Geschichte der
Weltliteratur
Alexander
Baumgartner
&aroaro College Htbrarü
BOLrCHT WITH INCOMK
FHÜM TUE BEqjJEÜT OT
HENRY LILLIE PIERCE,
OF BOSTON.
Under a vote of the President and Fcllowa,
Octnber H, 1898.
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ffl o 1 1 1 1 1 o r a t u t\
2Ueranfcer Baumgartner S. J.
I.
Die £tteraturen IPcftaftcns unfc bor
Hillänfcer.
^retburg im 3reisgau.
!}er6er'fd}e Derlagsfyan&lung.
^uKigniroerfaffuitgcn in EDien, Strasburg, ittündffn unö St. fouls, t\\o.
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Die £itcraturcn
tDcftaftcns unb ber Hülänber.
Don
2lleran£>er Baumgartner S. J.
5 n> e 1 1 e , ituoeränberte Auflage.
^reiburg im Breisgau.
£)cr&er'fd>e Derlagsljanölung.
^nxidn^erlaffunsen in IDien, Strafcbura, münrfjfn unt> 5t. Coui*. Mio.
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NOV PI 1838
7
3)a3 $cd>t bcr Ueberjefcung in freinbc Spraken roirb borbcljalten.
«iidjbrmfml ber $crber'f$en CcrlagStjanblmm in JJrciburfl.
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$ o r to o r t
itlie btc allgemeine 2Beltgefdndjte, tfulturgefdjidjte unb #imftgefd)i#te,
fo f)at audj bie allgemeine £iteraturgefd)id)te in Xeutfdtfanb fleißige Pflege
gefunben. 6ine ftattlic^e Steide jum Xty'ii umfangreicher 2öerle bezeugt
baS Sntereffc, ba* man baran nafmt unb ba& in bem @egenftanb felbft
roie in feinen Beziehungen ju Religion, ^oefte unb allgemeiner S3ilbung feine
öoüfominene Segrünbung finbet l. SJiefe biefer 2öerfe bieten noa) fjeute
1 $ie Maserigen #aupth>erfe über allgemeine fiiteraturgcfdjidjtc flnb:
©ottfrteb t>. fcerber, SoltSlieber. I. ZtyiL Seidig 1778. II. 2f)ctl. $af.
1779; fpater erweitert ald „Stimmen ber SööUer in Siebern", erft nach feinem Üobe
rjetauögegeben 1807 (Tempel, gerbet« SOßerfe V). — $erf., 3been 3ur @efdt>id^te
bet 9Jlenftf}l)ett (ilt t>icr feilen, unboHenbet). «Riga 1784—1792 (Tempel, gerbet«
2Bette IX— XII). — 3 o f. ©. Ci^otn, ©efditebte bet ßiteratut öon intern ltt=
fprung biö auf bie neueften Seiten. 4 33be. ©Otlingen 1805—1812. — Ofricbr.
o. Stiegel, ©efd}id)te ber alten unb neuen ßiteratur. Söorlefungen, gehalten ju
fBien im 3af>re 1812. äöten 1815. 2. «ufl. 1847 (in ben Sämtlid&en Herfen
9b. I). — 8. 3Bad>ler, §anbbuff) bet ©efdjidjte ber Literatur. 2 SJbe. Sfranl»
furt a. 9)i. 1822. — %t). ©raffe, ßeljrbucf) bet allgemeinen ßiteraturgefdndjte.
ßeipjig 1887; fcanbbua) ber allgemeinen 8iteraturgefd)iä)te. Seidig 1844 ff. —
9toicnlran3, £anbbua) ber allgemeinen ©efä)ic$te ber ^oefie. £aHe 1832; Sie
Sßoefte unb ifjre @efd)id)te. JBerlin 1855. — Of ort läge, SSorlefungen über bie ©c=
fäitbte ber «poefte. Stuttgart 1889. — %f). 5m unb t, »ugemeine 8iteraturgefd)id)te.
8 Bbe. , fieipjig 1846. — ftriebr. ö. {Räumer, Jpanbbud> $ur ©efdf)id)tc ber
Literatur. 2 Steile. Setyjig 1864. — ÜJtorifc Karriere, 2>ie ftunft im 3"*
fammen^ang ber 6ulturenttoicflung unb bie 3beale ber ÜJtenfdtöeit. 5 33be. 3. 3lufl.
ßeipjig I. II. 1877; III. 1880; IV. 1884; V. 1885. - 3ol). Sajerr, Allgemeine
©ef<hid)te ber Siteratur. etuttgatt 1850. 7. «uff. 1888; 9. 9CufI. tum Dtto ftaggen--
tnadjer. 6bb. 1895. — ©. SSombaf, Sejifou ber allgemeinen 8iteraturgefd)tdjte.
ßeipjig 1882. — $of>. Sdjerr, Söilberfaal ber SBeltliteratur. 2 Sbe. Stuttgart
1855. 3. Slufl. ebb. 1884. 1885. — 91 bo If 335 0 1 f f , 3>ic (Slaffifer aller 3eiten unb
Nationen. 7 Sbe. Berlin 1860-1877. — %K 9t 0 r r e 11 6 e r g , SMgeuicine ©efo)ia)te
ber Sitcratur. 3 58be. fünfter 1882—1884. 2. Slufl. I. (IjevauSgeg. öon Äarr
m<x d e) ebb. 1896. — 21 b. Stern, @efa)tct)tc ber ^Weltliteratur. Stuttgart 1888. -
3ul. fcart, ©efäjidjte ber SBettliteratur unb be« 2f)fater« aller Seiten unb SOölfcr.
SBoumsattntr. SBelUittratur. I. 2. «ufl. h
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VI
Vorwort.
fefjr werthbofleS Material in guter ©ruppirung, bebeutfame ©efidjtspunfte,
treffenbe (Sharafteriftifen unb Urteile. $ie meiften finb inbeS in SBcjug auf
Cmtjclijeiten hinter bem gütigen ©tonb ber Siteraturforfdjung aurüdgeblieben
unb barum theilmeife bcraltet. Wnbere haben jwar bic neuem wiffenfdjaft=
liefen Grgebniffe ju berwertljen gefugt, nehmen ober bem pofttiben $hrifien=
t^um unb befonberS ber fatholifdjen $ird)e gegenüber eine fo auSgefproaVn
feinbfelige Haltung ein, bafe fie als unbefangene fjiftorifäe 3)arfieflungen
nidjt gelten fönnen. 2Sieber anbere waren bureb alljufehr bef^ränften 9Jaum
berbinbert, bem meitfcbid)tigen ©egenftanb aflfeitig geregt ju werben. 3a
felbft in ben umfangreidjern Siteraturgefdndjten wirb man ganje Ginjel:
literaturen faum ober nur h<W bürftig behanbelt finben , bermutljlid), »eil
bafür noch feine umfaffenbern Vorlagen borbanben waren, bie betreffenben
JBerfaffer aber biefe (feinem Siteraturgebiete nid)t für mistig unb anjtebenb
genug erachteten, um bafür fefbft erft baS Rohmaterial ju fammeln unb
511 berarbeiten.
Ohne bem $erbienfte ber bisherigen Seiftungen ju nahe ju treten, ift
fomit ber SBerfucb gereditfertigt , eine neue $arftellung ber gefamten SQÖctt=
literatur 511 unternehmen, meldje foweit als möglich bie bortjanbenen Süden
auszufüllen unb ben beftehenben Mängeln abhelfen ftrebt.
$5ie ^InSbelmung beS SSerfes auf fed)S Söänbe mirb es an ftch fdwn
ermöglichen, ein umfaffenbereS 39ilb ju entwerfen, als es, wegen engerer
SBegrenjung beS Raumes, bisher bon ben meiften ähnlichen SBerten geboten
werben tonnte.
$>a ber Orient bem europäifeben Stölferleben burd) ben SBeltbcrleln" wie
burd) bie bergleiajenben SpraaV unb SReligionSftubien immer naber tritt, bic
Literaturen beS Orients aber bisher am tärglicbften behanbelt würben, fo
würbe gerabe biefem eine befonberc Sorgfalt jugeroanbt. 9?eben
einem gröfjern ©efamtbilbe ber arabifdjen , perfifeben unb ean»frit=Siteratur
wirb man Ijier $um erftenmal eine eingefyenbere Gbarafteriftif ber fleinern
orientalifeben Literaturen, fowof)l jener beS d>riftlidr>en SlltertbumS als jener
ber inbifeben (inbogermanifeben wie brabibifeben) HollSfpradjen , beifammen
finben. 2)abei finb bie großen 9cationalbid)tungen ber Werfer unb Snber
nicht nur furj fritifirt, fonbern burd) ausführliche SInalpfen beleuchtet.
2)ie 9lrbettStbeilung unb bic mehr pIn'loIogifd}=fritifd)e ol* l)iftorifa^=
äflbetifaV ©pecialforfcbung auf bem ©ebiete ber Siteratur hat einen fo un=
abfehbaren Umfang angenommen, baft eine erfd&öpfenbe SBerwerthung beS
2 33be. 9leubamm I. 1894; II. 1896. — L. Vapereau, Dictionnaire universcl des
litteratures. Paris 1877. 2,: öd. 1884. — A. De Gubernatis, Storia universale della
letteratura. 18 vol'. Milano 1882—1885. — P. Manuel Poncelis S. J., Historia
de la Literatura. Hueuos Aires 1891.
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onoovt.
VII
ge[amten baburdj gewonnenen ^Materials nic^t möglich ift. 6in (Sinjelner
fonn unmöglich fetbftänbig alles beljerrfchen, wa§ #unberte üon (Seiehrten
in raftlofer, jahrelanger SJcühewaltung erforfcht unb für bie SBiffenfdjaft
gewonnen höben. 3n bem Ungeheuern Wettbewerb ber eigentlichen Sprach*
funbe, ber Oergleichenben Spracbfunbe, ber bergleidjenben Sagenfunbe, ber
oergleichenben Sßölfertunbe, ber fogcn. Oergleichenben 9teligionSwiffenfchaft tritt
überbieS bie eigentliche Literatur unb jumal bie Sßoefie ber Hölter üollftänbig
jurücl gegen bie commentirenbe ^rofaliteratur , welche ber ^orfcherfleiß ber
(belehrten %af)i für 3tohr um biefelbe aufhäuft. @S tann [ich alfo nur
barum honbeln, im Mnfchluß an bie bewährteren Autoritäten bie michtigfien
unb ftcherften ^forfchungSergebniffe ju fammeln unb p einem ©efamtbilbe
.tu oereinigen, baS ungefähr (Gemeingut aller ©ebilbeten werben fann unb
SU werben oerbient. $ie einjchlägigen linguiftifchen Unterfudmngcn , 2er>
fritif unb Cueßenfritif ber einzelnen SÖerte, jpecieHe philologifche unb fritifche
Gontrooerfen tonnen ju einer folctjen $>arftellung natürlich nur in feljr be=
fcheibenein Umfang unb in ihren allgemein oerjtänblichen (Snbergebniffen
herangezogen werben, 3>n ben ineijten fällen wirb man ficfc» begnügen
müffen, burch Anmerfungen ober Siteraturangaben auf einläßlichere Special:
arbeiten fnnjuweifen. $ie ^auptfadje bleiben natürlich bie großen $aupt=
erfdjeinungen ber Weltliteratur, wie j. 39. bie ältern SteligionSbücher unb
9Jationalepen ber Oerfchiebenen Hölter, bie £)auptgruppen unb |)auptt)ertreter
ber übrigen Sßoefie unb poetifchen ^ßrofa, ber (BefamtcntmitflungSgang ber
einjelnen SßolfSliteraturen unb enblich ber Sufammenljang ocr oerfchiebenen
Literaturen im allgemeinen Verlauf ber menfehlichen 33tlbung.
9Wag bei ber 93eoorjugung , beren fidj hell*c Da§ Speäalftubium er=
freut, eine folche 3)arftetlung auch als weniger wiffenfehaftlich erscheinen, fo
fann jte oielleicht boch einigermaßen auch wieber ber Specialwiffenfchaft ju
gute tommen, inbem fie ßinfeitigfeit oerhütet, fcheinbare (Segenfäfce auS=
gleicht, entlegene ^rorfchung^gebiete oerbinbet, oernachlä|figte ftorfchungspunfte
aufbeeft unb weitere Öefertreife für bie unermübliche ^hätigteit ber Öelefjrten *
mit in§ ^ntereffe jieht.
Sei ber Ausarbeitung ber erften jwei iöänbe tarn es mir fefjr ju
ftatten, baß mir jwei ber angefehenften Orientaliften ber ©egenwart als Führer
unb ©erather jur Seite ftanben: ber auf bem (Gebiete ber femitifchen
Sprachforschung wohlbewanberte Ajfnriologe P. 3>. Straßmaier, feit
langem mein ftreunb unb CrbenSbruber, unb ber leiber feither berftorbene
Dr. 9teinhoIb 9toft, Cberbibliotljetar bes Snbia Office in Bonbon, ber,
felbft noch ein Schüler 9tücfertS, mit beu inbifchen unb oftafiatifdjen Sprachen
wohtoertraut , auch fonft ein Spradjfenner oon feltener Unioerfalität , fich
nicht nur für bie poetijch=Iiterari[che Seite meines planes intereffirte, fon=
bem mich auch bei meinen Vorarbeiten mit [einem ausgebreiteten SBiffen,
b*
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VIII
ißonuort.
feinem 9laif) unb ben reiben Mitteln bcr *m unterfiebmben SBibliot^ef
unb jetner eigenen 5ßribatbibliotf)e! aufs liebrei*fte unb auSgiebigftc unter*
fiü&te. mt $iffe btefer grünbli*en Sa*gelef>rten ift es mir gelungen, tyeils
am Snbia Office, tljeils am Sritifl) 9Jlufeum, fpäter au* an anbern $iblio=
tiefen ein diel rei*ereS, üielfeitigereS unb suberläffigereS «Material sufammen=
gutragen, als in ben bisherigen allgemeinen 2iteraturgef*i*ten jur S8cr=
wenbung gefommcn ift. $er ho*ro. P. ©trajjmater f)at mir bann au* bei
ber (Sorrectur ben mertltootlfien 33eiftanb geleiftet. 3l)m fei für feine treue
$Ufe ber l)eräli*fie $>an! gejagt, bem baf)ingef*iebenen ftreunbe aber au*
bei meinen Scfern ein banfbareS 3tnben!en gefi*ert!
Snmiemeit eS mir nun geglürft ifl, toenigjienS in ber £auptfa*e ba§
9ti*tigc ju treffen, baS 2öi*tige gebi*renb herborjuffeben, bie sar)Hofcn
Reiten jum objectto=organif*en Otogen ju oereinen, inufc i* bem Urteil
anberer überlaffen, barf aber mit 33ejug auf bas gu bewältigenbe meit=
f*i*tigc Material genrifj auf einige 9ca*ft*t ljoffen. 2lu* ein weniger
günftiger SBeurtljeiler bürfte roo^l taum öerlennen, baji in bem $u*e ein
rebli*eS ©tüd Arbeit ftecft.
2)aS ljerjli*e menf*li*e 3ntereffe, baS ©ottfrieb ö. #crber in feinen
„stimmen" unb „3>been" ben entlegenften unb frembartigften ÜBölfern roob>
roollenb entgegenbra*te , mirb man, wie i* hoffe, au* in meiner £ar=
fteflung ni*t öermijfen unb f*on barauS abnehmen, bajj i* ben mirfli*en
S3erbienften unferer beutf*en ßlaffifer bur*auS ni*t able^nenb gegenüber:
ftelje. 3n religiöfer ^>inftdr)t ift mein ©tanbpunft jebo* beftimmter unb fefter ;
es* ift im toefentli*en berfelbe ©tanbpunft, ben f*on griebri* ö. ©Riegel
in feinen für bie ©ef*i*te ber Weltliteratur balmbre*enben „SBorlefungen"
feftfnelt, ber ©tanbpunft ber *riftli*en 2öeltanf*auung , roel*e alle 2Wen=
f*en, alle Hölter, alle ßiteraturen mit berfelben übernatürlichen Siebe, aber
au* na* ben formen ber Don (Sott felbft gegebenen Offenbarung be=
tra*tet, über ben Seiftungen menf*li*er tfunft, über bem 3auber bi*=
terif*er ©*önfjeit jebo* nie bie ewigen 3iele ber <Dcenf*ljeit aus ben
klugen läfct.
©o Öott 3eit unb flraft &erleif>t, »erbe i* au* bie übrigen Greife
ber Weltliteratur gemäfj bem früher ausgegebenen Programm in ähnli*er
2Beife behanbeln, fo bajj jeber Xr>cil ein für fi* abgef*loffeneS ©anje
bllbet unb Don einer 8tortfe|ung unabhängig bleibt, tuährenb biefe, na*
einem ©efamtplan geba*t, fi* organif* mit bem Vorausgegangenen oer=
binben wirb.
Siefe 9tüdfi*t ift au* für bie ©efamtanorbnung mafcgebenb geworben.
£enn an fi* t>ättc i* eine oormiegenb *ronologif*e SInorbnung ber Jeggen
et^no g rap^if d>=Qcogr ap^if et) cn öorgejogen, weil babei ber innere 3ufammen=
hang beS Orients mit bem Occibent beffer ju Sage getreten märe. $abei
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Vorwort.
IX
toärc inbes bie Harc Ueberficht ber einzelnen Literaturen für ftdj, beS
Orients roie beS CccibentS, oerloren gegangen. Um bie großen Stoffmaffen
511 fcheiben unb aller Verwirrung juborjufommen , ift es öiel günftiger,
wenn man erft ben Orient unb bann ben Occibent in ihren #auptgruppen
für fich betrachtet. ©ewiffe Beziehungen fpringen auch bann fchon t»on felbft
in bie Stugen, unb bie übrigen 2)erbinbungSlinien finb fpüter leicht ju ^iet)en.
9luS bemfelben ©runbe ift baS 9foefta nicht an bie afforifch = babölonifcbe
Literatur gereift, fonbern im 3"famwenhang mit ber neuperfifeben Literatur
bef>cmbelt. Ebenfo ift bie ältefte inbifc&e unb ebtneftfebe Literatur nicht an
ben Anfang gefteüt, neben bie Hölter, bie faum je etwas t»on ihr er=
fahren höben mögen, fonbern an bie ©pifce ber fpätern inbifchen unb oft=
aftotifchen 93olfSliteraturen, bie fich unmittelbar aus ihnen entwidelt haben.
91ur für eine folche 3ei<bnung reichen eigentlich auch bie bisherigen
gorfajungSergebniffe aus. Um bie 2öechfelroirfungen jmifchen Orient unb
Occibent auf ftcherer Safte, nicht auf gewagte fmpothefen t)in ju fchilbern,
ift noch weit mehr juöerläffigeS Material erforberlicb, als ber bisherige ©tanb
ber ftorfchung bietet.
23aS bie Schreibung ber orientalifchen Eigennamen betrifft, fo mujj
ich *>en Lefer baran erinnern, baß tyex unter ben $a chgelehrten ber ältern
wie ber neuern 3"* tetber nicht bie ermünfebte Einheit r)errfcr>t^ unb bafe eS
in ben meiften ftäüen eine fefte, einfachen „befte" Schreibung nicht gibt,
©ei ber JBerfdnebenheit ber SranSfcriptionen in ben 311 benufcenben Cuellen
mag ber Literaturhiftorifer wohl nach beften Gräften eine gewiffe Einheit
anftreben, wie fie bereits ber jefmtc internationale Orientaliftencongrefi ju
Genf (1894) herbeizuführen gefudht h«t; boch fann er fich unmöglich sunt
SchiebSrichter über alle jene Differenzen aufwerfen, welche bie Spracbfunbigen
unter ftet) noch feineSwegS ausgetragen haben.
Eyaeten bei ffioermonb (§oüanb), 31. 3uli 1897.
Per 3tofafler.
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3 n I) a 1 1
(Srjieä 33ud>.
VU SiummvötUcx bet ättttttn 3Jifbtntg: Sötaefifeit, ^aßnfonifr,
Mqxtr unb £egwfer.
irrftee Kßpttcl: snoei uno Sjeitltteratui.
Hiijjerge»Döt)nlia)e Stellung ber 93i6el in ber gefamleu ßitetatur. 3b*
geidjidjtlidjer ginflufc 3. 4. — 3(jr Slnfeben al« infpirirte« 5Bu$ unb al« »u«brucf befi
©öttlidum in ber Literatur 5. — *Dlenfä)li$e 33ett)eiligung am 3uftanbefommen ber
belügen 33üd)er. Sie brei ^eiligen Spraken unb ibr SBunb am Äreuje 6. 7. — Sie
religiöfe Stufgabe ber SBibel 8. — 3brc äftbetifdjen 58orjüge im allgemeinen 9. 10.
3»eite8 flupttel: Sie aefdiitftltiben »fiiter M Hlten »uttbed.
