punischen Kriege) hervor, welche beide, so kurz sie sind (4 
bezw. 6 S.), mehr enthalten, als der Schüler zu wissen braucht, 
ritmeniürh aber aus dem Verzeichnis der Eigennamen am Schlüsse 
des 1! iiidchens, welches für den Schuler gänzlich überflüssig ist 
(sämtliche Stellen für Afn, Aincu, Alpes, Apuiia, Carthago, Roma 
u. 8. w.). Ein solches Verzeichnis bat auch Zingerle unnötiger- 
weise beigefügt; aber er giebt wenigstens fiberaU Quantitäts- 
zeicbeD, wovon der Schöler etwas Ptutzen haben kann, nnd 
solche Stellensammlungen, wie die eben erwähnten, fehlen bei 
ihm ganz 

Wie Zingerle zu dieser Ausgabe den Text lieferte, so hätte 
er auch ganz gut seine Einleitung beisteuern können. Dndurrli 
wäre der Vurteil erzielt worden, dafs die heranwachsende Jugend 
der beiden befreundeten Staaten gleiche Daten erlcrnie. Nun 
wird, um ein Beispiel anzuführen, für Österreich Polyhios lü7 
T. Chr. als Geisel nach Italien gebracht, schreibt 40 Bficher 
itfTöQiatt welche die Zeit bis 146 Chr. umfassen und von 
denen nur die ersten 5 Bücher erhalten sind; für Preufsen da- 
gegen gelangt Polybios 166 v. Chr. als Geisel nach Italien, schreibt 
eine 'latoglcc xc(^o?Axij in 40 Büchern, in denen die Zeit bis 
16S V Chr. behandelt war, und das Werk ist uns nur in Bruch- 
stücken erhallfMi. 

Die Versciiiedenheit tritt schon im Titel auf; für Osterreich 
T. Livii . ., für Preufsen: Titi Livi . .; seihst der Verleger zerlegt 
sich in zwei anscheinend verschiedene Firmen. Dagegen sind die 
beigegebenen Karten die nämlichen, nur dafs Österreich eine mehr 
bekommen hat. 

3) Chrestomathie aas Livius. Für Jen Schn!j:r'I)i :iuch heraaspegrebpn 
voo Josef Golling. Wien, A. Holder, mi, XU a. 344 S. S. 
96 kr., geb. 1 fl. 8. kr. 

Dir Einleitung besteht aus zwei Abschnitten: 1) Leben 
und NVerke (h s i. Livius ('J S ), 2) Zum lateinischen Perioden- 
bau (4 S.). Nr. 1 giebt in klarer uuU kurzer Darstellung das 



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Livius, von H. J. Blüller. 



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Wichtigste, nicht mehr und nicht weniger, als der Schüler wissen 
mufs (S. V Z. 12 V. 0. ist ein Schreibfehler zu verbessern). Auch 
Nr. 2 isl kurz gehallen, enthält aber trotzdem eher zu viel als zu 
wellig; z. ß. daf« „die Rhetoren die Periode mit amhituSt drcuüuSi 
comjpnkmaio, com^piexiOt ämatucir^^^ seit Qaintitiaii auch mit 
fieri&dus bezeichneii'% brauchte den Schülern wohl nicht mitgeteilt 
2U werden. Der Hagb. war hier etwas aiufuhrlicher, weil „die 
gegebene Skizze eine Lücke unserer grammatischen und stilisti« 
sehen Lehrbücher auszufüllen sucht**. In den mir bekannten 
stilistischen Lehrbüchern linde irh diese Lücke nicht Das Ge- 
botene soll ,, Substrat der »ringi Ik iiden Unterweisung« des Lehrers 
sein und ist als solches gewüs dankenswert (ich halte es für einen 
glücklichen Gedanken des Usgb.s, dafs er diese Analyse der latei- 
nischen Periode vorausachickte) ; aber für den Schüler wäre es 
anschaulicher und fafalicher gewesen, wenn Aberall von dem latei- 
nischen Beispiel aasgegangen wSre. Der Satz „in der Periode 
ist Mannigfaltigkeit neben der Einheit zu erstreben" klingt wie 
eine Anweisung fürs Lateinscbreiben« Auf preufsischen Schulen 
wird man diese Einleitung wegen der angewandten Orthographie 
nir!)t gern benutzen lassen: sämmtlich, Aiterthuiu, beurtheilen, 
gebüren u. s. w. 

Der Inhalt besteht 1) in einer Auswahl aus dem 2. Buche 
„zur Eiurüiuuug in die Lektüre des Livius"; 2) ju den drei voll- 
ständigen Bttchm 1, 21 und 22; 3) in einer Auswahl aus den 
fibrigen BQchem (und zwar aus Buch 3, 4, 5, 6, 27, 30, 33, 39, 
45). Bei Nr. 3 wird dem Hsgb. die Entscheidung nicht leicht 
gefallen sein, da ihm aus der 3. und 4. Dekade eine Fülle des 
Interessanten zu Gebote stand, und es laHst sich erwarten, dafs 
mancher dies oder jenes ffir weniger wichtig hält nls anderes, 
wdches fehlt; im wesentlichen ist das aber eine Sache des Ge- 
schmacks. Ich würde „Cincinnatus*' (1) und ,,Scipio und der 
numidische Gefangene'* (9) gern preisgeben, dagegen die Erobe- 
rung von Syrakus und INeu-Karthago aufgenommen wünschen. 
Ziemlich farblos ist das 7. Stück, beiläufig das einzige mit latei- 
niscber Oberschrift, die um so weniger zu billigen ist, als wohl 
„Hannibal vor den Thoren** als Qtat gelten lunn, nicht aher 
Hannibal <mU purtas (es mübte wenigstens Hamnibid ad porta» 
beUjgen). 

Nr. 1 (25 S.) ist, um den Übergang von der Lektüre des 
Cäsar zu der (lf»s Livius zu erleichtern, mit „thuniichst elementar 
gehaltenen'' Anmerkungen versehen; es sind in der Mehrzalü 
Übersetzungshülfen , die mir nicht überall auszureichen scheinen, 
um dem Schüler ein sicheres Verständnis zu vermitteln. Darunter 
kommen Noten vor, wie: ,^ae $e ferr$ s. das Lex. unter /erre'S 
j^exaeta aeUUe s. Lex. unter extgertt*. Auch an den Schüler ge- 
stellte Fragen laufen unter, oft „eigentlich?**, was man sich ge- 
lallen lätst; aber bei „poene-dedtir, Indicativ perf. bei paena; im 



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Jabretberielite d. philolo^. Verein«. 



D.?" solltr statt der Frage eine wirkliche Erklärung gegebeo sein 
oder wenigstens „im D. anders" gesagt werden. 

Im Text begegnet häufitr gesperrter und kursiver Satz; dirse 
typographischen Mittel wurden dazu benutzt, „Koiistrulaiuns- 
zweifel auszuschliefsen, Gegensätze als solche hervorzuheben, na- 
mentlich aber in umfänglichen Perioden eine Orientierung zu er- 
möglichen und die Oratio obliqua kenntlich zu machen**. 

Die geschilderten £igentQmlichkeiteD sollen zur »«Behebung" 
der Schwierigkeiten beitragen, die für den Schölert der in der 
vorhergehenden Klasse nur die Sprache und Darstellungsweise 
Casars kennen gelernt hat, nach der Ansicht vieler „ungewöhnh'ch 
grofs'' sind, ich furchte, dafs sich diese Huflnung nicht erfüllen 
wird. Livius ist für einen Untersekundaner zu schwer; einem 
blofsen Texte wird er ratlos gegenüberstehen. 

Am Schlufs der Ausgabe wü'd man durch eine Appendix 
(S. 329-7*344) öberrascht, in der die römischen leges von den 
leges Valeriae (509 t. Chr.) bis za den leges Jnliae ('46 v. Gbr.) 
aufgezählt werden, mit besonderer Einleitung über das Verfahren 
bei Einbringung der Anträge u. s. w. Zum Inhalte des Buches 
stehen nur die Seiten 330 — 332 in l]eziehung. Dieser Anhang 
soll von Seiten des Lehrers der Geschichte berü( ksirhtigt werden, 
„der bekanntlich durch Mitteilungen aus dpu O h IIi-u seinen Un- 
terricht zu beleben und sich des regsten Interesses der Schuter 
zu versichern vermag*'. 

4) T. Li vi ab arbe coodita über IX. Für den Sdiulgebrauch erklärt vom 
Erast Zieffeler. Gotha, F. A. PertJiea, 1891. 91 S. S. IM. 

,,Der Text weicht, abgesehen von der Interpunktion und Or- 
thographie, an folgenden Stellen von Weifsenborn-Müller^ ab" (es 
werden 19 Stellen angeführt; bei 46, 11 steht humilibtis ver- 
seliiMiilich statt vrhanas). Hinsichtlich der Interpunktion ist her- 
vorzuheben, dafs der sogenannte Acc. c. inf. von dem regiereiulen 
Verbum durch ein Komma getrennt wird, eine Neuerung, welche 
mir unbegreiflich und jedenfalls zu verwerfen ist. Die orthogra- 
phischen Abweichungen beschränken sich, so weit ich sehe, auf 
konsequente Assimilation der Präposition in Komposttb, was als 
Abweichung von dem Brauch in den Ansgaben anderer Autoren 
sein Bedenkliches hat. Auch IS, 17 pignera gehört hierher. Der 
Hsgb. sagt zu der Stelle: „pignera] bei Liv. häutiger als pignora 
(15, 7)"; das häutigere Vorkommen der ersteren Form ist für den 
Sekundaner schwerlich von Interesse und hinsichtlich der Wahl 
der La. liegt darin allein meines Enichtens kein ausschlagi^ebendes 
Moment (bei einem Schwanken der Überlieferung, wie hiei y^tynora 
M, pignera P) folgen Mg., VYfsb.-Ml. u. a. aus Prinzip dem Medi- 
ceus und lassen sich durch Aischefskis Vorliebe für P nicht be- 
einflussen). An den meisten der übrigen 18 Stellen sind kune 
Erklärungen für den Schüler hinzugefügt, aus denen für den 



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Liviui»j voa U. J. Müller. 



7 



Kritiker niobto weiter zu eatnehmen ist, als dafs der Usgb. die 
von ihm gewählte La. (meist ist es die toq den His. gebotene) 
für richtig, bezw. auch io dem Zusammenhange, in welobem sie 
steht, für erklärbar gehalten hat. Es ist wohl kaum nötig, her- 
vorzuheben * dafs ich bei der Vorbereitung meiner Ausgabe des 
9. Buches an allen diesen Stellen das Für und Wider reiflich er- 
wogen habe. Die Entscheidung ist mir hier und da recht schwer 
geworden, und wie bei erneuter Erwägunfr die alten Bedenken 
wieder in mir leljcndig geworden sind, so bin ich jetzt wie früher 
zweifeihatt, ob ich für alle meine Laa. erfolgreich in die Schran^ 
ken treten ktonte; bei der Nehrsahl glaube ich aber an ihre 
Richti^eit Um ein Beispiel hervorsnheben, so liegt 24, 9 (difeiMlire^ 
tte) meiner Ansicht nach eine Dittographie Yor; schon in jOngeren 
Hss. und alten Ausgaben ist die Wortstellung geAndert worden, 
offenbar weil man wufste, dafs üe im Sinne von „wohlan*' nie», 
mals von einem Prosaschriftsteller hinter den dazu gebArenden 
Imperativ gestellt worden ist; wenn ein Dichter sich emnKd diese 
Freiheit gestattet hat (Sil. Ital. 16, 86), so ist dies bedeutungslos. 
Der Hsgb. wird wenigstens gut thun, hinter defendite eine stärkere 
Interpunktion zu setzen, damit üe im Sinne von „gebt hin'' oder 
„nun gebet'* genommen werden kann, was mir freHicfa auch 
nicht passend seheinen will. 

Oer Kommentar ist nach denselben Grundsätzen gearbeitet 
wie der zum S. Cuche. Über diesen habe ich mich in der Zeit- 
schrift f. d. GW. 1890 8.214 11". ausgesprochen. Ich verweise 
hiernuf. um nicht von neuem die Dürftigkeit der Anmerkungen 
an Beispielen darzuthun. Das Beste an der Ausgabe und wirk- 
lich gut sind die S. 87—91 angefügten Dispositionen zu sechs 
Reden. 

5) T. Livii ab arbe CMÜta Uber X. Für den Schalfebraoeh erklärt voa 
F. Luterbaeher. Leipsig, B. G. T«ttbiier, 1892. 8. 

1,20 iM. 

Von der Ausgabe des 8. Buches an steht bei Ltb. auf dem Titel 
„Livii"; vorher hiefs es ,,Livi". Eine andere bemerkenswerte 
Änderung ist seil der Ausgabe des 7. Buches t inu' trcteu. Die 
Hss. der Nikomachischen Kezeusion wurden in der Ausgabe des 
3. Buches so aufgezählt: M B D L F P U, worin ein Prinzip zu er« 
kennen war, nur dafs man P vor F erwartet hätte wegen der 
häufigeren Verwendung und gr^rseren Bedentqng des F (in den 
Variantenangaben ist auch stets die Reibenfolge P F festgehalten). 
In der Ausgabe des 4. Buches trat folgende (alphabetische) Rdhen- 
folge auf: D F L M P R U (entsprechend bei den Varianten z. B: 
PDR U, DFR u. s. w.), wodurch die Klarheit der Übersicht sehr 
beeinträchtigt ^vurdc. Rpirn 5, und 6. Buche wählte der Hggb. 
die meines Erachtens euj])rehlenswerteste Art der Zusammeu- 
steJiUDg: MPFÜiiDL. beit der Ausgabe des 7. Buches heijiit 



8 



Jahreali«richte d. philolo;. VardUs, 



es mm: P F H U R D L (entsprechend in den Einielangsben: PMU), 
wofifir ich den Grand nicht ausfindig machen kann; denn auch 

chronologisch ist diese Reihenfolge nicht richtig, da U (saec. X 
vel XI) doch wohl vor M (saec XI) seinen Platz erhalten mufs. 

Nun ist es anerkannt, dafs wir drei Gruppen zu unterscheiden 
haben (M, P F U, RDL); da scheint es doch angemessener, dies 
in der Übersicht über die Codices zur Anschauung zu bringen, d. b. 
PFÜ nicht durch Zwischenstellung des M von einander zu trennen. 

Was den Kommentar betridt, so bedarf es über denselben 
keiner weiteren Worte ; Ltb. weifs das Wichtige vom Unwichtigen 
zu scheiden und wird durch seine genaue Kenntnis des Liviani- 
sdien Sprachgehrauches vor Halbheiten bewahrt, wie sie in mo- 
dernen Kommentaren gar häutig begegnen. Ganz besonders wendet 
er auch dem Inhalt seine Aufmerksamkeit zu; nicht wenige An- 
merkungen sind gerade wegen ihrer sachlichen Zweckmäfsigkeit 
zu loben. Eine gewisse L'Dgleichmäfsigkeit läfst sich ahpr Tiirht 
verkennen, iusofcrn der Ilsgb. manchmal zu ängstlich an der 
Überlieferung festhält und manchmal wieder zu schnell mit der 
Änderung vorgeht. So liest er z. U. 2, o ab iergo mit den Hss. 
und ^bt hierzu die Erklärung: „Von dem dnrch auüM ange- 
deuteten Standpunkt des Kleonymus**. Das hierdurch angedeutete 
Sachverhältnis sich klar zu machen, wird schwerlich einem 
Schüler gelingen; ich selbst mufs zweifeln, dafs ich den Sinn der 
Worte richtig erfafst habe, da ich dieses ah tergo mit dem Dativ 
transgressis in Einklnni: zu bringen schlechterdings aufser stände 
bin. — 2, 9 steht aitero üinere mit dor Rrkln ung: ,,= a?io quo 
tWwere"; soll man wirklich einem Schüler zumuten, zu glauben, 
alter sei = alius^ Da ging Gr. ni. E. richtiger zu Werke, indem 
er dio statt aitero schrieb; denn es läfst sich wohl denken, dafs 
das vorhergehende zweimalige altera auf die Verschreibung ein- 
würkte. — 18, 1 dum ea in Samniio . . gerermtur] „bei dum «wäh- 
rend« findet sich an einigen Stellen der Konj. Imperf/*;. dazu 
werden vier Stellen angefahrt, von denen eine (21. 8, 1) zu strei- 
chen ist, weil es dort möglich ist, eine Bezeichnung des Zweckes 
anzunehmen. Dafs die Vorstellungen des jugendlichen Lesers, der 
nur dvm mit Ind. Präs. in der Bedeutung „während" kennt und 
wer weUs wie oft dum haec . . genmtur gelesen hat, durchkreuzt 
werden müssen, ist zu bedauern ; in solchem Falle müssen ja die 
Rücksichten auf die Schulgrammatik gegen die wissenschafllichen 
Thatsachen in den Hintergrund treten. Aber ich glaube nicht 
einmal, dals Frigell dieses dient mit Recht verteidigt hat, und bin ge« 
neigt, an den drei StelU-n < ine Verschreibung aus cum anzunehmen. 
Mindestens hätte der Usgb. „bei Livius^' hinzufügen sollen und viel- 
leicht auch noch , .allein in der Prosa"; schon dieser Umstand mufs 
stutzig machen. Aufsf rtlem verschwinden doch die drei Stellen gegen 
die unzähligen anderen (die Per. rechne ich nitht mit), und die Än- 
derung in mm ist keine starke. — 21, 8 in saltu Vescmo contin- 



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Livias, von 0. J. MSller. 



9 



gente (mit jüngeren Hss., contingmtem M P); dazu die Anmerkung : 
,,deducerentur] »angelegt werden sollen«, mit m c. abl., gewöhnlich 
mit in c. a( ( Es vwlre wönsclienswei t, für den Schüler durch- 
aus nolweudii: gewesen, die Verbindung colonias fiediicere in 
agro Vescim m dem hier angenommenen Sinne {deducere — collo- 
care) durch weitere Beispiele zu belegen. Die Richtigkeit wird 
sehr stark bezweifelt werden müssen. 

In Yergleicb zu diesem starren Festhalten an der bdsehr* La. 
mufSs man sich Aber manche Änderungen wundem, die augen- 
scheinlich nur den ZweclL verfolgen, den Ausdruck glatter und 
gefalliger zu machen« so wenn 2, 6 an ostium ein que angefügt, 
29, 7 nec raris geschrieben oder 30, 9 inconditis milüum carmini- 
bu8 emendiert wird, weil nach inconditis das in den Hss. über- 
lieferte Adjektiv militarihis „schwerßlh'g" ist. Dies kann doch 
nicht als ausreichender Grund angesehen werden, dals tu.ni müi- 
tum carminibus dem sich auch paiäographiscb empicbienden mili- 
taribus {carminibusy vorzieht. 

Wie jedes von Ltb. herausgegebene Heft durch einige eigene Ver* 
beaserungsvorschlige ausgezeichnet ist, die ebenso zehr von seinem 
Sprachgefühl wie von seiner Üivinationsgabe Zeugnis geben, so 
fehlt es auch in der vorliegenden Ausgabe nicht an solchen. 
6, II zweifelt er an der Richtigkeit des speraverint (statt spera' 
verant, f>arnl!el dem fo!;^endpn erat certaiuin) und setzt das 
Komma hinter id, was ijeides beherzigenswert ist. — 7, 11 liest 
er titulo ohne itt, was ich für unstatthafl halte, bemerkt aber n)it 
Hecht, dafs Webeuberg dieses in vor cuius oder hinter imayinis 
bitte einfügen sollen. — 8, 3 wird atU hinter nec gestrieben, 
womit das Anakoluth aufe einfachste beseitigt ist. Die Stelle 
wird von WXsb. mit 2, 24, 5 und 38, 26« 7 zusammengestellt, wo 
das gleiche nec aut ohne zweites auf gefunden wird; 2, 24, 5 hat 
Noväk das aut gleichfalls zu streichen vorgeschlagen, und 3S, 26, 7 
würde durch das nämliche Verfahren dem Wortlaute aufgeliolfen. 
An dieser letzten Stelle wird auch kaum etwas anderes übrig 
bleiben, wenn die anakolnthische Ausdrucksweise für unstattbaft 
zu bezeichnen ist, und das win de für unsere Stelle ein Analugon 
sein, i reilich wie Jemand aut den Gedanken gekommen sein soll, 
aut hinzuzuffigen , an der ersten Stelle (2, 24, 5) sogar erst vor 
plehi, das begreift man nicht leicht, und das lAht es doch 
glaublich erscheinen, dals dieses nee aut von dem Schrift- 
steller selbst herrührt, welcher hinterher die genaue Weiterföhning 
mit einem zweiten aut verabsäumte. Überzeugt bin ich hiervon 
allerdings nicht, und in meinem Handexemplar sebe ich verzeicbnet 
a. u. St. aut nunc . . . [non] vt: 2, 24, 5 aut st. n>'qni'; 38^ 2f). 7 
aut zu tilgen; aber die dreimalige Tilgung von aut ist wohl ein- 
facher. — 14, 13 schreibt er ceterum ^incertusy quantum ea quo- 
qu€f was mir wegen quoque nicht biUigenswert und durchaus nicht 
besser als mein Vorschlag zu sein scheint — 14, 18 tempore in 



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10 



Jahresberiebt« d. phllolog. Vereins. 



Ipso (vgl. Ter* And. 532) nach dem Vorgange von J« Peritoiiiiis, 
welcher UmpcfB schrieb. Letiteres hiiligt Hg.; aber ersterea 
iat iweifelaobDe vorzuziehen. — 16, 8 guhsidio statt stipendio, eine 
ebenso sachgemifse wie mutige Korrektur; jener Begriff scheint 

nötig, dieser unnötig. Aber man kann sich bei stipemlio doch 
etwas Vernünttiges denken, und die asyndetische Znsnmmeiistellung 
der beiden Parlicipia läfst vermuten, dafs auf sie auch zwei Sub- 
stantive gefolgt seien. Darum ziehe ich vor, die Stelle zu er- 
gänzen: armis, stipendio (^mbsidioy oder armis stipendio{que sub- 
$idio}. Die Hiozufügung von subsidio (oder auxilio) scheint mir 
wegen des Dattrs ÜU$ wünschenswert zu sein. — 27, 5 Vathtmo 
(^agro) nach 26, 15; biltigenaivert (vgl. anch 21, 6. 31, 2; Lex. 
l 751 ir.> — 31, 2 Faknmm st. iMemimi»!; in solchem Falle 
scheint es mir richtiger zu sein, auf die Verkehrtheit (Ks Aus- 
drucks hinzuweisen, wieWfsb. es tbut. — 31, 12 ^m) PaeligmSf 
weil die Ergänzung des in aus dem unmittelbar vorhergehenden 
in Setidvato agro hrirt sei. Die Härle scheint mir nur d;irin zu 
liegen, dafs der Schrifistcllcr difi Wirkung der i*räposition, die 
sicli bis Stellatibns agris < istrcrkf ii sollte, durch die Einfügung 
von ad Tifernum unterbr<i( hcn iial; (ianii kann aber auch der 
Grund und die Entschuldigung für das Fehlen des in gefunden 
werden. — 38, 4 (etus) caput $<urum esset, exerdtus ; die Hinin- 
f&gung von ehu nach 3, 55, 7 ist sn billigen ; auch taenm met^ 
wie €obet nach derselben Stelle schreibt, wird wohl das Richtige 
sein, aber es aus der Oberliefemng sacrattm erat zu gewinnen, 
ist nur durch einen Gewaltakt möglich; die Streichung des tum 
vor exercittis (Mg) scheint mir nicht gerechtfertigt. — 38, 6 nocte 
St. lecto, wofür Mg. tecto geschrieben hat, unter Hinweis auf 23, 
35, 15; möglicher Weise richli?, obgleich der Auffassung von linteo 
als Substantivum nichts im Wci^e stellt und der Hinweis auf das 
niichtüche Opfer der Kampaner wenigstens keine zwingende hraft 
hat. — 39 , 15 streicht Ltb. tum hinter rupta, womit meiner Mei- 
uuog nach dem Wortlaut nicht recht aufgeholfen wird. 

Zu den Stellen, wo eine ganz siebere Entscheidung nicht 
möglich ist, gehört 15, 6; hier liest Ub. mäia qMäringwii nach 
P U, welche klar und deutlich müia CCCC bieten. Aber in M 
steht: mil acccc und in L: mäia aeec, wonach das a (=D) als 
in ML überliefert su betrachten ist. Da nun ML über PU das 
Übergewicht haben, so ist der Schlufs nicht ungerechtfertigt, dafs 
in P ü ein ^ ^ausgefallen und auch hier acccc (j=tnongenti) zu- 
sammenzunehmen ist. 

Zu 33, 6 siellL Ltb. (ih> Hegel auf, dafs ad vor einem Zahl- 
wort seine präpositionnle Kiafl nicht einböfse, schreibt ad sep- 
tingttUus (die Hss. haben Zahlzeichen) und vergleicht 22, 50, 11 
ad ieietnia» (so auch Mg. nnd Luchs, während schon J. GronoT 
ad memti wollte, dem Wfsb. folgt), ohne su beachten, dab auch 
hier im P das Wort nicht ausgeschrieben ist, sondern Zahlzeichen 



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j 



Livint, von H. J. MSller. 



11 



überliefert ^ind. „Polgl aber**, fährt Ltb. fort, „auf ad zunädifti 
ein Tausetider, so steht ein Hunderter im INoaiiDativ '. wofiir 
/;ihlreiche Heippiele angeführt werden^). Aus den meisten dieser 
Stellen ist niilits weiter zu lofsjern , als dafs «lie llsgl». hei Auf- 
lösung der überlieferten Zahlzeichen bisher der aiige^^ebeneti Heitel 
gefolgt sind; aber z. B. 3, 15, 5; 4, 59, 8 haben M 1' et (lutnyentij 
21, 48. 2; 28, 34, 2 l» et ducenti, 27, 12, 16; 29, 36,5 l' 2 et 
ducmUi au8gMchrieb«n, wa» filkr die llieliligkeit de« iweitea Teilea 
dar Ltb.8clian Aufstellung spriehk, an dar flbrigasa biafaer noch niemand 
gezweifelt hat Unter die Citate hat aich aucb 28, 36, 13 verirrt, 
we kein Tausender vor dem Hunderter steht, aber für ad octin- 
gentos (Mg.. Wfsb. , Luchs, Friedersdorff) in P ad oclhigtnti klar 
inu! il entlieh zu lesnn isf. Dies, behaupte ich, ist richtig. Wel- 
cher (»rund läfst sich aurfi nur denken, dafs der Scliriflsteiler 
zwischen ad sescmtos und ad milk sescenti einen Unterschied ge- 
macht liaiieii sollte, dafs er zu mille sescenti das ad ais Adverb 
hinzusetzte, nicht aber zn dem hlofeen seseenüf 

Meine Anmerkung zu 33, 6 lautet bei ff Ith.* folgendermaliien: 
„a<I („an, angefähr"*) ist bd Zablbegriffen tnm volUlAndigen Ad- 
verb geworden; vgl. 8,18,8*' u. a. w.; zu dieser bat sich Ltb. 
offenbar iu direkten Gegensatz stellen wollen. Aber, um bei der 
beweiskräftigsten Stelle zu bleiben, welcher Kasus ist denn eigent* 
lieh hominc^ in den Worten ad ortingenios hommes caesi'^ Nomi- 
nativ oder Accusativ? Wer es als Accusativ nimmt, und es 
scheint bei der Zusaumitinsrehflrigkeit von ad octingentos homines 
kaum anders zu gehen, uiuis hei caesi den ganzen vorau^tehendea 
Begriff als Subjekt biniodeakeDt wie man ja aacb deutech sagt: 
,,an bunden worden niedergehauen** oder „an hundert Menschen 
wurden niedergehauen**. Handelte es aich um Tiere (hefUae), so 
würde es natOrlich eoesie heifsen ; aber sollte einem bei ad octiti'^ 
gentas bestias caesae sunt nicht bedenklich zu Mute werden? Man 
darf wohl diese Ausdruckssveise für undenkbar erklären; es 
mufüte gewifs ad ortinfienfas hestiae c. s. heifsen, und daraus 
scheint mir hervorzugehen, daiä in dem obigen Üeispiele hommw 
Nominativ ist. 

Noch deutlicher wird dies, wenn wir die Frage auf werfen, 
wie janer Aosdrack in der Konstruktion des Abi. abs. lauten 
würde. Doch jedenfalla Aommtltia coeitii, wobei dann ad octingm- 
foa vielleicht stehen bleiben kann (vgl. 8, 18, 8: ad v^inti ma- 
tronis ace&ü)\ aber nur in dem Falle „vielleicht**, wenn man eine 
Wortstellung wie ad octingentas bestiae caesae simt für statthaft 
erklären will. Denkbar ist sie ja; aber klarer wäre es, wenn 
bestiae entweder vor ad oder liinter caesae sunt stände. Und dafs 
die Schriftsteller von dieser klareren Ausdrucksweise gar keinen 



^) Die Kegel uod die Stellen rührea voo VVöifßio her, bei dem sie sich 
Mkoa im der 1. Aeltose des 33. Baehet (so 22, 41, 2) vorfledee. 



12 



Jahrasberiebt« d, pfctlolof. Varftin«. 



Gebrauch gemacht haben sollten, das kann man wohl als aebr auf- 
fallend beieicbnen. Die Sache liegt demnach so, dafs man vor jedem 

rniUe oder milia (vgl. 25 , 23, 6 ad mille fere armati . . deducti) 
wie vor jeder indeklinablen Zahl ad als Advcrlt annimmt, dai^p^'ea 
nicht vor den Hunderten, welche eine deklinierbare Form haben. 
Das ist nicht rationell, und die Livius-Hss. treten für diese An- 
nahme nicht ein. Ich behaupte also: ad vor Zahlzeichen ist 
jedesmal Adverb (Cäaara Sprad^ebranch atimmt hiermit äberein). 

Zu 46, 15 aUenm tamtum Ist angemerkt: „Der Ausdruck fin* 
det sich ffinfnaal bei Livius und einmal bei IMautus (Bacch. 1184)**. 
Er begegnet auch sonst (z. B. Plautus Epid. 3, 5, 81 ; Hirtius BG« 
8, 5; Nepos Eum. 5), bedeutet aber nicht immer das Doppelte 
(wie hier, 1, 36, 7 und besonders deutlich 45, 40, 5\ sondern zu- 
weilen auch, was zunächst in dem Ausdruck gelegen haben wird, 
eine zweite Summe von gleicher Grölse; vgl. Dem. Phil, i 28. 

6) T. Liyii «b wbe eoidlta über XXL Für i^u Sohttigabraodi ijrUSrt 
von R. Tiekiog. Vierte, verbesserte Anlage. Paderborn, F. Sebo- 
nngk, 1892. 116 S. 8. 1,20 M. 

52 S. Text, 59 S. sachliche und sprachliche Erklärungen, 
5 S. Anhang („zur Feststellung des Textes*^. NeoneDswerte Ver- 
änderungen sind mir nicht aufgestofsen, doch ist die nachbessernde 
Hand des Hsgb.s weder im Kommentar noch im Anhang zu ver- 
kennen. Schülerausgahen müssen auch müslichst unverändert 
bleiben, damit die Benutzung älterer Ausgaben nicht ausgeschlossen 
ist, und lückings Bearbeitung des 21. Buches, die, wie die neuen 
Auflagen zeigen, ihr Publikum hat, war schon in der 3. Auflage 
wenig verändert. Zu verkennen ist nicht, dafs die Räcksicht auf 
den Lehrer bei Abfassung der erklärenden Bemerkungen keinen ge- 
ringen Einflufs ausgeübt hat, und es wäre zu wftnschen, dafs der 
Hsgb. bei der nächsten Auflage alles, was er sur Erklärung ge- 
geben hat, vom Standpunkte des Schillers aus genau ins Auge 
fafste: da würde, glaube ich, mancherlei in Wegfall kommen und 
nicht weniges teds kürzer üefalst werden können, teils ausführ- 
licher dargelegt werden imissen. Lehrern und Schülern gleich- 
zeitig dienen zu wollen, ist ein unniögUches Beginnen und übrigens 
auch ein unpädagogischer Gedanke. Sehr viele von den Be- 
merkungen gehören gar nicht in den Kommentar, sondern in den 
Anhang. Zu 32, 7 wird z. B. polemisiert, und zwar in einer 
Sache, die nur für Schüleraugen etwas Bestechendes haben kann. 
Wenn Ltb. wirklich behauptet hat, von Livius sei zuerst die 
^V•MulIl^g famn fern gebraucht, so bat er sich geirrt, denn Sali. 
Cat. 8, 3 steht famrr feruntnr im Sinne von „sie werden durch 
das Gerücht dam/^tellt" (überliefert =tradwitur). Ich wcifs 
nicht, wo Ltb. diesen Ausspruch gethan hat, und traue ihm diesen 
Irrtum eigentlich nicht zu. An unserer Stelle ist ein Hinweis auf 
fma fmi jedenfalls sehr unpassend, da man mams ferri zu 



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Livils, von H. J. MülUr. 



ferbindra bat nad /amd iradutuur and famä augtniur doch wobt 
nicbt dasselbe bedeuten. Die gaDze Anmerkung (6 Zeilen 
umfassend) ist übrigens für den Kommentar charakteristiscb. Sie 
lautet: „fama, qua incerta in matus vero fern solent, eine nicht 
ganz geltlunjre Ausdrucksweise". Wem geläufig? Dem Schrift- 
steller? odor dem Schüler? oder soll es so viel hei Isen wie nicht 
sehr geläulig (gewöhnlich)"? Ob so, ob so, was nützt es dem 
Schüler, diese Wahrheit zu vernehmen, wenn ihm die Verbindung 
oder Zusammengehöi igkeit der Wörter sonst mit keiner Silbe klar 
gemacht wird? „Übrigens hat sich nicht erst Livius (wie Luter- 
bacber meint) die Wendung fama ferri gestattet** u. s. w. Diese 
Bemerkung ist, wie scbon gesagt, für den SchOler nicbt zu ver? 
werten und gehört in den Anhang. Das merkwQrdige „fibrigens** 
deutet scbon an, dafs der Verf. ein anderes Gebiet betritt (wie 
ceterum ganz gewohnlich in der Livianischen Darstellung). „Be- 
denklicher ist rero, da sich bei Livius sonst nur in maim findet, 
80 bei arnppjy u. 8. w.; woh! nher maiora vero"-. Wns mit dem 
„hotlt'iiklich'' ( iiientlich gemeint ist, liegt nicht auf der Hand; der 
Schüler, welcher den Satz lesen muis, wird vor einem Uätsel 
stehen, der Komparativ „bedenklicher" wird für iiin noch ein 
gröfseres Rätsel sein, da vorher nur von einer nicht ganz geläu- 
figen Ausdrucksweise, aber nicbt Ton irgend etwas Bedenkliebem 
die Rede war. Aach dies gehört in den Anhang, weil der Esgb. 
ein kritisches Bedenken Sufiem will, angeregt durch Frigell, der 
das Wort ändern zu mfissen glaubte (nach meiner Ansidit ohne 
allen Grund). So bleibt von der ganzen Anmerkung für den 
Schüler nur die „nicht ganz geläufige Ausdrucksweise** übrig, die 
für ihn nach Inhalt und Form nirbf zu brauchen ist. Ich 
habe diese wenden der F*oleniik gegen Ltb. herausgegriffene An- 
merkung analysiert, um an einem Beispiele zu zeigen, wie sehr 
es an Genauigkeit und Präzision mangelt, ein Vorwurf, der sich 
auch gegen andere in der Neuzeit entstandene Sclmler-Koiiimen- 
lare erheben läfst. Nachdem der Text des Livius eine feste Form 
gewonnen hat und för die Erklärung so viel gethan ist, sollte in 
den Schflierausgaben die pädagogisch» Einsicht nnd Erfahrung der 
Hsgb. sich sdgen. Aber man macht es sich leicht oder man nimmt 
die Sache leichter, als es sich gehört. 

In kritischer Beziehung sollte der Usgb. die Selbständigkeit 
des Urteils schärfer hervortreten lassen, wenn er mit seinem An- 
hange Nutzen schaffen will; daran aber, wie überhaupt an philo- 
logischer Akri!)ip, fehlt es sehr. 2, 4 und .m anderen Stellen 
schreibt er Barchinus nach „Hss. Fr."; da fi;i^t m in, wozu auch 
Frigell erwähnt wird, wenn der Hsgb. sich daruli« r klar ist, dafs 
das ch den Hss. zu Liebe festgehalten werden luiirs. Freilich 
wenn die factio Barchina nun als Partei des Hamilkar Barkas er- 
klärt wird, so mufs doch wohl der SchOler an einer Stelle einen 
Druckfehler voraussetzen. — 2, 6 wird hinter der hdscbr. Qber- 



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Jaliretberiebfe d. pbilolfff. VtfreiMS. 



lieferten La. „Colb. Med/* gesetzt. Vergleicht man dies mit 2, 4 

„llss.", so ist dies doch gerade so, als wenn zwischen „Colb. 
Med." und ,,H.«s." (die doch hier „Colh. Med." sind) ein Unter- 
schied gemacht würde, und 2, 2 ist hei qui weder das eine noch 
das andere verzeichnet. — 3, 1 wird die gewählte La. mit der 
2. Hand des Colh. belegt uüd dazu angeführt, dafs so auch vier 
Ausgaben lesen, wie aber die eigeoüidie OberUeferung lautet, er- 
llbrt man nicht. Die Angaben tragen Oberhaupt das Gepräge des 
Zufälligen und Willkürlichen. Bald werden Ausgaben citiert, bald 
nicht; bald mehrere, bald nur eine; 19, 9 erscheint plötzlich ein 
„Z.'\ das nicht jeder sogleich zu deuten wissen wird. 22, 4 wird 
trigell genannt, wo die von diesem empfohlene La. schon in der 
1. Auflage Madvi<;s stellt (zu 59,7 ist der Name . Mndwig" ge- 
scliiieben). Von eäHo (27, 7) heifst es: „Die EmeiKidlion jetzt 
fast aligemein aiigenoaimeu; nur Kühnast...", was an sich 
doch ganz gleichgültig ist; aufserdem wird sich diese La. höchst 
wahrscheinlich nicht nebr lange im Texte halten. Ebenso wichtig 
oder interessant wäre es, zn erfahren, in welchen Ausgaben die 
Tom Hagb. gewählte La. nicht zu finden ist, z. B. 25, 5 das m- 
cerlum statt dtifrmm (wozu bemerlit wird; , jenes in den Hss. nach 
viofati sint eingeschoben"; vgl. 34,5 „von Wfl. wird omnia 
nach rirmmspectam eingeschoben" (statt: hinter c. gestellt) 
und den unverändert aus der 3. AuÜage beibehaltenen Ausdruck 
41, 5: ,improvisus, welches wenigstens improviso heifsen müfste" 
(statt: wotür es). Kuri, lu liieseui Anhange fehlt es überall, so 
daCs Bin ihn in iieiner Weise TerDsissen würde, wenn er gans 
fehlte. 

Als Kuriosum sei die La. von 56, 9 angefahrt: „Iraissto ag- 

mine ab Scipione consule exercitus Placentiam est perductus, inde 

Pado traiectus Cremonam*'. Dazu im Anhang: ,^traiecto st. tacito 
Luch.«'^ Verwundert fragt man sich, was Luchs wohl an tacito 
agmiht möge auszusetzen gelinbi haben, an dieser incr so passen- 
den , echt livianischen Verbindung. Um es kurz zu sagen: der 
Hsgb. hat sich vergriffen; von Luchs ist das folgende traiectus in 
traiecto geändert worden, und zwar aus sehr zutretTenden Grün- 
den (oflTenbar hat der Hsgb. die Abhandlung von Luchs nicht 
selbst gelesen). 

7) Livius-Komroeotar für deo Scholgcbraucb vou C. Haupt. Rom- 
meotar zu Buck XXL Leipzig, fi. G. 1 eubaer, lb92. IV a. 255 S. 
S. 2 H. 

Von demselben Verf. sind früher bereits Kommentare zu 
Buch 1 — 5 erschienen, auf die ich JÜ. 1892 S. 1 IL mit gebüh- 
render Anerkennung des Geleisteten liingewiesen habe, in ver- 
hältnismäßig kuner Fk'ist ist der Kommentar zum 21. Buche ge- 
folgt, und zwar in einem Umfange, welcher die Arbeitskraft des 
Verf4 bewundernswert erscheinen Ufst, dabei mit einem so sorg- 



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15 



faltig ausgearhpitelen unH .TÜn für das Verständnis der Schüler 
vorhandenen Schwierigkeiieii so genau ins Aupe fassendpn Inhalte, 
wie ihn nur ein das sachliche und sprachliche Gebiet gleichnif^fsig 
beherrschender, pädagogisch erfahrener Schulmann liefern konnte. 
Ich niufä gestehen, dals die hier gebotenen Erörterungen, soweit 
ich sie ^tksm habe, mir dlie ebwso aDgeneliaie wie anregende Lek- 
türe gewesen sind, und dafs ich tut ÜbenXi in der iiage hm, 4eB 
gedankenreichen AiueiaendenetEungen des Verf.8 beizupflichten. 
Handelte es aicb hier nur um ein für den Lelirer bestimmtes 
Hölfsmittel, so wurde ich weiter nichts sagen als: vorLreffiich, 
sehr empfehlenswert; aber ,,für den Scbulgebrauch" ist auch hier 
leider in dem Doppelsinn ,,für Lehrer und Scbülfr" zu nehmen, 
und dieser Grundsatz ist nun einmal meiner Ansicht iiacli jKula- 
gogiscb nicht richtig und praktisch uiciit durchführbar. Haupt 
hat den Kemmentar so zu gestalten beabsichtigt, daDs er der 
Leistnngsilhigkeit der Untersekunda entsprftche, und daCs ihm' dies 
gelungen wäre, muh durchaus beiweifelt werden. „Es ist nach 
bestem Wissen alles Erforderliche herangezogen, damit dein SchOler 
gleich am Eingange der für seine AushUdnng so bedeutungsvollen 
Livinslekture das erklärliche Bangen vor den Schwierigkeiten 
scliwinde". Ich fürchte, rlnf? der Zweck dnrrh die Fülle des 
Dargebotenen und die Auälührlichkeit der Darlei^ung paralysiert, 
durch eine Menge von Bemerkungen, welche für den Schüler, zu- 
mal für den Untersekundaner, geistig schwer zu verarbeiten sind, 
Stark beeinträchtigt wird. Idi wiederbele: ich habe das meiste 
mit wahrem Vergnügen gelesen; aber ich swefflet dalii aueh der 
Sekundaner dasselbe Geffihl haben wird. Zu viel des Guten; 
nkiov '^[it'Gv navTOQ. 

Verf. hat den Kommentar zu Buch 6 — 10 vorläufig zurück- 
gestellt, weil er meint, dafs die Bücher 2 t und 22 fortan eine 
hervorragende Stellung im Unterricht ciuneluiK rj werden. Jeden- 
falls verdienen sie, um des Inhalts willen, vor den Büchern 1 — 5 
bevorzugt zu werden. Mit Recht hebt aber Verf. hervor, dafs sich 
manche Partieen des 21. Buches mehr für Obersekunda eignen, 
wie umgekehrt die Darsteliung der Ereignisse am trarimeniscben 
See und bei KannS den Untersekundanern vorgefQhrt werden 
müsse. Daher giebt er am Schlüsse des Buches 6ine Verteilung 
des Stoffes auf die beiden genannten Klassen, die wohldurchdacht 
genannt werden mufs; nur würde ich den Alpenübergang in die 
Oberstufe verlegen. Denn die Sache selbst ist zw^ar kulturhisto- 
risch von der gröfsteu Bedeutung; aber Livius' Darstellung ist so 
unbedeutend, dals durch sie das Interesse der Schüler nur in 
geringem Mafse erregt wird. Übrigens bin ich mir nicht ganz 
klar daröber, ob sieh überhaupt das 21. Buch zur ersten LiviuB- 
lektire eignet. Im An&ngn die cbronelegische KcfDtosieB, dann 
der Alpenibei^ng, dessen Routs Bach Liviue nicht sidier ange^ 
setst werden kann; ferner tepographieohe Ünklariieiten naoh der 



16 



Jalir«tb«ri eht« d. pltilol. Verainf. 



Beschreibung des Treflens am Ticinus und die veritehrte Dar- 
stellung der Sctilacht am Trebia (Schlachtfeld auf dem rechten 
Ufer Flussus^' endlich die unglaubwürdigen Nachrichten über 
die Ereignisse im Winter 218/217; dazu unsichere Textlesarten 
und einige besondere Schwierigkeilen der Diktion: — ich sollte 
meinen, dafs dies ausreicht, um das 21. Buch zur Anfangslekture 
ungeeignet erscheinen zu lassen. 

Die Lehrpläne sprechen von einer „Auswahl aas Lmus*'» und 
es wird sich empfehlen, dies wegen der Schflier, die nach Absei- 
Tierang der Untersekunda die Anstalt verlassen, wörtlich su neh- 
men und sich nicht auf die fificher 21 und 22 zu beschrSnken. 
Noch besser freilich ist es meiner Ansicht nach, in Untersekunda 
den Livius ganz bei Seite zu lassen und sich auf leichtere Reden 
des Cicero zu beschränken. Livius ist, wie ich überzeugt bin, 
für Untersekuiiila nicht leicht genug; die Schuler dieser Klassen- 
stufe haben mit iü grolsen Schwierigkeiten zu kämpfen, ais dafs 
ihnen die Liviuslektüre nennenswerten Gewinn bringen könnte. 
Sie gehört andererseits bei der Beschränkung des Unterrichts in 
der alten Geschichte recht eigentlich nach Obersekunda (gerade 
so wie die Lektüre Ton Xenophons Uellenika). Dafs aber Livius 
auch in Prima gelesen wird (nicht blofs privatim), dafür bin ich 
sehr; Abschnitte der 4. und 5. Dekade eignen sich dazu vortreff- 
lich neben der 2. Dekade, welche mit Ausnahme weniger Bücher 
den i?ciiüler imniei fesseln werden. Und für Primaner ist Haupts 
Kommentar bei weitem passender als für Ober- oder gar Unter- 
sekundaner; ein Untersekundaner weifs mit einem Buche von 
255 Seiten nichts anzufangen , zu einem ruhigen, eindringenden 
Studium fehlt ihm ja aberdies die Zeit. 

8) a. Tili Livii ab urbe condita über XXI. Für den Schuigebraudi er- 
klärt voD F. Laterbaehor. Dritte, verbesserte Auflage. Getha, 

F. A. Perthes, 1892. IV u. 148 S. 8. 1/20 M. 

b. Titi Livii ab uibe coudita über XXT Nach Text und Kommentar 
getreoDte Ausgabe für den Scbulgebrauch vuu F. Luterbacher. Erste 
AbteiluDg: Text. Dritte, verbesserte AvSage. Gotlit, P. A. Perthes, 

1802. IV u. 50 S. 8. 0,40 M. 

a, Titi T>i\ ii nli iirbe condita über XXI ReriMisuit V Loterbacher. 
Gothae suiuptibus F. A. Perthes lSi>l. äü S. b. U,4d M. 

Die Hefte b und c enthalten den lateinischen Text dt's 
21. Buches (einschl. der Periocha), wie er in a vorliegt, in Hefth 
findet sich aufserdem das Vorwort von a; sonst unterscheiden sich 
b und c nur durch das Titelblatt. 

Von der Ausgabe a liabe i. h .IB. 1883 S. 321 If. die erste 
Auflage besprochen; im Vergleich zu dieser weist die dritte Auf- 
lage zahlreiche und bedeutende Änderungen auf, namentlich im 
Texte. Wie viele von denselben schon in der sweiten Auflage 
ansutreffen sind, kann ich nicht sagen, da diese mir nicht su 



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Livios, roi H* t* HSllor« 



17 



Gesicht gekommen ist. Ich liabe von ihrer Existenz überhaupt 
nichts gewufst. Aus der 3. Autlage, die auch das Vorwort zur 
2. Auflage bringt, sehe ich, <lafs der Hsgb. zur Verbesserung seiner 
Ausgabe unter anderen BesprecbuDgen ^»besonders'' auch die mei- 
nige benutzt hat. 

Die Verändei uiigeü in der 3. Auilage sind duicli die Ausgabe 
von Lttcbs veranla&t worden. Ltb. hat jetzt seinen Anhang sehr 
vereinfacht und nur die Stellen verzeichnet, an denen er von 
Luchs abweicht. Hierunter sind einige, welche auf abweichender 
Wertschätzung der Hss. beruhen, z. ß. 28, 1 dttßirü und 35, 12 
^ lapsu, die ich beide biibge; auch 20, 9 froNS^m gehört tiierher 
(vom Sprachgebraucli verlangt); das tramisisse in P von 1. Hand 
denke ich mir aus eirifr in der Vorhip:e versehentlich mit zwei tt 
geschriebenen Form traumisse entstanden. 

Als neue Laa. führe ich folgende an: 19, 11 ^e) finibus nach 
Fügner. — 26,7 Yokarum (st. eorum) nach liüuner. — 31,6 
a firiUn minore nach MI. — 48, 2 adheuhu (^est} ü nach eigner 
Vermutung. — 57, 8 comnUuum [t'n] quo nach Fögner. — Wie 
die Änderung 48, 2 nicht als sicher gelten kann, so hätte sich 
vielleicht 31, 6 die Umstellung a miwre fratre mehr empfohlen. 
Dafs umgestellt werden mufs, glaube ich richtig behauptet zu 
haben; wird aber umgestellt, dann ist die einfachere Art jedesmal 
vorzuziehen, was hier der Fall ist, wenn wir annehmen, dafs nur 
die beiden Wörter a minore ihren Hätz vertjäuscht haben (so Noväk 
in seiner Ausgabe). 

Aufgegeben hat Ltb. seine Konjektur tela (12, 6) st. alia; 
dafßr jetzt arma. Auch 40, 7 hat er Jetzt pune hinter duatm 
gestellt, aus Versehen aber „nach Ltb." stehen lassen, was nnr 
zu der froheren Stellung vor dmbus pafste; duabus paene hat 
Riemann geschrieben, was ich schon in der Anzeige der 1. Auflage 
hervorgehoben habe. 

Sehr unübersichtlich ist am Anfange des kritischen Anhanges" 
die alphabetische Zusammenstellung der benutzten Abkürzungen 
(C, Grou., liJM , Hss., Ltb., M, M-^., l\ WnX weil zu den Codices 
(C, M, V) ausführlichere Erklärunj^eu üiazugeiügt sind. Vergl. 
oben S. 7). 

9) a. Tili Livii ab urbe coudita Uber XXII. Für deo Schiilgebi auch er- 
klärt vou h\ Luterbacher. Zweite verbesüerte Auflage, (lutba, 
P. A. PertliM, 1889. 120 S. 8. 1«20 M. 
1». Titi Livii ab urbe coudita über XXII. Nach Text ood Kommeotar 
trennte Ausgabe für den Schiflgebraach von F. L n t f r h a o h er. Erste 
Abteilung: Text. Zweite verbesserte AuUage. Gotiiii, F. A. Perthes, 
\m. 60 S. 8. 0,40 M. 
c. Titi Livii ab nrbe cutidita Uber XXII. lo usum scholanim iteram 
recogoavU F. Luterbach«r. £ditio aecaada. tiothae »umptibas et 
i^ tns F. A. Pertbes, 1889. 66 S. 8. 0»40M. 

Oer Verf. liebt die Abweehslung. Schon diese Titel weichen 
von den Titeln der Ausgabe des 21. Baches ab: hier hinter ,«2weite'* 

JahraalMrichte XIX. 2 



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i8 



iahr«tberielile d. phllolog. V«r«inf. 



kein Koroma; hier der Zusatz „in usum scholarum'*; hier das 
neben ,«editio secunda'* mindestens fiberflQssige „iterum'*; hier 
„recognovit", beim 21. Buche „recensuif*. Da die zweite Auflage 
der Ausgabe des 22. Buches früher erschienen ist (die drei Hefff 
sind mir erst jetzt bekannt geworden), so sind die Abweichungen 
in der Ausgabe des 21. Buches als beabsichtigte Verbesserungen 
anzusehen. 

Dahin ist auch zu rechnen, dals Heft b und c, welche beide 
nur den latdnischen Text des 21. Buches und der dazu gebären- 
den Pertocba, mit a fibereinstimmend , enthalten, sich nicht nur 
durch das Titelblatt und die dem Hefte b beigegebene Vorrede 
Ton a unterscheiden, sondern auch dadurch, dafs in b der ganze 
kritische Anhang von a abgedruckt ist. 

Beim 21. Buche ist mit Bucksicht auf den Luchs^chen Ap{»aral 
der kritische Anhang vereinfacht worden; hier, hnm 22. Buche, 
liat er eine l)pdeulende Vermehrung erfahren. Aiu h hier endlich 
sind zu Ui'^inn des kritischen Anhanges, der hier einfach „An- 
hang" heifst, die Abkürzungen alphabetisch zusammengestellt, 
jedoch ohne Zusätze bei den die Codices bezeichnenden Buch- 
staben. Dafür ßndet sich hier noch die in der Ausg^ des 
21. Buches verschwundene Besonderheit, dafs „Gron.** als „Jak. Fr. 
Gronov" erklärt wird. 

Die Zahl der im Texte vorgenommenen Änderungen ist ziem- 
lich grofs. In der Mehrzahl sind <s unkljche Verbesserungen; 
manches niufs ja zweifelhaft bleiben, und iilter einige Stellen bin 
ich abweichender Ansicht (vgl. meine Itezension JB. 1884 S. 81 ff.), 
im ganzen aber ist eine erfreuliche Übereinstimmung mit anderen 
Ausgaben hergestellt. 

Von neuen Laa., die Ltb. in den Text gesetzt hat, bebe ich 
hervor: 3, 10 a Ved nach FOgner. — 6, 8 e $aUu nach MI. — 
0, 2 [Aottd] minus fTüspere nach eigener Vermutung; vgl. Nep. Ale 
7, 2; „auf die sprachliche Verwandtschaft des Livius mit Nepos 
habe ich im Kommentar an einigen Stellen hingewiesen". — 14,3 
ventnm (^est} et nach MI. — 14, 7 qnieti (st. Japt{) nach Drechs- 
ler. — 22, 18 peracta eodem ordine nach eigener Vermutung. — 
30, 8 pari gloria nach Paulikowski. — 31, 5 amissi nach eigener 
Vermutung; an sich gut, aber abzuweisen, weil au.s unrichtiger 
Voraussetzung hinsichtlich der hdschr. Überlieferung gewonnen 
(s. u.) — 31, 10 imita tum clade nadi eigener Vermutung, weil 
sich Lentz' Konjektur territa ^terUay fom dade nicht mit 23, 33, 4 
vertrage. Möglicherwelse richtig; vielleicht darf man an territa 
tanta clade denken (vgl. 57, 2). — 34, 11 populum <eMiM> nach 
MI. — 35, 4 adversando nach Fügner. — 37, 5 tarnen secum (st. 
meme) nach eigener Vermutung; die Beibehaltung des se (welches 
Ltb. früher gestrichen hatte) als Subjekt mit lieziehimg auf Hiero 
scheine unstatthaft, da im Vorgehenden keine Andeutung liege, 
dafs Hiero selbst hier a\s redend zu denken sei. Der Anstofs, 



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Livi«s, von H. J. Niiller. 



19 



den der Hsgb. an se nimmt, ist gevifs berechtigt, seine Änderung 

al)er wenig einleuchtend, da das secum einen plumpen Zusatz 
bildet; viel lieber würde ich se streichen oder tarnen eim omnia 
zu schreiben wagen. — 57,2 compertae [et]; „die Auslassung des 
erant wäre sehr hart, und zudem scheint es, dafs compertus nur 
als Participium coniunctum in der Bedeutung „überlührt*' ge- 
braucht werde (vgl. 7, 4, 4; 30, 39, 7; 32, 1, 8)". Sehr beher- 
zigenswert 60, 19 hü 9menti$ ntUitüm nach eigener Ver- 
mutnng; besser wird, glaube ich, das Qberlieferte müia ge- 
strichen. — AuQsegeben hat der Bsgb* seine Konjektur 19, 3 
Hamilcari. 

Viele; Angaben im Anliangp sind rektifiziert worden. Zu 
14,3 heifst es: „esl erf^än/t nnrb M!. und IjUcIis"; dies kann ich 
als korrekle Angabe nirht anerkennen , \\> nn die Thalsache so 
liegt, dal» Ibachs ventum {esty schreibt und im Apparat selbst an- 
giebl, dals die Ergänzung vüq mir herrührt. Aufserdem ist die- 
selbe schon frflher von Wlsb. (in der Textausgabe) vorgeschlagen 
worden. Noch verkehrter ist es, wenn zu 19, 7 geschrieben wird: 
„el ftooes nach MI. und Luchs**; denn hier steht bei Luchs im Text: 
ad mare et ad novss, im Äp|)arat: ,M ^BMtn ae naoei ex usu Li- 
viano exspectes" (weiter nichts). 

Zu 31, 5 wird angemerkt, dafs P amisso habe. Ich weifs 
nicht, wodurch dieses Versehen veranlafst ist; Hertz, Aischefski und 
Luchs geben amissum als L»a. des P an, und so ist zweifellos im 
Texte zu lesen. 

Bei 59, 18 captivi uud 61, 2 txhauriri mufs zu Heraus der 
Vorname binzugefögt werden* 

10) T. Livii ab urbe condiu Uber XXII. Für den Schulgebrauch erklärt 
von E. Wölfflin. Mit einem Kärtchen. Dritte Aoflase« Leipzig, 

B. G. Teubner, VI u. 111^ S. 1,20 M. 

Zur Empfehlung dieser bekannten und anerkannten Ausgabe 
bedarf es keines Wortes, am wenigsten von meiner St te, der 
ich SU uft Gelegenheit gehabt und i^euoniuien habe, die Vorziif^e 
derselben hervorzuheben, li^ä i^i vui allem die Klarheit und Prä- 
zision in den Erklärungen, die an diesem Kommentar gerühmt 
werden murs und ihn zur Verwendung in Schulen so geeignet 
macht. Leider steht zu befürchten, dafs man auch diese Ausgabe 
künftig als zu umfangreich, als zu sehr ins Einzelne gehend, als 
zu wissenschaftlich gehalten bezeichnen und Schülerausgaben mit 
vielen Übersetzunp:en bevorzugen wird; es steht besonders dann 
zu befürchten, wenn man, den neuen preufsisehen Lehrplänen 
folgend, in Untersekunda Livius lesen lassen will, wo bei der 
drohenden Abschlufsprürung von irgend einer Vertiefung der Lek- 
türe kaum die Uede sein wird. Aber für Obersekunda scheint 
mir WöHnins Ausgabe nicht zu viel zu bieten. Wenn er sich 
entschliefsen kftnnte, einige Cttate zu streichen und die Verglei* 

2* 



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20 



Jthresbericlite d. pbiloloy, Vereiti. 



chungen mit Poiybios und andere Bemerkungen, durch welche 
das Quellenverhältnis beröhrt wird, in den Anhang zu verweisen, 
dann wfifste ich nicht, weshalb m^n nicht die Durcharbeitung des 
ganzen Kommeutars von den Schülern sollte verlangen können. 
Eine Schülerausgabe im modernen Sinne wird es auch so nicht 
sein, aber eine Ausgabe für Schüler, wie wir sie zu behalten hoffen 
dflrfen und uds Hübe geben möBsen. 

Schon jetxt hat der Hsgb. einige Bemerkungen, welche die 
Textkritik betreffen, aus dem Kommentar entfernt; wenn er hierin 
noch etwas w^ter ginge, so läge das gewifs im Interesse der 
Ausgabe und der Sache, welche sie vertritt. Im einzelnen sind 
mir sonst fast gar keine Veränderungen im Kommentar aufge- 
stofsen, soweit sie nicht dmxii die veränderte La. des Textes not- 
wendig geworden waren: ein Beweis für den inneren Gehalt der 
Anmerkungen. Zugleich wurde eine „schulmäfsigere Orthographie" 
durchgeführt. Was damit gemeint ist, weifs ich nicht; gleich auf 
der ersten Seite (zu 1 , 3) steht „Perrücken'*, wibrend die preu- 
fsische Regierung „Peröoken^* vorschreibt (zu 1, 4 sieht in dem 
Satze „ungenauer und nicht mit . . . übereinstimmender Ausdruck'* 
hinter „ungenauer'^ ein Komma). 

Den Text hat Hsgb. im Anschlufs an die Bearbeitnng von 
Lnchs mannio^fach geändert; es sind an 12 Stellen hislnr ringe- 
klaniniertt' WOrU: ganz getilgt und an 5 Stellen die bislierigen 
Klammern raüernt worden; an 5 Stellen ist eine andere VVort- 
steliung gewählt; an 25 Stellen fand eine andere La. Aufnahme. 
Zugleidi wurde der Anhang entiastet, da „viele Stellen, über 
welche der kritische Apparat von Luchs hinreichenden AufschlnCs 
giebt, nicht mehr erwähnt zu werden brauchten*'. Hit letzterem 
bin ich vollkommen einverstanden, wie ich auch die Änderungen 
in der Mehrzahl gutheifäe. Billigen kann ich es aber nicht, wenn 
1,12 Ürakenborchs lanaeque verschmjilit . 16,3 und 40,1 die 
Wortstellung voluntate fuit bezw. eomulis oratio gewählt, 6, 5 super 
alixmi aiios (vgl. Lex. I 931 flf.), 31, 5 cum iis Semyronio . . amisso 
und 35, 4 par in adversandum beihehalten ist. 2, 6 hat auch 
Wfcb." (neque) aut im Texte, wegen der beiden vorhergehenden 
neque; (nec) aut findet sich nicht seilen bei Uvivs und wird wohl 
deswegen von Ed. Wolff bevorzugt. 

4, 2 schreibt Wfl. iMurgimty wofür Novak (s. u.) aäsmrgmt 
verlangt, weil Livius ittsurgtre überhaupt nicht kennt. Oas wird 
wohl den Ausschlag gehen. Livius wendet zwar auch adsurgere 
in ähnlicher Weise nirgends an, und für insurgere läfst sich Tac. 
Ann. 2, 16 anführen; aber bei der I i ti prllcsart a/b'usurgere mufs 
wohl die Vorsicht zur Wahl von uämrgere bestimmen. 

Unter den Laa., in denen die Ausgaben von Wll. und Wfsb. 
übereinstimmen, verdienen mehrere von den Hsgb. auf ihre Halt- 
barkeit ernster geprüft zu werden. Dahin rechne ich 1, 8 tmiurat; 
1,11 itaseriptami 25, 1 3 €oniradietum\ 26, 1 utprimm\ 27,8 cmn alfo. 



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Livius, vuo U. J. Müller. 



21 



Im Anhang mufs bei Wfl.^ die Bemorkung «u 2, 3 et omne 
klarer gei'aX'äl werden. 

11) Titi Livii tb nrba coidita libar XXX. Fir 4m Sehalfebmieh ar- 
klärt von F. Loter bacJi er. Leipri;, B. G. Teobner, 1892. 87 8. 
& 1,20 M. 

Neu sind in diesem Hefte die erklärenden Anmerkungen zur 
I^erioclia. Man mufs aus denselben docb wohl den Sclilufs ziehen, 
da£» der Usgb. meint, es kunnf* jemand auf den Einfall kommen, 
die Periocba in der Schule lesen zu lassen. In Ausgaben ,,für 
den Schulgcbrauch" gehört die Periocba überhaupt nicht hinein. 

Vprschirdeu ferner von don Ausgaben dt-r Bücher 3 — 10 bat 
der llbgb. hier auf eine Übersicht der wichtigsten Varianten der 
llss. verzichtet und im Anhange nur die Abweichungen vuii der 
Lucbsscheu liearbeitung verzeichuet, welche ihm ,idurch Uück- 
sichten auf die Erklärung und den Schulgebraucb geboten schie- 
nen". Zu diesen Abweichungen (knapp l'i S. umfassend) steht 
die Erörterung über die Hss. (1 S.) in keinem rechten Verhältnis. 
Sie ist wohl Oberhaupt ganz unnötig, da für kritische Zwecke die 
Benutzung der Luchsschen Ausgabe vorausgesetzt wird, in dieser 
aber über die Hss. alles INoligc gesagt ist. 

Unter den Abwoirltungen finden sich mehrere eigene Vorschlage 
Ltb.s, die i^unftchst die Aufmerksamkeit auf sich lenken. 

4, 5 scliiiibt er: unteniia. (cam aperireC) nach Cic de or. 
1, 84, Wiihreiid Mg., Luchs und Zingerle {eam promeret) ergänzen 
nach Tac Ann. 1, 8. Di* llinzuffrgung des Verbums ist zweifel- 
los nötig. Ob wir a^eriiet oder pomeret wählen, ist an sich 
gleicbgdlUg (doch ziehe ich letzteres vor); aber die Hinzufüguug 
des Pronomens eam ist zu mifsbilligen, wie sich aus dem folgen- 
den ooMstfleref ergiebt, bei dem sonst auch eam erwartet wörde. 
— 6, 2 noctitma {wtum) e$ut cmfutU (letzteres mit Rhenanus). 
Ob das blofse essel s= „herrührte'* erträglich sei, ist auch mir 
sehr zweifelhaft; confusis ist richtig; der Fragesalz {an .. esset) 
hängt aber nicht „in ungehr.iuciilicher Weise*' von cmfmis, son- 
dern von seuswn veri adimebat ab, eine Auffassung, an der die 
Hinzu lugimg des veri zu semum keineswegs hindert. — 25, 6 
celerUate sua elabentem; äufserlich weniger wahrscheinlich als c. 
sua praelabentem und auch sonst wühl nicht vorzuziehen, da von 
einem elabi nicht eigenthcb die Hede sein kann, wie das Folgende 
beweist. Durch seine Schnelligkeit wurde das Schiff vor dem 
rtifTro feriri bewahrt, wozu ein schräger Anlauf des feindlichen 
Schiffes gehört Wurde ein solcher Stöfs versucht, dann fuhr das 
Schiff jedesmal so schnell, dafs es vom rostrum des feindlichen 
Schiffes nicht mehr getroffen wurde, d. h. es fuhr vorbei. — 27» 11 
sclireibt er: agerentque, qvos . . . cotisnlibus ludos T. Manlius , . . 
iussi tos Ii(fh$ . . . facere. Dafs der Ausdruck auf diese Weise 
glatt und gel^liig wirdj ist klar (der Usgb. yerv^ei^l z^um (}berllufj^ 



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22 



Jahreslrericbt« d. philolog. Varetos. 



auf § 3); nur mufs ich es stark bezweifeln, Ms er dem Worte 
ludos den richtigen Platz angewiesen hat Er folgt hierbei dem 
Vaticanus, der bekanntlich nicht zu den besten Vertretern der 

^'-Rezension gehört. Wfsb. sagt, die Speyerer Iis. scheine die 
Attraktion" qiios ludos gehabt zu haben; das dürfte sich aber 
aus dpr La. des V schwerlich folgern lassen. Ich niutmafse, dafs 
der Schreiber des V dieses ludos irgendwo fiber- oder neben- 
geschneben vorfand und ihm nun in seinem Texte einen zufälligen 
Platz anwies, lege also aut V an dieser Stelle kein Gewicht. Mag 
man üuii über die Fassung des Wortlautes gegen Ende der Pe- 
rlode denken wie man will, die Wortslellung hidot qw» ist bei 
nachfolgender Wiederaufnahme mit m €9$ hido$ . . so ungewöhn- 
lich, dafs ich mich mit Forchhammer für die Umstellung der 
Worte {quo$ Ivdos) erklären mufs ; in dem folgenden quasquM 
hostias hegt m. E. hierfür die Bestätigung. Was die weitereu 
Änderungen Ltb.s betrifft, so kann von einer Wahrscheinlichkeit 
derselben nicht die Rede sein: facere konnte wohl zu facerent 
verwässert werden, wenn aus Versehen ein tä in den Text jre- 
kommeu war: aber ut in iussi zn verwandeln, das i:t lu nicht recht 
an. Wfsb.s Erklärung, die Ltb. nicht überzeugend n nnl, verwerfe 
auch ich, aber lU . . facerent erkläre ich für uuauLablbar. So 
bleibt für mich nur die Annahme übrig, dafs das Verbum, von 
dem ut • . facerent abhSngt, ausgefallen ist, und zwar dort, wo, 
wie durch die Stellung des guos angedeutet wird, eine Alteration 
des Textes vorausgesetzt werden darf. Ich vermute also : . . age^ 
rmitqtie, (decrefum est, ttf, oder tenatus deerevü, ut,) quw ludos 
. . . fuisset, ut eos ludos . . . facerent. — 29, 4 (sed) maxime 
(andacia) hostis fidnciaque, weil ,,auf maxime doch wohl unmittel- 
bar der Hauptgrund der Bestürzung Hannibals folt^en niufs'*; 
auch werde bei der Lesung hostis fidncia (andacia)qne (Wfsb., 
Luchs) hostis ungebührlieh betont. Üb das letztere durchaus der 
Fall ist, möchte ich in Zweifel ziehen, bestimmt glaube ich, dafs 
die beiden Substantiva nicht von einander geti'ennt werden dürfen 
und das Fehlen der Adversativpartikel nach vorhergehendem quidmn 
ganz in der Ordnung ist. Wfire sed übiBrliefert oder (hinter ma- 
xime) vero oder tarnen ^ so wdre das ja gut und brauchbar; aber 
veimifst wird die Pmiikcl hier so wenig wie 34,39,8; 42,49,2. 
60, 2. 66, 1 ; 45, 28, 5. Die Annahme des Ausfalls zweier Wdrter, 
in deren Milte das übrig gebliebene maxime stand, entbehrt so wie 
so der paläogriiphischen Wahrscheinlichkeit. — 36, 6 contemplatus 
st ad contemplaudum (keine leichte Änderung); die übrigen llsgb. 
setzen hinter causa mit Alsch. povectus ein. 

Zu erwähnen ist noch, dafs Ltb. 11, 10 mit 11. A. Koch 
trepidare lurbali schreibt, aber zugleich die Vermutung wiederholt, 
die er früher einmal geäufsert hat, es möchte Stare ac pugnare 
iur^ . . zu lesen sein, „wie 22, 5 und 60, 25**. Unter den 
zahlreichen Versuchen, die Stelle zu heilen, ist die zuletzt er- 



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Livius, voo H. J. MUHer. 



23 



wähnte Konjektur am wenigsten ansprechend; da^ iUchüge wird 
$tare m perturbari seio, was W&b. ehemals vorschlug, später aber 
verwarf. 

„Für den KommeDtar konnten namentlich die Ausgaben von 
WeifsenborD und Riemann benutzt werden. Doch schienen mir 
ihre Erklärungen vieiracb ungenügend für eine Schulausgabe oder 
nicht zutreffend , so dafs ich genötigt war, teils an manchen in 
liczug auf die Konstruktion und den Sinn schwierigen Stellen neue 
Bemerkungen zu machen, teils unrichtigen Auffassungen entgegen- 
zutreten'^ Ich kann mir vorstellen, wie oft der Hsgb. sich bei 
Wfsb.s Anmerkungen eottäuscht oder unbefriedigt gefühlt hat, 
und er wird deutlich erkannt haben, eine wie mfihsanie Arbeit 
mit der Neugestaltung dieses Kommentars verbunden ist. Das 
Schlimmste ist, dafs man den vielen Citaten Wfsb.s nicht trauen 
kann; was er anflibrt, pafät oft zu der Stelle oder dem, was er 
beweisen will, gar nicht, so dals man nicht selten ganze An- 
merkungen ausstreichen oder durch neue ersetzen mufs und hanfig 
gerade durch die Art seiner Erklärung zu der Überzeugung geiuhrl 
wird, dafs der Wortlaut, wie er im Texte steht, gar nicht erklärt 
werden kann. Hier hatte Lib. i^eiegenheit, selbstäiidi^c^ Ürlüil zu 
zeigen, und hier bat er sich als sachkundiger Erklärer gezeigt, 
der seiner Aufgabe durchaus gewachsen ist. 

Zu 10, 7, It fiiMf^fS hei&t es in Ltb.s Anhang: „Vgl. Lea- 
sing, Über die Ahnonbilder der Römer'*. Für den Leser, der dieses 
Hinweises bedarf, wird es nicht unnfitzlich sein, wenn zu 30, 34,3 
an Lessings inirtchtige Aoffassiing von ßla erinnert wird (in der 
Hempeiscbeu Ausg. XllI 1 S. 307). 

Von auswärtigen Liviusausgaben uud Schriften, die auf fjviiis 
Bezug liaben, sind mir folgende nur dem Tiiel nach bekauui 
geworden : 

Livius, books 1 and 2. With notcs hy J. Preodeville. Reedited 
aad parllv rewiitten, with a reviscd text by J. H. Preese. London, 
Bell. 13 J u. 174 S. 16. je l,bi) M. Vgl. Athen. 33s2 S. 254- 

— . über T. fiditio tertia. Aogastae Taariaorani, off. Salcaian«. 59 S. 16. 
0,3U M. 

— , booK 6 wftb iotrodaetien , text eod notei by A. H. Allcroft end W. 

P. Masom. London, Clive. 12$. 5 sh. 7 d. 

— , eeleetiotis (books 5 and 6), adapted an edition, with notes. a|)|)endix 
aud vucabulai v, bi C. Lauing. iVew-York, MacmiUait. W'I u. 93 S. 
16. 2M. 

— , book 9 with iotrodnction and notM bv H. M. Stephenson. Cambridge, 
Warehoase. 188 S. 12, 2 sh 6 d.' Vgl. £. Thomas, Hev. crit. 18»1 
S. 359. 

~, boek 21. With intr hi tion, notes etc. by A. H. Allcroft aad W. F. 

Masom. London, (Jlivc. 1 sh 6 d. 
— , il libro 21 dclle sione cuinmentato da Enr. Corrhia con prefazione e 
appeodiee sul passaggio di Annibale attravcrsa le Alpi. Toriao, 
Looscher, ISO». XXVIII u. 160 S. mit einer Tafel. '2 I. SO c. — II 
libro 22 commeotato da Enr. Coechia con aua iutroduziooe storico- 



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24 



Jahresberichte d. philulog. Vereitiü. 



eritiM ilU teru Daea di T. Livio e tom na« oartt illaatrativa dalU 
telUglia 4a] lafo Tfiainaa«. Bbaadasalbat. LXXIX a. 162 S. 

3 L 50 c. 

— , books 21 — 23. Short suniiuury und analysis. Oxford, Shrimptoo. 66 S. 
8. 1,80 M. 

ab arbe condita libri 23 — 25. Edition clussique, avec introduction, notes 
et index par L. LevraoU. Pari», DeUlaia. XVIII u. 300 S. ]2. 

2 M. 

ab urba condita libri 23 — 25. Texte latta avec des notes par 0. Rla- 

Diaoa et E. Benvist. NoovaJla Mitioo. Paria, Hacliatte at €ie. 

XXIV u. 525 S. 16. 2,25 M. 
— , ab nrba condita libri 26 — 30. Texte latin etc. par 0. Riemaoo et 

T. Heimeile, 2. Edition. Paris, Hachette et Cic. XVI u. 720 S. 2 fr. 75a. 
— , ^arratiooes. Recits cvtraits. Tradiictioo frao^aise de M. Gaucher, 

d'aures le texte de i'editioo de Riemaon et (Jri. Paris, Hachette et 

Cie. 266 S. 16. 2 M. 
— I Raa maoiorabiles , sive narrationcs excerptae. Nouvelle edition, avee 

sommaires et Botea par M. Moakcoart. Paris, Delafrave. Vll o. 

269 S. 16. 

— , Narrationea axeerptae, rea naiborabiles. Edition clasaiqne, accompaga^e 
de notes et remarques par M. Teil. Paria, Dalalaia friraa, 1801. 

Vi u. 1$G S. 12. 1 fr. 40 c. 
— , Livy lessüDs. Sclectioo from Livy, illostrating Types of Roman Cha- 
racter. With notes, and passages of Eaglish adaptod for translation 
iDto Latin by J. C. Micol aad J. H. Smith. London, SoaBcnicfaaia* 
110 S. 2,40 M. 

— , Easy aalaatiaaa fron Livy. With maps, notes etc. ed. by H. N. Riag- 

doD. Londoe, Percival; v$l Athen. 33S2 S. 2S4. 
Lnoghi scelti dalle istorie, aunotati ad uso delle itrnole da Ign. Baaai. 

2. ed. Torino, Paravia. XI u. li^6 S. 16. 1 L 50 c 
— , K. Coeehia, Tito Livio 6 Paliblo iaaaBsi «IIa critiea atorlc«. Tariao» 

Loaaahar. 70 S. 8. 1,20 M. 

II. Beitrige zur Kritik und Erklärung. 

a) Abhandlungen. 

12) L. Wiokler, Die üittograpbieo in den ni k o m d chia n i!? r h e n 
Codices des Livios. IL TeiL Progr. des Leopold&tädter Koiuuiu- 
nal-, Real- and Obergymaasams ia Wiea 1892. 27 S. 8. 

Der erste Teil dieser fleifsigen Untersuchungen habe ich Jß. 
1891 St 172 if. zu besprecben Gelegenheit gehabt. Dem zweiten 
Teile gebohrt im ganzen dieselbe Anerkennung wie dem ersten: 
Verf. behandelt die in den Nikomachisdien Hss. (besonderss Bf) 
vorliegenden Doppellesarten mit gesundem Urleil und kommt in 
der Mehrzahl der Stellen zu gesicherten Ergebnissen; öberaU aber 
kann ihm freilich nicht zugestimmt werden. 

Folgende Laa. werden von ihm empfohlen (* = Mg^;t»s 
W&b.»). 

Buch VI. 1, 8 I. FostnmtHm *f. — 1, 9 mment*f. — 5,8 
viginti quinque* f. — 8, 6 cum in laevnm cornu*f. — 12, 1 exer- 
ciitim mdictum. Wenn 10, 38, 3 in ganz Saniiiiuin .\usbebuDgcn 
gehalten werden, so ist es nur natürlich, dafs das Ueer sich vor 
Beginn der Feindseligkeiten an einem bestimmten Orte sammelt 



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Livios» voD H. J. Müller. 



25 



Das ist auch an unserer Stelle anzunrhiiKMi A1)»m" dpr w/^r Pomp- 
tinus ist so ausgedehnt, dafs er als 8:)niiiirl|ihuz nicht gelten kann; 
in diese Gegend waren die Volskei- vielmehr schon eingerückt« 
und der Diktator eilte deslialb aufs schnellste gegen sie. Es ist 
anch im Folgenden Hiebt davon die Rede, dab sich die Volsker 
erst aammetten, sondern ihr Heor steht schlagfertig da, verstirkt 
durch Latiner, Hemiker u. a. Obrigens ist Mietum*i nicht blofs 
„Konjektur sjKiierer Absein riber", sondern steht in U, einer Hs., 
die mit V auf die nämliche Vorlage zurückgeht. Ich wurde mit 
aller Beslimmtheit für inductum eintreten, wenn die Variante in 
M so lautete und nir!u noch eine Verwässerung aiip:enomnien 
werden möfste. Aber wie ich es nicht für richtig halte, dafs 
5, 8 qftmque triginta für eine ,,falsche Korrektur" des ursprünglichen 
viyiiUi quitique erklärt wird, so glaube ich auch nicht, dafs 12, 1 
iKduui als bedevtungslose Variante anl^fessen ist 5, 8 wurde 
m. E* ein ursprüngliches fehlerhaftes qninque triginta (das ver- 
mutlich mit Zahlaeichen aosgedröckt war) durch ot^ntfi quinqwi 
verbessert und ebenso 12, 1 wdictum durch übergeschriebenes 
induc, woraus der Schreiber von M yersebentlich induci machte. 
Für inductum spricht auch der Umstand, dafs man bei indietnm 
eher Volseomm als a Vohcis erwartete. — 13, 3 caedem cerHebat*f. 

— 18, 7 cireumspectahitis^ f. — 24, 5 subiectus^y. — 25, 2 dnc- 
turum ait ne*f. — 27, 6 aliis atque aliis*f. — 28, 8 memoriam 
dedecoris*'f\ cladis statt dedecoriSf was zweifelsohne zu verwerfen 
ist, bieten nicht „Weifsenborn und Zingerle*', sondern nur der 
letztere. — 32, 6 dirmnü*f. 

fiuch VH. 1, 8 qwmwis matura, tamm acerba*f. — 2, 11 
quae exodia*^. — 3, 4 «a religione*1[. — 10, 2 T. Manliug*^* 

— 13, 11 ut capere arma iuberet*i\ dafs so und nicht etwa arma 
cappre zu lesen ist (Verf. glaubt, dafs sich das nicht leicht ent- 
scheiden lasse), folgt ni. E. daraus, dafs auch der wichtige Codex 
l) mit 1* uhereinstimnit. — 14, 1 cernebat, was vom Verf. m. E. 
mit unzureichenden Giunden verteidigt wird. „Die Wirkung der 
Hede des Tullius, die Begeisterung aller Soldaten, die ungestflm 
in den Kampf zu ziehen verlangen, die sieht man wohl mit den 
Augen und braucht sie nicht erst zu erschließen". Ganz recht; 
aber darum handelt es sich hier nicht. Der ganze Auftritt ver- 
diente nach der Ansicht des Diktators (censebat^f) Mifsbilligung, 
es war eine res exemplo haud prßbabili acta; aber wegen der ofTcn- 
harten löblichen Stimmung ging er auf His' Sache ein. — 16, 1 
ficii?i(*t. Das in den Hss. daneben sleheinii^ arrepit {accepifqve) 
sieht allerdings wie eine Erklärung des charakteristischen savit 
aus ; aber angesichts der eiumuiigcn Lberlieferung (in M fehlt nur 
que) ist es doch zweifelhaft, ob das Verbum so ohne weiteres 
verworfen werden darf. Ich neige dieser Ansicht zu; aber es ist 
schon von anderer Seite hervorgehoben worden, dafs Livius es 
liebt, einen Satz mit zwei durch qw verbundene Verba zu schliefsen 



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26 



Jabresbericlite d. pbilolo^. Vereios. 



(vgl. 7, 17, 4; 38, 39, 2; 40, 20, 1. 44, l; 44, 42, 6). — 21, 6 
meriti aequüate curaque $utU*f, — 24, 5 proptUistis* f. — 30, 3 
iittiic mit9riciirdia*f. — 30, 19 n^et*f, — 37, 2 idtgiOU Mmm 
prwitque tuiUeit wie Aischefski, dessen Begrflndang er als „ganz 
zutreffend'^ bezeichnet Diese Entscheidaag des Verts ruft in mir 
ein ernstes Bedenken wach. Er sagt: „In der ganzen Stelle 
schien mir nur das Wort privis in seiner archaistischen Bedeutung 
einer Erklärung zu bedürfen, nas durch binis geschehen sein 
dürfte" (ähnlich, aber viel unklarer äufscrt sich Alsch.). Hier 
stehe ich nun vor dem Rätsel, wie privis, wetcbes die Vereinzelung 
bezeichnet, liurch binis erklärt werden konnte, und dieses Rätsel 
wird wohl auch für andere nicht lösbar sein. Bei Paulus Üiac. 
helfet es geradezu: prüm atUiqui dta^mit pro smguUsi hiernach 
liegt es doch wohl näher, nngms fiir eine Erklärung des archai- 
schen privis zu halten, Weifsenborn thut, und man könnte 
mit einiger Zuversicht hierfür eintreten, wenn das hlobe prmi 
überliefert wäre. Aber es sieht privisque da, und wegen dieser 
Form hat Alsch. geglaubt, zwischen privisque und binisqm wählen 
zu müssen, wns atif^enscheinlich verkehrt ist. Es ist klar, dafs 
die NYörter binisque lunicis nicht angelastet werden dürfen fvgl. 
9, 41, 7), und es bleibt nur die Wahl zwischen der La. 
und der der Uss. M P F U , welche Mg. beibehalten bat. Dafs 
priinsque sehr zu beachten ist, liegt auf der Hand, denn es ist in 
R I) überliefert and steht auch in P am Rande Terseichnet Aber 
bei so schwieriger Enscheidung mufs das Übergewicht der Ass.- 
Gruppe M P den Auschlag geben,- Es wird ano geratensten sein, 
privisque aus dem Text zu lassen. Livius hat das Wort nur an 
einer Stelle des 30. Ruches 'gebraucht (in einem Spnatsbpschlufs, 
der nach älteren Ouellen an^^efnhrl wird): an unserer blelie ist 
die AnwenduiJt; (ies ailei tümiicheu Ausdrucks befreradlicb. 

Buch Viil. 1, 4 eos neutro*-f. — 9, 1 iocineris*i. — 17,12 
L Papirio*f. — 24,9 imgresmm*i. — 25, 12 inceptis* (incep» 
tumf)\ die Oberlieferung zeigt eine Doppellesart, die in M am 
deutlichsten zu Tage tritt. Hier ist die Entscheidung deshalb 
schwer, weil beide Konstruktionen {ineephrn »uccedit und hie^^ 
succedit) livianisch sind. Verf. sagt, die unpers6nlicbe Konstruk- 
tion alkui rei succedit habe Livius allem Anscliein nach häufiger 
angewandt als die persönhche, und die La. inceptum sei nls ein ..die 
ungewöhnlichere Konstruktion, erklärendes Glossem'* zu be- 
trachten. In diesen Worten liegt scheniliar ein Widerspruch ; Verf. 
meint aber: „uiigewuhuiidier" in den Augcu ti essen, i\er imepium 
verbesserte. Vorliegende Stelle zeigt recht klar, dalk wir mit 
solchen Erwägungen, was das Ungewöhnliche oder Erklärungs- 
bedürftige sei, nicht auskommen. Augenscheinlich ist der Arche- 
typus von MP „rezensiert*' gewesen, und es ist nicht ausge- 
macht, dafs die zweite La. jedesmal einer Us. entnommen 
wurde. Und wenn auch, ist das ein Ausschlag gebendes 



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Livfns, von H. J. Müller. 



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Moment, wenn man sagt: ich lese inceptis, wie Livius hiiiifi^er 
sasjt, weil inceptum von jemand hinzugefügt wurde, dem die Kon- 
jälruklion inceptis weniger geläufig war? Kann Miau nicht ebenso 
gut sagen: zu tncepium fügte jemand die Variante inceptis ^ weil 
er wufste, dafs diese Kooslruktion bei Livius die häufigere isl? 
Ich urteile so: es ist tn^plissn schreiben, i) weU die unpersön- 
liche Konstruktion des tuceedU mit Dat. bei Livius vorherrscht, 
und ganz besonders in den ersten Dekaden (s. 8, 25, 12 ii SMC- 
cessisset inceptis\ vgl. 21, 7, 6; 25, 37, 19); 2) weil die persön- 
liche Konstruktion des succedere sich auf die Neutra von Prono- 
mina und Adjektiva beschränkt (vereinzelt 42, 58, 1 inrepf.Hm non 
succedebat, — erst in der 5. Dekade!); 3) weil die Wortstellung 
dafür spricht. — 27, 9 mittantur; auch an dieser Stelle werden 
die Bemerkungen Aläch.s „vollständig gebilligt", der aber doch den 
Beweis, dafs wumaretwr Ugatiqu» . • mäkmiwr xnlissig sei, schuldig 
geblieben ist Augenscheinlich ist der bierin liegende Anstofs 
bestimmend gewesen» mdlimlur^t in den Text aufzunehmen; denn 
die gute Überlieferung spricht deutlich fflr den Konjunktiv, und 
legati . . mittantur von ut abhängig zu machen, hindert nichts. 
Man crwni tPt in. E. gleiche Tempora (aber schwerlich mitterentvr, 
wie Fugeil \Mil); jedenfalls ist die Sache damit nicht abgemacht, 
dais der Wechsel der Tempora „nicht beiienitiend" genannt wird 
(den Hinweis auf 4, 19, 2 wird mancher gar nicht verstehen), son- 
dern bedarf einer gründlichen Untersuchung. — 35, 6 insuliabas; 
das Ton allen Hsgb. aufgenommene exsuMoi^f sei eine Erklä- 
rung des ungewöhnlicheren, aber an dieser fnthetischen Stelle 
wohl möglichen imultabas. Also inntltabas vieicrial Wer dafär 
in dem Palhos der Stelle, von dem ich nichts spüre, die Ent- 
schuldigung finden kann, der mag sich mit dieser La. wohl be- 
freunden. Aber dafs 6, 23, 8 imuUare mit der gleichen Konstruk- 
tion in der dem exsultare ,,fast gleichkommenden Bedeutung" .,auf 
Grund einer Sache frohlocken'' gebraucht sei, das wird man nicht 
so leicht glauben. 

Buch IX. 2, 1 loeat*1r. — 3, 12 nmian. — 4, 16 vestri*f. 
— 5,7 «itssos (die handschriftlichen Varianten sind vom Verf. 
ganz verkehrt angegeben; s. Wfsb.*). Dem Verf. scheint lapsos zu 
schwach zu sein, „indem die römischen Soldaten mit Tieren ver- 
glichen werden, wdl sie durch den sorglosen und unpraktischen 
Feldherrn gleichsam in die Falle kommandiert werden". 
Livius sagt, jene seien blindlings {cufrof:) wie die Tiere {beluarum, 
wohl Elefanten) in die Fallgruben hineingestürzt und könnten nun 
nicht wieder lieiaus; das ist zu schwach? Meiner Meinung nach 
ist dies der natürliche Auadruck. Bei ,,in die Falle kuinniandieren", 
das prägnanter sein soll, kann ich miir nichts Klares denken, zu- 
mal noch eaecos dabei steht und eaed sich flberhaupt schwer irgend- 
wobin kommandieren lassen. — 6, 2 quidam*f, — 14, 12 e 
cacM*t. — 18, 19 miiAi fvmeiU*i. — 21, 4 eircmnvemimdum. 



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Jabresberichte d. philolog. Vereins. 



weil man kaum annehmen ki niu', dals ein Sclireiber oder Kor- 
rektor die vulgäre Form durch die altertümhche habe ersetzen 
wollen. Dalä dies ein ieicbtwiegendes Argument ist, habe ich 
wt6d«riioil horroigeholieii ; e« kann kamn GeUuag haben gegen- 
über der Thatsache, dafa archaiiche Wörter bei Liviua nur in 
Formeln und Wendungen auftreten, denen abeicbtUch die alter- 
tQmliohe Form belassen ist. — 27, 14 perfugerunt*-\: — 28, 8 
insequentes comules M. VaUrius R Deciv»*f, — 29, 10 /ocers^f* 
— 39, 8 primo8*t - 41. 13 fma*f. 

Buch X. 3, 2 Cünium*j. — 5, 13 Cilnio*f. — 6, 3 quie- 
tarn [et] exonerata [deduclam]*, Dafs Livius so gesagt haben 
könne, ist nach Tac. Hist. 5, 2 nur möglich, kaum wahrsciieiiilich; 
das kritische Verfahren als solches scheint mir sehr bedenklich 
(zwei Wftrter getilgt und eins geändert). Wie ich fiber die Stelle 
denlte, habe ich bei Wfsb.* ausgesprochen. — 9, 8 ardm$*i, — 
13, 1 FfMi» wnml*^, — 14, 21 eopfj octmgenH*\. — 15, 1 
efiD(racfoa*t, — 19, 20 a victoribu8*f, — 23, 9 quo^f. — 25, 14 
periculum e»c*t' — 25, 14 simul o6tre*t. — 29, 3 pro prae- 
rore*t. — 29, 7 rarisque^f. Die Doppellesart springt hier ^janz 
besonders deutlich in die Auijen, wenn man die Überli» t rmi': in 
MPL so abteilt: ue \ ransiiue nais; es wird wohl rariüqm als 
Verbesserung über uerutis gestanden haben und so zwischen die 
beiden Teile des Wortes uerutis eingedrungen sein (wobei zu be- 
merken ist, dab das letztere Wort in M D L richtiger geschrieben 
ist als in P U). Wenn Laterbacber dies rarisque verwirft und mit 
Benutzung der vorhergehenden beiden ßuchstaben mc rari» achreibt, 
so ist dieses Ver£ihren als nicht rationell zu bezeichnen. — 32, 4 
nhi et intrare, weil dem Verf. intrare ,,eher zu einer Erklärung 
vcranlaist zu haben scheint als vmtare''. Möglich, obgleich nicht 
gerade naheliegend; mehr Gewicht würde ich dem Umstände bei- 
legen, dafs es zu egredi einen schärferen Gegensatz bildet als vmtare. 
Der Vorschlag Winklers ist jedenldlls zu beherzigen. — 37, 15 
effaiu8*i, — 43,12 lemere (ohne prope)*i. 

Am Schlüsse giebt Verf. eine zusammenhängende Obersicht 
der Doppellesarten und der Stellen, an denen sich der richtige 
Wortlaut ohne Variante in den einzelnen Hss. ßndet. Die Folge- 
rungen, die er daraus zieht, um das verwandtschaftliche Verhält- 
nis unter den Hss. und den besonderen Wert der einzelnen zu 
bestimmen, sind richtig. 

13) W. lleraeus, Viudiciae Liviaoac. Part. 11. Progr. Realgymn. 
OlTenbtcli a. M. 1692. 15 S. 4. 

Diese Abhandlung bildet eine Fortsetzung der Yon mir JB. 1890 
S. 184 besprochenen* Ich kann fiber den Inhalt derselben nur 
wiederholen, was ich über den ersten Teil gesagt habe: der Verf. 
geht mit grofser Sorgfalt zu Werke und führt den Nachweis, dafs 
vjeie Stellen von den Kritikern oder Herausgebern mit Unrechi 



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Liviot, Vota H. J. Miller. 



29 



geändert worden sind, unter Herbciziehung reichlichen Materials 
und spezieller ßerücksichtigung der Diktion des Tacitus sachgeniäCs 
und meist überzeugend. Gern nimmt man es mit in den Kauf, 
wenii Konjekturen, an deren Richtigkeit kein Mensch glaubt, um- 
sti<ncJli(h v\iderlegt werden (für die überlieferte La. mutas . . bestias 
25, 13, 7 sind nicht weniger als 17 Stellen im vollen Wortlaute 
angeführi); ebensowenig tadeln wir es, wenn der VollstSndigkeit 
wegen mancherlei wiederholt wird, was schon anderwärts berror- 
gehoben oder citiert worden ist; eher könnte man es ub^^rflüssig 
finden, dafs auch Kleinigkeiten mit grolser Gewissenhaftigkeit und 
Gründlichkeit und in xuweilen recht pikanter Darstellung behan- 
delt werden. 

Aus den mit guten Gründen verleidigten Laa. der Überlie- 
ferung verdienen hervorgehoben zu werden: 3, 30, 2 exarserant 
animis, — 5, 47, 2 saxo in ascensum aequo. — 9, 6, 11 abiec- 
ft'oTis animi. — 26, 24, 15 itf adioq^o Imi pellieerent kotit» 
ad dideniam wrh$m, 27, 18, 6 hamd faeükr in oiemtum, — 
35, 30, 11 prae^mL — 43, 10, 1 haui jwvenl inde Uscana 
Ofpidum finium imperäqite (mit Harant) Per$ei tfiU» — 44, 13, 1 
sei m agro hostili wegen 8, 24, 5 möglich, besser aber ^rrde m 
agro hostium geschrieben (so schon F. Fügner; s. JB. 1802 S.14). 
— 45, 26, 3 effnm omms ob via turba. Da Livius 28, 9, 5; 29, 
i4, 13; 31, U, 12 ; 45, 26, 3. 35, 4 in genau derselben Verbin- 
dung das Adverbium obviam angewandt bat, so glaube icii, dafs 
es richtiger ist, anzunehmen, der m- Strich über oMa sei ver- 
gessen, als die Adjektivform mit 27,51, 1 mnk mCbi tmrtre 
oM' und 41,25,4 Eupoteam eUam otoA» asierat m ver- 
teidigen. 

Zweifelhaft scheint dem Verf. 1, 41, 1 populi miranttum, weil 
die guten Hss. mirandum haben (aber <hr\n kann doch nichts an- 
deres als mirantium stecken; eher ist daran An^^tofs zu nehmen, 
dafs populi und mirantium unmittelbar bei einander siched), und 
7, 30, 22 pendentibus aninus (statt aH'-un\ wie meiner Ansicht nach 
gelesen werden niufs, weil sonst kein Leser die richtige Konslruk- 
tioQ der Worte durchschaut). Auch 9, 17, 3 trägt er Bedenken, 
meine, wie ich glaube, sichere Verbesserung in re häUea ansuer- 
kennen, und giebt zu verstehen, dals er lieber In tilgen und m 
MUem beibehalten möchte. 

Eine «gene Konjektur macht er 21, 8, 4 (niobt 6), wo er 
zu lesen vorschlägt: oppidaiii ad omnia tuenda . . . mnUifariam 
distineri coepti gane non sufficiebaiU {sane statt des bdschr. sunt), 
was meinen Beifall nicht hat. 

Die Abhiuidiung schliefst mit den Wullen: „Adiiimus parvam 
rem . . . Adnotat enini Weissenbornius ad verba quae mutas ac- 
tmdiret beslias [25, 1 3, 7j : man erwartet »welches sogar«. Sed 
nihil desideratur** (folgen Beispiele). Jene aUerdings verkehrte 
Notis findet sich in der 3. Auflage (1871), spater nicht. Die 



30 



Jahresberiebte d. philolof. Verein». 



älteren Aufla^^pn der erkiireDden Ausgabe VYei^^eDborns entbalten 
so viele Halbheiten und Unrichtigkeiten, dafs es sich wahrhaftig 
niclit lohet, sie auch nur zu LTwähuen. Über die Versehen in 
dem Kommentar zum 9, und 10. Buche in der 3. Auilage liefse 
sich ein Buch schreiben. 

14) R. Ne vik, Z« Livlue. Zeltsebr. t d. Ssterr. Gyne. 1892 S. 193^206. 

1, 21, 1 will N. nur pro legum . . lesen, was auch ich schon 
als das Beste beseichnet habe; s. JB. 1890 & 170 Anm. 

1, 57, 8 sei neropmato zu schreiben; in der ganzen ersten 
Dekade verwende Livius nur diese Vorm mit Ausnahme zweier 
Stellen (3,26,5; 6,40,3), an denen der Grund, weshalb er 
inopinatus setzte, in die Augen springe. Erst von der dritten 
Dekade an gebrauche Livius beide Bildungen ohne Unter- 
schied. 

5, 5, 4 beanstandet N. die Konjektur Heidenhains (tribuni 
pleMi olim stipmiihm, weil Uvius Im vierten, fflnften und 

sechsten Buche olim meidet (vgl. zu 38, 17, 6) und das veränderte 
Wort {cum) in V fehlt. Der zweite Grund ist von einiger Be 
deutung, der erste nicht. Aufscrdetii parst der BegrifT nicht nur 
gut in den Zusammenhang, sündeni ist als Gegensatz zu nunc 
geradezu erforderlich. Entwickelt sich endlich nicht OLIM aus CUM 
auf die leichteste, ansprechendste Weise? 

22, 4, 3 admrgunt ; denn das Kompositum iiuurgere habe 
Livius äberhaupt nicht, dagegen adturgere ftfter, wenn auch nicht 
in der fibertragenan Bedeutung von sich erhebenden Hügdo. So 
aber finde es sich bei Curt. 3,4, 6; Tac. Ann. 13, 38; Plin. 6, 56. 
— 24, 2 d^Derim zu streichen ; verius quam finde sich nicht selten 
bei Livius, aber nie mit dixerim. Aufserdem müsse es schon 
deshalb auffallen, weil es hier nicht in einer Rede siehe. — 26, 1 
vt po^ eo, nicht ul primum {ntrum P) ex «o, wie gewöhnlich nach 
J. iVrizonius gelesen wird. Livius hat nt primum erst vom 36. 
Buche an öfter (aber nicht oft) gebraucht, vorher nur zweimal 
(7, 6, 11; 25, 26, 13). Dagegen findet sich M primum in allen 
Ddtaden oft, noch öfter das blofse itf. Hiemach mufs die Kon- 
jektur des J. Perisönius allerdings für verfehlt erklärt werden. — 
42, 12 etm amhiHo aUerius suam primum^ (^dmdt edU^aey wM' 
Maiem solvissetj mit Aussdieidung der Interpolation t^td eos 
prava indulgentia. Behutsam wird man dieses Verfahren nicht 
nennen; aber es hilft dem Gedanken wie dem Ausdruck auf. 
iJeuü in Ordnung ist die Stelle sicher nicht; man lese nur die 
gezwungene und gewundene Erklärung Weifsenborns. 

23, 16, 16 entscheidet sich N. jetzt für das blofse tunc (st. 
vincentibus P) mit Buperti, wie Luchs. — 17, 7 werde das 
Oberlieferte orereüwrrunt am besten durch Streichung eines fehler- 
haften Zusatzes verbessert: orersAirfniiir] ; Livius liebe es in Ihn- 



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Livivii Toa H. i. Miller. 



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lieben Sätzen oriri ai» Eode zu stellen, so dafs das fehlende 
Sttbstanliv irgendwo vor oreretur einzuschalten sei'). 

24, 5, 12 beanstandet N. in der Erginznng der Stelle das 
nonnnllos, da Livius die Zusammenstellung von nov mit anderen 
negierenden Wörtern ^'pllissenllich meide {JwyniuUi nur 34, 4, 12). 
— 22, 2 servitvtis mdüjnilates kommen . . Sclii eibfeliler wie «f?m- 
tudinis seien in P liäulig (z. B. 21, 49, 13 uirtudine fiu uirluie)\ 
que sei gleichfalls oft fälschlich angehängt, an unserer Stelle habe 
t'ör den Schreiber eine ganz besondere Versuchung voigelegen. 
Inden N. inügnitates schreibt, nimmt er offenbar an, dafs der 
Schreiber mit seinem Mign^eütque die Endang dieses Wortes der 
Endung des vorhergehenden gleich gemacht habe nnd so su der 
fehlerhaften Verbindung verleitet sei. fcrmido habe Livius nicht 
oft gebraucbt, immer nur von der Angst der Soldaten im Kampfe 
und meist unter Anlehnung an die Ritualsprache (häufig fuga ac 
fortnido). Der Plural findet sich allein 30, 41, 13; <lie Verbindung 
sitiitutis foi'inidmes \\)nl dadurch nicht gerechtfertigt. — 47, 15 
ujco, in <(«s) tetupla Foriunae . .; gewöhnlich wird et oder cum 
stall in gelesen, ^uvaki> Lesung würde mehr für sich einnehmen, 
wenn in iis sich unniillelbar an solo aequata omnia anschlösse, 
und wenn nicht, was doch ins Gewicht fällt, auch templis in tmpla 
verwandelt werden mOAte. 

25, 29, 7 sH'iim vos tensUHi (tm statt re), da tanivm ^psiw 
einen Gegensatz daiu nach eiiam erwarten lasse. Leuchtet mir 
nicht sehr ein. Dabei wird die Entstehung des vos so erklärt: 
dieses voi ist entweder ausgefallen und durch re falsch vom 
Schreiher ersetzt, wenn man nicht vielmehr eine Diltographie von 
sensistis annehmen will, oder man mufs in dieser Silbe eine 
Closse zu vos, n^lich Ro, = Rom (nii, erblicken, >vrl( li(; die echte 
Lesart verdrängte**. Von dem allen ist auch nicht ein Wort zu 
gebrauchen. 

26, 40, 17 per latrocinia ac rapinas\ Livius gebraucht tapiua 
nie im Singular. — 46, 1 impediebantur , sed quod [euntis] ad 
aiicipitis . . habt^ant Funi, tii kitra . . Die Stellung des Subjekts 
(Pomi) am Ende wird durdi Beispiele belegt; das ist aber auch 
das einzige, was f&r diesen neuen Wortlaut der Stelle spricht. 

27, S, 9 ändert N. das auch mir anstöfsige wMai in akbat; 
vgl. 27, 5, 15. 6, 4 u. a. Das ursprfingliche itsuakbat wurde aus 
Versehen «SHStMtXol geschriebent und hieraus entstand usus uaU^ 
6<tf (P). 



') Diese Ansicht hnU« ich fiir richtig^. Das ausgefallene Substantiv 
kaoa wohl aur tumuUus oder motus gewesen «eiu^ die Stelle des Auüfallü 
woU nur hlaiir ^tii» •of«aonBeii werden; UnTwtet WahrscheiBltclikeit hat 
es, wrnn wir schreihrn: ne quis ttnn{uUux tant) propmquit .. oreretur» 
liater deu von i\. citiertcu Stellea sind zebo mit oreretur j eine (2, 16, 2) 
mit oriretur. An letzterer Stelle sind die Laa. von erster Haod in HR so 
bwidkleo: orwItirM'i «wcfirrR*. 



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32 



J«hr«sberiekto 4. phiioiog. Vereina. 



28, 23, 1 glaubt N. die Annahme einer fjicke damit um- 
gehen zu können, dnfs er die Cenetive hostium natorum . . dimi- 
cantium in die ISoininative hostes irali . . dimicantes (mit dem 
l'iadikat edebant) verwandelt. Dafs dies Deifall laiden wird, ist 
nicht zu erwarten. Die Überlieferung spricht, glaube ich, etwas 
mehr fQr die Passivform Mbwtur (in P stebt idM am End« 
der Zeile). Darum bin ich auch jetzt noch der Ansicht, dals ein 
zu hostium gehörendes Sabstantiv wie fiamr, tra, odium oder 
derg]. vermifst wird. Da man nun sagen kann, dafs der Ablativ 
furore ii. s. w. unmittelbar vor iure nicht geeignet stehe, so ist 
vielleicht von Noväks Theorie der Wortangleichung Gebrauch zu 
machen und zu gehreihen: haec lamm hostium iraUoriim] ac . . 
dimicandum . . edebantnr oder: haec tarnen hoslmm ira[toruml 
ac . , dimicantium . . edebat. 

38, 17, 6 streicht N. oUn und maiores nottri. Der Begriff 
„einst** wird von Uvius gewöhnlich durch quondam ausgedrückt, 
uUm ist ganz selten ; es begegnet in der 1. Dekade 8 mal (fiumdam 
22 mal), in der 3. Dekade I mal (quomlam 31 mal), in der 4. De- 
kade 1 mal, an u. St. {quondam 29 mal), in der 5. Dekade Omal 
{quondain 3 mal). Aus diesem Grunde ist dem Verf. das olim an 
u. St. verdächtig. Ist dies nhrr ein Grund, das Wort zu streichen? 
Oflenbar nein. Aber „es isi auch vollständig übcriiussig und 
macht den Ausdruck überladen, weil primo congressu ad Aliam 
vuriiergeht''. Notwendig ist der Zusatz allerdings nicht; aber von 
Überladung darf man m. £. nicht reden nu^cns noOri wird 
gestrichen, weü die Worte als Subjekt zum nachfolgenden eaedmt 
fugoMiquB nicht passen. „Unter maiorti nostri wären auch solche 
Romer gemeint, welche noch zur Zeit der hier angeredeten rö- 
mischen Soldaten lebten, was ungereimt ist'*. Dafs ihm so nach- 
gerechnet werden würde , hat sich Livins gewifs nicht träumen 
lassen, als er per ducentos iam annos schrieb, ich nehme hieran 
gar keinen Anstois. — 55, 11 manibus discerpmse , da Livius 
coHcerpere sonst nicht gebraucht iiai, wohl aber mehrmals discer- 
pere iu dem hier verlangten Sinn. Man möchte zustimmen, wenn 
es nur mdkt so schwer wäre, an eine solche Verschreibung zu 
glauben. Denn wenn man auch dergleichen in den Ltvius-Hss. 
vereinzelt findet, so ist das doch als Beweismittel kaum zu be* 
nutzen« Die llss. haben an u. St. die Laa. conscripsim, com* 
fresstsse und compretisisse , welche alle gerade darauf hinweisen, 
dafs das Wort mit con anling. 

40, 51, 7 streicht iS. praetores, wofür gewöhnlich praeterea 
gelesen wird. 

Aveli ao einer Erklär DOfi wie ofön entiteiidea ist, fehlt es Bichl. 

Dittog^raphie: „zuerst aliam aliam, daoa korrigiert aliam oUm*\ uud so 
schreibt !N. denn auch ad Jlitmi [olhii] ens. Aber cox steht /.wischen AUam 
aod olim in auch hei der La. vuu U aiiat uUm) i&t au/.uüelkuteu, dai's 
aUam eof %n aHa* vertelmolseii «ei. 



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Ilivivs, roll U. i. Müller. 



83 



42, 14, 3 exasperavit animos ferocia [anmi]\ (Ins Wort animi 
sei eine falschliclie Wiederholung, ifimia ein unnuLi^pr Hegriff. 
Ich ziehe letzleres trotzdem vor. — 23, 5 f. ^iovak streicht 
Carütayimmses (hinler posse) und in socium populuntque. Das erste 
Wort sei völlig überflössig, was m. £. zur Tilgung nicht berech- 
tigt. Wenn die andern drei Worte fehlten, wQrde «llerdiDge nichte 
verniifst; der Wortlaut wäre sogar besser, da ex aequo disceptmt 
eiiii n ausreichenden klaren Gedanken bietet. Aber wie eotBtaiidett 
du Wörter? Mit Abirrung des Schreibers aur cum weüs popuU 
(§ 4) läfst sich wohl niclit operieren. — 29, 12 streicht N. tarn 
vor Macedonum. Die Iis. lint diiffir eiad, und dies sei eine Änti- 
cipation von erat, nie IN ^;rnii(iunt^ ist zu verwerfen, aber auch 
tarn als probable Euieudaiiou nicht anzuerkennen. Vielleicht ist 
hier an ein Zuröckgreiten auf sead zu denken. — 46, 8 streicht 
N. nikil vor et damnatiSy wofür gewöhnlich <^non) nihü gelesen wird, 
womit gewifo das Richtige getroffen ist* 

44, 1, 5 sei eunetam wenig wahrscheinliGfa, ebenso sei 6, 17 
Vahlens cunctis (^adüibusy gewagt, wie später dargethan werden soll. 

— 6, 17 wird factts als Wiederholung gestrichen, aber zugleich 
angenommen, dafs dadurch ein anderes Wort, z. B. adätbus (Vah- 
len). verdningt sei. — 35,7 soll /"acieiUi&ws eine irrtümliche W^ie- 
derhülung aus dem Vorhergehenden sein; abn man findet vorher 
nur facere confertis\ dieses facienlihm m)1! dann wieder das Echte 
veidiängi haben, nämlich um {aymtne mrUibm oder venientibus 
oder Buhemuibus). — 14i 7 bello, eis pollicitum. Richtig. — 33,2 
da emergere bei Livins nur intransitiv Toritomme , so milsse we- 
nigstens «M i^^erti . . ritfi gesehrieben werden. „Zu den Aber- 
lieferten Accusativen mochte oeeuitos den Anlafs gegeben haben**. 

— 45, 10 lacrimae itnpedisseni , da praepedir^ sidi nur in der 
zn^iten Hälfte der 1. Dekade finde, hinterher, und swar sehr oft, 
nur impedire. 

45, 2, 3 streicht N. das vor perrexerunt überlieferte aturbi 
als Wiederholung aus dem Vorhergehenden; ad curiam^ wie dafür 
gelesen werde, sei wegen des folgenden in curia y für das man 
sonst ein Pronomen erwartete, nicht zu empfehlen. Wohl richtig. 

— 36, 2 quonkm hora [quam]; nicht gerade einleuchtend, ebenso 
wenig die Begründung, dafs tarn nach qumiam ,fgewib listig'^ 
sei. — 10, 2 et ip» Sumenis nouite; es seien, 'wie fillers bei 
Uvius, die Eigennamen Tertauscht (der Codex hat adltd»). 

15) £. Reicheohart, Zur Erklärung einiger Liviasstellen. 
Zcitschr. f. d. ilsterr. Gynin. 1S'J2 S. TÜHH". 

4, 8, 5 wird hinter adictrent statt des INinktes, der „durchaus 
falsch*' sei, ein Sermkolon oder ein Komma verlangt (bei Wfsb.- 
Ml.^ steht ein Komma). 

21, 5 12 wird darauf hingewiesen, dafs sich hei W6b.^ ein 
ungeeigneti's Cital finde (bei Wfsb.-Ml.^ nicht mehr vorhanden), 

JahmlMiielits XIX. $ 



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34 



Jahresbarielite d. philolof. Vereins. 



und fler Zwischensatz quod . . hostem für den „mülsigen Zusatz 
irgend eines fnierpreten" erklärt, weil dieser Gedanke bei der 
völlig klaren Situation ganz überflüssig sei. Was überflössig ist, 
braucht darum nicht unecht zu sein; Streichungen werden durch 
jenes Arguaieut uicbl hinreichend begründet. Mir erscheinen jene 
Worte flbrigens gar nicht so QborflQBsig. Wenn der Verf. in einer 
Anmerkung sagt: „Die Qbrigen Erklärer schweigen sich über die 
Stelle aus" („die übrigen Erklärer": nämlich aufser Wfsb.) der 
aber in den neuesten Auflagen ebenfalls schweigt), so gestehe ich 
oflen, dafs ich nicht weifs, was zu den Worten etwa hätte gesagt 
werden sollen oder können; für mich hegt in der Stelle gar kein 
Anstofs. — 8, 4 coepti smC ,.die meisten Hsgb. streichen sunt; 
andere setzen darnach ein Komma. Die ersleren haben recht 
gesehen; aber für coepti mufs es heifsen coacti''' Zwischen den 
beiden angeführten Eventualitäten ist die Wahl und Entscheidung 
allerdings nicht schwer, aber es giebt doch noch eine dritte Mög- 
lichkeit (Ausfall einer Zeitpartikel), und für diese habe ich mich 
bereits früher wiederholt ausgesprochen. Die Begründung, wes- 
halb es eoacti heifsen mufs» ist der Verf. schuldig geblieben; ich 
erkenne nicht, was an coepti auszusetzen ist. coacti ohne mint 
ist schon von Gustafson vorgeschlagen worden. — 31, 9 wird der 
Ausdruck ad laevam bei Livius, welcher den Hsgb. die grulsten 
Schwierigkeiten bereitet, auf folgende Weise erklärt: „Elter hat in 
seinen beiden lioniter Universitäi^programmen 1891 : „De iurma 
urbis Romae deque orbis antiqui facie'* den Bew eis geführt, dafs so- 
wohl die Pläne der Stadt Rom als aoch die rümisdien Landkarten 
von Süd nach Nord orientiert waren. Es war also das rümische 
Kartenbild den uns geläufigen gerade entgegengesetst Wie nun 
wir, anstatt die Himmelsrichtungen zu benennen, in der Um- 
gangssprache häufig die Wörter oben, unten, rechts und links ge- 
brauchen, so war das auch bei den Römern üblich, nur dafs 
eben links = östlich u. s. w. war. Tragen wir diese Anschau- 
ungsweise auf die Worte des Livius über, &ü erhalten wir eine 
volikoinmen genügende Erklärung. Bis § 8 ist er dem Bericht 
des Polybks gefolgt, der Hanniba Irhoneaufwärts ziehen läüsU Von 
da an setzt er sich aber im Anschlufs an eine andere Quelle in 
ansgesproehenen Gegensats zu dem Griechen und sagt, nachdem 
fi. die Allobro^erwirren behoben habe, sei er nicht gerade- 
aus, d. i. weiter nordwärts {recta regkni)^ sondern gen 
Osten [ad laevam) abgeschwenkt. Wem L. diese Notiz entnahm 
und ob er Recht hnt, ist für unsere Untersuchung gleichgültig; 
genug, dafs sie ein beinedigeudes Ergebnis erzielt bat". Glaube, 
wer's kann! 

23, 11,3 vermutet der Verf., dals äiynum vor donum aus- 
gefallen und zu lesen sei: lucris meritis (dignum) dmum mtKA- 
iote. Er vergleicht 21, 43, 10: Aignam mereedem emen'tö stipendni 
doftt'i; mit dieser Orucknüanderung, um ein Analogen dafür zu 



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Livlnty von H. i. Müller. 



35 



bieten, dafs «,die AlIHteration d — ä die mit m — m in die Bfitte 
nimmt". Es wird nicht jedem leicht «erden, in dem ersten Bei- 
spiele die Allitteration mar&ii » »mittitote, in dem zweiten über- 
haupt eine solche sn erkennen. „Übrigens", schlieft der Verf.,t 
and darin ist die eigentliche Begründung seiner Konjektur zu 
sehen, „verlangt aucii 5, 16, 11 der weissagende Gott ein donum 
amplum, nicht ein beliebiges Geschenk'*. Ich folgere liieraus, dafs 
der Verf. sein dignwn^ wie es auch 5, 16, 11 der Fall ist, absuluL 
aufgefafst wissen will (= digmm deo)^ weifs dann jedoch, ofTen 
gestanden, mit lucris meritis nichts anzufangen. Da der Verf. aber 
in dem fiberlieferten lucris meritis domm mittitou einen „Fehler 
In der Konstruktion'* anzuerltennen scheint, so ist es mdglich, 
dafs er ^iienji wuHUs digmm (etwa „entsprechend*^ iQsammen- 
nehmen will. Doch dann könnte das Geschenk unter Umständen 
auch klein ausfallen, und jene Verbindung ist nach dem Sprach- 
gebrauch schwerlich zulässig. Giebt es nun wohl eine leichtere 
Änderung als <(/e> Incrh (vgl. 10, 4G, 14; 31, 9, 10; 33, 25, 3. 
27, 4 ; 36, 36, 2 und besonders das gleich folgende deque fraedä) 
oder (e) lucris (so Mg.*, ofl'enbar weniger gut), zumal da que {q.) 
vorhergeht? Dafs donum ein Attribut im Sinne von amplum 
haben mufs, wird Dicht leicht einer zu behaupten wagen. 

24, 20, 5. Den Anstofs, der in oppugmtae liegt, sucht Verf. 
durch die Konjektur occupatae zu beseitigen. „Nicht dafs die 
genannten Städte blofs berannt worden seien, will L. berichten; 
erxihtt er doch im folgenden Paragraphen, wie viele Gefongene 
man dort gemacht Iiabe. Sie sind also (wohl nach Kapitulation) 
bes etat worden; dafs heifst lat. occupatae, was für opp. hier ein- 
zusetzen ist". Die Bestimmtheit, mit der sich Verf. ausspricht, 
läfst erkennen, dafs er an die Richtigkeit dieser Textändprung fest 
glaubt; für mich hat die Änderung nichts Überzeugendes. Es 
fehlt der Nachweis, dafs vi capta und occupatae den bei oppugnatae 
vcrmifsten Gegensatz zum Ausdruck bringen. Wenn occupatae über- 
liefert wäre, sü würde es, vi capta gegenüber, etwa mit „ohne 
Gegenwehr besetzt'' erklärt werden mössen; aber hierzu scheint 
mir das capta aut occista in § 6 ftberhaupt nicht gut ])assen. 
Vielleicht ist (/rusrra) oppugnatae xu lesen. Ich halte dies trotz 
des folgenden m his urbOnts für möglich und statthaft 

25, 29, 7 wird eüam vos sensistis vermutet, was schon früher 
R. Noväk vorgeschlagen hat. — 38, 7 wird illos gegen die Ände- 
rung ipsos in Schutz genommen und vermutet, L. sei hier einer 
griechischen Quelle gefolgt, in der statt des Relativpronomens 
ixelyovg stand, welches er einfach nhersetzt" habe (vgl. Xen. 
Hell. 1,6, 14). Sehr gesudit; die Erklärung, dafs iWos der Deut- 
lichkeit wegen (vom Staiuipunkte des Redenden aus) gesagt sei, 
scheint mir völlig auszureichen. 



8« 



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36 



Jahresberichte d. philolof. Vereios. 



16) Ad. Schmidt, Zu Livioe. Zeüechr. f. d. österr. Gymo. 1B92 S. 979 
—980. 

Da Livius sonst uberall nur committere se {nicht sese) sagt, 
so schlägt Verf. vor, auch an folgenden zwei Stellen se zu bciuei- 
ben: 28, 18, 10: traiecisse ä commisisse se in hostiUm terram (tf 
commiiiiu fehlt in P) und 28, 25, 13: dmmitiae (tu P » T 
sew commiUettnt* 

30, 7, 3 hat Luchs Im nnmito geschrieben nach 2^; Verf. 
zieht loco commmiito vor, da locum communire anch 5, 34, B; 
6, 29, 4; 21, 48, 7 gefunden werde. Dagegen vergleiche man, was 
Luchs in der gröfseren Ausgabe (S. LXXXV) gesagt hat. 

37, 33, 5 sei. da Liviiis sonst concedere nicht mit finrni In- 
liniliv verbunden habe, die La. der alten Ausgaben concessinn sihi 
transitum cermnlibus [tum\ allein richtig; so schon im Text bei 
Mg. und Wrsb.-Mr. 

h) Zerstreute fieitrSge. 

1, 55, 1 Tarquinioirtga mnboi . vgl A. Ho war d in Howard 
StudlesHlS. 185 f. 

4, 17, 12 will F. J. Drechsler, Zeitschr. f. d. ftsterr. Gymn. 
1892 S.301, lesen: quae «upire munimeTUo poterat (näml. dictator 
ripas) oder qua saepiri munimento poterant (näml. ripae); vgl. 5, 5, 2; 
25, 25, 8; 44. 39, 3. Von den beiden Vorschingpn wurde icli den 
zweiten vorzielien; aucli Verf. scheint ihn etwas mehr zu em- 
pfehlen, d:^ er darauf hinweist, daXs ssjui aus sepiri leicht ent- 
stehen küMiile. 

0,34,8 wird besprochen von (i Aibois de Jubainville, 
Re?. de phiL 1891 S. 56— 5S. Die Widersprüche bei Livius über 
die gallische Wanderung dQrften nicht beseitigt werden, da eine 
Vermisdmng zweier Quellen Torliege (nämlich in der ftberlieferten 
La. per Taurinet saUiuqw Miae Älpu). 

8, 19, 4 ist (tia Vacci prata , . appeUcUa zu schreiben mit 
R. Unger, Paradoxa Theb. 8.304-^307; vgl. Mg. Em. Ltv.* 
S. 462. 

21,34,2 will II. VV. V. d. Mey, Mnemos. XX S. 224, die 
Worte utili exemplo als Intii [x laiion streichen. — 58, 8 wird die 
Richtigkeit der La. nivosae grimäum von Ed. Wolff, WS. f. 
klass, Phil. 1892 Sp. 212, in Zweifel gezogen und dafür ntvis ac 
graudi7ii6 venmitet (statt ac wäre atq. wohl besser); auch 21, 31, 11 
dränge sich Gr.b La. glareasq. oder glareasve (st. glareosa) gerade- 
zu auf. 

22, 1, 8 vermutet Ed. Wolff, WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. 297, 
tm^at St. tmurai, da an einen von dem visitierenden Reiter 
gewöhnlich getragenen Stab zu denken sei und daher an dieser 
Stelle „weniger der Modus als das Tempus auffällig erscheinen 

müsse*'. Die Empfehlung der Rupertischen Konjektur tenuerit bei 
Wfsb.^ bedeutet nichts anderes, als dafs das aufföllige Tempus 



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Livint, von H. J. Müller. 



37 



brseitigt wprden sollte, der Hinweis auf § 11 patnerit nichts wei- 
ter, als dafs auch dor Konjunktiv in dieser Periode stitthaft sei. 
Das sachliclie Argument reicht nicht aus; tennerit aber entwickelt 
sich leichler aus tenuerat als tenebat und ist deshalb wohl vorzu- 
ziehen. — 12, 6 wird von G. Landgraf (in der 1891 zu Ehren 
des Prof. W. v. Christ herausgegebenen Festschrift S. 380 f.) fol* 
gende La. vorgeschlagen: et fruäeiUiim pUdm ncn dim(ieanti8y 
dkiatmrü extmplo imuü» 16, 8 vermatet M. Hfl Her (br. Min) 
aecemii (ik) comAus (»armBiUüy, und 17, 2 streicht er die drei 
Worte accensis comibus armenta. „sarmmlis konnte wegen des 
ähnlichen admontis leicht übersehen werden. Die Wiederholung 
dieser Worte 17, 2 ist sehr nuffällig; sie sind überhaupt für den 
Gedanken an der zweiten Stelle nicht nötig, da hoves (aus dem 
Vorhergehenden) Subjekt sein kann. Bei Livius koinint sonst 
armentum nur als Singular vor (1, 7, 4. 5. 6; 22, 16, 8; 32, II, 2). 
Ist die Streichung der drei Worte zu gewaltsam, so mufs auch 
hier (nach WTsb.) aeunsis (in) comtbus (tarmentis) geschrieben 
werden**. — 60, 21 vermutet 6. Landgraf a. a. 0.: nin* qtUg 
ertdere potest (saiyut^i} fuisse ernmpentibtis . . 

27,28,6 wird von A. Wodrig, N. Jahrb. f. Phil. 1892 
S. 421 fr., unter Hinweis auf App. Hann. 51 richtig so erklärt, 
dafs Hannibals Bote von den Salapitanorn zurückgeschickt wurde, 
damit er nicht von den Vorgängen in der Stadl (den beabsich- 
tigten Mafsnahmen der Behörden') Kenntnis erlange und dam her 
an Hannibal berichte. Bei sine aihüro sei also an den Boten zu 
denken; sonst bitte es auch sAie arbitn» heifsen müssen. Wfsb.s 
ErklSrung, von der sich auch Friedersdorff hat beeinflussen lassen, 
ist in der That völlig verkehrt. 

36, 7, 10 vermutet Ed. Wolff, WS. f. klass. Phil. 1892 
Sp. IS4: tir mtam tirciimgue fwtumm laeeaifi, was mir nicht ein- 
leuchtet. 

37, 41, 2 vormutet A. Z i ngerle . Hml. Phil. WS. ISÜl Sp. 1038: 
nmor inde ab austro velnt {palustri caehy perfudit omnia unter 
Hinweis auf 22, 2, 11; scheint mir nicht empfehlenswert, — 
58,8 vermutet A. Zingerle, Berl. Phil. WS. 1891 Sp. 1038: 
ab uUimi» Orimtit (fmnim) , was nach 35, 48, 8 sehr wohl 
das Richtige sein kann. 

38, 6, 5 vermutet Ed. Wolff, WS. f. klass. Phil. 1892 
Sp. 185: etrtm proponebant spem iprope certa pnf^ant spe die 
Hss.), was man keine ganz einfache Operation nennen wird. 

III. Schriften gemischten Inhaltes. 

(Lexikon, Quellen u. s. w.). 

17) Carl Haapt, .\Dieitaag zum Verstaodais der Liviaoischea 
DariteHungsfornt. Wpzi;, B. 6. Teaboer, 1892. 84 S. 8. IM. 

Die neuen Lehrplane haben die gute Wirkung gehabt, daft 
man die Leistnngsflihigkeit der Schfiler genauer ins Auge faCst 



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38 



Jahresberiebte d. pbilolog. Vereins. 



und ernste Erwägungen darüber anstellt, durch welche Mittel man 
ihnen die Erreichung der vorgesteckten Ziele erleichtert. Dafs 
die lilterariscbe Produktion der Neuzeit, die beinahe allzu lebhaft 
geoannt werden mufs, sich bemuht, diesen Zweck erreichen zu 
helfen, ist dankenswert ; aber die eingeschlagenen Wege sind nicht 
alle hilligcnswert und die gezeitigten Früchte keineswegs alle aus- 
gereift. Zu dieser Kategorie gehört das vorliegende Büchlein nicht. 
Zwar glaubte man bisher eine besondere Anleitung für die Livius- 
Lektnre entbehren zu können und ist that.s Schlich ohne sie aus- 
gekommen; aber nicht ohne Scliwiengkeiten und sicher auf Kosten 
des Umfangs und des munteren Fortsciireitens der Lektüre. War 
dies schon früher der Fall, obgleich unsere Schaler Ober ein 
festeres Fundament in ihren grammatischen Kenntnissen verfiQgten, 
so lafst sieb nicht leugnen, dafis der unmittelbare Übergang von 
Cäsar zu Livius dem Schüler besondere Schwierigkeiten bereiten 
wird und darum eine voraufgehende Unterweisung am Platze ist* 
Piese Voraussetzung hat Haupts „Anleitung" iti? [.eben gerufen; 
er sagt: „dem Anfänger, welcher nach der leidu daluntliefsenden 
Darstellung Casars den ihm schon langst als bchwieriger geschil- 
derten Loliiediier der alten iluiiia kennen lernen soll u. s. w." 
Nun bui ich zwar der Ansicht, dafs die Uulerrichtsbeburde weder 
die Ansetzting der Livfus-Lektüre in U. II bestimmt gefordert hat, 
noch aucfa etwas dagegen einwenden wird, wenn man Livius 
könftig nicht vor 0. II lesen läfst (was ich befürworte), sodafs es 
nicht nötig ist, einen direkten Übergang von Cäsar zu Livius 
vorauszusetzen ; aber auch so ist eine Hülfe, wie sie der Verf. be- 
absichtigt hat, durchaus willkommen zu heifsen, da es dem Schüler 
anfangs in der Tbat sehr schwer fällt, sich in die Livianische 
Diktion hineinzufinden und zum klaren Verständnis seiner Dar- 
stellung durchzudringen. 

Diesen Weg den Schülern zu ebnen, ist Herr Haupt mit 
einem Eifer bemQbt, welcher die höchste Anerkennung verdient 
In schneller Folge sind sechs Hefte Livius-Kommentar erschienen, 
die, wie ich schon auszusprechen Gelegenheit hatte, sich durch 
einen gediegenen, wohldurchdachten Inhalt auszeichnen; ihnen 
reibt sich jetzt das vorliegende ßücblein an , das seinem sach- 
kundigen Verf. in nicht geringerem Mafse Ehre macht. Ursprüng- 
lich wollte Haupt dem Schlüsse des fünften liumiuentarbeftes .,eine 
kurze Zusammenstellung der hervorragendsl« n Eigentümlich- 
keiten der Livianiscben Darstellungs- und Au&tlrucksvveise an- 
schliefsen und eine kurze Anleitung zu ihrer Übersetzung geben". 
Er hat es vorgezogen, diese Zusammenstellung gesondert heraus- 
zugeben, vermutlich weil in jenem Hefte der Kommentar eine 
ziemlich grofse Ausdehnung gewonnen hatte; auch scheint es, als 
ob die beabsichtigte „kurze" Zusammenstellung sich nicht habe 
erreichen lassen. Immerbin darf man annehmen, dafs sie kürzer 
ausgefallen wäre, wenn der Vei'f. unter dem äulseren Zwange 



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Liviaf, von 11. J. Müller. 



39 



gt -siaiulen hätte, den Umfang möglichst zu beschränken. Ware sie 
aiit i kürzer ausgefallen, so würde ihre praktische Brauclibai k( it 
ilatliirch wesentlich gewonnen liaben. Was ich früher von ^]vm 
Kommenlar gesagt habe, mufs meiner Ansicht nach auch von der 
Anleitung gesagt werden; die Aiisföhrlichkeit des InhalteB ersehwert 
die BenutKODg auTserordentlich. Der Lehrer, welcher die Uvius- 
lektOre leitet, wird ohne Zweifel das Buch mit VergaQgen lesen 
und mit grofsem Nutzen verwerten (vieles ist augenscheinlich 
nur för den Lehrer bestimmt); aber für den Schüler ist die Dar- 
legung zu wortreirh , 7u wpnifj nnf (Irs Bedürfnis des Anfängers 
zugeschnitten, übcrli.uqit nicht oIciucniLU' ci^niifr gehalten, und ich 
furchte, dafs man schon aus Mangel an Zeit aut eine gründliche 
Dm cliai heitung des Heftes wird verzichten müssen. Wenigstens im 
k lassen Unterricht. Wie weil aber der Schüler allein mit der Anlei- 
tung fertig werden wird. Übt sich nicht ahsehen; bei den Dnreh- 
schnittsschfliern ist auf einen rechten Erfolg Icsum zu rechnen. 

Wie nach meiner Ansicht eine sokshe Anleitung beschaffen 
sein mufs, habe ich oben S. 5 angedeutet. Es genfigt eine Ana* 
iyse gut gewählter Beispiele mit bpi^^egebener Übersetzung; immer 
aber nur das Wichtigste, damit dem Schüler in wenigen Stunden 
das Ganze vorgeführt werden kann. Ich sehe, dafs ich schon von 
Goilings nur vier Seiten umfassender Darlegung der historischen 
Periode gesagt habe, sie eulhalle eher zu viel als zu wenig; in 
weit höherem Mafse gilt dies von der llauptschen, da sich hier 
vieles findet, was dem Lehrer und dem mündlichen Terliehre zwi- 
schen ihm und dem SchOler flberlassen werden kann oder mufs. 
Haupt bietet freilich mehr als Golling, wie Oberhaupt seine An- 
leitung mit den Vorbemerkungen Gottings gar nicht verglichen 
werden kann: überall wissenschaftliche Terliefung, methodische 
Anleitung, eine Menge geistreicher Gedanken und feiner IVnier- 
kungen, die den IJlick des Lesers schärfen und meinen ripsiciits- 
kreis erweitern; — aber die Anlage ist nicht praktisch, aus der 
Fülle des Guten tritt das Notwendige dem Schüler nicht in wün- 
schenswerter Greifbarkeit entgegen. Zum Glück ist am Schlüsse 
ein Verzeichnis der behandelten Stellen hinzugefügt, so dafs der 
Lehrer für das augenblickliche Eedfirftois eine Auswahl treffen kann. 
Eine kurze systematische Anleitung des Schfliers würde ich vor* 
gezogen, auch die Beispiele lieber der ersten Hälfte der dritten 
Dekade entnommen haben; denn wenn man wirklich inU. IILivius 
lesen iäfst» so wird man doch schwerlich mit den ersten Büchern 
beginnen. 

Der liilialt der Anleitung gliedert sich folgenderniafsen : I. Das 
Wesen der historischen Periode (8S.); 11. Methodische Anweisungen 
(9 S.); III. Grammatische Eigentümlichkeiten des Livius (18 S.); 
IV. Die Wortstellung (S S), 1. Die Anapher (8 S.)» 2. Der Chiasmus 
(10 S.), 3. Verbindung von Anapher und Chiasmus (6 S.); V. Er* 
klarung einiger umfangreicher Perioden (10 S.). 



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40 



Jahre«b«rielite d. philolof. Vereios. 



18) Lexleoa Livianom. Partim ex Hildebrandi schedis confecit Franciaeiis 

Füpncr. Fasciculi IV et V. fJpsiae in aeilibos B. G. Teubaeri 1892. 

S|». 605)— '.192 (die Artikel adscvitsns-ambitio umfa^scud). 

Da der erste Band des Livius- Lexikons sich seiner Vollrntiimg 
niiliert, ist es an der Zeit, darauf hinzuweisen, dafs die Worte 
..partim ex llikitltiandi scliedis** in dem Titel eine verkclnie Auf- 
tassung zulassen, nämlich die, dals ein Teil des Lexikons auf 
Uildebraodft Sammlungen, ein anderer Teil, und zwar der gröfsere, 
auf den Excerpten des Hagb.s aufgebaut sei. Ich habe bei dem 
ersten Hinweis auf FOgners Werli (JB. 1S90 S. 217 ff.) den 
Sachverhalt klargestellt; es ist aber nicht zu erwarten, dafs das 
philologische i^ublikum sich dessen dauernd erinnern wird. Dafs 
Hildebrands Bemühungen nicht unerwähnt bleiben, ist gewifs in 
der Ordnung; aber es pnts])ri(:ht den thatsächlichen Verbält- 
nissen mehr, wenn es loi Titel heilst; „G. F. Hildebrandi schedis 
usus". 

Man siebt immer deutlicher, welchen Umfang das Lexikon 
gewinnen wird und wie grofa die Schwierigkeiten sind, welche 
der Hsgb. zu fiberwihden hat; ebenso aber auch, welche Bedeu- 
tung das Werk, nicht blofs für Livitts> haben wird. Es ist sehr 
erfreulich, dafs sich tüchtige Kräfte an der Mitarbeitung beteiligen; 
denn das Unternehmen Abersteigt die Kräfte eines Einzelnen bei 
\v»Mfpni. Von Herzen wollen wir dem Hsgb. als verdienten Lnbn 
für seine grofse Mühe und Gewissenhaftigkeit wünschen, dafs er 
das Biesenwerk dereinst abgeschlossen vor sich sieht: es wird in 
Wahrheit ein specimen soUdae eruditionis, diligentiae, assidui- 
tatis sein. 

Was den Inhalt betrifft, so zeigett die emzelnen Artikel eine 
wohMurchdachte, wissenschaftliche Gliederung und eine so sorg- 
faltige Ausfahrung, da& die Zusammenstellungen als zuverlSssig 
gelten können und so für die Kritik des Geschichtswerkes eine 
höchst wertvolle Unterstützung gewähren. Es wäre kein Wunder 
und fibrigens auch kein Unglück, wenn von den oft nach Hun- 
derten zählenden Belegstellen die eine oder andere sich dem 
Äuge des Forschers entzogen hätte, besonders da anch die Kon- 
jekturalkntik Berücksichtigung findet; es ist mir aber noch nicht 
gelungen, eine Lücke nachzuweisen, obwohl ich auf Grund eige- 
ner sehr umfangreicher Sammlungen viele Stichproben vorgenom- 
Dien habe. 

Die der Vollständigkeit wegen hier und da beigef&gte Rubrik 
„Forma" bedarf noch einer systematischen Ausgestaltung. Die 
Angaben tragen den Charakter zufälliger Auslese und scheinen mir 
manchmal zwecklos zu sein. Um ein Beispiel anzuführen, so 
wird bei oeguo erwähnt, dafs 22, 36, 3 der P apqyarvtit statt 
aequarent bietet, und dals 24, IG, 11 Luclis aeqmii ^'ss^iis statt 
des uberlieferten aequasstt schreibt. In beiden Fällen baiuielt es 
^icb uni eine La. des Textes, die in P falsch geschrieben ist 



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Livivt, von H. J. Müller. 



41 



(was an der zweiten Stelle niclit einmal sicbor ist); aber mit der 
Form des Verbiims aequore hat es nichts zu liiun. Ks folgen 
dann fünf Beii5[)iele für die verkürzte Form (aequasse u. s. w.), die 
doch bei allen Verben der sogeuamUen ersten Konjugation von 
Livius mit Vorliebe augewandl wird; man erwartete eher Beispiele 
Uar die voUe Form (aequamste u. b. w.) und mindesteiis doch diese 
neben den andern. Oder lohnt es sich wohi, bei adiepti anzu- 
führen, dafs 24, 20, 2 P aisequerUwr st adsefiuniwr, 28, 16, 2 
ttdsequüuri st. adMMUwri hat? leb glaube nicht, und ähnliche Bei- 
S|Hele liefsen sieb mehr anfflhren. 

Bei Ausarbeitung der vierten Lipferiing ist der Hsgb. unter- 
slützl worden von !1. Nelzker in Forst, F. Bailas in Ftnustnilt 
und E. Köhler in Buckeburg; von der fünften Lieferung llel^^t es: 
hunc fasciculum composuerunt E. Koehler Bueckeburgensis {ago — • 
aio) et Fridericus Schmidt Jeveranus i^ala seqq.). An dem von 
den genannten Herren Gebotenen muTs der liviusforscb«' seine 
wahre Freude haben; denn es sind nicht trockene Aufzühlungen 
von massenhaften Stellen, die uns hier entgegentreten, sondern 
es ist ein kritisch gesichtetes, flbersichtlich geordnetes Material, 
welches in allen Einzelheiten die sorgfältigste Erwägung er- 
kennen läfst. Man sieht es den Artikeln auf d«Mi ersten Blick 
nicht an. wie viel geistige Arbeit in ihnen steckt, und namentlich 
entzieht es sich der Erkenntnis, was der redigierenden Thätig- 
keit des Usgb.s verdankt wu d , wir können nur auf das schölte 
Ergebnis hinweisen, welches durch das Zusammenwirken von Hsgb. 
und Mitarbeitern zustande gebracht ist 

Indem ich die von Herrn Fr. Schmidt bearbeitete Partie zu 
genauerer Betrachtung auswählte, fühlte idi mich sofort von der 
überall hervortretenden Akribie gefesselt, und von Seite zu Seite 
wuchs mein Interesse, da ich wahrnahm, dafs hier in ausgedehntem 
Mafse auf die Litteratur Rürksichl genommen sei. Schmidt hat 
Dicht nur verkehrte Auflassungen zurückgewiesen, sondern selbst 
zur Erklärung und Kritik Erhebhches beigesteuert, sodafs die von 
ihm geheferten Artikel eine gewissenhafte Durcharbeitung von 
Seiten derer, die dem Livius-Studium obhegen, zu beanspruchen 
haben. Auf einige Einzelheiten sei kurz hingewiesen. So giebt 
er eine von Wfsb.*Ml ?öllig abweichende Erklirung der Worte 
monUa äUasque portas (5, 39, 3), welche richtig ist. 30, 35, 9 
spricht er sich fär die Wortfolge ommbw aliis rebus aus; dafs 
bei L. zwischen omnes und alii nie ein Substantivum steht, ist 
ein schwerwiegende!' (Tnind. Ebenso glaubt » r, dafs 39, 53, 5 
mit dem cod. M omnibus ah'is rebus zu schreiben sei, worin ich 
iiiiu beipflichte. 30, 40, 6 ver\\irfl er die chiaslisehe Stellung und 
schreibt belli finem ahei iiLs, princqjiuin alterius yrospciebant animis, 
wofür auch, wie er richtig hervorhebt, die Überliefemng spricht. 
42, 58, 9 stellt er die Worte so um: sacroßqw alm t^ti^um, was 
an sich und mit Rficksicbt auf 44, 42, 2 sehr wahrscheinlich, 



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42 



Jabresbericble d. pbiiolog. Vereioa. 



aher doch vielleicht niclit noiwendig ist. Nicht ganz klar ^e- 
wordeo hin ich mir über das» was Sp. 947 zu 30, 5, 10 bemerkt 
wird. Überliefert ist hier super alii alios, dafür schreiben die 
Usgb. mit q super alios alii, und dies tadelt Schmidt, indem er 
eine Bemerkung WjjBb.i zu jener Stelle als fiilach beseicbnet und 
behauptet, iwfechen ^^tuper aL aV^ und „al. super al,^ sei kein 
Bedeutangsunteraehied. Die getadelte Bemerkung Wfsb.8 6ndet 
sich schon in der 3. Auflage [1878] nicht mehr, und hatte frOher 
doch wohl nur den Sinn, dafs die Umstellung anper alios alii {:;) 
vor der L^mstelluDg alii super alios (<;) empfohlen werden sollte; 
denn aufserlich hat keine der beiden Umstellungen vor der an- 
deren etwas voraus. Da nun Schmuit jene Umstellung mit der 
angegebenen nachfolgenden Begründung verwirft, so sollte man 
meinen, er habe die andere Wortstellung empfehlen wollen; aber 
das scheint Schmidts Gedanke doch nicht su sein, da er aus- 
drücklich auf Sp. 933« 39 hinweist, wo der dberlieferte Wortlaut 
super alii alios citiert wird^). So viel ich sehe, hat Livius überall 
auf die Präposition super die von ihr abhängige Form des Wortes 
äUus folgen lassen. 

Sp. 982, 26 sehe ich bei den Worten alterni innixi f5. 47, 2) 
hinter alterni das Sternchen veizeichnet, welches bekanntlich auf 
den „conspectus criticus" hindeutet und besagt, dafs 1) die Rich- 
tigkeit der La. angezweifelt sei, und 2) dals im „c. er.'' davon die 
Rede sein werde. Meines Wissens hat an der La. noch niemand 
Anstofs genommen; ich folgere, dafs Schmidt die Form für un- 
richtig hält, und ich wage die Vermutung, dafs er akemü emen- 
dieren will (ich halte dies für evident). Und das soll dem Leser 
vorenthalten bleiben, bis der conspectus criticus erscheint, der den 
Schlufs des ganzen Werkes bilden wird! Ist es nicht grausam, 
dafs Leute der jetzigen Generation sich fiber dies und anderes 
bis an ihr Lebensende den Kopf zerbrechen sollen? Mit anderen 
Worten: dergleichen Eniendationsvorschlage, d. h. bisher noch 
nicht bekannte, müssen schon im Texte erwähnt werden; noch 
besser: die Herren Mitarbeiter müssen die kritischen Resultate, 
die sie gewinnen, alsbald mit besonderer Begründung verüffent- 
lichen. Wer das gesamte Material gesichtet nnd geordnet vor sich 
hat, der ist wohl in der Lage, an Abnormitäten Anstofs zu nehmen 
und, auf den Sprachgebrauch gestutzt, sichere kritische Konse- 
qnenzen zu ziehen. Solche Ergebnisse müssen aber alsbald zum 
Gemeingui gemacht werden. 



I) Hätte er oicht direkt darauf biogewiesen, so würde au« der Fas- 
son; des Citats nichts zn folgern ssio, 4n «r n. B. die weiter nnten be- 
sprochene Stelle 5, 4T, 2 aneh Sp. 932, $2 citiert und hier ohne Stern hei 

iüternL 



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Liviaa, H. i. Miller. 



43 



19) All o If M. A. Schm ! <1 1 , Bei tröpe z iir L i V i ,1 n i sehen Lexi kogr«pliie. 

m. Teil. Progr. W aitliiolcu an der Thaya 1892. 20 S. 8. 

Verf. behandelt den Gebrauch des Wortes contra in ausführ- 
licher und sehr besonnener Weise (1. Stelhing, 2. Hrdentiing, 
a. Adverb, b. Fräpusitiün) unter Anführung ^amtlicher Steilen, 
an denen es sich hei Livius (indet. Zugleich wird auf die vor- 
livianische Lilleratur stetig Uücksichl genommen, um die l£nt- 
wickeluDg des Sprachgebrauches in helleres Lieht zu räi^en« 

Bei Sallust, Cäsar uod Cicero überwiegt der präpositionale 
Gebrauch von contra bei weitem, bei Livius nur om ein weniges 
(93 : 73) ; bei Plautus und Tereni ist contra stets Adverb. — 
Als Präposition ist contra sechsmal weniger oft angewandt als 
adversus (93 : 566), und während das letztere in den einzelnen 
Dekaden gleichmäl'sig vorkoainit, wird der Gebrauch von contra in 
den späteren Büchern seltener. — Auch contra ea = „dagegen** 
findet sich bei Livius mehrmals. 

Verf. schlägt vor, an allen Stellen bei Livius contradicere als 
Kompositum zu schreiben. Ich stimme ihm darin bei, aber nur 
um der Gleichmäfsigkeit willen; denn auch 8, 2, 2 hindert m. E. 
nicht, contra diOTB getrennt zu lassen. 

S. 7 Z. 4 y. tt. steht „Heusei'' statt ,»Merguet*'; 

20) R. V. Scala, Griechische Varte bei Livius. Zdtiehr. f; d. Stt«rr. 

tiyoui. 1892 108—110. 

Verfasser giebt eine Übersicht über die Stellen, an denen 
sich bei Livius poetische Reminiscenzen , genauer: Anklänge an 
griechische Verse nachweisen Inssen. Livius hat diesen Schmuck 
nicht scincf eigenen Beiesenhrit in den griechischen Dichtern, 
sondern seinen Quellen zu venianken; vieles hat er nachweislich 
aus Polybios' Darstellung enlnoüuiien (z. B. ilum. 471 aus Pol. 
9, 21, 3; äfia giebl er mit miscuerimt wieder). So stimmt auch 
Liv. 22, 18, 1 imidias esse ratus mit PoL 3, 94, 4 uarä %6y no^^- 

dMOfUPog dülov shfat (Horn. « 232. 258) äberein; aber 
dieses „scholmälSsige Citat** sei fiteren Ursprungs und mflsse be- 
reits von der gemeinsamen Quelle des Livius und Polybios ge- 
bracht sein. Diese gemeinsame Quelle liege auch bei Liv. 22, 29, 8 
(=Hesio(l W. u. T. 293 fr.) zu Grunde. Wie mich dünkt, kann 
nur aus iler lelzleren Stelle etwas gefolgert werden, und zvv;ir 
dafs Livius an der ersleren den Wortlaut nicht aus Polybios ge- 
nommen haben mufs oder meinetwegen auch: wahrscheinlich nicht 
genommen bat. 

Ober das Verhältnis des Livius zu seinen Quellen, besonders 
über die Benutzung des Valerius Antias, finden sich schätzens- 
werte Bemerkungen bei Fr. Münz er. De gente Valeria (Diss. 
Berlin 189L 72 S»). In dieser Schrift wird über die bei Livius 



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44 



Jahr«»bcriekte d* philoloff. Vereint. 



u. a. erwHhnt(»n Valerier ausfuhrlich gehandelt uud mancher Va- 
lerier genauer bestimmt, als es bisher der Fall war (auch dem 
Vornatutiu nach). Die dritte These lautet: Quo itinere Ilannibal 
Alpes transierit, e Livio potissimum cognoscitur. Ferner ist m 
beachten II. Uesselbarth, Die neueste Hypothese zur Livius-Puly- 
bios-Frage (Barl. Phil. WS. 1891 Sp. 16021:). 

21) M. Jampertz, Der römiseh-karthagiscbe Krieg in Spanien 
(311 — 20t)). Eine historische llntersuchiin^ Diss. von T-eipzifr Berlin, 
W. Weber, 1892. 37 S. — Vgl. H. ^chiiier, ßerl. VhiL WS. 18i*2 
Sp. 1109; A. Beaer, Zeitfchr. f. 4, lf<terr. Gymn* 1892 S. 769. 

Die frisch und lebhaft geschriebene, von guler bele^ienbeit 
und gesundem Urteil zeugende Abhandlung (Teil einefi gröllBereii 
GanceD, das vorausucbtlich bald im Drucke eracheinen wird), hat 
«8 in erster Unie mit der Chronologie in den Kriegsthaten Scipios 
zu thun, und in diese sucht und weifs der Verf. Ordnung zu 
bringen« Er streift iiierbei die Quellenfirage wiederholentlich. 
und zwar in einer durchaus besonnenen Weise; fraglich nhpr ist 
es mir, ob es nötig war, für eine gewisse Partie des Livms (die 
Ereignisse des Jahres 205) eine Mittelqueile zwischen Livius und 
Polybios, d. h. einen von I.ivius lipoutzten Autor, dessen chroDO- 
logische Angaben au[ Polybios zurückgehen, anzunehmen. 

Hervonuheben ist, dafs Verf. bei Llvius^26, 17, 4 die über- 
lieferte La. in ÄManis gegen Glareanus' Änderung in Schutz 
nimmt und 26, 20, 6 c^m Saguntum nicht auf das bekannte Sagunt 
am Heere, sondern auf die wenig bedeutende, uns unter dem Na- 
men Segontia aus dem Itinerarium Antonini bekannte Stadt im 
Karpetaner-Gebiete bezieht. Vgl. 34, 19, 10. 

Berlin. a J. Maller. 



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2. 



Homer 
(mit Auscblufs der hdheren Kritik). 



1. Ausgaben. Übersetzungen. 

1) Hon er« Ilitt. Für «Im Sehnlgebraiidi erUJiit voi 6. Stier. Achtes 

Heft: X—£l. Gotha, F. A. Perthes, 1890. 132 S. 8. 1^0 H. — VfL 
B. PfudH, N. Phii. Rdsch. 1892 S. If. 

Das Scblufsheft der lliasbearbeitung von Stier ist wiederum 
reich an brniirbb.?rpn Rpirtprkungen und Beobachtungen. In drr 
Erklärung ist das Sachliche mit Sorgfalt berücksichtigt, z. Ii. die 
Befestigung des Jochs an der Deichsel ist zu Si 272 11". eingehend 
und richtig beschrieben (vgl. JB. 1889 S. 109 f.), Zusammenbang 
und (iliederung scharf beobachtet. An zahireicben Stellen er- 
freuen geschickt angeführte Parallelen» z. fi. X7% ai^tmuiiivm 
„form Feind erschlagen** in „Kein schdnrer Tod" u. s. w.; JC94 
ßsßQuxag Koica qnxQfMxxa, mala gramina pastus (Tergii); X 349 
ovd' tX x€v dsxäxtg xai ieixoci vi^qix^ anoiva^ man trinkt in 
die Runde wohl dreimal und vier (Goethe); W 702 ifinvgtß^tiig 
Wortbildung ähnlicli wie „Springinsfeld"; S2 247 Sltn' avsgceg, 
dimovit obstanles propmquos; vgl. zu /2 527 ff. über die beiden 
ni^oi. Zu Troilos /2 257 hätte neben Shakespeare noch Vergii 
Aen. I 474 ff. angeführt werden kOnatn. In den Totenklagen der 
Frauen in i2 scheint Stier zu der jetzt meist aufgegebeneu An- 
nahme strophischer Gliederung zurückzukehren. Er bemerkt zwar: 
»Die Frage, ob sie als Klagelieder zu fassen, ist wohl ziemlich 
mOfsig'S fügt aber hinzu: „Alles, was der Epiker erzählt, singt 
er von der Muse erregt; wie könnte vorliegenden, mehr das Ge- 
prSge des subjektiven Melos tragenden Ausbrüchen der Sanges- 
cbaiakter abgehen?" Sie nähern sirh vielmehr dem Liede ent- 
schi(Hlen mehr als z. B. alle die Reden der Helden in /. Äufser- 
deni verzeichnet der Bearbeiter sorgfältig die Zahlenverhältnisse 
und nimmt in ihnen eine Art von Gliederung in iiQomdog, fis- 
awdo^j inrndog wahr, die er sogar auf die drei Klagen im ganzen 
anwenden mdchle. — Aus dem Text gestrichen sind die Verse 



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46 



J^hreAberielite d. philolof. Vereint. 



X 121, '//92, nB5. 843. /} 45, 558, 693, 790. ?// 479 glaubt Slier 
halten zu sollen, iln es bezeichueiitl für Aias ist, dafs er denselben 
schmähenden Ausdruck dreimal gebraucht; ein Grund, der 
nichts beweist. An ii 152—158 und 181—187, 232, 762 f. 
nimnit Stier kdaen Anstois; die Anspielung auf das Niobetrild 
am Sipylus Q 613 — 617 sucht er wie PeppmüUer zu rechtfertigen. 
Aus dem Text erwähne ich folgende Laa. Si 28 ori^^, 213 tov' 
äviira, wie auch sonst die Hsgb., aber mit der unwahrscheinlichen 
Begründung: „Das daneben übellautende äv ist weggelassen*', 318 
ivxXijtg agaQvta. Die Grundsätze für die Textgcstaltung, beson- 
ders die Vorliebe für das Digamma, sind ia der Besprechung des 
ersten Heftes (JB. 1889 S. 80 f.) dargelegt. 

2) Honers Iii es. P6r den Schnlgebreiieb erUfirt von R. F. Amets. 

Erster Band, zweites Heft: ^ — Z. Vierte, berichtigte Auflage, besorgt 
von C. Hentze. Leipzig, B. G. Teubner, 1891. 132 S R. 0,90 M. 
— VgJ. P. Caaer, Berl. Phil. WS. 1892 Sp. b37 f.; G. Vogriuz, Zeitschr. 
r. d. Stt. Gsrnin. 1892 8. III. 

Der dritten Bearbeitung an Umfang ungefähr gleich, bietet 
die vierte Auflage des zweiten Heftes einen sorgfilltig durchge- 
sehenen Kommentar, in dem fast auf jeder Seite Abänderungen 
und Verbesserungen erscheinen. Insbesondere hat der verdienst- 
volle Herausgeber diesmal auf den Ausdruck in den Anmerkungen 
,.'e;)chtet, den Stil verbessert und vielfach die Frenidwurler durch 
deutsche Ausdrücke ersetzt. 

3) Hauers Ilias. Für den Sohnlfircbraach erklärt von J. La Roche. 

Teil III: /— M, Teil IV: N^ /r Dritte, vielfach vermehrte und ver- 
besserte Auflage. Leipzig, B. G. Teuboer, 1691. 166 S. 190 S. Jc«Ies 
Heft 1,5U M. — Vgl. P. Caaer, Berl. Phil. WS. 1892 Sp. 837, 1253 f.; 
G. Vogrinz, Zeitsehr. f. d. Sst Gynin. 1892 S. 11), 593 f.. 

Die dritte Bearbeitung der Ilias Ton La Roche ist nunmehr 
im vierten Hefl bis Gesang n vorgeschritten, während Heft 5, 
P—T, und 6, 0 — Sit noch in zweiter Auflage voriiegen. Die 
beiden im Jahre 1891 erschienenen Teile sind von neuem durch- 
gesehen und lassen in den Anmerkungen die bessernde Hand des 
Verf.s erkennen. Eingreifende Veränderungen sind nicht eingetreten. 

4) Homeri Odysseae carmiua cum apparato critico edideruut J. van 

Leeuwen jr. et J. B. Mendes da Costa. Leiden, A. W. Sijtbolf, 
1890. 2 Teile, je 3 M. — Vgl. K. Sittl, N. PUl. Rdseh. 1891 S. Ij 
A. Ludwich, Berl. Phil. WS. 1892 Sp. 1130. 

Die Ausgabe ist mir erst nach Abschlufs dieser Arbeit zuge- 
gangen und wird im näclisten Bericht besprochen werden. 

ä) Homeri Odyssea, in usnm scholarum edidit et eomaiantario instiuxit 
J. La Roche. Prap, F. Tempsky, 1892. Pars I: rt—fji. 216 8. 1 M, 
Pars U: v—u. 206 S. 1 M. — Vgl. P. Caaer, Berl. Phil. WS. 1892 

2" . 1253 r.| G. Vegrins, Zeitselir. f. d. 9tL Gymn. 1892 S. III; J. B. 
lyer, Cltn. Rev. 1892 S. 17ß. 



I 



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floner, von E. MmBiDii. 



47 



6) Komineotar zn Homers Odyssee von J. La Koche. Erstes Heft: 

Gesang ] — 1>. Prag, F. Teiupskv, 1S91. IV u. 15U S. 1 M. Zweites 
Heft: Gesaup 7 — 12. Ebenda 1S92. 106 S. 0,10 M. Ih ittts Heft: 
GestDg 13 IS. Ebeüda 1S92. 72 S. 0,50 M. Viertes Heft: Gesang 
19—24. Ebeadi im, Ö6 0.60 M. — Vgl. P. Caoer, Berl. Fh. WS. 
1892 Sp. 1253f. 

Der Text dieser nenen Scbulausgabe stimmt im wesentUdien 
mit demjenigen der grofsen kritiscben Ausgabe des Herausgebers 
überein, er schlieTst sich meist der Oberlieferung an; die wenigen 
SteUen, an denen eine Abweichung aufgenommen worden ist, 
sind im ersten Hefte S. IV aufgezählt. An einigen Stellen des 
Kommentars sind niifserdem noch Vermutungen angeführt, ohne 
dafs der Text geändert wurde. sonstigen Abweichungen be- 

trellen Einzelheiten der Orthographie oder der Interpunktion. — 
Der honimentar begleitet die ganze Odyssee mit Anmerkungen, 
die der Worterklärung, dem grammatischen Verständnis und dem 
Nachweise des Zusammenbanges dienen. Die Erklärungen sind 
liun und knapp, von einer groHsen Menge AnfOhrungen Ton 
Stellen begleitet, die lehrreich, aber für den Schftler ver- 
wirrend sind. 

Wer des Verfassers Art kennt, der weifs, dafs er die richtige 
Übersetzung sich sehr nn^^elegen sein iSfst, er erk1;lrt als solche 
Dicht die wort-, sondern die sinngetreueste, als Beispiel führt er 
in der Einleitung selber an: ayoqriv noXvfp^fiov ß \hO ,,das 
laute Getöse des Marktes". Diese Art zu übersetzen ist nichts 
INeues, aber es ist recht, dafs mit Nachdruck auf eine gute deutsche 
Obersetiong immer wieder hingewiesen wird. — In das erste 
Deft ist ün Anhang aufgenommen, enthaltend die „Bfalerialien für 
einen Kommentar zur Odyssee", welche ders. Verf. Linz 1888 als 
Programm veröffentlicht und von vornherein ffir diesen Zweck be- 
stimmt hat (s. JB. 1891 S. 117). Die 30 Paragraphen der Mate- 
rialien sind hier bis auf 70 vermehrt, auch inhaltlich bereichert, 
sie enthalten solche Beobachtungen, die an vielen Stellen zu 
wiederholen wären, auf die also bequemer innerhalb des Kom- 
mentars immer wieder verwiesen wird. Wenn auf diese Weise 
der Anhang losgelöst wird von den einzelnen Stellen, so würde 
sein selbständiger Wert noch steigen durch eine mehr susammen- 
fassende Anordnung, es Ist nicht recht ersicbtüch, weshalb der 
Verf. sieb an die gana sufallige Reihenfolge hält, in der die Be- 
merkungen sich an den Text der ersten Bficher anknöpfen lassen. 

7) Homers Odyssee in verkürzter Ausgabe. Für deo Schulgebrauch vou 

A. Th. Christ. Mit 1 Titelbilde, 13 Abbilduogea nnd 1 Karte. I'rag, 
F. Tenipskv, 1891. XLVIII o. 338 S. 2 M. — Vgl. G. Vogrin/., WS. f. 
Uau. Pbii. 1891 Sp. 954; IV }>]ul. Rdsch. ISUI S. 240; E. Baudat, 
Rev. cHt. 1891 S. 130 0.} Pnmozic, Zeitschr. f. d. öst. Gymo. 1891 
S. 970 ir.; P. Ganer, Berl. Phil. WS. 1893 Sp. 838 f. 

Der verkftrxten Ausgabe der Ilias ?ott Christ folgt nun, nach 
denselben Grundsätxen bearbeitet, eine verkörite Sehalausgabe 



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48 



J«br«fb0ri«lit« I. pfciloJ. Voreint. 



der Odyscc. Die Auslassungen beruhen nicht auf den Ergebnissen 
kritischer Forschung, sie richten sich vielmehr Deich dem Stand- 
punkte des Schülers oder vielmehr nach der Vorstellung des Be- 
arbeiters von dem, was nian dem Schuler in die Hand geben soll 
oder nicht. Es liegt also ein rein persönlicher Mafsstab zu 
Grunde, der Anspruch auf Allgenieiiigeltiing nicht erheben kann. 
Jeder Lehrer, der Homer lesen läfst, wird eine Auswahl irelTen 
müssen; aber mau beschränke ihn nicht durcii eine zurecblge- 
schnittene Ausgabe, man lasse ihm die Möglichkeit, jedesmal nach 
den üorseren UmstfindeD und nach der Beschaffenheit der augen- 
blicklich zu unterrichtenden Schfilermasse seioe Wahl Yon neuem 
zu Irell'en; man gebe den Schülern den ganzen Homer in die 
Hand und locke nicht durch die nnregelmäfsig sich folgenden 
Verszahlen am Rande zur Unzeit ihre Neugier. — Die Grundlage 
für den Text bildet wiederum Caners Ausgabe, aber in der Ge- 
staltung der P'fjrmcii ist v. Härtels (iramraatik mafsgebend ge- 
wesen. — Wenig glücklich ist die Einleitung. Wenn der Verf. 
sogleich mit den Chorizonten beginnt, so vergifst er, dafs in den 
Schulen die Odyssee vor der llias gelesen wird ; die Nachrichlen 
der Alten über die l'erson lloaiers hätten aus der Einleitung zur 
llias (S.HI — ^Vl) hier wiederholt werden müssen. Der weitere Inhalt 
der Einleitung beschäftigt sich sehr eingehend mit Zusammenhang 
und Komposition des Gedichtes und geht dadurch weit Ober den 
Rahmen des Schulmäüsigen hinaus. Gewifs wird der Lehrer den 
wichtigsten Thatsachen, die auf die Entstehung des Gedichtes 
Licht werfen können, nicht absichtlich im Unterricht aus dem 
Wege gehen; aber wenn er die Fragen, welche Christ auf S. XI— 
XXIX „ziisntniuenfafst und unter einem einhfiilic lim Gesichts- 
punkt anordnet'^ auch nur andeutungsweise behandeln will, so 
wird er der viel wesentlicheren Aufgabe, Freude und Genufs an 
der Dichtung zu wecken, bedeutenden Eintrag Üiun. Zweck enl- 
sprecbcnder ist die ziemlich ausführliche Inhaltsangabe der ein- 
zelnen Gesänge, die Qbrigens die yollständige Odyssee umfofst. 
Der Anbang behandelt in kurzer Obersicht Tracht» Wohnhaus und 
Schiff in Homerischer Zeit und bildet somit eine Fortsetzung zu 
dem Kapitel über Kampfweise und Bewaffnung Homerischer Krie- 
ger im Anbang zur llias. Die Abbildungen sind aus Heibig, 
Studniczka, Autenrieth, Gerhard und Baumeister gewählt. Die 
Karte stellt (Ins älleste Gricchcnl.md dar und enthält auf einem 
iNebeukärtcheu Ithaka in vergröXserlem Mafsslabe. 

8) Tke Odyssee of Homer. Edited by A. PUtt Cambridge, üaiver- 
sity Press, 1892. XXIII u. 400 S. 

Der Bearbeiter dieser Ausgabe schliefet sich denjenigen an, 
die auf die Ursprache Homers zuröckgehen wollen. Er geht 
also an zahlreichen Stellen über die Alexandriner hinweg, die 



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Homer, TOB E. Iftmnami. 



49 



Laa. der Vul|;;it;i sind, wo sie sich nicht von selbst ergeben, in 
Fufsnolen angtniei kt; ferner sind eine Menge Änderungen Neuerer 
in den Text gesetzt, darunter auch solche Bentleys, die bisher 
nur handschrifUich vorlagen. Jenes Zurückgehen auf die ursprüng- 
liche Sprachform zeigt «ch besonders ia der Eiiuetxttni; des Di- 
gammas und in der Behandlung der xusammengezogenen Verben. 
Das Digamma ist zunächat zugelassen im Wortanfange, ferner in 
der Mitte nach einem „prolhetischen'* Vokal {iftcik^^ fliS^^ 
nach Angment und Reduplikation und in Zusammensetzungen; 
nicht im Inlaut, wo es nach der Überzeugung des Yerf.s leichter 
schwand. Das Digamma ist aspiriert, wo die Form ohne Digamma 
dtiii A^per psövov = iöyov. Zusammengezogene Verba sind 
aufgelöst, wo das Metrum uicht die zusammea^ezogeoe Form ver- 
langte, in letzterem Fall hält Terf. die Überlieferung för unver- 
ßlacht. fiel Nominibua wird die aufgelöste Form bevorzugt, Platt 
schreibt z. B. ^oa, ßoaq Atdloüj AttBUfKiada^, fyxtS, Elqv^ 
xXhta, aido'iog u. a. m. In seiner Ansicht über Abfassung der 
Odyssee folgt der Ver£ in allen wesentlichen Punkten der Mei- 
nung Jebbs. 

9) Homeros' Odysseiai urval och sammandrag. Med ialedaiog och Tür- 

kUriDg«r af V. RttVt. 3 HSftet Stoekholm, P. A. Montedt & 

Söaer, 1891. 4 Haftet i~v. Ebenda 1892. 

S. 49 88, 89— ir)2 Text mit starken Kürzungen, S, 107■ 
— 146, 147—208 Erklärung, S. 27— 46 Wörterverzeichnis zu 
«1—387, C 1—327. 

10) Friedrich Sultau, Die Humerische Odyssee bei Scheidoog des 

Inhalts derselben in swei Havptabtdlnngen nad tedit UntnnibteiluDgna 

aus dem Griechisehaa metri^rh ins Drutsrhe überlrap^pn nnd mit er- 
iäuterodea Bemerknageo verseheu. üeriio, iNorddeutscher Verlag, 1891. 
Brtter Baad 312 S. Zweiter Band 280 S. 6 M , geb. 6,50 oder 8 M. 

Wie F. SoUau übersetzt, ist aus der 188S erschienenen l'iubo 
»Nausikaa und Odysseus'' (s. JB. 1891 S. 102) hinreichend bekannt 
Die Vorreden zu den einzelnen Teilen der voUstindigen Ober- 
Setzung und die erklärenden Bemerkungen haben den Zwedi, des 

Verf.s gleichfalls bereits bekannte Ansichten fibte die „Mythen- 
und Sagenkreise im homerischen Schifferepos, genannt Odyssee'* 
(s. JB. 18^9 S. 102 f.) im einzelnen zu übermitteln und glaub- 
haft zu macht Tl. ,,l)ie Teilung des Ganzen in, sozusagen, zeit- 
gemäfse ÄbschoiUe ist die folgende: Der erste Teil umfafst die 
vollständigen 4 ersten liesänge, der zweite Teil die Gesänge 5 
bis 8, dazu vom 9. die 30 ersten Verse; der dritte Teil den 
9. Gesang Tom 37. Verse an, dann die Gesänge 10 bis 12 und 
▼om 13. die Verse 1 bis 187; der vierte Teil den 13. Gesang 
vom 187. Verse an, dann dk Gesänge 14 bis 18 vollständig; der 
fünfte Teil umfafst die GesSnge 19 bis 23 vollständig und der 
Scblufsteii den 24. Gesang f&r sich aUein. Die drei ersten Teile 



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5a 



iahrtsbariebte d. philoloy* Verein«. 



gehören <fer ersten Hauptabteilung, die drei leUten der zweiten 
Haaptabteiiung an''. 

11) Julius Ziniiuerma an, Ilias I — VIII (nach der Aaswahl von Kammer) 
fibersetzt in gereimten trochäischen Tetramete r tu Progr* 
Zdts 1891. 40 & 8. — VfL BerL PJiil. WS. 18di Sp. 1540. 

Zur urqirftDgHchen Ufas gebören nach Kammer (Ein Satbe- 
tiscber Kommentar rar Dias, Paderborn 1889, S. 9 u. 14) etwa 

1600 Verse aus den ersten 8 Gesängen, die „Elinleitung" und den 
,.1. Akt*' der ,, Verwickelung", d.h. den ,,erstpn Srlilnrhttafr ohne 
Achilleus" umfassend. Diese Teile der Dichtiinp: hat /immermann 
in neuer Form übertagen. Der trochäische letrameter scheint 
mh* jedoch nach dieser Probe nicht der geeignete Vers für Über- 
setzung der homerischen Poesie zu sein. Die Erhabenheit und 
FderlicbkeH des VersmaCBes wirkt beim Yortraga ainar Unginrcfn 
Dichtung leieht ennfld«nd und gewinnt den AuMlrnok der Starr- 
kalt, dar Eraatc -der TrocbSan durch Spondaen an den geraden 
Steinen Bedingt ffir uns eine geringere Mannigfaltigkeit als für 
ein antikes Ohr. So bleibt nur Wechsel im Reim übrig, indem 
die Verse bald männlich, bald weiblich reimen, d. h. katn- 
lektisch oder akatalektisch sind; ziemlich häufig hat der ^ Er- 
fasser auch den Binnenreim angewandt. Der Umfang des Verses 
hat ilin aber oft zu prosaischer Breite verführt. Wendungen wie: 
Ais sie nun beisammen waren .^^ 57, der nun nahm das Wort 
and sagte A 73, So drauf führ Achni, der schnelle, ^84, Da 
nun sprach getrost der Seher A 92, Schreite nicht zu Thät- 
lichkeiten, ziehe weiter nicht dein Schwert, Aber allerdings 
mit Worten schilt ihn nur, wie er es wert ^ 210f., Atreus' 
Sohn, den edlen Helden, sah man Toller Thätigkeit, Wie 
er, ohne Furcht zu zeijjren, stets zum Kampfe war bereit, 
/t 223 f. (vgl.: "Evlf^ ol x av ßgi^omn i6otq ylya^ifivova dlQVy 
oi^dk xataniMfrfrorr' ovd' ovx sd^iXovia (laxea&m). Sondern 
der erwog im Herzen, wie er den Achilleus ehre B 3, Und er 
sprich mit schnellen Worten zu dem Traum und sagte drauf 
B 7, ^ans genau aoUst dn ihm sagen, alles, was ich aufigetragen, 
B f 0 und ttinliche enfhehren des poetischen Gehalts. Poesie und 
trockenste Prosa ist gemischt in den Worten Hektors: Lafst uns 
jetzt dem finstern Dunkel, das hereinbrach, Rechnung tragen. 
Und das Abendbrod bereiten; last die Rosse von den Wa- 
gen, Werft darauf den schöngemähnten Tieren reiches Futter 
TOr, Stiere dann und fette Schafe treibt in Eile vor das Thor, 
Schafft des Herzens Freudenbnnger drauf herbei, den süfsen 
Wein u. s. w. & 502 ff. 

Den Gasamteiiidruek nag eine Stelle vergegenwSrtigen, die 
SU den besser gelungenen gehört (B 211 ff.): 

Mieder salwa still die «ddern tnf den Silsea an dea Reihn, 

Nor Thefiiteiy freek im Sekwatsee» flog dt krSehtead la ta eekrtlai 



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n«n6r, WOB E. NavaiBi. 5t 

Denn er hegt in seinem Herzen viele frerlie SpottgedanlceD, 
(Jod er liebt' es, ttogebiibriicli mit des Fürstea »idk zn zankeo, 
Sehieo ibn etwas Spott za heifiAeD, rfiek^ er glefeh damit lieraiu. 
Keiner, der vor Troja kämpfte, 8ah wie er so häfslieh aas. 
Denn er lahmt' auf einem Ful'se, seine Beine schieFgebopif n. 
Seioe beiden iLrummen Schultero v^area uach der BrusL gtzoi^eD, 
Uad aeia Spitikopf war ihm apiriidi nur mit WoIIbaar überflogen. 
Gar nirht mochten ihn Oi!v<;<;pn9 und Achil), der ctllr, Ipiden, 
Weil ia unverschämter Weise stet^ er zaokte mit deo beideu. 
JetiC aan achailif er Agmem»R arf nit kMifelasd laatar aHanai 
Eraatlich wnrdea da die GriacheD gageo iho erlollt Bit GriMne. 

12) 0. Lücke, Bürgers Homerübersetzung, Berliu, R. Gaertaers Yer- 
lagabneMiandiang, 1891. 39 S. 8. 

Eine sorgfältige, eingehende Studie über Bürgers verschieden- 
artige und immer wiederholte Tersache, Homer su verdeutschen; 
die am letzten Eode beweiBS, dab der Grand» weshalh dem Oiebter 
nie eine Ohertragung so recht gelang, in aeiner eigenartigen Per- 
8j>nlichkeil wurzelt 

II. Oeatalt und Erklirung des Textes. Sprache. Vers. 

13} J. Mähly, Satura. BL f. d. bayer. GSW. 1889 S. 229 fr. 
vermutet für fxidydyxeiav J 454 {letfCixyxeuxp oder 14,60/uyxetav, 
für ikxJ-io v ix ^&Xe(iiV II QQl tXxcov, 

14) W. T. Lendrum, Notes. Class. Rev. 1890 S. 46 f. 

erklärt das Wort novog in T 227 mit Rücksicht auf X 488: Qual 
des Hungers, des Fastens und verteidigt den von Leaf eingeklam- 
merten Vers 176. 

15) Arth. Platt, Notas of the text of the Iliad. Jonra. ofFhil. 1890 

S. 126 ff. 

Die Abhandlung enthiUt folgende Vorschlage: A 18 vfity ft>4» 
TO» doXtv ^OXvfATna dtoftar^ exotneg, B 22 d'sXog beizubehalten, 
r347 nm^oae flaijv, £181 TvöetSfi [i^v Ir« V* £^403 
(fXi^Xiog, aiavXonsQy 6g m\i AmtMchy Z 285 (palfjv xe <pQdp* 
dfigns* di^vog ixltla^iad-at, H 4ä7 ohne ^' hinter nvqyovg, 
da nvgyoi = teXxog , £f453 ^goi yiao^iömn&j 0 94 hinter 
ofitlo) ein Komma und das Fragezeichen nach ni^^fi im folgenden 
Verse. S 349 FoQyoog oufmt' ixoov ^ ßQorokoiyov ItiMog, 
J310 »Qavim^li Altere La. beisuhehalten, ebenso in I^Bvt^v 
yivoQy A \\l — 112 interpoliert, In sonders weil cJtfcy Statt $pösv 
in dem ältesten Teil der Monis nicht stehen honiite. A 678 

16) B. PeDumüllefi Ein Emeudations vorscklaK zur Iliaa. N. Jahrb. 

f. nüL 1891 S. 164. 

Aus den ursprünglichen Schrifiteiehen wie aus dem Zu^ 
sammenbange sucht der Verf. an erweisen, dab in dem Verse 

4* 



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62 



Jahraaberieht« d. philolof. Varaios. 



0 48 aXX* ijtot vvv fih (fTvyegfj nB^d-fäfkt&a dani statt des 
letzten Wortes yaawQl zu lesea sei. 

17) E. Mehler, Inter ambulandum decerpta. Mnemos. 1S89 S, 98 f. 

Die Abhandlung beginnt mit folgenden VermutUDgeu zu 
Homer: vi <fv y* djroXXijha^ if'Of yiyog ixßsQiovaa t166, 
genus meom eiplorans non feres repulBam; öv ttm vitvoq IJU} 
^511, wxX TtätQ, otw ßot tt€ ij^Msstu V 35; ntifAsv* ht ßo- 
tdyiig iV493; "jßwuQ ^(tZv ohne Komma P244, damit noXS' 
jioto vi(fog im vorangehenden Verse nicht Apposition sei zu 
ExT(üQ\ T90 t^foc dtä ndvta relnna mit Komma statt des 
gewöhnlich gesetzten Punktes, so dals jt^iaßa Jios &vy(kii(i 
Apposition wird. 

IS) J. vaa Leavwan jr., Boneriea. Maaaioi. 1889 8. 199 ff. 

1. Palronymica auf -äSdiis und Ausgehend Yon der 

Regel, dafe in der Thesis ein Vokal vor einem andern verkflrzt 
werden kann, sowie von der Ansicht, daüB in den Wörtern auf 
-evg die Enrlimgen -ijo^j -ija u. s. w. die ursprünglichen sind, 
nimmt Vert. als Grundformen der Patronymica von Stämmen auf 
-lyv (-i^f) die Formen mit iy an, also: Jlfjlrjfidrjgf IJTjlrjfiojVj 
JlfjXfjpadr^g , homerisch: ITijXffidijg, UijXfittöV, U^XrjKtdtjgj 
U^Xiiiog. Da Jlt^Xrlidt/g und Jit^Xt^tcdv auf einen Creticus aus- 
geben, werden sie so gestellt, dafs das in der Tbesis verkCirzt 
werden kann, so entstehen UiiUtdiis und n^lstmv. Diese Ent- 
stehung der Form widerspricht einer hernach erfolgenden Zu- 
sammenziehung, sonst hätte sogleich nijXfjdfjg gebildet werden 
können. JIifXijKxdfjg verdankt seine Entstehung dem metrischen 
Zwange, wenn die Silbe X^ in der Arsis stand; Formen wie 
Jli^XsfiÖTjg (Christ) sind unmöglich. — 2. Verbum fieXXeiv. Das 
Präsens mit folgendem Inf. jiraes. oder aor. heifst: consentaneiini 
est, non est dubium quin, saliä appuret, opinor, nur a 232 und 
(t 138 steht in derselben Bedeutung das Imperf. Das Imperfdrt 
mit dnrchgehends folgendem Inf. fut Ist HölfsTerhum geworden, 
no^9kv sjttsJUcv =s facturus eram, i7 46 schreibt Leeuwen U- 
M^M, — 3« Ober insammengezogene nnd gedehnte Verbal- 
formen. Verf. geht von dem Grundsatz ans, daüs es keine Ver- 
kohrtheit giebt, die nicht in den Homertexten zu finden sei. 
Ddinit wird die Lberliefprons; hinfällig, sie erscheint entstellt, nach 
Willkür und ohne Verständnis vcrbpssert. Unrichtig kontrahierte 
Formen blieben im Text, wo das Mt Uum es erlaubte, andere 
fielen nicht auf, so lange die Gedichte gelungen wurden, störten 
aber das Metrum, als man anfing nur sn lesen. Da sah man, 
vm dem Yerse au&nhdfen, die Torhergehende kune Silbe als 
lang an (z. B. sl(a statt im»^ <fvQüi(pco<Jct statt ffTQotpdovcfa] für 
Id^ÜMfm schreiben v. Leeuwen und Mendes ld^cüorr'(*) ^ 598) 
oder man gab einem vorhergehenden oder folgenden Worte eine Silbe 



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Homar, voo B. N 



53 



mehr (i. B. swv für 0^ ^187; i»^a»st, og ndvtstfit^ 

für ix (favaei, de. nädi, nach Menrad T104; x«l dtj ^(f äfjLSp 
adro^' 6X^(Sd-ai für xai ^(pdijbev öXistt^M * 496) oder 
man schob ein Wörtchen ein (z. B. tovc^f^ m (p^tvvS^ftv 
für lovq d' sas (f d^ipvS-sLv B 'i4()). An den meisten Stellen ver- 
fing keins von diesen Mitteln, e2> wurde ein neuer Vokal einge- 
schoben, und so entstanden die sogenannten distrahierten Formen, 
die von den Alexandrinern für homerisch gehalten wurden. Ein- 
zelne echte Formen ab« erhielten eich, yoctoifksv, vctkevdawtt 
n, s, V.; ihnen entsprechen auf Inschriften 6((awrh %^ls&dw~ 
%oi^ yodapts> Die Zerdehn ung zeigt sich aber nur in solchen 
Formen, denen sie einen Yortr ll nictat hringt, da die kontrahierten 
Formen ebenso viel morae ausfüllen, wie die gedehnten (z. ß. 
OQcia für oqast, niemals oqdä für öqas), mithin ist die Zerdeh- 
nung nicht zur leichteren Handhabung des Metrums erfunden. 
Die ursprünglichen, d. h. weder zusamriipngezogenen noch ge- 
dehnten Formen sind wieder herzustellen, wie das zuerst i\ Hauer 
getban hat. An vielen Stellen geht das aher nidit an, ohne dem 
Verse Gewalt anzutbun ; ihre Anzahl wird vermindert durch Ein- 
setzung einer ähnlichen Form, mit der die zusammengezogene ver- 
wechselt ist, z. B. ßißdq fSr ßißaVj ensQd-ev für inogd^ovv, die 
Formen von tUiP statt Ttfjtäy, aXöec^ai statt atöeZa^ai, €i6m 
stntt aldüo; dahin gehört auch die Änderung nhonncti für no~ 
%<äv%ai' B 462; vielleicht sind auch die äolischen Formen wie 
oQijfjbt, (f iXivxtxq^ xaXivict(; wieder herzustellen. Wie die Verba 
auf -io) und o'(0, sind auch die auf -dta zu behandeln, während 
Menrad die zusammengezogenen Formen der letzteren gelten lassen 
wUl. Eingeschobene Vokale finden sich sogar in Formen, die gar 
nicht kontrahiert sind, a. B. in Hyänur^ai statt ayae^t u. a. m. 
Diese Verse verbessert van Leeuwen: n 203 ovts t» ^enffkäteiv 
nsQKaiS^OV ovt' dg' dyaa&cci, oder ovie f dyaa&at statt ovv^ 
dydaff&atj «119 ot rs ^€fj(J$v dyadd-s statt d^eaXq aydacd^F, 
U 208 (pvXoniöog ßiQyov ^sydXijg, tov nQiv neq eqacd-e statt 
(pvXonidoc nsya fSoyoVy itjg ro nqlv y^ igdadd-s, ebenso 
mqovTo B 398 und ip 212 statt des überlieferten oQiovvo. — 
Gegen Leo Meyers Annahme einer Assimilation macht der Verf. 
geltend, dafs wir dadurch nur zn einer andern Benennung ge- 
langen, dafs aber auch diese Annahme die Farmen nicht alle er- 
kürt, sie möfsten auch erst geändert werden. 

19) i. van Leeuweo jr., Homcrica. Moemos. 1890 S. 265. 

Über die Casur nach dem vierten Trochäus. Sie gilt nur 
dann als erlaubt, wenn eine Cäsur nach der Arsis des fünften 
Fufses hinzukommt, wenn ein Enklitikon oder ein einsilbiges 
Wort wie fji.iv und di vorhergeht, wenn der Vers auf ein fünf- 
silbiges Wort endigt. Diese Freiheiten sucht der Verf. einzu- 
schränken. Das Enklitikon entspreche der letzten Silbe eines 



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mebnUbigen Wortes, kAnne also keine Ausnahne bedingen. 
Einsilbige Worte, die dem folgenden Worte zagehören, ItAnnen 
ohne Bedenken nach der Arsis des vierten Fufses gesetzt werden, 
es sind besonders xa*, Präpositionen und einitje Pronomina. 
Kritisch verwertet wird diese Erscheinung durch Einsetzung des 
Augment.^. Zu dulden ist die Casur auch bei einigen formel- 
haften Veräschiüssen, und wenn fünfsilbige Wörter am Ende 
stehen. Es bleibt aber noch eine Reibe von Versen öbrig, die 
jLeliie dieser EDtscholdigungen zulassen, ale werden geinderl; es 
sind: sm, 298, <r323, «476, /394, ^686/698, ri8d, 
i3 526, 753, 60. tff 357, ^ 399, v 344. 223, 47, a 390, v 42, 
Z 2. — 5. ^JtifafiaQxojisTtijgj ctTiTOfifttjgj dgrtfsnijs. Die drei 
Adjektiva hält Verf. für Entstellungen des Wortes m'aoroßsnrjg 
,,incomposila fundens, temere et inconsulte loquens" und liest dem- 
nach 0 209: 'HQf^ ovaQTOßBTT^g , iV 824 Alap dpaQtofenig^ 
X 291 dX?.d z' dvaqtojiETtsq , r215 inst ov noXv^ivd-og oM' 
äq äi^aqzoj^ni^g. — 6. Mtdy^f^Pj xo^tiifüVj 7i€<pvx€t, did<ad^i> 
XL, a« Die nngewölmlielien Endungen dieser Yerbalformen werden 
durch folgende Änderungen beseitigt: toM to$ M8ifila$ ß^tiif 
fjbtiQol T* ifkiavd-BV & 74; xovtü) ftky &9^ftWTs xofttacmp^^ 
(oÖ€ 6i vm Tgiact itp' InnoddikOhft^ 1^9^ 0 109 = tnas 
bigas in castra abducent ministri, nos Tero ambo sie statim inva< 
damus'Troianorum aciem; Tnn]v öt XsXoyxa^' ^(Scc d-eoXtSh X 304 ; 
eVri'a 6k öipÖQsa ^axqä 7i£(f vxf(rfiv &aXi&ovi;a 114; (kXld 
ßdvctf^a' tXri&i, öiöov <f' ^fnv Aksog idd-Xov y 380; dtdwi/a* 
und 6i6{üC(ü ü 425, o) 314 werden gleichfalls beseitigt. — 7. 
ElVf elvi, fieide Formen sind unberechtigt, die letztere kommt 
nur in swei Wendungen im ganaen sedismal vnr, an iwei Stellen 
ist sie schon ^on liudwicb getilgt, ähnlich schUgt Verf. vor: aM^ 
rf' iv nqod^VQOiGt, xa&i^exo * 417; avvo&t o' iv nqo^vqoidk 
xaTijü&&€ 256 (nicht x). An den beiden noch übrigen Stellen 
steht elvi ^Qopoij dafür schrpif>t van Leeuwen S^wxm 0 199 
und O 150. Weitere Vermutungen t 240 und 340 ini^^^xe 
Xi&ov fiiyaPj t 495 og ycn vvp loaaovös ßaXcov ßsXoc rjyays 
v^a avtig ig rinsiqopj qui modo ingens illud, quod omiies noslris 
ipsorum oculis vidimus, torsit in nos lelum, quo navem litus 
versus reppulit. — 8. O 566 ff. akk* ins*' ov yaQ Sitfw 
änoitutdov l^gyetotat fAcegyac^ctt j nqlv y* r^i ita%a*%ditd'^ 
ttar* axQtjg ßU^ov airvsiV^ iiifkfv xtu^sva^ %9 n%U%€tgi 
non amplius eminus dimicare licet cum Argivis (i. e. iam cominus 
cum Argivis est decertandum), donec aut interemti fuerint aut 
ipsi Troiam ceperint civesque iugularint, — 9. Statt didßis ist 
der Äoristus herzustellen in dem unechten Verse 2" 34 : sößis 
yäq fuLtj Xccifiov dTTafiTjtrttt üiöijgatj desgl. £568, / 433, P 666 
(vgl. die Ausgabe) X 96 u. s. w. — 10. Das auffallende Versprechen 
des Patroklos, dafs Achilles dießriseiszur rechtmäfsigen Gattin erheben 
werde, wird auf ^e mifoTerattadiiche Benutaung der Verse 1334 



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55 



durch den Fntürj)ülator, der die Klage der Briseis in T einge- 
Hchoben hat, zurückgeführl. — 11. Ob bei Homer der Delphin zu 
den Fischen gerechnet werde oder nicht« braucht nicht nach der 
iSaturküüde entschieden zu werden, aber die Worte lx^v(? aXio* 
klingen dein Verf. neben 6fk(f tyog iA£yaxijT£0(; 0 22 so nichts- 
sagend, daCs er Torschiägl i^d^v£<; kiXoi\ aus metrischen Gründen 
?erniotet er dasselbe Adjektivuin ill208 Tqö^eq d* iQQly^aay 
ind otpiv sfjudw ilXop statt ifisl V'dby aioXop otpitf» — 12. 
*Jl^Q prohibet ne quis videatur, axXv^ prohlbet ne quis Tideat» 
nach Naber; also wird O 668 v£(f og dx^voq fälschlich von einem 
Staubwirbel gebraucht, wie Aristarch beobachtet. Daher steht 
axXvP fj ii mit dem homerischen Sprachgehraiirb, Zenodots La. 
17 (Tiplaiv ax^vy x^-eoneatrjy xazixevs aber mit dem Inhalt des 
Folgenden im Widerspruch, denn Odysseus ward in eine Wolke 
gehüllt i;/ 1411'., 139 If., 143 und die Phäakeu Li auchen nicht noch 
mit Blindheit gesdilagen su werden; van Leeuwen aehfeibt also. 
Sjtgtvij ^iog, ^iga 6i fot ^sansüi^v MtnixsvB 9 41 denaam 
nnbem ei drcmpfoderat 

20) J. van Leeuwen jr., Homerica. Mnemos. 1891 S. 129 tf. 

13. Über den Diichst^ben Digamma. Zuerst eine Geschichte 
des Digammas von Dentley bis zur Gegenwart, dann eine Aus- 
einandersetzung des Verf.s mit P. Cauer und Fick. Krsterer be- 
hauptet, dafs die epischen Gesänge in einer Mundaii gedichtet 
seien, die das Digamma nicht mehr kannte. Die alten Sänger 
bitten die Freiheiten, die wir durch das Digamnia erklären, ge- 
braucht, weil sie in zahlreichen formelbaften Wendungen, Versen 
und Versgruppen, die man aus Siterer Dichtung übernommen 
hatte, von Alters her vorkamen. Dagegen führt Verf. 152 ff. 
und 1*^t fT. an, den Auftrajr des Zeus an Iris und die Ausrichtung 
des A ultra *;es; Zeus spricht in zweiter, Iris in diittcr l'erson. 
In den Verti n des Auftrages wirkt zweimal das Digamma, sollen 
sie einem älteien Gedichte nachgebildet sein? Man müfste also mit 
Fick annehmen, dafs die homerischen Gedichte umgesetzt seien, 
ans ihrem unpr anglichen äolischen in den jonischen Dialekt. Allein 
aus Ficks ungleichmäfsiger Behandlung des Digammas folgt, daft 
dessen Gebrauch kein Kennzeichen der Abfiissungsaeit sein kann* 
Die Vernachlässigung des Digammas im Hymnus auf Demeter be- 
weise auch nichts, denn in zahlreichen Fällen läfst es sich wieder 
herstellen; dioser Hymnus ist aber nnr!> alter Überlieferung und 
nach seinem Inhalt?» selbst von einem Jonier verfafst. So viel 
glaubt Verf. der Ansicht Ludwichs zugeben zu müssen, dafs es 
im homerischen Zeitalter einige Wörter gegeben habe mit schwan- 
kendem Digamma, dafs also Doppelformen wie ignog und f4Qxog 
im Gebraudi gewesen sein können. Pafs das Digamma aus den 
Texten volUtindig verschwunden ist, kann die Folge der Aufoeicb- 
nuDg in später Zeit sein, die es nicht mehr gekannt hat; mDglicb 



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56 



Jahresberichte d. philolog. V^ereios. 



aber auch, dafs C8 in den ältesten Texten sogar gestanden hat. 
Aus dtf Sprache ist es in Jonien und in Attika schneller ge- 
schwunden als in den übrigen Landschaften, etwa im siebenten 
Jahrhundert Aus den Texten Pindars, der das Digamma hatte 
und schrieh, ist es gleichfalls gewichen, ebenso hei anderen Dich- 
tern. Also aus dem Fehlen in den Homertexten ist nicht zu 
!=icbh*er?en , daf« es von den Rhapsoden nicht gesprochen wurde. 
Spuren verrät aber der Text selbst jetzt noch in Worten wie: 
aviqvöav = aßsgvüccv A 459, TalavQtvog=Tald-j:gipog £289 
u. a. m. ; als Anfangsbuchstabe wird es durch das Metrum bezeich- 
net, im Innern der Wörter kann es nicht mehr mit Sicherheit 
erkannt werden; einige Wortstämme haben es bereits eingebfiCst« 
z. B. dgäy und Uftiii» Wo das Metrum es nur zoläfst, aber nicht 
fordert, soll man es nicht einschieben, au&er nach Augment und 
Reduplikation sowie in Zusammensetzungen, d. h. es ist zu schrei* 
ben j:i(fijiavaaca und Sidfoixa; vor q am Anfang des Wortes 
wird es verworfen. Dafs das Digamma eine kurze Endsilbe in 
der Thesis nicht verlängern kTmne, bestreitet Verf. und sclii^iht 
deshalb z. B. i(p^ foixia d' avre n 385 u. a. Die Würt( r 

und Formen, die das Digamma ersetzten, haben sich erst ganz 
allmählich eingeschlichen; denn noch scheinen Spuren vorhanden 
zu sein, dafs die ältesten Handschriften vielfadi das Richtigere 
boten« 

31) H. van Herwerden, De lotttt oviioullis Homerleis e voattrio- 
ribn« libris Iliadis. Moemos. 1SS9 129 ff. 

Besserungsvorschiäge und Bemerkungen zu Stelieu aus O— .Q 
auf Grund der Ausgabe von J. van Leeuwen jr. und M. B. Mendes 
da €k>6ta. 

22) H. van Herwerdeo, AoDutationes ad lliadem. Moemos. 1690 

8. si ir. 

Vermutungen und Anmerkungen zu zahlreichen Stellen der 
Ilias als Fortsetzung der im Rhein. Mus« veröffentlichten (vgl. JB. 
1890 & 107) und der eben angeführten Bemerkungen. 

23) H. vaa Herwardea, Homerica. Hoenoa. 1891 S. 61 ff. 

Weitere Vermutungen und Verbesserungsvorscfaläge zur Ilias 
und zur Odyssee. 

24) S. A. Naber, Bpistnla eritiea ad Batavoa Boneri editorea« 

Moemos. 1891 S. 298 IT. 

Besprechung zahlreicher Stellen der Ilias und Odysseo im 
Aiischlufs an die Ausgaben von van Leeuwen jr. und Meiiiies. 
Naber uiii das Digamma gesprochen wissen ^ ^ber gedruckt nur 
dann, wenn es wegen Elision oOtig istt 



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HoM«r, von E. NtonaiiB. 



9 



57 



25) Arth. Platt, JNotes of the text of the Odyssey. Jouro. of PbiU 

1890 S. 154 r. 

a 157, 6 70, q 592 Ttsv&olaro '/s' äXXot^ yl 7i£vt^%ov%a 
statt nsvtwoatok^ y 120 iv9'^ oii nm v»c i^ritiv, y 418 »et^a- 
XlfMtg «piXa tixvcc iftol XQn^ar' ifiidtaq, 244 '/* ai%6v 
ftiy nXijyfjaip, x 193 iyw öi y' otofwt efpa^, «425 avtol 
^Tffvp€ad^€, ifiol äfMt navzsq imjüd'i^ fi> 28 uvts nensi- 
d'€TO, r *209 xXaiovüijg tf^fov avSga, r *246 yvQog P mfUft' 
(== sa mfiOiaty)j tp 142 öi^sp iino^poxosvot, 

26) Arth.. Platt, Homeric«. Jouro. of Phil. 1S9I S. 19(i 

In dieser Abliandlung giebt JMatt die ßpgründiing einer lieihc 
von Lesarten, die er in seine Ausgabe der Odyssee (s. oben 
S. 48) aufgenommen liat, und bespricht aufserdem, meist mit 
Beziebung auf VV. Leaf, die Verse E 350. Z i. i 537. 225. Ä 352. 
0 716. /7762. ^269. J 247, 528. r 109, 282. Ö) 204. JC4, 202. 
9^254, 480. Darauf Bemerkungen zur Orthographie und über die 
Hsa. L und 0. 

27) Arth. Platt, The augmeBt ia Honer. Joara. of Phil. 1891 

S. 211 ff. 

Eine eingehende Dun hmustornnp: des überlieferten Textes 
bciuglich der Annendung des Au^nieuis in den einzelnen Tem- 
poribus führt den Verf. zu dem Schlufsergebnis, dafs das Aug- 
ment in den Hss. reichlich hinzugesetzt worden ist, dafs aber 
verschiedene Klassen von Verhen bei Homer das Augnient Miten 
oder gar nicht annehmen. Am regelmäfsigsten stand es im gno- 
mischen und perfelitischen Aorist, allein diese Beschränkung ist 
bald übersctiritten worden. Das Augment war ein Mittel zur 
nachdrücklichen Betonung, nicht blol^ ein Zeichen der Ver- 
gangenheit. 

28) Karl Meiser, Tex tk ri tischen. Abhandlungen aus dem Gebiet der 

UawlseiMii Altertumswisseoschaft, W ilhelm vod Christ dargebradit 
von aeiaen Sebölero. MäacbeD, Oskar Beek, 1891. S. S. 

Um Od. 22, 186 den BegriiT „lange** anszndröcken, wird vor- 
geschlagen TOT« y* ^dif ueZro. 

29) Fehleiseo, Zu Od. VTII521ff. Kurrespoadenzbl. f. d. Geiehrtao- n. 

Realsebulen Württembergs 1691 S. 96ir. 

Um diese vielbesprochene Stelle zu heilen, nimmt Verf. an, 
dafs nicht blofs V. 526 — 9, sondern auch 523^31 unecht sind. 
Der Vergleich des Odyssens mit dem klagenden Weibe sei un- 
denkbar, Odysseus habe das Lied vom hölzernen Pferde selbst 
gewünscht, der Ausdruck seiner wehmütigen Erinnerung ist V. 521 
mafsvoll geschildert. An V. 522 schliefst sich unmittelbar V. 5^2 
an, die folgenden Verse sind nicht zu beanstanden. 



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58 



Jahresberichte d. philolog. Verein«. 



30) Ed. Gocbel, Homerische Blätter. Lexilogische, kriti«ehe Sttd 
exegetische Beiträge sn Honar. Pro^. Fulda. Pad«rl»o»» F. SehB- 
ningfa, 1891. 24 S. 

t. aßQOTij, ä^(fiß^6tij, äßQotdistP. Das nur ^78 vor- 
kommende Beiwort aßooti] zu n^i wird gewöhnlich mit a^ßqo- 
tog oder tt^ßf^wsi^ gieicbgesetzt, aber die andere Form scheint 
auch eine andere Bedeutung zu haben, nach Goebel: die men- 
schenleere, stille Nacht; so hat das Wort bereits ApscIi. 
Proni. 2 äßQoiov dg sQfifiiav verstanden. lu demselben Sinne 
wurde aßgöif] auch als Siibstantivum gebraucht. Von zwei an- 
deren ulten Erklärungen verdient wenigstenä die Ableitung von 
ßQoiog (cruor) Erwähnung ; sie scheint sprachlich' möglich , föhrt 
aher, da die Ansichten über die Herkunft dieses Wortes weit aus- 
einandergehen, nicht weiter und giebt ^78 keinen entsprechen- 
den Sinn. Eine neuere Ableitung von der Wurzel ßag (vgl. 
ßaQßoQotpmvoQ — ßgofiog — äßgofjkog), woraus das Verbaladjcktiv 
ßgo — Tog = tönend, lärmend mit aktivem Sinne, föhrt auf 
einem anderen Wege zu der vorher gefundenen Bedeutung: laci- 
turna silentia noctis. — An den vier Steilen, wo der Schild 
afifpißgoT^ genannt wird, pafst die Bedeutung dröhnend besser 
als „mannschütz end". Ist die herkömmliche Deutung richtig, 
so kann das Wort nur heiben: der um den Menschen befindliche 
Schild ä<fftlg äfA<pl ßQovdp o^a oder vielmehr n$Xoftipii oder 
ipeq^lkiv^. Aber es Ilndet sich unter den zahlreichen Zusammen- 
setzungen mit aijbtfi bei Homer kein einziges Abhängigkeitskom- 
positum; die Bildung ohne Suffix (^^idXi äinf ißgoiioq) wird durch 
ähnliche Adjektiva geschützt, die Ausstofsung des zwpiten ju (aus 
dfx(fi — fAß()oiog) ergiebt sich aus Gründen des Wohlklangs. — 
äßQOTä^ofify dXXijXoiiv K 65 hat eine engere Bedeutung als 
difa^a^tio^tv, es heilst {m der dunkeln Nacht) an einander vor- 
beirennen, dia(po6ij(rofietf nach Eustath, der auch die wahre Ab- 
Idtung iv dßgoTfi änoftXavaa^i angieht. Also dßqotaCs^y ist 
Denominativum und setzt ein äßQmay- voraus, wie äqndluv 
einen St. agTiay-» — 2. irtifixiog, adaxevog. In ^307 erklärt 
Goebel sgy^ aysXaata für die richtige Schreibung, ovx irtmxTd 
kann hier nur p?is8ive Bedeutung hahen. Din^^e, denen man nicht 
nachgeben kann = iDKniressa, intolei aiula; oder es wäre zu än- 
dern in ovxii' dytxiu oder ovx fniftxt'. - - Anstatt dt s iiher- 
lieferten daax^iQv E 892 ist von Christ und Rzach dvaa^^tiov 
aufgenommen = daxexov^ da dv, dva die älteste Form des 
a privativum ist; Bekkers Annahme äi^xstog = MafC%noi von 
ävixofim wird verworfen. — 3. Den verschiedenen Sinn der 
Worte iv yi^l neaesta&at /235 und M 107 giebt Goebel zu, 
nicht aber ein sprachliches Mifsverständnis des Dichters vontf^/, 
denn dafs der Ausdruck h' }>rjv(Tl nirttfiv ,,in der Regel nur von 
fliehenden Achäern [:el)i au< ht werde'", ist durch iV742 und P639 
widerlegt. M 107 ist angängig, den Wechsel deä ^»ubjekts 



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Homer, vob £. MaananB. 



59 



Jayaovg anzunehmen neben i&vq /icevamv und der Wiederkehr 
derselben Worte mit ^A^c^tovq. A 824 könnte die Bedeutung fV 
v^ws\ (fd'ivms^h statthaben. — 4. Mepoiväw und die sogen. 
epMcbe Zerdebnung. K 59 steht die nenjooiscbe Form fuvoipior, 
die Csner und Wackeraagel beibehalteD. AHerdiDgs wäre fwpol'- 
paw bedenklich, de es die Kürze des a vorausMtst, während 
dieees sonst kng ist Bei der Mehrzahl der Wörter auf -ixm ist 
a kurz, hei einigen Stämmen erscheint es durch^veg lang. Also 
ist hier (.itvoirtm' m srfireibpn. Aber die Bedeutung: überlegen, 
sich bedenken, kann das Wort hier nicht haben; der Gebrauch 
zeigt, dafs es überall Unruhe und AiTekt mit einschliefst, weshalb 
es auch nirgends mit einem indirekten Fragesatze verbunden wird, 
wie hier, daher sehreibt Goebel BcblieDilich ntlol 6i fjkivotev av 
€l vMowfw, — 5. ämnem, änatiilog* Zwischen naXtva^Qstw 
und itisXsvTfiTov kann anatfilov A 526 nnr besagen: das Ver-> 
spreoben halb und halb erfüllen, daran deuteln, oder es liegt 
nahe zu schreiben ancttritov. Das Wort anatd(a führt Goebel 
mit H. Stephanus im Thesaurus auf narog Pfad zurück, änatri 
= unbetretener Pfad, ancxrdüi) = unbetretene Pfade einschlagen, 
Ausflüchte machen, in falsche Bahnen führen ; das Bild vom Wege 
achwela d 347 ir. deutlich vor. — 6. 187 schlägt Goebel vor: 
nonokf ^Aqyixiqavvs MsXaipeffeg^ olop iemsg. Ilolov e- 
$tn$q steht nur, wenn ein blolser Vokativ Toraufgeht, dagegen 
das flberlieforte ofoy htnsq nur, wenn auTserdem noch ein inter- 
jektionaler Ausrnf vorhergeht. — 7. 0 535 beifst %y ct^tt^v 
öiasiastaij er wird seine Heldenkraft gründlich kennen lehren, 
also Fnt. zu ofSn. — S. In P 89 fallt die ganz ungewöhnliche 
Syiiizp^e Lind die Stellung der Worte vlou ^Aiqiog auf; daher zu 
schreiben; ovd* ^Aigsog vt' sXa^* 6^v ßoijaag, — 9. P 155 
mufs 7T€(p^(TsTat zu (paivsü&at gezogen werden , was sprachlich 
und der Bedeutung nach auffallt. Goebel schreibt: -J^joii^y di 
xtx^a&cat ainvs oXs&Qog. — ar 441 ist su interpungieren 
nal n%tf neu ävrt, fuiia (t%sdw, weil kein Adverb ver- 
trägt« hmJm a%sd6v sich aber sehr gut zu dem Verbum niXaCfte 
fflgt, man ktonte die Besiehung des axsdov sogar bis auf än9' 
Tft^tag ausdehnen. — 11. x 494 ist voov mit nsTtvvad-at zu 
verbinden: deni allein verlieh Persephoue, auch nach dem Tode 
verständigen Geistes zu sein. 

31) Ed. Goebel, Zu Homer. N. Jahib. f. Phil. 1892 S. 77dtf. 

In der Abhandlung werden folgende Lesarten vorgeschlagen: 
0 645 danidog dvTvy* ifiäXro. — 77 338 f. dfiifi de xct- 
lov (fdc/arop iggaia^ij. — A 489, 77 21, T216, X 478 R^- 
Xijog vloQ (vU), ^ 566, V'' 678 Mi^xifft^og vlog^ unter Abwei- 
sung der (iiunde Düntzers für die Endung -iog, — P89 ovd* 
Idtqiog via Xdd'' o|i) ßo^aag. 



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60 



Jahresberichte d. j»hilolog. Vereins. 



31) G, Vogrinz, EI aod EI KEiN) mit dem Koojanktiv bei 
Bob er. Zeitsebr. f. Sst. Gymii. 1800 S. 97r. 

Nach Mitteilung aller Beispiele gelangt der Verf. etwa zu fol- 
genden £rgebnis8eD. 1. Eine Aussage mil dem Gonj. futaraln 
wird durch et in ein gemfltvoUes VerhSitnis xum Sprechendea 
gesetzt; hddist selten. 2. Crwartungssätze standen ursprdngtich 
nach Aussagen, die eine Wirkung erwarten liersen; der Satz wurde 
anfangs blofs angefugt, später logisch abhängig gemacht. Die 
losere Verbindung kommt gröfstenteils in formelhaften Wendungen 
vor. 3. Die Unterordnung kommt nur in der Rede vor. 4. Ganz 
besonders hat sich die Abhängigkeit der Bedingungssätze ent- 
\%ickolt, die sogar zur Periodenbildung verwendei weiden. 5. Das 
Verbuüi mi ilauplsatz der bedingenden xhi^-Sälze ist meist das 
Futurum oder ein gleichwertiger Ausdruck. 6. Konzessiv ist von 
sämtlichen «^-Satzea etwa der achte Teil. 7. Die Konjnnfction 
wird sich vielbch durch S xc ersetzen lassen. 

33) W. T. Lendrum, On the coostruclion of clauscs following 

expressioDS of expectatioo io Greek. Gltss.Rev. S. 100 f. 

Verf. führt ans der Ibas Stellen an, wo nach svxo^cci, H- 
TTO/MTf, (fgovico, ofivviii> der Inf. aor. steht, zu ^ 497 f. hätte 
aber erwähnt werden niAssen, dals die Auslegung schwankt. 

34) Aug. Hildebrandt, De verbis et intrausitive et causative 

ipttd Honiernm vsiirpatif. IKiMrUtldattt HiImms. XI 8. 1 f. 
Halle, M. memayer, 1890. — Vsl. P. Ganer, Berl. Phil WS. 1892 
Sp. 1061. 

Im ersten Teil seiner Abhandlung zeigt der Verf., daik die 
intransitive Bedeutung zahlreicher Verben aus der bausatiTen her- 
vorgegangen ist. Objekte wie Innovg, v^a, vSoag, XQ^^^^ wer- 
den zu iXavvsw, 8Xftr, Uvai, tq^elv ursprunglich hinzugesetzt, 
dciun aus der nächsten Umgebung, wo sie bereits erwähnt sind, 
ergänzt (Brachylojjie), schliefslich auch ohne dafs sie irgendwo an- 
gedeutet worden, hinzugedacht (Ellipse). Dieses allmähliche Fort- 
schreiten der Bedeutung zum objektsloseii VerbalbegritT läfst sich 
auf Grund des umfangreichen Stoffes, der in den homerischen 
Sprachdenkmälern voiüegt, genau verfolgen und ist vom Verf. mit 
Klarheit dargelegt. Schwieriger sind diejenigen Verba zu beur« 
teilen, deren intransitive Bedeutung sich nicht aus der Auslassung 
eines Objekts erklärt. Gegen die Ergänzung des Reflexivpro- 
nomens macht Verf. geltend, dafs die Frage nur auf dem Boden 
der vpFpileichenden Grammatik entschieden werden kann. Er geht 
daher im zweiten Kapitel hauptsächlich von der l'^rhndeiitung der 
Verba aus und lindet so eine sehr umfangreiche Gruppe von 
Verben mit ursprünglich intransitiver Bedeutung, denen eine 
weitaus kleinere von ursprünglich transitiver gegenftbersteht. Bei 
einzelnen der letzteren läfst sich die EntwickeUiog der intransi- 



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Homer, ron fi. Nattaaos. 



61 



tivpn Bedeutung? erklären, bei anderen bleibt die Frage noch un- 
gelöst. Es leuchlt'l ein, dafs Verf. in seiner Untersuchunj; den 
richtigen Weg einge^clilagen hat; auch in dem zweiten Abschnitt 
gelangt er vielfach zu sicheren Ergebnissen. 

35) Mehlis«, Über die Bedeutmig voa KAAO£ bei Boner. Progr. 

Kisl«bea 1891. 20 S. 4. 

Mit Curtius leitet Alehiiss das Wort naXöq vom skr. kalya, 
kalyäna ab; dem ersteren legt er die Bedeutung heil (got. hails), 
dem letaleren die Bedeutung frei von Fehieru, vollkommen in 
seiner Art — lediglich auf sinnlich Wahrnehmbares bezogen — bei. 
Aus den Homererklürern und Lexikographen ergiebt sich eine 
doppelte Reihe von Bedeutungen fDr xaX6q\ nach der ersten be- 
zeichnet itukoq das, was so ist, wie es sein soll in Gestalt und 
Äufserung, nach der anderen das, was darüber hinausgeht; jene 
beginnt mit . von normaler BescliafTcnheit" und schliefst mit 
„nützlich • an die andere an, welche von den Änrsf>rungen zu den 
Wirkungen übergeht; diese beginnt mit „hervorragend" und ver- 
liert sich mit „bezaubernd'* ins Übernatürliche. Der zweiten 
Gruppe gehört die Bedeutung „schön** an, diese Bedeutungsreihe 
ist auf einer spüteren Kulturstufe entstanden. För ndlXoi; hat 
sich im Siteren Griechisch aus der Bedeutung „heil** zunächst die 
der körperlichen Vollkommenheit entwickelt, zu der sich die des 
bestrickenden Liebreizes gesellt hat. Für xaXoq reicht in den 
meisten Fällen die Bedeutung „in normalem Zu.stande, so wie es 
sein mufs" aus, sie wird sich in .gut** zusammenfassen lassen; 
daraus entwickelte sich die Bedeutung „zur ganzen Erscheinung 
passend, symmetrisch*', etwa mit tadellos" auszudrücken, aber wei- 
ter das in besonderen Beziehungen thaiakteristiscbe bezeichnend. 
dmfuna naXä ist meist der königliche Palast, Ugd nala sind 
wflrdige Opfer; so bezeichnet es das klare Wasser, den hellen 
Stern, die verbfillende Wolke, den geräumigen Kampfplatz u. s. w. 
Das AdjektiTum nahm auch Bedeutungen an, die der des Sub- 
stantivums nahe kamen, besonders als Attribut bei weiblichen 
Personen. Der Superlativ schliefst .«ich meist an xdXlog an. 
Einen sittlichen Nebensinn für xalog lehnt Mehlisi? ab, auch für 
das prädikativ gebrauchte Neutrum. — Zum Schlufs führt der Verf. 
an den Büchern / und ^ aus, wie er sich die Bedeutung von 
xaXog und xäXXog im Zusammenhange denkt. 

36) P. Stengel, Gvj^ (ig- Ov ik la~ & vu f ig. Heriues Ibül S. 157 ff. 

Die Bedtulung opfern für den Stamm ^i'- weist Stengel 
ab, O^'ny heilst bei Homer nur verbrennen, ßun^oi^ j^ifjttg 
ist der Brandopferaltar. Die Bedeutungen brausen — erregen 
und raneben — räuchern fiillen zusammen; das Brausen und 
Ranchen ist nicht zu trennen, ^aiUU» sind die Staub oder 
Gischt vor sich herfegenden Stürme oder die sichtbaren Dämone 
des Sturmes; d-v6w vit^ hei£Bt wallende Wolke. 



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62 



JahresbefU&t« d. pkilolof. V«reiis. 



37) G. E. M»riinnri, XXajQTjU in Od. XIX 58. Class. Rev. 1890 S. 231 

leitet x^oegogy x^^Qo^f X^Q^i^S auf die Grundbedeutung frisch, 
lebendig, strömend zurück. 

HS) B. Skorlo, BUigei ttb«r den Gebrtiieh roi ava bei Homer. 
Prosr. Grtttdenft 1892. 16 8. 4. 

In unmittelbarer Verbindung mit dem Verbum hat ävd eine 
Reihe von Nebenbedeutungen angenommen, die sich In zwei 
Gruppen teilen lassen; bei der einen liegt die Trennung von der 
bisherige?! T age, bei der anderen das in die Augen Fallende der 
Erschein Ii II das Bemerkbarwerden für die Sinne, insbesondere 
für da» Auge, zu Grunde. Dazu tritt seltener eine dritte Grund- 
bedeutung: gegen. Mit der ersten hängt der Gebrauch von äyd 
vom Besteigen des SchiiTes und des Wagens zusammen. 

Als Präposition bezeichnet ^mx mit dem Accusativ den Ort, 
an dem eine Handlung vor sidi geht, jedoch so, daCs eine oder 
die andere vorerwähnte Nebenbedeutung zur Geltung kommt, 
oder den (einengenden) Raum, über den etwas sich ausbreitet. 
Mit dem Dativ verbunden findet es sich nur neunmal; der Dativ 
(Instrumentalis) bezeicbnft die Sache, mit deren Hülfe sich die 
durch das Verbum ausgedrückte liandiung vollzieht 

39) L. Parmentier, Hon^riques vijvsi yQijvSi V^s- l^^v. de llMtr. 

pvU. en Belg. 1889 S. 107 f. 

Die UnregelmSfsigkeiten in der Formhildung der genannten 
drei Wörter werden daraus erklärt, daJk im ursprünglichen Grie- 
chisch ein langer Vokal vor den Gruppen t, u, nasalis oder liquida 
mit Konsonanten verkürzt wurde. Darnach sind vijvgf v^vüi spätere 
Bildungen; vav(f i bestätigt die Regel. Die Verkürzung veog^ vifg, 
Vf«c, vhüffi hängt danüt nicht zusammen, sie beruht auf falscher 
Aiinlngie mit den Neulris auf -oc und den Adjektiven auf -^g 
und vg. Das homerische ygijvg neben attiscliem ygavg ist eben- 
so zu erklären. Für ^vg waren die einzig berechtigten Formen 
ivs und 

40) F. Weck, Die epiache Zetdehauüg,. Eia oeuer Versuch, diese 

ttodk QDfelSste Frage tn losen. Progr. Mete 1891. 40 8. Vgl. 
F. Cauer, WS f ktass. Phil. 1891 Sp. 1276 IT.; Raiehesltti^ BL f. d. 

bayer. GSW lvj2 S. 200 ff. 

Drn bekannten Ansichtm J. Wackernagels über die episcbe 
Zerdehnung sind die Herausgeber seit Cauer mit gröfserer oder 
minderer Entschiedenheit beigetreten. Abgewehrt hat sie mit Nach- 
druck A. Ludwich in seiner Ausgabe der Odyssee (s. Praef. p. XVIf.; 
vgl. JB. 1891 S. 95). Gleidizeitig hat F. Weok, um der Annahme 
einer Zeit mifsverstandlieher Behandlung der homerischen Sprache 
hei den Griechen selbst auszuweichen, seinerseits einen neuen 
Versuch unternommen, die Entstehung der bei Homer überliefer- 
ten Formen der sogenannten Verba oontracta in erkliren. £r 



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H«ii«rf TOM E. ffavaaBB. 



63 



stellt den Satz auf, dafs wahrs< hciniich alle \ ci in, die man als 
contracta bezeichnet, eine zweimalige Zusammenziehung dureh- 
gemacht haben, bis sie zu der endgültigen kontrahierten Schlufsform 
gelängten. Der wahre Sachverball sei blolä durch die unrich- 
tige Betonung der Aristarcheer verdunkelt worden j Ari t rch aber 
habe, wie aua SchoL zu Z268 folge, Formen wie dx^tcteta^ai 
ohne jeden Znaaninienhang mit ä%tif6wna$ nach den loHser- 
licheten Analogiepn beurteilt. Nun sind aber Formen überliefert 
wie yfloimv v 347, yslomvT$g v 390, (Till, dXola 1 568; darin 
sieht Weck Spuren eines ursprünglich den Verben auf -crw zu- 
kommenden j mit Berufung darauf, dafs ein zwischen Vokalen 
oder vor einem Vokal stehendes i in zahlreichen Fällen für die 
Schrift verloren gegangen ist. Die Verba auf -«öj werden dadurch 
denominativa , so däis bich z. B. für svx^iajäa&at und svxsto- 
Jdhfn Ableitungen von svxittiS oder s^x^og ergeben. Eine 
iweite MAglicUidt wäre die, daft von den Toranagesetzten Nomi- 
nalatimm«! sunichat ein AdjektiTum der Zugehörigkeit oder Fähig- 
keit auf -a&og, -otog (vgl. ßia*og, yeXotog, ilajog) und davon daa 
Verbum gebildet ist; in beiden Fällen entsteht ein i^sxrixov, ein 
desiderativum . Beide Formen der Verben haben neben einander 
im Gebrauche nicht bestanden , gewöhnlich hat es nur die mit 
dem angleichungsfähigeren Vokal gegeben, d. h. mit ai. Also in 
Formen wie öiipaup l 584, die für oflene gelten, hat sich Kon- 
traktion nach dem Stamme zu vollzogen aus önpajäoov. Die Form 
wtuväfiff^g ergiebt aich somit ab irrig, vaufäovcfigy TtiXs^äw' 
vag können kein knnea a haben, sind metriaeh aber zulässig, 
wenn in der erateren die beiden ersten Silben durch Synizese 
suaammengezogen werden und aus tiils^äoytag das a zwischen 
X nnd S- als unberufener Eindringling in den Stamm entfernt 
wird. ISui durch diese Entfernung erhält das t des vom Stamme 
&aX gebildeten Verbums seine Berechtigung. Zahlreiche, srhniti 
bar dem Präsensstamm zugehörige Formen weist Verf. dem Aorist 
zu, der vom kürzesten Stamm gebildet ist. Ist nun aber die 
Grundform mit a als Regel angenommen, so bleibt das Auftreten 
des o noch zu erklären. Ein ähnlicher Vokalwechsel zei^ sich 
im Auslaut ?on Präpositionen: ntt^i-- ftctQa — n{ct)Qd, vnat — 
vnOj xaral-xocTa; ob die Entwickelungsreihe mit a oder o 
schlofs, unterlag lautlichen EinflAssen; ähnlich verhalten sich die 
Personalendungen cror»^ rat zu Co, ro. In beiden Fallen steht 
ursprünglich i hinter a, das o tritt erst nach dem Verscliwinden 
des f, das zum Spiranten geworden war, infolge Anglcichs an 
dumpte Aulaute des folgenden >Vüi tis- ein. Die Ergebnisse dieser 
Untersuchung fafst der Verf. se]b:<t folgendermafsen zusamoieu. 
Es mflssen nebeneinander als zulässig gelten: 1) Formen, die 
das » als Bestandteil des Diphthongs bewahrt und hinter dem- 
selben kontrahiert haben {ysloimpy, 2) Formen, in denen zwar 
das » geschwunden, aber eine erste Zusammensiehung nicht ganz 



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64 l«]ir«sbericht« d. philolof. Vffr«iDi. 

nach dem Ausgang zu, sondern auf halbem Wege vor dem so- 
genannten BindoTokal stattgefunden hat {dupdmp)} 3) Formen, in 
denen das « samt dem Vokal, mit dem es den Diphthong aus- 
machte, verflöchtigt und der Vokal gleichseitig dem Mischlaut der 

ganz nach dem Ausgang zu vollzogenen Kontraktion angeglichen 
ist; 4) Fürmeii, in denen der schon halb verflogene Vokal in die 
kontrahierte Silbe aufgegangen ist, die also eine zweimahge Zu< 
sammenziehung hinter sich haben und bereits die Gestalt zeigen, 
welche den euiiguitigen Abschluis der Veränderungen bildet uud 
den Stempel der lUassischea Zeit trilgt 

Von den sogenannten Verben auf -o» hat Homer nach Weck 
noch gar nichts gewußt. Die beiden Verben a^o», d^»o«i, Yon 
denen Formen bei Homer vorkommen, sind zu erklSren als dgo- 
jd(o und dijiojdü} und darnach die überlieferten Formen zu än- 
dern; drjo?'»' erkl;lrt sich aus Abschwächung von drjioido} zu 
dijtoiscü. Für die Endung -oco setzt Weck also -ojico, für -oim 
oji(Oj für -wo» -ojäta an. Durch Vernüchligung des wurzelhaften 
Vokals in s konnten schon vor der Zusanimenziehung Formen 
entstehen wie ^ejico aus gotduif später ^£^a), ^iat. So hängen 
die Verba auf -ita mit denra anf ^dm und -6m snsaniBmi, für 
die Mehrzahl derselben sind Grundformen auf anzusetzen, 
selbst för solche, neben denen mit voller Sicherheit Adjektiva mit 
einfachem -og vorhanden sind, ist eine Vermittelung durch Ad 
jektiva auf -fto^ (Sovletog, xQ^^^^^og) nicht ausgeschlossen, so daDs 
auch hier die Fndung -si^co herauskommt. 

Im Zusammenhange mii dicsir Darlegung über die Verba 
contracta erklärt Weck die Konjunktive der Aor. If. act. der Verba 
auf -fit für neugebildete Desiderativa, in aiiesier Kot ui auf -lao), 
woraus sich dann unter anderem ergiebt, dafs Formen mit ^ in 
der Stammsilbe von «- und Stämmen unmdgUch sind. Der 
Optativ Ist dann das augmentlose Imperfektum des Desiderativum 
But nach der |u» -Konjugation. Mit der Betrachtung einer 
Reihe von CinzelflUen in Verbal- und Nominalbildung schliefst 
die Untersuchung; im Anbang ist ein vollständiges Verzeichnis der 
einschlägigen Ver baiformen beigec;pl>en. 

Die Arbeit verdient jedenfalls eine einziehende Beachtung; sie 
ist geeignet, eine ganze Reihe von Erscheinungen einheillicli zu 
erkiäi ea und von neuem vor überstürzten Änderungen des Über- 
lieferten ZU warnen. 

41) F. Stolz, Baasteioe sa einen sprachwisseaschaftlichen 
Kommentar der homerisehen Gedichte. Wieoer Stodien 1890 

S. 57 f. 

Da£s die Erp:el)nis?e indogermanischer Sprachforschung auch 
den Bestand der lionierisc hfn Sprache in mancher Beziehung auf- 
geklart haben, wud nieiiianil mehr in Abrede stellen. Aber jene 
Üulersuchuügen selbst sind über eine so grofse Zahl vuu Linzel- 



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Homer, K. NamiaM. 



65 



dtntellungeD und Zeitschriflen verstreut, dafs der Homererklärer, 
dem schon sonst eine Oberfälle von Stoff zu bewältigen obliegt, 
unmßfilich auch noch dieses Gebiet in seinen Bereich ziehen kann. 
Deshalb bfilt es der Verf. für an^Mjzeijit. in Vovm eines fortlau- 
fenden kommentars sprachwissenschaftliche Fragen an den tiumer- 
text anzuknöpfen. Diese Form gewährt den in systematischen 
Darstellungen der houicnscheu Spidthe fehlenden Raum für aus- 
fflhrlieh«! Nachweis der Littenittir m den Eintelfragen und für 
BegrfliiduDg der AnsichteD; sie Ufst aber auelr dea Strnt der 
Docli vielfach sich befehdenden Meinungen deutlich erkeonen. 
Denn das ist ein vom Verf. wohl nicht fainreicbeDd gewürdigter 
Gmnd für die Zurückhaltung der Homererklärer gegenüber den 
„Sprachvergleichern", dafs die letzteren in zahlreichert Einzel- 
heiten noch nicht zu einem sicheren Äbschlufs gelangt sind. Ob 
ISauck mit Keciit schreibt *Axaioi(f*, bleibt auch nach Stolz un- 
entschieden ; die in dem „hübschen Aufsatze" von Thiemann in 
Übereinstimmung mit einer älteren Ansicht von Curtius vorge- 
tragene Ableitung der Partikel aus dja, nennt Verf. „ganz un- 
haltbar** und setzt mit Verweisung auf eine Leipziger Dissertation 
den Prenominalstamm do- als Grundwort an; aus keiner dieser 
Annahmen erwachst der Homererklärung ein neuer Nutaen, was 
dij in der homerischen Sprache bedeutet, steht anderweitig schon 
fest. Also der fVutzen jener Betrachtungsweise ist für den Text 
und für die Erklärung nicht so unmillelbar, wie es: dem Verf. 
scheint; er ist aber unbestritten für die Erkenntnis des iiümerischeri 
Sprach- und Formbestandes, also soweit es sich um rein mori hü- 
logische Untersuchungen handelt. Was der Verf. über dex^-at, 
fwiijics, über »oQp^wVt Aber x^Q^^^^* ^her lAya^iinvcav , KXv- 
%a$fiytj(fTQa zusammenstellt, ist beachtenswert, greift aber in den 
längeren Abhandlungen weit Ober den Rahmen eines Kommentars 
hinaus und wird zu selbständiger Untersuchung. Von gelegent- 
lich berührten allgemeineren Fragen hebe ich noch hervor, dafs 
der Verf. sich für die Annahme einer Umschreibung der home- 
rischen Gedichte aus einem älteren Alphabet und gegen die Ein- 
führung des Digammas in den Text entscheidet. Im ganzen scheint 
mir die Zeit für einen rein sprachwissenschaftlichen Kommentar 
zu Homer noch nicht gekommen zu sein. 

43) J. A. Rigeoer, ExpHeatioA lioguistique d'Homlr«. Odyisee 
1 1—2. Rev. de l'initr. fahl «d Belff. 189t & 84 ff. 

bebandelt sprachwissenschafdiche FHgen im Anschlob an die vier 
Wörter avdqa /uo» hysns (tovtfet» 

4S) Index Homericus. Composait Ang". Gehring. Leipzig, B. G. Teab- 
oer» mi. iV S. ood 874 Sp. gr. 8. 16 M. — Vgl. R. Peppmüller. 
WS. t klasf. Phil. 1892 Sp.33f.; L. Centralbl. 1892 Sp.216; Bl. f. 
d. bayer. GSW. 1891 S. 462 ; Seymour, Class. Uev. 1S92 Sp. 4; E. Eber- 
hard, N. Phil. Rdsch. 1892 S. 257 f. ; T. D. S., Class. Rev. 1S92 Sp. 14 f.; 
E. Manls, DLZ. lS92Sp, 1519; I». Caiier, Berl, Phil. WS. 1892 Sp. MI3f. 

Der Uuuierindex cnihalt eine vollständige Aul^aiilung aller in 
Jihti a hada ht » ZIX. 5 



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66 



Jakr«ib«ri'6lt« 4/pbit'ol»f. V'«reiBf. 



der Ilias und Odyssee vorkommenden Wortformen auf Grund der 
gröfseren Ausgaben beider Gedichte von La Roche, In der An- 
lage ist der Verf. dem „Verbum Honipricum" von E. Frohwein 
(1881) ijetolgt, das er überall nacligepnift und in sein Werk auf- 
genommen hat. über ein blofses Verzeichnis hinausgehend, ent- 
halt al»er de» Index noch die verschiedenartigen Worlverbiüduiijj'eii, 
einen Nachweis, der besonders für die Kenntnis der Partikeln veti 
Hiebt geringer Bedeutung itt Die Anordnung der einzelnen Ar- 
tikel ist klar und fibersiebtlicb , die Gliederung tritt diircb- den 
Druck deutlich hervor; die Küniposila der Verhen sind wie bei 
Frohwein beim Grundwort auf?:usnch«<n, die ZilTern athetierter 
Verse sind in Klammern gesetzt. Soweit ich Pruiien auf die Zu- 
verlässigkeit angestellt habe, j^ind sie alle stichhaltig gewesen. 
Sollte sich aber auch bei längerem (Jebraiirhe hier und da ein 
einzelner Nachtrag ergeben , so kann da(hu( Ii das Verdtpnst 
dieser mühseligen und für die Ilumerforschung wie auch für die 
Kriük wertYoflen Arbeit nicht geschmilert werden. 

44) C. Henlze, Anleitung zur Vorb erc i tu ug a uf Iloiue rs Odysse e. 
Leipzig, B. G. Tenboer, 1891. Erstes ßaodrhen: Gesang 1— VI. VI 
a. 129S. Zweites Bäodcbcn: Gesang' VII— XU. Ilii. IIGS. Jedes 
Biodchea geb. Ü,80 M. — Vgl. G. V ogrioz, WS. kUsa. Phil. 
8p. 812; P. Caner, Berl. Phil. WS. 1892 Sp.S12. 

An Anstalten, wo es wünschenswert erscheint, dafs der 
Schüler zur Vorbereitung auf die Uomerlektüre einen Kommentar 
in der Hand habe, ist die Anleitung von ilentie wohl sa empfeh- 
len. Sie ist hervorgegangen aus den erklärenden Anmerkongeo, 
welche der Ilomerbearbeitung von Ameis-Henlze einen so gro6eD 
Wert verliehen haben; aber alles, was zur gelehrten Erklärung, 
zur Kritik u. s. w. gebort, ist weggelassen und dafür vieles auf- 
genommen, was die Schwierigkeiten des ersten Vprstfmdnisses be- 
seitigt. Dahin gehört zuerst die Krklürung der homerischen For- 
men, wo es angeht, allein dun h (legenüberstellung der attischen 
Form; ferner Hinweise auf Kun^u uKiiun und Satzbau. Aul das 
Lexikalfsehe geht der Kommentar nur dann ein, „wenn die der 
Stelle angemessene Bedeutung des Wortes und die riehUge Über- 
setzung für den SchQler schwer zu finden ist oder technische 
Ausdrücke einer eingehenden Krkläi iing bedürfen oder mit einem 
Wort eine besondere spezifisch homerische Bedeutung verbunden 
ist'*. F'^benso ist das Verstlndnis der Pnrlikeln durch die Ver- 
deutschung angebahnt. Sehr zweck niiilsig ist die Gliederung der 
Gesänge in kleinere Ahschnitte und Zusammenfassung des Inhalis 
in kurzen iJberschriften. Bei fortschreitender Lektüre wird 
selbstverständlich der Anmerkungen weniger; am ausführlichsten 
ist der Kommentar zum 1. und auch zum 9. Gesänge gehalten, 
weil auch mit dem letzteren häufig begonnen wird. 



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Homert B. Rivbiik 



67 



45) A. Sickin^er, \Vö rterverzeichn za Homers Odyssee Buch 
1 1—324. Karlsruhe. Braunsche Hof bot hhaüdittng, 1892. 30 S. 0,35 M. 

Eins von den zahlreichen Vokabelbüchern, die die Einführung 
in einen neuen Schriftsteller erleichtern; ubersichtlich angelegt, 
mit Erklärung der homerischen Formen, bezw. Rückführung auf 
die attische Formenlehre und 25 eingestreuten Bemerkungen meist 
lur Formenlehre, jum Teil aueh lexikaliscben InhsÄts. Aber fOr 
324 Verse ein besonderes Hfllfebucb! 

4G) £. Eberhard, Die Partikel xcct im homer isckea Verse. Zeitschr. 
I. d. $tt Gym. 18B9 S. Ml ff. 

Härtel hatte in seinen homerischen Studien den Wonsoh 
aasgesprochen, es mdchte die Stellung von xal im homerischen 
Verse untersucht werden. Dieser Anregung folgend hat E« Eber- 
hard sein für den Artikel xai in Ebeline:? Lexicon Homericum 
gesnmmpltes Material von ntniem fhirchgearbeitet und gieht nun 
zahlenmafsige Zusammenstellungen über das Vorkommen von xui 
an jeder einzelnen Stelle des homerischen Hexameters. 

47) Arth. Platt, Note of Homeric sca nsioo. Jooro. of Phil. 1890S.120f. 

Der Molossus vor bukolischer Diärese findet sich in der 
Odyssee nur 10 mal, an sieben Stellen nur scheinbar, da die letzte 
Länge durch Auflösun'Ji: rler Geiietivendung beseitJ^'t wird {Orjßaioo 
statt 07jßceiov) oder ( lumai die erste durch die Schreibung iv- 
Xälxwv statt €vxcdxo}y (o 84). Bleiben 3 Stellen übrig: o 248 
mit Eigennamen, <p 15 mit spondeischer Endung und s 62. Von 
den 31 entsprechenden Fällen in der lUas bleiben nach Auflösung 
des Molossus an 17 Stellen noch 14 Verse, an denen er nicht 
beseitigt werden kann. Zahlreicher sind in Ilias und Odyssee die 
Stellen, wo der Molossus mit aufgelöster erster Silbe uberliefert 
ist. in spondeischer Endung hinter dem Molossus erkennt Verf. 
eine Milderung des Eindrucks. Unter den Ergebnissen berühren 
die Textkritik folgende: an 74 i5lellen wird die Genetivendung -oo 
eingesetzt, an 22 der Infinitiv aufgelöst, y 378 dysXeiii wird unter- 
stützt gegen die La. xvdiaiii. 

4S) Arth. Platt, Sponde«t ia the foarth foot im 0oni«r. Joarn. of 

Phil. 1890 S. 150 ff. 

Zahlennacliweise ergeben, dafs Hunier den Spondeus im vier- 
ten Fufs, d. h. ein einzelnes Wort mit zsvei laugen Silben, das 
diesen Pub einnimmt, vermeidet, und dafs alle Spondeen an dieser 
Stelle aufsuljtoen sind. 

IIL Scholien und Verwandtes. Hundschriftenb 

49) Jales Nicole, Les scolies Genevoises «le l'Iliade publiees avec 
■ne etade historique, descriptive et critiqne sor le GoMveosis 44 ob 
Todev Iguotus d'Heiiri Fstienoe et une collection complete de cc 
naouscript. 2 vol. grand io-S. de LXXXIII, 224 et 3&2 f, avec 2 
fietlail^. Poris, Uadiette et Clo. London, H. Geojv^ Gonf erid 

6* 



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68 



Jabretberi«ktt i* pbilvlof. Vereiit* 



Basel, 1891. 35 fr. — Vpl H. Micbeli, Rev. crit. 1^01 S 71 f.; H. 
Weil, Joorn. des S«v. 1891 S. 479f.i W. Leal. Claas. Üev. 1891 
8. 418 f., Atbetttemi 1891 S.645; H. Sehrader, W& f. klasi. Phil. 
1892 Sp.201ff., 227 ff.; Th. Reioach, Rev. des et. (fr. 1892 S. 40Sf.; 
A. Ludwicb, Berl. PhU. WS. 1892 Sp. 773 ff., 80511.; K.SitU, JV.PhU. 
Rdich. 1892 S. 98 f. 

Das Werk hat mir nicht vorgelegen. A. Lud wich hehl iti 
seiner Anzeige die Bedeutung der Genfer Iliasschoh'en hervor. 
Schon der Zuwachs, den die Überreste zahlreicher Dichter wie 
ProMito aus ihnen enthalten, sichert ihnen einen hohen Wert 
so. Der so lange verhorgen gebliehene Iliascodex ist der Haupt- 
sache nach von mehreren Händen des 13. und 14. Jahrhunderts 
geschrieben, er befand sich ehemals im Besitze des Henricus Ste- 
phanus, der ihn für seine Ausgabe der Epiker 1566 benutzte, 
hernach blieb er so gut wie uiil>pJ<?^nnt. Ludwich beklagt die 
Zersplitterung des Materials, für die die Oxforder Scholienausgabe 
das Vorbild gewesen sei. Eine Vergleichung des gednirktea 
Textes mit den Facsimiles zeigt noch zahlreiche Abweichungen 
und macht den Wunsch rege, dafs die ganze Hs. einer noch- 
maligen rnid grflndlieheren Prfifung unterzogen werden möge, wie 
das Nicole selbst schon filr das wertvollste Stflck, die Scholien 
des 2t. Buches, als ein unabweisbares Bedürfnis empfunden habe. 
Dafs auf den ersten Anlauf nicht sogleich alle Schwierigkeiten su 
überwinden waren, lehrt schon die Beschaffenheit der neuen Frag- 
mente, von denen Ludwicli emige kritisch bebandelt. Die Genfer 
Scholien decken sich vielfach mit anderen, sio berühren sich bald 
mit A, bald mit B oder T oder D naher, zu allen diesen Sammluneren 
Uefern sie Beiträge, die aber auch nur mit Kritik zu benutzen 
sind. Ganz wie im Venetus A, sind auch im Genavensis deutlich 
zwei Excerptenreihen su unterscheiden, eine ausföhrlichere und 
eine kOrsere. Es fehlen den Genfer Scholien die kritischen Zei- 
chen. Aber sie bilden eine wichtige Quelle und werden neben 
ABTD aweifellos zu den bedeutenderen der uns erhaltenen 
Uiaskommentare gerechnet werden. 

bO) Jales Nieole, Zu den Geifflr SehoH«B der UUt. N. Jihrl». f. 
PUL 1891 8.658. 

Vier nachträgliche Verbesserungen zum Texte der Scholien 
des 21. Gesanges der Uias in vorgenanntem Werke* 

61) 0. D.iels, Zb den Geifer Illtsseholiee. Hernee 1891 S.478. 

Verf. teilt das Resultat einer Nachprüfung der Genfer Hs. 
durdi Hrn. Horace Micheli zu den in den Sitzungsberichten der 
Berliner Akademie 1891 S. 575 besprochenen Fragmenten mit. 

52) C. Wachsmnth^ l\pue Bruchstücke ans den vSchrifteo des 

Graiiiuidtikuü Krates. Rhein. Mus. 1591 S. ft. 

Aus den von Nicole verOflentlicbten Genfer Ilictsscliolien hebt 
Verf. zwei Stellen heraus, welche Bruchstücke aus den Schriften 



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IJamcrj voo i£. JVaumaao. 



69 



des l'eiganienerä Krales enthalten und von der umiässeüclen Be- 
lesenliejt desselben zeugen. Das erste zvlO 195 ist dem zweiten 
Bach der „Homerika** entnommen , in dem zweiten zu 0 282 
nimmt Kntes Bezog auf einen Satz aus den Solonischen Axones 
und aaf einen Vers aus Sophokles' Daidalos, die beide bisher unbe- 
kannt waren. Zum Schiuis eioigo kleine Beiträge zu Wachsmuths 
Fragmentsammlung. 

53) U. Pasch, Qaaestiooes Zenodoteae. Oissertatiooes Haleoses XI 

S. 119 IT. Halle, M. Niemeyer, 1890. — VgL A, Ladwlcb, Berl. PhU. 
WS. 1892 Sp. 1254. 

Während Zenodots Ilomerbearbeitung Gegenstand der ein- 
gehendsten wissenschaftlichen Untersuchungen gewesen ist, sind 

die übrigen Schriften desselben meist nur fluchtig berührt worden. 
Diese sucht (iaher Pusch festziistfÜPTi und zu cbai'aktiTisieren. 
Er unterscheidel zu dem Zwecke zunächst im ersten Teile die 
Grammatiker des Namens Zenodot von einander und behandelt 
dann, iiaclidem er auch noch Zenüduruä ah Veii. der bchrilt 
tesqI T^g *OfA^QOV ffvv^&sUcg abgesondert, die Werke jedes ein- 
zelnen in einem Kapitel. Zenodot aus Ephesus, das ist das Er- 
gebnis, hat anfiser der Homerausgabe ein Werk /Xmaifm und Aus- 
gaben epischer und lyrischer Dichter verfafst, er hat aufserdem, 
es bleibt ungewifs, ob in Einzelschriften oder Büchern anderwei- 
tigen Inhalts, über Homer gehandelt und eine Tngeberechnung fnr 
die Ilias aufgestellt. Seine granimatis( lien Studien beschäftigten 
sich mit der Erklärung schwieriger Worte auf Grund des Zu- 
sammenhangs, ohne Zuhulfenahme der Etymologie; bei der Emen- 
dation der Dichlertexte war er ^enoigl, Singularitäten und Kühn- 
heiten des Ausdrucks zu beseitigen; von WillkQr und Nachlässig- 
keit ist er nicht freizusprechen, wenngleich er Einsicht und 
Urteil bewährte. 

54) Arth. Ladwich, Arist^rrchs Homerische Textkritik nach 

dea Fragmeateo des Didyoius dargestellt und beurteilt. Zweiter Teil. 
Leipzig, B. 6. TenbDtr, 1885. VI o. 744 S. 16 H. Vgl. P. Egenolff, 
Ben. Phil. WS. 1892 Sp. 677 ff., 709 ff. 

Aufsere Umstände haben seinerzeit die Besprechung des z\vei< 
ten Bandes von Ludwichs Aristarch gehindert; so möge jetzt auf 
die ausführliche Anzeige von Fgenolff verwiesen werden. Nach 
derselben gestaltet sich das Buch, besonders im zweiten Kapitel, 
zu einer Verteidigung der Aristarchischen llomerl^ritik und ihrer 
Auffassung durch die Königsberger Schule. „Ais Resultate dieser 
Apologie ergeben sich, 1. als positive: a) daüs in den Lesarten 
der Aristarchischen Homerausgaben uns nichts mehr und nicht« 
weniger als ein Stfick älterer Homerüberlieferong aufbewahrt ist, 
ohne jede nachweisbare Spur einer von Aristarch geübten eigen- 
mächtigen Konjekluralkritik; b) dafs dieses Stück Homerüber- 
lieferung weitaus das beste ist unter allen, die wir haben, und 



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70 



Jabresberiehte d. phtloiog. Vereios. 



dafä dieser seiu mnerer Werl seit Lehrs sogar solche Forscher 
ftberwunden ' hat, welehe in der Theorie weder seine iafeere diplo- 
matische Beglaubigung noch seine inneren Yorzfige, so wie es sich 
gehört, anerkennen wollen; c) dab hingegen im AHerlum und 
Mittelalter die Homerische Überlieferung, soweit wir sie nfther 
kennen, unbekümmert ihren eigenen Weg weitergegangen ist, nie- 
mals nachhaltig beeinflufst durch die Aristarchische Kritik; 2. als 
negative: a) dafs Nauck über den Cbarakter und Wert der Ari- 
starchischeii Horaerkritik, den Lehrs voilküinmen richtig besliinuit 
hatte, in seinen Kreisen Meinungen das Wort geredet hat, denen 
es in hohem Grade an Sachkenntnis mangelt, und die den offen 
vorliegenden Thatsachen schnarstracks zuwiderlaufen ; b) da(s ge- 
nau dasselbe von seiner über das Verhältnis der Lehrsianer zu 
Aristarch hartnäckig verbreiteten Ansicht gilt; dafs er nicht ein- 
mal über sein eigenes tbalsichliches Verhältnis zur Aristarchischen 
Iloiiierkritik sich bis zu genügender Klarheit der Anschauung 
zu erheben vermocht hat". Nauck hat besonders gegen die bei- 
den Grundsätze „Ilonierisch ist nicht Urgriechisch" und ,,Mög- 
Hchkeit ist nicht Nutwendigkeil" gefehlt. Die Anomalieen im Ho- 
merischen Sprachgebrauch haben bei der iiieurie von der 
allmählicben Entstehung der Homerischen Gedichte nichts Auf- 
ßlliges, zu diesen Anomalieen sei auch das Digamma zu rechnen, 
weldies von einem integrierenden Bestandteil der Sprache zu 
einem beweglichen Laute herabsank und bei Homer euphonischen 
und metrischen Bedurfnissen dient. Daher liegt bei dem Schwan- 
ken der Überlieferung zwischen der volleren und schwächeren 
Form kein Grund tut Verdächtigung der Überlieferung vor. — 
Der ej isdie Dialekt Homei^ ist ein Mischdialekt, kein Provinzial- 
dialekt, tlaher sei auch die Annahme von Umdichtungen unstatt- 
haft; ebenso sei die Annahme einer absichtlichen, planmäfsig 
durchgeführten Überarbeitung u. s. w. bisher nicht bewiesen. Das 
altgriechische Epos ist Oberhaupt nie modernisiert worden. Eine 
Niederschrift der Gedichte im altattischen Alphabet kann nie 
nachgewiesen werden, sie waren im jonischen Alphabet aufge- 
zeichnet; die aQxoTa ävxiYqcKfa waren nichts als Abschriften. 
Cgenolff rühmt das Buch nis eine wahrhaft rettende That, als 
eine Ehrenrettung Aristarchs. 

55) A. Wagaer, Epitome Vaticaaa ex Apoliodori bibliotheca. 
Aceednnt enrte loythograpbae de Apoliodori foatibat et epiMetnin 

praefatiouem Borbootcaiu ad Homeri lliadem contioeas. Lelpuij;, Sal. 
Hirzel, 1891. XVI u. 319 S. 6 M. — Vgl. H. Steadiof , BerJ. PMl. 

WS. 1891 Sp. 1480 ir.i Acadeiny 1891 S. 119. 

Hat mir nicht vorgelegen. Nach H. Steudings Anzeige weist 
Wagner nach, dafs Apollodor die Inhaltsangaben der homerischen 
Gedichte nicht aus diesen selbst, sondern aus den gewöhnlichen, 
nur noch etwas reichhaltigeren Argumenten der einzelnen Bücher 



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Hoaer, von R Naamino. 



zuBammengesteltt and die nadihottierisdieii EreignisM na^ Epi- 
totnen der kyklisdien Gedichte behandelt hat. Als Anhang bietet 
Wagner «na einer NMpeler Handschrift eine bisher unverdffent- 
lilshte Darstellung der Vorgeschichte der Uias» die jedoch vollständig 
ans Angaben der Homerischen Gedichte susammengesetst ist. 

56) A. Schi III bcr{;, 7tir handschriftlichen Übcrlieferunfr der 
Scboiia Üidvuu. Teii I. Philol. ISül (NF. 3) S. 42i U. Teil 11. 
Progr. Ritibor* 1891. 41 S. — Vgl. E. Maass, DLZ. 1891 Sp. 1160f.;. 
Academy l&'l! S 20; H. Schräder, \\ S. f. klass. Phil. 1892 Sp. 207; 
A. Ludwicb, Herl. Phil. WS. 1892 Sp. 1221 IT. 

In den italienisrheii BiMinlieken befindet sich noch viel un- 
benutztes Material zu den Scholien des Didymus, deren erneute 
Herausgabe ein allseitig anerkanntes Bedürfnis ist. Für diese 
Ausgabe stehen nach den Ausführungen des Verf.s im Philolu^us 
bis jetzt vier Hss. und die Editio princeps za Gebote, die allesamt 
die Scholia D in verhällnismäCBiger Vollständigkeit ohne den. ent- 
sprechenden Homertext enthalten. Die Verwandtschaft und Ab- 
hängigkeit dieser Quellen wird in der ersten Abhandlung unter- 
sucht um] durch das Stemnia Phil. S. 451 und im Progr. S. 5 
veranschaulicht. In dem letzteren wird zunächst der Riccardia- 
ous 30 untersucht. Verf. ist dor Meinuncr, dafs er auf selbstän- 
digem Wro-e der ursprünglichen Vorlage, wenn auch nicht 
ohne Z\visciieii>(iifen abgeleitet ist. Der in Breslau befindliche 
Codex Relulingeranus 26 rescriptus gehört mit dem vorgenannten 
zusammen zu den Ausläufern eiuei liezension der Didyuiusschulu d, 
welche die umschreibenden Glossen nicht hatte. Sie setzen andere 
Vermittelungsglieder mit der Urquelle voraus als die ersterwähnten 
vier Hss. und die Ed. princeps. Dor Cod. Venetus A ist ftür eine 
künftige Ausgabe den übrigen nur die Scholien enthaltenden Hss. 
als ebenbürtig anzureihen. Eine Vcrgleichung seines Besitzstandes 
an diesen Scholien, der trotz der Verkürzung doch recht bedeu- 
tend ist, bestätigt die Wahrnehmung, daCs keine einzige Hs. die 
Schüben ohne Verlust überliefert. 

Die immer dringender notwendig werdende neue Herausgabe 
der sogenannten Didymusscliuiieü wird durch Schimbergs Unter- 
suchungen auf eine sichere Grundlage gestellt. A. Ludwich be- 
grüfst in seiner Anzeige den Verf. als den jener schwierigen Auf- 
gabe gewachsenen Bearbeiter. 

1>7) Fr. Kappe, Der Bekkersche Paraphrast der Ilias uod seiofl 
Redoutaog Hi r fUe Textkritik. Progr. Liegoitz 1892. 16 S. 4. 
— Vgl. A. Lii iuu h, Berl. Phil. WS. 1802 Sp. 112«. 

Die Homerpaiaphrasen gewinnen seit Ludwichs Arbeiten eine 
höhere Bedeutung für den Te.vt. Gerade weil sie meist äufserst 
nächterne Arbeiten, oft nur Interlinearversionen in Prosa sind, 
sieh mitbin ihrer Vorlage sklavisch treu anscbüefsen, so läfst sich 
ätr Versuch machen, durch eine Vcrgleichung der Paraphrase mit 



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72 



Jabresbericlite i, philolog. Vereios. 



ilrm Ulis jelzL vorliegenden flomertexle eiQ liild vod der Uezen- 
siuri cit s rai'ii[ihrasten zu gewinnen. Diesen Versuch hat der Verf. 
nui der Bekkerschen Paraphrase für die Bücher A — & und 0 — i2 
angestellt. Der Parapbrast benutzte offenbar nar eine Handschrift, 
eine unsicbere Spur scheint auf einen Yindobonensis su fuhren, 
eine völlige fibereinstimmung zeigt sich auch mit dieser Hs. nicht* 
Vom Venetus weicht der Paraphrast ab, in den Atbetesen stimmt 
er mit ihm meistens überein. Wer der Parapbrast gewesen, den 
Ludwich nach einer Hs. Pscllus nennt, und wann er freschrieben, 
bleibt noch fraglich. So viel ist nach dem Verf. sicher, dnfs er 
für Kinder schrieb oder in einer Zeit lebte, wo jede Eriutierung 
an griechische Mythologie geschwunden war. Einige Eigentüm- 
lichkeiten in Formen und Syntax stellt der Verf. zusammen. S. ö 
bis 16 enthalten die Yergleichung. 

58) E. DIttrieh, *H i* Mov&tfou. N. Jthrb. f. PUL 1892 & 408 f. 

Die Ausgabe ix Movffsiov wird nur einmal zu ^ 204 er- 
wähnt, wo es sich um kretische Verhältnisse handelt; daraus 

schliefst der Verf., dafs sie aus Kreta stamme und folgert dann 
weiter, dafs sie in dem hvi ^'Anz€Qat auf Kreta belegenen Mav- 
atVov aufbewahrt gewesen sei. 

59) Walter Letf, The maoascripts o£ tke Ilial Jonri. of Phil. 

1890 S. 181 f. 

Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte des kri- 
tischen Apparates zu Ilomer seit Barnes, in dem La Roche hart 
getadelt wird, untersucht Leaf das Material des letzteren aus den 
von diesem selbst verglichenen Handsrhriften mit Ausnahme von A. 
Er stellt aus C D G H S und L (= Leipziger Gruppe) die von 
Zenodot, Aristophanes oder Aristarch angenommenen (1 a) oder 
von ihnen sowie Didymus und Aristonikus erwähnten (Ib), die 
aus anderen Gründen für alt zu haltenden (2) und schliefsUcb die 
nur auf dem einzelnen Manuskript beruhenden (3) Laa. zusammen. 
Daraus ergiebt sich, dafs die Handschriften der Leipziger Gruppe 
(L und Lips. linteus) mehr Laa. aus Zenodot, Aristophanes und 
Aristarch enthalten als alle anderen zusammen, dafs sie also an 
Wert neben A zu stellen sind. Von den Laa., welche die Leip- 
ziger Gruppe allein Inetot, sind nach dem Verf. 26 wenigstens 
denen der anderen gleichwertig, 20 aber unbedingt vorzuziehen. 
Die 155 Varianten der Leipziger (Irnppe betreflen so überwie- 
gend die Bücher H bis iJ, dafs Lea! aiinumiml, in der Vorlage 
von L seien die ersten 6 Bucher auf eine andere Quelle zuräck- 
gegangen. Leaf ist geneigt anzunehmen, dafo L eine neben der 
Vulgate hergehende Tradition bis auf Aristarchs Zeit enthalte. 
Eine Untersuchung von A zeigt, dafs dessen Text auf die Vui- 
gata zurückgebt mit Einführung einiger Aristarchischer Lesarten; 
daneben sei ein Zurückgreifen auf C und B überflössig. Zum 



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Homer, voo £. Naumann. 73 

^ciiiuiii bemerkt Leni, iiai's eine Ms. niclii nuch der auf die Schrift 
ferwandten Sorgfalt, sondern aliein nach der Auswahl der guten 
Laa. abzuBchStoen ist, daiüs sie aber auch nur nacb volbUndiger 
Vergleichnng richtig beurteilt werden kann. Besonders notwendig 
erscheint eine neue Vergleichnng von L. 

60) J* vao Leeaweo jr., De lliadis et Odysseae CodUe Viodo- 

bonensiN. 5. Mnenios. 1890 S. 206 ff. 

Den Wen des von W. Leaf hervorgehobenen Vind. saec« XIV 
L will van Leeuwen eingeschränkl wissen auf die Ilias; der Teil, 
der die Odyssee enthält, ist eine Abschrift des Palatinus vom 

Jahre 1201; mit L ist eng verwandt der Vind. 56, beide sind 
neben dem Palatinus ohne Bedeutung. Die Vorlage des Palatinus 
ist nach van Leeuwens Vermutung in Minuskeln geschrieben. 

61) T. W. Allen, Manuscripts of the Ilias in Rame. GUm. Rev. 

1890 8. 389 IT. 

Verseichnis und kurze Beschreibung von 38 Iliasbandschriften, 
die verschiedenen Bibliotheken in Rom angehören. 

62) T. W. Allen, Palaeo^raphi ca. .lourn. of Phil. 1891 S. 62fr. 

Gegen E. Maass, der nach Ergänzung der unvollständigen 
Unterschiifl der. Towuiejanischen llomerhandschrift die Ent- 
stehung derselben in das Jahr 1059 setzt, macht der Verf. paläo- 
grapbische Autoritäten geltend, welche die Iis. in das 12. Oder 13. 
Jahrhundert verweisen. 

63) F. G. Ken von, C.lassicai texts from Papyri ia the British 

Museum, ioclodiog the newly discovered poenis of Herondas. Wilh 
mtotype facsiiniles of mss. London 1891. British Museum (VIR 116 S.) 
8M. — \gl 0. Crusios, L. Ceotralbl. 1891 Sp. 1319 IT. 

Hat mir nicht vorgelegen. Nach der Anzeige im Lit. Central- 
blatt enthält der Band S. 800*. Stellen aus HFJU^Si auf spä- 
ten, nachlässii: redigierten Papyris, deren Versclireibunc:??! Zeug- 
nisse der damals herrschenden Aussprache sind. Eine ^>uiuier- 
stellung behauptet die schöne alte Holle mit WSI mit kritischen 
Zeichen und Athetesen nach Anslarch. 

64) J. DoBglas, Tha Harrt« Papyri. AllieDam 1891 S. 377. 

Blitteilungen zur Geschichte der Uiashandschrift im Britischen 
Museum. 

65) K. Hiberlia« BeitrSga mr Kenntais daa aatikaD Bibliothek- 

oad Baobweaeaa (1889) 

handelt S. 480 ff. von voraleiandrinischen Homerausgaben. 

66) Meorad, Ein neueutdecktea Fragment einer voralexandri- 

niaeban Homaraiiapabe. Sitzungsber. d. kVoigl. bayer. Akadamia 
d. Wiss. Philos.-philol. u. hist. Klaaaa 1891 S. 539 IT. ~ Vgl. P. Ganer, 
Barl. Pbil. WS. 1892 & 808 f. 



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74 



Jahrasb«ri«]itt -d. philol«^. Vereiaa. 



67) Arth. Ludwich, Die sogenaoute voralexan ih-inisclie Ilias. 

Ind. lect Küuie;»bergS.-S. 1892 S. 8 ff. — Vgl. P. Caaer, Barl. PiiU. 
WS. 1893 & 808r. 

68) E. Meyer, Honariaehe Parar^a. Harmas 1892 S. 36S ff. 

Die beiden erstgenaiitileit Al»liaiHiiungen haben mir nicht vor- 
gelegen. Sie suchen das von Mahatly veroirentlichte Bruchstück 
einer Papyrushandshrift der. llias für den voralexandrinischeu Ab- 
schnitt der Textgeschtchte zu verwertea. Dieselbe Aufgabe stellt 
sich £. Meyer unter 1. Der älteste Homertext« Ems von den 
Papyrusstüekeu, die Flinders Petrie aufgefunden hat, enthält die 
homerischen Yerse A 502—537 in arg verstümmeltem Zustande. 
Die Scholien erwähnen, dals V. 515 von Zenodot nicht gelesen 
wurde, Ari.stophanes und Arislardi setzten ihren Obelos dazu. 
Der Text hatte noch je einen Vers zwischen 504 und 505, 509 
und 510, 513 und 514. Ausgelassen ist 520. Wenige Verse 
nach dem Knde dieses Fragnienls ei-piebt sich noch aus Aristo- 
teles uuil Plutarch ein Zusatz hinter 543. Die zuerst erwalniten 
Zusatzverse sind nicht mehr vollständig herzustellen, die vorhan- 
denen Spuren führen aber alle darauf, dafs sie nur Erweiterungen 
des Gedankens enthalten, ohne etwas Neues zu bieten. Die Verse 
A 497 ff. gehören anerkanntermafsen einem Fullstuck an, in 
welchem ein Schwanken des Textes nicht aufllllt; aber wesent- 
lich ist es, dafs alle Abweichungen den Zusammenhang nicht be- 
rühren, der sich wohl auch anders hätte herstellen lassen. Also 
diese Abweichungen setzen die fertige llias voraus, d. h. die Be- 
arbeitung der älteren Gesänge zu einem einheitlichen Gedicht. 
Die Häufigkeit der Abweichungen hier beruht auf dem Flick- 
ciiarakter (Um Stelle und ist nicht in gleichem Mafse für die 
ganze Ibas zu lolgern. Die Ausgaben des Aristarch, Aristuphanes 
und Zenodot haben von jenen Versen mit Ausnahme des V. 515 
nichts gewufst, sonst hätten die Scholien sie erwähnt. Die Ober- 
einstimmung zwischen den drei Ausgaben ist viel wesentlidier als 
die Abweichungen, das heifst die Ausgabe Zenodots bildet die 
Grundlage unseres Honieriextes, Aristophanes und Aristarch haben 
daran gebessert und die Willkür Zenodots zurückgewiesen, sind 
in der Hauptsache aber nicht über ihn hinausgegangen. Der Grund, 
weshalb Zenodot die Zusatzverse ausliefs, 515 einfügte, aber 543 
überging, ist in den von ihm benutzten Handschriften zu suchen; 
diese haben auch die liehandhinf» von /458(r. und der für Pisi- 
stratisch gehaltenen Verse ./ 2(35, B 558, / 631 bestimmt. Die 
IMsistratische Uezension sei lür Aristarch eine Fabel gewesen, der 
in jenen Versen liegende Anstofs habe schon vor Zenodot zu 
ihrer Ausstofsung geführt, die besseren und gesäuberten Hss. hätten 
sie gar nicht aufgenommen. Auf diese aber begründeten die 
Alexandriner ihren Text. Also die Vulgata näherte sich stetig 
einem kritischen Texte; ein Hergang, der sich jetzt erst mit voller 
Deutlichkeit erkennen läfst. 



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Hoin«ry vom B,. Nmnmftnn. 



75 



2. Tliost^ns bfti Homer. !>er Vers A *265 wird sowohl im 
Schilde des Herkules 182 als im Homer für unecht erklärt. Aus 
dem letzteren habe die Kritik der Alten ihn mit Recht ausge- 
schieden, er verdanke an beiden Stellen sein Vorhandensein dem 
Einflufo der Athener, die sich den Kampf der Lapithen und 
Kentauren nicht ohne ihren Liehlingahelden Theseus denlcen 
konnten. 

3. ApoUofest am Neumondtage. Der letzte Monatstag, für 
den Odysseus der Penelope seine Rückkehr ankündigt, ist nach 
V. VVilamowitz der Tag, an welchem die Uuterreilun^ der heiklen 
stattfindet. In Wirklichkeit ist. der erste MonatstR'j^, fli^^ roviJirji'ta, 
für SaiiiüS als Apollofcst diin h die Hünierbiogra|)hie § o3 bezeuirt; 
wenu ilütiier die Liresione iui den Rettelgang an der povfiijiiu 
dichtet and seitdem die Knaben sie heim BetteJgang am Apollo- 
fest singen, so feilen heide Tage zusammen. 

4« Oer Wettkampf Homers und flesiods. Die Vermutung, 
dafs der äyoh' seinem Kerne nach uralt sei, wird durch die 
Worte des Knaben in Aristophanes' Frieden 1282 bestätigt: 
ol iilv Saivvvto ßoMV xQicc xat'xh'ag 'innuiv sxXvoy IdQiaofcsg 
insi noXdfiov fxoota^sv. Diese Verse können ihrem Inhalte und 
ihrer Form nacli nirgends anderswo gestanden haben als im 
dyujy. Dieser VVettkampf ist mit dem gesamten rhapsodischen 
Material im fünften Jahrhundert in den Schulunterricht über- 
gegangen und hat die Anschauungen Aber Homer mit bestimmen 
helfen. 

69) R. Peppmniler, Über die incerta« sedi« frtgmeota Homerica. 

N. Jahrb. f. Plul. IsDl S. :mff. 

Die uuler Homers iSamen angeführten Fragmente 3, 4, 7, 8 
und 9 (in G. Kinkels Epicorum gr. fragmenta f S. 70 f.) gehen 
wirklich auf Homer zurfick, sie sind aber nor eine freiere Be- 
handlung ron Stellen, die sich in unserem Texte noch finden; 
von allen übrigen kann nicht behauptet werden, dab sie „home- 
risch** seien. 

IV. Sacherklärung. Homer im Unterricht. 

70) P. W. Furchhammer, Die Kyaoen und die Argouauteo. Nebst 

drei Anlagen: 1. Die Grotte auf Itbaka. 2. Dardaoia. 3. Nt'XTÖg 
uf^iolyoj. Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1891. 31 S. 1,60 M. 

In drr ersten Anlage bcrirlitrt der Verf., dafs er am 19. Aug. 
1832, am Tage nach seiner Ankunft in Valhy, von einem Mann 
in eine Höhle gefuhrt sei, die zu seinem Erstaunen der Schilde- 
rung der Nymphengrotte auf Ithaka v 102—112 auf das genaueste 
entsprach: ^Hier eine Reihe von steinernen hoben Vasen, dort 
I t* itö steinerne, von der Decke herahhängende flache Hil düngen, 
wie liän^'ende Tücher, oben an der Decke eine Menge Tropfen, 
welche durch das gebrochene Licht die Farbe des Uonigs hatten" 



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76 



Jahresberichte d. pbilolog. VereiDj. 



— lauter ia einer SläiakUieuhühle leiclit eikiariiche Lrüciieiuuagen. 
Thiersch suchte am 21. die Grotte auf, ohne sie jedoch xu fiaden. 

— In dem Kapitel Dardania trägt Forchhammer seine bekannte 
Deutung der Stelle X 149 ff. (Iber die Skamanderquellen vor und 
wiederholt, dafs die homerische Ilios bei Bunarbaschi gelegen ha- 
ben müsse, die Ruinen von Hissarlik seien das ursprüngliche Dar- 
dania. Verf. eignet sich hier die Ableitung des Eustathius an : 
2Sxä[jiavSflog r= (fxdfifia avSgog, von Herakles gegraben, oder 
„wahrscheinlich richtiger von axdfifia und ävStjQOVj der Flu& 
in gegrabenen Ufern". — Nvxid<; GfjioXyo) wird auf ein wirk- 
liches Melken zur rS'achtzeit gedeutet. Ein Ziegenhirte, bei dem 
der Verf. ein Obdach gefunden hatte, stand mitten in der Nacht 
auf und fing an, seine Herde xu melken, brachte seine Geschirre 
wieder in Ordnung und legte sich nieder. Verf. lat geneigt, darin 
einen Rest uralter Sitte zu erblicken. 

71) S. Butler, The topographic of the Odyssey. Atheaaeam 1892 

S.246f. 

versucht, die Orllichkeiten der Odyssee mit Inseln im ägäiscben 
oder im Jonischen Heere zu identifizieren. 

72) Cecil Torr, Mr. GUdttoie» Appea^dix. Glai«. Rev. 1890 

S. d99f. 

weist die von Gladstone in einem Anhang seiner letzten Schrifi 
über Homer angenommenen Berührungspunkte zwischen dem In^ 
halt der homerischen Gedichte und assyrischen Gemälden zurück. 
Giadstones Gründe sind unhaltbar und nicht beweiskräftig. 

73) M. Ohaefalack-Ricliter, Die h«iiierii«h«tt Sehwarter «ef 

Kyproa. Herl. Phil. WS. 1893 Sp. 899 f. 926. 

Eiserne Schwerter, die Verf. zu Tamassos in Cypern im J. 
tS89 ausgegraben hat, stammen zwar aus nachhomerischer Zeit, 
sind aber ihrer Gestalt nacli eiserne Nachbildungen älterer kupfer- 
ner und bronzener Vorbilder. Ans Abbildung und Beschreibung 
des Gntles des am besten erhaileuen ISchwertes ergiebt sich eine 
deutliche Vorstelinng eines ^i(fog doyvgofiXov. Der Griff hatte 
elfenbeinerne Verschalung, die durch sechs bronzene Stifte fest- 
gehalten war; auf die bohlen Enden dieser Bronzebolzen schraubte 
oder I5tete man silberne Kuppen von flacher Pilzhutform. — An 
einem einzeln gefundenen Schwertnagel saJ3i auf der einen Seite 
noch der pilzhutf&rmige Nagelkopf aus reinem Golde, er gehörte 
also zu einem Schwert, wie es ^ 29 erwähnt wird. 

74) H. Kluge, Vorhomeriselie Abbildnngaa honerischar Kanpf- 

acaaaa. N. Jahrb. f. PbU. 1892 8. 969 ft 

Die mykenischen Funde stehen mit den homerischen Ge* 

dichten, wenn auch älter als diese, in innerem Zusammenhange. 
In der Darstellung einiger Kampfscencn auf einem Siegelringe, 
einem Sardonyz und einem Goldschmuck glaubt Kluge Vorgänge 



Homer, tob E. Niqiib&d. 



77 



«08 ^517 ff,, 17 330 ff. und ^218 ff. wiederzuerkennen. Die 
OanIdluDg des Kunstlarft trifft hier mit derjenigen des Dichters 
in 80 benichnenden Zügen zusammen, dafs eine Alibliigigkeit des 

letzleren vom ersteren wahrscheinlich wird. Bei zwei anderen 
Bildern ist keine genaue Übereinstimmung zu erweisen, aber eine 
engere Beziehung noch wahrscheinlich. Eine Grabstele erinnert 
an A 113 — 121, wo Agamemnon mit einem Löwen verglichen 
wird, der die Jungen einer Hirschkuh getötet hat. Gleichfalls 
scheinen Motive von Abbildungen äul einer Dülchklinge zu Gleich- 
nissen AnlaÜB geboten zu haben. Wenn der Dichter ftodi Yomehm- 
Hch dichterische Queilen benutzte, so scheint doch manches 
dalflr zu sprechen, daXb ihm die Bildwerke nicht anbekannt ge- 
bfieben seien. 

76) C. £. Haskint, Ob Honerie fitliiiiip-taekla. Joorn. of Phil. 1S91 

S. 238 ff. 

Fischfang durch Angeln wird bei Homer viermal erwähnt, 
n 406—8, Sl 80—2, d 368—9. .u 251—5. Schwierigkeiten be- 
reiten die Worte ayi^avXoio ßoog %iQaq Si 81 und ^ 253. Verf. 
erklärt xiqai; für einen künstlichen köder von Horn, wahrschein- 
lich gleich einem kleinen Fisch mit daran befestigtem Angelhaken. 

76) Cl. Huttig, Zur Frage naeli der Naivfltit Homert. Pregr. 

ZäUichan 1891. 15 S. 4. 

Homer ist nach dem Verf. kaum noch ein naiver Dichter zu 
nennen. Über Z 234 (T. (Glaukos und Diomedes) urleilt Hütlig 
ähnlich wie H<Tupt. Hier scheint ihm Glaukos sich über die An- 
schauung seiner Zeit zu erbeben, wie t 58 Odysseus und A 167 
Achilles. An zahlreichen Stellen handeln die Helden nicht nach 
augenblicklichem Entschlufs, sondern nach voraufgegangener Re- 
flexion und können somit den Grund für ihre Ilaucllungsweise 
angeben. In der Form der Darstellung ergiebt sich, was sonst 
als naive Lnst am Erzählen galt, vielmehr als ein beabsichtigter 
Kunstgriff. Der Dichter versteht sehr wohl sich knapp zu fassen 
und erhebt zuweilen grofse Ansprache an die Ansclwuangskraft 
des Zuhfirers; episch breite Ausffihrungen an bedeutsamen Stellen 
entsprechen unserer gesteigerten Teilnahme für Personen und 
Örllichkeiten, die wir alsbald in Beziehung zu enfsrhpidenden 
Handlungen zu sehen erwarten. Das Gehöft des Eumaios erhalt 
seine besondere nedeutiin;^ vor dem Freiermord, die Rüstung 
Agenieinnons ist wichtiger als sonst an dem Tage, wo der König 
gedenkt, die feindliche Stadt zu nehmen. Allerdings geht über 
solcher Ausmalung das Geiühl der Spannung beim Hörer verloren, 
aber der epische Dichter, der die einzelnen Handlungen klar und 
deutlich vor Augen stellen will, legt auf die Spannung keinen 
Wert, er beseitigt sie sogar gern durch Vordeutungen, um die 
Anfmerksamkeit seiner Hörer ganz auf das dnzelne lenken zu 



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78 



Jabresbericbte d. pbilol. Vereins. 



kuuneii. Alltiiglicbes wie Sonnenaurgang und Eintritt der üliUagszeit 
erhall an wichtigen Tageo ßedeiituDg, und so beDuUt Horner 
selfoft ^iete untergeordneten Ereignisse, um den Hörer* wo er will, 
in Stimmung zu vetsetien. Dieser ^ichtspunlit labt sich auf 
H 42 t — 423 nicht anwenden, was Verf. als em neiies Zeichen für 
die Unechtheit des Schlusses von H ansieht 

17} H. Grimm, Homer «U Charakterdarsteller. Dentsclie Roodach. 

1892 S. 108 ff. 

Homers biographisch-mythisierende Darstellungen fühi Lii nach 
Uen Worten des Veilassers ein früheres, in seiner Dutcii- 
schnittsexistenz uns unbekanntes Griechenland wieder herauf* 
so wie die Mitspieler des Nibelungenliedes die frähere Existenz 
des deutschen Volkes vor den Staufern wiedergeben. .Homer be- 
dient sieb der Freiheit des wahren Dichters, seine Hauptfiguren 
zugleich ideal verschwimnicnd und realistisch fest zu gestalten, 
weil er in ihnen nicht mehr oder minder fernstehende Charaktere 
zeichnet, sondrr« in r^lltrcmpinen Umrissen sein eigenes, ihn be- 
drän^^^ndes Dasein /fi^'i. So habe Achill etwas Unbegrenztes; 
ma dadurch, dafs Huiuer ilin mit einer Fülle von scharf begrenz- 
ten Individualitäten umgiebt, die auf das kunstreichste in ver- 
schiedenen Manieren gebildet werden und immer in festen Farben 
und Umrissen erscheinen, wird es dem Dichter. mAglich, das 
Schrankenlose in Achills Natur, das Schwanken zwischen Mensch- 
lichem und Göttlichem mit glaublichen, scheinbaren' Umrissen zu 
umgeben. Wie diese Charaktere technisch gestallet werden, führt 
Verf. mit besonderen neziehung auf den zehnten Gesang an den 
Oeispie!f»n cles Af^amemnon und Menelaos , des Diomedes und 
Odysseus aus; er gHlans;t dabei auch zu allgemeinen Urteilen über 
die kuDst der llias und Odyssee, die erstere sieht er als Werk 
des jugendlichen Homer, die letztere als das Werk seines 
Alters an. . 

78) J. B. Filzi, Über moralisch-praktische Erziehung und über 
den Wert. der UomerlektUre für dieselbe, frpgr. Mitterburg 
1890. 29 S. 

Nach einer allgemeinen Anspiuandersetzung über moralisch- 
praklische Erziehung sucht der Verf. von S. 13 au zu zeigen, 
dafs Homer glänzende Beispiele von Tugend und sittlicher VuU- 
koramenheit vorführt, dafs die homerischen Personen eine voll- 
kommene Kenntnis ihrer Pflichten halten, und zwar der Familie, 
dem Yaterlande, den Älteren, den Freunden und den Toten gegen- 
über, und dafs sie dieselben auch gewissenhaft erfüllten; wie 
heilig ihnen das gegebene Wort und die Gastfreundschaft, wie 
stark entwickelt bei ihnen .der Gerechtigkeitssinn, das Gefühl der 
Dankbarkeit, des Mitleids u, s. w. L^^^wesen sei, und wie sie end- 
lich, mit dieseu und sonstigen guten Eigenschaften ausgestattet, gute 



Httaier, tob K, Nhiimiiis. 



79 



ond edle Charaktere besafsen. — Gewifs, von allen diesen Eigen- 
«cbaflen finden sich Beispiele, und der Verf. bat sie mit Sorgralt 
gesammelt; aber die einseilige Hervorhebung der Tugenden läfst 
den homerischen Menschen nicht in derjenigen Heleuchtung er» 
scheinen, die ihm von geschichtlicher Helrachliing angewiesen 
>verdeü mufs. Der Dichter ist weit entfernt, ein auch nur 
einiizermafsen abgeschlossenes System von Moral zu besitzen, wie 
es nach dem Verf. scheinen ivunnte; neben allen jenen Spuren 
von Sittlichkeit finden sich oft an denselben Helden Zuge von 
Raulfeilt Schroffheit und Räcksichtsloaigkeit, wie sie in einem 
Zeitalter wilder Eäropfe nur zn leicht entstehen konnten. Der 
unbtodige Trotz des Achilles, seine Erbarmungslosigkeit nach 
Patroklos' Fall, das Hohnlachen der Helden über den gefallenen 
Feind, die Schandthat des Phönix, der Mord, den Patroklos auf 
seinem Gewissen halte, das IJenehmen (!( r ehrvergessenen Mägde, 
des Melanthios, das sind dunkle Schatten in jenem Gemälde. 
Und wie denken sich die honierischen Helden ihre Gölter, was 
ist der Inhalt ihrer Gebete? Über den Genuls der gegenwartigen 
Stunde und über den Tod des Feindes gehen ihre Wünsche selten 
hinaus. Auch auf dem Gebiete der Moral ist bei Homer noch 
alles In PluJjs. Aus rohen Sitten entwickeln sich allmählich die 
ersten Begriffe der Sittlichkeit, noch wird diese nicht klar erkannt, 
sie wird nicht- durchweg geflbt, „eine genaue Kenntnis der Mo- 
ral'* hatte weder Homer noch seine Helden. — Die Verwertung 
der Gedichte zur moralisch-praktischett Ersiehung, d. h. zur Ghs' 
raklerbildung leidet aber, selbst wenn jene Thatsachcn oiTen an- 
erkannt und dargelegt werden, keine Einburse* denn auch das 
gehört zur Cliarakterfestigkeit, dafo maa den Tbatsachen scharf 
ins Auge siebt. * 

19) Chr. Semler, Homer als deatsehes Volki-^' und, Sehalbtteh. 

Deutsche Zeit- and Streitfrageo. Hoft 79. Hamborg, VorlagMMttU 
und Druckerei A.-(^., 1891. 38 & 1 M. 

An den homerischen Gedichten preist der Verf. die klare 

Schilderung der Natur in der Umgebung des Menschen, sowie itn 
Menschen und seinen sittlichen Verbältnissen selbst. Vielfache 
Anführungen aus Goethe sollen das Ziel erreichen helfen, näm- 
lich der Natur und dem menscliHrhen liCben das idenle n<Tl)t zu 
sii finrn. Dieses Ziel hat dem Verl. aber ein« Tendeii/H hrift cin- 
^'t'gelien, als ob das blinde Heidentum'^ Homers i'efrrii die „gläu- 
bige Weltanschauung Falaslinas'' verteidigt werden uuirste. 

. . • ... _ ■ • , 

80) B. Kluge, Plen der flUsIektnre ia awel Jabreskttraee. 

Leipzig, B. G. Teubocr, 1891. XI a. 39 S. Vffl. Vegriai, WS. 
f. klasa. Phil. 1S91 >p. 718. 

Um dem SchQler eine abgerundete Kenntnis der Ilias und 
somit eine möglichst klare Vorstellung von dem Charakter der 



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80 



Jahresbericlite d. pbiiolo^. Vereias. 



homerisciieii Poesie nach Inhalt und Darstellungsform zu geben, 
verlangt der Verf. , dafs vom gesamten Stoff soviel ausgeschiedea 
ivird, als die Betcfarlnlinog der Homerlektüre auf awai wdchent-- 
liehe StimdeD verlangt, und dafs eine Vertdlnng des ni Lesen- 
den auf die beiden Unterrichtsjahre gefunden werde, welcbe den 
Überblick dber die Handlung erleichtert Wenn nun auch die 
inzwischen eingeführten Lehrplftne Torschreiben , die Ilias und 
Odyssee thunlichst ganz zu lesen, so wird doch durch die darauf 
folgenden Worte anerkannt, dafs dies in der Ursprache nicht voll- 
ständig möglich ist, und die Frage, was ausziisrlieiden sei, bleibt 
auch so noch zu beantworten. Dafs manches ausgeschieden wer- 
den kann, darüber hat ine ein Zweifel bestanden, über das 
Was aber war eine Einigung unroögUch, solange man diese rein 
pädagogische Frage mit der wissenschaftlichen nach der Entstehung 
der homerischen Gedichte verquickte. Der Verf. geht mit Recht 
einen anderen Weg, indem er vorschlägt, solche Stellen, die 
wegfallen können, ohne dafo der Schaler etwas dabei verliert, 
welche etwa die Klarheit der Darstellung beeinträchtigen, ohne 
Ausbeate für den Unterricht zu gewähren, zu Abeigehen* Er 
berechnet den Umfang derselben auf etwa 3000 Verse. Dazu ge- 
hören s. ß. der SchifTskatalog, die Begegnung Alexandros' mit 
Helena nach dem Zweikampf, Heres und Atbenes vereitelter Ver- 
such, sich in den Kampf zu mischen, und ganz besonders Stellen 
aus der verworrenen Schilderung der dritten Schlacht. — Die 
Scheidung des übrig bleibenden StoHes wird so vorgenommen, 
dafs die ganze Handlung vom Streite Achills und Agamemnons 
bis zu Hektors Fall in ein Unterrichts] ahr f31lt; das ist aber 
möglich, wenn weiter zwischen lurllauieuder Handlung und Epi' 
soden unterschieden und die letzteren dem zweiten Jahre zuge- 
wiesen werden* Auf diese Weise erhält der Veif. zwei dem Um- 
fange nach ziemlich gleiche Jahrespensen von 0474 und von 5746 
Versen. 

Diese Vorschläge ermöglichen in der That eine LektOre, in 
der das Gefühl und Verständnis des Zusammenhanges naturlich 

erwachsen und stets wachgehalten werden mufs. Die Schrift teilt 
dem Schüler den vollständigen Plan der Lektüre mit, giebt für 
die zunächst ausgelassenen Episoden auf S. 2— 21 den Inhalt 
kurz an und ebenso S. 23 — 39 für die den Episoden zunächst 
vorangehenden Abschnitte, damit der Schüler über den Zusammen- 
hang stets unterrichtet sei. 

4 

81) F. Rein, Znr Homerlektüre. Progr. RarUmh« 1891. 37 8.-- Vgl. 
J. SiUler» WS. f. kiess. PUL 1892 Sp. 36. 

Unter den Vorschlägen t wie die LektOre Homers in den 
Schalen einzurichten sei, verdienen die wohlerwogenen Ansftth- 
rungen Keims besondere Beachtung. Die hauptsächlichsten Er- 
gebnisse derselben sind folgende: 1) Die Schüler lernen den 



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H«ii«r, TOM B. N 



8t 



HoaMT «U fiamm kamen; es befindet sich in ibrer Hand auch 
nur der ganze ITomer, keine gekürzte AuagaiM. Daraua folgt 
nicht, dafs der Schüler jeden Vm Uonaera gelesen haben moä. 
2) Privatlektfire ist nicht zu verlang:en ; was der I.ehrer will lesen 
lassen, werde in der Klasse behandelt. 3) Eine Auswahl hat 
stattzufinden, ^»elesen werde nur das wirklich Interessante. Dieses 
aber ist nach allen Seiten auszubeuten unter gleichzeitiger Aus- 
bildung des Verstandes, Gemütes, Naturgefähls, der Phantasie 
und dtis ästhetischen Verständnisses. Ziel bleibt neben der Auf» 
nähme des Inhalts der einzelnen Gesänge das Verständnis ihrea 
Zuaannenbanges, daa Erbaaen dea Planae and iler Ökonomie der 
Epen, die Würdigung ihrer Bedeutung fQr die griediiacbe tind 
rftmiacfae litleratnr, aonie ilirer Beaiehung aur deutachen. 4) Die 
anagewählten Abaehnitte sind um ao gründlicher zu hebandelo, 
je mehr Bildungsstofl* sie enthalten; mit dem Fortschritte der 
Schüler ändert sich die Behandlungsweise und alles unnötige For- 
male werde vermieden, ohne die Sicherheit der £inzeiauffoaaung 
zu beeinträchtigen. 

Diesen Sätzen stimme ich vollständig zu, ebenso verdient 
auch ihre Durchführung im einzelnen auf S. 12 — 36 volle Aner- 
kennung. Es lassen sich darnach mit Leichtigkeit diejenigen 
l'ar tieen ermitteln, die nach Maßgabe der jedesmal zur Verfügung 
alehenden Zeit, der Beschaffenheit der Schüler und anderer Um->> 
atSnde flbergangen werden können, ohne dtb ^e Voietellimg 
?on dem Ganzen des Gedichta nnd der Handlung Cinbufae er- 
leidet Hier wie im allgemeinen Teile bekundet aich Oberall der 
pSdagogiaGhe Blick dea Terfaaaera. 

62) 0. Sommerfeld, Halfsbaek snr Lektära dar llias. Pr«gr, 

Glogaa 1891. 42 S. 8. 

In diesem vorwiegend auf die Schüler herechnelen Buche 
will der Verf. die notwendigsten Realien der liias zusammen- 
stellen. Er behandelt in § 1 die älteste epische Poesie der Grie- 
chen, die iSachrichten des AUertuuis über Homer, streift auch die 
homerische Frage. § 2 handelt von der Einteilung der Handlung, 
f 3 von dem Bduniplafx der KSmpfe, $ 4 von der politischen 
Einteilung dea Volkea und den beideraeitigen Streitkraflen, $ 5 
von der Kriegf&hmng, § 6 von fileidung und Bewaffiuing. In 
den beiden nmfingreicliaten Abechnitten, $ 7 und 8, werden die 
hervorragendsten Helden und Götter charakteriaiert. Hit der Aus- 
wahl des Mitgeteilten kann ich mich einverstanden erklären, sie 
enthält etwa das, was ein aufmerksamer Schüler nach der f.ek- 
türe der Ibas über die oben bezeichneten Gegenstände ohne be- 
sondere Schwierigkeiten zusammenbringen kann. Mufs aber dieser 
Stoß dem Schüler gedruckt nberniiltelt \s erden? Der Verf. setzt 
„die Notwendigkeit einer Oekanotsctiatt des Schülers mit den 
Kealien der llias vor Beginn der bezüglichen Lektüre", das soll 

MNeWrky« XIZ. 0 



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I«kre«ft«ri«kte 4, pbil^lof. Vereins. 



doch wohl heifsen, sein Hölfsbuch soll ganz oripr tf'üweise vor 
R( giiin der iliaslekture durcbgenomincn werden. Eine bedenkliche 
Mnlsregel; denn was der Schfiler aus der Lcklfire selber lernen 
kann , soll man ihm nicht vorher mundgerecht überliefern. Und 
soll die 2eit für die Lektüre selbst verkürzt werden, um für eine 
laiigi Einlaitnii; Raum m schaffiBiit Uk bin der Meinung , man 
BOllo mit dar Lektöra dar llias uBYarsflglkh begiDDao, bei sich 
bielattdan Getegenbaiten dk ReaKan, aoweil sie für den ScbOlar 
wissenswert und notwendig sind, bespraeben, durch wiederholte 
Hinweise auf den Charakter der Helden, auf das Verhalten dei* 
Götter u. 8. w. das Interesse dauernd tp^^ erhöhen und darnacli 
sti'eben , dnfs mit AhsrhUifs der J.eklüre auch die Kenntnis der 
I^ealien . sagen wir üpber das Welt- und Lebensbild der home- 
risclieii Helden, aimaiiernd zu einem Äbschlufs gelangt ist. Eines 
populären Hülfsbuches bedarf der Schüler dazu nicht, der I^ehrer 
aollta daaaen nicht badfirfao. 



?• Litteratnrnacbwelae. 



Von den im JB. 1891 S. 79 ff. besprochenen Werken sind in 
den beiden Benclitsjahren, soweit mir bekannt geworden, folgende 

Anzoij^^en erschienen: 

Homers Iliade, erklärt von FSsi. ]. Band: A — Z. Siebeate Auilage, be- 

norgt VOB P. R. Preake. Berlin, Weidmtiiflsche BneUmdhiDfr, 1988. 

Vgl. M. Seibel, BI. f. d. btyer. GSW. 1890 S. 175 f. 
Homeri Ilias. Tironum io usdib ed. et commeotariis instroxit Theoph* 

Stier. Fase. VII: 7— 4>. Gotha, F. A. Perthes, uad 
Homers lUat. Pir den Sdiiilfebraadi erkUirt vob G. Stier. Heft 7: 

Gesaog 19— 2J. Bbeoda 1890. VfL F. Caner, Barl PMI. WS. 1891 

Sp. 741. 

The IlUd with English Notes aid lotroduction, W. Leaf. Vol. U» 
N—Ü. Loudou, Mtemillm & Co., 1888. Vfl. W. Rldgevoy, €!••■. 

Rev. 1890 S, 19 ff. 

Homeri Utas. Scbolaram in usum ed. P. Cauer. 2 vol. Prag, F. Tempsky, 
189A, 1891. Verl. 0; Vofrins, Zdttelip. t d. Kst Gyn». 1890 8. 892 fti 

J. WackerDagel, Berl. Phil. WS. 1891 Sp. 1061 ff.; H. Kluge, N.Phil. 

Rdscfa. 1891 S. 225; W. Leaf, Class. Hev. IbÜO S. 313; A. Ludwicb, 

WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. ö4Sf.; A. Geinoll, DLZ. 1892 Sp. 1072f.; 

E. Baodat, Rer. erlt 1892 S. 496. 
Homers llias in verkürzter Ausgabe von A. Tb. Christ. Prug. F. Tenpsky, 

1890. Vgl. J. AI. Stahl, Berl. Phil Wä. 1891 äp.648if.} W. Leaf, 

Claas. Rev. 1890 S. 313. 
Homers Odyssee. Für den Schulgebraach erklärt von R. F. Am eis. Erster 

Band, erstes Heft: Gesanj; I— VI. Neunte, berichtigte Aullage, besorgt 

von C. Hentre. Leipzig, B. G. Teubner, 1890. Vgl. A. Gemoll, WS. 

f. klass. Pbil. 1890Sp. 1373 ff.; G. Vogrini, Zeitsehr. f. d. Sst. Gymn. 

1890 S. 895 ir.; M. Seibel, Bl. f. d. bayor. fiSW. 1891 S.623f.$ 

Cauer, Berl. Phü. WS. 1891 Sp. 203. 
Homeri Odyasea. Roeeaaait teztaique omaadaado oaoram dodit P.Waok.- 

P»e. VR : je^w. «a« 



83 



B^nert Odyssee. Für deo Schalfrebraneh erklärt von F. Weck. Heft 8: 

X—ta. Gotha, F. A. Perthes, 1H9Ü. Vgl. P. Cnner, ßerl. Fhil. W«. 

1891 Sp. 741} S. Anton, N. Phil. Rdsch. 1892 S. 177 ff. 
Honeri carmiDa reeeosvit et sel««ta l«ctionaiB varicftat« ioatraxit Arth. 

Lüdwirh Pnr^ TT: 0drs?pv Leipzig, B. G. Teubner, 1S<^9. Vgl. 

J. La Hocbe, WS. f. kla»s. Phil. 1891 Sp. 1141 ff.; P. Cauer, WS. f. 

klass. Phil. 1891 Sp. 1253 ved DLZ. 1892 Sp. 222 f.; W. Leaf, Ciasa. 

Uev. 1892 S. 13 ff.; P. EgenolfT, Berl. Phil. WS. J892 Sp.901ff. 988 ff.} 

J. B Mayor, Tlsss Rf^v. 1892 S. 176. 
Uoneri Od yssea. Schol.n iuii ia asam ed.P.Caaer. 2 vol. Prag, F.Tempsky; 

Leipzig, 6. Preytä^, 18S7. Vgl. R. Peppnüller, Berl. Pktl. WS. 

1800 Sp. 1293 ff. 

Honeri Odysseae epitonie ed. Fr. Stol/.. Wien, K. Gerold Sohn, 1890. 
Vgl. A. Ladwich, iJerl. Phil. WS. 1891 Sp. 293ff.; J. Sitzler. WS. f. 
klass. Phil. 1891 Sp. 401 ; A. Rueb, Zeltsehr. f. i. Sit 671m. 1801 

S. 494 ff 

OMjUPO Y OJY££El^ mit Abschnitten der ÜberseUung voo J. H. Vofs. 
Für den Sehalgebnndi hermsgegebaa tob 6. Leu«. Wolfeabflttal 

1889. V^. II. Seibel, 81. f. d. bayer. GSW. 1892 S. 494. 

B. Grimm, Homers Ilias T— IX. Berlin, W. Hertr, 1890. Vgl. E.Kammer, 

WS. f. klass. Phil. 1891 Sp. 4ff.i P. Cauer, Berl. PhiL WS. 1892 
Sp. 817ff. 

C. Ca ji eile, Voüstii tidiges Wörterbach über die CeJiclite des Ilomeios 

und der Homeridco. iVeunte Auflfife. Leipzig, Hahosche Verlagsbuch- 
haadiuDg, 1889. Vgl. E. Eberhaid, N. Phil. Rdsch. 1891 S. 129 ff.; 
Tb. D. Seymoar, Class. Rcv. 1890 S. 44. 

G. Autenrietb, Wörterbuch zn den homerischen Gedichten. Sechste AtiT- 

lage, Leipzig, B. G. Teuboer, 1890. Vgl. Th. D. SeymouTi Class. Kev. 
1691 S.82S. 

H. Ebeliag, Schalwörterbach za Homers Odyssee «ad Ilias. Fünfte Auflage. 

Leipzig, Ifahosche Verlagsbochbandlunp. 1890. Vgl. A. Geinoll. WS. 

f. klass. Pbil. 1891 Sp. 99; L. Ceotralbl. 1891 Sp.955; H. Kluge, IS. 

Phil. Rdseh. 1892 S.116. 
A. Scbeindler, Wörterverzeichnis zu Homeri Iliadis A—. f. Zweite Aufl. 

Prag, F. Tempsky; Leipzig, G. Freytag, 1891. Vgl. P. Caacr, Berl. Phil. 
• WS. 1892 Sp. 88r 
G. Vogrioz, Grammatik des homerischen Dialekts. Paderboro, Schöningh, 

1889. Vgl. J. Heelhoff, Rev. de l'iostr. pubL en Belg. 1890 S. 36 ff.; 

Heorad, Bl. f. d. bayer. GSW. 1891 S. 302: A. GemoU, WS. f. klass. 

PhiL 1891 S. 1322 f. 
H* Schräder, Porphyrii quaestionum Homericanim ad Odysseam pertinen- 

tium reliquiae. Leipzig, B. G. Teubner, 1890, Vpl. K. Sitll, N. Phil. 

Rdsch. 1891 S. 1; L. Centralbl. 1891 Sp.955; K. Peppmüller, WS. L 

klass. Phil. 1891 Sp. 1Ü2S ff.; G. Wenlzel, DLZ. 1891 Sp. 1451 ff.; 

W. Lcaf, Claai. Rev. 1891 S.412; A. Ladwiab, Berl. PbU. WS. 1892 

Sp. 112t>ff. 

Jak. Sebaiidt, Das aabjektiTe Bleaieat bei Haaier. Progr. Wlea 1689. VfL 

ßerl. Phil. WS. 1891 Sp. 1508. 
Bdai. Veck e ü n t c d t, Geschichte der griechischen Farbenlehre. Paderborn, 
F. Schoaiogh, 1888. Vgl. J. Haust, Rev. de l'instr. publ. en üclg. 1S9U 
S. 888ff. 

Jea. Fink, Der VerschluTs bei den (>riechea und Römero. Regeaabarf» 

H. Bauhof, 1890. VgL Bl. f. d. bayer. GSW. 1891 S. 286. 
R. Engelmann^ Bilder-Atlas cv Honer. Leipzig, A.Seemann, 1889. VgL 

A. FnrtwHagler, ßerl. PhiL WS. 1891 Sp. 76711; K6bert, Bl. f. d. 

bayer. GSW. 1891 Sp. 250 tf.; Ad. de Ceuleneer, Rev. de l'io.str. 

pubL en Belg. 1889 S. 404 ff.; Appelrot, Russ. Phil. Rdich. 1892 

s.iaof. 

6* 



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84 



Nicht zugänglich gewesen sind mir auber den benitt obea 
erwähnten folgende Werke: 

Boners Odyssee im Auszüge nach der Üb<'rs(>tznn^ vna J. H. Vala» ba* 
arbeitet von £. VVetxeL Leipaig, B. G. Teubaer, 1891. 

Honara Ody aaaa in aanar Oberaatxuaf tob 0. Habataah. BialafeU» 
Valhaf ea and Rlaaiaf, 1892. IV n. 344 S. 3,50 M. ' 

Hoaiars Odyssee, übersetzt von J. H. Vofs. Für Schale und Haus bear- 
beitet von B. Kiittoer. Zweite, verbesnerte and vermehrte Aaüage. 
Mit erklMrandani Aabaag. Fraakfort a. M., Saaarlfiadar. VIII a. 288 8. 
1,30 M. 