Ueberftd^t. e&arafter ber ©enefi« 11. — Sie übrigen SBuajer be« SJlofe« 12. —
Sie ftöntg*bäd)er. 6in Hequioalent ber b,6<^flen epiföen $oefie 13. — Sie Keinem
gef<f)iä}tlid)cn SBfiä)er. Sie ©üdjer 6«bra« unb ber 3)taä)abäer. groben ber ülteften
f)ebräifd)en ß^rif in ben @efdndjt«bud)ern 14—16.
drittes flaptlel: Xie Sprüngen bei «Iren Sunbee.
Ueberfiä)t 16. — 6f)araltet ber t)ebr&ifcr>eit Sprache. $oeti|dje SJlittet. Ser
^ßaratleltämu«. Unterfudjungen über bie t)cbräifc§e ^oefie 17. 18. — Sie Valuten.
3br ©runbmottP 19. — Eigenart ber ^Jfalmen Pon £>egel anerlannt 20. — ?Jrobe einer
9*aturfä)itberung (*PfaIm 17) 21. — ©ruppirung ber 3ßfatmen 23. 24. — Sa« SJud)
3ob. 3nbalt unb 3beengang 24. 25. — Skturiajilberungeu 26—80. — Sa« $>or)elieb
30. 31. — eccleftafte« 82. — Sa« $u<b ber cprtäjtoörter 88. — Sa« »utb, ber Bei«,
beit 34. - Gcclefiafticug 35.
Pienes «tapttei . jsiacis ^ropneten.
©eföid&tlidje Sbatfaäje ber «Propfjetie. 2tmt unb Hufgabe ber ^ropbeten 36. —
3|ata«. Sie SJifion oon »abölon« Sturj 37—40. — 3eremta« 41. 42. — Sjedjiel. Ser
3aH Pon Süru«, ein poetifdje« 93ßeitbilb 43—45. — Saniel 46. — Sie Heinrtn ?Pto«
Preten. Cfee 47. 48. — Hmo« 49. — »bbia«. SRabum 50. — Sa« ©ebei be« Jpabafuf.
Sopbonia« 51. — «ggäu«. gadjaria«. 9Jklad)ia« 52. — Slbfdjlufc ber altteftameni«
litten Literatur burd) €f>riftu8 53.
Pnfte* flaptrel: »abphmifrtje unb nffnrifcbe S^riftbentmfiler.
Sa« Sanb 6ennaar. 9llte (Kultur in ©abölon unb 3linioe 53. 54. — Sie
bab«)lonifd)en unb affnrifd)en Äeilinfdjriften. Spradje unb £d)rift berfelben. Um«
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XII
Malt.
fang ber Ausgrabungen 55. — SJeflätigung btblifdjer 9lad)rid)ten 56. — ©eftirncult
unb Aftronomie in SBnb^Ion 57. — SaS „Ur" ber Gfwlbäer. 9ladjri(f}ten über
Äbammurabt (2200 D. (£(jr.) unb Sargon (8750 D. (Sbj.) 58. — ©riefe aus bem
16. unb 15. 3af)rljunbert D. Gtjt- amifdjen ägt)ptifd>en unb affDrifdjen unb babt)«
Ionifdjen Äönigcn 59—61. »riefe ägt)ptif(b>r Statthalter in Äanaan unb ©ttrien
62—64. — @efd)td)tlid)e Aufjeitbnungen ber «önige Don Affttrien unb 38abto.lon 65.
66. — 93abt)Ionifa^e unb afförifd)e $ümnen 67. 68. — 2)tarbuf unb Stämat, ein
toSmogonifdjer Sttötfjoö 69-73. — Sie fcöüenfaljrt ber 3ff)tar 73—76. — SaS
©ügatnoö<(Fpo3 unb bie babtjlomfdje Sünbflutbfage (©tt»9la|)ifr)tim) 76 — 84. —
©djtoädje ber bübtylonifdben ^Joefie. üöerbienfte ber ©abtjlonier um SRattjematit unb
©ternfunbe 85.
SerfiäteS Partei: Saö Sobtenburfi bei Aegtipter.
Sie ägöptifdjen Scmpel unb ©rabmonumente als ^unbgrubc ber dlteften
ßtteratur 86. — Sas 2obtenbud) als größtes Siteraturtocrf ber Slcgtypter. SBer«
fdjtebene Anftdjten über baSfetbe 87. — ©rofje 3aljl unb JBerfdjiebenfjeit ber Dor«
banbenen 9ticberfd)riften. 9taDilleS Iritiföc ScjtauSgabc 88. — 6d)toantungen ber
ägöptifdjen gbronotogie. Alter bei Sobtenbufys 89. 90. — 6t>ararter bes Sobtcn«
BudjeS. Sie ÄoSmogonic unb btc UnfterblidjfcitSlebre ber AegDpter 91. 92. — ©in«
Teilung beöJBudjeS: „Sob", „©eridjt" unb „^arabieS" 93. — 3nb>lt ber nridjtigflen
Äapitel. $PmnuS an ben Sonnengott 9ta 94. 95. — SaS 2obtengerid)t (125. Äapttet).
Sie AntrittSrebe ber Skrftorbenen. Sie ?Pfp,<f)oftafe. Sic Anrufung ber 42 SRid)ter
96-99. — eintritt tnS Stenfeitt. »erfd^iebene «Prüfungen 100—102. — Sie Auf.
erfiebung unb baS Sieben im SenfeitS 103-106. — «eltgiöfe unb literarifaje SJe-
beutung beä Sobtenbud&eS 107. 108.
Siebentel flapitcl * $?iterarijdje& hieben im alten Aeguptcu
fluides SMlb ber altägt)ptifcf)en Sultur 108. — Sie b>nnetif$en 5öüd)er nad)
(Siemen* bem Aleranbriner 109. — ©rofje Saljl unb ßntjifferung ber 3nfd)riften
110. - @cfa)id)tli<$e unb bibaftifdbe 3nfd)riften. Stele be* <Be!a 111. - Sie
9Jtaf)nungen bes ^tütj'frotcp («PapttruS griffe) 112. — Sie 6prüd)e bei Ani. Sic
©rmabmmgcu beS ftönigS Atncncmbat I. 113. — JRcligiöfe ©djriftcn. „SaS Jöudj
Dom Am=Suat" 114. — „SaS SBucr) Don ben Sboren" 115. — Sic CftriS-Älage 116
bis 119. — profane unb religi&fe ityif. Sieb beö ftönigs Antuf 119. — SaS S>tcb
bes Jparfnerö. £önig$b,bmnen unb ©ötierf)Umnen. £obgefang an Aimnon=9ta 120
bis 122. — Saö SRamfeS'ßicb , bie einjige größere $robe Don Gpit 122—125. —
©rjäblenbe ^rofa. Sie Abenteuer beS ©inurjit 126. 127. — Ser 6d)iffbrüä)ige 128.
Sie ©efcfiidjte Don ben jjlDei SBrübern 129. 180. — ©efdndjte eine* 93auem 131. —
Ser DertDunfdjene ^Jrinj 132. — Sie befeffene ^rin^efftn Don J8ed)ten. Aönig (Sb^ufu
unb bie 3auberer 133. — Hoppes Sinnabme burd) ^Iljutii. ©efd)iäjte beS Satni
184. 135. — Scr gdja^ bcS ftfjampfinit. Herfa« ber ägi)ptifdjen Jöitbung 136.
3toettes iBud).
ffrftee flnpitel: 5«» 9te»e teftoment.
GbtiftuS als Äinb im aleranbrinifdjen Aegypten. ^ßroDibentiette ©ebeutung
ber afesanbrinifd)«grie^ifd)en Öilbung unb ber grieo^ifeben Sßeltfpradje {xotvi}) 139. —
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Sie ßoangetien. Giinfadjbeit imb »nfprurfislofiflfdt 140. — %tfvt göttliche
6rbabenf)eit. Anfang beä 3oljanne$cuangeiiuma 141. — 9Hattbäuä 142. — SDlorcu«.
2uca$ 143. 144. — Soljaiuu* 145. — Sie HpoftelgefdjidUe 146. 147. — Sie »poftel*
fcriefe. £ellenifdje »ilbung unb poctifi^e Grfwbenfcit be« b*. ^aulud 148. — Sie
«polalüpfe bt% t)l. 3obannc4 149. 150. — Sa« Neue Seftoment al« ßebrbud) unb
©efefcbudj 151. — ^oetifdje 3üge. Parabeln, ©leidmiffe, ©prüdje, ajilberfpradje
152. — SBerfdjiebenbeit oon ben übrigen 9teligion&fd)riften ber JBölfer. ÜDloraliirfjev
Sieg über bie fjeibnifdje Sitültfation be« ?Utertf)um0 153.
HrociteS ßapttcl: Tie utoraenlänbifäeu «boTrDbfien
Gntmidlung ber ebriftlie&en ßiteraturen im «nfd)tufe an bie »ibet 154. - Sie
fogen. »pofrljpben. 3u>et «tten berfelben. 3fübifdje unb te^ertfc^e ©ebetmbüd&er.
3unal»ne berfelben burd) bie ©noftiter 155. — Slbtoebjenbe Sbätigfeit ber Äirdje.
SRilbere Slnfidjten beS Crtgene* 156. — Äirdjlid) gebilligte Mpofrüpljen be« Otiten
Xefiament«. ©ebet beä ÄönigS üDtanaffeö. Sa« britte unb oierte SJudj Säbra« 157.
— Ser 151. ^falm. Sie 18 Jahnen Salomon«. Sa« britte unb uicrte 93ud) ber
«Wacöabäer 158—161. — SRebr pbantafiifdj.legenbarifdje ©Triften. Sa« Sud) Jpenod)
162. 163. — Sa* JBud) ber Jubiläen. Sie ^immelfatjrt be* Sfaia« 164. - Sie
Oimmelfaljrt bc« 5JZofeö. Sic Seftamcnte ber jmötf <Patrtard)en. Sie »polalnpfe
SBarud)8. Sa« Sud) SBarud) 165. — Sa« d)riftlid)e Slbamöbud) (Gadela Adam).
Sic neuteftamcntlidjen »pofrtjpljen. Soldje non tird)Iid)em Slnfefjcn 166. — ftird)*
lidjc ^raji« in Sejug auf bie übrigen 167. — ©noftifdje Sidjtungen in ben Sipoftcl*
octen. Ser „(^mmii von ber Seele" 168. 169. — Sie djrifUidje Eegenbenbilbung
in ben $rotoct>angetien. Sßrotoeüangelium 3acobu«' be« Jüngern 170. — gtmngelium
Üboma«'. tpfeubo»*DlattIjäu«ct)angclium. Evangelium de nativitate Mariae. Evange-
lium infantiae Salvatoris 171. — De dormitione Mariae. ©cfd)id)te 3ofepI)« beß
3intmerntann8 172. — ©eftaltung ber djrifUidjen ÜDtarienlcgenbe. 3br bogmatifdjer
ftero. Sa« 3)tagmftcat al« ©runbaecorb ber djriftlitfjen Sidjtung 173. 174.
SrtHe» ftqritel: Ser %L <Jpb,räm, ber Älafftler ber Stirer.
Sie Slbgar-ßegenbe. Särifdje Söibelüberfefcung. Sie Sdjule oon ©beffa 174.
175. — Sie gnoftifajen Sidjter »arbefäne« unb £armoniu« 176. — gpbrömä öeben
177-179. — ep^räm ol« ©djriftfleaer unb Sidjter 180—181. — ©eiftlidje 3eitgebid)te.
Carmina Nisibena. ©ebidjte gegen Julian 181—186. — ©rupptrung unb ß^aralte»
rifhf feiner übrigen Sidjtungen 187—189. — ©rnbgefänge. Sie ©djilberung ber
^Jeft 189 — 192. — Sogmatifdje ©efänge. a2Öeibnad)tÄpoefie 192—195. — ©efänge
über bie ^ßafjion. Slnfo^ ju einer SJleffiabe 195—197. — ßieber öom ^arabied unb
oon ber $erle. epbräm ber erfte djriftlicbe Sidjter be« Drientd 198. 199.
»ierte« Äo^itel: Satterer »erlauf unb fculiurtebeutüiifl ber rtrifi^n ßiterrtur.
epbrämS 9lad)folger: Sarai unb Gnrittona«. SÖlartfireracten. Spaltung ber
Äirdje burdj bie 9teftorianer unb 5)lonopl)»fiten 199. 200. — Jßorlämpfcr be« alten
©laubenö: Stabbüläß unb tyaat ton 2lnttod)ien. 3baß 201. — Ucberfe^ung patri«
ftifd>er unb artftoteIifd)er SCÖerle jd)on Dor ber Trennung. 9kftorianifd>e unb mono*
Pb^fitifdje ©d)riftfteller 202. 203. — Sßerbreitung beö 6t>riftent^um8 burd) bie ©örer
über Kerpen b.inau« biö nad) 6^ina 204. — 3aIob oon ©arug alä religiöfer Süriler
205. — Seine «leranberbidjtung 206. 207. — Ser fteftorianer 9iarfe« unb feine
iöedjfelgefänge 208. — „6bmib unb Sdjädjcr" am «Parabiefc*th>r 209. — Ser »raber»
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XIV
3nf>alt.
bifdjof ©eorg. Stprifdje Spulen tu CEbeffa, 9Hftbiö unb ©onbifdjäpur 210. — Tie
Ueberfefeungöarbeitcn ber Sörer. Sie vermitteln bie griedjifdje SBtlbung an bie Werfer
unb «raber 211. 212. — llebcrfefcung befletriflifdjer äÖerfe. „Äalilagb, tue Tamnagb."
„Sinbbän ober bie fteben weifen SMetfter." Sljronifen unb gefd)id)tUdje Söerfe 213.
— Ter jatobittfdje ^otttfiftor »artjebrau« 214. — Tad „SÖtenenbudj". ©erfaß ber
^Poefie. Tidjtungen beö SleftorianerS €beb 3efu 215. 216. — 6iu melltttfdjca Marien«
lieb au* bem 14. 3af)rfjunbert 217. — 9leufortfdje ^oefte. Bearbeitung älterer
2öed)fellteber. „Ter Streit jmifd&en ©olb unb Söeijen" 218. 219.
Sänfte« flitrttel: Tie foptifdjc Siteratur.
©eftaltuug ber loptifdjen Spradje unb Sdjrift 220. — Ueberfefcung ber ^eiligen
Schriften in mempbittfdjem unb fafjibifd)em Tialelt. $atrtftifd)e 2Berfe, befonber* be$
frt. 3ob- ©^röfoflomu« 221. — Ter %bba Sinutf)to* öom Berg 2(trepe. &potrüpben
222. — ©noftifdje Sd)rtften. Tie Pistis Sophia 223. — Stnbere Äcfcerfdjriften. —
„Ta* Trtabon", ein religiöfe* ©ebidjt. — flirdjenlieber. SJerfatl ber Jüolfäfpradje
224. 225.
Setzte* flapttel: Tie Stbiapifdjc Biteratur.
Keltere ätf)iopifd)e Steide, ütteroe, 9lapaia ic. @intt>anbcrung ber §imjariten.
Taö 9teid) üon Hrum unb bie @eej=Spra<&> 225. 226. — (Sinfühjung beö Sbriften«
tbum«. lieber fefeung ber ^eiligen Sdjriften 226. 227. — ©eitere reltgtöfe Siteratur.
3>ie .Settern- (SavftsSv). fceiltgenlegenbe (8Cn«ksar). ä3ibltfcb>8 Sieberbud) 227.
228. — Siturgifdje Rinnen. Sobgcfäuge ju (Sbren ber ©otteSmutter (Organona
Märjam. Felsata Marjäm. Weddas* Märjam) 229. — $robe au* einem atl)to«
ptfdjen SDiarienlteb. Slnttpbonar. 2Utc SJtelobten 230. — Hpolrftp^en. TaS „Tömar»
bud)\ Segenbe ber fieben Sdjläfer. JBarlaam unb 3ofapf)at 231. — Ter ätbiopifdje
«leranberroman in Derfdjiebener Raffung 232. 238. — $of)anne* Secunbus. Ter
,Äömg8rubm" (Köhra - Nagast) 234. — ©efdjidtflidje Siteratur. TigrtnafpriaV
Wörter 235.
-siebentes ftapttel: Tic arotenifrfje Literatur.
#obe* Älter ber armenifdjen lleberlieferungen. Sage beä Sanbc* jttnfdjen
Crtent unb Oectbent 236. — Tie altarmem f eben Sagen nad) SJlofeS bon ft^orene
287. — Sdjamtram (Semirami*). Äönig Tigran. Ter Miefe Toffjr. ©eburt be$
28af)agn 238. — JöolfäUeber. Spraye unb Sdjrtft 239. — ©infübrung beä S^riflen-
t b^umS burd) ©regor ben @r(eud)ter. OJleirop unb feine Sdjuler. Ueberfe^ung ber SBibel
(um 410) 240. — Tie „jmeiten Interpreten". 93Iütr)c ber Siteratur. Ueberfefcungen.
gjntf. eiifdje. SajaruS öon <Pbatf>- Äortun. SDlanbatum 241. 242. — 9ttofe* oon
Jtborene 242—245. — Tic armenifd)e ©efd)id)tfdjreibung 246. — JBeetnträdjtigung
be* ©eiftefilebenfi burd) baS SdjiSma 247. — Ta* Iiturgifd)e ^ttmnenbudj („Sdjaralan").
IR^üttimif. ^Pfafmentöne. 6bora!ter ber religiöfen ^oerte (nad) ©tttefroö) 248. 249.
— ^>ümnenbid)tcr. Slerfe* IV. „Sdjnorljaü" unb feine SBerfe 250. 251. — Gräbel*
bid)ter. Slrmenifdje Trurfereten in Europa 252. — SWcdjitar unb bie 2Ued)itariften
258. — teuere Siteratur 254. — 3ettungdtt>efen 255.
«djte« ftapitel: Tie georgifd)e Siteratur.
Tic taufafifdjen SBölfer unb Spradjen 256. — ©eorgien, Don ©. Drbeliani
gefdjilbert 257. — @efd)id)tüd)C unb fird)lid)c gntmidlung 258. 259. — ßrftc
Siteraturblütbe im «nfdjlufe an bie Jßibel, bic griedjifdjen JBäter, bie Theologie be«
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3nbalt.
xv
f)l. 3o^onne< Sama«cenu« unb bie SDtyftif be* 1)1. VafUiu* uub $oU. ßlimacu« 260.
— Sa* 9ttartörium ber fcll. Saoib unb Sonftanttn na$ bem georgifd)en ©önararion
261. — tteltgiöfe Sidjtungen. JBlfltfje ber ^rofanpoefte unter ber Jtönigin Sfjaraar
262. — „Ser 9Jtann mit bem <Pantb,erfelT, romantifdje* 6po« üon ©d)otta SRufto-
meli 262—264. — SaS 95u* KrtfftÜ*. Bearbeitungen perfider <&pen (2Öi«ramiani,
SBaramiani, Cmaiani) 265. — Sa« „SaDtbiani* be* @uramt3«©a)n)Ui 266. —
(Georgien unter ruffifd&er #errfdjaft. teuere ßqrif, Srama unb ftomane. ©ine
moberne (Elegie 266—268.
Neunte* ftapitel: Str Xelmitb unb bie nruftefrrfiifdje Sifttuag.
Sie Verwerfung be« autorwaljlten Volte* 268. — Anfange ber jübifdjen Sajrtft*
geletjrfamteit im CFril. ©eiftige Erneuerung unter <£*bra* unb 9lef>emia*. ©rünbung
oon ©ünagogen in Vabljlonien unb ^alaftina 269. 270. — Srei ©tabien bev rab-
binifd&en ©efefoeSliteratur. Sie ©opberim 271. — Sie Zannajim unb bie Ämorajim.
9ftif$na unb ©emara 272. — Verbrängung be* ©efefee* burdj ben Xalmub. ©ott
jetbfl ali Äabbi aufgefaßt 278. — Verfilmte {Rabbiner unb ©$uten 274. 275. —
Ser paläfhnenftfdje unb ber babölonifdje Xalmub 276. — ^uriftifdjer ©runbftoef
ber 9Riftf)na 277. — fcalad&a unb fcaggaba 278. — »unter 9Rif$mafä) ber §aggaba;
xfß «influfe auf bie Volfdliteratur 279. 280. - 9Rofe* felbft wifffürlia), pfantaftif«
be&anbelt 281. — Äabbala. Vud) ^irab, unb Sud) ©ob,ar. Sie Stefle be« mofat*
fdjen ©lauben* burdj abenteuerliche Sfjeofopljie unb $t)Üofoptjie untergroben 282. —
SReligiöfe Sichtung. eieajar ben Äalir. Cntwidlung be* ^ijjut 288. — ©elid)a.
Äfinftli<r)ere formen. Köicebron 284. — Setjuba fralebi 285. 286. — Hu* feinen
Vilgerliebern 287—289. — SUcöarifi unb anbere Sinter 289. 290. — Verfall ber
fünagogalen Voefie 290.