C. Heatze» Die Parataxis bei Homer III. Progr. Güttiogeo 1S91. 18 S. 
A. Ladwich, Adnotationes criticae ad scbolia io Hooieri Ilia* 

dem Ceoaveosia et commeotatio Die sugeoaoata voralaxaadiiaiadM 

Ilias. Ind. Icct. Künipsberg S.-S. 1892. 32 S. 
A. Lndwich, Quaatitatszeichen in den älteatea Ilias baad- 

aebriftaa. lad. laet. Königsberg W.-S. 1892* 

A. Schim berg, Zurbandschriftiicheu ÜberlieferungderSchnlia 

Didym. lU. Progr. Aaübor 1892. VgL £. Uaaaa, DLZ. 1692 
Sp. 815. 

B. Foarridra, Hanara Bitlehaaafaa ana daai Boche Jaditb. Aata* 

risierte Überaatsuag vaa F. Badlar. TapUts, DaniBiaaa, 1891. VI 

u. 96 S. 1 II. 

J. Alton, Über die Negation dei Infinitivs bei Hoaiar. Progr. 

HraioaB 1890. Vgl, Zaitschr. f. d. ost. Gymn. 1892 S. 177. 
R, Kli>t?:er, Die griechische Erziehung in Homers Ilias und 

Odyssee. Ein Baitrag zar Geschichte dar Eraiehung im Altariom. 

Diia. Leipaig, Foek, 1891. 29 S. 1,26 H. Vgl. V^S. f. Uasa. PbU. 

1891 Sp. 1341 ; P. Cauer, Berl. Phil. WS. 1892 Sp. 1414 
Max Müller, De Seleuco Homerico. Diss. Güttinpen 189t. Vgl. WS. 

f. klass. Phil. 1891 Sp. 1217 ff.; H. Schräder, DLZ. 1S'J2 Sp. 80. 
W. Schulze, Quaestiones epicae. Gütersloh, C. Bertelsmanii , 1892. 

VlIT n. 57t) S. 12 M. Vgl. A. Ludwich, Berl. Phil. WS. 1892 Sp. 1143ff. 
Teufer, De Honaro in apopbtbagiaatis usurpato. Diss. Leipzig 

1890. VgL P. Gaaar, Barl PUL WS. 1892 Sp. Il92r. 
J. van Leeuwen jr.» BaabairidiaB dfatiaaia apiaaa i taydaa, S^t- 

hoff. 1892. 

J. Panzer, De Homero mythographo restituendo. Diss. Greifs wald 1891. 
VgL H. Sahraatar, WS. f. Uaaa. PbU. 1892 Sp. 1027 ff. 

AueUndiMshe Litteratur: 

ji, Httlktis^ 'Ofin^ov ^lX*ae, Mavupqaats I. Atbaa» Vlaataa (Laadaa, 

Nutt), 1892. 136 S. 
JJaXlnSt '£x ustttwgäae^s ti^s *Ili«dos, 'Eaiia 1892 
S. 173f. 1- ^ - 

Y>f««|oof 'Utas ^a\b<aSla 7\ ufrS^M. v»h /. JToi^vlc. Athaa 

1890. Vgl. 'ElXki 1891 S. 52 ff. 
Homers Uiad, ed. on tbe baais of the Aueis-Uentze ed. by Th. Seynonr. 

Boaka IV— VL Baatoa, Giaa, 1891. 7,20 M. VgL W. Laaf» Claaa. 

Rev. 1892 S. 13. 

Homers liiad with notes ed. by G. M. Edwards. Book XXIII. Caai- 

bridge 1891. 2,40 M. Vgl. A. Platt, Class. llev. 1892 S. 476 f. 
Hauers Uiad witb uotes, vocabalaries and traoslation for begiaaara by 

B. J. Hayes, Book VTF. London, Clive, ]S92. 2,80 M. 
Homer for begiooers. lliad book III. Edited with iatroductioa and notea. 

Loadaa, Frawda, 1892. 12 S, l»80 M. 
Hanara Odyaaay by Haydaa aad Plaiatawa. Baaba XI aod XH. Loa* 

daa, diva. 2,80 M. 



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Horner, von £. r^auntten. 



85 



Homers Odyssey with modero criticume by A. Platt. Canüindce 1891. 
990 & 5,40 M. 

Honert Iliad aad Odyssey. Translated by Alexander Pope, ed. bf 
B. F. Gary. Witb an iotrodnction by Sir John Labbork. Londoo, 
Rontledge, 1891. 4,20 M. — Dasselbe, books for tbe people. £bend. 
1,20 M. 

HoMer<^ IHad, translated bv Alexander Pope» witb DOtet by I. Ai 

Buckiey. London, Gibbinps, 1S92. 9 M. 
Homers Iliad, translated ioto Logli^h ^rosv hy J. Pui ves. Edited with 

an introduetioQ, by E. Abbos. Londoo, Percival, 1891. 21,60 M. 

Vgl. E. Morshead, Academy 1891 S. 304 f.; Atheoaenm 1892 S, Hs 
Homers Odyssey. Translation by A. F. Barnet and J. Tbompson. 

Book IV. Londai, Clive, 1891. 1,80 M. 
Honiars Odyssey. Prose transUtioB by 6. H. Patiitr. Bostoo, Hovgbtoo, 

1891. VIu.'387S. 10 M. 
Homers Odyssey, translated by Uaydoa and Allcroft. Books iX—XVL 

Looloa, aiva^ 1898. 4,20 M. 
B. G. Jebb, H ßincr. An iotrodoction to the Tliad aud Odyai«y* 

4 ed. Glasgow, Maclehose, !R92. 312 S. 4,20 M. 
A. J. Chnrcb, The story oi the iliad. With iliustrations after Flaxman. 

London, Sceley. 320 S. 6 M. 
D. fi. Monro, On Homeric emendatioD* Tmitetiaiiaa of the Oxford 

pbü. Society 1889, 1890 S. 6 ff. 
W. Leaf, Leetttres om Honarie Oreeee. He Bnilder 1801. S. 845ff. 

405. 

D. B. Monro, A Grammar of the Homeric dialect Second edition, 
revised and eolarged. Oxford, Clarendon Press, 1891. XXIV u. 436 S. 
Vgl. J. Waeiteraagel, Barl. Pbn. WS. 1892 Sp.325fr.; A. Haavette, 
Bev. crit. 1892 S. 104; D. Sevmour, Class. Rev. 1892 S. 110; J. Keel- 
boff, Aev. de Finstr. publ. en Belg. 1892 S. 61 ff.; v. L.,f<I. PbiL Rdscb. 
1892 S. 218; G. M . . . r, L. Centralbl. 1892 S. 786. 

P. E. Tbompson, Homeric Grammar for Upper Formt of Seboola« 
Revingtons 1890. Vg:l -Y., Class. Rev. 1890 S. 378. 

TiuSeymoar, On the Homeric caesuraand the close of the verse 
«a related to tbe expretalon of tbonght. Harvard Stvdies HI 
(1892) S. 91 ff. 

Bageloiann and .Anderson, Pictorial Atlas to Homers Iliad and 
Odyssey. Thirtysix Plates, cootaioiug 225 iliustrations from works 
of aocient art With descriptive tOJrt and epitome of tiie eontentt of 
each book. For the use of schools and studcnts of literature and art 
London, Grevel, 1892. 12,60 M. VgL J. £. flarrison, Clasa. Aer. 
1892 S. 176. 

H. Haynes, Odyaietta feat of arebery. Aserie. Joora. of arebit. 1891 

S. 487 f. 

W. i. Hunt, Homeric wit and bamour. Traosactioos of tbe American 

PbitoL AMoeiat. 1890 S.48ff. 
Agnes Clerk«, Familiär studies in Homer. London, Longman, 1892. 

290 S. 9M. VgL A. fiena, Academy 1892 S. 504 f.; Class. Rev. 1892 

S. 274. 

Heairo, tliade. Texte grec. Nosrelle Mition, en groe caracteres, pre- 

c^d^e d'une ^tude snr Homere et aceonpagade de aotes per P. A. Braelu 

Paris. BeUn, 1892. XX o. 687 S. 
Hoaire, II lade, texte grec, avee «ne inlrodoetioa et eommentaire per 

B. Ragon. Chant. L 2. id. Paris, PomtielgDe, 1892. 64 S. 0,2511. 

Desgl. Chant. IV. 3. ^d. 0,25 M. 
Homere, lliade, texte grec pablie avec ua argument aoaiytique et des 

aotes pnr A.PierroB. GbaatL Pari«^ Haebette, 189t. 81 S. 0,2511, 

€haBtXn. Bbeoda 1892. 24 S. 0,25 H. 



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86 



Jaiiresberichte d. phiiuiug. Vereius. 



Homere, Iliade, edition elaasiqae, precedee d'une notiee litterair« par E. 

T a 1 b 0 1. Paris, Oeltltia. XII n. 444 S. 
HoBero, Iliade, edition rf^vae et anooUe p«r A. Jolieiu ChaoiXVIU. 

2. ed. Paris, Poussielgue. 42 S. 
H 0 mire, Iliad« , expliqaee litteralement, tradnite at annat^e par G. Lep re- 

vost. Chantl 90 S., Chant II IIIS., Chaot VI 71 S., Chaot XXII 

73 S., Chaot XXIV 104 S. Paris, Hachette, 1891. 1892. Je 1 M. 
Homere, Iliade, uouvelle ^ditiuo, avec des uotes par L. Leys. Cbaat XXll. 

Paria, Garoicr fr^at, 1892. 73 8. 
Hamere, Odyssee, texte §rec, publie avec im argumeut analytique et des 

Dotes par A. Pierron. Cbant XI. Paris, Hachette, 1Ö91. 48 & 

0,25 M. 

Hoaiere, Odyssee, Edition revue et aonotee par A. Jnliaa. Cliaat IL 

4. ed. Paris, Poussielp-uo, 1*^92 32 S. 
Homere, i'Uiade et l'Odyssee. Abregees et aonoteea par A. Feillet 

anr la tradaetioo da P. Giguet Nonvella Mitioa. Paria, Baebette» 

1892. Xn et 372 p. avec 33 gravnres. 2,25 M. 
Homere, Odyssee, expliquee litteralemeot, tradtiite en fraQ9ais at aaaoteQ 

par E. SuiQiuer. Paris, Hacbette, 1891. 91 S. 1 Ii. 
Homer a, Odyssee, tradvettoa de Mm«. Daciar, revoe at corrigee avec 

analyse et eztraits, jiar L. Hambert. Paria, Garnier irerea» 1891. 

VIII o. 268 S. 

A. Boogot, Etttde sur l'Iliade d'Homere, ioventioo, eompositiou, exe- 

cotia«. Paria, HaehatCe, 1888. 578 S. 
It, Parmeotier, Les sabstaotifs et les adjectivs en -ea- dans la 

laagae d'Uomere. Paria, BooUloa, 1889. 2 M. Vgl. P. Caaer, 

Barl. Plul. WS. 1892 Sp. 1061 f. 
J. de la Chaavelay s, Les armes et la tactiqoe des Grecs devaat 

Troie. Paris, DirecHoa du SpacL nil., 1891. 129 S. Vgl. P. Caoer, 

Herl. PhU. WS. 1892 Sp. 1414. 
Fonrriire, La Bibla traveatie par Bomero, lUadel. Amiaaa, Lam- 

bert-CaroD. Vgl. A. L., Rev. crit. 1891 S. 277. 
R. £ugeliaaoa, l'oenvre d'Homere, illustree par Tart des an- 

cieos. Tradiiit de i'Aüemaud. 36 plaoches precedees ü uu texte et 

d'uQ avaat-propos de L. Beoloew. Paria, neiawald, 1891. Vgl. 

G. Perrot, Rev. arch. 1S92 S. 160. 
G. Sortais, Les roioes d'Ilios et la formation deTUiade. Essay. 

Paris, Booülon, 1891. XV 0.417S. Vgl. P. Caaer, Bert. Pfail. WS. 

1892 Sp. 1125; W. Leaf, Class. Rev. 1892 S. 175 IT. 
Omero, L'IIiade libro XII coo ie aote di A. Franea. Varana, Tedeaehi, 

1892. 63 S. IM. 

Onero, L'IIiade tradotta da Viaeeaao If onti, coo riiaoBtri aa Ie varie 

stampe e coa note. Firenze, Barbera, 1891. XI u. 241 S. 2,25 M. 
Omero, L'IIiade, trnvestita alla Horentiiia da M. Ricci, Libro Xf. Flo- 

leuz, auf Kusteu des Verfassers, 1891. IM. 
Omero, Odissea. Traduziooe di P. Maapero coo introdaziooe , note et 

iodice analitico di P. Spezi. Verona, Tedeschi. 550 S. 3,60 IM. 
Omero, Odissea, tradutta da Ippolito Piodeoioute, aauotata 

da B. M e 8 t i c a. Fireoze, Barbera, 1892. IX u. 161 S. 1,80 M. 
Omero, Odissea, tradotta da Ippolito Piodemoote, cou com* 

meato de V. Turri. Firenze, Saasoni. XXIII u. 215 S. 1,50 M. 
Omero, canto L deli' 0 d i s s e a j coaciiio degli Dei, esortazioae di Ateoa 

a Telemaee. Tradasioae per 0. Aurea ghi. Taria, Paravia, 1891. 

0,50 M. 

Omero, II fiore dell' Odissea nella versione di Pi ademonta coa aote 
di A. Zardo. Firenze, Paggi, 1892. 320 S. 1,90 M. 

D. Ciampoli, Stud^i l:ettararL Cattaala, Giamotta, 1891. 441 S. 411. 
Daria 4. La tradisione io Omare. 



Uoluer, vou E. MaumaDD. 



87 



V. Graziadei, II pianto e ii nso in Omcr'o. Diss. Tivoli, Laziali, 

1890. Vgl. RiWsta di filol. 1890 S. 320. 

D. Vasconi, II mito di Scilla et Caritidi nell' Odissea. Mailaad, 
ärio]fl, mL Vgl. W. U. Rotebw, Berl. Phil. WS. 1881 Sp. 17 f. 

A. de Htrehi, Del ,the]ot* omeHee. Milano, cooperativa editrice, 1891. 
31 S. 2 M. 

A. Messedagl i», Sulla Uranologia omerica. Rendiconti deU' Aet- 

denia dei Lineei. Ser. IV vol. VII 1891. S. 495 if. 
HoAeri Odyssee overset ef G. Wüster. 5. Avflage. Kopeafcagea, 

ReiUel, 1891. 3Ss S. 5 M. 
C. P. Cbristenseo Schmidt, Gm dea aatague bumeriske Kon- 
iuQCtioQ oTi. Philologisk-historiske Samfund (Kopenhageo 18S7— 89) 
S. 178 ff. 

V. Steimaon, 'BUktxjo. Listy filologicke 1891 S. 284 f. 
J. Zahradaik, Der Versbau der Uias and Udyssee (bökmiseh). Pro^r. 
PIsek 1690. V^L F, J. ßredisler, Zeitsehr. f. d. 8st Gyaia. 1892 

S. 280—82. 

J.Nevak, Über d as homerische Haus (böhmisch). Prag, Akademie, 1890. 

Vgl. A. Th. Christ, WS. f. klass. Phil. 1892 Sp. 234 ff. 
Fr. Jeliaek, Über den £iaflafs der Bketerlk auf Homer (MShmieek). 

Progr. Leitomisehi 1890. \gl F. J. Dreeluler, Zsitodir. t d. üst fiyme. 

1892 S. 1142 ff. 

Uouiers Ilias, aogarisehe Scholao^be von J. Gseagery. Uudapest, 
Eggeuberger, 1891. XVI a. 231 S. 2,8011. Vgl. i. Oeeij, Bgyetemes 

Phil. KözlÖDy 1892 S. GO fF. 
Homer« lU.as mit uagarischer libersetznog von J. Kelmpt. Bndepest, GriU, 

1891. 168 S. 2,8011. 

Homers Odyssee, uogarische Seknlftusgabe von J. Gyomley. Budapest, 
Eggfnberger, 1S91. 211 & 2,40 M. Vgl. i. Docxi, £f yetomes fkU. 
Koziüay 1892 S. 6Ü f. 

Nach Abachlob des Berichtes sind mir Doch zugegangen: 

Rod. Mettge, Troja aad die Treas aaeh eigener Ansebaanng ge- 

schildert. Gütersloh, R. Bertelsuianu, 1891. S2 S. 1,50 M. 
Rud. Menge, Ithaka o.irh eigener Anschauung geschildert. 
Gütersloh, R. ßertelsiuauu, ISül. 35 S. ^,80 M. 

Beide Hefte sind bereits von R. Engeluiann, JD. 1892 S. 129f. 
besprochen; vgl. auch Th. Becker, Zeitsehr. f. d. GW. 1892 S. 456 ff. 
und La Roche, Zeitsehr. f. d. 58t G. 1892 S. 481 it 

Krafft und Hauke, Pruparatiuaea fiir die Schuiiekture griecluscher und 
lateiniseher Klassiker. — Heft 1; J. A. Ranke, PrSp. zn Homers 

Ot!vsscc, Bach I, \- dr> V, 1—40?, Dritte, darchgeseheoe Auflagp. 
HaDQOvcr, ISorddentsche Verlagsaastalt, 1892. 36 S. 0,50 M. — Heft 3: 
J. A. Rsnke, Präp. zn Homers Odyssee, Bach IX, 1 — 566. 
Zweite darciigesekeae Anliago. Ebend., 1892. d2 S. 0,50 M. 

Aiese Pkiporationen nnd brauchbar« Haifsnutlei, die dem 
Schüler das Eindringen in homerische Worthunde und Formen* 
lehre erieichtera. 

Berlin, E. Naumann. 



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3. 

Vergil. 



Zur Ergänzung meines letzten Berichts (XVII 1891) trage 

idi folgende Rezensionen nach: 

Za Nr. 3 (Pulvermacherj M. Rothsteio, DLZ. 1892 Sp. 625 nnd A. R., 
Ut G«itr. 189S Sp. TM; tu 14 (Hern«*), 1« f. (RlevSek) it4 Sl (BretU« 

Heitkamp) H.Ziemer, JB. öb. d. höh. SchW. V 1890 (Berlin 18f>l) TV 63; 
zu 19 (Ladewiff-Schappr-Deuticke II") Bl. f. d. bayer. GSW. 1892 
S. 348, H. Sabbadiai, Riv. iJi til. 1892 S. 178, C. ilaberlin, WS. f. klass. Phil. 
1892 Sp. 953, H. Kern, N. Phil. Rdseh. 1892 S. 378, E. Krab, Päd. Arch. 1893 
S. 756, A. l'rimozic, Zeitschr. f. d. österr. Gymit. 1S92 S. 1074 und H. Ziemfr, 
JB. ub. d. höh. SchW. VI 1891 (Berlio 1892) IV 75, wo auch 53 (Koch- 
Georges 2) bemtsilt wird; enilieh sn 54 (Georfcii) H. H., Ut. Cmtr. 
1892 S. 327. A. Ziogerle, Berl. Phil. WS. 1893 8p. 360, A. KiersliDg, DLZ. 
1892 Sp.467, & TboiMf, Rav. «it. 1892 8.290 «ad G. Um, GynB. 1898 
Sp. 696. 

*I. Zu den Undlichen Credicht«n. 

1) Vergil als bukolischer Dichter. Vergüatudiea von M. Sonntag. 
Leipzig, B. G. Tenbner, 1891. TV n. 349 S. 8. 5 N. >- Vgl. IL il«tk- 
stein, DLZ. 1892 Sp. 361 ; H. Kern, Bl. f. d. bayer. GSW. 1892 S.410; 
Gr., Lit. Ceotr. 1892 Sp. 1659; £. T.P«fe, The elaas. rev. 1892 S. 450. 

Nachdem die Einleitung die neuereo Ansichten Ober Ab- 
fassungszeit und Reihenfolge der Eklogen gemustert bat, behan- 
delt Kapitel I die Aciierverteilung der Triumvirn nach der Sihlacht 
bei l*hilippi. Es erörtert den Gang und Umfang der Ansiede- 
lungen sowie den Verlauf der technischen Arbeiten auf Grund 
der Nachrichten Appians, Uygins uad anderer, be^unders der 
profestioDeUeii Gronatiker« welche etwa drei Jahre Zeit erforder- 
lieh erscheinen lassen, und folgert daraus wohl mit Recht, dafa 
fi. 1 and 9 nicht gleich ins 41 ferfafst sein können, wie man 
gewöhnlich annimmt. 

In den nächsten Kapiteln betrachtet S« einzehi ß. 1 und 4 
samt den Einleitungen zu 8 und 6, um endgültig seine Auf- 
stellungen zu verfeciiten, deren Grundzügen wir schon wiederholt 
begegnet sind; vgl. JB. 1889 S. 356 f. und 1891 S. 33Ü und 355. 
Danach sollen B. 1, 9 und 6 unmittelbar vor 10 entstanden und 
diese vier Gedichte als zweite Bucujica-SäUiiulung im Winter 38/7 
yeröflentlicht ^ein» vydhrend die sechs anderen , die ohne allego» 



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Vergilf yo9 P. Deutieke. 



89 



gorische Einkleidung friedliches Hirtenleben schildera, bereits im 
Herhstf erschienen und (s. 8,11) als Beitrag zur Verherr- 
lichung des Parthinischen Triumphes dem PoJIin (icwidmet ge- 
wesen seien. Ob noch Vergil 'selber die beiden Hälften, die 6 
,,cannina pastorum*' und die „Tityrus-Sammlung", welche noch 
im J. 31 beim Abschlufs der Georgica getrennt umliefen, zur 
Gesamtausgabe vereinigte oder Varius und Tucca nach seinem Tode 
(vor Ov. Am. 115,25), sei nicht sicher m entscheiden, doch 
das leUtere niebt onwahraehelnlidi. 

Zur Lebens gesehiehte enchlieÜBt S« noch folgendes. PoNio, 
dem V. im i, 39 empfohlen wurde, vielleicht yon Gallne, wie 
dieser spSter umgekehrt von V. dem Angustos (S. 161 Aber B. 10), 
erkannte an den ihm vorgelegten, aber nicht allgemein verOffent- 
Uebten Proben B. 2 und 3 das Talent des Dichters, den er auf- 
munterte (zn 8, 12 vgl. S. 107 und bes. 117), zugleich aber auf 
beimische Orte und Verhältnisse verwies (S. 134 zu Arcades 7, 4 
= idealisierte Hirten Oberitaliens) und dureh Warnungen vor 
übertriebenem Healismus (S. 132 zu 4, 2) zu einem feineren Tone 
(in 5,7 und 8) veranlafste. Im Sept. oder Okt. 39 stellte er V. 
dem Augustus vor, der ihm sein bedrohtes Eigentum zu sichern 
versprach und ebenfalls die Fortsetzung seiner bukolischen Dich- 
tungen anriet (S. III tu 6, 9). Getrdstet kehrte V. heim und 
behielt wirklich sein Areal (S. 191: 3900 bis 4000 iugera, S.239: 
4000 i.)f als den Yeteranen die vorher vermessenen Gebietsteile 
von Andes lugewiesen wurden. Aber ein Recbtshandel (S. 143 f. 
verbindet B. 9, 1 mit den Angaben der Vita, dafs V. nur einmal 
vor Gericht geredet habe), der zu einem thätlichen Angriff auf 
den Dichter führte, verjagte diesen im Frühjahr 38 nach Rom zu 
Mäcenss, auf dessen Anlafs er sich den Georgica zuwenden wollte, 
als er im nächsten Winter, nach Prep* II 34, 67 vermutlich in 
Tarent, die Bucolica ganz abschlofs. 

Auf Einzelheiten der Interpretation (S. 67 Anm.: 
Jvonlaiiiination in B. 4 ; S. 72 f. ; Arat Vorlage für 4,6; S. 157 die 
Stadt 9, 1 Cremona, nicht Mantua) ist hier nicht näher einzu- 
geben« Hervorgehoben sei nur die Darlegung des Gedanken- 
ganges einiger Stellen. Zu 6, 3 ergflnzt $* 109 „daher**, nicht 
„nirolieb'*» weil V.« epischer Versuch zu Ehren des Vants (9, 27 f.) 
nicht vor die Bucolicadichtung falle, sondern mitten in sie hinein. 
8,5—10 deutet S. 117 f. als bescheidene Bitte: „Du steh mir 
freundlich bei . ., damit endlich (s. S. 97) die Zeit komme, wo 
ich dich als Feidherrn und Dichter in grftberer epischer Dichtung 
verherrlichen kann'*. 

Was die Kritik anlangt, so vertritt S. 103* desinam 8, 11 
und S. 145 et 9, 11 mit Ribbeck; gegen ihn S. 47 f. turbamur 
1,12 und S. 81 ac 4, 18. Ebenso verwirft S. 138 f. die Um- 
stellunf? von 8, 47 f., beu achtet aber die Verse 49 und 50 mit 
ihrem gehaiüosen Frag- und Antwortspiele, das durch die Wieder- 



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90 



Jahresberichte d. philolog. Vereias. 



holuDg derselben Worte zu eineiu ieerea Wortgekiingel werde, als 
unecht: hier sei, etwa von Varius und Tuccb, eine aoslöfsige Stelle 
beseitigt und die Lück« mangelhatL gefüllt worden: der ursprüng- 
liche Gedanke iiio^e von der grausamen Maller, die ihre Kinder 
tötet, mm grau«aiiien Mutterlande äbergegangen seio, das seine 
Kinder vertreibe oder hinschlachte. Als Baohtriglicher Einschuh 
der ersten Ausgabe gilt nach S. 124 f. jetit auch 5, 85 — 87 wie 
früher schon 3, 84—91. 

So sucht S. scharfsinnig, vor lauter Gewissenhaftigkeit manch- 
mal umständlich, die Schwierigfceiten unseres Textes zu erklären 
und die Einwände seiner Gegner zu widerlegen. Ich möchte mich 
gern von ihm bekehren lassen, bin aber noch immer nicht bis 
zur Slvi upellusigkeit beiehrt. Ich will nicht ansführlich gegen 
S. 55 replizieren, obgleich ich betonen künole, dafs die Attribute 
mitia und molles 1,80 f. nichtssagend werden, wenn die Ekloge 
ins Frühjahr gesetzt wird. Ich versteif« mich auch nicht auf 
Kleinigkeiten, wie die Anfechtung des ineuä „Studien^' S. 151, 
die ich nicht verstehe, wenn S. 126 und 137 in B. 2, 3> 5 und 
den beiden Gedichten in 8 selber „Nachdichtungen im Anschlufs 
an Theokrit** anerkennt. Aber sachJiche Widersprüche kann man 
nicht ohne weiteres hinnehmen. So will S. 152 allegorische Den* 
tung bei den 4 letzten Eklogen zulassen, während sie S. 90 und 
107 für B. 6 ausschüefst. Ferner heifst es S. 58, Tityrus wech- 
sele 1,51 die Maske, da er erst sich fireikaufen, dann sein Grund- 
stück losbitten wolle, während S. 110 mit Serv. 1,27 bestreitet, 
ihh Tilyrus =^ Vergi! sei, wenn auch der T. 6, 4 den bescheide- 
nen V. bezeichne wie 8, 55 einen stammelnden Dichter, etwa im 
Sinne von Baltarus [s. Ribb. GRD. I S. 309]. Den grufsten Be- 
denken vollends unterliegt mir noch lainier die angebliche Doppel- 
ausgabe der Bucolica, die kein alter Zeuge kennt. Das Schol. Veiun. 
zu fi. 3» 40 wagt ja S. 244*) selbst nicht sicher dahin auszulegen. 
Dafs Prop. II 34, 67 f. durch eine ungenaue Kunde vom Sachver- 
halt verfahrt worden sei, nicht nur die Tityrusgedichte, sondern 
alle Bucolica nachTarent XU vorigen, ist eine Behauptung von S. 160, 
die hinfällig erscheint, wenn wir uns erinnern, dalift S. 120 aelber 
angiebt, Properz lasse gerade nur Gedichte der ersten Sammlung 
am Galaesus gedichtet sein. Wie schwankt also der Grund, auf dem 
S. die Hypothese von der früh vergessenen Doppelausgabe aufbaut, 
wenn seine Deutung der einschlagenden Vergilstellen auch nicht 
zwingend überzeugt! So wenig er namUch darthun kann, dafs car- 
tntna 8, 12 pluralisch gefafst werden mufs, so wenig kann er 
widerlegen, dafs que G. IV 565 explikativ „indem" heifsen kann. 
Mit seinem Hauptbevveise sinken auch die Stützen, die er aus 
B« 6, 1 und 9, 10 f. entnimmt : alles bleibt subjektive Kombination, 
die an WahrBcbeinhcbkeit nicht gerade gewinnt, wenn der Umfang der 
beiden angenommenen Bücher (496 und 313 Verse) hinter dem 
nachweisbai'en Minimum des Poesiebuchea, auch des monobibll- 



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Ver^il, VAU P. Denlioke. 



9t 



scbeo der guten alten Zeit, wesentlich zurückbleibt; vgl. Tb. Biit, 
Das antike Buchwesen S. 294 f. 

Viel Spürsinn und Mut entwickelt auch das letzte und längste 
Kap. VII, das die Lljerheferung der Allen Ijeiidudell, von der S. 
vorher möglichst abgeseheu hat, um zunächst unbefangeo des 
Dichters eigene Angeben m Yerwerten. In der Vita Suetons soll 
nach S. 177 f. manobes auf eine griechische Vorlage des G. Me* 
liasiis zurückgehen; nach einer tendenziösen Witzsam mlnng klinge 
namentlich der Klatsch über ^ .s eine Gerichtsrede, das Distichon 
auf Balista [gottlos? der Uäuber ist ja gerechterweise bestraft], 
sein Verhällnis zur Plotia Ugsta, seine Knabenliebe, seine Jugend- 
hekannlschaft mit Augustus und eine zweite Ehe seiner Mutter. 
IVmm /uverlHssigeren C. Varius Uufus möchte S. 185 f. aufser 
§ 22 — 2ü (wie liibb. Prol. 89 und E. Krause 3) auch $ 2U und 21 
sowie 35 — 41 zuweisen. In dem sogenannten Kommentar des 
Pr^biia sieht S. 198 neben echten Resten der Erklärung des 
Berytiers (priniipiell allegorisierend» S. 200} einen Auazug aus 
einem andern Kommentar bis in den Anfang von G. II hin nach- 
verglichen, dann abwechselnd eingearbeitet. Die Quelle fflr das Ge* 
schichtliche der Prolegomena, welche die 1. Ekloge fast ausschliefs- 
lich berücksichtigen, sei unbekannt; die Vita, welche die 1. Ekloge 
ganz aulser acht JJifst, gehe, wie Inhalt und Sprache zeigen 
(S. 194 f.), auf Ascomus Pedianus zurück. So stei;.[ die Uuelieu- 
kritik bis auf Donat und Servius herab, ohne jedoch trotz des zu- 
versichllicben Tones sachhcli zu überzeugen. Zum SchiuÜs sai 
noch bemerkt, dafs S. auch seine Ansicht über die carmioa minore 
(a. ja 1889 S. 358) festhält und weiter ausbaut: die sieben Werke 
(ohne das Horetnm, S. 205; selbst Gat 2 und 3, S. 226) habe 
ein Fälscher zur Zeit Nero» verfafst und unter dem Gesamt- 
tiiel Culex im weiteren Sinne oder xaiaXrjTiTcc^ Aufgefundenes, 
angeblich aus der nachgelassenen fiibliotbek des Augustus, heraus- 
gegeben. 

Von Druck- oder Schreibfehlern stören Seite 97 Zt'ile 21: 
Ekloge St. Elegie; S. 113 Z. 20: Ausfall von accipwnt iimier con- 
ciliaverai; S. 120, 207 und 208: Marl. VII 39 st. 29 und S. 131 
letzte Zeile 84—95 sU 91 (s. S. 124). 

2) Brieh Bethe, VergiUtudien II. Zur ersten, oeanteo Hod ach- 
ten Ekloge. Ilheio. Mas. 47 M^'Vi) S. 57G -59(5. Dazu 0. Rib- 
beck, Epikritische Bemer kuagea. Ebenda S. 597 f. 

Ohne zu berücksichtigen, wie neuerdings Kolster, Krause, 
Przygode, liermeä und Sonntag einzelne Stellen beurteilen und 
ganze Gedichte umdatieren, schlfiirt Verf. einen eig»'n«Mi \Vt^ ein, 
der ihn zu der Annahme führt, dafs 13. 1, 9 und S kein (^anzes 
bilden, »oiiiiern in unruhiger Eile mit bereits fertigen Studien 
verscbnitleii aeien, um möglichst bald Octavian danken, Varus 
gewinnen and Poüio preisen an können. In 1 und 9 aetae An- 



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92 



Jaliresberielite d. philoiog. Vereiss. 



fang und Sclilufs andere Verhältnisse voraus als das Iii ittelstuck. 
1, 19—40 sei aus einem äbniicbeD Entwürfe eingearbeitet, in dem 
Tityrus ein aller, erst kürzlich freigegebener Hirlensklave sei, der 
seinen Eindruck voq der Riesenstadt l\om scbildern und Octaviao 
als gfitigen Herrn feiern mochte, während er in Y. 9 und 45 f. 
einen alteingesessenen, BelbtUndÜgeii Bentzer d. b. Vergil selber 
darstelle. 9, 30 — 54 embeine T. nicht unter der Mitke des an- 
ersetifiefaen (19) Gutehenm Menaleas, sondern des seine dichte- 
risdien Leistungen (32 f.) beschdden ibsdiltsendtn Lyddis; ja 
auch der Besitzer (30 f.) Moeris trage eigne Lieder vor, wenn 
man incipe, st quid hohes 32 f. nach 3, 52 sowie 5, 10 und 45 
deute. Ohne dies leicht auszuhebende MittelstQck fähre B. 9« 
einheitlich ausgeführt und bis auf V. 23 — 25 frei erfunden, V.g 
zweites Ungemach, die Vertreibung vom heimischen Hofe, hübsch 
vor Augen. In B. 8 endlich sieht B. zwei ursprönglicb selbstän- 
dige Mimen sich gegenübergestellt und nach der erforderlichen 
Einleitung zu Pollios Ruhme notdörftig verbunden. Auch die 
äliophische GiiedeiuDg des ersten Liedes, der nüchlerne Schalt- 
vers and der matte Schlaf!» (61) klinge wie nachträgliehe Ein- 
renkung nadi dem treflUdien Muster des „Zaubers** im sweilen 
laede. 

Ribbeck Terwirft dies Ergebnis über B. 8, indem er eigentAm- 
liehe Windangen, ja einen gewissen Widersprudi in Bethes Er- 
ftrterung der strophischen Einteilung findet. Wenn der Dichter 
genaue Responsion herstellen wollte, hinderte ihn nichts, tiefer 
einzuschneiden und mehr umzuarbeiten; das erste Lied gehe ja 
nur in V. 43 — 45 und 59 f. auf Theokrit 3 zurück. Die Strophen 
der beiden Lieder entsprächen sich vollständig -, ihre fireiere Stel- 
lung in der dritten Triade erkläre sich durch Inhalt und Ton. 
Auch wer sich bei dieser Auskunft Ribbecks nicht beruhigen kann, 
wud doch vielleicht Bedenken tragen, U. beizustimmen, nicht nur 
bei B. 8, wo sich dieser selbst unsicher fQhlt, sondern auch bei 1 
und 9. Mir erschemt es annehmbar, dab ein grofses, unTollendetes 
Gedicht unausgeglichene WidersprOdie aufweist; s. u. Nr. 18. Auch 
allenfoUs mOgKdi, dab Eilfertigkeit in ein klares Bildchen un- 
passende Züge einfugte. Aber bei der endgültigen Herausgabe 
hätte der Dichter doch die Mängel tilgen können und sollen. B. 
meint hierzu allerdings, V. wollte das nicht, weil sein Haupt- 
zweck war, durch anmutige Bilder behaglichen Hirtenlebens eine 
anregende Stimmung zu erzeugen. Aber beide Ziele sind ver- 
einbar. Verfehlt der Dichter eins, dann leidet sein künstlerischer 
Ruf, so oder so. Kann man da durch weitherzige Deutung der 
von B. scharf hervo)*gehobenen Schwierigkeiten nicht ebenso gut 
nachhelfen wie durch die neue Hypothese? Zumal wenn diese selbst 
einzelne Anstöfse übrig läfst, wie in 1, 46 und 51 senex^ das zum 
MittetstOck besser pabt als zu dem Liebesliede 5, das sich seiner- 
seits zu 36f. reimt, aber nicht recht zu 30f. (s. Ribb. GRD. II 31). 



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Verfil, ^«a P. Devtiekt, 



93 



3) H. T. Karsteo, Ad Ver^ilii edogns III et VII. Macmos. N. S. 

XIX (1891) S. 373—377 u. Nachtrag Moemoa. XX (1892) S. 4U. 

R. vermutet für B. 3, 110 expedietnr amaris, zu erklären nach 
A. II 633 und Hör. Epod. 11, 25, und für 7, 19 alter nis Musae 
memimm vakbmä (vgl. 9, 38)= jeder wufste wiederholt zu er- 
widern, wenn der andere verstummte. 

4) Carolus Pascal, Adverstria V«rgiUaaa. Rir. di fil. XXI (1892) 

S. 128—131. 

P. bleibt dabei, dafs naseens B. 4, 8 = modo natus sei. So 
nicht nur bei Prop. II 3, 23, sondern auch bei Cic. Brut. VII 27, 
Cat. I 30, Phil. V 31 , Verg. A. X 26 und 70. Bestreiten möchte 
ieh diese sdne Deutang fOr Lucr* 1 113, III 671 und IV 60. Weno 
P. meint, dafs ich (JB. 1891 SL 355) „alta voce** behaupte, Sonn- 
tag habe Paacals Erörterung umgestnnij, ao beruht daa wobl auf 
einem MibTerständnis des Auadrucka „widerspreche n \ Dafs meine 
Anmerkung ebenda ein „nur** hinter „nicht** mit Unrecht aualifat, 
gebe ich bereitwillig zu« 

5) O. Crviiiis, Bhsii. Hu. 47 (1898) S. M. 

Der nach Mtcrob. V 16, 7 aprichwörtlicbe Vera (a. A. Otto, 
Sprichw, der Römer 296) G, I 53 geht vielleicht auf daa „Ora- 
kel«" des Cato surflck, daa Plin. N. H. XVill 6, 170 anffthrt: quid 

6) U. Richards, The class. rev. V (1891) S. 232, 

will G. I 321 verrü fttr ferret lesen. 

7) l*h. Gaffekee, Satsrni« telU«. Hemea 27 (189S) S. 381-^386. 

y.a Hymnua auf Italien (G. II 136^) fährt man auf Varros 
r. r. 12, 3 f. zurück; vgl. zuletzt L. Ha?et, Rev, de phil. VIII 
(1884) S. 1451; Nach Miracb (De M. Torentii Varronis antiqui- 
tatuna rerum humanarum libris XXV S. 11 4) verweist jetzt G. noch 
auf eine zweite Ausführung bei Varro, nämlich rer. hum. XI (vgl. 
Macr. III 16, 12), die er nach Dion. Ual. I 36 f., Piin. H. N. lU 41 
und XXXVI l 201 rekonstruiert, ohne auch auf Ael. V. H. IX 16 
zurückzugreifen; s. S. 388^). Durch quellenmäfsige Untersuchung 
aller einachlagenden Stellen aus der griechischen und römischen 
Uttentur zeigt er ferner: Varro geht auf Polyh. II 15 sttrQck,.wie 
andererseits auch Strabo VI 286, mit dem sich Dionya gleichfalls 
berflhrt In V^ Meisterwerk findet G. fast alle Momente der 
Darstellung von Dionys- Plinius wieder. Dem Dichter eigen er- 
adieint die freie Behandlung des Eingangs 136—139, die Spezia- 
lisierung 146 und 159-164, die höfische Schmeichelei 170 und 
die Zuthat 150, die den genannten Onellpn fehlt, aber doch auf 
alter Überlieferung beruht: zu bis gravidae pecudes vgl. Theopomp 
bei Skymnos 367 f., zu bis pomis etc. Solin. Ii 2 Zeile 19: bifera 



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94 



Jabrasbariehte d. pbilolog. Varaiaf. 



8) Andre Oitramare, Etnde sur l'episode d'Aristee dans 
lea Georgiques de Virgile. Geaeve et fiile, H. Georg. Paria, 
6. FiwUiadiar, 1892. 129 S. kl. 8. % Fr. ^ VgL A. Prinoiie, Zaii- 
ichr. f. d. 8at.6ymn. 1892 S. 1080; P. Thonaa, Aav. erit 1892 S. 395. 

Um Yergil von uDverdientem Tadel su eatlaBtcD (s. Ribb. 
GRD. Ii 51), behauptet 0«, ein Profesaer an iler Univcraiat Genf; 
dab auch die darch Umfang und Stellung besonders wichtige 
Episode G. IV 317 — 558 mit dem sonstigen Stoffe wie mit dem 
patriotischen Tone des ganzen Werkes eng zusammenhänge. Er 
deutet sie nämlich allegorisch. Das Unglück, welches die thessa- 
iischen Bienen hetroffen hat, entspricht der Verheerung von Ita- 
liens Ofilden. Für Heilung des Cbels, das er zum Teil selbst 
versdiiildet hat, sorgt Aristäus-Augustus, indem er neue Ansied- 
Jungen anlegt, alte wieder bevölkert und regelrechten Gottesdienst 
herstellt, um den Zorn der Himmlischen zu sühnen. Bei diesem 
Autbau ermutigt und leitet ihn die Mutter Cyrene-Atia. Proteus 
bezeichnet das politische Moment, das die Grunder der Gesell- 
schaft treibt; dazu vielleicht auch die mannigfachen Regungen der 
öffentlichen Meinung. Orpheus Terlritt die Karten EmpfiiMtungen 
der Volksseele, nadidem die republikanische Freiheit unwieder- 
bringlich verloren ist Eurydice endlich ist das ruhrende Abbild 
des Vaterlandes, das dem Bürgerkriege schuldlos sum Opfer fiel. 

So lauten die Schlüsse S. 125 f. Ihre Voraussetzungen sind 
so weitschichtig und kraus entwickelt, daTs sie mehr ermüden und 
zerstreuen als überzeugen. In der Darlegung des Problems (Kap. I) 
füllt die Inhaltsangabe die S. 5 — 11. Unter den persönlichen 
Voraussetzungen der Sage (Kap. II) linden wir S. 25 — 29 Pind. 
Pytli. 9, 1 — 69 B. übersetzt, S. 35 — 37 den Bericht des Pausanias 
über Orpheus, unter den sachlichen (K. III) S. 50 — 55 alles 
mögliche zusammengestellt, was das Wesen der Bienen angeht, 
und S. 64^66 was für die mystische Bedeutang der Zahl Vier 
spricht (pour en revenir i notre Episode, heibt es dann S, 67). 
Bei der Zahl Acht, die nur mittelbar in den zweimal vier Opfer* 
tieren (538 und 540) vorkommt, erwähnt S. 69 f. die Oktave in 
der Musik und in der Liturgie sowie einen indischen Mythus 
von einer auf acht Elefanten getragenen Schildkröte und vermutet 
auch eine Anspielung auf den Namen Octavians, der den achten 
Monat August nennen liefs. Als Personifikation des feuchten Ele- 
ments füllen auch die Nymphen unter Kap. III, wo S. 58 schliefst 
„Leur Dom est le menie que celui des fianc^es sur lesquelles 
repose l'espoir des g^nerations nouvelles" und die etymologisie- 
rende Anm. lautet: „Cf. nuru^^, uuirijü, skr. mu, faire couler (ie 
lait), nourrir". Etwas mehr zur Sadie kommen die Kap. IV — ^VJ, 
welche physikalisch-bätterltche, geschichtliche und mcnliach-theo- 
logische Bezüge aufspürem Aber auch hier flberraaohan Wieder-. 
Iiolungen und Wunderlichkeiten. So in den Parallelen nicht nur 
zwischen Aristäus und Euander S. 86 wie 24', sondern Mich, 



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Verfili wü P. Deotieke. 



95 



twiscben Orpheus-Eurydice und Aeoeas-Creosa S. 41 wie 101^ 
ja Ceres -Proserpina S. 78 f. Von Einzelheiten verdient Bearliiuiig 
die Anm. S. tlT Aber Cicem Einfluf« auf Vergil und S. 48 Ober 
die Bestehmigeii zwischen Proteus und dem ägyptischen Gotte 

Kheper; vgl. Phil. Virey, Quelques observations sur I'episode 
(l'Aristep n i)ropo8 d'un monument egyptien, Paris 1889. Vieles 
jilier reizt zum Widerspruch wIp S. KM HIp Anm., df»r Akkusativ 
haltam lasse sich für Eun/dtcen in den Vers setzen wie bei Calull 
Clodia für Lesbia. t^Xraüer Bezieiiung entbehren auch die Seiten- 
blicke ins biblisch -christliche Gebiet: so erwähnt 0. nebenbei 
S. 57 der Eva Verföhrung durch die Schlange, S. 59 die Flüsse des 
GarCcBS Eden, S. 69 Adid* die siebemiial riebzigfacbe Vergebung, 
S. It9 Mf irm u. d. m. 

FAr midi ist durdi alle diese Erörterungen die volle Zwedt» 
mifsigkeit unserer Stelle nicht erwiesen. Die griechischen Accente 
und Spiritus haben sich nicht äerall fögen wollen ; s. S. 40, 41, 42 
nnd 102*. Sonst ist die iofoere Ausstattung recht aier lieh und 
sauher. 

11. Zur Äneis. 
A. Ausgaben und ObersetiungeiL 

d)Vergils Äneis. Für den Sohul^ebrauch in verkürzter Form hrsgb. 
voa iofteph Werra. MBotter i. W. , AfclMuiorffs^« B«dilMa4luog, 

1892. XVI a. ]92 8. kl. 8. Praii gebooden 0,95 M. — Vgl. J. Weis- 
Weiler, Gymo. 1892; S. 572; — r— , öerl.Fhil. WS. 1893 Sp. 43. 

lü) Auswahl ans Vergils Äneis. JNach deu Bestiinmua^en der neuesten 
Lehrplaue für den Schulgebrauch berausgegebea vou Adolf Lange. 
Berllm, R. Girtoers Verlagibochkaadliiog (H. Hey Felder), 1892. VIII 
Q. 170 S. 8. Preis geb. 1,80, broeh. 1,40 II. 

Diese beiden Bücher, richtige Zwillinge, die einander vid 
mehr gleichen als ihren älteren Vettern aus Österreich, verdanken 
ihr Ihspin den neuen preufsischen LehrplSnen. Sie bringen die 
dichterisch schönsten Stellen mit angpf^p^^^pnen Überschriften für 
ganze Bilder und einzelne in sich ahgerundete Scenen. Gesperrter 
Druck bezeichnet die Memorierversc, bei L. erheblich mehr als bei 
W. Der Inhalt der ausgelassenen Stücke ist kurz angegeben; er 
fehlt üut bisweilen, z. B. bei W. VI 719 — 751 oder bei L., der 
geftlliger ausweidet, aber velle 751 übersieht, 716 — 749. Wie 
hier, untenobdden sidi beide Auszdge auch sonst in Kleinigkeiten ; 
hier und da audi in wesenüiehen Dingen. Langes Kanon (Ober- 
Mcht S. IV f.) llfst Buch V und VIII ganz ansfiillen, während W. 
hier nur stark kürzt: in V giebl er die Wettkämpfe allemal nur 
nit den einleitenden Versen und beseitigt die Einzelheiten, wie 
auch bei den Kämpfen in den letzten vier Büchern, wo L. an- 
sprechend Defensive (IX X) und Offensive (XI — XIl) scheidet. 
Von III giebt VV. 683 Verse', von IV nur 150, während L. um- 
gekehrt Yon Ul fast die Hälfte, ¥on IV nur etwa 100 Verse aus- 



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96 



Jäfst. fm ganzen bleiben von 9896 Versen bei VV. 5457, bei L. 
etwas über 4500. Jener glaubt, dafs seine Auswahl in den beiden 
Jahren der Sekunda bewältigt werden kann; dieser bezweifelt das 
trotz gröfserer Beschränkung, und seine Zeit- und PeiueDberech- 
nung S. VII erscheint mir zulrefTend. 

Im einzelnen folgt L. meist Kibbecks kleiner Ausgabe, auch 
orlhographisch mit volvonS I 86, anchora 169, iandudum 580, 
opstipiü 6t3 !!• 9Ut Hiebt mit mmetfü 175« Doch wiU er an eia 
unroliendetct Gedicht keine ObertriebeaeD Aaforderuiigen stellen 
und Yerwirfl deshalb alle Umstellangen; ebenso manche Athelese 
(nicht II 749, III 595, IV 256/8, X 475) und kAhne Änderung (niebt 

II 75 fuat und 738 ftit). Eine Lficke bezeichnet er nur hinter 

III 340, wo er noch mit Ribb. quae liest, und hinter Yll 241. 
Inkonsequent finde ich X 785 und 817 fr^rti^tV geschrieben, wenn 
II 497 eorit steht. Auch W. beruft sich auf Hibb. und meint an- 
scheinend die grofse Ausgabe; zur kleinen stimmt II 569 daram, 
X 436 (908) arva, XII "dl columnae, aber nicht VI 701 (848) credo, 
VIII 375 (704) intendehat u. a. Die Verse, welche Ribb. verwirft, 
bietet W. meist im Texte, selbst schlecliL überlieferte wie II 76, 
VI 130 und X 198 (278). Dagegen folgt er ihm in Umstellungen 
aulMf III 633 (685) und Lfickenannahmen; sonderbarer Weise 
nicht hinter VI 142 (254), obgleich er hier nicht wie L mit 
Wagner mpeme, sondern mit R. mperqiM liest. Sonst ändert W. 
aufser orthographischen Seltsamkeiten R.s gewagte Vermutungen 
bis auf einzelne wie Priami II 422 (Lange liest prtmt), int 738, 
^uaoi IX 66 (67) und wählt auch gelegentlich eine andere hdschr. 
La.; so III 470 (527) celsa, V 294 (85t) caeh\ VII 107 (129) ext- 
tiiSt Vlü 240 (569) finitimOy noch öfter in den letzten Düchern. 
Eigentumlich beifst es Vill 224 (519) suo sibi nomine. Auiserdem 
ist X 213 (439) lutuma für soror alma eingesetzt, jedenfalls der 
Deutlichkeit wegen, und IX 386 (485, wie auch bei Lange) funer« 
nach Beuibus, sowie IX 166 (274) quin super und X 386 (857) 
tarda e# nach Schaper, wo L. mit R. gebt. Die Interpunktion 
wire vieUeidit I 3, II 3—6, 136 und XI 121 (356) lieb« tm 
indem. 

Dem Teite voran geht beidersells eine lingere EinMtnng, 

die nach Ribb. GRD. in auffallend übereinstimmender Disposition 
1) Vergils Leben und Dichtungen (L.: Werke) und II) die Äneis 
im besondern behandelt und hier im zweiten Unterteile den Gang 
der Handlung ausföhrlicb beleuchtet, um den vorscbriftsmäfsigen 
Durchblick auf das Ganze zu erieiclilern. Den ersten Unterteil 
überschreibt W. ,,Die Aneis ein unvollendetes Gedicht'*, L. um- 
fassender „Schicksal und Charakter dea Werkes'*. Wenn dieser 
S. 9 nach Hibb. S. 71 betont, dafs die Handlung sich auf einer 
irdischen und einer himmlischen Bühne nebeneinander abspielt, 
so ist das ?erständlich ; ?iel weniger aber S. 23 und 117 die 
Oberscfarift au I 223—304 «nd X 1—117 „Unaichtbare Neben- 



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Vergtl, voB P. D««tiek«k 



97 



bandlung im Himmel''. Gegen Werra S. VII and VIII möchte ich 
bemerken: ein Nationalepos, das der llias zu vergleicben oder gar 
Torzuziehen wäie, plante der bcsclieideiie V. schwerlich; Properz 
erwartete ein solches, koiintp aber das Werk im J. 26 kaum 
bewundern, selbst wenn er si lion Proben davon kannte. Dem 
Texte folgt beiderseii> ejii Veizcichnis der wichtigsten Eigennamen 
mit kurzen Erklärungen, detieu W. auch mehtlach Verse beifugt, 
die gemerkt werden sollen, dies aber meines Erachtens nach Form 
und Inhalt nicht immer verdienen. Er schliefst mit einer Stamm- 
tafel des IrojanisGheD Ktolgehatises „nach Ladewig-Deuücke'S aber 
Tereinfaebt und um den Manien Ghaon yermebrt, während Lange 
xulettt seine Abweichungen von Ribb. Terzeichnet. 

Die äufsere Auaalaltung ist zu loben. Aber W.s Druck könnle 
noch schärfer sein, namentlich in dem verbindenden Texte. Ver- 
druckt ist bei ihm VI 517 additum, wohl auch urgwt 1 11t, da 
sonst urgere geschrieben ist. Lesezeichen sind zu verbessern 
1 253, IX 255 und X 79, Zidern auf S. 14, 55, 73, 7(5, 118, 157, 
175 in der Ecke, die Ribh.s Verszahlen angiebt. Uei L. schreibe 
nun XI 353 optime, S.b7 die Verszahl 465 wie 474 S. 1 15. S, 5 Z. 11 
Vergii St. Ovid, S. 15 Z. 22 tödJicii und S. 23 Z. 13 ^ais. 

U) Vflrg ilio. L*BBei4e eoMmeDlai« de R«miti0 Sabbadioi. Libri 
I, n 9 III. Secand« ediziooe intennente rifnat. Torie», Bra. Loe- 
seber, 1892. XV il 154 S. 8. 

S. acUieTst aieh jelil eng der besten Cberliefemng an und 

hält z. B. selbst itUer se I 455 (An. vergleiche staunend . . unter 
einander) und nimbo (= Strahlenkrone) H 616. Nur an fünf 
Stellen verwirft er die handschriftliche La. und nur einmal zu 
Gunsten einer eigenen Vermutung, indmi er II 350, um audendi 
zu hallen (vgl. JB. XV 1889 S. 330), certast qui l'iir certa sequi 
schreibt [so leicht auch die Vertauschung von I. und T möglich ist, 
linde ich doch die Besserung unsicher, da der liblativsaiz sieif und im 
liiiiikaliv gewagt erscheint]; die I'aienthese reicht nun von exces- 
tere bis incensae, INeue Parentheseu sind noch eingesetzt 1 697 f. 
mdueU , . loeaiDÜ, U 446f. A» . . telis und III 484 tiec eedii honoii 
(ss dignitali, acil. accipienlia). Verworfen werden nur die zwei 
Vefae II 76 und III 230, Einige Lflcken bexeichnet S. durch 
Punkte« ohne jedoch Aposiopeaen wie II 100 und III 686 hinter 
euriM von unfertigen Sätzen wie II 631 und III 340 deutlich zu 
unterscheiden. Druckfehler sind selten su finden: im Texte fehlt 
Hl 684 hinler Ileleni ein Komma, da die Worte Scyllam atqne 
Char. AKk. der Uichtung von teneant cuTtut abhängen sollen; 
itt der Annt. S. U4 steht 775 .statt 675. 

Die Erklärungen lehnen sich teilweise eng an Ladewig an, wie 
schon Güthling in Burs. JB. 1890 11 S. 134 bei Besprechung der 
ersten Auilage andeutet. Sie äind meist knapp und schlicht ge« 
halten, ja nach unserm Gefühl oft elementar, wenn sie nicht nur 
JttmWidihtt XIZ. 7 



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Jabr«tb«rlebt« pbtlolnf. Vereint. 



angeben: Ii 374 ante Adverb, 377 forte Subst., 506 reqmras po- 
tent. Konj. u. dgl., sondern auch III 453 ne „esorlativa negativa", 
45H quin = ,yUt non, consecutiva tanti*', 621 visu und dtctu 
„supino**. Ausführlich sind manclie mythologischen Erörterungen; 
der Hinweis auf fiVQfi^^ II 7 uml die Etymologie von Asljanax 
II 457 trägt kaum etwas zur Sache bei. 

Gewissenhaft bebandelt S. allerlei metrische und prosodische 
Dinge, besonders die HelbTerae [wora aber diese so umstflndlicb? 
die Tersehiedenen Formen der Versreihen findet doeb jeder letcbt 
von selbst]; femer Eigentfiflslichkeiten des dichterischen Sprach- 
gebrauchs, z. T. wörtlich wie in den Send. crit. II; einmal zu ne 
eredite II 48 in Prageform „in prosa que modo?*' Überraschend 
erklärt er I 109 f. {Aras Ohj. mv] Snxa Präd.) und II 136 (die 
Worte st f ata dedimmf «eien mehr im Sinne desÄneas als des Sinon 
gesagt), umstaniUich die Attract. inversa I 573 und geradezu an- 
fechtbar II 5: von einem Verhum nmrando, das in dem präguanleii 
remvare 3 liege, hänge uM und quae 5 ab [als indirekte Frage? 
und was wird aus qu&rum 6?]. In saefaücher Hinsicht bietet S. 
das Notigste in «Her Ktrse, ober nichts s. B. Aber ssdbs IWtMs* 
II 437 und lilrore 5S7; auch bei MmUi Hl 566 reicht der einfache 
Hinweis auf V. 63 nicht aus. II 504 kommt Heyne wieder zu 
Ehren , wenn barbarico = fhrtfgio gesagt sein soll [vgl. unser 
„Heidengeld"]. Bedenklich finde ich einzelne Zugaben wie die I 273 f. 
über die Herkunft des Namens Hhea. Seltsam wird auch Iii 80 
sowie Kinl. X die Landung in Deios damit motiviert, weil der 
Name Anius [mit kurzeui a!j an Aneass anklinge, während jener 
Priesterkönig doch schon die Griechen vor ihrer Fahrt nach iroja 
bewirtet; s. Apollod. Exc. Vat. XV und dazu R. Wagner S. 183 f. 

Dient der Kommentar rein dem Bedurtteis der Schüler, so 
soll doeb auch die Wissenschaft nicht ker ausgehen. Denn auliier 
einer ziemlich langen Einleitung, welche y.s Leben und Werk« 
im allgemeinen und dann besonders Vorbilder, Anlage, Handlung, 
Sage und Tendenz der Aneis behandelt, schickt S. jedem Buche 
kritische !!( trachtuntren voraus, die meist wörtlich zu den Er<^eb- 
nissen der Sind, ri it. HI stimmen. Neu ist S. 54 f. die f^^spre- 
chunfT der Laokoonscenen nach Bcthe (s. unten ISr. 16) und S. 7 
der Hinweis auf den doppelten Plan von Buch I: 385 nenne sich 
Äneas aus Euruj>a ausgeschlossen, während doch 549 f. in Sicilien 
eine Zuflucht oifeto stehe [385 nicht einfach eme Oberlreibnng ?]. 
Sv hofft, da& diese kritiscfae Beigabe auch unter den Scbdiem 
einige Leser finden werde* Zu wfinsohen ist das noch mehr fär 
die Übersicht der Homernachafcmungen, die er ebenfalls jedem 
Buche voraufschickt. Im Kommentare begegnen neben manchen 
Parallelen aus Ihnto f bpsonders viele zu Iii 24 f.) und einzelnen 
Analofja aus der jateinischen Pro.^ia (I iSl und II 662 Cic. ad 
Att. XI 24, 4 und XII 3, 1) höchstens nliyt*iiieine Hinweise wie 
II 423, wo V. wie Uoiner nur dialelaisciie Unlerbchiede zwischen 



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V«rffil, voB P. Dentieke. 



99 



der trojanischen und der griechiMhen Sprache antnnehmen 
scheine. 

12) P. V'ergili Maronis Aeneis. Für den Schulgebranch erklärt tod 
0. Brosia. U. Bändcben: Bach Iii uod IV. — lU. BModchen: Bach V 
nd VT. Dritte Aaflage, besorgt voo L. Heitkanp. Gotha, Fr. A. 
Perthes, 1892. S. 139-423. 1,30 und 1,80 M. ^ Vgl. H. Kern, If. 
Phil. RuodMb. 1892 & 264. 

Eine gescbiclite und marsTolle Bearbeitung im Geiste des 
YerfMsers. Der Text ist nicht verindert, so vieJ ich sehe. Nur 

fehlt der verdächtigende Stern vor den jetzt auch mit Erklärungen 
bedachten Versen IV 256/8, 280, 327/30, 375, V 120 zweite Hälfte, 
777, VI 743; 4 (jetzl vor 748 gestellt), 764/5, 802/3. 885/6 sie 
. . Imtrant und 900 f. , wo II. allein zu 901 bemerkt: „Der Vers 
scheint ans III 277 hierher geraten zu sein". Auch ijei III 703 f. 
mildert er Br.s Auästeliun^'en, während er zu IV 416 f. leise kri- 
tisierend zufugt: ,,MaD vermiröt einen Übergang ungefähr gleichen 
Inhalts wie V. 8*'. 

Im Kommentar sind viele Fragen und die meisten AnfAh- 
rnngen der allgemeinen Bemerkungen beseitigt, auch einxelne an- 
dere Anmerkungen. Entbehrlich wSren wohl auch breite Erktl- 
rungen grammatischer Dinge wie der Wunschpartikel si VI 187 
und die teilweise bedenklichen Etymologieen V 76. 208. 702 und 
801, vielleicht auch die 825f., wo übrigens Thalta unerklärt bleibt. 
Nachzutragen ist sonst wenig; allenfalls ein Crund für ci^m IV 514, 
ein ,,dann" vor tulisset IV 079, die Beziehung des tibi V 797. das 
Wesen der Gurgonen VI 289 und älmliche Kleinigkeiteu. Vielerlei 
hat H. schou freigebig zugefügt; z. B. kurz IV 202 ßorentia seil. 
erant „prangien ' oder ausführlicher 588 sine remige portus .,Der 
Unterschied der Numeri druckt aus: ohne einen einzigen R. 
den ganzen Hafen". Auch anderwärts betont H. dichterische Feinheiten 
wie den Parallelismus III 326. VI 152 u. o., den Chiasmus III 585, 
die Stellung am Versende III 462, die Zischlaute Iii 534 und V 866, 
deren Häufung die Brandung versinnliche, die Wiederholung des 
Namens V 323, welche die Reihenfolge einpräge, und besonders 
oft den Stabreim, den er III 458 wie VI 892 durch ,,!neiden und 
leiden'' wiedergeben lehrt und VI 767 als (ii und betrachtet, wes- 
halb Procas als nächster (froximus) genannt sei. tiberraschend 
weit geht die Ausdeutung III 517 „Der majestätische Gang des 
Verses versinnlicht die stolze Pracht unsers groisten Sternbildes. 
Die drei Stäbe ir, Aur, Or entsprechen den drei Sternen im Gürtel 
des Orion*^. Auch Obersetzungen sind mehrfeicb neu hinzuge- 
kommen, je nach dem Tone des Urtextes nfichtern wie II1 138 
wrrupto ca$U tradu „unter dem verderblichen Einflüsse des Him- 
melsstriches", IV 483 monstrata „empfohlen", oder gewfthlt wie 
IV 135 sonipes etwa „der Rappe", mit welcher Bezeichnung wir 
[unsere Balladendicbter] die Voi'steilung eines mutigen Tieres m^- 



100 



iahreiberiehte d. phiUl«g. Vereist. 



binden, und VI 739 exercentvr poenis „leiden Pein** nach Ev. Luc. 
16, 24. Wie hier benutzt H. auch anderswo gern bekannte 
Parallelen, manchmal freilich etwas umständlich eingeführt. So 
vergleicht er zu Gtaium populos YJ 588 „die Kraniche des Ibyluis 
Str. 11, wo der Griechen Völker zu demselben Zwecke versamnieit 
sind auf dem Isthmos wie hier in Olympia, der Stadt im Herzen 
von Elis**. Den Wortlaut der AninerkungeD Bns bessert er ge- 
legentlicfa wie HI 6t danaf „ScbifTe*' in „Geschwader'* (eine £r- 
klirung folgt aber erst IV 313), V 10 f. Molivierung" in „Be- 
grfindang**, iV 117, V 530 u. o. „Im D. der Posili?*'; noch nicht 
das Tempus zu fugit V 243 und den Kasus neben pgü VI 159. 
In der Sacherklärung weicht er selten ah wie IV 357 utrumque 
capnt, sc. meum et tuum oder V 721 über die Fahrt des Wagens 
der ISacht. In dieser Hinsicht wäre wohl für eine neue Auilage 
noch einiges andere neu zu erwägen. 

)3) Vergilt X neide. Beek III, V, VII, IT. lo freie* Sterne» übertitst 

voo Emil Irm scher. Leipzig, G. Fock, 1889. 1890. 1891. 1892i— 
17. bis 20. Jahresbericht der Zeidlergcben Realschule io Uresdeo. — 
Vgl. WS. f. klass. Phil. Ib90 So. ]29; H. Ziemer, JB. über d. hüh. 
SeiiW. V. 

Diese Fortsetzungen der Arbeit Irmschers, deren Anfiing im 
JB. 1889 S. 351 angeseigt ist, habe ich nicht erhalten. 

14) Karl Troost, Seebilder aus Vergil. Versuch rinnr im Goeihi- 
scheo Siuae „ideotischea*' Übersetziuig. Jahrefberidit des städt. kath. 
Progymu. so Fraakensteie i. Sehl. 3892; aaek iai Veiiaf vea 6« Feek 
in Leipzig. 

Gegen Ende setner Notixen und Abhandlungen zum wcat- 

6slHcben Divan unterscheidet Goethe drei Arten ?on Obersetznngen 
und bezeichnet als höchsten und letzten Standpunkt den» „wo 
man die Obersetzung dem Original identisch machen möchte*'; 
sie fOhre, ja treibe uns an den Grundtext hinnn und erleichtere 
daher liöchlich dessen Verständnis. Diesen hohen Zweck verfolgt 
Tr. mit seiner „slilhaften" Übersetzung von Ä. I sl — 156, III 548 
- 587, Vlll ()7 1—728 und V 104— 285. Gute Übersetzung ist 
für die Schule wichtiger als Texl- und „Culei^'-Forscliung, meinen 
die Torbemerkungen. Vo6 sei trotz aller Verbreitung nicht treff- 
lich; auch W. Binder nicht, dessen Obersetxung schon in 5. Auf- 
lage YorliegL Hertzberg, dem noch keine zweite Auflage zu teil 
geworden, und üock (s. JB. 1889 S. 348) seien schwer zu über- 
treffen. Doch gelte es mit immer neuen Versuchen einer klas- 
sischen Verden tsfhring vorzuarbeiten, zumal Usi Jeder Schöler jetzt 

eine schlechte lienulze. 

Die vorhegende Probe zeigt frischen Wurf, aber durchaus gut. 
ist sie nicht zu nennen. Der Hexameter hat unnötig viel Dak- 
tylen: leichte Änderung vertrüge wohl 1 127 „unterdessen ^ (lieber 
„ißflesseii"), l li)2 „Gelahrte'S III 575 „Berges", V 148 ,,erklingel'* 



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Vergi), voi P, Dentieke. 



10t 



u. a. , wo der Vers ohne e in der Endsilbe kräftiger wird. In 
I 110 „wo in dem sandigen Rodpn wütet die Brandung*' stört ein 
Trocbäiis, der verschwindet, wenn mau das Verb ans Eode steilL 
Uolesbar erscheint I 15d: « 

,^0 Mik nieder dea Oieant Braate», als uter keilerem HtemeP, 

bis man entdeckt, dafs auch ¥111730, T 122 und 224 »«sieben- 
ffifsige Bestien*' mit unterlaufen. Der Ton des Grundtextes ist 
meist glflcklich getroffen. Von Einselheiten sähe ich lieber ver- 
mieden 1 82 das zweisilbige „thuen'S 96 „des Todes erliegen'*, 
105 und 137 das transitiv statt reflexiv gebrauchte ,,bäumcn'% 
VIll 721 „Festesaltäre" und die Betonung „Cymolhoe" I 149, 
. SRg^ri^ ' V 264 und ^^Moriner" VUl 730. Steif ist Ausdruck und 
Woristeilung III 568 f.: 

tiBadlieb edieat mit dem scheidendeo Tage der Müdeo die Windsbraa^ 
Uod aa den Strand der Cyklojwn der Kiel, der irrendi^ gleitet". 

Unschdtt klingt, abgesehen von der sebief eingefügten Anaphora, 
der Satzban und Rhythmus V2S8 f.: 

^üud es eriiort seia Gebet iu dea Xieiea der Ileigea de« PUorkos, 
HSren die Nereiden and Panepea die Jungfrau**. 

In sachlicher Hinsicht ist die Übersetzung unklar V 162 „zu mir 
her" für das hinweisende huc^ frei 194 „ha, sie nicht" für quam- 
quam o, erweitert 263 „Zierde im Frieden und Ehre" und ver- 
kehrt 265 tfViel&ch u mwand ihre Schultern die Last** = lofkam 
. . /Moni mti2if^2»MM emM wn&ri». Falsch ist auch I 155 
t^achmiedet" statt „liefert", mmistrat^ ohne dafs ein Druckfehler 
anzunehmen wäre wie bei „Rissen" 153 st. „Riffen", ünver- 
stindUch bleibt mir III 588 (wie in der Prosaüberseteung S. 11): 
„Und der SeUeier der Naeht Uelt Head nad Standen nmfangen** 

für et lunam in nimho nox intempeita tenebat. 

Sinnige Anmerkungen bringen manclierlei Parallelen und Be- 
lege bei, nicht nur aus Shakespeare, Schüler, Heine u. a. Dichtern, 
sondern auch aus Prosaikern, z. B. zn V 119 resp. VlII 695 Cic. 
Verr. V 89 urh's instar, ja zu I 85 f. creherqve proceUh Africm 
Kleins Witlerungskunde S. 75 f. Für die Wiedergabe seeaiäonischer 
Ausdrücke hat E. Lübeck aus Hamburg Hülfe geboten. Ihn citiert 
Tr. auch zuVIH71Ü, was ich jedoch nicht recht verstehe. Denn 
was soll hier „das Back, eine einfache oder gekreuzte Tauschlioge, 
welche. Hast und Rah umschliefSsend, beide aneinander fesselte'*? 
Ob die fimu „Schoten** sein sollten, ist mir allerdings schon 
lange bedenklich, vorgekommen, da man diese für schnelle Fahrt 
doch wohl eher anzieht als lockert. Aber mufs denn V. überall 
genau Bescheid wissen und unfehlbar sein, selbst im Seewesen? 
Auch Tr. scheint Landrattp zu sein, sodafs uns unklar bleibt» wes- 
halb er gerade Seebilder giebt. 



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102 



Jahresberichte d. philulug. Vereiu». 



B. Zur EotitehuQgsgeschichte und Quellenkunde. 

15) Ferd. No«ek, Die erst« An eis VerfcUi. llenBet 27 (1892) 
S. 407-445. 

Im J. 25 schrieb V. kleinmfttig an Aogustus, er kftnne keine 
Probe seiner Äneis schicken: die Sache sei lediglich begonnen 
(M aerob. I 24, 11). Das klingt nach mehr als vierjähriger Arbelt 
auffällig, wird aber begreiflich, wenn damals ein wesentlich neuer 

Plan gefafst war und nach einer Prosaskizze „particulatim", wie 
Donat meldet, ausgeführt wurde, lim kennt schon Prup. III 
34, 50 f. Der alte Entwurf wurde aufgegeben, obgleicb er in der 
Hauptsache fertig ausgearbeitet und wohl gelungen war, da ein 
. einheitliches Werk, auf einen grofsen r.edanken aufgebaut (.4«- 
g^istum laudare a paretUibiis)^ geschickt aniing, straü toit^chiill 
und phantaatisch schlofs. Diese erste Äneis ist ziemlich rein er- 
halten in unsern Bfichern I, II, IV und VL Sie sind bis auf 
einzelne Zusätze nachweisbar alt (vor 25 aazusetien), oatbalten 
keine chronologischen Widerspräche (wie die Bacher III und V), 
schllefsen sich im einzelnen eng der Odyssee an (die andern 8 
mehr der Ilias) und folgen im Grundgedanken einer besonderen 
einheitlichen Vorlage, nämlich Naevius, während der StoO* sonst 
aus mehreren andern Quellen, selbst nichtrömiseben, lOsamneD- 
getragen iin(] ziirrchtgebogen ist. 

So linket ihi l iutet das bestechende Ergebnis der tlotten Studie 
Noacks, der aul den Grundlagen von Conrads, Schüler, Sabbadiui 
u. a., die er gewissenhaft besichtigt und berichtigt, unternehmend 
weilerbüut und von verschiedenen Seiten her ,,zu einem bestimm- 
ten AbscbluTs'* gelangt. Was ist davon zu halten? 

In der Quellenfrage geht N. vom IV. Buche aus. Hi«r stfttzt 
er sieb wesentlich auf E. Maafs, der in seiner Commentatio 
mythographica (Ind. schoL von Greifswald, W.-S. 1886/7) S. XVII f. 
nachweist, dab Ovid F. III 545 f. die von V. übergangene Ge- 
schichte Karthagos nach dem Tu lo der Dido nachträgt, indem er 
Anna vor larbas fliehen (s. A. iV 35 f. und 320 f.) und zuletzt 
nach Latium gelangen läfst. Als gemeinsame Quelle bietet sich 
nach IV Serv. IV 9 Naevius. der für die Einleitung seines Punier- 
krieges passend die Erhfeindschaft zwischen Kom und Karthago 
erfand 

So sieht N. trotz L. Müller, Qu. Ennius S. 147 f. und Quaest. 
iSacv. S. XXIII vor der Ennius - Naevius- Ausgabe 1884, jetzt be- 
wiesen, was früher n. a. schon Vehlen, Ennius S. XXV, von der 

I) Auch die Amme Barce A. IV 632, welehe die Verwünschuo^eo der 
Dido auhört, die später von den Barcideo Hamilcar «nd Hannibal mllsfrrrkt 
werdea, möchte Maal's auf iVaeviaa zarückfiihren. Die Thatsacbe, dai's Äoea« 
bei V. (vgl. 1 26&r. s« IV 620; Inders VI 764) die Dido nir drei Jehre über- 
lebt, bei Ovid (657 ved 575) Jäeger, eeheiBt weder M. uwk N. xo kiiieiDera. 



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Vergil, voo P. Deuticke. 



103 



Dido -Episode annabtt: tot« Naeviana est. „Sie war gescbaiTen im 
eogsten Zusammenhang mit Roms Krieg mit Karthago und war 
nur in dieser Verbindung von Bestand und rei'ständlich**. Schon 
gleich nach Naevius hatte die römische Chronologie, deren ei*sten 

bescheidenen Ansprüchen zu genügen Naevius den Romuius zum 
Enkel des Äneas gemacht halle (D. Serv. I 273), Troja und Kar- 
thago bereits zu weit getrennt, als dafs für Dido noch Platz ge- 
iiliebeii wäre: späler giebt sich die römische Anna aus Liebe zu 
Äneas, der sie verschmäiite, den Tod, den Flammentod der Dido; 
vgl. Vatro bei Serv. IV 6S2 und V 4. INaevianischen Ursprung 
folgert N. ferner fikr den Seesturm und die FQrinlle der Venus 
in A. I aus D. Serv. 1 170 und 198 (Macr. VI 2, 31). Freilich hat 
V. ein anderes Ziel im Auge ais Ennius, da er eine Gelegenheit 
sucht* das lyrische Motiv von A. IV eingehend zu behandeln und 
vor allem A. II einzufügen. Auch dieses Buch erseheint von Nae- 
vius abhängig Dafs eine ausführliche Darstellung vom Falle 
Trojas nachgedichtet ist, hezweifplt iNoack nicht, wenn auch die 
Benutzung des „raythograpliiec lieii Handbuchs" noch nicht er- 
wiesen sei*)' Mancherlei balje \ . selbständig ausgestaltet: so er- 
lebe Äneas die Iliupersis mit, um sie der Dido erzählen zu können; 
so erscheine und websage Creusa dem Gatten, der einsam lurflck- 
kchre, wodurch es möglich wurde, die Beuteverteilung wenigstens 
zu berubren. Der Grundgedanke jedoch sei aus Naevius entlehnt. 
Vgl. aufser D. Serv. II 797 und III 10 (= Naev. Fr. 5 B., wo 
urbi St. t46t gelesen wird) sowie Fr. 7 und 10 B. (= IX und X M.) 
zu A. 1 647 die Hauptstelle aus Non. 335, 2 resp. 474, 6: blande 
et docte percontat Aeneam, quo pacta Troiam urbem liqnerit, N. hiilt 
es lür das wahrscheinlichsle, dafs I)ido diese Frage gesleilt habe. 
Nouius schreiiit allerdings das Kruchsiück beideuiai deai zweiten 
Buche des Naevius zu, und ihm folgt Bährens. Aber Müller selber 
setst es ins erste, wohl weil er das iweite der Geschichte der 
Republik vorbehält. Da meint nun Noacfc ganz richtig: dann 
kann es eben so gut früher von Dido grs.t^t sein, wie später 
vom König Latinus, dem es Muller S. XXV zuweist. Endlich 
sieht N. auch in A. VI Gedanken verwertet, die Naevius bot. 
Ui( st r hnt die cimmeriscbe Sibylle seiner Heimat Cumaf^ nicht 
übcrgangeu (s. Maafs, De Sib. indic. S. 33), aber den Äneas auch 
zu den campanischen Inseln Procbyta (D. Serv. IX 712) und Aenaria 



^) Diese Bemerkuog scheint sich gegeo E. Bethe zu richten, der im 
Hermes 26 (1&91)} besonders S. 607 Aoni. 1, bei Besprechung der gemein- 
tmn Quelle für ProUos und Apollodor (s. n. Nr. 16) leogoet, daf« Vergil 
die alteo Epen aoAittelbar benut/t habe. Dies uahm Noack io seioer 
„lliupersis" (Diss\ inaug. Gissae 1&9U. 99 S. 8) an, indem er S. 58 A.H 787f. 
auf Lescbes zarückfübreo wollte ; vgl. Paus. X 26, 1. Sonst liefert uns diese 
Dit«. tofaer Kfeinifkeiteo (8. 7* so A. III 15 f.) kdioe Antbevte, da sie nvr 
eioeo Ausschnitt (les {^rofsen Stolfkrcises pfel t: sie handelt de Eati|>idls et 
Polygooti quae ad Troiae excidium spectaut iabolis. 



104 Jafcretberitthte d. philolog. Vereini. 



(Plin. N. b. III 12, 82: ab statiim nauiimAiMae) gefuhrt wie Ov. 
Met. XIV 89 f., der sonst Vergil genau folgt. ,,Es bleibt nicht mehr 
viel [?] im VI. Buche: der Gang zur Unterwelt, die Nekyia und 
die Prophezeiung von Roms künftiger Gröfse . . . gehört Vergil", 
wenn die Anregung zu Iptztprer nirbt ptwa aus Fabius Pictor 
stammt, bei welchetn Äneas seine Zukunft im Traume vorhersieht. 

Dies sind die Quellen, aus denen sich der brdeklige Mörtel 
netzen liefs, mit dem N. sein hochragendes Werk verfestigte. Die 
Hausteine siiiii grofsenteils woliibekannter und vielversuchter Stofl", 
dessen zweckmälsige Verwendung man dankbar anerkennen wird, 
wenn der Bau hSli. Ich fürehte aber, er ist nicht Ifickeaku und 
sachlich stark genug, um uns f&r immer beruhigt eiDiaehen au 
lassen. Und wenig einladend erscheint mir das Portal, das ans 
aufgetban wird, wenn schiieiblich in I 8 — It das Prooemium der 
ersten Äneis noch blorsiiegen soll: hier vermisse ich eine deut- 
liche Charakterisierung des Helden, da ituigitm pktate virum doch 
wohl konzessiven Sinn behält. 

Was iN. sonst noch Neues zur Entstehungsgeschichte der 
Äneis vorbringt, kann ich hier nicht alles wiedergeben. Einige 
wichtige Einzelheiten mötrpn ueiiügen. Die Bücher III und V fallen 
in die letzten Jahre des Dichters, hinter VII (dies also früher ah- 
gefafst, als Sabb. meint) und Vill, vielleicht auch hinter XI und 
XII. Dagegen setzt N. die B. IX und X gleichzeitig mit III und V 
an, nicht früher, namentlich weil V. die ursprfinglich an Latiums 
Küste haftende Sage vom Schiffsbrande V 604 f. nach Sicilien ver- 
legt und dann nochmals verwertet hat, wo eigentlich ihr Plati 
war, nämlich IX 106 f., als sekundäre Episode phantastisch ein- 
gekleidet. Mit Recht betont N. ferner, dafs man auf leitgeachicht- 
liche Anspielungen einzelner Stellen keine Datierung des ganzen 
Buches hauen dürfe. Das zeigt er nnmentlich an B. VI, dem 
nachträglich V. 788— 8ü7 und 854 f. (nach Hör. I 12; vgl. Kiefs- 
liiig) zugesetzt sei. In dieser Hinsicht geht er mir noch nicht 
weit genug: wie in VI 724 f. nach 716 f., so sehe ich auch in 
11 335 nach 266, 506 f. nach 501 u. ö. deutliche Koutamination. 
Wenn er S. 426 findet, dafs uns das IV. Buch einheitlich ent- 
gegentrete, so fibersieht er vielleicht mit Absicht den zweiten Teil 
von Schölers sonst viel citlerter Arbeit. Dagegen wundert mich, 
dafs er die Vermutung G. Kettners (s. JB. VIII 172) ganz Über- 
geht, den er nur einmal gelegentlich nennt Läfst er doch wie 
dieser B. III und Y in einem Zuge entworfen und dann um IV 
herumgelegt sein. Die Wiederkehr des Äneas nach Sicilien ist im 
III. B. nicht vorbereitet, wie N. S. 418 behauptet [dort fehlt 
nur das Totenfest], sondern überrascht und stört jetzt im V. 
Wie einfach löst endlich die Annahme eines einmah;.;en Aufent- 
halts in Sicilien die Schwierigkeiten, welche N. in den Wider- 
spi üclien zwischen der Jahreszahl und Jahreszeit V 626 und 1755 f., 
IV 309 f., 430 f. oder V 814 1. und VI 338 f. anerkennen mufs! 



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Verfi1| v«n P. Deatieke. 



105 



Wenn der Dichter grundgtürzpnd seinen Plan ändern konnte, 
wird er vermutlich in Nebendingen auch später nodi N(M]prnn'j:en 
versucht haben, die sein notorisch weicher, schwankender 6\iui 
nötig finden mochte. S. 421 f. berechnet N, in sorgsamen Ta- 
bellen die vom Dichter in seiner Disposition befolgte Chronologie: 
wie för die Ereigniese der BOcber VU^XH im ganzen i + x 
(VU 615 f.— VIII 17) + 20 Tage herauskommen, so fnr die ganxe 
flandinng von der Aoswanderung bis cum Tode des ineas 74-3 
(1 266) Jahre. Und doch findet er es unmöglich, die Irr* 
fahrten in III auf die 7 Jahre zu verteilen; vgl. hierzu auch meine 
Remerkiin!? im Anhange zu III 1. la, er fjlaubt die Erlebnisse 
von Thracu'M [Troja] bis Actium auf einen Sonnnci srncchnen 
zu sollen, äodais Äneas schon im zweiten Frühjahr zu Drepanum 
lande. Hiernach nimmt er selbst für die letzten Bücher noch an, 
dals der Dichter nicht alles klar anschaute und ausdrückte. Warum 
ist also wob! Kettners Aushälfe verscbmüht? 

16) E. Betbe, VerKilstudiea, I. Dia Laokoonepisode. Rhein. Hos. 

46 (1891) S. 511—527. 

In Vergils liiupersis venmlafst Sinon vor der Stadt die Troer 

zur Aufnahme des hölzernen Pferdes wie bei Quintus Smyrn. 
XII 375, Tryphiod. 250f., Tzetzes Posthorn. 684 f., PalaephaLus 17 
und Custath. zu d 244. Nach einer andern Fassung, welche Hom. 
^500, Euripides Troj. 511 f. und die ApoUodorexcerple^) geben, 
ziehen die Troer das Pferd in die Stadt vor den Königspalast, 
um erst dann zu beraten, was man mit dem Kolofs anfangen soll, 
wibrend Sinon nur dessen Aufnabme in der Stadt vom Sigeum 
aus anseigt (Mardamisscbol. zu Lycophr. 344: ins^niptiv Siympa 
0ilftapai aitotf, iva» ita^q yivfpiai tov vnofft^tffai). Auf 
Grund dieser zweiten Fassung nun bat V. nach B.s Anstcbt die 
dem sonstigen Zusammenhange widersprechenden Laokoonscenen 
10 — 56 und 199 — 233 spater eingelegt, und zwar so, dafs er 
die V. 35 f. aus dem ersten Entwürfe beibehielt, aber schief 
pelago praecipitare 36 für das naturgemülse xaid ntigümv ßce- 
ihty der \ oi l^ifje einsetzte und V. 201 zufügte, um wenigstens 
äufserlicli die Ideiitilat des Lokais herzustellen und, damit jede 



*) Vgl. Rieh. Wagner, £pitoma Vaticaoa ex Apollodori 
bibliotbeea. Lipsiae J891 S. 280 f. Dies« wicbtige Neuheit balenehtet 
auch aodere Punkte im Vergil, oaineDtHch io den gründlichen Quellenanter- 

sochun^pf! des Herausgebers. Aufser den im Keg^ister aotei- Ahttag und 
„Vergüius'* oacbgcwieseoeu Hauptsachen ueuoe ich noch die Augabuu über 
Aaiasy Caeueus, Helenus (XXII 8 mit Deidamiai der Matter des Pyrrhus, 
vcrhf imtel). Lethe, Palainedos, Phoenix, Pirithous, Tantalus, den Tod des 
Priamas (A. II 506 — 557 nach Lesches?) uod die pietas des Aneas (S. 238). 
A.II 254 f. folgt V. wie Apollodor nicht dem Proeins, wohl aber 402 f., wo 
Ap. der jüogereii Fassung des Callimachus (Schol. Hom. ^ 66) nahesteht 
Was W. S. 210 u. 23S über Glanens' Tod (A. VI 483) sa^, halte leb for 
unsichere Folgerungen ; vgl. Hom. P 216. 



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106 



Jahresberichte d. pbilolog. Vereias. 



Kritik veistufiimef für üie Leichtgläubigkeit der Troer eine aus- 
reicbeude (zweite!) Motivierung zu schaffen. „So seUt der Maier 
in eine schon durchgearbeitete Komposition noch eine Figur aus 
eiueu) älteren Entwürfe ein , ohne sie gleicli in jeder Einzelheit 
mit der neuen Umgebung zu verbinden*'. Bei einer eEtdgülUgea 
OberarheiiuDg bfttte wohl V. aocb wetendicb geinUert, zugesetil oder 
geslricbeD, obgleich auch in den dorchnue ToUendeten £klogea 
noch einige Fngen unverdeckt klaffen [& o. S. 91 f.] und »^tm 
Kunstsinn nicht groÜB genug war, ihn Einzelheiten, die er mit 
Liebe aosgeföhrt hatte, aus Rücksiebt auf die Wirkung des Gan- 
zen unbarmherzig aufopfern zu lassen**. 

B. ihut einen wesenllicht'n Schritt über C. lioberts „Rild und 
Lied" hinaus und ülicrhoU ninh l\. Förstns Laokoonstudieu (s. 
JB. 1891 S. SOOI, die er nicht kennt, insoiern, als er zeigt, wie 
leicht skh die zu ei Scenen ausheben lassen, znuial da 233 ein 
llaibvers ist. leb möchte zur Untersiützuiig seiuei auch von 
Noack vertretenen Annahme noch betonen, dafs 234 die Person 
in dividiam gegen feruiu 230 wechselt und daiSi der Bericht in 
beiden Scenen kurz abbricht; vgl meine Anm» zu 55 und 225. 

17) F. Noack beapricbt und modifiaiert in den GMting. 6eL An- 
zeigen Nr. 20 vom 1. 10. 1S92 auf S. 769—812 die Ergebnisse 
von Franz Kehmptzow, De Quinti Smyrnaei fontibus ac mj- 
thopoeia (Diss. inaug. Kiel 1891. 72 S. 8). Dabei kommt er 
auch mehrfach auf V. zu sprechen, wie bereits Kp!im])tzow S. 52, 
56 und 68 f. Dem „gelehrten** Quintus lagen die allen Werke des 
epischen Cyklus nicht mehr vor, wohl auch kein Varianten- und 
schilderungsreiches myliiograplik<ihi s Handbuch, sondern vermut- 
lich nur ein sehr schlichtes Gerippe, am ähnlichsten vielleicht 
dem Auszug der Apuliodurschen Bibliothek. Als Uauplvuilage be- 
nutzte er nach zweckbewufsten Sammlungen Homer, aulserdem 
Hesiod, Euripides und Sophokles, Apollonius und Lykophron nebst 
ihren Kommentaren, endlich vielleicht Ovid (f&r die onlmv x^ltf»c 
und die Hemnonscene) und sicher Vergil, und surar trota Rdcblys 
Widerspruch im Urtexte^). Den überzeugenden Beweis hierfür 
entnimmt N. daraus, dafs sich Quintus nicht nur viele Einzel- 
heiten aus A. 11 für Buch XII und XIII, einzelne auch aus A. XI 
und XII fOr B. I u. a. angeeignet hat, sondern nnrh V.s eigenstes 
Werk, namentlich die Laokaon -Episode mit ihrer absonderlichen 
l>l.^[)^)silio^. So verdankt Calchas dem V. den Ruhm, den Bau 
dr's Ho.sses angeregt zu haben, da mv\\ V. 44 Sinon den Einfall 
nicht dem Odysseus zuschreiben konnte (S. 811 Nachtrag). Vun 



^) Eine griechische Übersetzunfr, wie sie Meioeke, Anal. Alex. 370, für 
4ie Georgic« aDoimnit, gab es für die Äoeis aieht; a. Dünger, Dictya-Sep* 
tiniu 20. Auch Tryphiador kennt nnd kenntet nnmiltelbar den V., wie Noack 
in Hermes 1892 S. 467 f. aoiftthrt 



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Varfil, von P. Oentieke. 



einer mittelbaren Benutzung V.s, etwa durch das Werk li»^-« viel- 
besprochenen Pifiaudei , der höchstens A. Ii dem V. nachgeilichtel 
haben liüonte, ist nach N. nicht mehr zu reden. Auch V.8 
Abbäogigkeit von Luphurioa lär^t sich au^ dem, was wir suust 
voD dessen Troika wissen (G. Knaack, Jahrb. f. Phil. t37 
(1888) S. 146 t)» nicbl nachweisen; so N. S.796^) i;cgen R. För- 
sters Annahme, aber die JB. 1891 S. 361. 

IS) Gattkoli Bttis, Acheruntica sive desceasaom apnd vetarea 
anarrotio. Leipz. Stud. XIII 2 (1891) S. 249—410. 

Der Verf. verfolgt seinen Gegenstand in der klassischen Litte- 
ralur bis nuf Lucian und Ausonius herab. Dabei wird auch V. 
gehübrerul bedacht. Zunächst durch allerlei verslreule Hinweise 
auf Parallelen seiner Vorgän*?er und Nachahmer. So helrachlet 
L. Damentlich S. 3166) die Orpheusepisode G. IV 452 f., die nicht 
nnr in Senecas Herkulesdramen »iederbuil anklinge, sondern auch 
bei Ovid Met. X Anfang, obwohl dieser auch die alexandrinisehe 
Vorlage (Nicanders Ophiacat s. Macr. V 22, 9 f.) gelesen haben 
werde. Im Zusammenhange wird S. 349 — 360 die Nekyia des 
Aneas behandelt und auch VV. Ribbecks Anhang mehrfach ergänzt: 
zu A. VI 247 f. und 601 vgl. Apoll. Rhod. III 1207 f. und 62 f., 
zu 641 und 657 Find. Ol. II 61 f und Fragm. 107, 4f. ß.; auch 
zu 265 {Chaos = Oi%a6) Fseudo-Piat. Axioch. 372 A und Ues. 
Theo-. 814^), 

lu der Auswahl und Verwertung seines S(olles iinüet E. den 
Dichter anvergleichlich geschickt; weniger stark im Erfinden, ^ieu 
nennt er in seiner Musterung der Fortschritte V.s, abgesehen von 
Kleinigkeiten wie dem einschläfernden Klofs und dem goldenen 
Zweige'), namentUch die später viel nachgeahmte Enkelseelenscbau. 



„PhtotiaieB griaehiseh-arphiiebeD Urspraogs'* eothält aaeli das jüngüt 
io eioem 'ai^yptischeo Grabe gefuodene Bruchstück der Apoka I y ps e des 
Petrus (mit dem Brucbstück des Petrus-Evangeliams hrsp. von Ad. Harnack. 
Leipzif;, J. C Uiarichs, 1893)} derea Verf. oio Vorläufer Uautes ist, iodem 
er Hiarnal vad HVlIa aabant uod aehildart. RSnDtan hier etwa aaeh Spuren 
von Vrrfrils Oiifllen hervortreten? Der Ort der Gerechten strahlt im hrll- 
stea äonaeugiaaze (vgl. A. VI 640). Dein eotsprecheod tragen die Bewohner 
laadkteadaa Gawtad (nivta vUta 665 ?J, wie vmgekehrt die Leute in der 
BStta dvakles. Wfikraad vorliar Eagal die Strafe vollziehen, leiden die 
Sünder in V 27 unüTtyojutvot vnb nviv/attTüiV novijQtüiv (vgl. Tisiphooe 555 
uitd 571). 1(0 Ort der d^oal liodet sich ein grofser Pfahl, gefiiUt mit auf> 
aiadandam Kota (ßopßo(H>Vy so 462 oder 550 f). Biazelliaitaa führt „Petmi** 
21, 25 uud 26 mit tt<Sov ein, wie di^^ Sibylla 5S2 und 5b5 mit i/di. 

^) Vgl. Schwartz, iudogermaoischer Volksglaube S. 71 f.: bei den Kelteu 
bcifst die Mistel „Goldbaum". Kecks Gleichselzung von Mistel und Gold- 
zweig verwirft E. S. 359 Anm. 3, obwohl er S. 258 aiaht abgeneigt scheint, 
die Mistel für das hülfriiilic ^>f^^;i^•h^■ tu hrilrcr), das nach orientalischer 
Sage (Jeremias, Die babylooiscti-assynschea V orätelluDgeo vom Leben nach 
daai Tada. Laipzig 1887) König Nimrod bei saloar Fahrt In dia GalUda dar 
•Saljfao, wa ar aaiaaa Ahnaa Naa hafragaa wiU^ vom Baamwipfal pflSakt 



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10S 



Jikretlerieht« 4, ^hiUUf. Vereiis. 



Das ganze Bild der Unterwelt vollends stellt er hoch äber das 
der Vorgänger: während Homer einfach Männer nnd Fraoen 
scheule und sie willkürlich ohne ihr Verdienst dem Elysiiim oder 
dem Tartarus überwiesen sein las^e. während auch bei Hesiod 
(Theog. 746 — 806) und Arisfoplianes (Frösche 141. 145. 154) nur 
schüchterne Sondenm^svei suche vorliegen, vei teile V. planvoll 
örtlichkeiten und bewuhner. Dies venianken wir seiner andern 
Wcllansdiauung, die er sich mit Iliilfe der griechischen Philo- 
sophie gebildet hat. Anklänge stoischer Lehren hört E. in den 
Versen 724 — 730, bestreitet aber einen Ein&ufii Zenos, wie ihn 
Hiriels Untersuchungen zu Ciceros philosophischen Schriften II 1 
S. 2& Anm. 1 annehmen. Den Plate dagegen kenne V. au£i beste. 
Im einseinen wird seine Abhängigkeit vom DichterpbUosoph«! 
nicht nachgewiesen und auch S. 306 f. dessen Lehre nur kurs er- 
örtert. Daher verweise ich zur Ergänzung auf Karl Thiemann 
(Die Platonische Kschntoloi^ip in ihrer genetischen Entwicklung. 
Progr. des Leibniz-Gyran. Berlin 1892), der zwar Vergil mit kei- 
urni Worte ersvfihnt, aber indirekt in mancher Einzelheit be- 
leuchtet. Aus dieser scheinbar schwankenden (Irundlage des erst 
allmählich entwickelten und befestigten Systems bei Plato erklären 
sich vielleicht auch einzelne Unklarheileu im V., namentlich be- 
denkliche Beruhrungen zwischen mehreren Gruppen der „neu- 
tralen'^ Seelen, die doch wohl auch geprüft und gelltttert werden 
• sollten, und den Römerseelen in und neben dem Elysium; vgl. 
JB. 1891 S. 365 itt E. Brandes, dessen grilndliehe Vorarbeil E. 
nicht gekannt und benutzt hat. Sonst ist ihm fär V. wohl nichts 
Wesentliches entgangen. Kleinere Versehen laufen bisweilen unter : 
die Buchzahl ist S. 26P) und 355 verdruckt und S. 349^) Hek- 
tors Auferstehung II 270 übersehen. Nicht einverstanden bin 
ich mit dem Unterschiede, der S. 353*) zwischen A. VI 602 f. und 
den Nachahmern Val. FL II 192 f. und ^tat. Theb. 1712 f. fest- 
gestellt ist: gräfslich heilst bei litzipren das Mahl doch wohl 
wegen dei Anwesenheit der Furie, während es an sich wie das 
V.s prächLig sein wird; und dafs die Furie dazu einlädt, ist ver- 
mutlich nur krasse Ausmalung des Vergilschen Motivs. Zum JB. 
1889 S. 408 vgl. jetst auch den Anhang zu VI 602 bei Lad.- 
$cb.*D.". Wie hier Ribbecks oder Madngs Vorschlag, so befür- 
wortet E. auch S. 352*) kritisierend die La. firmmta 486, deutet 
aber dies Verbum, anders als Ribb. Prol. 294, als Ausdruck reger 
Freude und neugieriger Teilnahme wie X 96, XI 132 und Val. Fl. 
11 119. 

Auf Denkmäler der bildenden Kunst läfst sich E. nicht näher 
ein , da er nicht Archäologn von Fach sei. So bleibt eine Er- 
gänzung seiner Arbeit noch zu wünschen. Ein beschranktes Ge- 
biet behandelt Aug. Winkler, Die Darstellungen dor Unterwelt 
auf untenialibchen Vasen, Bresiauer philol. Abhafidl. LJd. III Heft 5 
(1888) 92 S. Auf Vergii scheinen die hier besprucheueu helle- 



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Vargil, TOtt P. DeAti«ke. 



109 



nistischen Amphorabiider das dritten Jahrhunderts keinen EinOufs 
gefiht zu haben: der Palast des Hades, Hecate, PirtthouiS, Sisyphus, 
hioD u. d. weisen weseniiicbe Uaterscbiede auf. 

19) KirlBanr, Homarisefce Gleichnisse io Vergils Änetde. I.Teit. 
p!re§r. der Freisioger Stadienanstaltea. Der XLI. Versammloog deat- 
seber Philologen . . gewidmet. Freisiog 1891 S. 87—67. — Vgl. 

G. Ihm, Gymn. 1892 Sp. 439. 

Verl. ^ielit, wie P. Cauer im Kieler Progr. 1885, einen Bei- 
trag zur Würdigung der naclialinienden Kunst Vergils, indem er 
etwa 20 Gleichnisse aus A. 1-lX erörtert, die ein Bild Homers 
zar VeranschauGchuDg derselben Saebe verwenden. Da aus Ranan- 
mangel gteicb Tiel Gleichnisse aus den letzten vier (drei?) Ge- 
sängen noch nicht besprochen sind, zieht fi. noch kein endgül- 
tiges fingebnis. 

Immerhin ist ein Urteil Ober V.s Verhältnis zu Homer schon 
jetzt gewonnen. Zunächst äufserüch: während Homer in der 
Kegel eine Anfajtodusis hietet, die seine Zuhörer mit u)g in klar«T 
llinweisung zum Faden der Erzählung zurückführt, ja gelegentlich 
wie B 781 und 0 306 xal ngoUyttat nal imldystat, fehlt 
sie meist bei V. (von etwa 80 Gleichnissen rund 60 mal), da er 
für ein lesendes Pnblikiim dichtet; er verbindet sogar in abge- 
kfinteno Verfobren Protasis und Antapodosis, indem er I! 496. 
V 144. IX 710. XII 921, wie auch Goethe, Herrn, und Dor. IX 294 
u. ö. , den Vergleich mit „so" eingeführt. Aber auch im Inhalt 
giebt es wesentliche Verschiedenheilen. So ist V. im Nachteil 
1 498 f.*), wo zwar das Seelische fein ausgemalt, aber das Ter- 
tium nicht scharf betont, die Situation übersehen und der wich- 
tige Zug xaXal 6s jf iiäacti neben deas ausgelassen sei. Auch 
anderwärts betont B., mehrfach gegen Heyne, Thiel, Weidner, Geb- 
hardiy Brosin, dais Y. hinter Homer zuröckstehe. Ihm fehle z. B. 
iodividaelle Frische und Lebendigkeit V 448, wo cooa keine glöck- 
liebe Zutbat zu N 178 aei, während der unmittelbare Grund des 
Baumsturzes ausfalle. Weniger Naturwabrheit atme II 416, wo 
statt des Waldes die Winde individualisiert seien, ohne dals ihr 
Zn^nrnmenpral! recht zur Geltung komme, oder IV 253, wo das 
charakteristische tintauch^n der Möve in V. 255 nicht klar wieder- 
gegeben sei. Auch IV btiii Ündet ß. den schlichten Aufdruck 
Homers ergreifender als V.s markanten Ahschlufs. Dagegen loht 
er manche selbständige Wendung V.s wie 11 357 die daheim lech- 
zenden Jungen uud IV 300 die Ausführung des einen Zuges von 
Homer JIC460 (kukvadh ta^. Der Situation mehr gerecht zu 
werden sucht und weifs Y. II 379. YHl 589. IX 59 und nament- 
lich $51, wo Homer in seinem umfangreichen Gleichnis nur einen 



^) Die eotsprecheodeo Homerstellen bietet u.a. \V. Ribbeck, de.ssen 
VerweisoD^ voo VII öba auf X 093 B. loir^versiaadeu hat, weou er S. üU^) 
eiiea IrrtoB fi.s soDimiit 



110 



Jahresbericht« d. philolef. Vereiie. 



Vers (M Ab) 7MT Aiitapodosis in Bezieliung setzt. Der Haupt- 
fortschritt V.s beruht nämlich darauf, dafs er sein Bild mit dem 
Verglichenen möglichst genau und weitgehend übereinstimmen 
läfst; typisch ist hierfür VII 462 (vgl. die naive Vorlage 0 362) 
UDd 586 (vgl. Brosin). 

Als Vertreter seiner Ansicht dArfte B. auch G. Kettner be- 
grufsen, der in der Zeitschr. f. deutsche Philologie XIX (1886) 
S. 25t bei V. die Einheit der Stimmung mit dem Verglichenen 
gewahrt sieht, wie umgekehrt P. Cauer dem Homer in der BjtI. 
Phil. WS. 1889 Sp. 141 einen gowissen Mangel an logischer Per- 
spektive zuschreibt und im Hbein. Mus. 47 (1892"^ S. 74 f. näher 
nacliweist. Üb uberhaupL Atiregung durch Iluiner anzunehmen 
sei, bezweilelt U. zu II 496, wo V. dem Wogendrang das Ein- 
dringen einer Kriegerschar vergleicht, nicht eines einzelnen Helden, 
wie das Homer S 87 thut, der sonst sein Bild reicher ausstattet 
und anschaulicher gestaltet. Könnte nicht auch noch andres eher auf 
eigne Erlebnisse als auf hewubte Nachahmung litterarischer Vor- 
bilder zurflckgeben? 

20) Gaetaoo Qt"^^''i» Sali' Ene« Virgiliano. Memoria .. letta 11 
26 Sattembre 1892. Atti • memorie della R. Aceadenia Virgihaoa. 
Biennio ]b91— J892. Maotova 1893 8. 149-166. 

Ein warm empfundener Vortrag lur Feier von Verglls Todes* 
tage. Im Gegensatz zu dem landläufigen Urteil der Neuaeit, die 

V. gegen Homer herabsetse, ohne die Zeiiverhältnissc zu wür- 
digen, lietont Qu.: V. war ein von sokralischer Weisheit berich- 
tigter Homer, Uichfor und Philosoph ztit^lrich. Sein Held zeigt 
Schönheit, MännNcbkeit, hiM und Tugend wfise gemischt. Mehr als 
Achill, das Ideal eines jugciidkriltiigen Volkes, entspricht ihm S( hon 
Huktor. Aber Äneas übertniii diesen durch seine pietas (XI 292) 
und durch erleuchteten Mut (VI 105). Einige Mängel inderZdeb- 
nung des Helden werden sugegeben, im allgemeinen aber sein 
Wesen als musterhaft gepriesen, weil er auch allgemein mensch- 
liche Tugenden übt: Pflichtgefühl. Gerechtigkeit, Leutseligkeit, 
Mitleid. An Augustus erinnern höchstens einzelne Züge, die sich 
zufällig spiegeln; viel mehr an V.s eigene Laulerkeil und Empfind- 
samkeit. Unter nnderü Beispielen, die aus der Geschichte und 
Litteratur herangeholt sind, prangen Wilhelm I. und Moltke, weil 
sie gleich unserm Dichter böheru Ruhm als kriegerischen kann- 
ten und empfahlen. 

Nicht vorgelegen haben mir folgende twei Arbeiten: 

2t) Ooorato Occiuoi, Seritti di letteratara latioa. Patavia-Torino 
1891. XII n. S82S. 8. 

In der BerL phiL WS. 1891 Sp. 1421 f. berichtet P., dafs 
der Charakter der Dido und V.8 griechische Vorbilder gut behan- 
delt seien. 



Vergil, Yoa P. Dtoutieke. 



Iii 



32)AIfr. Rebelliaa, De Verjjili« in i nf orm a n d i niuliebrtbus 

iuae sant in Aeoeide persouis iuveotore. ibesis . . . Paris, 
tebatte et tomp* 1892. VIII n. 168 S. 8. 



G. BesprechuBgen einzelner Stellen. 

23) Jan Kvicala, Nove kriticke a exegeticke pTispevky k Ver- 
ffiliovS AeneidS. Prag 1892. 160 S. Ux. 8. ^ Vgl. O. Güth- 
Uag» »tri. PhU. WS. 1892 Sp. 1887. 

„Neue kritische und exegetische Beiträge zu Vergib Äneis" 
nennt sirh auf deutsch die vorliegende Arbeit, die unter den 
Schriften der böhmischpii Akademie veröfTentliclit ist. Weil 
deiitsrhe Philolofjen den Verf. bisher günslif,' beurteilt haben, 
stellt ein doutsrher Auszug S. 121^ — 140 aufser den Ergehnissen 
auch die Hnupipuakte der Beweisführung zusammen. An ihn 
halten wir uus. 

Kv.s Ton und Standpunkt ist bekannt; s. JB. 1882 S. 114 
un4 159. Mhere ErkUrungen werden gelegentlich aufgefrischt 
imd weite^efQhrt; so Irahandeln schon die VSC. Merkurs erfolglose 
Sendung 1 297 f. , das monologische Ifftt 463, die Termeintlicbe 
LOcke hinter divae 505, die La. paret zu II 121 und schon die 
fiB. erwähnen $. 402 den Vorschlag ^a) morte iX 348. Manche 
angefochtene St^üe verteidigt Kv. [Namentlich geg^n Rau I 80, 
gegen fleidfminn fl 23f., 59f., 65 f., 84, 93, 126f., 15t und 
169 f. (aber ilin Aussclieidung von 95 billigt er), gegen Hiitlicck 
VII 146 f., Vill \ gegen Kloucek, den er oft in überlegenem 
Tone bekämpft, VIII 41 f. u. a. 

G Aiblings Athetese ?on Xt 593 f. findet er nicht unbi^rAndet, 
betent aber schliefslich lieber den Mangel der lettten Feile. Auch 
sonst entschuldigt er den Diditer; z. B. wegen der Namen Äi- 
twmia arm und Erffck fnnn I 569 f., welche Dido eigentlich nicht 
kennen kftnne, und wegen der Inkongruens 11 260 f., da 18 und 
anderwärts viel Krieger im Rosse stecken. Eine leise Anklage 
hört man bei VI 612, weil nicht jeder Ehebrecher, auch der un- 
•rtappte, seine Strafe in der Unterwelt finde. Unfertig nennt 
Rv. die Partie VII 107 f.: die Verse 122 — 127 möchte er als 
gleichzeitig entworfene Variante des übrigen, bewuist auf Buch III 
zurück bezogenen Berichts betrachten, der zuliebe V. vielleicht in 
III dann die Harpyiensoeoe beseitigt oder gekfirst und das Lebens^ 
ende ides Anchises ausAhrficher und noch wirmer behandelt haben 
würde. Da iKe Verse 122 f. V.8 Diktion zeigen, wird hier keine 
Streichung empfohlen. Dies geschieht sonst öfters. Nicht nur, 
wo Überlieferung oder Sachverhalt unsicher erscheinen wie VIII 46 
Oller IX 363, sondern auch bei allerlei Anstöfsen im einzelnen. 
St) Yoj wirtt Kv. II 74 f., wo V. 76 von einem zweiten, späteren 
InterpolaLor herrühren soll; ferner V 360 (s. S. HS), Vü 134, 
439 und 624 (625 sei eguts nach Macr. Vi 1, 54 zu lesen). £iu 



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112 



Jaliresberielil6 d. pliiloloff. Vartinf. 



doppelter Vorschlag findet sich IX282f., wo entwedei iantum 282 
. . . tadat 883 zu streichen sei oder V. 283 ^?anz, wenn vorher 
secundet st. sectnida geschrieben werde, und 403, da dieser Vers 
ganz fallen soll oder wenigstens et . . precatur. Ähnlich sollen 
auch 1 219 und II 136 durch Beseitigung der Worte nee . . üo- 
co/tu und si'. . Münem Halbverse übrig bleiben, welche aber ein 
Zeichen von Unfertlgkelt, keineswegs endgültig vom Dichter be- 
absichtigt sein worden. . 

Über manche von diesen Fragen wird mancher anders den- 
ken als Kv. Namentlich glaube ich, dnfs die äuf?erlich bcohach- 
tele AUilteralion (s. iintdni Nr. 47 f.) wenif; liir die Editheit 
mancher SUille spricht, wie das Schweigen des Servius oder D. Serv. 
(1 218) dagegen; vgl. E. Albrecht im Hermes 1881 S. 428 f. Auch 
im einzelnen folgt Kv. öfter dem Serv. und sucht gelegentlich den 
Wortlaut der Scholien zu Terbessem; so 1 238 und 560. 

Noch wertvoller erscheinen die umsichtigen Einxelerklärungen, 
welche vielfach neue Anregung gewähren. Entschieden gebe ich 
Kv. Aecbt bei VII 52 servahat sede» = sie weilte trotz allen Be- 
werbern noch immer im Vaterhause und 71 adolet, Suhj. Lavinia. 
Beachtung verdient auch VIII 693 tanta mole Abi. der Eigenschaft 
zu puppibus^ das zu instant gebörp (s. XI 529), also: auf solchen 
Kolossen von Schiffen stehen die Männer; IX 243 adfore^ seil. 
nos (V. 186 f., 207 f., 315 f., 384f. zeigen, dafs V.s Helden wie 
die Homers zweierlei beabsichtigen: dem Äneas Nachricht zu 
bringen und den sorglosen Feinden Gut und Blut zu rauben) ; 
X270 eof&i Lokativ, för dessen Anwendung im Lateinischen 
S. 98 f. eine lehrreiche Liste bietet wie S. 73 f. zu VIII 520 för 
die verschiedenen Konstruktionen von vix. Willkommen sind 
ferner mancherlei neue Parallelen wie VII 27 zum intransitiven 
ponere X 103 und Ov. Her. 7, 47; aufserdem vgl. 200 qualia multa 
= otd ff noXlä, vor Apoll. Rhod. IV 1554 schon hei Hom. X 536; 
309 in omm'a (orunis facies \li 89]) verti = navroXov Ylyvtö^ai 
bei llerod. Hl 124, VII 10, IX 109 ; 330 acuere = olvvsiv, 
^r^iP u. d. hei Her. Vlll 138, Dem. XXI 2, Sopb. Tracb. 1176, 
Aias 584 ; 641 movere » ie«ys7y Sopb. £1. 18 und Apoll. Rh. IV 
1299. Mit manchen Annahmen Kv.8 kann ich mich freilich nicht 
befreunden. Dabin gehört II 16 secta o^efe Abi. des Stoffes zu 
costas [s. 186}; VII 241 repetit, nSmlich Äneas, der auch 243 aus 221 
und 234 als Subj. zu denken sei; 286 sese referehat, in die 
himmlische Götterwohnung, und 582 Martern fatigant, sie lassen 
den Krieg nicht ruhen, heschättigen sich angnlegentÜch mit ihm. 

Wiederholt wägt auch Kv. die La. verschiedener Hss, gegen 
einander ah. Meinen vollen Beifall hat er namentlich bei II 90 
pdlads (das Adj. bildete V. aus peüaeia\ vgl. Lucr. n 1004 f.), 
vn 98 vmknt (vgl. 270 odfare) , 363 Mt fM« [s. JB. 1889 S. 384] 
und VIII 581 9okt et arüf gestellt wie pkwvov %%}Mri^ov bei 
Hom. i 482 und 19.. . Ansprechend empfiehlt er auch VII 528 



Vergii, vao P. Deatieke. 



113 



ponto St. verUOj indeai er aufser G. III 237 noch üoni. J 424 be- 
tont, woher anch da» adverbielle prAno = td ftfmva za erklären 
sei. Bedenken habe ich gegen incmdiU YII 514, weil von deft' 
angeblichen Parallelen höchstens eine (MÜiit, IX 500, nicht aber 
X 895 und XI 147. Bier legt Kv. der Allitteration {Tart. intendit) 
kein Gewicht bei wie sonst in der Regel, z. ß. bei manet VII 412, 
intremuü 515, nubila 699 und cns^s IX 400. Seine Gründe für 
X 317 cid und 5H9 arwi^ ich nu Iii (iiirchschlagend. Eigen- 

artig liest er IX 274 insuper his campis^ quos aus verschiedenen 
Hss. zusammen und vermutet hinter Latinus eine Lücke, sodafs 
der Gedanke wäre „obendrein wird dir auf diesen Feldern . . ein 
Grundstock als Ehrenanteil fikr deine Verdienste «sufallen**. Die 
zu YII 703 aus untergeordneten Hss. benrorgezogene La. examiM 
6t. ex agmine empfiehlt schon J. Mübly, was Kv. wie andres der 
Art im Apparat meiner Textansgabe hätte finden können. Dazu 
bemerke ich, dafs M meist exagmen schreibt (s. JB. 1891 S. 343) 
und nach Ribbecks Facsimile die Kapitalhandschriften aufser R 
die Worte nicht trennen. Ilnnütitr endlich erscheint mir, was zu 
IX 492 aus einem Prager liand.schriftüchen Bruchstück mitgeteilt 
und empfohlen wird: solum terraqm marttiue secutae st. hoc sum 
i, m. secuta. Ich fiaisse hoc (anders als U. Kern im Progr. von 
Schweinfurt 1881 S. 44) als Akkusativ, sodafs der Satz in 
schmerzlicher Ironie besagt „dies also ist das Ziel, das ich zeitlebens 
. • verfolgt habe". 

Gegen unsere alten Textquellen vertritt Kv. II 576 E. HolT- 
manns sceleratae [schon Vnlesius - Heyne] , VIII 211 Wakelields 
ra-ptoT. \ 79 0. Müllers generis, 366 Madvigs aquis und zu meiner 
Verwunderung XI 813 (iülhlings pavitans. Auf eigne Hand ver- 
mutet er II 62 mi servare dolo se für seu venare dolos, oder 
auch [!J se servare dolo seu ohne mit; 170 res für spes; VII 215 
regiooe, 284 (a> dmü dtdtsgu«*), VID 94 rem^imn (s. S. 135"^), 
346 tetialumquB [wie Sabbadini, ohne Kenntnis meiner weiter- 
zielenden Vorschldge], 374 inf$$tabani für vattabani [Cäsur?!], 
IX 84 domUintm . . Olympi für domito te . . Olympo [angeblich 
gefälliger zu konstruieren als VVaddels domitor te\ aber die An- 
rede bleibt ja in ftia], 486 heu nec für nec te, 676 umeris für 
armis (durcf» 725 und — die Allitteration empfohlen) und XI 567 
nllts oder illum für uUae [vgl. aber Liv. 22, 39, 13]. Ohne nähere 
Jkgründung verzeichnet Kv. im Anhange noch drei Verbesserungs- 
vorscbläge von sieb, nämlich Y 59 poscamus genitoremt hüte ut 
m» s. fu., TU 266 praes [unpersönlich T] für pars [atiigisse för Mig, 



1) Kv. vergleicht ab hi* bra Ov. M. III 273, IV 329, VIII 601, ab hi» 
prncrrpfrs Liv. 34, "M, ^5 u. d, m. Aher da habea Hf^^p^vf^hum und 7rit- 
bestimmuDg überall gleiciie» ^»ubjekt. Mithia waren böchstens Aasoaluiie- 
fiÖI« Malo^ wie Liv. 24, 22, ü and 39, 1; vgl. ^ Listen vod PifBers Lex. 
Liv. I Sp. 128 f. and Meuaela Lex. Caes. I Sp. 41. Aaeh die GÜnir widerstrebt 
vi>h! Her Venriutung Kv.l. 

JahrMb«riobte XIX, g 



114 



Jähret b^rlckte d. philolof. Vareiai. 



iftl Sdu<«ib- oder Druckfehler] uad Ol 461 effusQ fOr in f., Mnie 
ein DttlioDd AtbeleseD und gegen drei UuUend andre fiinftlle von 
R. No vak, unter denen er IV 614 ri för et eebr annehmbtr findeL 
Mir ersebeint einzelnes verstiegen, wie II 422 ftiws för prim, 
anderes gewagt, wie V 448 labitur för das zweite concidü und YII 
598 rapta für parta [nach mim?]. Das meiste aber klingt gerade- 
zu trivial: so II 235 accedmt für accingunt, III 55 f auii vi (s. 49), 
697 cuncti für iussij V 344 e für iti, OPl nie fm tu, VI 359 me 
für cum, VII 176 roncumhere für consc.ien', \ 2H1 elisis oculis 
u. d. Auch corain dwa 1 505 und super Alpes mittet X 13 wird 
höchstens dem Suine gerecht, liegt abnr |)aläograf)lnsch ziemlich 
fern. BeachluDg verdient vielleitiii III 271 DuUckioii, da lauter 
gvieehiaclie Namenefarmen daneben sieben. 

24) P. Weizsäcker, Za Vergil. Aea.175— SO. Korr-BL f. d.Gd.-i. 

Rptlscb. Württ. 38 (169]) S. 3S9 f. 

Die kurz angebundene [?] Antwort, die Äolus der Juno giebt, 

erklärt W. so: ,,Die Tragweite deines Wunsches hast du zu er- 

mf'sjien, nicht ich; gehorche ich, so burgsl du (ronnJws — rer.) 
mir im Juj)piters Gnade. Ja, du verleihst mu* dt ii Sitz an der 
Gülterlalel, und du bist es, die mir (jetzt) Vollmacht erleilt, Wind 
und Wetter loszulassen". Also Äolus gehorche ungern, gleichsam 
im Vorgefühl der drohenden Büge 138 f., wie ihn üenn Juno 
auch 71 f. erst durch Versprechungeu verlocke, seine Pflicht zu 
verletzen. 

25) Paul Weylaod, VergiU Beschreibung des libTseli«» Hafeaf 

f \ea. 1 159—169). Progr. d Gymn. 7u Gartz a. 0. 1891. II S. 4- 

W. unterscheidet zwei Teile: von V. 166 an werde der Hafen 
selbst beschrieben, vorher seine Umgebung. Vor einer tiefen 

lUicbt [lonyo secessu) liege eine vierseitige Insel, die vom Meere 
auj^ hyihkreisförniig erscheine, da die an die Ser^eiir grenze Tiden 
latera muienartig ins Meer vorragen. Die beiden scopuli erhöben 
sich auf der Insel, unfl zwar an beiden Enden der Ruckseiie, 
welche dem Küstenzuge parallel laufe; sie seien gegeneinander 
geneigt, sodafs zwei Feishühlen entstünden, unter deren Gipfel 
das Wasser spiegelglatt ruhe. Hier berge Äneas dann 310 f. seine 
Scbüfe. Aach der Wald sei auf der Insel tu suchen , da er das 
ilafonwasser gegen die Seestürme schutxen mQsse. So erkläre 
sieb schliefslich die frmu advena nngezwungen als die der Insel 
gegenüberliegende Seite. 

So gründlich und einheiüicb die Beweisführung auch vor- 
geht, möchte ich doch lieber im allgemeinen an dem festhalten, 
was kvicala, VSt. 58f., annimmt und Phlfs, V. u. d. ep. Kunst 
10 f., meist billigt. W.g abweichende Kt uiung der Parallele G. 
IV 420 ist gewagt, wenn die llölile des l'roteus auf der Seeseile 
oHeu und nur hiuLeu von einem Keisenricgel durchzogen sein, 



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Ver^il, von P. Deottck«. 



115 



gleichwohl aber vorn einen Nothafen bilden soll. Auch so wird 
die aHe Erklärung der sunt» reiußli ik haibkreiiförmiger Bogen- 
KnieB der turiekgeprailteo Welleo Hiebt Aberaeiifind gestfltzt 
Die LdmI selber deiike ieb mir io gelegeo, dafe sie zwei Seilen 
(Plüb: die Brust) in stumpfem Winkel der See enl^enstreckt 
Eine gewisse H^Im nwfii «ie haben, am Seestärme ab2uhaUeii. 
Aber Sicherheit gegen räuberische Menschen zu bieten ist srhwpr- 
lirh die Aufgab? eines Hafens. Die beiden Felsen vermute ich nn 
den zwei Landseilen der Hafenbucht, hinter der rechten und linken 
Spitze der vorgelagerten Insel, sutlaLs sich hier die Wogen brechen, 
die sonst noch durch die zwei schmalen Meerarme zwischen Insel 
und Festland eindringen könnten. Dafür sprieht aufeer der 
Analogie bei Homer und bei Tarne X? 42 nameotlieb noch Pli- 
nittB £pi9t VI 31, 15£, wo, wie Sabb. Sind. criL S. 13 dartbat, bei 
der Beschreibung des liünsUichen Hafens tob dTitavecchia V.s 
Worte mehrfach anklingen. Das absolute (vherms endficb, das 
W. mit Kv. auffällig findet, steht auch VI 418 und 552 = „dril- 
hen", ebenfalls auf die Stellung des Beobachters, nicht auf die 
unmittelbar vorher heschri^ne Örtlichkeit bezogen. 

26) Schle oge r , Erkiäreode ßemerkougeu uod Verb esseru ags- 

vorseJIiläf« a« «inigeo Stellen noserer S«kiilkla«sik6r. 
PMfr. dM fiysio. M lUiia 1890 & 19—16. 

Verf. deutet zwei Stellen der Äneis, bei denen sonst den 
Erklärern „das Pferd dnrcbgebt**: I 403 sei mirrotiae einfach = 
gDttlicb, IX 44S f. d<mus Ameae = das romische Volk, pattr Ko- 
mmm = Roms Senat (also wie Sabb. Stnd. crit. S. 33). 

27) M. T. Tatbam, The Clasg. Rev. VI (1892) S. 124, 

empfiehlt I 455 f. inter se . . miranlur (Änens und Achates), ob- 
gleich der Singular io Imtrat vorhergeht und in videt tolgt. 

28) J. S. Speijer, Ob aervatioBes «t «aeadatU&ef» Groiia^M, Wol- 

ters, 1891. 79 S. 8. 

Wie L. Müller in der Berl. l^liil. WS. 1892 Sp. 337 be- 
richtet, empfiehlt Sp. III o29 famuio jamdam ohne que fsclmer- 
licii richtig] uud betrachtet die Form Dido IV 383 niclil dis Akk., 
sondern als Vok. wie CynlAtabei Prop. 1 18, 31 [doch vgl. G. IV 526 f. 

29) Fercy Simpson aod F. E. Page, The Uasa. Hev. VI (1892) S. 366f. 

imd 414, 

tindeu Ul 510 da^ überliefeiLe mrtüi remos unanstölsig, wenn 
man es im Uchte des Zusammenhangs lese: die Troer hätten 
sieb aof sofortige Abfiihrt forbereitet (vgl. Lad.), die aueb Pali- 
nnrus nacbber uro Mitternacht wirkiicb veraniaiBse. Dafs mir die. 
Ausleger die vollstindig klare Stelle verdunkelt baben, wird sehwer- 
lifih jedermann ragebeo. 

s* 



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116 Jahresbtrichta 4. phiUIoy. VeMioi. 



80) B. Biehler, ZeitMbr. £ 4. Srt. Gyttn. 40(1889) S. 22. 

in 684 f. sollen die Worte Seyllam atque Char, das Ziel fOr 
11t tmwmt eursus bezeichnen (vgl. 507 haliam) und inttr utram- 

qne pf'fim 7.\\ d^n absol. Ahl. dism'mine leti parvo (nRnilich itUer- 
cedente) gehören. Also: „Dagegen warnen die Kiiisdiai funken <|ps 
H., auf die Sc. und Ch. loszusteuern, da die Todesscheidegrenze 
zwischen bj^iden Wegen nur schmal sei". Ist anzunehmen, dafs 
Sc. uud Cb. zwei Wege bezeichnen? iMii scheint einer mitten 
hindurch zu gehen. 

31) 0. LiDsenbtrth, N. Jahrb. f. PbU. 143(1801) S.706. 

IV 402 f. ist dem V. keine mangelhafte Beobachtung der 
Natur vorzuwerfen, weil er GetreidekOrner statt Ameisenpuppen 
nennt. Diese kennt er ja G. I 379 als ova. Jene sammeln die 
Ameisen auch bei andern Schriftstellern des Altertums; vgl. Cic. 
de nat. deor. TT 157, Üv. ars. I 94, Ans. Fab. 205 TT. u. a. Und 
William Marshalls „Leben und Treiben der Ameisen'* (Leipzig 
1889 S. 134f) bestätigt es, daÜs sie sich vielfach vegetabilischer 
Nahrung angepalst haben. 

33) Theodor Beridt, Kritische Bemerkangen za Griechischen 

and Römischeu S ch ri f r <; t e Ilero. Zweiter Beitrag der Fest- 
schrift zur 35Üjähri^en Jabelfeier deft evaa|^. Friedrichs -Gymoasiums 
tn Herford 1891 S. 8f. 

h. versuchl sich auch an V 200 und kommt, indem er aufser 
exttructo jedes Wort ändert oder umstellt , auf cmUulü et mediw 
tumuH exttrwto aggere ttdU. 

33) Alois Koroitzcr, Zar Wanderoog des Äneas durch die Un- 

terwelt. Zeitschr. f. d. öst. Gyno. 42 (Jb91) 8.961—905. 

Im Gegensätze zu IMüfs, der wiederholt beklagt, dafs mnn 
l)pi V. oft nur dio äiirsere Ähnlichkeit sehe, ohne die innere Vt r- 
scliiedeuheit wahrzunelmien, memt K. wie Neermann und P. Cauer, 
dafs V. vielmehr Homer mechanisch nachbilde, ohne die innere 
Verschiedenheit der Situation zu beachten. So VT 260, vvu Aneas 
aufgefordert wird, das Schwert zu zOcken, das er doch nachher 
nicht braucht, ja nicht brauchen darf. Dafs dieser Hangel bisher 
nicht aUgemein öbersehen ist» beweist meine Anm. zu Lad.-Scfa." 
nebst Anhang. 

34) G. Landgraf, Coniectanea. Auf S der Abhandluogen aus dem 

Gebiet der klas^iiscbeQ Altcrtuuiswisseoscbaft, Wilhelm voo Christ 
tarn techsfgataD Gebsrlstag dargebracht von seinen Sehnlem. Mvn- 
cben, G. H. Bnek, 1801. 

Um die schwOlstige Tautologie sed me iussa dmm . . tmperüa 
egere mis zu beseitigen, empfiehlt L. unter Berufung auf Brosins 
Deutung VI 463 liiis zu schreiben , sodafs der Satz dem vorigen 
tuo de Utdre eem parallel stunde und bedeutete „der Götter Gebote 



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Vergit, voA P. Dentieke. 



117 



trieben mich aus deinem Reiche fort". Zu imperiis vergleicht er 
imperium I 340 unti regna 1 346, zudi blofsen Abi. neben agere 
Cf, TT 130 memhris und Liv. 44, 35, 5 castris. Mit der entsprechen- 
lieu Sieile VII 239 f. sed im faia deum . . . imperiis egere suis 
setzt er sich aber nicht auseinander. 

3a) Reichenhart, Zur Erklärong eisiger VergilstelJ«D. Zeitfcbr« 

f. d. öst. Gymo. 43 (1892) S. 491— 494. 

Verf. ergänzt oder ändert die übliche Erklärung. So setzt 
er richtif: VI 474 rpspo/ulet curis parallel mit aeqmt amorem: der 
von Didü viml ver^'i^st no Syrhaeiis trägt gleiches Leid wie sie". 
Ferner deuLeL l\. VI 54S respicü Ae/ieas = er wendet sich um, nach 
vorn, nachdem er vorher dem Deiphobus nachgesehen hat, wäh- 
rend die Sibylle schon 540 f. geradeaus wies. Weniger sicher 
erscheint mir , dafs VID 143 per artm schon durch die Stellung 
als Attribut (, Jcanstlich^') gekennzeichnet sei ; Tgl. XII 632. Das 
Zeugoia bei legatos hat man schon früher empfohlen. Die Einzel- 
heilen der Scbildbilder endlich, die R. mit Aecht nicht plastisch 
konstruieren will, finde ich nicht durchweg wahrscheinlich ge- 
deutet. Der Leitgedanke ist richtig angegeben: aus allen Nöten, 
die das Römertum bedrohen, hilft Tapferkeit und Götlerbeistand. 
Aber wenn R. für die drei Perioden je vier Bilder herausbringt, 
so ist das höchstens bei II möglich, nicht notwendig, da das 
Friedenstebt (663 f.) sich auch bei Liv. 5,50 eng an den Gailier- 
krieg anschliefst; hei I ist es gezwungen, den Friedensscfalufs 
(639 f.) vom vorhergehenden Bilde „Raub und Krieg** au trennen, 
und ebenso bei DI den Nil (711 f.), der doch nur eine Elnselheit 
der vorher liesungenen „Flucht'' darstellt. Sinnig allerdings ist 
die Auslegung: in I und II wird der Friede (Bild 3) stets wieder 
gestört; anders in der Gegenwart, wo das Friedensfest am Ende 
steht (III 4 Huldigung der fernsten Völkpr): wer möchte am Welt- 
frieden rütteln? „Sollte aber doch jemand Verrat zu spinnen 
suchen, so steht eine deutliche arnung am Schlusisc der beiden 
ersten Gruppen: der zeitiiclieii und der ewigen Strafe ist er 
verfallen". 

36) G. Mc. N. R. uDÜ A. I'iaU, Tiie Class. Rev. V (1691) S, 232 u. 337, 

vergleichen zu VI 567 f. Uaudian. in Ruf. U 476—480 und Plalo 
Gorg. 525 A. 

37) Ed. Norden, N. Jahrb. f. Phil. XVIII. Stippl.-ßand (1891) S. 342. 

Bei seiner Erörterung über Varros Furien streift N. auch die 
Stelle VI 605 f. Dazu verweist F. Marx (Berl. Phil. WS. 1892 . 
Sp. 114) auf LuciL 134 L.: Tmyhone . . Ewnenidum sanclissima 

buntes. 



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118 



J«hir6«liericlite d. philol«»g. Veraint. 



38) R. WhiUUw» TJie Clus. R«v. V (]89]) S, IM, 

empfieblt VI 743 -f. lait Ribb. umzastelleii, weil so der Gegensati 
angemeseen wirke. Vgl. JB. 1889 S> 410 und Anb. tu Lad.-Sch.*^. 

39) Wilh. GemoU, Kritiscbe Bemerkuagea zu lateioischea 

Sehr iftstellera. Progr. des städt. Gyno, zu Liegoitz 1890 S. 3f. 

G. empfiehlt, um den auffäliigen Subjektswecbsel zu be- 
seitigen, IX 579 emhuH» et mamu zu schreiben. 

40) Walter J. Evans^ The Ciass. Rev. V (1S91) S. 128 f. 

X 1 beginnt trotz hodie 107 kein neuer Tag, da V. sonst 
überall den Aufgang des Lichtes betont; der Gölterrat fällt auf 
den Mittag des zweiten Kampftages und miiilei weik- [interea 118) 
wütet der Kampf weiter. So auch F. iNoack im Heimes 1892 
S. 422, wie schon Hertzberg in seiner Cbersetzung S. 422; anders 
Gebhard! im Progr. des Gymn. zu Meserlto 1879 S. 19. 

41) JtmeB Henry, Aeoeidea, or critical, exegetical and aestheti- 

«ai remarks oa the Aeaeia . . . Vol. IV: fiooks X., XI. aod XII. 
DoUin 1889. 339 S. 8. 

Noch im aetben Jahre wie Band III (s. JB. 1891 S. 362) ist 
der letzte ersehieneo, io der Ausstattung gleich wArdig, im Um- 
fange bedeutend kürzer. Die hier UDgenannten Herausgeber (s. 

Hermath. XV S. 126) haben den Druck sorgsam überwacht. Sach* 
liehe Mängel wie die Citate S. 31 und 51 nach veralteten Texten 
oder die ünvollstandigkeit der Varia Leclio (KIT '273 z.B. fehlt 
alvum) , ja des Textes S. 312 faüpn nicht ihnen zur Last. Das 
Buch erscheint eigenthch wenig z('itf.^emals, wenn von mehreren 
geiegeutiichen Angaben der Entstehungszeit die späteste (S. 159 
Anm.) das Datum des 7. Juli 1870 trägt Ob es Mühe und 
Kosten lohnt, steht dahin. Ein röhmliches Denkmal fOr sanen 
Verfuser bleibt ea. 

Ästhetische Bemerkungen fehlen diesmal, wenn nicht die Be* 
obachtung über den „crepitus in R Jittera'' XI 296 f. (Barth zu 
Stat. Theb. I 1) und dergl dafür gilt. Mancherlei Citate über- 
raschen, so zu X 219 aus öhlenschlägers Hakon Jarl, XI 710 
Ekkehards Walthar. 1300 [1280] mit J. Grimms Aura, oder 868 
Dares Phryg. 36 Ende, woraus H. folgert, I'enlhesilea sei Vorbild 
für Camilla ^) ; S. 210 stellt er dieser sogar in der „uiäiguiä virgo 
Maria de Priverno'* aus einem Cod. Est von Modena eine spätere 
Landsrodnnln zur Seite. Von eigenartigen Erklärungen H.8 hebe 
ich nur einige heraus : X 230 nos tumus . . dauü iua, wie auch 
VIII 62 f. das Pridikats-Subst folge (anders Wagner); 492 qualem 
meruit = ehrenvoll getötet, wie es Pallas (? s. JB. 1889 S. 384] 
durch seine Tapferkeit verdient hat, s. 507 u. Xll 931 (ich finde 

^) Vielmehr angekekrt nach F. Noack, Gott. Gel. Aaz. m2 S. 774 
ODd 799. 



V*tgili TOB P. D«iiti«k«> 



119 



hier in equidem merui ein Geständius der Schuld]; 73S socii cm- 
rlnniaM, seaäi laetum paeana nänal. dum, s. IX 636. Ferner 
deutrt H. W 438 irrmstet = superet (Serv.), da es ohne se nipbt 
= exhibecU sein könne; SOG ante oinnes zu fugit gehörig, vgl. 
II 40 und V 540; XH 130 reclinant niclit auf den Boden, sondern 
an die eiugebohi ten Lanzen [s. VIII 616 ?] ; 727 labor = Not, 
Beschwerde wie I 330, Uli u. ö.; S82 meorum männlich, da 
das Neulmm IV 318 matiiit heifse. Vielfach beteichoet H. wieder 
den Parallelisinus der Glieder; so XI 87 finim =»mf^n 280 
taan. (Appellativ = Kampf) in mambus » fiffringtrt adl^lf ttttd 
«ehr wunderlich XII 232 fatalu (so nach IL a«cb P*) monm « 
7Vo€S wie infensa Etruria Turm = Arcadet» 

Zur Kritik pndlirh bietet II. einige kleine Berichtigungen von 
Rilthocks Apparat, ii.^meDtlich XII 221: labetites hat dir? erste Hand 
des Med. Pierii, dm niich H. mit keiner bekannten Iis. zu iden- 
titizieren weifs, niclil des Laurent. Med., was Ribb. zu erwarten 
scheint. Das kleine Versehen (vgl VVagn. IV S. 610), von dem 
hier viel Aufhebens gemacht wird, begegnet auch II.s Bevollmäch-. 
UgkßiD in der Anm. von Bd. Ol 8. 645. Wichtiger sind einige 
Nachtrage. In P fand H. X 48 orii von der ursprOnglicbeQ Hand 
übergeschrieben, 186 Cmerae (auch V hat nach U. Cimre), 303 
Punkt hinter vadi und 539 wie 595 nicht Raum genug, dafs 
man mit Ribb. annehmen durfte, es sei armis und inemUs von 
späterer Hand in alhis und inermis verändert wurden. Dagegen 
will IL XI 708 noch sicher fraudem in erkannt haben, das 
die ursprüngliche Hand in laudem verbessert habe, für das H. sich 
hier enischeidet , wie er denn auch S. 262 nach M* XI 1 in 
cmplet ciiierL nnd XH 412 Donats ipsa manu . . Dictaea durcii 
den Hinweis auf I 589 zu verteidigen scheint. Von Vermutungen 
befüf wortet er nar XII 862 parrae nach elfter Andeutung &yaes« 

m. Ober Vers und Sprache* 

42) Wilh* Meyer, Über die weibliche Casar des kiassi- 
• ehen lateiniiebea Hexameters und 9ber lateiniaehe 

Cäsaren überhaupt, Sitzanpsber. d. philns.-pliiliil tinr! bist. Klasse 
der kfl. bayer. Akad. d. Wiss. za Müuchen 18Sy Bd. Ii S. 245. 

Etwa fünf Sechstf«! aller klassischen lateinischen Hexameter 
haben Cfisur hinter der Ileliimp: des 3. Fufses; etwa ein Sechstel 
hint(^^r (lern Trocliäus des 6. Fulses, aber zugleich eine hinter der 
2. und 4. Hebung; nur wenige Verse gar keine Casur im 3. Fufs, 
dafür aber drei andre: hinter der 2., vor der ^. und hinter der 
4. Hebung, z. fi. 

deipMM I mmt \ vdwokm | fsrrosgifs tamfea. 
Derartige Verse betragen bei einigen Klassikern kaum den vierten, 
meist nicht einmal den zehnten Teil der Fälle der aweiten Art 

«nfandiMii | ngim [ tuks | rsnotNire dalorsm. 



120 



Jikraibarlekt« 4, philotof. VereiDs. 



Di«e beiden Arten weisen also eine Cäsur nach der 2. Hebung 
neben der männUcfaen des 4. und der weiblichen des 3. Furses 
auf, einer Hegel entsprechend, die zu Catulls Zeit gebildet, bei Tibull, 
Verpil, Properz noch bi^^veilp^ verletzt, zu Ovids Zeit schon an- 
erkannt ist. iJip (i()i>[)eUe männliche ISebencäsnr nnbfii der ^veih- 
lichen Hauplcäsur erklärt M. daraus, dafs der ( asm scf^luls andern 
Tonfall haben sollte al;» der Zeilenscblufs. Daher verlor die 
weibliche Cäsur ihr Gewicht immer mehr und blieb zuletzt nur 
honoris causa, des griechischen Vorbilds wegen. Den Gleichklang 
hat man so gemieden, aber ein viel gröfseres Unheil angerichtet, 
da jene eintönige Masse betonter Wortschlösse das Ohr wie end* 
lose HammerschlSge treffen mufs: 

ArchiloMm ^opriö rabüs amuaHt iamho. 
Um den Wortaccent haben sieb die römischen Dichter nach 
M. nicht gekümmert: das Zusammen- oder Auseinanderfallen der 
Wort- und Versaccente ist rein mechnnische, nicht beabsichtigte 
Folge anderer Versregelu, wenn nmn auch später, als die Mängel 
der altrömischen VVortbetoiuin^,' gegenüber der wechselvollen grie- 
chischen auffielen, hegreillicher Weise Kegeln verwandter Art 
festsetzte. 

43) J. OrtDPr, N. Jahrb. f. Päd. 142 (ISÜO) S. 121 f. 

definiert die Cisur nicht als Einschnitt, den innerhalb des Vers- 
fufses ein Wortende bewirkt, sondern als Pause, die auch in der 
Musik die Unterbrechung der rhythmischen Tonreihe bezeichne. 
Zu dieser überraschenden Erklärung vgl. V. Hehn „Einiges über 
Goethes Vers'' im Goethe-Jahrbuch VI (1885) S. 176 — 230, wo 
S. 196 auch gesagt wird, dals die Cäsuren „den langen heroischen 
Vers durch willkommene Pausen teilen und gliedern*'. 

44) Joh. Röoström, Matri VergiU'tairoeQBaio. Land 1892. 

60 S. 8. 

Die Abhandlung hat mir nicht vorgelegen. Nach H. Draheims 
Anzeige in der WS. t Idaaa. Pbil. 1892 Sp. 1469 f. findet man 
hier för weitere Forschungen geordnet beisammen, was V. an ver- 
scbiedenen FAfeen und Cdsuren sowie an Terläogerungen, Ver- 
kürzungen, Elisionen, Hiaten und Synisesen Eigenartiges bietet; der 
Erklärung dieser Erscheinungen werde man aber meist nicht 
beistimmen. Von Einzelheiten hebt Dr. heraus, dafs \\, keine 
Hauptcäsuren anerkennt, sondern alle als gleichwertig betrachtet, 
iHul stellt auf Grund seiner Ausführungen in den N. Jahrb. f. Phil. 
1884 S. 70 fs. JB. i8b9 S. 413) die Frage, ob nicht das Ver- 
hältnis von Veräuccent und Wortaccent durch die Cäsur zum Aus- 
druck gebracht werden solle. 

45) AI. MftDitius, flber Hexameterans^anpr«' in der latttiilif ehan 

Poesie. Mein. Mus. 46 (l&yi) S. 622—626. 

Einsilbige Ausgänge werden immer seltener, bis die christ- 
liche Dichtung zu archaisieren beginnt. Viersilbige nehmen da 



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Vergil, voD P. Deuticke. 



121 



zwar nicht sonderlich zu, sind aber weniger an Eigennamen ge- 
bunden ab frflher. Tergil scUwfst (in Ribbecks kleiner Ausg., 
also mit Culex, Gins, Copa» Moretum und Catalecta) unter 14 072 
Versen 

94 einsilbig (in 46 gebt aucb ein einsilbiges Wort vorher) = 

1 : 293 [?], 

76 viersilbig (darunter 25 Spondiaci und 30 Eigennamen) » 

1 : 185, 

23 fünfsilbig (darunter 20 EigeuaanieQ) = 1 : 611 und 
32 mit Spondeus im fünften Fufse = 1 : 439. 

47) A. Platt, The CUiM. Rev. V(189]) S. 124, 

sieht iu ßuvü A. 111 702 einen Spondeus, wie fluviomm G. I 482 
ein Molossus sei. Nötig? Von einem Adj. wenigstens ist ein 
unkontrahierter Genetiv bei V. sicher nacbmweisen in Dardanii 
IV 640; vgl. Lacbm. su Lucr. 326. 

4$) Bernhard Gera tliewohl, Grundzüge für lateinische Allitlc- 
ratioasforschnog. Vorgetrageo am 23.Mailä91 vor der kritisch- 
exegetisdiMi Sektioa dar 41. Varaanaifaug dantschar Philologen und 
Schulmäaner in Miinaliea, abgadmekt ia dan Varhudlmgea. . (Laipsig 

1892) S. 235—243. 

48) Bernhard Gerathewohl, Alliteration to ntpa pen d er Silben 

ao den beiden letzten Arsen des HeAameters lo Vergils 
Aeoaia. AhhaadlnageB . . W. voo Christ wm sechsigaten Gahurta- 
tag dargehraeht. . . MSsahaik 1891 S. 

I. Jeder Reim, also auch da Stabreim, Ist fOr das Obr da, 
nicht für das Auge. 

II. Er mufs also mit einer betonten Silbe verbunden sein 
und ungesucht das deutliche Gefühl des Gleichklangs erwecken. 
Daher entfällt als wirkungslos die angebliche Allitteration fato 
yrofMgns A. I 2, «c . . Achates 174, victu revocnnt 214 u. d. 

III. Dagegen findet sich eine bisher nicht beachtete Menge 
woiiilauie.nder Stabreime im Innern der Wörter, wo gleich an- 
lautende Silben den Wortton (ChrisU Metrik S. 59) oder Verston 
tragen, s. B. eura reawf II 595, eatde rtemtU 718, cnsdis aeenm 
X 245, oecurrU Aeum V 36, /«7tctii dioae VI 230, LmfüUa ^firgo 
VII 72, ineepta secundeni 259. Wirksam erscheinen auch Reime 
in der Thesis, besonders di> nach einer Vers- oder Sinncäsur 
stehenden. So zählt G. A. VII 741 7 13 zehn Reime mit t, sieben 
mit k und zwei (oder drpi?) vokalisrhe. 

IV. Auch vokalische Heime gelten näinliclj wie fürs Germa- 
nische so auch fürs Lateinische, da der ailittt ricrende Spiritus 
lenis im pathetischen Vortrage des Epos jedeniails vernehmbar 
gewesen ist. 

V. Dem Dichter Ist der Reim sunäcbst ein Mittel, den Wohl- 
klang seiner Verse xu erhöhen (daher logischer Zusammenhang 
seiner Reim werte nicht Oberall nachweisbar), dann aber auch 



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122 



geeignet, die dvrdi die Cäsar getreanteD VersUWen oder Veve- 
drittel itt Terbindeo. So reioit namestlieh Aisi0 1:4, 2:5 
u. 8. w;, beeonde» hittfig Afeis 1 : Thesis nach der Cäsur wie 
Atbimique patres €Uque aSoe m. Tr. I 7, während das durch Elir 
sion mit atque verschmolzene Wort altae nicht mit allitterieri; 
s. Abfiand!. S. Auch diirrh Versschlufs getrennte Vers- 

hallten binde L der Dichter gern reimend aneinander: so I % pro- 
fugus au primus, 56 fremunt an magno cum n¥tmmre montü, 
III 681 constiterunt an coniferae i-ypanssi. 

VI. Mancher lateinische bichter scheiui den Subfeiiij al» not- 
wendiges Erfordernis des Verses betrachtet zu haben: Ennius 
hat ihn in den Hexametern volMndfg dwmbgefttbit; foa aeinei^ 
ÜMifiol^era zeigen Lucrez und Vergii (in <ter Ä«m) gleiclies 
Streben. 

Oin sind die Grundsätze, weiche G. in seinem Müncbener 
Vortrage aufstellt und in der Kialeitong des zweiten Aufsatzes 
wiederholt und ergänzt, um dann erschöpfend seinen Satz III und 
nebenbei zu'^leich Satz V zu bep:rrinden. Dazu ordnet er die Fülle 
von Beispielen nach den ein/.t lnen Konsonanten und scheidet sie 
hier wieder in vier Gruppen, je nachdem die Yorhergehende Vei-s- 
hälfte einen gleichen Reim hat uder einen besonderen für sich 
resp. einen gemeinsamen zweiten oder gar keinen oder endlich 
dift folgende Verabälfte AnJdang aufweist Dab der Beim der 5. 
und: 6«. Assis Asm Olire besonders sebmeiehelt, weil hier Wort* 
accent und Versictus fast aasnahmslos ansammenblieii, ist nicht 
zu bestreüas. DaA aber alle. Entspreebungen, die G. verzeichnet, 
Beachtung verdienen, iiann icb nicht zugeben. Schon in Müncben 
hat hei der IMskussion über G.s Thesen E. Wölfflin gegen die 
Mittel- osl'T Binnenreime grllend gemacht, dafs ihr Gebrauch für 
lateinische Dichter nicbt nachweisbar sei, eher eine Abneigung 
dagegen. „Giebt man Iniipnreime zu, so mufs man fessteiien« 
dafs sie der Wiikuu^ enLi>ehrten; diese letztere These aber hebt 
die erstere au^'. Ohne WöllBiu lu aiieui beizustimmen, naöcbie 
ieb sagen: so begründet die ersten zwei Satze G.s sind, so nn- 
sjcher Und» icb die folgeaden. Sehen die Beispiele „aus der 
lebenden Sprache**» die ans W. Jordans Nibelungen geholt werdeq, 
kam ich trota aUer Hochachtung vor des Dichters Kunstsinn nielt 
als untrugHcb mafsgeheade Muster betrachten. Und nun höre 
man einige lateinische, nm su eQtscheidem ob der Gieichklang 
„ungesucht" packt: 

XII 134 f. crt Jhm» e mmmw, fin ntme Albaum ha^Our, 

tum nequf nomen erat tieque honoff 

oder IV 213 CMtfue iQoi Uga Mimut^ eombia nostr«. 