Drittes 93u*.
J>i« ^Uexatut btx großer.
Grftc^ ßapitel: «Uarobifdje» Sidjterleben. Sie VlonUalat.
Verbreitung ber arabifd)en ©praä)e. ©rofeer Umfang ber arabifd)en ßiteratur
293. — Uralte« Vebuinenteben, oon ber antifen Vtlbung wenig berührt. Sie ältefteu
Stallungen au* bem 3abjljunbert öor QRofjamtneb 294. 295. — ©ammlungen biefer
Sid)tungen. allgemeiner 6h,ara!ter berfelben 296. 297. — Gnger @efidjt*trei*. fiicb>
unb ©djarienfeiten 298. — $mru ul'äej*, ber umljerirrenbe Äönig 299—304. —
Sarafa, ber Son 3uan ber Söüfte 305—307. — §äritf> 308. — %mx ihn flultbum
309. — ßebib 810. — 3ur)ejr, ber ftriebenfiöermtttler. ©eine ÜHoallata 311—313. —
Slntara mit ber §afenf$arte, ber §albncger 314. 315.
3»eite* ftapttel: Xie oltorabifay Si^tung unb bod Cbriftentfjum.
9läbig^ar ber §ofpoet Oon ^tra 316—320. — 35er SBBüflenfänger ©ajaufara
320—328. — Sie §amäfa 324—325. — Ser literarifdjc 9EBertr> ber Vebuinen«
poefte 825—828. — 6h,riftlid)e Cinflüffe auf bie «raber. Simeon ber ©tülite.
Sie $öfc ber 8ad)miben unb ©fjaffäniben. 6b;riftenberfolgung in Slebfa^rän 329
bi« 332. — Ser «raberbiföof ftufe 333-337. - Ser fahwnbe Sänger gl %m
338. 339.
XVI
Sritte* Jhqritel: 35er St$x&n ali fitierttturlentmal.
Sic Sidjter bcr „ttnnnffenf)eit" unb bcr Uebergangäjeit (bie „83eiMebigen")
339. — SJtotjammebö crfteä Stuf treten 340. 341. — 6ntftef)en bc$ 3älämä 342—344.—
EtobammcbS greinbfeligreit gegen bie Sid)ter 344—347. — Sie Stüter in ajiorjainmebS
Sienften 347-350. — eiterarifdjer efjaralter beö fiorünö 350-355. — ßrjrifdjcö
unb Gpifä)e$ im ftorän 355-357. — VcrbaUfjornung ber ©cfd)id)te beä «Patriarchen
3ofepfi in ber XII. ©ure „Süfuf 358. 359. — ajläräjen unb 3rabeleien über bic
anbern «Patriarchen, Äönig ©atomon u. f. tr». 360. 861. — ßiterartfdjc (5intoirfung
be« fioränö 361-366.
Stertes ftatfiel: ttrabiffte l^tong unb »tffenf<9«ft im Steide ber Kalifen.
Sie (Eroberungen bei 3*[äm«. Sa* 9iei$ ber Är)alifen 366. - gntwtdtung
ber arabifdjen ßultur. Sinanj» unb «Dcilttärfoftem 367. — Stam&bUdbe Aneignung
flrtecr)ifdt)cr unb ft>rifä)er »Übung. Umgestaltung ber ©djrtft. Jtattigrapbie unb
Urabeäfe. Sie Äunft nur im Stenfie bc£ Suru* 368. — 2Jlot)ammebanifä)e Sbeologie.
©ecten. ©efdjic&JItcbe Slufeeidjnungen. @influfe perftf dtjer , grieä)ifd>cr unb foriföer
©elebrter 369. — Ueberftebehtng beS «balifat« von SamaSfu* nadt) JBagbob. Sie
grofeen ftbalifen 9U ajtanfür, $ärün »I SRafäjtb unb 8(1 aJia'müu 370. — lieber*
fefcungen, jöibliottjefen unb $ocbJa)ulen 371. — *4Jfnlofopr)te. Sluicenna unb HberrboeS
372. — 2Ratf)ematif unb 2tftronomte. Sil SJerünt 373. — ©eograplue, Sttebicin unb
9laturnriffenfd)aft 374. — ©efcbjdjte 375. — Uebertrtebene $>o$fdt)ä$ung ber arabiföen
©eletjrfamtcit 876. — *Dlangel einer tjumaitiflifcfjcn SBilbung 377. — Slbfetjr öon ber
tit>rtftHdt>en ©efittung; Sortbauer ber JBarbarei bei fd^immernbem 9ieotwiffen 378. —
Uebergang bcr 93ebuinenpoefie jur #ofpoefie 378. 379. — 3bn Sljä«. Stbü Sftotoäa
380. - Ser Volfabicbtcr SlbüM 'tKtatjijQ 381. - Ser «prina 3bn «Diu'taaa 382. -
2er fa&renbe ÜJttnftrel ©lotanabbi 383. — Ser ritterliche Sidjter Slbü Siros 384.
885. — Ser Sreibenfer SlbüM Sllä «DWarri 385. 386. — Sie 5Dta!amenbid)ter £ama*
bäut unb ftariri 386 — 391. — Sic arabifdtje Sidjtung in ©panien 391—893. —
SlÖgemeinea Uvtt>eil über bic ^Jocfte ber Slraber 393. 394.
fünftes Staphel: Sie orobija)e Gr)ätjlung0litcrotur.
üofmänS Säbeln 395. — JBerjciäjniB öon Unterbaltungöfa)riften im 3rtr)»'ift.
Ucbcrfefeung beö Htjobät-näme unb beö „Atalila toa Simna" 396. — „Saufenb unb
eine 9tacf)t\ ©ejdjid)tlid)e eingaben über biefelben 897. 398. — Spatere ^Bearbeitung
berfelben in Slegnpten 399. — Ser älteftc ©runbftocf 400. — ßiterartfäjc »orjüge.
Sluägaben unb Verbreitung im 2lbenblanb 401. — Sa« plmntüfttfcr)e unb ibeeöc
©lement 402. — Saä realiftifdjc unb b"*>toriftif<r)e Clement 403. 404. — SSunter
€barafter be$ ©anjen 404. 405. — Ser Slutar-ftoman 405—408. — §ufein8 Sob
unb 9)tud)tör« 9)a<r)e 408. - - $robe barau« 409. 410. — £f>arafter unb Verbreitung
ber ipufein-Segenbe 411.
©edjStei* ffapitel: Unfälle ju einer ^nftlia)'arobif(t|fn Literatur.
Sie @rbfeinbfcr)aft jn>ifd)en ^ilam unb ß^riftentbum 411. — SBerü^rung8pun!te.
Strabifdje Sibetübcrfefeungen be* »Rabbi Sa'abjab, unb bei ©rpeniud. Sie JBibel«
ausgaben öou SRom unb Setrut 412. — @b,riftlicf)e Sidjter im Libanon. (Srjbifdjof
gfarbät 418. — Shqoläuä ©mg unb Witirbitfd) (<Dtgrbitfä)) al»<lafif). Sie St. 3ofrt>b>
Itnioerfität ju üöetrut 414. — STlobeme Literatur in arabifd)cr ©praä)e. Stbtec)neube
Gattung ber aufgeflärten 3Jlobammebaner gegen bai ebuftenttnra , toie fd)on bei
mofavn 415. 416.
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XVII
Vierte« $ud>.
f>i« cltferafitr btt Tfexftx.
(vrftcd ftapitel: $0« «üefto unb öic ^c^leoi L'itfrotur.
Sllter unb lleberlegen^eit bei perftfdjen Guttut 419. — SaS alte Verfielt unb
feine ^nfdjriften. GtyruS, ber tterqeiftene JBefreier be3 iSraelittfdjen SBolfeä 420. 421.
— Umfang be« altperflfdjen Steide«. 3nfc$rift be* 2)ariu« 3U Sefjiftun 422. ~
5$er Untergang ber fld&ämembenperrfdjaft 423. — SDaS Hbejta. On^alt, Spraye
unb «Iter 424. 425. - Sie aöeftifdje Religion 426. 427. - $ie aoefUfdje Äönig*»
unb #elbenfage 428. 429. — 2>ie abefttfdje $t)mnif. groben au« JBifpereb unb
JBenbtbüb 480. 431. — 35er »fb>?)aföt unb btc Äönig«m$tt|en 482—435. — 95er«
änberung ber ©prad>e unter ben ©affaniben 436. — 3)ie religiöfe ?Pel}lebi Literatur
487. — Sie profane Siteratur. Sie ©eflaltung bed Äönigabudje« (Äljubäinäme)
438. 439. — Untergang beö ©affanibenreidje« unb ber $el)Ie&t'ßiteratur 439. 440.
3»eite« flatftel: Sie anfange nenjKrfiMer Stiftung unb &trbüfi.
9ieuperfifd)e ©prad&e unb 6ä)rift. Ueberfidjt ber toeitern ßiteraturentmidlung
441. — (Spaltung ber perfifdjen Sultur unb ©pradje unter ber arabifdjen £errfdjaft
442. — ^olitifdje 5leugeftaltung 443. — Anfänge ber neuperftfdjen ßiteratur. Sie
bidjterifdjen £auptformen 444. — «Rübagi unb Slüicenna 445. — Saqiqt. Sultan
ülRafymüb üon ©fyajna unb feine 2afelrunbe 446. 447. — ftfirbüfi« Scben naä) per»
ftfdjer Ueberlieferung 448-451. — Sie Satire auf ©ultan aJcaqmüb 452-455. -
3firbüfi* ©reifenalter unb 2ob 456. 457. — Sa« 6d)ä$nöme. S&aralter unb
fcali. Hudgaben unb Ueberfefeungen 458. 459. — Sa« ©d)äfjnäme in Seutfd)lanb.
©örre«, Wof)l unb Äüdert 460. 461.
Srttte« ftapitel: Sie fcelbenfage Mn 3wn im ©djä&näme.
©efamtbüb 461. — ßaiumor« 462. — §ufdjeng. 2af)mura8. Sfdjemfdnb.
Sa* golbene Seitalter 463—465. — 3of>ät. Ser Söeltfampf jtt)tfdjcn 2id>t unb
ftinfternife 465. 466. — fteribun. Sie Teilung ber SDBelt unb ber 5Brubermorb an
^rebfö). SJlinutfdjeljr 467. 468. — Sie gelben ©am, 3al unb ftuftem. 9le»ber 469
bt« 470. — Sie Könige 3eto ""b ©etfrfjaöp. JRuftem« crfle Abenteuer 471. — Äei
Äobab. £ei Äa'u« unb fein 3"8 nadj SJtajenberan 472—474. — Ser Sob ©of)rab«.
475. 476. — Sie ©efdndjte be« ©ijaumfdj 477. — Sie £>cimIjoliing Äei ftfjoäru« 478.
479. — Äei Ägoäru unb ber grojje Äampf mit Stfraftab 479- 484. — ftti Äf)o«ru«
CEntrfidung 485—487.
Sierte* ftafttel: Sie «lejanberfage im 6dja$itame.
Slleranber« Söeltbebeutung 488. — Serfnüpfung ber iranifdjen Äönig«fage mit
ber Slleranberfage 489. — ftönig iJoqraSp unb bie Abenteuer feine« ©ofjneä ©ufdjtaäp
am Äaiferljofe ju 9tüm 490. — ©ufd)ta8p unb 3«bufrf)t (3oroafter) nadj ber Sar=
ftettung be« Saqiqt 491. 492. — 3«fenbiar« erfte $>elbentf>aten 493. — 3)ie fteben
.flapen" be« 3«fenbiar 494. — 3*fenbiar* unb ftuflem« 2ob 495-497. — »ahman
unb C>omai 498. 499. — Äöntg 3)arab al« SWater Sllejanber« b. ©r. 500. — 2>er
ftampf 38fenber8 mit feinem £><Uo&ruber ^ara (®ariu«) 501. 502. — 3)er %ob beö
S)ariu8 503. — 3«Ienber« $oö)aeit unb Ärieg roiber 3für ($oroö) 504. 505. —
3«!enberd SDSeltfaqrt unb fabelhafte Slbentencr 506. 507. - ^lälenber« 2ob 50«. 509.
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XVIII
Malt.
Sänfte* ftopitel: £ie Sngenftefdjidjte ber «affanibtn im Scbäljnnine.
2 er britte Sfjeit be« §po* unb feine funftterifdje Jöebeutung 509—511. —
9trbefd)tr JBabefan 511. 512. — £eftwab« 2öurm, eine Spinnftubengefätd)te 513 bis
515. — Sdjäpür unb feine Slbenteuer in JRüm 515. 516. — $er fröE)Iitf)e &olt«*
fönig ÜBabräm ©ür unb feine ^ncoQni'O'Stretäje 517—520. — Seine ftriegä^üge.
$ie ©infüfjrung ber 3igeuner 521. 522. — fleörd 9lüf(^irU)äii , ber ©eredjte, unb
ber Soctaliftenfüfjrer 2)tajbat 522. 523. — Äe«ra8 Regierung al« 3bealbilb 524. —
SJkrttirium be« dnrifllidjen ^Prinjen 9iufdjjab 525. — flönig Jpormujb geblenbet 526. —
Äf»o«ru *Parötj unb ber Öfatt be* ajatjräm 2)fef|ubinel) 527. — 9hiftem, ber Iefete
Stüter Werften«, unb feine 3ufunftäoifion 528. — 3)ie grmorbung 3cjbegerb« III. unb
Werften« Untergang 520. — ©efamtmfirbigung be« Scfjdtjndme 530—532.
Staates flapitel: Henperfifdje epif, $«fbldjtnng unb Satire.
£iftorifd)e ©pif. 6l)flifd)e 3)ief)tungen 533. 534. — ffiomantifdje ©pif. !BÖi*
unb SRnmin 585—538. — Nijdtm 539—541. — fcßieberljotung berfelben Stoffe, $ie
flaffifdjen ßiebeäpaare : Äfjuärau unb Sdnrin, Saitd unb 9Kebfd)nun, $üfuf unb
3alitbd ic. 542—544. — Neue Stoffe au« ber Hlt-IUegenbe , ber fpätern ©efcfjic^te,
inbifdjen Stomanen 545—547. — §ofbidjtung unb Satire. Stnöari 547. — fltafänb
SEßattvdt, ber perftfdje JBoileau 548.
Siebente« ftopitel: 3>er SuftSrauS unb bit mqflifdje Bttrif unb SibafM ber jperfer.
Anfänge be« mobammebanifdjen 9JtPfttci«mu« 548—550. — $er perftfd>e Süffa«
mu«. 2>ie mpftifd)cn Stufengrabe 550—552. — $antf>etfiifd>er Äern ber SRpftif ;
materialiftifdje unb unfitttiäje eonfequenjen 552. — §atim Äifd'i 553. — Hdü
Sa'ib, ber Weifter be« Epigramm« (SRubai) 554. 555. — $aftm Sand'i 556. —
9tarionaiiflifd)er äötberfprudj. Cmar bin Äfaöödm 556. 557. — 91dfir bin ftfju«-
rau 558. — fterib ub»btn '2lttdr unb feine B9}ogelgefpräd)e" 558. 559. — 2)fdjeldl
ub-bin SRümi, ber größte ber perftfdjen ÜDluftifer 559. 560. — gfarbenfdjitternber
*Pantf>ei«mu« 561. — Sa'bi. Seine weiten Weifen. Sein „{Rofengarten- unb ,,5rudjt«
garten" 562. 563. — £dfij. Sedjnifdje 93oÖenbung unb fadjlidje eintönigfeit feiner
«rjrif. 3mmoraIifö)er ajeigefdjmarf berfetbcn 563—565. — $fd)dmi. SJertjängnifc-
öoüc ©efamtmirfung be« Süfi«mu« 566. 567.
Wctjtca ftnpitel: Weuperfifrfje ^rjäljlunftAfunft.
Nomone im 3lnfd)lufe an bte nationalen epifd/en Stoffe „3)dftän", „2)drdb'
tarnet)", „Sifanbar«9himet)4' 568. — Nomone au« bem ftreiö ber mobammebanifd)en
Sage. „fcoinja-Ndmeb". „©efdjidjtc beö fcütim Zä'i" 569. - wf)üfuf unb 3alift)ä-.
„$ic Sßunberttjaten be« 9Nofe«a. ,,$er t3rrud)tgarten ber ^tmntafie". Neubearbeitungen
Don „ftattla u>a 3>imna" 570. - „Siubbäb-NdmeG". $a« „«Papageienbudj" 571. 572.
Neuntes ftopUel: Naffjbiatbe perfifnjer ^injinng in Labien unb $erf«n.
Neugeflattung ^erftend burd) Sd)äb ?lbbä8 1. 572. — ?ßerfifd)e Literatur am
^>ofc ber ©rofemogule in ^inboftdn. «aifer Slfbar unb feine poetifd)e Safelrunbc
573. — Ueberfe^ung inbifd)er SÜerfe. ^»iftoriferje Arbeiten 574. — Sragifdje« So«
beo ^rinjen 2ärä Sdjifüf) unb be« Sd)ät) 'Sllam. JßijriTer am ^>ofe ju ^öpa f)dn.
Neuere (£pen 575. — Verfall ber SSiä)tfunft. SUiel ^robuetton, aber blo&e Wlafic
576. — CiVäui. Dogma Sfdwnbafi. «iteroturgefdjiajtc beö SHijd Äuü.ftbdn 577.
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XIX
3ehnteä flapiiel: nru^erfif^e $olf3brama (Ja jie&).
SRecitarion ber altem Sidfrtungen. #eranbilbung t>on üttnfierienfpielen aus» bem
Gülte ber fü)iitifä)en „Sftartprer" §afan unb §ufflin 577. 578. — Ttnatpfe ber
fiebenunbbreiftig Don Sir Cerni« $eUt) gesammelten Stüde. „Ser ägt)prif$e Sofepb/'
als (Einleitung 579. — Sie übrigen ©lüde. Sarftellung. 9teligiö**tragifä)er ©e*
f)alt 580. 581. - SBefebrungSfcenen »on fünften. „Sa* jüngfte ©eritfr 582. —
llrfprung unb S^arafter ber Stüde 583. — SanatifaVgraufamcr ©runbjug ber
ganjen Seier 584.
ttünfte* 53tt*.
£it ftreinem £\tttatuxtn Uitttttifffitr pötkex.
fcrfte« flapitel: $ie tftrtiWe fitterotur.
Sa« SÄeidj 3it>fün. Vorbringen ber Surfen, ©ruppcn ber türfifdjen Spraken
587. — Uigurifdje unb tfdjagataifdje Scbrifttoerfe. 9llttürlifä)e Bearbeitung ber
©efdjidjte be« ögtjptifcben 3ofepb 588. — Sangfame Cntmidluug be« Sürfifäjen jur
ßiteraturfpradie. ©rofee 3&bl btx fpätern Siö)ter. Sämtt. SFadli 589. — f&ati,
ber gröfete türfiföje Siebter 590. — Plegie auf Soliman ben ©ro&en 591. — 6pif
unb 6rjäl)lung8literatur. Stationärer (praller ber »Übung 592. — ©efa^iajt«
frfjreiber 593.
Zweite* ßapitcl: Tie 23nrbcn ber Slfgbanen.
Sic ^Pufä)tu=Spraä)e. Sftobammebanifcbc Sage barnber 594. 595. — Sa«
„Stad^an ul«3«täm" unb anbere religiöfe SOßerfe. SJtobammebanifdje (Sultur 595. —
SJerübmtere Sinter: 2lbb=ur.9labmän ; Äbroäbfdjab, «Dlolmmmeb; 2lbb«ul^amib ;
snirjä Äbän 596. — Äb»f<f>bäl Äbän, ber Stammeöfürft ber Äfwttaf, unb feine
rriegerifä>tragif<ben Sdjidfalc 5Ü6-59S. ~ Seine Söbne. Snfifcbe ßljrtt be« Hcf>mcb
S(bät) 8bb*9[[i 599. 600.
Drittel flupitel: 8»lf8potfie ber altaifötti Jurfftöntme.
Sin ben ©renken ber Literatur unb Gultur. Sinter unb ^oefie ber Aurben
601. — *Dlad)bumtuIi , ber Surfomancnbitfjter am &afpifä)en 5Dleer 602. — Seine
Sdjüberung be« jüngflen Sage« 603. — Sie Sforf ajungen (Saften«, Sönnrot« unb
SRabloff«. ,2eteutifd)e« Srfmmanengebet" 604. — „Se« §afen Soblieb" 605. 606. —
©emeinfame 3üge in ben Siebern unb Sagen ber üerfäjiebenen Stämme 607—609. —
epifdje iöolf«gefänge ber Äura=flirgifcn. gr 9Jtana« unb Ooloi 610. — Siabloff«
3lufjei<fmungcn unb bie bomerifäje ftrage 610. 611.
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Die £tatmnt>olker in älteren Hütaroj: 3svaüiUn,
5ü au «mariner, JffieWtteratiir. I.
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(Srfteä Kapitel.
&\M ttttb l&dttxtexatui.
||ti§ mertroürbigfte Sud) ber gefamten Weltliteratur ift, rein menfdjlicfc
unb natürlich betrautet, jene Sammlung ^eiliger Schriften, meläje mir mit
bem tarnen ber 99ibel ju bezeichnen pflegen. 3)ie 9lbfaffung§$eit fetner
berfdnebenen 39eftanbtf>eile umfaßt ungefähr anbertljalb Safyrtaufenbe , bon
9Jlofe§ bis jum @nbe beS erften 3>ahrf)unbertS unferer 3c'irc^nun9- Siidjt
nur manage ^nfdjriften ber 9legopter unb ©abölonier mögen beätyalb feine
älteften Stüde an $Uter übertreffen, fonbem aud) eigentliche Sdjriftroerfe
biefer unb nod) anberer Hölter; aber bie ftdjern lleberlieferungen, meiere es
enthält, reiben meit über afle jene $enfmäler jurüd; feine roeitem 9tad)s
rieten, getoiffermafien an ber ©renjfcfyeibe jtoifdjen Orient unb Occibcnt
aufgezeichnet, bieten nicht nur bie bebeutfamften 2luffd)lüffe über bie 9ln=
fange ber menfd)lid)en ©efdnchte, fonbem aud) ben günftigften unb berläfj=
licfyften Stanbpunft ju beren weitem (Srf orfdjung , unb enthalten jugleid)
bie menfchentoürbigfte Religion unb bas reinfte, erljabenfte Sittengefe^, $u
welchem baS gefamte 3lltertf)um gelangt ift.
SBon unmittelbaren Jüngern (Shrifti oollenbet unb abgefdjloffen , tritt
biefeä $ud), als bie fchriftliche #auptqueüe ber djriftlicben (Sioilifation, in ben
eigentlichen TOtelpunft ber 2öeltgefd)i(hte unb ber 8iteraturgefajid)te zugleich.
3n mehr al§ breir)unbert Spraken ift es über bie ganze Sßelt oerbreitet;
feit faft jmei 3af)rtaufenben ift e§ ba§ oorjüglia^fte Sef)rbuch aller religiöfen
unb fittlichen S3ilbung für baS d>riftlic^e Suropa unb für bie bon ihm
cioiliftrten fiänber ber übrigen SÖBelt. Ob aud) jerftüdt unb oerunftaltet,
fjat e§ burd) ben ftorän einen meittragenben (Sinflujj auf bie mohamme=
banifdjen JBölfer gehabt, unb felbft Söerfe ber Snber laffen bermutljen, bafs
fein fiidjt frühzeitig in jene entlegenen Sänber gebrungen ift. $a§ jübifche
33olf, ber erfie 93efi^er ber eljrtoürbigen Urfunben, r)ot , unter alle Völler
beS ßrbtreifeä jerfprengt, bie alten S)unbe§rollen unoerfe^rt bte auf ben
heutigen 2ag bewahrt unb allen Nationen bie Zerreißungen bezeugt, an
beren 9?erroirtliajung fidj Willionen oon 6t)riften feit neunzehn ^ahrlmnberten
erfreuen. 9ln ber SBibel fyaben fid) bie größten ©elfter ber djriftlichen
1 *
1
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4
«rftea »ud). grfie« flapttel.
Nationen gefault. ftaft alle religtöfe ^oefte unb ßiteratur weift auf fie als
auf ihren unerfdjöpflicben SBrunnquell jurüd. $ie fteinbe fefbft, bie fte
befämpften, banfeu ihrem Ginflufc ben beften Zty\l ihrer geifiigen SBilbung.
®ie größten ßämpfc unb Spaltungen ber cbriftlid)en (BefeHfcljaft haben nur
baju gebient, ihren unermeßlichen 2öerth unb ihre 3u9«^rigfeit an bic
&irdje in ein IjeflereS £id)t ju rüden. 9BaS bie Don ber Äirdje abgelöften
föeligionSgemeinfcbaften an ©laube unb Sitte gerettet haben, oerbanfen fte
hauptfäcblicb jenen heiligen ©Triften, welche fte eigenmächtig bem febirmenben
9lrm ber $ird>e $u entringen fid> bermafjen, aber in ihrer Feinheit unb
Integrität nid)t 511 behaupten oermoebten. 9htr unter bent ©ebufc ber Slircbe
haben ftd) alle ©Triften beS Weuen unb beS Eliten S3unbeS rein unb un=
öerle&t erhalten, ihre geiftige Qfru^tbnrfeit unberntinbert weiter bemährt unb
in ber ftüfle ihrer Äraft afle Slnfeinbungen eine« neuen £eibentf)um§ über=
munben. 3n ben ^errlia^en Konten, welche bie größten SBaumeifter na#
bem Söorbitb ber ©tiftshütte entworfen, bie größten Water mit biblifcben
#iftorien gefebmüdt, bie größten «Diufifer mit biblifcben Welobien erfüllt,
tönen noch tjeute biefelben ©efänge, meiere baS öerbannte ^Srael einft am
Ufer beS ßuphrat fang, meldte bie erften Triften in ben ßatafomben er=
fraßen ließen, an bereu unoergänglidjer ©djönheit bie religiöfe #munif unb
Sörif öon jmei Sahrtaufenben fidj belebt hat. 3n ihrer mojeftätifeben
Siturgie betet, Heft unb fingt bie Äircbe 3af>r für 3af>r bie gan$e fteilje
ber biblifcben SBücber, mäljrenb bie cbriftlicbe ^rebigt ihren ©c^alt beftänbig
bem gefamten SJolfe öermittelt, bie 3ugenb aus ben biblifdjen ©efebiebten
eine unerfefclid>e ftüHe geiftiger ©Übung feböpft, bie 2öiffenfd>aft ftcb aus
ihren unerfeböpflieben ©cbä&en bereichert. SQBo ber ßinflufc ber ^eiligen
©Triften aufhört, wo fie bem 93olfe beräd)tlicb gemaebt, gefebmäht, geläftert
werben, ba beginnt JeineSmegS baS 9teid) einer geläuterten Humanität, wie
es febon fo oft bereiften mürbe, fonbern baS 9teidj ber mobernen SSarbarei,
wie es fid) in ben roljen, gott= unb ftttenlofen ©ebriften beS heutigen Un=
glaubenS oft beutlicb genug berrätf).
5ür ben tfatholifen ift bie Söibel aber niebt bloß baS mertroürbigfte
unb bebeutfamfte $enfmal ber SBeltliteratur , fte ift ihm „baS gefebriebene
Söort ©otteS" — ein infpirirteS SBudj. <JS gehört niebt wie ein griecbifcbeS
Srauerfpiel ober wie bie 5ßeben ber Snber ber rein natürlichen Crbnung
an; cS ift als großartiges, funbamentaleS @rjiehungS= unb ©nabenmittel
in bie übernatürtidje Orbnung eingegliebert , melcbe ©ott $ugleicb mit ber
©cböpfung beS Eienfcben ins $afein rief unb nacb bem ©ünbenfall in
gnabenreieber 2öcife mieberhergeftellt hat, um ben Wenfcben unb ber 9Hcnfd)heit
einigermaßen febon hienieben, botlfommen im SenfeitS, Teilnahme an feinem
göttlichen £eben ju gewähren. (Sr ift beShalb an ber Slbfaffung biefer
heiligen ©ebriften nicht nur fo betheiligt wie an ber Wbfaffung eines be=
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2?ibel unb äöeltliteratut.
5
liebigen menfehlichen SBucheS, inbem er bem Schriftftefler ©eift, Talent,
Söijfen, können öerlieb, roie bei allem onbern menfdjlichen SBirfen. (Sr b,at
fid) ben ^eiligen Schriftftefler eigens auSerfefjen unb borgebilbet, er h<*t ihn
3um Schreiben angeregt unb beauftragt , er hat über feine £b,ätigfeit ge=
warht, ilmt UnbefannteS burdj Erleuchtung ober Süifton mitgeteilt, ober im
©abreiben beffen, was er fdjon famtte, feine Xb,ätigfeit geleitet, fo bafi, was
er fchrieb, ganj unb bofl baS „2Bort ©otteS" genannt werben fann, weil
es im tarnen ©otteS, in feinem Auftrage, als feine Äunbgebung an bie
^J?cnfc^r)ett gerietet ift. 60 fromm ber Snr/alt ber „Wachfolge ßfnifti"
fein mag, fie ift baS 9Bort beS Bornas bon ÄempiS. 60 Diel Anregung
unb £ilfe ©ott babei gemäßen mochte, feine Schrift rür)rt nicht unmittelbar
unb autoritatib bon ©ott ljer. 3n ber Bibel aber fpricht ©ort als l)aupt=
fächlicher Urheber ju uns, ber biblifche Schriftftefler nur als fein S<hrift=
füt)rer unb untergeorbneteS, menn auch felbffthätigeS Söerfjeug.
liefen Segriff ber ^nfpiration weiter auSjufüfjren unb 511 begrünben,
ift Sache beS Geologen, nicht beS SiteraturhiftoriferS ; allein bie 2b,atfad)e
ber Snfpiration barf ber fatholifche Siteraturb,iftorifer nicht berfchmeigen noch
umgeben, menn er nicht bie gefamte Citeraturgefdjiä^te auf eine falfcfje unb
inige BafiS rüden null. 5)ie Bibel ift fein blojjeS Sttenfchenwerf , roie bie
Beben unb SßuriinaS ber Snber, baS ?toefta ober ber Äorän, fie ragt an
geiftigem ©cb,alt, fittlicher ftrudjtbarfeit unb innerer 2öürbe b,od) über alle
Söerfe beS bloßen 9Jienf<hengeifteS empor; fie ift recht eigentlich ber Öeitajt=
thurm unb ber ÜKittelpunft, bon bem auS mir bie ganje übrige Siteratur gu
betrauten haben, roenn roir nicht in bie 3rre gehen wollen. Sie erft hat,
inbem fie 311m lebenbigen 6igentf>um aller Bölfer rourbe, bie fd)roffen
nationalen ©egenfäfce ausgeglichen unb ber gefchidjtlichen 2Beltbetra<htung
jene l)ör)erc Einheit berliehen, bie Stbenblanb unb $Rorgenlanb ju einem
großen ©anjen berfnüpfte unb fo eine einheitliche ©efduchte ber SRenfchheit
möglich machte. Sie berförpert baS ©öttliche in ber Siteratur, baS feine
menfehliche Seiftung erreichen ober erfefcen fann. Sitanenftols unb fünftlerifdjeS
Sinnenfpiel, ©enieüberfchäfcung unb Üflenfchenbergötterung finben fyex eine
unüberfieigliche Schranfe.
Irofc biefem erhabenen ßharatter ber göttlichen Slutorfchaft gehört bie
SBibel nichtsbeftoroeniger auch Dem Bereiche ber menfehlichen Öiteratur an.
2Bie fich ber Sob,n ©ottes in ber 9Henfchroerbung wahrhaft unb roirflich
ju uns he™&lief$ uno eine menfehliche Watur gleich ber unfern an fich
nahm, fo ^at ©ott auch in feinem getriebenen 2Borte feine Botfchoft an
bie Wenfchheit in bie ftorm menfehlicher 3tebe unb Schrift gefleibet, welche
ftch in ihren äufeem wefentlichen Beftanbthetlen nicht bon anbern menfa>
liehen Sprachen unterfcheibet. Sie meiften Bücher beS Gilten SeftamenteS
finb in ber Sprache beS auSermählten BotfeS, ber ^cbräifdt)cn , gefchrieben,
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CPrfteö «Buch, tüftci Äopttei.
einige SBruchfhide (bon Daniel unb ßsbraä) chalbäifch, baS Such bei 2BeiSs
heit unb fofl baS ganje 9ieue 2:efiament in ber griedjifchen , melche als
SßerlehrSfprache beS Ungeheuern SRömerreicheS am geeignetften war, bie froh«
Sotfchaft beS feiles rafdt) in ber ganjen 2Öelt ju berbreiten1. $a es fich
aber, bei ber großen SBeränberlicrjfeit unb Wannigfaltigleit ber menfcglichen
Sprachen , auch barum t)anbeltc , ben foftbaren ©djafc beS getriebenen
©otteSmorteS in einer jugleich ftabilen, weit verbreiteten , möglichft uniber*
feilen Sprache unberänbert ju beroahren, mäf>Ite ©ott jur #auptfpraä)e feiner
meltumfpannenben ßirche jene beS römifchen Steides aus, baS nach ben
2Beltreidjen ber Wffbrer, Sabolonier, Werfer unb 9Jtafebonier ben größten
ber eibilifirten 2öelt an ftch geriffen r)atte. $urch bie £>irtenforge ber
köpfte unb Goncilien warb frtit) ber lateinifche 93ibeltejt ber 3Mgata 311m
officieflen unb autfjentifchen ber abenblänbifchen Äirdje erhoben unb jur
©runblage aller fpätern Ueberfefcungen in bie berfchiebenen ÖanbeSfpradhen
gemacht, roähreub inbeS baS firchliche Sef>ramt nicht ermangelte, für feine
hohen Aufgaben unb befonberS für bie eigentlich tljeologifche SBiffenfdjaft
auch bie altehrroürbigen t)ebröifdr)en unb griechifdjen ©runbteste fotoie alte
fbrifche, lateinifche unb anbere Ueberfefcungen ber heiligen 93ücher ju 9totr)e
ju Riehen unb mit f>ofjer (£fjrfurcht ju bewahren.
%ux$) Ueberfefcungen in alle #auptfprachen ber 2öelt gehört bie S3ibel
heute ber Literatur afler eibilifirten SBölfer an, burch ben ©runbtert unb bie
SSulgata aber jenen brei bebeutfamften «Sprachen ber SEÖelt, welche am Äreuje
beS SGBelterlöferS bie größte aQer gefchichtlichen ihQUfl(^cn berfünbeten: bie
Erfüllung .beS 2Uten 93unbeS burch baS Cpfer beS 9teuen SunbeS unb burdj
ben (SrlöfungStob beS menfehgeroorbenen ©ohneS ©otteS. 3)enn auf ^ebröifcr;,
griecfn'fch unb lateinifch mar über bein Raupte (ShrifH gefchrieben: „3efuS
ber 9cajaräer, ßönig ber 3uben". £ier hoben bie brei £>auptfprachen unb
$auptcibilifationen ber alten Seit jenen unauflöslichen SBunb gefä)loffen,
auf bem bie Silbung ber jmei folgenben Sahrtaufenbe beruht unb ber fort=
mirlen mirb bis ans ßnbe ber Hage.
($S mürbe bem ©erlauf ber gefchichtlichen ^fjatfachen beShalb fchreienb
miberfpreajen, fet)r einfeitig unb unmiffenfehaftlich fein, menn man bie filtern
Sücher ber 3Mbel nur als „hebräifege ^oefie unb ßiteratur" betrachten
mollte. @rft burch bie griechifche Ueberfe^ung ber Septuaginta ftnb fte über
ben engen ÄreiS bon ^ßaläftina unb SJtefopotamien hinausgetreten, erft in
ber SBulgata ftnb fie ju einer J^auptgrunblage ber europäifchen SBilbung
gemorben. 2)afj bieS aber lein 3uf°ö nax> bajj ade biefe Schriften nicht
blofc für baS fleine Soll ber Hebräer, fonbern für bie gefamte 2Jlenfchheit
beftimmt maren, bafür legen bie in ihnen enthaltenen SöeiSfagungen, bie in ber
1 Euseb., Praep. evang. 8, 1 {Migne XXI, 585).
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SBibcI unb Weltliteratur.
7
C^5cf cf)icfitc Israels entgoltene Sbbif, bie Sfasfprüdje ©Orifti, fetner 9lpofiel
unb ßoangeliften berebteS 3eu9n'fc °b. ®aS Heme am Oftufer be§
SRittelmeereS mar nur beShalb öon ©Ott ju feinem auSerlefenen Solle er=
roäblt, um im Saufe ber ^ahrtjunberte 3eu9e feiner Offenbarungen an bie
ganje 3ftenfdjheit ju fein unb fte burdj ben aus tfjm geborenen ßrlöfer
erfüllt unb bodenbet bem gefamten ÜRenfaVngefdjledjt mitjut^eilen. 2fn bem
göttlichen Urfßrung biefer ©tiefer haben mir aud) Ooffe S3ürgfdjdft, bafj fte
bie e^rmürbigfien unb öcrlftfslicfjftcrt Urfunben ber 9Jienfd)t)cit ftnb, bafj fte
fidj niajt aus ben Sagen unb 9Jft}tf>en anberer Dörfer herleiten laffen, uns
vielmehr ben einjigen fejten ©oben barbieten, um bie Ueberlieferungen ber
anbern SSölfer unb bie ftdt) baran fnüöfenben #t)pothefen mit einiger <5iä)er=
Ijeit beurteilen ju fönnen. 2Bo bie 2Biffenf(t)aft biefe religiös unb tt)iffen=
fcbaftlicb begrünbete (Sr)rfur(!r)t für bie 33ibel berloren t)dt, ifl fie benn audb,
einem (SfjaoS ber miberfprechenbfien Meinungen, ©ermut^ungen unb fRätf)fel
anheimgefallen unb fyat ftä) enblidj fogar bem traurigen 2Bahngebilbe er*
geben, bie erhabenen 3been ber SBibel, mie bie flaffifd)en Jhtnftroerfe ber
(Brieden, burd) SntroidlungSreihen offne (£nbe öon ber URaterte felbft ober
einem erft leblofen, bann lebensfähigen Urfdjleim ober einem spitfjefantljropuS
abzuleiten unb baS 3lbfurbe ftatt ber emigen Vernunft jum SluSgangSbunft
aUe§ menfdjlidjen ©eifteSlebenS ju matten1.
3)amit ift teineSmegS gefagt, bafj mir baS menfcbliäje (Clement an jenen
^eiligen 33ü<jb,em überfeinen ober geringfct)äfcen bürfen. 3t)rcr ©brache unb
1 $er ungläubige 9laturforfd)er §ur,Iet;, bet in jüngern 3of)ren (in feinen
Lay Sermons) auSbrücflid) bie biblifdje ®efd)id)te in ber JBolfSfdjuIe burd) natur«
totffenfd)aftltd)en ttnterrtdjt öerbrängen roottte, langte gegen (fnbe feines ßebenS bei
folßenbem ©cftänbnife an: „3<t) bin immer fet)r für toeülidje ©rjtetjung geroefen:
aber id) mufj geftefjen, td) bin nid)t wenig begierig getoefen, ju erfahren, burd) tocldje
Otaftifd)e flffta®eln baS religiöfe @efüt)I r bie toefentltdje ©runblage einer guten
gfüb,rung, in bem gegenwärtigen d)aotifd)en 3uftanbe ber ÜJteinungen über biefe $inge
oc)ne bte Seetüre ber SBibel ju erzeugen wäre. S)ie Jjeibnifdjen ÜRoraliften entbehren
bcö Gebens unb ber tJrarbe, unb fogar ber ebte ©totfer tDlarc %urel ift für ein ge»
wöfinltcfjcä ftinb )u t)od) unb comptteirt. ÜDIan nehme bte SBibel als ©anjeS , man
mad)e für Mängel unb pofttiöe ^rrthümer (sie) fo Oiele Slbftridje, als bie Wiffen»
fd)aftltd)e Ärittt Oerlangt ; man fd)etbe, was ein bemünftiger weltlidjer ßet)rer ohnehin
ttjun toirb, alle* aus, Was für ein JUnbergemütl) nid)t berechnet ift: unb bod) bleibt,
in biefer alten Literatur ein grofeer ftüdftanb oon moralifdjer €d)önt)eit. S)urd)
tuetd) anbete« JSud) lönnten bte Äinbcr fo fet)r humanifirt unb jum @efüf)I beffen
gebracht werben, bafe jebe ©eftalt in biefer ungetreuem f)tfiortfd)en ^roceffion, wie
fte felber, nur für einen tlugenblid* einen 9taum jwifdjen &toei CFtoigteiten einnimmt"
(Collected Essays. 9 vols, London, Macmillan & Co., 1895. 2öod)enbIatt ber 5ran!«
furter 3eitung 5. 3Jlai 1895). ©8 ift too^l nidjt nött)t8 beizufügen, bafe biefeS ©efüb,!
beö (Steigen burd) ben ©tauben jur ßrtenntmfc beö gtoigen roirb, unb fid) ntd)t nur
für baS Äinb, fonbern aud) für ben 9Jtann jum raad)ttgften fittlid)en gfactor geftaltet.