Anderwärts sollen sich auch ganze Silben entsprechen, so 

XII 43 re^Hot ite* htfk mwm*, wmBrer$ par^uu 
lind IX 158 proeurtU* vtr» «< ptufnam tpeput* pararL 



Vergit, voa P. Deafcieke. 



123 



lu aiieü Arsen duichgereimt Ijiulet G. die Verse V 750, Vli 170 
und 720. Auch einige Ttiesen sollen mit reimen: 

X 158 imminet Jda super profugis gratissima felhts 
und XII 771 mtstulerantf puro ut possent concurrere campo. 

Über zwei Verse erstreckt sich die Entsprechung III 669 f. 

ge' fi^if et ad sonitum t'oeis vestigia torsü ; 
verum ubi nuüa datur dextra adjectare potesttu. 

Hier giebt G. allerdings nur die Reime mit t fett gedruckt, die 
j^chwächer wirkenden oder zweifpüiaften Npbenreime kursiv; aber 
als möglich gelten doch alle. Zur Vermehrung der Fälle dienen 
auch Klisionen wie III 156 tuaque arma secutt\ VIfl 722 /o/t//o 
orrfme gentes, IX 81 pelete alta parabai und Zusammeusetzuugeu, 
deren zweiter Teil die ursprüngliche Form verliert, die also 
scheinbar ein neues Wort bilden (S. 1^1 ')t wie 1 668 luiionis 
iniquae. Entsprechen soll sich ferner nicht nur c (q) : cb = k 
mit iiachstürzendeiii Haoch, p : ph (III 251 l^e&MS ÄpnUo) und 
Vokal: h (X 408 kmrriäa . . aci$i\ vgl. Kvicalas NB. S. 442), son- 
dern auch c: ac, t : st, n : gn (firafl^ch nach S. 164 Anm. 7 gn : g 
in cognomine gentem III 133), ja b : p wie IX 672 Pandarns et 
Biiias, Mehrfach heiCst ein Anlaut gereimt, der weder Wort- noch 
Verston trägt. Das ist bei discemere 111201, doclissitna X 225, 
incognita XII 114 allenfalls mit der voranfgph^Miden Casur zu er- 
klären. Schwerlich aber bei Aurora IV 568 und decedere V 551, 
und sichrr nicht bei pemtes II 717 (S. 163 Anm. 1). 

Für manchtt von diesen Annahmen denkt G. erst andern Orts 
den Beweis zu eihnugeo, vielleicht auch (wie Kvicala) mehr Fäl|e 
anzuführen, wo sich gewisse Wendungen etwa aus dem Streben 
nach Reim erklären, wie er schon Abhandl. S. 160') KviSalas cre- 
dOa III 333 oder S. 162'') die U. /hrot XH 605 und S. 171') 
tenU VI 547 nütreimen läCtL Ich fürchte freilich, dafa er nicht 
ailtti Leaten ebenso wie Bich aelbat immun vorkommt gegen das 
„AUitterationsfieber", dem er jetzt manche mechanische Arbeit 
anderer zur Last legt. Wünschen aber möchte man herzlich, dafs 
seine fleilsige und sinnige Foraohung die wichtige Frage endlich 
zum guten £nde fahrte. 

4äj Frid. Seitz, De f ixis Doetaram latioorum epitbetis. Part. I. 
Progr. Gyma. so Blberfeld. 1890. SOS. 8. 

Die äugu:;leischen Dichter haben die späteren stark, heein- 
flttfst. Aber blo&e Epitheta brauchen nicht unmittelbar entlehnt 
zu aein» da aie vielbch GemeiDgut der Sprache geworden sind« 
Durch hfiufige Verbindung mit ihrem Träger verwachsen, dienen 
sie schlieüslich als Beinamen oder als typische Bezeichnungen, he-- 
sonders mythologischer und geographischer Begriffe. Um dies zu 
erhSrten, zeigt S., wie sich stehende Beiworte mit Namen von 
Götiern, Heroen u. a. Fabelwesen sowie von Bergen» Flössen, 



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124 



Jabresberiebte d. pbiloloy. Vereist 



Meeren, Ländern, Ortschaften u. d. verbinden. S. 20 — 25 betont 
er, dafs die Worte auf -fer und -ger dasselbe besagen (gegen 
B. Deipser, l'rogr. Bromberg 1886) und letztere später überwiegend, 
ja ohoe RAduicht auf ihre ursprüngliche Bedenloog fomelhaft 
wie die auf -fieu» u. i. gebraucht werden. Die zwei ersten Jahr- 
hunderte der Kaiaerzeit aind in aotehen Bildungen unfruchtbar; sehr 
kühn dagegen Ovid, ziemlich ergiebig auch Vergil. S. 14 fehlt für 
Gwyums tricorpor die Umschreibung A. VI 289. S. 5 irrt der Verf., 
wenn er V. zuerst velwolus passivisch gebrauchen lüiat: s. schon 
Livius Andren, bei Macr. Vi 5, 10. ^ 

50) R. TSraebUdh, Om det friave bruket af pleralii hes Vir- 
gil tot. Nord. Udskr. feir lilol. X (1891) 8. 177—107. 

Ein in Stockholm 1886 gehaltener Vortrag, der in sieben 
Gruppen mit verschiedenen llnterieilen den poetischen Gebrauch 
des Plur. statt des Sing, behandelt. Von Vorgängern wird Wagner 
gen^DTit, aber kein neuerer wie Braum&lJer und Seyb» über welche 
JB. 1885 S. 323 berichtet ist. 

5J) John Leverett Moore, Servius on the tropf»-? and fjf^nres of 
Vei^ii. A tbesis subu>iUed to tbe board ot uuiversitj ol tlie Jobos 
Hopkios uoivereity. Baltimore 1891. 66 S. gr. ^ = The Amer. joara. 
of pbilol. XII (1891) S. 157^192 nad 267—292. — Vgl. ArclLf.lat. 
Lex. VII (1892) S. 607. 

E. Thomas bemerkt im Essai sur Servius, gewisse Fif^uren- 
bezeichnungen wie A. II 321 septma syllepsis liefsen eine Klassifi- 
kalioTi auf Grund von Spezialschriften voraussetzen, auf die Servius 
zi>rückgehn könne. Daraufhin mustert nun M. den ganzen Kom- 
mentar und verzeichnet unter umsichtiger Benutzung der ein- 
schlägigen Erörtei uiigen bei griechischen und römischen Uhetoren, 
Grammatikern und SchoUaaten, auch in neueren Schriften (Brau* 
mflUer, Weyman» Limmerhirt), die einzelnen Arten der Tropen 
und Figuren. Zwischen Serr. und D. Serv. stellt & 62 einige Unter« 
schiede fest. Wie weit beide zu ihren Vorgängern stimmen, zeigt 
eine lehrreiche Liste auf S. 63, nachdem vorher die Einzelheiten 
besprochen sind. Die meisten Berührungspunkte weist Donat auf. 
Konsequente Einordnung nach einem bestimmten rhetorischen 
System läfst sich nicht nachweisen. Die Ergebnisse seiner Samm- 
lungen über ßegrifTe wie Barbarismus, Metaplasmus u. a. rn. will 
Verf. bei .iiidreter Gelegenheit veröllenllichpn. Die sorgsame Arbeit 
wird nicht nur für die Kenntnis von Serviu^' Theorie, sondern auch 
von Yergils Sprachgebrauch ein nülzltcheä llülfsmittel bieten. 

52) A. iNebriog, Über bidens hostia, IS. Jabrb. f. Pbil. 147 (1893) 
S. 64-^8. 

N. wendet sich gegen den „zoologischen Unsinn*', den man 
über dutena dem Festns nachbete. Er weifs nicht, dala diesen 



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Vergil, voa P. Oeuticke. 



125 



schon A. Spengel, Bl. f. d. bayer. GSW. 24 (1888) S. 262 f., 
gründlich widerlegt hat; vgl. JB. 1889 S. 420 Nr. 113, wo ich in 
Z. 1 und 2 zu verbessern bitte Gell. XVI 6 (Macr. VI 9) und § 14 
(M. 7). Vor dem beleseneren Spengel hat N. einige praktische 
Vorzüge, namentlich zwei Figuren, die den üolerkiefer des Schafes 
vor und nach dem Zabnwechs«! veranaehaulicheii. Man werde 
aolehe „Jährlinge" zum Opfer verlangt haben, weil ihr zarlea 
Fleiach Göttern wie Priestern gefallen konnte ; vielleicht auch, weil 
sie noch nicht lar Fortpflanzung benutzt waren (a. Varro r. r. II 
% 14). Nebenher äufsert N. die Vermutung, dafs das Schaf jetzt 
wegen besserer Pflege die Zähne etwa ein halbes Jahr früher wech- 
seln könnte als in den Zeiten des klassischen Altertums. Ob das 
möglich ist, mag er mit seinen Facbgeoossen, den Naturforschern, 
ausmachpn. 

in der Berliner aiilluopulügiscben Gesellschaft hat man am 
11. März 1893 laut Zeitungsnachrichten zu N.s Deutung nachge- 
tragen, dafs sich bei Ausgrabungen, auch in Deutschland, öfters 
Knochen von Schafen gefunden haben, die im Alter von etwa 
Va Jahren geopfert worden sind. 

59) Max n iDct, Tiber!«, Thybris, Thymbris. Rev. de piiil. XVI 

(m2) S. 184. 

B. glaubt wie bei Statins und Claudian auch bei V. Spuren 
der griechischen Namensform Thymbris finden zu sollen, wenn 
auch nicht für A. X 421 bei Probus, so doch für V 83 and XI 
393 in b'. 



IV. Zum Unterricbtsbetriebe. 

54) L. W e b e r , I) i e p o e t i c !i e T. c k t ü r e a » f d em G y m d ai in ü. (I. TeiU) 
Progr. des Luisea Gymo. zu Uerlio. 1S91. 24 S. 4. 

Auf die Frage, was zu lesen i?t, antwortet W. in Kap. 11: 
nur Klassisches, d. h. nach Form und Inhalt Vollendetes, soweit 
es Schülern versländlich ist. Damit fiele im Lateinischen der Ovid 
weg und es blieben nur Vergil und Horaz*), um römisches Wesen 
und Wollen zu veranschaulichen ; aber auch sie seien im Ver- 



1) Also dieselben zwei Dichter, die zar Zeit Juvenals (s. VII 226 f.) in 
röBiiftcheo Schulstuben oebeDefnaader standen, ja sehon nm die Mitte des 
ersten Jnlirlinnderte d. Chr. gepaart wurden. Kürzlich hat man im Tablinnm 
eises Haoses zu Pompeji (Re^. V Is. 2a) zwei einander eatsprccheude Medaillons 
von ihnen bloi'sgele^t, Phaotasiestücke mittelmäfsiger Arbeit. Das Bild de« 
jugendlichen V. zei^ ein weißes Kleid nnd Sehreibgeritt, wie die Miniatur 
am Kopfe mancher Hss. des XII. und XIII. Jhds. (zu JB. 1SS9 S. 324 vgl. 
J. J. ßernonlli, Rbm. Ikonogr. I S. 247), die also auf eine \'orla|^e der ersten 
Kaiserzeit zurückweist, ^jäheres hierüber bei A. SocliaaU| iNotizie dcgii 
aeavi di nntiehith . . . Hilano 1892 Fnse. I S. 28 f. und 6. Boise ier» Cemptes 
rnndos des sdinees de Tncad. des inser« pendant rannde 1892 IV, 20 S.229. 



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11« 



Jahresberichte d. philolag. Vereioa. 



Ii alt Iiis zur deutschen Literatur bisher zu extensiv betrieben 
worden. Von V. kommt nach W. ernstlich nur die Äoeis in 
Betracht, und zwar für Sekunda die erste Hälfte mit Auswahl, 
wihreod die wertTolUten Stellen der zweiten in Prima BebeD der 
llias in lesen seien. Aach in Sekunda soU vor Beginn der Va^gil- 
LektQre ein reiferes VerstAndnis IQr efnache Poesie erst durch 
Behandlung von — einem Buche Homer angebahnt werden. Bei 
der vorgeschlagenen Einschränkung findet W. wöchentlieh eine 
Stunde [!] für V. hinreichend, zumal wenn die ganze poetische 
l^ektüre der Klasse in einer Hand liege. Dies empfiehlt Kap. I 
bei seiner Untersuchung, wer die Lektüre behandeln solle. 

Kap. III mit seiner Frage: Wie? ist wegen Kaummangels 
vüilautig zurückgestellt worden. Sie beantwortet, aber schwerlich 
ganz in Webers Sinne, der folgende Aufsatz: 

65) A. AhlbeiD, Beitrag xer Beltaiidl«Bg der Verg illektfire. Biae 

PräptratioDs-Skizze; sogleich Vorbereitaug zu eioeai dauUehea Aof- 
satz in Uli. GymDasiam IX (1891) Sp. 1—8. 

Verf. empfiehlt für A. II 750 — 795, „eine einfache und vielleicht 
unergiebig erscheinende Stelle", folgende Behandlung: I. Vorberei- 
tung durch Kouzeutialionsfragen, 11. Darbietung ohne Lesen durch 
Übersetzung eines Schillers, üi. Bearbeitung durch Zerlegung in 
kleinere Einheiten mit deutlichen Siichworten und durch Einzel- 
erklärung nri( h l'orm und Inhalt, IV. Verknüpfung mit dem früher 
üeleseueu durch Feststellung der ÜaupL- und Nebenpeisonen, des 
Ortes und Ganges der Handlung, auch des Wertes oder Unwertes 
der Handlungsweise der auftretenden Personen („um die Charakter- 
bitdung zu fördern**), Anwendung zur Vorbereitung des Aufsatz- 
themas „Verdient Äneas den Beinamen pmsV* und endlich VL Sinn- 
gemlfses Lesen der Schüler und Musterübersetzung des Lehrers, 
unter dessen Anleitung die Schüler seihst Torher das Wichtigste 
festgestellt haben. 

Wie das alles „in ungetähr emer Stunde" zu erledigen ist, 
verstehe ich noch immer nicht; vgl. Jli ls89 S. 321 Nr. 2. Aufser- 
dem mag sich das eingeschlagene \ei fahren für einzelne Fälle 
empfehlen, namentlich zu einer Mu^^iei stunde. Aber wer giebt 
lauter Muälersluudeu ; l ud wer sich desseu rühmen darf, wird 
wohl auch hierin ergötzlich zu wechseln wissen. Das nebenher 
behandelte AufBatsthema kann ich aus eigner Erfidirung empfehlen, 
kh frage aber heber in hestinimterar Fassung: Wie bewArt Annas . • 
seine herthnM» Pflichttranet 

66) Frauz Ehrlich, Mitt e I i t al i e □ , Land und Lcüte, inderÄBeii« 

VergiU. Progr. des i. Gymo. Eichstädt 18U2. S2 S. S. 

E. Stellt, zunächst für reifere ScJiüler, zn einem reichen Bilde 
Aliitilirns zusammen, was der leichter verstreut bietet, und fügt 
freigebig etymologische, archäologische und geschichtliche Dinge hei, 



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127 



namentiich io der gröndlicben ErdiHeroog einschlagender Kulte und 
Mytbeo, denea er gelegentlich auch deatsclie Sifen zur Seile setzt 
Manches ist freilich recht breit angelegt: zu exire VIII 65 und 75 
(S. 22f.) genügte es Ov. Met. XI 110 zu eitleren. Andres wird an 
mehreren Steilen verhandelt, wie Fauuus und ,,sein historischer 
Doppelginger Evander" S. 13, 31 und 38. iiisweiien erscheint ent- 
legner Stoii iuse angeknöpft: S. 6 vergleicht zu VJI 170 den 
VeDustempel 1 415, S. 40 zu Euanders bescheidenen Verhältnissen 
den GliUE Karthago«. Ober ei meine Schwierigkeiten wird glatt 
hinweggegangen, wohl im Hinblick auf den nScbsten Zweck. So 
S. 53 über die unklare Parteinahme des Arrons und S. 70 über 
die wunderliche Neigung der Juno zur Juturna; vgl. H. GeorgH, 
Die antike Äneiskritik, zu Xi 762 und XII 143. Die Darstellung 
ist meist geßiUig; hdchstena stAren Kleinigkeiten wie S. 41 welch 
erstercr". 

Über den Schüler- und Laieostandpunkt hinaus gehen einige 
kritische Anmerkungen. S. 29 *) meint E., que X 709 möge aus 
ve entstanden sein, besinnt sich abei' sofort, da£s es auch ein 
aweites Objekt des begonnenen Gleicfanisflea anführen könne. In 
dieser Aoskunft trillt er mit H. Kern zusammen, vgl. JB. 1891 
8. S82; aber sein gegen Brosina Auffassung citiertes Beia|Mel KU 
701 f. pafst nicht, da er hier ein zweites aut äbersehen hat, wihrend 
^tmietque sich parallel zu cum frmk stellt. 

Die hnyprischcn Srhfilfr, deren warmp Teilnahme dieser liebe- 
volle Aufsalz vorauj^sclzt, müssen rn ihrer Äneis noch tfirhtig zu- 
hause sein. Wie lange wohl noch? Undique toUs usque adeo 
torbatur agris. 

57) J. Sander, Zur Schriftstellerlektüre, bi. f. hüh. SchW. \ III 
(1891) 8. M, 

ist wenig einverblandeD uiit dem grolseu liaume, den Vergil iu 
der Schule einnimmt, und empfiehlt in 0 II Keber llofaz anza- 
fangen, wie das schon Pfa. Wegener im IVogr. von Neahaldens- 
leben 1889 wiU. Das ist nnn nicht mehr in Amsdcbt zu nehmen, 
wenigstens niclit in Preufsen. Denn die nenen LehrplSne und 
LehrauQpiben für die höheren Schalen vom 6. Januar 1892 
verordnen für 0 II ohne jede Bewegungsfreiheit als Dichter nur 
Vergil, wie auch für U II in erster Keibe, ja nach dem ursprüng- 
lichen Entwürfe ausschlielslicb. 

Eine Art Kanon entwarfen früher K. Middelsdorf, Gymn. II 
(1884) Sp. 3; G. Ihm, Gymn. V (1887) Sp. 670; C. von Oppen, 
Die Wah! der Lektüre 1885 S. 52 f. Aber sie werden nicht alten 
jetzigen Anforderungen gerecht. Ihnen cntspräcbeetwafolgenderPIan, 
den ich als Seitenstöck zu den unter Nr. 9 und 10 besprochenen 
Auszügen zur Verfügung stelle. 



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128 



JtbrefkeriehU d. pkfMog. Veretas. 



Uoter-Sekuoda 

TT, vielleicht erst nhnp (:^5— )40— 56 a. 199—233; »uch 507—623 eolbehrlid. 
lubalt voo Aotiait dazu ia 1 — 12. 253—2)^3. 381—462. (Ö06— 524. 
670—683.) 707—718. 
I, alleoralls ohne 297-304. (314—410. 415— 418.) B47— 686. 709— 722. 
Zum Dorchblick auf das Ganze ppt-ipnet 
VII 1 (25)— 36. 148— 2b5. Oder bis 34u uud dazu 406—414. 5S3- 600. 
XII 1—53. (564 oder 681 oder) 697-724. 791—842. 887—952. 

Zur Abwechslung (odf-r IM\ ntirktüre in 0 II?) einp6elilt aieli 
die Aristie voo Msos und Euryalus IX 159—449 (—502) 

oder von CamilU XI (445— ) 532—611. 729—735. 741—867. 

Ober*Soka«4a* 

IV, im ^'otraile oboe 6—89. 196—219. 413—553. lohalt von V. 
VI ffaoz; alleofalls ohoe (14 -41.) 156—236. (445—476.) 75^-^92. 
Vm t— 280. 306—312. 347—368. 455—607 oder (Scbildbeschi übung; zu Eode. 
X (1 oder) 118—162. 260—323. 362-509 <— 520): Pallas. 

755— 90S: l.nus-is (s. 433 f.). 

XI 1—181 (eQlbebrlicb 100—138), wenn e« nur gilt des Pallas Geaelilehte 
abtoroodeo; vgl. XII Ende. 

Seiet 1-224. 300—444 oed 896—915; vgl. Uli leUte Zeile. 

Für die meisten Anstalten wird freilich auch diese Auswahl 
noch zu viel Stoff bieten. Ja, mehrfach will man den V. aus 11 II 
ganz ausschliefsen. Das möchte ich entschieden widerraten und 
wenigstens für das zweite Senjester A. 11 zur verbindlichen Aiif^'ahc 
empfehlen. Für Oll bliebe dann I, IV und VI die Hauptlekture, 
vielleicht in einem Semester mit drei wöchenlhchen Stunden be- 
vorzugt oder, wenn das geht, ein ganzes Semester lang aiuschlieC^ 
iich betrieben. Auf die übrigen BAcher mOfete mn dann ver- 
zichten und nur eine Übersicht über den Gesamtinhalt geben. 
Damit könnte man sieb auch wohl begnügen. Wenn jetzt mancher 
über Vergils „verkrüppeltes und verstümmeltes Kind'' (Alethagoras) 
die Nase rümpft und selbst für Neuphilologen sein Werk entbehr- 
lich findet ( a— im Deutsch. Wocbenbl. 1S91 Sp. 664b), so 

gründet sich solche Mirsachtung vermutlich auf die Erinnerung an 
die udrii Strecken des« Gedichts. Ihnen gegenüber gilt es in Zu- 
kunft um so ergreifender die unvergänglichen Lichtseiten vor 
Augen und zu Gemüte zu führen. 

Berlin. P. De u ticke. 



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4. 



Homer. 
Hdhere Kritik. 

1891. 1892. 



Von Besprechungen meiner im letzten Jahresberichte er- 
wähnten Abhandlung „Die Bedeutung der Wiederholungpii für die 
Homerische l'Yage*' sind mir noch bekannt gewordm die von 
A. Kluffe, N. Phil. Rdsch. 1892 S. 13-14, der sich unbedingt 
zustiinmeiid äufscrt, und die noch ausführlichere von P. Cauer, 
Berl. Phil. WS. 1891 Sp. 1637—1641. Auch Cauer ist mit dem 
HanptergebDis emventanden, dafs die Wiederholungen mcht mehr 
wie bisher zum unfebIhareD Beweise von Echtheit und Nachahmang 
benutzt werden dörfen, er glaubt aber, dafs, „wenn sich bei ge- 
nauester Prüfung für irgend ein Buch herausstellen sollte, dafs 
die Zahl der Paralielstellen, die in ihm durch den Zusammenhaog 
besser befestigt sind als da, wo sie sonst vorkommen, besonders 
grol's ist, während umgekehrt in einem andern Buche die über- 
wiegende Menge der f*arall»'lsti Heu , die es bietet, bei ebenso 
genauer Prüfuug deu bestiruujien Eindruck nachträglicher Ver- 
wendung macht, wir nach wie vor berechtigt und verpflichtet 
sind, das eine Buch für relativ alt, das andere für relativ jung zu 
balten'S Ich kann mich dieser Ansicht theoretisch anschliefsen, 
glaube aber nicht, dars sie grofsen praktischen Wert hat Wieder- 
holtes Lesen der homerischeD Gedichte hat mich mehr und mehr 
fiberzeugt, dafs wir auch nicht ein einziges Bach bei Homer 
in einer sozusagen Urgestalt vorfinden, dafs vielmehr überall 
grö^^e^e oder gerinL'ere Umarbeitung vorliegt, deren Grad im ein- 
zelnen zu hestimniPii iinmüglich ist. Ich möclit^^ meiue Ansicht, 
da si»^ von ( iitscheidender Bedeutung für die VVciierentwicklung 
der liüüitrisciien Frage ist (Kluge hat a. a. 0. meine Abhandlung 
mit Hecht „eine Kriegserklärung gegen die jetzt herrschende Be- 
handlung der homerischen Frage'' genannt), an zwei Beispielen 
klar raachen. Cauer fuhrt selbst zur Erläuterung seiner Ansicht 
die beiden Zweikämpfe in fand H an und sagt (Sp. 1641): 
„Wenn wir finden, dafs der eine nicht nur in sieb natürlich ver- 
läuft, sondern auch in eine längere Kette von Ereignissen als 

J»lir6*bMichto ziz. 9 



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130 



Jahretberiehte d. philolog. Vereint. 



Wirkung und Ursache fest eingefügt ist, während der andere den 

Gang dor Handlung unterbricht und selber gezwungener Weise 
so gefülirt wird, als oh es sich nicht iini einen ernsten Kampf, 
sondern um ein Toiirtiier handellc (// 'i7*J IF.) , so werden wir 
nicht zweifeln, dafs innerhalb iinsi-rer Ilias der Kampf zwi- 
schen Paris und Mrnelaus der urspi linglii he, der zwischen lleklor 
und Aias aber üachlräglich eingeschuben ist". Weuu man nur 
die gegenwärtige Dias herficksichtigt, so kann man diese Ansicht 
billigen, aber daraus folgt nicht,, dafs das Lied, welches Hektors 
nnd Aias* Zweikampf besingt, an sich jünger ist als jenes, das 
den Zweikampf zwischen Menelaus und Paris zum Gegenstande 
hat. Es kann lange vorher als Einzcllicd bestanden haben, 
wenn es auch später als das andere in den IMan der Ilias auf- 
genommen ist. Pen Zweikampf zuisriien Menelaus und Paris kann 
so der L)i< hh i-, der ihn für den Zusammenhang und die Knlwick- 
bing der iiandinng von f — / liraucble, sehr gut nach dem an- 
deren gedichtet haben, m> ii^is unmöglich erscheint, ihr wirk- 
liches Alter feslzuölellcn. In der That ist auch die Kntwicklung 
des Kampfes, wenn wir jedes Lied für sich betrachten, ohne auf 
den Zasaromenhang ROcksicht zu nehmen, in H viel planvoller 
als in i\ wo Paris, nachdem er einmal die Lanze geworfen, nichts 
mehr thut, sondern, wie es scheint, ohne Kampf dem Menelaus 
verfällt. Dies ist unnatürlich, docli wurde ich daraus allein auch 
noch nicht folgern, dafs die planvollere Darstellung in H, wo die 
Helden gleichsam 7a\^ um Zug ihun, die allere sein müsse; 
wir können eben aus solchen Wiederhobingen nichts folgern, 
eben so wenig als aus den gemeiü&chaftlicheu Versen beider Ge- 
sänge. 

Ebenso steht es mit a und dt ren Verhältnis zu einander 
für Kirchhoff der Ausgangspunkt seiner scharfsinnigen Unter- 
suchungen gewesen ist. Wenn Kirchhoff glaubt, dafs alle Uneben- 
heiten in der grofsen Rede der Athene a 26S — 305 sich dadurch 
erklären, dafs der „Bearbeiter** in ungeschickter Weise die klare 
Darstellung in ß benutzt hat, so hin ich an dieser Deutung zu- 
nächst dadurch irre geworden, dal's die Hauptschwierigkeit, welche 
in der Verbindung von « 292 und 29311'. besteht, durch die 
Vorlage von ß keine Erklärung hndet (ich habe deshalb eine an- 
dere vcr. iK ht \\vv\. Phil. WS. 1890 Sp. 1229—30). Trotzdem 
könnte ni.ui kncldiuü zugehen, dals die klare, planvolle Darstel- 
lung der Volksversammlung in (i dem Dichter der Odyssee in 
irgend einem anderen, nicht näher mehr zu bezeichnenden Ge- 
dichte vorgelegen habe, ohne dafs daraus folgte, ganz a sei jünger 
als ganz ^. Denn wenigstens die Einleitung von ß setzt wie der 
Schlufs (etwa von Vers 260 an) entschieden a voraus. Es reibt sich 
ß 1 nicht nur ganz eng an a 444 an, sondern es wird auch in 
den nächsten Versen nicht der geringste (irund angegeben, warum 
gerade jetzt Telemach die Versammlung beruft, offenbar weil 



Homer, von G. Rotlie. 



131 



dieser Grund in a auseinandergesetzt ist Wie wenig geschickt 
ferner begründet ist, dafs Aigyptios zu sprechen anfängt, habe 
ich in der oben genannten Abhandlung S. 150 u. f. gezeigt. Dafs 
aber auch der Schlufs von Vers 260 an unbedingt auf a zurück- 
weist, geht sicher aus dem Verse ß 262 hervor, indem sich Tele- 
raarh an den C.ott wendet, welcher ihm xf>i^6g erschienen sei, 
sowie aus der Zuversicht, dal's sein Weg nicht v<'rL'el)lich sein 
werde, von anderen mehr subjektiven Anzeichen abgesehen. Von 
dem übrig bleibenden Teile des Buches (etwa 'iG — 2G0) ist 92 
bis 108, wie KirchhofF überzeugend nachgewiesen hat, ein un- 
organischer Zusatz, und auch 115 — 127 erinnern au einen spä- 
teren Dichter, der sehr wohl der von a und dem Frauenkatalog 
sein könnte. Kann man so hftchstens einen kleinen Teil Ton 
niclit ganz ß, filr alter als a halten, so folgt selbst noch nicht 
dies daraus, dafs dieser kleine Teil von einem anderen Dichter 
sein mulste. Denn wie neuere Dichter, bei denen wir die Ent- 
slehungsart der ein/einen Dichtungen genauer kennen, einzelne 
Soenen ganz nach ihrer Schailenslnst vor anderen ausgearbeitet 
haben , denen sie dem Plane nach folgen, so kann auch Homer 
verfahren sein. 

Wie ieh also hier anders denke als Cauer, so auch in Bezug 
auf das Alter von f. Er meint nämlich, die Wahl gerade dieses 
Buches als Beweis, liafs sich auch in einem anerkannt alten 
Buche ungeschickte iNachahmungen fänden, &m unglücklich, da 
dieses Buch zu den jüngsten Teilen der Odyssee gehöre und nicht 
nur die innerliche Verbindung zwischen dem ersten und zweiten 
Teile der Odyssee (vgl. meine Abhandlung S. 137), sondern noch 
mehr die äufserliche herstelle; diene es doch dazu, die zehn Jahre 
der Irrfahrten und damit die zwanzigjährige Abwesenheit des 
Odysseus herzustellen. Ich kann diesen Einwand nicht verstehen. 
Zunächst hat KirchhofT, der zuerst mit allem Nachdruck den Wert 
des „sprachHchen Keweises" betont und ans Echtheit'* und 
,.Nacbahiiuing*' die weit^'ehendsten Schlüsse pczfiL'rn hat, gerade 
dieses Lueh zu den älteren Teilen dei' Odyssee genu linet. Sodann 
aber würfle ich, wenn es sich um j;auze Bfirlier handelt, wirk- 
lich nur noch C und t, die f dfn Hang streitig iii.nlit u könnten. 
C empfahl sich nicht wegen seiner ungewöhnlichen Kürze (331 V.); 
aufserdem sind gerade in diesem Buche von Seeck und andern 
eine grofse Anzahl von Versen teils als Doppelüberlieferung, teils 
als spätere Zusätze angefochten worden. In t aber ist der Schlufs 
von 537 an ein reiner Gento, aufserdem das Kikonenabenteuer mit 
Äecht verdächtigt. So blieb mir in der That s (vom Anfang ab- 
gesehen) als mustergültig übrig. Aber auch wenn dies nicht als 
zu den ältesten Teilen gerechnet würde, so wäre mindestens der 
Beweis erbracht, dafs in einem als edle hiihtnng angesehenen 
r.i'sjiniTP sich viele, an andern Stellen mit mehr (beschick benutzte 
Vefäe iäuUen. Auch giebt Cauer ohne weiteres zu, dafs sich selbst 

9» 



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132 



JtJirecliariehte d. philoI<».f. Verein. 



in deD ältesten Teilen der homeriscben Gedichte solche Stellen 
finden, die an jüngeren passender verwandt sind, und hält auch 
meine Erklärung dieser Erscheinung fÄr richtig. Dies ist fOr mich 

das wichtigste. 

An diese Ausführung reihe ich einen ganz in meinem Sinne 
geschriebenen Aufsatz desselben Verfassers 

1) P. Cauer» Eine Schwäche der Homerisehea Deaktrt Rhela. 
Met. Bd. 47 8.74—113. 

Über die Überschrift liann man mit dem Verf. rectiten ; was 
er aber bringt, sind eine Reibe scharfsinniger Beobachtungen, die 
Kirchhoffs Behauptung zu widerlegen versuchen (Od.* S. 252): 
,»Nie können die Besonderheiten der Entwicklungsstufe» der eine 
geistige Schöpfung entsprang, ein Ausnahmeverfahren in der Be- 
urteilung derselben in der Wei^e begründen, dafs sie als den all- 
gemeinen Gesetzen und Formea des menschlichen Denkens aller 
Zeiten und Bildungsstufen nicht unterworfen helraclifet wird. Diese 
Gesetze haben dieselbe Verbindlichkeit und bieten diuuit in dem- 
selben Graüe AiihaUpnnkle für das Urteil bei liumcr, wie bei 
Thukydides . . ., sind nicht subjektiver, sondern objektiver Natur". 
Cauer zeigt zanSchst an einer Reihe sprachJicher Ersdietnungen 
im Gebrauch des Subjekts und PradikaU, des Particlpiums und 
AdjektiTums, daC» es der homerische Sprache neben hober Voll- 
kommenheit auf der einen Seite, doch andererseits oft an „logi- 
scher Perspektive" fehlt, indem er auf die Sprache einen Aus- 
druck anwendet, der für die ältere Kunst gilt. Die von ihm so- 
genannte Schwäche der Denkart besteht darin, dafs ,,der Dichter 
während des Sprechens keinen festen Standpunkt für die Be- 
trachtung einnimmt und in einem rnehigliedrigen Ausdruck ent- 
weder überhaupt das gegenseitige Verhältnis der Begriffe nicht 
scharf erfafst oder doch das Dewurslsein einer zu Anfang über- 
nommenen logischen Abhingigkeit nicht dauernd festhält**« Dies 
ist nicht blofs eine £tgentQmlichkeit der homerischen Denkart und 
der Volksspraclie, wie Gauer glaubt, sie ündet sich bei den Dich- 
tern der verschiedensten Zeiten, die nicht mit der kalten Vernunft, 
sondern mit einer lebendigen Phantasie schaffen* Wenn z. B. 
Schiller in der Braut von Messina Don Cesar sagen läfst, nach- 
dem dieser seinen Bruder durchbohrt und dann erfahren hat, 
daPs seine Geliebte seine Schwester ist: ,Jst sie wabrliaftii: seine, 
mriiie Schwester, so bin ich schuldig <i[i{r C.reuellliaL, die keine 
Heu' und ßfifsung kann versöhnen", su ist dieser Gedanke nach 
den strengen Gesetzen der Logik wie der Moral verkehrt. Die 
That bleibt ebenso verwerflich, ob Beatrice Don Cesars Schwester 
ist oder nicht. Nur in den Augen des Sprechenden macht 
dies einen greisen Unterschied. Die Leidenschaft set2t sich Aber 
Logik wie Moral hinweg. So lange Don Cesar in seinem Bruder 
nur den Nebenbuhler sieht, den er getdtet hat, um in den Besits 



Honer, vob C. Rothe. 



133 



der Geliebten zu f^elangen, findet er die Tliat nicht verwerflich; 
sie wird es für ihn erst, als der Lohn wegfrillt. Wie hier un- 
logische Worte erst Sinn bekommen, wenn wir uns in die Spete 
des Sprechenden hineinversetzen, so unzählige Male bei Homer. 
Kommt doch bei ihm hinzu, dals er in einer Zeit !ebte, die von 
strenger Kritik weit entfernt war, während Schiller Kants Zeit- 
genosse war und jene Worte schrieb, nachdem er sich jahrelang 
mit Philosophie eifrigsi beaehättigt hatte. So mufa auch ich 
Caaer ToUstflodig Recht geben, wenn er meint, dab sich nicht die- 
selben logischen Gesetace auf Homer wie auf Thukydides anwenden 
lassen. 

Dieser Mangel an „logischer Perspektive" tritt aber nicht 
blofs im Satzbau, sondern auch im Aufbau der ganzen Erzählung 
hervor. Dies zeigt Cauer zunächst im Kleinen an den Gleich- 
nissen, in denen sebr häutig das tertium comparationis zuröciitritt 
gegenüber der selbständigen Ausführung eines Bildes, das dem 
Dichter Freude macht. Von diesen geht Cauer weiter zu Fehlern 
in der Durchführung eines grüfseren {*lanes, aus denen man nicht 
immer auf St6rung des urs^nglichen Zusammenhanges sehUefsen 
dürfe. Unter der grofsen Zahl der behandelten Fälle will ich 
hier nur erwihnen. daA jetzt G. von der Ansicht zurQckgekommen 
ist, die er einst mit Niese, v. Wilamowitz und Seeck teilte, dafs 
nämlich die Fufswaschung in t notwendig mit der Erkennung der 
beiden Gatten geendet haben müsse, und es also eine Form der 
Odyssee gegeben habe, in welcher entweder ein Freiermord über- 
haupt nicht stattfand oder nach Verabredung zwischen Odysseus 
und i'enelope (vgl. JO. XIII S. 318 f.). Er giebt jetzt zu, dafs 
der Dichter diese Scene um ihrer selbst willen eingeführt liaben 
könne, nicht nur weil Odysseus Eurykleia .sj)ater brauche, sondern 
auch weil ihm die Ausführung an sich, die Spannung, mit welcher 
der B5rer und Leser die Handlung notwendig verfolge, ein ge- 
nügender Grund zur Dichtung gewesen sei. 

Diese Ansicht entspricht ganz dem Standpunkte, den ich seit 
einer Reihe von Jahren gegenüber der Homerischen Frage ein- 
nehme. Das Neue an meinem Standpunkte war, wie ein ein- 
sichtsvoller Beurteiler meiner verschiedenen Ausfuhrungen mit 
Recht hervorgehoben hat, dafs ich dem Dichter auch unbedenklich 
„Fehler" lasse und diese weder durch Annahme von Interpola- 
tionen zu beseitigei) versuche, wenn dafür kein ausreichender 
Grund ersichtlich ist, noch durch die Annahme verschiedener Ver- 
fasser; auch deshalb die liias und Odyssee nicht für das jämmer- 
liche Erzeugnis eines „Flickpoeten*' oder „geistlosen Bearbeiters" 
erkläre» weil sich verschiedene Yerstfifse, ja grobe Fehler gegen 
eine streng logische DurchfÜhning des Gesamtplanes finden. Gauer 
ist jetst ebendiUs an Kirchhoff und y* Wilamowitz irre geworden ; 
er betritt die von mir eingeschlagene Bahn, macht aber noch in 
der Mitte Bäk. WAhrend er es Tersteht, dafr Odysseus sich 



134 



Jahresberichte d. philulog. Vereios. 



Polyplit III ^rgpnnher Niemand" nennt, obwohl es an sich un- 
vci >t.ui(Jli('h sei und nur erklärlich werde, weil der Dichter diese 
Benennung später brauche; wahrend er es begreiflich findet, daffl 
Ghrieiiihild in ihrer Unschuld das Kreuz auf jene Stelle heftet, 
wo Siegfried verwundbar ist, obwohl sie dies unter keinen Um- 
ständen thun durfte, da es keinen Sinn hat, und es nur geschiebt, 
weil der Dichter es nötig hat, — hält er es für unertrSglich, dafs 
der Zweck der Sendung des PatroMos S|>äter vergessen werde, 
oder dafs Athene den Telemach auf Ucisen schicke, obwohl sie 
später in v Odysseus gegenüber keinen rrchten Grund zur Reise 
angeben kann. Icli verniiii,' (Ii<'sr Gicnzc nicht zu ziehen und 
mache zunächst darauf aulnierksani , dafs iai Nibelungenliede, 
genau uie bei den eben genannten ., Fehlern*' in der Ilias und 
Odyssee, der Krieg gegen die Sachsen nur deshalb vom Dichter 
eingeführt wird, um Ghriemhild das Geheimnis zu entlocken, 
dann aber pldtzlicb wieder abbestellt wird, als dieser Zweck er- 
reicht ist. Hagen konnte nicht wissen, sondern nur der 
Dichter, dafs Cbrienihild ihm so das Geheimnis verraten wflrde. 
Wichtiger aber ist, dafs so nicht nur die epischen Dichter ver- 
fahren sind, sondern auch dramatische, selbst in einer philoso- 
phisch gebildeten Zeit. Aus Siliillers Dramen lassen sich eine 
grofse Zahl von Beispielen anführen, in denen er Personen etwas 
thun läPst, das an sich unbegründet und unverständlich ist und 
nur Erklärung findet durch die Dedürinisse der Handlung, also 
des Dit lilers. Ja diese Beispiele fehlen selbst nicht bei Lessing, 
dem kühlen Verstandesmenscheu und scharfen Kritiker, ich er- 
innere hier nur an eins aus der Minna von Barnhelm, das den 
oben aus Homer angeführten ahnlich ist In HI 2 bittet Teilheim 
durch seinen Diener um eine Unterredung mit dem Kammer- 
mädchen des Fräuleins, und zwar „ganz unter vier Augen". Wir 
sind nun wirklich gespannt, weshalb sich der Major zu diesem 
ganz ungewühnlichen Schritte entschlossen bat, der selbst dem 
Diener zu einer recht unpassenden Bemerkung (,.Mein Herr kennt 
denl{ummel: er weifs, dai's der Weg zu den Fräuleins dureli die 
Kammerniädehens geht'") VeranlasMing gieht. Als nun Hl 10 diese 
Unterredung wirklicli zustande koninit und Franziska nach län- 
gerer Unterhaltung fragt: „iNun? Sie wollleu mich ja allein 
sprechen. Was haben Sie mir denn allein zu sagen?" antwortet 
Tellbeim: „Da das Fräulein den Brief nicht gelesen hat, habe ich 
Dir auch nichts zu sagen**. Dafs dies kein ausreichender Grund 
Ist, siebt man schon daraus, dafs er ihr auch später nichts zu 
sagen hat, als er merkt, dafs der Brief doch gelesen ist. In 
der Tbat kann Teilheim auch gar nichts dem Kammermädchen 
zu sagen haben. Das Nachsuchen der Unterredung mit ihr ist 
von seinem Standpunkte nnbegreillieh imd ist eben auch nur ver- 
ständlich, weil der Dichter diesen Schritt nötig liatie. uni eine 
ganze Reibe von Sccneu, ja die ganze Weiterentwicklung der 



Huuerj voo C. Rothe. 



135 



Hanflliinp möglicli zu machen. Die Auaiodn endlich, <lio d^r 
Dichter hier Teilheim vorhring«'n lüfst, isl nicht um ein Ilnar 
besser als die der Athene in v Odyssens gejremiher. Und wenn 
in demselben Stück eine Spazierfahrt von xMmna und Teilheim 
geplant wird, nur um eine neue Unterredung swMchen beiden 
berheiznftkhren, und diese später, als der Zweck erreicht ist, nicht 
zur Ausführung kommt, so lifst sich auch dieses Mittel mit dem 
Botengänge des Patroklos bei Homer oder dem Ansagen des 
Sachsen krieges im Nibelungenliede vergleichen. Denn Homer 
dient der Wunsch des Achilleus, den Namen eines Verwun- 
deten zti erfahren, auch nur dazu, Patroklos in die Ilaniilnng 
einzuführen und in iiiin durch das Elend, das er sifht, 
sowie durch die MaliTunig Nestors «las Verlangen entsteheu 
zu lassen, die Myruudonen an Achilleus' Stelle in den Kampf zu 
führen. 

Kurz, ich finde kein entscheidendes Zeichen, die Ilias und 
Odyssee in ihrem jetzigen Pkine nicht einem Dichter zuzuweisen. 
Bei dem grofsen Umfange, den die beiden Gedichte haben, ist 
selbstrerstSndlich auch eine längere Zeit fOr die Entstehung an* 
zusetzen, und es ist durchaus glaublich, dafs der Dichter selbst 
an mehr als einer Stelle seinen ursprünglichen Plan geändert 
und erweitert hat, wie wir dies bei neueren Dichtern oft noch 
genau feststeilen können Welche Veränderunge?! Iial nicht 
seihst ein (icflielit von so geiingeni Ihnfange wie Schillers ,,!He 
Künstler" eriaiiren! Oafs Fehler in der Durclil'nlnnng des (le- 
samtplanes notwendig auf verschiedene Verfasser scliiiefsen 
lassen, kann ich also nicht zugeben. Ls können Nachdichter 
wohl einige neue Scblachtscenen oder in der Odyssee „Bettler-^ 
scenen'* hinzugefügt, dieses oder jenes Abenteuer neu erfunden 
oder eine Hede um einen Gedanken erweitert haben, aber durch- 
greifende Änderungen, die den Gesamtplan berfihren, halte ich 
für ausgeschlossen. Dann müfste es möglich sein, den nrspräng* 
liehen Plan wieder herzustellen, was noch keinem gelungen ist. 
fjfwisse Schichten'', wie Cauer meint, sind allerdings erixennbar, 
aber ihr tmfang ist schwer zu hesliaunen, und ein Urteil darüber 
wird immer nielir oder weniger subjektiv sein. Je mehr An- 
zeichen hinzukommen, um so gröfser wird da die Überzeugungs- 
kraft. — 

Einen Beitrag zu dieser letzteren Frage hat geliefert 

2) ft. Thonas, Zar liistor ischen £Dtwieklniif der Metapher ini 
GrieehisclieD. Dias. Brlaogen 1891. 114 S. 8. 

In dieser verdienstvollen Arbeit zeigt der Verf. an einer 
Reilie (83) von Substantiven, Adjektiven und Verben den noch jetzt 
erkennbaren Übergang von der rein sinnlichen Bedeutung zu der 

übertragenen. Dabei sind ffir nnsere Frage wirhfig solclie Fälle, 
wo nur einzelne Gesänge die am weitesten eulwickelle Bedeutung 



136 



Jahresberichte d. philolug. Vereius. 



haben oder wo ein auffallender Unterschied im Gebrauch zwischen 
Iii» und Odyssee stattfindet. So bedeutet i. B. dymv ursprüng- 
lich jede YereiniguDg und ihren Platz (0 428, 17500, r42); 
dann in eingeschränkter Bedeutung die Versammlung lum 
Zweck des Spiel ms und ihren Platz (so hiufig in W), End- 
lich wird daraus (durch Lhertragung des Orles auf das, was dort 
geschieht) „Wettspiel". In dieser Bedeutung kommt es zuerst 
in dem späten 259. d inii lies. Tlieof?. 1^35, hym. auf Apoll. 150 
vor. Das Medium von ä{)xo^uv in der Bedeutung anfangen kommt 
zuerst // 324 (in der gewifs späten rtxQojy chuifjtütg)^ dann 
7 93=// 324, 7 97 und fünfmal in der Odyssee vor in dem 
Formelverse totdi . . . f^x^ro fivd-my. Auch ä^x^iy „herrschen*' 
(statt „vorangehen'') findet sich erst B 805 und S 12 (^Ahtipoog 
to^ ^QX^h Auch X^yui „aufhören** nur in /97. Maitgog, 
auf Zeitbestimmungen übertragen, kommt noch nicht in der Ilias 
vor, sondern erst in der Odyssee x 470 (fjvora fuatgä), X 373 
(w| fiaxod), a 367 = x 301, ip 54. 

So könnten noch einige Fälle erwähnt werden; im f^^inzen 
aber sind sie doch zu vercinzflt, um daraus weitgehende Schlösse 
zu ziehen. Auch ist Vorsiciit geboten. Denn der Zufall kann 
dabei wohl eine Rolle spielen. Auch können wir bei der eigen- 
tümlichen Art der ältesten Überlieferung unmöglich bei jedem 
einzelnen Worte behaupten, da£s es an dieser Stelle ursprünglich 
sei. In dieser Beziehung glaube ich an die verschiedenen ioli- 
schen, ionischen, attischen Schichten, wie sie v. Wilamowits vor- 
aussetzt 

3) K. Dyroff, Über einige Qaellea dea Iliaidiaakeaaflttfo. Progr. 

Würzburg 1891. 45 S. 8. 

Der Verf. beginnt seine Abliandiung mit der Erklärung: „Der 
Standpunkt, vun weichem die folgenden Erörterungen ausgehen» 
ist im allgemeinen derjenige, den C. Rothe im 13. Jahrg. der 
Jahresber. d. Pbil. Ver. zu Üerlin vertreten hat: dal's die Ilias, 
wie wir sie jetzt haben, zu irgend einer Zeit — ich denke um 
700 — von seinem Dichter, den wir im Folgenden Öfters 
Diaskeuasten nennen, aus älteren QaeUen, grOfseren und klei- 
neren, zusammengeschweifst sei, vielfach mit treuer Herübernahme 
der Quellstücke, aber auch nicht ohne eindringliche eigene Ar* 
beit u. s. w." Dem gegenüber mufs ich doch erklären, dafs mein 
Standpunkt von dem , welchen DyrolT im weiteren entwickelt, 
wesentlich verschieden ist. Während nach der Ansicht D.s ein 
Diaskeuast II. und Od. zu dem Zwecke verfafsl hat, „ein Hand- 
buch für den Gebrauch der Rhapsoden herzustellen" (S. 3), sprach 
ich a. a. 0. diese Gedichte einem wirklieben Dichter zu* der 
damit ein Kunstwerk geschaff'en hat, das alle gleichzeitigen Werke 
ähnlichen Inhalts weit fiberragte, ja geradezu das vollendete 
Muster epischer Dichtung geworden ist« Der Unterschied beider 



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Homer» von C. Rothe. 



137 



Anschauungen wd sofort klar, wenn wir auf D.s Ausführungen 
näher eingehen, lü behandelt in drei Teilen 1. die neuen Waffen 
(S.4— 18); iL den Tod des Patroklos (S. 19-32); lU. die Ober- 
lUtang des Zeus (S. 33 --45). Oiß Darstellung bringt swar 
nicht viel Neues» muls aber geradezu als ein Muster der zer- 
setzenden Kritik bezeichnet werden« Deshalb ist ein kurzes Ein- 
geben auf seine Ansicht geboten. 

Im ersten Teile vertritt D. mit Niese u. a. die Ansicht, dafs 
die Beschreibung des Scliildcs und, was damit zusammenhangt, 
der WafTentausch des Patroklos nicht zur allen Ilias gehöre. Dafs 
diese Verse zu den jüngsten Teilen der Ilias gehören, habe auch 
ich behauptet (vj^l. JB. XIII S. 284 und Jahrb. f. kl. Phil. 1889 
S. 245). Aber svenn D. weiter behauptet, dafs die ikschreibung 
des Schildes ein Einzellied gebildet habe, das noch jetzt im 
wesentlichen herzustellen sei» weil der „Diaskeuast" fiufeerst un- 
geschickt bei der Einfögung ▼erfahren sei, so kann ich ihm nicht 
folgen. Icli kann die Beschreibung des Schildes und den Waflen- 
tausch als Teil der Ilias, auch wenn beide nicht im ursprOng* 
liehen Plane gelegen haben mögen, mir wohl denken, aber nimmer 
als Einzeln ed; denn mir ist ersichllich, weshalb der Dichter 
sie eingeführt hat. D. freilich wundert sich (mit andern), dafs 
Achill, selbst wenn er waHeulüs sei, nicht sofort auf die Knude 
von des Freundes Tode fortgestürzt sei und des näcbsten Kriegs- 
mannes Lanze und Schild ei>;iiiren habe, und spricht darüber in 
sehr krSftigen Worten: »»Aber die Mutter hat es verboten? 
Durfte der Dichter im Ernst ein solches Hotif anwenden? Wird 
nicht Achilleus» wenn er in einem solchen Falle der Mutter folgt, 
ein mattherziger Gesell?** Aber er übersieht dabei, dafs wenn 
Achill jetzt fortstürmte und den Hektor erlegte, die ganze Dar- 
stellung des 17.— 22. Buches der Ilias unmöglich wäre. Und 
sollte der Tod üektors und die ihm vorangehmden Kämpfe etwa 
auch noch in diesen an Ereifjnissen so überreichen Tag fallen, 
der mit A 1 anfängt? Um also die Eulwicklung der Handlung, 
wie sie jetzt in T — (P" erfolgt, möglich zu machen, läfst der 
Dichter Achilleus waffenlos seiu, und um dies wieder zu erklären, 
VÜsX er Patroklos die Wa£fen Achills anlegen; diese aber wieder 
Hektor rauben, damit das Gespräch zwischen Mutter und Sohn» 
dann der Gang der Tbetis zu Hephaistos, endlich die prächtige 
Schilderung des Schildes eine wohlthätige Unterbrechung der 
ewigen Kampfesscenen bilden kdnne. Dieser Zweck ist ein Beweis 
hohen Kunstsinnes. Der gewallige Held der Griechen soll nicht 
am Abend des so känipfereichen Tages noch auftreten, der Dichter 
gewährt vielmehr dem Austoben seiner Kraft einen ganzen Tag 
und erfrischt durch anmutige Schilderung inzwjsciien die durch 
80 viele Kampfesscenen ermüdeten Hörer oder Leser. Das Mittel, 
dies möglich zu machen» der VVairentausch des l'atroklos, mag 
naiv genannt werden» steht aber künstlerisch tniendlich höher als 



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138 



Jahresberichte d. pbilolog. Vereios. 



das oben von Lessing angewandte Mittel, eine Reihe von Scenen 
ohne Ortswechsel einzuführen. Hierbei mag es ganz dabiugcstollt 
bleiben, ob der Dichter von Anfang an diese Scenen im Auge 
gehabt bat. oder ob er erst bei der Aasffthruog seines Planes 
darauf gekommen ist. Ich möchte das letztere glauben, ja es 
wäre sogar möglich, dafs er erst nachträglich Achilleus' Fernbleiben 
näher begründet habe, wofür es auch bei neueren Dichtem ähn- 
liche Beispiele giebt. 

Wo icii also einen bestimmten dichterischen Zweck bei einer 
aulTälligen Unterbrt'( linnj? der IT.uiplhandliing ('rlv<'nne, glaube ich 
nicht an die Wirksamkeit eines Diaskena.strn " o<lf»r ..niprhani- 
schen Bparbeiters''. Anders steht <-s in Fällen, hei denen ein sol- 
cher Zweck nicht zu erkennen ist. So gebe ich dem Verf. durch- 
aus Recht, wenn er im zweiten Teile (S. 27) meint, dafs 7/762 
die Handlung notwendig zu einem entscheidenden Kampfe dränge, 
in welchem Uektor Patroklos ohne irgend welche andere Hülfe 
töten mösse. Wenn hier mit einem Male die Entscheidung hinaus- 
geschoben wird, noch einmal ein Sieg des Fatroklos erfolgt, wenn 
auch vnkq afcav, so mochte man freilich annehmen, daCi 
hier eine „andere Quelle" einsetze, — oder dafs ein Rhap- 
sode geglaubt habe, den Patroklos noch mehr verherrlichen zu 
müssen. 

Tm dritten Abschnitt siiflit der Verf. nachzuweisen, dafs der 
Überlistung des Zeus durch llere ein Lied zu Grunde liegt, in 
welchem der Dichter eine theogonische Dichtung travestiere, und 
ist bemüht, die einzelnen Stücke dieses Liedes (meist nach dem 
Vorgange anderer) aus N, S und 0 zusammen zu suchen* flier 
gebe ich die Benutzung eines Einzelliedes gern zu, halte aber 
die Wiederherstellung dieses Liedes für äufserst zweifelhaft, da 
die Verschmelzung wie in anderen Fällen zu weit fortgeschritten 
ist, als dafs ein „reinliches Ergebnis*' herauskommen könnte. 

4) Hg, Über die Homerische Iiritil «^eit Fr A Wnlf. T. Die 
W olf - Lacbiuauuäche lUchtuug. Progr. iiavca^burg 1S9L 
28 & 4. 

Der Verf. übt zunächst (S. 1 — 12) an den Hauptsätzen Wolfs, 
dann Lachmaun^ und seiner >iachfu]ger (S. 13 — 28) eine streng 
sachliche Kritik, die in allen Uaupt|)unkten zur Ablehnung dieses 
Standpunktes föhrt Wie er sich aber selbst die Gedichte ent- 
standen denkt, wird aus seiner Ausföbrung noch nicht klar. Doch 
kann man daraus, dafs er an die Spitze seiner Arbeit den Aus- 
spruch Goethes stellt: „Ich bin mehr als jemals Ton der Ein- 
heit und Unteilbarkeit des Gedichtes (der Ilias) überzeugt u. s. w." 
und aus der Art, wie er Wolf und Lachmann zurückweist, 
schliefsen, dafs er ein unbedingter Vertreter der ursprünglichen 
Einheit der homerischen (iedichlf? ist. Seinen Standpunkt ent- 
wickelt er bofTeutlich in dem in Aussicht gestellten zweiten Teile 



Homer, voo C Kotlie. 



139 



„Über die vermittelnde Richtung". Aeue Üesii :lit>|)unlae kann 
man in «'inern solchen geschichtlichen Überblick kauin erwarten, 
aber Auerkeunuug verdient die Uulie der Darstellung und die 
reiche Kenntnü der eiascblagigen LHteratiir. 

6) R. C. itbhf Boil«r: An introductioa to the 11ia4 and %ht 
Odfssee. Glasgow 1892. 201 S. 8. 

Dieses Werk liegt bereits in 4. Anliege vor (zuerst erschienen 
1886), ist mir aber jetzt erst zur Hcsprechung zugegangen. Es 
zerfällt in vier Kapitel: I. Allgemeine Charakteristik der homeri- 
schen fiedichte (S. 1 — 37); II. Die homerische Welt (wesentlich 
Uealieu, S. 3S— 71); ill. Homer im Altertum (behandelt den Ein- 
flulÜs, den die homerischen Gedichte auf die Erziehung der Grie- 
chen ausgeäbt haben, daneben aber auch Kritik und Erklärung 
der Gedichte im Altertum , S. 74 — 101); IV. Die homeriache 
Frage (S. 103 — 173). Dazu kommen einige gröfsere Zusätze 
(S. 175 — 197): der Königsbau in Tiryns, Verschiedenheit zwischen 
dem homerischen Griechisch und dem der späteren Zrit, Verschie- 
denheit der Sprache zwischen Ilias und Odyssee, homerische Worte, 
welche Spuren des ß zeigen, die homerische Verslehre, endlich 
eine sehr knappe Übersicht der Hauptwerke über liunier. 

Uns geht wesentlich nur das IV. Kap. an, wenn es auch aus 
den vorangehenden mancherlei Aufklärung erhält. Jebb giebt 
darin sunichst eine geschichtliche Übersicht über die homerische 
' Frag«, wobei er, nadh kurzer Erwähnung von Wolfe Vorgängern, 
vor allem dessen Ansicht ausfuhrlich bespriclit und dabei mit 
Recht auf Wolfs bekannten Widerspruchsgeist als den eigentlichen 
Urheber der ganzen Frage hinweist und betont, dafs seine Nach- 
folger gerade auf Wolfs NVidersprurli gegen die Einheit als dem 
Neuen in seiner Ansicht allein Wert gelegt und zu wenig beachtet 
hätten, dafs auch er eine gewisse Einheit selbst der Ilias zugelassen, 
die der Odyssee sogar entschieden behauptet und bewundert habe, 
dafs er ferner nicht versucht habe, zu ^entscheiden, welche Ge- 
sänge der Ilias dem ursprünglichen flfcbter und welche etwa 
seinen Nachahmern zuzuschreiben seien. Dabei bespricht J, auch 
die Nachricht von der Sammlung des Pisistratus und hebt, wie 
nur zu billigen ist, ihre Bedeutungslosigkeit für die eigenthche 
homerische Frage hervor; namentlich folge .daraus nichts g^en 
eine ursprüngliche Einheit der Gediclite. 

Wie Wolf, so bespricht J. auch die Ansichten von Lachinann, 
Hermann, iSitzsch, Grote, Geddes, W. v. Christ, Kirchholf und 
Fick in ruhiger, sachgeniäfser Weise, wobei er im allgemeinen 
mit unserem XIIL Jabresber. (1887) iibereinstimmt. S. 155 ff* 
kommt er zu einer Zusammenfassung der Ergebnisse und zur 
Darlegung seiner persönlichen Auffassung über die Entstehung der 
Gedichte. Diese steht der von W. v. Christ ziemlich nabe, nur 
dafs J. eine Wiederherstellung der einzelnen Teile, aus denen 



uo 



Jahresberichte d. philolog. Vereins. 



ailmäblicli unsere Ilias eiUstaoden sein soll, bis auf einzelne Verse 
für niiinöglich hält. Jeiib nimmt auch einen „Kern" an, l>e- 
steiiend aus Ay A, Tl — X, die letzteren Bücher jedoch schon stark 
durch Zusätze erweitert. Der Dichter dieses „Kerns"' ist ihm 
Homer. Als die ältesten Zusätze bezeichnet er die Bücher B — H 
(ohne den ScbiflTskatalog) und M — O, Diese ZasSUe sollen ge> 
macht sein, gleichviel ob von dem ersten Dichter oder einem an- 
dern, ohne den arsprfingfichen Plan zu verändern. Wenn der 
Verf. S. 158 sagt, dafs die Gedichte eine Ilias, nicht blofs eine 
Acbilteis gewesen seien und von vorn herein eine allgemeine Schil- 
derung des Kampfes zwischen den Griechen und Trojanern ent- 
halten hätteo, so verstelip ich nicht, wie er ß — J glaubt im ur- 
sprünglichen ,,Kern" entbehren zu können. Denn diese sciiildern 
doch die Veranlassung zum kriege und die allgemeine Lage des 
Kampfes. Merkwürdig ist auch, dafs J. von den Büchern und 
/i behauptet, dafs sie dem Inhalt nach den notwendigen Abschlufs 
der Ilias bildeten, dafs sie aber aus sprachlichen GrQnden 
nicht zum ursprfinglicben Kern gerechnet werden könnten. Ich 
verstehe dies deshalb nicht, weil er S. 156 ausdröcklich auf die 
Einheit des Stils, der in den Gedichten herrscht, aufmerksam 
macht, ja warnt, daraus Schlüsse auf die Einheit der Gedichte zu 
ziehen. Ich bin allerdings der Ansicht, dafs bei aller Gleich- 
förmigkeit des Slilj? die Sprache in den homerischen Gedichten 
ganz bedeutende Unterschiede zeigt. Aber bei welchem Dichter 
fänden sich solche Unterschiede nicht? Man vergleiche doch nur 
Goethes Sprache im Golz von Berlichingeii mit der im Tasso oder 
in der Iphigenie und die Schillers in den Räubern oder selbst 
noch im Don Carlos mit der im Wallenstein oder in der Braut 
von Messina, und doch liegt zwischen diesen Dichtungen wahr- 
scheinlich nicht soviel Zeit, als wir, wenn wir gerecht sein wollen, 
zwischen den einzelnen Teilen derlh'as und Odyssee annahmen mfiaaen, 
selbst wenn wir sie einem Dichter zuschreiben. Nur in einer 
hochentwickelten Sprache und bei einem Dichter in seiner reif- 
sten SchalTenszeit dürfen wir im allgemeinen gleiche Sprache an- 
nehmen, wie sif pirfi 7. R. bei Vergil in der Aeneis zeigt. Aber 
selbst dann zeigen Dichtungen mam lie Verschiedenheiten, die auf 
die Rechnung des örtlichen Gepräges, auf die Quelle (vgl. z. B. 
Schillers Teil) oder auch auf die augenblickliche Slimmung des 
Dichters, die Begeisterung oder Abneigung, die er dem Stolle ent- 
gegenbringt, zurückzuführen sind. Wenn also J. mit Geddes 
geneigt ist, / und Q dem Dichter der Odyssee zu geben, 
weil der Ton und die Sprache an die Odyssee erinnern, so trägt 
er den eben angestellten Betrachtungen nicht genügend Rechnung. 

Den Abschluß der Ilias in allen wesentlichen Teilen setzt 
J. in die Zeit von 850 — 800, und man mufs ihm darin l>ei- 
stimmen, wenn wirklich die ersten cyklischen Dichtungen, wie 
die Aitbiopis und die kleine Ilias, in den Anfang der Olympiaden 



Hoaer, vob G. Roth«. 



141 



rechnong fallen. Denn die Entstehung dieser Dichtungen setzt, 
^vie Niese sagt, voraus, dafs an den homerischen Gedichten nicht 

mehr „gearbeitet'' wurde. Sie erweisen sich aur}i in ütrer gan- 
zen Anlage, ^uwel wir von ihnen wissen, entweder geradezu als 
Nachahmungen der homerischen Gedichte oder sollen ihnen als 
Ergäüzung dienen. Wenn aber J. das Uuch Ä allein 150^200 
Jahre später setzt und dieser Zeit auch die giöfseren Interpola- 
tionen zuschreibt (Phoenixepisode 1 432 — 619, Nestor und Pa- 
trokloB A 699^848 oder wenigstens 665—762, Waflenachmie- 
doDg ffir Achilleaa in 2, die Theonadiie in r 4^-380, 0 383 
bis an Ende, die Leichenapieie in und die Kataloge in B), 
so stimme ich ihm keineswegs hei, weder in der Anaetanng des 
Zeitalters noch in der Annahme sjinitlicher gi^faeren Zusätte 
(a. 0. S. 137 und Jü. XIII S. 290 f.). 

Endlich wirft i. die Frage auf, oh Homer den europäischen 
Griechen angehörte oder den kleinasialischen , und entscheidet 
sich dabin, dafs der eigentliclif Kn n der Gedichte jedentalls im 
Mutterlande entstanden sei, aber vielleicht schon dir ersten Kr- 
weiteiuiigen B — // und M — 0 in Klejuasien. Wenn dabei in 
keiner Weise auf die grofse Tbat der Griechen, die Besiedelung 
Kleinaaiens, angespielt wird, ao erkllU't der Verf. diese merkwfir« 
dige Thataache damit, dafis das Epos schon eine so feste Gestalt 
angenommen habe, dafs die Portsetzer nicht gewagt hätten, in 
dieser Beziehung Neuerungen vorzunehmen. Ich meine, die Frage 
ist milfsig und nicht zu entscheiden. Das einzige, was wir mit 
einiger Sicherheit l)eliaupten können, ist, dafs die erste Ausbil- 
dung des episrben (Gesanges bei den Äoiern, sei es im Mutter- 
lande, sei es in den Kulonieen, erfolgt ist, weil sich nur so die 
Aolismen in der homerischen Sprache, nameniiicii in be.stinimlcn 
Stellen des Verses, erklären lassen. Im übrigen tapi)en wir Ober 
die Entwicklung des Epos völlig im Dunkeln. Dafs die ßesiede- 
long Kleinasiens im Epos nicht erwShnt ist, ist Icaum so wnnder*- 
bar, als dafs in onserem Volksepos die gröfste That dea Ger- 
manentums, die ZertrOmmerang des römisdien Weltreiches, nicht 
erwähnt wird, und dafo Attila, die „Gottesgeisel", zu einem ganz 
friedliebenden, kraftlosen Herrscher geworden Ist Welche wun- 
derbaren Wandlungen die Sage nimmt und welche für uns un- 
begreiflichen That-sflclien für sie mafsf^ebend sind, (hs zeigt recht 
deutlich die Herzog Ernst-Sagn. Während wir nlter hier, da wir 
die Geschichte dieser Zeit kennen, emigermafsen die Wandlungen 
erklären können, i&l dies bei der altgriecbischen Sage unmöglich, 
da uuö die nötige Unterlage, die genaue KeiuiUiijs der gleichzei- 
tigen Geschichte, fehlt und durch Schlüsse allein nicht zu er- 
setzen ist 

Ober die Odyssee bemerkt J. nur kurz , dafs er im allge- 
meinen KircbhoiT zustimme, obwohl er es auch hier fQr unmöglich 
hfilt, die Grenzen der einzelnen Teile, namentlich der alteren 



142 



Jahresberielite A, pbilolof. Vereint, 



Fortsetzung, so genau zu bestimmeo, wie es Kirchhoff ver* 
sucht hau 

6) Gaston Sortais, Ilios et Iliade. Paris 1892. XV u. 417 S. — 
Vgl. P. Caner, Berl. Pbil. WS. 1893 Sp. 1125—26. 

Das Buch zerfällt in sieben Kapitel. Im I. giebl Sortais eine 
kurze, recht geschickte Übersicht Qber das Leben Schlieroanns 
und die Ergebnisse seiner Ausgrabungeo. Im II. spricht er Aber 
die jetzige Gestalt der IJias und hebt scharf die wesentlichsten 
Unebenheiten im Aufbau her?or. Im III. macht er einen Ver- 
such zur Wiederherstellung der ursprunglichen Ilias. Im IV. Ka- 
pitel behandelt er die homerische Götterwelt, wie sie sich in den 
von ihm als edit nngonommenen Teilen zeigt, während er in den 
drei letzten Kapiloln die Kunst der homerischen Darstollung (V. 
le nature! , VI. la grandeur, VII. l'union du reel et de lideal) 
schildert. Wichtig sind für uns nur der 2. und 3. Teil, die 
auch den gröfslen Umfang haben (S. 107 — 296). üer Verf. sagt 
selbst, dafs er auf dem Standpunkte von A. Croiset stehe, den 
ich in diesen Jahresberichten (XVI S. 127 — 129) besprochen habe. 
Dieser ist mir durch Sortais' Arbeit um nichts klarer geworden. 
Er weist die Ansicht Lachmanns xuruck, weil unzweifelhaft eine 
Kinheit in den homerischen Gedichten vorhanden sei ; er verwirft 
die Annahme einer ursiirfinglichen Einheit der Gedichte, da die 
Widersprüche und Unehrn heilen in der Dartellung zu grofs seien, 
als dafs man sie einem Dichter zutrauen könne, er wendet sich 
eiullieh gegen v. Christ, Niese und andere, welche au eiuen ur- 
sprünglichen Kein und dessen allmähliche Erweiterung glauben, 
weil bei dieser Vurausselzung es möglich sein müfste, den ur- 
sprünglichen Kern auch jetzt noch mit einiger Sicherbelt herzu- 
stellen. Dies aber sei noch keinem gelungen (wie auch ich JB. 
XIII S. 2dOC gezeigt habe). 

Was ist nun seine eigene Ansicht? Ich will sie mit seinen 
eigenen Worten wiedergeben, damit nicht die Unklarheit auf Rech* 
nung der Wiedergabe gesetzt werden kann: II laut attribuer 
neeessairement l'unile de l'Iliade a une conception primitive com- 
pienant l'action dans tonte son etendue (also auch der Bucher 
11 — X, Xll — \V\ et (l'iin nnlre cote, la mise en reuvre de cette 
conccptiuu dans ses diverses parlies ne peut etre inijfulee ä un 
meme poete (so auch Croiset, Histoire de la litt, grecque S. 193). 
Die einzelnen Gesäuge ne sunt ni absolument independants ni 
completement enchalnes. Was sind sie also? fragt man mit dem 
Verfasser. Des rhapsodies separees formant un tout distinct, qui 
peut sufifire k une röcitation, mais en mime temps reli^es entre 
elles par le Iii de leur commune legende (S. 86 — 87). Mit dieser 
Erklärung hebt S. die erste Erklärung (nach Croiset) auf, wonach 
alle Gesänge auf einen gemeinsamen Plan zurückgehen sollen, 
and stellt sich andererseits ganz auf Lachmanns Standpunkt. 



HoB«r, von G. Rothe. 



143 



Denn auch dieser behauptet (in den Briefen an Lehrs): „solche 
Einheiten (wie die der liias) schärft die Sage'*. Was ist also das 
Neue? Und wenn Sortais S. 89 schreibt: On ne saurait assi- 
niiler cette epopee de l'adolescence d'un peuple ä un po^me d'une 
forte unite organique, oh Ips chants s'enchafru'nt avec im nrt 
rafline comme dans le corps humain les os s'riiiboiteiit avoc pre- 
cision et soiiplesse. La spontaneite et les usa^^es de cos temps 
recules ne comportaienl qu'une unite relative, so versteht man 
nicht, weshalb er mit dieser Einheit so streng ins Gericht geht, 
wie es im zweiten Teile geschieht. Das Urteil ist dort so hart, 
dafs es nicht einmal der ^hwierigkeit des Dichters, eine Expo- 
sition des Gedichtes nachträglich zu bringen, irgendwie Rech- 
nung trägt. 

Wenn endlich S. dem ursprün^'Hchon Dichter folgende Ge- 
sänge gielU, oline ihren üinrang im eiuzelnen sciiarf begrenzen 
und die IJeilKMitolgc, in der sie entslanden seien, bestimmen zu 
wollen: 1) der Slrcil, 2) die Niederlage der Acliaer nud die 
ücldenthaten des Agamemnon, 3) die GesamiM iiaft, 4) die Patrokiie, 
5) der Schmerz des Achilleus, 6) die Aussöhnung, 7) der Abscliied 
Hektors von Andromache, 8) der Tod Hektors, 9) die- Auslösung 
Hektors, — und glaubt, dars alle diese denselben Geist atmen, so 
dürfte er damit sehr wenig Zustimmung finden« 

Freilich sprachliche Eigentümlichkeiten stören ihn nicht, und 
er tadelt sogar (nicht ganz mit Unrecht) die Deutschen, weil sie 
zuviel Gewicht darauf legten. Aber wie ein so langes Gedicht, 
das den erbitterten Kam[)f zwoier Völker behandelt, nicht ein 
Wort über die Entstehung des Krieges und seine Dauer enthalten 
soll, ist nicht zu verstehen. Auch vertragt es sieb nicht mit der 
rasclien Entwicklung, die dem ursprünglichen Gedicht eigen sein 
soll, wenn im ersten Gesänge die G5tter zwölf Tage abwesend 
bei den Aitbiopen gedacljt werden, und ebenso unbegreiflich ist 
das Eingreifen des Patroklos. Denn wenn die Gesandtschaft ohne 
Erfolg verlaufen ist, wie ist es dann denkbar, dafs Achilleus, ohne 
dafs sich die Verhältnisse verändert haben, den l^atroklos ziehen 
läfst? Ebensowenig ist der Platz zu billigen, den S., nach dem 
Vorschlage anderer, Hektors Abschiede zuweist. Während *m" jetzt 
zur Exposition dient und die wilden Kampfesscenen angemessen 
unterbricht, würde er an der Stelle, weiche S. für angemessen 
hält, die ohnehin schon staike; Tragik der letzten Sceuen ins Un- 
messene steigern, was der echte Dichter mit Becht vermieden bat. 

Kurz, auch diese Ansicht ist, trotz der gegenteiligen Ver- 
sicherung des Verf.s, „bätie en Tair**, und wenn sie sich vor allem 
auf die Unhaltbarkeit der anderen Annafamen stützen soll, so ist 
dies eine ebenso unsichere Stfitze wie die historischen Beweise. 
Übrigens liefse sich nicht nur gegen die allgemeinen Züge, sondern 
auch gegen die Ausführung der einzelnen Gesänge viel einwenden, 
wenn uns dies hier nicht zu weit tührle. 



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144 



Jakreiberichte d. philoUg. Vareioa. 



T) Gaiseppe Strickltnd, La questioD e omerica. Tur!«o - Pfrlermo, 
C. Clausen, 1S93. 106 S. 8. — Vgl. G. Vogriaz, Wä. i. kia&s. Phii. 
1893 Sp. 209—10. 

Die Schrift ist uns nicljt zugegangen. Nach der genannten 
Anzeige aber giebt der Verf. gröfstenteiU nach den Vorarbeiten 
deutscher, franzosisrlier und englischer Gelehrten eine kurze Ge- 
stlnclite der hoineriscben Frage, bei der besonders Bonitz, Über 
den Ursprung der Homerischen Gedichte, 5. Aufl. 1879, benutzt 
»t. „Neaes xar Lösung der Frage bringt der Verf.» der sie (Qr 
unlösbar bfilt, nicbVS Wir kdonen sie also entbebren, und ieb 
erwähne nur nocb, dafs der Stoff in fönf Kspiteln behandelt ist: 
1) Chi era Omero e quando visse. 2) Storia e fortuna del texte 
omerico. 3) Garatteri et intreccio dei poemi onierico. 4) Solu- 
tione date alla questione omerica dal 1795 — 1892. 5) Conchiu- 
sinne. In dem letzlert-n Kapitel bekennt er sich als llnitarier, 
da dieser Standpunkt der be({ueinste sei. Doch lä&t er Interpo- 
lationen, ,,bewur8te" und ,,nTibo\vufstp". zu. 

Vügrinz tadelt in »einei lltij>prechung den Verf., dafs er 
Paley nur eiiuual gelegentlich nennt (S. 32 Anm. 1) und fügt 
hinzu: „Die Schriftstellcrei dieses Furscbers ist za widerlegen, 
nicht zu vernachlässigen'* (vgl. Oberdick, WS. f. klass. 
rbil. 1887 Sp.709 -15; 1888 Sp. 73—83 u. JB. XIV 353-54), 
aoeb habe er die Spraclie nicht berQcitsicbtigt und daher auch 
iieine Polgerungen aus Ficks Arbeilen gezogen. Seinerseits er- 
klärt Vügrinz, dafs auf litterarischem Wege die bomerische 
Frage nicht gelöst werden könnte. Es gehörten zur Lösung auch 
religiöse und politische Umstände. Was den Alexandrinern vor- 
lag, war die attische Gestaltung der Gesänge, und dadurch wird 
(nach V. Wilaniowitz) die sprachliche Eigentutnliciikeit erklärt, auf 
welche Paley - Oberdick (letzlerer in seinen Kritischen Studien, 
Münster 1SS4) so grofses Gewicht legen. Die Erweiterungen und 
Umdichtungcn einer ursprünglichen Vorlage erklären sich, wie 
Vogrinz glaubt, aus dem Bestreben der Geschlechter, in dem 
trojanischen Sagenkreise ihre Ahnen verti*eten zu sehen (Nestor, 
Aias), und selbst die Scene über die Gericbtsverbandlung auf dem 
Schilde des Achilleus soll dem Brauche im attischen Areopag ent- 
lehnt sein. An diesen Bemerkungen ist ja etwas Wahres. Doch 
darf man dabei nicht zu i^eil gehen. Änderungen dieser Art 
können immer nur kleinere Teile des Gedichts betroffen haben, 
und so z. B. die verworrrnm und ermüdenden Schlachtschilde' 
rungen in N und P entstanden sein; auf die Anlage des ganzen 
Gedichtes hahen aber solche Änderungen ebensowenig Einflnfs ge- 
habt, wir auf die Spraclie, obwohl auch hier einige sfiäterc Formen 
eingedrungen sein mögen (s. o. S. 136). GewilV sind endlicli poli- 
tische und religiöse Umstände auf die Gestaltung der Sage von 
Einflufs gewesen, aber wir Kennen sie zu wenig (s.o.S. 141), und für 
die Gedichte als Ein heil kommen auch sie weiu^ in Betracht. 



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flauer, roa C. Rothe. 



146 



8) W. V. Christ, Geschichte der griechischen Litteratur, 2. Aafl. 
1891. — Vgl. PeppmüUer, Herl. Phil. Wü. 1S'J2 Sp. 9^7— lülU. 

Diese zweite Auflage zeigt, soweit sie unsere Frage berührt, 
nur geringe Veränderungen. Im ganzen ist Clirist etwas voi Aich- 
tiger geworden in • Bdoem Urteil fiber Widerspruche. Während 
I. B. in der eralen Auflage die Pylaemenessceaen in E 576 und 
J\r656 ihm einen Widersprucli zu enthalten schienen, der bei 
einem Dichter unzulässig sei, erregen sie ihm jetzt nur „schwerer 
zu beseitigende Zweifel an der Einheit''. Mit Recht dagegen 
tadelt es Peppmüller, dafs Christ trotz Hillcrs sorgfältiger Prü- 
fung'* f§ 46Anm. 4, vergl. auch unsern JB. XIV S. 359— 352) 
noch immer die Dehau|)tm<g aufstellt, dafs Homer noch in der 
Zeit ilerodots für den Dichici aller Heldengesänge gegolten habe. 
Der von Antig. Caryst. Parad. 25 angeführte Vers aus Homer, der 
jetzt in Ilias und Odyssee niebt mehr vorkommt, beweiat gar 
nichts. £s ist, nach P., ein einfiiches Epigramm, echt griechisch 
gedacht, wie es etwa ein Odysseus sehr gut dem Telemaeh, wenn 
dieser nach der Sage nicht zu jung wäre, hätte geben können. 
Eine andere Erklärung eines solchen Verses bietet 

i^) £. MeyeTj Uo|meri«che P^arerga, 1. Der älteste H omertext. 
Hermes 1892 S. S63 IT. 

Liü iu I ayum gefundenes, aber nur sehr spärlich erhaltenes 
Homerfragment aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. (hrsggb. von Ma- 
baffy 1891, vgl. dazu Ludwig im Königsb. Lektionskat. 1892 und 
W. V. Christ in dm fier. der bayer. Akad. 1892) zeigt die Verse 

A 502 — 537 und enthält darunter den von Zenodot nicht ge- 
lesenen, von Aristophanes und Aristarch athetierten Vs. 515, 
aufserdem drei Verse, die jptzt ganz fehlen 504a, 509a, 
513a, während 529 — 30 in einen znsanunenfrezogen sind und 
dafür nach 528 ein andrer folgte. Daraus schUeist E. Meyer mit 
grofser Wahrscheinlichkeit, dafs der Text vor den Alexandrinern 
sehr viel gröfsere Abweichungen zeigte (vgl. z. Ii. die Abweichun- 
gen in viden von Plato angeführten Versen und meine Abhand- 
lung, Die Bedeutung der Wiederholungen S. 157), und dafs sie 
doch erst den beutigen Text geschaffen haben, wenn auch einzelne 
Kritiker schon früher ihnen vorgearbeitet haben mögen. 

So folgt aus einem so vereinzelten Verse nichts zur Unter- 
stutzung von Ghrists Ansicht Trotzdem wird diese vertreten von 

10) L. Kjellberg, De cyclo epico. Upsala 1890. Commentatio acade- 
mca. 40 S. - Vgl HiberUn, WS. f. klus. Plül. 1892 Sp.351— 53 

Die Schrift selbst hat mir nicht vorgelegen, aber aus der 
Besprechung von Häherlin geht hervor, dab Verf. im ersten Teile 
(S. 1—24) Volkmann (JB. XIII S. 251) und HUler zu widerlegen 
versucht. H. ist seiner Meinung und will diese Ansicht im än- 
tralblatt fdr BiUiothekw. VI (1889) S. 489 f. näher begrOndet 

JaMbariahle HZ. 10 



14» 



haben. Ich kann diese Ansicht nicht teilen und nur bedauern, 
dafs mir auch lläberlins Begründung m dem genannten Centrai- 
blatt nicht zugänglich gewesen ist 

11) L. Brhtrdt» Iii«* B, PMldogot 1892 S. 403^21. 

Wie in ^ (vgl. unsern IB. XVI S. 136--138) erkeiiDt Er- 
hardt «och in B ein doppeltes „ Motiv gleichsam ein göttliches 
und ein menschliches. Das ente SlAck Ton B bie V. 50 knOpil 
an das der Thetis gegebene Versprechen des Zeus an ; der Haupt- 
teil des Buches dagegen geht von einer anderen Voraussetzung 
aus, nämlich von der durch Achills Groll unmittelbar geschLilIeiitm 
schwierigen Lage für Agamemnon infolge der Unzufriedenheit und 
Kampfesunlust des Volkes. Dieser Nachweis ist wohl gelungen; 
vor allem zeigt E., dafs Thersites spricht, als ob Agememnons 
Rede im ersten Teile gar niobt Torangegangen wire, und dafs 
aucb Odysseus* und Nestors Rede nicht lum ersten Teile des 
Buches pafsten, ja eine nicht einmal zur andern. Beide Motive 
sind also mehr SuDserlich durch die erste Rede Agamemnoos ver- 
knüpft, die ihrerseits wiederum die ßovX)) yggoi^Ttav nötig ge- 
macht bat. Erst B 443 sind wir wieder auf dem Funkte, wo wir 
schon B 52 waren, und von hier ab werden beide Motive ver- 
bunden (vgl. noch 412 u. 383; 464 — 91). Trotzdem glaubt E., 
dafs der Gesang, wie er da ist, zum Vui trag gckuniinen und nicht 
etwa erst später zusammengesetzt sei : „Die Phantasie des Hörers 
wird gerade hier so unablässig in Anspruch genommen — alle 
Bilder, der Traum Agamemnons, die Versammlung der Geronten, 
die erste Rede Agamemnons, ihre Wirkung auf das Volk, Ther- 
Sites, reihen sich so lebendig aneinander, dafs wir zu kritischen 
Einwendungen zunächst keine Zeit haben". Ich stimme dieser 
Ansicht durchaus bei, verstehe nur niclit, wie E. dicsf» Tlmtsarhe 
verwenden will zur Begründung von dem ,,dichtenden Vuiksgeisle". 
Ich kann verstehen, dafs der Dichter in einer Notlage, nämlich 
eine Exposition nachzubringen, Gedaiikeu und TiiaUachen ver- 
bunden hat, die eine strenge Kritik fftr unvereinbar hflt, — aber 
was hat der dichtende Volksgeist damit zu thun? 

Von S. 413 an bespricht E. die Kataloge und weist zunächst 
nach Niese (Schiffskatalog S. 19 — 23 u. S. 29) auf die merk« 
würdige Thatsache hin, dafs dreimal Land doppelt verteilt ist, 
wobei Arilin nnrh gar nicht berücksichtigt pei. Mit diesem 
stehe es wie mit IiiomiMles: beide, ursprünglich S;i^Minheroen, ge- 
rieten bei ihrer Lokalisierung mit andern Besitzern in Streit. 
Niese habe zwar Recht, dafs zwischen unleugbar trefliicher Orts- 
kenntnis einerseits und der gröbsten Unwissenheit andererseits 
ein wnnderharer V1^idersi»ruch bestehe, indes entspreche dieser 
Sachverhalt genau dem Bilde, das uns die ganze Ilias gewflhre. 
Gebe man zu, dalli die Gedichte eine lange Zeit mündlich ver- 
breitet waren, so wären sie auch Zusätzen und Erweiterungen 



Honar, von C Aotia. 



147 



auscjesetzt i:ewesen, die üalaiüge wie rindere Teile des Gedichtes. 
Dies kann man gerade bei diesem Teile unbedenklich zugeben; 
es spricht dafür auch die „Troerschau". Diese macht neben der 
Heerschau der Griechen einen dürliigeu Eindruck, da nämlich 
das Gebiet der troiscben Hai&T&lker grdfstenteils später toq den 
Grieclien besetzt war, ao lag bier kein Grund lur Erweiterung 
vor. Dagegen möchte ich nicht glauben, wie E. aus einaelnen 
Anzeichen schlierst, daüi die Troeracbau erst später eingeschoben 
sei. Sie gehörte ebenso zur Exposition wie die Griechenschau, 
und sehr ricbh't^ bemerkt E., dafs diese Teile nnr lu Anf?<ng des 
Gedichtes stellen koriiiicn, da spfiter Helden lallen, die ni« lit mehr 
hätten aufgefülirt weiden können, obwohl gerade diese Übersicht 
den griechischen Geschlechtern ganz anders wertvoll gewesen sei 
als uns. Schon Protesilaos und i'hiiokiet machten Schwierig- 
keiten, docb seien sie vom Dichter glQckllch dberwunden. 
Die DarateJIung ist, wie auch seine letzten Bemerkungen (S. 420, 
421), klar und fiberzeugend, so dafo wir eine Forteetmng. seiner 
Betrachtungen wdnschen mfissen. 

12) ü. Düatzer, Der Apologoa der Odyssee. PJiUolons Bd. 50 (1891) 

S. 659-688. 

in diesem Aufsatze greift D. meine vor elf Jahren erschie- 
nene Ablidiidiung De vetere quem ex Odyssea Kiicbholfius eruit 
Noffxfa (vgl. JB. XIII S. 303) ao, da sich diese z. T. auch gegen 
ihn richtete und seinen Versuch, die TerBO, in welchen Poseidons 
Zorn erwähnt wird, als spätere Zusätze zu erklären. Er sucht 
nun meine Beweise, dafs Poseidons Zorn der Mittelpunkt des 
Nostos sei, durch sein bekanntes Mittel, die Interpolation, zu ent- 
kräften (659—679). Dann bekämpft er in dersrlhrn Weise Kochlys 
Auffassung des Apoiogos ( — 682), Nieses ( — 687) und zuletzt die 
von V. Wüamowitz ( — 689). Im einzelnen können wir hier auf 
seine Austührungen, die eine Förderung der scliwierigen Frage 
nicht bedeuten, nicht eingehen. Rein persönlich mufs ich be- 
merken, dafe ihm dabei doch ein recht merkwfirdiges MiXsgeschick 
begegnet ist Er wirft mir nämlich „Blangel an Kenntnis der 
Utteratur" vor, well Ich in jener Abhandlung aus dem Jahre 1882 
bei der Begründung seiner verschiedenen Interpolationen nur seine 
Ausgabe, nicht auch seine verschiedenen Aufsätze herangezogen 
hal)e. Nun dürfte es bei einem Anfänj^er auf diesem Gebiete bMcbt 
begreüiich sein, wenn ihm diese oder jpne Abhandlnng entgangen 
sei. Thatsächlich aber habe ich die von ihm ßcn aiiUen Abhand- 
lungen gelesen, allerdings sie nicht für so wichtig gehalten, dafs 
ich mir die Begründung jeder einzelnen seiner unzähligen Inter- 
pohitioDen neben seiner Ausgabe noch besonders merkte. Der 
¥er£ dagegen liest als alter Homerlker nicht einmal die leicht 
sugänglichen Jahresberichte über Homer in dieser Zeitschrift und 
verwendet 20 Seiten, um eine Ansicht su bekämpfen, die ich 

10* 



148 



Jahresberichte d. philulog. Vereins. 



bereits 18S7 (JB. XIII S. 330) zurückgenommen und gegen die 
ich in meiner letzten Abhandlung vom Jahre 1890 (Die Bedeutung 
der Wiederholungen) S. 136 Anm. und S. 162 Anm. selbst Gründe 
vorgebracht habe, freilich andere als er selbst. Denn mit der 
Annahme seiner vielen Interpolationen, deren Veranlassung man 
meist nicht versteht, kann ich mich auch heute noch nicht be- 
freunden. 

13) A. Giyczkie wioz, Untersochangen zur zweiteo Hälfte der 
Odyssee. Progr. Brody 1892. 53 S. 8. 

Der Verf. ist von KirchhofT ausgegangen und dabei unab- 
hängig von V. VVilamowitz und Seeck zu dem Ergebnis gekommen, 
dafs auch die zweite Hälfte der Odyssee aus der Verknüpfung 
dreier Epen, des alten und des jüngeren Nostos und der Tele- 
machie, entstanden sei (vgl. dazu unseren Bericht über seine erste 
Arbeit in den JB. XVI S. 146 — 148). Er geht zu diesem Zwecke 
die einzelnen Bücher durch und sucht den einzelnen Epen ihre 
Teile zuzuweisen. Ich halte dieses Unternehmen für erfolglos, da 
neben jenen Teilen noch der „letzte Bearbeiter" eingeführt wird, 
der diesen oder jenen Teil überarbeitet haben soll, und aufserdero 
Doch späterere Interpolationen zugelassen werden. Wie unsicher 
sich der Verf. selbst fühlt, zeigt die Behandlung der Episode vom 
Hunde Argos, über die er S. 11 schreibt: „Schätzt man sie nach 
ihrem poeti sch en Wer te ab, so wird man sie mit Bergk, da sie 
sich durch grofse Schönheit auszeichnet, der alten Dichtung 
anweisen. Berücksichtigt man aber den Umstand, dafs durch 
diese Episode der Zusammenhang unterbrochen wird, so 
wird man geneigt sein, in derselben eine jüngere Dichtung (?) 
zu erkennen. Das letztere Bedenken ist freilich nicht hoch an- 
auschlagen, da uns das Buch q in einer sehr umgearbeite- 
ten Fassung vorliegt". Und so läfst er schliefslich , da auch 
die poetische Kritik nichts Entscheidendes habe, die Frage unent- 
schieden. Ich meine, so müssen wir überall verfahren. Wohl 
liegen im zweiten Teile der Odyssee verschiedene Wendungen der 
Sage vor, die gewifs im Liede hchandelt waren. Aber diese sind 
so ineinander durch eine mächtig schaltende Dichlerkraft verwebt, 
dafs eine reinliche Scheidung unmöglich ist. Wenn wir hier 
Widersprüche finden, wie dafs Penelope das eine Mal tief traurig 
und hoffnungslos ist, dann wieder fröhlich und voll Zuversicht; 
dafs sie bald als das treue, ausharrende VA'eib erscheint und dann 
wieder gefallsüchtig und bereit, Geschenke anzunehmen; wenn 
Odysseus bald als ein wirklicher Bettler erscheint und sich so 
benimmt, bald den König durchleuchten läfst und seine Rolle fast 
vergifst: so möchte man freilich an verschiedene Dichter glauben. 
Aber selbst hier ist Vorsicht geboten. Entspricht nicht dieses 
Hollen und Bangen, dieser plötzliche Übergang von einer Stim- 
mung zur andern durchaus der Menschennatur, zumal im Stande 



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Honeri tob G. Rothe. 



149 



einer gewissen Unsicherheit? Hat nicht der Dichter selbst, der 
genaue Kenner der Menschennatur, dieses Schwanken oft darge- 
stellt, z. B. geradezu ergreifend in jener hen liehen Scene, die uns 

Hektors Abschied von Ändromache schildert? WährrTif] er einer- 
seits Hektür die hotfnungslosen Worte aussprechen lälst: hüfiiy.i 
^ficeQ oz' av xtX., blickt dieser bald darauf mit Stolz auf stKien 
jungen Sohn und wünscht, dafs er der Buhm der Stadt werde, 
— und der Gedanke an baldigen Untergang der Stadt ist ver- 
schwunden. 

Poetische Sditaheit aber ist, wie immer mehr, auch Tom 
Verf., sugegeben wird, ebensowenig ein sicheres Merkmal höheren 
oder geringeren Alters ab geschicktere oder ungeschicktere Ver- 
wendung desselben Sprachgotes, wie ich solange behaupten werde, 
bis meine am Anfange erwähnte Abhandlung widerlegt ist. Am 
ehesten weisen auf Verschiedenheit der Oiieüpn noch Äufserlich- 
Ivciten hin, wie verschiedene Namen für Vt isunen, die wesentlich 
denselben Zweck liabeii, z. B. Eiirynome neben Eurykleia, Philoi- 
tios neben Eumaios, oder dafs die Freier bald nur aus Ithaka sind, 
bald auch von den umliegenden Inseln; dafs der Kampf bald nur 
mit dem Bogen, bald imi andern Waffen geführt erscheint; dafs 
Odysseus bald allein zu sein scheint, bald mehrere Gehalfen im 
Kampfe hat Aber über die allgemeinsten Zfige kommen wir au^ 
so nicht hinaus. 

In einem Anhange (S. 43 — 53) will Cz. noch beweisen, dafs 
bereits das Xill. Buch aus der Verbindung des älteren und des 
jnp'^fTen Nostos entstanden sei, dafs nach dem alteren Epos nicht 
Aliierw, sondern ein anderer Gott, etwa Hprmps (vidvlr-^f). dem 
Ody^seus zuerst auf Ithaka entgegengetreten sei. Die /.uni Be- 
weise angezogenen Stellen y 190 -193, 200—216, 3UU — 305, 
320 — 323, endlich 330 — 351 bieten allerdings für eine einheit- 
liche Auffassung des Gesanges unleugbare Schwierigkeiten, wenn 
auch Dicht so groCse, wie der Verf. glaubt, und es ist nicht un- 
möglich, dafs Athene hier wie in die Pfaäakenlieder erst später 
hineingebracht worden ist. Eine sorgfSltige Untersuchung über 
die Stellung der Athene zu Odysseus, die auch die allgemeine 
Entwicklung religiöser Vorstellungen bei den Griechen im Auge 
behält (s. 0. S. 144), könnte hier vielleicht noch einige Aufklä- 
rung bringen. 



Anhang. 

Zu meiner Anzeige der Schulausgaben der Ilias und Odyssee 

von A. Tb. Christ (JB. 1892 S. 270 f.) äufsert sich der Hsgb. 
in einem Schreiben an die Redaktion der Zeitschrift folgender^- 
mafsen: 



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150 



Jahretberiehte d. pkil«il«f. Vartint. 



1) Das aAJUe Mal dog in II 80 hat nach AussclKidung der 
V. 64 — 70 eine ganz klare Beziehung auf die V. 61— 63 
(^tet e(f rji> ys mX.)\ daher ist der Vorwurf, den der Hez. bei 
der Resprecbung dieser Steile gegen mich erhoben hat, nicht he- 
gründet. 

2) ]L& geht uicht an, die Einleitung zur Ilias zu der zur 
Odyssee in einen solchen Gegensatz zu briDgen, wie es der Rez. 
mit den Worten: ,,Der Verf. entwickelt in der Einleitang zur 
Ilias genau die Ansicht Lacbmanns*' u. s. w. tbut, da die so^en. 

Liedcrtlicorie nur zu dem Zwecke entwickelt wird, uro sie (vgl 

Ilias S. Xlf.) als nicht stichhaltig zu erweisen. 

3) Ich war möglichst bestrebt, die Begriffe „einheitliches 
Epos" und „Einheit der fibfrliRfprtpn Ilias und Odyssee" in der 
Fassung der beiden Einleitungen deutlich auseinander zu halten; 
für den Schüler also, der denselben sinngetreu folgt, finden die 
sonstigen Widersprüciie, weiche der Bez. gefuadeu iiat, auf S. XIII 
der. Elias u. S. XXVIII der Odyssee ihre Lösung. 

Auf diese Bemerkungen erwidere ich: 

1) Diese „klare ßeiiehung** leugne ich und meine, daÜt die 
Worte aXkä »al 4oc . . . nur auf II 72/73 gehen können. „Den 
Griechen geht es schlecht» es würde bald anders sein, wenn mir 
Agamemnon freundlich gesinnt wäre ... Aber auch so wehre 
ab das Verderben den ScbilTen (obwohl Ag. mir nicht ficiindlich 
gesinnt ist)!" Im übrigen erfordert die Stelle eine auäiührkchere 
Behandlung aU hier möglich ist. 

2) Wo bringe ich denn die Einleitung zur Ilias und die zur 
Odysse in einen Gegensata? Ich habe es nur getadelt, dafs in beiden 
Einleitungen die Homerische Frage in dieser Auafdhrlichkeit be- 
handelt wird. Genau derselben Ansieht ist P. Cauer (Herl. Phil. 
WS. 1892 Sp. 838—39), der auch schreibt, dafs die Einleitung 
über die Komposition der Odyssee „denn doch über das MaCs 
dessen,, was den Schülprn in dieser Hinsicht ziigemiifet werden 
kann, hinausgeht", und bisondprs, wie iclt, din erwähnie Ver- 
mutung tadelt, dafs ..in einer älteren Odyssee der Freiermord auf 
Grund des Einversländuisseh zwischen dem Helden und seiner 
Galtin erfolgt sei". Ähnlich E. iNauuiann in diesen JB. (XIX S. 48): 
„Die EinleitQng beschäftigt sich tebr eingehend mit Zusammenbang 
und Komposition des Gedichtes und geht dadurch weit Aher den 
Rahmen des Schul mäfsigen hinaus*'. 

3) Wie die beiden Begriffe „einbeithches Epos" und „Einheit 
der überlieferten Ilias und Odyssee" nicht Verwirrung in den 
Köpfen der Srbfiler anrichten sollen, und wie vollends die beiden 
angeführten Stellen die von mir ^prü^rt^'n Widersprüche beseitigen 
sollen, ist mir geradezu dunkel. Die Einleitung zur llias beginnt 
mit den Worten: Homers Dichlerruhm knöpft sich an zwei grofs- 
artige Epen, die Ilias und Odyssee, deren Vorzüge mit seltener 
Einhelligkeit zu allen Zeiten und von allen Nationen an* 



Honar, tob G. Rothe, 



151 



erkannt worden sind . . . Horaz, selbst rin gefeierter Poet, wies 
. . . auf Homer als unerreichtes Muster hin . . vS 28 ^hev der 
Einleitung zur Odyssee lesen wir: ,,In ihrer gcg<'n w ärtigen 
Gestalt ist also die Odyssee gewifs nicht die Schöpfung eines 
Dichters, sniKici n ihr Zustand lafat sie als das Ergebnis einer 
Bearbeiiung erkennen... Der dichterischer Begabung 
ermangelnde Bearbeiter . . . folgt seinen Vorlagen auch an sol- 
chen Stellen, welche dem ihm Torschwebenden, umfassenderen 
Plane gemäft hStten umgeslaltet werden mfissen, und nimmt so- 
gar Wiederholungen dessdben Grundgedankens und einander 
widersprechende Situationen aus den Ton einander unabhän- 
gigen Darstellungen unbedenklich auf*. S. XIII der ilias dagegen 
wird auf das stückweise" Vortragen des ursprunglich einheit- 
lichen Gedichtes hingewiesen. So konnten ursprünglich selb^^tfin- 
dige Lieder „cin^i']pf?t" werden, welche „die einlicitliche Kufiijx) 
sition des Werkes einpliDdlich schädigten". Diese Urteile sollen 
den Schaler nicht verwirren? Was zu „allen Zeilen und von 
allen Völkern'% insbesondere aber von ilora^ so neUv bewuiiderl 
worden ist, waren doch nicht jene von der heutigen Kritik an- 
genommenen Urgedichte, sondern Ilias und Odyssee in ihrer 
jetzigen Fassung. Diese Gedichte aher werden von dem Verf. 
als die Erzeugnisse eines »^dichterischer Begabung entbehrenden 
Bearbeiters" hingestellt, welche die gröfsten Unebenheiten und 
Widersprüche enthalten. Was soll dann der Schüler von dem IJr- 
teil des Horaz und der Bewunderung aller Zeiten und Nationen 
denken? 



Friedenau h. Berlin. 



Carl Rothe. 



■ 



5. 

Horatius. 



I. Ausgaben. 

1) Q» Horatii Flacci carmiDa. Rrlepit et apparatu critico selecto in- 

•truxit Martious Hertz. Berlio, VVeidiDaoasehe tiacUumdlaog, 1892. 
VI «* 239 S. 8. 2,40 II. 

2) Q. Horati FUeei opera. Seholaran in umm «didernDt 0. Keller 

et J. Haenssoer. Editio altera emeDdata. VVieu aod Pra^;, F. 
Tempsky (Leipzig, G. Frey tag), 1692. XXVIil u. 321 S. 8. 1,50 M. 

3) Uoraz' lyrische Gedichte. Erklärt voo Gerh. Ueinr. Müller. 

Strefsborser Druckerei und VerlagaaDatalt, 1892. 272 S. 8. 2,25 M. 

4) Q. florali Flaeei opera. Recognovit, praefatuaett, adootationes addidit 

flector Stampiai. Modena, £. Saraaiao» 1892. LVI n. 469 S. 12. 

Martin Hertz spricht in der Vorrede den sehr zeitgemSben 

Gedanken aus« dafs eine neue Horazausgabe eigentlich vom Über- 
flufs sei. Dennoch hat er durch die Art, auf welche er dem 
Wunsche Studemunds und der Verlagsbuchhandlung nachgekommen 
ist, eine Lücke in der so überreiciien Horazlittrrntur ausgefüllt. 
Der kritische Apparat iionnte dem Plane der WeidiiKuinschen Text- 
ausgaben gemafs nur knapp sein; gleichwohl wnd man kaum etwas 
Wichtiges vermissen, der Usgb. hat in geradezu musterhafter Weise 
für alle Gedichte das geboten» was man braucht, wie Mewcs fSr 
die Satiren und Episteln in der Calraryschen Teitausgabe (s. JB. 
1892 S. 165). Hertz hat vor allem den Gebrauch bei philologi- 
schen Übungen im Auge. Er erwähnt daher wohl auch hier und 
da eine Konjektur, die weniger wahrsclieinlicli als instruktiv ist. 
Bei aller Kürze übertritU der Apparat durch Reichhaltigkeit und 
Genauigkeit der bibliographischen Angaben die meisten früheren. 
Auch die Abweichungen der Interpunktion werden stets angeführt. 
Textkritischer Grundsatz iäl selbstverständlich ein mit Anerkennung 
des Blandinianus verbundener Eklekticismus. Die nicht seltenen 
Abweichungen vom Vahlenschen oder Kiefslingscben Texte sind 
daher keine prinsipiellen. An zahlreichen Stellen wird H.8 Ent- 
scheidung fflr Lesart und Interpunktion in Zukunft zu berück- 
sichtigen sein. Überraschend erscheint c. I 2, 39 die Aufnahme 
von Mtrnnm (Wodrig)» die Zerlegung von IV 6 nach Sanadon und 



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Uoratias, von G. Wai teoberg. 



153 



Bücheler, ferner sat. 1 2, 64 genere, i, 35 tibi (Hutger), U 8, 18 
mras (D. Heinsius). 

Die zweite Auliage der Schulausgabe von Keller u. Haeuss- 
ner ist eine vielfach verbesserte. Auf die kurze praefatio, in 
welcher die anticruquianischen Grandsitze noch einmal ausge« 
sprechen werden, folgt der bedeatend erweitertete kritische Ap- 
parat. Wie erfahren nun an weit mehr Stellen als in der ersten 
Auflage die Gründe und Autoritäten, denen die Herausgeber ge- 
folgt sind. Wenn aber bezweckt wird, dem Lehrer durch diese 
Mittrilnnj^nn dip Opnutzung einer kritischen Ausgabe oder der 
keiierscheü Epileguinena zu ersparen, so wird dies auch Jetzt 
nicht im enlfernleslen erreiclit. Wozu also überhaupt ein kri- 
tischer Apparat? Die öimiQock (fqovtidtg, auf welche die prae- 
fatio vorbereitet, sind, soweit aus dem Apparat hervorgeht, fol- 
gende: c. I 6, 3 <iua\ in 4, 10 Umbia AiUt'oe; 26, 1 yueUü\ 7 die 
Beseitigaog des Kreuzes vor orci»; IV 2, 2 Jtdb; sat. II 3, 275 f. 
modo, diguam: Beilade \ epist. I 6, 35 quadrat\ 68 ntl\ II 1, 138 
Jfanef; 198 nmio; ars. 32 imus; 197 pocore. Aufser bei c. III 

4, 10 und IV 2, 2 handelt es sich um schwer zu entscheidende 
Fragen. Eine Verbesserung ist die Kennzciclinung der Sinn- 
abscboiite in den hexametrischen Gedichten durch Absätze. Im 
conspectus metrorum geht jetzt der ebenfalls umgearbeiteten Auf- 
zählung der Versmafse eine Liuteilung nach den drei yii^ij vor- 
aus. Die griechischen Dichterstellen, welche Vorbilder oder An- 
regungen fftr einzelne Gedichte gegeben hahen, sind in dankens- 
werter Weise vermehrt. Die Karte zum Artikel Sabimu im Index 
ist verbessert. Am Schlüsse sind übersichtliche Pläne des alten 
Roms, Mittelitaliens und der Campagna beigefügt. Der Preis ist 
für die vortreflliche Ausstattung ein sehr niedriger. Druckfehler: 

5. VI im krilisrhen Apparat epod. I 34 (statt 2, 27). 

Im Vorworte der Oden- und Epodenausgabe von Gerb. 
Heinr. Möller heifst es: ,, Diese Ausgabe soll nicht mit der 
Ausgabe von Schütz uud Kief^ling welteifern, sondern, aus zwölf- 
jährigem Unterrichte hervorgegangen, sich den Schulausgaben von 
Naock, Rosenberg u. a. anschlieften, sich aber dadurch von jenen 
unterscheiden, dafs sie 1) mehr das scherzhaft-spAttiscbe Element 
der horazischen Gedichte hervorhebt, 2) nicht blofs für die Schule» 
sondern auch für die akademisch Gebildeten bestimmt ist". Ist 
das letztere etwa bei Nauck und Rosenberg nicht der Fal! oder 
erreichen diese ihren Zweck so wenig, dafs die Arbeit noch ein- 
mal von vorn begunnen werden mufste? Die angekündigte Her- 
vorhebung des scherzhaft- spöttischen Elements läl'st eine Einfüh- 
rung der Oesterlenschen Erkläruugsweise in die Schullektüre 
belürchlen. Dies ist aber — giacklicberweise — nicht beabsich- 
tigt, Möller ist hier durchaus selbständig und viel vorsichtiger 
und gemäfsigter als Oesterlen. Dennoch hat nacli Ansicht des 
Ret auch ihn das Spüren nach Spott und Ironie auf Abwege 



154 



Jahretberiekt« d. phlUlof. Vereins. 



geführt. Er findet leichte Ironie*' in der ersten Hälfte von c. I 3, 
erklärt I 16 für einen ironischen Widerruf früherer Hel- idigiingen 
(etwa wie epod. 17?), «ieht in der Erwähnung des Merkur in I 30 
eine neckische Ani^pielung anf die Gewiiiusucht der Liberline, in 
II 14 die Verspottung eines wegen bösen Gewissens (ein grau> 
samer Spott!) Tod und Tartaros fQrcbtenden Mannes, will weder 
die IfabnoDg an Aateria (III 7), nocb die in Drohungen anslaufen- 
den Bitten an Lyce (Hl 10), noch das Hitleid fQr Neobnle (IH 12), 
noch die Schilderiingen der Gefahren des Meeres (III 27), noch 
den Liebesgram (epod. 14) ernst nehmen und sieht gar m der 
für unseren Geschmack zwar überraschend ausführlichen, aber 
doch gewifs rührenden Schilderung der Thal der Hypermnestra 
(c. Ulli) komische Breite. Für derartige Hypothesen herrscht 
zur Zeit Vorliebe. — Die Anerkennungen sind kurz und zweck- 
mäfsig und dem Standpunkte des Schülers in dem (irade ange- 
pafst« ddls Schwierigkeiten, wie sie in c III 14, 11, IV 4, 15; 8, 15f. 
vorbanden sind, mit Stillschweigen übergangen werden. Bei der 
Textgestaltung scheint die Leichtigkeit des Verstflndnisses hier nnd 
da den Aasscblag gegeben zu haben. Wosu w9re sonst c III 26, 7 
ms, epod. i, 21 nr ii sdr oder gar 2, 37 das beispiellos matte 
labor anfgenottimenT Zu epod. 9 wird die von den meisten 
Herausgebern geleugnete Möglichkeit, dafs Horaz den Maecenas 
wirklich begleitet habe, zugegeben und dennoch das dann einzig 
passende at hnc {t. 17) nicht beibehalten. — Das Zurückkommen 
auf die Versuche rhorisrher Einteilunij bei r. T 12; 21 und beim 
carm. saec. würde liel. gern missen, noch lieber aber die eifrigen 
Versuche der Erklärung angeblich redender Namen. Die Ver- 
geblichkeit solchen Bemühens ist neuerdings von Hanna (s. JB. 
18S7 S. 169 f.) nachgewiesen worden. 

Stampinis kritisehe Ausgabe gehört zu den Opera poetamm 
latinoram Elzeverianis litterara» formis descripta. Die Ausstattung 
ist eine recht elegante und das Ganse fir den BQcherfreund ein 
angenehmer Anbliek, aber für die wissenschaftliche Benutzung, 
auf die doch hier gerechnet wird, recht unbequem. Der Hsgb. 
erklart sich mit den konservativen Grundsätzen Keller- Holder- 
Haeussners, nicht aber mit ihrem Mifstraucn gegen Cruquius ein- 
verstanden. Der Text ist daher fast durchweg der handschrift- 
liche; der knappe kritische Apparat, welcher durch Addenda er- 
gänzt wird, enthält in zweckmäfsiger Auswahl die handschriftlichen 
Variauten und das Wichtigste aus der bisherigen kritischen Arbeit, 
soweit sie in den v^reiteten Ausgaben (bis auf Sabbadini herab) 
registriert worden ist* Ref. wmi&t an einer Amahl yon Stellen 
Angaben Aber abweichende Interponktion hei anderen Heraus- 
gebern, die in einer kritischen Ausgabe nicht entbehrt werden 
können. — Finc Zugabe zur praefatio ist die durch Tietro Rasi 
in Florenz angefertigte Collation des Laurentianus XXXIV 1, wel- 
cher wahrschetnieh ans dem 10. Jahrhundert stammt und sich 



Httratiiii, toh 6* Wartcnberf. 



t55 



im Betitn Petrarcas befunden hat. Nettes Material far die Ent^ 
sdieidnag textkritischer Fragen wird aue der Hs. nicht ge- 
ironnen. 

Nicht vorgelegen haben dem Ref.: 

Q. Horati FJacci opem avec des argameoU aoalyiiqaea» commeataire et 
aotiee bibliographu|ue par A. Carle Iii «r. Editioa revaa et«, par 

L. Passerat. Paris, Dela^^rave, 1892. 461 S. 8. — VbI. Baenasaar, 

ßerl. Phil. WS. 1H1)3 Sp. 204 f. 

Horace, editcd with Explanatorv Notns bv Thomas (^hase. Philadelphia, 
Elderedge aod Brother. Revised Editioo 1892. 1 doli. 10 ct. Text 
8. l-'252. Ifotea 8. 2N--458. — V^i. P«g«, Tka elaaa. ror. 1892 
Sp. 354 ff. 

oii di Orazio coq note di Giac. Cortese. 1. Vita e scrittiy »atrica, 
commeDto ai libii 1 e II. Torino. 144 S. 8. 1,S0 L. 

Orazio, La odi pargate et Tepistola ai Pisooi iaterpretate per aiuto dei 
gi^vauDi dt Caan. Haaaa. Averaa tip. Caataldi 1891. 325 S. 8. 

Q* Horatti Plaeci eanniaa. Edidit Carolas Pozder. Budapest, R. 
Lampel, 1891. XV n. 255 S. 8. (Uagariadie Sehelavagaba). — Vgl. 
PJul. Rdsch. 1892 S. 240. 



II. Abhandlungen. 

5) M. Hoissier, Acad. des ioscr. 8. Juillet 1892 5.228. 

Zwei in Pompeji gefundene Medaillons stellen nach Ansicht 
der Finder (s. Notizie degli Scavi Gennajo) Vergil und Horaz dar. 
Ist diese Deutung richtig, so ergiebt &ich ; 1) dafs die Mioiatur- 
porträts in den Hss. des 12. und 13. Jahrhunderte auf antike 
Originale zurückgelien; 2) dafs schon im t. Jahrhundert Horaz 
dem Vergü an die Seite gestellt wurde. Man hat bekanntlich 
kürzlich beweisen wollen, dais die nächste Nachwelt den Dichter 
wenig beachtet habe (vgl JB. 1892 S. 171). 

6) Paul C.incr, Wort- and Ged nnkenspiele io den Oden des 

Horaz. Kiel nad Leipzig, Lipsius uod Tiacber, 1892. 59 S. 8. 
1,60 M. 

Der Grundgedanke dieser Abhandlung, welchen man etwas 
bestimmter hervorgehoben zu sehen wOnscbte, ist der, dafls svn- 
taktiache Amphibolieen wid sogar sachliche Schwierigkeiten, welche 
bisher für Hftngel der Darstellung oder Folgen der Textverderbnis 
galten, wohl oder übel angebradite Gedankenwflrzen sind. Wir 
haben also hier eine Fortbildung des ,,bumoristisehen**Er!klärung8- 
prißzips, wekhe in ihrer Gesamtheit völlig nen ist, wenn auch oft 
Gedanken früherer Erklärer, besonders Büclielers, mit Geschick als 
Vorahnungen der Entdeckung verwertet werden. Hat damit die 
HorazerkläninfT einen Fortschritt f^emacht, oder ist das Neue in 
r.s oft l)estrick enden Erörlerun;:rii zu beanstanden? Ref. ist 
let2:terfT Ansicht. Aus Mangel an Kaum kann hier nur auf einige 
besonders charakteristische Stellen eiugegangen werden, weiciie als 



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156 



Jahresberichte d. philelog; Vereist. 



Grundlage der Renrteilung dienen mögen. - Die Saflrpnj^!f»11en, 
durch deren Behandlung C. sich den Weg zii srinei ( »tlencrkhl- 
rung bahnen will, haben, vveil sie enier anderen Didilungsai t an- 
gehören, wenig Beweiskraft. Dafs in c. I 1. 6 terrnrvm dominos 
Apposition zu deos ist, kann nur auf den dilci ei alen Üiick zweifel- 
haft erscheinen, und in allen Kommenlaren ist zu lesen, dafs 
Sieger in der ReoDbabn zwar fSiat göttliche Ehre, nicht aher, dab 
aie poliüsche Macht errangoD« Welchem aDtiken Leser sollte dies 
nicht gegenwärtig gewesen sdn? — Za epod. 9, 17 bemerkt C. 
(S. 13 f.): „in ad hoe fnmentes soll der Leser den kräftigen Aus- 
druck des Unwillens emptinden, bis ihm das nachhinkende eqms 
den Streich spielt, diesen Eindruck wieder wegzuwischen**. Hier 
stützt sich die subtile Hypothese auf eine zweifelliRfte Überliefe- 
rung. Es scheint C. entgangen zu sein, dafs die wohlbezeugte 
La. at huc allerdings in Vahlen u. a. „ernsthafte Verteidiger** ge- 
funden hat. — Zu c. Hl 8, 25 wird der wenig glückliche Gedanke 
Madvigs, neglegens mit populus zu verbinden, folgenderniai'sen ver- 
wertet' (S. 20): „Der eigentliche Gedanke war: 'Fürchte nicht, 
dab dem Volk etwas zustoüBe» und mach dir überhaupt als Pri^ 
vatmann nicht zuviel Sorgen*. Indem aber nachtrSglich die Be- 
ziehung des Finalsatzes auf eaverB sich hervordrängte, wurde im 
fiewufstsein des Hörers neglegens frei und lud, mit populus zu- 
sammenschieüsend, zu einem boshaften Seitenblick auf die gedaa* 
kenlose Menge ein*'. Dieser „boshafte Seiten Mick" käme einer 
Beleidigung des Maecenas gleich, dessen Sorgen um das Gemein- 
wohl, von denen er bei Horaz nur einen Augenblick au'^rulien 
soll, danach eines würdigen Gegenstandes ermangelten. — In 
c. II 12,23 las man früher nach schh'cfiler Überlieferung ItctmVi«, 
was Üentley zurückwies; G. bemerkt dazu S. 28: „nur hätte man 
nicht gleichzeitig den sachlichen Zusammenhang, dessen Bewufst- 
sein wohl zu jener fidschen Schreibung geführt hatte, vergessen 
sollen. Terentia war eine Halbschwester des aus der gens Licinia 
adoptierten A. Tereniius A. F. Varro Hurena, den Horaz od. II 10 
ungenau noch als Licinius anredet« Den Namen Licinia kann nun 
die Gemahlin des Maecenas von rechlswegen nie gehabt haben, 
was Buttmann (Mylhn!o<;iis I S. 342 f > vermutete; aber als 
Schwester eines Licinius mag sie in der Hofgesellschaft doch ge- 
legentlich so genannt worden sein . . . Der von Horaz gebildete 
Name würde danach dreifach bedeutungsvoll sein: er klingt an 
Licinia an, ist prosodiscb gleich mit Terentia und macht der Frau, 
an deren dulm cantus sich Maecenas erfreute, ein artiges Kom- 
pliment**.* Wenn die Gattin des Maecenas wirklich Licinia ge- 
nannt werden konnte, so würde dies nach dem Gefühl des Ref. 
ein neuer Beweis für Proschbergers woblbegrOndete Verwerfung 
der Gleichung Licymnia= Terentia sein. — In c. H 13, 19 robur 
als das Tullianische Gefängnis zu verstehen, ist ein Gedanke, den 
u. a. Schütz treffend widerlegt und auch Rosenberg in der neuesten 



Borttiaii vod 6. Wartenberf. 



157 



Auflage aufgegeben hat. Trotzdem sagt C Si31: „Die Aporie 
löst sirh (Indmch. dafs Horaz beide Bedeutungen herstellen wollte 
und darauf bm dm Ausdruck ein weni^ zwringte". - — Mit dem 
vielbesprochenen situs in c. III 30, 2 soll eigentlich der Bau ge- 
meint sein, daneben aber auch die Bedeutung ,,S(hniii1//^ .,!ier- 
vorblitzen", ebenso wie ü/ipotens (v. 3) sowohl „mafälos ', nuch 
(wegen des possü) ,,machiioä" heilsen soll (S. 32). — Bei c. III 
4, 37 isi Fea anf den wunderikben Gedanken gekommen, iätum 
määia mit mUrihm mäitia an erfclSren ; C. bemerkt daza (S. 33), 
dafa der Dichter „fwar in erater Linie Caetarem oUum und mi- 
litia fessos dachte, dahinter aber eine Huldigung för Auguatoa' 
kriegerische Tüchtigkeit durchschimmern lassen wollte**. Dieaea 
„in erster Linie" ist ein verhaognisvolier Ausdruck, an dessen 
Stelle man lieber ein non üqnet sähe. — Die Amme Pn]\h wird 
wohl vorläufiti: ihre Stellung in c. III 4, 10 behaupten , seit sie 
Mommsen ein [»fohlen hat. Dem Abschreiber aber, welcher das 
unmeLrisclie Äpuliae herstellte, will C. einen Teil der Schuld ab- 
nehmen. Der Dichter wollte auch an Apulien erinnern und 
„brauchte nicht zu fürchten, dalis die lautUche Association durch 
die abweichende Measung einer Silbe gehindert werden wQrde" 
(S. 37). — AucU in c. 11 11,23 iat nach C. ein Wort- und Ge- 
dankenspie] fdr die Überlief(ffung Terhiogniavoll geworden. Der 
hegnff tncomptm „sollte för das Ohr zunächst entstehen und erst beim 
Anhören der letzten Zeile sich wieder auflösen" (S. 38). — Ein 
sehr wunderbares Ergebnis gewinnt C. bei c. III 14, 11. Mit den 
vci'dächtigen pnellae tum virnm experiae ündet man sich immer 
noch am leichtesten ab, wenn man vimm von Äugustus versteht. 
Wer nur dabei ein unschuldiges Gesicht machen könnte! Aber 
das verlangt der Dichter nach C.s Ansicht gar niclit. S. 42 heifst 
es: „In erster Linie bezieht sich virum experiae auf Äugustus, 
in zweiter soll es den Begriff geben, der epist. 11 1 durch eatH» 
und igmara mar&i aosgedrMt Ist, aber nicht unmittelbar, sondern 
angedeutet, durch ironiache Umkehrung. Und um die Ver- 
antwortung fflr den unerlaubten Zweifel an dem Charakter der 
pyiellae, der hier entatehen konnte, dem Leser zuzuschieben, fügt 
der Dichter die fromme Warnung hinzu: mde 7iominatis parcite 
verbiY\ Augiistns war allerdings kein ab^M>sn<:ter Feind von 
Zoten, aber bei einer so feierlichen GeleL'^nhf ii halte er sie doch 
leicht «bei nehmen können. — Noch ausluhrlit ht^r (für den phi- 
lologischen Leser viel zu ausführlich) ist die Behandlung von 
c. IV 8. Der Satz, dals die Meinekesche Strophenlbeorie nicht die 
Grundlage für die höhere Kritik sein darf, wird umständlich, aber 
ohne neue Argumente begründet. Damit ßUt der iuftere Grund 
der Verwerfung der geschichtawidrigen Scipionenatelle weg und 
(S. 52) „nachdem nna der Dichter in dieser Ode so vielfach ge- 
neckt hat, sollte nicht auch hier der Schelm dahinter stecken? 
Etwa 80, dafa Horaz ton dem llteren Scipio spräche, dabei aber 



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158 



einen Ausdruck gebrauchte, der den Leser vertüiirte, an den jün- 
geren zu denken". Dabei wird dem Leser aufserdem xuejemutet, 
dafs er bei incendia Carlhaymis niciil au den lirand der Sladt, 
Bondera an die Verbrennung d«r Flotte durah den fiteren Sdpio 
denke, weil diese beiden Ereignine bei lAnw 30, 43 nnd (wer 
kann es wissen?) vielleicht aneh bei Ennius fengtichen worden 
waren. 

Wir mflssen uns versagen, auf weitere Stellen einzugehen, 

und können aiich die vielen richtigen und geschmackvollen Ur- 
teile nicht anführen, welche die Abhandlung sonst enthält. Sie 
tragen zur Begründung des Hauptgedankens nichts bei. Fragt 
man nun nach dem Zwecke der „Wort- und Gedankenspiele", 
so erhält man S. 28 die Antwort: „Emen Zweck haben seine 
Wortspiele in der Regel nicht, viele nicht einmal eine Pointe*'. 
S. 3& werden sie mit Vexierbildern verglichen, und es heiCit 
ebendaselbst, „dafs Horas selber sie seinen Lesern als Rätsel anf- 
geben wollte". Ref. würde an die Möglichkeit des hier Behaup- 
teten glauben, wenn ihm auch nur entfernt Verwandtes ander- 
wärts nachgevviesen wurde. Bis dahin erscheint ihm die Hypo- 
these C.s nicht als em Fortschrill in der Horazintcrpretation, 
sondern als eine neue Abirrung vom nchiigeii Wege, die sich 
den angebUchen Entdeckungen von Pluls und Oesterlen an die 
Seite stellt. Wir sind der Meinung, dafs H. immer wu£ste, vraa 
er sagen wollte, wenn er es vielleidit auch manchmal nicht deut- 
lieh genug sagen konnte. 

7) W. A. Detto, Horaz und seine Zeit. Ein Beitrat; zur Itokhraif 

«od Ergänzung^ der altklassischea Studien auf böbercu Lehranstalten. 
Mit Abbildungen. Zweite, verbesserte AuQai^e. Berlin, Gaertners 
VerlagsbacUiaDdlQBp (H. Heyfelder), 1892. VI n. 1868. 8. 3,50 M. 

Eine erfreuliche Tliatsaclie ist es, dafs das Dettosche Buch 
nach veihältnismäfbig kurzer Zeit eine zweite Auflage erlebt hat. 
Dem Wunsche einiger Beortdler entsprechend hat der Verf. dnen 
Abschnitt äber die litterarische Stellung des H. hinzogefögt, ffir 
den er Ribbecks Geschichte der r&mischen Dichtung als Uaupt- 
quelle angiebU Wieviel sonst geändert ist, hat Ref. nicht nach- 
prüfen können, da ihm die erste Auflage nicht vorlng. Dafs das 
Buch seinen Zweck in vortretTlich^^r Weise erfnUt, ist allgeinein 
anerkannt und wird am besten durch seine grolse Verbreitung 
bewiesen. 

8) fl. DilaUer, Das Horatlai Gaaidiagediehte. N. Jakrli. £ PkU' 

Bd. 146 (1892) S. 591 ff. 

Der Inhalt von sat. I 8 wird weitschweifig enihlt und noch 
sonst viel Allbekanntes über Priapus, Hedea, TotenbeschwOrangen, 
Uebesiauber u. s. w. ohne erkennbaren Zusammenhsng mit dem 
Gegenstande Torgebracht, i. B. der Gedankengang eines gansen 



^ kjui^uo i.y Google 



159 



Tlieokritschen Gedichts nebst der Vergilischen Nachahmung. Hier 
und da wird bei U. eine Abweichung von den sonst überlieferten 
Zauberriten kstgestellt, die man sich aus Aufschneiderei des 
Priapus zu erklären hat. An Einzelheilen ist zu erwähnen der 
Vorschlag Vedta f. Veia (epod. 5, 29), die Etymologieen von Ca- 
Didia und Sagana (aus canus und saya), die Erklärung von fiuxiote 
Mt. 1 8, 25 s= j>oa'ore („mächtiger") und die Annahme, daiii die 
BezeichDnng Canidias «is oeapolitaiiisdie (I) SalbeDhAndlerin tgq 
den Scboliasten aus epod. 5, 59 herausgesponoen sei. Neues und 
Frucbtbaret sucht man in der Abhandlung Tergebheh. 

9) W. Gemoll, Die Realien bei ffortz. Heft 1: Ti«r« vad PBanzen — 

Kl»»idnitg lind Wohuaog ia den Gedichten des Horaz. 80 S. 8. 1,S0 M 
Heft 2: Kosmüio($ie — Die JHiseralieo — Der Krieg — Speiseo uad 
Getrünkf. 107 S. 8. 2,40 Ü Berlin, Gaartam VarJastbeehhaadlsag 
(B. HeyfaMar), 1892. 

Die Horazifchen Realien erfahren hier, so weit dem Ref. be- 
kannt ist, Kuin ersten Mal eine susaniinenfassende Behandlung. 
Man war wohl bisher der Meinung» dafs alles wirklich tur Er- 
klärung Erforderliche in die Kommentare gehöre, und in der 
That waren die besonderen Abhandlungen über einielne Gebiete 
selten mehr als Zusammenstellungen aus den Kommentaren mit 
Benutzung der Handbücher über römische Altertümer. Die Ge- 
moHsche Arbeit hat aufser der Vollstjindigkeit des Inhalts die um- 
fassende Heranziehung der aufserhalb des piiilologiich-historischen 
Forschungsgebietes liegenden Litteralur voraus. Besonders über 
naturwissenschaftliche Dinge, sowie über die Grenzgebiete der 
Spracfaforsehung und Kulturgesehiehte findet der Philologe hier die 
reichhaltigsten Aufklärungen und Nachweise. Der Verf. trSgt mit 
Recht kein Bedenken, hier und da etwas fom Gegenstande abzu- 
schweifen. Auf dem philologisch-historischen Gebiete muble na- 
türlich viel Bekanntes wiederholt werden. Vielleicht nehmen su- 
kunftige Herausgeber die Gelegenheit wahr, ihre Anmerkungen 
durch Verweisungen auf Gemolls Arbeit zu entlasten. Das noch 
ausstehende 3. lieft wird die Philosophie umfassen. 

10) H. T. ixarsteo, De Horatii carmiaibus amatoriis praesertim 

iatarpr6tao4iff at ordiiaadii. MaaaiMyae XX (1892) S. 1 ff. 

Der Verf. tritt der gar zu grofsen Geringschätzung der car- 
mina amatoria (besonders durch Ilartmanu, s. Jß. 1892 S. 170 f.) 
mit Erfolg entgegen. Wir haben kein Recht zu bezweifeln, daHs 
auch Ton diesen Gedichten ein guter Teil wirkliche Gelegenheits- 
gedichte sind. Im Gegensatze zu den Elegikem aber bedien! sich 
H. nach K.s Ansicht erdichteter Namen, die mit den wahren nicht 
metrisch gleichwertig sind, und zwar mehrerer für dieselbe Person* 
So gelingt es, fast die ganze Schar der Geliebten auf drei zu 
redusiereni indem alle Gedichte, in denen K. Berührungspunkte 



1 



160 JakrtsberiebU d. phiUlof. Vercias. 

nachweisen zu können glaubt, als an dieselbe Person gerichtet 
angesehen werden. Daraus orf^nebl sich dann eine wobigeord- • 
nele Chronologie iles borazisclien ITerzpnsIebens. Der Verf. ist 
sich der Unsicherlieit seiner ArgunituLe uobl bewuüst, bofTt sich 
aber vor einer priiizipielien Abieiinuug der ganzen Methode duich 
die FflUe seiner Nachweise gesicliert zu haben. Ref. isl der 
Meinung, daii» da« ganze Gebäude auf Sand gebaut ist, w be- 
atecbend und angenehm zu lesen auch die Ausefnandereetzungen 
teflweiae sind. Und selbst wenn man sich auf den Standpunkt 
des Verf.s stellt , so mufs doch bedenklich machen, dals weder 
Lalage noch die Lydia in c. III 9 ein sicheres Unterkommen in 
dem geräumigen Bauwerke gefunden haben. 

IS) H. Men^e, Die Oden uod Epodeo des Uoraz für Frcnode klassi- 
sefaer Bildaag, besondan fnt die Priaaaer imsenr GyniaafiM ba- 
arbeitet. I. Teil. Saagerbaasaa, B. SitÜ^, 1892. IV«. 17t S. 8. 
2»75 M. 

Der vorliegende erste Teil des Buches enthält carm. I u. IL 
Der Titel giebt den Zweck an, welcher bfi jedem ejnio'j^rmafsen 
Empfänglichen gewifs erreicht werden wird. Dem Texte jedes 
Gedichtes folgt eine Prosaubersetzung und enlweiler eioe neue 
oder scliuii bekaniUe poetische Bearbeitung. An die Umdichtungen 
von Ed. Bürger, Ernst Günther, Stadelmaon, Proschberger , R, 
Westpbal und anderer hat der Verf. oft die bessernde Hand ge- 
legt oder auch zwei derselben zusammengearbeitet, was bei der 
Schwierigkeit der Aufgabe durchaus berechtigt ist. Unter den, 
soweit dem Ref. bekannt ist, noch nicht veröflentlichten Über- 
setzungen ragen die \i>u Edm. Bartsch in Sangerhausen und 
Julius Bartsch in Stade durch Treue und Schönheit hervor, be- 
sonders c. 1 4 und II 3. Die Einleitung bietet das in Schulaus- 
gaben Gebräuchliche, der Ton des Vorworts ist stellenweise etwas 
überschwenglicli. 

12) Laeiaa Miiller, fiia Boraijnbiläan. Als Manuskript gedrvakL 

Berlia, S. Calvary. 40 S. 8. 

Diese Schrift ist nicht far das philologische Publikum, son- 
dern nur für die Verehrer des Verf.s gedruckt, denen die Mii- 
teilang über Sludiengang und Gesinnungen M.s interessant sein 
werden. Eine etwaige Kritik wird mit gewohnter Sch;lrfe im 
voraus abgelehnt. Da M. durch die Calvarysche Verlaf^sbuchhand- 
lung auf Wunsch Kx-emplare unentgeltlich verteilen iälst, bat Ref. 
davon kenutuiä nehmen zu müssen geglaubt. 

13) L. PöppelmaoD, Bemerkaogen zu Dillenburgara Haraa-Ana- 

gäbe letstar Baad. Dritter Tail. Progr. d. Gyma. sv Trier 1892. 
26 S. 4. 

P. setzt seine wohlwollende Kritik der lef^ten Dillenburger- 
sehen Ausgabe fort, indem er mit sorgfältiger Berücksichtigung 



161 



der gesamlen späteren Litteratnr den KommenUr zu den Römer- 
oden revidiert. Die Behandlung des Einzelnen erstreckt sich vor- 
läufig nur auf c. III 1 und 2. Die gröfsere Breite der Behand- 
lurtf: im Vi'rglcich zu den früheren Abst-hnitlen glaubt er durch 
die Bedeutung gerade dieser (.filichte entschuldigen zu müssen. 
In der Tliat ist der Zusanimenliang mit Dillenburgers Arbeit iDci^t 
nur noch ein loser. Die Ansichten der übrigen Erklärer werden 
zur Feststellung des jedesmal Richtigen nicht minder eingehend 
erörtert Neue Grttnde werden dabei selten ins Feld geführt, 
fia Ist zu hoffen» dafa die Arbeit, wenn sie abgeschlossen ist, In 
ihrer Gesamtheit dem philologischen Publikum zugfinglicb gemacht 
öder zu einer neuen Auagabe des Dlllenburgerschen Kommentars 
▼er wertet werden wird. Allerdinga würde sich dann eine gedrSng* 
tere Form empfehlen. 

14) G. Sch i m m e I ]) f'e II Erziehliche II o r a z 1 e k t ür e. Berlin, Weid- 

manuschc ßuchhaudlung, 1S92. 32 S. i. 1,G() M. 

Epist. I 1 und 2 werden mil ii^ sonderer Berüeksichligung des 
moralischen Inlialtii disponiert und von letzterem eine metrische 
Übersetzung beigefügt. Der FabelstofT im weitesten Sinne wird 
aus den horazischen Gedichten zusammengestellt* Darauf folgt 
eine Anzahl von Obungen in lateinischer Hetrik als Vorbilder für 
etwaige Schölerarbciten. Den Schlufs bilden zwei Schulreden und 
Dispositionen zu sechs weiteren, welche an Horazstellen anknüpfen. 
Der Verf. liefert damit einen Naclitrag zu seinen 1876 bei Teub« 
ner gedruckten Schulreden* 

15) J. Vahlen, Varia. Hermes Bd, 25 S. 163, AnmerkuDg. 

V. wendet sich gegen die Verwerfung der bekannten obscönen 
Stelle der Suetonvita wegen des Wortes speculatum und verweist 
auf Varro d. 1. 1. 8, 29: triclinia valvata ac fenestrata. Es ist eine 
Bildung wie litleratus, ein Beiwort, weiches auch leblosen Dingen 
beigelegt wurde. 

16) Hör «CO. Tho Qotrtorly Roviow 1893 S. 127 ff. 

In Anschlufs an einige Litteraturerschelnnngen der letzten 
Jahrzehnte wird eine Würdigung des Dichters versucht, wobei 
besonders das Verhältnis der Satiren zu Lucilius und die Frage 
nach der Originalität und Gefühiswahrhcit in den Oden eine ge- 
schmackvolle Erörterung findet. In Bezug auf die Wertschiitzung 
des II. bei der nächsten Nachwelt ist der ungenannte Verfasser 
der irrtümlichen Ansicht Hartmanns (s. JB. 1892 S. 171) gefolgt. 

Folgende Abhandiungen sind dem Ref. nur dem iitei nach 
bekannt geworden: 

A. Devaux, Qaid vere romaoam lyricis Horatii eorminibos 
iaslt (Tboso). Lyon, Vitte. 132 S. 8. 
Jalirwbarieht« XIX. 11 



162 J«hreiberiebCe d. philolog. VereiDi, 



J. B. Gabriel, fitnde mr U nitriqoe d'Boraeo. Bargerac 32 S. 8. 

TIl Rorteh, HorttUnt («.19,23 ete.). Rimiadi« Pliilol. ftoadtdiAo [ 

S. 120 IT. 

P. Rummel, Horatins quid de Fiodaro iodicaverit et qnoraode 
earmioa eios in suain asnv «oavertarit. Progr. Rawitaeh 
1892. 

W. G. Sellar, Tho roman poels of Augustan age. Horace and 
the Klegiuc poets. With a Memoir of the Aulhor by A. Long. 
Oxford, Ciareudon Press. — Vgl. Alheoaenm 33ö5 S. 531.; H. Schroeder, 
Barl. PhiL WS. 1892 Sp. 1198 f. 

Wintzen, De HcIIeoiamo Horatü qaaeatloaea noianllae. Laad, 
qj. Möller. 1,10 M. 



lU. Zur Kritik und Erklärung einzelner Gedichte 

und Stellen. 

C a r m i n a. 

I, 6 s. 0. Cauer. — I 2, 39 s. o. Hertz. — 3 (erster Teil); 
12; 16; 21; 30, 8 8. o. 6. H. Mflller. — 6, 3 s. o. Keller- 
Haeussner. 

I 2, 21 P. Barth in d. N. Jahrb. f. Phil. 1892 S. 335 schlügt 
BBeuäte für acuUse vor, weil die zum letzteren beliebte Ergäozung 
m semet ipsos ans der Luft gegriffen sei; B.s Konjektur ist nicht 
mindpr bedenklich. P. Preibisch «'!>endas. S. 243 teilt die Ver- 
mutung Heifferscheids mit, dafs in acnisse ferrum ein absichtlich 
dunkler Hinweis niit die Schwerter der Mörder Casars lie^r^' 

nur pugnas sich aul «iie folgenden Bürgerkriege beziehe. Auch dies 
ist wenig wahrscheinlich. 

U 11, 23 ; 12, 23; 13, 19 a. o. Cauer. — - 14 a. o. G. II. 
Möller. 

U6 A. Platt, Gatullus XI, Iloraces Odes 116 im The 
Journal of pbilology 1892 S. 46 f. ist der AleinuDg, dafs Iloraz 
nicht den Catuli, sondern beide den Alkaios zum Vorbilds goliabl 
haben. Ül)er den Inhalt dieses Öriginnl? werden einige Verniutuiigeii 
gewagt, welche hier nicht wiedergegeben zu werden brauchen. 

II 10, 9 J. M. Stowasser, Zeitschr. f. d. f>st. Gymn. 1802 
S. 208. Der Paraphrase Isid. Sjnon. 11 89 (p. 520): Alta arbor a 
vetUis fortius ayitatwr et rami etus dHu» in ruma confringunturt 
exetkae türm graioiari eas» fractmhtmt. AUiuM moftfea trdnris 
/uMnt&tia feriuntur scheint die Horaz-La. saevius zu Grunde zu 
liegen. Der Verf. legt obiger Stelle doch wohl zu grofeea Ge- 
wicht bei. 

II 20. G. II. Müller giebt in der Zeitscbr. f. d. 5st. Gymn. 
1892 S. 385 f. eine Erörterung von llor. c. II 20 als Nachtrag zu 
seiner Odenausgahe. Mit Plüfs hält er an der Deutung von quem 
vocas (v. 6) auf das letzte Lebewohl fest, sieht in nrbe$ (v. 5) 
einen Gegensatz zu den Ländern der Barbaren, welche den Dichter 



Boratinii von G. Wartenberg. 



163 



bewimdern, uod io fmior (so iat nach M. v. 13 zu lesen) einen 
Seitenbieb auf diejenigen , welcbe dem Dichter das Schicksal des 
Icaras prophezeiten. Gegenflber der aufs neue behaupteten Ver- 
wandlung in eine Sirene Terwebt Ref. auf Ovid Met. V 560 f. 
Das dort gebrauchte flavueere widerspricht dem album mutor m 
alüem. 

III 1 — 2 s. 0. Pöppelmann. — 4, 10 s. o. Keller -Ilaeussner 
und Cauer. — 4, 37; 8, 25; 14, 11; 30, 2 f. s. o. l auer. — 7; 
10; 11 (Schlufs); 12; 14, 11; 20; 27 s. o. G. H. Müller; 26, 1 
und 7 s. 0. Keller-IIaeussner. 

IUI — 6. K. iSiemeyer, Zur Eiklärung des lloratius 
(N. Jahrb. t PhiL 1891 S. 65 ff.) wendet sich gegen Kiefsling, Se- 
liger und Mommsen, die ihm nur c 1 und 4 richtig aufiufassen 
scheinen. Treffend bekämpft er Mommsens Deutung der zweiten 
Ode auf die Tugenden des Berufssoldaten und Verwaltungsbeamten. 
Die Beziehung des dritten Gedichtes auf die beabsichtigte Ver* 
iegung der Residenz durfte jedoch nicht so ganz von der Hand 
zu weisen sein, wie N. es thut, wenn auch Mommsen u. a. in der 
Ausbeutung dieses Gedankens viel zu weit gehen. Unter Troja 
die Republik zu verstehen (Kiefsiing), ist allerdings gar kein Grund 
vorhanden, zu einer Verteidigung der Friedenspolitik lafst sich 
die fünfte Ode nur mit Gewalt unuleulen, und für eine Veriierr- 
lichung der augusteischen Sittengesetzgebung ist die sechste viel 
zu pessimistisch. Übrigens würden dabei auch chronologische 
Schwierigkeiten entstehen. Die Arbeit N.s verdient volle Aner- 
kennung. 

III 30. Grion in d. Rivista d. fllol. 1892 S. 489 wiU t. 3 
Aquüo inerepans setzen, was ihm einer Begrflndung nicht zu be- 
dürfen scheint (!), und v. 12 regnavH fopuhrum vel kumi Impotens 
Pnnceps, wodurch der Inhalt weniger stolz werden soll. Es lohnt 
nicht, zu untersuchen, ob die Änderung metrisch, sprachlich und 
inhaltlich möglicli ist. 

IV 2, 2 8. 0. Kellcr-Haeussner. — 4, 15 s. o. G. H. Müller. — 
6 s. 0. Herz. — 8 s. o. Cauer. — 8, 15 ü*. s. o. Cauer und G. 11. 
Müller. 

IV 6. J. Vahlen S. Ki Anm. 1 seiner nnten besprochenen 
Akademievorleaung über das carm. saec. verteidigt die Linhcit des 
Gedichtes gegen die zuletzt von IkiU gebilligte Zerlegung. Der 
Wechsel der Anrede von 29 ff. an, ein ganz Sufserlicher Um- 
stand, kann nicht dagegen in Betracht kommen, dafs ApoUo das 
Danadae dem Cmmuu eben bei der Jahrhundertfeier derjenigen 
Stadt verteidigen soll, deren Entstehen er durch die Beseitigung 
des Achilles ermöglicht hat 

Carmen saecuiare. 

S. 0. Müller. 

J. Yahlen, Über das Saecularged ic>t des Horatius. 
(Sitzung d. phil.-hist. Kl. d. Kgl. Prenfs. Ak. d. Wiss. v. 24. Nov. 

11» 



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164 



J«hre«berte]ite d. phiUlof. Vereiai, 



1892) untersucht die Gliederung des Gedichtes UDd kommt zu 
dem Ergebnis (S. 11): „Oberblicken wir das Ganze, so erkennen 
wir eine einfache Gliederung. Ein doppeltes Gebet, beide in ge- 
schlosspnem Gedankenzug sieb pntwiclvelnd (0—32 und 37 — 72), 
aber gesondert durch die zwischengeslellte Anrufung an Apollo und 
Diana (33 — 36) . . Der Vorwurf nian<,'plhnlt< r Geslalluug eines 
dankbaren Stoffes, lieii Mommsen erhoben haiLc, i«ciieint mir durch 
V.s Darlegungen erledigt zu sein, obgleich V. selbst das Urteil 
fiber diesen Punkt als eine Geschmacksfrage freilassen will. — Es 
werden sodann gewichtige Bedenken gegen Mommsens bestechende 
Erkläning des Gedichtes als eines Prozessionsliedes geltend ge- 
macht (8. JB. 1892 S. 192; Mommsen Ephem. epigr. 1S92 S. 256 f.). 
Wir werden überzeugt, dafs man jener „äufseren Krücke desVer- 
stSndnisses" nicht bedarf, um in öfts, quibus bobus veneratur albis 
Jupiter und Juno zu erkennen. Das Gediclit, ani letzten Fest- 
tage voigetragen, enthält einen Uückblick auf den ganzen Verlauf 
der Feier, und wer dieser beigewohnt liatte, wufste, wem weii'se 
Kinder dargebracht worden waren. Das eodemqne modo in Capi- 
tolio ist der Bericht über ein Da capo (wie bei Aristophanes' 
Fröschen). Die Wahl des Ortes für die zweite AufTührung konnte 
Jiüfsere Gründe haben. Ref. tnufs gestehen, dafs seine Bedenken 
in diesem Punkte nicht ganz beschwichtigt sind. 

Bpod an. 

1, 21; 2, 37; 9, 17; 14 s. o. G. II. Müller. — 5,29 und 59 
(Schol.) s. o. DQntzer. — 9, 17 s. o. Gauer. 

5. 0. Crusios, Ad scriptores latinos exegetica. 

Rhein. Mus. 1892 S. 67 f. beharrt mit Recht gegen Diels bei seiner 
früheren Verweisung auf Proklos ('s. JB. 1892 S. 194). Für das 
Eingraben und Töten eines Menschen zum Zwecke der Bereitung 

eines Znuhermittels findet C. eine interessante Parallele in dem 
Berichte KOddiugs über Zauberbräuche auf der lusel Sumatra 
(Globus 1888 S. 109). 

Satiren. 

I 2, 64; 4, 35 s. o. Hertz. - s, 25 s. o. Düuizer. — II 3, 275 
(Interpunktion) s. o. Keller-Haeussner. — 8, 17 s. o. Hertz. 