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8 €rjte 5öud&. Crfie* ftapttel.
gorm nach gehören bicfclben mirflieb ber b>bräif djen Stteratur an ; fte waren
gunädjft für baS iübifche 93olf beftimmt , baS 9JcofeS aus ber ägtoptifeben
Änecbtfcbaft befreite, unb baS anbere gottgefanbte Mnner bann weiter unter=
richteten. $iefe ©Treiber, beren fich ©ott bebiente, Ratten nicht ben 9luf=
trag, eine neue ©prache gu erfinben: fie gebrausten bie ©prache tt)rer
SanbSleute, wie fie biefelbe int Saufe ber Sabjhunberte bereits auSgeftaltet öor-
f anben ; fie wanbten gur ©arftellung beS ©ebanfenS Silber unb SSorfieuungen
an, welche it)ren 3eitgenoffen fleläufig u"0 Derftänblich waren ; fie geiebneten
in fdjlidjter, fa&licher 2Beife bie Ueberlieferungen auf, meldte ihnen burch
lange münblidje Ueberlieferung t»on ©efdjlecbt gu ©efd&Iec&t gugefommen
waren; fte oermertheten im $ienfte ir)re8 hofcn SerufeS nicht nur bie
ßenntniffe, welche ihnen it)r eigene* SBolf bot, fonbern auch baS Söiffen,
baS fie ftdj, wie SJcofeS, im SBerfeljr mit anbern SBölfern erwarben; fte
fpiegeln beShalb in ©prache, Stil, föebeweife, poetifeber wie profaifeber
ftorm, Umfang ber natürlichen ßenntniffe ben jeweiligen SBilbungSgrab tt)rcr
3eit unb üjre§ SolfeS wiber. Kur ihre religiöfe Aufgabe hebt fte über ben=
felben empor, fdnrmt fte oor jebem Srrthum, ber ben 3mecf ü)rer ©enbung
bebrohte, bewahrt, erneuert unb mehrt burd) fte, mitten im (SljaoS ber
fte umgebenben SBöIfer, mot^ologifdjen Säkhngebilbe , SöerftanbeSöerirrungen,
©reuel unb Slbfcheulicbfeiten , ben reinen, ^eiligen ©djafc göttlicher Offen=
barung unb 93erheifjung. Sticht nur in politifdjer Sebeutung, fonbern auch
in allen 3tDcl9cn materieller Guttut, in ßunft unb Söiffen wirb baS Heine
theofratifche SBolf ber Hebräer bon ben großen deichen ber 9legt)pter, 9lffürer,
93abnIonier, Werfer, 2Jcafebonier unb Körner, oon ben fcbiffahrtslunbigen
^öniciem, Don ben funftfinnigen ©rieben weit überflügelt; aber nur bei
ir)m wirb ber ©laube an ben einen wahren ©ott unb an eine übernatürs
liebe Orbnung, bie Stammesüberlieferung ber !Dcenf<hheit , baS natürliche,
im SDefalog berförperte ©ittengefe^, bie fidjere Hoffnung auf eine (Srlöfung
unb bie ftufenweife Vorbereitung einer foldjen burch feine mtithologifdjen
3errbilber entfteüt, burch feinen abergläubifeben ober unfittlidjen (Fult oers
brängt, burä) feine fptyfinbigen ©peculationen oerflüchtigt, burch feine ber=
weicblid)te Äunft untergraben, bureb fein ehernes ©ftbelregiment gu 53oben ge=
treten, bureb feinen weltlichen ßrämergeift unterbrüeft. SEBeber ben 9lfförern
noch ben ©abnloniern, Weber ben ^erfern unb ÜJiafeboniern noch ben Körnern
gelingt es, feinen religiöfen Ütationalgeift gu überwinben. ©er ©laube an ben
einen, wahren ©ort unb bie Hoffnung auf einen (Srlöfer triumphirt über
ade bämonifchen Gewalten, bis ber oerheijiene ©otteSfohn einsieht in ben
wtebererftanbenen Tempel unb ben oorberettenben ©unb ©otteS mit bem auS=
erwählten SSolfe gu einem SBunb für alle SSölfer unb 3eüen erweitert.
Obwohl bie heiligen ^Bücher nicht ben 3to*cf fünftlerifcher ©arfteüung
unb fünftlerifchen ©enuffeS, fonbern ben Diel t)öhern religiöfer Offenbarung
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»ibd imb SlöeÜlitcvutur.
9
unb ftttlicher $ilbung »erfolgen, rooljnt ihnen boch eine eigenartige «Schönheit
unb Erhabenheit inne, bie oon feinen anbern (Srjeugniffen ber SBeltliteratur
je erceid&t roorben ift unb bie wir nur mit ber Schönheit unb ©röjje ber
fichtbaren Schöpfung, einem ebenfo unmittelbaren SBerle ©otteS, begleichen
tonnen. $er menfehliche ßünftler ift burch [eine ©egrenjtfieit nur aU^u oft
üeranlafet, baS Schöne Dom SBafjren unb ©uten ju trennen, unb fpifc
finbige SerfianbeStheorien reijjen ©ott unb ÜHenfch, ©eift unb 2Belt, 9iatur
unb ßunft, ^rofa unb ^oefte, fiorif unb $ibaftit, <5pif unb $ramatif
öollenbs erbarmungslos auSeinanber, um in einem eng befdjränften , faft
mifroffopifchen Spiegelbilb irgenb einen roinjigen Zty\l ber angemeinen
Söeltfjarmonie in ihrer unerfchöp fliehen Schönheit roiberflrahlen $u laffen.
©ei bem göttlichen Äünftler ift eS nicht fo. ©ein Wugc umfpannt bie jaljU
Iofen Harmonien ber Schöpfung mit einem SBlicf. 3e näher mir ©ott
treten, befto mehr berlieren fich auch für uns bie Dielen fdjeinbaren $if=
fonanjen beS Unioerfums, befto mehr gliebern ftdr) bie jahllofen öerfchiebenen
SBefen jur munberbaren, einheitlichen Crbnung, befto meljr tritt im 2Baf)ren
unb ©uten auch immer leudjtenber ein Slbglanj ber etoigen Schönheit l)er=
öor, bie baS Unfcheinbarfte unb ßleinfte öerflärt, aber uns zugleich ben
unermeßlichen ^Ibftanb beS ©efdjaffenen öom (Steigen unb Ungefdjaffenen
füllen läfct unb uns mit bem ©efüfjle beS Erhabenen burchbringt. Xtefer
ßinbruef beS göttlich Schönen unb Erhabenen zugleich, ber fo oft in ben
SBerfen ber fichtbaren Schöpfung an uns herflnfrM unD ben tein menfch=
licheS ßunfttoert erreichen tann, ift in f)of)em 2)ia$e auch jenen heiligen
©Triften eigen, bie ber 2lllerhöchfte als fein SBort an bie 5Kenfchheit ge=
richtet hat. 60 fchlicht unb einfach eS tönen mag, fo tunftloS unb an=
fpruchSloS eS an uns hfluntritt, es bemächtigt fich nicht nur unfereS 5Ber=
ftanbeS, fonbern auch unferer ^ßhan^ne unD unfereS ^erjenS; ber einfache
Sehrfpruch erhebt fich hü jünbenber SBilberfprache , baS finbliche ©ebet jum
erhabenften ftymnuS, unb bie flüchte ©efdnchtSerjählung gewinnt balb ben
3auber beS lieblichften SbtoflS, balb ben Schroung ber grofcartigften Epopöe,
balb bie erfchüttembe ©eroalt ber fpannenbften $ragöbie.
„$)er tiefliegenbe ßrflärungSgrunb für bie hohe ^njiehungSfraft unb
eroig fortjeugenbe ftülle ber Muranfchauung unb 9taturbichtung beS Gilten
jteftamenteS liegt, roie auch ^umbolbt richtig anerfannte, in ihrem mono:
theiftifchen Gharafter. 5)af$ Israels Sänger unb Lehrer überall beibeS
jumal im 9tuge hatten, bie SBunberroerfe beS fichtbaren ÄoSmoS unb ihren
unfidjtbaren, eroigen Urheber, bafe fie über ber Schönheit ber ©efdjöpfe nie
beS allmächtigen, aügegenroärtigen Schöpfers »ergaben , eben bieS roirtte
gleicherroeife anfeuemb roie ^eilfam jügelnb unb heilfam mäjjigenb auf ihre
naturfdhilbernbe ^hätigteit. 3al)öe ßlohim, ber treue ^eilsgott, ber eroige
5elS SäraelS, oer $err Rimmels unb ber Erbe, ift ihnen jeberjeit nahe,
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10
erfies SBudj. 3rceites Äajutel.
mirb Don ifmen in feinen großen tt)ie Meinen Sßerfen anbetenb erfannt unb
bemunbert. 91uf biefem gottinnigen unb bo$ nidn" oon ©ort berauf d)ten,
@ott nid)t pantljeiflifd) im Untoerfum aufgeben laffenben 28efen ü)re§ 9lotur=
gefüljlS beruht ber bei aller ^Utfe unb Qtarbenpradjit bodj rfjbtfymifcb, mol>l=
geglieberte, juajts unb mafioofle ßfmrafter i^rer naturfdjilbernben Siebe unb
$id)tung, beruht es, bafj, mie ber ÜBerfaffer beS ,£o5mo$4 rtiljmenb ljert>or=
Ijebt, ,biefe ^oefie trofc ü)Ter ©röfce, felbft im ©djmunge ber ffödjfien, burd)
ben 3QUDer Der 3Jluftf Ijeroorgerufenen ©egeifterung faß nie majjloS wie
bie inbifdje 2)id)tung mirb4. $er fjebrftifd)e 9taturbid)ter finbet traft beS
©laubenS an ben einen Iebenbigen ©ott überall im ©egenfafje bie redjte
Qrtnfyeit unb für jeben fdjeinbaren 2Biberfprud> bie befriebigenbe Söfung.
$aS #ö<bfte, ber ^aratlelismus beS ©djöpferS unb ber ©djöpfung, mar
Urnen jum SBemufctfein getommen unb Ijatte audj baS bid)terifd)e ©emütlj
tief ergriffen. ©o orbnete ftd>, Don biefem Ijoljen ©tanbpunfte aus gefeljen,
alles jum natürltd^ften unb mafjrjten *$aralIeliSmuS unb mürbe babura^
fd>on jur Iebenbigen ^ßoefte. Üiefe unb #ölje, (£rbe unb Gimmel, ©djmerj
unb Üroft, 2ob unb fieben flaute ber Ijeilige ©änger im Sidjte eines
emigen göttlichen ©eins. #eine (£rfd)einung ber 3e^fi4teit burfte er auS=
fdjliefjen, jebe einzelne fügte pdf) richtig jum meiten Silbe beS ©anjen, jebc
einzelne erhielt ebenbaburdj aud) ü)re nötige 2Beü>." 1
3meitc3 Kapitel,
pie fle(d)idjtttd>en IßixQet be$ Jlffcn ^unbe$.
©ie 33üa>r beS Eliten SeftamenteS merben bon ben neuem ©djrift=
ertlärern in brei ©ruppen geseilt: tnftorifc&e, poetifd&e ober bibaftifdje, unb
propljetifa>. $)ie Teilung ijt faa^Ua) too^l begrünbet, tljeilmeife fajon
in ber 5tnorbnung ber alten £anbf#riften nahegelegt, boaj nid&t fo ftreng
ju nehmen, als ob nid)t gefdjicbtlidbe Mitteilungen in bie prop^etifa^en unb
poetifdjen Südjer einflöffen, bie gef#idjtlid)en JBüdjer nidjt auc& poetifdje unb
prop^etifc&e Seftanbt^eile enthielten, mäljrenb bie Süpif beS Gilten SBunbeS
gemijferma&en bie ganje ©efd)id)te beSfelben ju einer fortlaufenben 9teal=
$ropf>etie geftaltet unb fie eben baburaj mit einem neuen 3auber ber ^oefie
umtleibet.
$ie gefa)id)tlia)en 99ü(fcer. 9ln ü)rer©pifce fieljt ber Sßentateud) ober
bie fünf 93üa>r üHofeä, bann folgt baS 53ua) 3ofue, baS 39ud& ber 9iia?ter
1 © a a 1 f d) ü , Ofotm unb ©eift ber biblifdben ljebr&ifd)en ^oefte (Äönigfiberg
1853), 8. ttbtb,., bei 3 5 dl er, 2f>eol. unb 9laturtoiffenfd). I, 28. 29.
S)ie gcfrfjicfitlicfien 23ürf)cr bcö %Üm »unbe*.
11
mit betn 93u#e SRutlj, bie bier 93üd)er bcr Könige (bon bencn baS erfie unb
jroeitc audj bie jroei SBüdjer ©amuel genannt werben), bie jroei SMidjer
^aralipomena, bie jroei 99üd)er (SSbraS, bie (leinern SBüdjer Dobias, Subitfj
unb (Sftljer unb enbli# bie jroei ©üdjer ber HKacfiobäer. ©ie umfaffen bie
ältefte @efd)id)te ber *Dtenfdjljeit bis jur MuSerroäljlung beS 93olfeS ^§rael
unb bann beffen ©d|irffale bis jum 2obe beS £>oljenpriefter8 ©imon, beS
legten 5JladjabäerS, im Saljre 135 bor ©r)riftu&. £er 9luSjug beS SöolfeS
^Srael aus Wegbpten fanb nad) ben annäfjernb roaf)rfd)einUd)flen SBereaV
nungen nidjt lange bor bem Qmbe beS 16. ober niäjt [cr)r lange nadj bem
Anfange beS 15. 3aljrl)unbertS oor GljrifiuS ftott1. $5ie Mbfaffung ber
älteften fünf 53üdjer, bon biefen felbft unb burcf) ununterbrodjene Ueber=
lieferung betn SttofeS augeftfcrieben, faßt alfo in baS 15. bordjriftlicbe %at)t--
ljunbert.
ßinfad), fdjlidu", aber mit tounberbarer 3Rajeftät $eid>net baS erfte ber
mofaifc&en 33üdjer, bie ©eneftS, bie Urgefdndjte ber 2Belt, baS ©ed)§tage=
merf, bie (Srfdjaffung HbamS unb (SbaS unb tyren glüdlidjen 3«ftrtnb m
Sßarabiefe, bann ben ©ünbenfafl, ben SBrubermorb $ain8 unb baS SoS ber
aus bem ^arabiefe oerftofcenen ©tammeitern. @S folgt bann bie ©tamm=
tafel ber älteften ^atriar#algefd)Ied)ter bis auf Woe, bie ©efd)id)te ber ©ünb=
flutr) unb beS neuen, mit WofeS gefaVoffenen S3unbeS, bie an bie brei ©öfjne
9toeS, ©em, <$ljam unb 3abljet, ficb anfd)liefcenbe Sölfertafet unb bie
©efdjiajte beS Turmbaus, ber ©prad)berroirrung unb ber SBölfertrennung.
3eber (ennt bie Sinjel^eiten biefer Urgefdnd&te bon Sugenb auf ; aber bieUeiajt
nidjt jeber nimmt fid) bie *Dlüt)e, fle, unbeirrt bon rationaljftifdjen S3ebenfen
unb Sinmenbungen, in Srnft unb £f>rfurd)t fidt> roieber borjufüfyren. $er
einfache, flare, gebrängte, nüd)terne 93erid)t, jeber ^antaftif, jeber Ueber=
trei6ung fremb, trägt beutlidj ben ©tempel einer roaf>ren, fidjern Ueberlieferung
an ftdj, für bereu unberänberte Qfortpflanjung baS ljob> Hilter ber ^3atriarö)en,
bie (Sinfatb^eit ber erjagten 21jatfad)en, bie Stabilität ber ©tammfamilien
unb bie (Sinfa^ljeit ibjrer 2ebenSberf)ältniffe bofle JBürgfdjaft leiften. #ein
anbereS 9Jolt l)at WeljnlidjeS aufeutoeifen. 9hir ber $albäifa> 53erid)t über
©djöpfung unb ©ünbflutfy fjat Stnflänge baran, bodj fetyr unboUftänbige,
brudjftüdmeife, mit millfürlia^en mntfjologifdjen ßrfinbungen überf ruftet. $ie
Slegopier l)aben über üjrem einfeitigen Sobtencult bie bebeutfamften Momente
ber Uroffenbarung bergeffen unb fte burd) eine pljantaftifäV, mit 31ftrakultuS
bermifdjte ÄoSmogonie ju erfe^en gefudjt. 2)ie Urgcföjiä^te unb ß^ronologie
ber 3nber unb (S^inefen aber läuft auf ein roiberfpredjenbeS ©eroebe pljan=
1 6inc fixere 2>atiruna fjat bie äQ^tologifd)« Sforf^ung no^ ntd)t gerbet«
gefft^rt; b. ^trapel (StBefcer unb SöeUe« Äir^cntejrifon , 2. «uff., «rt. w6l)rono-
loftie", 6b. 325) fefet ben 6£obu8 nad) 8 a utb, in bo8 3a^r 1491 0. Ghjr.
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12 erftefl »u$. 3»cite8 Äapitet.
tafHfcher fabeln juriief, baS ben Stempel ber Unroahrheit fchon in bem
finbifchen ©piel unabfeljbarer Safere unb 3"träutne in fich trögt.
Sie Stammtafel ©emS leitet ju ben Patriarchen über, unter melden
fiä) bic nach bem ©ünbenfaüe erfolgte Serheijjung einer @rlöfung enger ju
begrenzen beginnt. 5lbrat)am toirb als Präger berfelben aus bem göfcem
bienerifchen Mefopotamien fortberufen unb im ßanbe Kanaan gum Stammet
haupt eines auSerroöhlten, oon anbern Gollern abgetrennten BolfeS gemalt,
©eine ©efdnchte unb bie feiner (Srben Sfaaf, Safob unb ^ofept) gehört $u
bem ©chönften unb Grgreifenbften, toaS je oon Menfajenhanb niebergefd&rieben
roorben ift. 2öenn bie reicher ausgeführte 6rsät)lung auch fajon eine Ueber=
lieferung oerräth, bie MofeS nät)er ftanb, gleist u)re treutyerjige (Sinfalt unb
9latürlia)feit boch üöflig bem ^arafter ber älteften Urgente, ©elbft Mo*
hammeb füllte fich Oon ber ©efchichte SofepfjS fo angefprochen , bajj er it)r
eine ber Iftngften ©uren feines Äorän mibmete unb für bie fdjönfte berfelben
erflärte. Sparen Don arabifchen, perfifchen unb chrifilich=europäifchen SDidr)tcrn
haben fte burch Wachbichtung noch ju oerfchönern gefugt; bo<h feinem f$te
bufi unb Wjami, feinem Bonbel unb OTetaftafio ift es geglüdt, bie unoer^
toeltliche 3ugenbfchönt)eit ju erreichen, meiere bie einfache biblifche @rjäf>lung
in fich befifct.
Unb nun tritt MofeS Dor uns, großartiger als in ber ©tatue beS
Michelangelo, rein menfdjlich betrachtet, weit hinauSragenb über ©olon unb
2t)furg, 3oroafter unb GonfuciuS, bie abergläubifdjen 31ffronomen bon S3or=
fippa unb bie auf ihre #üt)e ftoljen ©änger ber inbifdjen Beben, bei toeitem
ber getoaltigfte (SJefe&geber ber Gilten Söelt, auögerüftet mit ber ganzen ^icra=
tifdtjen ©ilbung unb 2öeiSt)eit ber flegopter, BolfStribun , ©taatSmann,
Organifator, ShiegSfütjrer, Diplomat, Sichter, ©efd)i^tf(hreiber — unb baju
ein ^eiliger, ein Prophet, ber oon ©ott felbft auSerlefene #erolb beS Eliten
BunbeS , Berfünber unb Borbilb beS GrlöferS. Sie chrifiliche Borjeit unb
baS Mittelalter höben feiner Bebeutfamfeit öoUe ©erechtigfett toiberfahren
laffen, auch Mohammeb hat ihn ben größten Männern beigejählt. 2rofc ber
Bemühungen BoItaireS unb feiner Nachfolger hat auch bie moberne 2öelt
ben ©inn für feine ibeale ©röpe nicht ganj Oerloren.
©chon als Berfaffer ber ©enefiS ift MofeS an bie ©pi|e ber ef)r=
toürbigften ©efdnchtfchreiber ju ftetlen; in ben übrigen oier Büchern erjählt
er uns fein eigenes DielbetoegteS fieben unb fein SebenStoerf, bie CrganU
fation unb ^eranfdmlung feines BolfeS jum priefterlichen Bolfe ber Bers
heimmg, burch bie allgemeine unb fpecieüe Öefefcgebung , bie feinen tarnen
trägt. Manchem, ber nicht an baS ©tubium alter föechtsbücher gewohnt ift,
mag fein Gereinonialgefe& högft profaifch unb feltfam üorfommen ; tuer aber
bie abergläubifchen Sobtenriten ber 5legopter, bie töeinigungSoorfchriften ber
alten 3nber unb Werfer ftubirt hat, ber toirb leicht begreifen, roie hoch baS
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$ie gefät<$tlidjen SBü^er beS SUten JBunb««.
13
iübiföe Geremonialgefefc über all ben Söaljnborfdjriften jener Sßölfer fteljt,
roenn eS aud) in mannen fünften nid)t eben nad) ben fentimentalen 9Jor=
fteflungen mobemer Gultur unb Uebercultur jugefdjnitten ift.
$)ie WuSfefcung beS faum gebomen ÄnäbleinS im 33infenf orbe , feine
Rettung burd) bie *pf)araonentod>ter, *DcofeS' glänjenbe 9luSfid)ten am #ofe,
feine unbefted)lid)e Ireue gegen fein SBolf, fein jäb, auffladernber $rufc roiber
ben flogen Unterbrüder, fein Seben als ftlüajtling bei 3etb,ro, feine MuS*
erroäf)lung unb Senbung am brennenben $ornbufdj, fein Auftreten bor bem
^tyarao, bie über Slegbpten behängten plagen, baS ^asajamal)!, ber 9luS=
jug, ber $)urd)gang burd&S Rotfje ÜWecr, bie bierjigjäljrige 2öüftenfal)rt mit
ifjren Mljfalen, (Sefab^ren, kämpfen unb Rebellionen, bie ©efe^gebung auf
Sinai, baS 9)?anna, bie 3*rftörung beS golbenen ßalbeS, ber Untergang
beS #ore, £atljan unb 9lbiron, bie Äämpfe mit ben ÜRabianiten unb ßa=
naanöern, ber ?tbfajieb beS großen (SefefcgeberS unb fein 2ob auf bem Serge
Rebo — aü baS fdjliejjt fid) §u einem ©anjen jufammen, baS bie Ginfjeit,
SKannigfaltigfeit, Spannung, SBürbe unb ©röfje eines gewaltigen @poS be=
ftfct, nur bafc alles, aud) baS SBunberbare, nid)t fjrtction, fonbern SBaljrljeit
unb SBirflidjfeit ift. $)ie 3^i^nung fteb,t an feffelnber Slnfdjaulidtfeit unb
9?atürlicb,feit nid)t hinter jener ber £omerifcb,en ©ebiajte jurüd ; fie befifct meljr
ßraft unb 3Rarf, unb bie religiöfe 2öürbe unb 2öetf)c fügt ein Clement
ljinju, baS leine profane 55idjtung erreichen tonnte unb baS aucb, feine relU
giöfe $i$tung ber tyeibnifdjen 2öelt erreicht tyat. 2öir brauchen beSfjalb gar
nidfot ju bebauern, bajj baS iSraelitifd)e SBolf ju feiner epifcfyen 3)i$tung
dljnltd) jener ber ©rieben ober Römer gelangt ift: es fjat uns in ber
fcljlidjten ^ßrofa feines SRofaifdjen ^ünfbuajeS etroaS biet ÄoftbarereS ljinter=
Iaffen, eine ^profa, bie einen unerfdjöpflidjen $orn ber ^ßoefie in ftd) birgt.
2>aSfelbe fönnen mir oon bem 33ud*e ^ue, ben. 39üd)ern ber Ritter,
ber Könige unb ber ^aralipomena fagen, roeldje ftd) burcb, bie in if)nen er=
jäljlten kämpfe, Jpelbentfjaten unb Sdjladjten oft nod) meljr bem Gljarafter
eines friegerifd)en £>elbenepoS nähern. 3ofue felbft, ©ebeon, 3epb,te, Samfon,
Samuel, $)abib, Solomon fmb fo gewaltige, eigenartige, fc&arf umriffene
£elbengefialten, roie fie in fo feffelnber (Sigentfjümliajfeit unb 2Jlannigfaltig=
feit feine @pif barbietet. @S pulfirt in iljnen ein biet mürmereS, fräftigereS
2eben als in ben marmorglatten, fajönljeitsbuftenben, plaftifcb, abgerunbeten
©eftalten ber gried)ifd)en $)id)tung. £mnbert fleine 3"ge menfd)lia^er @d)mäd)e
unb Seibenfdjaft mie fittlicb,er ©üte unb ßiebenämürbigfeit rüden fie uns
näb^er, wenn fie aud) bura^ ©teüung, ©enbung unb ßb^arafter über bie
anbern Sterblichen emporragen. @S finb feine iperoen im b^eibnifajen ©tnne,
feine &u ©öttern ober Halbgöttern emporgefdjraubte Wenfa^eninbibibuen,
feine 3um Staube ber Weuf^eit f)erabge$errte ©otteSattribute. 55ie croige
2öeiS^eit berförpert fidr) meber in einer mit ber eroigen SJtadjt ober Scb,ön=
14
GrftcS Sud). 3mcitcö ftapitcl.
heit ^Qbcrnbcn 5lt^ene (Ecinerba), noch in einem t>on stufen umtanjten
9lpoH; bie menfchliche 2öeiSheit jerjplittett fich nicht in einem rat^Iofen 3tgo=
memnon, einem geldmäßigen Weftor, einem burchtriebenen ObbffeuS. Unfichtbar
nur fchmebt bie göttliche SöeiSheit über ben ©efchicfen ber Sterblichen, böchflenS
burdj Smnbole angebeutet, in 93iftonen unb erhabener SJilberfprache fich mtt=
theilenb, in Söunbern fich beglaubigenb , boch nie getrennt bon ber emigen
5Racht unb ©üte, üon ber emigen ©erechtigfeit unb ©armherjigfeit. 9cid)t
burch btinben 3"föH ober eigenes Sitanenftreben mirb Solomon jum roeijeften
ber Könige, fonbern burch ©otteS £ulb unb ©nabe, auf inniges, bertrauenS*
bolleS ©ebet, unb fclbft bie ftüfle ber 28eiSheit mirb ihm nicht als unoer=
äußerliches ßigenthum übertragen ; burch feine eigene Schulb fällt ber meifefte
ber Äönige ber größten X^or^eit antjeim unb üerfünbet, in tiefer 6nt=
täufdmng über bie 9iichtigleit alles 3rbifd>en, bie ©üte unb Erhabenheit
beSjenigen, in meinem allein bie SßeiSheit unmanbelbar thront unb burch
melden allein ber ÜJcenfch tfjeil an if>r ^aben fann. Sehnlich lönnten mir
$abib, in meinem fich eine anbere Seite beS israelischen £>elben= unb
tfönigSibealS fpiegelt, mit analogen ©eftalten ber antif^eibnifdjen Dichtung
bergleimen. 9luch hier fte^t mieber bie lebenSbofle SBirllichteit einer großen
hijtorijchen sperfönlichfeit mnujijajen ^ictionen gegenüber, bie ein feiner
SdjönheitSfinn gefajaffen, bie aber mehr ober meniger baS Schöne üom
SBahren unb ©uten trennen unb beShalb nur einfeitig ben ©eift beS SRenfchen
beliebigen tonnen.
2Bährenb in ben großen ^iftorifa^en Jöüdjern neben ben bieten §in$ek
geftalten baS 23olf Israel felbft als £aupthelb erfdjeint, ber mit ©ott ge=
fchlojfene, oft gebrochene, ferner gerächte unb immer mieber erneuerte ©unb
als $auptmoment ber öermidelung fomie ber furdjtbarften Strafgerichte
unb Rataftrophen, mirb uns in ben fleinern Ijiftorifcfyen 33üchern ein (Sinblicf
in baS (Sinjelleben , in Familie unb ipauS, Denfmeife unb 33ilbung, 6r=
5ief)ung, S3erf cl)r , brachten unb Streben beS auSermählten SßolfeS gemährt.
3n einem lieblichen 3bbfl erjä^lt uns baS Söuch tÄuth, mie bie moabitifcfye
Schmiegertochter Noemis, bie 2tef)renleferin, $ur Stammmutter beS baöibijdicn
$öntQ*i3C)chlechteS geroorben. 9cid)t meniger anmutljenb fdjilbern uns bie
Bücher Dobias, 3ubith unb (Sfther brei (Spifoben aus ber 3*it ber fpätem
afförifdjen unb perfifdjen 3ro'nflherrf^aft-
2öie bie ©ejdjichte beS ägbptijchen 3>ojePh finb auch btefe bier (£r=
Zählungen $um JBorn unzähliger Dichtungen gemorben. &ein fühlenbeS ^>crj
fann [ich ber 9lnjtehungSfraft ihrer munberbaren Schönheit entziehen. Orient
unb Occibent fyaben ihnen ein literarifcheS 3eu9n^ auSgeftellt, baS feine
gelehrte ßrtticafterei ju erschüttern bermag. 9cur einfeitige Vorliebe für
profane Fabeleien unb profanen SchönheitScult, Abneigung gegen bie chrift=
liehe unb altteftamentliche Offenbarung ober Langel an feinerem ©ejehmaef
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2>ie gefd)i<$Üid)cn »ü«$er beö alten »unbci.
15
fonn über bie 23)atfadje tjimoegtäufdjen, bajj feine (£pifobe beS £omer, feine
Grjäfylung beS fterobot jugleid) fo oiel äftfyetifcbe Sd&önljeit unb tief fütliä>en
®eb,alt in jta) birgt tt)ie baS 33ud> SobiaS. $ie jarteflen Saiten beS
Familienlebens finb Ijier mit unnad&aljmlicber 5lnmutr; angeflogen; ernft
unb gemaltig umrahmt bie <3efdj}ic&te beS affbrifä>n SöeltreidjeS baS lieb«
lidje ^amilienbilb, unb über bemfelben eröffnet fi$ ber 53lirf in bie un=
fiajtbare (Sngelmelt, bie Imlbigenb ben 2t)ron (Botted umfajroebt unb gnaben=
reidj, fdnrmenb, fyelfenb, betenb bie Sajidfale beS (SrbenpilgerS begleitet,
^ür alle SJölfer unb $tittn läßt ftä) fein fdjönereS, finnigeres SSolfSbud)
benfen als biefeS 39ud) Dobias. Sei ebenfalls großem ^iftorifa^en #inter=
grunb Ijat baS 9u$ Qftyer, oberflädjlid) betrautet, bie Spannung eines
orientalifajen ^alaftromanS , baS SSucb 3ubitlj ben romantifdjen 3U8 e^er
Slmajonenfage. 5)o4) aud) f/ier mieber fommt bie ©eroißljeit ber tljatfädjs
lidjen 2öal)rl)eit jugleia) bem äftyetifajen ßinbrurf ju gute. $)ie gefcbidjtücbe
$rofa ijt aud) Ijier wieber poetifdjer als äße F^i°n» em tiefernfter £eljr=
geaalt feffelt ben ©eift unb bie reinfte religiöfc Stimmung berflärt baS
(Sinjelne unb (Stande mit rounberfamem Ölanje.
3ludb bie 2Dieberr)erftelIung beS Tempels, in ben jroei 58üdj>ern GsbraS
Doli Siebe unb SBärme gefdjilbert, unb ber ßampf ber 9fladjabaer gegen
baS immer mefjr auf ^aläjrina einbringenbe Ijeflemfaje ^eibentfjum, tljeil=
loeife bieffeidjt bon unmittelbaren 3eu9^n traftbofl bargeftefft, bieten biete
Stellen, bie als rein literarifaje Qsrjeugniffe einen ljof)en ©enuß gemätjren.
2>ie (Befä^idjte tritt fjier ebenfotoenig wie in ben frühem r)iftorifcben 33üdjern
als ausgemergeltes, ttapperbürreS föegeftenffelett bor uns, fonbern in ben
lebenbigen Finten unb F^ben ber 2öirfliä)teit , ebenfo ju ^p^antafte unb
f)erj fprecbenb als jum üßerftanbe; baljer benn audj biefe 39üd)er in ber ÜÖklts
literatur eine beträd)tlid)e 9leü)e poetifajer Sdjöpfungen fjerborgerufen f)aben.
SDic gefd)id)tlid)en 33üd)er beS Gilten SeftamenteS enthalten aber nid^t
nur eine Fülle poetifdjen ©eljalteS, ber in feiner ©efamtfjeit ben Stfertl) eines
noeb fo großartigen 9iationalepoS roeit überragt, fie bieten aud) aus ben
oerfdnebenen 3citraumen ber iSraelitifd)en ©efebiebte tleinere unb größere
groben Ibrifdjer $)icbtung, meldje, ungefudjt in bie $arfteflung berflodjten,
uns einen 33luf in baS eigentliche poetifaje Seben unb Sieben beS auS=
erwählten 93olfeS berftatten.
%af)'m gehören baS fogen. „Säjmertlieb" ßamedjs (1 9)iof. 4, 23. 24);
oas erhabene SiegeSlieb beS 9)lofeS unb feiner Sdjtoefter Mirjam nad) bem
Surdbjug burd) baS föottje 9Jleer (2 SKof. 15, 2—21); baS fogen. „93runnen=
lieb" (4 2Jtof. 21, 17. 18); baS SiegeSlieb nad> bem gaffe ber Stabt
§efebon (4 3Kof. 21, 27—30); ber „9lb[d)ieb beS WofeS Oon feinem
SBolfe" (5 3)iof. 32, 1—43); ber große Iriump^gefang ber Sebbora unb
beS SBaraf nacb bem Siege über tfönig Sifara (9tid)t. 5, 1 — 32); bie an=
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16 Grfte« 93ud). 3)ritt« Äopitel.
mutige ^abel bcS Soatljam öon ben Säumen, bie Dergeblid) ben Delbaum,
ben Feigenbaum unb ben ÜBeinftorf jum &önig baben moHen, aber an
beten Stelle ben $ornfrrau$ befommen (SRidjt. 9, 8—15); bie töätbfel
SamfonS (9tid)t. 14, 14. 18; 15, 16); ba§ $anflieb 9inna§, ber Butter
@amuel§, ba$ gleidjfam ein ^rölubium jum ÜJlagnificat bilbet (1 Äön. 2,
1 — 10); $)abib§ Älage über Saul unb ^onatban (2 #ön. 1, 19—27);
©aöibs Jtlagegefang um Wbner (2 Äön. 3, 33. 34); baS grofce $)antlieb
$aoib§ nad) lleberminbung feiner fteinbe (2 ftön. 22, 2 — 51); $aöib§
Wbftfieb (2 ffön. 23, 1—7).
Srojj it)rer (Sinfadfheit üben biefe jum £beil uralten 3Md)tungen einen
umoiberftebliaVn 3ou&et au§; einige, wie baS „©iegeSlieb be§ *Dlofe§",
gehören ju bem (Srhabenften , roa£ bie Literatur aller 3e^cn un0 Söttet
aufjumeifen bat, unb roa§, gleidjfam ein ÜEBiberball ber Patriarchaten ÜBor=
jeit, in ber Siturgie ber tfirdje no<f) beute fortmirft roie cor Sa^rtaufenben.
drittes tfapttet.
|He 3rt<$fittigett be* «ACfen $totttfcs.
5)ie poetifaVn 33tid)et. (?§ ftnb üjrer fieben: baä 93udj 3ob, ber
$abibifdje Sßfalter, baS $ud> ber Spridjmörter , ba3 93ud) (JccIefiafteS
(ßor)clctr) ober ber ^rebiger), ba§ $obelieb (Cieb ber Sieber), ba§ 93ud)
ber 2Bei3ljeit, baS 33ud) ßcdeftafticuS (ober bie 2öei§beit 3efu§ be§ (Sobne§
©iradj). 93on ben alten (Srflärern mürben biefe 33üd)er fämtfid) „moralifdje"
ober „bibaftifebe" (sapientiales , morales, doctrinales, didactici) ge=
nannt, roa§ fte nad) einer anbern ©eite ljin üon ben gefajidjtlidjen unb
propf>etifa)en unterfa^eibet ; mit 9tedjt fyaben bie neuern (Srflärer inbeS fic
a(S „poetifaV bejeiapnet, meil fie nidjt nur, mie bielf aaj au<h bie gefajiajk
lidjen, einen mädjtigen poetifaVn ©eift atfnnen, fonbern in einer Don ber
gemöfmliajen Umgang§fprad)e abmeia^enben, fünftlidjern , poetifdjen ©praape
unb 3=orm abgefaßt finb1.
1 Blasius Ugolini, Thesaurus antiqa. sacr. (Veuetiis 1766). Vol. XXXI,
Pars I. (Enthält: 1. Theod. Eberti Poetica hebraica, Harmonia, Metrica etc. —
2. Iac. Eberti Tetrasticha hebraica in textus evangelicos. — 8. Rob. Lowtli,
De sacra poesi Hebraeorum Praelectiones academ. — 4. Francisci Gomari Da-
vidis lyra seu nova bebraea S. Scripturae Ars poetica. — 5. Abbatis Fleury
Exercitatio in pot'ain universam et Hebraeorum potissimum. — 6. Ionac Conradi
Schrammii Dissertatio de poesi Hebraeorum iu Codice sacro. — 7. loh. Conradi
Danhaweri Oratio Pentecostaiis de sacrosaneta Spiritus Sancti pofiai. — 8. Au-
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i
Sie Störungen be* Blten »unbe*.
17
2)ie fyebräifdje ©prad&e beftyt nidjt entfernt jenen Söortoorratt) unb
iene ftormenfüüe, meldje unter ben femitifdjen Spraken bie arabijdje, unter
ben inbogermanifdjen ba3 <San§frit ober ba$ ®ried)ifd)e auäjeidjnen. 5)od)
oerfügt aud) in iljr ber $)id)ter über äaljlreidje, fonft ungebräudflidje ober
weniger gebräud/Iidje 2Bortformen, Gonfhructionen , Söenbungen, über einen
au&gebeljnten ffleidjtljum an bilblidjen Lebensarten, tljeilä ber ftä^tbaren
Watur, tljeilä bem Alltagsleben, tljeite bem Kultus unb ber gefd)id)tlid)en
Ueberlieferung entnommen. Ob bie Hebräer eigentliche ÜBerSmafje im engern
Binne Ijatten, barüber finb in letzter 3«t fjödjfi fdjarffinnige unb berbienfc
üoHe Unterf ua^ungen angeftedt morben; bodj fjaben fic nid)t ju ermtinfdjtcr
3iä)erf)eit gefüfjrt, ba bie 3)urd>füfjrung ber öermutljeten Sßerämajje manage
9lbänberungen be§ 2ejte§ erljeifcften mürbe, mäfjrcnb e§ überhaupt nid)t
feftfieljt, mie bie Hebräer früherer 3cit bie Sejte gelefen fjaben. Sollftänbig
flar aber mar feit ben älteften 3e**en oa^ Öefe^ beä ^aralleltemu«, b. lj. bie
Iljeilung eines ©a£e§ in jmei ober mehrere ©lieber Don ungefähr gleicher
Sänge unb äfjnlictjem rfjntljmifd)en ftaü, bie fid) entmeber fnnonomifa) erflären
unb OerboUftÖnbigen (parallelismus synonymicus) ober fidj antüljetifd)
ergänjert (p. antitheticus) ober aud) ofme berartige SBesiefjung fidj für baS
C^r in rl)nti)mifa}er Söeije aneinanber gliebern (p. syntheticus). <So ent=
mideJte |tdj eine 5lrt bon freierem !ßer§= unb ©tropt)enbau in 2)iftict)en,
^riftidjen ober mof)l Üetraftid>en, ber jmar nid)t bie ftrenge 9tegelmäfjigteit
gried)ifdt)er, lateinifajer ober fanSfritifdjer Strophen i)at, aber bei rfjbttmtifdjem
2Sot)lflang bem ©ebonfen eine fräftige, freie (Sntmicflung gemährt1.
gusti Pfeifen Diatribe de poesi Hebraeorum recognita. — 9. Augusti Pfeifen
Manuductio nova ad accentnationem. — 10. Polycarpi Leyseri Dissertatio de
frustra quaesita poe"si in Codice Sacro hebraeo. — 11. Iohannis Clerici Disser-
tatio critica de poSsi Hebraeorum. — 12. Francisci Hare Psalmoram liber in ver-
sicalos metricos divisus.) — Loxcih , De sacra poesi Hebraeorum (Oxonii 1753),
cum notis et epimetris I. D. Michaelis (Gottingae 1761), edidit E. F. C. Rosen-
mOller (Lipsiae 1815). — 3. ©. #erber, »om ©eiftc ber ebrätfeben *Poefte
(3)effou 1782. 1788). — 6rttft Stteter, ©efdjidjte bet poetifdjen ftationalHterarur
bet Hebräer (Seibjig 1856). — 3). JB. d. Haneberg, @efd)tä)te ber biMifdjen
Offenbarung III (9legenSburg 1863). — 3f- Selifcfd), 3« ©efdfidjte ber jttbifdjen
«Poefie (ßeipsig 1836). — 2 b. 91 öl bete, Sie aitteftamentlicbe Siteratur (Öet^ig
1868). — S>. 6 a f f e 1 , ©efdjidjte ber jübtfdjen Siteratur (©erlin 1872). - <£ to a l b,
$ie ®tä)ter be« alten »unbe*. 3 33be. (©erringen 1864-1867). — 3fr. »äthgen,
Hnmuib unb Söttrbe in ber altteft. $oefie (Atel 1880). — SC. ©figler, Sie heilige
Jhinft ober bie ftunft ber Hebräer (8anbSt)ut 1814). — Mgr. Hantier, ev. de Nimes,
Etudes litt^raires sur les poetea bibliques. 2 vols. (Nlmes 1881). — Cardinal
Meignan, David roi, psalmisie et prophete (Paris 1889). — R. Corntiy S. J.,
Introd. spec. in didact. et prophet. Vet. Test, libros II, 2 (Parisiis 1887), 1—34.