H 5, 41. A. (jutleuiau, A classical remiuis cence in 
Shakspeare. Moderne Language Notes 1891 Sp. 211 11'. iu 
Henry V Act. III sc 5 I. 50 fi. will man einen Anklang an diese 
Horazslelle erkennen. G. leitet den auffallenden Singular the Alfi 
{his rheum) aus einem Mifsverständois des lateinischen Teites her 
(Furius als Adjektiv zu Alpis aufgefafst). Ein neuphilologiscber 
Kollege teilt dem Ref. mit, dafs Shakespeare nur sehr wenig 
Latein verstand und den Iloraz schwerlich im* Originale lesen 
konnte (R. Gene, L. u. W. Shakesp. S. 36). 



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Huratius, voa G. Warleaberg. 



165 



If 6. H. Hittmar. Hornti libri II satirain VI iiiterpre- 
tatus est. l'ars I. l'rugr. Willi. -Gymn. Magdeburg 1892. 2ü S. 4. 
D. interpretiert nach kurzer Einleitung die ersten 26 Verse ohne die 
Absicht, etwas Neues zu bieten. Grofses Gewicht wird auf das 
Grammatisch-Leiikalische gelegt, und wenn der Verf. auch stellen- 
weise vom Gegenstande abschweift, so bieten doch seine auf Grund 
eigener und fremder Studien gemachten Zusammenstellungen eine 
Fülle von Material, welches sich in den Kommenlaren nicht lindet. 
Ref. ist dem Vrrf. zu besonderem Danke verpllichtel für die zahl- 
reichen wrifpfpa Citate, welche dem nezensi(insoxrmpl;ir l)pigeffigt 
sin<l. Streu Ige Fragen werden mit sicherem Urleil behandelt und 
besonders wird L. Müllers neuesten rau'kenhypothesen mit Frfolj^ 
entgegengetreten. Nicht beistimmen kann Ref. der Kiel'sling fol- 
genden Erklärung von auclius (v. 4) und i^ropiia (v. 5). 

Episteln. 

16,35 und 68 s. o. ivclkr-llaeussner. — 111,138 u. 198 
s. 0. Eeller-Haeussner. — 3, 32 u. 197 s. o. Keller-IIaeussner. 

II 1, 79. Crusius in dem zu epod. 5 citierten Aufsatze im 
Rhein. Mus. 1892 $.68 ff. fuhrt för die Krokusbestreuung der 
Buhne Äpul. Met. X 23 an. V. 79 bedeutet: rectone talo percwrrat 
pulpita theatri Attae fabule necne. Kiefsling hatte sich zu dieser 
einfachen Erklärung nicht fest entschliefsen können und hatte den 
Dichter auch in rorfo talo necne noch eine Anspielung auf den 
Namen Atta hmeingelieimnissen hsscn. Verf.s Auseinandersetzung 
ist übrif^ens selbst nicht übermäCsig klar. 

II 2. >. Fisclier, Zn Horaz' zweitem Litteraturbriefe 
(Feldkirch lSli2) ist dem Uef. uabekannt geblieben. 

112,252 setzt J. J. H., Ad Horalii artem poeticam, 
Mnemosyne .1892 S. 4 ttts esT för «usstlt, was wegen der consecutio 
den Abschlujb der Periode nach iambeis nötig macht. Durcji den 
Wegfall der Personifikation des Jambus, die nachher weiter aus* 
geföbrt ist (recepd etc.)i wird der ganze Ton der Stelle verdorben. 

Mit der ars poetica beschäftigen sich endlich noch folgende, 
dem Ref. unbekannt gebliebene Abhandlungen: 

J. tiintz, Der Luiflurs der ars poetica des Iloraz auf die 
deutselie Litteritur des 18. Jahrhaoderta. Prog:r. d« Wüb.- 
Gymn. zu Ilambars 1893. VIl u. 37 8. gr 8. 2,50 M. 

C. Yerxen, Bemerkungen m Horaz' £piatelD an die Pisoneii 

(Fortsptzang). Progr. Verdeu 1892. 

Berlin. G. Wartenberg. 



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166 



Jftkresbericbte d. phiiolog. Vereios. 



Hör. sat I 9, 6— a 

Cum adsectarelur, %umqm<l vis?' occupo. At ille 
'Norts nos inquit; 'docti sumus'. Uic ego 'pluris' 
*Boc iti(£uam 'mihi eris'. 

Ist noris ms behauptend oder wfinschend? Die ältesten Er- 
klärer nahmen es, nach schol. Acr. zu schliefsen, als Wunsch 
{hoe voh, fU sdas nos), Dacier (letxte Ausg. 1691) als Behauptung 

(il ne se peuty que vons ne me connoissiez) y Vofs wiederum ab- 
hängig' von dem Hauptverhum der Frage („Degeltrst du noch sonst 
was?" Deine Bekanntschaft !") wie Heindorf (1816), wührend heute 
aufser Düntzcr (Schuiausg. 1809) vielleicht keiner lebt, der sich 
nicht für den PotentiaHs entschiede, mit Fritzsche (1875), Kiefs- 
Hng (1886), Luc. Müller (1891), entsprechend dem Geibelschen 
„Theuerster" sagt er, ,,so fremd?" 

Grammatisch ist heides unanfechthar, und beides giebt Sinn, 
so wär es denn wohl Geschmacksaehe, oh man dies oder jenes 
vorzieht, und über den Geschmack lä&t sich nicht streiten? Prüfen 
wir die vorgebrachten Grönde. 

Nachdem Heindorf die Frage nvmqmd twi? als Formel des 
Abschiednehmens reichlich belegt und die Antwort an das «tSi 
der Frage angeknüpft hatte, natürlich mit unerwarteter üm- 
blegung dos Sinns, blieb es eine Weile dabei. Auch Kirchner, 
der spater (1854) an ein potentiales Futurum dachte, über- 
setzte 1829 noch: „Kenntest du", sprach er, „mich erst!" 
Fried. Roeder (Progr. Nordhausen 1S35) scheint in kürzeren 
Abständen geschwankt zu hähen. Seine Übersetzung lautet: 
„Nun, da solltest mich kennen!'*, während der Kommentar ('se 
stndet insinuare in gratiam poetae') eher die Heindorfische Er- 
klärung erwarten läJ^t Entschiedenen Einspruch gegen Hein- 
dorf erhob zuerst Orelli (Tor. 1838), *cum illa mera esset for- 
mula, in qua voluntaUs notio vix iam respicerciur'. Also eine 
erstarrte Formel, wie etwa unser „Empfehle mich Ihnen!" Zu- 
weilen lafst sich ja damit auskommen; die Antwort lautet dann 
etwa: „Warum eilst du so?" (Plaut. Pers. 693) und: „NYohin 
gehst du jetzt?'' (Ter. Eun. 363) oder: „Eile, lebwohl!** (Plaut. 
Aulul. 263; vgl. Trin. 198) und: „Ich gehe mit dir!" (Ter. Ilec. 
272). Aber wer wird denn daraus eine Regel machen V Ursprüng- 
lich ist es doch eine Frage nach weiteren Befehlen, vollständig 
etwa: numquid nunc, priusgwm äbeo, aUud me ots? (vgU Plaut. 
Mil. 575 und Trin. 198); es wäre unnatärlich, wenn darauf nie^ 
mals sollte eine genau entsprechende Antwort erfolgt sein. Oft 
genng ist es ein Geleitswort, ein verstärktes Lebewohl, allen- 
falls verständlich auch ohne Rücksicht auf die P'rage, so 
Äbea»^ eelerüer facto est opus Plaut. Bacch. 603, Apscedas: 



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Horatiaty voa 0. Sehroed«r. 



167 



mma$ omaium iuom Poen. 807, Cum tuam fdem Trio. 192, 
Vernas temperi Capt. 191. Wer aber daraafhin fiberall gramma- 
tisch«!! ZusammeDhang mit dem Hauptverbum ilt rFrn«,'^ leugnen 
wollte, den widerlegt Geta, der (Ter. Phorm. 151) dem Davos auf 
(las numquid aliud me viaf antwortet: wf bene hü tibi] und Demea 
(Adelpli. 432) mit sf^in^ni frommen Wunsche Mnitnn vohis mplwrem 
dari\ endlich die annuiti^e Stelle mw Schluis des 1. Aktes von 
Ter. Eun. (191): hi hoc biduum Thafs vale! Mi Phnedria Et fn; 
numiimd vis aliud? Egone quid velim 'i t um milUe isla jjiaesem 
dhmu ut Sita: Die» noctisque me tunes, me desidens u. 8. f. 

Noch einmal erhob sich ge^^cn Heiodorfs voh Horni ein sprach^ 
liebes Bedenken. „Das mflfste fiowos beifsen!** meinte Doederlein 
(1858, in der 3. Ausg. des Heindorfischen Iluraz). Aber „dafs du 
mich kennen lerntest!*' wäre nur zahmer als „dafs du mich kenn- 
test!", <'in Uutersdiicd, wie zwischen fieri und factum volo. 

Mit uiierwnnschter SchlagOrti^keit lioiuitzt also derAufdring- 
ling die hoüu lip Frage, um seiiieu Herzenswunsch als Antwort 
daran zu kmipten: Bekanntschaft mit dir! Aber setzt der Edle 
die Bekanntschaft mit lloraz nicht schon voraus? lieruht nicht 
darauf sein ganzes Spiel? {arreptaque manu *qutd agis, duhissime 
rerumP') Wie kann er denn jetst noch wOnschen, worüber er an- 
geblieh schon verfügt? So ungefähr dachte Kirchner, als er seine 
alte Ohersetzung verwarf und sich mit den meisten auf Oreihs 
Seite schlug. 

Ehe WUT dies aus dem ganzen Zusammenhang hergenommene 
Bedenkefi fTfirtern, wird es sich empfelilen, die weiteren Cinxel* 
heiten der Stellr, soneit es angeht, zu erledigen. 

Was will der Zusatz doch' sMmi/.s? Orelli: *nam ego quoque 
doctis aduuiiicror'. Kirclmer 1854: „Solltest mich doch näher 
kennen; wir sind vom lach!" Fritzsche 1875: „Wir sind ja 
Kollegen!'' (Anth* io smo pittore). Der ehrwürdige Jurist Tre- 
batius Testa (s. n 1, 78), der Kflchenprophet Catius (s. I 4, SS), 
Ro8ciu8,*der Komiker (epist. II 1, 82), das Griechlein Helio- 
dorus (s. I 5, 3) und Maecen (epist. I 19, 1) — von den doctae 
puellae nicht zu reden — also Kollegen, die einander kennen 
mufsten? Das zu verlangen, ist selbst unser Geck nicht thöricht 
L'enu'^'. Wenn er sich wenigstens einen hervorragenden, weilbe- 
rühinten Meister nennfe, für den er sich ja wohl hält (V. 23 — ^25); 
aber er redet hier völlig schlicht von einer Eigenschaft, die ihn 
der gewünschten nähern Bekanntschaft mit lloraz (und Maeceu) 
in seinen Augen wohl wert machte. Der also umworbene ant- 
wortet: FUaif hoe mUd eri$. In dem Futurum sieht OreBi eine 
versteckte Bosheit des Dichters : *Vafre significat se eum non nosse 
(nisi nomine)*, ^so etwa: „Wodurch mir deine Bekanntschaft 
um so wertvoller — ist? kann ich nicht sagen, da ich bis jetzt 
von dir nur den Namen kenne, drum höchstens — sein wird*'. 
Dieser plötzliche Nachdruck auf dem armen WOrtlein eris hat 



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168 



Jabresliericbte d. philolog. Verein«. 



eJwas frafzpnhafl Verzerrtes-, ps ist orellisch, nicht horazisch se- 
(lacht. Anüre haben noch gelieimere Bosheiten gewiiterl. bAiev 
liefse sich reden über Kiefslings Erklärung des FuLuis im Sinne 
des l'olentialis , hier und in non pluris facies (V. 22 — 23) , wie 
ja auch mancto mit Krüger (1853) und Kirchner (1854) wni$ 
als potentiales Futur wird genommen haben. Allein der Poten- 
tialis, „desto wertvoller wirst du mir — Yermntlich — sein, desto 
höher schätz ich dich — am ende'S verdärbe hier nur die Fein- 
heit der Verbeugung, und das Futurum des Schwätzers V. 23 
gebt durchaus nur auf die in der Zukunft gedachte nähere Be- 
kanntschaft. 

Es ist wahr: der Unbekannte tbut anfangs gar vertraut, er 
begrüfst den Dichter mit Händednit k und kordialer Aiiiede. Die 
kühl höfliche Antwort verscheucht jbu nicht, den feinen Abschieds- 
wink versteht er nicht, will er nicht verstehen. Aber soviel sieht 
er doch, auf diese Weise kommt er nicht weiter. Hit einer ge- 
schickten Wendung stellt er sich als Schöngeist vor, den der 
Dichter nur zu kennen hrauche, um ihn sofort in seinem nnd 
Maecens Busenfreunde zu machen. Aber da er klug genug ist, 
nicht sofort seine letzten Absichten zu verraten, da er sich auf 
das schlichte docii svmvs beschränkt, so glaubt der Dichter noch 
cimnal mit guter ^Manier 7m entkonimni. Das Futur in seiner 
Antwort ist jeut weder boi^haft noch hekmllen, es bezeichnet die 
vollendete llüllichkeit, in der das VVeltkind Horaz sich dem Ge- 
danken des andern anschmiegt und zum Scheine — dafs er den 
Bittenden auf einen Augenblick entferne, versprechend, auf den 
Fall, den er nicht hofft — mit ihm in der Vorstellung zukünf- 
tiger Freundschaft schwelgt. Dies war eine Herausforderung an 
das Schicksal, das denn auch alsbald todesschwanger (V. 29) über 
dem Allzuliebenswördigen schwebt, bis ApoU sich seines Schutx- 
iings erbarmt. 

Berlin. Otto Schroeder. 



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6. 

CiceroB Reden. 



I. Beiträge zur Ilandschriftenkunde. 

1) Albert C. Clark, Cnllatioos from the Ifarlei.in Ms. of Cicero 

2682. ÜAl'ord, Clarendon Presa, 1892. L\V u. 51 S. 4. 9 M. — 
Vgl. H. Nohl, BerL Phil. WS. 1892 8p. 587; G. UbmaBa, WS. f. khss. 
Phil. IX Sp; 1283. 

Clark bat den 8U8 dem 11. Jahrhundert stammeDden Cod. 
Harleianus 2682 verglichen und in ihm den verloren geglaubten 
Cod. Coloniensis erkannt, ilessen f.esarten aus den Angaben des 
Guüelmus, Modius und (.inevius bekannt vk'aren. Derselbe enthält 
Cicero de amicitia, de i>enectute, in Salbistiuni, in Catiliuam, pro 
Marcellü, Ligario, Deiolaro, Milone, de ihipdio Cn. Pompei und 
Excerple aus Verrine IV und V. Liuzelue Teile des Erfurtensis sind 
aus dem Harleianus abge»chrieben. Die Anleitung giebt eine 
BeBchreibuog und Geichichte der Hs. und eine Besprechung ihrer 
Lesarten; S. l — 51 ^tfaalten eine KoHalion zu den genannten 
Schriften. 

2) Paul Thomas, Le codex Braxelleosis (Pnrronsis) du ProCae- 

cina de Cicero q. Aevue de J'iDslructiou publique eo Belgique, 
XXXV (1892) S. 365-81 vad XXXVI (1893) 8. 22—27. 

Die Hs. 14 492 auf der königlichen Bibliothek zu Brössei, 
m 154 Pergamentblüttern bestehend und aus der Abtei Parc 
stammend, enthält ganz oder zum Teil Ciceroe Reden pro Gaelio, 
Sulla, de imperio Cn. Pompei, pro Caecina, Marcello, Ligario, 
Deiotaro, in Catilinam, SaliusUum* Antonium. Sie scheint von 
einer einzigen Hand gpsrhrieben zu sein, und die Schrift weist 
auf den Anfang des 14. Jahrhunderts. Thomas hat diese Hs. ein- 
gehend geprüft mit Beziiir auf die Rede für ('necina. Von dieser 
Rede bietet sie den Schluis § 65 — 104 an Stelle des Schlusses der 
Pompeiana 62 f. Nach der Rede für Deiotarus kommt dasselbe 
Fragment noch einmal mit leerem Raum für den Anfang. Die 
erster« Kopie bezeichnet Thomas als B, die zweite als B*; sie 
sind nach seiner Meinung durch denselben Schreiber aus dem- 
selben Archetypus angefertigt, aber in Terschiedener Weise. Wäh* 



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170 



Jahresberichte <L philelog. Verein». 



rend die Abschrift B gewissenhaft der Vorlage folgt und nur me- 
chanische Fehler enthält, finden sich dagegen in manche ver- 
fehlte Emendationsversuchet sodafs auch bei^ passenden Laa. 
von ungewifs bleibt, ob es nicht willkürliche Änderungen seien. 

Abo hat nur B kritischen Wert. 

Thomas verzeichnet die Abweichungen beider Kopicen von 
der zsveiti II Orellischen Ausgabe. B kommt an Güte der Iis. vnii 
Tegernsee /.unacbst, ist ;d)er nielil ans derselben abgeschrieben. 
An mehreren Stellen fvilll 1> Lücken von T aus. Kinige bisher 
nicht vOliig gesicherte Laa. werden durch B bestätigt, so § 72 
slaiWt 97 scio, § 83 stellt Tb. nach H her: deiectum esse, qui 
fugaittt Sit im- vim\ (vim) esse factam, cui etc. Er empfiehlt fol- 
gende Laa. von B: 86 videatur, 95 esse oe^ictiiit, 99 Ms irihus, 
100 edant (vulgo aäfermt, hergestellt aus aderanl), 

Ea ist zu erwarten, daDs diese Iis. von den Herausgebern des 
Cicero auch für andere Beden verglichen werde; vielleicht lassen 
sich einige gute Laa. aus ihr gewinnen. 



U. Ausgaben. 

3) Aosf^ewählte Stücke aus Cicero in biographischer Folge. 
Mit Anm»"rkini{?en für den Si'hiilpcbraurh van \\. Jordan. Vierte 
Aullage. Stuttgart, J. B. Mel^leräcliüi \ erlüg, 1692. 8. XIV und 
209 & 2M. 

Diese schOne Aas wähl aus den Reden, den philosophischen 
und rhetorischen Schriften und den Briefen des Cicero (vgl. JB. 
1884 S. 170) ist geeignet, dem SchGler ein lebendiges Bild von 
den Lebensschicksalen und der schriftslellerischen ThStigkeit des 
greisen Redners vorzuführen. Zur blrgänzung können nebenher 
oder nachher einzelne Heden und Werke vollständig gelesen wer- 
den, z. B. die Reden für Murena, Sulla, Archias, Ligarius, Dejo- 
tanis, liegen (^aeeilius und die zweite und vipcte i,'«'t,^en Catilina, 
aus weUlu'ii sich in dieser rhreslumaLlut' ktme Lc^eijtücke finden. 
Die neue Aullage verdient Lob, da quum nun endlich durch ctim 
ersetzt ist (auiser S. 10). Dagegen blieb S. 24 (unten) der 
Druckfehler J^mptlt*, S. 96 partim stehen, und dazu kommen neu 
S. 56 extr. unter st unten, S. 59 u. accaimae, S. 26 stehen 
wieder nahe bei einander coe^t und caelo. Die Interpunktion ist 
an vielen Stellen eine seltsame. Das Büchlein hStte vielfach verbessert 
werden können, wenn die neueren Ausgaben der Reden Ciceros 
wenigstens bei der Korrektur der Dnirkhogen verglichen worden 
waren. Der Herausgeber wurde gut thun, wenn er sich in der 
Orthographie an das „tabellarische Verzeichnis der haii^jlsachlich- 
sten lateinischen Wörter von schwankender Schreibweise" von 
F. A. Perthes in Gotha oder an das ilülfsbüchlein für lateinisciie 
BechtschreibuDg von W. Brambach anscbliefsen vArde Er sollte 
j äberall ersetzen durch t und schreiben: odiilsieefis, a(-, <oi»-% 



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Ciceros Redeo, voo F. Luterbteher. 



171 



e-, re-, subicere (S. 41, 42, 54, 78, 151), Caelmm 14Ü, condicio 15, 
cotidie (S. 6, 7, 47), Dynachmm (S. 9, 10, 11), ÄeWMO (75), pae- 
tuYt'f 15, Pompei 75, piomptnm 71, promnntiirium 41, g»<ofi>ws 58 
uüd lOÜ, ra€(ia 69, reppuli 91, retliiU 37, solacium IG, Vöfiur- 
ctttö 55. 

S. 4 (TusG. V 65) por/ot icftriult'iiaf] icAradäta kommt nur 
ak SubstaDtiv vor. Ohne Zweifel ist das agrigentinische Thor 
gemeint; die Hss. bieten portas agragiaHOS^ die Ausgaben portas 
Agragentinas. S. 5 lese man: e provincia decedere, S. 6 JRomam... 
At qui homines (p. Scauro 24), S. 7 (in Pis. 0) berie gesta . . . 
cmiservata re publica (so C. i*\ W. Müller). S. 12 ruere kami mit 
„toben'' übersetzt werden. Mit B (S. 17) sollte eine neue Seite 
beginnen. 

Verr. II 6 (S. 19 u.) ist noslris (so Klotz) zu tilgen, 11 7(S. 20) 
wohl mit Lag. 42 zu setzen: noa, ad hanc. III 47 (S. 22 u.) soll 
68 heifsen iugorum (nicht iugerum\ vgl. § 120), IV 107 (S. 22 o.) 
dedararunt» IV 48 (S. 25) gehören die Worte Philo qni fuU zu- 
sammen. IV 64 hei&t es : r$x id uhUum volverat (S. 28 u.)t 
V 145 (S. 41 u) quae ex SyHa, V 161 (S.44 u.) L Raido, — 
IV 62 (S. 27 u.) seil reibt Jordan: erat etiam wu vimrium ex una 
gemma pergrandi, trulla excavata mannhrio mireo. Dazu bemerkt 
er: „nicht cum m, a., weil der Grift einen untrennbaren Bestand- 
teil der Kelle bildete". Dies ersieht mau aus seinem Texte nicht 
bestimmt, weil er den Relativsatz de qua etc. ausläfst, ulme wel-- 
eben man geneigt ist , nach excavata ein Komma zu setzen, 
übrigens ist das Komma nach pergrandi falsch, es gebort vor ex\ 
daa vas hatte zwei Teile, einen ex una gemma und einen aus Gold, 
weswegen die Worte ex ma gemma peryrandi zu truUa excavata^ 
nicht zu va$ gehören. 

Ferner schreibe man S. 52 (Pomp. 34) explßravit, in Sardi- 
niamj 53 C. Manlium (Cal. 1, 7), 60 u. hoc interest (Cat. 3, 15), 
65 deminuttone (Cat. 3. 24). Ob Cat. 3, 22 (S. 64) Jam vero [illa 
Allobrogum soUtcitattOy toto] ab Lentulo etc. die eingeklammerten 
Worte von Momm.sen mit Recht getilgt werden, ist zweifelhaft, 
da ein Ausdnu k /\i genauerer Ilczeichnung der ignott et barbari 
passend schtiiiL ^vielleicht ad Allobrogum sollicitationem). Aber 
die Worte unverändert beizubehalten, geht nicht an, und die Gr- 
liUrung Jordans (Und jener Versuch die A. aufzuwiegeln! nie 
wären u. s. w.) befriedigt nicht. Mindestens muis das zweite tarn 
getilgt werden. 

Da der Kommentar sehr knapp gehalten ist, so sollte dem 
Lehrer die Renutzung vollständiger Ausgaben wenigstens dadurch 
eileichtert werden, dafs bei grölseren Lesestüclien die Paragraphen 
am Rande bezeichnet würden. 



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172 



Jahresberichte d. philolog. Vereios. 



4) iVl. TuUii Ciceroniü oratioDcs seleclae XiV* Editiu vivesiiua 

altera emendatior, quam post editioaes Braestii', SeylTerti, BcksteioU 

ciiravit Ott j limine. Part. I. pro S. Koscio Aiuerino, pro lege M«- 
nilia. iinliv, buchhandlunp des Waisenhauses, 1S93. VIII u. 67 S. 8. 

Der Text der Koscia na wurde an 14 Stellen geändf^rt. 
§ S lese man opimamy § 76 gralia. Die neue Ausgabe von Fkck- 
eiseu (IbSD) wurde nicht benutzt: wenigstens stimmen die An- 
gaben über die Lesarten Fleckeiscns oft mit derselben nicht 
fiberein (§ 14, 28, 48, 50, 64, 73, 74, 83, 100, 107, 110, 116, 
124, 142). Auch Nohl wird mit Stillschweigen fibergangen. Der 
kritische Apparat wurde nicht gebührend umgearbeitet; es wird 
manche wertlose Konjektur erwähnt und manche La. als Vulgata 
bezeichnet, die aus den neueren Ausgaben verschwunden ist. So 
wird zu 136 pro mea tenui . . . parte bemerkt: mea Madvig, Ufa 
vulgo ex codd. Has mag in der '20. Auflage richtig gewesen sein; 
seither ist aber mea aufgenommen worden von Müller, Landgraf, 
Nohl, Laubüiann, Fleckeiscn. In §102 verdient weder die Kin- 
schiebung eines non vor id durch Madvig Erwähnung, noch ist 
die Veränderung des an zu ac Jion (nach Jeep) zu billigen. Beide 
Änderungen ergeben den Sinn, das Geriebt könnte im Ernste 
daran denken, die Thaten des Capito zu strafen, wovon gar 
nicht die Rede sein kann. Die Oberlieferung ergiebt den richtigen 
Sinn. Roscius Magnus und Hoscius Capito Terraten sich durch 
ihre Leidenschaftlichkeit als die Schuldigen; ersterer schickt einen 
Eilboten nach Ameria, lel/tcrer tritt als Zeuge auf, als ob er ent- 
weder seinen Worten Glauben verschairen oder für seine That 
Strafe fürchten müsse. § 115 muls bei nunxlnfus est ein Dativ 
stehen; lioscio ist entschieden durch T. zu vei vollsländigen, nicht 
zu tilgen. § 53 sollte nach argueret ein Komma stehen st. Semi- 
kolon. § 22 steht simulatq^ue, dagegen 27 und 60 simul atque. 
Das Argumentum soUte umgearbeitet und besser stilisiert werden. 
Die Worttrennungen resis-tere und eog-noseere sind veraltet. 

In der Pompeiana wurde der Text an 11 Stellen geändert, 
hauptsächlich nach dem Vorgang von C. F. W. Müller; zu mifs- 
bitligen ist § 6S das hafsliche responderene. Der Cod. Ilarleianus 
2682 wird noch als Cod. Colon, angeführt. § T lese man mpe- 
riore. An § 13 in proiunria)» ist nicht zu rütteln. Der Zusainmpn- 
hang ergiebt den Sinn ,,iii ihre Provinz"; es ist kaum wahr- 
scheinlich, dafs Cicero die Statthalter aller Provinzen so schnöde 
beurteilt, und die Konjektur Heines in provincias ist nicht annehm- 
bar. Nach §§ 64—65 betrifft die Bemerkung nur Asia, Cilicien 
und Syrien. 

5) M. Tallii Ciceroais in L. Catilinaiu uratioucs quattuor. 

Scholaram ia nsani iteram edldit Robertna Novak. Pragae, sumptos 
fecit societas phttologorain Bohemieornii. 1893. V wd 48 S. 8. 

0,40 M. 

Das Büchlein (vgl. JB. 1880 S. 70) ist zweckmafsig erweitert 
worden durch ein Argumentnm über den Verlauf der Verschwör 



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Cie«rot Reden, voe F. Loterbeeher. 



173 



ruDg und des Krieges des Caiilina. Ebenso wurde das VersUindais 

des Textes erleichtert durch Einsetzung vieler neuer Kommata. 
Man berichtige I 10 magno y 19 tecum ita, III "29 venerati. Statt 
exspectOy exstinguo, exstiti, e.rs}tfto, iic~tor, scrip-tor schreibt ^Joväk 
jetzt in Abweichung von unscni Schiilbüchern expecto, extinguOy 
exh'tt, extiUo, tn-ctor, scri-plur. An 28 Stellen liat er dtiii Text 
so gcäüiierl, dals er nun iiiU rsohl übereinstimmt; dagegen 11 An- 
derangen weichen von Nohl ab. NoT&k tilgte nämlich II 12 atpie 
ivit, 11 19 nuKBimam nmUiiudinem (weil diese Worte das Gleich- 
mafs der Glieder auffallend stdren) , II 26 /amen. IV 13 ist das 
erste esse dixit eingeklammert, ^vozu kein Grund vorliegt. II 10 
liest er nun efrrtiDS, II 20 est isie, III 17 comperta atque deprehensa, 
III 22 factum esse, IV 10 decreverit (sl. decrerit), IV 11 liberabo 
(welches nach den im Anhang angeführten Slellen den Vorzu«^ 
verdii'iit v or purgabo). IV 13 hat er iure nach consulis gesetzt, IV 3 
das uupat»öeude framiUi beibehalten. 

6) Cieeros Reden gegen L. Gntilina nnd seine Genossen. Pnr 

dea Schulgebrauch heraosgegebe» von H. Nohl. Zweite, verbesserte 
Auna-e. Leipzig, G. ITreitag, 18d3. XVUl und 62 U. 8. 0,40 

geb. U,7o M. 

Dem Texte der Calilinarien ist hier weder ein Kommentar 
noch ein kritischer Apparat beigegeben. Gegenüber der zweiten 
kritischen Ausgabe Nohls (188S) linden sich acht abu eicheude Laa. 
1 4 hmusce modi\ II 8 ne ullo quidem in angulo» K) phdem dese- 
TMiY; III 16 discripios, 20 in celso, 25 infinitae caedi, 2G aller huius 
imperii\ IV 20 mihi Uli. I 7 ist zu berichtigen XII st. VII; I 27 
steht xuerst a te, nachher ab» le. 

Aufser dem Texte der vier Reden (50 S.) enthält das auf 
festem Papier schön gedruckte und solid gebundene Bflchlein ein 
Bild d^s Cicero nach der Zeichnung von Rubens, eine deutsche 
Biographie Cieeros samt wohlwollender Würdigung seiner Ver- 
dienste als Scliriftstclier und Staatsmann, eine Zusammenstellung 
bedeutsamer Kreignisse von der Geburt des Marius bis auf Cieeros 
Tod, die Vorgeschichte des Catilina und Liuleituiig zu den vier 
Reden mit Skizzierung ihres Inhalts, einen >'achtrag über die 
Ilinriclitung der Verschwörer und Caliiiiiiib Lude, sowie einen An- 
hang über den Senat und die Komitien. Diese Zuthaten der 
neuen Auflage (30 S.) erleichtern teils dem Schfiler das Verständnis 
der vier R^en nicht unwesentlich, teils klären sie ihn in geeig- 
neter Weise über die vielseitige Thätigkeit des grofsen Red- 
ners auf. 

Nach der grofseren Ausgabe (S. XI) hielt Cicero die erste 
catilinarische Rede am 7. November; jetzt setzt Nohl (S. XVII) 
diese Scnatssilzung auf den 8. November an, die Rede aber soll 
in der Form, in welcher sie drei Jahre später herausgegeben 
wurde, nie gebalteu, sondern aus der in jener Senatssitzuog ge- 



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174 



ialiratboriebt« d. pbilolog. Vareiof. 



Bprochenen fir&ffDungs- und Sdilufsrede zusammengearbeitet 
worden eein, wa$ sich mit den Angaben des Sallust (Kap. 31) 

nicht verträgt 

Dafe in der vierten Rede die §§ 1 ~3 und 20—23 spätere 
Zusätze, §§ 1 — 0 ober aus einor anderen Rede genommen seien 
(S. 42), ist kaum glaul)Iich. Jedenfalls ist die Rede bei dpr schrift- 
lichen Altf.issuiig vielfach verbessert worden, ab^r in .illen Haupt- 
punkten wurde sie wohl auch so vorgetragen, wahrsciieiniich nach 
einer Unterbrechung der Verhandlungen beim Wiederbeginn der- 
selben. 

7) Cie«rof R«d«o fe^ea L.Serfiiit Gatllia«. Für deo Scfanlgabnodi 

erklärt von Karl llachtmaoo. Vierte, verbeMerta AnBife. Gelin, 

F. A. Perthes, 1893. VUI u. 7ü S. 8. 1 M. 

Wie der Heraasgeber im Vorwort bemerkt, hat er bei dieser 
Auflage nur die wenigen Ändenii^en vorgenommen, welche ich 
JB. 1891 S. 6 als wünschenswert bezeichnet hatte. Doch ist der 
Wechsel zwischen m ^publica, dum modo (I 22) und respyhh'raf 
(Jnwmodo (I 10} noch vorhanden. 1 17 ist me herctde (statt me- 
hercuh) störend, da auch hercuk dassell)e bedeutet wie mehercuk. 
Der Text sollte an den Stellen, an welchen Laubniann und Nohl 
übereinstimmend von II. abweichen, einer nochmaligen Krwägung 
unterzogen werden; in der ersten Hede sind es 18 Stellen. Die 
Festsetzung des senatus consultum ultimum auf den 21. Okt 63 
und der ersten Rede auf den 7. Nov. empfiehlt sich fdr eine 
Schulausgabe nicht mehr (vgl. JB. 1889 S. 215). 

8) Ciceriis Rede für L. Muren a. Für deo Schulgebranch erklärt voo 

Julias Strenge. Gotha, F. A. Pcithr's, 1S02. VI u. 73 S. 8. 0,75M. 
— Vgl. A. Kornitzer, Zeitüchr. f. tl. Ust. Gymu. 18Ü2 S. 506— «J. 

Kine kurze Einleitung (2*/. S.) giebt genügenden Aufsrhlub 
über I.. Murena, seinen TrozeXs und die Disposition der voriiegen- 
den Verteidigungsrede. 

Her Text ist woiii erwogen und an kritischen Stellen (bis 
auf wenige Lücken) auf eine für Schuler verständliche Weise 
emendiert und ergänzt. Von dem Texte ^ohls weicht Strenge an 
44 Stellen, von C. F. W. Müller an 50 Stellen ab; 34 mal stimmt 
er gegen MOIler mit Nohl überein. 

I 3 liest er mit Mother: ciit res puhUca a m «na cum am- 
sulatu tradawr* — f 8 hStte er statt ste censea besser mit Nohl 
sie existimo geschrieben. — § 35. Das et vor pirtvrhai ist bei 
Uuintilian zu streichen und nicht bei Cicero einzusetzen; dieser 
würde es vor dies gestellt haben. — § 36. Der Wechsel commo- 
ventnr — excitantnr — commota — excitata darf nicht durch concitanfur 
gestört werden. Dafs Quintilian ungenau citicrt, zeipt sich am 
Schlüsse: snepp ifa ohsDit^a est, ut sin^ causa excitala riileatur. Ks 
ist bedenklich, uach obscura ein Subjekt causa einzusetzeu« da 



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Cicaros R«4eD, von F. Latarktehar. 



175 



hier die Cicero- und QaintiliaDhandscbriften übereinstimmeii und 
man im nächsteD Satz über dieses Subjekt hinweg wieder auf 

dasselbe Subjekt, wie bei commota sU, zurückgehen mufs. Auch 
stimmt der Kommentar nicht zu diesem Subjekt causa, — § 37 
Wines ist nicht gut; ufirc es richtij^, so würde es bei ?V slohnn. 

— §67 stellt im Text dum candidattis morem <jeri( fnnch Halm); 
nlipr die Worte „die lex Tullia, welclio von den candidati se!!)?t 
gewünscht wurde" weisen auf die überlieferte La. candidalis. — 
§71 liest Strenge: sin mV, ut suffragentur , §77: sin, etiam si 
nom, tarnen per monitorem appdlandi sunt, cur iu ay^ellas, pius- 
quam adamnä^ 

Der Kommentar ist knapp gehalten, hat aber doch gegenüber 
den Ausgaben von Halm und Landgraf den Vorzug, dafs er die 
Disposition der Rede eingehend darlegt und auf die Verwendnng 
der rhetorischen Kunstmittei genauer aufmerksam macht Doch 
geht Strenge hier wohl zu weit, indem er an einigen Stellen 
Wortspiele annimmt, die nicht einleuchtend sind. In § 3 kommt 
der Name Cato viermal vor. Dazu wird bemerkt: ,,ln witziger 
Weise wiedf-rholt der Hedner oft diesen Namen, sodafs dem Hörer 
dadurch und durch die Betonung das Wortspiel (eatus „der Schlau- 
meier") zum Bewufstsein kommen mufs Der Hörer dachte eher 
an den sittenstrengen Censor Cato als an das veraltete eatu», — 
Zu I 6 negat eue mtsdm Hveritatis Cato CatÜmam etc. wird ge- 
sagt: beabsichtigtes Wortspiel, da es den Cato unangenehm be- 
rühren mufste, seinen Namen neben dem ähnlichen des (>atilina 
genannt zu hören. — Das zweimalige Servi Sulpici in § 7 giebt 
Anlafs zu der ncmerkung: „Wie § 3 hei der Anrede des Cato, 
so wird hier bei der wiederholten Anrede des Sulpicius und später 
gern und nicht ohne witziges Wortspiel (f^emis) das Pränomen 
vorgesetzt". Da auch andere Namen so hehandelt werden, so hat 
die Setzung des Vorn.iniens Servius nichts Auffallendes; auch 
liegt im Zusammenhange dieser Sätze keinerlei Ilindeutung auf 
ein Wortspiel, ebensowenig § 9, 19, 43, wo der Hann blofs Ser- 
vius (ohne Sulpicias) genannt wird. Auch die Figura etymologiia 
seroKTttfem teroire in § 61 soll eine bedeutungsvolle Beziehung auf 
Servius Sulpicius und § 57 Posiumo primum ein Wortspiel (dem 
letzten zuerst) enthalten. — Zu § 25 wird Appius Claudius Caecus 
als Ponlifex bezeichnet; sollte dies aus Livius 10, 8, 5 geschlossen 
werden? Zu § 42 könnte gesagt werden, dnfs /)(7rs oft für dimidia 
pars (die Hälfte) steht. § 61 ist sapieufem wolil Snhjekt zu paent- 
tere Liv. 36 22, 3 si iHienitere possirit). - - § S2. Die An- 

nahme, dafs Sdanns das Konsulat nicht allein antreten Konnte 
(nach Halm), ist unrichtig; vgl. § 85 unm si eril consul. Die Worte 
U sme cannih bedürfen einer anderen ErUärnng (vgl. Landgraf). 

— $ 83. Die Erklärung von otium ist hier kaum zutreffend. Die 
Konsuln waren doch nicht da, um ein „ruhiges Privatleben" zu 
fflbren. Vielmehr ist <akm hier Gegensatz zu beUum (sciK thnU), 



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t76 



iabresbericlit • 6. philolo;. Vereiai. 



wie pax den Frieden nach aufsen bezeidinet als Gegensatz la 
helhtm ewtemwn (vgl. die Ausgaben der Sestiana zu § 98). 

9) Ciceros Uede für P. Aooius Milo. Für dea Schul* uud Privat- 

gebraoch erklSrI von P. Richter «und A. Eberhard. lo vierter 
Auflage bearbeitet vod Hermaon Nohl. Lcipsig^ B. G. Tenboer, 
1 892. 1 1 u S. 8. IM. — Vgl. C. Uamner, Bl. f. d. bayer. GSW. XXIX 

S. 226—228. 

Die Hrauchbarkeit dieses Büchleins Ist durch eine grundliche 
Umarbeitung bedeulenU erhöht worden. Einleitung, Texi, Kom- 
mentar sind vielfach verändert; der Anhang wurde von 6 auf 
2 Seilen reduziert. Auf jcd* r Seite finden sich A^erbesserungen, 
teils sachliche, teils stilistisclie. Der Kommentar ist übersicht- 
licher gestaltet; viele Bemerkungen sind gekürzt, viele entfernt 
worden, so namentlich alle Notizen und Cilate äber rhetorische 
Figuren. Wenn auch eine beträchtliche Zahl neuer Anmerkungen 
hinzugefögt ist, hat der Kommentar doch eine bedeutende Ver- 
einfachung und Kürzung erfahren. Dadurch wurde Raum gewonnen, 
südafs nun ohne eine Vermehrung der Seitenzahl des Bdcbleins naf 
S. 99—108 das Argumentum des Asconins Pedianns hinzagefögt 
werden konnte. 

Der neue Satz in § 1 der Linleituug stände besser in 21, 
ebenso der letzte Satz von Ö in 20. Im Texte der Einleitung 
könnte noch ninnche Kürzung und Verbesserung vorgenommen 
worden; auch dürfte noch eine Anzahl der allzu zahheichen Fufs- 
uoteu beseitigt werden (2, 4, 44, 4S, 50, 51, üO, 77, 84). 

Den Cod. Harleianus 26S2 betrachtet Nohl nicht, wie Clark, 
als die beste Quelle der Oberlieferung, weil er nach einer will- 
kürlich korrigierten Vorlage nachlässig geschrieben sei. Dagegen 
hält er H fQr bedeutsam, wo man sich zwischen E vnd TBS 
entscheiden mufs, und er ist nun in zwanzig solchen Fällen in 
Abweichung von seiner Texlausgabe (18SS) H gefolgt Der Text 
der Rede enthält in § 33 das Fragmenlum Peyronianum an huius 
. . . reprehensio sit nicht mehr und weicht aufserdnm an fünfzig 
Stellen von demjenigen der dritten AuflaL^e ab; auch sind die 
Orthographie und Interpuiikiion vieUacb geändert worden. In § 15 
hat Nohl Lehmanns Konjektur aufgegeben; er liest nun inlerüum 
putavü, ohne puniendum, und ebenso § 69 motu . . . temporum 
ohne immutalis, 

lu § 4 des Argumentums liest er M. Saufeio, weil ein M. 
Fufins sonst nicht erwähnt wird. S. 102, 29 setze man vi ettm 
statt et eum. 

10) M. Tnllii Cicerouis pro T. Annio Miloae, pro Q. Ligario, 

pro rege Deiotaro oratiooes. Scbolaram in aann edidit Re- 
bertus JVovAk. Prafae, sumptiu feeit A. Storch Jlliiii, 1892. VID 

n. 69 S. 8. 

S. 1 — VIII enthalten Argumenta zu den drei Reden in b ir^Jt 
verständlichem Latein. Dem Texte ist die Ausgabe von Nohl (l^äb) 



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Ci«eroi Red«», vod F. Lol«rb«eli«r. 



177 



zu Grunde gelegt. Noväk hat sich bemüht, wenig Änderungen an 
rs'ohls Text vorzunehmen. Immerhin weicht er in der Miloniaua 
an 30 Steiien von ihm ab, und aufserdem stellt er durch eckige 
KliiniLiern 9 Glosseme fest; in der Rede für Ligarius stimmt er 
zwulluial, in der für Dejotaruä sechsmal mit INobl nicht Qhereiu. 
Auch bezeichnet er im Anhang die überlieferte Lesart an etwa 
30 Stellen als zweifelhaft und f&hrt teils adion von anderen ge- 
machte, teils eigene Konjekturen an. 

Pro Mi 1.2 vermutet N. terroris aliquid. — §9 möchte 
er nach quoquo modo ein Verb {deprehenderetur) einsetzen; allein 
quoquo modo kann heifsen ,,auf jede Weise" (vgl. Kühner, Ausf. 
Gramm. II S. 7S9): nach den Gesetzen konnte ein nächtlicher 
Dieb in jedem Fall ungestraft getötet winden. — § 14 liest N.: 
aul nie» quo arma Satnmini Ofpresaa suni, etiam si e re publica 
erat. — § 15 verwirft er das aus den Scholien genommene at 
paret und schreibt nach dem Erf. at adparet. — § 16 beginnt er: 
iam iUiwI ipmm Uquet (Hss. ipse dicet), — In § 17 ri qni eotuU" 
larem und si gut« humüm wird an zweiter Stelle durch quis ein 
Hiat Termieden ; N. hSlt den Wechsel Ton qui und quis für unzu- 
lässig und schreibt si quis cowuhrem. — § 23 setzt N. vor electi 
ein tt ein; doch scheint die gewöhnliche La. ei lecti durch § 105 
gesichert. — § 31 setzt er jmtatis für das überlieferte putasset-, 
diese Änderung scheint sich ;iber mit dem narlif(tli,ciiden tradi- 
düset nicht zu vertragen. — § 39 hält K. quem qui (um iuleremisset 
für nicht ciceronisth und schreibt: ut qui eum interemisse!. — 
Nicht zu billigen ist, dafs § 47 in den Worten liberatur (d. h. 
dic&wr) Milo nm so eonstlto profeetus esse das wm entfernt wurde. 
— § 69 scheinen sahis (Hss. sahäaribus) ond tmanitaHs sich zu 
widersprechen. — Pro Deioiarol6 ist aus Versehen vorsAitro 
die Negation minime ausgefallen. 

11) Ciceros erste, zweite nnd siebente Rede gepen Marens Ao- 
louius. Für dea Schulgcbrsuch erklärt von Julius Strenge. 
Gotha, F. A. P«rth«s» 1893. VIII n. 102 S. 8. 1,20 M. 

Das Vorwort setzt in trefflicher und überzeugender Weise 
auseinander, dafs es ein pädagogischer Fehler sei, die phihppischcn 
Reden Ton der Lektflre und Erklärung auf den Gymnasien aus- 
zuschliefsen. Die Einleitung behandelt In Kürze (9 S.) die Zeit von 

Casars Tod bis zu Ciceros Tod und die Disposition der drei vor- 
liegenden Reden. Den Text derselben giebt Strenge im Anschlufs 
an C. F. W. Muller; die Abweichungen, 21 an der Zahl, sind im 
Vorwort verzeichnet. Man berichtige II 34 fecisset und VII 24 L 
Visidio, equiti. Bei 11 8 Muslelae et fironi Nuniim ^Mwartet man 
auch für die zuerst genannte Persün zwei Namen; dahei ^clueibt 
Nolil Wühl richtig Mustelae iam Seio, IT 97 ist post M. Brutum 
procoHsule unverständlich, obwohl auch Auhl so sclireibL statt pro 
censiile. 

JaliN«b«ri«lit« ZDL 12 



f 

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178 



Jahresberiehte d. philolog. Vereint. 



Der liouimenlar ist eine verdienslvoUe Arbeit und wird allen 
Lesern, besonders den jüngeren, förderlich sein. Die Bemerkungen 
zu II 8 intar tkario» niid 110 pammm sind zu wenig sorgfältig 
formuliert; diejenige zu II III ud ist nicht recht ▼entiDdiich. 
Die Angabe zu II 105 IwUramna ist unrichtig; es kaun hier nur 
die Stadt am Liris gemeint sein. II 65 isto loco ist = tarn nolnli 
loco. II 118 mecum, ut voles bedurfte einer Erklärung (sc age) 
oder doch einer größeren Interpunktion nach voUs* 



Iii. Deiträge zur Texteskritik uud zur Interpretation. 

12) A. Sprudel, Zu Cicero pro Sexto Rotcio Anerino. BL f. d. 

bayer. (.SNV. 1891 S. 273 f 

Sp. betrachtet in § 7 die brevis postulatio als eine „beschei- 
dene" Forderung. — § 47 wird odiosum est als synonym zu piyet 
aiifgefalst, wie de sen. 47. — § 57 wird der Satz alii . . . yossunt 
als Interpolation bezeichnet; dadurch verlieren aber die Worte in 
§ 55 atlseribus cibaria publice locantur ihren Halt. — § 138 wird 
deeme modo reete zuummengenommen (st. deceme, modo recte), 

13) Alois Kornitzer, a) Textkritische Bemerkungen zu Ciceros 

Reden. Progr. Nikolsburg 1891. 18 S. 8. b) Zum Canon der in der 
Schale zu lesenden Reden Ciceros. Zeitscbr. f. d. öst. Gvmu. 
1892 S. 453-461. 

a) K. behandelt 10 Stellen, indem er die in seine Ausgabe 
aufgenommenen Lesarten zu rechtfertigen sucht. Er beginnt mit 
Verr. IV 2 nihÜ in oedtbtis cuAisfmim, ne Ai oppidiB (Jeep hotpiUs) 
gutdem, nihil «n hdi communibm, ne in fanis ^dem. Er be- 
trachtet als loca c(mmunia die curiae, fora, theatra, basilicae, por- 
tkus, viae, ja auch die fana, und hält hospih's fOr eine glänzende 
Emendation. Mir scheint die Überliefern nj^ richtig, in oppidis 
bat seine Erklärung im Kap. 23, wo die IMünderuug von Catina, 
Centuripae, Agyriuni, Ilaluntiuni orwälmt wird; unter loca com- 
munia verstehe ich alle profanen üile, private und öflenliiciie, 
welche der gemeinen Benutzung der Menschen fiberlassen sind, 
im strikten Gegensatz zu den fana demm, welche dieser Be- 
nutzung entzogen sind. Das in $ 4 erwähnte socrariitiii des Heim 
ist ein ftsnum, aber kein locus communiB. Der Gegensatz zi\ischen 
Privatgut und öfTentlichem Gut, zwischen profanem und geweihtem 
Gut wird in den folgenden Worten bestimmt ausgesprochen 
(ebenso § 120). 

Verr. IV 90 schreibt R. : pivs religioni le leslibus devinclnm 
adstricHmqne dedamns. DieWoiU' <ol[>n bedeuten: wir übergeben 
dich der richterlichen Gewissenhatijgkeft de? Marcellus, gebunden 
und gefesselt durch die Zeugenaussagen. Sicherlich ist die Über- 
lieferung eftis reft^AMie H deodtchcm verdorben und Halms Er- 
klärung falsch, da der ganze Zusammenhang auf die Identität 



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Gieara« Rede», von F. Lnterbiolior* 



179 



des Richters Marcellus mit demjenigen, df'ssf'n Standbild verletzt 
wurde, hinweist; duch haben die Vermutunpen te ipsi (Jeep) 
und (e ipsum (Moül) miudesteos dieselbe Wabrscbeiulichkeit wie 
te tesiibus, 

Verr. V 113 ersetzt er das unverständliche nos exslinyuere 
durch facinus ex$tinguere; man erwartet jedoch noch eine Be- 
stimmung zu faeiim (oder foebma awi). — In Cat IV 11 setxl 
er: /oeife me or^ne tH» a cnMäatü vüvupmAiim preh&ebo. Dies 
soll wohl heifsen: ich werde mich und euch gegen den Vorwurf 
der Grausamkeit rechtfertigen. Aus der von K. angeführten Be- 
legstelle bei (liisar IlG. 2, 28,3 ergiebt sich jedoch der Sinn: ich 
werde mich und euch davon abhalten, die Grausamkeit zu tadi hi. 
— Pro Mur. 43 wird das überliefprlc Semper hoc fU in iiber- 
zeugender Weise gegen Laudgrafs Änderung saepe hoc ß in Schutz 
genommen. Ib. 49 wird spe militum ersetzt durch spt muUorum\ 
unter den mulH versteht man dann wohl die in $ 50 genannten 
«itSKn*. — Pro PJancio 6 wird die Oherlieferung le W « i%m- 
cto M oft ttUo dfj^att fKrtteftMe twpmai gegen Landgraf geschützt. 
Ebenso wird pro Mil. 1 5 causam itUerüm tj^aturtiiiidam, tum tttlenHiim 
das von Lebmann und ISohl zugesetzte pmiendum abgelehnt und 
ib. 39 senatus omnis (gegen Erf. senalus) als echt erwiesen. — 
Überzeugend ist der Nachweis, dafs pro Deiotaro 34 zu lesen ist 
clementissimuDi in victon'a dncimus, nicht tUmm vidimus. Dem 
videri potest kann nm* ein {{ojrrifT des ürlt ileiis gegenüberstehen, 
und iiberi^ in summa popuU liumani libertale nati hat nur Sinn 
in Verbindung mit einem Vcrbum des Urteilens, nicht bei 
tfttftVmis. 

h) Aufser den in den (österreichischen Schulen meist gelese- 
nen Reden de imp. Gn. Pompei, in Gatilinam, pro Sex* Roscio, 
in Verrem IV und V, pro Sulla, Archia, Sestio, Milone, Phil. 11 
hält K. namentlich die Hede pro Murena für geeignet, auf der 
Oberstufe f!»'l»'sen zu werden. -Her Text ist durch die Bemühungen 
vieler Gelehrten auch fm >ihüler lesbar geworden. Die Mutive, 
welche den Gicero zur \crteidigung des Murena bestimmten, sind 
frei von Selbstsucht; war auch Murena nicht unschuldig, so 
mu£äte doch die Gefahr eines neuen Wahlkampfes um jeden Preis 
ahgewendet werden, und der Erfolg der Red« war damahi fflr 
Rom eine rettende That. Der Spott des auf der Höhe seines 
Glückes stehenden Staatsmannes gegen die Juristen und die stoi- 
schen Philosophen ist ein unschuldiger; er kämpft mit welt- 
männischer Feinheit gegen befreundete Prozefsgegner, ohne sie 
ernstlich zn verletzen. Die Rede besitzt den Vf>r7ug einer klaren 
Disposition; sie zeichnet sich aus dunh schönen Salzbau, elegante 
Diklion, Lebendigkeit des iones, leidenschaftslose llnhe; sie ist 
frei von Eigenlob und übscünen Seitenhieben. Die Interpretation 
ist liicht schwieriger, der Text nicht länger, als bei mehreren an- 
deren Reden. 

12» 



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180 



Jahresbarieht« d. pbiloiof. Varaina. 



14) J. Lauge, Jahrb. f. Pbilol. 1S92 S. 356, 

handelt über i'omp. §24. Fr möchte lesen: Mühri'Jnte^ autem et 
sw«m animum (Hss. smm manum) iam confirmarat et eorum^ qui 
se ex tpsius reyno coUeyerant, et magnis adventiciis mtxilHs . . . 
hwahatur; denn „sua manus ist sichei' nicht verschieden von den- 
jenigen, qtn se ex ipsius regno coUegerant, und man würde stall 
eorum Jieber m erwarten". An dem zweiten Bedenken wird 
durch die neue Lesart nichts geändert, da die ErgänEung von 
animos zu eorum hart ist. Eine manus von Begleitern aber hatte 
Mithridates auf der Flucht jedenfalls bei sich. 

15) F. J. Drechsler (f 1892), Kritiaeha Miaeallan. Zaitachr. f. öat. 

Gj mn. 1892 S. 297 f. 

De lege agr. II 13 bieten die Hss. conh'o tandem exspectatur. 
Lanibin tilgte tandem als Wiederholung aus den vorhergehenden 
Worten. Müller ersetzte es durch valde. Drechsler vermutet 
mfiäe nach Fhil. 14, 1 ; ad fam. 12, 4, 2 und ad Alt. 16, 10, 2. ~ 
Ibid. 50 liest er: atinr, (^maxmum) er eerlMMimi veeUgal (vgl. de 
imp. Pomp. 6, 14, 19). 

Pro Flacco 64 ersetzt er das nnversländliche ^eiterorel durch 
guhernaret (wie schon Stangl). 

Post red. ad Quir. 3 schreibt er für d-is überlieferte tum in- 
columitatis wenig überzeugend stat%i incolnmitatis. 

De domo 8 schlägt er vor: qni {contra) statuunt minus bonis 
temporibus, in sevahtm (mm} ipsi non venirent (schwer verständ- 
lich) und §99 furia (ac fax)j wozu nach § 102 und Liv. 21, 
10, 11 noch ein Genetiv (patriae) zu setzen wäre. § 136 stellt 
er her: quanta (traetavmty seoerdafe, und de har. rcsp. 4 hSIl 
er moMts fQr ertriglich statt nobüü. 

16) F. Becher, Zu Cicero pro Deiotaro 35. Rheia. Haa. 47 S. 639. 

In dem Satze ül autem aliquid est, te ut plane Deiotaro re- 
conciliet oratio mea lügt B. das schon lange beanstandete aliquid 
als Dittographie d^s aliquid im vorhergehendf n Salze. Cic. p. 
Lig. 22 und Ter, Andr. 314 scheinen ihm die iheilielerung nicht 
genügend zu schützen. Die Lesart von Halm aber id autem quid 
est? stützt sich auf einen unzuverlässigen Zeugen (eine Uandnotiz 
im Cod. Bernensis). 

17) fimile JollieD, Le foDdateur de Lyon, histoire de L. Muna-» 

tius Planen». Paris, G. Massop, 1892. 216 S. 4. 511. (=Anaalaa 

de I'Universitc de Lyon VI). 

An mehreren Stellen der pbilippischen Reden (2, 7R; 3, 3S; 
11,39; 13,44) wird L. Munatius Piancus erwähnt, der Gründer 
vrn iiasfd- Angst und Lyon, Verfasser von elf Briefen an Cicero 
(ad fani. \), Vater der Plancina, der Feindin des Germanicus und 
der Agrippina. Dies berechtigt uns, hier aui Julliens prächtige 



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€ieeroa Re<«n, vom P. Lnter btelier. 



181 



Monographie über diesen Mann hinzuweisen. Die ftffenüiche 
Tbätigkeit des Piancus, namentlich als Legat Cäsan, Freund und 

Gehülfe des Antonius, zuletzt als Ratgeber des Augustns, und sein 
Charakter, von welchem man bisher keine deutliche Vorstellung 
hatte, werden uns hier ansrhanlich vorgeführl. Um 87 v. Chr. in 
Tibur geboren, bildete sich Plancus unter der Leitung Ciceros in 
der Beredsamkeit aus; 54 — 47 war er Casars Legat in Gallien, 
Spanien, Afrika, dann 4ü einer der sechs Stadtpräfekten. Mach 
CSsm Tod verwaltete er Gallia comata, wo er die RStier besiegte 
und Im Spälsommer 43 Lyon gründete. Dann schlofs er sich an 
Antonias an, war 42 Konsul, darauf Ratgeber des jkntonius und 
Statthalter von Syrien, bis ihn Kleopatra zu hassen begann und 
er 32 nach Rom floh. Wahrscheinlich nahm er im Gefolge Ok- 
tavians an der Schlacht hei Äktinm teil; während dann der Sieger 
in Ägypten und Asien weilte, lebte Plancus in Rom, des polili- 
scben Eintlusses beraui)t und deshalb mi£smutig. In diese Zeit 
setzt J. die Abfassung der Ode fies Horaz an Plancus (f 7). Auf 
seinen Auüag erhält Oktavian 27 den Titel Augustus, aul .^eine 
Kosten wird der Tempel des Saturn restauriert. Augustus ver- 
leiht ihm 23 die Censur; in Gaeta errichtet er sich selbst sein 
noch erhaltenes Mausoleum mit Inschrift; die Zeit seines Todes 
ist nicht bekannt. Dieses alles wird in lebendiger D u stt llung er- 
zählt und in Zusammenhang gesetzt mit den Schicksalen des 
römischen Staates. Viele daran sich knüpfende Kontroversen wer- 
den mit Akribie untersucht und entschieden. Die erste Hälfte 
des Buches enthält eine Menge interessanter Notizen über Cicero, 
zumal aus seinen letzten Lebensjahren. Die Ereignisse der Jahre 
44 und 43 werden ziemlich austuhrlich dargelegt unter Benutzung 
von Ciceros Briefen. Dadurch ergiebt sich unbeabsichtigt mancher 
Beitrag teils zur Erklärung der philippischen Reden, teils zur 
Sittengeschichte Roms unter Cäsar und Augustus. 

18) P. Dettw eiler, Untfrsuchungea über den didaktischen Wert 
Ciceroniauischei- Scb alschr ifteo. 1. Die Rede pro Roscio Arne» 
Hqo. Halle, Buchhandlao^ des Watsenhanses, 1S89. 82 S. 8. 1,20 M. 

D. versichert (S. 22), aufserhalb des Bodens aller fteiorni- 
bestrehungen zu stehen, meint dagegen, „eine verbesserte Methode, 
ein tieferes Eindringen in die nun zu Lliren koiniiieiide Wissen- 
schaft der Didaktik thue uns not". Er verlangt (S. 8) „erziehen* 
den Unterricht*', d. b. Pflege des Gemötes, Hervorhringung eines 
kräftigen Willens, Einfahrung in das Verständnis der Gegenwart*'. 
Ein „Verständnis** ist nicht möglich ohne Verstandesbildung; aber 
diese betrachtet er (S. 36) nicht als das höchste Ziel des Unter- 
richtes, und zwar des Unterrichtes an den obersten Gymnasial- 
klassen, wo man darnn (lenken konnte, die Rede für Roscius zu 
lesen. 1^ wirft er einem (ieiehrb n vor. er verallgemeinere 
aus einzelnen 1^'ällen oder aus verschwundenen Zeiten heraus; 



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182 



nacb S. 16 hat ein anderer in einem ginxlich werÜOBen AofiiaU 
die Bedeutung der Ciceromanischen Schriften fOr das Gymnasium 
erdrtort, er hat „von yoniherein gar nicht yerstanden, iforum es 
sich handle". S. 26 wird geklagt Ober den ausgebreiteten Mangel 

an didaklischem Bewufstsein unter den Lateinlehrern , und nach 
S. 4 t ist 68 eine irrtömliche Meinung vieler Schulmänner und 
Herausgeber des (licero, dafs dieser in Bezug auf die Disposition 
besondere Vorzüge besitze. Also vielen angesebenen Scbulmänneni 
teblt es, wrnn diese Vorwürfe betrnlndet sind, vwar nirbt i\n Ge- 
uiüt und Willen, aber an Schärfe (h s Verstandes ninl 1 rieils, um 
ihre Aufgabe, klar zu erfassen, und da sollten smi es uns ni( ht 
vor allem angelegen sein lassen, dafs unsere Abiturienten mit ge- 
reiftem Verstand an ihre Lebensaufgaben herantreten? Die Bil- 
dung des Gedankenkreises durch Kenntnisse, Anschammgen , Re- 
griife braucht deswegen nicht YemachlSssigt su werden. 

Der erste Teil der Schrift (bis S. 16) entbSlt „aUgemeine 
Bemerkungen und Gesichtspunkte** und fuhrt zu dem Ergebnis, 
daÜB der didaktische Gehalt mancher vielgelesenen Reden Giceros 
ein freringfügiger sei. Im zweiten Teil wird „der didaktische Wert 
der Hede pro Roscio" erörtert; es werden aber auch liier viele 
allgemeine Auseinandersetzungen eingetügt, weiche mit dieser 
Rede nur in sehr losem Zusammenbange stehen. 

Weil viele Pädagogen die Lektüre dieser Rede empreblen, 
einige sie verwerfen, schreitet D. zu einer Prüfung ihres Wertes 
„nach den Gesetzen der didaktischen Psychologie", d. h. nack den 
Kategorleen der Herbartschen Interessenpadagogik. 

Zunächst wird die Zeit geschildert, welche der Rmiana lu 
Grunde liege. Der erste Bürgerkrieg, die Schreckenszeit der Pro- 
skriptionen und die Diktatur Sullas werden nicht auseinander- 
gehalten, und so ergiebt sich eine Periode grenzenloser Rechts- 
iosigkcit, des Schreckens und Grauens. Den Schüler mit einer 
solchen Zeit bekannt machen, beifst ihn hineintauchen in den 
gemeinsten Schmutz ]>olitischer Geschichte'*. 

Darauf wird die l*erson des Hedners durchgehechelt. Weil 
Cicero später auf der Höhe seines Glückes ruhmredig wurde, so 
wird die erst zu führende Untersuchung über den ins Leben 
hinaustretenden Jiingling mit dem Salz begonnen: „Es ist be- 
kannt, dafs Cicero sein Licht nicht allzusehr unter den Scbeflel 
Stellte**. Die klage Selbstverleugnung, mit welcher C. von Sulla 
spricht, wird ihm nicht hoch angerechnet, da es Pflicht des An- 
walts sei, nur das Interesse des Klienten im Auge zu haben, als 
ob diese Pflicht den Anwalt ohne weiteres zu jedem KunststQck 
befähigte. Die Bemerkungen Ciceros, dafs er einigen der anwesen- 
den Redner an Tüchtigkeit nachstehe, und dafs er nur ungern 
auf den Wunsch einiger W^ohlthäter diese Verteidigung über- 
nommen habe, werden :i!s leere Form bezeichnet, welche nicht 
als Beweis eines bescheidenen und dankbaren Charakters gelten 



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Cieeros Red«aj von P. LvterbtGhar. 



183 



kdone, zumal in Cicero das „Icbgeföbl" besonders aosgebildet 
sei. Ist es denn nicbt ein Akt der Bescheidenbeit, sich dieser 
leeren Form zu unterziehen? Durch Obernahme dieses Handels 
bewies C. tapferen Mut; doch „fallt ein grofses Stück von dem 
Huhme des Mannesmuts weg'', weil C. durch diese Verteidigung 
sich einen Ruf als Anwalt zu gründen hoffte. Erforderte sie drs- 
wegen weniger Mut? ist das ein unedles Motiv für die ritterliche 
Beschülzuiig eines Unschuldigen? Freilich, es war advukalenbaites 
Strebertum, und „solcher (sie!) Gestalten wird jedermann, auch 
der Schüler, in dem' Anwaltsstande noch heute nicht selten lin- 
den". — Sulia und Chrysogonus werden mit Recbt als blbfiehe 
Gharaktere beseichnet. Dafs der Angeklagte wirklich der harm- 
lose Landwirt und Anhänger des Adels war, wie D. nach Gcero 
annimmt, ist nicht sicher; es lag eben in seinem Interesse, dafi» 
er von G. so dargestellt wurde. 

Nach einer Klage über den verbreiteten Mangel an Marer 
müntllicher und schrifilicbcr Ausdrucksweise, welcher durch die 
Lektüre vun Rednern nicht beseitigt werde (S. 34), wird zur An- 
lage der Rede übergegangen und zur Einleitung u. a. bemerkt: 
„Mit Vorsicht wird des Diktators gedacht, das Verhältnis des An- 
geklagten und seiner Ankläger gegenöbergestelit" (S. 35). Jene 
Klage scheißt auch hier berechtigt. Es ist zusugeben, daüB die 
Rede für R. nicht als Muster einer klaren Disposition gelten kann. 
Zur besonderen Vorsicht wird gemahnt bei dem meisterhaften 
Angriff auf die beiden Roscier (Kap. 30 f.), weil er keine „evident 
überzeugenden Anhaltspunkte" biete, dafs Magnus den Mord be- 
fifangen halte. iNatürlich ist das Beweismaterial nicht evident; 
süiiöL brauchte C. nur dieses vorzulegen, und die Unschuld seines 
Klienten war ohne weitere Verteidigung dargethan. Cicero sagt 
ja deutlich, er bringe nur sus}^icioms vor (§ 83, SC, 100) und er 
thue es nur gezwungen, weil die ganie Verteidigung unnütze Be- 
mühung war, wenn die Richter den Aussagen des Magnus und 
Capito Glauben beimafsen. Von einem Advokatenkniff zu reden 
(S. 28), ist hier nicht am Platze« Er mufste sich aber streng an 
die Wahrscheinlichkeit halten, weil das Zeugenverhör erst nach- 
folgte (§ 100) und die Aufdeckung einer Unwahrheit das Ansehen 
seinfr Kt>de in den Atiirrn dor Ricliter geschwächt hätte, — Die 
Sprache der Rede weist keirie besonderen Vorzüge auf. 

Weitläufig wird ausgelulici, dafs die Kusciana nicht als wert- 
voll betrachtet werden kann „für die Einführung in die geschicht- 
liche Welt an sich", weil sie „nicht eine flauptepoche in dem 
geschichtlichen Lehen des Rümervolkes oder der Kolturvdlker im 
allgemeinen bezeichnet*^ Die in derselben vorkommenden Per- 
sönlichkeiten haben keinen pädagogischen Wert. „In Cicero ist 
nichts frisch, nichts kraftvoll, nichts kühn". Äucli die in der 
Rede vorkomm<;nden Verhältnisse begeistern den Schüler nicht; 
„die unbejgriindete Anklage auf Vdtermord liegt seinem ganzeu 



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184 



Jahresberickte 4. philoUff. Vereisii, 



Denken und Ftthlen so fern, dafs er diese Art von Kriminal ver- 
fahren von vornherein gar nicht in seinen Geist produktiv auf- 
nimmt**. 

,,Das Verständnis der Gegenwart und unseres Volkstums*' 
wird durch die i-.eklüre dieser Rede wenig gefördert. Es herrscht 
„eine merkwürdige Unkenntnis auf don gewöhnlichen Gebieten 
des öflenf liehen Lebens bei unserer Jugend und darüber h^nalJ^•^ 
welcher die Philologen abhelfen müssen. Aber es würde keine 
unserer heutigen Regierungsformen irgendwie beleuchten, wenn 
die Anarchie zur Zeit des Sulla als Gegenstück herangezogen 
Wörde. Ist denn zwischen Proskription und Verschickung nach 
Sihirien ein so grolSser Unterschied? Gut wird die Rechtspflege 
jener Zeit geschildert; doch kann man sie nach D. ebensogut aus 
andern Reden, Horaz und Tacitus kennen lernen. 

„Inwiefern ist die Lektüre der Rosciana geeignet', auf die 
Strebungen der menschlichen Seele einzuwirken?" Der Sinn mufs 
harmonisch geweckt werden für „die grofse Trias der Welten der 
Natur, der Gescliichie und des Ewigen'*. Der Nalursiiin erfährt 
keine Förderung durch diese Rede. „BerfthrungspuukLe mit den 
leitenden Ideeen einer religiös geweihten Persönlichkeit'' enthält 
sie Sufserst wenige, etwa „Gott ist allmichtig^ und allgütig. 
Das ethische Interesse wird wenig gefördert, wenn der SchQler 
von einer ungerechtfertigten Anklage wegen Yatermord h6rt; man 
führt ihm besser die Gewissensbisse des Muttermörders Orestes 
vor. Zur Entwicklung sittlicher BegriiTe Ist in der Rede wenig 
Anlafs, etwa § III zu einer Erörterung über die Verwerflichkeit 
der Lüge und des Oetniires. Das empirisrhe Interesse nis WiTs- 
begierde erhält geringe Forderung, das spekulative Interesse (Den- 
ken) kann an jedem andern Stoff ebenso geübt werden. Mit 
Cicero als unerschrockenem Redner oder dem Landjunker Roscius 
wird kein wirkliches Mitgefühl oder sympathetisches Interesse 
wach. Das sodale Interesse wird nur geweckt durch die Schil- 
derung der Anarchie. Für die Bildung des ästhetischen Intowes 
oder des Geschmacks hat jede fremdsprachliche Lektüre gleichen 
Wert; zudem ist durch falsche Methoden dieser Vorzug der frem- 
den Sprachen in Verruf gekommen. 

„Hie Fühlung der Rede mit nnrIfTn tjnterrichtsstofTen'*. In 
jedem Unterrichtsfach müssen liezieliungen zu Natur, Gott und 
Geschichte zu finden sein, wie bereits angedeutet wurde. Sodann 
mufs der grammatisch -stilistische Betrieb geist- und geschmack- 
hildender werden. Die typischen Formen des Enthymems dürfen 
nicht als eine Absonderlichkeit des lateinisdien Stils behandelt» es 
müssen auch in der griechischen und deutschen Lektüre die in- 
haltlich entsprechenden Formen aufgesucht werden. Zur geringen 
Wirkung der klassischen Studien hat am meisten die atom istische 
Methode beigetragen, welche jedes Fach, jeden Stoff und Schrift- 
steiler als etwas für sich Bestehendes behandelte. Unsere Rede 



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Cieeros Reden, vod P. Loterbacber. 



185 



kann Ja Zusammenhang gebracht werden mit der römischen 
Kulturgeschichte als ein Bild des BOrgerkrieges, ein Gemälde re- 
publikanischer Fäulnis zur Erleichterung des Verständnisses von 

der Notwendigkeit des Kaisertums. Ist wirklich, weil Sulla als 
Alleinherrscher nicht Ordnung im Staate hielt, die Notwendigkeit 
einer Alleinherrschaft einleuchtend? Ein besonderes Interesse 
widmet Cicero auch der LaTifhvirtschaft und dem Ackerbau. Da- 
mit hängt die Ausdehnung lier Sklaverei zusammen, ueklie die 
Grols Wirtschaft ermöglichte, und dies l'ührt in das Zentimn der 
Gesellschaftsordnung, deren erste Form die Sklaverei svar. Der 
Ausdruck munkeps führt aucii auf die Geiueindeurduung. 

Der kulturhistorische Gesichtspunkt reicht aher bei der Frage 
nach konzentrierender Behandlung nicht aus. Es genügt nicht, 
dali eine Schrift in einer Hinsicht interessant ist Die Rede för 
Roscius enthält ein zu geringes Mafs sittlicher fdeeen, welche auf 
die ideale Persönlichkeit des Schülers wohlthätig einwirken. Darum 
mufs sie aus der Schullektüre verschwinden. 

Ref. bat die Rede für Roscius wiederholt mit Schülern be- 
handelt und giebt zu, dafs sie wegen ihrer Länge und mehrerer 
schwierigen Partieen in grofsen Klassen mit manchen schwachen 
Elementen viel Zeit raubt; iur kleinere und gute klassen ist sie 
eine lohnende Lektflre. Der neue Apostel der Lehre von der 
Hebung des Gymnasialunterrichtee durch Konzentration der Unter- 
richtsstoffe und Einfflhrung des Interessenmafsstabes legt in seinem 
ersten Eifer der Didaktik einen zu hnh( U Wert bei gegenüber dem 
„öden Empirismus'*. Die künstliche Erweckung der verschiedenen 
pädagogischen Interessen durch eine ziemlich willküiiiche TTerbei- 
ziebung eines allzu reichen Materials hemmt das rasche Furt- 
schreilen der Lektüre und verkümmert dein jugendlichen Geiste 
die Freude an derselben; besclaänkt sich dagegen die Interpre- 
tation auf den Stoü, welcher zum Verständnis des Autors gerade 
nötig ist, so können in dem Schüler jene Interessen allmählich 
ungezwungen aua der Lektdre erwachsen, Phantasie, GemQt und 
Wille des Schalere haben doch wohl in den unteren Klasaen schon 
so viel Anregung erhalten, dafs der Lehrer nicht noch in den 
obersten Klassen in jeder Unterrichtsstunde zum Nachteil der 
Verstandesbildung künstlich auf dieselben einzuwirken braucht. 

19) P. Dettweiier, ü oteraachaageu über den didaktiscbeo Wert 
Cicero oi an isalitfr Schntsckrift^B. IL Die philippisetoB Reden. 
Halle, Bnehhtadlttag des Waiseabaaees, 1892. 146 S. 8. 1,80 M. 

Das Büchlein ist lesenswert; aber das Studium desselben ist 
keine gerade angenehme Arbeit. Der Leser fählt sich nicht immer 
angenehm berührt durch die absprechenden Urteile des Verf.8, 
welchem „von berufener Seite unverdient reiches Lob öffentlich 
und nicht Öffentlich zu Teil wurde*', welcher über die Lehrer der 
Gymnasien und Hochschulen seine Galle ergiefst (S. 20» 62), be 



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Jabresbertohte d. pbilolog. Vereins. 



seinen Krörterungon iio!»Muisiert und ins Weite schweift, nicht 
selten schwerfällige Penudeo biltiel und auch vor zu viel Worten 
sich nicht sorgfältig bötet. Den Parlamenten macht D, das Kom- 
pliment, „dafs sie selten die rechte Antwort zustande bringen, 
sondern im ganzen nichts leisten, als schwatzen und schwatzen**, 
und dies bezieht er speziell auf den römischen Senat. Gegen 
Cicero vollends, den republikanischen Parlaments red n er, hegt er 
eine starke Voreingenommenheit. Cicero soll die Ermordung 
Casars herbeigeführt und den M. Brutus für den Mordf^fdanken 
gewonnen haben (S. 10, 51), ja, ,.es gilt hei Cicero gerad»'/:a für 
eine Ehre, sich au der gewaltsamen Beseitigung eines politisclieu 
Gegners beteiligt zu habeu'' (8. 113). Natürlicli zweifelt D. auch 
nicht daran, dafs die „gesündere und bessere Schülerzahl*' dem 
Cicero nicht das ,,warme, jedem krSftigen Wollen vorausgehende 
Empfinden*' eotgegen bringt. 

Der erste Abschnitt, „Historische und allgemeine Gesichts- 
punkte", handelt vom Sludiiim des Lateinischen, des Cicero, der 
philippischen Reden in früherer Zeit, über die preufsischen Lehr- 
pläne von 1882, das Vorgehen des Kaisers in der Schulfrage und 
die Aufgabe der Erziehung, Charaktere heranzubilden, d. h. religiös 
geweihte, sittlich gereinigte, politisch gereifte, die Wahrheit im 
Leben wie in der Wissenschaft stets aufs neue suchende PersÖo- 
licbkeiten. Die Philippicae werden zur Zeit in den Gymnasien 
noch viel gelesen, man beschränkt sich jedoch meist auf die beiden 
ersten. D. pröft nun, „inwieweit sie Zweck und Ziel aller Er- 
ziehung, die auf gleich mäfs ige m Zusammenwirken der körperlichen, 
wissenschaftlichen und religiös-sittlichen Schulung und Zucht be- 
ruhende Bildung des Charakters, fördern''. 

Zunächst wird im zweiten Abschnitt „der Inhalt der philip- 
pischen Reden" in Bezug auf ihre Zeit und die handelnden Per- 
sonen, Cicero und Antonius, untersucht. Die Zeit, in welche uns 
diese Reden fülii t ii, wird guscluldert als eine Periode der Anarchie, 
des Parteikampfes, der Kopflosigkeit, des Freibeutertums im öffent- 
lichen Leben, der Sitten-, Religions- und Schamlosigkeit, der Ver- 
schwendung, Verschuldung, Erbschleicherei, Bestechlichkeit im 
Privatleben. Cicero werden einige Vorzüge zugestanden; doch 
billigte er den Tyrannenmord, legte die Thatsachen advokatenhaft 
zurecht, verleugnete in der zweiten Philippica die in der ersten 
ausgesprochenen Grundsatze, bezeichnete in der ersten den Antonius 
als Freund und schmähte ihn in der zweiten, verletzte die Keusch- 
heit, indem er dem Curio und Antonius unzüchtige llaudlungeu 
vorwarf, schmeichelte dem Oktavian, erzog ihn zum Monarchen 
und liefs ihm eine verfassungswidrige Machtfülle übertragen, wie 
sie vorher nur dem Pompejus gewährt w<^en war. Dieser ein- 
seitigen Aulfassung gegenüber verdient das Vorwort von Strenge 
gelesen so werden. Gut wird von D. der Charakter des krfiftigen, 
redegewandten und kriegstüchtigen, aber genurssOchügen, sögel- 



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Cteeros Hedeo, von F. Loterbaeher. 



187 



losen und willkurliclion AiUutiius gezeichnet. Bemerkenswert ist 
hier der Salz S. 57 : „Aus dem reichen Material, das uns Cicero 
aus der Wirksamkeit als Quästor bietet, genügt es hier hervor- 
Kuheben, dafs Antonius als Tribun 49 dem Cäsar aufserordent- 

Hchc Dienste leistete'*. 

Das dritte Kapitel (S. 62 — d8), „Die Phih'ppicae iiaefa der er- 
zieherischen Brauchbarkeit der in ihnen behandelten und darge- 
stellten Vf»rl)iltnissn und Persöiilirhlvciton'' , weist nach: dafs 
,,Zeit und Verhällnisse" in diesen Heden unwahr dargestellt seien, 
iiuit in Cicero als verblendeter Parteimann spreche, und dal's niemand 
an ihnen liebevolles Interesse nehme, b) dafs Cicero hier kein Held 
und Mensch sei, welcher in seiner Eigenart, seinem Wardegang, 
seinen äulseren und inneren Handlungen fQr die Jugenderziehung, 
für ein liebevolles Sich versenken, für ein Mitleben oder Miüeiden 
geeignet sei, c) dals bei Antonius die gemeinen Eigenschaften 
überwiegen. 

Besonders lesenswert ist der vierte Abschnitt (S. 89 — 10*>), 
„Gattung und ihr didaktischer Wert''. Die Philippicae sind Bilder 
der parlamentarischen Rede; die Beweisführung ist oft sopliistiscb ; 
der Gesichtspunkt der Ehre ist nur vereinzelt als ein wirksames 
Motiv verwendet; die allzu schablonenhafte, schulmafsige und so- 
fort durch das äulsere Auge noch vor einer Erarbeitung erkenn- 
bare Disposition ist kein didaktischer Vorzug; auch hat die Lek- 
türe von Reden för die Befähigung zu rednerischer Obung nicht 
mehr Bedeutung als die anderer Litteraturgattungen; die Pom« 
peiana und die Bede pro Archia mögen in der Schule gelesen 
werden; mit [{echt sage 0. Weifsenfels, ,,dafs das Gymnasium in 
i^:inz ungebührlicher Weise (iiceros Beden bevorzugt und sich da- 
durch nicht nur Feirde ringsum geschaft'en hat, sondern sich auch 
den Ast, auf dem es sitzt, selbst absagt". 

Es folgt V. „Bedeutsame Anscbauuu{;en und Bcgriirc" (S. 108 
bis 119). Der Unterricht soll den Schäler veranlassen zu vertiefen- 
der Betrachtung« zum philosophischen Herausarbeiten von gro&en 
Begriffen aus dem politischen und häuslichen Leben, der Ehre, 
Treue, der sittlichen Freiheit und Wahrhaftigkeit, des Gehorsams 
und der Hingabe an die Gesamtheit. Davon enthalten die philip- 
pischen Heden wenig; sie haben also wenig didaktischen Gehalt 
und wenig padriüogiscben Wert. 

VI. Beziehungen zur vaterländischen und sozialen Aufgabe 
der Schule und der Gegenwart". Bei der Erklärung der Schrift- 
steller soll stets Bezug genommen werden auf die hennatiichen 
Einrichtungen, die antike Schrift soll ,«möglichst" viele Beziehungen 
zu allgemeinen menschlichen und politischen Fragen bieten. Nun 
meint zwar D., dafs in den philippischen Reden alles hinweise auf 
die Notwendigkeit einer starken Monarchie, indem a) in Bezug auf 
das Volk die Voikssouveränetät eine Phrase, die demokratische Frei- 
heilsdttselei haltlos sei, b) in Bezug auf den Senat eine Farlaments- 



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188 



Jahresberichte d, philolog. Vereins. 



herrscbaft zu wirksamen Reformen im Innern und zum kräftigen 
Auftreten in kriegerischen Verwlddoogen onflihig sei. Doch muta 
hier der Lehrer solehe Ergebnisse mehr durch eigene Lehren als 
durch die Mitarbeit des Schfllers erzielen, und im allgemeinen 
entsteht durch eine überwiegende Vertiefung in die altklassischen 
Gedankenkreise für die Gymnasialschuler nicht selten eine Gefahr 
(S. i;^'2). Die Ju^'oni) bedarf aufser religiösem Sinn vorzö«^1icli fler 
Ei ziehui!!,^ zur Ächtung vor dem Gesetz und zur Unterordnung 
unter die staatlichen Autoritäten. Auch hierfür liefern die Vhi- 
lij)|ücae keinen (iewinii; nur auf grofsen Umwegen kaun man die 
Jugend dazu iühren, „das UDgereimlü, das Verwerfliche und Ge- 
ßhrliche der sozialdemokratischen Theorie und Praxis zu durch- 
schauen''. 

VIL „Die Stellung der Philippicae im Lehrplan und ihr Wert 

für eine rechte Konzentration und darum Verdichtung und zugleich 
Vertiefung des Unterrichts". Kunzentration, aufs höchste gesteigert, 
wird stets eine schöpferische Leistung sein. Vorstellungen sind 
durrh Gedankenfäden zu verbinden. Der Spott darüber gehört auf 
die „Bierbank'\ Invcktive Heden sind aus der Schule wegzuweisen, 
aufser etwa die Catiünarien. F'ariarnenlsreden aber finden sich auch 
bei Demostbenes und Tbukydides. Im Gesciiiclitsunterricht und 
der Lektfire M das surQcktreten, was arm ist an grofoen Männern, 
was keinen Einblick gewährt in wichtige Staats- und Kulturformen, 
was den Knaben nicht begeistert. Die Philippicae sind ans dem 
Kanon der SchnilektQre zu streichen; auch ist keine Auswahl aus 
denselben zu gestatten. Dafür mögen einige Briefe Cioeros ge- 
lesen werden. 

Diese Ideeen sind vielfach ansprechend. Kein Schriftstelier soll 
blofs der Form wegen gelesen, auch der Inh^ilt des Gelesenen soll 
auf seinen Wert geprüti werden. Die Philippicae gehören weder 
nach der Form noch nach dem Inhalt zu den bedeutendsLen Ueden 
Ciceros. Aber die Wichtigkeit dieser Zeit des Überganges von der 
Republik zur Monarchie fOr die römische Geschichte und das Ver- 
dienst Ciceros, welcher verhinderte, dafs der Staat eine Beute des 
veritommenen Antonius wurde, wird von D. unterschätzt. 

Burgdorf (Schweiz). F. Luterbacber. 




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7. 

Taci t u s 

(mit Aiisscliliirs der Germania). 
Über das Jahr m2~n. 



f. Ausgaben. Obersetzungen. 

1) C. John, Tacitoa Dialogus de oratoribus rap. XXVTII bis SchluH», 
ühersetzt aod kritisch -exe^etiach erläotert. Frogr. Schwäbisch Hall 
1892. 21 S. 4. 

Die in dem Lracher Programm von 188G (s. JB. 1889 S.223) 
begonnene Arbeit wird hier zum Abichlnb gebracht. Die Vor- 
züge der ersten Abhandlung sind in der zweiten noch gesteigert: 
die Übersetzung ist, wenige, nicht erhebliche Anstfifse abgerechnet, 
korrekt, gewandt und geschmackvoll; die Erklärung zeugt von 
Scharfsinn und Gelehrsamkeit und bietet des Beherzigenswerten 
sehr vit^l. ^'m• in der Textgestaltung vermag Ref. dem Verf. an 
mehreren Steilen nicht zu folgen. Ich bespreche diese drei Ge- 
sichtspunkte der Reihe nach. 

Ich glaube nicht, dafs ad utüitatem temporum 30, 30 mit 
„zweckdienlich ' lichlig übersetzt ist. Denn der Sinn des Aus- 
drucks kann doch wohl nur sein: „nach Mafsgabe des Nutzens, 
welchen dem Redenden die Verhältnisse gewahren, unter denen er 
spricht'*. Auch unrichtig ist 39, 1 7 irt*6tw „Zunftgenossen", 40, 20 
nee hme „und nicht minder teuer'S 41, 13 regentis „gegen die Re- 
gierung** (denn dem Redenden schwebt schon hier die Herrschaft 
des sa'pienlissimns et tmns vor>. nnj^rnau ist ferner 30, 7 consecnti 
sunt ,,erreirb( n kann", 11 contioties „das Kedenhalten" (wo „vor 
dem Volke ' Ichlt), 41, 18 parce „leiclil". Occttpare 29, 12 heifst 
,,in Beschlag nehmen", „im voraus eirifichnitii". Die Umstellung 
der Wolle ego . , . criminabimu) 42, G (John: „Messala . . . und 
ich*') ist ein ungerechtfertigtes Zugeständnis an den modernen 
Geschmack. Ein Komma fehlt in sinnentstellender Weise in den 
Worten „der Erscheinungswelt des Menschen** vd rerum vä 
hmmwn 30, 3 (sonst ist der Druck äufserst korrekt). Undeutsch 
ist in diesem Programm nur ein Ausdruck: „üafs von einer Ent- 
scheidung die Hede steht** 37, 32. 



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190 



Jahresberichte d. philolof. Verein«. 



Im Kommentar ist trefflich erklärt 30, 11 tmtiMniur „aus- 
drOcklicb erwähnt werden", 32, 5 efiam aUud agentes ,,auch in 
denjenigen Reden und Redeteilen, in denen wir nicht darauf 

achten, die Vielseitigkeit unserer Bildung zu zeigen** (wonach die 
Note in meiner Ausgabe zu berichtigen ist), 34, 4 ^rincipem in 
cnn'tafe locim, ein Ausdruck, der sich auf die staaismanniscbe 
Bedeuliin^' drs Redners liezifbr, 35, 6 ut dicere institueram ^ die 
im hülifMrn Slil übliche Formel der Wiederaufnahme, 35, 18 se- 
quitur autem ut: „ein weiteres (um diese Cl)ungen zweckwidrig 
zu machen) ist andererseits dafs'S 37, 37 exceperit „empfangen 
hat*', 39 in ort nicht ^ m eofMped«, sondern = in fama (wes- 
halb H. III 36, 4 nicht au vergleichen ist), 39, 7 al»pti$ in dem 
Sinne ron quidam zur Entschuldigung des uneigentlichen Ausdrucks 
oratman eampifs, ein Gebrauch, der durch die quantitative Be- 
deutung von aliqnis vermittelt werde. 

Auch folgende zum gröfsten Teil neue Erklärungen und Auf- 
fassungen verdienen Beachtung; 2S, 5 inopia hominum, wo homines 
„die fragliciieü Leute, das natürliche Material, das für die Bered- 
samkeit und die andern Künste in Belracht kommt", bedeute, 
30,3 rerum — honuHuin - lumpoinm = .,I*liysik'' — „Ethik und 
Psychologie" — „staatliche Ethik oder Politik 7 üatim dicturus, 
eine Stelle, die sich durch die Annahme erkläre, daJDs Tac hier 
die zufallige äufsere dramatische Form, in welche er das Gespräch 
gekleidet hat, auf einen Augenblick über der inneren Disposition 
des Ganzen aufser acht gelassen habe, 29 pulchre^ das auf den 
edlen, sittlich reinen Zweck und Gehalt der Rede gehe, 31, 12 
intellectus als WecliselbegrifT zu vis, 17, wo mit mfesti, cupidi 
(„voreingenommen"), invidentes die un^Minstigeu Siimniungen be- 
zeichnet würden, gegen die der Gerichlsreducr, mit tristes und 
tinientes diejenigen, gegen die der symbuleulische Redner vorzugs- 
weise zu käui|jleu bat, 2'o aequaliSj das auch Quintiiiaii lui Sinne 
des ciceroniscfaen aeqmhilis gebrauche, 29 honestas „unanslöfsig" 
(in sittlicher Beziehung), 32, 16 ncs ctodofts „das Staatsrecht**, 

31 (tfontum quidm = quando qnidem, 36, 9 qmntum . . . penm- 
dere poterat = quantum saper e (oder vielmehr se sapere) pers. p., 

32 tti fubUds nidiciis unter der Annahme, dafs bei den Privat- 
prozessen in republikanischer Zeit schriftliches Zeugnis gestattet 
war, 37, S conlrahuntur = in kürzere Form gebracht werden, 
39, 2 ridealur, d. i. selbst wenn ich damit nichts erreiche, als 
(lai's die Sache lächerlich erscheint, während sie eigentlich Scham 
und Entrüstung erregen sollte, nicht ridear, das statt eines „schon 
deshalb damit'' vielmehr ein „selbst auf die Gefahr hin dafs** 
erwarten liefse, 10 saepe . . . frequmUer als unter sich korrespon- 
dierend , 16 cm t9t pffiUT Qio tarn noUU» fmm coartarent „wo 
das gleichzeitige Auftreten so vieler berühmter Redner auf dem 
Forum ein wahres Gedränge verursachte**. 



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Taoitafi von 6. Aidrat«!. 



191 



Endlich einige Proben der TextgesUUung, einee Gebietes, auf 
dem J., wie echoD bemerlit, auch in diesem Teil seiner Arbeit 
minder glücklich gewesen ist. Der erste Satz (Kap. 28, 1) lautet: 
^Nun fuhr Messalla fort: Die Ursachen, nach denen du fragst, 
Maternus, liegen nicht fern und sind weder dir selbst noch einem 
der beidpn Freunde hier unbekannt, upnn ihr auch mir dii! Roli»^ 
zuweist, das auszu^ineclien, was wir alle denken*'. Der logisrhr 
Anstofs, den dieser Salz, getreu dem Original, jpd^'m Leser 
bietet, kann nicht gehoben \verden durch die Henierkuiig, dal's 
„der Konzes&iväaU m seiner Vorm beeiiilluist nei durch den Ge- 
danken, den Measalla im ganzen Satz znro Ausdruck bringen 
wolle, dafs er nur den Sprecher für alle maclie und niebta Neues 
▼orsubrtDgen habe**; er ist ?ie)mebr ohne Änderung des eftism st 
(oder ettnun lom sQ unfiberwindbar. 31, 20 habe ich mit Ein- 
schiebung von cmuae geschrieben cuiusque eausae natura, J., der 
diese Ergänzung verwirft, weist darauf hin, dafs es sich nach dem 
ganzrn 7u<:ammenhang durchaus nur um die Kunst (Inr Anpassung 
an die 15t Sonderheiten der Zuhörer handle. Sicherlich iu erster 
Keihe, aber nichi aussclihei'^lK Ii, \m(' das iu demselben Zusammen- 
hang folgende proui res poscü (J. „nach Bedarf') zeigt, ein Aus- 
druck, bei dem doch „die Natur des Rechtsfalles*' mindestens mit- 
verstanden werden muh» Der Singular cuiusque ^ sagt J., stehe 
statt des ungebr9uehlidien Gen. Plnr. Er vergleicht H. IV 28, 2 
«Ii citiigtie proximum, wo sich die Vereinzelung auf die verschie- 
denen verfügbaren Scharen beziehe. Allein hier liegt es nahe, 
an die Fuhrer der Scharen zu denken. Die Entscheidung bringt 
das Wort natura, welches, von Menschen gebraucht, weder die 
jeweilige Stimmung noch die verschiedene Auffassungskraft des 
Publikums, noch beides zugleich (so J.), sondern die Eigenart, den 
Charakter schlechthin bezeichnet, der, mag der Zuhurerkreis zu- 
sammengesetzt sein, wie er will, in gewissem Sinne (nämlich als 
naiura immam) stets bei allen derselbe ist, so dafs dem Redner 
die Aulgabe, sieb dem jeweiligen Zubörerkreia anzupassen, erspart 
bleibt, teils so unendlich vielfach nuanciert Ist, da& jene Aufgabe 
au erfüllen unmöglich ist. Was den Redner zur Anpassung zwingt, 
ist nicht der Charakter der Zuhörer, sondern erstens ihre Stim- 
mung (die er so lenkt, wie „die Natur des He« htsfalles" es ver- 
langt), zweitens der Grad von Verständnis, dem er begegnet. Die 
Behandlung dieses zweiten Punktes beginnt, ohne dal's vorher 
(wie J. will) auf ihn hingewiesen wäre — eine solche Andeutung 
würde ja die Darstellung des ersten Punktes in störender Weise 
unterbrechen — , mit den Worten tunt apud quos etc. Den An- 
stois , den ich an tndtfwil 31, 35 genommen habe, weilk J. nur 
auf künstliche Weise zu heben, indem er sagt, der Satz tncufimt 
enim causae sei berechnet auf das zweite Glied pleraeque • . re- 
gimiritwr; das parataktisch vorgeschobene Satzglied plurimae quidem 
. . . denderatttr, zu welchem mcid^e weniger (vielmehr gar nicht) 



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192 



Jahretberiehte d. philolo^. Vereiot. 



passe, sei logisch subordiniert; dadurch werde aocii die Beziehung 
von ha$e auf die drei letztgenannten Fächer verständlicher. Dem 
entsprechend läfst J. in der Übersetzung das incidunt („kommen 
vor") erst im zweiten Satzglieds erscheinen, das er mit „aber" 
dem ersten mit „wohl" beginnen kii «'ntf^egenstellt, wie er denn 
vorher et — et durch „nicht allein — sondern auch" uiedergiebt. 
32, 2 schützt er primum autem durch die Annahme, dafe sich 
dieser Satz als Kouttadiktion gegen die negative Behauptung „es 
genügt nicht*' fassen lasse, wobei mOm f&r ted fnnktioniere wie 
16, 16. Aber erstens steht auch 18, 16 oitfem nicht koniradikto- 
risch, sondern anreihend; zweitens geht nicht nee sti/)lc«r voran, 
sondern nec quisquam retpondeat suffiare*)* 34, 36 will er hit 
(st. tts) oratimibm lesen, weil diese Reden ohne Zweifel bekannt 
gewesen seien. Aber eben dies i^t ja durch den nachfolgenden, 
in der gewöhnUclieu Weise durch das Pronomen is vorbereiteten 
Relativsatz bezeichnet, dessen Inhalt somit durch Iiis zum Teil 
vorweggenommen werden würde. 35, 15 liest J. (juidein etf^i und 
giebt den (•tulankengang so an: „Wenn mau auch bei den Sua- 
sorien zur Not die Unnatur noch erträglich linden könnte, da sie 
— freilich mit Unrecht — in ihrer Bedeutung unterschätzt, blols 
den JQngeren zufallen, so frage ich: wie steht es mit den Kontro- 
versien? Sind diese nicht erst recht unnaturlich?'' Aber von 
der allenfalls noch entschuldbaren Unnatur der Suasorien lesen 
wir im Texte selber nichts — und es wäre doch auch ungerecht, 
die Unnatur der Suasorien deshalb erträglicher zu finden, weil sie 
den Jüngeren zufallen - , zweitens ist quidem neben eist nichts- 
sagend, während man, wenn man nach i) quidem ohne eist liest, 
nach den Parallelstellen Kap. 8. 18. 25 allerdinf^s ein nachfolgendes 
autetn erwarten uiüfsto« das jedoch füglich auch entbehrt werden 
kann. Daüs zu videbantur 36, 7 ans Uia als Subjekt anügui ge- 
dacht werden kann, gestehe ich gern zu; auch, dab der Staat 
unter Vespasian als relativ „wohlgeordnet, rahig und glöeklich*' be- 
zeichnet werden konnte; aber säk mit assequi statt mit videhantur 
zu verbinden, wie J. thnt, ist unmöglich. Und was gewinnt er 
dadurch? Er übersetzt lidehantur ebenso wie er sihi videhmifnr 
übersetzen würde („man glaubte"), wozu er die nicht ganz klare 
Bemerkung fügt, plura dürfe nicht in die Subjektivität des He- 
grilTes videri hineingezogen werden: es sei |)rädikatives olijtkt. 
Er hat wohl gefühlt, dafs die alten Redner nicht geglaubt haben 
können, dafs sie mehr erreichten als die neuen: es fehlte ihnen 
ja die Möglichkeit der Vergleichung. Den Sinn der letzten Worte 
von Kap. 39 giebt J. so an: „Die erhaltenen Reden sind Ton der 
Beschaffenheit (bei Hbri sei nur an die genannten Reden zu denken, 



Gegen Johoa Deotnng voo mäem, das er mit Uoreeht festlialte, er- 
klärt sich auch K. Niemeyer U aeiner Anseige von Johis Programn. Bert. 

PML WS. 1893Sp. ia. 



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Tacitas, von G. Aadresen. 



193 



eiusmodi prädikativ zu fassend dafs sie nicht blofs für das Urteil 
über die Angeklagten entscheidend waren nnd noch sind, sondern 
dafs sich auch die Hedner selbst darin ihr üi leil gesprochtn haben, 
sofern sie als unübertrofleoe Probeleistungen ihrer Verfasser gelten 
dürfen". Das ist ein Versuch» das quoque ohne Änderung der 
Oberlieferang lu deatcD. Aber wie kann jemand sagen, daä die 
genannten Reden fdr das Urteil über die Angeklagten entschei- 
dend gewesen seien und noch seien, da es teils Anklage-, teils 
Verteidigungsreden in denselben Prozessen waren? £her kann 
man Johns Deutung von quoque in der Verbindung populi quoqtie 
40, 5 acceptieren, wo J. sagt: „das Staatsinteressc hättp erfordert, 
dals die Uedti» ! sich wenigstens auf den Senat oder ü* i iclitliche 
Angriffe beschränkt und nicht durch demagogische Hetzereien den 
Geist der Zuchtlosigkeit in» Volke genährt hätten", 41, 22 verlangt 
J. mit Bährens aut statt ac und erblickt die Verschiedenheit der 
beiden Sätze, die ac verbindet, in dem Gegensatz dieser zwei 
Gedanken: 1. Versetzung einer der beiden Parteien in die Zeit der 
andern {aut . . . aut) ; 2. gleichzeitige gegenseitige Vertauschung 
der Lebenszeiten. Das ist richtig, wenn man aut — aut im strengen 
Sinne fafst. Aber sowohl aut als aut — mit sinken in der spä- 
teren Zeit vielfach von der disjunktiven Kraft zu einer distribu- 
tiven Bedeutung und fast zn einem „einerseits — andererseits" 
herab; vgl. 33,7 quid aut Uli scierint aut nos nesciarnnSj was 
J. richtig übersetzt: „was sie alles gewufst haben und wir nicht 
wissen". Da aiso jene beiden Sätze in Kap. 41 in der That 
synonym sind, so ist ac nicht anzutasten und eine VVortfüile zu 
konstatieren, die eben eine der Gründe war, die mich einmal be- 
wogen, die Worte oc . . » imtfassst auszuwheiden. 

3) Wolf f 8 Obersetzong des Dialogs (s. den vorigen Bericht unter 

Nr. 2) wird besprochen von Helmreich im Jahresbericht über 
Tacitus bei Bursian XX (1S92) 5/6 8. 124—160 (derselbe Bericht 
ist im folgenden gemeint, wo Helmreich citiert wird): die t'ber- 
sctzunf? sei korrekt und lese sich glatt; ferner von C. John. Herl. 
Pbil. WS. 1S92 Sp. 944 — 048: sie sei in der Torm zu frei und 
voll von Unrichtigkeiten. Die Beispiele, mit welchen J. den letz- 
teren Tadel begründet, treffen, scheint mir, nicht alle: in einigen 
liegt nur eine kleine Üngcnauigkeit der Übersetzung vor, in einigen 
ist die Anffassung streitig. Richtig tadelt er z. B. die Übersetzung 
von de hamit ac mal» Kap. 36: „Aber Gut und Bös" statt „über 
Gflter und Obel'*. — Die Obersetzung und die Ausgabe Wolffs 
(s. JB. XVI unter Nr. 1) bespricht L. Valmaggi Riv. di fil. XXI 
S. 174 — 177* Er verteidigt das uberlieferte alienis 5, 22 gegen 
Wolffs Neuerung cUentibus, ebenso Helmreich, der alle eigenen 
Neuerungen des Herausgebers mit gröfserer oder geringerer Ent- 
schiedenheit ahliliUt. 

Die dritte AuÜage der vom Relerenten besorgten Scbul- 

Jiibreab«richte XIX. X3 



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194 



Jahresberichte d. philolog. Vereins. 



;nj>gai)e des Dialogs (s. den vorigen Bericht unter .\r. 1) ist an- 
gezeigt voD Furneaux, Class. Uev. VI S. 365 und von £. Wolff« 
N. PhU. Rdsch. 1893 S. 40*-41. Letiterer empfiehll 13, 9 mit 
Walther mmtt «nMUAmm, 15, 5 eoque, enä», 22, 23 o^fiMerM 
et thtdkta mit Gudeniaii ttt schreiben. Helmreicii Terteidigt morf«* 
raä iudka 5, 2 und Scbopens Erginiung von Mtf 31, 12. 

3} P. Cornelii Tnriti Apricola edited with ielroduction , iiotes and 
critical appeodix by iioby F. Davis. With a map of Britaia. Lon- 
don, Metiraeo ft Co., 1893. S9 S. 8. 

Das ist eine aus deutschen Hülfsquellen kompilierte Schul- 
ausgabe, die kaum eiueo einzigen originellen Gedanken enthält 
und auch ais Kompilation den EindradL des üninreidienden und 
Veralteten macht, weil sie wesentlich auf Kriti' und Draegers Aus- 
gaben beruht. Neben diesen sind zwtr auch noch andere Be- 
arbeitungen benutzt worden; aber weder die Ausgabe von Ur- 
ladbs, noch diejenigen ?on Peter, Müller und dem Referenten 
scheinen dem Hsgb. vorgelegen zn haben. Docli soll nicht ver- 
schwiegen werden, dafä er, wenn es ihm auch an Selbständigkeit 
des Urteils gebricht, doch von dem Material, das er hatte, einen 
im ganzen verständigen (iebrauch gemacht hat. 

Die Einleitung giebt kurze Mitteilungen über daä Leben und 
die Werke des Tacitus, Agricolas Amtslaufbahn, die litterarische 
Stellung der Biographie und die rtkmische Verwaltung Britanniens. 
Es fehlt hier nicht an erheblichen Versehen: die Redekunst, heifst 
es, habe Tac. unter Aper Secundus studiert; nach der Prätur habe 
er eine Provinz, wahrscheinlich Germanien, verwaltet (bekanntlich 
wurden für die Kommandostellen am Rhein nur Konsnlare aus- 
ersehen); seine Teilnahme an der gerichtlichen Verfolgung des 
Marius Priscus sei sein letztes Hervortreten im öffentlichen Leben 
(wir wissen jetzt, dafs er nocli viel später Prokonsui von Asien 
gewesen ist). Auch enthält die Einleitung die unrichtigen Namens- 
formen C. Julius Agricola und üoadicea, die doch im Texte Kap. 4 
und 16 richtig angegeben werden* 

Der Text ist im wesentlichen der von Kritt, wenn aneh Ab- 
weichungen nicht selten sind. Im ganien ist die Abhängigkeit 
von diesem Gewährsmann viel zu grofs: Lesarten wie €t osfsra 
39, 10 und quam temperahbus laudifms 46, % sollten heute nicht 
mehr dargeboten werden. Der Druck ist bis auf zwei fnterpunk- 
tionsfehler (Kap. 6 fehlt die Interpunktion vor imtitianiy K. 18 
steht ein Punkt irrtümlich zwischen fore und Momm) und die 
falsche Schreibung Galgacvs K. 29 kori ekt. Eigentümlich berührt 
die Art des Abbrecheus in hon-ormn und tiobil- issi/harum. Der 
kritische Anhang verzeichnet aufser den handschriftlichen Varianten 
die Laa. von Draeger, Kritz, Orelli und Wex und erwlbnt gelegent- 
lich auch die Vorschläge anderer. Endlich empfiehlt er eine eigene 
Konjektur 2U 28, 8: at mex a^umn atque ui&ia r^mU$i, die auch 



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Taeitus, voo G. Aadresen. 



195 



in den Text anfgcnonimon ist. Sie ist mifsraten: weder ist hier 
überhaupt eiu PiaU iüi at, noch vertragt es die Vctbiudung mit 
$MX, das an die 8piti6 des Satzes gehM 

Der Kommentar hat, weil er auf denselben Quellen berukt, 
dieselben Fehler wie der Text. Dafs z.B. 1, 3 tumm niebt mSnn* 
lieh ist (so D. nach Kritz), zeigt die richtig Tergllcbene Parallel- 
stelle Ann. II 88 a. E., und ambitio 1, 8 geht gewifs nicht auf die 
„tendency to iicgiect historicu! accnracy for brilliance of style" 
(so D. nach Kritz: „niagis oraliunis splendorc quam rrhus vere 
tradendis"). Denselben L'rsj)nmir habi-n für unrichtigen Auf- 
fassungen d«T Worte per mutuam variinh'm 0, 4 (welche modal, 
nicht kausal zu fassen sind) und runssima moderatione . . . fecisse 
7, IG, aus welchen durchaus nicht entnommen werden darf, dafs 
Agricola die Attfröbrer nicht bestraft habe. 

Viele Schwierigkeiten werden im Kommentar mit Stillsdiweigen 
übergangen, so die Fragen, zu denen legknui 2, 1 AnlaiÜB gjd>t, 
die Bedeutung von dissociabUü 3, 2, das Verhiltm*8 von exactae 
zo terminos 3, 15 und die von der guten und schlechten Galtin 
handehide Stelle 6, 5. Im ganzen genommen läfst also diese Schul- 
ausgabe zu wünschen iibrig. 

Anfjezeigl von II. Furneaux, Class. llev. IS1)2 S. 401 (gute 
Schulausgabe mit einigen tecliuiscli Yfrkehrten Bezeichnungen auf 
dem Gebiete der römischen Pruviuzialstattbalterschaft) und Athe- 
naeum 3405 S. 119 (viele Bemerkungen des Herausgebers seien, 
zumal für eine Schulausgabe, zu vage, z. B. die atts Draeger, der 
bestimmte Angaben madie, herQbergenommene Bemerkung über 
die bei Tac. nicht seltene Personifikation von amm im Anfang 
des 22. Kapitels). 

4) Die dritte Auflage der Tückingschen Ausgabe des Agricola 
(s. den vorigen Ikricht unter IVr. 5) ist angezeigt von A. Polaschek, 
Zeitschr. f. d. üsterr. Gymn. 4iJ S. 372 37H und von F. Walter, 
Bl. f. d. bayer. GSW. 1892 S. 625. Polaschek bemerkt, die Or- 
thographie sei nicht immer konsequent; bei der lierätellung des 
Teites sei im allgemeinen die Ausgabe des Referenten mafagebend 
gewesen; der Kommentar sei in Terständiger Weise umgestaltet 
und erweitert worden. Walter polemisiert gegen die von T. auf- 
genommene Ulrichsscbe Konjektur Kap. 45 nosqni (ei) domum twm\ 
denn nos sei wirklicher Plural, und Tacilus rechne sich gewifs 
auch zur domvs des Agiicola. llelinreicli liiuiet die Ausgabe wohl 
geeignet zum Gebrauch au Gyinna^ifu. im Texte sei nocli Kin- 
zelnes zu bessern; so sei 28, 6 remitiaiUe mit Unrecht uQaugelastet 
geblieben. 

Die fünfte Aullage des Draegerschen Agiicola (s. den vor. 
Bericht Nr. 6) ist besprochen von R. NIemcyer, Berl. Phil. WS. 
1892 Sp. 1105—1107 (duxä 6, 16 sei in iraduxU zu indem und 
30, 11 mit Acidalius zu schreiben recessus ipse ac mus (fium 

18* 



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196 



Jahresberichte d. philolo^. Vereins. 



namque omne ignotum . . . est), so dafs stnus famae, das sicli nicht 
erklären lasse, frillt); H. Funieaux, Class. Rev. VI S. 365 (in der 
Ausgabe überwiege das Lexikalische zu sehr); E. WoJff, N. Phil. 
Hdsch. 1893 S. 59 (viele Erklärungen seien immer noch nicht 
berichtigt; man habe eine gründlichere Durchsicht erwarten dOrfen). 
Auch Helmreich notiert Stellen im Kommentar, die der Besserung 
harren, dazu Lflcfcen und Druckfehler im Register. 

Knauts Ausgabe des Ägrioohi (s. d. vorigen Bericht !\r. 3) 
hält Helmreich für wohl geeignet zur Einführung in die Lektüre 
des Tacitus. Von den eigenen Vermutungen des flerauppobers sei 
vova praesidia iranscjressus 24, 1 nicht übel; der Kommentar gebe 
Wenig Anlafs lu Ausstellungen. 

5) Cornelii Taciti Histuriaruiu über i auuotato per le scuoie da 
Augusto Corradi. Veront, Deaato Tedesehi e figlio, 1892. SSS. 8, 

€) Cor oelii Taciti Bistorisram über I sehokrom in nsam Augastos 
Corradi magnovit. Veroaae in aedibiu D. Tadascbi et fitti 1892. 

58 S. 8. 

Die gröfsere Ausgabe enthält einen knappen Kommentar in 
italienischer Sprache. Für diesen sowie für die Textkonslitution 
sind aufser Heraeus und WolflT die den Lesern des letzten Berichts 
bekannt geword^'nen Ausgaben vor Spooner und Valmaggi und 
diejenige Vannun is (Prato 1869) beuulzl worden. Meisers Aus- 
gabe scheint der Herausgeber nicht jjekannl zu haben. Seinen 
niehtdeutst lieu Gewährsmännern ist er z. Ii. gefolgt 2, 6 und 33, 10, 
wo er missa und proinde (st. omüsa und pertttde) festhSlt, auch 
10,15, wo er Valmaggi folgend die fibrigens nicht üble Ver- 
mutung Madrigs occuUa faU vi aufgenommen hat, während die 
verwerfliche La. «1 tarn apid consdum hbidmum 13, 15 aus Van- 
nucci zu stammen scheint. Dasselbe gilt vielleicht für den längst 
korrigierten handschriftlichen Fehler ambitionis 12, 11. Die Or- 
tliorri Mjdiie ist nicht fehlerfrei: 11,8 findet man Retia, 13,3 
wuuUis; bald liest man nuntius und nvntw, bald nnnrius und 
nunciOj bald Urbs, wenn Rom gemeint ist (dagegen stets romanus), 
bald in demselben Sinne urbs. Vielfach sind Quantitätszeichen 
hinzugesetzt: falsch ist formä ac decwre corporis 7, 19, wo de- 
tSre zu lesen ist, wie Heraeus und Wolff richtig bemerken. In 
der Interpunktion ist C nach unsern Begriffen zu freigebig, er 
setzt sogar in den Worten ego in repnbUea 15, 13 ein Komma 
nach ego. 

Der Kommentar ist dürftig: er enthält vorwiegend kurze 
Notizen, die der sachlichen Erklärung dienen, kurze Worterklä* 
rnnucn und Paraphrasen, hin und wieder auch grammatische 
l»enierkungen elementarer Arl. Viele sachlich oder sprachlich 
schwierige Steilen sind ohne Note geblieben, so expedierat 10, 8, 
legiones (wie C. liest) 11, 6, vutyus et celeros 25, 9, rursus 31, 20. 
Ilmgekehrt hätte C. die (wegen magis) verwerfliche Konjektur 



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TteitttSj von G. Andrenen. 



197 



Scböoes KU 31, 3 tm qxiod (st. qtiam ^md) nicht erwähnen sollen. 
Manche Erklärungen sind offenbar verkehrt. Atrocim 2, 14 ist 
nicht = con somma crudeltä, sondern wirklicher KomparatiT; die 
sprachwidrige Auffassung des Ausdrucks d\ix Neroms 6, 6, wonach 
gemeint sei, flnfs Turpilinnus den Nero durch seine HRtscbllire 
gelenkt habr , stammt. w!> Valmaggi angrebt, aus Vanmicn; liic 
Überseuiing von merüo perire 21, 16 durch „11 morire pei quaiihe 
Cosa" rülirt von Davanzati her. hdem sttmptibm 20, 6 ist nicht 
Ablativ der Eigenschaft, sondern der Ursache (tieraeus : „bei der 
nämlichen Wirtschaft**). Widenprflcbe zwischen Text und Kom- 
mentar finde ich 23, 3, wo in t'ft'nert, das im Texte (wie bei Yal- 
maggi) eingeklammert ist, nach Heraeus und Wolif erklärt wird, 
und 27, 16, wo C. elamore et gaudäs schreibt, aber in der Note 
das überlieferte damore et gladiis erklärt („alcuni in armi gri- 
dando''). Vprsehentlicb «^teht 31, 9 im Texte nUroüo, 26, 5 im 
Kommentar rapturi fiu'ssent. 

Beiden Ausgaben ist pin kleiner Anhans hr iuc^'plicn , der die 
sliiislische Eigenart des lacitus unter den Hiibnken variatio, 
brevitas. poeticus color und einige seiner grammatischen und lexi- 
kalischen Eigentümlichkeiten durch Zusammenstellung von Bei- 
spielen aus dem 1. Boche der Historien Teranschaulicbt Hier 
wird a. a. Aber fiteres bemerkt, es finde sich bei Tacitns nicht 
in komparativem Sinne, den es in der klassischen Prosa immer 
habe, sondern nur in dem Sinne von complures, und dazu Knoke, 
Jahrb. 1891 S. 267 citiert. Nun hat aber Knoke bekanntlich das 
Gegenteil nachgewiesen. 

7) In England ist eine Übersetzung der Historien unter dem Titel: 
Tacitus, The iiistory, translatetl lutu Englisi», wiih an intro- 
duction and notes by A. W. Quill, Vol. 1 (John Murray) er> 
schienen, die mir nicht vorgelegen hat. Nach dem Urteil von 
A. D. Godley, Claas. Bev. VII S, 167, ist die Obersetsung nicht 
frei von Nachlässigkeit; auch werde Verf. durch sein Streben nach 
epigrammatischer Kurze vielfach gehindert, dem Wortlaut gerecht 
zu werden. Doch gewinne man, je weiter man lese, einen desto 
besseren Eindruck. In der Wahl des Textes sei Verf. verständig 
verfahren; die aus den vorliandenen Kommentaren entnommenen 
Noten seien kurz und trcflVnd. Ähnlich urteilt Fr. T. Itichards, 
Academy 1068 S. 357: Verf. habe sich zu viel vorgesetzt, indem 
i'T nicht blofs den Sinn, sondern auch die Form beizubehalten 
sich bemühte; die prägnante Kürze und andere Eigenheiten des 
Tacitus im Englischen wiederzugeben, sei nicht möglich. 

8) L. Valmaggis Ausgabe des 1. Buches der Historien (s. den 
vor. Bericht unter Nr. 8) ist rezensiert von K. Niemeyer, Berl. 
Phil. WS. 1S92 Sp. 1018—1019 und von L. Cantarelli, Biv. di 
filol. 21 $. 172—174. Vgl. Ilelmreicbs Bericht über die Text* 



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198 



Jakresberiehte d. philoUp. Vereint* 



gestaltung. Gantardli fflhrt aU einen Beweis gegen die bekannte 
Hypothese Hocharts den Umstand ins Feld, dafii der nttr von 
Tadtus und keinem andern SchriftoteOer genannte Dillins Äponianus 
(H. in 10) auf einer stadtrömischen Inschrift (Not. degli Scavi 
1S86 S. 363) wieder erscheint, und zwar als corator riparom et 
alvei Tiberis. 

R. Noväks Ausgabe von Hist. I. II (s. den vorigen Bericht 
Nr. 9) ist besprochen von K. iNiemeyer, Berl. Phil. WS. 1892 
Sp. 1420 und E. WoW, N. Phil. Rdscb. 1893 S- 21. Beide Hezen- 
senten beschäftigen sich mit der Widerlegung eines Teiles der 
Textes neuerungen des Herausgebers. 

Historien Buch lU ?on Meiser (s. den Torigen Bericht Ffr. 10) 
ist rezensiert von Ig. Prammer, DLZ. 1892 Sp. 754 und Zeitschr. 
t d. österr. Gymn. 48 S. 938 — 939: 7, 1 sei vieioria m streichen, 
wodurch die Stelle ohne Anstofs lesbar werde. Verfehlt sei auch 
tradihis 44, 4 (besser vetus) und classU fWIgite foeiem inmlit 47, 1 1 ; 
und socordiam 66, 5 habe er, Prammer, schon 1807 konjizierl, 
es sei aber nicht besser als Meisers vüam für fidem 66, 4. Am 
Ende von 71 sei es besser mit Riiperti ita nitentes als mit Meiser 
flamma nitentes zu schreiben ; noch besser wäre es, sie nach pro- 
gressos einzuschieben^). 

Über Spoouers Ausgabe der Historien (s. den vor. Bericht 
Nh 12) vgl. die Urteile von W. Heraeus, Berl. Phü. WS. 1892 
S. 1487—1488 (die schwächste Seite der Ausgabe sei die Kritik) 
und die Anzeige von L. G. Parser, Hermathena XVIII S. 207 — ^21 5> 
der den Text als im ganzen zu konservativ bezeichnet und seiner- 
seits folgende neue Lesungen empfiehlt: I 8, 3 pacis ai^fibus aptus^ 
bellis inexpertns, 28, 5 praesentia et tuta dubiis et honestis (nach 
Ann. I 2), 37, 23 corruerunt st. perierwü = *have got tofri ther 
easily' nach Plaut Bud. II 6, 5^ . 71. 9 scd ne hosth mpfneret con- 
ciiiationes (ad consilmmy adhibens uder auch ohne diesen Ein- 
schub: 'hut lest one who was renlly an <»neniy slioiild fear any 
formal reconciliation'; SS, 16 adflicta fide sauen nach Cic. ad laui. 
YIU 8, 3 ; II 7, 2 expectari bdH Mhtm, 19, 1 Adua st. Pädu$, 
31, % tibi ipse hostit, 36, 8 et laeto mäüe (auch 1 11, 6 sei viel- 
leicht so umzustellen, dafs m legiones M ea den Schlaft des vor- 
hergehenden Satzes bildet); 55, 2 ut (vita^ ceisisae, III 2, 25 rector 
st. anctvr, 16, 8 belli diluviem, 44, 4 dtdilus erga V. favor» 53,15 
Moesiam st. Asiam: die Wiederholung des Namens der unwichtigen 
Provinz ergebe einen ironischen Kontrast zwischen ihr und Italien; 

') Helinreicb bemerkt, 15, 0 sei Itiem, "ins pr mit ncnen Parallolstelleu 
aus Silius stützt, mit Uecbt iieibehalteit; l>edcukiich sei ante se egerird 2,5, 
verw«rflieh cttrabanl 15, 16; 33, 17 sprärbeu di« diehteiiseheB FitalltfUtolleB 
für in ignem. Mehrmals hübe M. die Überlieffroog ohie Not aafgegeben, 

gravior („beslnnmentler") .i. untei- seiiifn eifrenen Konjekturen seien 
die zu 16,6 sequeutiuvt /'ugaumiiius und 41, il avidos prtutmioruin die 
Wihrtehdaltehstcn. 



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199 



IV 20, 16 ruina — »by falling', 45, 10 Cyrenensihu Üativ: nhe Cyr. 

gol hini condemned'; 57, 12 Tiarh der Fldschr.; d^nn mnn könne 
wohl sagen Galba Gallig spiritus indwit; V 4, 8 sed sihitiiet cre- 
denies dnci cmkui crtderent frimo 'but trusting jq them.st'ivps they 
shoiilil trust as their divine leader the firsl chance thiii^ which 
brouj^ht them aid', wenn credentes nicht Ditiographie sei wie I 67, l 

p (aus praeilae); V 4, 18 commeare rentur sL commeareiU, 9, 5 
proviitciae (eae) oder (ßlae). 

9) Corttelio Tacito Gli Aonali commeotati da Vitalitoo Men^hini. 
Parte prima: lifcri I e II. Toriao, Bmaooo Lootcher, 1892. 173 S. 

Die Ausgabe gehört derselben Sammlung an wie Decias Agri- 
cola und Valmaggis Dialogus und Bist. 1. Auch sie ist eine im 
ganzen tüchtif^e Arbeit. Die Einleitung handelt auf 13 Seiten über 
das T.eben und die Werke des Tacitiis, sowie über die Quellcu 
des Textes der Annalen. Dem Texte hat Menghini Halms vierte 
ReiiOgnition zu Grunde gelegt. Ein kritischer Anhang giebt Aus- 
kunft über die schwereren Verderbnisse der Handschrift und die 
beacbtentwerteren Vorschläge zu ihrer Heilung. Der Herausgeber 
bewährt hier durchweg ein verstindiges Urteil. Die AbweicbnngeE 
von Hiln sind wenig zahlreich: I 8 bat er die Ergänzung wrhanh 
qmngmt», obwohl er sie für prubabcl hält, nicht in den Text auf- 
genommen; in demselben Kapitel schreibt er mit Wopkens und 
Nipperdey ex quis maxm einsignes [vist\\ 35 mit Mpperdey promp- 
tos; 55 gener invisus initmci soceri, wie jetzt mvh bei Nii)iH»rdey 
steht; W 43 msertan;^ nach Madvig. Hier ist an dem iiIm i Ih fei ten 
insectandi teslzuhallen ; ?gl. über diesen gen. ger., welchen den taci- 
teischen Beispielen dieser Furin an richtiger Stelle einzureihen 
Weisweiler gelangen ist, den letzten Bericht S. 276. 

Der im Ausdrnch zaweflen etwas breite, aber reicbhalüge und 
von umfissenden Studien zeugende Kommentar beruht in erster 
Reihe auf der Nipperdeyschen Aasgabe (8. Auflage). Daneben 
sind benutzt die Ausgaben von Draeger, E. Jacob, Orelli, Otto, 
Vannucci und Pumagalli. Auf Madvigs Grammatik wird öfters 
verwiesen; auch das lexicon Tacitenm ist benutzt. Die Erklärung 
bringt zwar kaum etwas Neues, ist üI" r nicht minder umsichtig 
als die Textgestaltung. Hier und da Yerniiist man eine Note, z. B. 
I 2 zu apud Stciliam, wo wenigstens auf die Anmerkung zu I 5 
a^ud urbem Nolam hätte verwiesen werden &uUen; I 9 über die 
Bedeutung des Ausdrucks awtmbus longmquis^ 110 Über den Grand 
der Erwähnung des /oedtis TarwHimm ?or dem Brunütimm» Die 
neuen Untersuchungen fiber die Kriegszüge des Germanicus in 
Oentschlsnd sind nicht verwertet und dem Herausgeber offenbar 
unbekannt geblieben. Dagegen sind manche Noten grammatischen 
Inhalts (von denen einzelne in Frageform gekleidet sind) nach un- 
sprrni Geschmack recht elementar und desltalli überflüssig, z. H. 
die Bemerkung, daXs Hhodi 1 4 Lokativ sei, der Hinweis auf die 



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200 



J«lir6«b«ricliia d. philoloy. Vflreins. 



Kraft i\vr Konjunktive fuisset , praescripsimt , turba$sent, possent 
\ 5. 0. 9. Horh die italienischeu Ikuhirfnisse mo^^en auf diesem 
Gebiete andn c. sein als die unsrigen; und was den Konjunktiv der 
or. obl I ni rillt äo ist er, wie es scheint, dem Italiener minder 
vertrau i als uns. 

Selten schwankt die Erklärung, wie z. B. II, wo zwei Deu- 
tungen TOD MO» difiure ohne Entocbeidung neben einander ge- 
stellt werden. Ebenso selten ist die Erklärung begründeten Ein- 
wänden ausgesetzt. So beifst es in unverständlicher Weise, dafs 
der Konjunktiv detemraUur l i die subjektive Anschauung des 
Autors bezeichne; comparatione diterrima I 10 setzen zwar auch 
andere Herausgeber gleich eon^^anuimt deUrrimi komm», aber 
sicher mit Unrecht 

10) In R. Noväks Ausgabe der Ann. 1— III («. den vor. Bericht 
Nr. 14) sind nach Helmreichs Urteil viele einzelne Wörter ohne 
genügenden firuiul als fremde Zutliaten ausgeschieden, z. B. esse 
172, 16, hellatori 67, 11, qni Snriae imponeretur 11 43. Ebenso 
unbedenklich sei N. in der Aufnahme ergänzender Zusätze. Von 
seinen Änderungen seien nur wenige ansprechend, wie I 6, 10 
oredMe ett, 17, 21 aee^M, 33, 9 a Tiherü, 61, 9 aeeuae iam 
empia/t, 63, 10 dtscessiwi, II 85, 14 aosftereiiliir, III 65, 5 ad^ w- 
f€eta fMkMim ierdida fitere ; andere seien unndtig oder unrichtig ; 
z. B. dürfe der finale gen. ger. nicht in den Dativ geändert 
werden. 

Die 9. Auflage des 1. Bandes, die 5. des 2. Bandes von 
Nipperdcys Annalenausgahe (s. den vor. Beriebt Nr. 17 u. 20) 
werden angezeigt von IJ. Furneaux, Class. Hev. 1892 S. 461 und 
1893 S. 74, K. Memeyer, Berl. Phil. WS. 1893 Sp. 270 — 272, 
Tb. Opitz, WS. i: kiass. IMiii. 1 803 Sj>. 39 - 45, E. Wolff, ebd. S. 235 
bis 239 und N. Phil. Hdsch. S. HC)— 119. Furneaux korrigiert 
ein paar Versehen und Dt uciifehler, ehenso Wolff. Die Textgestal- 
tung wie die Bearbeitung des Kommentars haben, von Einzelheilcn 
abgesehen, ungeteilte Anerkennung gefunden. Im besondren er- 
wähne ich, dals sowohl Wolff als Opitz sich mit der Aufnahme 
der Ergebnisse Knokes in den Kommentar einverstanden erklären. 
WolfT stOtzt meine Änderung von vincerentur II 52 in iumgereMwr^ 
die er für sieber hält, durch den Hinweis auf Stahrs Obersetzung 
der Stelle: 'so liefsen sie sich denn auch verleiten, den Kampf 
aufzunehmen und besiegt zu werden', die in der That deullicb 
zeigt, dals die Überlieferung fehlerhaft ist. Er gieht ferner pas- 
sende Parallelen zu meiner Herstellung von XIV Gl s(rpp7'fn vene- 
rantium und empfiehlt, meinen \ «»r.^chlag zu VI 26 contimius prin- 
cipi comes in den Text aufzunehmen. Dies zu thun, bat mich 
bisher die Ungewifsheit gehindert, oh funtiuniits comes eine zulässige 
Verbindung sei; jedenfalls weifs ich keine Parallelstelle. Bekämpft 
werden von den Bezensenten folgende Loa.: M eodm magistralu 



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Taeitos, voa 6. Andreten. 



201 



XIII 3 i verwerfen Nienieyer, Opitz und Wolll'^), die beiden letz- 
teren exilii XVI 14; diV beiden ersteren erklären timore XV 63, 
der erstere aurl) mcolumitalüi XV 50 für nicht zwiogeud. XIV 23 
ist nach Uoills llrtfii preces ojferre nicht anzutasten; gegen 
meine Vermutung quem per tot annos omavisset XVI 26 erhebt er 
den Einwand, dafs tot per annos noch in demselben Kapitel folgt. 
Er verteidigt in Übereinetimmung mit Opitz exUium II 54 und 
tratuposv& U 8 (vor welchem Opitz mit SeyfTert et einzuschiebea 
empfiehlt), ferner vacuas II 46 (»s incautas, securas, während sich 
vagas mit deceperit nur durch Annahme einer Prolepsis vereinigen 
lasse), dolore victa XII 68 (auch sonst werde zwischen viäus und 
evictm gewechselt , wie in der Tmgoedie Oclavia 342 victa malis 
und 922 evicta malis), und verwirft die Kinschiebung von ühirtnt 
I 35, wo IMitzner die richtige Erldarunsr Qehe. XIV 7 empliehlt 
VT acciverat expertes, ineerlum an el ignaros: \si<' w iieii nicht be- 
teiligt, vielleicht auch nicht initvvissend\ XV 44 ant crucibns ad- 
fixi flammeque daii, ubi, XII 44 potentiae promptum. Xlll 34 ver- 
mutet er in oc ientUium eine Glosse zu tUtie. Nieroeyer will 

XIV 44 lesen servt st trepidant Cin Angst leben') . . . fton inuUi 
fuiuri {*üui der Aussicht, nicht ungerodien zu bleiben*) intir nih 
eetU$$ agere» XUI 17, 5 hält er Heinsius' Änderung von etiam in 
(amen ffir notwendig; ^ipperdeys Deutung der Stelle sei mit den 
Vorstellungen, die Tacitus sonst von dem Wesen und Wirken der 
Götter habe, unvereinbar. XIV ßl r;it er tnnäem mit deos zu ver- 
binden: 'und sie bezeugen den (•uuern . die sich endlich einmal 
als Götter gezeigt hätten, ihre Verehrung. Opitz weist darauf 
hin, dafs centurionatus I 44 nicht eigentlich Centuriouenwahl, sun- 
dera Centurionenrevision bedeutet, und da6 tcfmm I 58, 19 wahr- 
sclieinlieh Pronomen ist. IV 1 könne ohUgtm und crinmatcr wohl 
auf ofiwius bezogen werden; IV 34 sei quorvm res ^estas auch zu 
mmoravü Objekt. XIII 27 genüge vielleicht die Änderung von 
amitae in Domitiae. XII 10 sei regum obsides Ubero$ ss=i *vergeiselte 
Königskinder'. XII 40 empfiehlt er zu aucta zu ergänzen ndversa 
legionü pugna und fafst eins rei fama als Ablativ, zu we.Icljein im 
Folgenden ülo auyente parallel stehe. Auch führt er einige Stellen 
an, zu denen er in der Nipperdeyschen Ausgabe eine Note ver- 
mifst. WollT endlich verteidigt die gewöhnliche Eikiaiung von 



*) Wenn Wolff nid Opitz übereiDStimmeDd sageo, es bedürfe, nni die 
GlsiehinSrtigkeit zum Aosdruck zu bringen, neben dem betoiilcu BegrilT 
coUeg'fi (= qui eodem magistratii fuiif,nlur) kpincn* Verstärkung der Worte 
in eo magistralUf so bemerke ich, dals ich nicht des^balb eodem geschrieben 
labe, om ansxndraeken, dafs Nero und Messala im J. 58 n.Chr. dasselbe 
Amt verwalteten, d. i. Amtsgenossen waren (in diesem Falle wäre ja io der 
That eodem neben coUegain nicht blol's überflüssig, sondern verkehrt), son- 
dern um zu hezeii-hncD , dafs der aboviis des erstercn und der proavus des 
zweiten einst in denuelbea Amte, viie jetzt Nero und Messala, nämlich im 
Kiuisulat , Kollegen gewesen waren, tians denselben Fall beneiehnet äbm 
honor III 31. 



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202 



Jaliraaberiehta d. pbilolog. Veraio«» 



promplis iam ei aUit sedUtotiü wdnütrü 1 17, wonach diese Werte 
nur f'inc Aussage enthalten. 

Über den zweiten Rand von Furneanx' Annalena usgabe (s. 
den vorigen Bericht Nr. 19) liegen neuere nneikenncnde Urteil« 
vor von K. Nieraeyer, Berl. Phil. WS. 1892 S. 655—656, W. J. 
M. Starkie, Hermathena 18 S. 229—232, F. Richards, Academy 1031 
S. 136— 137, vgl. Athenaeum 3356 S. 239; E. WolfT, K Phil. 
Rdsch. 1892 S. 391—393, E. G. Hardy und A. I). Godley, Class. 
Rev. 1893 S. 54. Niemeyer konjiziert XIY 54 suetum mmmi fa- 
stigii (gen. qual.) regimen ; Starkie berichtet hauptsSchlieh Aber den 
Inhalt der Einleitung, deren interessantestes Kapitel das Uber die 
Geschichte ßritanniens von 55 Chr. bis Sur Zeit des Claudius 
sei, und Aber den der Appendix II; der Rezensent-im Athenaeum 
entnimmt aus dem Rftmerbrief einige Momente zur Beleuchtung 
der Zustaiule, welche die an den Brand von Born sich anschlie- 
fsende ('hristenverfolfrnng zur Voraussetzung hatte; Wölfl" nennt 
Furneaux' Wei'k ein" iler rpirhiialtigsten und gelohrfesten Annaien- 
ausgaben des Auslands; liarüys Bemerkungen sind meist slaats- 
rechllichen Inhalts: ich hebe hervor den Hinweis auf TU 12, 3 
auctore seiiatu, den einzigen Fall, dafs der Senat utii Hat gefragt 
wurde, wo es skh um eine Bestimmung ffir eine fcaisertiehe Pro- 
vinz bandelte. Aus Godleys Artikel, der der EinzelerUärung ge- 
widmet ist, hebe ich folgende (sämtlich verfehlte) Konjekturen 
hervor: XU 66 ohkOa occasime, XIII 21 hm earfsfol, XV 29 capitis, 
58 letaUs st. lamm als PrMikat m famüm sermo, 60, a UU 
für ülud, 

11) Über den Inhalt der Schritt liell<*'/zn? fs. den vor. Bericht 
Nr. "231 und zugleich des Kapitels in Spooners Einleitung zu seiner 
llislorienaü^gai)o, welches über die „materials used by Tac. in the 
compositioii of the Hislories" handelt, berichtet in Form einer 
selbständigen Abhandlung A. Corradi, Riv. di fil. 21 S. 118— 127. 



12) Th. voD Slamford, Das Seklaehtfeld im Tentoburger Walde. 
Mit einer Karte. Cassel, Selbstverlag des Verfassers, la Konuniaiiva 

bei Th. (i. Fisher & Co., 1892. 330 S. 8. 7,50 M. 

\hh Philologie es in der Frage der Varusschlacht nirlit 
zu einem rinmüligen Urleil gebracht hat, erklärt sich, wie lin 
Verf. (lit ^t'.- lUiches sagt, daraus, dafc diese Frage eine fa^t rem 
iiulilan^che i>t und niemals durch philologischen Streit zu lösen 
war. Es gehöre vor allem der pr.duischc Bück eines Militärs dazu, 
um zwischen verschiedenen Möglichkeiten die richtige Wahl su 
treffen und dasjenige Terrain ausfindig zu machen, welches den 
Berichten der Alten, namentlich der Schilderung des Oio, genau 
entspreche. DemgemSrs bildet den Hauptinhalt dieses Buches eine 



U. Uistorische Untersuchungen. 




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Tacitas, von G. Andresen. 



203 



endlose Rfibe vott Terrainbeschreibuiigen und taktischen Cr- 
wSguogen, Aber welche hier Rechenschaft abzulegen weder niAglich 
noch notwendig Ist. Wir begnflgen nos daher sanächst mit einer 
eninnarischen Angabe dessen, was der Verf. durch jene ßeschrei- 
bnngen und Erwägungen glaublich lu machen sucht. Das Sommer- 
lager des Variis stand südwestlich von Schöttmar an der Werre 
(ähnlich schon llöf^r), sein nächstes Marschziel war Paderborn; 
denn die Völkerschaften, welche sich zuerst empörten, waren die 
Marsen und (Ihattuarier. Die ersten Kämpfe fanden im Stapelager 
Passe statt. Von liier wendete sich Varus dem Dörenpasse zu 
und errichtete am Ende des ersten Schlachttages ein Lager auf 
der Kussel. Au nlchsten Tage zog er weiter AsÜich auf Heiden- 
oldendorf lu, in dessen I<lihe die lichtere Stelle au suchen ist, 
von der Die spricht Dann wandte er sich gegen Kohlpott, und 
als hier der Ausweg nicht zu erzwingen war, gegen den Lopshomer 
Pafs. Das letzte Totenfeld ist die lliddeser Beut. Erst von hier 
entwich Vala Nunionius mit d^r Hoitproi, um ruif dem Winfelde 
den Untergang zu tinden. Die Flüchtlinfj;»' ern irliten Aliso (Hamm), 
dasselbe K;istell (schwerlich: s. Tac. Ann. II 7). uelches Arminius (?) 
im J. IG belagerte, bis er auf die Kunde vom Herannahen des 
Germanicuä abzog. — Die Belege für diese Au^cuungen sind 
auAer der Beschaffenheit des Terrains die angeblichen Reste von 
Wällen und Sperrwerlien, die Grfiber (aus deren jeweiliger Zahl 
der Verf. die Zahl der an dem Orte, wo sie sich finden, Gefallenen 
berechnet, deren Fehlen andererseits als Beweis dafär angenommen 
wird, dafs an dem Orte nicht gekämpft worden sei) und andero 
Funde, dif» nach Neubourg angegebpn werden. 

I lorns von einer Erstiirmung des Sommeringers zu 
reden ^( Ii eine, so könne man daran nicht cluthen. AI>or der 
Au«(h uck castra rapiuntur lasse sich trotz des v u liulgeiieiiden t nin 
iile ad trihunal citarei wühl aucli auf das Lager aut der Kussel 
beliehen. Das Blarschalel des Varus habe entfernter vom Rheine 
gelegen als das Sommerlager: dies beseuge Dio (aber bei Dio 
heifst es 56, i9, 3 inavifstatftai uvsq n^woi twv ana^ev 
avTov oixovprwVj worin doch eine Angabe über die Entfernung 
der Empörer, vom Rhein nicht enthalten ist). Als Germanicus im 
J. 15 die itltimi Bructeromm erreicht halte, stand er in der Gegend 
der Ems- und Lippequellen. Der saltm Teutohurgievm. den er vor 
sich hatte, war also das Gehirgsstück zwischtni Biehifcld und 
Paderborn, welches noch heute denselben NanHii lülal (denn an 
der lluU Sache, dafs der jetzige Teutoburger NValil diesen Namen 
erst vor hundert Jahren erhallen hat, scheint Verf. zu zweifeln). 
Das erste Lager des Varus**, welches Germanicus (mit einer 
Reitereskorte) besuchte, war das Sommerlager (und doch gab' es 
dort keine Toten zu bestatten); auf der Kussel sah er die halb- 
eingerissenen Wälle. Man sieht: das Bedürfnis» die Orte so su 
legen, dafs Germanicus die beiden Lager in derselben Reihenfolge 



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204 



Jahresbarichte 6. pbilolog. Vereins. 



sehen konnte, wie sie von Vam geschlagen worden waren, hat 
Verf. nicht empfunden; Öals die „äuTsersten" der Brukterer die 

dsllichsten sind und ihre Ostgrenie bis nahe an den Lippescken 
Wald gereicht hat, gilt ihm als ausgemacht. Keine der gewich- 
tigen Einwendungen, welche gegen die Annahme, dafs der saltHs 
Teutoburgiensis mit dem Lippeschen Walde identisch sei, nament- 
lich von Knoke erhüben worden sind, wird widerlegt oder auch 
nur ei wähnt : nnrh Mommsens wird nicht mit einem Worte ge- 
(laclit. Statt dessen führt uns der Verf. huT verworrenen Pfaden 
in ermüdender Wanderung durch das Waldgebirge an die Punkte, 
wo Arminius seine Sperrwerke errichtet hatte, und an die Stellen, 
von denen aus er zu der oder der Tagesstunde des 2. und 
3. August des J. 9 n. Chr. den Kampf leitete, berechnet, wie viel 
Truppen in diesem oder jenem Augenblick dem Vanu noch zur 
Verffigung standen, wie viele von diesem oder jenem deutschen 
Stamme sieh nach und nach zur Teilnahme am Kampfe einfanden, 
und zeigt uns die Spuren der Lager des Germanicus und Caecina, 
welche diese errichteten, als in zwei Tagen die Bestattang voll^ 
zogen wurde. 

Es ist begreitlich, d^fs man sich in dem, was den Haupt- 
inlnilf des Buches ausmacht, auch an der Hand der lir igegebenen 
Karle nicht leicht zin-eclithndet. Das Verständnis des Ganzen w^ird 
noch erscliwert duicli eine gerade in den nicht topographischen 
Abschnitten des Buches, z. B. in der Behandlung der Frage, wie 
die Angaben der alten Autoren über die Lager des Varus unter 
sich zu vereinigen seien, hervortretende Unklarheit der Ausdrucks- 
weise, die audi stilistisch wenig durchgebildet ist. In summa : in 
dem Buche steckt eine gewaltige Arbeit; die Begdsterung des 
Yei*f.s für seinen Gegenstand, sein patriotisches Empfinden wirkt 
wohlthuend; die Frage aber, die er zu lösen unternommen hat, 
hat er, weil er von unbewiesenen oder unsicheren Voraussetzungen 
ausgeht, soweit ich sehe, nicht gelöst und insbesondere zur Auf- 
hellung der Berichte des Tacitus einen Beitrag nicht geliefert. 

Nach A. Hieses ürfeil, Lit. Onfr. 1893 Sp. 140, bieten 
V. StamTords Ausfrihrnnücn mi hfstcii I .iüe eine Möglichkeit, wel- 
cher andere elienso berechtigte zur beile stehen können. 

1^;; Ediu. Meyer, Untersuchungen Uber die Sehlacht im Teuto* 
b arider Walde. Progr. des Konlgl. Laisei» - Gynis. sn Berlin 1893. 
Berlin, Gärtoer. 55 S. 8. 

If. nimmt das Verdienst für sieb in Anspruch, suerst darauf 
hingewiesen zu haben, dafs die bekannte Angabe der Pasten tob 
Anlium, welche ungefähr das Ende des illyrischen Aufstandes 
von 6 — 9 n.Chr. datiert, auch auf den Monat der Schlacht im 
Teutoburger Waide fJclit werfe; und zwar in dem Aufsatze: In 
welchen Sfonat des J. 9 fiel die Schlaclil im Teutoburger Walde, 
Forschungen zur deutschen Gesch. 18 (1878) S. 325—338. Die 



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Taeitasy von G. Aiidr«s«B. 



205 



Prograinmarbeit eulbalt aufser einem historischen Rückblick auf 
die Behandlung, welche die Datumsfrage erfahren hat, eine Polemik 
einerseits gegen Hirschfeld, der jene irischnftiiche Notiz (///. Non. 
Aug. Ti. Aug. InlyrkQ vic.) auf die „Schlacht'- am Bathinusflusse 
im J. 8 bezieht und demnach alle Versuche, auf Grund jenes 
Datums and der Angabe des Yelldas (II 117 tenltm» giioef leifo'mam 
imponierar Fammko et DdmtOko beUo Caesar mamm, cum intra 
qumimn eenmmmaii tanti operü diem funestae ex Gemama eptstdae 
nunUitm attulere caesi Vari) die Zeit der Varusschlacht zu be- 
sUmmen, fQr hinfällig erklärt (s. Jahresber. 16 S. 250), andererseits 
gegen Zangemeister (s. JB. XVIH S. 273), der nicht nur willkür- 
lich und im Widersprurh mit dem privaten Clifirakter dieser 
Fasten annehme, dafs die Inschrift den Tag angebe, den man 
offiziell für den Tag des Absrlilui^ses des illyrischen Krieges an- 
gesehen habe, sondern auch seine Behauptung, dafs die Nachricht 
Ton Varas' Niederlage in 6 bis 7 Tagen nach Salonae gelangt 
sei, UDiareichend begründet habe. Ferner wOrde, wenn wirklich 
die Katastrophe des Teutoburger Waldes auf den Tag tou Cannae 
getroffen wSre (wie Z. will: s. JB. XVIII S. 276), dieses wunder- 
bare ZusammentrefTen in allen unseren Quellen ausdrücklich be- 
merkt sein. Damit falle der 2. August als der Tag der Schlacht. 
Die Deutung der Antiatischen Inschrift auf die Eroberung Ande- 
triunis (im J. 9) als richtig vorausgesetzt, wüfsten wir weder mit 
unzweiielliatter Sicherheit, von welchem Tage an Velletii^ beiuen 
5. Tag rechnete, noch wie lan^re die Nachricht von Varus Lnter- 
gang iirauchte, um zu Tiberius z.u gelangen. Es werde daher bei 
dem bleiben mtlssen, wasTerf. schon früher dargelegt habe, dafs 
die Inschrift der Fasten von Antium nur ongefthr das Ende des 
illjrischen Krieges bestimme und auch nur in gleicher Weise die 
Schlacht im Teutoburger Walde. 

Eine sweite Abhandlung wird einen Beitrag zur Kritik des 
Dio Cassius, einer der Quellen über die Varusschlacht, geben; die 
drifte wird die Frane der Ortlichkeit heh<indeln und einen, wie 
V<"i f. hofft, niclit unbegründeten Protest gegen Mommsens Barenau- 
hyputiiese erhi ben. Alle drei werden zusammen als selbständige 
Sciirifl bei (jarlner in Berlin erscheinen. 

14) Anzeigen der kleinen Sdirift von R. Tieffenbach Ober die 
Örtlichkeit der Varusschlacht (s. den vorigen Bericht Nr. 35) von 
Bender, Wfirtt Korr. 1892 S. 240, A. Bauer, Ztschr. f. d. öst. 
Gymii. 43 S. 767, M. Rottmanner, Bl. f. d. bayer. GSW. 1892 
S. 648. Der letitere äufsert einige Bedenken gegen Knokes Iden- 
tifizierung der pontes Jongt mit den Moorbrücken zwischen Mehr- 
hoiz und Brägel und die Ansel/.iin^' der Sclilaciit des J. 15 hei 
Barenaii. Bauer erkennt au, dal's die Schrift in ganz vurtrelllicher 
Weise über den gegenwärtigen Stand der vielbehandelten Frage 
orientiere, widerspricht aber dem Schlufsurteils Tieflenbachs; denn 



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206 



Jahi-etberiohte d. phiiolui;. Verein*. 



bei der Unbestimmtheit der geographischen Schilderungen ilps Dio 
und Tac. sei die Frage immer noch eine ofVene; iiire doli ni live 
Lösung könne nicht von einer erneuten Kritik der vorhandenen 
Überlieferung, sondern nur von neuen I unden erwartet werden, 
wozu jedoch ^ie zahlreichen und deshalb nicht sicher mit den 
ponies Umgi zu identifiiiereitdea PrAgehvege^) in jenen Gegenden 
sdiwerlich su rechnen seien. 

15} Otto Hemmer, Arminias. Anf Groad der Quellen dtrftitelll. Itfijp- 
zig, üuocker nui Hamblot, 1893. 71 S. 8. 1,60 M. 