> 9tadj bem t)l. «uguftin (Ad Memor. ep. 101 [alias 181], 2 [Migne XXXIII, 368J)
unb bem fit. fcieronrjmu« (Praef. in libr. lob. ; Ad Panlam ep. 30, 3 [Migne XXII, 442]),
Sautngartner. «Otltlitetatur. I. 2
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grftec SBud). Xrilteä ßapitet.
9Hit bicjcn nid)t eben reiben, eljer förglidjen ted&nifd&en Äunftmitteln
Ijaben bic btblifdjen $i#ter, unter betn (Sinflufc be£ ^eiligen ©eifteö, 2öerfe
öon eigenartiger <5d>önlb,ett fyeröorgebradjt , roelcbe man, wegen ber 95er=
fdjiebenljeit bes Stoffes wie ber ftorm, be§ 3wedeS roie be£ UrfprungS,
taum mit ben flaffifä? abgerunbeten ©idjiungen ber ©rieben berglet^en
fann, bie aber in üjrem Urtejt roie im 9iaajflang ber SSulgataüberfefcung
eine unöergänglid&e Sugenbfraft bewährt tjaben. ©ie bilben fyeute nodj, roie
bor jmei ober brei Satjrtaufenben , bie etgentüdje SMütlje unb ben immer
triebfräftigen SCBurjelftod ber reinften unb ertjabenften religiöfen ^oefte K
©ufebtua oon ßäfarea, Srlabüiä 3ofepb,u«, ^ß^Uo unb Origeneä lag ben l)ebrdifd)en
Sidjtungen be« Otiten SeftamenteS ntd)t nur ein freierer JRIjOtljmu*, fonbern ein
eigentlidjes 9Jletrum ju ©runbe; bod) liegen Weber auö bem 3lltertb>m nod) aus
bem Mittelalter nähere Angaben über baS Söefen unb bie ©efejje biefer ÜJtetril oor.
$erfud)e, eine eigentliche ©ilbenquantität nacbjutoetfen , matten C ©. 9t n ton
(Coniectura de metro Hobraeoram antiquo, Lipsiae 1770) unb ®. 3one£ (Poeaeas
aaiaticae comment&rii. Oxonii 1774), unb neulid) 9L ft. Sfftaunourö (Lettre sur
la vereification h^bralque. Bar-le-Duc 1880). 3JHt blofe Dom Slccent bebingtem
SBerSma&e begnügten fid) 6. 3. © r e 0 e (Ultima Capita libri Iobi. Accedit tractatus
de metris Hebr. poi'ticis. Daventr. 1788), H. SB e I ler mann (Serfud) über bie
«Utetril ber Hebräer, »erlin 1813), 39. 9t et ei er (Hnfang ber tjebraifd)en TOetril
ber $falmcn. fünfter 1871), 3. Seö (©runbjüge be8 3tbött)inu« u. f. id. in ber
fjebräifdjen $oefie. Jpaüe 1875). — (Ein feljr eingeljenbeä Softem ber l)ebrdifd)en
SOtetrtl entwarf bereit* Sfr. a r e (Psalmorum Uber in versiculos metrice divisus.
Londini 1736, abgebrueft bei Ugolini 1. c. p. 1021 sq.). 9)Ut bemfelben berührt fid)
in einigen fünften ba8 neuere «Stiftern oon @. 33 t de II (Metrices biblicae regulae.
Oeniponte 1879. — Carmina Vet. Test, metrice. Oeniponte 1882. — $id)tuugen ber
Hebräer, jum erfiemnal nad) bem SJertmafe be8 Urtejtes überfefct. 2 Sbe. ^nnSbrud
1882). S)ie §auptfd)ttiierigletien biefer ©Qfteme berufen barin, bafc fie ein« äußern
gefd)td)tlid)en 3*ugniff*$ entbehren, eine fefjr toilltürlidje Ämoenbung beä SUcettteS
nötljig madjen, ben burd) ben $aralleli8muS gegebenen Stropljenbau nid)t feiten auf*
beben unb tljetltoeife aud) öeränberungen be* 2ejte8 erf)eifd)en, toeldje nidjt öon allen
laU)olifd)en gjegeten al8 fiatth>ft betradjtet »erben. S)ie ledere Sdjtoierigleit b,at
@. ©ietmann S. J. (De re metrica Hebraeoram. Friburgi 1880) glüctfid) über*
tounben, inbem feine metrifd)en Stegein leine Slenberung bei überlieferten f)ebräifd)en
@onfonantenbefianbe8 oerlangen. — 9tad) einer eigenen, feljr freien 9Jtetrif Ijat 6. 3Jteter
bie poetifdjen 33üd)er be8 «Ilten £eftamente8 (SDtorgenlänbifdje «Indologie. Seipjig 1880)
in« 3>eutfdje übertragen. — % Ä. Senner S. J. ($te gf>orgefange im 83ud)e ber
^ßfalmen. Orteiburg i. Sr. 1896) b^at fotto^l bie lörifdje Sinb^eit aU bie Sertoenbung
ber $folmen jum Iiturgifd)en Sb^orgefang in feb^r geiftreid)er tote ergiebiger Söetfe
berangcioflen, um bie ard}itettonifd)e ©lieberung unb aud biefer toieber bie fünftlertfdje
JBoUenbung ber ^falmen ju erflären. €in dfjnlidjeS oerfolgt S)ao. 3r. 9JtüIler
(3)ie «Propheten in ib;rer urfprünglidjen Sforra. 3Bien 1896).
' 2)at)er bie begeifterten ßobfprüd)e, Joeldje bie ^eiligen SJäter ben «Pjalmen
erteilen. 3)er b(. Sluguftin nennt fte tutela puerorum, ornamentum iuventutia
et senectutis solatium , registrum et summarium totiua paginae theologicae.
Cf. S. Athanas., Epist. ad Marcellinum (Migne XX VU, 11 sq.). S. Basti. Horn.
UIQIIIZ6C Dy
S)ie 2>td)tungen beg Sitten »unbeö.
10
93or allem gilt bieg bon ben Sßf atmen, einer Sammlung Don 150 in
fünf 39üd)er gruppirten religiöfen ©efängen, bie roafyrfäVinlidj erft naeö, ber
Söieberfjerfteflung beS SempelS unter 9iefjemiaS (um 455 D. ßf)r.) ju tljrem
böfligen Stbfdjlufc gelangt ift. Der frür)eflc ©runbftod berfelben reidjt jebodj
auf bie 3«* bt& ÄönigS Dabib jurüd (1055 — 1015), meinem tt)otjl=
begrtinbeterroeife 73 bis 86 Sßfatmen jugefdhrieben werben, roäljrenb einer,
ber 89. (90.), ber Ueberlieferung jufolge noeb, bon 9Kofe8 Ijerrütjrt. Qtfyn
anbere werben ben Söhnen $ore3 jugefefcrieben, bereinjelte bem Äönig Salo=
mon, 5Ifapt}, Gman, (Stljan unb bem ^ßropljeten Jeremias, ^für bie übrigen
ift fein 93erfaffer angegeben, Diele flammen rooljl aus fpäterer 3e^ Die
£b,pot$efen aber, roelaje bie meiften Jahnen Dabib abfpredjen unb in naa>
erUifa>, roor)l fogar in bie macr/abäifdje $t\t bertegen, berufen auf bloßer
SDiHttir, ofyne fadjli^eS ftunbament. Die Sammlung mürbe $u liturgifdjen
3roeden beranftattet, unb berfelbe Qtotd liegt aueb, bei managen ber 2lbfaffung
fidjtlidj ju ©runbe. Anbere tragen ein mehr inbibibuelleS Gepräge; bod) füllten
fteb, bie Sänger 3§raelS biet ju fct>r als ©lieber ü)reS SBolfeS, als ^t)eür)a5er
beS großen SBunbeS jroifcben ©ott unb 3Srael, ats baß fte in ib,ren religiöfen
(Srgüjfen einem auSfdbJiejjlidjen SubjectibiSmuS r)ätten fjulbtgen fönnen. (Sine
beträdjtliaje 5Inja^t ber ^falmen ift meffianifd), b. fte bejieljen ftdj pro=
ptyetifdj auf bie Sßerfon, baS Seben unb SSirfen beS fünftigen *DtefftaS unb
berbinben fo ben (SultuS ber ©egenroart mit ber meit auSfdjauenben, roafjrfjaft
meltumfpannenben 3ufunft, roelcfje baS auserroäljlte SSotf in feinem (Srlöfer
erlangen foKte. Cljne bie 2tnnatjme beS 9)ieffia§glaubenS bleiben bie ^ßfalmen
beSfjalb jum guten ein ©laSgemätbe otme Sict)t unb Sonne. 3m
Sinne ber alt= unb neuteftamentliüVn ßiraje erfaßt, flammen fte in munber=
barem Sickte — n>af)rl)aft ein ©efang ber Safjrljunberte.
in Ps. I. {Migne XXIX, 211-214). — Urban VIII. (25. 3an. 1631) nennt bie
firfi)tiä)e $falmobie „eine 2oö)ter jener #ömnobie, bie unaufhörlich bor bem Xtjrone
@otted unb beß fiammeä ertönt" (divinam psalmodiam sponsae cousolantis in lioc
exsilio abseutiam suam a sponso caelcsti deeet esse nou habentem rugam neque
maculain, quippc cum sit eiua hymnodiae filia, quae canitur assidue ante sedem
Dei et Agni). — 2reffenb fagt Ä ö n i g (Sheoloaie ber ^falmen ©. 86) : „2)te eigent-
liche »ebeutung ber $falmen ruf>t barauf, baß fie unö ben ^eiligen be« Sitten 2efta-
mente* ins Iperj fehlen Iaffen, bafj fie und tf>re (£mpfinbungen in ben fjeitigften 3Bei^e-
ftunben ibreg Sebenfi barlegen unb einen tiefen SJlicf eröffnen in bie iiinern 2Öunber ber
mähren {Religion. " — „üftie r)at bie ßirdje", fagt 2)eltfcfd) (dlcalencrjftopäbie, 2. Stuft.,
XII, 332), „fid) in bie Jahnen fo toonneüoll eingelebt, nie fie erfolgreicher gebraucht
at* bamal* [in ber altchrifilid)en Seit]. Statt weltlicher »olialieber fonnte man,
wenn man über ßanb ging, ^falmen au« Orelbern unb 2öeingärten herübertitngen
hören. Unb tote Diele SOlartOrer trotten allen SDlortern mit ^falmengefang ! 3öad
bie Äirdje bamalä nid)t mit Xinte für bie Auslegung ber ^ßfalmen gcleiftet hat, ba*
hat fie für bie SBeioätjrung ber ßraft ber $fatmen geteiftet mit ihrem ÜBlute."
2*
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20 Grfk* S3ud&. dritte* ÄapiteL
(?in ©runbmotib, ba3 bic ganje Sammlung betjerrfdft, ift bie Siebe
beö Israeliten jur Sfjora, jum ©efefce, bem Ijeiligen Sunbe ©ottcä mit
feinem SSolfe, auf bem für ben @in$elnen toie für ba§ üßolf afle Hoffnungen,
alle Segnungen für ©egenmart unb 3uhinft, $ie$feit3 unb ScnfeitS berufen.
(5§ ift bie geiftige Sonne, bie fein ganjeS inbtoibuefleS unb forialeä Seben
betjerrfdjt , mie bie mirflidje Sonne ba§ Seben ber 9tatur. £errlid) brüdt
bas ber 18. ^ßfalm in jenen biet Strophen unb Wntiftropfjen aus, bie in
freierem Aufbau einem Sonett unb ©egenfonett entfpredjen:
35tc Gimmel berlftnben bic £>errltö)Ieit ©ottes,
Unb feiner §anbe 2öerf tl)ut funb baS Firmament.
3>et Sag bem Sage fprubelt JBotfdfwft 311,
Unb eine 9la$t gibt Aunbe an bie anbre.
9H<f)t ift'« Siebe, nid)t ftnb'S SÖorte,
3)eren Stimme unDernetjmbot märe.
§tn über bie ©rbe ifjre 3)ief)frf)nur reidjt,
SiS an beä 2öettaflä ©renjen bringt if>r 9tuf.
$er Sonne b,at am Gimmel er ein 3e^ gefegt,
Unb mie ein SBräutigam aui bem ©emadje
Sritt jubelnb fie fjeröor jum fcelbenlauf.
3)enn öon beä Rimmels (Isnbert ftreeft bie SBafyn
3n weitem Äretö fidt) ju be$ £>immel£ (Snben,
Unb niäjtt lann ftd) entminben ifjrer ©lutb,.
$>ai ©efefc 3at)t>e« ift matelloä, — Seelen belebenb,
£aa 3«ugni& 3a^*>f* berläffig, — ßinfalt erliebenb,
$>ic ©afeungen 3ab>e$ gerabe, — §er3en erquirfenb,
$te ©ebote 3ab>e3 lauter, — Stugen cittjurfenb.
2)ic fturctjt 3ttb,t>ed fettig, — bauernb fort unb fort,
Sie Urteile 3ah>d SEÖarjrrjeit, — emtgen 9teä)tc* $>ort.
flöftlirfjer finb fie als ©olb unb fteingolb toiel,
Süfecr alä #onig unb Söabenfeim.
%ud) bein flneajt mirb erleudjtet bura) fte; fte achten lobtet ferjr.
Verfehlungen, toer ertennet fie? Von »erborg'nem madje mtaj rein!
Vor Ucbcrinütf)igeu betoaljre beiuen ftneajt, baß ntdjt fie tyxrfäcn über niiö).
Sann merb' tdj fdjulblod fein nnb rein üon fdjtoerem Trebel.
So fet'n geuct)m benn meine« 9Jtunbe« Söorte unb meines fcerjenS Sinnen
Vor beinern Nntlifc, 3ah>e, Srclö unb 6rtöfer mein!
3n Rimbert oerfa)iebenen Variationen flingt biefer ©runbaecorb burd)
bie ^falmen roieber, als feierliche ,£mlbigung, als jubelnbeä $anfgebet, ate
bemüttjigeä Sittgebet, als fdnnerjlidje $lage über begangene Untreue, atö
oertraueitsDoüer Wuffdjrei in 9iott) unb 3?ebrängnifj , al» lie6euofle 33etrad)=
tung ber göttlichen 2lkrfe, alö finblict)c» ©eftänbnijj ber eigenen Sdjtuädje,
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3>ie Sichtungen beö Slten »unbe*.
21
aU Striumphgefang ber göttlichen Mmadjt unb ©üte, als jünbenber $lüd)
toiber bic freinbe ber cmigen Crbmmg. 3n aUen Sagen, SSerhältniffen,
Stimmungen fühlt ftdj ber treue Israelit burdj fein ©efep* an ©ott ge=
fettet, ein§ mit ihm, als feinen Liener, feinen 9lu$ertt)äljlten , fein $inb.
©ott ift fein SSater unb fein ÜBaterlanb, fein #önig unb fein ^tt^ier, fein
3iel unb fein Seljrer, feine 3uf ll<^^ un0 fcm 0C'^ ^e menfchliche ©röfje
berfchroinbet t»or ber SJlajeftät beS (Steigen, alle £)errlichfeit ber 9iatur ift
nur ein Spiel feiner unenbltchen 9)iadjt, ber Schemel feiner £)errfchaft.
Me ^Betrachtung ber 9catur unb be§ ^JcenfdjenlebenS ift Don biefer über=
njältigenben ^^rfurc^t bor ©ott getragen. Xie ganje Stufenleiter ber <$m=
pfinbungen roirb jutn ©ebet1. Diefe 2lnbacht3gluth , biefe§ £)eimtoeh nach
©ott, biefe bemütfnge Unterwerfung unter ©ott, biefe tinbliche Eingebung
an ©ott finben mir bei feinem anbern SSolfe beö 5Uterthumä roieber 2. 2Öa§
33abt)Ionier unb $egüpter ihren ©öttern ju fagen mußten, finb froftige
^mlbigungen gegen biefe innigen, begeifterungüooflen (Srgüffe bec Seele, biefe
ftürmifchen Ausbrüche ber 5rcuc,c; Der Trauer, ber 33erounberung, ber £)off=
nung, ber Siebe, bie eine bem ganjen £eibentf)um Durchaus frembe ©emüth§=
1 Xreffenb fagt barum ber hl. SBernharb : „Numquam intelleges David, donec
ipsa experientia ipsos Psalmorum affectus induoris.*
• 3>iefe Ueberlegenheit ber ^Pfalmen hat fogar ber ^Jr>iIofot>rj §egel anerfannt.
„3>urdjgreifenber" [al* bei ben ©riechen], faßt er (Sleftfjetif (»erlin 1843] III, 456),
.finben nur biegen Sd))Dung ber (Erhebung, bie« HufbUcfen, 3aud)jen unb 2tuffd)reten
ber Seele ju bem ßinen, loorin ba* Subject ba* ßnbjiel feine* JBetoußtfetn* unb
ben eigentlichen ©egenftanb aller Wacht unb SBafjrbeit, alles 9tubme* unb greife«
finbet, in ötelen ber erhabenem ^falmcn bc* Alten SeftamentcS." ... (©* folgen
^Proben au* ^pfalm 33 unb 29.) „Sold) eine Erhebung unb Itjrifc^e Erhabenheit
enthält ein 2lußer=ftch*fein unb roitb bcöfmlb toentger ju einem fid) Vertiefen in ben
concreten Inhalt, fo baß bie ^3t)antafie in ruhiger JBefriebigung bie Sache getsä^ren
ließe, als fte fich pietmeljr nur ju einem unbeftimmien §ntt)ufia*mu* fleigert, ber
ba* bem Setoußtfein UnauSfprecblidje jur gmpfinbung unb Slnfdjauung au bringen
ringt. 3n biefer Unbeftimmtljeit fann fid) ba* fubjectioe innere feinen unerreichbaren
©egenftanb nicht in beruhigter Schönheit tjorftetten unb feine* 2lu*brucfe8 im flunft«
toerf genießen; ftatt eine* ruhigen »Übe* fteUt bie $fjantafie bie äußerlichen 6r-
fcheinungen, bie fte ergreift, ungeregelter, abgeriffen jufammen, unb ba fte im Innern
3U feiner feften ©lieberung ber befonbern JBorftettungcn gelangt, bebient fie fidt) auch
im Sleußern nur eine* totWürlichen, tjeraudfloßenben SRfnjtbmu*. 3>ie ^ropljeten . . .
geljen mehr fd)on ... in ber erhabenen ©luttj itjrer ©eftnnung unb ibje* politifd)en
3orne* jur paränetifd>en Sttrif fort. Hu* übergroßer SÖärme nun aber wirb in
fpätern nachbitbenben S*it«n biefe bann fünftlichere £>ifee leid)t talt unb abstract.
So finb 3. SJ. »tele §tymnen unb pfalmenartige ©ebidjte ftlopfiod* toeber öon ifciefe
ber ©ebanfen noch *on ruhig« ©ntmicflung irgenb eine* reltgtöfen 3"hQltf*/ fonbern
toa* fid) barin au*brücltf ift Dornehmlid) ber JBerfuch biefer ßrbebung jum Unenbltchen,
ba* ber mobernen aufgetlärten JBorfteOung gemäß nur jur leeren Unermeßlichfeit
unb unbegreiflichen ÜJlacht, ©röße unb #errltd)teü ©otte* gegenüber ber baburd)
begreiflichen Dhnmacht unb erliegcnben ßnblichfett be* S)ithter* au*etnanbergcl)t."
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QtW »tief), dritte« ftapitel.
tuelt miberfpiegeln , oft männlich fraftöofl, bann roieber roeiMid) jart, oft
friegerifd) ungeftüm unb bann einfältig, traulidj nie ba8 Stoßen eines
frommen #inbe3.
91udj foldje, bie nid)t bibelgläubig maren, Ijat übrigens bie folgenbe
©teile beS 17. SßfalmeS mit SBerounberung erfüllt:
Sä umfingen mid) Stricte bei %obei,
©tröme ber #öffe umfdjloffen mid),
93 on bem ©djeol fd)on toar id) umfettet,
9tad) mir toarf feine ©Clingen ber %ob.
3n meiner 9lotl> rief id) ju 3ab>e,
3u meinem ©otte fd)rie id) auf;
33on feinem Tempel t>ört' er mein Öfteren,
Unb mein Stuf brang in fein Cfjr.
Sa ttanfte unb bebte bie 6rbe,
Ser S3erge ©runbfeften erjitterten
Unb taumelten. Senn er jürnte.