Das Vorwort zn I'aul Höfen „Varusschlacht'' (Leipzig, Duncker 
und Humblot, 1888) beginnt so: „Das vorliegende Buch ist die 
dritte j^rofsere Arbeit, welche ich dem Helden Armin gewidtnet 
habe'' (vorher ging das Trauerspiel ,, Armin'' 1875 imd ,,Der Feld- 
zug des Germanicus im J. 16 n. Chr." 1885)-, und S>. 177 — 178 
desselhen Werkes sagt llöfer, er vernichte darauf, hier ein Cha- 
rakieihild Armins zu entwerfen, doch glaube er dadur(h, dafs er 
den Tbatbesland seine» auf die Befreiung des Valeiiandes gerich- 
teten Unternehmens feststelle, zur Charakterisierung dieses ersten 
grofsen Mannes der deutschen Nation das Seinige beizutragen, wia 
schon vorher seine Schrill über den Feidsog des Germanicus im 
J. 16 n. Chr., die den standhaften und erfolgreichen Widerstand 
Armins gegen den AngrifT des Germanicus zum Gegenstand habe, 
der Würdigung desselben Helden gedient habe. Wer sich dieAer 
Worte Ilöfers erinnert und jelst bei der Lektüre der üemmerscfaen 
Schrift die Zahl und Art der in ihr enthaltenen Entleimungen aus 
jcn»*n !)pideu historischen Werken Ilöfers heobachtet (über diese 
Knllt liiHiiii^en siehe im allgemeinen WS. f. klass. Phil. 1893 Nr. 25\ 
der Ixuiiüie, svenn er den \s?nen Otto Kemmer einen Augeublick 
vergärse, auf den (ledanki'n kuüiaien, er hätte in jener Schrift die 
vierte Arbeit vor sich, welche llöfer dem Helden Armin gewidmet 
habe. Aber das Titelblatt würde ihn der Illusion überführen; der 
Verfasser heifst Otto Kemmer» welcher diejenigen Gedanken, Auf- 
fassungen und Hypothesen, au deren Trager sich BAfer gemacht 
hat, dem Publikum noch einmal» wenn auch in körxertf Forin, 
so doch grOfstenteils mit denselben Worten vorzutragen sich zur 
Aufgäbe gemacht hat. Dies gilt fär da^^ Ih teil über Tacitus als 
Geschichtsquelle (K. S. 29: ,jir ist speziell für die Gennanicus- 
feldzuge dem Bericht eines Augenzeugen gefolgt, der auch dc^ 
Varnsniederlage sehr nahe gestanden hat", und wörtlich ebenso 
Hüfcr, Varusschlacht S. 144—45, nicht wörtlich Peldzug des Germ. 
S. 14 (schreibe: 4), worauf K. hier verweist); über den Charakter, 



U. ilaitmauQ sucht io der Zcitschr. d. hist. V. f. Niedersachsea 
1891 S. 212 — 234 oachzoweiMD, dafs die vor einifei» Jabreo in Dieveomoor« 

südw »' ;tli( !i vom Diimmor gefundtMieii f'ohli nwege zwischeo Danmp nod 
Huateburg röinisclieu lirspruags siud , uucUüem er vorher die charakteristi- 
schen Eigeuscbafteu eiuiger anderer äholicher Bobleowege beschrieben bat. 



V* «, • «. * 

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Taeitoi, von G. Aodrasti. 207 



die Tendenz und die Entslehiinir des Dionischen Berichts fiher 
die Varusschlacht, nach dessen Ausscheidung ,,sich die nur slücii- 
weise fiberlirfertcii N;ichrichten der illteren römischen Autoren 
gegenseitig sich ergänzend und nirgends sich widersprechend zu 
einem klaren und vollständigen Bilde zusammensetzen, welchem 
um so mehr Glauben zu schenken ist. als diese Nachrichten auf 
Gewährsmänner zurückgeben, welche nicht auf die offiziellen Ver- 
SffentiidiuQgen angewiesen vareD" (K. S« 30 in wdrüicber Oberein<- 
•tinaniung mit H6fers VwuMclilaeht S. 166), fiber die Bedeutung 
der Slelle des Ftoms, wo es heifst, dafs die Barbaren zwei der 
erbeuteten Adler noch besafsen (K. S. 28, U. S. 139), über die 
Vorzüge des Berichtes des Velleius (K. S. 29, H. 142—149: hier 
ist beaenders auffällig die Übereinstiniroung beider Autoren in der 
Vermutung, dafs Velleius sowohl wie Tacilus „vielleicht deshalb 
bei der Ilnupthandlung abbrechen, um sich nicht mit dem oCti- 
xiellen Bericht in Widerspruch zu setzen"). 

In ähnlicher Weise, meist ohne Änderung der Worte, wird 
von K. wiederholt, was II. über die Lage von Aliso und über die 
Identität dieses Kastells mit dem ungenannten Lippekastell bei 
Tac 11 7, über die Ähnlichkeit der Lage, in der sich Caeciua auf 
seiMiB Rfiektnge befand (Tac I 66 imipim 4renMHMt endenüim), 
mit 4er Situation der Varianischen Truppen, über die Lage der 
fsnees len^* und über den Marscb des Germanicus an die Weser 
im J. 17 Toi^ebracbt hat. Nicht minder entlehnt ist aus Hfifer 
das Urteil Ober die Persönlichkeit des Varus, die mit grofser An- 
scfaanlicbkeit geschriebene 8^lderung seiner Täuschung durch 
Armin, die Verteidigung des letzteren gegen den Vorwurf der 
Treulosi^k-pil (K. S. 22 Wort für Wort Tiaclt H. S. 175); ferner 
die Polemik ^e^m Moramsen und die Berechnung: d^r Streitkräffc 
des Varus (wobei K. eine kleine Lingenaui^'keit U( ieis in der 
reclinun^ des Maximums und des Minimums dt i- (jesauilsuuiiue 
berichtigt hat). Die vier iMümcntc endlich, aui welche H. seine 
Ansetzung des Ortes der Varusschlacht stützt, hat K. nach der 
«u sa m m en&ssenden Darsteliung Uöfers S. 240 wörtlich 6. 35 wie- 
dergegeben. 

Was sonst noch über den Inhalt der lemmersehen Schrift 
zu sagen wäre, habe ich in der bereits oben erwähnten Anzeige 
in der WS. f. klass. Phil, gesagt Alles in dieser Schrift, was 
eine wissenschaftllt he Grundlage und eine eingehende Prüfung von 
den mannigracbsten Gesichtspunkten aus verlangt, ist entlehnt; 
das nicht Entlehnte ist Beiwerk. Mit diesem I rleil kömitr ich 
schliefsen , wenn ich es nicht für meine HefereiilcnjiHu ht liit'lto, 
auf eine seilsame Erscheinung, die mir hei der Leiilure der 
Kemmerschen Schrift ent^'egengetreten ist, noch besonders auf- 
merksam zu macheu. bei .Name Knoke wird in dem Buche nicht 
ein einziges Mal erwähnt; kuukes Bücher (Die Kriegszüge des 
Germanicns in Deutschland 1887. Nachtrag dasu 1889) fehlen 



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208 



Jahref beruhte d. philolog. Vereios. 



auch in dem Verzeichnis der Litteratur S. 10, wo doch selbst Joh. 
Scherrs Aufsatz über Thusnelda genannt ist. Herr K. hätte also 
wohl diese Bücher nicht gekannt? Kaum glaublirh, liriin sein 
(iev\iihi suiann citiert in der Varusschlacht Knukes Hauptwerk nickit 
selten. Kv muh also diesen Hauplgegner Höfers, da er doch 
aufser ilüfer auch noch andere Autoren, wie Uanke, Schierenberg, 
Hommsen, Zangemeister , Hübaer, Deppe, nennt, absichtlich mit 
Stillschweigen übergangen haben. Und dafs dem in der Tbat so 
ist, wird unwiderleglich klar, wenn man das, was Höfer S. 138 
gesehrieben hat, mit dem, was K. S. 27 daraus gemacht hat, ver- 
gleicht. Bei H. lesen wir: ,,Ranke erwartete also, dafs man 
seiner Ansicht (über den Bericht Dios) nicht allgemein beipflichten 
werde; dagegen hat er nicht erwartet, dafs man von dieser kaum 
Notiz nehmen werde. Und doch ist dies bisher der F;dl i^ewpsen- 
Nomnisen hat in seiner Schrift über die Ürlliclikeit der Varus- 
schlacht, in welcher er den Bericht des Dio zum Teil Wort für 
Wort heranzieht, die Bedenken gegen diese Quelle mit keiner 
Silbe erwähnt; in dem fünften Bande seiner Römischen Geschichte 
hat er die Angelegenheit mit einer Anmerkung ahgethan. Knoke 
hat die wichtige Frage mit einer noch kürzeren Anmerkung ab- 
gethan, in welcher er sich ehifuh auf Mommsens Anmerkung 
beruft, als wäre die Sache damit entschieden und aus der Welt ge- 
schafft. Rankes Auffassung schlieft freilich Mommsens Schlacht- 
feld ebenso wie dasjenige Knokes von vornherein aus. Andere 
neue Autoren oder Berichterstatter haben diesen wichtigen Gr^gen- 
stand überhaupt nicht erwähnt". Hiernach K.: „Er (Ranke) hatte 
aher schwerlich erwartet, dafs man diese Auffassung kaum be- 
achten werde. T'nd doch ist dies bisher so geweseu. Mominsen 
hat in seiner Schrift über die Örtlichkeit der ^ arusschlacht den 
Bericht des Dio zu Grunde gelegt und die Bedenlven Rankes gcgfii 
diese Quelle in seiner Römischen (iescliu hte in einer Anmerkung 
nur nebenhin erwähnt, aber nicht enlkicillet. Und ducl* wäre 
dies erforderlich gewesen, da Rankes gewichtiges Urteil die Ver- 
legung des Schlachtfeldes in die Barenauer Gegend, wie Hommaen 
will, ausschliefst. Andere Darsteller haben von den Ausführungen 
des hochverdienten Historikers üb^haupt keine Notii genommen ; 
nur Dr. Paul Höfer, Oberlehrer am Gymnasium zu Bemburg, iat 
in seiner Oeif.^igen und kritischen Bearbeitung der Varusschlacht 
den Spuren Schierenbergs und Rankes nachgegangen und ist nach 
langjährigen SpeziaJstudien zu gleichen und weiteren Resultaten 
gekommen'^ 

Nnrh allem dem scheint es am Ende gar, als hätte MolVr in 
Herrn Kemmer nicht so selir einen Mann zu erblicken, der frem- 
des Kigentum in etwas ungewöhnlichem Mafse zum Aufbau seines 
eigenen Werkes heranzieht, als einen Dundesgenossen, der sich in 
die Gedanken und Lmpiindungen seines Vorgängers mit solcher 
Hingebung und Selbstentäufserung hineingelebt hat, dafs er auch 



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Ta«ilvt| W9U 6. Aodres««. 



209 



die GegDW desselben zu den aeilligen macht und diese teils (nSin- 
licb Mommsen) mit den von jenem geborgten Waffen, teiJs (näm' 
lieh Knoke) durch das selbstgewähUe, in gewiMen Kreisen heate 
belieble Mittel des Tutscliweigens bekämpft. 

Über F. Wolf, Die Thal des Arminius (s. den vorigen 
Bericht Nr. 31) urleilt ühnlich wie Ref. G. WoHI in pini'i- gründ- 
lichen, ablehuendeu Besprechung des liuclies iktl. Vhii. WS. 1893 
Nr. 5 ; vgl« die mit A. unteneiclmeta Anzeige im Lit Gentr. 1892 
S. 913, in der es heibt, Verf. habe von dem WertverhSltnis der 
Quellen keine Uare VorsteUoogen; in dem positiven Teil seiner 
Aufstellungen sei das Wesentliche nicht neu; seine Interpretation 
der Qnellentexte sei verwegen. 

16) Über (]en Namen Arminius handelte. Kossinna, Indogerm. 
Forschungen II S. 174 — 184. Fr sagt: Als Tiberius im J. 5 
n. Chr. die Cberusker zur Ileereatoige zwang, wird der damals 
2i)jalirige Arminius ins Heer eingetreten und gleichzeilig römischer 
üürger und UitUi geworden sein. Als solcher konnte der Spruls 
der regia stirps der CberusliN* nur Garns (nicht Coitis, wie K. 
sagt) — oder nach dem kaiserlichen Prinzen und Statthalter allen- 
folls T^foriiU'JuUHB Arminnu benannt werden. Der letztere Name 
kann kein römischer sein* weil wir weder eia cognomen noch ein 
gentile der Art aus dem 1. Jahrhundert kennen und das im 2. 
und 3. Jahrhundert auftretende Gentile Arminius so dunkler Her* 
kunft ist, dafs es als Beiname eines Mannes, wie unser Cherusker- 
häuptling war, einen erk(!nni>aren Sinn nicht gehabt halle, was in 
diesem Falle nicht angebt. In dem cognomen Arminnis, der ohne 
Zweifel deutschen Ursprungs ist, steckt eine gallische Umformung, 
durch die J^^'ntius zu Arminius wurde. Also ist ein germanisches 
Brnuniu, BmiM», Sminx anzusetzen, eine Koseform eines Voll- 
namens, der vielleicht als Ermmmerui zu deuken ist. 

17) Antonio Taramelli, Lc cnmpagne di Germania o nella Gfr- 

maoia. Pavüi, Premiato stabilimeoto tipografico Successort Bizzooi. 
1891. 188 S. 8. 

Ein Buch von jenseits der Alpen über eine der deutschen 
und römischen Gescliichte cemeinsame Reihe von Ereignissen, 
deren DcUblelUaig, son allem anderen abgegeben, ein eingehendes 
Stadium der geograpliischen Verhältnisse des Inneren Deutschlands 
verlangt, ist ein in der Geschichte der Tacitusforschnng immerhin 
bemerkenswertes Ereignis. Das Torliegende Buch zeugt von einem 
warmen Interesse für den Gegenstand und ist das Erzeugnis eines 
ileifsigen Studiums der hervorragendsten Untersuchungen deut- 
scher Gelehrter über die Peldzöge des Germanicus in Norddeutsch- 
land. Freilich bleibt es eine offene Frage, ob der Verf. alle von 
ihm citierlen Werke selbst eingesehen bat; <o viel ist unbestreit- 
bar, dals er es verstanden hat, die Fragen, um die es sich hier 

JahrMbericbte XiX. 

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210 



Jakrepberielite d. f liilol«ir* V«reiDB. 



bandelt, in ihren Hauptzügen klar und anschaulich vorzuführen 
— nur eine Karte des Kriegsschauplatzes vermifst man — , und 
daTs sein Werk ^vohl geeignrt ist, dafi Inleresse seiner Landsieute 
für den GegensUunl zu wecken. 

Der DarsleiluDg tler Feldzöge des Germanicus« für welche dem 
Verf. der Bericht des Tacitus als liauptquelle gilt, ist eine Ge- 
schichte der derselben vorausliegeDden Baührungen swtcchen Rom 
und den Germanen und eine allgemeine Skiize des Kriegaaebau- 
platsea, aowie des damaligen Kultunustandea der Nordweatgermanen 
YorangeschickL Dann werden in 14 Kapiteln die Ereignisse sei- 
her vom Ausbruch der Feindseligkeiten bis aur Abbemfting des 
Germanicus dargestellt. 

Betrachten wir zunächst Tarameilis Verhältnis zu den Quellen. 
Tacitus' Bericht, meint er, geht im wesentlichen auf Mitteilungen 
von Augenzeugen zurück; die Benutzung der Kommentare der 
jüngeren Agri]>pina, die er unzweifelhaft bei der Abfassung auch 
dieses Abschnittes seiner Berichte vor Augen gehabt hat, hat ihn 
nicht gehindert, sieb einen klaren Begriff von dem Wert und den 
Ergebnissen der Unternebmungen des Germanicus zu macben. 
Abweichend von Ranke, BAfer, Asbach, meint er, dab Dios Be- 
riebt öber die Varusschlacht, über dessen Entstehung Knoke rich- 
tiger urteile als Ranke, sich mit den Mitteilungen des Tacitus 
(und auch des Velleius) wohl vereinigen lasse. Ihifs die Darstel- 
lung des Tacitus zuweilen rhetorisch sei und infolge dieser Eigen- 
schaft den Thatsachen nicht immer gerecht werde, ist er nicht 
geneigt zuzugestehen: die Idistavisosclilacht habe den Deutsclien 
wirklich eine Niederlage gebracht, und die am Ende des letzten 
Peldzuges von den Angrivariern losgekauften Leute seien in der Tbat 
Scbiffbnlcbige, nicht Kriegsgefangene gewesen. Questa opinione, 
sagt er mit Besug auf letzteren Punkt — und diese Stelle mSge 
zugleich als Stilprobe dienen — e owia e semplice, non ridiiede 
nessun volo di fantasia e non ha il defetto, in cui incorrono 
tanto volontier) gli iperrritici tedeschi, di tacciare di falsitä uno 
scriltore degno di ogni respetto, e di voler Irovare nelle parole 
poco delerminate o auibigue di Tacito la riprova che egii abbia 
voluto nelle sue belle pagine, frementi di passioiie e di vila, fal- 
sare la veritä storica e Iramaudare ai posteri che avidamente le 
ricercano, non il raoeonto dei fatti, ma un monumento di ignegnosa 
mistifiGasione, di ricercata impostura. 

In der Interpretation des taciteiscben Textes bat sidi Tara- 
melli im allgemeinen von einem gesunden Urteil und von den 
besten deutschen Führern, Yor allen von Knoke, leiten lassen. 
Einige besonders kontroversen Stellen entnommene Beispiele 
mögen dies beweisen. Agmen 160, 13 ist ihm das Gesaralhrer; 
die prima Vari castra I 61, 7 das nnrh Beginn der Kämpfe zu- 
erst errichtete Lager. Aus qni aderal exercitns 62. 1 schliefst er, 
dafs aur ein Teil des Heeres den Germanicus ins uui den Ort der 



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Taeita«» von 6. Aadretan. 



211 



Katastrophe begleilet habe; den Gegensatz zwischen den Tempora 
in cmdebant und po$u& Z. 4 und 5 bebt er hervor. Durch /rWde- 
bantur G3, 7 f^laiibt er — und diesmal abweichend von Kvok^ — 
Merde eine Handlung bezeichnet, din nnf dem Punkte war, sirli 
zu vollziehen, aber durch besondere L nistände vereitelt wurde; 
nox 65. 1 sei eine neue Nacht nach der G4, 8 erwähnten. Knokes 
Deuiuiiij der Worte penetratunique ad ammm Vtiurgin 70, 21 ge- 
flllt ihm weniger «b Lipsiiu' Änderung, der FifdhMi Vorschlag. 
Das II 7 erwähnte muUum Lupißg flmini üd^poHhim eei mit AHbo 
nicht iileotisch; tn den Worten ekunt Amisiae rdkta Imva omne 
sei nieht xa ändern ; in der folgenden Zeile sei gubvexit aut (oder 
er) transpomit die probabelste Besserung. In der Deutung von 
vado 11, 3 stimmt er mit Knoke überein. Höfers Erklärung von 
tramgre'^nnf^ Visynfm 12, 1 verwirft er. Knokes Auffassung von 
prominentia montium resüluni 16, 3 gel'älll ihui; den 19,5 genauD- 
ten Flufs hält er iinhedeiiklich für die Weser. 

Wo es sich um die Feststellung einer Orliicbkeit handelt, 
glaubt T. zwar im ailgemeinen sich der Entscheidung enthalten xu 
mOsssn, weil ihm die eigene Anschauung fehlt; doch deutet er oft, 
auch wo er sich nicht offen ausspricht, an, dafs ihm die Ansetxun- 
gen Knokes, dessen Scharfsinn er wiederholt hohes Lob spendet, 
als die glaubwürdigsten erscheinen. Zuweilen begnügt er sich 
mit einer Erwähnung derselben, so in der Darstellung des Feld- 
zuges gegen die xMarseu im J. 14 und des Zufies gegen die Chatten 
im J. 15. Auch die Ansicht, dafs Hbeinc der Vereinigungspuiikt 
der für den grofsen l eldzug des J. 15 aufgebotenen Ueeresleile 
gewesen sei, registriert er nur, ebenso die Vermutung, dafs die 
Schlacht des J. 15 bei Barenau stattgefunden habe, und dafs Äliso 
In Nienbrügge bei Hamm lu suchen sei (doch habe es, fOgt er 
hinsu» jedenfalls nicht allzuweit vom Rheine gelegen). Dagegen 
billigt er ausdrücklich Knokes Vermutung betreffend die Gelegen- 
heit, bei welcher die Chauken im J. 15 in das römische Kriegs- 
heer aufgenommen wurden. Was die Varusschlacht angeht, so sei 
die Detmold -Hypothese von Mommsen und Knoke, Mommsens 
Ansicht von Knoke widerlegt: um sich (ihcr des letzteren eigene 
Vermutung (die ausführlich wiedergegeben wird) delinitiv zu ent- 
scheiden, dazu bedürfe es, wie 0. Dahm mit Recht bemerke, einer 
systematischen Erforschung der Befestigungen und Strafsen der 
Römer und Germanen, obgleich die Annahme eines Zuges des 
Germ, durch den Palis von Iburg insofern jetzt schon durchaus 
befriedige, als sie den Bericht des Tac. verständlich mache. T. 
ist femer geneigt, mit Knoke zu glauben, dafs Caecinas Marsch, 
bestimmt, den Kückzug des Germ, zu decken, rechts der Ems an- 
zusetzen sei (der Annahme mehrerer pontes longi stehe indessen 
der Singular Harnes 163,15 im Wege); auch hahe Knoke die 
Zeit, wann Slertinius aufbrach, um den Bruder des Segesi und 
dessen Sohn zu holen, richtig hxiert; ebenso die Wohnsitze der 

14* 



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212 



Jahresberichte d. phileiof. Vereint. 



Angrivarier und im allgemeinen auch den Weg, auf dem Germ, im 
J. 16 von der Ems nach der Weser gelangte. Ferner sei Knokes 
I.okalisierung beidt r Schlachten des J. IG gut begründet. An die 
Küile dj»segen, weiclie in den Vorbereilungen zur Idistavisoschlarbt 
nach Knukes Vermutung die Arenshurg gespielt habe, und au die 
von Knoke vurgclragene lioroplizierte Elymolugie dieses Namens 
mag Taramelli nicht recht glauben; auch habe Knoke Unrecht, 
wenn er l>ehaupte, dals die R<Vaier nach dem Treffen am Angri- 
Yarierwalle nicht im l^esitze des Schlachtfeldes geblieben seien. 
Im übrigen kann auf die in dem Buche, wie es der Gegenstand 
mit sich brachte, reichlich vorhandene Polemik hier nicht ein- 
gegangen werden; am häufigsten aber richtet sie sich gegen Höfer. 

Es bleibt noch übrig, einic;f l)csondere Auff;issiingrn Tara- 
meliiä zu erwahueo. in dem Autalaiid der rheinischen Legionen 
erblickt er die erste Auflehnung gegen „das bürgerliche und sena- 
torische Hegimtul In liezug auf deu Besuch des Germ, auf 
dem ScbladitfiBide des Teutoburger Waldes ferwahrt er sich gegen 
die Attffiissung, als sei er aus einem augenblicklichen, dur(ä die 
Umstände nahe gelegten Entschlüsse hervorgegangen. Ober das 
Verhältnis zwischen Tiberius und Germanicus äufsert er sich am 
Schlüsse des Buches, wo er auch dem Aufenthalt des letzteren im 
Orient eine Betrachtung widmet. Dafs eine Art Eifersucht des 
Oheims gegen den NefTen, hervorgerufen durch die Vorstellung, 
dals der letalere nach Poi)ularität hasche, bebtandeu habe, sei 
zwar nicht zu leugnen; doch sei sie mehr eine Besorgnis gewesen, 
die den Tiberius angetrieben liabe, deu Germ, sofort seines Kom- 
mandos am Rhein zu entsetzen, um gewallthätige und gefährliche 
Repressivmalsregeln f&r die Zukunft su vermeiden, im weseot-* 
liehen aber hätten die Motive dieses Entschlusses, welcher dadorch, 
dafs Germ, keinen Nachfolger erhielt, welthistorisch entscheidend 
wurde, auf dem politisch -militärisch -finanziellen Gebiet gelegen. 
Aus dem Bilde, das Tac. von Tiberius entwerfe, gehe hervor, dafs 
er die Kouimenlarien der jüngeren Agrippina stark benuzt habe; 
deu Aspirationen der Witwe des Germanicus sei der Kaiser in 
berechtigter Defensive eiit;^i ^'engetreten. Gestorben sei Germ., 
dessen Auftreten im Orieni wohl geeignet war, den Verdacht des 
Oheims zu erregen, an einer durch den jähen Klimawechsel her- 
vorgerufenen Krankheit. 

Versehen: Der Präfekt der Truppenabteilung, welche im 
X 14 im Lande der Chauken stand, hiefs Manius (nicht M.) Enniut, 
Germ, hatte im Lager zu Küln nur den Caligula, nicht noch an- 
dere Söhne bei sich (Taramelli S. 16 und S. 176: „i suoi figli, 
educati tra i soUlati"). Vetere in provincia I 58 ist nicht = in 
una provincia roniaua (Tar. S. 29), sondern = „in der alten Pro- 
vinz*'. S. 87 und 107 spricht Tar. irriünilicli von „den Hand- 
schriften** oder „den werivoiisteu Haadschniien** der ersten Hälfte 
der Annalen des Tac. 



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Tacitas, von G. Aodreseo. 



213 



Dafs Taramelli deutsche Namen und Citate aus deutschen 
Schriften arg entstellt, mag entschuldigt werden (er schreibt z. B. 
regelmäfsig Scbieremberg, Tekleniburg, Klu|)|)eml)Uig, hrauclii Aus- 
drficke wie il monte Wittekinder, la foretta di Seluninibofjser und 
bricht Worte wie Eisbergen so ab» dafs er die neue Zeile mit s 
beginnt); schlimmer ist, dafs er auch lateinische Texte vielfach 
fehlerhaft wiedergicbt (so schreibt er bald Teutoburgensis , bald 
Tmaobcwrgiensis); S. XX lesen wir in der AufzShlnng der Quellen 
sogar Faustino stall Frontino. Solche Dinge gereichen dem Buche 
nicht zur Empfehlung, wohl aber die Wärme der Kmplindung, mit 
der es geschrieben ist, und das verständige Urleil, das aus ihm 
spricht, und das sind die Gründe, warum ich, obwohl es eigene 
Forschungen kaum enthält und im wesentlichen auf eine Repro- 
duktion hioausiäufl, auf seinen Inhalt näher eingegangen bin. 

Die Mängel des Buches bebt in ähnlicher Weise G. WollT, 
Berl. Phil. WS. 1892 S. 1526—1527 hervor, ebenso wird aber 
auch von ihm die ruhige und sachliche Beurteilung der in voll- 
ständiger Übersicht gegebenen Utteratur des Gegenstandes an- 
erkannt. 

18) R. von Stoltzenberg, Zeitschr. f. Ethnologie XXIII (1891) 

S. 438 — 445, berichtet über die Ausgrabungen auf der Stätte der 
Wittekindsburg bei Rulle, wenige Kilometer nördlich von 
Osnabrück (vgl. den vorigen Bericht S. 255 Anm. 2) M uiacli hat 
man in dieser Burg ein römisches Kastell zu erblickeu, und zwar 
nicht eine in kürzerer Zeit aufgeworfene Erdhefestigung, sondern 
eine in solidem Mauerwerk angelcgie Feste. Die Erbauunj^ sei 
wohl in die letzte Zeit der vorchristlichen Zeitrechnung zu setzen. 
St. identifiziert dieses Fort mit derjenigen Station, welche die 
Römer im Lande der Cbauken hatten und noch im J. 14 besetzt 
hielten (Tac. Ann. I 38), und ebenso mit demjenigen Kastell, 
welches bei Plolemaeus Munüium („das gemauerte Kafitell**) beibt. 
Ein halbes Jahrhundert lang beherbergte dieses grofse gemauerte 
Hanptfort im Lande der Chauken eine römische Besatzung,' (Tac, 
Ann. XI 19). Diese Thalsache widerlege Mommsens Ansiciit iii)er 
den Ort der Varusschlacht. Denn im Lande der Chauken, der 
treuesten Bundesgenossen der Römer, auf lleerwegen, die von 
Kasteileii geschützt waren, sei Vanis mit seinen Legionen weder 
verraten noch vernichtet worden. Es fänden sich nämlich auch 
weiter östlich Spuren römischer Erdwerke. .Eine solche Befestigung 
habe sich z, B. in Twistringen befunden, zum Schutze der chau- 
kischen Ostgrenze auf dem römisdien Heerwege nach der Blittel- 
weser. 

19) A. Breysig, Genna nicus, £ia Vortrag. Zweite darchgesehene und 

erweiterte Ausgabe. Erfart, J. 6. Gramer, Jo Komm, bti Karl Yil- 
laret, 3S92. 29 S. 0,4(J M. 

„Dieser Vortrag ist am 2ü. Januar 1890 zur Vorfeier des 
Geburtstages Sr. M»jest§t des Kaisers in der Königh'chen Akademie 



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214 



Jaliresb^riehte 4. phiiolof, Vereins. 



gemeinnütziger Wisfienscbaften zu Erfm l gehalten und in den 
Jahrbüchern der genannten AkRiiemie, Neue Folge, Heft XVII, in 
etwas verkürzter Form veröffentlicht worden. In dieser Auflage 
ist er einer erneuten Durchsicht unterzogeu und mehrfach er- 
weitert worden". 

B., welcher den Germanicus als Muster der pietas in allen 
ihren Richtungen und als den edelsten Spröfsling des julisch- 
klaudischen Hauses bezeichnet, hat seiner Skizze „die ergreifende, 
dramatische Schilderung, die Tac. von dem Leben und Sterben 
des Germanicus giebt*S zu Grunde gelegt. Er schildert sunflchst 
die trüben Verhältnisse im Hause des Augustns, das Emporkommen 
des Tiberius, die Jugend des Germanicus und seine Teilnahme 
am pannonischen Kriege. Hierauf giebt er eine Darstellung seiner 
Thätigkeit in Germanien, vielfach in wörtlichem Anschlufs an den 
Bericht des Tac. (von I 31 an). Die Fcldzüge behandelt er minder 
ausführlich als den Aufstand der Legionen. Dagegen unternimmt 
er es, die kurzen Notizen des lac. über den Triumph des Germ, 
nach der Analogie anderer Triumpbzüge zu einem vollständigeren 
Bilde zu ergänzen. Der Aufenthalt des Germ, im Orient, sein 
Zwist mit PisO| sein Tod, seine Sufsere Erscheinung und sein 
Charakter sind ' die letzten Gegenstände des Vortrags, dessen Ten- 
denz dem seiner Vorlage völlig entspricht. Denn die Kritili wird 
ausgeschlossen; doch ist B. geneigt, die Frage, ob Germ, vergiftet 
worden sei, ZU verneinen. Die Sprache ist einfach und an* 
gemessen. 

Zuweilen wird die Darstellung durch ubergrofse Kürze un- 
klar. So wird S. 14 gesagt, dafs die Bestallung der in der Varus- 
schlacht Gefallenen nicht den Beifall des Kaisers gefunden habe, 
jedoch versehwiegen, was der Kaiser an „diesor Handlung der 
Pietät'' getadelt habe. Ebenso abgerissen ist die Notiz auf der 
folgenden Seite:, „auch von einem Traum seines Helden weifs 
Tac. zu erzählen''. Ungenauigkeiten: die 5. Legion hiefs AUmdaej 
nicht Alauda; turhidos I 38 extr. beifst „die aufrührerischen**, 
nicht ..die bestürzten" (turha(os). Nicht auf seinem Zuge gegen 
die Chatten befreitp (irrin, im 1 ri'ihün«; des J. 15 den Segestes; 
das waren zwei vci>tliiedciie ICxpedilionen. Bei der Bückkehr aus 
dem Feldzuge des ,1. IG wurde ein Teil des Heeres nicht von der 
Weser, sondern von der Ems (per fiumen Amisiam 11 23) nach 
dem Rhein befSrdert; statt „Idistavisusfeld** schreibe „Idistaviso- 
fe]d*^ I 69 tamquam parwn ambütou etc. ist mit „es sei schon 
genug, wenn sie" u. s. w. schief wiedergegeben. Vipsania war 
nicht als die Tochter Agrippas, sondern als die Tochter der Pom- 
ponia eine Enkelin des Atticus. Piso heifst bei seiner ersten 
Erwähnung (S. 19 oben) fälschlich Gaius Piso. In der Schilde- 
rung der ägyptischen Heise des Germ. Iipirsl es nach der Erwäh- 
nung des Besuches in Theben: ,,Na( Viilt in er die Pyramiden be- 
sucht hatte, kehrte er erst bei den Stromschnellen des iNiis wieder 



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Tftoitas, voa 6. AaäroKii. 



215 



um**. Das erweckt falsche geographische Vorstellungen. Atrox 
ac dissentire manifestm \\ 57 ist imi dea Worten: „so safs 
finster üa oder inachle dem Uberfeidherrn Opposition" zwiefach 
unrichtig wiedecgegeheo. Auch Druckfehler sind nicht ganz ver- 
mieden. 

■ 

20) Alezaadvr Riese, Das rheinische Goi-maniaa ia dar antik«ii 
Littaratar. Leipzig, B. G. Teuboer, 1892. VII a. 496 S. 8. 14 M. 

Ober den Inhalt und Plan dieses Nachschlagebuches, in wel- 
chem neben anderen Quelientexten zahlreiche auf die Geschichte 
und Geographie des Rheinlands bezügliche Stellen des Tac. Auf- 
iiaiime gefunden haben, habe ich WS, f. klass. Phil. 1892 S. 1145 
— 1148 berichtet und aus den Annaien des Tac. einige Nachträge 
gegeben, die sich namentlich auf die Varusschlacht und die Feld- 
züge des Germanicus beziehen. Vgl. G. WuiUä Auzeige des Buches, 
Berl. PhU, WS. 1893 19-21. 

Ihnes Schrift Qber Tiberins (s. den vorigen Bericht Nr. 43) 

wird besprochen von Diptricb, Mitt. aus d. histor. Utt. 1802 
S. 299; A., Litt. Cenlr. 1892 S. 1570; Joh. Schmidt, DLZ. 1892 
S. 1587—1588; Ä. Bauer, Zeitschr. f. d. österr. Gymii. 43 S. 771. 
Dietrich giebt den Inhalt des Buches an und stimmt seinen Er- 
gebnissen zu; A. weist auf die Bedeutung der vor dem Ihne- 
sehen Aufsatz erschienenen Trogrammarbeiten von Sievers hin 
und berichtigt einige Angaben. Nach Job. Schmidts Urteil kommt 
die Schrift heute post festum; Bauer meint, diese früheste Be- 
richtigung des tniditioiieDeo Bildes des Tiberins habe den Vorzug, 
dals sie weder in der Hochschitzung des Tiberins noch in der 
VenirteiluDg des Tacitus zu so extremen Ergebnissen kommt, wie 
die späteren. Dennoch sei des Verf.s Auffassung vom Wesen und 
Entwicklungsgänge des Tib. in einigen Punkten zu berichtigen, 
resp. zu erganien. 



III. Sprachgebrauch. 

21) Lexieon Taciteum ediderant A. Gerber et A. tireef. FascicnlamX 
timt A. Graet Lipaiae^ ia aadibaa B. 6. Taabaeri 1892. S. 1041 
—1152. 3,60 IL 

Das neue Heft des rähmllchst bekannten Leiikons »tbtit die 
Wörter von oriens bis potestas* Fflr die wiederum bewiesene 
Akribie und Zuverlässigkeit der Angaben zeugt der Umstand, dafs 
Ref. bei der Durchsicht des Heftes nur ein Versehen gefunden 

bat: S. 1052 b wird 1,4, 10 Agrippnwm statt Agrifpam citipit. 

Das Heft lehrt, dafs die Verben parcu. pcrspquor. persuadeo, 
das Adjektiv perpetuus und das Adverl iuin partim sich bei Tac. 
verhältnismäfsig selten hnden. Das Verbum pensUare erscheint 



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216 



Jthresberiehle d. pbUolog. Verein«. 



nur in der Partizipialform pensitato (zweimal), periclitari vorwie- 
fTPiid im part. pracs. Percipio und perfecfus finden sich mw im 
iJialüg, ebenso, ahgesohen von einer Steile im Agr., paene, :ins- 
schliefslich in den lileinen Schriften minime. Das dichterische 
pelagns iindet sich nnr, wo niare in der Nähe steht, verdankt 
seine Verwendung demnach lediglich dem Streben nach Abvvechs- 
Inng. JMA«r0 braucht Tac in den gröfSieren Schriftan nur yon 
sagenhafter Überlieferung. Diese BescbrSnkung des Gebraudia 
wird ron den drei Beispielen, die das Verbum im Agricola z&hlt, 
in bemerkenswerter Weise durchbrochen. Futquam findet man 
wiederholt mit dem I'räsens der Verba intellegere und tidere; 
auFserdem verbindet es sich mit demselben Tempus an zwei 
Stellen (IV 81, 24. 14, 44, 13), wo es unserem 'jetzt wo', *nun- 
raehr wo' entspricht. Also hat postquam valLum introit 1, 25, 1 
— so der Mediceus — keine Paialleie und ist von Lipsius mit 
Recht in introiü geändert worden. — Tac. sagt bald tot per annosy 
bald per tot atmost aber immer per eos dksi post haec wird wie 
posthac stets nachgestellt; per spedm hat seinen Genetiv regel- 
mäfsig hinter sich* — In sehr instruktiver Weise werden in dem 
Lexikon vielfach die Beispiele einer eigentümlichen Nüancierung der 
Bedeutung eines Wortes zusammengestellt; so in dem Artikel 
pars Agr. 21, 12 id apid imperitos humanitas vocabatur, cum pars 
senntutis esset mit II 47, 16. III 46, 17. IV 86, 1. 6, 27, 1; und 
in den) Artikel post 4, 68, 5 post tot diente$ unus mit 4, 40, 7 
nubendum post Drusitm . . . haberet. 

Die aus Kitter entnommenen Angaben über die Lao. der Hss. 
seien hier wenigstens in einem Punkte berichtigt. Es handelt 
sich um fünf Beispiele de« Wortes pemicies In der ersten Hälfte 
der Annalen. Es ist zwar richtig angegeben, dafs in dem Me- 
dicus I die zweite Silbe dieses Wortes 1, 79, 5. 3, 49, 9. 4, 33, 15. 
6, 4, 16. 26, 11 mit m beginnt; aber verschwiegen, dafs an den 
beiden ersten Stellen das letzte Drittel des Buchstabens durch 
einen darunter gesetzten Punkt, an der fünften Stelle durch einen 
durchgebenden senkrechlen Strich, an der dritten und vierten 
durch beide Mittel der Streichung fjetilgt ist. Die Striche sind 
wahrscheinlich der ersten Hand zuzuschreiben, die Punkte sind 
unsicheren Ursprungs. 

Auch eine wohlbegrundete Konjektur enthält das Heft S. 1143a. 
Der aherlieferte Text lautet 14, 12, 12 u$ muUos poit mmn Nero 
impernm et seefera eoniimutoerit. In dieser Verbindui^, die sich 
auch 2, 52, 20 findet, kann post nicht wohl als Adverb gefafsf 
werden y was doch der Sinn verlangt. Greef schlägt daher vor 
multos postea annos und vergleicht als schlagende Parallelstellen 
4, 57, 6 sex postea annos und 1 5, 64 8 pnncos postea annos. 

Als seltsam notiert Hreef den Plural ora H. Iii 10, 12 in der 
Verbindung pectus atque ora singultu quatiens. AufFallend ist auch 
die Verbindung von parridda mit einem Genetiv in dem Ausdruck 



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Tacitas, voa G. Andreseo. 



217 



panicida malris et uxorü 15, 67, 8. Die gewöhnliche Anrede an 
deD Senat ist aueb bei Tac fatres conscripti. Aber 16, 13,7 
finden nir, wie Greef notiert, statt deasen den nacliten Vokativ 
faires: itf ftime oplnmuH pairm tu, Caetar^ vom, patm, tervaretü 
^MOhmim. Die Wabl des abgekOnten Ausdrucks erklärt sieb uu- 
scbwer aus dem Zusammenhang. 

Wie viel Arbeit auch in diesem Ilefle steckt, wie mannig- 
fache Erwäf!:unfTPn der Abfassung vorausgegangen sind, rrmifst 
man erst, wenn man auf die vielfachen Hinweise achtel, die der 
Erklärung dienen. Einige zweifelhaftf Sidlen tiies<'r Art mögen 
hier Erwähnung finden. 2, 34, 7 ta^^e icli, wie Greef, minus, das 
andere als Adverb zu liberi ziehen, als Adjektiv zu documentum; 
denn es sind zwei von demselben Piso gegebene doeumiM Hberi 
dohris, die bier an einander gereibt uod in ibrer Bedeutung ver- 
glichen wenden. 3, 30, 11 ist, wie G. ricbtig bemerkt, per cultum 
et mundUias mit diversm, nicht mit prop^ su verbinden; 3, 16,23 
gehört das zwiefache per, wie auch Nipperdey anmerkt, zu rogo, 
nicht zu probatus (denn Piso war Konsul mit Tiberius, nicht mit 
Aii<?u?tns); tl, 24, 32 und 13. •2^. 1H ist plebei Adjektiv (an der 
zweiten Stelle hält G. es für idolzIk h. < iiien Genetiv zu verstehen); 
zu 16, 16, 11 hat Nipperdey tleii GiiHid angegeben, warum hier 
unter yuateritas der iNacIiruhni, nicht die Nachkommenschaft zu 
Terstehen ist.- 

Abweichend ?od Greef bin ich geneigt, 2, 46, It quod als 
„dafs" zu fassen (G. „wml** unter Erginxung von ems rH su 

paenitere). Zu mhura 13, 39, 8 ist ohne Bedenken castella zu 
denken (G. zieht es vor, minora substantivisch zu fassen). Ebenso 
sicher hin ich, dafs patrem 1,50,6 den Scgestes als Vater der 
Thusnelda bezeichnet, was G. nur für möglich erklärt. Seine 
ersle Deutung ist nämlich die, dafs pater hier gleich socer sei, als 
dritte ialst er die Möglichkeit zu, daf.^ das Wort hier zugleich den 
Vater und den Schwiegervater bezeichne. Pellicere mit dem 
Dativ wäre eine unerhörte Konstruktion: aduUerio 4,3, 10 ist 
Ablati?. 13, 14, 11 per inimiat mairie bat Bötticber richtig er- 
kürt „unter Kränkungen der Mutter^*; Pfitzners Erklärung (der 
6. folgt) ,,dorcb das Unrecht der Mutter" wird dem Ausdruck 
iniurias nicht gerecht, statt dessen man scelera erwarlen möJste. 
1, 75, 8 fasse ich per honesta lieher modal als kausal (G. „aus an- 
ständigen Anlässen"). Der tirund, \ve?bnlf> G. in dem Artikel 
permde das Verfahren Nipperdeys bei der llntsrlieidung der Frage, 
ob perinde oder proinde zu schreiben sei, an vier Stellen (4, 17,5. 
6, 7, 17. 12, 40, 24. IV 36, 4) mit Ausrufungszeichen begleitet, ist 
mir nicht klar geworden. Denn dem zu IV 20 aufgestellten 
Prinzip, wonach proinde entweder festzuhalten oder in perMe zu 
ändern ist, ist Nipperdey auch an jenen vier Stellen, an denen 
ja eine Vergleicbungspartikel fehlt, treu geblieben. Agr. 37, 20 
spricht die Voranstettiing der Worte rarioree efhm doch wohl fAr 



218 



Jahresberichte d. philolof. Vereins. 



die Annaliitie eines Zeugtnas in persultare, die G. nicht für nötig 
hält, vvälireiid 20, 7 popularetur wohl am besten absohit gefafst 
und auf die Ergänzung eines Objekts ganz verzichtet wird. 

Einige anderi Stellen machen die Entecheidung sehwierig 
oder unmöglich. 1, 24, 10 weist G. die NIpperdeywhe ErklitiiBg 
der Worte periculmm p'offmmiim^ fttttnUUar ab und erkttit 
sich fdr Rötha Deutung ,,der den andern ihre AuasichtAn, die 
schlimmen und die guten, vor Augen stellen sollte". Ob prAt- 
cipis parentm 4, 34, 9 den Vater oder die Mutter des Kaisers 
bezeichne, ist nicht leicht zu sngen. Sicherer ist, dafs 12, 6, 9 
unter parente^ Hie Eltern, niclit die Väter zu verstehen sind; vgl. 
Nipperdeys liemerkiin? zu der Stelle. Zweifelhaft ist ferner per- 
ferret 1,26, 2 („ulierbringen" oder .,ausriclil*'n"?). Nipperdeys 
Erklärung („ausrichten") scheint durch das unmittelbar f(ilgende 
empfohlen zu werden. Ob 3, 34, 9. 13, 6, 16. 50, 12 plam eine 
konzessive Kraft habe, wie Nipp, will, wage ich nicht zu ent- 
scheiden; 6. leugnet es. Anch das mufs zwaffeUiaft bleiben, iA 
poma 2, 8, 9. 11, 2. 13, 7, 5 eine Bröcka oder mehrere be- 
teicbna. 

Man sieht aus diesen Beispielen, wie hohe Aufgaben das 
lexicon Taciteum sich gestellt bat und erfüllt, ein Werk, welches 
dem Leser des Tac die mannigfachsten Fragen der Interpretation 
vorlegt, manche wohl gar sum ersten Mal xum BewnfstseiB 
bringt 

Anzeisre des 10. Heftes Arch. f. lat. Lex. V Hl S. 288, des 
9. (s. eleu letzten Bericht unter Nr. 58) von Ig. Prariiuier, Zeitschr. 
f. d. öst. Gymn. 43 S. 939 und von Ed. Wolff, N. Phil. Rdsch. 
1892 S. 409; des 8. und 9. von llelmreicb, der einige Beobach- 
tungen über das Vorkommen oder Fehlen gewisser Wörter 
mitteilt 

23) Reinbold Macke, Die römischen Bigentttnen bei TaoitnS.iV. 

Frogr. Haderslebea 1893. 18 S. 4. 

Dieser vierte und letzte Teil der Untersuchung, deren drei 
erste 1886, 1888 und 1889 in Hadersleben erschienen sind und 
in diesf'n Jnfiresbprichten Erwähnung gefunden haben, unterwirft 
die eiiizplnen bei Tacitus vorkotimiHiiden Pränomina einer geson^ 
dert 'ii li( trachtting. M. beginnt mit den selteneren: Appins, 
Manms, Deamns, Servius, und schliefst mit den häufigeren : Pubiius, 
Marcus^ Lucius, Gaius, von denen die drei leuien infolge Raum- 
mangels eine etwas mehr summarische Behandlung erfahren haben. 
Die in diesem vierten Teil gegebenen Znsammenatellungen bringen 
manche Ergänzungen zum dritten Teil Es wird femer festgestält, 
dafs auch in Bezug auf die Schreibung der Pronomina die hand- 
schriftliche Oberlieferung, welche M. sorgfältig verzeichnet, in den 
beiden gröfseren Werken des Tacitus zu den guten gehArt; denn 
169 uberwiege durchaus die der richtigen Schreibweise entsprechende 



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Tieitvs, vo» G. Aadretea. 



219 



Abkürzun*? der Vornamen. Aufnilli^' sei (\er 17 mal ausgeschrie- 
bene Name Titus Vmius (e& darf hinzugelügl wenirn, dafs bei 
diesem Manne auch schon die bei wiederholter iXeiinung fast 
regelmälsige ISichtauslassung des Vornamens bemerkenswerl isl) 
und der ausgeschriebene Vorname Ganis in einer formelhaften 
KonsolaUbezeichnuDg XIV 1 (eine Besonderheit, die sich wohl 
derans erkUrt, dafs es steh hier nm den Buchanfang mit einer 
umfangreichen und Terzierten Initiale handelt). Von den tlnter- 
schriften des 1., 2. und 3. Buches der Annalen sind, wie hier 
berichtigend bemerkt sein möge, nur die erste und die dritte ^nnz 
von erster Hand: in der des 2. Buches rührt der Name P. Cor- 
nely, wie schon Studenmnd (Hermes 24, 232) ge.^chcn liat, von 
eiuer späteren Hand her. Wenn ferner M. nactt ilillers Ver- 
sicherung angiebt, dali^ Iii 30. 48 (bei der ersteren der beiden 
Erwähnungen des C. Caesar). 52. VI 38 in der Abkürzung des 
Vomamens fifoAis 'C- in 'G' geändert sei, so bemerke ich, dafs 
nach meinen Beohachtnngen an keiner dieser Tier Stellen eine 
Korrektur vorliegt: es iiai von Anfing an * 6r* SdttttHnis, 'G' Com^ 
iori, G' Sulpiäus, 'G' Graccho dagestanden. 

Zu jedem Pränomen, die letzten aufgenommen, bei denen 
der stärker anwachsende Sii fr zn einem abgekürzteren Verfahren 
nö!ip;te, hat M, die von lac. j<enannten Personen, dn' es f;elragen 
haben, auch diejenigen, die Tac. selber nicht mit dcni Vornamen 
nennt, verzeichnet und auf alle Kigentümlichkeitiui des dehraucbs 
aufmerksam gemacht. Adjektivische Bildung und Ableitung findet 
sich bei den Vornamen Appius, Tiherios nnd Gains (aufser Äppia 
via und via ippta: Appianae eaeiu XI 29» TtberioMm domum H. 
l 27, fioMiiariiiN ixpeiiUonHm H. IV 15), ?on denen der erste anch 
als Gentile vorkommt, während die beiden andern als Kaiser- 
namen selbständig geworden sind. Solche Adjektivs abgeleiteter 
Form stehen, entsprechend der Stellung des Vornamenc selbst, 
stets voran. Mi! dem Vornamen Appius findet sich unter den 
Männern der Kaiseizeil bei Tac. nur einer, und zwar kein Klau- 
dier, sondern ein Junier, der Konsul des J, 28. Als (jeiilile (wie 
es scheint) gilt dieser Aame in Appius Äpinanus (A. II Ib). Dies 
ist der einsige Fall dieser Art bei Tac Vergl. die singulare Zu- 
sammenstdlung von Pränomen und Gentile in der Verbindung 
Appmm et Calvuhm VI 9. Auch Serrius wird, wenn auch nicht 
in demselben ausgedelmtcn HafiBe, von Tar. als ein Gentile be- 
bandelt, wenn er H. II 48 sagt post Julios, Claudios, Servios, Was 
den Namen des Kaisers Tiberius belriirt, so ist M., da Tac, um 
Tiberius nicht als Vornamen zu verdunkeln, sogar das praenomen 
imperaloris bei diesem Kaiser nachstellt (A. I 38). geneigt, in der 
Bezeichnung Caesar Tiberius H. II 95 wegen der ungewöbnlichen 
Nachstellung des Kaiserpränomens mit iNipperdey und Ritter eine 
Interpolation .anzunehmen. Titus, der Sohn des Vespasian, er^ 
hält im 5. Buche der Historien 2 mal (1 und 13) als selbständiger 



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220 



Jahresberichte d. philolog. Vereios. 



Bef( liMiaber im jüdischen kriege den Prinzenlitel Caemr Titus. 
Die liildung Flaviams findet sich in den drei ersion Bucht ni der 
Historien; hernach trilt Vesp.iäian als Alleinherrscher in den 
Vordergrund, und jetzt beifst es (IV 38. 70) in parie$ Yespasianl 
Ein Beltcner Fall liegt XII 64 vor. Hier wird der Vater Neros 
Cn, Pomilnif Ahenoharbtu allein mit dem Vornamen beieicbnet 
Ritter fiigle den Geschlechtsnamen hinzu, nach Mackes Urteil mit 
Unrecht. Ver^^loichen läfst sich nur H. IV 10. 40, wo der vorher 
genannte P. Celer dreimal Publius genannt wird. Aber einerseits 
ist Xlf 64 Cn. Domitni? nicht vorher genannt (sondern nur dessen 
Schwester Domilia lipjiida); audercrseitii ist auch das auf Gnaei 
folgende maritt verkehrt oder mindestens ungenau; denn man ver- 
langt prioris inaräi. Dalier habe ich in der neuesten Auflage der 
Nipperdeyscben Ausgabe die Vermutung ausgesprochen, dafs eine 
LOcke vorliege und Gnaei Dmüi, pri<ni$ marHi ehu zu schreiben 
sei. — H. I 15 nimmt M. die Oberlieferte La. SvlpicioB ae LvtaSim 
deewra, wo das Fehlen von gentis oder familiae bei Tac. einzig 
ist, als gerechtfertigt durch den höheren Stil der Hede, in Schutz. 
— Zu dem Namen Publius Gallus XVI 12 bemerkt Nipp., die 
Verbindung des IVanomens mit dem Cognomcn sei auffällig. M. 
wundert sich über diese Hemerluing, nicht ganz mit Unrecht. 
Was Nipp. ;iuf}iih"g fand, war wohl die liezeichnunt? des Mannes 
durch den Vornamen und den so sehr geläufigen Beinamen Gallus, 
Ich kann daher die Vermutung, dal's der Mann Rubrius Gallus 
hiefs und Tac. so geschrieben bat, nur billigen. 

Eine Art Ersatz des Pronomens liegt in dem Ausdruck öii^ 
Linhthts A. III 59 vor. Häufiger haben diese Geltung die Wörter 
dictator (9 mal in der Verbindung dietatw Caesar), imperator in 
der Bezeichnung des Regenten, und namentlich divus (am hau- 
ligsten in den Yerbindiinp;'Mi flwnff JnJivs und dtvm Augustus). 

M. hofft, seine tihcr vier i*rogramme und einen Zcitrnum 
von sieben Jahren verstieuteu L'uLersuchungeu bald überarbeiuu 
und dann gesammelt, gcoi dnet nnd vervollständigt heraiisgehen tu 
können. Die Ausfüln ung dieses Plaues wird vor allem die zur Zeit 
noch mangelhafte Obersichtlichkeit des Dargebotenen fftrdern. 
Schon jest aber haben Mackes Üntersncbungen, wie er mit Recht 
sagt, geteigt, dafs das lexicon Tadteum, um seinen Zweck ganz 
zu erfällen, einer Ergtazung durch ein Lexikon der Eigennamen 
bedarf. 

Mackes Beobachtungen über den Gebrauch der Personennamen 
bei Tnr. !;issf'n ?ir!i noch durch eine V\)\]r von Einzelbemerkun2:f n 
vermehren. Lhiige solcher Punkte mögen, wie sie sich darbieten, 
hier gestreift werden. Sehr gebräuchlich bei Tac. ist die Wieder- 
holung des Eigennamens, wo ein hinweisendes Pronomen {ts oder 
ÜU) der Deutlichkeit durchaus genfigen wfirde. Zuweilen wSre 
statt des Eigennamens eine Verwandtsehaflsbezeichnung zu er- 
warten , z. B. Ann. II 75 At Agrippina . . . asemÜt dastm am 



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221 



rhmihus Germanici (st. mariti) et liberis, tniserantibus cunctis u. s. w., 
Wo T jc, indem er Germanici sagt, sich offenbar aui den Stand- 
pimkL des l'ubiikufiis steiU, voa dessen Mitleid er zu reden im 
Begriff ist; II. II 1 prosperae Vespaniani (st. palris) res und sin 
Vespastanus (st. pater) rem publicam smciperett wo patre ßium 
unmiudbar forhergeht. Ober Stellen , wie Ann. IV 13 eiutdmqui 
aimmu C. Graeehus. Sunt comium taiM iidmodwn mfamm 
pater S$mproniu$ in iiuuhm (krcmam tuUrat, wo neben pater 
der Marne Aberflässig ist, bat iNipperdey in einer trefTlicheu An- 
merkung zu dieser Stelle gebandelt. Es hängt dieser Gebrauch 
mit einer auch sonst, wo es sich um Verwandlschaftsbezeichnungeu 
bandelt, hei Tacitiis beliebten Fülle des Ausdrucks zufjanmun. 
Hierher gehört der Zusatz von patre in Skllen wie iiberlo Caesaris 
patre genitus XIII 12, T. Ollio patre yenüa Xlll 45, ferner Aus- 
drücke wie Uber in meis ... ex quibud L)i. Piso . . . M, Hso III 10 
und JT. S&mii fratrü polentia Iii 24 (vgl. XIII 1 /im» Atlant' . . . 
fraM inu L Säano), wo doch Gimwiu, Marau, Mord mit Aus- 
lassung des Cognomens genügen wurde. Vgl. auch II 85 exaetum 
er a TitidiQ Labeone, ViudiaB marito, cur in «xore u. s. w. statt 
des einfacheren exactum et a Titidio Labeone, cur m uxore Vietäüt, 
und III 34 comiptos saepe pravitatibus tixorum maritos statt cor- 
ruptos miälos pravitatibus tixorum. Dies»« leiztf ie Stelle erinnert 
an die bei Tac. beliebte Bezeichnung der Gegenseitigkeit in An- 
gaben über die Verwandtschaft, einen Gebrauch, dem auch das 
viel besprochene gener awisus iuimici soceri angeiiört. Die Ver- 
wandtscbaftsbezeicbnuugen haben überhaupt bei Tac. manche Be- 
sonderheiten, welche zu sammeln und den jeweiligen Intentionen 
des Autors entsprechend zu deaten sich lohnen würde. 

Wiederholt nennen sich bei Tac. die redenden Personen selber 
bei Namen, aber natürlich nur die hervorragendsten, wie Germa- 
nicus, beide Agrippinen, Otho. — Auch die Ausdrücke für 'Name' 
und 'nennen' und die Formen ihrer Anwendung zu sammeln, 
wäre keine undankbare Aufgabe, zumal jetzt, nachdem Mipperdeys 
ohne Zweifel riditige Ansicht, dafs Tac. cognomentum (und voca- 
btUum) mit nometi gleichbedeutend gebraucht, bestritten worden 
ist. Eis würden hier auch singulare Ausdrücke, wie Ann. II 55 
vt ssmone vulgi parmu legumum haberetur (s. Nipperdeys Be- 
merkung zu der Stelle) ihren Platz finden. Endlich weise ich 
darauf hin, dafs Tac. nicht selten die beiden Namen, mit de- 
nen er eine Person bezeichnet, durch zwischengeschobene unbe- 
tonte Wörteben von einander trennt, und zwar meist das Nomen 
und Gognomen, seltener das Pränomen und das Nomen oder 
2 cognomina. Am hriufif?stRn wird so quoque eingeschoben, >el- 
lener («e) qmdem, inäe, ih'inäe, hinc, interim, oder FronoNuna 
wie II. II 72 Scribonianum ite Catnetinum ferem, III 66 Fabium 
Ulis Yalentem* 



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222 



Jahresberichte d. phiiolog. Verein«. 



23) ft. B. Steele, Chiasmus ia Sallust, Caesar, Tacitus aod 
JustiuQs. A Di8«ertatioa preseoted for the degree of doctor of phi- 
tosopliy in the Joboi Hopkins nnivertity 1890. Northfield, lim., 
preis of independent pablUhiBg Co., 1891. 61 S. 

Wer den Wechsel zwischen Chiasmus und Anaphora in der 
Übersicht fiber die Ereignisse, die den Gegenstand der Historien 
bilden sollen, H. I 2 beobachtet oder Stellen betrachtet \ ic A. II 
54, 2 tum iXHttma Asiat BarnUhumque ac ByMOiiUiim, Thraedas 
urhes, mox Propotitidis angnstias et os Ponticum intrat; XIII 2, 4 
Burrns müüaribus curis et severitate morwn, Seneca praeceptis elo- 
queraiae. et romitaie honesta; XVI 0, 7 Cmsivs opthm vetmtis et 
(jravüau moinm, Silanus claritudine yeneris et modesta iuventa 
yraecelhhant , wird dem Verfasser dieser Dissertation gern zuge- 
stehen, dafs Tacitus sich durch einen „skillfui use of chiasmus** 
auszeichnet; die Tabellen aber und die in Ziffern ausgedrfickten 
Belege för die Häufigkeit dieser rhetorischen Fignr und ihrer 
Arten bei jedem einzelnen der vier in Betracht gezogenen Histo- 
riker wird er ihm gern erlassen, znmal wenn er sieht, dab 
manche Stellen als Beispiele des Chiasmus mitgezählt worden 
sind, die es ihrer Natur und ihrem grammatisclien Znsnmmrn- 
hange nacli nicht sind, ^^ie G. 37, 2 parva nunc civilas, sed gioria 
ingens (denn hier ist gioria Ablativ); Agr. 41, 4 gioria viri ac 
Pessimum inimicorum genus (denn die drei letzten Worte stehen 
mit den beiden ersten nicht auf einer Linie, sondern bilden eine 
vorausgeschickte Apposition zu dem folgenden hntdtnUes); A. 161, 6 
maesta (so citiert St. statt maestos focos) msuqw ac memoria de- 
formis (wo St. irrtOmlich t>isH mit maesfos Terbindel), XY 61, 11 
nihil triste in verbis eim out vultu deprentim (wo er ebenso falsch 
die beidfii Nomina auf triste und depremum verteilt), A. VI 46, 21 
und H. III 28, 4, wo er die chiastiscbe Anordnung der Worte suo 
und alieni, sua und pessiino notieren müssen glaubt. Hierbei 
sei bemerkt, dafs viele Citate durch Drucklehler und durch un- 
absichtliche oder absichtliche (d. h. solche, die den Zweck haben, 
die Worte, auf die es dem Verl. ankam, hervortreten zu lassen) 
Verstömmelungen entstellt sind. So eiüert er Agr. 32, 13 pamot 
numero, twmim tnj^dos mit Auslassung von ipwrantfyi; H.II 
45, 13 spe» ei praemia m embigua (st. m amhigw)^ certa fimera 
ohne et luetns; III 24, 12 quis alitu imperator, quae alia castrOt 
was ja gar kein Beispiel des Chiasmus wäre); A. I 42, 11 hostium 
ius, Sacra hgationis, fas auclorüads (st. gentium] die Veranlassung 
zu diesem VerseiH'ii fjab das vorausgehende ancl07ita<i\): H. (nicht 
A.) IV 34, 23 retinere lorxm . ferire hostem $e laudare (st. seque 
et proximos hortari) et mamis lendere. 

Dennoch lohnt es sich , aus der Materialsammlung des Verf.s, 
die nach den Wortarten (Adverbia, Adjektiva, Pronomina, Nomina, 
Verba) geordnet ist, einige Ergebnisse mitzuteilen. Der Chiasmus 
ist bei Caesar und Justin minder häufig als bei Sallust und Tac., 



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I^aeilng, von 6. Audreaaii. 



und bei dem letzteren gebräuchlicher, als mau nach Draegers Ur- 
teil Synt und St des Tac. § 235 glauben sollte. VerhältDismftfsig 
seltener sind die Beispiele im Dialogus und in der Germania, in 
welchen die Anaphora prävaliert; reichlicher im Agricola, in den 
Historien und Ännalen, die alle denselben rhetorischen Charakter 
tragen, lo den Beispielen chiasüsch zusaiumengeslcHter Paare 
von Adjektiven und Nomina überwiegt bei Tac. die Auurdnung 
Adjektiv: Nomen — Nomen: Adjektiv über die Anordnung Nomen: 
Adjektiv SS AdjekU?: Nomen, besooders in den Fällen, wo die 
Nomina von den Adjektiven abhängig sind. In der Verbindung 
von Nomina und Verba prfivaliert bei Tac, wie bei Caesar, die 
Anordnung Verbum: Nomen = Nomen: Verbum, eine Erscheinung, 
die St. auf das Bestreben zurückfülirt , dem letzten Verbum die 
Stellung am Satzende zu reservieren. Modo-modo steht bei Tac. 
25 mal anaphoriscb, einmal chiastiscb: A. Xli 1, 9 huc modo, modo 
iUuc (vgL Wölfllin, Archiv II S. 233). 

Die zweite der im lelzlen Bericht unter Nr. 59 erNv ihuten 
Schriften von A. Czyczkievvicz wird besprochen von ig. Praai- 
mei, Zeitschr. f. d. öst. Gymn. 43 S. 1136—1137*); die Schrift 
von Ludewig (ebd. Nr. 62), von J.H. Schmali, Barl. Phil. WS. 
1892 S. 1133-1135 („Wertvolle Resultate") und von Weyman 
in den Bl. f. d. bayer. GSW. 1892 S. 418 („Verdienstlich^^); der 
Aufsatz von Uhlig (ebd. Nr. 64) von K. Löscbhorn, Berl. Phil. 
WS. 1892 S. 1553—1555 (lobend); Valmaggis Studie über den 
Archaismus bei Tac. (ebd. Nr. 66) von L. Cantarelli, Biv. di fil.21 
S. 172—174 („sorgfältig''). 

24) Scheuers Untersuchung über die HandschnlLen des Dialogs 
(ebd. Nr. 69) ist angezeigt von C. John, Herl. Phil. WS. 1S92 
S. 1015 (in zweifelhaften Fällen müssen der Grundsatz gelten, dafs 
die Treue auf Seiten von X aei, die Korrektur bei Y), von 
A. Gudeman, COass. Bev. VI $.316—318 (G. revidiert die Liste 
der 91 Stellen, nach denen S. den Wert von X und Y bemifst; 
seine Streichungen indem Scheuers Schlufsergebnis nicht wesent- 
lich), von Ig. Prammer, DLZ. 1892 S. 562 („solange nicht ältere 
und vollständige Handschriften an das Tageslicht kommen, wird 
der Text des Dialogs immer nur ein elendes Wrack hl^ihen, das 
den armen Leser mit einer ll ihe von grausamen Hatsein plagt 
und martert"); Helmreich: es werde auch in Zukunft ein mehr 
oder üuiider eklektisches Verfahren nicht zu umgehen sein. 



^) Alle lirci yn» Hflnireich (in dem ersteu Teil der ersten Schrift jbabe 
Cz. zwar Uraegei , aus dem er schüpf'e, vieltacb ergäuzt; doch sei aaeh ihm 
Mflk niiacbes eotgaogen; dazu komme manifelliifte Kenntnis der Litteratnr, 
ongeoaue Cttate nod andere Flüchtigkeiten; von dem im 2. Teil besproche- 
nen spracblicheo £racbeiaaogeo seien nur wenige speziell den Dichtern 
eigen; die «weite Sdirift sei fast oime allen Wert, weil «ieii Verf. mat die 
aeehf letsteo Bielier der Aaoalee besehrSniie). 



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224 



Jaiii eab eric hte d. pbilolog. V ereiuK. 



Die Piograiniiiaibeit des Uefereotea über die Codices Me- 
dioei (eb, Nr. 70) ist angezeigt von Ig. Pmnnier, Zeitschr. f. d. 
58t. Gymo. 43 S. 569 und DLZ. 1892 S. 1108, von Th. Opitz, 
WS. f. kiass. Phil. 1893 S. 39, vou E. Wolff, ebd. S. 235 und 

N. Phil fldsch. 1893 S. tl6"-il9. Opitz zweifelt, ob Tacitm 
IV 40 wirklich te imntum perrumpunt geschrieben habe, und möchte 

ad vor te einscliieben, währfTit! Wolff III 15 ne quo adfectu per- 
rumperetnr vergleiclit. Beide verweilen exilii XVI 14, Opitz hean- 
standci endlich templum fecundüatü XV 23 und verleidigt inpu- 
nitalis cupido XV 50. 

IV. Kritik und Erklärung. 

25) H. J. Heller, beitrüge zur Kritik nnd Krkläroiff der Ttei- 

Uischeii Werke. Pbiiuiogus 51 (1892) S. 316— 350. 

Eine grofse Zahl meist wertloser Vorschläge. Von denjenigen, 
die den Aiinalen gelten, clfirften nur etwa folgende zwei Beach- 
tung veniiiiien: 128, 4 qiiae properent (wenn H. sagt, qua per- 
gerent sei schon deshalb nicht statthaft, weil die Suidateu nicht 
auf einem Wege fortfahren könnten, den sie eben erst zu be- 
treten aiiliügei), so vcrkeunl er die beJeuLuog von pergere); 
Ii 36, 3 utque, quum legimm legatU qui , , , , desidiarettittr, prAi- 
eeps . . . nmiMTti {pnvm = quoniam; Am =: eo ipso quod 
legati essent; amua de»puUume gehe nicht auf praUen* detU- 
nanniur, sondern auf candidatos nm^üuwet ztaHick ; denn designare 
sei »,auf das folgende Jahr bestimmt ernennen", destinare „lange 
im voraus für ein Amt ins Auge fassen"). — Die übrigen sind: 
i 59, 13 s'irerdotium numimm (Gegensalz zwischen den di pattii 
der Germanen und solchen römischen numina^ zu deren Rang 
auch Menschen nach ihrem Tode erhoben wurden); 1 65, 15 m 
Varm, en (uder ecce), eodemque\ Ii 8, 7 quod non subvexit et („und 
dann'*) transposuit mitErnesti; 11121,6 non amplms quadiingeiUi 
(das Zeichen || bei Ritter bedeutet, was H. verkennt, nichts 
weiter als das Zeilenende); III 37, 7 htdi proeuraHimibui st. aedi- 
ficatümibus; 66, 12 praepoUebiU („fibertänchte**: über den Sinn 
von prae in diesem neuen Verbum schweigt H.); IV 13, 7 ob 
atrodtatem exemplonmi (nämlich ab eo edilorum = poenarum); 
14, 5 ealmus (bis dahin, nämlich bis Samos), qua tempestate\ 
2G, 7 et culpae praema (colJ. \l 29 praesciam criminis et accusa' 
tori^a : 9 eo; vetmto mos eoque missus; 65,4 cum auxilium a populo 
Hümano ejflagüavisset (mit einseitiger Berufung auf Glaud. Tab. 
Lugd. I 17); VI 29, 11 criminum vi urgebatur (woraus zu male 
admnastratae printmme ein Begriff wie conmctus trat zu ent- 
nehmen sei), 31, 19 «f sjMmfe Coesarninacb der Hdschr. : „sowie der 
Zustimmung des Tiberius'S die zu dem, was auf partbischer Seite 
den Phraales unterstätate, noch hinzukomme; denn unter dem 



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TacilDt, von G. Aadrete«. 



225 



auctor sei ein bedeutender Mann uater den Parthern zu verstehen; 
\l 10, 2 imhiahat (das Tac. doch nur mit einem Dativ verbindet); 

23, 17 g«t Capitolio et arce Bomana mnnibm jnaionm flemum 
(„nicht durch Kliit nvht vor düii liötteru") propiäsati sitU; 
2S, 4 excidcaverii ,,i:t in( iii LM*ni;Hht lialM'": 11^), 12 Lücke nach 
Homanif dann qaut uiu ctnquc iKiitidi miifiii ae ntas juit \ XII 27, 7 
de induslria (um die ÜtuUchcn tiurch die Deutscbeu äciiiagen zu 
lassen) deligü (wie pafst dazu der Zeit nach mofiöas?) P. Bm- 
pmikt', 36, 11 fhahrae e ro/^ui^u^ (nämlich pendentes); XIII 26, 5 
tUe • . • cotiniteiir üuer foueoB u. a. w. nach Halm; dann: inte»- 
dm$a, aUi (die Freigelasaenen) ntro mpubr»» vdui poenam num 
dissuadentes; 41, 14 cuncta ixtra ac Uetü tenm; 42', 22 ac su- 
dando partam ; 44, 15 exim quasi incenstts „da mit einem Mal, als 
wenn er nun erst in Aufregung geraten wäre"; XIV 7, 7 nisi quid 
Bnri'us et Setfera expedirent adgnoscenti (= conlitenti), quos statim 
acciveiatp inceilHm an et ante iyuaros; 11, 1 /rwsfra pro/o/a („hin- 
gehalten'') 51^; 16, necdum insiyms facta: Iii utm tum comidere, 
8imul\ 20, 19 an ipsos oflicia auyurii^) et decurias . . . expleturos 
(neben den Rittern mOfote auth der Senat erwibnt sein; ea 
sprachen hier die Auguren und solche, die es su werden bofFlen); 
38, 10 smUtptB praeferocis tmim tardius; 54, 13 nisum faO^ 
regimm („auf die Hoheit der Macht gestützte Herrschaft**) i 
quiet$ resipüeere; 58, 12 otü suffugium; 60, 15 his rumor, tam- 
quam Nero , . . revocarü Octaviam; XV 13, 8 veqve eandem vim 
Samm'ttbus , Italicu populo, aut PueniH, Romani imperii aemulis (ac 
Parthis ergänze sich von >f'|})st: zu. Leiden Ajt|H»Miioneu »ei quam- 
quam zu denken); oO. (> qmn eum nm viles praeslaiitum'S 
libertus) habere; 3b, 14 (essa aevo aut rudis pueritiae aelas\ 
44, 20 odfixi; aut flamma exmmumdt, (Ufiie . • . liM^tii, «neroHiir; 
51, 16 ne^e temUui qvod {maie9tati$ /um€t gwmdain) mauere; 
54, 12 partt habMtque (i. e. secum: Milichus sollte den Scaevinus 
begleiten); 74» 15 quae quortmdam dolo ad omina sui exitus ver- 
Umvr „eine göttliche Verehrung, welche durch die Hinterlist ge- 
wisser Leute als VorbedeuUingen (so) seines eigenen l'nlerfjangs 
aufgefafsl Nveiden oder »laxü ausschla^'en sollte'' — alü Gedanke 
des iSero; XVI 21, 7 ludis tum (oder hüce) castis. 

Es folgen die Vorschlage zu den Historien: 13,5 fessima 
st. tiecessüas (ü. i. die mit der liinncliLuug verbundenen lirausam- 
keiten und Beschimpfungen); 70, 17 adtertus P. Petronium t6t 
procuraiorm (ein cognomen scheine nicht zu fehlen, wohl aber 
ein praenomen nötig zu sein !); 71, 9 sed dum hottes (den Yitellius) 
meiuetet, conciliationis adnitem (^)\ 75, 6 omnüm invicem (= contra) 
^^Mirfti nach M : „alle Vitellianer waren dagegen ihnen unbekannt, 
und das trug noch dazu bei, sie zu verraten, da man sie an nie- 
manden als an einen Bekannten sich wenden sah'*)« ^7« 13 insi- 



^) Nicht auguratus'i 
Jalunboridit« XEL |5 



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226 



Jjilires berichte d. philoloi;. Vereiai» 



mulatus: „man hatte Moschus in Verdacht, dafs er den Befehl 
über die Schills nur behalten Jiabe, um die Treue der eigent- 
lichen Führer der Expedition zu überwachen"; II 4, 19 mexperti 
belli atigor (dies umfasse den BegrüF der Eifersucht, zu welcher 
der Genetiv den Grund angebe); 23,20 mm eos utigue Otho prae- 
fecerat (utique enthalte den Grund, weshalb der Zorn d& Sol- 
daten sich nicht gegen Harcius Macer, sondern gegen die Ober- 
befehlshaber wandte); 28, 10 sdi vktariM sane fimüaSf nuTanla- 
culum, wlumm («me deute an, dalüs die Annahme dieser letzteren 
Bedingung allein gerechtfertigt sei; wie W. Heraeus diese Stelle 
in Ordnung gebracht hat, scheint II. nicht zu wissen); 11118,10 
quos miJftfhus Ipfponariis quamqnnm raptim ductos aequabarU „welche 
sie (die V)lelli;inpi i für Legionssoldaten hielten (!), während sie 
doch an dem schnellen Marsch der feindlichen Infanterie hätten 
erkennen müssen, dafs nur IlOlfstnippen der Vespasianer (schreibe: 
Flavianer) ankamen"; die vul^ata mtUti e legionarns sei deshalb 
falsch, weil die Legionen zur Befestigung des Lagers lurückge- 
halten worden waren (c. 15); 44, 4 prodiHt$ (= palam dedaratos) 
erga Vn^anamm fwm\ IV 4, 16 «1 hmwHfiam m bonum prin- 
dfm, ita ipsi magnificam, quippe qua fäba abermit; 29, 0 teiidere 
artius „stellten sich in dichter gedrängten Srlmren xur Schlacht 
auf*; 53, 9 aqua tersissimis (= purissimis) e foiüibus'^). — 1125, 4 
gieiu ff. zu legionum die Erklärung, die man bei Heraeus liest; 
auch suj»'/' 34, 9 fafst er, wie jener, als Präposition und bemerkt 
zur Begründung dieser Auffassung, dafs die ftrmitas pontis allein 
auf den Ankern beruhte. Ferner ist ihm die Erklärung von nO' 
ndna IV 14, 21 und die Konjektur actae Untres V 23, 4 mit 
Heraeus gemeinsam* 

Agricola 19, 16 ac dwiore predo; 27, 7 orte duds facta rati\ 
28, 8 mox ad aquam atque ut illa („dort**, d. i. jedesmal in der 
Gegend, wo sie zugleich frisches Wassor schöpfen wollten) raptis 
se sustentarent cum plerisque; 44, 11 speciosae non contigerant 
nach den Ilss. : „übermäfsigen Reichtum ersehnte er nicht, ein 
anständiges Vermögen war ihm nicht /ti 'gefallen'*. 

Aus den Konjekturen zum Dialogus — die Vorschlage zur 
Germania, welche fünf Seiten füllen, fibergehe ich — stelle ich 
▼oran den Vorschlag, 11,9 die Worte cum quidem sub Nerone . . . 
fregi hinter pmwn zu stellen ; denn nur durch eine Gerichtsver- 
handlung kdnne Vatinius gestOrzt worden sein (aber cum ^MtVfem 
. . . fregi kann sich doch nicht an pmum anscfalieiüsen). Die 
übrigen sind : ctim singuli (Messalla c 25 — 35, Maternus 36—42) 
1107t easdem, sed probabiles cauaas adferrent; 7, 10 st non in caelo 
mturi „ein Hieb auf die Poeten, die so gern ihre Begeisterung 



') Besser O, Edler, Philol. 51 S. 184 aqua e fonühut et rivis amnl- 
busque hausta: „man briTi hte Quell-, Bacb- na4 Flufswasserj die DreiMhl 
war beilig uad beim Kultus üblicb". 



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Taoitns, von G. Andresan. 227 

als dem Himmel entstammend anpreisen"-, 9, 29 se ^pram (Acc. 
des Subjekts) eolere „sich selbst vorwärts bringen*', mum genium 
propitiare „sein Talent fruchtbringend machen"; 10, 33 medi- 
intus videris rJcgi-^^e yermiam et (ein ,,vo!set/,tes" et) notabilem 
et cum auctoritaie dirfifram: 35 hinc ingentes concitrms, ex his 
assefisus; 13, 24 quandotiiw nun faialis et meus dies Vemet (ein 
Vers, vielleicht aus einer iraj^udie des Maternus; auch vixdum 
fmierat MtUermts 14, 1 bilde einen Halbvers); 21, 3 nec unum äB 
populo (sprichwörtlich: ergänze nom^iabo): CanuHos aut MÜm, 
Fimilw amt Tcramet quique . . . exprobrani („einer dem andern 
stiUachweigeDd zum Vorwurf machen**); 25, 9 ä dwän» Cfnor 
ungern, durch den Hinblick aaf die Thatsachen genötigt") fatetur; 
26, 13 sed tamm finqnentmma tarn esT, 'ixdamatio, 2 t «tocrus, 
wie schon Lipsius; 31, 32 Stoicorum artificem, „Fachgenosspn"; 
37, 40 nt secura sibi, aliis dura velint\ 39, 25 et ipsi . . . censeiUnr: 
.,solche Bücher, wie die oben jjenannten, dauern fort, und auch 
die Redner selbst werden am meisten nach solchen Jiüchern ge- 
schätzt"-; 40, 1 1 sine veritate, wie Steiner, nach Plato Gorg. 525 a, 
aus dem auch das Übrige enlnommen sei; vgl. Ann. VI 6 mit 
Phlo Gorg. 524 e; Agr. 4 mit Gorg. 484 d. 

36) Fraaz ZÖchbaaer, Studien zu dea Annalea iIai Taeitai. 

Wiea, Rudolf Brzezowsky, 1SB3. 122 S« 

Wenn ich dieaes Buch in Kürze charakteriaieren sollte, so 
wfirdp irh sagen, es sei in Pfitznerschem Geiste geschrieben: viel 
Scharfsinn, viel Originalitfit wenig StÜüetVihl. Und so steht denn 
die Menge der positiven und bleibenden Ergebnisse der Arbeit 
Zöchbauers in keinem Verhältnisse zu der aufgewendeten Mühe. 
Nachgewiesen hat er nach meinem Urteil nur folgendes: 1 17 
heifst saevitiam centurionum rediniere „die Härte der Centurionen 
erkaufen und aie damit aus dem Besitz derer, bei denen sie 
sehSdlich wird, bringen*'; I 49 dtWaa . . . ßdes „ganz verschieden 
(nimlich: von diesem) war das Bild aller Bürgerkriege, welche 
jemals eingetreten sind'*. I 63. 64 sind die Worte opus, munito- 
rÜm und optranUium auf die Errichtung des Lagers, nicht auf 
die Ausbesserung des Dammes zu bezieben. Diese lelzler«' Arbeit 
wurde al)pr nicht, wie Z. sagt, unterlassen; denn nur auf sie 
können sieh die spHteren Worte be/n Ik n wersaqne hämo et obruto 
qmd efjeclum operis duplicatus militi iahor. U 12 hängen die 
Worte et cemebantur ignes enger mit dem Nachfolgenden zu- 
sammen als mit dem Vorhergehenden: dieser Gesichtspunkt be> 
stimmt die Interpunktion. Aber ein Asyndeton nach fide» und 
eine Korresponsion zwischen et und qw (so Z.) Hegen nicht vor; 
denn er ist bestätigend („und in der That**). IV 26 sind die 
Worte 6f (oder get) eulpae nescia einer Korroptel verdächtig, weil 
es nicht ratsam ist, das Volk der Garamanten von ihrem König 
(dessen Auftreten Kap. 23 geschildert worden ist) zu scheiden. 



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228 Jahresbericht« d. pbiioUg. Vereiat. 

Unter den vorliegenden Verbesseruiigsvorschlägen hält Z. die- 
jenige J. Gronovt» et culpae non nescia für die probabelste. IV 42 
bezeichnet magm adseveratione den Ernst, die Zuversidii, die 
Festigkeit, mit der Aemilius bei seiner Aussage verhairU;. IV 69 
niufs, wie schon l'iitzner getban hat, ein Kolon hinter civitas ge- 
setzt werdeD, «odafs darauf drd Glieder in harmonlacher Steige- 
mag folgen: Trübung des Verhältnisses zwischen den nächsten 
Angehörigen, Mifttrauen gegen andere, Argwohn seihet der 
losen Umgebung gegenflber. Die Herstellung des ersten Gliedes 
ist bis jetzt nicht gelungen -, auch Zöcbbauers Vorschlag osyra msMS 
(M egens) adversum proximos „krankhaft gestörte Stimmung gegen- 
über deu nächsten Angebörigen^* ist nicht annehmbar, hat aber 
den Vorzug, dafs er einen substantivischen Ausdruck »chafTt, der 
deshalb willkommen ist, weil er den Ansihluis an das Vorher- 
gehende aufhebt. V 4 heifst fatali quodam oiotu „getrieben von 
einer höheren Macht". Endlich ist bier noili zu erwähnen, dafs 
Z. iiwoh^imtw I 70 in der Bedeutung „einherwälzen" nach Verg. 
Aen. XIl 688 fafst; IV 32 mit Pfitsner in dem mit ftim quoi he- 
ginnenden Gedanken die Fortsetzung der Begründung des Satzes 
iio6m in arto et inglorius labor (dessen beide Teile auf Ubero igrestu 
zurückweisen) erblickt, die mit immota qw'ppe begonnen ist, und 
IV 33 die Worte ^mi^ms modis temperanter haberetur im Anschlufs 
an Bötticher und Hoth übersetzt: „dnrrh vv«»1rhp Mittel (üe 
grofse Masse in den Sthrankpii der Mafsigung erbaUeii würde". 

Alle üläiigea Autslellunj4<'n srln iiieii mir verfeblt. I 12 sieht 
er in den Worten sed et 6uu confesnione ein BekeniUnis des 
Gallus; Subjekt m aiyuerelur sei der folgende Acc. c. inf. Aber 
abgesehen davon, dafs Gallus nicht ein Bekenntnis abzulegen, son- 
dern eine Oberzeugung auszusprechen hatte: auf die Ansieht, zu 
der sich Gallus bekannte, konnte es in dieser Verhandlung nicht 
ankommen, sondern nur darauf, den Tiberius zu dem Geständnis 
zu bringen, dafs er diese Ansicht teile. Die Frage des Gallus 
erfolgte also in der berechtigten Erwartung, dab Tiberius den Teil 
der Staatsverwaltung, den er für sich nehmen wolle, nicht be- 
zeichnen werde. In der Tbat wich Tiberius der Frage aus und 
eben dadurch legte er das Geständnis ab, dafs der Staatskörper 
eine Einheit sei. Zu ajgueretur ist also Tiberius Subjekt und 
also auch zu divideret. — I 31 erhebt Z. gegen die vulgata vi 
8ua enncta tracturis den seltsamen Einwand, dafs cuncta in dieser 
Fassung nicht, wie sonst, das ganze Reich, sondern das Reich mit 
Ausnahme der rheinischen Legionen bezeichnen müsse. Er hält 
daher an dem handschriftlichen traeturu» fest und febt ntä pro- 
leptisch s^in te. Für den ahnungslosen Leser ist diese Trennung 
von vi und ma wahrhaft überraschend. — Dafs ebd. die Worte 
mtper arto in urbe dilectu sich dem Vorhei'gehenden , nicht dem 
I'nli:<'nden aiischliefsen, hat m. E. Nipperdey erwiesen — I 33 
übersetzt 'L acriores „um so schmerzlicher, verletzender'' (für 



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229 



Geruiatiicuä). Das wäre acerhiora. Die Situation ist oflfeabar die 
von Sen. de ira Iii 29, 2 angegebene. Nach Tacitus* AufTassong 
wufsten Tiberius und Livia, dafs sie von Germ.; den sie wegen 
seiner Popularität liafsten, nichts zu furchten hätten; aber eben 
deshalb wirkte das Vo\\v dieses Hasses um so stfaker, weil sie 
sich scheuten, die (irundlosigkeit des Hasses einzugestehen. — 
I 41 et externat fulei „und zwar um auswfirti'jpn Schutz zu 
suchen": ein sprachlich unmöglicher Dativ. — 3»( i (.rdmikr <p(era 
fors regit 1 lü wäre nur verständlich, wenn der Gtdauke „aniangs 
waltete das consilium consciorum'' unmittelbar vorherginge. Da 
das nicht der Fall ist, so habe ich cmcta fors regit geschrieben 
als eine ergflniende Bemerkung zu eanua in aeetttto im Sinne der 
Uneingeweibten. — JVonitotf fotm I 68 „sie starzen vorwärts 
nadi den GrSben", wiederum ohne sprachliche Analogie. Dafs 
die Germanen „die Wände der Gräben einstärzlen", wurde ja, 
wie das Folgende zeigt, absichtlich von den Römern nicht gehin- 
dert. — Auch offenduntur ebd. hat keine Parallele; über die 
durchaus unanstöfsige Wiederholung {ciramfunduntur — offunduntur) 
s. J. Muller, Beiträge IV S. 1 1 IT. — Numina sind leitende, fuh- 
rende Geister. Dies sind die I-egionsadler , weil sie die Legion 
führen, aber auch die 11 17 genannten, wirklichen Adler, weil sie 
den Wäldern zuflogen, in welchen die Entscfieidung des iage^ 
lag. Niehls ist daher bezeichnender, als der Ausruf des (lerm.: 
sequerentur Romanas aves^ yro^ria Ugionum numina (nuina M), 
wofür Z. einsetzt: propria Ugiomm rvina = propriam legionum 
roinam inferenles. — Wenn man II 23 mit Doederlein nach 
aequor interpungiert, so dafs milU = x*^*^ ^ • <^ würde remts 
ttnpere^ das doch vom Meere gilt, von den Schiffen gesagt sein, 
was weit weniger zu ertragen ist, als die Annahme, dafs durch 
tielts impelli ein mittelbares Inbewegungsetzen bezeichnet werde. 
— II 23 qui tumidis Germaniae terris profundis amnibm immemo 
mihivm frartn validus: „welcher durch die hei dem Reichtum 
Germamens an liefen Strömen massenhafte Wolkenhildung ver- 
stärkt**. Diese Auffassung scheitert an dem Ausdruck Germaniae 
terris (Z. : „Germuniens"j, wolcher zeigt, dafs hier doch wohl 
etwas über die BodenbeschafTeiiheit beulschlands gesagt sein nuifs. 
Ob nun tumidis oder untidis zu lesen ist, ist eine andere Frage. 
Die von Nipp, herangezogene Yergilstelle kann - das hat Z. er- 
wiesen — twmdü nicht stfitzen. — III 42 oMud vulgut obaera- 
fomm «Ml clkntHm „ein anderer Haufe aber, der sich ans Schuld- 
nern oder Hörigen zusammensetzte", entgegengesetzt einem ge- 
dachten ütUgu» e^tiöiim. Mehr empfiehlt sieb die durch trefTende 
Beispiele gestützte Auffassung Nipperdeys, in der vielleicht nur 
statt „die übrigen" zu setzen wäre „andere". — Zu nt mos fa- 
mae III 44 ist in der That ein m maius extoUere Suhjekt. 
Dafs dieser Begriff ans in moitis credita wohl entnommen wer- 
den kann, zeigt H. lY 50 verague et falsa more famae in maius 



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2Z0 



ialire«bericiite d. pbiloio^. Vervias. 



innotuere. Also ist famac niclu Dativ fZ.: ,cinfMn Gerüchte 
gegenüber"), der ciue uQürhürLe künstruktion ergeben würde, und 
zu den acc. c. Inf. ist aus credita zu denken credihm. — III 55 
verum haec nobis maiores certamina ex honesto mamüut: , »indes 
harren solche Streitfragen, die sich um die Tugend drehen, wohl 
bedeutenderer Männer, als ich es bin'\ Aber nicht um die Streit- 
fragen handelt es sich nach Zöchbauers Auffassung, sondern um 
deren Austragung, und dieser Begriff fehlt im Texte. — III 62 
«fem nos servavisse proximos („als die letzten , in der Vergangen- 
heit nächsten' ). Magnetes u. s. w. Da wäre proximos ein müfsiger 
Zusatz und nicht blofs entbehrlich wie froximi hos in der viil- 
gata. — IV 33 delecta ex iis et consociata rei publicae forma. 
Hier fra^^t Z.: Welches ist der zweite Gegeusland, mit welciiem 
das consociare rei p, Jormam stattfindet? Dieser Einwurf wurde, 
wenn er stichhaltig wäre, nicht aikiu consociata » sundera auch 
d/dtm treffen; denn nicht die fwma rei p.y sondern die Elemente 
derselben werden sowohl ausgewählt als vereinigt, um so eine 
neue, gemischte Verfassung herzustellen. ComeUa (so Z.: „durch 
förmlichen Beschlufs eingeführt'') wäre hier ein belangloser Zu- 
satz. — IV 37 promiscis adnlaiimUbus vulgatur „zum Zwecke unter- 
schiedsloser Sclimeiclielei allgemein wird'*, wieder ein unlateinischer 
Dativ. — IV 4*2 in cognitione. Hierdurch spricht Tiberius nach 
Walthers und Zöchbauers Aulfassung das Verlangen nach einem 
Ankläger aus, in der Absicht, sich in einer gerichthchen Verhand- 
lung zu rechtfertigen. Da nicig ich doch lieber an eine Vorver- 
handlung glauben, wie sie auch IV 21 stattfindet, und beziehe 
demnach in eofftUHim auf den Prozefs des VoUenus. — IV 57 
IntraSque st. huer qwu* Das letztere sei hier unmöglich, weil es 
nie plötzlich eintretende Ereignisse anknöpfe. Aber was hindert 
uns, es mit den zunächst folgenden Worten diu . . . ccnsilio zu 
verbinden? Die neue Lesart ihrerseits rr^iibt eine unerhörte 
AnknüpfuiF^' und Wortstellung. Auch handelt es sich nicht um 
die AnkunlL in Kanipanien, sondern nni die Abreise dahin. — 
Ebd. kann plenituque permoveor nicht ebenso gesagt sein wie bei 
Cic. pro Cluenliü 104 adducti sitnt, weil es seinem Begrifle nach 
einen Zusatz, der das Ziel bezeichnet, nicht vertragt. Die durch 
den Fragesatz ausgedröckte Unsicherheit ist eine Wirkung der mit 
permoveor bezeichneten Erschütterung. — Ebd. eaeoitiam ac Ubi- 
dxiiem emn facta prmerei Uds oecuUaHt „da er seine wilde Sinn* 
lichkeit an versteckten Orten zu bethätigen pflegte". Da mubte 
man statt occuüaiis verlangen oceultis und statt factis promeret, 
welches deutlich einen Gegensatz zu locis enthält, einen einfache- 
ren Ausdruck wie exerceret. — Ebd. hat Cron allerdings die 
Stellung des Satzes et Rhodt . . . insuerat mit Hecht als aulfallend 
bezeichnet; aber ilin als Interpolation zu tilgen, dazu reichen die 
von Z. beigebrachten l.iuude nicht ans. — Khd. diu putaverat 
„hatte sich lange mit dem Gedanken getragen ' st. duhitaverai, da 



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Tacitus, voo G. Andresen. 



231 



(lubitare den ihm liier beigelegten Sinn nie habe, auch nichl Cic. 
ad Att. XII 49, 1 Irotz ad fam. II 16, 7. Aber wenn wir mit Z. 
annehmen, dals an diesen beiden Stellen t^titgegengesetztes aus- 
gesagt wud, und an der ersteren dubüare — „zögern" setzen, wie 
findea wir uns daan mit dem Aiuraf o Um^a ab, der docli 
auf eine für die Zeit, nicht filr den Mann charakteristische Er- 
scbeinang hinweist? Und dafs aach eimami bei Tac. IV 42 den* 
selben Sinn hat wie IV 57 MUam, zeigt der Zusatz von tum; 
denn dafs dieses zu emctantm, nicht, wie Z. will, zu perpulit 
gehört, beweisen die zahlreichen ähnlichen Stellen, die man im 
lex. Tac. S. 720 und 72 t ecsaimriplt findet. IhUare aber ist in 
der von Z. hier angenomiiieuen Bedeulung jedenfalls dem Tac. 
fremd — IV 60 diversae insuper sollkitudinum jminae ariebantnr 
„so äufserte sich die darüber (infolge dessen) entstandene Er- 
regung in entgegengesetzten Erscheinungen". Dieselbe Bedeutung 
habe äistiper IV 70 (wo Pfitmer m. E. das Richtige angiebt). 
Agr. 22. Suet. Tib. 1. Wir kommen, wie an diesen Stdien, so 
auch IV 60 mit der Bedeutung „obeneb** aus; denn hier be- 
zeichnet es die üblen Wirkungen, die das im Vorhergehenden 
Berichtete noch ohenein, d. h. für die dem Nero Begegnenden 
hatte, jedoch unter Ausschlufs drrpr. qni Setano fautorea afhrant 
(Z. : ,, welch«; der Fahne des Sejan folgten"); denn diese waren 
nicht solliciti. Dann steht diversns hier allerdings nicht in seiner 
strengen Bedeutung; aber diese ist auch an anderen Stellen aus- 
geschlossen, s. lex. Tac. S. 305, nanientlich I 18, 1. H. III 33, 14. 
— IV 69 retinentur st. reticetUur, 70 adiecit st. adiecto (M adiecti)^ 
beides nicht fiberzeugend. — V 2 seien die Worte «iM mntaia 
amoenitate vÜm dem Tiberius in den Mund zu legen. Dann aber 
würde nicht eine Ändening, sondern eine Unterbreehnng der 
Lebensweise zn beseichnen gewesen sein ; d. h. man mfifote ^ 
termi$itt statt mvtata verlangen. — VI 1 besiehe sich soosa et soJi- 
tiidinem auf Capri, nicht auf Tarracina, degressris auf das Herab- 
schreiten vom Schüfe. Ich weise nur darauf hin, dafs dieser 
Begrilf regelmäfsis: durch egredi oder exirp tregfben wird. - - VI 2 
tum referre Scipiones. Haec et Silam u. i>. w. nach Salinerius. 
Denn tamquam referret sei sachlich bedenklich, da der Kaiser 
immer nur durch einen Senatsbeschlufs befugt werden konnte, 
dem Aerar Gelder zu entnehmen, und sprachlich anfeditbar, weil 
refert sonst nicht absolut gebraucht wird. Diese Tbatsache mufs 
zugestanden werden; was aber den sachlichen Einwand betrifft, so 
lifiit sich entgegnen, dafs das tamquam reflrrü ganz der heiben 

^) Aoch dubüare mit de wird zuweilen vuu deoijeuigeu gesagt, der 
geneigt ist, etwas za thun. Tae. H. II 39 ibi de prodio dubUaiiim, Cic. ad 
Att. XVI 4, 4 Iter illud Hrundhtum , de quo dubUahnv} . ^nhJafrnn videtur\ 
vgl. XVI 2, 4 Brunditium cogilo. Wie an diesen beideu Stelieu dubitare 
nd coffitare begriffliek SMiBnenfBliaii, w indi td Att. XII 49, I fore cum 
duHiet Curtiut eamutatim petare oad ad hm, II Id, 7 Omrtiw wuler düfta- 
pAann eogüaL 



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232 



ithresberichte 4, philolog;. Vtrains. 



Art des Tacitus entspricht, obgleich er nur einen Fall, wo Tibe- 
rius Einkünfte des Aernrs ffir die kaiserliche Kasse usurpierte, 
und (Hpsen aus spaterer Zeit, berichtet (VI 19). In der Fassung 
des Salinoriiis aber ist, um von referre nicht zu reden, tum nicht 
z» verstehen und die Trennung <ler Scipionen von den Silani und 
Cassii unannehmbar. — VI 5 arguitur pkraque (d. i. dreierlei): 
C. Caesarem quasi incertae virilüatis, et u. s. w. Die incerta viri- 
Htas erkläre eich aus dem Suet. Cal. It Erzählten. Die Auf- 
fassung scheitert an qwuL Denn dieses kann hier nicht dain 
dienen, das Bildliche des Ausdrucks zu bezeichnen, weil kein Bild 
Torliegü Also haben wir mit dem (kurz gesagt) subjektiven 
quasi zu thun, und dies bedingt die Einschiebung von in vor 
C. Caesarem. — Ebd. Neque (nach M) cnncta a primoribm civi- 
tatis revwrphatur . »'r aber lieCs sich hinsichtlich der Anklage in 
ihrem ganzen Lmtange von den Ersten des Staates nicht besiegt 
zurückdrangen". Die primores civitatis seien nicht die Ankläger 
(und, setze ich liinzu, die Zeugen), die den Cotta überführten, 
sondern der Senat, der ihn verurteilte {iisque instantiim); denn 
retthuere sei nicht = eonioineerB, und eine provocatio habe erst 
nach der Entscheidung eintreten können. Die dieser letzteren 
Ansicht entgegenstehende Stelle XVI 8 appellato principe instantem 
äanmai^mem frustrati beseitigt Z. durch die verwerfliche Erklä- 
rung: „die mit der poenn bedrohende Verurteilung". Ferner ver- 
steht man, wenn man Zöchhauers Anlla-ssung folgt, weder das Im- 
perfektum retnncehatur noch die sonderbare Bezeichnung des Senats 
(einer Körperschaft) als primores civitatis, noch cunctay das man 
doch mit der Negation verbinden niufste. — VI 9 et Vinicianus 
Pollioni patri'y adiciehantur clari genus et quidam summis honoribus. 
Denn sAniii werde nie als Präposition mit dem Ablativ, sondern 
nur mit dem Dativ verbunden^). Die beiden entscheidenden 
Stellen sind Nemes. Gyn. 151 und Sil. V 418. An der ersten sei 
genetriee ämvl = ita ot genetrix simul sit „an der Seite der 
Alten"; an der zweiten {avulsa est nam protinus kosti ore simul 
cervix) sei 7m erklären ,.der Nnck^'n wurde vom Kopfe getrennt" (!), 
und m'mul neben protinus sei eiiif llrmfimtr. llciri Einwände, dafs 
an jener Stelle des Tacitus am Schlüsse des Kapitels nur die fünf 
vorher genannten Personen, nicht aber die übrigen Angeklagten, 
von denen doch einige auch summis honoribus waren, erwähnt 
Virerden, begegnet Z. durch die Bemerkung, dafs, „wenn den 
Hauptangeklagten gegenüber die Anklage teils zurückgezogen oder 
eingestellt, teils vertagt wurde, dies konsequenterweise auch denen 
gegenüber geschehen mufste, welche in dieselbe mit einbezogen 
worden waren**. — VI 15 bezieht Z. commmdabatur vorzugsweise 



Xin 34 ist Jerone Lertium consiäe, ^ie Z. richtig bemerkt, Abi. abs. 
und simul Adverb. Aber iu Verbiudung mit inüt, das doch nuo einmal 
keiu Plusqpf. ist, ist der Ausdruck wirklieh» wie Nipp, sigt, y,Dieht gmoz 
zutreffend*'. 



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Tacita«, von G. AodraseH. 



233 



auf die nach dcv Heirat des fassius ff»].;fnde Zeit, was deshalb 
unmöglich ist, weil r&mmendare die Beziehung auf eine Person, 
welche eine Wahl zu Ireüen im BegrilT ist (hier also TibenuF). 
in sich schliei'st. Auf jeden Fall ist das Imperfekt mii saepius 
unvereinbar, es sei denn, dafs man letzteres in adjektivischem 
Siluie fofet (vgl. Phil. WS. 1883 $. 1464). 

Da8 letzte FQnflel des Bacbes enthilt einen teils epraclilichen» 
teils civi]|>rozessuali8chen Kommentar so VI 16 und 17. Um die 
Besprechnng, die ohnehio schon zu lang geworden ist« nicht 
noch weiter auszudehnen, beschränke ich mich darauf, die 
Hauptpunkte aus Zörhbaiiers Erörterung hervorzuheben, possi- 
dendi bezieht er, wie Monimsen u. a., auf den Grundbesitz, den 
am Ende von Kap. 18 erwälmten Senatsbeschlufs auf die Gewäh- 
rung der 18 monatlicheu Frist. Die mit praescripfierat eingeleitete 
Mafsregei, die eine Erinnerung war, nicht aber den Inhalt eines 
für sieb bestehenden Senatsbescblusses bildete, habe verhüten 
sollen, dafs die ganzen Kapitalien gekündigt wurden. Bei dieser 
Auffiissung sei der von INipperdey aufgenommene Zusatz aus 
Sueton (Tib. 48), dessen Bericht überhaupt auf unrichtiger Infor- 
mation beruhe, überflüssig. Nec decurum appdlatis mtnuere (so) 
ßdem sei = ,,ner Hecorani appellatis deminulionem Cdei intulerunt" 
{decorum adverbial wie immensum, aetemnm, praeceps). VVeit<'rhin 
sei vom KonkurKverfahren die Hede: quanto qnüque ohaeralior, 
aegrius distraiiebant sei = „je verschuldeter oinerwar, desto schwerer 
löste er den Vertrag, kam er seiner Verbiiuilichkeit nach; digni- 
tatem aber sei nicht auf den Senatoren- oder Ritterstand zu be- 
ziehen, sondern bezeichne die auf den sittlichen Wert sich grün- 
dende Achtang von Seiten der Mitbürger. 

27) W. Peters on Teröffentlicht Claas. Rev. VII (1893) 5 S. 201 
folgende Vorschläge zum Dialogus ohne Begründung: 1, 8 ex- 
cipere, en't enim . . . existimandum. Diese Schreibunj^ liegt dem 
überlieferten weit ferner als die durch die Einschiebuug von sü 
vor si ber^.'f'. teilt«' vulgala. Auch würde sie einen schiefen Gedanken 
ergehen, nKM»f«'rn, da enim ducli nur zu magnae die Begründung 
geben kaiui, das mit existimandum (sii) scbliefsende Satzglied die 
Bedeutung der in das gesamte Kulturleben eindringenden Frage 
hervorheben müf^te, während es doch offenbar die bedenklichen 
Konsequenzen bezeichnet, die derjenige auf sich nimmt, der diese 
Frage zu lösen unternimmt. Diese Konsequenzen werden eben 
durch ut bezeichnet. 2, 6 non modo in iudiciis ufrosque, eine neue 
Variation der Umstellung, die eine Möglichkeit mehr bedeutet 
3, 10 intelleges tu qnidem , q^iid Maternus sihi debuerit. V. ist 
offenbar von dem bereehliglen Austols ausgegangen, den die Ver- 
bindung von h'ijn'e mit einem indirekten Fragesatz bietei. Aber 
er hätte niciit den Sitz der \er«l ilnis in lege» suchen müssen; 
denn dafs dieses Verbum nicht aiuutasten ist, zeigt das folgende, 



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234 



Jahresberichte «1. phiiolog. Vereio». 



insofern das aynoscere sich durch das Lesen und wahrend des- 
selben voliziehl. 3, 24 adgreyando* Das novum negotium, das 
Maternus sich selbst auferlegt bat, besteht im adgregare^ nicht aber 
wird die Handlung des Auferlegens durch adyreyare vollzogen ; 
wollte man hier demnach eine Form des Gerundiums herstellen, 
so mufste es der Genetiv sein. 5, 12 quatenus arhitrum Ws 
kwius inveniri contigit. Es ist ja aber dem Aper nicht gelungen, 
einen Scliiedsrichtcr zu finden; denn Sf^rnndus hai abgelehnt. 
Und wenn i\ dies, wie rs mirh andere ihuii, hpsireiten sollte, 
wie denkt er sich dann den iugiscben Zusamnienljaiiu /wischen dem 
mit qnaterms l)egiunenden Kausalsätze und der dann folgenden 
Erklärung Apers? Endlich verlangt man Belege für einen acc. 
c. inf. als Subjekt zu contingü. 5, 13 apud hos arguam. Wer 
sind denn diese mit M bezeichneten Personen? Aufser Secnndus 
klonte man nur den Verfasser dieser Schrift nennen; difs dieser 
hier aber nicht mitverstanden werden kann, versteht sich von 
selbst , da er von Anfang big zu Ende im Hintergründe bleibt, 
ein Verbällnis, das überdies durch die Schlufsworle cwn adrisissent, 
discessimus ausdrücklich bezeichnet wird. 6, 27 quamquam grata 
quae diu seranlnr at^ie elaborentur, (jratiora tarnen. Dafs P. einen 
Relativsatz hergestellt hat, war verständig; aber er hatte auch 
mit dem sinnlosen Konjunktiv aufräumen müssen. Aufserdem 
wäre ein Au^idruck wie utiliora bezeichnender als yrala. 21, 4 
quiquB oMS omnu in eodm valituHnmio. Dies lieÜM rieh hl^en, 
wenn man hinter abt interpungierte, so dats mne$ mit dem Fol- 
genden eng zusammengehört: „alle in demselben Lazaret**. 22, 23 
mtolmtia. Aber es handelt sich hier nicht im allgemeinen um 
„ungewöhnliche", „auffallende'S „Qbertriehcne'' Ausdraeke, sondern 
im besonderen um altertümliche, aus der Mode gekommene. 25, 9 
M&t nimirum fateiur. Dafs P. si aufgegeben und einen relativen 
Anschlufs heruosfcllt hat, damit darf man einverstanden sein; 
aber für niimrum lehlt mir die Beziehung. Denn das Selbst- 
verständliche", „nicht Wunderbare", das nimirum bezeichnet, könnte 
doch nur auf den Inhalt des von Aper ausgesprochenen Satzes, 
auf den sich hier Hessalla beruft, gehen, Dicht aber darauf, dab 
Aper diesen Aussprach gethan hat 25, 28 soHros esse «ntmlere 
et Imre, Man hat sich bemüht, zu zeigen, dafs invidere und U- 
vere nicht ganz synonym seien. Aber wenn auch ein Unterschied 
ist, so können doch hier, wo die einfachste Bezeichnung die an- 
gemessenste ist, beide Verben nicht neben einander bestehen, 
selbst dann nicht, wenn mnn, wie I*. grihnn hnt, das et vor in- 
videre duicli Änderung hi ^ mgt. 26, Di /requenH [acehs homini- 
bus exchüualto. Ich glaul)e nicht, dals Messalla diejenigen, welche 
diese foeda et praepostera exdamutio im Munde führen, mit dem 
anerkennenden Ausdruck faceti bezeichnet hat; das Wort hommi- 
hu$ aber ist in der Oberlieferung durch nichts indiziert. 27, 7 
nee nunc vos cffendi dseetö, eine Variation zu Halms Vermutung 



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4 



Tfteita«, von 6. Asdrefcn. 235 

nee ianty den handschriftlichen Zügen nicht sonderlich entsprechend. 

31, 32 Stokonm dwitein. So wäre der Ausdruck docd wohl zu 
nackt statt Stoicorim illum divüem = (juem Stoici diviteiii dicunt. 

32, 16 ins hinns civitatis, als ob hier <m einen Gegensatz des rö- 
mischen Gemeinwesens getjen andere gedacht \\( rden könnte. lUiJS 
richtige über diese Slelie bat jetzt vielleicht John gesagt (s. oben 
unter Nr. 1). 37, 39 quwum ea natura est, ut seaira vellicent. 
Es ist nicht die Gewohnheit der Leute, gefahrlose Unternehmungen 
»«darchsohecheln", sondern von ihnen zu schweigen. 38, 2 fuae 
ein mmc aiftkr es/, vetenm eloquentiaim tamm. Die Wiederholung 
des vttwum^ das in der vorigen Zeile steht, nnlsfällt (oder soll 
veterum hierher gestellt werden?); zudem "ist der Begriff desselben 
durch illud ^'enügend bezeichnet, und der Nachdruck, der ikmIi 
dem Zusammenhange allein auf eloquettliam liegt, wird diesem 
Worte durch Pelersons Änderung genommen. 39, 12 probationi- 
bm et testibm audiendis sileHtium patroni» indicit. Ich vermute, 
dai's iids überlieferte patrmtus aus einer Dittographie vou proba- 
Ütm^uB entstanden ist. 40» 11 sAis tibieqtao, sme reomnüa. Dies 
wäre an sich nicht Abel (wenn es auch nach s£m obuqtda nichts 
eigentlich Neues bringt); es liegt aber der Oberlieferung zu fern. 
41, 23 ac deu8 aliquü vita9 vwtraa ae vetera tempora repente wm- 
ta$tet» Das wäre eine ohne Not umständliche Ausdrucksweise. 

2^) F. Walter in den Abhandlungen aus dem Gebiete der klass. 
Altertums\^iss. W. v. Christ zum 60. Geburtstag dnrirphruht 
(Mönchen 1891) S. 390 — 398 liest im Anschlufs an Scliöne (der 
quando cominus (^venient) vorschlug) Agr. 33 quando in nianm 
<^vement)\ Ann. XII 63 in extrema Europae ^parte) uach Agr. 
12, 9. Diai. 8, 4; H. IV 73 populi Rommti (magwifudo) nach 
Germ. 20 (der magnUudo p. Ü. läfst sich jedoch nicht gut eine 
«ntus zuschreiben); fl. 1 67 pbu pnudae ac san^uM hwuper 
Caecina hataü („dazu noch'', um sanguinis hervorzuheben; denn 
Fabius Valens war verbällnismäDsig milde). Ich halte die Silbe p 
(=pr(7pi, aus der W. insuper macht, wie Piirser (s. oben), für 
eine irrtümliche Wiederholung der ersten Si!l)e von praedae. Der 
Schreiber hat die Streichung, wie oft in ähulichen Fällen, unter- 
lassen. 

29) 0. Keller, N. tOoh, i. PhiL 145 S. 336. 

Die an sich gute Verbesserung von fiaehrens za Agr. 5 fama 
ramm et reeuperatae pra»mdae güria habe den Fehler, dafs sie 
dem Tac. hinter einander die Worte zutraue: fama, . . glmria . . . 
fama\ er selbst schlage vor mmmae für mmma zu setzen: summae 
rerum gloria sei der Huhm der Gesamlleitung. — Derselbe 
0. Keller bemerkt Rev. de philol. XVI S. 146, Heraeus habe recht, 
wenn er sa^e, d tfs Tacitus Agr. 17 den ungebräncliliehen Genetiv 
alius durch aitenus ersetze; Kap. 9 sei elegit Perfekt. 



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236 



Jahretbericlite d. philolog;. Verein«. 



30) P. R. Müller, i\. Jahrb. f. Phil. Ui> i>. -034, 

liest Agr. S ne ificlarescereU 9 aliqmndo intellegit, 1 1 supersiüionnm 
cum persuasime, 12 patims frugnm nec femndum, 18 privns 
nanäi ums, 33 quando satiahütir animHs^ 42 in adprübationem 
composüm. KeiDer der Vorschläge ist überzeugend. 

Derselbe, ebd. S. 320 zu Ann. 1 20: nimim operd ac la- 
hcm. Rufus habe zu viel verlangt. Aber eben dieser Begriff des 
Verlangens fehlt. Man sollte keinen Versuch machen, so treff- 
liche Emendationen zu verdringen, wie die ist, durch die Upsius 
diese Stelle geheilt hat 

31) S. Spitzer, Wieuer KtudieD XIV' S. 131, 

lindet die bisher zu XI 27, 5 vorgeschlagenen Heilungen unzu- 
trefTend, weil man den durch atque iüam gegebenen Subjekts- 
wechsel unangetastet gelassen habe, der deshalb anstöfsig sei, weil 
im folgenden ofTenbar von gemeinsamen Handlungen beider die 
Rede wäre. Wenn man nun annehme, dafs die in diesem Falle 
gewählte Form der Eheschliefsung die confarrealio gewesen sei, 
und daü^ demnach eine symbolische Zweiteilung des Speltkuchens 
stattgefunden habe, so empfehle es sich, atque illam audisse zu 
ändern in atque libum divisisse. — An der Glaubwürdigkeit des 
Taciteischen Berichts über diese Eheschliefsung zweifelt S. A. Na- 
ber, Mnemosyne 20 S. 410—413. Silius und Messalinn hfitten 
den Zorn des Claudius durch das Winzerfest erregt, dem nichts 
zu einem mimus teliltc. In diesem habe Vettius Valens die Rolle 
des Pentheus, Silius die des Bacchus, Messalina die der Anadue 
gespielt; die ampices (Suel. 26) seien die Bakchen, die dos der 
später unter die Sterne versetste Kranz« Daraus sei das nach 
Ostia dringende Gerächt von der Hochzeit entsprungen, die nicht 
stattgefunden haben kdnne; denn wie konnte Messalina nach 
solcher Schande auf Rettung hoffen? Vielleicht stamme die ganze 
Erzählung von der Eheschliefsung aus den Rommentaren der 
Agrippina, weiche die Oomitia Lepida samt ihrer Tochter grund- 
lich halste. 

32) Die Frage, welchen Flufs Tacitus XII 31 neben dem Sabrina 
nenne (Trisantonaf AtUonaf), wird wiederum behandelt von 
Nixon, Academy 1038 S. 305; vgl. H. Bradley in Nr. 1039. 

Auf die in demselben Hapitel von Tac. beschriebene Schlacht 
gegen die Icener — das Schlachtfeld, heifst es hier, sei von einem 
agreitu agger umschlossen gewesen — bezieht W. Ridgeway im 
Archaeolog. Journ. Nr. 197 (1893) gewisse noch beute vorhandene 
Erdwerke in der Nähe von Cambridge, den sog. Devils Ditch und 
Fleam Dyke. 

33) F. Haverfield haiulrli im ArchaedlriLMcal journal Nr. 195 
S. 22t — 222 über die Nameustorm des britischen Volkes der Üecangi 



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T«eita«, vqd G. Andretei. 



237 



bei Tac. Ann. XIl 32. Insrhrifllich ist einmal Deceang, einmal Deren, 
zweimal Deceangi überliefert. Die erste Silbe kann sehr wohl die 
Präposition de sein ; dann ist in de Ceangi das schliei'semie s aus- 
gelassen, eine Ann<«iitne, die sich auf andere inschriftliche Sclirei- 
bungen stützen kann. Man kann aber auch Deceanyi[cum1l als 
Adjektiv leMo; dann wäre bei Tac. Decangi eine Variante von 
Deeeanyi. Es bleibt somit zweifelhaft, ob das Volli Deceattgi oder 
Ceimffi hieffl« Es wohnte wohl „in der Cbeshire-Ecke von Nord- 
wales'S 



V. Taciius in der Schule. 

34) 0. WeirseofeU, Der DQoe Lehrplan des Lateinischen II. Zeit» 
edir. f. 4. Gymusialw. 1892 8. 758— ??7. 

VV. meint, die Rücksicht auf die Form wie auf den Inhalt 
widerrate es, die fOhrende Stellung im lateinischen Unterricht von 
Cicero auf Saliust, Livius und Tacitns zu ubertragen. Ciceros Stil 
sei ein treues Spiegelbild des antiken Denkens und Wollens Ober- 
haupt; in seinen rhetorischen und philosophischen Schriften sei 
der wesentliche Gebalt der antiken HilJnng gesammelt. Der Stil 
fies Tacitus sei dagegen durchaus individuell und an eigensinnigen 
Manieren ziemlich reich, er lehne sidi fnrtwnbrend niciit blofs 
gegen die Tendenz des Lateinisciien , ^oudeni gegen die in ;dlrn 
Sprachen lebende Tendenz auf. Dies zeige sich in der \Mllkur- 
lichen Verletzung der Konzinnität, in den reichlich vorhaudeucn 
Spuren einer bald beabsichtigten, bald unbeabsiditigten Ungeschick- 
lichkeit (?). Einer kapriziösen und manirierten Darstellung, die 
aus dem Geiste der Auflehnung heraus geboren sei, könne man 
unmöglldi die harmonische Reife der wahren Schönheit und Ver- 
nunft nachrühmen. Tacitus überscineile die Grenzen des der 
Prosa Ziemenden fortwährend, bald erlaube er sich ans Unsinnige 
streifende prägnante Kürzen, bald Kühnheiten, wie man sie kaum 
dem Dichter gestalten mrirhte. Für pädagogische Zwecke seien 
die Schriftsteller von norijjaier und ruhig und harmonisch aus- 
klinkender Gedankenausprägung die fruchtbarsten, und ganz be- 
sonders diejenigen, welche durch die Art» wie sie die Sprache, 
das bezeichnendste Werkzeug menschlichen und nationalen Den- 
kens und Empfindens, gehandhabt haben, nicht blofs treu, son- 
dern mit der Klarheit des Ideals das Innere ihrer Zeit und ihres 
Volkes wiederspiegeln. Von dieser Seite betrachtet, habe Cicero 
Anspruch auf den ersten Platz und nach ihm komme in nicht zu 
grofseni Zwischenraum T. Livius. Saliust und Tacitus aber dürften 
nur in kleiner Dosis geboten werden. 

Dies ergebe auch eine Vergleichung der genannten Schrift- 
steller von Seiten ihres Inhalts. Denn was Taciius belrillt, so 
müsse vor allem heute als bewiesen gellen, dafs er ein in nicht 



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2S8 



Jibresberichte d. philolof. Vereins. 



gering(^m Grade parteiischer Historiker ist. Als solchen habe ihn 
nirniand bosser f^okennzeirlinet als Hanke: nicht die Wahrheit, 
soütlern die Verleiuiidung sei die Muse seiner Geschirhlschreibung. 
Seine llrklürungen der geheimen Beweggründe seien j)8ycholügisch 
oft geradezu ungeheuerlich; was über Tiberius, Claudius, Messa- 
Hiia, Nero gesagt wird, überschreite, so fesselnd es anch ist, die 
Grenzen des GlanbUdien. Um Wahrscheinlichkeit und innere 
Wahrheit unbekflmmert, sehenite er den grftiSriichen Gerüchten, 
an welchen jene Zeit so reich war, eine onTerdiente Beachtung. 
Sein Bedärfnis, bis zn den geheimsten Kammern des Innern vor- 
zudringen, entspreche der Art des modernen Menschen, der in 
feiner, nach innen gekehrter Beohnnhtun;, zu schwelgen ;^olernt 
habe. Dies sei vielleicht das (m Ik uitnis tlei m.Tl'slnsen Bewunde- 
rung, mit welcher man ihn vor tust allen Scliii[t&iellern des Alter- 
tums geehrt habe. Dazu habe sich dann nuch, um die Geister 
völlig zu unterjochen, seine Erzählungskunst gesellt. Aber Tac. 
sei nicht der grobe Psychologe, als welchen ihn seine Verehrer 
hinzustellen pflegen. Denn es sei ein Unterschied zwischen einer 
streng analysierenden und dem Grundmotiv des Eigennutzes reich- 
lieh Rechnung tragenden Psychologie und der schwarzsichtigen, 
verzerrenden und verleumderischen Betrachtungsweise des Tacitus. 
Von der nniversnihistorischen Aufgabe des Kaisertums ferner 
dämmere nicht einmal etwas dem Geiste des Tacitus; was die 
Zeit in kulturhistorischer Beziehung interessant macht, darüber 
werde man ganz anders von dem Philosophen Seneca aufgeklärt 
als von dem ilistoriker Tacitus, dessen zornvoilcr Erzählung vor 
allem die Grundlage einer in den Hauptpunkten klaren Welt- 
anschauung fehle. Was uns an Tacitus entzQcke, sei seine farbige 
und durch geschidite Mittel auf die höchste Wirkung gebrachte 
Erzählung und Schilderung. Von dieser Seite solle man ihn der 
Jugend zeigen und ihn ihr gewissermafsen als Nachtisch vorsetzen, 
nachdem sie sich an der gehaltvolleren und für ihren Geist wie 
ihr Gemüt ergiebigeren Kost gesättigt h:it, welche in Prima ne!>en 
Horaz besonders die philosophischen und rhetorischen Schriften 
Ciceros bieten. 

Von diesen Gesichtspunkten aus müsse gleich der Anfang der 
Annalen als bedenklich für die Schule gelten. Augustus erscheine 
nicht in richtigem Lichte, und die sehr einsichtigen Mafsregeln 
des Tiberius beim Antritt der Regierung würden als dn tfickisches 
und spinnenartiges Zusammenziehen der Netze der Tyrannei ge^ 
schildert. Im hellsten Lichte aber strahle die Schildcrungskunst 
des Tac. in der gleich folgenden Erzählung vom Aufruhr der 
pannonischen und der germanischen Legionen; dasselbe <rQ\if^ von 
den sich daran anschliefsenden Expeditionen des Germanuii««. Von 
höchster malerischer Kunst sei der Anfang des dritten liuches. 
Aus den vier letzten büchern der Annalen liefsen sich passende 
Abschnitte um ßurrus und Seneca, vielleicht auch um die jüngere 



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Taeitotf von 6. Asdrosoo. 



239 



Agrippina gruppieren, fiber die er ohne gehässige Parleilichkeit 
schreibe. IMe Historien sfinn kf^'me geeignete SchuUeklürp, weil 
sie zu wenig kräftige AuUorderung l)öten, zu dem ewig Mensch- 
lieben herauf- oder herabzusteigen. Vortrefflich aber für die 
S<:lmle geeignet sei, selbst abgesehen von dein patriotischen In- 
teresse, die Germania in ihrem ersten, aligcmeinen Teile. Der 
Agricola sei, da er die aeUsamaten Kfihnbeiten in der Form zeige, 
für die Schule zu schwer; daza begegne man auch in dieser 
Schrift an mehr als einer Stelle der ▼erleomderischen Psychologie 
des Tac. und jenem Pessimismus, der nicht viel mehr bezeichne 
als den Zorn des Aristokraten, der es dem Staatsoberhaupte, ja 
der Welfrp^'ipnin? nicht verzeihen könne, dafs seinesgleich^^n nicht 
unniittelliar arn Staatsruder silzen dürften. Die wärmste l^nijiieh- 
lung gebühre von Seiten des Pädagogen dem Dialog, der in allen 
Teilen die eingehendste Erörterung verdiene und in ganz hervor- 
rageiiiietn Grade geeignet sei, den Grundstock der Lektüre ein 
ganzes Semester hindurch in Prima zu bilden. Abgesehen von 
dieser Schrift ad Tac. nur in mäfsigem Umfange nach sehr vor- 
sichtiger Auawahl als Zugabe zu verwenden. Allerdings gefalle er 
der Jugend, aber es fehle ihm die Haupteigenschaft eines für den 
Jngendunierricht an erater Stelle zu verwendenden Schriftstellers: 
er sei kein verua bumanae naturae interprea. 

35) U. EichUr, Variatiooeo zu Tacitus' Aonalen. 1. Heft: Zo 

Buch I. B«rlio, WeidmaoBsebe BnehliaodluDfir, 1893. 51 S. 8. 1 H. 

Das Heft enthält 41 für den Gebrauch in der Prima be- 
stimmte Übungsstücke» welche als Vorlagen für Exercitien und 
Extemporalien dienen aollen und die gleichzeitige Lektfire der 
Annalen zur Voraussetzung haben. Sie schliefaen sich sehr eng 
an den Originaltext an und bezwecken im wesentlichen nichts 
anderes als eine Reproduktion. 

36) fn Helmreichs öfters prwfihntem .laliresbericht ') werden 
aufser d^n fjcnannten noch folgende von mir früher angezeigten 
Ausgaben, Schriften und Aufsätze besproclicn : Hochart, JH. XVI 
Nr. 7 (aldelinend), Kiiuke, JB. XVI S. :>]() idas F^ndergebnis sei 
nicht zu billigen; denn es bleibe eiue Auzalii von Stellen übrig, 
wo man, wenn man nicht dem Gedanken Zwang anthun wolle, 
eingestehen mflsse, dafs plure$ ohne komparative Bedeutung ge* 
braucht sei); Masom und Fearenside, JB. XVIII Nr. 18 (auf eng- 
lische Schul Verhältnisse berechnet; der Text sei ein einfacher 
Abdruck aus Drägers Ausgabe der Annalen); 22) Rusch (zweck* 
entsprechend), 23) Bellesza (im wesentlichen referierend), 25) Klebs» 



^) Dieser wird Academy ]067 S. 201 getadelt, teils weil er fast nar 
deotsdie Bodier onifMae — yod eioam Werk« wie Pomeaat^ Anaaten sage 
Verf., es sei ihm nicht zugänglich gewesen — , teil« weil er das Gute in der 
Meage des SchlecJiten verschwinden lasae. 



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240 



Jalir«»beriehle d. philolo^. Vereioc 



26) Hirschteld (plausibel), 27) Schöll (desgl.), 2b) Schmidtmayer, 
64) Uhlig, 66) Valmaggi (gar manches sei zu streichen), 71) Buch- 
holz (manche Konjekturen werden \ou II. eingehend wideilegl ; 
schwerlich werde auch nur eine der Vermuiungen des Verf.s Bei- 
fall finden), 73) Nettleship und Inge (ablehnend), 75) Schöne (ab- 
lehnend; H. II 100 sei itf er ntiäes $M wobl als Glossem zu 
streichen), 78) Blichl, 79) Meiser (ablehaend), 81) Smitb (ableh- 
nend), Sd) Ki^sling» — Aufserdem bespricht Helmreich die von 
mir nicht erwähnte Schrift von A. Egen, Quaestiones Florianae, 
Progr. Munster 1891, worin der Nachweis gefuhrt sei, dafs Florus 
Tac. benutzt habe, obgleich nicht alle vom Verf. angeführten 
Parallelen gleich beweisend seien. 

Na chtra g. 

37) P. Curaelii Taciti ab excessu Divi Augasti Ubri 1— VI edidit 
Gej*B Nlmethy. Badapett MDGGCXCIIL Sanptua fecU R. Lampel 
(Ph. Wodianer et fllii). 198 S. 8. I, SO M, 

Die Ausgabe gehört der „Bibliotheca scriptonim Graecorum 
et Romanorom in usam schobrum edita curante Aemilio Thewrewk 

de Ponor'* an. Sie besteht aus der Praefatio und dem Text mit 
vorausgeschickten Breviarien. In jener giebt der Hrsgb. selbst die 
Abweichungen vom Texte der vierten Auflage Halms an. Diese, 
69 an der Zahl, veifpileii sich 'r^lcichmärsig über die einzelnen 
Bucher; nur das vierte liuch hat einfii ctwns gröfseren Anteil als 
die uhrigen. Die Menge der in die n- m it n An<L;aben gedrungenen 
Konjekturen ist dem llsgh. ein Zeichen der il^perkritik ; wo ein 
zwingendes liedürfnis die Autorität des ersten Mediceus zu ver- 
lassen nötige, sei ihm für die Aufnahme einer Änderung die 
Leichtigkeit derselben in erster Reihe mafsgebend gewesen. So 
hat er denn an der Hälfte jener 69 Stellen das Oberlieferte fest- 
gehalten, vielfach im Einklang mit der Nipperdeyschen Ausgabe. 
Hierher gehören die Schreibungen 157,15 victa (Halm, nicht 
Pützner evicta), 77, 15 speetarentur (H., auch Pf. sectarentur) , III 
17, 19 radendum (Halm, auch Pf. eradendum), 18, 8 idttom (Tl., 
auch Pf. ultionis), 19,4 ulciscenda fH. , nicht Pf. in ulciscenda), 
21, 6 qm'nfienti (IL, auch Pf. quam ipdntjciiti), IV 16, 9 et quoniam 
(H., aucii l'f. quod)y 46, 3 inculiu (ii., nicht Pf. sine cuUu), 57, 2 
m Campaniam wie Tiitzner, ohne Annahme einer Lücke, die Halm 
ansetzt und mit abscessit ausfüllt, Y 3, 7 multum (H., nicht Pf. 
mtdto), 10, Ib äHo (H., auch Pf. JmUo), VI 18, 3 interfeehuqii»* ü 
(E, nicht Pf. intafeetuipte est), 32, 17 regendü prmriiwUt, wie Pf«, 
der aber diese Worte fälschlich als DatiTe fafst. An keiner dieser 
Stellen habe i(h einen Anlafi» sum Widerspruch (höchstens wäre 
zu bemerken, dafs III 21, 6, wo qmm genti überliefert ist, in der 
Iis. qnam am Zeilenende steht und daher vielleicht qmm quin- 
geuii ein wenig mehr Wahrscheinlichkeit liat als quingenti); endlicli 



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Taciias, von G. Andresea. 



241 



auch nicht II "iO, 1, wo N. nach der Ih. ex m schreibt (vulg. ex 
kis) und 2G. IK wo er nach Halms Vernitilung eae liest (vulg. hae). 

Mit Unrecht hat N. die Überlieferung bewahrt I 8, 1 passvs, 
wo weder der von INippeniey erliobene Einsvand noch die in der 
neuen Auflage der ISipperdeyschen Ausgabe berichtigte Fassung 
desselben ihn veranlafst hat, ssr einiustihi^sn *, 42, 7 facku statt 
faäant^ wo keine der sonst anwendbaren Entschuldigungen des 
Singulars zutrifft, 79, 17 Pitonb, wo der Vorname kaum zu ent- 
behren ist, II 14, 5 praemsOt wo die von Nipp, angeführten Pa- 
rallelstellen die Notwendigkeit von provisa erweisen, 46, 5 vacnaSt 
für welches nach den t.inspndfachrn Krörtcrnnfjen eine hefriodigende 
Erklärung noch immer mvhi ^pfimde.n ist, Gl, 7 peneirabileii mit 
schiefer Heziehung auf (nujusiiae und altüudo statt auf letzteres 
allein, 69, 4 temptaliantur st. intentalmilnr, da es sich doch ulfen- 
bar uui Angriffe und beleidigende Auf^erungen handelt, 69, 14 
tdbt St. tado, III 2, 3 mmera st. munia, von dessen Notwendig- 
keit sich N. durch Nipperdeys Anmerkung hätte sollen öberzeugen 
lassen; 35, 1 prodcmt st proficAno, woffir dasselbe gilt, 88, 15 aUi 
(st. wovor ihn schon die unmittelbar folgende Apposition 
validae gentes hätte bewahren sollen, 56, 10 admovet, IV 15, 1 
und VF 45, 1 adficit statt der entsprechenden Perfekte, die durch 
die hinreichend bekannten Parallclstellen gefordert werden, III 
58, 8 dunhuK, wo N. pinen Irrtum des Tac. anzunehmen sclieinl, 
IV 10, r> quod is Lygdus, eine Wiederholung, die nur durch unzu- 
reichende Parallelstellen geschützt wird, 38, 8 posteriorum statt 
posterontm, VI 16, 11 plebis (hiergegen s. Nipp.), 26, 1 cotUinun» 
prine^it eine analogielose Verbindung, 45, 4 wnmifkaUia ohne ea, 
das doch kaum zu entbehren ist. Nur an 11 dieser 20 Stellen 
hat N. Pfitsner, den konserrativsten aller neueren Herausgeber, 
zum Vorgänger. nn r endlich III 25, 1 dmde de, IV 26, 7 
tt culpae nescia, VI 37, 21 quae nach dem Mediceus schreibt, so 
erhebe ich hier keinen Einwand, weil die Entscheidung an diesen 
drei Stellen schwierig ist. 

Mit Draeger schreibt N. 14, 15 ahnd qvid, das Nipp, wider- 
legt hat, mit Beroaldus I 09, 10 milüem quaen, das der Sprach- 
gebrauch des Tac. nicht empfiehlt, mit iliLter H 28, 0 sermonem 
(besser der Plural), 47, 15 mit Orelli Aktivs (st. Ateius), 81, 9 
uH traäUi9 nach der zweiten Hand des Med. (die erste hat nH- 
raÜU»: das im Med. öbergeschriebene I hat, da es nicht von dem 
Schreiber der Hs. herröhrt, nur den Wert einer Konjektur), III 
21, 16 mit Pichena mligatnsque statt des fehlerlosen (s. Nipp.) 
inligatns der Hs., 35, 10 nach Jac. Gronov haut iutm est, wo ich 
die llnlerütutzunir. die Blaesus fand (odpr nirb! fand), in umge- 
kehrtem SiiiiK deute und deshalb adiulus est schreibe. 62. 1 pro- 
ximo Maynetes nach Joh. Muller, der dieses proximo doch nur 
durch eine Pliniusstelle zu stützen weifs, die noch dazu anders 
geartet zu sein scheint, IV 14, 5 ex qua lempeslale nach Weifscn- 

J»1irwib«ri«lito ZDL 16 



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242 Jfthr«»berichte d. philolog. Vereins. 

born, was zu dem impf, potiebantur minder gut pafst, 16, 8 acce- 
dere et nach Jac. Gronov, was zu verwerfen isl, wenn, was aller- 
dings zweifelhaft isl, der Punkt, der in der Iis. unter dem letzten 
Buchstaben von accederet steht, von dem Schreiber selber her- 
rfibrt, 23, 10 fortmoB (st furtum) mops nach Job. Möller, 31, 13 
9t wrtnirmtäo nach Halms VermutuDg, nachdem schon deijenige 
Gelehrte, welcher in der Hs., die eiurando hat, ein t Ober das e 
seilte» et iurando hergestellt hatte, 33, 24 ad incepta, wie schon 
im Med. am Rande steht, st. ad iticeptum, was sich durch die Ton 
Nipp, angeffihrtpn Pnrallelstollon mehr JMnpfiehll , 41,11 vera po- 
tenlia aniferi ikk Ii Ulumauus, wozu man, was nirht gerade leicht 
ist, se (lenken imilste, 45, 14 quia (M. qui, Halm quippe) nach 
Pichena und Nipp., vielleicht richtig, IV 69, 14 tegens nach IJpsius 
uiid rSipp. (über diese schwierige Stelle s. oben in der Besprechung 
der Zöchbauerschen Schrift), VI 28, 10 aiüit nach Rhenanitt und 
Nipp., gut, 31, 10 Cyro nach Beroaldus und Nipp, (desgl.). 

Über folgende Lesarten Nemethys ist es schwer, sicher zu 
urteilen: I 10, 22 Q. Fkdn nach F. A. Wolf, 12, 10 sed ut et sva, 
eine Konjektur Halms, die vielleicht durch den Umstand ein wenig 
unterstützt wird, dafs mit et in der Hs. eine neue 7ei!e beginnt. 
75, 13 ransam (so auch Nipp.; Halm, Plltzner causaSy vielleicht 
mit iiecht), II 32, 6 et dona nach Muret (vulg. rfono\ IV 28. 4 
nach Madvig peroranti filio pater (Halm und Nipp, pater m unii jäto). 

Die Ausgabe bringt ferner drei neue Schreibungen, die von 
dem Hsgb. selber herrOhren: I 32, 16 quod neque disiecti vel pau- 
eorum M^dtt (übrigens steht wl schon am Rande des Mediceus, 
und zwar neben neque), IV 65, 4 tum amäium ad yUum tuUuet^ 
VI 19, 3 aiurarias ems mit Streichung von que. Ich habe diese 
Neuerungen in der kurzen Anzeige der Ausgabe WS. f. klass. Fhil. 
Nr. 26 zu widerlegen versucht. 

I^jp Krgebnisse meiner Neuvergleichung der Hs. hat N. meiner 
Programiiiarbeit üe codicibus Mediceis Annahum Taciti (Berlin 1892) 
mit Sorgfalt entnommen und für seinen Text verwertet. Wir lesen 
demnach in seiner Ausgabe 11 13, 11 itUendü, IV 37, 14 per ournes 
provinciasi VI 1, 14 tiwuentis. Zu H 72, 5 hatte ich in jenem 
Programm bemerkt, dafs die ursprüngliche La. der Hs. oetendiue 
gewesen 2U sein, und dafs, obwohl die Änderung in tutender tob 
der ersten Hand herrühre, dennoch der Sinn die erstens Lesart 
zu empfehlen scheine, da es angemessener sei, anzunehmen, dafs 
die Vermutung, von der Tac. hier spricht, erst nach der Unter- 
redung des sterbenden Germanicus mit seiner Gattin aufkam, als 
schon während derselben. Ich habe trotzdem in der neuesten 
liezension des Nipperdeyschen Textes ostendere behalten, weil ich 
im allgemeinen die Korrekturen der ersten Hand in beiden Medi- 
ceiscben Handschriften für unantastbar halte; N. hat ostendisse 
geschrieben und die Autorität der Korrektur, in diesem einen Falle 
vielleicht mit Recht, verworfen. 



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243 



3S) Die von mir be;suigle 9. Aullage lies l. liaüUes der iNi pper- 
dey sehen Ausgabe der Annalen bespricht K. Niemeyer, Bert. Phil. 
WS. 1893 S« 622 -62a. Er empfiehlt III 7 mit Freinsheim tpe 
nach ofuflns einsaschieben, eine Konjektur, die ich in der Ad- 

nterkuDg dßshalb selbst erwähnt habe, weil man in der Tbat zwei- 
feln darf, ub die Annahme eines finalen gen. ger. auch auf diese 
Stelle ausdehnbiu' ist. Bei der Schwierigkeit der Entscheidung 
habe ich indessen den Text selber nicht aogetastel. IV 10 ver- 
stellt er unter ipsius ttwiinuntiae «lijl'kuUaUs nicht die Lnislfind- 
liclikeit der cuu/aneatio und diljan tutiio, sondern die lästigen Ge- 
bräuche, die der Hamen zu beulj.u iileti hatte, und liest statt des 
handschriftlichen et quomam mit Bhenanus et qnod. Bei dieser 
Auffassung gerät man mit der Beziehung der vorhergehenden 
Worte, namentlich mit der von eka rei in Schwierigkeiten. IV 40 
hält er te üwUo fiir eine richtige Korrektur der jüngeren Hand. 
Dann hat aber weder ptrrumpunt noch eonsülutU ein Objekt. Un- 
lösbare Fragen stelle der Bericht des Tac über den Feldzug des 
Germanicus im J. 16. Namenilich sei es zweifelhaft, ob Genna- 
nicus nach dem Siege auf dem Idistavisofelde seinen Vormarsch 
fortgesetzt habe; viehuelir habe er vielleicht sogleich nach diesem 
Siege, etwa durch die Nachricht von einem erneuten Aufstand der 
Angrivarier in seinem Rücken bewogen, sein Heer über die Weser 
zurflckgefQhrt, so da& das zweite Gefecht westlich der Weser 
irgendwo zwischen diesem Flusse und der Ems anzusetzen sei. 
Denn nur bei dieser Annahme werde es bi^greiflich, dafs die Ger- 
manen das auf dem Schlachtfeld errichtete Tropaeum Oberhaupt zu 
sehen bekamen. Dieser Einwand wiegt selbst dann nicht allzu schwer, 
wenn man annimmt, dafs Germanicus, als er nach dem Siege den 
Vormnrsf h fortsetzte, das Schlachtfeld durch eine zurückgelassene 
Abteilung besetzt gehalten habe; denn das Tropaeum stand natur- 
lich auf einem weithin sichtbaren Punkte. Endlich bemerkt er, 
dafs II 16 resistuiu wohl nicht heifsen könne „zurückbleiben''; 
»«denn das Zurückweichen der Flufsufer und das Zurückbleiben 
der Bergvorspr&nge möfste beides bewirken, dalüs die Ebene zwi- 
sehen Flufs und Gebirge breiter Wörde, und Wörde also das inae- 
qualiter nicht erklären*'. Die Stelle sage vielmehr: „Diese Ebene 
schlingt sich zwischen den Hügeln in ungleicher Breite hin, breiter, 
wo die Flufsufer zurückweichen, schmaler, wo die Vorsprünge der 
Berge (einer weiteren Ausdehnung der Fhene) hindernd in den 
Weg treten**. Allein maequaliter bezeichnet, da es mit sinmhir 
verbunden ist, nicht das wechselnde Mafs der Breite, sondern die 
ungleichmäfsige Ausbuchtung und die dadurch hervorgerufene un- 
regelmälsige Gestalt der Ebene. Vgl. die klare Auseinandei setzung 
Knokes, Kriegszöge S. 411-— 415. 

39) Die dritte Auflage der vom Ref. besorgten Schulausgabe des 
Dia log US ist ferner besprochen von G. John, Berl. Phil. WS. 1893 

16* 



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244 



Jabresbariehte d. pbilolog. Vereias. 



S. 584— r>S7. Anerkennung, die ei' dfi neuen Bearbeitung 

zollt, bei welrlici nur, wie ich gern bckcnni", die Arbeiten Joluis 
in erster Ueihe Aolafs und Stoll" zu Ergänzungen und Berichti- 
gungen gegeben haben, darf hier mit Stillschweigen übergangen 
werden ; den Ausstellungen gebührt eine kurze Erwiderung. John 
wirft mir ala einen Beweis «»seltsamer Halbheit** ?or, daCs ich in 
der Einkltung die Frage der Autorsdiaft der Schrift filr noch un- 
gelöst erkläre, wärend im Kommentar schon jetxt die Echtheit der 
Schrift unzweideutig vorausgesetzt werde. Denn hier werde an 
zahlreichen Stellen auf die Übereinstimmung mit dem Taciteischen 
Sprachgebrauch hingewiesen, zum Teil in Wendungen, welche die 
Schrift geradezu als Taciteiscli bezeichnen. Nur diese Wendungen, 
nicht die Hinweise auf jene Übereinstimmung, fallen ins Gewicht, 
und hier weifs ich in der That keine andere Antwort, als das 
Eingeständnis, dafs icli, um auch strengen Anforderungen in Bezug 
auf Korrektheit des Ausdrucks zu genügen, S. 50, 8 statt ,,qtiod 
SS» was das betrifll, dafs bei Tac. nur hier** bStte schreiben soUen: 
t,in denjenigen Werken* welche den Namen des Tac. tragen, nur 
hier**; und S. 59, S statt „wie auch sonst bei Tacilus'' vielmehr 
„wie auch in den unzweifelhaft echten Werken des Tac/^ Dies 
war es, was ich liabc sagen wollen, und ich hätte mich sifhcrüch 
des zwar umsländlichnren, aber genaueren Ausdrucks bedient, wenn 
ich gefürchtet hätte, man würde aus der ahgekrirzten Form des- 
selben einen Widerspruch mit dem in der Einh iiung vertretenen 
Standpunkt ableiten. Wenn John ferner sagt, dafs ich jetzt der 
Ansicht zuneige, der Verf. der Schrift habe u der Person des 
Matemus seine eigne Abkehr Ton der Beredsamkeit rechtfertigen 
wollen, so weifs ich nicht, wo ich dergleidien ausgesprochen habe: 
S* 3 Anm. jedenfalls nicht. Endlich urteilt er, ich sei meinem 
eigenen Dialogustext gegenüber allzu konservatiT. „Denn wenn 
nunmehr Tac. als Verf. eintrete, so sei der sprachliche, logische 
und |>sychülogische Mafsstab, den wir an die Überlieferung anzu- 
legen haben, imnierbin an <lic Grenzen seiner schriftstellerischpu 
Individualität gebunden". All* m auch wenn jene Voraußsetzung 
zugestanden wird, so bleil>t doch der Dialogus das, als was er 
stets galt: „ein Kunstprodukt des regenerierten ciceroniscbeu Stils'*; 
und daher habe ich, obgleich idi jenen „kritischen Radikalismus, den 
ich im Sinne der logischen und stilistischen Glättnng des Textes 
geübt halte**, in neuerer Zeit ein wenig gemifsigt habe, doch keine 
Veranlassung, mein Verhältnis zu dem überlieferten Texte prinzi- 
piell zu ändern; es mfifste denn sein, dafs mir nachgewiesen wird, 
dafs, um nur einige der von John aufgezählten unhaltbaren" Ver- 
inutunpt n zu nennen, an denen ich festhalte, meine Schreibungen 
volnerit G, improhnri 1 4 , tameii dkajn si 28 , certarum rerum 
30, cansae 31 (](>>|i;ilh unstallhaft seien und das Überlieferte des- 
halb hier für unantastbar zu gelten habe, weil die Frage der Autor- 
schaft im Sinne der Echtheit gelöst sei. Denn die Anslüfsc, welche 



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Ttcitos, von G. Andresen. 



245 



zu jenen Sclirciliungen den Anlafs gegeben haben, werden nicht 
erfrnglicher, wenn man sie mit tlem Namen des Tncitus deckt, 
weil PS sich um Fehler bandelt, die in keiner schriftsirlh rischen 
Individualität ihre Rim liLlertigung oder Entscliuldigung linden. Um 
dies nachzuweisen und mich gegen den Vorwurf wülkiirlicher Text- 
geslaltuüg zu verteidigen, dazu bedarf es langer Erörlerungen über 
Einzelheiten, die hier nicht gegeben werden können, aber auch 
entbehrlich sind, nachdem ich im Anfiing dieses Jahresberichts 
mich mit John über eine Reihe von SteNen, deren Behandlang für den 
textkritiscben Standpunkt des einen wie des andern charakteristisch 
ist» auseinandergesetzt habe. 

Die von mir aufgenommene J. Mullersche Konjektur qua 
qmsi cominns ntsus fatetur c. 25 hat Johns Beifall nicht gefunden ; 
er rät mit Michaelis qnominus fatear zu lesen. Ich habe schon 
früher darauf hingewiesen, dafs, wenn das vorausgehende Uli 
niclit in der Luft schwellen soll, das folgende relativisch ange- 
scldüssen werden muls, uml kann daher Michaelis' Vorschlag nicht 
billigen. Gegen Johns Erklärung der Entstehung der Worte sicut 
bis dam et c. 26 aus einem Glüssem werde sich, sagte ich JB. 
XV S. 225, etwas Eiliebliches nicht einwenden lassen. Darin liegt 
nicht eine »»Zustimmung'', sondern nur das Zugestflndnis der Mög- 
lichkeit, und dieselbe Möglichkeit, nicht mehr, nehme ich auch ffir 
meine Vermutung st dis placet, die ich in den Text gesetzt habe, 
in Anspruch. 

40) Id der Sitzung der Acad. drs sc. et b.-I. vom 7. April 1893 
sprach Phil. Fabia über das Jahr des Konsulats des Tacitus. 
.Nach dem kurzen Bericht in der FWv. crit. Nr. 17 S. 320 ist er 

mit Klehs der Ansicht, dafs Taciiu« im J. 97 Konsul gewesen ist. 

StfUi IUI l*anegyricus des l'ünius, auf welche Asbach die Ver- 
liiniuüg geshitzt hat, dafs Tacitus erst unter Trajan im J. 0^ das 
hunsulal bekleidet habe, sei anders zu erklaren; auch der ütief 
des Plinius über den Tod des Verginius Rufus spreche für die 
Ansicht, welche vor Asbach die herrschende war. 

Berlin. Georg Andreseo. 



8* 

Cäsar uutl seine Fortsetzer, 



I. Ausgaben. 

1) C. Juiii Ca es a Iis commentarii de bollo Gallico. Für dco 

Schulgobrauch beraus^egebeo voo Igoaz Frammer. Vierte AuUagc. 
Leipzig, 6. Preytag, 1891. Xo. 254 S. 8. 1 M. 

Die neue Aullage ist im Texte unverändert geblieben, hinzu- 
gefügt ist nur eiu Anhang: „Das romisclie Kriegäweäen in Ciisats 
gallischen Kämpfen" von Ernst Kalinka. Dieser Anhang, mit 
geschiclit ausgewählten Bildern versehen, bietet dem Schfiler aus- 
reichende Belehrung. Doch hat der Verf. versäumt, Stoffels wich- 
tige Aufsciilösse über die regelrechte Belagerung zu lesen. Idi 
füge deshalb das Schlufsergebnis dieser Untersuchungen nach 
StolTels eigenen Worten hier an : 'La tennsse-viaduc se construi- 
sait en vue de rouverture de la breche, niais jamais cn vup de. 
Tescalade. Elle servait de chemin aux niachines avec lesqueiles 
on ouvrait ia breche, c'est-ä-dire ä la torlue-bcliere ou ä la tour- 
beliere; et comme ces machines devaient operer en bas de la 
muraille, il s'ensuit que la terrasse ne s'elevait pas plus haut*. 
Stoffel, Histoire de Jules C^ar, Guerre civile II S. 361. 

2) C. Julii Caesai iä belli Gallici libriVII aod A. Hi rtii 1 i H r r VII!. 

Für deq Schu lg« brauch erklärt voo A. Dobereos. 9. Auflage besuigt 
von fi. DiBter. 3. Heft, enthaltend Bach VII, VIII und Anbaog A, B, C 
Leipsv, B. 6. Tevboer, 1692. VI a. 21« S. 8. 0,90 M. 

Während frOber diese Schulausgaben dem Gebrauche der 
Schüler angepafst waren, sind sie jetzt fQr die Lehrer eingerichtet, 
denn in der Hand der Srliülcr will man ja keine Ausgaben mit 

Anmerkungen mehr hai)en, dafür hat man die .,Sc]iülerkommcntare'* 
erfunden. Der Wert der Üinterschen Ausgabe bat sich damit ohne 
Zweifel gelioijen ; jetzt er.st hat der Verf. sich Kaum verschalU, 
seine sprachlichen Aiüin 1 1 uii-ien völlig auszunutzen: die aus- 
giebigen Verweisungen und l'arallelstelien, die in einer Ausgabe 
fISr SchQIer nicht recht am Platze waren, sind fdr den Lehrer 
das beste Hülfsmittel, Gäsars Sprachgebrauch zu studieren. 



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Cä«ar uod seine Fortsetzer, vou iL Schaeider. 247 

Der Verf. Iiat mit emsigem Fleifse alles gesammelt und ver- 
wertet, was in deu letzten Jahren zu den cäsarischen Schriften 
beigebracht ist; im Texte und in den Anmerkungen zeigt sich 
seilte bessernde Hand überall. Auch im geographischen Register 
(„Anhang A") habe ich die Ergebnisse der neueren Arbeiten nicht 
vermitst Leider aber sind dieselben aof der sonst hflbschen 
Karle (der Verleger hat sich den JB. XVII S. 242 erleiiten Rat zu 
Hersen genommen) nicht aufgenommen, und es herrscht somit ein 
Widerspruch zwischen der Karte und dem geographischen Register, 
der sich leicht hätte vermeiden lassen. Uxellodunum gehört eben 
nicht an den Oltis und der Itius Portus ist derselbe Ort wie 
Gessoriacum. 

Besonder^ Aufmerksamkeit verdient noch der ausführliche 
kritische Anhang zu allen acht BüLhern der B(i. Dinter hat sich 
von dem Werte der Handschntleuklasse ß überzeugen lassen. 

8) C. Jttlii Caestris eomnentarii de bello eivili. Scbolarum b 
osnm receosuit Robert M«vik. Pragae. Suaptaa foeit A. SUrck 
Blins, 1893. 149 S. S, 

Im ganzen schlieft sich der Verf. an die Ausgabe von Paul 
an, im einzelnen aber gebt er seinen eigenen Weg. 

Die Änderungen im Texte werden schwerlich von späteren 
Herausgebern gebilligt und aufgenommen werden. Noväk schreibt 

z. B.: 1,3, 1 laudat (fortes) Pompeins; 4,3 et potentinm, qui — 
pollebant, (gratia}; 0, 7 (item} consules; U, 1 erat iniqua condicio 
postvlare, nt Caesar — reverleretur, ipse — teneret s\. ipsum — teuere; 
23,3 (reprehendit) qmd sibi; 40,5 divisamque aciem statt 
diversamque; 52, 4 rpse praesentem inopiam quibus poterat subsidiis 
iuvabat sL luUibalur (wofür bereits müigabal, levabai, sustentabat 
vermutet ist); 61, 2 Ulis locis st ipsi{ipsi {his) [ocis Nipperdey); 
64, 7 iuperati fhtmiM st. arma in flumint. — 2, 8, 1 in €rebri$ 
hosUum enipfä^mitts st. ex; 8, 2 pariehm erass&udo fedum Y 
(erof); 24, 4 (unde) Umge latiqne is Imts rtstagnai; SO, 1 oHum 
(ßiae^Hnae) maxittu cwirariim esse. — 3« 2, 3 iongnmque Htr 
ex Hispania magnum numerum consumpserat st. demimi$rai\ 
19, 5 IS omissa (alia) oratione st. summissa; 20, 3 integras 
f)ero teuere possessiones et se delere fateri st. qui se debere fate- 
aniur; 63,5 ntfnJit st. aUulerai\ 1'2,2 discisnm sl. absctsum; 
81,2 qui maynis copiis Scipionis lenebantur st. exercttibus'^ 87, 7 
uiiti farfa essent sl. sutU; 105, 4 m occultis ac reconditis tem- 
plüi um loci 8 St. iemplij 110, G hinc usum rei militaris habebarU 
st. hunc. 

Ansprechend sind zwei Vermutungen: 2, 34, 4 qitm Curio 
imanixSicäHtadduxerat st duimat, weil das Compositum durch 
CSsars sonstigen Brauch mehr empfohlen wird; 3, 110, 5 (aUoi} 
ngno espsttare, das Oudendorp hinter ea^iettsra einfügen 

WOlliB. 



248 



Jahresbericiit e d. j>hilulo|;. Vereiuii. 



Viel mehr Gewicht als auf die Konjeklureii lej^t Novak auf 
die genaueste Beobachtung des ca^ariscliea Sprachgehiauches, um 
danach den Text zu revidieren oder gegen frühere Konjekturen 
zu sichern. 1, 22, 1 ist die Stellung quarta vig&fa eirciter sehr 
aufiallig, Noväk schreibt quarta eireiUr vigiUa mit dem Leidensis. 
quoque steht hei Cisar nur nach Sabstantiven und Pnmominibus, 
darum sind Konjekturen wie 3, 92, 2 koiw quoque bedenklich. — 
ac reliqui findet sich bei Cäsar nur an zwei Stellen (III 28, 1 
alia ac; 3, 4, 6 Tkessalos ac reliquanm genttim et cmtatum ad- 
iererat), sonst immer et reliqui oder reliquique: hei notwendigen 
Änderungen der Überlieferung wie 1,25, 1 at reliquis hl ut reli- 
quis af empfiehlt sich also et reliquis. — nectere und dessen 
Komposita kuuiaien bei Cäsar nicht vor, 'Uiixie euim C. nectere 
eiusque capukUa vüavü\ sagt Novak, wonach 1, 81, 3 cmectant 
(Pauly) st. amoertoM zweifelhaft wird. — CSsar scheint es ver- 
mieden zu haben, ad, ah, in vor Wörtern, die mit ad oder at, 
mit ab oder ap, mit m anfangen, zu setzen. Ausnahmen wie ad 
Aduatucos, ad Attinm, ab ApoUoniatibu$ üftllen nicht ins Gewicht, 
bedenklicher ist 1, 44, 4 ab aperlo latere, wofiir Novak [ah] aperto 
latere oder nc Jafere aperto verlangt, liei in Irillt die Beobachtung 
nur für Aitrihuie, die mit in anfangen, zu, nicht für Substantiva 
wie in insula und für die Formel in integrum restituere; ja auch 
dann uucii steht 3, 40, 4 in interiorem portum im Wege, es soll 
dtfen'orem porium dafür geschrieben werden. — CIsar bSngt qu» 
nicht an einsilbige Präpositionen, die mit einem Vokal schlieTsen 
{de, e, prae, pro), danach ist die Konjektur VII 45, 2 deque Ats 
abzuweisen. 

Ohne dem Verf. in allen diesen Punkten beizustimmen, <:cbe 
ich ihm doch zu, dafs die Konjekturen die strengste Prüfung 
vertragen und dem Spracbgehrauche des Schriftstellers sich fügen 
müssen. Nur zieht der Verf. die Grenzen des Sprachgebrauches 
viel zu eng, wenn er gegen folgende Konjekturen Einspruch erhebt: 

1, 10, 2 deliberala ^re) respondent (wofür Novak (re) del. 
rup, haben will), VI 12, 5 steht doch infeda {imperfecta a) re 
redierat, wodurch die Konjektur gerechtfertigt ist. — 51, 6 atque 
turnen torum st. impedimeutorumt weil Cäsar nie atque vor Wör- 
tern, die mit j anlauten, setzt Mir scheint das darum noch kein 
„Gesetz*' zu sein, noch weniger aber, dafs Cäsar atque vor v ge- 
mieden habe, denn dazu muls IM 8, 2 atqne Velanii erst in ac 
VeUanii geändert werden. — 9. 5 quare sl. qui re, weil quare 
nur in den Hedeu bei Cäsar sich lindet, aiilser Vli 73, 2, wo 
der erste Satz n)it quare, der zweite mit iiat^ue beginnt. Nun, 
wenn darum der Verfasser ilaque schreibt, so folgt er aller- 
dings seinem „Gesetze'S aber er IS&t die Paläographie ganz 
aus den Augen. — 11, 1 ideo st. eidm ist allerdings bei 
Cäsar sonst nicht zu finden, aber jedenfalls ist diese Konjektur 
besser als Novaks ea de caiuea; 75, t ist ac ccnquietere in hJ 



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CSaar ond 



•diue Fortietser, voa B. Sehueider. 



249 



ubcrlieli'i t und nur in h f in haec conquiescere entsleüt. Trolzüem 
srhreibl Novak et conquiesccrp , damit ac vor anlautendem c be- 
seitigt werde. Die drei sonstigen Beispiele bei (Iftsar seien alle 
fehlt 1 hellt überliefert: 3, 78, 3 [frumentQ ac comineaiu]; 1 44, 3 
[ac\ conlta se castra habuisse\ I 18, 5 et civüales st. ac. 

Der letzte Fall bat bereits gezeigt, «hfii die Geeette des 
Spraehgebraucha, die Noväk aufstelU, bisweilen der Oberlieferung 
selber Gewalt antbuD. Dasselbe gilt ?on den folgenden Bei- 
£|jicien : 

Zu 1, 7, 2 lautet das Ceselz: 'Caesar vi copulativa non ponit 
atque ante consonantes nisi raro et dI coniungat duo vocabula 
eiusdeni generis o\ aequo posita nec ullo verbo aiio disiuncta'. 
Von iWn zwei widersprechenden Beispielen wird IV 25, 3 atque 
nostris iniUHbus cunctantihus nach ß in at nostn's verwandelt, VII 
32, 3 atque regiam poteslatem annum oblmere kurzer Hand ge- 
airlcben. — 30» 3 wird $imul (^atque) ad ae VäUniim mUH 
audierwU geschrieben, weil mmd vor einem Vokal bei Cäsar nicht 
denkbor sei, obwohl dann auch IV 26, 5 sifliiil (^atque} t» mido 
conttitmmt erst eingesetzt werden mufs. — 51, 5 wird initi- 
nuerunt sU suitinuere eingesetzt, und ebenso 3, 63, 6 accessmtnt 
sl. accessere. Die Begründung *ex rompendio terroinationis neglecto 
Vitium utroque ioco explicalur' i;«t doch ein zweischneidiges 
Schwert. — 2, 7, t nulli st. iiulio verlaugt die entsprechende 
Änderung an drei anderen Stellen: V 27, 5 altert {ß), Vf 13, 1 
nulli iß) und Vll 69, ö toli. Wiederum ist die Begründung 'saepe 
librarii has formas mutant' gleich gOnstIg für den Gegner. — 
12,3 soll [ah] defensum detUitre gelesen werden. Cäsar hätte 
dekuen stets mit dem blofsen Ablativ verbunden und deshalb 
nicht einmal 3, 112, 11 die Kakophonie ne negotio desisteret ge- 
mieden. Ist diese Verbindung wirklich kakophouisch? Und warum 
ist dann nicht erwähnt, dafs ß VII 12, 1 (ab} opptignalione desistit 
hat? — 3, 10, 5 wird hchaujjtet, dals Cäsar niemals et ipse ge- 
schrieben habe; denn III 1,4 könne et vor ipse fehlen {'et ante 
ipse abesse potest'), und von den beiden anderen Stellen heifst 
es: IV 3, 3 et ipsi. . . moribus adsuefaclt und IV 13, 5 e< ^si petisseiU 
*8pnria esse iudico'. 

Mit den Singularitäten im Texte räumt der Verf. gründlich 
auf, er tilgt: 14,4 circa (st. aVcum); 15,7 ab in der Ana- 
strophe finitimts [ab] regimtltus; 43, 1 planitia; 3, 6, 3 arbi- 
trabantur in passiver Bedeutung, wofür arbürabatur (activ) ein- 
gesetzt wird; 16, 1 locari st. des gew. coüocari; 58,2 rursum 
St. des gew. rvrsvs. 

In allen diesen Dingen halle ich es mit der Überlieferung, 
Genaue Heitbachtung des Si)rachgebrauclies ist gewifs ein notwendiges 
und nützliches llültsmittei zur Textkritik, aber diese Arbeit erfordert 
nicht nur FleiGi und Aufinerksamkeit, sondern auch strenge Ent- 
sagung, wenn Mühe und Schweifs einmal keinen Ertrag liefern. 



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250 



Jahresberielil« d. philo). Vcr«tas, 



Wirkliche Gesetze des Sprachgebrauches müssen selbst sicher be- 
gründet sein, ' licr w( idcn sie nicht wirksam. 

Ich verweist' gleit Ii liier auf Novaks späteren Aufsatz: Zum 
Gebrauche von alque hei Cäsar in der Zeitschr. f. d. östrrr. 
Gymn. 189*5 S. 205— 212, weil dieser Aufsatz im wesentiichen 
nur die AusfQhrung der BemerkungeD in der Ausgabe enthält. 
Einen positiven Ertrag fiir die Texteskritik kann ich mir von 
dieser sehr iurserlichen Methode nicht versprechen. 

4) Jules Cesar, Commcntaircs sur la ^nerrc (fcs Gaules public 
par AI. £. Beaoist et M. £>. Dossoo. Paris, Hacbette et Cie, 1893. 
XVI n. 766 S. !6. 

Der Name Benoist, der aui (ieni Titel prangt, ist nichts 
als pin Aushängeschild, um k.iuf'er anzulocken: der auch im Aus- 
lande rühmlichst bekannte Gelehrte hat mit dieser höchst unbe- 
deutenden Schnlausgabe niemals das mindeste au thun gehabt. 
Der Hergang ist vielmehr folgender: Dosson, ein Schüler von 
Benoist, war mit der Durchsiebt der von Benoist binterlassenen 
Papiere betraut worden ; darunter hoffte man auch Vorarbeiten zu 
einer wissenschaftlichen Ausgabe des Bellum Gallicum zu linden, 
die Benoist vor einigen zwanzig Jahren angefangen hatte. Der wirk- 
liche Fund scheint die Krwarlungen sehr gelauscht zu hithen, denn 
llossüu berechnet die Zeit bis ztir Verötlejilljciiung dieses Nach- 
lasses auf mehrere Jahre. Inzwischen erhielt Uüsson von üachette 
et Gie den Auftrag, eine Schulausgabe zu bearbeiten, und auf 
den Titel dieser Ausgabe hat er den Namen Benoist gesetzt, ob- 
wohl er in der Vorrede selbst sagen mufs: *Le plan, la compo- 
sition, la r^daction, la disposition, le choix des plana des gravnres, 
sont de moi seuT. Der Zusatz: *mais comme je me suis servi 
iibrement des rechercbes que N. Benoist avait faites en vue de 
Tedition savante, j'ai cru qu'il etait mon devoir de mettre son 
num en tete de cette edition' rechtfertiiit das Verfahren des Hsgb.s 
ganz und gar nicht, der Name i^euoist ist und bleibt nur ein 
Aushängeschild. 

Die Ausgabe bat keinen wissenschaftlichen Wert; sie ist 
nicht einmal sorgfiUtig gearbeitet, denn es ist doch ein starkes 
StQck, Mb z. B. VII 73, 2 truneis arbmm aut admodum firmU 
rmmi» absäm im Texte steht und dazo die Anmerkung (vermut- 
lich aus Kraner entlehnt) gegeben wird: ^firmis ramis ablalif de 
qualit^ qui depend de trunciSy qui est ä ablatif absolu; c'esl comme 
s'il y avait: tmnris, qui ßrmos ramos habebant, abscisü'y was doch 
nur pafsl, wenn man im Texte aut tilgt. 

SulUe Dussüü, wie es nach der Vorrede scheint, die von 
Benoist geplante Ausgabe des Bellum Gallicum ausarbeiten, so 
würde ich ihm raten, die neuere Gäsarlitteralur zu studieren 
und sich vor allen Dingen einmal die Handschriftenfrage vor- 
aunehmen. Denn Ober den leUtgenaimten Punkt ist «r noch 



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CÜsar und seine ForUelser, von R. Sckneider. 251 

völlig; im Dunkeln: dem S. II ausgesprochenen Grundsätze, dafs 
ß nur zu folgen sei , -wenn wenigstens noch eine flandschrift der 
Klasse a damit übercinstiuime, sehlägt Dossons eigene Ausgabe an 
sehr vielen Stellen ins Gesicht. Zum Beweise diene je eine Stelle 
aus den sieben Büchern l 53, 1 ter sortibus ß st. teryorib a\ 
II 23, 4 at tolis ß st. attonitis a\ III 1, 6 flumine ß st. flumen 
a; IV 38, 2 quo iuperiore anno perfugio fuerant usi nach 
ß mit UmstelJuDg, sU 9110 mp, anno per fuerant «st a; V 13, 1 
triquetra ß st. uiriqnB a\ VI 13, 7 eontagione ß st. cog&a- 
Hone a; VII 12* 2 ßiiurlgum, potitum in via, Noviodunum 
fehlt ia a. 

II. Handschriften und Textkritik. 

5) A. Polaschek, Vielhaberi in libros Psendocaesariaoos adno- 

tfttloaea eriticae. ZeiUcbrift f. d. osterr. Gymo. 1891 S. 3% 
—898. 

Es sind hier Viethabers kritische Bemerkungen zum Bellum 
Alexandrinum abgedrnckt, die sich teilweise mit den Textesände- 
mögen der späteren Forscher decken. 

6) A. Polaschek, Der Caesaroodrx Vindoboaensis 95 (Hist. prof. 

504), £adl. LXV und das bellum tliapaaieose. Zeitacbr. f. d. österr. 
Gymo. 1892 S. 384 f. 

Der Aufsatz enthält die Varianten des cod. V för das bellam 
Hispaniense, wonach die unrichtigen Angaben bei Duebner und 
Vielhaber zu verbessern sind. 

7) Gruppe, N. Jahrb. f. Phil. 1892 S. 59 

erklärt in seinem Aufsatze folgende Stellen für eingeschoben: 

1 33,5 ipse autem — nm videretur; 40, 15 huic legioni—maxime; 
II 27 5 vt non ne qviqvam — redegerat] 30, i qmbusnam manibns 
— coH/ulerent\ III 10, b innu - mens corum est\ 2(), 4 quod plermn- 
qne convenü\ V 27, 5 oHtnihtui htbernis ~ posset\ 33, l quod ple- 
rumqiie — coguntur \ 44, 14 sie fortuna — anteferemlus videretur, 

8) G. Kare, Rheia. Matonoi rMl3 S. 811-312, 

will die Lesart des codex Laorentianos Ashbnrnhamensis 33 auf- 
nehmen: 1, 5, 2 orto denique mmn — Kai. Januarüs; 25, 3 ex 
uUimis IlaUae parHhus st. e3stremis\ 32, 7 erat ac pouulat st. 
hertatmr. 



Bellum Gallicum. 13,3 [ad eas res ronftciendas] Orge- 
. torix <(iMX> deh'gihtrH. Schiller, 151. 1. d. bayer. GSVV. XXVil 
618. — 16, 4 couquiri st. conferri J, I.ange, N. Jahrb. f. Phil. 
1891 S. 2U2. — 26,5 die orto st. qnailu J. Scluiüdl, Wiener 
Studien Xill S. 326. 28,5 [quosque] Lauge, N. Jahrb. f. 



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252 



Jabritsbericbte d. phiUlog. Vereis«. 



Phil. 1891 8. 205. — 31, 11 otnwef GalU e finibus st. omnet 
ex GaffAw fimbtu Lange, N. Jahrb. f. Pbil. 1892 S. 595. — 44, 5 
ideoque se eam appetisae st. idqne se ea spe petisse l'olaschek, 
Zritschr. f. d. österr. Gymn. 1890 S. 306. — 49, 1 [ad tum locum 
venii\ und §3 [Hie locus -aberal\ Lange, a.a.O. 1891 S. 204. 

II 19, 7 «It'am inopiuantibui noitrit at. et (am m mmUbut 
tuttris Lange 1891 S. 208. 

IV 22, 3 orariis st. onerariis umi 29,2 [lonyas] naoes 
oder orarias naves E. Ditlrich, IS. Jabrb. f. Phil. 1892 S. 132. 
— 35, 2 seeuH (equites} Lange 1891 S. 206. 

V 7, 6 qui — nefjle.rmet, accidity Lan^^c, a. a. 0. 1891 
S. 200. — 45, 4 in baculo st. m iacitlo Po lasch*' k, Zeitsclir. f. d. 
österr. Gymn. 1890 S. 306. — 57, 3 equües plmmque eminui 
Uta — wind^mt st mmim Lange 1892 8. 595. 

VI 1, 3 sed eliam (illae) maioribus angeri copiis possent 
f.angfi 1891 S. 199. — 5. 3 reJiqua eins ronsiUa r mnia crrcnm- 
spiciebat st. animo Lange 1891 S. 207. — 7, ü au^ebaturque st. 
oi^etottr Lauge 1891 S. 508. — 8,2 nrnulatiim timori$ st 
Unuri» Lange 1892 S. 595. — 8, 6 impetum (^paulum} moda 
ferre non pohtmmt Lange 1891 S. 200. — 10,5 übersetzt 
F. Weck, IS. Jahrb. f. Phil. 1891 S. 205: „Dieser Wald hindert 
als natürliche Mauer die Clierusker nach der Seite der Sueben 
und die Sueben nadi der Sdle der Cheruakw an Übergriffen und 
Einfallen". — I J, 2 itaque annos — remiltant wiW Lange 1891 
S. 203 an den .Schlufs des Kaititels setzen. — 35, 10 (ita) oblata 
spe Pülaschek, Zeitscbr. f. d. öslerr. Gymn. 1890 S. 306. — 
40, 2 0t »i St. it ti und [conßdtmt] Lange 1891 S. 208. 

VII 4, 8 iumentoruvi qaantum st. armorum Polaschek, 
Zcitschr. f. d. österr. Cynin. 1890 S. 307. — 33, 1 cui ipse Semper 
f avissei st. qitem i. s. aluimet Lauge 1891 S. 205. — 45, 6 t» 
locum mimtft'omm st. iUo m. Lange 1891 8.207^ — ^7,5 
tieu (facerent) sicut Ävarici fecissent, <«/) ne — a^Omerent Lange 
1892 S. 596; 74. 1 si ita accidat eins «csess«« imuuiapiwm 
Deiter, N. Jahrb. f. Phil. 1891 S. 736. 

VIII 15, 5 [namque—per manus] Schiller, Bl. t d. bayer. 
GSW. XXVII S. 294. — 36, 1 et perterrito st. perterritos 
Schüler, a. a. 0. S. 294, wofür Deiter, Jahrb. f. Phil. 1891 
8.736 nur perterrito lesen will. — 36, 1 nuignae velocitatts st. 
felicäatis Schiller S. 294. 

Bellum civile. 1,7,3 quae . . . (ab} armis esset tuta 
Schiller, Bl. f. d. bayer. GSW. XXVIII S. 292 25, 3 <c«m> 
extremis Schiller S. 292. — 3, 19, 1 unum flumen non tarn 
latum st. lantum Polaschek, Zeitschr. f. d. österr. Gyinn. 1891 
S. 989; 25, 4 iiqua ai Utora Afoüonialium — oifswn dd'^wre fNM- . 
senl K. P. Schulze, Progr. des Friedrichs- Werderschen Gymna- 
siums zu Berlin 1893 S. 30. — 44, 6 quare cum erant loca st. 
quae 0. May, N. Jabrb. f. Phil. 1891 S. 508. — 71, 3 m UUerii 



Cäs«r und seine J:<'or tse.tzer, von R. Schneider. 



253 



neque ascribere sL numquam scribere l'oiasrhfk. Zcilsclir. f. 
«I. öslerr. Gymn. 1891 S. 990. — ll2, 6 dunisil st. deauxü 
Seiiii lei , lij. 1. d. bayer. GSW. XXVII S.284. 

Bellam Africanttm. 11,4 wmte defie$rwt BtnutuFnnk, 
Philologus 1890 S. 673. — 25, i gociit st. nifo Funk S. 674. 
— 30, 2 Juhae st Jvba Funk S.674. 



HL Die Verfasser der Fortsetzungen. 

t>) Theodor VVidmaon, llbci* den Verfasset' des bellum At'ric.-i- 
oam ttttd die PoIUohy noth«t« Landgrafs. PMlologos 1891 
S. 534-565. 

Der Verf. stellt xam Schlüsse seiner Untersuchungen die fol- 
genden Ergebnisse zusammen: 

„1- Oer Verßisser des Tagebuches Ober den afrikanischen 

Feldzug Casars ist ein Angehöriger der 5. Legion. 

2. Pollio steht in keinem Zusammenbange mit der 5. Legion, 
kann also auch nicht der Verfasser »cm. 

3. (iegr-n die Autorscliart I'üllios spricht auch die Möglichkeit, 
ja sogar WaiirscheiniiclikeJl, dals l'olJiu nirlil, wie difs hei dem 
Verf. des b. Afr. vorauszusetzen ist, iU*u 1 cidzug von Anfang 
bis zu Ende als Augenzeuge mitgemacht hat." 

]0) HaDrieai Mölken, la eomine ntarium de hello Africino qaae- 
stiones eriticaa. Diaaert Argentorati 1892. 127 S. 8. 

Ad. Kiefsliog in Strafsburg hat im Winterseraester 1S91/92 
Wölfllins Ausgabe des Bellum Africanum den Übungen des philo- 
logischen Sominar«; /.u Grunde gf>'e<;i; aus diesen Besprechungen 
ist unsere Dissritnlion hervorgegangen. 

Der Verf. I)eliundelt alle Vorfragen gründlich und unisiclilig, 
UM! scliliefslich /.n demselben Ergebnisse zu kommen, das ich von 
Anfang an in diesen Berichten vertreten habe: 'uulJo igitur 
fondamento Landgraf] niti sententiam patet' (S. 19). 
Der Stammbaum der Handschriften ist sorgsam anfgestellt (S. 50) 
und nachgewiesen, dafs der von WSlfflin besonders geschätzte 
Leidensis äufserst unzuverlSssig ist: 'ezaminantibus nobis has 
qitarum L solus est testis scripturas summa apparuit in servandis 
arcbetypi lerfionihus socordia et neglegentia* (S. 68). Das Flnupt- 
kapitel dn Di^snitation, das dritte, ist überschrieben: I^e reiiqiiis 
iücis inlerpolalionis snspicioni obnoxiis. Darin werden etwa 
neunzig Stellen, wd WulHlin Interpolaiiunen angenommen hat, 
teils dui cli Interpreuiion verteidigt, teils durch unbefangene Wür- 
digung dieses Scbriftslellers ins rechte Licht geröckt; bisweilen 
ist auch durch Cmendation einem Fehler in der Oberlieferung ab- 
geholfen. Hin und wieder gehl Mölken wohl in seinem Eifer zu 
weit, ich bin z. fi. überzeugt, dafs B, Afr. 35, 1 <Seqm» ^mqite cum . 



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254 



Jahresberichte d. pbilulu{,\ Vereius. 



eo ermt genügt uuii ilds fulgende comitea entweder eingeklammert 
üder in ein Adverbium, das zu mirari pafst» verwandeil werden 
müsse, aber im ganzen behilt darin doch der Verf. Recht, daCs 
er W&lffiiDB Annahme einer grofsartigen Interpolation grflndlich 
widerlegt hat. Die Dissertation macht dem Schüler und dem Meister 
des Strafäbnrger Seminars Ehre. 

1, 5 ist zu lesen legioms tironum convenire Ilii. (st. in Ms), 
veterana legio quinta. V<?l. JB. XVil S. 247. — 2, 5 wei.st Mölken 
mein»' Vermutung post diem quarfnm cum [longis] paucis navibm 
in nDLspectum Äfricae venit: liaimim reliqnae, praeter paucas one- 
rariae . . . diversa loca petieruiU deshalb zurück, weil die Legionen 
auf langen Schiifen eingeschifft würden. Ist das so sicher? Nach 
8, 2 ad rdiqwtt na»et onerarias conquirendas, quae deerrassent 
und 11,4 fia0i6tis unerarwt, qtm diorasBetu mnfs ich das be- 
zweifeln. — 3, 1 vermutet Kiefsling Adrumeium {pefent^; 
7, 3 incertae locorum Utieam versus (cursum) petere vtsae sunt 
Mölken; 10, 3 contra mmjnas copias et insidiosne nationis eqnt- 
tatum (St. equitatumque) ae exposifos videbant Mölken; 19, 3 
quippe qui sine Jnbae auxilio sibi confideret >\. sine lUormi fUle 
Kiels Ii ng; 22, 2 aut interfeetos ( esse) Molk e u ; 2tj, o inatit it 
litteris — missis, ut st. inslUuä ldieris(iue lüersliug nach Coluai, 
12, 3, 9 iiutit$re atriensäntSf ut supileclüem exponant ; 26, 5 suam 
fidm imgiUn'aniüms st suamque Mdlken; 30,2 ipse st. Juba 
Mölken; 54, 6 Ilaque tradilos eeniurwmhta etsmguUs nm am- 
pUus singulos additos servos m navem imponendos separatim curamt 
St. tradit eos Kiefäling. 66, 3 [tarn] Möiken; 77,1 iU suis 
fortunis populus Romanns quo de bene meriti essent st. qnod 
Kiefsiin^^; *S5, G inlustres urbanos, qun'i saiirri Höstes appeUa- 
bant St. auclores Kiefsling; 89, 5 idein Inbmt sL item Kiei's- 
ling; 95, 1 ninmil Mölken per Maure taniam hinter cum paucis 
heraus, um es einige Zeileu bpaler eiuzufügen: iterque <^per Mau- 
rstaniamy in Hispanidm mtmdsbant, 

11) Josef Ziagerle, Zor Frage nach der Autorschaft des bellum 
Alexaod ri a um nTni «lossen Stellung in Corpos Gaesaria- 
nom. Wiener Studien XIV S. 7ö — 119. 

Wahrend man von verschiedpiien Seiten den Versuch ge- 
macht hat, die letzten Kapitel von BC, III als pseutlocäsarianisch 
zu erweisen, behauptet Zingerle umgekehrt, Casars eigene Ar- 
beit reiche noch in den Anfang des bellum Alexandri- 
num hinein, nämlich bis b. Alex. 21. Nach der Zählung des 
cod. Ashburnhamensis bilden BC 1 und II nur ein Buch, das also 
die Ereignisse des ganzen Jahres 49 v. Chr. enthSlt, ßC Iii wäre 
danach das zweite Buch des Burgerkrieges, und das nrsprÖDglieh 
dritte Buch, meint Zingerle, hätte den Anf^ing vom bell. Alex. 
(1 — 21), aufserdem die ganze Arbeit des Hirtius umfalst. Üa 
Ilirtius» nach der Ansicht des Verl'.s, die ganze Zeit bis zu Casars 



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Cäsar nod seine Fortsetzer, von R. SeJineider. 



255 



Tode in einen einzigen Komnientarius brachte, so inufs seine 
l>arstellung sehr küap|) und unvollständig irewescn sein, sie er- 
t orderte auch nicht viel Zeit, in etwa zwei Mooateu konnte Uiriiui» 
mit seiner Arbeit fertig werden (S. 81). 

Das rasch enblandene Werk ging aber auch ebenso rasch 
wieder xu Grunde. Ein Teil wurde durch das belium Africanum 
verdräogl, ein anderer durch das bellum Hispaniense; der Qbrig- 
bieibeiide Teil ward dem Corpus Caesarianum» zusammen mit den 
Aofangskapiteln von Casars eigener Hand, als ^commentarins de 
hello Älexandrino' einverleibt. ,,Es blieben nach diesem Vorgänge 
noch zwei fiücher de hello civilt übrig; um aber die hergebrachte 
iMnleilung in drei Bücher aufrecht zu erhalten, wurde der com- 
mcniarins I in zwei Teile gespalten und der coMini. II rfickte an 
die Stelle des uisprnnglichen 'novissimns coraniciituriiis', d. h. des 
dritten, den Hirfiiis \ollt'n(let hatte" (S. 83). Der Verf. macht 
srhliefslich den Voisciiiag, iliv ersten zwei Bücher vom Bfirger- 
ki ie^«' zu einem zu vereinen, das dritte als zweites zu bezeichnen 
und den Kommentar über den Alexandrinischen Krieg zu betitein: 
€. Julit Caesaris et A. Hirtii commenlarii tertii de hello ci?ili quae 
supersunt. 

Ich vermisse in dieser Abhandlung den Beweis, dafs bell. 
Alex. 1— 2t von Casars Hand stammen, denn der Hinweis auf 
Landgrafs Untersuchungen (S. 118) füllt diese Lücke keineswegs 
aus. Aufserdem aber ist die wichtigste Frage gar nicht berührt, 

was Sueton eigentlich vor sich hatte, als er sthrifb (vita Cacs. .56); 
Xam Älexandrntf Afrirtqvp pt H^panietisis incertus avrfor esi: alii 
Oypium jmfant, alii Uirlium. Damit kann nach ui^uhm' Meinung 
weder auf ilie vorliandenen drei Bücher gleichen Titels, noch auf 
einen kurzen Abrils, wie Zingerle ihn dem Uirtius zuschreibt, bin* 
gewiesen werden. 

Gegen Landgraf macht der Vert mit Recht geltend, da& b. 
Alex. 11 u. 12 epiftolM und dmiarn nicht synonym sind, denn 
daukarn bedeutet Schifissoldaten, epibauu aber auch Landsoldaten, 
die eingeschilTt sind. Unrichtig öbersetst Landgraf auch naves ad 
terram durahit durch „ans Land ziehen", das wäre freilich ein 
«grober taktischer Fehler" gewesen, den man Cäsars nicht in die 
Schuhe schieben darf. Des Verf.s Erläuterung ist geschickt aus- 
gedacht, aber es ist schwerlich aus (l»'n WoTtrn des Textes her- 
a»is7Ailesen , ilafs damit rinr S( hwmkung genieinl sein soll. Ich 
bin noch immer der Aiiti hi, dafs Cäsar seine SchiÜe an die 
Küste lenkte, um in dem stahteren Wasser besseren Schutz vor 
den Manövern der teiudlichen ScbiiTe zu linden. 

12) HeiDrieh Schiller, Die Ciisraatgtbe det Hirtias. PUlelognt 
1892 S. 395^399. 

Schiller wendet sich gegen Härtel, der dem Hirtiua die *Edi' 
tion eines abgeschlossenen Cäsarbuches' zuschreiben will und findet, 



A 



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256 



Jahresberichte d. philolog. Vereins. 



dafs Härtels Auffassung zur Lösung des eigentlichen Rätsels nidits 
Wesentlielies beigetragen habe« Oer Verf. ist der Ansicht, dafs 
sanSchst aus den Supplementen selbst die Autorfrage gelöst wer- 
den müsse, dann könne man erst die litterariscben Zeugnisse des 
Hirtius und d(3s Sueton verwerten. 

Vorläufig hält der Verf. noch an Nipperdeys Ansicht fest, dnfs 
die pracf. von BG VHI vor V(vll('ndung der ganzen Arbeit des 
Hirtius gescliriehen sei, und weist zur tlnlerstutzung dieser An- 
nahnip auf praef. § i snscepi, § 3 susceperim hin, und woitor mit 
Landgraf auL § 3 qui me mediis interposuerm Cae&aris scri^Ua, was 
doch nur auf 86 VIH, nicht auf eine bereits vorliegende Fort- 
setzung des BC pafst. 

IV. Die Rheinbröcke. 

13) Franz Hermes, Zu Casars Uhcinbrücke. Gymoasium X 
Nr. 9. 

Der Satz IV 17, 6 qnanhim eorum tignorani iunctura distabat 
wird erklaii: ,,ücr Holm wird von oben {insuper) eingesenkt, so- 
weit wie die (oberste) Verbindung der Balkenpaare des Bockes 
(?on deren Ende) «ntfemt ist". Und weiter: ,,Es sind also an 
jedem Holme 8 finüae angebracht worden'*. Die ntbUcae seien 
senkrechte Balken, ,,die stromaufwärts {supra poniem) ohliquo or~ 
dim eingerammt sind; sie durchqueren den FluCs stromabwärts 
(ad inferiorem parfem pnminis) von seiner nichtung ab- 
weichend". Zum Schlüsse heilst es: „l's scheiiil hiernach, als 
ob vor jedem Joch mehrere snhlicm (etwa oder 7) so eingerammt 
worden sind, dafs sie eine mit der Spit/.' stromaufwärts gerirh- 
lete Schutzwauü in Form eines Winkels bildeten; diese war dann 
mit den vorderen iignü Terbunden und gewährte ihnen auch da- 
durch gröJfoere Festigkeit. Lästig erscheint bei dieser Erklärung 
das et hinter mbUeae; vielleicht ist es Irrtämlich gesetzt, wie auctf 
sonst dergleichen vorkommt, oder es verbirgt sich darin ein Zahl- 
wort, etwa V , d.i. qiiinae, wodurch die Deutlichkeit der Dar- 
stellung Löwinnen w-urde". 

Dieser Aufsatz liat einen Leser dej- '(iyniuasiums' zum Nach- 
denken an<^eregt und veranlafst, seine Ergebnisse (durch vier Zeich- 
nungen veranschaulicht) zu veröfifenUichen : 

13) Bnbo, Noch einaal Ciitra Rhein brüeke. GYiniiaaiBn X Nr. 13. 

Der Terf. versteht unter sublicae senkrechte Balken, die vor 
jedem unteren Balkenpaare eingerammt worden wären. „Die Fufs- 
punkte der tubUcoB bilden Reihen, die zu der Stromrichtung des 
Flusses unter schiefem Winkel {oblique) stehen*'. 

Da sich erfahningsmäCsig sehr wenige Leser für solche neue 
Brucken konstruktionnn interessieren, kann ich mir die Widerlegung 
dieser Aufsätze eria&sen. 



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llä«ar uod seine Fort«et%er, von U. ScJioeider. 



257 



14) Habo, Zu Casars Rheiobrücke. iN. Jahrb. fdr Phil. 1692 S. 485 

Die weitsch weilige AbbanUlung endigt ilainit, liais unter dem 
Abstand von Fiift der Abstand aaf dem Wasserspiegel, im Liebten, 
zu varstehen sei. 



V, Geographie und Topographie. 

15) B. DttsjtrdioS) Geographie de la Gaule Romaiue. Tome qna^ 
tri^Qie. Lps smirrc«: Je I.-i topogrtpbie eoiii|wree. Pari«! Hadietle 

et Cic, III II. 294 S. gr. H. 

Am Ende des dritten fhnd«'!: dor .,npographie römischen 
Calüens" (1885) halte Ik-sjariliiis versprochen, er wolle in einem 
vierten liande noch das Stral'sennplz und die Topographie im ein- 
zelnen beiiandelii. lui Laufe des nädislen Jahres nahm ihn der 
Tod hinweg, ond nun hat Longnon, auf dessen Hfilfe der Verf. 
so wie so gerecbnet hatte, den Nachlara^ der bis znm 15. Bogen 
reichte, herausgegeben und selber die beiden Scblafskapitel hinzu- 
gefügt. Den erwünschten Index zum ganzen Werlte hat die Galtin 
des Verstorbenen angefertigt. 

Der Verf. behandelt die hei Vicarello aufgefundenen Becher, 
die als Inschriften Reiserouten tragen, dann die Meilensteine von 
Autun und Tongern, eine Pilgerfahrt von Bordeaux nacli Jerusalem 
aus dem J. 333, das Itinerarium Antonini und die Peutingersche 
Tafel. Während die Einzelheiten dieser Kapitel nur den Fach- 
gelehrten interessieren, ist das 7. Kapitel, das letzte Yom Verf. 
selber, auch weiteren Kreisen angemessen, denn es handelt von 
der Entstehung des Strafsennetzes in Gallien, das Sär 
die Entwicklung Frankreichs bis in die neueste Zeit hinein wicht^ 
geblieben ist. 

Vor der römischen Eroberung gab es in Gallien auch 
^hon vielbctretene Wege und Strafsen; da sie aber in keiner 
Weise hergerichtet waren, so hahen sich auch keine doiitli(hen 
Spuren von ihnen erhalten. Wege, die bestimmt zu allen kelti- 
schen Ansiedelungen fährten, lindet man allerdings noch heule, 
aber sie unterscheiden sich durchaus nicht von den gewöhnlichen 
Feldwegen. In den Untersuchungen der LokaUbracher, deren es 
in Frankreich bekanntlich recbt viele giebt, liest man oft von 
Radspuren, die sich auf felsigem Boden zeigten; diese Radsporen. 
mit denen auf der appischen Strafse verglichen, ergäben eine an> 
dere Spurweite, weshalb sie für vorrömisch, also keltisch, gehalten 
werden mflfsten. Dem entgegen erklärt Desjardins S. 163, er habe 
manche Reise unternommen, um solche Spuren zu 
sehen, aber nicht eine einzige gefunden. Er kommt da- 
mit zu dem l'rgebnisse, dal's es angelegte Strafsen erst seit dem 
Eindringen der Itömer gegeben habe; die via Domilia ist so« 
nach die älteste Strafse. Ein eigentliches Strafsennetz erhielt 

Jahnabwiaht« XIX. 17 



258 



Jahresberichte d. philolog. Vereiof. 



liallien erst unter Augiistus, und bei seinem Tode gab es min- 
destens elf grofse Stialsen. 

Die Meilensteine, das beste Hülfsmittel i'ür die Bestim- 
mung römischer Strafsen, b«ben ihre Geschichte; Die ältesten, 
unbeschriebenen, die teilweise aus den Zeiten der Republik stam- 
men mögen, haben nur Wert, wenn man ihren Fundort genau 
kennt, sie sind leider vielfach arglos in irgend ein Museum ge- 
schleppt worden und haben dadurch ihre Bedeutung für «Ten 
Historiker eingehfifst. Hie des August ms sind cyiindrisch, sie ent- 
halten die Amtsjahre des Kaisers, It ider aber keine Angalx'ii über 
die Entfernungen ; die des 1 ibenu:» aber, von rechteckiger i- urm, 
geben immer die Entfernungszaiil. Unter Claudius erhielten sie 
wieder die cylindrische Form, aber es war darauf ein rechtwink- 
liges Feld ausgeineifselt, auf dem neben den Regierungsjahren des 
Kaisers, manchmal wenigstens, auch die Entfernungen eingetragen 
wurden. Seit Alexander Severus zeigt sich auch an den Meilen- 
steinen der Verfall des römischen Reiches recht deutlich« Bis- 
weilen hat übrigens die Sache ihre Scliwierigkeiteu, denn es giehf 
auch unter den Meilensteinen l*aliropscste ; und wenn ein Stein 
mehrmals mit €ement öberschmiert und neu beschrieben ist. wo- 
Ix'i brauchbare Buchstaben der früheren Schrift stehen biiei>pn, 
SU ist die EntziiTerung und Datierung der Urschrift keine Klei- 
nigkeit. 

Im 8. Kapitel bestimmt Longnon den Wert der Angaben 
des Anonymus Ravennas und geht darauf, wie es Desjardins in den 
früheren Kapitebi gemacht bat, die einzelnen Namen durch. Von 
allgemeinerem Interesse ist wieder das letzte Kapitel: *de la me- 

thode ä emidoyer pour la recherchc archeoh)gique des voics ro- 
maines', es enthält zugleich die Geschichte der Forschungen auf 
diesem Gebiete. 

Der erste Versuch xm IJergier (1622) liel sehr unglücklich 
aus, weil damals die in Gallien enthaltenen Altertümer so gut wie 
unbekannt waren. Kurz nachher aber änderte sich das: die Zeit- 
genossen von Richelieu und Mazarin machten grofi^ Reisen zu 
Pferde durch das Land» und dabei lernten sie auf die Altertümer 
achten, und namentlich fiel es ihnen auf, wenn sie plötzlich von 
der guten alten Strafse auf einen ungepflegten Weg übergingen. 
Besonders wichtig sind hierüber die Notizen von Du Biiisson- 
Aubenay (aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhurdert?) , sie sind 
so genau, dafs man sie auf der (Generalstabskarte eintragen kann; 
dazu geben sie noch mitunter Uericht von römischen Strafsen, 
die bei späteren Wegbau icu bis auf die letzte Spur ausgetilgt 
sind. Ganz geruiit haben seitdem diese Studien nicht mehr, sie 
bekamen einen ganz neuen Schwung im Jahre 1859» als Napo- 
leon die Vorarbeiten für seine Geschichte Casars beginnen Hefs. 
Durch die Forschungen verschiedener Gelehrten und Fachmänner 
wurde jetzt festgestellt, dafs Vitruvs Angaben Ober den StraÜKn- 



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Casar aod sein« Fart.so t/.er, voo R. Sebseider. 



259 



bau durchaus Icmc feste und imabandertiche Regel bilden. Im 
Norden Fraiikreichs sind die. lüinischen Slrai'sen niclil unten ge- 
pilastert {ttatwnm) un^ dann mit zerklopften Ziegeln und Kalli 
bedeckt (ruc/us), sondern die Unterschicht bildet einfach eine Lage 
▼on Kieaelateinen , bisweilen mit gestampfter Erde, darüber sind 
Kalksteine flach gelegt, zerkleinerter Kalk oder Kreide bildet die 
Decke (nmlens). In andern Gegenden baute man wieder anders, 
je nach drm Material, das die Umgebung bot: 'partout on uti* 
Jise les m a t p r i ,'Mi \ lorr?ii\'. 

ni( i .ius crgiel 1 ti so^lm h, welche Vorsicht der Forscher 
anzuNNenden hat, um roim.silHi Sirafsen von di n späteren Anlagen 
unter Karl dem Grofsen u. a. sicher zu uü Lei scheiden. Zur Un- 
terstOtzung dienen folgende Beweismittel: 

1. Die r6mischen Meilensteine. Der Stein Ton Kerksao 
X. B. beweist, datil unter Claudius eine StrallM von Vorgium 
(Carhaix) nach Vorganium (PAber - Vrac'h) führte. — Die jetzige 
Strafse von Chateau^Thierry nach Monlmirail gebt z. T. auf der 
alten Römerstrafse, wie Hu Buisson-Aubenay vermutete, das ist 
jetzt durch den Meileiistpin von VifTort hf<;tr»tifrt. 

2. Die Reste römischer A uMedelungeu. Dadurch ist 
eine Stidlj^e zwischen Reims und Havay gesichert; ebenso die 
Stralse von Vorgiun) (Carhaix) nach Alelum (Saint-Servan), wo- 
von die Itinerarien nichts berichten. 

3. Die Ortsnamen. Das Dorf Quartes bat seinen Namen 
vom 4. Meilensteine der rdmisefaen StraDse zwischen Bavay und 
Reims; Sixle vom 6. zwischen Sens und Paris; SeptAme und 
Oytier vom 7. und 8. zwischen Vienne und Genf u. s. w. Von 
mntad'o (Pferdewechsel) wurde Muizon benannt und vielleicht auch 
Mudaison. mansio giebt keinen sirhpiv'n Anhalt, ^veil später der 
Regrifl' „Nachtlager** nicht mehr lestgehalten wurde, maison be- 
deutet ja auch blofs ,,Haus". Aber * Estree, Estrees, I/Estree* 
sind sichere Zeugen eiuer Kunstslrafse {straia) römischen Ursprungs. 
Dieser Name eines jetzt zerstörten Dorfes bei Montmirail, den die 
Akten des 14. nnd 15. Jahrhunderts erhalten haben, führte den 
Verf. zur Auffindung der Strafse zwischen Heaux und Bibe. Bei 
den Namen 'La Chaussee, Gauchie, Caossade* ist dieselbe Vorsicht 
wie bei 'filaison' angebracht. 

4. Zeugnisse aus dem frühen Mittelalter. So er- 
wähnt Hincniar, etwa im Jahre 850, eine SH':5rsp 'quap rornfnr 
Barbaria' bei Reims, und «in gefälschtes, aber seiü alles iJiplom 
(8. Jahrhundert) des Königs llagoberl I spricht von einer Strafse, 
die vom KönigsscUlosse zu Paris nach Louvres (Seine et Oise) 
fahrt, wodurch Longnon zur richtigen Entzifferung des Meilen- 
steines von Saint-Marcel kommen konnte. 

5. Die landläufigen Strafsennamen. VielflBch sind die 
Namen „Römerstrafse** (*chemin des Romains', *voie romaine') 
reine Erfindungen, aber dieser Mifsbrauch ist vor dem Anüinge 

17* 



260 



Jahresbericlite d. philolog. Vereios. 



des 13. Jahrhunderts nicht nachzuweisen. Bis dahin benannte 
man die Strafsen nach llrunhild ('cheuiin Brunehauf, 'chemin de 
ßrunicheutz') und anderen sagenhaften Personen. Diese Namen 
wurden später, besonders seit der Renaissanee, durch Julius Cäsar 
verdrängt, dessen Glanz auch besser bezeugte Persönlichkeiten in 
den Schatten stellte. Beachtenswert ist aber wiederum die Be- 
zeichnung 'cheniin des Sarrasins', womit im Mittelalter geradezu 
die heidnischen Römer gemeint werden ; im Deutschen enlspriclit 
diesem INamen der Ausdruck „lleidensträisie" und „Heidenweg*', 
der im Klsnfs nnd am Klieine sich findet. Hadesen hat der Name 
*chemin lioainiea'* nicht die Bedeutung ,,[luiiierstrarse'*, wie man 
oft geglaubt hat, sondern bezeichnet die „Stralse der Pilger, die 
nach Rom wallfahrten'', dann überhaupt „Pügerstrafse". 

6. Die späteren Bezirks grenzen. Sehr oft dienen die 
alten römischen StraTsen als Grenzscheide zwischen den anliegen- 
den Gemeinden, so dafs man also umgekehrt die noch vorhande- 
nen Grenzscheiden zur Feststellung romischer Strafsen heranziehen 
darf. So blieb z. B. die Slrafse von Reims nach Verdun, die das 
Itinerariiiiü Antonini erwähnt, bis zur Revolution auf mehr als 
12 km die Grenzlinie zwischen den Diöcesen von Aeims und 
ClialüHS. 

7. Die altfranzösischen Itinerarien der Pilger. Das 
genaue Studium dieser Reisebeschreibungen, wobei auf die Lage 
der Hospize wohl zu achten ist, wird noch manche Aufschlösse 
geben, wenn die Lokalforscher mithelfen. 

Dieses Kapitel zeigt die Umsicht und zugleich die Vorsicht 
des Yerfiissers Longnon im besten Lichte. Wir können danach 
von seinem versprochenen Werke 'la Geographie de Gaule', wo- 
durch er die Arbeit von Desjardins ergänzen will, das Beste er- 
warten. 

IC) Stoffel, Gacrre de Cesar et d'Ariovii^te et premidres Ope- 
rations de C6aar an l'aa 702. Paria, Inprimari« mttioMle, 1890. 
164 S. 4. 30 Fr. 

Im Anhange zu seiner „Geschichte des BQrgerfcrieges** (Histoire 
de guerre civile. Paris 1887) hatte der Verf. nachgewiesen, dafs die 
Helvetierschlacht bei Montmort, sudlich vom fiiontBeuvray (Bibracte) 
geschlagen sei, und zum Schlüsse bemerkt, nun sei blofs noch die 
Stelle der Schincht •re^on Ariovist iinermittelt. 

An Versnrhen, das Schia* litlild , das am Kufse der \o^e<;en 
zu suchen ist, genauer zu bezeichnen, hat es freilich nicht gelehlt; 
aber alle Bemühungen haben doch bisher nur zu sehr zweifel- 
haften Ergebnissen geführt. Es ist darum sehr erfreulich, dafs 
der Oberst Stoffel mit seinem bewährten Scharfsinne die Sache 
noch einmal vorgenommen und zur sicheren Entscheidung ge- 
bracht hat. Das Ergebnis beruht auf gründlicher Ausnutzung der 
Daten, die in Cäsars Kommentarien sich linden, und auf genauem 



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GÜMi* und «eioe Fort«eU«r» vom R. Sclmeider. 



261 



Sludium lies Geländes, wozu der Verf. in hervorragendem Maf8e 
befrdiigt ist. Die Arbcifni seiner Vorplnger (v. (ioler und llfislow) 
kommen nicht in FJi tiadu. auch die DarsteliuDg bei Napoleon III 
ist nur so weil berangejcugeQ, als sie der erneuten Prüfung des 
Verf.s genügte. 

Drei Tage nach der Niederlage der Üelvetier (29. Juni 58 
v.Chr.) bei Montmort, im Söden von Bibracte (Mont Beuvray), 
zog Cäsar den Feinden nach und erreichte aie dien S, Jali hei 
Tonnere am Arman^on, das 170 km von Montmort entfernt 
liegt. Hier trugen ihm die Gallier ihre Klagen Ober Ariovisis 
drOcknngen vor. Cäsar erkannte die Gefahr« die das Vordringen 
der Germanen dem römischen Staate brachte, und heschlofs, mit 
Ariovist zu unterhandeln. Damals mufs sich Ariovist nnf dom 
linken Hhcinnfer, etwa bei üermersheim oder Sek, betunden 
haben. Bis dahin beträgt nänilicb die Entfernung von Tonnere 
etwa 500 km und koiiule also in den 35 Tagen der Unterhand- 
lungen (8. Juli bis 13. August) von den Abgesandten viermal 
zurQckgelegt werden; das wäre nicht möglich gewesen, wenn 
Ariovist, wie t. GAler annimmt, in Württemberg geweilt hätte. 
Da Ariovist jede Einmischung Casars schroff ablehnte und gleich- 
zeitig die Kunde kam, dafs 24 000 Haruden über den Rhein ge- 
rückt seien und die Sueben sich anschickten (vermutlich bei 
Mannheim und Maiüz), ins gallische Cfbiet einzufallen, beschlofs 
Cäsar, Ariovist entL( iJTnzuziehen, und er veriiefs am 13. Au^jUst 
Tonnere, um über Langres und Vesoul die burgundische Pforte (la 
Irouee de Beifort) zu erreidien. Nach drei Marschtagen, also bei 
Arc-eu-Iiarrois (90 km westlich von Tonnere), erhielt er die Nach- 
richt, ArioviBt sei drei Tagemärsche Obor sein Gebiet hinansge* 
röclit und wolle Vesontio (Besan9on) besetzen. Die Nachriclit er- 
wies sich später als irrig, Ariovist war noch nicht vorgeruckt; 
aber Cäsar mufste damit rechnen, und so änderte er am 16. Au* 
gust seine Marschrichtung, zog nach Süden ab und erreichte 
Bepancon am 19. August. Am 23. zog er weiter, am 29. August 
standen sich die beiden leindlichen Heere in einer Kntfernung von 
24 m. p. (— 35',< km) gegenüber. Ariovist erklärte sich jetzt zu 
einer Zus.uiiiuenkunlt bereit, und man kam überein, am 3. Sept. 
(BG I 42, 3 dies coUoquio dictus est ex eo die quinlus) auf einem 
ziemlich bedeutenden Erdhügel, der die weite Ebene Überragte und 
otwa gleich weit von den Lagern entfernt war» sich zur Unter* 
redung einzufinden (BG 1 43, 1). 

Die Bestimmung dieses Punktes ist fttr die ganze Frage ent- 
scheidend. Der gerade Weg von Besan^on nach dem Elsafs (den 
Poubs hinauf fast bis nacii Montbeliard) war bedenklich wegen der 
Schluchlefi lind Wälder (I 39, 6); darum wählte Cäsar den Um- 
weg, zu dem Diviliacus riet (41, 4), weil er durch offenes Gelände 
führte. Dieser Umweg läuft um die westlichen Vorberge des Jura 
herum, tritt nördlich von Besancon auf das recht« Ufer des Ognon, 



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262 



J«kreitb«rieäte d. philolog. Vereins. 



acht übiir Uioz, Filain, Vallerois-le-Bois weiter, kehrt bei Viller- 
sexel auf das linke Ufer des Ognon zurück und tiilTt hei Arcey 
fptwH 10 krii westficli von Moiitbeiiard) mit dem i^eradeii Wege 
(durch das Thal des lluul)») zusammen: dieser ganze Weg 
von BestUK üu bis Arcey beträgt 74 — 75 km, also 50 m. p. 
Von hier aus ging der Marsch nalürhch über Itelfort und dunii, 
zwischen den Vogesen links und der Hl recbu, weiter nach 
Norden. Sieben Marschtage — ein Rasttag ward niclit gehalten — 
mufsten Gäsars Heer ?on Besannen an die Focht, in die Ebene 
zwischen Ostheim und Gemar bringen; denn die Entfernung 
von Besannen bis zur Fecht beträgt ungefähr 190 km, also 27 km 
als mittleres Mai's für die sieben Märsche. 

iiier erfuhr Cäsar dun h spine Patroiiillpu , dafs Ariovists 
Heer 24 ni. {= 35V km) enUernt sei; daiKicii wäre Ariovists 
Lager an der Brcusch, zNvischen Durlisheim und llos- 
heim zu suchen. lu der Mitte dieser Lagerplätze, also zwischen 
der Fecht und der fireusch, mfifsle nun der £r(|hügel liegen, auf 
dem ArioYist und Cäsar zusammenkamen. 

Ich lasse non den Entdecker selbst seinen Fund mitteilen: 
*Au nord de Schlettstadt, entre les villages de Dambach et d* 
Epfig, on rencontre un monticule arrondi, que nous appellerons 
„le tertre de Plettig" d'apres !e nom caracteristique de , Plettig- 
Buckel" (ju'on lui donne dans la contree euvironnante. Separe 
des penles inferieures des Vosges par un terrain uni, assez etendu, 
üu passe le cheuiiu de fer de Schlettstadt ä tiarr, il se presenle, 
surtout ä qui s'en appruche par le nord ou par le sud, comme 
d^tache des montagnes et enti6rement isol^ dans la plaine. On 
monte sur le tertre de Plettig, de tous les cdtes, par des penls 
trte-donces; de son sommet, dominant la plaine de 55 m^tres, 
on voit attssi loin que la vue peut s'etendre, et, par un temps 
clair, on apercoit la catbedrale de Strasbourg. Si on consid^re 
qu'aucune autre hauteur scparee de la chainc des Vosges, par 
conse(juant isolee dans la plaine, ne se rencontre depuis flemay 
(Senniieini) jusqu' a Barr; que Texpressiun de „tuuiulus terrenus'' 
couvenient de tout point au tertre de Plettig — enßn, que l'eten- 
due et la hauteur de ce nionlicule justiüent pleinenienl Temploi 
du terme „aatis gnoidls'* on ridenciftera, saus crainte d'erreur, 
arec celui de l'entreTOe de Casar et d'Arioviste. Cdsar, qni 8*y 
rendit veaant de la contree de Gemar, a donc ^it trte-justement: 
,,planities erat magna et in ea tumulus terrenus satis gmndis'*. 
lie tertre de Plettig est ä 16 Kilometres de Gemar, ä 20 Kilo- 
metres d'O^^theim et environ k 21 Kilometres de Oorlieheim et 
de la Brüche (Breusch)'. 

Diese Entdeckung ist enlsciieidend. Zwar halle auch v. (luler 
schon mit voller Sicherheit das „Ochsenfeld**, 4 km südlich von 
Sennheim (Cernay), als den tumulus terrenus bestimmt; aber Na- 
poleon Iii hat diese Bestimmung (Hist. II S. 86 Anm. 2) mit der 



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CSsar aud seine Forti eUer, ven R. SehAeider. 



263 



rirhti'^'en Hemerkung abgewiesen: *celte liauteur n'est pas, a propre- 
mciu parier, dans la plaine, contrairement au texte. Elle n'est 
pni5 separee des collines äituees au sud que par un ruisseau, et 
ja plaine conimeiice seulcment h parlir de la pente stiptentrioiiale'. 

Dafs Napoleon selber zw i. eben den Hügeln, die im NorUen 
und Aordosten von Sennheiiii ((.uniaj) liegen, mchi mit Sicher- 
heit m wählen wurste, spricht gegen seine AnDahme, das Schlacht- 
feld In dortiger Gegend* su suchen. Stoffel hat also zuerst die 
wichtige Bedingung erfüllt, in einer Ebene einen beherrsdienden 
Ilfigel nachauweisen; and wenn sich auf der ganzen Strecke von 
Sennheim bis Barr, d. h. bis zum Bache Andlau (weiter nördlich 
wird niemand das Schlachtfeld suchen, weil sieben Marschtage von 
Besangon aus nicht weiter reichen) nirgends ein von den Vogesen 
abgesonderter Ffugel findet aufser dem Pietiit^hiickel,, so ist liior- 
durch die iSacbc nrledi^t. Wer Stoffels Arliciten kennt, bedarf 
keiner weiteren liestatigung; für andere Le-er aber ist vielleicht 
die Bemerkung wichtig, dafs der Obeist SLoü'el die ganze Gegend 
gut kennt, weil es seine Heimat ist. 

Die Unterhandlungen aul dem IMettigbuckel führten zu keiner 
Verständigung. Am folgenden Tage, dem 4. September, schickte 
Ariovist Uesandte, um die Verhandlungen wieder au&anehmen; 
Cäsar aber hielt es für gefahrlich, Römer ins feindliche Lager an 
schicken, er sandte darum zwei Gallier, Procillus und Metius, 
aber erst am 5. Sept., nicht am selben Tage (48, 1 wdm dts); 
denn es geht nicht an, dafs an einem Tage Gesandte von Ariovist 
zu Cäsar gehen (=35j^km), dafs Casars Abgesandte den Weg 
darauf umgekehrt machen, dafs dann die Germanen noch 19 m. p. 
(28 km) vorrücken. Am 5. Sept. verliefs Ariovist sein T.ai^er an 
der Breubch und laf»erte sich am Bache Giefspii bei KesLeuholz, 
0 m. p. (9 km) von Casars Lager entfernt. Üitscs befand sich 
zwischen Ostheim und flemar, am linken Ufer der Fecht. Die 
Yüge&enkeLle ist gegenüber von Ostheim und Gemar von zwei 
engen Schluchten durchschnitten: aus der nördlichen (liefst der 
Strengbach, aus der südlichen der Weiftbach zur Focht. Zwischen 
diesen beiden Schluchten dachen sich die Vogesen sanft zur Feeht 
ab. Die Htlgelketlen von Bennweier, Hittelweier, Bebeinheim, 
dann die Höhen von Zellenberg, von jenen HOgeln durch den 
Sembach abgetrennt, sind zum Lagerplatze und zur Rampfesstellung 
sehr geeignet. Unterhalb dieser sanften Kette zieht noch heute 
„die alte Landstr-ifse" oder die ,,Römerstrafse", die gewifs schon 
von den Kelten benutzt war, der Wefr. auf dem Cäsar seine /u- 
fuhr von Beifort und Sennheim her erhielt. Um diese Verptlegung 
abzuschneiden, gedachte Ariovist, die genannte Hiigclkeite zu be- 
setzen, und in dieser Absicht war er am 5. Sept. bis lum BaclH^ 
Giefscn vorgerückt. Cäsar glaubte, Ariovist rücke zur Schlacht 
heran, es war ihm noch unbekannt, dafs Ariovist vor dem neuen 
Monde (18. Sept.) nicht kämpfen wollte. Am 6. Sept. rückte 



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264 



Jalirasbericlite d. phiUlog. Verein«. 



aber Arkvist nicht gegen das römische Lager an, sondern über- 
schritt bei Rappoltsweiler den Strengbadi, sog hinauf nach Zellen- 
berg und schnitt somit Cäsar ron der Zufulir ab. Gflsar hatte 
erst spät Ariovists Absicht erkannt, und als Ariovist erst einmal 
den Strengbach überschritten hatte, war nichts mehr zu machen: 
die schwerbewaffneten Legionen waren nicht imstande, gegen die 
Germanen auf der Höhe einen Angriff zu wagen. Cäsar war sich 
völh'^ über seine Lage klar; aber bei der Stimmung seiner 
Truppen konnte er weiter nichts thun, als täglich zur Schlacht- 
aufstellung ausrücken. £s kam nicht zum Kampfe, nur leichte 
Reiterscbarmütxel finden statt So vergingen die Tage vom 7. bis 
11. September, und CSsar mufste ernstlich daran denken, die 
Stralse, auf der seine Zufuhr herankam, wieder frei zu machen. 
Darum röclcte er am 12. Sept. mit seinem ganzen Heere so weit 
vor, dafs sein linker Flügel den Ausläufer der Hügelkette von 
Bebeinheim besetzen konnte; dann liefs rr sofort diesen Punkt 
verschanzen, der nur 600 p. (900 \oi\ Ariovists Lager entfernt 
lag. Eudlich erfuhr Cäsar, warum Aiiovist so sorgsam die Ent- 
scheidungsschlacht mied, und zwang ihn am 14. Sept. dazu. Die 
Germanen flohen dem Laufe der III entlang dem Rheine zu, den 
sie an der lUmfindung (bei Wangenan und Kilstett), 50 m. p. 
(74 V2 Itm) vom Sclilschtfelde entfernt, Aberschreiten wollten. 

Aus den „Erläuterungen und Bemerkungen (explications et 
remarques) ist Folgendes hervorzuheben. Das Gebiet d e s A r i 0 - 
vlst ist nirgends genau bestimmt, man mufs aus beiläufigen Be- 
merkungen spjne Grenzen festzusetzen sndien. Im r,<>hiele der 
iMciliomatriri wohnte nach Strabo auch nn Teil der gerni.mischen 
Volkerschaft Triboces (Tribocci), die schon vor (iiisars Ankunft den 
Bhein üLerscbrilten hatten. Das gemeinsame Gebiet heider 
Völker reichte südlich bis ans Gebiet der Sequaner und war von 
diesem geschieden durch den sumptigen Teil der Rhdnebene, der 
zwischen Gemar und Schlettstadt sich hinzieht. Der kleine Ecken- 
bach, die spätere Grenze zwischen den Diözesen von Basel und 
Strafsburg und zwischen Ober- und Unterelsafs, dörfte auch da- 
mals die Grenze zwischen den Mediomatrikern und Sequanern 
gebildet haben. Zum gleichen Ergebnisse gelangt man auf fol- 
gende Weise. Als Cäsar in Arc-en-ßarrois die Nachricht empfing, 
Ariovist marschiere auf Besancon, zog er in gröfsler Eile dorthin, 
um ihm zuvorzukommen. Da er selbst einen Marsch von 130 km 
zurückzulegen halte, so nahm er jedenfalls an, Ariovist habe be- 
reits Sennheim erreicht (125 km von Besancon) oder es schon 
iiberschritten. Nun hatte Ariovist nach dieser Nachricht - seme 
Grenzen um drei Tagemirsche überschritten; rechnet man also 
75 km etwa zurück von Sennheim, so erhält man wiederum die 
Linie Barr, Benfeld, Bheine als Sudgrenze der- Triboker und des 
Gebietes von Ariovist. 

Vesoutio (Besan^u) ist fast ganz vom Doubs umflosseu, 



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Cäsar BDd seine forlsetzer, vou H. Sohneider. 



265 



mii' uid der Südseite ist eine Stelle freigelilieben, ilie 1S'2 m (etwa 
1000 rönusche Fufs) mifst. An <lioser Stelle ragt ein lierg empor, 
der mit fast senkrechten Wanden 129 m über den mittleren 
Wasserspiegel emporsteigt, oben beliudcl sich ein lasl vvagerecltles 
PJataau, Ober das der Weg von SQden zur Stadt fObrt, m, 
also dorchschnittUch 180 m (=600 römiscbe Fafs) breit. Bei 
seinen Vorarbeiten für Napoleons „Gescbicbte Casars^* batte Stoffel 
die untere Breite dieses Berges ins Auge gefafst und vermutet, 
es sei ein M im Texte ausgefalleD, also MDC sl. zu schrei- 
ben. Diese Vermutung hat nüpomein J^üligung gefunden, auch 
bei Thoniann in seinem ietztm i'rogranmi; trotzdem zieht Stolle! 
sie jetzt selbst zurück, weil iur ('äsar nur die wirklich zugäng- 
liche Stelle, das Plateau, in Betracht kam, und weil die Allen es 
überhaupt noch nicht verstanden, die Dasis eines Berges zu 
messen. 

Weiter werden die Mafsnabmen Cäsars und Ariovists in den 
„Erllotemngen" scbarf beleuchtet, anfserdem die Verwendung des 

dritten Treffens in Cäsars Schlachten behandelt. Hierfiber muijB 
sich der Leser durch eigenes Studium des Buches unterrichten, 

ein Auszug würde ihm nichts nützen. 

Die lefzfen Seilen des Werkes handeln von den ersten Un- 
ternehmungen Casars im .1 ilirr r>2 v. Chr. Cäsar eilte über Vienna 
ins Gebiet der Lin;,'oner, wo seiner Legionen im Winter- 

quartiere lagen, und hier, vermutlich bei Cbätilluo-sur-Seine, ver- 
sammelte er alle seine Legionen. Am 10. Marz waren die Truppen 
beisammen, am 14. brachen sie auf und kamen am 18. nach 
Agedincum- (Sens a. d. Yonne). Am 22. Hfirz zog Cäsar mit acht 
Legionen ab, um Gorgobina, das Verctngetorix belagerte, zu cnt- 
setsen. Sein Marsch ging also genau nach Süden, ins Land der 
Bojer, die am Zusammenflüsse des Äliicr und der Loire wohnten. 
Nach zwei Tagen gelangle er nach Vellaunodu nrim , diesen Ort 
mufs man demnach etwa 00 km südhch von Ak* liincum (Sens) 
suchen. Fast genau in dieser Entfernung liegt nun Toucy a. d. 
Ouanne, 61 km südlich von Sens, eine alte Stadt, die in ür- 
kuadea des 5. Jahrhunderts bereits erwähnt wird. Sie ist gewifs 
noch viel älter, denn ihre Lage mufste schon in den frühesten 
Zeiten zur Ansiedlung und Befestigung anlocken. Nach Einnahme 
dieser Stadt wandte sich Cäsar ins Gebiet der Camuten, um 
Genabum am Ligeris zu erobern. Da er auch diese Stadt in 
zwei Tagen (am 26. März) erreichte, so ergiebt sich wiederum 
eine Entfernung von 60 km', und das führt uns genau !)is Gien 
a. d. Loire, das ebenfalls wie alle Kellenst^dte durch natürlich 
feste Lage ausgezeiclinet ist. Orleans hat keine natürliche Be- 
festigung, es liegt auch zu weil nach Westen (04 km von Gieo), 
pafst also in keiner Weise für Genabum. 



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266 



J»br«»beric]it« de« philolog. Vcreia«. 



VI. Vom Kricgi»wtiäeu. 

Stoffel, lietuarqucs sur l'oavrage iutiloie: das Kriegswesen 
Casars ptr M. Franz PrShlieh. Revne de Phlloli^ie 1891 

S. 139^! 55. 

Der Oberst SlolTel erkennt den V\nh nnti die Sorgsainkeit 
in Fruhlicüs Arbeil völlig an, vermilst aber dana die niilitüriächen 
Kenntnisse, obne die man bei derartigen UntersnchuDgen nicht 
vorwärts kommen könnte. 

Die Normalstfirke <!♦'!• f^oj^ion festzustellen, erklärt StofTVI 
für eitles Bemühen: wir wissou gar nicht einmal, ob sie existier lu. 
Wenn die Legionen des Pooipejus wirfclicli 6000 Hann hatten, wie 
Fröhlich annimmt, so folgt daraus gar nichts für die Stärke der 
cäsarischen Logionfn. Aiifsfirdom ist jener Ansatz hwerlich 
richtig, denn sonst mfifäte i'ompejus von seiner Abfahrt aui> Brun- 
dHium bis zur Schlacht bei Pharsalus ein Drittel seiner Mann- 
schaften eingebüfst haben. 

Um den thats fichlichen Bestand der 13. Legion, mit 
der Cäsar den Rubikon überschritt, zu berechnen, sagt Krühiicb, 
mQsse man die Verluste in den gallischen Kriegen in Anschlag 
bringen, demgemärs könnte die Zahl nicht 5000 Mann betragen, 
wir Pliitarcli anficht. Hierbei nimmt aber Fröhlich irrtümlicher 
Weise an, (laf.s die Legionen niemals durch N'aehschub verstärkt 
wurden. Das ist aber ein falscher Schluls aus einer einzelnen 
Notiz (VII 57, 1): wenn Casar den Ersatz dieses Mal zunichsl 
noch nicht einreihte, so hat er es gewifs am Schlüsse des Feld- 
zuges gethan, \uu\ ebensowenig darf man ex siientio achliefsen, 
dal's Cäsar sonst niemals Ersatz erhallen habe. 

Fröhlich sagt S. 72 Anm. 112: „Dafs die Legionare z.B. 
gepanzert das Lager schlugen, wissen wir aus der Scbil- 
derun-' di r >>rvierschlarbt, bei deren Beginn nur vom Aufstecken 
der ilelmbuäclie. Aufsetzen des Helmes und Entfernen des Leder- 
fiberzugs vom Schild, nicht aber von Anziehen des Panzers die 
Rede ist". Dagegen wendet Stoffel ein, dal's Cäsar ja auch das 
l*iliim und das Schwert nicht erwähne. Zu der Oberaus schweren 
Schanzarbeit legten die Soldaten «»iciierlich den Panzer ab, wie 
auch heute die Soldaten sich's möglichst bequem zu solcher Ar- 
beit machen. *ll n'a pas vu qne Cesar, on nommant les objets 
que les soldats n'eurent pas Ic temps de prendre ou d'enlever 
(insignes, casrjues, enveloppes de boucliers) indiqiie, par cela 
meme, ceux, qu'ils eurent le temps de revetir ou de prendre 
(cuirasses, ^p^es, pilums)'. 

Fröhlich wiederholt S. 75 die verbreitete Annahme, dafs der 
römische Legionär das Getreide für mehr als einen halben 
Monat, d. h. für IG Tage, also etwa 40 römische Pfund, auf 
seinem RAdcen getragen habe. Hiergegen bemerkt StoflIsI: Uq 
genital qui ferait purter aux soldats leur ble poar 16 
joiirs serait fou. Le bie etait charg^ sur les bötes de sommes 



CSsftr mui seiae PorUetzer, voi R. Schneider. 267 



avec les ineules, les tentcs etc. I'eut-etre que le legionnaire en 

[»ortait lial)iU!f*!1em(mt pour mi ou deux jours, dans des circon- 
slances exceptionelles, poui un tcmps plus long'. Dafs diese !5c- 
hauplung sich durch uüuniötutsijche Zeugniis^t' antiker Schriftslelli-r 
erweisen läfst, werde ich weiter unleu noch austührhcher 
zeigen. 

Weiler wendet sieh Stoffel gegen die »FaM des Suetoniiis'S 
dalli eine einzige Koliorte der 6. Legion gegen Tier pompejaniscbe 
Legionen standgehalten habe; er bestreitet, dafa das amenttm beim 

IMIum gebraucht sei, dafs die SO Puls Abstand der Tfirmc vor 
Atesia dem Frontraume eines Manipels entspräche, und dafs die 
Tiefe von 10 m in 'Vr pompejanischen Schlachtreihc bei Pharsalas 
anders als aus Terrainrucksithlen /ii erklären sei. 

Unter latus apertum versLtiht Frohlit h sicts die rechte 
Seite; Stoffel macht aber dagegen gplt»>n(l, dafs latm aperlum in 
der Schlacht bei Montiiiurt (gegen die flelvetier) die linke Seite 
beseicbne. Danach heifst ateo diejenige Seite ,,ungedeckt"j die 
durch Iceinen Schutz des Geländes geschirmt ist, also, je nachdem 
die rechte oder die linke Seite. 

Die Fahnen mössen ihrer Bestimmung nach, wie es auch 
jederzeit bei allen Heeren Di auch gewesen ist, vorn gestanden 
haben. Bei der Aiifstelinng hatten sie ihren Platz im ersten 
Gliede, im Kampfe selbst im ersten oder zweiten filiede. liier 
mit hängt die Frage zusammen , was man unter antesigvani zu 
verstehen habe. Kröblicli, der die Fahnen hinter das erste Treilen 
ülellen will, halt den Aufdruck antesiguani fui gleichbedeutend mit 
prima acks, Stoffel aber neigt zu der Ansicht, daüs jede Kohorte 
ihre Antesignanen gehabt habe; rechnet man nnr das erste Glied, 
so wurde sich 450 Mann ergeben, nimmt man das zweite Glied 
hinzu, 900 Mann für die Legion von 3600 Mann. Zum Schiasse 
verteidigt Stoffel seine Darstellung des Gefechtes bei Ruspina. 

IBJ F. GiesiQg, Beiträge zur röniscJieo T«ktik. Jahrb. f. Phil. 
1892 S. 493-504. 

Schon in der alten, nach Altersklassen geordneten Legion 
war a& nach Ansicht des Verf.ä Brauch geworden, dafs der primus 
KaUoHtt prior aadi prmm bei den prindpes und bei den ^narn 
wurde; sie bildeten zuletzt eine besondere Klasse: die .primi 
ordines. 

In der Kohortenlegion behielt man jdje fHihere Ordnung im 
wesentlichen bei, nur fand die Beförderung jetzt durch alle drei 
Abteilungen statt: es standen die priores über den posteriores, 
innerhalb jeder dieser beiden ilauptklassen die pili über den prin- 
cipes, diese über den hastad: die priini priores der drei Abteilun- 
gen zählten für sieh als piinu ordines. 

„Üiei ilauptklassen linden sich also hier, wie wahrscheinlich 
auch schon in der Manipularlegion de» zweiten Jahrhunderts v. Chr.: 



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268 Jahresberichte d. philolo|p. Vereins. 



1> prmi\ 2) priores, 'M po^tcriort's. 
Die zweite und di itic Klasse zorf illi ii ilirerseiU in je drei 
Teile, sodals folgende btallcl aufzusirltcn i.sl: 

I. Klasse: Stelle 1 — 3 {Aie primi priores der drei Abteilungen) 

II. Klasse: erste Stelle 4—12 (2—10 jnltis j^) i $ 

zweite » 13—21 (2—10 prhus^ pior) \M 
dritte „ 22- 30 (2—10 hatUOia „ ) is. 

III. Klasse: erste „ 31—40 (2—10 pUm piMerior) \ | 

zweite „ 41 — 50 (2 — 10 prineeps „ ) [| 
dritte 51—60 (2—10 hattatw „ 

Die prions sind es, die Cäsar als ordines superiwts bezeichnet; 
die pottemres fafst er zusammen unter dem Namen inferiores. 
Wenn er auch von infimi redet, so ist darunter wahrscheinlich 
die letzte Abteilung der inferiores^ die poHeriwes der flastaten zu 

verstehen". 

Die oft besprochene Stelle b. c. III 53 versteht Giesing so, 
dafs Scaeva Führer eines der achten Zuge, d. h. des zweiten 
Zu^^üs der zweiten Kohoi te, also secundus pnnceps prior war und 
von dieser 13. Stelle sogleich zum primu^ pilus befördert wurde. 

19) Rudolf Schoeider, Lcgiou uud Pbalaux. Taktische (jotersachua- 
f eo. BerÜD, Weidnanosche Baehhandlniif , 1893. 150 S. 8. 3 M. 

Da die Überlieferung aus dem Altertume nicht ausreicht, uns 
ein klares Bild Ton dem Heerwesen der R5mer zu schaffen, habe 
ich versucht, die Lficken aus dem Material anderer Zeiten zu er- 
gänzen. Diese Schlüsse ruhen darauf, dafs die gleiche Staatsform 
auch die gleiche Heeresbildung hervorbringt, dafs von der Heeres- 
bildung der Grad der militärischen Ausbildung bestimmt wird, 
dnfs endlich gleiche Bewalfnung ancb die gleiche Taktik verlangt. 
Zur Stütze dient der hi^tojische .Nachweis, dals die milit uische 
Tradition in ununterbrocliener Ketle von den Spartanern bis zu 
den römischen Heeren am Ende des Reiches fortliiufl, geradeso 
wie nach Ablauf des Mittelalters die Exerziei kunst von einem 
Heere aufs andere, von den Schweizern bis zu den Preul^en sich 
fortpflanzt. 

1. Staat und Heer. In den despotischen Reichen des 
Ostens konnte es krlegstflchtige Heere geben, wenn der Despot 
selber kriegstöchtig war. So war das Heer der Perser furchtbar, 

nicht nur nach der Zahl: um so grofser ist der Ruhm der Grie- 
chen, die durch ihr lirg e r h e er siegten. Die demokratischen 
Staaten Griechenlands übertrugen ihre demokratischen Einrichtun- 
gen auch auf ihr Heer, nur die Spartaner machten eine Ausnahme, 
doch Iiielt sich dieser uulitarische Idealstaat nicht lange, bald 
mnllBte nun das Heer diircli Sftldner ergänzen. Aus Söldnern 
bildeten sich dann Dionysius I u. a. eine Leibwache; Philipp 



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Citar nsd seise Fortsetzer, voo ft. Sebneider. 269 

von Macedonien, (Irr Ciiinihi' »uner erblichen Monarchie, 
verpflichtete daneben um Ii ülle Ireie iVIacedonier zum Heeresdienst 
und behielt einen Teil siciiidig unter den Waffen, er halte also 
ein Steheudes lieer z.T. aus Laudeskindern. 

Das rdmUche fleer war, so lang« die Republik stand, 
ein Börgerheer; sobald aber die Republik sieb der Monarchie 
zuneigte, verwandelte sich auch das BQrgerbeer mehr und mehr 
in ein Heer von Berufssoldaten. 

Bei den Germanen gelang es zwar thatkräftigen Herrschern, 
sich ein starkes Ffppr tu srhafTen, ahrr imler schwachen Nach- 
folppi'n kamen die Mli^ti ilen rasch wiedpr auf. In Eiii:!and hielten 
die Könige ein kriegsgeübtes Heer, womit sie iii l i imkreich siegten, 
und unter dem Drucke dieser Eroberungen ent.slaiul in Frankreich 
1445 die erste stehende Truppe. Auch bei den Deutschen regte 
sich um diese Zeit das Strdien, das Lehnwesen durch das Sotd- 
wesen su ersetzen. Der Anstofs aber zu der Neugestaltung des 
Heerwesens ging von den Schweizern aus, die das Fubvolk 
wieder zu Ehren brachten. Ludwig XI nahm Schweizer in seinen 
Dienst und bildete nach deren Muster das übrige Heer; Maxi- 
milian I warb seine deutschen Landsknechte, die bald den Schwei- 
zern überlegen wurden. Der Ruhm ,,des bebten Fufsvolkes*' ging 
auf die Spanier über, als der König von Spanien zum Kaiser von 
Deutschland crkoreii uurde. Der dreifsigjährige Krieg brachte dem 
Landsknechttume den lintergang. Die xMacht der Fürsleu war 
gewachsen und es entstanden nun nach dem „jüngsten Rdchs- 
lagsabschiede** flbenll stehende Heere. In Brandenburg schuf 
der grofse Kurfürst ein Heer von 30 000 Mann, sein Nachfolger 
zog seine beabsichtigten Reformen vor dem Widerspruche des 
Adels wieder zurück, aber Friedrich Wilhelm I brach diesen 
Widerstand und setzte, wfniipstpns im Prinzip, die allgemeine 
Wehrpflicht durch. Ausgelührt wurde sie erst, als die abso- 
lute Monarchie zu £Qde ging, als aus dem üntertban ein Staats- 
bürger wurde. 

2. Die liixei zier k uns t. Wo wir zuerst ein wu'kiiches 
Heer finden, bei den Spartanern, dort finden wir auch die An- 
finge der fixerzierkunst : die erhaltenen Lieder beweisen den 
Gleichtritt; Wendungen, Schwenkungen und Kontremarscb brauch- 
ten die Spartaner nur aus den Chortänzen aufs militärische Exer- 
citium au Obertragen. Die andern Griechen folgten ihrem Bei- 
spiel, ohne jedoch das .Muster ganz zu erreichen, weil sie nicht 
ständig in der Übung biiebeu. Den Gipfelpunkt griechischer Exer- 
zierkunst zeigt die macedonischc Phalanx. 

Bei den Hörnern dürfte die Exerzierkun^t bis zu den Zeiten 
des Marius auf niedriger Stufe gestanden habeu, im Jahre 105 
V. Chr. wurde die regelrechte Fechtkunst eingeführt, womit ver- 
mutlich Oberhaupt die Exerzierfcunst «neu Aufschwung nahm. 
Die ROmer hatten bereits die Phalanx kennen gelernt, sie waren 



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270 



Jahresberichte d. pbilol. Vereios. 



seil<lem gewifs daiaiil l>edaclit, die Vorzüge der miliiärisclicn 
Schulung sich zu eigen zu iiiaclieii. Jedenfalls KanuLeii die Le- 
gionen den Gletchtritt, das wird durch das Zeugnis des Uirlius 
BG VJII 9, ] bewiesen, und Vcgetius, der ja aus alten Quellen 
sch&pfte, legt auf den Gleich tritt besonderen Wert. 

Im Alitlelalter gab es keine Exerzierkunst , weil es kein 
geordnetes Fufsvoik gab; erst mit den Schweizern beginnt die 
(iosciiirhle der Excrzicrkunst von neuem. \lc\ Üinrn hielten l?e- 
amlp die IIarnisch-S('liau ab und iiatteu dabei zu prüfen, ob sich 
die Manoscliaft „der niilgebrachten Wehren zu beheUen wisse". 
Fecht- und „Tröllnieister" leiteten die Übungen, und selbst Kna- 
ben wurden bchuu zum ÜAei/ieren angeleilet. Die Weudunj^eu, 
Reihen schUeben und dffnen, Duplieren der Glieder und Reiben, 
Schwenkungen wurden gedbt. Die Aufstellung geschali gewölin- 
lich mit einer Tiefe Ton 20 Mann und in gleich grober Front. 
Am Schlüsse des 16. Jahrhunderts finden wir die gesamte In- 
fanterie in Westeuropa nach Schweizerart bewaffnet und ein- 
exerziert. 

Ein Fortschritt in der Kxerzi»;rkunst miilste eintreten , als 
man aus der tiefen Aufstellun<i zur tlachercn überging, wozu man 
nicht allein durch die Einfulirung der Feuergewehre veranlafsl 
wurde, sondern auch durch die Idee deä Ueservesyslems, die duicli 
das Studium der Alten geweckt und genährt wurde. Moritz von 
Naesau gilt mit Fug und Recht als der Meister und Erfinder in 
der neuen Ezerzierkunst, aber er hat kein Reglement hinterlassen, 
wir müssen darum die Einzelheiten aus der „Kriegskun t /uFutt*' 
von Wallhausen (1615) schöpfen, die uns in Wort und Riid genau 
über jedes Exerzitium bcleiirt. 

Die Exerzierkunst halle «rhon eine hohe Slule erklommen, 
aber sie stieg noch viel höher m den stehenden Heeren der ab- 
soluten Monarchie, wo die Parade die Hauptrolle spielte. Oft 
artete die Kunst in Künstelei und Spielerei aus, aber die ein- 
gehende Beschäftigung brachte doch auch gute Fruchte: der alte 
Des sauer lehrte die Preufsen die Erolutionen, worauf die spä- 
teren Siege zum grofsen Teih» ruhen, er gilt noch beute als der 
„erste Exerzier meister'' der Preufsen. Anders urteilt man, aber 
sehr mit Unrecht, über den Genera) t.. Saldern, der als Exer- 
ziermeister dem alten Dessauer durohaus ebenbürtig i?f Die 
künstlichen Manöver nnd Evolutionen, die kurz darauf in Staub 
zerfielen, sind ein Fehler seiner Zeit, v. Saldern hat das grofse, 
vom grofsen Könige sehr anerkannte Verdienst, alle llewegungen 
aus sehr einfachen Grundformen zu entwickeln. Die Exerzierkunst 
erreichte ihren Höhepunkt, als die Tage der absoluten Monarchie 
bereits gezählt waren. 

3. Der Gleich tritt Es gilt allgemein als eine ausgemachte 
Sache, dafs der alte Dessauer den Gleichlritl in der preiifsischen 
Armee eingeführt habe. Für diese Angabe fehlt aber die bisto- 



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Cäaar vnd »eiDe Forisetxer) vob H. Schaeider. 



271 



rische Begründung, aufserdem wjd('rsj)richt sie der Thr^tsache, dafs 
bereits vor dem alten Dessauer bei alloii wolilgescimUen Truppen 
der GleichUilt sich findet. Die hcliweizer niarschierlen im iileicli- 
Irilt, ebenso die deuUcben LandsknecblCf die Spanier, die Fran«* 
zosen, die Sachfl« und die Brandenburger. Die Ncoerung bei 
den Prenfsen, die allerdings in die Zeit des ahen Dessauers fölit, 
ist nur, dafs die Preufsen zuerst, und auf ein Jahrhundert hin 
sie allein, den Gl eich tritt bei aufgeschlossenen Gliedern 
ausführten. 

Der natürliche r.lpichtrilt , das gleichzeitige Auflieben der 
b'niten und der rechten 1 ül'se, gehört zu den ersten Anforderungen 
jeder Exerzierkunst; soltald wir im Altert ume und in der Neuzeit 
ein geordnetes Fufsvolk lindt ii, treffen \^ir auch diesen nalfir- 
lichen Gleicbtritt an; bei den Spartanern, Athenern und übrigen 
Griechen, den Römern; bei den Schweizern und den deutschen 
Landsknechten, bei allen fibrigen Truppen, die in grofsen Geviert- 
haufen geordnet waren. 

Der abgemessene Gleichtritt, wobei also nchen dem Takte 
auch die gleiche Schrittlänge beachtet >vird, erfordert bereits eine 
andauernde Übung, weil die Soldttf n ihren natürlichen Scliritt 
nach dem Durchschnittsmafse regeln müssen. Dieser abgemessene 
iileichtritl ist hei der Aufstellung in langer Front notwendig, da- 
mit die gerade Linie im Marsche aufrecht erlialten werde: viel- 
leicht war er bereits bei den besser eingeübten Truppen des 
Altertums in Obung; in der Neuzeit finden wir ihn hei allen 
Heeren, seitdem sie in langen, dOnnen Linien sich su&tellten, 
wobei aber ein bedeutender Gliederabstand, grfifscr als die Schritt- 
Unge, festgehalten wurde. 

Der vollkommene Gleichtrill ist das Produkt der durch- 
dachten Exerzierkunst. Die Soldaten niüssrn durchtreten", d. h. 
iliipn linken FuJs neben den noch stehenden rechten Fufs und 
uiiigckrhrt ihres Vordermannes setzen. Hierzu ist eine exakte 
Ausbildung jedes einzelnen Mannes nötig, denn die kleinste Ab- 
weichung in Takt oder Schrittlänge, ein Schwanken des Ober- 
körpers, das Verdrehen der Sdiultern bewiriit Störung. Diesen 
Grad der Ausbildung, der fär den Marsch mit aufgeschlossenen 
Gliedern (wo der Gliederabstand kleiner ist als die Schrittlänge) 
notwendig ist, haben im Altertume die macedonischen Phalangiten 
erreicht, denn wenn sie in ihrer geschlossenen Stellung vor- 
rücken wollten, muTsteu sie durchtreten; in der [Neuzeit zuerst 
die Preufsen. 

4. Die Pikeniere und Phalangiten. Die Legionare. 
Das Exerzitium der Pikeniere ist in zwei Beziehungen wichtig: 
erstens hat sich daraus das heutige Reglement für die Infanterie 
entwickelt, und zweitens giebt es uns sehr erwOnschte Aufklä- 
rungen Ober die macedonischen Phalangiten, die ja in Bewaffnung 
und Fechtweise den Pikenieren gleichen. Was wir nun aus 



Digrtizeo Ly <jOOgIe 



272 Jabreaberichte d. pbiloL VereiuM. 

VVallhauseiis Kriegskunst über die verschiedeuen Abistiinde der 
Pikenicrc erfahren, deckt sich genau mit den Lehren der grie- 
chischen Taktiker. Die drei Abstände, die Asklepiodot angiebt, 
von 1 Elle za 2 und za 4 Ellen ansteigend, sind genau die 
„Standfsssungen** Wallhausens, denn 1 Elle und 1 Schritt mit 
gegrätschten Deinen geben ziemlich dasselbe Haft. Betrachtet man 
biernadi tüc Stelle des Polybius XVIII 29 f., worin die Phalanx 
mit der römischen Legion verglichen wird, so zeigt sich, dafs 
Polybius ffir die Kanij)resstellung der Phalangiten nur 
(nämlich Mannsbreile) rechnet, für die gewonliche Stellung beim 
Marsche und Exerzieren aber 3 Fufs (mannsbreite Lücken). 

Daraus folgt dann weiter, dafs die römischen Legionare, die 
in doppeltem Abstände zum Kampfe geordnet waren, mit 3 Pub 
Abstand, also mit mannsbreiten LAeken standen. Vegetius giebt 
den Gliederabstand aber auf 6 Fnfs an. Diese zunächst aulbllende 
Verschiedenheit erklärt sich einfach, wenn man die geraden Glie- 
der nicht auf die Vordermänner, sondern auf die Löcken der un- 
geraden Glieder einrichtet, dann erliält jeder Einzelne 0 Fufs • 
Abstand von seinem Vordermanne» also Aaum, das Piium zu 
schwingen. 

5. Die Stellung in drei Treffen. Nach vielfachen Ver- 
suchen, die ächcniatische Schlachtbeschreibung des Livius klar 
darzustellen, hatte schliefslich Uüstows Ansicht überall Anerken- 
nung gefunden. Seitdem ab« Delbrfick sieh sehr eutscbieden 
gegen die „durchbrochene Schlachtordnung** erkiflrl hat, ist die 
Erörterung von neuem aufj^enommen: man scheint dahin zu 
neigen, dafs zwar die durchbrochene Ordnung im Kampfe unzu- 
lässig sei, aber für den Anmarsch wohl tauge, die frontgleichen 
Intervalle wären zum Kampfe selbst durch Doppelabstand der Ein- 
zelnen geschlossen worden. Gegen diese Auskunft spricht die 
oben angeführte Stelle des Polybius, dir sehr mit Unrecht von 
KOchly und Rüstow zu Gunsten des Doppeiabstandes zurecht ge- 
macht ist. 

Ein Oberblick Aber die Kriegsgeschickte der. alten und neuen 
Zeit zeigt, dafs die durchbrochene Stellung im wirfcliehen Kampfe 

nur in sehr beschränktem Mafse zur Anwendung gekommen ist 
Für den Angriff eignet sie sich nur dann, wenn es gilt, die feind- 
hche Linie an irgend einem Punkte zu durchstofsen ; als Normal- 
stellung für alle Schlachten kann sie wohl einmal zum Siege 
führen, wenn der Feind danach ist, sie führt aber zum Verderben, 
wenn man es mit einem ebenbürtigen Gegner zu thun bat, der 
sich des Vorteils der geschlossenen Stellung zu bedienen weifs. 
Für den Rückzug geschlagener Truppen ist die durchbrochene 
Stellung (en ^chiquier) Öfter angewendet. Aber ohne Feuerwaifen 
ist diese Art des Rfickzuges Oberhaupt nicht ausfahrbar; man 
könnte höchstens durch Einzelangriffe der geraden ode un- 
geraden Abteilungen das Andringen der Feinde aufhalten, rwobei 



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GSsar und teide Forltetser» von R* Sehoeider* 273 



der £ifoJg recht sweifelhaflt wäre und der Rückzug eutochieden 
gehemmt würde. 

Der Beiirfjt des Liviiis cnihält Apu Irrtum, dafs die Bereil- 
scbaftsstelluug mit der el<;«'iillichen Kauipfesslellung verwechselt 
ist. Nach Polybius und Oiiosaiider waren breite Lücken im ersten 
Treffen f durch welche die Leichibewallneleu vorgingen und sich 
wieder zurückzogen. Nimmt man nun an, dafs diese Intervalle 
der HanipelfroDt gleichkameo, ee kooote nach dem Röckxuge der 
LdchtbewairneteD daa zweite Treffen, ebenfalla mit manipelbreilen 
Intervallen aufgestellt und auf die Intervalle des ersten Treffens 
ausgerichtet, nach dem Durchzuge der Leiclitbewaflbeten unbehin- 
dert ins erste TrelTen einrücken und somit die bisher durcfa- 
brochene Sienunir Aes ersten Trellens schliefsen. Das dritte 
Treflen bildele die nr>erve, deren Verwendung in der Haud des 
Feldherrn lag. Dasselbe gilt vun der Kohortenlegion. 

Zur Stiiue dieser Ansicht dient, dafs cla^ erste und zweite 
Treffen untrennbar mit einander «ind (vgl. BG I 25, 7; 49, 2; 
49,5; BGI41,4), und dafs in den Sälachtberichten {aufoer 
bei LiviuB) niemals daa Eingreifen des zweiten Treffens er- 
wähnt wird. 

Die Betrachtung einzelner Schlachten ergiebt, dafs die rö- 
mische Kriegskunst nicht an ein festes Schema der Aufstellung 
gebunden w;ir, soüdern gerade darin ihrrn besten Vorzui: halle, 
dafs sie dem Feldheriu die grufste Freiheit in der Handhabung 
. seiner Truppen bot. 



VII. Kleinere Abbandlungen Termisehten Inhalts. 

20) H. <rArbois de Jnbninville. Les noms g;aaIois eher. Cesar et 
Hirtins de bella Galiico. Faris Ibtfi. XV u. 259 kl. 
1 Fr. 

Diese Untersuchungen des vortrefflichen Kenners der galli- 
schen Kultur sind mir nur aus der Anzeige von Mensel (Herl. 
Phil. WS. 1891 Sp. 1551 ff.) bekannt geworden. Mir steht darum 
ein Urteil darfiber nicht zu, um so weniger, weil ich vom Kel- 
tischen nichts verstehe. Hoffentlich findet sich einmal jemand, 
der das nötige Material für die Cäsarforscher ül)ersiclit1ich zu- 
sammenstellt, wofür natürlich erst die weiteren Veröllenllichungen 
des Verf.s nnd die Vollendung des .,a Ii Ii eltischen Spraclischatzes** 
von üolder abgewartet werden müssen. 

21} 0. £. Schmidt, Der Ansbi-uch des Bürgerkrieges im Jahre 4ü 
V. Chr. Rhein. Hos. 1892 S. 241—268. 

Der Verf. will beweisen, „dafs auch in den slürmischen Zeiten 
des Überganges zum Cäsarismus, in denen nach der unverstän- 
digen Darstellung griechischer Geschichtsschreiber die feste Form 

lahNibfflMlto XIX. 18 



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274 



Jahr«sbericlite d. 



philnlog. Vereins. 



des allen Staatsrechtes vor der WiJlkQr des Einzelnen tingst er- 
storben war, die alten feinen Uechtsunterscliiede, schrittweise 
Entwicklung staatsrecbUicber Zustände, Beobachtung der Formeln 
und des Herkommens eine weit gröfsere Rolle spielen, als man 

vielfach annimmt''. 

Haiiptsfichlich auf die Angaben in Ciceros Briefen gestützt, 
sieht IT (las niihum luHiuitus in der Ankunft des Pünipejns im 
Lager zu Lucena, die am 16. Dezember 50 v. Chr. erfolgte. Die 
Kunde davon gelaugte am 19. oder 20. Desember nach Rom und 
am 26. Dezember ward Cäsar durch Curio davon in Kenntnis ge- 
setzt Darauf hin versammelte Cäsar sofort die 13. Legion um 
sich und gab durch Eilboten Marschbefehl an die 12. und 8. Le- 
gion, die unweit der Nordgrenze der Provincia standen. „Dem- 
gemäfs hatte die 12. Legion, die bald nach Anfang Februar in 
Picenum eintraf, nachdem sie sich et\>a im Anfang Januar hatte 
in Marsch setzen können, circa 32 Marschtage, um c. 600 röm. 
Meilen zurück zule<,'en; und die 8. Legion, die vielleicht etwas 
weiter nordwärls kampierte und etwa einen Tag später aufbrechen 
konnte nnd am 17. Februar vor Corfiniam erschien, hatte etwa 
45 Marschtage» um circa 800 r. M. zurückzulegen". 

Am 7. Januar 49 v. Cbr. wurde als filachtmittel gegen die 
tribunizische Intercession das 'Senatus consultum ultimum* ge- 
fafst: dent operam consules elc. und die Tribunen reisten noch in 
der Nacht ab. Cäsar überschritt nun den Rubikon und erreichte 
noch vor Tagesanbruch am 11. Januar Ariminium. Hiervon kam 
die iNachricht am Januar abends nach Born, und ,,wohl am 
folgenden Tage, dem 14. Januar, fafsle der Senat das decrelum 
tumultus mit iustünm und sagum^ einerseits um die zügellose 
Menge kriegerischem Refehl zu unterwerfen, andererseits um Cä- 
.sars Landfriedensbruch zu brandmarken^*. Zur dritten Stufe, zur 
Ächtung {htdicare kostm) ist es nicht gekommen, weil sieh die 
Regierung in Rom am 17. Jan. 49 auflöste. 

Leider ist bei diesen Untersuchungen Stoffels Gurre Civile 
nicht benutzt: die Ergebnisse stimmen ja in inanclien Datierungen 
überein, in einigen wichtigen Punkten weichen sie aber auch 
wieder ab. Wenn z. B. Stüllel nachweist, dafs der Kurier, der 
die 12. Legion herbeirief, bereits am 21. Dezember Casars Lager 
verliefs, so vertrügt sich das nicht mit der Annahme, dafs Casar 
erst am 26. Dezember, als er die Kunde vom MArni UmmUm 
empfangen hatte, seine Truppen beorderte. — 

Hit eben erschienene Schrift des Verfassers „Der Briefwechsel 
des M. Tulh'us Cicero'' (Leipzig, Teubner) ist mir noch nicht zu- 
ge<,'angcn ; der Verf. hat darin, wie er mir schreibt, Stofl'els Werk 
eiugehend besprochen. 



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Ciftr nid laioe Porttatter, voa R. Sehoeid«r. 275 

22} 0. Snmpff, GSsarf Beorteiloog seiner Offiziere in den Kom- 
men tarien vom g^allischen Kriage« Progr. 4. K|(l. Gynaasinoia 

zu Qaedlinbarg 1^92. 2ti S. 4. 

Der Verf. ist der Ansicht, dal^ Cäsar mit bewufster Absicht 
die Verdienste seiner Stabsoffiziere verkleinert oder gar verschwie- 
gen habe; er verspricht, in einem zweiten Teile seiner Unter- 
suchungen die Gründe hierfür darzulegen. 

23) Franz Crainer, Cäsar and seine Zait bis zum Bagtaa das 

GallisehaaRriagaa. Progr. d. Raalgynn. n MSlhain a. Rh. 1890. 

32 S. 4. 

Der Verf. entwirft ein Büd von CHsars Leben bis zum h^hre 
58 V. (^lir. und schildert dabei dif» dptmnligen Verbaltnisse in ein- 
facher Weise, die auch dem Tertianer verständlich ist. 

24) Fraa« Craaiar, Rriagswasae aad Geographie zar Zeit Gi- 

•ara. Pragr. des Raalgyva. su MiiUhain a. Rh. 1992. 30 S. 4. 

Der Abrifs vom Kriegswesen genügt nicht Die Arbeiten 
V. Gölors auf diesem Gebiete sind weder ^gelehft** noch „fast 
abschliefsend*', sondern neben fifistow, Stoffel, Frt^hlich wertlos; 
was dsrin richtig ist, liiidet sich bereits bei früheren Fofscbem. 
— Der geographische Teil der Abhandlung ist gut ausgefallen, 
weil der Verf. hier auf eigenen Fülsen steht. 

25) P lochnao n, Casars 2iprachgebra ocli in üezag aaf die Syn- 

tax dar Gasas. Progr. des Gymn. ta Schweiafort 1891. 

Ohne besonderen Wert Vgl. Walthers Besprechung im Gym- 
nasium X & 357. 

26) Samuel Elias, Vor- und Gleichzeitigkeit bei Cäsar. I. Be- 

dingQDgs- uod Folgesätze. Progr. des Leibaiz-Gymoasiums zn 

Berliu I«y3. IS S. 4. 

Der Verf. stellt durch genaue Betrachtung der einzelnen Fälle 
fi'st, dal's bei (/tsar in p ulen tiaie n H e d i n au ntjssa l ze n Vor- 
zeitigkeit in direiiter Kede überi)au|iL jiicliL voikoiniut, in abhän- 
gigen Fällen wenigstens nicht nachweisbar ist. Unler den Folge- 
sitzen interessieren hauptsichlich die Sätze, wo trots regierenden 
Praeteritums im itf- Satze Conj. Perf. steht Die Bezeichnung 
„absoluter Tempusgebraucb'* verwirft der Verf. mit Recht, weil 
die Wahl des Tempus doch abhängig ist, nämlich von dem gegen- 
wärtigen Standpunkte des Erzählenden oder Schreibenden. Die 
auffallende Stelle i]G VII 17, 3 lif . . . camerhit et . . . susteiitarent 
will der Verf. weder ändern {svstpntarmt)^ noch durcli überfeine 
Interpretation niuridrecht niK iieu, er spricht dem Schriflsleller das 
Recht zu, hi'ulc koiibii ukhuueu, deren jede für sicii statUiatt ist, 
nach deiueui Beliehen zu verbinden. 

18* 



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276 



Jahrctb^ricbte des {thilolog. Vereins. 



VIIL Lexikon. Schulbücher. 

27)11. Mensel, Lexicoo Cae rianum. Volanoa IL BeroUni, W. We> 
ber, 1893. XI n. 243Ü S. 4. 25,80 M. 

Mit unerfDÜrllichem Fleifse hat MeusrI ntinmehr sein Casar- 
lexikuii, (Jas gleich beim Erscheinen der ersten H« fte in allen Zeit- 
schriften des In- und Auslandes mit lehliafteni Heilali hrgrüCst 
wurde, bis zu Ende gefübrt: eine Mnsterarbeit aut dem Ge- 
biete der Lexikographie und eine Fundgrube für die 
Cäsarforscher. 

Der AnfuDg dee Lexikons erschien, wie die Leser sich er- 
innern werden, unter höchst ungünstigen Umstünden, denn gleich- 
seitig wurden nucb zwei andere Cäsarlexika veröffentlicht, eines 
von Merguet, das andere von Menge und Preufs. Merguets 
Arbeit trat zwar bald in den Hintergrund, aber das sorgsam ge- 
arbeitete Lexikon von Menge und i^reufs that aiifanpis Meiisels 
Erfolge grufsen Eintrag. Icii habe früher die Unterschiede beider 
Arbeiten ausfuhrlich dargelegt. 

Meusels Lexikon ist kein Speziallexikon, was man gewöhnlich 
unter einem Spezialleiikon Tersteht, sondern es ist gleichzeitig 
eine Tollstindige kritische Ausgabe des Cisartextes, 
wie wir sie bisher noch nicht gehabt haben. Denn trotz der be- 
rühmten Männer, die den Text herausgegeben haben« besafsen wir 
noch immer keine zuverlässige Ausgabe, die genaue Rechenschaft 
von der Überlieferung gegeben hätte: erst die Ver^^Ieichung aller 
früheren Ausgahen und eigenes Sludiuni vMLhtiger Handschriften 
hat Mensel das vollständige Material gelietert, das er mit muster- 
hafter Genauigkeit veröffentlicht hat. Jetzt haben wir eine feste 
Grundlage für den Text; die Arbeit für eine kritische Ausgabe, 
die Heusei plant, ist so gut wie getban. Wichtig ist, dab Mensel 
im Verlaufe seiner Arbeit immer mehr von dem Werte der Hand- 
schriftenklasse ß sieb überzeugt hat. H. empfindet es als einen 
Mangel, dafs das erste Heft seines Lexikons diesen Standpunkt 
noch nicht zeigt; es ist das aber zugleich ein Beweis von Meusels 
unermüdti( hem Forschungstriebe, sein Beispiel wird dazu beitragen, 
die richtige Schätzung der üandschriftenklassea zur allgemeinen 
Anerkennung zu bringen. 

In dem Lexikoii bind auch alle Sonderschriften sprach- 
lichen Inhalts und Cinzelbeaierkungeü autgeführt. Der 
Verf. bat alles selber nachgeschlagen und verglichen und zu diesem 
Zwecke nicht weniger als 3000 Bände durchgesehen. Die Arbeit, 
die er dadurch den Mitforscbern abgenommen bat, kann nicht hoch 
genug angeschlagen werden. Hoffentlich erfiillt diese Zusammen- 
stellung nebenher auch den Zweck, die Unmasse leichtfertiger 
Vorschläge, die alljährlich in Programmen und Monatsschriften er- 
scheinen, etwas einzuschränken. Die Ausführung der Spezial- 
schriften, die über Topographie, Kriegswesen u. dergL 



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CSsar nnd ftfiae Port«etK«r, von IL Selineidee^ 277 

bandeln, verdient ebenfalls Lob ; denn wenn auch manches darüber 
veraltet oder verfehlt ist, so hat die ZusammpiistelluDg doch joden** 
falls hist.orisclien Wert fiir die Spezialforsclier. 

Die emzelnea Arlikel des eigentlichen Lexikons — denn was 
ich bisher angeführt habe, sind ja eigentlich nur Vorarbeiten und 
Zugabe — sind von Anfang bis zu Ende mit der peinlichsten 
Genauigkeit ausgearbeitet. Auch die strengste Nachpr&fung wird 
kaum iigend eine LQcke, sehr selten auch nur das kleinste Ver- 
sehen entdecken. Das Lexikon ist ein sicheres und zuverlässiges 
Werkzeug in der Hand des Cäsarforschers, es ist ein Hülfsmittel, 
wie es sonst für keinen einzigen Schriftsteller des AUertums zu 
Gebole gteht. Ohne Zweiffil wird es frir die weitere Forschung 
die besten I rüchte zeitigen. Nur möchte ich davor warnen, Meu- 
sels Lexikon rein äufserlicli, wie es bereits geschehen ist, für 
„Casars Sprachgesetze" auszubeuten, um danach den überlieferten 
Text allzurasch zu ändern. Was sich an wirklichen Ergebnissen 
in dem Lexikon findet, hat M. seiher in kleinen Aufsätzen schon 
angedeutet, und den vollen Ertrag wird uns seine eigene Ausgabe 
bringen. Möge es dem Verf. vergönnt sein, auch diese Arbeit 
bald zu vollenden; seine unverdrossene Arbeitskraft und seine 
treuliche Beobachtungsgabe befähigen ihn dazu im besonderen 
Ma£se. 

28) Otto Eichert. S c h ii 1 w n r t p i Ii u cb zu den Kommentarieu des C. Ju- 

lius C«es«r vom Uailisclieii Kriege. Siebeote, revidierte AuQage. 
Breslau, J. U. Renn Verlag, 189L 267 S. 8. 1,20 M. 

Der Vf. hat dieses Mai auch die vom Dittenbergerschen Texte 
abweichenden Lesarten der Ausgaben von Dinter und iiulder be- 
rücksichtigt. Er hätte wohl aussprechen können, dafs er Prammers 
Programm „Zur Lexikographie von Cäsar de hello Galileo** (Wien 
1884) eine stattliche Reihe von Verbesserungen verdankL 

29) HeiQrich Ebeliug, Schulwürtetbuch zu Cättai'. Vierte Auflage 

besorgt voo Rudolf Sehneidar. Leipzig, B. 6. Tenboer» 1892. 
112 S. 8. IM. 

Dem Wunsche des Verlegers entsprechend, habe Ich Ehelings 
Arbeit im ganzen unverändert gelassen, mich aher bemüht , die 
Versehen und Fehler möglichst mi zu merzen. Die angeführten 
Stellen habe ich sämtlich nachgeschlagen und ilinen die Para- 
graphennummern beigefügt. Aiieh hierdurch wurden inanf lie Irr- 
tunipr aufgedeckt, ohne dafs ich freilich die (ieuähr lür alisi»liite 
Hichtigkeil übernehmen möchte. Einen Fehler, auf den mich 11. 
Walther nachträglich aufmerksam gemacht hdt, will ich gleich noch 
verbessern: auf S. 51 ist s. v. genus zu lesen eiutdmn gnurü st. 
esse diudem gnurii. 



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278 



Jahresberichte d. philolog;. Vereins. 



30) A. Prockscb, Aaleitang zur Vo r ber eitunf; inf C. Jalius 

Ciisars Gallischen Krieg. Zweites Bändeben: Buch IV — VI. 
Leipzig, ß. G. Teubuer, 1892. VI u. 54 S. S. 0,80 M. 

Vgl. meine Anzeige des ersten Bänüchens Jß. XVIi S. 269. 

31) Fritz nnd Julius Raoiie, Präparatioo zu Casars Gallischem 

Kriege. VVortkunde. Buch I. Zweite Auflage. Hannover, Nord- 
deutsche Verlagsanstall, 18»2. 0,75 M. Buch II— IV, 2. Aufl. 0,60 M. 
Buch VI u. VII 0,60 M. 

In der Vorbemerkung sagen die Verfasser: „Wir wollen 
nicht blofs dem Schüler eine wertlose Arbeit abnehmen, 
indem wir ihn von dem zeitraubenden, mancherlei Mifsgriü'en aus- 
gesetzten, meist geistlos und mechanisch betriebenen Wörtcrauf- 
scblagen und -Ausschreiben befreien, sondern wir wollen ihm 
dafür die wertvolle Arbeil zumuten, nach dem Mafse seiner Fähig- 
keit zu einem wirklichen Verständnis fremdsprachlicher 
Ausdrucksweise vorzudringen und insbesondere die Bedeutung 
eines Wortes nicht mechanisch hinzunehmen, sondern geistig zu 
erwerben; unsere Präparntionen wollen also nicht nur der Er- 
leichterung, sondern ebenso gut der Vertiefung der Arbeit 
des Schülers und der Schule dienen". 

Hiergegen ist einzuwenden, dafs für die Präparation zu Ca- 
sars Kommentarien nur wenig Vokabeln aufzuschlagen sind, hier- 
für also die Abnahme einer „wertlosen Arbeit" durchaus nicht 
nötig ist. 

Und wie steht es mit der „Vertiefung" der Arbeit? 

Selbstverständlich wird der Lehrer zusammengehörige Wörter 
neben einander stellen, damit die Schüler einen Einblick in die 
Ableitung und Etymologie gewinnen. Dieser naturgemäfse Brauch 
hat die Verfasser veranlafst, danach ihre gedruckte Präparation 
einzurichten und alles auf die Etymologie zuzuspitzen. Um dieses 
Zweckes willen sind in die Präparation etwa viermal mehr Wörter 
aufgenommen, als sich in dem Vokabelheft eines mittleren Schü- 
lers wirklich finden. Das giebt mit den dazugefügten Ableitungs- 
wörlern eine sehr bedeuteiule Ansammlung von Wörtern, die für 
die sechs ersten Kapitel des ersten Buches 11 Druekseilen bean- 
sprucht. Schon das blofse Durchlesen dieser Präparation, und 
damit soll sich doch der Schüler kaum begnügen, wäre eine be- 
deutende Arbeit, ohne dafs auch nur ein Schritt zur eigentlichen 
Präparation, nämlich zur Konstruktion, gelhan wäre. 

Aufserdem aber gehören folgende Dinge gewifs nicht zum 
i'ensum eines Tertianers: arbüer = ad-biter der üinzukommende, 
cf. altlat. beto 3 = gehen. — latus = stlatus, stratus. — mäter 
„die Messende, Ordnende", cf. melior. — causa „die Gehütete", 
d. h. die bedrohte, bestrittene und geschirmte, verteidigte Sache, 
cf. caveo, — oppi(tHm=ob-pidHm „das auf dem flachen Felde (alt- 
lat. pedum), dem olTenen Lande ricicgene, die Landburg" u. a. m. 



Glfirnad taloe Fortaetzar, von H Scfciel4«r. 279 

ScblieMcb möchte ich noch auf den Preis aufmerksam 

machen: die vier Hcflp kosten, wenn ich Buch V, das mir nicht 
vorgelegten hat, auf Gu IMeiinige veranschlage, 2,55 M; das ist für 
ein Aushüliebuch bei weitem zu teuer. 

d2)A. Detto nod J. Lehmano, Obnogsstneke nach Caiar 

Übersetzen ins Lateinische Tür die Mittelschalen der Gyinuasien. 
In zwei Teilen. Berlin, R. Gaertners Verl»gaboehhaadlaiig*(H. Hey« 

felder), 1893. Je 60 S. 8. Je M,60 M. 

Die Übuogssluclie sind dem Standpunkte der Mittelstufe an- 
gemessen. 



Anhang. 

Das Marschgepäck der Legionäre. 

Nach dem ZeugniMo des Vegetiua betrug das Gewicht dea 
Gepäckes, das ein römischer Legionär auf dem Marsche zu tragen 
hatte, 60 römisclie Pfund, d. h. Hwa 20 kg. Vegeiiu« de re mili- 
tari f 10: Pondus quoque baiulare usqne ad sexaginta libras 
et iter facere gradu militari frequentissime cogendi sunt iuniore^. 
quihu$ in ardrn's expedüionibm mcesätoB immmei mnonam poriler 
et arma portaudi. 

Die früheren Forscher, Nast und auch Marquardt (Kö- 
mische Staatsverwaltung S. 426), halten an dieser Angabe fest, 
obwohl aie dem Legionär auber den Waffen und dem Schanzzeug 
noch Mnndvorrat von mehr als einem halben Monat 
als standige Last aufbürden, weil es bei Cicero Tuscul. II 37 heifst: 
qui labor {nostri exercilHs), quatUus agminiSt ferre plu$ rfimt- 
diati mensis cibaria, ferre si quid ad usum velint, ferre vallum; 
nam scutum, (ihdium, gaUam in omre, nostri milites non plus 
numerant quam umeros, lacertos, manus. Hierin iiejrt ein hand- 
greiflicher Widerspruch: man mag das Gewicht der Bioiration für 
einen halben Muuat, denn Brut verstehen Nast und Marquardt 
unter Mundvorrat, noch so gering ansetzen, auf jeden Fall wird 
das Gesamtgewicht des Gepäckes von 60 römischen Pfunden be- 
deutend öberscbritten. 

Das ist Leuten, die mit mllitirischen Dingen besser Bescheid 
wufsten, nicht entgangen, sie suchten sich darum anderweitig zu 
helfen. 

Hüstow, Heerwesen und KriegtTihning Casars, sagt S. 14 «Irr 
zweiten Auflage: „Auf kürzeren Expeditiunen von nur wenigen 
Tagen trug der Legionär seinen Proviant immer selbst, ja es 
wurde ihm dies selbst bis zu 17 Tagen, also bis zum Be- 
lauf von 28Pfund, und unter Umständen vielleicht auf länger 
zugemuteL Indessen geht man gewifs zu weit, wenn man an- 



Digrtizeo Ly <jOOgle 



280 



Jahresberichte d. philol. Vereins. 



nimmt, dafs in den letzten Zeiten der Republik der Legionär in 
der Regel seinen Getreide- oder Mehl Vorrat auf mehrere Wochen 
seibat getragen habe. Das gesamte Gepick des Soldaten, abge- 
sehen von den Waffen, kommt auf ein Gewicht von 30 bis 45 
schw. Pfunden, je nachdem er Proviant auf längere oder kflnere 
Zeit führen mufste". 

Zu einem ähnlichen Ergebnisse kommt Fröhlich, Das 
Kriegswesen Casars, Zürich 1S89, S. 75f.: ««Aufser den Waffen 
und dpr Klpidnnfr gehörte zur Ausrüstung eines römischen Legio- 
nars noch allerlei. Vegelius spricht von ein^m Maximalgewicht 
von 60 römischen Pfund = etwa 20 kg, welches zu tragen die 
Rekruten gewöhnt werden müssen. Kine genaue Prüfung zeigt, 
dafs die Waffen und die Hüstung hierin nicht mit in- 
begriffen sein können. Das Getreide für mehr als einen halben 
Monat, d. h. für 16 Tage, hat ein Durchschnittsgewicht von 40 
römischen Pfund. Daiu kommen: ein oder mehrere SchanspfShle 
und das notwendigste Kochgeschirr, bestehend aus einem Brat- 
spiefs, ehernen Topf und Becher; endlich geboren zur Ausrüstung 
der Legionssoldaten Sägen, Körbe, Spaten, ßeile, Taue und Sicheln. 
Wenn wir auch annehmen, dafs nicht sämtliche Legionäre die zu- 
letzt genannten Aiisrnstvingsstucke zugleich trugen, so waren doch 
mindestens Spaten und Beil für alle, die nicht den principahs und 
hempdarii an<jphrttten, unentbehrlich. Um die Last dieses Ge- 
päckes zu erleiciitern, liefs Marius es an einer Stange, durch ein 
kleines Brett breit auseinander gehalten, auf der Schulter tragen, 
weicher Modus auch das rasche Ablegen bei Beginn des Kampfes 
ermöglichte. In den moderoen Heeren wird die Aus- 
rästung eines gemeinen Fufssoldaten, ohne Kleidung, 
durchschnittlich auf 20 kg berechnet; dem römischen 
Legionär wurde also bedeutend mehr zugemutet, und 
die Versicherung Casars ist durchaus glaubwürdig, dafs die fremden 
Uulfsvölker, welche hierin keine Übung hatten, unfähig waren, 
eine solche Last zu tragen". 

Röstow lind Fröhlich haben ^ilso den Hechenfefaler ihrer Vor- 
ganger glücklich vermieden, beiilc L^natru aber sogleich auf einen 
anderen Irrweg, indem sie dfii Legionaren eine Gepäcklast zu- 
muten, die die menschlichen Kialif üliersteigt. Man mufs doch 
bedenken, dafs der Soldat auch nach langem Marsche noch immer 
zum Kampfe fähig und bei den Romern am Schlüsse jedes Marsch- 
tages sur Schanzarbeit töchtig sein mufete; diese RQcksicht ver«» 
bietet jede Oberlastung des Fufssoldaten und macht weise Be* 
schränkung dem Feldherrn zur Pflicht. 

Schwerlich wird jemand behaupten wollen, dafs die römischen 
Legion are aus besserem Holze geschnitzt waren als die kriegs- 
geübten Soldaten der Neuzeit. Dann mufs aber auch zugegeben 
werden, dafs die Ceparklast der hantigen Soldaten für die Gepäck - 
last der Legionare den sicheren Malsslah abgieht, der nicht über- 



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CXf«r «od seile Portsetzer, von R. Sehoeider. 281 



schrillpn werden kann. In der neuesten Zeit ist man überall mit 
Eifer thir.iuf bedacht, die Schwere des Gepäckes thinilichst zu ver- 
mindern, man ist dadurch auf ein iNoraialgewicht von etwa 20kg 
gekommen. Vor füni/ig Jahren mutete man dem Soldaten mehr 
tu, wie folgende Zusammenstellung zeigt, die ich dem trefllichen 
Bache des preufsischen Militfir-Intendanturrates Ricbthofen, Der 
Haushalt der Kriegsheere, Berlin 1839, entnehme: 





russiscbe 


1* 


it 


56 


»» 


6Vs 


M 


H 


dänische 




II 


53 




1 


I» 


1» 


grofsh. hegs. 


1» 


»» 


49 




8 




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nassauiscbe 


»» 


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45 


»♦ 


25 


» 


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österreichisclie 


»» 


1» 


4t 


»♦ 


2 




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französische 


t» 


n 


40 


»» 




1» 


»1 


wärttemberg. 


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39 


»» 


13% 


»» 


w 


hannöversche 


t» 


n 


38 


>f 


8 


»» 


»1 


englische 


»» 


»f 


34 


tf 


16 


»» 



Die Angaben sind nach preufsischen Pfunden zu 32 Lot 
gemacht; das dewicht des Anzugs (1(^—15 Pfund) ist nicht mit- 
gerechnet. 

Eine Gepäcklast von 58 Pfnnd tiiiirs n!s das höchste Gewicht 
angesehen werden, das einem Kufssuidnlen aufgebürdet werden 
kann. Diese Last trugen die Franzosen im Jahre 1812 beim Aus- 
marscb gegen Rufsland, wo man auf Verpflegung im Feindeslande 
nicht rechnen durfte, v. Bichthofen schreibt darftber a. a. 0. II 
$.379: 

„Der Marschall Da?out hatte von Hans aus fftr sein Armee- 
korps gröfsere ökonomische Vorbereitungen getroffen. Für seine 
70 000 Mann vollständig organisierter Truppen halte er beim 
Beginn des Feldzuges Lebensmittel auf 25 Tage, die er auf dem 
herbeigeschafften Fuhrwesen und durch die Leute selbst forlzu- 
schaflen bemuht war. Jede Kompagnie hatte ihre Maurer, Bäcker, 
Schneider, Schuster, Wallenschmiede jeglicher Art; 8elb^t Hand- 
möhlen föhrten dieselben bei sieb. Das Gepäck, welches die Sol- 
daten zu tragen hatten, war genau hestimmt Ihre Tornister, 
nur auf das durchaus Notwendige beschränkt, enthielten an Klei- 
dern zwei Hemden, zwei Paar Schuhe und die zum Wechseln 
nötigen Sohlen, ein Paar Beinkleider und Halbgamaschen aus 
Leinewand, einige zur Reinlichkeit erforderlichen Gegenstände, 
eine Binde, Charpie und 50 Patronen. Auf beiden Seiten fanden 
sich vier Zwiebackbrode, je von 16 Unzen Gewicht, und auf dem 
Boden, in einem langen und engen Sack von Leinewand, 10 Pfund 
Mehl. Der ganze Tornister mit den Tragriemen und dem darüber 
gerollten und befestigten Mantel war 33 Pfund 12 Unzen schwer. 
Am Bandelier trug aufserdem jeder Soldat einen Sack von Leine- 
wand mit zwei dreipfAndigen Breden. Mit seinem Säbel, seiner 
gefönten Patrontasche, drei Feuersteinen, seinem Schrauhen- 



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282 



Jahresberichte d. philolo^. Vereiai. 



Schlüssel, seinen Wehrgehängen und seiner Flinte Irug er 58 Pfund, 
hatte für vier Tage Urod und Zwieback, lür sieben Tage Mehl 
und konnle 60 Schüsse tbun'S 

Da nun di« Rechnung tNsi Rftotow und Fröhlich eine Ge- 
samtoiimnie ergiebt, die Uber die 58 Pfund weit hinauigeht, so 
mufs in den Ansätzen ein Fehler untergelaufen sein, der den Irr- 
tum zustande gebracht hat. 

Das bat Oberst Stoffel richtig erkannt und ohne langes 
Besinnen den Knoten durchhauen, den seine Vorpünger kün5?t!ich 
geschürzt liril)pn. Er sagt in seinen „Bemi i kuii^ea über Fröhlirhs 
Kriegswesen ' (Hevue de Philologie XV S. 142) ^^niz kurz: *L'auteur 
croit que 1e legionnaire portail sun hie puur 16 jours. Un ge- 
neral qui ferait porter aux soldats leur ble pour 16 
jours aerait fou. Le bl^ ^tait chaige sur les bites de aornme 
avec les meales, les tentes etc. Peut-^tre que le l^onnaire en 
piurtait habituellement pour un oo dem jours on, dans des 
circonstances exceptionelles, pour un temps plus long\ Und da- 
mit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir besitzen ein 
vollgültiges Zeugnis aus dpm Altertum, das merkwürdiger Weise 
den Gelehrten ganz entgangen ist, worin geschrieben steht, dafs 
die Uöuier auf drei Tage Proviant bei sich trugen. Es heifst 
bei Josephus Bell. lud. III 5, 5: ij ds loiytij tfdXuy'^ ((figit) 
^vdrop T£ xai d-voeov intfiijxif, nQog otg nglova xal x6g>ivoy, 
äfifjv %B nal TfHatWj ngog di Ifuhra neti df^nwfov nai 
wivütv, fiikeqnv %§ vQHttP ifpoitov* wg oliyoy än^- 
SsTv Tü)v äx&o^oQOvvtwv dqimv %6v ne'Cöv. Auf 
deutsch: „Die übrigen Mannschaften trn^rn einen Wurfspiefo 
(Pilum) und einen Ifinglichm Schild, dazu Säge und Korb, Schau- 
fel und Beil, dazu Seil, Sichel und Kette, und auf drei Tage 
Proviant, so dafs der l^ulssoldat der Saumtiere wenig 
bedarf". 

Ist hierdurch bewiesen, dal's die Legionäre nur für drei Tage 
Proviant mit sich su tragen pl legten, wie steht es dann mit dem 
Zeugnis des Cicero, das di« Gelehrten so lange irregeführt 
hat? Aus der Luft kann doch Cicero seine Angabe nicl|t ge- 
griffen haben, denn er ist ja selber Soldat gewesen und alle seine 
Leser kannten den römischen Kriegsbrauch sehr genau. 

Zunfichst ist ohne weiteres klar, dafs Cicero, dem es darum 
zu thun ist, die Leistungsfähigkeit der römischen Legionare zu er- 
weisen, die gröfste Last annimmt, die überhaupt den Soldaten zu- 
gemutet worden ist, was natürlich nur in ganz besonderem Falle 
einmal geschah. Mau darf darum die Verproviantierung auf 16 
Tage nicht als regelmSfeigen Brauch ansdien, sondern nur als 
einen Ausnahmefall. 

Und weiter ist Folgendes zu bemerken. Wenn besondere 
Umstände dazu zwangen, den Legionaren Proviant auf längere Zeit 
aufzuladen, so darf man nicht einfach die tägliche M«$hl- oder 



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Brotrataoli mit der Zahl der Tage niulUplbiereik, wobei jedwiual 
ein erbeblicheB Oliergemcht lieraiukoinmt, eoDdern muts sieb er- 
innern, daCs aach die Alten schon daa Mitld kannten, daa Gewicht 

des Proviantes weaentiich zu verringern. 

Nach der siegreichen Schlaclit bei Strafshurg (357) hatte 
Julian bei «len f'ari?iern Winterquartiere bezogen. Solange die 
harte ,Iahi t'>/.eiL andauerte, blieb alleü ruhig, aber beim Eintritte 
des Frühlings iiei sogleich auch die Kunde ein, dafs die Alenjdnuen 
im Bunde mit ihren Nachharvulktru zum Racbezuge rüsteten. 
Julian bedachte, wenn er auf die Zufuhr aus Aquitanien wartete, 
dafa ihn dann der Oberniäditige Haufe der Barbaren entgegen- 
treten wQrde; darum beaehlofa er, vor der gewöhnlichen Zeit aua- 
zunicken, um die Feinde vor ihrer Vereinigung zu überraschen. 
Das Weitere berichtet Ammianus Marcellinus XVII 8, 2 mit folgen- 
den Worten: firmatoque roff^iUo XX dierwn frumentum ex eo, 
quod erat in sedibus consumendum, ad usus diuturnitatem exroctum 
bui f el laluin, ut vulgo appellanl, nmeris inposuit liben- 
tiu m militum, hocque subatiUo fretus secimdis, ut ante, auspidts 
profectus est, intra metmm ^uitUum vel sexium duas expediliones 
€mmm»mi fom wgentu ef meimria§ arkitraitu. Julian liefe alao 
aua den Vorräten, die er noch im Standquartier hatte, Feld- 
awiebaek herstellen und konnte damit seine Soldaten auf 20 
Tage ausrüsten. Dieses Gebäck wai' den Soldaten durchaus nicht 
neu, sie hatten ja dafür bereits einen Kunstausdruck „buccellatum*'; 
neu war nur, dafs Julian auf die Zufuhr dieses Mal ganz verzich- 
tete und seine Legionare uur aui diesen Vorrat, den sie selber 
tragen mufsien, anwies. 

Der Feldzwieback ist ein sehr hartes (n back, das. trocken 
ungeniefsbar, in Wasser aufgeweicht werden iiiui's. Kein Wunder also, 
dafs die Soldaten diese Speise nicht gerne mochten, es bednrile 
wiederholt strenger Befehle, um die Abneigung der BlatinschaCten 
zu bezwingen. Von Aridius Cassius, der im Jabre 175 seinen 
Aufstand gegen Marc Aurel mit dem Leben bfifste, iierichtet 
Vulcacius 5, 2 praeter laridum ac huceeUaHm atqw aeetum miUtem 
in expeditione portare prohibuit et, « aliud quippiam repperit, 
Ittxurietn non levi supplicio adfecit. Und Pescennius Niger, der 
im Kampfe gegen Septimius Severus im Jahre 195 sein Leben 
verlor, mufste die Däcker aus dem Lager weisen, damit die Sol- 
daten sich mit dem Feldzwieback begnügen lernten : idem pistores 
sequi expedüiotim prcküniü, hucuUaia iäbtnt müHis et mnu eim- 
tenlas eise (Aeli Spartani vita 10, 4). 

Die eben angeführten Zeugnisse lehren gleichzeitig, was ja 
aus den Worten des Ammian allein schon hervorgeht, dafs der 
Feldzwieback schon lange vor dem Kaiser Julian in dem römi- 
schen Heere als Verpflegungsrniltf! eingeführt war. Und ohne 
allen Zweif«'! sind die cocfa riharui, die bei den früheren Schrift- 
stellern Wie Casar und Liviuä wiederholt vorkontiueU} eben dieser 



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284 



Jflhr«sberi ehte d. philolog. Vereias. 



Zwieback. Die Herstellung erforderte durchaus keine besondere 
Kunst, beim Brolbacken raurgteu die Leute von selber auf diese 
Abart de« Brotes geraten, wie denn auch heute bei den Alpen- 
völkem ein zwiebackartiges Brot bereitet und in maneben 
Gegenden fiat ausaGbliefdtch von der Bevölkerung genossen wird. 
Der Zweck ist hier wie beim Militär ganz derselbe, man will ein 
Drot haben, das lange geniefsbar bleibt und leichter 2tt tragen ist, 
beide Bedingungen erfüllt der Zwieback. 

Wie sieh das Volumen des Zwiebacks zu dem des Brotes 
verhält, weiis ich in Zahlen nicht auszudrucken, jedeiiiulls ist es 
erheblich geringer, was bei der militärischen Verwendung von 
grofser Wichtigkeit ist. Meiir noch komnu uaLürlich die Ge- 
wichtsvennlnderanff in Betracht. Das preubische Regnlativ vom 
30. Jani 1809 bestimmte (v. Richthofen a. a. 0. II. S. 303): „Dafs 
die tSgliebe Brotportion, wie bisher, ferner in iwei Pfunden be- 
stehen, statt der bis dahin sechspfundigen, schwer lu transpor- 
tierenden Brote aber nur vierpfQndige und aufserdem noch Zwie- 
back gebacken werden sollte. Ein vierpffmdiges Rrod und ein 
Pfund Zwieback ward hiprnarli als dreitägige Portion für einen 
Mann ausgesetzt, so dats also ein Pfund Zwieback zwei Pfunden 
Brot gleich gerechnet wurde". Etwas geringer ist der Unter- 
schied nach A. v. WitzleLeu, Heerwesen und Infanteriedienst des 
deutsehen Reichsheeres, Berlin 1875, 1 S. 303 , wo 750 Gramm 
Brot oder 500 Gramm Zwieback als tägliche Brotration angesetzt 
werden» Immerhin ist die Verminderung des Gewichtes, mag 
man nun die Hälfte oder ein Drittel annehmen, erheblich und bei 
der Belastung des Fufssoldaten, wo man um jedes Pfund feilschen 
mufs. rnifser^t wichtig. 

Iliermil lösen sich die Schwierigkeiten, welche in den bis- 
herigen Darstellungen der Altertumsforscher auftreten, auf eine ein- 
fache Weise. 

In der Regel trugen die römischen Legionäre aufser ihren 
Waffen und Schanawerkseugen änen Proviant filr drei Tage mit 
sich, die weitere Verpflegung wurde auf den Saumtleren nachge- 
fQhrt. Unter besonderen Umständen, wenn die Verpfiegungszufuhr 
unmöglich war und man auf Unterhalt aus dem Feindeslande 
nicht rechnen durfte, mufste der Soldat für längere Zeit, bis zu 
17 Tajen, seinen Proviant auf den Rücken tragen. In diesem 
Kalle ♦ rhohte sich aber seine (lepäckiast nicht etwa um das täg- 
liche Hl ülgewicht, so viel kann ein .Mann, der zum Kaiiipte und 
zur Sclianzarbeit frisch bleiben soll, nicht auf seinen Schultern 
tragen, sondern der Soldat erhielt seine Brotrationen als Zwieback, 
womit die Last um ein Drittel oder gar um die HftlRe verringert 
wurde. 

Obwohl wir nun die Gewichtsbestimungen der Waffen, der 
Werkzeuge und des Proviantes nicht mehr im einzelnen nach- 
weisen können, so ist doch mit Sicherheit su behaupten, dafs 



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G«f ar nnd leine Fortietseri voa R* Sehnaider. 285 



Vegetius mit der Angabe, 60 römische Ffund müsse der Legionär 
tragen, Has r.psamtgewirht richtig? fpstgesteUt bat: mit dem regel- 
rccTiten Proviaut von tirei Tagen l) raucht die Last nicht schwerer 
gewesen zu sein, in dem besonderen Falle aber, n\o mehr Pro- 
viant mitgetragen werden mufsle, wird das Gewicht diese Grenze 
übersciirilten haben; auf keinem Fall aber leisteten die Römer 
mehr ab die Preuben unter Friedrich Wilhelm III. oder die Frao- 
losen im russischen Feldzuge, die etwa 58 l*fund, d.h. heinahe 
90 librae au tragen hatten. 

Grofs-Lichterfelde. Rudolf Schneider. 



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9. 

Herodo t. 



L Ausgaben. 

1) Herodotos. Für deo Schulgebraucb erklart von J. Sitzler. Buch Vll. 
Zweite verbeBMrte Avflife. Gotbi, F. A. PerChef, 1892. 186 8. 8. 2 M. 

Der Text bat eine gründliche Neubearbeitung erfahren, wie 
die zabireidien Änderungen beweisen; nieist sind es nach meinem 
Urteile Verbesserungen. So ist zunächst fillr einige aus der Al- 

dinn stammende Lesarten (VII 16 img)otTij<rsM, 22 ektl aide, 
167 6Ö€ 6 Xoyog, 173 ^ zcov OsatJalday tnnog und naqcc Ilii- 
vfioy notafjtoVj 184 o)g xca tiqotsqov j^oi ilqid^ti, Wortsteilung 
in 209 und 234) die handschriftliche Uberlieferung gesetzt An 
andern Stellen isind sie stehen geblieben, aber äufserlirh als Ab- 
weiciiungen von letzterer gekennzeichnet. G. 23 ist für Iv^avia 
dfi (z) di (PRsv) geschrieben, ferner 147 0x17 ffir das nur 
in d stehende 0x0 150 ylv&s^i für yofie^i (sz); t06 und 
107 ist die Wortstellung von Ps aufgegeben. An füllenden Stellen 
sind AB(C) zu ihrem Rechte gekommen: 9 taaov^iivfav^ 17 aga 
üv dfi, 33 a&iftifrta, 63 xaXiovtat, 98 'laaeXdMfkOV^ 101 ^öv 
Ii, 106 [/ixovVwJj 1 18 of'ywv, 1 19 fylruo, 134 tlaat, 135 eigeio 
[Uyoav], 161 lotdids, 173 z6 nl^äoc rf , 201 fiovpij [iJtioc], 
214 (ftvyovrct [tov] ^EnKxlTfjVy 215 looov <Jiy, 217 xal ot 
iyirovTo j 235 olop rot y 48 in der Wortstellung; c. 6 endlicli 
ist jetzt TTQoacoQsyopio ol ' e^ovteq interpungiert und ydq (CPdz) 
vor iriv sx^QV^ gestrichen. Umgekehrt ist jetzt nach Rsv her- 
gestellt: c. 8 ^filtv [ts] dHxßavlieiVf 15 [im] jiffraßixvw,^ 32 
ixiiad-etv [äxgtßitig], 49 s^nQrfHrjS ^ taxvx^ti, 91 ovxot, 
[t»>iv\, 205 &XXa (pgoviovxsg , 209 naqsiS9tevd^OVto und [xai] 
xaXXlöTtjy [nohv]. Folgende Konjekturen sind wieder beseitigt: 
C. 6 xal Sri xcti (st. Tt, Sitzler), 16 dXX' ov ynq (st. ovdi. 
Sitzler), 85 7110 wot {iovisq. Sitzler), 176 ^taaiiairi (st. tf«*- 
rordzrjj Silzlf 1), 38 x^iy^fT«? dv [rt Süvern], 31 Steins Wort- 
stellung dyö(jl ^eitduifiä äd^avdttüj 8 nanj^j %f (0 liekker) t^ög 
und ebenso 10 ncn^q (0 Bk.) üog und 104 nm^g ös ^0 Bk.) 
(ToV* C. 10 endlich steht zwar noch im Text tovKp dij, aus der 



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Herodotf von H. RtUenberf. 



287 



Anmerkung geht aber hervor, dafs der Hsgb. das überlieferte 
dri wieder herstellen wollte. Die Erklärung jedocht %m sei demon- 
strativ, wird nicht richtig sein. — Gestrichen ist nach Stein c. 4 
[J(xofTov] , ^6 l-xcKi Ol tnrrnt], 96 zerayfi^voKfi' [avtmy], 167 
[tag KaQXTjdoyioi xcd 2:^vorjxoaioi], 201 ol f^xctfct] 
KeQxooTcwv kÖQag\ nach KrO^er 8 [änixoiifvoi], 49 zo*/ liu6ya\ 
nach (jüiiiperz 137 [ix zijg iitj^^iog], nach tobet und Gomperz 
[oin] ä^tai; nach Kallenberg 127 [to ^€€&Qoy]\ nach van Her- 
werden 198 [nowa/jbog] 2n€Qxei6gj 26 Mauei^dgov] (vgl. hier* 
Aber Kallenberg, Stadien mm griechischeD Artikel II S. 9), 233 
%my Xoywv [vwrwi^], C. 109, wo Stein (aaei streicht, tilgt er 
nur si. Das ganz vereinzelte wüfi vor Zahlen ist nicht zu bal- 
levi; da ("9. sich nnn hier um eine räumliche Angabe handelt, 
vcrniiite ich, dafs ein Schreibfehler für offop Torliegt, der aller- 
dings dann die Unterdrückung des dabei üblichen z€ zur Folge 
gehabt haben mufs. Derselbe Schreibfehler findet sich Xenoph. 
Anab. III 4, 3 in A. Das Hellen. I 2, 9 und Ii 4, 25 überlieferte 
ihet kann auch nicht richtig sein. — Zusätze sind gemacht c. 65 
nmoi^ikivtx (itftQeeievovro} \ ebenso ist 76 der schon in der 
ersten Auflage geroachte Zusatz noch durch ^(rr^crrcvom er- 
weitert; 69 ivaftfiiuot (^aav) und nach Stein 6 nQoasfpiqm 
^0»), 107 töv <Tf) xyvooy, 115 tovicov <w), 134 ^i/ C(pi(yi- 
vofievov^, 214 {dictS tavirjv rijv ahtj^y, 220 tovQ avfA(iäx^^*^ 
(doxioa) ^ 235 fu^oy ^«^'). Sonst habe ich noch bemerkt: 61 
äni TOVTOv dtj (st. Ö6), Stein ; 16 dXX' ijdr} (Schäfer), früher 
ft dfj 6tJ (Eitz); 123 ^/tfa (Stein) st. Ataai \ 220 ir^v yvw^r^v 
nXetOTog (Valck.) st. yytaft^ ttÄ.» 189 xaieX&övxsg (Kruger), 
wo Hsgb. frOber nach' eigener Vermutung m»M4insi för das 
öberlidferte dnsXBwts^ geschrieben hatte. 

Hinsichtlich des Dialekts ist anzumerken fuvinena^ ht^a^h 

■i^ 6 irjv für liEiinsittv, XfXTijtfx^m, &tjijaa<t^aij JSiaaTotj ^Aqta- 
(f^nn^g, (f vXäxovg, ftgecrd-ca , aXij'htcev, alles zweifellos Besse- 
rungen. Ferner ist nach meinem Vorgange im IVäsens und Im- 
perfektum überall nlioay &nXtoy n. s. w. statt nXmm geschrieben. 
Mcht klar dagegen ist mir das Veiiahren des llsgb.s beim syila- 
bischen Anginent Im Plusquamperfektum geworden. Da mit einer 
einzigen Aasnabmen das Augment nur in Kompositen fehlt, habe 
ich es uberall hergeslellt flsgb. schreibt es jetzt c 40 gegen 
ABC, 146 gegen i'Rsv, 170 gegen alle Hss. (nur die Aldina hat 
es), läfst aber 6 amßfß^xeücip (so alle Hss.) und 154 Schenkels 
Konjektur Tts^fryse stehen. 

Auch in den Anmerkungen ist hier und da die bessernde 
Hand zu erkennen. So ist c. 132 Dittenbergcrs Erklärung von 
dtxarertip aufgenommen; vgl. JB. 1S91 S. 231. Einige Kleinig- 
keiten uiuchte ich hier nucli anfuhren. C. '6 lieilst es zu i^y J, 
naidtav t^y dtatfOQ^y „seltene Stellung des attributiven Genetivs''. 



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28S 



Ja hrrsberichte d. philolog. Vereins. 



Besser wäre „eine bei Herodot nicht sellene Stellung". — 5 die 
Erklärung von )Jyu)v neben Verben des Sagens durch .,nänilicb" 
pafst doch nicht immer, öfter scheint es zu bedeuten .Jedem er 
dabei (unter anderem) sagte". In demselben Kapitel vermisse ich 
bei dtt'ÖQea rd ^fttga die Erklärung des Artikels, und ebenso im 
folgenden Kapitel eine Erklärung für das Präsens dtfavtCoiaio. 
— 7 „noA>loV liier = 7roA>lM" ist ein ungenauer Ausdruck, als 
ob der Akkusativ nur ausnahmsweise vorkäme Ebenda wird er- 
klärt „adak(f tdg ifiög ein Bruder von mir, 6 ifi6(; aSfX(ftög mein 
Bruder". Dies entspricht nicht dem Sprachgebrauch Ilerudots, wie 
unter anderem nar^g adq c. S und 10 beweisen. Vielleicht ist 
die Anmerkung nur aus Versehen stehen geblieben, da Hsgb. an 
den beiden eben erwähnten Stellen Bekkers <ö) aog wieder auf- 
gegeben hat. — 9 iiftxvtXai}at „darstellen". So kann es zur 
Not übersetzt werden; besser wäre aber eine Erklärung, wie das 
Wort zu dieser Bedeutung kommen kann. — 20 tö uQog (itaafi- 
ßQiijg „gewöhnlicher wäre in dieser Bedeutung der Acc." Der 
Genetiv ist gerade bei Herodot ziemlich häufig, oft stehen beide 
Kasus nebeneinander. Dieselbe Bemerkung ist dann noch wieder- 
holt c. 31 zu ^TT* KaQlr]g und 55 zu Ttjv ngog lov Tlovtov. — 
33 fehlt zu 'AßvÖM xaraytlov eine Bemerkung über die auf- 
fällige Konstruktion. — 129 wird bemerkt, der partitive Genetiv 
finde sich nur eingeschoben, wenn zwischen Artikel und Genetiv 
noch ein oder mehrere Wörter treten. Wesentlich ist aber dabei, 
dafs stets ein Gegensatz mit fiiv — di stattfindet. Vgl. JB. 1892 
S. 312. — 172 zu Anfang ist ozt mit „dadurch dafs" erklärt. 
Richtiger ist doch „weil"; der Satz mit öxt giebt den Grund zu 
VTio ävayxaltjg ifi^öiaav an. — 195 zu nvd^iai^ai ano i^g 
^(Q^eü) ütQanijg „dnö ungewöhnlich st. tvbqI'^. Die Präposition 
steht lokal. Wir sagen ebenso „weist du nichts Neues aus der 
Stadt, vom Meere?" Ebenso steht es c. 168. Vgl. auch Xen. 
Cyrop. III 3, 48 ^qmxa xä ix lüv noXtiiliav. 

2) Herodot 0 8. Für den Schulgebraucli erklärt von K. Abi cht. Fünfter 
Band, Bucli V'lll, IX und zwei Indiee«. Mit zwei Karten. (I. See- 
schlacht bei Salamis. II. Plan von Plataiai). Vierte verbesserte 
Auflage. Leipzig, B. G. Teubncr, 1892. 238 S. 8. 1,80 M. 

Im Text habe ich folgende Änderungen bemerkt: VITT 4 
ißovXfvov (Ftsv Plut.) st. ißovXsvovTO, 6 xaTalafißayfi (ABC) 
st. xataXäßfi, 18 ißovXtvov st. ißovXtvovto (C), 57 ntq} ovöt- 
[ji^g St. ovda negl fii^g (Plut.), 66 t^at v^vai [dntxofjtfvoi, 
om. Rsv], 73 'EQfitwv (ABB) st. 'EQfiioyrj, 81 iaayyeX&ivia sL 
i^ayytXi^eyia (z), IX 32 Mvöüy xat 0QT]ix(av (Rsv) st. &Qr]ix(av 
xai MvötäVj 39 ntgißctlofiepoi st. ntQißc(XX6(xtvot (z), 42 iatj- 
fiaii't St. ia^fifjvf (Rsv), 55 naQtjyoQeoy (PRsv) st. naQijyogioyro, 
57 dnoXfinfi (ABP) st. aTroUnri^ 66 xaifjQvtjiiiycog (AB) st, 
xarijQTtfffiJviDg , 93 t(feQt ofioibyg [xaQnov, om. Rsv], Diese 



Herodot, voo iJ. Kallenberg. 



289 



ÄiideruDgeü äiud sämtlich als Beäsernniirn zu Lezeiciiiien ; auch die 
Aufnahme folgender Konjekturen wh u iiiekstens Billigung erlalireii: 
Vlli 'S fibya II jiüiiifiti'ui öU fiiya Tiinoii^fiti'ifit üach Sleiii, der 
ftSya %8 TfOuvfk&fO^ vorscUlgt, 98 aXJljw (^tal SXkov) Kröger 
(Vaila), 1X5 [Movqvxi^riv] van Herw., 1 {%qv Hiqar^v] krüger,^ 19 
[AaxfdatfMPiap] Stein, 31 or» fkh^ amwv st. ftäif ^ avtov 
de Pauw, 51 [^sovaa ix tov Ki^aiQcüyog] nach Gomperz^ der nui' 
tx zov K. tilgt, 91 [d-60v nonvvtog] und fiyjiclavQatov] 
Gomperz, 92 [Evriviov] Kallenberg, 93 navaxokiiioavioq und 
nacaxotr^iaavia st. xaiuxoi^ri(T€(pioQ und '/axaxotfi^(JaPTa Keiske, 
93 [Eviivioi'] Kaiieüberg, 94 löcaatii'l Mein, 98 der letzte Satz 
[(avTÖg — tovg 'EXkijvag] Krfiger, 104 [xTiivovisg] (ionjpeiz, — 

VIII 5 stand trüber 'Adti^uviog yccQ 6 'SIxviov h.o{ni>i}ii*tv 
tn^firög nach Schäfer; jelzt liest Ahicht nach Suidas und mit 
Stein (ö) Koqiv^ioq ctQaitjyög. Indes ist der Artikel nach 
ö ^fixviov nicht ohne Bedenken. VIII 26 ist nvp^cafoi^evog yccQ 
TO äix^Xov Toy et6(fcivov St. sov oi. geschrieben. Weshalb? 

IX 19 dfiijdiCov yocQ dr) [atfödga] nach Scliweigbäuser. 

Im Dialekt ist geändert: Vlil 1 und 46 A^io^ (Stein) st. 
Kiioi^ Vlil 30 und 1X31 rjv'ioy st. av^oPy Vlii Ö9 ccyaiu(.ityoi, 
(AH) uykO(itvot, 1X5 und l'J tm'dapt st. ^rdatft, IX 22 tjiu- 
■i^böai^ (^oach den ilss.) si. ijio^nauv^ IX 52, 03, üO Hgatof bi. 
'tiqaXov\ letzteres ist aber IX Gl und 69 sleheu geblieben. 
IX 2 und 7 ist inni^deoitQog und -dvavov st. -wttfjog und 
-tnnxTOV geschrieben (richtiger ännfjdtjiörsQogj vgl. FritzscK zum 
Vokalismus des llerod. Dialekts S. 43), aber stehen geblieben ist 
o) 1X 25 und 27 und 1X37 das ganz unmögliche dpÖQtjiwitaop, 
Kin Übergang der Verba auf au) in die Flexion derer auf sco tindet 
jetzt hei Abicht nicht mehr statt; übersehen sind aber hierbei 
VlU 77 loXfAew, IX 2b inKfO^tsoyitg und IX 120 oni8ovitg und 
omiovza. Ob mau die Formen in aa gänzlich Ijeaeiiigen darf, 
bleibt streitige jedeofails thut jetzt der lisgb. der übei iielerung 
weniger Gewalt an als früher. Für j^^^tuV ist ferner überall 
P^ov und für x^^öfispog x^iaiievog geschrieben; stehen geblieben 
ist €0 IX 24 and 41. Für nkevpsq hat flsgb., wie es scheint, 
überall jtkioysg einsetzen wollen, hat aber 1X61, 62, 118 ev 
stehen lassen. Endlich hat er bei den Verben auf 6m den 
KoDtraktionsdiphthtiOg ev überall durch ov ersetzt. 

An störenden Druckfehlern habe ich bemerkt: Vlil 14 ytivo- 
fiivov St. yevofjisyov, ViU 20 eiQwttav st. £it)u)iu)t' , IX 22 ttjy 
&o6Qrjxa, IX 33 ' Uoopvixm^ IX 93 Aaxxoavog st. AaxixoPüg, IX luy 
nöA.i<s st. TjüÄig lt. Aus Dietscb stammt noch ViU ilU üiyuy\ 
andere aus derselben Vorlage stammende Fehler sind jetzt end- 
lich beseitigt; A« schreibt jetzt IX 57 nqoUfjiiai i^^«^}}^», IX 6b 
Boimviligt 1X88 t^¥ %^ GufAfiaxcoy -j bei Dietsch und Abicht 
1882 fehlten jjffr^^g<r«, vfc und väp. 

Die £rkläruDg bat eine Heihe kleineff Zusätze erhalten, die 



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290 



Jihretbariehta d. pbilolog. Veraiot. 



sirb jodücli der nf's|»rech«np: enlzielien. Erwähnenswert ist nur 
IX U8 Hif fU niitziiii^j von Hoscher, iS. Jahrb. 1^7^ S. 349, und 
IX 90 die iiegrüiidung für die Aus8ch<'i(1ung des It^lzten Satzes 
nncli Krüger und van Herweidcn. An manchen andern Stellen 
vei nHlät niuu dagegen die Benutzung neuerer Forscher, wie z. B. 
von Basolts Artikel. N. Jabrb. 1897 SL 33 snVm 113 und IX 10 
öber die MondfinsterDu. — S. 28 lu Z. 13 mufs es IX 19 sU 
II 19, S. 81 zu Z. 8 VII 197 st. Vll 167, S. 175 zu Z. 15 tpvXaü- 
öfjiai 8t. (fvXdaa€Ta$, S. 181 zu Z. 6 JIo(f€id(yvtog st« ffmaei^ 
ötivfog und S. 202 zu Z. 9 Chersonesoe st. Chenonnesos beifsen. 

3) Herodo tu • book« V and VI Terpüichora aod Erato aditad «Ith natea 

and apixudices by EveliD Abbott, witii mapa. Oxford 189S. XV 

und 346 S. 8. 

Der Text dieser Ausgabe ist der Steinsche; ihr besonderer 
Wert liegt in einer stattlichen Ueihc von Exkursen historischen 
Inhalts. Über das Weitere vgl. meine Anzeige in der Wochen- 
schriiL iur klass. i^liilul. 1S93 Sp. 833— 83G. 

4) Auswahl rius Herodot. Für den Schul^ebmurh bearhfitpt \ nn 

Frauz Härder. Mit eioem Bildaisve Herodots aod 5 tiartcu. 
Leipzig, G. Freytag, 1893. 26» S. S. 1,5U M, geb. 1,80 M. 

St hülei koiume rita r zu der Auswahl aus Herodot von Frau/ Härder. 
Herausgegeben von Franz Härder. Leipzig^ G. Freitag, 1S93. 100 S. 
8. 0,70 M, geb. 1 M. 

Mit Hecht hat sich der Hsgb. bei der Auswahl nicht auf die 
Perserkriege beschränkt, ftondem auch aus den ersten Böcbern 
einige in sich abgeschlossene ErzSblungen herangezogen. Zwi- 
schen den einzelnen Stöcken ist ein Terbindender deutscher Text 
gesetzt, der den Schuler nicht nur über den Zusammenhang der 
Stöcke aufklären, sondern ihm auch eine Vorstellung von der 
Disposition des ganzen Werkes geben soll. Der Text bietet keinen 
Anlafs zur Bespi ru hung. Der Hsgb. erhebt nicht den Anspruch 
auf eine selbständige Leistung; von iler ursprünglich zu Grunde 
gelegten, in demselben Verlage erschienenen Ausgabe Ilolders ist 
er an nicht wenigen Stellen abgewichen, um sich mehr den Aus- 
gaben von Stein und Kallenberg anzuschliersen. 

Der Kommentar soll, ohne der Thätigkeit des Lehrers durch 
inhaltliche Erklärung oder allgemeine grammatische Erörterungen 
vorzugreifen, nur dem Scböler die Arbeit erleichtern, indem er 
ihm eine Anipitung fnr das erste Verständnis giebt. Es werden 
Vokabeln geboten, bei deren Erklärung von der Grundbedeutung 
ausgegangen wird (z. B. latogitj Forschung, dann das Ergebnis 
der Forschung; vgl. IrTTogeti' forschen, Wurzel Fidy wie in fIdoi\ 
oMa), bei schwierigen oder dem Schüler unbekannten Konstruk- 
tionen kurze Hinweise auf die Verbindung der Wftrter. 

5) Uerüdotos erklart von H. Stein. Zweiter Band. Erstes Heit. Bucb III. 

Vierte verbesserte Auflage. Berlin, Weidmaooscbe Bocbbandlnog, 
1893. 16tt S. 8. 1^0 M. 



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B«rüdot, voD H. Kallaoberg. 



291 



6) Herodoros erklärt von H. Stein. Fünfter Baud. Buch VDI und IX. 
Vierte verbesserte Auflage. Berlio, Weidmanasche Bachhandlaag. J8»3. 
26$ S. 8. 2,25 M. 

Der Text dieser neuen Aullagen wciclit an tblgeadeo Stelleo 
von der kritischen Ausgabe vom Jahre 1884 ab: 

1) Lesarteü: III 4 ovvo^a dt ol <^t) Hs\ ; mit liechl, 
wie analoge Stellen beweisen. — 9 aai Schiufs gut ayuytii/ (sv) 
st Sr$i¥ mit näherem Anschluß an den vorhergeiienden Satz, 
indem oöog ö' — ayvSgoy als Parenthese gefafst wird. — 20 
iytsM(Hp6g (xe) nach Rsv. — 22 tov jy^aBw (AfiC) und 
[tov om. ABCJ üTQsntov und dann vov xöofjtov avvav (so s. 
sl. avTov). — 31 iniGnonivr^v (Hsv) st. sanofiiffjv. — 48 eq- 
yoviuiv Tföv (so Rsv; om. AlU:) KoQtP.9tü)v; notwendig. ~ 79 
«^£0*/ <i|(d> Rsv. — 128 T(äv (nach PRsv st. zw) di äydgeg 
tqtfl»ovia, — VIII 5 nlririvteg (Rsv) st. navisQ. — 14 nsytij- 
MWva Jtai fQslg (AÜC) st. rgtlg y.ai jihvi. — 56 saxe [vä, om. 
ABC) fiBql. — 60 ngovavfiuxtiig (ABC) st. nQOi^ai^Auxtiaeig. 
IX lt> <ro0Rsv) VQxo(i€yiw.— 18 i0wffay (CP) st. Btst^aw, 

— 23 all' a^a (R8?) st äUd, — 44 ^(Sviiti (je Rsv>.— 66 
oqq (ABC) st ^qa, — 98 ocoi (Rsv) st. ol. Hie meisten Än- 
derungen sind nach meiner Meinung Resserungen, nnr dariii 
weiche ich vom Hsgb. ab, daPs ich die Lesarten von Rsv nicht 
als alte Konjekturen, sondern als Überlieferung belrachte. 

2) Von Konjeklureu anderer Gelehrten sind aufgenommen: 
Iii 1 ^A^ua^ St. '^/^«(jiv Üielsch. — 23 stfa ^iv Krüger. 

— 33 ysysT^g st. yeyeijg van llervverden. — 34 [lOiaöt] äfisi- 
ß9C4hxb Kallenberg. — 64 xaiQltjy st xaigifi RIomfield. — 82 
fMvyaqxot [imi Cobet (o iMi^yaQxog ohne i<»y ABC). — 85 
oxsvaat [t6v innov] Cobet. Kurz vorher tilgt St ^fj^idfj, 
wo Gebet i fi Inno) streicht. — 88 tovg nQcözovg iyafiss (ii) 
Uiqc^a^ Schweighäuser. — 93 olxeoytav (st. zw» ) Herold. 

— 95 övvttd^^fjiBvov St. -iJbivuip Eitz. — 1*02 avtoi (cft to} 
sldog. Hiervon dtfi nach Gomperz; der Artikel steht in PRsv st 
ttvioi. Ebenda dvawoqsofAevii sU ävtuf t^ijuixsi'ri van Herw. — 
106 %ä sfAipvxu (lu) zetqänoda Krüger. — Iii \av%bov om, 
Rsvj %a iUX»a [ttav vno^vyio)i> GomperzJ, iNach meiner Mei- 
nung ist Bttr das letzte unecht; vgl. Philo!. XLVI & 774. — 115 
[o 'ßiatdavo^] Cobet 127 («v> arayot Schäfer. — 131 [ual 
iffBV ovdiv] van Herw. — 155 äfkvvw%mv st äikWBWft^v Bähr. 
— - 156 (jioXla) snKSzqexf ofiii'og. — VIII 8 nagiax^ (st tag) 
tote Cobet. — 19 nvqa (st. nvq) avartccUiv und nvqd (st nvq) 
dvaxav6ap>6V0t Cobet. — 22 tfi vaitgatri {^fiiQfi] van Herw. — 60 
jjito)g [ngoc] und [ig] t6 ^xiaia Krüger. hl (di){-i<Tfhoüat 
Naher, nach Plut. Arist. 8. — 83 navux (lä) xqiaao) Dobicc. — 
b4 avax^oi/(o)eo'i5^€ Valla. — DD xuirjQtil^avio st. xatr^QQfj^atfco 
Cobet. — lUO adrog atpea (st. öif tag) van Herw. — 105 ix- 
tuiimdf 8t itiKxdfMfmv Reiske. 115 ig %6v nöqov [t^g d»«- 

19* 



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292 Jabresberiehte d. philolog. Vereins. 

ßdatoc] van Henv. — 120 nQmtav (^aviov) iXvaccio van Henv., 
der jedoch aviov nach iXvüavo einschiebt. — 135 zu Anfang 
toös (st. TOTs) di Wesseling. — 138 io)p ctvdqiöv (^imv) an' 
\4qysoq van Ilerwerden. — 140 afilov (st. aluov) yiytjzai 
Vairkenaer. — 143 \(ag \4d-firaioi z'Jyovüt] Cobet. — IX 5 
fr)ff (",()l)Pt oder viehueiir Kriigpr. — 8 vnoxqivtböi/iu 
St. vnoxyitao^ai Cüi)eL — 13 («V Schweij-iiauser^ X^Q^^ Inna-' 
0ifim\ St. x^Q^ *^ X^Qfl- — 14 ißwXeveto [d^iXmv] Reiske. 

— 15 T€rafi4v0p Et. jsrayftipop Reiske. — 33 am Ende mxI 
a^rog [ylvevat] van Herw. ^ 35 haben die Ausgaben nach Pani- 
miei-s Konjektur nodg V^&i/Ki/. St. stellt jetzt die Überlieferung 
TfQog ^iü'&fMfi (Rsv ngog rw V.) wieder her, indem er auf Pan- 
sanias binupist, der III 1 1, S sclion ^Ic&fjiM gelesen habe. St. ver- 
iiintpf. ^foO^fiög >ri ein inessenischer Ort, in dessen Kähe die 
AlessenifT grschiageii rseieu. — 61 sniniov te st. sn. Scliäfer. 

— 62 aviTiKSt^iiova; [^dav] van Heru. ; schon vor ihm von 
Kallenberg verdächtigt. — 82 axtii>^i^ st. xaiaaxevtjt' Schweig- 
hjluser. — 85 vSy di alXmv wroia* (st. ocro») Kröger. — 94 

Beiske. Ebenda ffvfjtninvovtog st. irvfimTrtovaijg Reiske. — 102 

ovro) (st. oviot) (fegofifpoi Naber, oder vielmehr Gomperz. — 
106 tag <r*) vsag svengtjiTcep van Herw. Ebenda X^gJfTro*^- 
Cayzo und oaxioioi {// fit^y ijjifjbffhtv Krüger. 

3) Eigene Konjekturen. Zunächst sind eine Reihe von Ver- 
mutungen zu nennen, die ans ihrer früheren Stellung unter dem 
Texte jetzt in diesen aufgenoinineii sind: 111 1 i^ffnä^fto <(Ä«,«- 
ßvGiig). — 26 (^xai) ägiatov. — 28 Xijasiv tannov st. A. avzöv. 

— 45 xarankiwCi ^4 ^a))"). — 79 ivqUsitouv st. s^^iüxov, — ; 
86 xctrd ^T«) iSwed-^uapTO* — 100 icti (ti) wsov niyx^^. 
108. o^^O^e^^o^ dt (st. ts) dij. — 116 am Schlufs avtal st. 
avvat. — 142 o* (^tavia) inmaiiito, — VIII 8 [^xj q>€V- 
^tcTx^ai. — 19 Ttiy (G(f€t€Q^py GTQati^y. — 77 Qr^iata st. 
nQriYiiccra. — 88 Gvyijvetxf ytv^G&ai (MgTfy, — 1)0 (ftXog 
swv <(7w(r<). — 04 dif (st. r^df öi) avfißalXoyicct. — 100 
TTQoastf^Qs (ol) TOP Xoyoy. — 137 [oi* ^ovvov 6 d^juo^]. — 
iX 2 j^u^tnovg (st. yiaXenä) ihcn,. — 11 [uovio tovto (Ttoteor]. 
-^41 hötutmii (G(f iy iy^yopts. — 65 sg (je) ro ttrqmO' 
mdw, — 71 ovetiög (tf) xai — 76 XQ^^^^? (,^0 
n^liXtf, 81 raXktit st. aXla* — 93 {ini) vtXiofdpmv. — 
101 10 ^tp yoQ ip J/XaratTjai (iQWfia). — 116 XQVl^^" {^^'^^ 

^EXaiovpiog. — IIS <(k3) ojTiai^t xov tdxfog. Dazu folgende 
neue Verinutun»;eu : III 12 (fVri) tojp — dtccffd^aQbPiuw nach 
rX 83. — 13 ü)c. dt (xaiy. — 16 xtifupoc ; ?;). IT zu 
Anfang ißovXtvfio st. tßovAtvaaxo , wohl wegen des iolgentleii 
ßovXtvofiipifi. — 23 XiTTCcgiüTfQoi iyipopro st. Xin. iylvm'io, 
das AiiC haben. Doch haben Rsv yiypopttn oder yipoptai. Es 

kommt hier darauf an, ob die Ätbiopen oder die GeModten Sab- 



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Herodot, voo H. Kallenberg. 



293 



jekt sind. — 26 an^xfi Ss st. an^yorcsi df. mit IJezug anf die 
Oase, was wohl richtig ist. — 31 ctvio} d-ikovn, st. im x}ikovn^ 
weil dieser vo^kog Dicht für jeden beliebigen, sondern nur fSr den 
König gelte. — 38 6m thv ^Antv ^fMtveig} ; kaum ndtig. — 34 
TTQog %QV Ttctt^Qa [teXiffai] Kvqov, So schon Negris, was zu 
erwähnen wohl nur aus Versehen unterlassen ist. St. erklärt das 
Wort als Rest eines Randcitats aus Od. ß 271, — 39 nifmmv 
Tf Smqcc 3e(1r^ Sfxotievoi [aXXa]. Rsv haben aact. — 47 jov 
{ts^ xQijT/jQog. — 53 ovxoyg {oi'XMy \\\(\ ory «üe iihrii^en llss.) 
hnoQce mit dem Zeichen einer Lücke. „Üas üiu'nLbehriiche und 
sonst bei diesem Verbiim nie fehlende Objekt ist ausgefallen, etwa 
dvvaim iaaixsvo) sc. id jiQ^y^aza snoqäv xs xal dUneiv oder 
r* movro; vgl. I 123. 4: 170,9; V 36, 12; VIII 140 5". 
Hirschig ergänzte voov, — 57 rmf ysvofkivmv (st. yhvo^mv) 
avto-^ev xQr}tidT(av. So schreiben schon van Herwerden und 
Holder nach Kruger. Mir scheint die Änderung ubernfissig. — 
60 'Potxog 0iX€ü} (^dv^Q^ imx^^Q^^?' — ofioiOQ (to) €i6og. 
Der .J^rlikel wäre hier notweiulie: doch besser ist es sISoc (om, 
Rsv) zu streichen. — 67 {anißtct 8vcm' rov onmvv^ov ^fiigdiog 
lov Kvqov], — 69 tqItjjp 6^ (st. dyy^U^v. — 80 [a^x*^?] 
a^Xti. „Wäre äqx^g echt, so möfste es den Artikel haben, und 
es müfste folgen vnEi^d^vvovg dt sx^i'*. — 86 6$€'^tXavv6vTMv 
[xcrrce] TO n^aaa%s$oy» — 94 tpoqov änaylvsw (^ttX$t<ftov}, 
— 95 loytio/$iyaif st* kofti^ftepov» „Da man rechnet". Schon 
Kruger fand das Präsens im passiven Sinne bedenklich und schlug 
loy^Coiiif^M oder XeXo^KffUt^ vor. — 98 [cctt' ov t6 ip^yfMx 
TOI ßarttXst TO slgi^fi^vop xo(Jbl^ov(fi\ .'./ir' ov lo Ufrjynn 
liefse sich wohl auf ipdfipog x^foTT^g (c. 102) beziehen al)er 
nicht auf 6 XQ^^^'^ ^ noX?Mg , womit t6 ipijyi.ia uientisch ist. 
Nicht xOfiltot^fTi , sondern ccnayiyfovm, hätte llerodot gessi^t**. 
Letzteres ist wulil uiciit begründet, aber auffällig lsL auci» noch 
der Artikel vor ßmfiXii., vgl. van Herwerden. — 99 vafMeg 
sM (.itaiy 'Aosmv iSsifraL — 102 [teal rmy älhav *Mmy]. 
Streicht man tmp (om. Rsv), so dürfte das iibrige sich vertei- 
digen lassen. Gegen Ende xtAQig (tothovy. — 107 tfvXXs- 
YOWtt T1JP ifzvQaxa [^/Hcovi fg^, xiiv ig "EXXtjmg 0oivix8g i^d- 
ynvtd , TavTijr ^h'tum'i fg [Xctfjßdi'oi^cft]. — I I r> xcd ovxl (ov 
l'Ksv. OVIS AH) ßc(oß((otx6v (so AB(^, früher nach IMJsv ßdg- 
ßaQov). Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dafs ßagßagi/MV in 
ABC erst unter dem Einllufs des vorausgehenden 'EXAjy*'*xo>' aus 
ßdqßaqov entstanden ist? Ebenso ist I 72 ^vSix^g nach Mij' 
$ix^q aus Avdlfig entstanden. — 128 nfotaiQsöfjisvifp st. -Oftsvoq, 
also iMissiv. — 130 imvrdy (st. wv) ixffaitfsi, — 132 ijy %s 
(st 4^^) fkiytdTov TTQ^rfta. „Zusammenfassend wie VI! 188, VIII 
13". — 137 i^rjrijaav rd (st. ro) nqodonsQoy Tijg *EXXd^og. 
Nicht nötig, da lo ng. z^g'EXX. zunächst zu ror/xofifr'oc gehört; 
zu ixfittd-sly ist dann aus t^g 'EkXddog- ein Objekt zu ergänzen. 



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294 



Jahresberichte d. philolüg. Verein«. 



— 139 ilneg ovna StX ysviad^ai. Udytuag toi (yvt') alvi(Sag\ 
die geänderte Interpunktioo nach H. Stej^amis und Bekker. — 

140 iofaßag Sij (st. di)» — 143 tavrot «Ifrc (.äpijQ} imv ip 
xotci dtSTOtüi Soxifiog. Ebenda ov eit (ovd* hi s, ov 6ij 
Tt die ubrigeu Hss.) ; früher ovdiv aus Konjektur. ^ 146 tavta 
dfj (st. di) sXe^s. Rsv haben nur tavta sXs^t , was mir rich- 
tiger erschein». 155 n^rjv iy^ttgidtov st. nXi^v iyxi^Qi'dluiV. 
Notwendig wegen des folgenden vovro. — 156 {noXlct) ^ntxftQf- 
qojiiyoc. 159 tmv (CP st. toV) domiKaxdiiüv (st. mi(iioi>). 
Ebenda \naiy) avi(äi> lovto naq^Xaßs. — 135 verzichtet llsgb. 
auf die Herstellung eines lesbaren Textes und schreibt nach AB 
aika ff' ino^ t' 6(fa mit der Bemerkung, diese älteste Form der 
Überlieferung sei durch das Eindringen eines poetischen Citats 
äfta %' Snoq stf ct nal sQyov (worin jüngere Hss. iqta durch t^ns 
ersetzt oder gestrichen hätten) entstellt. Wahrscheinlich habe H. 
ravra ffnt ^ai avtixa tnoif^ ^nitf)Ja geschrieben. 

Hierzu in den Anmerkungen: HI 11 zu lovg äyayoi'Tfg „Die 
Zahl der Söhne schetat ausgefailen; dafs t^s nicht wenige waren, 
zeigt ndvieg. — 19 tiav ^Ix3vo(fdy(av dvdgwv tovc innfiafie- 
vovg. Richtiger wohl äfdgag „etliche", wie Vü 153 üvdqsg Fe- 
It^wy, IX 94 tdv äa%mv oofögdai. ^ 23 ^^sov^ta, nicht TOtfro** 
(sc iiiit9wsdisti)\ denn die Athiopen haben überhaupt keinen 
Wein und liönnen nicht ,,in dieser Beziehung, hierin*', sich be- 
siegt erklären, sondern in der Vergleichung der beiderseitigen 
Lebensgüler kommen die Perser nur mittels des Weines in Vor- 
teil**. Rüv haben zovro. Ebenda ist zu (rirfjrjtv dt tlrni xgsa 
[ts] itft^d bemerkt ,,Tt ist vielleicht ein liest von isiqutzÖSmv''. 

— 35 ,,nicbliger wohl ogcovtd (rd) tov aydga'''. — 39 ,,Bei 
fTKivcidiaQ fehlt der zugehörige Daliv (etwa lolai, TTax^aiY' und 
ebenda gegen Ende „B^i ^^Xt fehlt das Objekt, etwa 7ioXlovg'\ 
40 to ^xaiy nQoiSmaiBhv, — 44 zu uvtam^my Sa§U»p 
„ßs fehlt die Angabe der Umstlnde, welche den Pol. zu dem anf- 
älligen Schritte bewogen". — 48 am Ende zu ig ritvto toSb 
,,T6di- Besserung einer Hs. für ol; wahrscheinlicher TOforiro oder 
i) 6qt^'\ — 80 ,1'EQxofiat igioav win de hesser fehlen" und gegen 
Ende „Vor ndXw scheint dXXn zu fehlen — 83 voijbovg iiii {&X. ovx) 
vmqßuii'ova«. Indes hraueht man das Partizipium nicht hypothe- 
tisch zu fassen, man könnte erkläre» „ülinc dafb dabei". — 89 „Der 
Salz inl ycxQ uyivtoy stünde besser hinter siitixav^cctro*'' (ara 
Schlufs des Kapitels). — 132 „Statt If^qvcato stand wohl ein an- 
derer Ausdruck mit iiesonderer Angabe der erwiesenen Wohlthat'*. 

— 146 Zu ol*JliQaat »and^(^ „Es fehlt etwa tWö tmy imuovgtAV**» 

VIII 10 mit verSnderter Interpunktion dixovTig %€ Üwna- 
tf vovio, fJvfKpoQijv t£ inoisvvto. Dazu die Bemerkung f,Ts sollte 
erst liinler o^wvr^c stehen". Dasselbe van Herw., nur mit dem 
Lnler>( hiede, dafs er if- umstellt. — 19 t6 le ^Ion>ix6v [(f vXov]. 

— 20 a<fiai avtoi (st. avtoiai). — 40 »cnlcx^*' fdag]. 



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Bfrodot, roi II. RillflMberf. 



295 



Doch vgl. VI 101 und dazu Krfiger. — 44 ig t^v nsgatfiv t^g 
BoMnifjg x«i(t^y (st. xio^g). Der eingeschobene partitive Geneti? 
ist aber belflerodot sonst immer nur der eines Pronomens; auch 
findet er sich nur bei Gegenübersli llungen (vgl. Jahresber. 1892 
S. 312). — 46 xat ^sQiifiot de (st. te). 52 Lücke nach 
(fQciyfia „Hinter (pgdyiMt fehlt ein Satz, der die Wirktin*: iUt 
Brandpieile angab, worauf TtgodaSaxotog hinweist". — 55 ain 
Schlufs sifQciGcw {i(ü ßaailit). Sollte der Sat55 niclit vielmehr 
eine Quellenangabe für die Sage sein? — 60 ^xatä poov) yi- 
vets&m' iifi dh ohom ßovXsvoiiivwv (st. -iidyoKfi), Hierbei hat 
der llsgb. vergessen, die Anmerkung zu ändern. Obrigens dörfle 
die Änderung unnötig sein. Den Ausfall you ev bei ytvsa&at 
vermutete Kröger. — 62 iiywtf fjbalXov (^tj^rj). — 73 tcav kmä 
i^täy T^(S(S€Qa\ notwendig. Ebenda xal %ov xqovov {nqQtovroq)^ 
wo Schweigliäuser vno zusetzt, Cobet hingegen aoyofifyot streicht. 

— 77 [ig] lOiavta fin>. J)as; zu Xfyftv fehlende Objekt ist 
herzustellen mit dyiiioyiag (Wesseling) oder aviog ^/i) oder 
ToXus(o (ovdtp)'". Das gani^e Kapitel wird nach Knigers Vor- 
gang von mehreren für unecht gehalten. — 79 et lem (st. 
Mp %$ oiU^ HatQw nach Gomperz). Paftt das folgende 
mal 6^ wui zu — 82 (Svv t$ (st. di) ^ankf^, Kröger 
dafür 6^* — 87 ntxQantoovßa [v^vg], — 109 ig x6 naqtov 
^fjtZr, vvv fkkv (^äfieivovy. Früher schlug St. (^xQ^^p iaiiy vor. 

— III ^f*) xai d'fwi' XQrjaTbiv. Früher (af) xai. — 120 
fiaXXoi' riöfi (st ly). Doch vgl. Nestles Erklärung' im Kon^espon- 
denz-Blatt für die Gel. u. Realsch. Württembergs 18S6. — 135 
^nsöd-ai ÖS — sfjtsXXf als Parenthese gel'afst; dann soll der An- 
fang des Nachsatzes ausgefallen sein. Sicherlich beginnt mit 
Huea^^at ein Zwischensatz; aber kann denn vtal ngoxavs nicht 
den Nachsatz einleiten, wenn xai nur zu nQoxais gehört? — 
137 Tüv naMg tav [d'^zog] Hs^iums^» Früher verdichtigte 
St. auch Uegdinnmit jetzt fafst er d-fivog als Randbesserung zu 
naidog. — 138 noi^aeie [6 nalg], in dem otov „wie thöricht^* 
erklärt und damit auf den König bezogen wird. Jedenfalls besser 
als van Ilerwerdens [ixsivwp 6 rf^orraiog]. — 144 o ßäoßuQog 
icsßaXiuiP (st. iaßaXcöp). Der Salz ist unlogisch llerüdot, die 
Änderung macht die Sache aber nicbi besser, da der Fehler an 
jiaqiiSiai, liegt. Man wird die Schuld Herodot und nicht der 
Überlieferung zuschieben müssen. 

Hierzu in den Anmerkungen: Gleich zu Anfang des Budies 
nimmt St. einen Ausfall im Texte an, da ein anschliefsender 
Rückweis mit dem Gegensatz Therniopylae-Artemision fehle. — 98 
zu Anfang „Bei dyysXSopia fehlt äyytXop lunia (c. 54) oder 
doch der Artikel. Ersteres ohne Innm schlägt van Herw. vor, 
letzteres Kallenberg (Jahresber. 18^>l S. n)7). — 104 am Ende 
wird dig als Versehen statt igig erklärt. — 124 (j[piXo)vtxif6p). 

— 138 d-vovd^ (Jti xal pvv). 



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296 



labr«ib«richte d. philolog:. Voreio«. 



IX 7 TO tstxoq (Sqt (np£io\ — 26 t6 ttfgoi' xeqa^ (^fkoX- 
Xov} ijneg. — 28 nagd Ü vomovg [hrtjaav] und Idyaxtoqioyv 
\8axfiaav\. An beiden Stellen haben Rsv t^taüctv wie c. 18. 
Ebenda ntvttaitotsto^ [hd%9iiiS€af\> — 35 \ovtoq vittato^}\ 
van Henv. streicht auch noch die folgenden Worte. — 49 üvpe- 
Tccga^av {tsy xaL — 51 ^wuvisad-ai di (st. re), — 58 
Lücke vor ivan:ü^si'xvva'i:o^ in der ^in Objekt {soya, aosT(xg oder 
auch T*) ausgefallen sei. — 60 lods (st. v6) nonjTror ^filv, 
(x^t^vofi^vovc [}'c(o]- — 62 Kficke nach tad'KTfAOP „Hinti i ü)d-i(r- 
fioy fehlt flas, was mit rrc yäg begründet wird. Eluiiti,) nuof^- 
aiGdointg [6^. — 66 t^^tjysfjTat' (xal). — 70 iyiv£io (jj^ 
teixoiiaxiri. — 79 fifydXcog (t*). — 83 hpdvfj <W itai %ads 
(st. vode) vfTTsqoy h$ (st. ini) Tovtiav (inl} [tovtwv] rw^ 
vexgwv. — Lflcke nach ^iMvltig. fehlt etwa fjtaxv^ ngog 
Tovg Ufotrct^K Einfacher doch nach Kröger ^rö) MvxäXff 
j^g Ycdv^^^. — 91 (o ^styog] 6 2d^iog. — 92 [fisrä atfiiav — 
TO ovi'oiicc rroi fviifvoc] ,,Die abgesperrten Worte stehen in Wider- 
spruch mit c. 01 avTog drT07T).ft*(f€ai. Sie ^vp^(b'n eine alte 
nanderklärniig zu c. 01 sein". — 06 ttji^ ijntioop (durjyoyy. 

in ABC fehlt ein V'erbum, Hsv haben dninXaoy , was wohl ge- 
nügt. — 102 orro* (st. oi'Jfw) yaQ ijaay. — 108 ßif^ (st. ßiijv) 
ngwts^igsio, OberflQssig, wenn man 7FQoai(ffge aus Rsv an- 
nimmt; passend ?erg1eicbt Kröger VII 172. — III xBlsvmv \fio$], 
1884 hatte St f*c nach Rsv. - 1 16 (STQoiEvtad^ai, [ngumBUiUdnv]» 
Notwendig, wenn man nicht, wie St. früher wollte, fftgcnsvaaad'iu 
ändert Ebenda id (xs} xq^ficna ^Elmovvtog. — 122 
Xaxovg ylvfü&nt (ävSgag}. Doch haben Rsv finXccxovq m'doreg 
ytv€(fd-ca. Dazu aus den Anmerknnfjen : fX 27 zu d furjd^u dXXo 
iati dnodsdfynevov .^Eati ist jedeTit falsch: fraglich nur, ob 
ITir hypothetisches rjv oder ^t//. Der Hypothese tritt gegenüber 
das kategorische laansq iati (sicuti sunt, sc. dnodsdey^isyovy. 

— 31 „i/vitnmftog sc nXijd^sog. Falls nicht cvgmov ausge- 
fallen ist«*. — 42 „TsUmp = Taflmv (VII 8t). Doch fehlte das 
Wort besser, so dnfs die Stelle lautete tovg %b fa^idgxovg twp 
/»s^* — *EXL Mal tovg {ftgaTtjyovg. Denn nur Hellenen konnte 
M. fragen". — 46 xctraQqmdrifSca; \rorc Tlsonac]. — 62 inf- 
rrrcoxff, (roif- oder o?Voj) ^Stj. — 88 „di to^f «(Ti^a» ist als Prä- 
sens aufläiiig und enthelirt des Objekts (Sixrjv, ^rjfilijv). Schrieb 

, II. diciSvfrfad'aiV* Cobet ata&ijcTead-at. — 96 (dv^o) xdXXf'i 
xai lAtyd&ti v7tfQ(fiQti)V. — 97 zum Schlufs „Der durch Aus- 
fall und falsche Ergänzung entstellte Satz mag ursprünglich etwa 
gelautet haben : in' dutpotfQa yag imltyofjsrot (Tgl. VOI 22) 
naq&fxsvd^ovto mzl noXtOQW^aoikBPOi, xal wc vtn^oPTeg**. 

— 106 „Der Satz xai ^ijifavgovg (s. VII 190) svgov stört den 
Zusammenhang und wird vom Autor spater nachgetragen sein". 

— 108 ensnavto (^int'9'VfUiov oder igiiay). — 116 x^ijfbattt 
TioXld (jf£ äXXa), 



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.H«ro4«t, voa H. Ralleabcrg. 



297 



Diese Aufzühlting beweist, dafs der Hsgb. sich nicht begnögt 
hat, hier und da einige Verbesseningen nachzutragen, sondern 
dafs er den Text von ntMXMn !nit scharfem \u^f* durchmustert 
hat. Hierbei hat er eine iiii Iii i^niinge Anzalil von Stellen auf- 
LCiltckt, die vor einer strnnj^en Kritik nicht bestehen können. 
l>üch trafft es sicl) noch, ob nian überall, namentlich an den 
Stellen, an denen St. den Text für lückenhaft hält, die Über- 
lieferung oder den unfertigen Zustand, in dem der Sein liLsiclIer 
sein Werk hinterlassen hat, verantwortlich machen soll. Dafs 
Herodot an sein Werk nicht die letzte Hand bat legen können, 
ist ja auch Steins Ansicht 

Der Kommentar hat anfser einer Reihe kleinerer teils sprach- 
lictter, teils erklärenderBemerkungen einige umfangreicheZusätzeaus 
Schriften der letzten Jahre erhalten. So im dritten Buche über 
Samos aus Fabricius, Mitteilungen des archäologischen Instituts 
zu Athen IX und in den beiden letzten Ihichern aus Busolls 
Untersuchungen. Zu III SU bemerkt llsgb. über die Nomenlist»* 
,,Yerf. scheint die ganze Statistik, die nicht blofs für die Zeit des 
Ilareios, sondern auch die seiner Nachfolger gfdtig war, bei iler 
Ausarbeitung dieser Partie seines Werkes als ein bereits fertiges 
Stück seiner Vorarbeiten aus dem Präsens und Perfekt in das 
Imperfekt and Plusiiuampcrfekt umgesetzt zu haben, ohne jedoch 
alle Spuren der ersten Form zu beseitigen? Ich möchte hier 
statt Vorarbeit Uerodots eine schriftliche Quelle einsetzen. 



II. Abhandlungen und kleinere Beiträge. 

7) ^«f^awe, Si im Machsatx bei Herodot. Souderabdruck. aus der 
Pestachrifl zur 250jäbrigeD Jubelfeier des Gymoasianu tu St. Maria 
Magdaleoa bu Bresltu. Brealan 1893. 23 S. 8. 

üoniperz, der zuletzt über öe im Nachsalz bei Herodot ge- 
handelt hat (Sitzungsher. der phiL-hist. Klasse der Akad. der 
Wiasenach. au Wien GIIIB 1883 S 543--. 5^3), teUt alle Fälle 
in drei Gruppen: 1) Wiederholung des apodotlscben di aus dem 
Vordersatz, 2) Auftreten desselben in Nachsätzen einer Doppel- 
periode« 3) eigentlich anakolutischer, durch begrifllichen Gegen- 
satz motivierter Gehrauch des 6^ =s einem aXXa. S. giebt zunächst 
cinij^e Krgnnzungen und Berirhtigfingen, zeigt aber dann, indem 
er die ganze Frage noch einmal ausführlich behandelt, dafs Gom- 
;mm7 bni der ersten und dritfcn Gruppe das Verhältnis der Periode 
zum Vorliergebcaden nirhl liearhtet hat und dadurch zu einer 
falschen Auflassung gekonnncn ist. Alle Fälle der ersten Gruppe 
zeigen einen Gegensatz zum Vorhergehenden; auch in der dritten 
kann von einem Gegensatz zwischen Vorder- und Nachsatz nicht 
die Rede sein. Die zu dieser Gruppe gehörenden Stellen sind 
sämtlich imperativiach ; sie enthalten eine zweite, gemäfsigtere 



298 Jabreaberiolila philolof. Vtreini. 



Autlunlprung, nachdem im Vorhei'geheudf'n erzählt ist, dafs einer 
ersten nicbl eotspruciien ht. Nach einem im Vordersalz 

liann Je im Nachsatz nur in Doppelperioden stehen, doch folgt 
slalt dei zweiten Periode zuweilen ein Satz in anderer Form, ein 
Sats mit puy 64 nadi einein irrealen. Hier verlritt aber 6i 
einen kauaalen Vordersala (III 49, VI 30). Bedenklich erscheine 
mir nur die Erklärung, da& in Doppelperioden di im ersten Flach- 
satz einen Gegensatz zum zweiten Nachsatz bezeichnen soll. „Der 
Gegensatz steht schon fertig im Geiste des Schriftstellers da, für 
den Leser bezw. Hörer ist er dnrcli ufv dns ersten Vordeisalzes 
bereits angekündigt, und di soll noch tur den Nachsatz seinen 
gegensätzlichen Charakter, bezw. dafs der Gegensatz kommen wird, 
anzeigen". 

Für die Textkritik ist Folgendes anzuführen: IX 70 wird 
nachgewiesen, dalSi Steins Besserung xwv ^ji^ififal^v statt %my 
Aautdat^vimv notwendig ist. VII 103 ist mit l*Rsv at [di\ 
ye zu schreiben, da hier eine Gegenüberstellung von Vorder- und 
Nachsatz stattfindet* die Ilerodot nur durch ye oder äXkd giebt. 
IV 189 ist aus demselben Grunde rd ye (st. dt) aXXa mit Stein 
0()('r Tci TS aXXa zu schreiben. III 108 (o dt] sxmv und av^a- 
vofjiti^og t€ oder (st. t€ dij). VII 157 für lovro 6t fjSri nach 
s lOVTO i^drj {Ks %ovto dij ^d^) oder lodt rjSij. IV 204 roiiovg 
[dij ix i^g Aiyimtov, Der Satz, der, wie auch Verl. aiehi, in 
etwas anderer Form c. 202 am IMatze gewesen wäre, macht ganz 
den Eindruck, als sei er mit dem nächsten von Ilerodot erst 
nachträglich zugefiigt. II 154 wird Eltzs Konjektur iv Tovmcr* 
di (st. d^) zurückgewiesen. VII 153 Torro {di om. ABC] ov» 
sXfi elnetv, 11 61 tvnioyiai [jucV om. PRsvj. 

Zum Schlufs werden die Stellen behandelt, an denen di im 
Nachsat/ stehen konnte, aber nirhi ^'eselzt ist. i*alms Konjektur 
1 191 ot ()' (h> St. ovd' (h' oder ov fidv hält zwar Verf. für 
wahrscheinlu Ii, bemerkt aber, dafs an der genau entsprechenden 
Stelle III 25 dt fehlt. Als wahrächeiulich werden Krügers Kon- 
jekturen IX 23 (^ol di} im Nachsata nach img fjbip und IX 87 ijfittg 
(^di) finia^ beaeicbnet II 102 verlangt er mit Bekker td %s 
ciXXa st natä tavict und l 30 vermutet er i'g (te^ Alyvn%w 
oder ig Ar/vmov weil einem hf di (dj/) xal im Sinne 

von xai d^ uai stets rs oder oder fily nnl (einmal nur ^iv) 
vorausgehe. 

b) A. W. Försteinaua, De vocabulis quae videator e^so apud 
Herodotnm po«tieii. IaMf.-DiMcrl. Magdeburg 1892. 73 S. 1,30 M. 

In seiner Abhandlung „Über die Verwandtschaft des herodo- 
tischen Stiles mit dem homerischen (Heran 1878)** hat Caasian 
Hofer viel Verkehrtes geschrieben, wie das seiner Zeit vom Bex» 
dargelegt ist (Jahresber. 1880 S. 97 IT.). Oa aber diese gans un- 
brauchbare Schrift immer noch angeführt wird, ist es gana ver- 



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Herodot, vod H. KtUeoberg. 



299 



dienstlich vom Verf. dsr vorhVk'enden Abhandlung, die Unhaltbar- 
keit der Behauptungen HoftMs im einzelnen nachgewiesen zu 
haben. Stein, der anfangs auch gar vieles bei Herodüt uhne 
Grund als poetisch erklärt hat, hat sich selbst im Laufe der Zeit 
korrigiert. Förstemann stellt den richtigen Grundsatz auf, dafs 
Wörter, die Herodot mit Horner gemeinsam bat, deshalb noch 
nicht poetisch sein müssen; diese sind, wofern nicht die Form 
des Wortes oder die Fassung der ganzen Stelle poetisch ist, ge- 
mein ionisch. 

Nach diesem rirundsatze bleiben nur wenige von llofer als 
homerisches Gut erklärte Wörter und Weudiinyf'n übrig, die er 
für unzweifelliaft poetisch ansieht, wie öoidtoy ^vyoi^ , XvyQOc^ 
TisQi (?), ayogaoficcij tiöofjktpog. liei andern, wie z. B. bei not^og, 
p$Vitog (=s pugna, bellum), iäfst er es unentschieden, andere wie- 
der, wie €Qya (I 36) weist er Herodots Quellen zu. Zum Schlufs 
endlich zählt er noch einige seltene, von flofer und Stein nicht 
erwähnte Ausdrücke auf, die er aber auch nicht geradezu poetisch 
nennen will. Recht hat er wohl, wenn er die Schreibung oniiav 
(Vlll), danvpoai (VI 57) und vrrfqoxovg {y ^1 r^) verlangt. 
V 55 will er statt des von den nieisl'^n Ilprausgebern als unecht 
ausgeschiedenen im iü)VTOv ndd-s'i eiitwrtl» r lov t. ndd-soq her- 
stellen oder zum Dativ iiuf eofardiriy mit oder ohne t* xai zu- 
setzen. Uber (pvXa^ bemerkt er, es sei dem llerudot gänzlich 
fremd, was sich der Überlieferung gegenflber schwerlich be- 
weisen lä&t. 

Dafs die ganze Untersuchung eine bessere Grundlage erhalten 
würde, wenn man den Sprachschatz des Hippokrates vollständig zu 
Rate ziehen könnte, ist dem Verf. nicht entgangen. 

9) Fr a DZ Kra));^, Der substantivierte Jufioitiv abhäii;;!^ von 
Praposittoueo uad Präpositio.oaad verbien iu (ier hiato- 
risehen Ivräeität (Rerodot bis Zosiniia). luaug.-Uissert. 
Hefdelber; 1892. lU S. 8. 3 llf. 

Eine sorgfältige Statistik, aus der hervorgeht, dafs die im 
Titel erwähnte Verbindung bei Herodot mit ganz vereinzelten 
Fällen ihren Anfang nimmt, bei Polybius ihren Höhepunkt er- 
reicht, dann wieder abnimmt, um bei Herodian und Zosimus 
wieder zuzunehmen. Herodot am nächsten steht Äppian, Polybius 
am nächsten unter den alleren Xenoplion, aber, was sehr hezeicli- 
nend ist, nicht durch seino rrin historischen Schriften, sondern 
durch du' Kyropfid ic, die Mernurabilien und die kleineren Schriften. 
Bei Herodül sttll'-n neun Fälle vorkommen, in Wahrheit zählt aber 
Verf. nur acht aut. ävil tov 1 134, 11 80; 6V toi VII lU ig 
%6 I 216, VH 6; iUTEä TO 1 136, VI 97; tesqI tov IV 79. Der 
Infinitiv hat bei Herodot kein neues Subjekt bei sich, sondern 
lehnt sich an das Subjekt oder ein vorangegangenes Substantiv an; 
er ist also hier nur der Ersatz eines Verbalsubstantivs. 



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300 



labresberiekte d. philolog. Verein. 



10) Die stafistnebe Arbeit von Lell, Der absolute Akkätetiv 

im Griechischen bis tu Aristoteles. IMogr. des Neuen Gymn. 
zu Würzburf; 1802 (:uippz. von mir io der WS, 1". klass. PbiloL 
1893 Sp. 37511.), hauüell auf S. 15—17 vou Uerodot. 

11) A. voa Domaszewski, Beitrüi^e xar Geschichte der Perser» 

kriege. 1. Der puhelleBieehe Bnod ut der delehieehea Schlangen- 
sSnle. II. Der RScksog der Perterilotte ■■eh der Sdlaekt bei SiUbIi. 

Neue Heidelberger Jahrbieher I S. 181— 1S9 1891. 

nie Liste iler lUiiidesgenossen ist auf dem delphischen, olym- 
pischeu und isthmischen Denkmale gicichlaulend , d.h. eine ot'li- 
zielle gewesen. An der Spitze sieben die fahrenden Staaten, 
Lacedaemon, Athen, Korintb. Auch alle folgenden sind in Gruppen 
zu dreien geordnet; die Tenier und Siplinier, die auf dem arliten 
und zehnten Ringe an vierler Slelie steheu, sind später zugefügt; 
ebenso die Kythnier. Nach den führenden Mächten stehen zu- 
erst die pelupunnesischen Bundesgenossen (Tegea — Tiryns), dann 
die unter Athens Leitung siehenden Stallen und endlich die ko- 
rinthischen Ivolunieeu (l'otidaea — Ambrakia). Die Lepreaten bilden 
den Schlufs, weil sie zu keiner von den drei Gruppen gehören. 
Unter Athen stehen auch die Inseln des %8isclien Meeres, weil 
die Inschrift erst nach Pausanias' Sturz ausgeführt ist, d. h. zu 
einer Zeit, da bereits der attische Ihjnd bestand. NValirscheinlich 
sind die einzelneu nach der Zeil ihre^ Eintritts in den Bund ge- 
ordnet. Auf der olympischen Säule scheint eine Abteilung in drei 
Kolumnen gewesen zu sein. Der Raum zur dritten mufs aber 
nicht gereicht haben, und so sind die beiden letzten, die Ambra- 
kiuteu und Leprealen, zwischen die zweite und dritte Kuluniue 
gesetzt. 

Ein Hauptbestandteil der persisdien Flotte, die Phönizier, 
fehlen bei Mykale. Verf. nimmt an, dafs sie die Aufgabe er- 
halten hatten, nach der Schlacht von Salamis den Rückzug des 
Königs zu decken und dann die Küsten des ägäischen Meeres zu 
sichern. Gegen sie sei vielleicht die griechische Flotte, die nach 
Plut. Tbero. 20 in Pagasae überwinterte, aufjgestellt. 

12) Beinrieh Welsbefer, Der Kriegsseg des Datie «ad die 

Schlacht bei Marathon. Historiicliei Taeeheaboeh. Seekete Falc«. 
Btfter Jahrgang 1692 8. 77—119. 

13) Heiariek Welskofer, Zar Gesekiehte der Perserkriege III- 

- VII. IVeiie Jahrbücher B. 145 S. 14.1—166, 657-G74, 729—751. 

Verf. erkennt den in der letzten Zeit von der Mehrzahl der 
Forscher aufgestellten Grundsatz, Schriftsteller, die jünger als 
Uerodot sind, seien als selbständige Quellen für die Perserkriege 
nicht zu benutzen, als zu Recht bestehend nicht an. Hierin 

stimme ich ihm bei. In vielen Ffdlen erweist sich jener Satz 
zwar als richtig, aber er kann nicht zum Grundsatz erhoben 
werden, sondern mufs in jedem einzelnen Falle erwiesen werden. 



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Herodvty von H. Kallenb«r(, 



301 



Indes seheini mir doch der Verf. in der Üenutzung späleivr 
Schriflsteiier, namentlich des IMntarch, dessen Angaben d(M h nur 
mit der gröfsteii Vorssiclil lieraiizuzieheii sind, zu weit zu gehen. 
Feiner stellt Verf. den Satz auf, Xerxes sei su wenig ein Grieclien- 
feind gewesen wie Dareius, im Gegenteil, beide seien Vereiirer des 
GriecbeDtums. Ein Gegensatz zwischen den beiden Gliedern des 
arischen Stammes, den Griechen und Persern, sei tu jener Zeit 
gar nicht vorhanden gewesen, sondern erst aus späterer Zeit in 
die Darstellung jener Kämpfe hineingetragen worden. Das ist nur 
zum Teil richtig. Ein eigentlicher Griechenhafs wird bei den 
Persern nicht bestanden haben, schon deshalb nicht, weil die 
Griechen dem mächtigen Volke viel zu unbedeutend erschienen. 
Verf. übertrügt aber unl)e\viifst. wie es scheint, die heutige Kennt- 
nis von der Verwandtsc liült der beiden Völker auf jene Zeit. Die 
beiden Glieder des arischen Stammes hatten sich so verschieden 
entwickelt, dafs sie seihst keine Ahnung von einer Verwandtschaft 
hatten. Auch haben wir keine Spur eines Beweises dafür, da6 
die Perser geglaubt hätten, die Griechen ständen ihnen in irgend 
einer Hinsicht näher als die Semiten oder Ägypter. Denn von 
den Fabeleien über die Abstammung der Meder von Medea oder 
der Perser von Perseus braucht man wohl nicht zu reden. Das 
Bedenkliche ist aber nun, dafs der Verf. von dieser vorgefafsten 
Meinung aus an die Überlieferung herantritt und alles heraus- 
sucht, was irgendwie für dieselbe sprechen könnte, und alles ver- 
wirft, was ihr widerspricht. 

1) Wie er in einem froheren Aufsätze (N. Jahrb. Bd. 143 
S. 145->159; vgl. JB. 1892 S. 306) zu beweisen suchte, daijs der 
Zug des Mardonios im Jahre 492 gar nicht gegen Griechenland 
gerichtet gewesen sei, so will er in der Fortsetzung im llistor. 
Taschenbuch zeigen, dafs der Zu^ von 490 eigentlich nur Naxos 
und Kretria gegolten habe, iMarathon aber nur ein Nachspiel ge- 
wesen sei. Denn zu einem Zuge gegen Griechenland war nach 
der Meinung des Verf.s kein Grund vorhanden, da die meisten 
Griechen fe^rde und Wasser gegeben und dauüt nominell die Ober- 
hoheit der Perser anerkannt hatten, die aber, die es nicht gelhan, 
vom Grofsk5nig unberficksicbtigt bleiben konnten. Dafs sein Zug 
auch nicht Bache wegen des Gesandtenmordes sein sollte, beweist 
der Umstand, dafs von Sparta bei dem ganzen Zuge nicht die 
Bede ist. Mit der Einnahme Kretrias war die Au^abe gelöst 
Bei Marathon wird weder Datis noch Arlaphernes genannt, son- 
fleri» nur lli])pias. Lrst auf dem IMrkweg, bei Delos, tritt Hatis 
wieder auf. Ifippias it^t ohne Iteitei uiitl nur mit einem lede 
des Fufsvolkes bei Marathon gelandet, wie einst imt ijeinem Vater; 
er wartet aucli hier eine Zeit lang, weil er auf Zulauf von Aiheu 
wartet Andererseits scheinen weder die Athener noch die Spar- 
taner die Gefahr fikr grofs gehalten zu haben; dennerstere feiern 
erst ein Fest und kommen dann mit nur 2000 Mann, und die 



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302 



Jahreabericllt« d. pkilolof. Ver«ios, 



Alhoner schirkpii nicht einen Ff^Ulherrn gegen den Feind, son- 
dern zelin. l'itnit ist die Schlacht von Marathon nichts anderes 
als ein erfolgreicher Kampf gegen einen vertriehencn Tyrannen; 
der Angriff erfolgte erst, als das llaufjUieer bereits anf dem Rück- 
wege nach Asien war. Aus der Zahl der SchiHe, 600, schliefst 
der Verf., indem er 100 Schiffe für die Reiter and fSr jedes der 
- fibrigen Schiffe je 100 Mann rechnet, auf ein Heer von 50000 
Mann zu Fafo und 2000 Reiter. 

Dagegen ist doch zu sagen, dafs zar E^roberung von Naxos 
und Eretria das Heer zu grofs war, und dafs Gretria allein ohne 
das gegenüberliegende Festland für die Perser wenig Nutzen bähen 
konnte, während sie mit Attika ganz Griechenland mit Ausschlufs 
des Peloponnes besessen hätten, da die meisten Staaten Mitlel- 
griechenlands Erde und Wasser gegeben hatten. Aus dem Fol- 
genden sollen nur die Hauptpunkte hervorgehoben werden. 

2) Der Zug des Xerxes nach Sardes und Abydos. 
Nicht mit einem zu einem grofsen Kriege gerfisteteten Heere zog 
Xerxes von Kristalla nach Sardes, sondern nur mit der gewöhn- 
lichen Begleitung, die freilich einem Kriegsheere glich (vgl. Xenoph. 
(ATop. Vin 5), und mit der Absicht, Kleinasien zu besichtigen 
niifi sich seinen l'nterthanen zu zeigen. Von Sardes wollte er 
\\< itt i ziehen, um auch die neuen Dnterthanen in Europa den 
Glanz seiner Herrschaft sehen zu lassen. In ('nruhe gerieten in 
Griechenland nur die Athener, auf deren Betreiben ein Schutz- 
bündnis unter Leitung Spartas geschlossen wurde. Xerxes hatte 
die freiwillige Unterwerfung Athens erwartet; erst als sie nicht 
eintrat, fafste er den Entschlufs zum Zage gegen Athen, wahr- 
scheinlich erst in Abydos. Zum Kriege gegen Griechenland wurde 
der Zug erst dadurch, dafs Athen Verbündete fand. 

3) Der Zug des Xerxes durch Thrakien. Richtig er- 
kennt Verf., dafs Herodot beim Üborpnn^ über den Hellespont die 
Berichte zweier verschiedener Quellen nebeneinander gestellt hat, 
ohne den Widerspruch zwischen denselben zu bemerken. i\ach 
der einen, besseren (VII 55) braucht das Heer zwei Tage zum 
Chergange, nach do" schlechteren (VII 56) sieben Tage nnd sieben 
Näclite. fibenso findet er in YI1 100 eine zweite, ghubhaflere 
Cberlteferung Ober die Musterung bei Doriskos. Die StUrtie des 
Landlit eres schätzt Verf. auf 150 000 Mann, die der KriegsOotte 
auf 400 Schiffe. Wie ist damit die Zahl 1207 bei dem Zeitge- 
nossen Äsrbvliis 711 vereinigen? Hierauf fehlt die Antwort. Wie- 
derum hu Herodot VII 113 und 114, ohne es zu merken, 
zwei verschiedene Berichte von derselben Sache gegeben; nach 
der einen werden dem Stryjaon weifse Pferde geojjfert, nach der 
andern, unglaublichen läfst Xerxes neun Knaben und neun Mäd- 
chen lebendig begraben. Dagegen kann ich in der Wiederholung 
der Wendung , dab Xerxes nnaeh Abydos zog" kein Anzeiehen von 
tersehiedeneii Quellea inden. VII 33 helfst es nrer^MsvirCaf o 



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Herodot, vod H. Kalleoberf. 



303 



o)g iXwp ig ^Jßvdov, dann folgt die Überbruckiing des llelies[>ünt 
und hierauf mit An«lornng dps Tempus naQfMxevaüfiivog 6 
(iiqaxoq oqfiäto ilcoy ig Aßvdov. Tberma ist nach Verf.s 
Ansicht das eigentliche Ziel des Zugrs; hier blieb der König 
mehrere Wochen, von hier aus entsandle er erst Ueiolde nach 
ttriechenlaiid, nicht schon von Sardes ans, weit et hier Ton den 
RusiangeD der Griechen vernahm. Da Athen auch jetzt sich 
nicht beugte, mufste der Railiezug angetreten werden. 

4) Der Kampf bei Thermopylae. Der Verrat des 
Ephialtes wäre nac h Verf s Ansicht nicht nötig gewesen, da die grie- 
chische Streitmacht auch so in wenigen Tagen aufgerieben worden 
warf. Er folgert nämlich aus Her. VII 22S und VIII 25, dafs in 
den i hermopylen 4000 Mann gefallen wären, von denen auf den 
dritten Tag nur noch wenige Hunderte gekommen wären, weil 
an den beiden ersten Tagen je 2000 gefallen sein müOsten. Es 
wUre dies ein Beweis von aufserordentlicher Tapferkeit der Perser, 
ja von ihrer Überlegrabeit den Griechen gegenüber, da diese in 
gedeckter Stellung und mit besserer Bewaffnung die Angreifer er- 
warteten. Indes ist VII 22S nur von 4000 peloponnesisclien 
Kampfern die Rede; wären die sämtlich gefallen, so waiv^ krin 
Pelopoiine^ier übrig geblieben, was mit der sonstigen Erzählung 
nicht uberemsliniml. VHI 25 endlich ist, wie Hcraeus N. Jahrb. 
1865 S. 507 (vgl. auch Guiii|» rz, Herod. Studien H S. 24) be- 
wiesen hat, tiodt^ig x^Xiädsg ein übler Zusatz. Aus dem 
Bleiben der Tbespier schliefst Verf., daft es Leonidas' Absteht war, 
mit den Spartanern, Thespiem ond Thebanem den Rfickzug der 
flbrigen tn decken. Hiermit läfst sieb aber schwer vereinen, wie 
Verf. selbst einsieht, dafs Leonidas dann die zam Abiug günstige 
Zeit verstreichen liefs. 

5) Die Seekämpfe bei Artemision. Themistokles' Plan, 
hei Ärtemision eine Seeschlacht zu wagen, wird für fehlerhaft er- 
klärt; der schmale Euripiis wäre ein besserer Kampfplatz gegen 
eine Übermacht gewesen. Hierbei ist übersehen, dais nur an der 
Nordspitze Euboeas die Thermopylenstellung gedeckt werden 
konnte. Beim ersten Kampfe glaubt Terf. wieder eine doppelte 
Oberlieferung gefunden zu haben, indem nach Herodots Darstel- 
lung die Griechen sogleich von den feindlichen Schiffen umringt 
worden seien, während doch gleich darauf berichtet werde, dafs 
die Gripchen zuerst eine halbkreisförmige Aufstellung biMeten und 
dann sogleich auf die Feinde losfuhren. \>pt Widerspruch löst 
sich bei genauerer Betrachtung der Worte Herodots, er sagt von 
den Persern ^xvxXovvro , d. h. sie versuchten eine Umzingelung. 
Gegen diesen Versuch bildeten die Griechen ihren xvxXog. Die 
wiederholten Verloste der Perser durch Stürme werden nicht be- 
zweifelt, doch sollen sie in der Überlieferung flbertrieben sein, um 
s» die angeblich grofse Obermacht der Perser ihrer wirklichen 
SlMe BMhr la nihem. Dm zur UmsduAng toq Euboea 



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304 



Jahresberichte d. philolog. Veieiob. 



gesandte Geschwader (Midiich soll weniger durch Stiirme gelitten 
haben, als durch das Erscheineu der vüü Athen uachgcbandleii 
53 Schiffe an der Einfahrt von Süden gebindert sein. 

6) Die Einnahme Athens. Ober die beabsichtigte PlQn- 
derung Delphis urteilt Verf. ähnlich wie Wecklein (Tradition der 
Pcrserkricge) und Poniptow (N. Jahrb. 1884 S. 227 ff.). Die 
lüngcre Belagerung der Akropoh's von Athen und ihre tapfere 
Verteidigung wird wohl mit Recht in das Reich der Fabel ver- 
wiesen. 

14) N. VVccklein, Themisto kies und die Seeschlacht bei Sala- 
mis. Sitzuogsber. der pbiios.- philol.-hiftor. Rlasae der Akad. der 
Wiaseosoh. zo Aläochen 1892 S. 2—35. 

W. warnt vor der Methode Dunekers, den Bericht Herodots 
mit denen späterer Geschichtsquellen /u kombinieren, indem er 
an einigen Beispielen zeigt, wie spätere Historiker Herodots An- 
gaben weiter ausgp.^chniückt oder niirh verdreht haben. In den 
angetnhrfpTi Fällpn hat er iin zweifelhalt recht, ohne doch dadurch 
bewiesen zu lialicn, dafs seine Behauptung in allen Fällen als Grund- 
satz zu gelten hat. Er bespricht dann von neuem die zweite Bot- 
schaft des Theniistükles aa Xerxes, wobei er seine Ii über ge- 
äulkerte Ansicht (Sitzungsber. der Akad. zu MQnehen 1876) 
Duncker gegenöber aufrecht erhSlt Dann kommt er zum Uaupt- 
gegenstand, der örtlichkeit der Schlacht von Salamis. Nach Be- 
sprechuDg der verschiedenen Ansichten macht er darauf aufmerk- 
sam, was übrigens auch von Goodwin (The battle of Salamis, 
I*apers of the American School of classical Studies at Athenes 1 
239 — 262) ^escheiieii ist, dafs bei Her. VHI 70 und 7G »'in»' dop- 
pelle Aiif.stfl iiiig der persische Flotte, die auf zwei versclnedene 
Kriegiipläne zunickgehe, berichtet wird. Zuerst stellten sich die 
Perser in Befolgung dos Rates der Artemisia vor der Salaminisclteu 
Blicht rechts und links der Insel Psyttaleia auf, besetzten diese 
und schickten sögleich eine Abteilung der Flotte ab, um durch 
den megarischen Sund den Griechen in den Rücken zu kommen. 
Infolge der Sendung des Sikinnos mufste aber Xerxes fürchten, 
die Griechen könnten durch die Bucht von Eieusis entweichen, 
bevor diese gesperrt sei, und so erhielt die Flotte den Befehl, in 
der Nacht die Umzingelung in der Salaminischen Hurht vorzuneh- 
men. Das vorher abgesandte Umgeh uniisL^a^sch wader konnte nicht 
mehr zurückgerufen werden, und die Besatzung von Psyttaleia, 
die. nun keinen Zweck mehr hatte, nicht mehr weggeführt werden. 
Die Änderung des Kriegspianes hat Herodot nicht erkannt und so 
die Besetzung der Insel mit der zweiten Auffahrt verbunden; die 
Umschiffung von Salamis endlich mag er absichtlich verschwiegen 
haben, weil ihm der Zweck der Mafsregel nicht klar war. 

Auf den Rat der Artemisia möchte ich wenig Gewicht legen; 
denn das ist eine Geschichte, die Uerodot in seiner Vaterstadt 



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Uerodot, von U. Kallenberg. 



305 



gehört und den in Atlien gesammelten üericlilen zngetügt hat. 
im übrigen aber mu^s mau ^»idi zwei Fragen vorlegen: 1) ist eine 
Umzingelung von SeitoD der Perser innerlialb der Bucht von 
Salamis denkbar, und 2) hat sich Herodot den Hergang so vor- 
gestellt? Die erste Frage mufs man nach Goodwins klarer Dar- 
stellung, der Verf. wenig gerecht wird, verneinen. Zwar war die 
Nacht nach Busolts Berecbnoog (N. Jahrh. 1887 S. 44) wahr- 
scheinlich nicht mondhell — es ist dies das einzige, was Vfif. 
gegen Good^v!!1 vcH hrin^t: alles ant^pr»' aber, der beschränlUc liaum, 
die Gefährliilikeil tlei Oi lijchkeit iiir »'in solches Manöver bei Nacht, 
der geradezu uuniögliche Grad von Sorglosigkeit auf Seiten der 
Griechen, den man voraussetzen muÜis, bleibt bestehen. Die Kriegs- 
fährang der Perser war keine planlose, sie hatten bei Tage vom 
Lande aus die ganze Örtlichkeit übersehen können und waren 
schliefslich durch ihre Verluste bei Artemision gewarnt, und die 
Griechen, die doch bei der grofsen Nähe des Feindes sicherlich 
SchifTe auf Vorposten gestellt hatten, niufsten, webn sie auch in 
dunkler Nacht nichts sehen konnten, hol der izeringen Entfernung 
das Rudern einer so jirorsen Menge von SchiUcn huren, hnwi 
selbslverständiicli wäre eine solche Bewegung in so engen be- 
wässern bei Nacht nur bei ganz ruhiger See möglich gewesen. 
Hatten endlich die Perser schon in der Nacht ihre Stellung im 
Sunde den Griechen gegenüber eingenommen, dann blieb diesen 
keine Zeit mehr, die ScbiOe zu besteigen und sich zum Kampfe 
zu nr lnen, dann blieb ihnen nur das Schicksal von Aegospotami. 
Für die Auffassung Herodots, der allerdings für militärische Dinge 
wenig Verständnis zeigt, ist allein entscheidend die Erklärung von 
VIII 76. Auch hier stimme ich Goodwin liei. der die Worte 
aviiyoi' ^.itv t6 an^ sffnsQfjg xsgag xvxloi p.ti>oi Tigög t^p 2a- 
Xaiilva auf die von Aschylus erwähnte Bewegung um Salamis herum 
bezieht. Um sie aui' eine Umzingelung im Sunde zu beziehen, 
mufs man Steins gezwungene firklSrung, tö d(p' eanigijg xegag 
bezeichne den Flügel, der in der neuen Aufstellung den west- 
lichen bilden sollte, annehmen. Mit nawstXov ist nicht der 
Erfolg der ganzen Aufstellung, also die ausgeführten Bewegungen 
beider Teile angegeben, wie W. meint, sondern sie dienen zur 
Erklärung des ap^yoi' gerade so wie xvxAorjtifi'o* bei ch'^yot^ 
fiiy. Das Komma vor xaTSTxop ist also n\ slrcichen. Ereilicii 
ist hierbei, was Goodwin entgangen ist, ngog i ijy ^aka^lva 
störend. Die Präposition scheint statt nagi verschrieben, vielleicht 
infolge der Erinnerung an dv^yov tag viag inl t^v ^aXafilya 
c. 70 vom Schreiber gesetzt. Ob man die Umschiflung von Sa- 
lamis blofs durch «vxXovfjtsvoi v^v SctXufklva ausdrücken kann, 
weils ich nicht, /um Selilusse will ich noch darauf hinweisen, 
dafs in der Erzählung Uerodots eine Lücke ist. Er berichtet von 
einem zweimaligen m'dyf^iv: das setzt voraus, dafs die persische 
Flotte dazwischen sieb irgendwo wieder dem Laude genähert haL 



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Herodot, voo H. Ralleabarf; 



307 



Ausdruck dxoTri^fii' erkliut er sich durch einen mifsverstandenen 
Bericht über kiinstliche Brunnpii , die in Afrika urr^lt scion. Die 
AtaraDlen und Alianten solleu nur Terscbiedene ISameD für ein 
uod dasselbe Volk sein. 

Die iliei letzten Abschnitte handeln von den Bewohnern und 
ihren Sttten, den Pflanzen und der Tierwelt. Herodots Angaben 
werden als meist ricJitig bezeichnet, jedoch mit der Einschränkung, 
daf» die Zuverlässigkeit auch hier nach Westen zu abnimmt 

1«) J. Krall, 2 tt Her od« t Branot Viniobaaaiaia S. 283—384. 

Herodots Erzählung von König Pheros Heilung und der Be- 
strafung der Weiber (II III) erweist sich als aus echt ägyptischen 

Elementen geflossen, da aus dem Papyrus Westcar hervorzugehen 
scheint, d^f^ hei den Äg|ptem auf Ehebruch die Strafe des Ver- 
brennen^ stand. 

17) John E. ß. Major, Jouro. of Philnl XXI N. 41 1892 S. 70, 

führt zu Uor. II 121 eine ahnliciie Geschichte aus der Passion des 
Theodotus c. 31^ — 34 (I5uiiiart, Acta primorum marlyrorum sincera, 
Amsterdam 1713 S. 350 — oü2j an. 

18) A. Waiake, Zu Harodat Jahrb. Bd. 145 (1892) 8. 593. 

W. rechtfertigt das Verhalten der Spartaner vor der Schlacht 
bei Marathon (Her. VI 106). Die Kameen waren ein neuntägiges 
Totenfest, das nicht abgebrochen werden konnte, ohne den Zorn 
der chtlionischen Gölter heraufzubeschwören. Oer Vollmond mufs 
als ein Veraoheueher der cbtboniachen Gewalten gegolten haben. 

19) Carolas Pries, Qvaa*tiooaa Marodotaaa. Barlin, R. Haiarldi, 

1893. 38 S. 

Verf. sucht zu erweisen, dafs Herodot in der Nomenaufzäh- 
lung des dritten Buches aufang» llekataeus gefulgt sei, von 
Ägypten abwärts aber einer andern Quelle, die zwar auch grie- 
chisch sei; aber auf die jüngste der drei Dariuainschriften zurack^^ 
gehe. Die Beweiaffibrung ist niebt oberzeugend. VgL meine An- 
zeig» in der WS. f. klass. Phil. 1893 Spv 1091—33. 

20) H. KÖ8l]in, Isidoras and Kiaiailienai. 2o Her. V 66, VI131. 

Philol. L! (N. F. V) S. 3S(J-3Sl. 

K. stellt tulgeuden Starnnibautii auf: i isander — Hippokieides 
(Kreier der Agariste) — Tisander — Ibagoras. 

Ober den auoh fttr dieErklfirung Herodots wichtigen dritten 
Band, fov Karl Möllenhoffs deutscher Altertumskonde (Berlin, 
WeidManiiaclM Bocbhandlimg, 1892) verweise ich anf meine An- 
seige in disr WS. f. klasa. PbiU l»89d Sp. 673-679i 

20* 



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308 Jahresiberiebte 4. philolog. Vereios. 

NiclH fpsehen habe ich: 

Gni». Mazzüiii, ^oz.iooi geographica sni libro qoarto d'^rodoto: lessico, 
osservazioDi e riscontri. Faeoza IV 35. 

F. Corriird, Herodote. Ua vo]. 9t»i de plvaieai« carte« ot ^rav, Paris 
1892. 240 S. 

Rerodotus. Talos from H. With, Attic dialectical foruis, selected for 
easy Greec readiof; by G. S. Faraell. Loadon, Maomillao, 1892. 

Ui2 S. 

KagXoTTtjs, 77f(/( 'llQoöoTov. lü *EXX. (fiXoL avXXoyof. 1S92. S. 211 
—220. 

Herodote. MorMtnx ehoiaia pir An. Hanvatte. Paria 1892. XVI aad 

30» S. 

- • - a c Ii t r a g. 

J) K. Abirht, (Ibersicbt über den Dialekt des Herodotos. Uoter 
Beifügung: der Einleitung^ ans dem 1. Hefte der Schulausgabe des 
Herodotos. Vierte Auaage. Leipzig, B. G. Teuboer, 1893. 42 S. 8. 
0,50 M. 

Die liauptüärhlidisic Änderung betrifft die Verba auf cro) und 
OMj die jeUl oacb Abiciil ^aiiz wie iin Attischen itoDlrabierl wer* 
den. Aiifserdein ist nur noch die Ilyphaeresis ia» und io alatt 
isat und 4so im Indikativ und Imperativ des Passivs und Mediums 
anzumerlien. Alles Obrige ist wörtlicher Abdruck der iHilieren Auf- 
lage; die Inschriften werden mit keinem Worte erwähnt. Auch 
die Einleitung ist unverändert. 

2) Herodotoa. Für den Schulgebrauch erklärt vou K. A b i c h t. Vi<»rler 
Band. Bach VII. Mit 2 ttarteo (1. Xerxes Zug gegeo Grieckulaud; 
2. Plan vCB Thermopylae). Vierte, verbenerie AnHafC. Leipzig* B. 6. 
Teabaer» 1893. 204 S. 8. 1,80 H. 

Im Text haben folgende Konjekturen Aufnahme gefunApn: 

C. 3 löimri hovii [JaQBi^] Sitzler. — 4 avtov [Jctqtlw] SteP- 

— 6 [iq t6 mid-tfs&ai, BiQ^riv] van Herwerden. — 10 [Sttv^m 
TOtfff voikddac] Stein. — 20 [itmä t« ksyoiifva] Kröger. — 3i 
äd-civaru-) {ävdoi] Cobet. — 40 fix Jlsgaibav st. ix nocvxiav Stein' 
und [ig tfjv yp'] Kallenberg. — 42 Kag^VTjv nach Steph. Byz. 
St. KaQlvfjv. — 63 ifjffi Atyvntifiai (^fiaxciiQr^öL) Stein. — 82 
[Jcegelov — m'fifuoi] Sitzler uihI xQVOOV [vf noXXöv xca] axf&ovor 
Stein. — iU9 [loüti] fQirly.ovTCt Stein. — 127 [^x Kgr^orMvalm^ 
^imv] Madvig. — 143 ctv^nav tinai st. avfjinai' simi Gomperz. 

— 145 l(f Qoi'ij<favreg] st xwg Gebet. — 150 [liystai] tlmlp 
Cobet. — 153 nqoq [zov] anavtoq äyÖQÖg Vaickenaer. — 167 
[iog KaQx^öovtot xai SvQipLOMi] Stein. — 170 [xal] änixo- 
ftsyot van ITerwerden. — 1B8 mqfiBov st. taQftäwro Kallen- 
berg. - 194 {nfQiyeae<f&ci$ Reiske. — 196 Bmraal^g st, 
GearfaU^g van Herwerden. — 197 Xtjhov st. nQvzayijtov 
Vaickenaer. — 200 a(.iahz6g yng ftia [fiovptj]. Richtiger ist es 
doch, liia zu streichen, das ja auch in ABd fehlt. Oder war 



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Herodor, vod H. Kai 



Ausdruck axorrl^eiy erklärt er sich dirr 
Bericht über künstJiche BrunDeu, die u 
Ataranlen und Atlanten sollen nur ver: 
und dasselbe Volk sein. 

Die drei letzten Abschnitte handeln ' 
ihren Sitten, den Pflanzen und der Tier 
werden als meist richtig bezeichnet, jedoc 
dafs die Zuverlässigkeit auch hier nach \ 

16) J. Krall, Zu Herodot. Eranos VindoboJ 
Herodots Erzählung von König Phero 
strafung der Weiber (II III) erweist sich 
Elementen geflossen, da aus dem Papyrus 
scheint, dafs bei den Ägyptern auf EheKv, 
brennens stand. 

doch c. 

fuhrt zu Ifer. r 121 ejftn, findet sich au( 
Theodolus c. 31-34,«, r^fii^^^aoniu^, 
Amsterdam 1713,res als La. von Hsv zu ta 

ia^ i w • t xw^toc st. ßojflög , 151 

18) A. weiskc^^_ s^jij^g ijjgj. ^ ^.^ ^j^gj^jj 

W. reclgung hätte, so hätte dies auch < 
bei J>nnt\\<Qdyfiaia st. nQ^yfiata. Ferner 
TolenkstßXXrianovKa, 103 aviog vor ßuai/ 
der clitl) (Tr^aroy nach tov vavuxoVj 215 o 
als ein^rcdv nach reo»/ ävdqüiv. Aus dem 
dieser Hinsicht S. 75 „totes Meer" i 

19) Cat dieser wie im achten und neunten 
Kleiner Zusätze erfahren. Aufgefallen 
Erklärung von y^^ 'ElXädoq „über ein I 

lu Hellas". Sie ist von Sitzler entlehnt, dür 
/ tig sein. 

3) Heiorieh Welzhofer, Die Schlacht b 
bacb. Sechste Folge. Zwölfter Jahrg. : 

Auf die schwierige Frage nach dei 
von Salamis läfst sich W. nicht ein, sor 
wie in den früheren Aufsätzen alles her« 
Griechen zu schmälern und den ihrer 
persische Flotte ist trotz Äschylus' Zeug 
chischen nicht sehr überlegen, der beruh 
kein Sieg, sondern eine unentschiedene S 
chen bedeutende Verluste erlitten. Letzte 
aus Herodots Bemerkung, er könne viele i 
die griechische SchifTc genommen hällei 



310 



Jalire<i»eric]ite d« pbilolof. Vereins. 



Plan, bei Artemision eine Seeschlacht zu liefern, für fehlerhaft er- 
kliirl (vgl. S. 3Ü9), so tatielt er auch hier «kis Restreben dieses 
Mannes, eine Schlacht herbeizufuhren; sein Veikelir mit dera 
Feinde gilt ihm iür zweideutig, ja au Landesverrat slreileud. Da- 
gegen hält er den Beschiurs der Griedieaf Salamis au Terlaaaeii, 
ffir ricbttg, da die Perser, die ihren Zweck, die ZerstArung Athens, 
erreicht hallen und die Oberhaupt eigentlich nur gegen Üben 
Krieg föbrlen, wegen der vorgerückten Jahresaeil, ohne die Grie- 
chen, die sie für besiegt hielten, weiter anzugreifen , nach der 
nötigen Ruhe von einigen Tagen ihre Flotte surückgenoBUneB 
hätten. Erst die drohende Haltung der Griechf^n soll sie zum 
AngritI bestimmt haben. Dabei werden Angaben von wenig Glaub- 
würdigkeit, wie z. H. die Hede der Artemisia im Kriegsrate, be- 
DutzL, weil sie eben der vürgelal^teri Ansicht des Verf.s eine 
Stutze geben können. Eine besonnene GeschicbtstorschuDg kann 
ich das nicht nennen. 

Im Gegensatz zu Busolt hält W. am 20. September als Datum 
der Schlacht fest. 

Berlin. U. Kallenberg. 



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10. 

Alte Interpolationen in Piatons Apologie. 



Von Flindan Petrie in Ägypten aufgefundene und von John 
P. Mahaffy 1891 verdflSuitlicbte Phaidon-Fragmeate , welche spi- 
teitens ein Jahrhundert nach Piatons Tode geschrieben sind und 
in auffälliger Weise von dem Texte unserer Platonhandschriflen 
abweichen, haben Hermann TJsfMi er Änlafs gegeben zu piner vor- 
trefflichen Ahh3n<11nng „Unser l'latontexl" in (hm Nachrichfen von 
der kgi. Geselischalt der Wissenschaften uml ibsr Georg-Augusts- 
llniversität zu Güttingen 1S92, N. 2, S. 25~r)0; Nr. 3 S. 181— 
215. Er hat nach meiner Meinung bewiesen (vgl. auch Lewis 
Campbell in The daaaical Review 1891 363—365, 454—^457), 
dab der Papyrus einen durch Willkür entstellten Text bietet» der, 
von Einzelheiten abgesehen, hinter dem unserer besten Hand- 
schrift zurücksteht, wenngleich diese erst tausend Jahre später 
geschrieben ist; ferner hat er in hohem Grade wahrscheinlich 
gemacht, dafs unsere sämtlichen jetzigen Platunitandschriften und 
die in ihnen für tlie Anordnung der Diaiop»' ru rirunde gelegte 
Einteilung in ieiidiugieen auf eine Ausgabe zunicket hi n. die der 
Gelehrte Tyranuion für den bekannten Buchhändler und iiankier 
T. Pomponius Atlicus besorgt hat; die Güte derselben schreibe 
flieh daher, daft Tyrannion eine Handschrift aus der ausgeaeich- 
neten Bibliothek benutzt hat, die einst Aristoteles und Theo- 
pbrastos gehörte und die Sulla nach der Einnahme Athens nach 
Rom bradite, also eine Handschrift, die auf Piatons Zeit selbst 
aurAckging. 

Von dieser letzten nicht unwahrscheinlichen Vermutung 
Usenpis fällt ein Licht auf eine Entdeckung, die ich vor Jahren 
^eiiixjht iiabe und riie ich nun, nachdem sie die Zustimmung 
kuiiipeteuter Piatonforscher und auch konservalivei- Kritiker ge- 
funden hat, einem gröfseren Leserkreise vorlegen möchte. Wie- 
wohl der Text Platona verhältnismdfsig gut in unseren Hand- 
schriften überliefert ist, so glaube ich, Interpolationen ganz eigen-: 
tOmlicher Art in seiner Apologie gefunden zu haben, die bis auf 
dje Zflit unmittelbar n^cb fluten si^rQckgehep mOsseip. 



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312 



iahresberichla d. phiiolog, Vereins. 



Ks handnlt sich nicht um Interpolationen der Art, wip gar 
viele in Platnns Schriften längst zugestanden .sind. So kann man 
sich wnndcrn, dafs dexa vor <rtgat^yovg Plal. Apol. c. 20 S. 32b 
noch iuuner in den Ausgaben belassen wird, obwohl es ebenso 
aus einer Randbemerkung in den Text gedrungen ist, meldwHh- 
Xig vorher und wie die schon der Kritik verfallenen Worte iwia 
tftgavfiyovg Xen. Apomn. 1 1, 18, die von denselben Feldherren 
im Arginusen-Piozesse gebraucht werden; allerdings heifst es 
schon bei [Plat.] Axiocb. 8. 368d: nov de nQ<ä^v ol dixa ctqa" 
Tijyoi; Ol' i'/M ^itv ovx fTrrjooi^fjji' rijy yywfitjy. 

Ich habe auch nicht die Worte im Anfan? der dritten Rede 
des Sokralps nach seiner Verurteibing zum Tode im Sinne, Apol. 
c. 29 S. 3Sd, an denen bislier kein Anstois genommen ist: lo^of- 
io)y, otg äp Vfiäg snsiGa, sl Mfifjp 6etp anavta noi>BtV xal 
liyti>Vj fiStfve äno(f>vy€tv t^v dixi^v, die abw entfernt werden 
müssen, wenn der Gedankengang nicht verwirrt und verschlech- 
tert bleiben soll. Denn sie können schwerlich von Sokrates der 
falschen Meinung der Richter zugesellt werden; sie greifen den 
folgenden eigenen Worten des Sokrates vor, aus denen sie ge- 
schöpft sind: anoqict (Jibv tuXojxsyaij ov ^ivioi loyonv, äXXct 
. . . tov sS-sXfnv Xiyiiri' nqöc t'jt*ag roiavta xte. (v^l. c. 24 
8. 35 c. Im Grunde ist Gorg. S. 522 d fi xoXaHix^g qt^ioQix^g 
ivdtic^ televtaii^v nicht anders gemeint). 

(eh will vielmehr hinweisen auf Interpolationen, doreh die 
Piatons Gedanken und Absichten in böswilliger Berechnung von 
einem unbekannten Gegnw des Sokrates und Piaton, dem -der 
Archetypus unserer Handschriften zugänglich war, durchkreuzt und 
gestört sind. 

Ks handelt sich um c. 10, den Anfantr von o. 22 und 
dasF^nde vonc.27; dieGrundlage mei ner ün lersuchun- 
gen aber bi 1 d «»t c. 30. 

Nachdem Sokrates in seiner ersten Rede c. 18 S. 30d — 31 a 
seine Mitbürger gewarnt hat, ihn zu verurteilen und sich dadurch 
an der von Gott ihnen verliehenen Gabe zu vergehen (denn wenn 
sie ihn hinrichteten, worden sie nicht leicht einen gleichen 
Mahner wiederbekommen), heifst es in der dritten Rede, im 
Schlüsse des Absclinittes, in welchem ^^ic]l Sokrates an die Richter 
wendet, die ihn verurteilt haben, c. 30 S. 39 c: Ihr glaubt, durch 
meine Hinrichtung den lästigen Mahner los zn werden; aber das 
Gegenteil wird eintreten: zaiilreichere und schärfere Mahner wer- 
den aultreten (p. 39 d x«'^*'^^^**^®* .,euch empfindbchere'', ab- 
sichtlich gewählt nach 39c rtpwgiav xaktnun^qocv). Diese 
' beiden Steilen vertragen sich ganz wohl mit einander. Platon 
durfte den Sokrates einen Unterschied setzen lassen zwischen 
seinen Mahnungen und denen der Späteren; Sokrates mahnte aus 
treuer Meinung für seine Athener sie, wie ein Vater oder älterer 
Jjruder (c. 18 S. 31 b), um Gottes Gebot nachzukommen; aber die 



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PlAton, von W. Pfitfehe. 



313 



nach seinem Tode auftretenden jüngeren Männer (S. 39cl) mufsten 
nicht nur ihrer Natur j^emärf; hitziger sein, sondern auch durch 
den ungerechten Tod ihres g('h>!itf^n Freundes Sokr.ifP'^ entflammt. 
Die SteÜPii lassieu sich um so eher mit einander vereinigen, als 
ja vSokratts doch S. 31 a die Möglichkeit ofl'en gelassen hatte: 
sha i6v Xoncoi' ßioy xad-stdoyrtg dtareXoiii- uv, ii fjbij viva 
aXXov 6 S'sog vfjttP inini^tpB*&f xtidöiiet^og tfiiav» — Nuu 
aber beifst es c. 30 weiter: nXshvg (mehr als der eine Sokrates) 

S* ovx fi(S d-äv^a d's. (Das Imperfektum jcaref/ov wird hier 
iterativ sein, nicht etwa blofs de conatu.) Mit dieser Stelle steht 
der Anfang von c. 10 S. 23c in unleugbarem Widprspruche: o\ 
viot fioi inaxoXovd'OVVTBg , . aviouraot, . . xai avroi nokkäxig 
ifis (Aifiovviat, fh' iuiyjtQovftiv cuXovc ^^fTrf^ftv . , . iv- 
tevx^ev ovv ol vn' avToyy i^stayofi ivot i^oi dgy iLox^tai, 
was nicht denkbar ist ohne ein Bemerken {aiaO'äpfa^ai) der 
GeprAften und der Zab<>rer, wozu kommt, dafs nach dem Wort- 
laute in G. 10, wie wir gleich sehen werden, das Gegenteil des 
»arix^iv von Seiten des Sokrates stattfindet. 

Was das Sprachliche betrifft, so will hier Fischer m^kovvTah 
in [jiifiot'fifvot ändern, Schanz dagegen dr\ . il^erä^eiv tilgen; 
denn allerdings ist utfiOvvTaij fhrt anstöfsig; wäre nur nicht 
auch noch anderes in dem Kapitel sprachln h 'niff lllig! Jedenfalls 
wird durch die Änderungen der sachliche Widerspruch in r. 30 
und c. 10 nicht bei ührt. — Der Ausweg etwa, zwischen den Aus- 
drücken i%stc(l^€iv in c. 10 und ilsy^ety und oytidi^etv in c. 30 
einen Unterschied zu suchen, ist unmöglich. Die drei Wörter 
kommen auf dasselbe hinaus, wie unter anderen c 17 S. 29c 
i^€Tä(fü) »al iXiy^tß nal . . ^tvs^dm^ S. 29 e und c. 18 S. 31a 
beweisen. 

Ein gewisser Unterschied in beiden Kapiteln ist zuzugeben: 
in r 10 (anknüpfend an c. 9) ist die Prüfung des Wissens allein 
gemeint; dagegen c. 3ü handelt es sich (wie z. B. auch c. 17 
S. 29d. 3üa, b) um Prüfung des Wissens als (inuullage des Ethi- 
schen, sei es Selhstprüfiing oder Prüfung anderer; diese Prüfung 
schliefst jene als das Partielle in sich ein. — Aber durch das Zu- 
geständnis dieses Unterschiedes werden die sonstigen Bedenklich- 
keiten in c. 10 nicht gehoben. Während Sokrates c. 30 S. 39d 
sehr wohl weifs, welcher Unwille sich in Zukunft über die jün- 
geren Tadler erhehen wird, die er bisher hei seinen Lebzeiten, 
ohne dafs es die Mithnrger merkten, zurückhielt {xai xcdfnwrBQOi 
iffopint 6nw Vfonfooi d<ur, xcu i'fjfTc iinX).or ayaraxf^rsf-ri)^ 
erscheint er e. 10 in seinem Verhalten vor dem Prozesse ganz 
anders; hier halt er seine jüngeren Freunde mrlit zurück, findet 
an ihrem Verfahren nichts Autlalliges; vielmehr hahen sich die 
von den jungen Leuten Geprüften und ihrer Unwtssönbeit Über- 
führten die Schuld selbst zuzuschreiben; thöricbter Weise zOmen 



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314 



Jahresberichte d. philolog. Vereiof. 



sie sich selbst niclU. Daüt da& Verhalten der jungen Leute viel- 
leicht doch unangemessen erscheinen durfte, davon ist nicht die 
Rede, äundero 68 wird gesagt (8. 23 c) : „Sie zürnen dem Sokrales 
und sjireeheii, ein gewiseer Sokrates sei ein ganz abcebeufidier 
MeoBcii (ein ^em&uet* fnuQikcerog, du eehr etarlter AudrodK!) 
und verderbe die JQngtinge (S. 23 d iHxtpMpBt tws riev^)» 
Und wenn sie nun jemand fragt, durah welches Thun oder welche 
Lehren, können sie nichts erwidern, sondern wissen es nicht zu 
sagen (können es nicht angeben, dyvoov(fiv, nftmlich o, rt TtotoSv 
. . dia(f d^8iQfi. Zu einer Änderung des Wortes dyi^oovcfiv ist 
kein (^rund)^ Um aber nicht verlegen zu erscheinen, britigen sie 
die Ciemeinplätze vor, die man gegen alle Philosophen in Bereit- 
schaft hat, die Ilimmeisei scheinungen und das unter der Erde 
Verborgene, nicht an GOtter glauben und der schlechteren Hechts- 
sache zum Siege verhelfen. Denn das Wahre mögen sie, denke 
ich, nicht sagen, dals es an ihnen offenbar wird (das Präsens von 
der allgemeinen Wahrheit, die sich wiederholte bis in die Gegen- 
wart hin), dafs sie vorgeben zu wissen und nichts wissen (S. 23 d 
slSotsq ovdfv. Vgl S. 23c (iSorcov dXlya ^ ovdiv). (Goebeis 
Deutung von oii kann ich nicht zugeben : „weil es dann offen- 
bar wird** ; dann sollte man für yiyyoyvai> jedenfalls i'tv^aoyrtH 
erwarten.) 

Vielleicht dürfte man nun zwar geneigt sein zuzugeben, da£s 
allerdings die beseiehnetea Partieen in c. 30 und c 10 in Wider- 
spruch mit einander stehen; aber man dürfte vieUeicbt meinen, 
daJjB doch c. 10 seinen Platz nicht Obel einnehme als das Ende 

der mit c. 2 angefangenen Widerlegung der ersten, älteren 
Ankläger des Sokrates, die, so namentlich Aristophanes in den 
VVolki^n (c. 2 S. 18 d, c. 3 S. 19c), jene landläufigen, gewöhnlich 
gegen die IMiilosoplipn geschlemh rten Vorwürfe gegen ihn erhoben 
hätten. Hatte fioi Ii Sokrales innerhalb jener Widerlegung im An- 
fang vou c. 5 die Frage aufgeworfen, die c. 10 wieder beröhrt 
wird: „Woher stammen nun jene Verleumdungen?** und jene 
Frage ebendort so beantwortet: „Ich zog sie mir an infolge einer 
gewissen Weisheit, der echt menscbliohen (c 5 S. 20d; c 9 S. 23a), 
die ich in mir erkannte, nachdem Ghaurephon das Oyrakel sua 
Delphi mitgebracht hatte, das mich veränlafste, im Dienste der 
Güllheit (c. 9 Schlufs; c. 17 Anfang) mich und die Mitbürger zu 
prüfen und zu erkennen, dafs sie sich einbildeten, auch zu 
wissen, was ?ip nicht wüfsten (c. 6 S. 21d, vgl. c. 17 S. 20b), 
während ich mir der Grenzen meines Wissens bewuisl war**. 

Indes auch innerhalb der c. 2—9 und 10 finden sich Un- 
ebenheiten und Diskrepanzen. Während innerhalb der .c 6—^9 
bei der Pröfung der Staatsmänner, Diditer und Handwerker immer 
nur eine teilweise Unwissenheit durch die Prüfung des Sokrales 
konstatiert wurde, allerdings in dem fflr das mensehliche Leben 
Wichtigsten (S. 21c [«»^1 od tfo^og, 21 d oidiv na^ 



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PUt«a, TOB W. Nitselie. 



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ntäyaS-ov sldivat, aXX* ovtog fjt^v ciistcti rt elSivai ovx stdmg, 
22c i(Ja(Si cf' wdiv <av leyovrft. 22 d aihcav arrrj tj nXjjijb- 
fjk4l€$a ixsivtjy vijv aoifiav äntxQvmtv) und auch Sokrates vüu 
sich sagt 22c ifiawo) ^wi^deiv ovdev initftafidyo) unter der 
EinschränkuDg (ag inog slntlv ,,so gut wie nicbls^S steht c. 10 
S. 23 d der fibartreibende Ausdnick, wie aolchen Fälscher lieben, 
sid6v€g oddiv, weleher völlige Ignorani beieiebnet 

Wenn ferner der Verfaner yod c 10 die Worte S. 23 d ein- 
fliefsen lilkt: d^atp^siqsi tovq viovg und nachher &fovg 
fjk^ vofit^siv, so greift er dem von c. 11 an folgenden Teile 
vor und hat nicht brachtet, dafs Sokrates säuberlich srhfMdet 
zwischen den Anklap» punkten der früheren Ankläger, wie er sie 
nennt, unter denen Aristopiianes war, und denen der späteren, 
lMeletoi> und Genossen, und ebenso zwischen der Verteidigung 
gegen beide. Dieses Verfahren kundigt er gleich attsdriScklieh c. 2 
m Anfang an: nifmw fkhf ovv ditaUg sifju &ml9yij<taüdt*t 

tuniiyoQovg, eneira 64 ngog %ä vatega xat tovg vaii^vq» 
Derauf formuliert er jedesmal, seiner dialelLtiaehen Methode ge- 

mäfs, die Verl* umdungen seiner Gegner zu einer völligen avrw- 
ttoüta, um dann die Widerlegung zu gelren; und zwar formuliert 
er c. 3 S. 19b die erste Anklage folge n d er mafsen: ^Mxgmi^g 
äSr/,6l xal ntQteQyatfTai' Zrjiitiv tcc tf vnö yrjc xai ovgayta 
nai %QV ^%%ia koyup xqtiiLUi jiu^ujy xui äkkovg tu aviu tavia 
dtStxtntmv (vgl. c 2 S. 18b); c. 11 die zweite so: Swe^mi (f ^a)» 

vofUiu ov P9ftKwra» Wenn nun auch vielleicht zugegeben 
«erden mag, dafs in den Worten xal aXXovg %m adtä %av%a 
dkddtttum^ implicite ein ÖMtp^eigstv tovg vsovg enthalten sein 
könne, und andererseits aus dem Vorwurfe der Hescliäfiigung mit 
den Naturerscheinungen über und unter der Eide leicht beim 
athenischen Volke der Verdacht des Atheismus erwuciis (c. 2 S. 18b 
sxsTvoi . . xaTTjyöoovv ifiov . . 0)g tüii iig ^^iaxgcirr^g . . td 
it fitibüj^a tf^oyiiaif^g xai %d vno y^g änayta dvtirii^xtag 
. . . 0^0* • . ol denfBi shiv fbOv Ttat^yoQOt' ot yccg oirev- 
emf9^ ^tSimok %wq %eaka tßftovvtai ovdi ^€Ovg vofki- 
Cc*ir), ^ der Verfasser von c. 10 wenigstens hat von solchen SchlaCB- 
folgerungen keinen Gebrauch gemacht. Schwerlich ist es ein 
Zufall, dafs die betreifenden beiden Ausdrücke, abgesehen von der 
eben angeführten Ausnahme, nicht hei der Widerlegung der 
ersten Anklage in c. 2 — 9 gebraucht werden, sondern erst bei 
der Widerl^ung der zweiten, uud da sehr hauiig: dta<f i)^6iQtu> 
xovg viovg in c. 11 — 14 Anfang, ^fovg fufj vo^i^nv c. 14^ — 15. 
Der Verfasser von c. 10 dagegen, ludeui er dieses Kapitel zwi- 
schen beide Teile einsetzte, beaehtete die Platonische Disposition 
und Scheidung nicht« sondern entnahm einfach aua beiden Teilen, 
was ihm lu passen schien. 



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3t6 



Jahresberiolite d. phiUlof« V«reiat. 



Zweifelloser noch ist die Unebenheit, welche sioli (lf»m von 
c. II Ziiruckschaupnden in r. 10 ergiebt, C. 11 beginnt mit einer 
vollen transitio. Nach dem Abschlnfs der Verteidigung gegen die 
ersten Ankläger hebt die Widerlegung an des Meietos und seiner 
Genossen: tisqI fiiv ovv coy ol ngwioi fiov xatijyoQot xat^- 
yoQOVV avt^ iativ Ixay^ itTtoXoyia . . (dieseliM Formel kehrt 
auch nach Abschlafs der Widerlegung des Meletoe zu Anfang des 
c. 16 wieder: so streng formelhaft l&fst Plato den dialektisch ge- 
übten Sokrates seine Rede gliedern), ngog 6^ Miliftov . . xetl 
Tovg vavsQOVQ iistä tavia nstqoifio^cci arroloyslüd-ai, ganz ent- 
sprechend der Ankündigung zu Anfang von c 2. Nun finden wir 
in dem verdächtigen c. 10, mnerliilb des angeblichen Schlusses 
der Knlgegnung auf die ersten Ankläger, dicht vor dieser aus- 
drücklichen Einführung des Mclelos und seiner Genossen in einer 
Weise, dafs es Befremden erregen roufs, plötzlich und unerwartet, 
dazu seluam eingeschachtelt, die Bemerkung S. 23e: . • MiXrixoj 

noXnixdoy, yivxaov VTfig tciv ^^zoQwy. Diese Einteilung hat 
hier gar keinen Zwerk; was soll sie an dieser Stelle den Richtern 
gegenüber? Die Bemerkung sieht völlig wie die INotiz eines Gram- 
matikers aus, der sein historisches \\ issen anbringen wollte, aber 
dabei auf SelLsaiukeiten verfiel. G( ii innt sind ja die drei Ankläger 
c. 25; als Uauptperson erschein i tiort oiTenbar, wie er es auch 
war, Anytos, als der unbedeutendste Meietos. Vorangestellt ist 
letzterer hier in c 10, weil er die Anklage eingereicht hatte und 
der Hauptsprecher war; Anytos» der demokratische Staatsmann der 
Zeit, hatte nach Meietos gesprochen, noch vor Sokrates' erster 
Rede: c. 17 S. 29c (die Bemerkung S. 25b in c 12 wurde wohl 
nur durch eine Zwischenbemerkung des Anytos während der Rede 
des Sokrates veranlafst); der sonst unbekannte Lykou hat viel- 
leicht nach Sokrates' erster Hede gesprochen. Wie sich Sokrales 
die Dichter zu Feinden machte, erzählt er c. 7, wie die Hand- 
werker c. 8; dai's er sich auch den Hafs der Staatsmäuner zuzog, 
erzählt er c 6 S. 20d, c. 7 S. 21d, Dafs Anytos Gerber und 
zugleich Staatsmann war, hat dem Verf. von c. 10 Anlals gegeben 
zu den Worten ''/iPVTog vnig %&y 4ijft$ovQyw »al t«5v ftoX$- 
riY-MV^ so dafs er nun für Lykon einen passenden Ausdruck zu 
linden in einiger V^legenheit war; der gewählte Av-itow dt vn^Q 
iMV ^titonow ist nicht glücklich; denn von den Heinern (oder 
den Rhetoreu?) im hesondern als von Sokrates Geiirtiftcn tmd 
Verletzten ist im Vorhergehenden nicht ausdrücklich die Rede ge- 
wesen; sie >ind vielmehr dort als stillschweigend unter die Staats- 
männer cinbegrilien zu denken; man vergleiche z. B. S. 36 d für 
die verschiedene Thätigkeit der nolttixot die Worte ctqaxfiyk^ 
nai öjifirjyoQKap xal tm^ äXliay aqxÄv, Seit wann öbrigens die 
Scheidung der blofsen Redner, Worthelden und Zungendrescber 



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PltloD, voD W. NitBche. 



317 



als UpsomltTPi- Galtung von den übrigen 7TO?.iiixoi sicli stärker 
beuierkiich geiuachl hat, wird sich hestiniint schwer angehen 
lassen; jedenfalls macht die Scheidung' der Worte noXiiixm' 
und ImioQUiv in c. 10 den Eindruck, als oh beide getrennte 
Galtungen sein sollen, und doch war Aoytos auch ein Haupt- 
redner seiner Zeit. An dieser Stelle bähen schon mehrere An-> 
Stöfs genommen. Cobet wollte einfach utal tmv noXntxwv strei- 
chen. Zimpel in seiner Übersetzung scheut vor einer kühnen 
Umstellung nicht zurück: „Anytos tritt für die Handwerker, Lykon 
für die Politiker und Sprecher in der Yolksversammlung ein". 
Dagegen dürfen die Worte Cvous in seiner Ausgabe mit Hecht 
angeführt werden: „Für die Beiheliailung der W^orte xal t. noX. 
an jener Stelle spricht der Umstand, dafs Anyios seinen Groll 
gegen Sokrates wohl hauptsächlich in seiner Eigenschaft als Staats^ 
mann gefobt hatte. Sollte Anytoe, der viel namhafter als Lykon 
war, nur als Vertreter der Handwerker sich gefühlt haben?" Die 
ganie Bemerkung aber, dafs die drei Anklager als Vertreter ver- 
schiedener Klassen von Mifsvergnugien und Feinden aufU'aten, 
hätte man unmittelbar nach c 6—8 erwarten sollen, wo es zu 
Anfang von c. 9 heifsl: ix TC(vir](rl Srj t^g i^fid(rfO)c, w aröoag 
l^d-fipaioi , nokXcd (xlv anixx^ticd (.lot yf-vovrtat, xai olat 
XfTTiaraiai xui ßaQvrarat. Wir haben demnach gesehen, nicht 
nur, ilafs c. 10 dem c. 30 widerspricht, sondern auch, dafs es in 
befremdlicher Weise zwischen c. 2 — 9 und c. 11—15 eingesetzt 
ist ; dagegen schliefsen sich diese beide Teile sehr wohl unmittel- 
bar an einander an. 

Dazu kommt ein drittes: der soeben erwähnte Mangel an 
Stilgewandtheil und Klarheit zeigt sich auch sonst in clO. 
Stellenweise findet mehr ein Hinundhergerede statt, nicht eine 
folgerichtige, de iitliche Darstellung, wi»» «olch»* doch überall in den 
echten Teilen der Apolo;.ne herrscht, dleich statt der dürftigen, 
erst bei einigem Nachdenken zu deutenden Eingangsworte ngog 
di tovTotg würde Piaton scharfen und klaren Ausdruck dem 
Gedanken gegeben haben, der doch wohl vom Interpolalor ge- 
meint ist, dafs dem Sokrates zu der Feindseligkeit aus seinem 
eigenen Thun noch Feindseligkeit durch die Nachahmung seiner 
Prüfungen von Seiten seiner jüngeren Freunde erwachsen sei. 
Nachher sagt der Verf. , dafs die mit Unrecht sich verletzt Füh- 
lenden zu Verleumdungen greifen in folgendem, in seiner Kon- 
struktion und Zusammengehörigkeil v(m den Herausgebern und 
Erklärern, wie es scheint, bisher nicht richtig erfafsten Satze: 
(ftXötifjtoi öpii-g xai atfodgol xai noXXoi . . tfin^nX^xat^iv 
vfjbiy toc üYia (vorschwebte bei der Wahl dieses Ausdrucks wohl 
Lysis S. 204 c Kratylos S. 396 d) xai ndXa& (hier Anlehnung an 
c. 2 S. 18b ffoiUo* Ttar^yoQOh «ai nalat) xai [vw om. BD£F] 

a^od(^mg dKxßäXXovTSQ cSm, onsf^ itQxo^kBvoq fyto 

ilsyov (der Interpolator verweist, um Vertrauen zu erwecken, 



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318 Jahresberichte d. philolog. Vereins. 

selbst auf die wörtlich gleiche Stolle c. 2 S. 19a; vgl. noch c. 27 
S. 37 a, h), ^avfiä^o$f.i' fi otöc t' tXriv eyd) viiXv ravrijv 
t^y 6taßo?.^v i^eX^oO^at iy ovimg oXlyio X^oVw ovtaa noXk^v 
yeyoyvtav. Diesen Satz hat der Verfasger unübersichtlich und 
unbeholfen geiDacht, indem er zwischen öiaßäXkovTeq und utars 
die zum gröfseren Teile schon besprochene Bemerkung einschob 
ix toviony xai Mtl^iög fnoi iniO-ero xai ^Avvioq . . . ^tiioqcov. 
Iiier haben bisher die Herausgeber und Erklärer tovriov für das 
Maskulinum genommen (Zimpel übersetzt: Diesem Kreise gehören 
auch die Kläger an; Müller: Aus der Zahl dieser trat mein Wider- 
sacher Meictos auf: Oon windet sich : Aus ihnen hervorgehend 
und auf sie gestützt), oder sie sind über einen Zweifel nicht 
hinausgekommen (Goebel: Wenn %ovt<av masc. u. s. w.). Und 
doch hätte schon die scharfe, vorher besprochene Scheidung zwi- 
schen den früheren und späteren Anklägern (c. 2 Anfang, c. 3 
Anfang, c. 11 Anfang) an dieser AufTassung hindern sollen; auch 
dem Fälscher wird man schwerlich diese Meinung bei vovrmv zu- 
trauen dürfen (um so weniger, weil Meietos wenigstens noch ein 
Kind war, als die VVolken des Aristophanes aufgeführt wurden: 
Zeller, Philos. d. Griech. IP 1 S. 169); vielmehr soll Tovrtay das 
Neutrum sein; der Plural nach diaßäXlovreg ist allerdings in 
solchem Falle das seltenere. Der Gedanke ist: aus diesen Ver- 
leumdungen und Verdächtigungen haben Meietos und Genossen 
für ihre Anklage Kapital geschlagen. Zu dem Einschub gab viel- 
leicht Anlafs die Stelle c. 3 S. 19b 17 iftri diaßolij . . ^ 
maisvcov MiXfjtög (xs iygäipato rjy y^aq^y taitriiv, durch 
welche meine AulTassung von ix Torrojv erhärtet wird, und c. 16 
S. 28a: die allgemeine Verfeindung wird mich zu Fall bringen, 
wenn dies wirklich geschehen sollte, nicht Meietos oder Anytos, 
sondern die Verleumdung und Mifsgunst der Menge (17 zcSy 
noXXmv diaßoXij xai (fö^övoq); vgl. noch c. 2 S. iSb. 

Der Schlufs des Kapitels ist nun noch bunter. Die näch- 
sten Worte zum Verständnis zu bringen, gelingt noch bei einigem 
Nachdenken. In dem Satze TatJr' eCxiy Vfity -laXrjö^i^ . . ord' 
V7io(rr€tXdfifVog soll vermutlich ravr' nicht auf das unmittelbar 
Vorangegangene sich beziehen, sondern auf alles bisher im Kapitel 
Gesagte. — Die Worte darauf bedeuten wohl: „und doch weife 
ich so gut wie sicher, daCs ich mich eben hierdurch (neutr., nicht 
masc, = durch eben diese freimütigen Äufserungen) verhafst 
mache". Zu lesen ist gegen die handschriftliche Überlieferung 
(Tov)joig avTOlg, was auch die alle armenische Übersetzung 
bietet nach Conybeare (The classical Review 3 1889 S. 340 fl'.); 
vgl. auch c. 23 S. 34c oqy tOxhtig avtoTg tovrotg. Bei wem nun 
aber verhafst? Doch wohl, nach dem Zusammenbange, bei den 
Ilichtern. — Der folgende Satz: „Ich mache mich verliafst, was 
auch ein deutlicher Beweis ist, dafs ich die Wahrheit rede" ist 
von bedenklicher Logik; jedenfalls bleibt doch der Ausdruck ein 




PlitOB, voo W. Witsche. 



319 



maogelbafter, wenig deutlicher (ein Fehler, an dem die Apul'^Ln«' 
sonst nicht ieidel), wenn Gustav Schneiders zwar scharfäinnige, 
aber doch et%\as gewundene Erklärung (in Bursian- Müllers Jahrps- 
bericht ib9l Bd. 67 S. 55 f.) richtig ist (oder doch den Gedanken 
d«8 Fälschers tritTt); „Sokrates weifs, dafs die von ihm für die 
Erklärung seiner diaßoXij vorgebrachten Gründe ihn bei «einen 
MitbflrKern» also auch bei seinen Richtern ?erhafst machen, ihm 
also bei diesen schaden. Das ist ein Beweis für die Wahrheit des 
Angefahrten. Denn wenn ein Angeklagter vor Gericht unwahre 
Anp:n!)pn mnchl, so thut er es doch nur in der Meinung, sich 
damit zu nützen; er wird also nichts I nwahres vorbringen, \vcnn 
er weifs, dafi^ dieses ihm schaden uiufs. Giebt er also Erklä- 
rungen, die ihm schaden müssen, so liegt riai iü der Beweis, dafs 
sie wahr sind''. Auch die Fortsetzung des Salzes ist mciil iiber- 
mäfsig deutlich: itmi (unberechtigter Weise fon Suman getilgt, 
Sehulprogramm von Laibaeh 1887) ot» atfr^ iiftlr 4 diaßoX^ ij 
Ipf nal %a aXtku teaka itftt, Gustav Schneider erklärt wohl 
richtig: „and dafs es mit meinem üblen Rufe (mit der ungün- 
stigen Meinung von mir) diese Bewandtnis hat, und dafs die 
Grnndf» für flpnselben die angegehenen sind": ein Hinweis auf die 
l'i iifnncTHn , dcnrn Sekretes, veranlafst durch jenen delphischen 
Orakelspruch, seine Mitbürger unterwarf (vgl. c. 5 — 9, welche 
S. 20c mit der Frage begannen: noxf'fv cd diaßoXai aoi avrai 
Y(Yopa(Sn^.)y wozu dann das c. 10 die l'rütuDgen von Seiten i<einer 
jüngeren Freunde fOgte. — Ilod nun dessen letzter Satz» den 
Smpel flberselst: „und wenn ihr euch, jetit oder später, die 
Mfthe nehmf^ die l^he an prufeRt ihr werdet zu keinem andern 
Resultat kommen**: was soll hier iocv avO^ig ^TjTfjffijrej da doch 
bei der Anklage auf den Tod alsbald die Entscheidung von 
Seiten der Rit hter fallen mufste? Das wäre noch gemütlicher und 
ebenso ohne Berücksichtigung der Lage der Dinge geredet, wie 
xara (SxoXiqv an gleicbfaIJs gefälschter Stelle in Demosthenes' 
Timoeratea S. 187. Oder sollte av^tg etwa bedeuten: nach dem 
Prozesse, ganz gleich, welches sein Ausgang sein wird? Sollte 
dies der Sinn snn, Piaton würde es dentUeher gesagt haben. 

Während hier der Verfassw ?on c. 10 zum Schiasse, wie es 
scheint, nicht beachtet hat, daib gleich darauf c. 11 S. 24 b €ev&$g 
folgt, ist er gerade sonst bemöht, durch Entlehnung Plato^ 
nischer Wendungen den Anschein echt Platonischer Aus- 
drnrks;weise zu erwerk»'n, und zwar in einem Mafse , «Infs die 
Menge solcher Anklängt' in Nebensächlichem, an einer Sa-He ge- 
häuft, autlällig wird und den erregten Verdacht versi rkt ii mufs. 
Zu den schon iui Vorhergehenden hervorgehobenen liiinvcisungen 
und Beziehungen kommen noch folgende hinzu.* S. 23c noXl^y 
äff&ovicey ohfkimv ist gebildet nach der Analogie ?en c 12 
S. Me nM^p äf^opiav %m¥ (a^elowray* Die Worte S. 23 e 
$Mfmv oUfm f ovdiv klingen an an c. 1 S. 17b f f 



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320 



Jahresberichte li. phiiolo;. Vereius. 



uv6t.y uXij&tg eiQijxaoty iiuil an c 9 S. 23a a^«>(;tu7£u'// 
ifo^ia dHyov ttyog ä^ta itftl »al ovSevo^, Es Shnelt S. 23 d 
xai X4yov<ftp i&g JStaxgai^g tlg iait ntc(Q(amtog den Worten in 
c. 2 S. 18 b xai xat^yoQOVP ifiov tag sa%$ %hg SmHQOtiig, üotpog 
dyiiQ. Die Formel S. 24a ovis fisya ovze (jttxffop finde! sich auch 
c. 3 S. 19c (vgl. S. 19(1) und c. 14 S. 26b. 

Während Iiier die Sprache IMaion^ mühsam und kleinlicli 
nachgebildet ist. bemerkt «Um- Verfasser niclil, wie srlir der Ton 
in c. 10 von dim wünltMtJlen Schlüsse des 9. Kiipiteis ühsliclit, 
wie er plötzlich icbliatu-i uml niedriger wird und fnst an das 
Burschikose streift, wuraut dann wieder mit c. 1 1 ruhiger, Itoheits- 
voller Ernst an die Stelle tritt, wie er der Person des Sokrates 
und der Bedeutung des Prozesses angemessen war. Uan vergleiche 
z. Ii., um den Kontrast za spuren, mit den Äulserungen über das 
Treiben der jungen Freunde in c. 10 gleidi eil S. 24 c Sa- 
krales' Urteil über den gewissenlosen Leichtsinn des jugendlich 
uureifen Melelos. Tnd während in c. 10 das Benehmen der jun- 
gen Leute wie eine Art Zeitverlreil) und Sport belrarlitet wird, 
die trotzdem Sokrates vollkommen in der Ordnung bndel, M»'ht 
Sükrales in den echten Teilen der Apologie in der Selbst j)rüliHig 
und in der Prüiung anderer eine heilige von Gott ihm gestellte 
Lebensaufgabe, der er sich nicht entliehen wQrde und ktonte, 
auch wenn man ihm um diesen Preis von der Anklage lossprechen 
würde (c 17 S. 29 c), eine Beschäftigung indes, von der er seine 
jungen Freunde zurückhielt (c. 30 S. 40d). 

Fassen wir endlich in Gedanken noch einmal alles in c. 10 
Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dafs in dem ganzen Kapitel 
nichts Meues vorgebracbt wird, als die eine Behaup- 
tung: „Die jungen l.euie, die viel Zeil übrig haben, die Söhne 
der reichsten Eltern ' (auf diesen Zusatz müssen wir später noch 
eingehen), „schliefseu sich mir unaufgeturdert an und linden ihr 
Vergnügen daran, wenn ich mit den Leuten eine Prüfung an- 
stelle; sie machen es mir hSufig aus eigenem Antriebe nach und 
machen sich daran, andere zu prüfen**. Diese Behauptung vor- 
zubringen und in Plalons Apologie ei nzuschwärzen , dürfte 
allein bei der Abfassung und dem Einschub von c. 10 die eigent- 
liche, wahre Absiebt des unbekannten Verfassers gewesen sein. 
Nun ist es beachtenswert, dafs nur hier allein vielleicht in der 
ganzen antiken Litleratur davon die llede ist, dafs auch die jungen 
f reunde des Sokrates ihre älteren -Mitbürger geprüft halten. (VVuüte 
jemand doch ein Beispiel der Arl iu dem von Xen. Apouin. I 2, 
40-46 beriebteten Gespräche des noch nicht zwanzigjährigen 
Alkibiades mit seinem Vormunde linden, so sind gewisse Unter- 
schiede sofort zu erkennen: die Unierredner standen in vertrauter 
Beziehung zu einander, das Gespräch fand schwerlich in der Öffent- 
lichkeit statt und bewegte sich aufserdem in den urbansten For- 
men.) Man wird zugeben, dafs durch jene singulare Stellung 



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Platon, von W. Nitsche. 



innerhalb der Gesamtlitteralur der Zweiff] an der Eclilbeit des 
Kapitels noch erliöht wird, zunuil wenn man bedenkt, dufs z. B. 
in der Apologie selbst wiederboli nicht blofs Gelegenheit, sondern 
Arilafs gegeben war, aut diese Sache einzugehen; unter anderen 
c. 27 S. 37a, d, wo Sokrates sagt, er sei übci'zeugt, niemand 
wissenUicb und absiditlich Unrecht gethan zu haben; dennoch 
seien seine Reden und sein Umgang seinen MitbQrgern zu lästig 
geworden; hier ist es geradezu auffälHg, dafs er nicht auch das 
Verhalten seiner sogenannten Schüler erwähnen sollte« flills c. 10 
echt wäre. 

Von weit geringerem Umfange als die erste sind die beiden 
anderen Interpolatiunen. An der zweiten Stelle, dem Anfange 
von c. 20 ylX?,cc ji dij , . . ngogha^f nociitstv, ist zwar 
auch von dem Anteil die liede, den die jun^jen Leute an den 
Prüfungen nehmen, welche Sokrates mit den Mitbürgern anslelite, 
aber ihnen selbst wird hier solche Prüfung nicht zugeschrieben^ 
sondern es wird hier ausdrucklich die besondere BevollmSch- 
tigung des Sokrates betont: mir ist dieses von der Gottheit auf- 
getragen. 

Betrachten wir zum Erweise der Fälschung zunächst den 
ganzen Zusammenhang! C. 19 hatte Sokrates gegen sich als 
Einwand die Frage erheben lassen, warum er nicht versiK hl habe, 
durch öffentliche Thätigkeii der Gesamtheit zu init/.en, und sich 
aui den iür seine iMitbiirger so emplindlichen und verdrierslicheu 
Verkehr mit den einzelnen und diese Art der Prüfung beschränkt 
habe. Sokrates erwidert, er habe jenes unterlassen, um sich 
linger seinen Mitbürgern zu erhalten, damit er sie im Privat- 
umgange kräftiger auf ihr wahres Wohl aufmerksam mache (vgl. 
auch c. 26 S. 361), c); in einem Staatsamte würde er bei seinem 
bekannten und anerkannten Freimut schon viel fnHier seinen ün- 
terc^ang gefunden haben. Paran schliefst sirli p. 21 S. 33a die 
Versiclierung, dal's er niemand dem Ueciite zuwider etwas 
eingeräumt habe, ancli keinem von denen, welche die Verleumder 
seine Schüler nennten. (Wir dürfen daher nach allem, was wir über 
Sokrates wissen, für gewiÄ halten, da/s er ihnen auch nicht gestattet 
hat, die Empfindungen älterer Leute durch Prüfungen der in c. 10 
genannten Art zu verletzen, auch wenn es nicht ausdrücklich in 
dem echten c. 30 [}tatftxov\ versichert würde.) Die weitere Ge- 
dankenfolge ist S. 33 b: Mag nun einer von diesen gut oder 
schiecht werden, Sokrates trage dafür nicht die Verantwortung, 
da er sich nicht zum Lehrer aufgeworfen habe. (Auch c. 4 S. 19d 
lehnt Sükrales dasselbe von sidi ab.) Darauf erwartet man (statt 
des gefälschten Anfanges von c. 22) die Erklärung: Indes So- 
krates darf behaupten, keinen seiner Jungen Freunde verdorben 
zu haben. Denn (so geht c. 22 8. 33 d die Darstellung weiter), 
wenn er von ihnen welche verdürbe oder verdorben habe, so 
mö&ten sie doch, nunmehr erwachsen, ihn jetzt mit anklagen, 

JabiMlMiidito XIZ. 21 



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322 



Jahresberichte d. pkilulog. Vereins. 



oder, wenn sie selbst nicht, so dütli jedenfalls ihre Verwandten; 
aber das ist nicht geschehen, vielmehr treten sie, die Schüler und 
ihre Verwandten, gerade für ihn bei dem l'rozesse ein, anders 
als die Richter (c 2 S. 19a; c. 27 S. 37a; c 28 S. 38a), Im 
laogeu Umgänge mit Sokrates von der Wahrheit seiner Erkennt- 
nisse uberzeugt. 

Wie störend tritt zwischen diese Gedankenfolge der in den 
Handschriften überlieferte Anfang von c. 2*2: "yilXu . . . ngog- 
dia^s TiQcaffn'] Gehen wir, dies zu erweisen, den Worten und 
Sfitzeii desselben nach! Die einen Einwand bezeicliucude hon- 
junivlion \/XXcc verniac^ nicht Ersatz zu bieten lür den feiilendcn 
innerep Zu^.iuiuienbauj^ des Folgenden mit dem Vorbergehendeu; 
die Verbindung hier ist also noch mangelhafter als die zu Anfang 
von c. 10 TTQÖg tovto^g »tL ist. — Die nächsten Worte dm 
ti dif not€ fMt* iuov x^^QOvai weg noXvv xqovov Siatqi- 
ßovTsg . . . aitovovvsg xaigovtf^v B^ara^o^iivo^g 
ioXq ol 0 niv 0 iq [liy stvar aotpotg, ovff^d'ov rufen uns 
die Stelle c. 10 S. '230 in das Gedäclitnis zurück: oi vioi f^toi 
incc/.oiovx/ovt^Tfg , olz iiaXiöia axohj iönv, . . i^tqovßii' 
axov ov t € g i^szaiu t i^iav 'Co^p avd-Qtanuiv . . oioiJi ip mp 
fitp fidfpcn II, . .j iidocoop . . ovöip. iMilbenutzt wurde 
bei der Abfassung jener Worte c. i52 S. 41 b . . . lig öi^ avioip 
<Soif6g iütiv na\ tig oievcci fiip, itfvtv ov, aus welcher 
Stelle gleich nachher noch anderes entlehnt iist. Daüs aber der 
Leser an die angeführten Worte in c. 10 sich erinnern und ein 
falsches Vertrauen, £chtes vor sich zu haben, in ihm genährt 
werden sollte, dazu ist berechnet die ausdrückliche, in c. 22 ein- 
gesetzte Verweisung ay.rjyoctrf , w ai dofg l^O"i}paToi, wie gleichem 
Zwecke j^cdienl hatte das Citat c. iO S. 24a, welches auf c. 2 
verwies. Und wie c. 10 S. 24a folgte taif' earip vfiiy^ la äv- 
dfjtg yi^ijpccToi'j t<xIjj&^ (eine Entlehnung aus den echten Wor- 
ten c. 22 S. 33c lavia^ w ^A^ripatot^ xai äki^O^^ iativ xal . 
so wird c. 22 (trotzdem die soeben erwähnten Worte gleich fol- 
gen) ganz outriert (wozu kein Grund war) forlgefahren naaw 
vftTv i fjp c(Xij^eic(p tyta elnov, was der Fälscher aus c. 1 S. 17 b 
VfiiXg d' ifioi) axovütad-s naaap dlijO-siap entnommen bat. 
— Auch der Ausdruck zu Anfang von c. 22 jioXi v xqovov dia- 
iQifiorrsg ist absiehtlicb zu leichterer Täuschung gewalilf. weil 
nacliber in diesem selben Kapitel S. 33 e tp lavtf} tfi diuiQiftij 
yf^yovaaiy irrsagt U\ ( vgl. c. 27 S. 37c öiaioißag von demselben 
Litii^.inge üiJi bukrales). Diese Sache wurde deui Fälscher nahe 
gelegt durch c. 32 S. 41a x^avftaati^ äy ittj r) diatqißr^ a^o^t 
(der Verkehr mit den Verstorbenen im Hades), aus welcher schon 
vorher erwähnten Stelle er die S. 41 b folgenden Worte awt mf 
ur^dig tirj in c. 22 hineiogeDonmn n hat in der Form: mmyrnq 
oin d^öig. Wülu end aber diese Litotes c. 32 den Sinn bat: „Es 
dürfte eine hohe Wonne sein, im üades im Gespräch mit Pala- 



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PUto», von W. Nitt«li0. 



323 



medcs und Aias mein («eschick und Leid mit dem ihrigen zu 
verglfMfhen'S bedeutet hier in c. 22 diese Litotes; „Die Prüfung 
der Mitl)ür^^er anzuhören, ist nicht imergotzlicli — amüsant, spafs- 
hafl", nitsprccliend dem xalqovGtv vorher: „Waniiii macht e« 
manchen Verguüijjen, lange Zeit mit Solirates iiin/.ujit'licii ? . , 
Sie hahen ihren Spafs daran, die Prüfungen an/.ulnutMr", wie a«t:h 
r. 10 (liol'i ulung durch die Schüler selbst als ein Sport derselben 
erschien. — Man sollte freilich solchen Gedanken hier in c. 22 
nicht erwarten, nachdem vorher (c. 9 Schlufs, c. 16 t. S. 28d,c, 
€.17 S. 30a, c 18 S. 31b; vgl. nachher c. 26 S. 36d, c. 2S 
S. 38a) in ernster Weise gesagt war, dafs solche Priifung für das 
Seelenbeil notwendig sei. 

Für Sokrates war die Prüfung der Mitbürger nicht sowohl 
ein Vergnügen, ebensowenig wie sinne Selbstprüfung, sondern eine 
heilige, von der Gottheit ihm aufgetragene Lebensaufgabe und 
IMlicht, ein Beruf und Gottesdienst, dem «»r V\< zum Tode, ja in 
den Tod hinein treu blieb. Im newufsfsfiii , durch .«eine \ er- 
mahnunir für die wichtigste AnaeJegenl)' i l seiner Mitbürger, lür 
ihre wirklK lie, nielil vnrnieiiith'clie Gliici\f»eligkeit, für die Besse- 
rung und Vei vuilkoniiiuitiiig der Seelen aller Linzclnen und somit 
für das Wohl der Gesamtheit, unter Hintansetzung seiner eigenen 
Angelegenheiten und seiner Familie, sich bemüht zu haben, nimmt 
er die höchste Ehre des Staates» die Speisung im Prytaneion, 
in Ansprach. In seinen letzten Worten, c 33 S. 42a, bittet er 
die Richter, die Stellvertreter der xMiibOrger, seinen Söhnen nach 
seinem Tode gleiche Prüfung und Warnung angedeihen zu lassen, 
wie er ihnen gethan; damit würden sie ihm und den Sühnen ge- 
rade ilir Becht widerfahren lassen. Aus alle dem ersieht man, 
welche ernste, wichtige Bedeutuii«? Sokrates solcher Prüfung bei- 
niafs. Wie die Athener sie hätten aullassen Mdlen als das hilchste 
ihnen von der Gottheit verlieliene Gut (und Sokrates als den 
echten Staatsmann und Arzt, Gorg. S. 521 d,e), so niulste auch 
den jungen Freunden des Sokrates solche Prüfung als ein Gotles- 
dieust, nicht als ein Scherz erscheinen. Der Gedanke im Au laug 
des c. 22 fällt also ganz aus dem Gedankengehalt und dem Tone 
der Apologie heraus. — Wenn nun hier von solchem Gottesdienst 
der Prüfungen des Sokrates die Bede wäre (denn, wie gesagt, 
von Prüfungen durch die Schüler wird hier nicht geredet), so 
würde man die folgende Ilervorhebung seiner Autorisation durch 
die Gottheit sich gefallen lassen; so aber klingt die folgeiule 
Exaltation wunderlich deplaciert in diesem Zusammenhange: . Ich 
habe das necbl zu solrli.-in Jocu? durch göttliche Sanktion jeder 
Art". Im eiiizeiaen ist gleich wieder aufTallig der l'ural iictvitiuiv. 
Wir wissen mir. dafs Sokrates den Auftrag der Gottheit aij> dem 
einen Orakel lür sicii eiitiialiiii , welches Chairojiiiou gebracht 
halte (c. 5 S. 21a, vgl. c. 17 S. I9a); weder in der Apologie noch 
sonst irgendwo ist von einem andern derartigen Orakel die Rede, 



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324 



Jahresberichte d. phüolof, Vereins. 



— Dagegen kann man sich wundern, in der Anfzählunj? hier nicht 
iiiich das Dairnonion des Sukratos in irgend einer Fovm nrwähnt 
7Ai linden, da man doch aus der unbedenklichen I orlsoizung der 
i^ülungen annehmen darf, dafs es sich der Vornahme derselben 
niemals widersetzt habe, während es doch ihn (c. 19 S. 31 d) 
warnte, sich mit Staatsgescbäften zu befassen. C. 31 S. 40a wird 
es von Sokrates ij elm&'Vtä fioi fiuxpwiuij genannt, von Xenoph. 
Apomn. I 1, 13, 4, 15, IV 3, 12 mit der Mantik in Parallele ge- 
stellt: Sokrates wird göttlicher Weisungen durch sein Dairnonion 
gewürdigt, während andere sich mit den verschiedenen Arten der 
Mantik begnügen müssen; in der psendoxenophontischen Apologie. 
§ !2 wird es sogar geradezu mit den göttlichen Ollenbarungen 
verglichen, welche i} IJvd-oX iv ko rqinodi Uofia enipling. — 
Was die im 22. Kapitel der Platonischen Apologie folgenden Worte 
xal II iwTtvimv betrifft, so wissen wir zwar aus Plat. Kritoa 
S. 44 a, Phaidon S. 60d,e (vgl. Xen. Symp. 4, 49), dafs Sokrates, 
wie die meisten Griechen, auch Träume als göttliche Winke nicht 
unbeachtet liefe, aber in der Apologie selbst ist hiervon nichts 
gesagt worden. Demnach dürfen wir die (S. 33c) vorangehenden 
Worte (aq fyo) (f rjf^ti, wenn wir es mit ihnen genau nehmen, nur 
verstehen: „wie ich (jetzt) behaupte", nicht — „wie ich vorher 
schon ijeäufsert habe". — Die dann folgenden, von uns schon 
nehonliei (Miäuterten Worte sind ert^t durch die alte armenische 
übi-rsetzung (Classic^l Ueview 1889 S. 340 ff.) richtig und ver- 
ständlich geworden: xcri navri t^onw, omsQ tipl (statt riq) 
nms 9ta\ aXXw (statt olii^) ^$ia notga (göttliche Fügung: 
Zeller, Philos. d. Gr. II* 1 S. 447 Anm.) ctv^Hfänm xal artovy 

Wir kommen zur entscheidenden Stelle, hier wo die Fälschung 
aufhört und das Echte wicdei' beginnt. Die folgenden Worte 
lavia^ ia ^A&^valoif xal cU^^jji i<ft& xal svileyxta^) können 



Bei diesem Worte sei der uorichtiK überlieferten Stelle c. 7 S. 22a 

fpodacht: ihi <T/jr t'//f> rrjV htijv nXavtjV fTinSft^r.i müTTtn TjotovsTivag no- 
volviog^ <»« ^oi xtti d vtityxroe *} fiftvrtltt ytrotit,. Ihuob c. 6 S. 21c 
^l9ov ini Ttvtt TiSv öoHovnw» aoipnv thm$, tag firavO^a, etnt^ nov^ 
^Xfy'$u)v TO ucfVTfi'nv xal ccTTOffartöv j oi ovioal i juov 

ao(funtQue (otif ab if^t ii^naiha wird erwiesen, dafs in n. 7 das 
von Stephanas einfescitobeae /U17 notwendig: ist, eioe RoDjektor, die ^etzt in 
der .irmenisebeB Übersetzung^ ihre Kcstätigrung gefanden hat: Fm fioi x. 
ffr</. ij. fjiavT. yfv., uud dafs (was besonders anotfuVMV xri. beweist) «1/- 
Ätyxiog „uu widerlegt'^ bedeutet, uud uicbt „uaerwicseu"', wie A.Tb. Christ 
(WS. f. klass. PbiL IS92 S. 374 f.) wollt«. Dagegen baben er aod andere 
mit Recht an dem unerklärlichen xat' \ oi' u\ ü.h) y.i oi; AiisloCs geDomwen. Eul- 
weder dürfte mit uoff^ewöhalicherer Wortstellung tvu fiot fiij (statt xal) 
avUfyxjos zu lesen sein, oder vielleicbt (unter der Voranssetzung, dafs 
xat und KV- durch Dittngraphie aus (Tt- entstanden sei) l'vcc fiot 4t4X(yxioq 
^ ..liiucfi^'fpiüft" (vi;l. vorher 7i).c-ri,v): ii,ir!i deti Staatsmännern [nülte So- 
krates auch alle audereu, dit: irgend weise zu sein scheinen, Dichter und 
lltndwerker. 



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PlatoB, von W. Mitsehe. 



325 



weder auf das dicht Vorhergehende noch auf das Ganze des in 
Hede stehenden Anfangs von c. 2*2 bezogen werden: iku beweist 
der folgende mit fi yäQ beginnende Satz, der mit dem Vor- 
hergehenden absolut keinen Zusam menhang hat. An diesem 
yccQ müssen alle Versuche scheitern, den Anfang von c. 22 als 
echt tu verleidigen. Vielmehr zeigt die apagogische Form des 
Beweises $1 yag symys t&¥ vi<ov tovc ft^v dtcc^d-siow, tov^ 
6^ Siitp&ctqxa, XQ^v SrjTrov xzi., was vorher statt des Unterge- 
schobenen zwischen dem echten Ende von c. 21 . . ovx uXrid^ij 
Xsyei und dem echten Restanfange in c. 22 tavict, m l/. , xai 
a?.rj^*^fj . . iivstaiiden habm niiifs: etwas von dem EingeschwrirztiMi 
Grundverschiedenes. Der Sinn and Hauptgedanke kann kein an- 
derer gewesen sein als der >etion oben angegebene: Solirntes 
darf im Gegensätze zur Anklage (c. 11) mit Recht behaupten, 
dnfs er während seines Umganges und durch seinen Umgang nicht 
die Jönglinge verdarb, also das, was Xenoph. Äpomn. I 2 abge- 
handelt hat, worauf er von I 3 an den weit längeren positiven 
Teil folgen läfst, am zu beweisen, dafs Sokrates ihnen vielmehr 
durch Beispiel und Lehre nötzte. Den Wortlaut des ursprilng- 
lichen Platonischen Textes im einzelnen kann knine menschliche 
Wissenschaft mehr herstellen, und nur ein glücklicher Fund aus 
der alexand rin Ischen nagcidoryic (wenn Usener darin Recht 
hat, dafs unsere llandscluilien sämtlich durch die Ausgabe des 
Alticus auf einen Archetypus in der Aristotelisciien Bibliothek 
zurückgehen) könnte möglicher Weise helfen, wie jüngst ein Pa- 
pyrus Reste der alexandrinischen Phaidon- Überliefer utig brachte. 
— Oberblicken wir noch einmal das über den Eingang von c. 22 
Gesagte, so kann kein Zweifel sein: er rflhrt von demselben 
Fälscher her wie c. 10. In gleicli armseliger und mühsam nach- 
äffender Sprache ohne rechte Logik und Geschmack ist auch hier 
von dem Vergnügen der Jünglinge an den Prüfungen die Rede. 
Wiihrend aber der Fälscher dort nur einen längeren Einscimb 
vurnalim, hat er hier aller Wahrscheinlichkeit nach Echtes aus- 
gemerzt, um seinem Kukuksei im fremden Neste Raum zu ver- 
schaffen. 

Die dritte mir verdächtige Stelle befindet sich am Ende von 
c. 27, innerhalb der zweiten Rede des Sokrates, in der es sich 

um die Abschätzung der Strafe handelt. Er sagt, dnfs er des> 
halb nicht auf Verbannimg antrage, weil er noch viel weniger in 
der Fremde auf Nachsicht rechnen dürfe, nachdem er selbst seinen 
eigenen Mitbürgern durch seinft) rmgan^' und seine Reden \\hn- 
lästig geworden sei. Im Falle der Verbannung w ürde sein Schicksal 
sein, von einer Stadt zur andern wandern zu müssen und stets 
ausgewiesen zu werden (S. 37 d). — Diese Gelegenheit benutzt 
der Fälscher, um den letzten Satz des Kapitels einzuschieben: ev 
yäq . . tovTOV^y in welchem wieder einmal von den jungen Leu- 
ten, diesmal der Fremde, die Rede ist; die werden auch dort den 



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326 



Jabrasbcrichte d. pbilol. Vereint. 



Sokrates hören wollen. Es werden zwei Falle statuiert: entweder 
Snkrntps j;igt sie von sich fort, dann werden sie ihn selbst ver- 
jagen, die alteren Leute überredend; oder er jast sin nicht fort, 
dann werden ihre Väter und Verwandten ihn verjagen um der 
Jüngeren willen. Hier ist schwer zu begreifen, warum die Wir- 
kung der Reden des Sokrates und seines Umgangs mit der Jugend 
aufserhalb Athens eine andere sein soll als vorher in Athen, wo, 
wie kurz vorher in c 22 gesagt war, die Verwandten der jungen 
Freunde und diese selbst för Sokrates bei seinem Prosesse ein- 
traten. Sollte jemand einwenden: die Viter in fremden Staaten 
wQrden so handeln, indem sie auf den für Sokrates ungunstigen 
Ausgang seines Prozesses Gewicht legten, und wfirden die Beleh- 
rung durch Sokrates nicht erst abwarten, sondern nicht lange 
Federlesen machen, wie in Athen, so hätte diese Begründung doeh 
ausdriicldich hinzugesetzt sein sollen. Jedenfalls wird jener Satz 
verdärliti nnrlidem die Unecbtheit von c. 10 und von Anfang des 
c. 22 erkannt ist. 

Ich möchte den (legenstand nicht verlassen, ohne einige Kr- 
örterungen noch anzuknüpfen. C. 30 wird gesagt, Sokrates habe 
die Versuche der jungen Leute bei seinen Lebzeiten unterdrückt 
{»oTstxov), ähnliche Prflfnngen, wie er selbst, anzustellen. Wir 
dArfen aus diesen Worten Piatons abnehmen, dafs dergleichen 
Versuche gegen Sokrates Willen angestellt sind, aber dafe es 
ihm gelungen ist, sie zu unterdrücken. Aber in Piatons Apologie 
ist wohl zu viel gesagt, wenn auch der Grund zu dem Zusätze 
leicht zu begreifen ist: „ohne dafs es die Mitbürger merkten'*. 
Dafs die Versuche nicht ganz unbeachtet vorübergingen und eine 
Spur hinterliefsen, dafür letzt rl)en die Fälscliuni: r. 10 ein gewisses 
Zeugnis ab (vgl. auch Xen.Apouiu. I 2, 40ff. Alküjiades' Disputation 
mit Perikles, worüber schon gesprochen ist). Aber jedenfalls waren 
schon die Versuche dem Sokrates zuwider, geschweige denn, dafs 
er solche Prüfungen gestattet oder gar begünstigt hätte. Dennoch 
wurde schon bei seinen Lebzeiten und unmittelbar nach seinem 
Tode der Vorwurf gegen ihn erhoben, dafo er seine Schüler zur 
Impietät erzogen habe (Aristoph. Wolken 1325 CT., Xenoph. Apomn. 
I 2, 9 f., 49 — 55, [Xen.j ApoL 20). Während er aber von seinem 
Schiller Xenophon gegen diesen Vorwurf verteidigt wird (vgl. auch 
Apomn. II 2), lälst ihn d*T Fllscber der Platonischen Apologie, 
in abgefeimter Weise, gleichsam naiv und unbefangen so reden, 
dafs er in dem Verfahren der jüngeren Leute gegen die altoren 
nichts Tadelnswertes fiudet, im Gegenteil! Hätte Piaton hierüber 
sich ausgelassen, so würde er es anders gethan haben, im Fin- 
klang mit c. 30. Wie es kommt, dafs gegen dieses Kapitel der 
Fälscher seine Hand nicht gerichtet hat, läfst sich nicht sagen; 
er scheint es nicht beachtet zu haben. Besonders raffiniert böswillig 
ist es aber, dafs er in c. 10 hinzusetzt: die jungen Leute, welche 
Sokrates nachfolgten und seine Pröfungen nachahmten, seien die 



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PUtoD, von W. Nilsebe. 



327 



Sühne der Reichsten gewesen, die atn meisten Mufse haben. Wie 
sehr die Verdächlifiun}; der l]eyünsti^'iin<; reicher .lün^lin|j;e von 
Sükrales al)zu\veinen bei beiiier Vert'eindunL' näii^^ .scliien, ;«ieht 
man aus den enercrisrhen Worten Xenophons A()unui. IV 1, 5 und I 
2, 59f. Auch Plalü Jal.Ni den Sokrates seine Armut Apol. c. 26 S. 36d 
belouen und ihn ausdrücklich c. 26 S. ü3b sagen: d/io^a>v xcu 
nljQWfl^iial nivr^n naqixia i^aviov Iqtaiäy xiL\ er nehme von 
niemand Bezahlung, halte niemand Privatisaima. Hing ja doch 
mit dem Vorwurf« die Reichen zu hegönstigen, der andere von 
den Anklägern und dem Sophisten Polykrates erhobene zusammen, 
dafs er Kritias und Alkibiades zum Schaden Athens herangezogen 
hahe (Xen. Apomn. i 2, 12 — 47). 

Wer mag nun nun der Urheber der Fälschung genesen sein? 
Jedenfalls jemand^ der weder lMa!<>n noch Sokrates wohlwollte, ein 
Manu ihrer Zeit, der zuj;leich Zuiriit /n dem Arrheivpus unserer 
llandbcluifteu halle, wrlrhej-, weiiu LbeiiLi", wie e^ ducii scheint, 
recht hat, der liibiiuilitk des Aristoteles angebürle; späler war 
kaum Interesse mehr oder Möglichkeit zu solcher 1-älschun^. Ich 
meine, es kann nur Arisloxenos gewesen sein, der Schüler des 
Aristoteles, der auf dessen Nachfolge als Haupt der peripaletischen 
Schule redinele, und der seine Gehässigkeit gegen die Akademie 
bis auf Sokrates erstreckte und gegen Plato und Sokrates viel 
Unwahres geschrieben hat, wenn er auch auf seinem Spezialgebiet 
der Musiktheorie achtungswert erscheint (Müller, Fra;;ni. bist. Gr. 
11 S. 269a, fr. 25—35. 83. Zeller, l'hilos. d. Gr. Ib^ l S. 59, 5. 
60,3. 372, 1. Bd. 2 S. 881 ir.). Wenn auch derartige Ffdschunfien 
wie die eben besprochene ihm nicht bekannt sind, seine IJe- 
haiq)lungen lihrr IMaloii und Sokrates sind zum grofsen Teil kaum 
viel anderes als Cieschiclibfälschunf^en. Litterarische Fälschungen 
übrigens haben unter dem Lit^.tblen Griechen voike bekanntlich 
schon erstaunlich liüh begonnen. 

Berlin. W. Nilsche. 



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INHALT. 



Soite 

Caesar und seine Fortsetzer, von R. Schneider 24fi 

Ciceros Reden, von F. Luterbacher 169 

Herodot, von IL Kalle u berg 2Sfi 

Homer (mit Ausschiurs der höheren Kritik), von E. Naumann . . 

Homer (die höhere Kritik), von C. Ruthe 12ä. 

Horalius, von G. Wartenberg 152 

lioratius (Beitrag zur Erklärung), von (). Schroeder liiil 

Livius, von IL J. Müller 1 

Platoii (alte Interpolationen in der Apologie), von VV. ISitsche . . 311 

Tacitus, von G. Andresen If^ 



Druck TOD W. Pormettsr in Berlia.