9taud) flieg Don feinem Stntlifo auf,
93erjef)tenb Breuer au£ feinem SQtunbe,
Unb Äofjlengluth, flammt' au« öon tym.
Sie Gimmel neigt' er unb fufjr nieber,
3u feinen Grüßen ftarrte 2Boltennad)t.
Huf l£f>erubafittid)en fuh> er babjn,
©r fd)»ebte ba^in auf beS 2ßtnbe8 ©djtoingen.
Sie iJftnfterntfe naljm er fid) jur pfiffe
Unb wob um fid) jum buntein 3*1*
Sie SQßaffermaffen, bie 9BolfenfIutt)en.
9tu« feinem Glan) fut)r burd) ba8 ©etoölfe
^agelfdjauer unb 3feueräglutf).
93 om Gimmel erfdjofl ber Sonner be& #errn,
Ser §öd)fte lieft feine Stimme erbröljnen
3n §agelfd)auer unb SfcuerSglutfj.
©r fanbte 93feüe nad) allen Seiten,
Unb 33life auf SBttfee in toirrem Änäuet.
Unb ftöjtbar tourbe ba$ Sett ber Söaffer,
©8 ftarrten entblößt bie heften ber ©rbe
93or beinern Srctuen, großer ©ott,
93or beineS jornigen Obem8 ©djnauben.
8(uS ben §öljen langenb erfaßt' er mid)
Unb rettete mid) au$ ber SBogen SJlenge,
Unb rettete mid) oon ber 9feinbe ©rimm,
Sen Uebermädjtigen, bie mid) faßten,
©ie ftörjten auf mid) am Unglftcfctag,
Sa tearb mir Oaljoe 3um fdjirmenben §orte
Unb führte mid) auf freien ^Jlan
Unb b>lf, »eil er mir toofjlgefinnt.
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2>ie 3>id)tungen bc* Sllten ähinbco.
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Sine faarfcfcarf geriebene ©ruppirung ber Sßfalmen ift nidjt möglid),
ba geioiffe ©runbibeen in ben mannigfnltiflften 93erbinbungen wieberfetjren
unb bic Derfdjiebenen ^aupiftimmungen fidj häufig mifdjen. ©elbft in ben
biba!tifd&en Sßfalmen wie in bem alpfiabetifd) georbnetcn spfalm 118 (ben
bie ftird&e täglicfc in ben fogen. £>oren beten Ittfct) überwiegt baS I^rifd^e
Clement üor bem eigentlich lefyr()aften, ober üiefleidjt beffer gefagt, bura>
bringen ftü) beibe in fd)öner Harmonie. 3&«n ergreifenbften 9tu8brud fjaben
natürlidje wie übernatürlic&e 9teue in ben SBufepfalmen gefunben, Don melden
bie Äirdje fieben befonberS unter biefem Tanten Ijeroorgeljoben fjat, möfjrenb
bos „Eliferere", ein «unlieb StabibS felbfi, feljr häufig in tyrem 6tunben=
gebete wieberfe^rt unb ba§ SSufegebet ber ganjen (5$riftenljeit geworben ift.
£afc gegen ©ö&enbienfi unb ©ünbe unb gegen baS ganje 9teid> beS 99öfen,
nicbt Wationatyafc ober perfönliajer föadjegeift, beljerrfc&en bie fogen. ftlua>
pfalmen, in melajen bie ewige ©ereaWgfeit in jünbenber ©lutf> jur »acbe
an bem fa>inbar triumptjirenben 93öfcn aufgerufen wirb unb in benen ge=
mifferma&en bie Scbrerfen beS einfügen ©erid)te§ fidj jum oorauä antünbigen.
9fod& fte tyat bie ßirdje unter iljre ©ebete aufgenommen, ba jene furchtbaren
Sermünfc&ungen in ber ewigen Drbnung felbft begrünbet finb unb nur
mifwerftonben ein fd>mäd)lid>e§, aimpferlidfoeS ©emüttj oerlefcen fönnen. ©el>r
jaljlreid& ftnb bie Sittpfalmen, in mcldjen ber ^eilige ©änger ©ott um Siebt,
ihaft, ©dm& unb £ilfe in feinen SBebrängniffen anruft. 2Jcand)e SBorte,
Senbungen, Silber wieberfjolen fitb. ba, aber aua? immer neue finbet ber
mädjtige ^>erjen8brang, bem fte entquoflen. 9lu§ bem tiefflen &bgrunb be8
61enbe8 (De profundis) ergebt fitt) ba bie ©eele ju jenem &ef>ren ©ote
oertrauen, baS ben tjilflofen SJcenfdjen gemiffermajjen mit ©otteS Hflmadjt
felbft umfleibet : Qui habitat in adiutorio Altissimi, in protectione Dei
coeli commorabitur 0Pf. 90). 3n erhabener ©rofeartigfeit fc&ilbern manage
ber 2obe§pfalmen , wie ber 103. ^falm, bie Söunber ber ©d>öpfung, bie
fogen. Inftorifd&en pfalmen bie wunberbare, gnabenreid&e Sufjrung ©otteS
in ben ©c&idfalen ber Sorjeit. $5a8 grofee #afleluja^ ($f. 112—117), bie
fünfjefyt ©rabualpfalmen (119—133) unb anbere fteftgefänge, meldje fajon
bie ©onagoge ben feierlichen Sagen beS 3aljre8 juwieS, fingt aud) bie #ird>e
an iljren fc^önfien gefttagen wieber, unb bie 3ubelf>mnnen , bie einft jur
(Sinmeiljung beS ^weiten SempelS erflangen, betet pe jeben Sag in ben
fogen. „SaubeS" *.
1 «ine Ueberfid&t ber trieben latljoliftfen ßiteratur über bie pfalmen gibt
R. Cornely, Introd. in U. T. libros sacroe II, 2, 123—132. »on beutfdjen 6t«
fldrungen ^ert>or)u^eben biejenigen Oon fy. 6d)egg (2. Sufl. , SDlündjen 1857),
%. Körting (SWünflet 1871), SB. Z^al^ofer (4. «ufl., «egen«burg 1880),
3. Äeinfe (S)ie meffiamfd)en Halmen, ©iefeen 1857), 3. »obe (S^rifloloßte
bt8 «Iten Seflomente«, Ünttnfter 1851), 3JI. SOÖolter 0. S. B. (PBallite sapienter,
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24
Giftes iöucf). drittes Äopttel.
Unter ben meffianifcften Sßfalmen mag bcr 2. ^falm Ijerüorgeljoben
werben, ber in menigen fraftöoüen Strophen bramatifdj in töebe unb <5Jegen=
rebe bie ©ottfieit unb baä emige ßönigtljum beä TOefftaö beftngt; ber
44. ^falm, ber ifm als ben fteljren Söräutigam ber ßiräje feiert; ber 68.,
ber ir)n alä Wann ber ©djmerjen am tfreuje betreibt ; ber 71., ber, an=
fnüpfenb an bie glänjenbe SlegierungSjeit Solomons, bie Söeltljerrfdjaft bes
Der^eipenen <5rlöferö , beä #önig§ ber Äönige, in monumentalen 3"gen
f Gilbert. 2ßer nidjt an <5r)rifhiS nodj an bie Snfpiration glaubt, für ben
bleibt Don biefen fd&önften aller Pfannen freilieft nidjt oiel mefjr übrig als
ein faft iinberftänblidjes Öeroebe jübifdjer Uebertreibungen unb national--
ftoljer Träumereien, bie feine Sßoetif befriebigenb erflären lann. Sftre Doflc
©ebeutung erlangt biefe erljabenfte fiorif erft in ber Siturgie ber ßirdje,
am Tabernafel beä menfdjgetoorbenen ©otteä, ber unter ber 33robägeftalt
leibhaft unter un§ moljnt, nod) täglid) fid) opfert, leljrt, fjerrfdjt unb trium;
pljirt unb bem aus Millionen J^erjen unb Sippen bcr Sobfprud) ent=
gegentlingt :
Sit nomen eius benedictum in saecula: ante solom permanet noincn eius.
Et benedicentur in ipso oinnes fines terrae : omnea gentea magnificabunt eum.
Benedictas Dominus Deus Israel: qui fecit mirabilia solus:
Et benedictum nomen maiestatia eius in aeternum: et replebitur maiestate
eius omnis terra: fiat, fiat.
$ie umfangreid)fte Sidjtung beS Eliten Sunbeä ift „baä 93udj 3 ob".
2öer baSfeibe niebergefd)rieben f>at, iji unbefannt. @S wirb fein 93erfaffer
namhaft gemacht, bod) weift ber föeidjtlmm unb bie SBoÜenbung ber $iction
mie bie funftooüere Ausführung auf bie Slüifjejcit ber altljebräifc&en Siteratur,
alfo auf baS 3eitalter ©alomonS ftin. 3u feiner t§eoretifä>äjtyetifcj&en
SBürbigung ift oiel gefajrieben morben, es läjjt fidj jebod) ebenfomentg als
Nantes ©öttlid)e tfomöbie in irgenb einer genau abgegrenzten Kategorie
ber ariftotelifdjen Sßoetif unterbringen. Anfang unb ©djlufj finb erjäftlenb,
alfo epifd); ber eigentliche flern beS 93ud)eS befielt aus 2öed)felgefpräd)en,
nähert fid) alfo ber bramatifdjen ftorm; bodj ift fein äußerer ftortfc&ritt
ber $anblung oorftanben. $er 3nf)alt belwnbelt bie £ragif beS menfäjlidjen
CebenS unb SeibenS; eine SragÖbie fann man baS S3ud) inbeS fd&on beS=
ftalb nieftt nennen, »eil bie ©efdjidjte 3obS burdjauS nidjt tragifd), ber
ftorm nad) aud) nidjt bramatifd) abfajliejjt. 911S rein bibaftifd) fann man
bie $arjMung ebenforoenig bezeichnen, ba ber tiefe Seljrgeljalt ber 2Ded)fel=
afreiburg i. 93r. 1871—1883), 3. Äöntg (Geologie ber <Pfalmeti, Srcibutg t. »r.
1857), ©. SicfeU (2)er ^faltet, III. SSanb ber SJidjtungen ber Hebräer, ^nni'
brud* 1883), 3. ßangev (2)o8 Sud) ber «Pfalmen. 3. Hufl., 2rreiburg i. »r. 1889),
9rr. {Raffl (®ie ^falmen. UI. »anb, ^fo(m 107—150, Sreiburg i. ©c. 1892),
®. Böberg (S)ie ^falmen ber Sulgata, Ofreibutg t. Sör. 1892).
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2He £ lehmigen be« Sitten SBiaibcö.
25
gefpräetje fid) im lebljafteften Scbwung unb Silberreicbtbum ber begeifiertften
2örif entfaltet, in einer rfjapfobifdjen Shaft unb Segeifterung , wie fie
pnbar unb <5opf>ofle3 in iljren lörifcben Gljören nur feiten erreichen. 93ei
all biefer 2)cifcbung epifdjer, bibaftifeber, lörifdjer unb bramatifdjer Elemente
ift baä 53udj> ein dottenbeteä Äunftmerf aus einem <3ufi, fommetrifd) am
gelegt, in ber reijenbften SBilberfpracbe gewoben, Don gewaltiger menfeblicber
Seibenfcbaft burcbglütyt unb bon erhabener göttlicher 9tur)e unb 9)cajeftät
gebämpft, oerflärt unb abgerunbet, eine munberfame orientalifebe Disputation
am SRanbe ber Sßüfte, in freier Statur, umftrablt Don ben erijabenften 6r=
fd)einungen ber <5d>öpfung, über bie brennenbfte ^ragc, bie baS 9Jcenfcben=
tjerj bewegt unb bie aller Sragif ju ©runbe liegt, bie fein bloßer 2)lenfcbenmi{j
311 löfen oermag unb beren Söfung barum ber (Swige felbft in wunberbarer
SJifion $u geben fiel) würbigt.
@pra$e unb Darftellung atfmien eine gigantifebe, urmeltlicbe ßraft.
$ein SKefajöluS unb Dante reicht an it)re @rf)abenf)eit heran, ©^atefpeare
bat fieb in feinen tieffinnigften Herten nicht fo nahe an baS Ööttlicbe ^eran=
gewagt, ©oetljes berühmter ftauftprolog gibt einen getoiffen 9iacbflang ba^
öon, ber aber nicht frei oon profanirenben, faft carifirenben Elementen ift;
in ber ßöfung be§ großen Problems mirb bie cbriftlicb=gläubige Sluffaffung
bann oöflig oerlaffen1.
Der Prolog ift eine ßrjählung, fcblicbt unb einfach wie jene ber
©eneftö. wenigen 3^0™ wirb 3ob als ein etjrwürbiger Stammet
Häuptling gefdjilbert, ber bei all feinem irbifeben ©lüd unb fteiebthum ©ott
in ädern oon £erjen bient. ©eine gefdnd)tlidje (Sjiftenj ift ebenfowenig ju
bezweifeln als jene ber iSraelitifcben Patriarchen; auch ber 9ttxn ber oon
ilwn erzählten £f)atfacben iß Ql* gejcbictjtliaj ju betrauten. (5rft in feinen
Sieben unb in jenen feiner f^reunbe beginnt beS Dichters auSfcbmüdenbe
^bätigfeit.
©atan fpottet Dor bem it)rone ©otteä über bie £eiligfeit 3obS. ©ott
überlädt feinen Diener nun einer fdjweren Prüfung, bie im 33erluft aller
äußern ©lüdägüter beftetjt. 3ob geht fiegreieb aus ber Prüfung fyxbox
unb ©atan forbert $u einer ^weiten hcrauS. ^U(^ biefe läfet ©ott gu.
3ob wirb an Öeib unb ©efunbljeit gefctjlagen, oon allen oerlaffen, ben
furd)tbarften ©djmerjen preisgegeben. 3hn Su tröften, nahen nun feine brei
Orreunbe 6Iip^o§, ©albab unb €>opl)ar; bodj ber 5lnblid feiner fieiben iß
fo überwältigenb , bajj fie fieben $age fdjmeigenb bei ihm trauern. Dann
ergebt 3ob felbft ba3 2Bort $um erfcbütternbften filageruf, er flucht bem
Sage feiner ©eburt, er wünfebt fieb ben £ob h«bei, er ftellt in ber Sülle
1 Sgl. ©. © t e t m a n n , ^arjibal, Sfauft, %oh unb einige toertoanbte SHd&tungen
(ftlafftföe 2>i«hter unb 2>t$tungen IL, ftreiburg i. 93t. 1887) 6. 449 ff. 487—802.
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grfte« SBu$. 3>ritie8 Äapüel.
feines ©djmerjeS bie $rage, worum ityn benn ©ott gefd)affen, um fo @nts
fe&Iid)eS ju erbulben. Baratt fnüpft fid) nun baS 2Bed)felgefprüd), baS ftd)
oon ruf)ig feierlid)em Anfang in brei #auptftabicn ober ©cenen ju immer
jtärferem ^ßatljoS ergebt. <£lipljaj will feinen ftmirib 3ob bomit tröften,
bafe er behauptet, ©ott laffe nur ben ©ünber ju ©runbe geljen, 3ob felbft
fei nid)t rein unb fofle ftd) beSljalb on ©ort wenben, um Kettung gu er:
langen. $>a 3ob biefen £roft öon fid) weift unb fid) in neuen fo^merjs
liefen klagen ergebt , tabelt if)n Valbab nod) fd)ftrfer unb fud)t bie Mm
fd)auung beS (Slip^aj burd) SBeifpiele ju erhärten, ba& nur ©d)ulb ber
©runb fo großen 2eibeS fein lönne. 3ob pod)t nid)t auf bollftänbige Un=
fd)ulb, ift fid) aber bod) feiner Vergebungen bewußt, burd) bie er oerbient
^ätte, mit ben größten ftreblem auf eine ©tufe gepellt ju werben. £ier=
über brid)t ©opljar in nod) heftigem Säbel aus, als ob 3ob fid) burd)
feine reblid)e Antwort einer Vermeffenfjeit fd)ulbig gemadjt Ijftrte. ßrnft unb
würbig oerweift 3ob ben frreunben ü)re unbegrünbeten Vorwürfe unb wenbet
fid) bann üoH Vertrauen an ©ott, betijeuernb, bafj er burd) feine ©ünben
eine fo grofje $eimfud)ung nid)t berbient fjabe.
$ie brei ftreunbe üerftef)en biefe Antwort nid)t. ©ie jtirnen, bafj 3ob
fid) tljren Mnfdjauungen nid)t gefangen gibt. ®ie Sröfter werben &u Ieiben=
fd)aftlid)en 9lnflägern. 3n geregtem Sone tabelt ßlipfiaj jefct ben 3ob,
bafe er ©ott burd) angemaßte ©elbftgered)tigfeit $um Äampf §erau8f orbere ;
Söalbab tlagt u)n ber ©efdjwäfcigfeit an unb brofyt ü)m mit bem traurigen
Cofe eines unbufjfertigen ©ünberS; nod) erregter fd)ilbert u)m ©opfyar baS
©d)itffal ber ©ottlofen unb fteflt ü)m ben woljlöerbienten Untergang in
vÄuSftd)t. ©o wirb ber beabfidjtigie Sroft ju neuem Seibe; aber 3ob wantt
nid)t. 9iuf)tg erflärt er ben Qfreunben, bafe ©ünbenfdjulb nid)t ber einige
©runb beS SeibenS ift, bafj aud) bie ©ottlofen oft fjienieben nid)t geftraft
Werben, bafj felbft nad) bem 2obe ifyr Anbeuten nod) in <£ljren fteljt.
3efct beginnt (ütliptyaj bem fjreunbe eine ganje 9teü)e Don Vergeben
auf$u$äf)len, burd) bie er fein Seiben oerbient, worauf 3ob ©Ott jum 3euGen
feiner Unfd)ulb anruft. Valbab wagt feine 9lnfd)ulbigungen nid)t meljr ju
mieberljolen. 3ob behauptet baS ^elb, inbem er abermals feine Unfd)ulb
beteuert unb nad)weift, baS Unrid)tige unb Südenljafte in ber 9lnfd)auung
feiner Ofreunbe aber fd)lagenb bartlmt. 5)amit ift er inbeS beS SeibeS felbft
nod) nid)t enthoben unb fo fteflt er einen fd)merjlid)en Vergleid) jwifd)en
feinem einftigen ©lüd unb feinem je|igen Unglüd an unb jeigt im einzelnen,
wie er nie jenen ©ünben unb Verirrungen gefyulbigt, bie foId)e Seiben als
^adje unb ©träfe über i^n fjätten ^erabbefd)wören fönnen.
XaS ift ber erfte 21)eü. ßli^u greift nun jum SBort, ein 3eu9c ber
bisherigen SReben. S)od) ^at er mit 9tüdfid)t auf feine Sugenb bis bat)in
gefd)wiegen. @r gibt Weber ben brei gf^unben gan$ red)t nod) aud) 3ob.
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Sic Sidjtungen beä Hlten JöunbcS.
27
fludj er finbet e3 tabelnStoert!) , bajj 3ob fic& bölltg für unfdmlbig erflärt
unb fi<$ fo ©ott jum ©egner gemalt Ijatte, unb fliegt barjutfjun, bafj ©ott,
feie burdj 95tf!onen unb ©otf<$aften , fo auä) burd) Jftanfljeit unb Seiben
bie 3Jlenfd^cn ju erjieljen traute, um fie jur (Srfenntnijj iljrer 5et)Ier $u
bringen unb Dom 39öfen abjulenfen. lieber bie ©ereebtigfeit ©otteS bürfe
ber Wenfdj nie ben geringften S^eifel fjegen. |>eiligfeit unb Srömmigfeit
feien nie umfonjt, roenn ftc itjren Sofjn auef) nid)t unmittelbar fänben. 2Bie
©ott bie ©ünber burd) ba§ Seiben jur 33efef|rimg füfjre, fo betoafyre, prüfe
unb fdjule er bie Rommen burdj baS Seiben, unb barum fofle 3ob nid)t
über ©ott rieten wollen, fonbern feine Unroiffenljeit über ©otteä 2Bege
befennen.
SSiermal unterbriajt ßlü)u feine 9tebe unb forbert 3ob $ur Antwort
auf. ^ob aber bleibt bie Antwort fd)ulbig. $er ftuffaffung (Sliljuä Dom
Seiben meifj er nidjtS triftiges entgegenjufefcen. ©d&ulb unb ©ünbe im
©inne ber brei ftreunbe fonnte er nidjt auf ftc^ Iaften laffen , »eil er fid)
berfelben wirflidj nidn* bemüht mar. ©egenüber ber liebeboflen 9tbfidjt ©otteS,
burc§ Seiben aud& ben ©eredjten ju läutern, ju prüfen, ju erjie^en unb ju
f|öf>erer ^eiligfeit l)in$ufüljren, Derftummt er. 3n biefem ©djmeigen bezeugt
er, me$r als burdj bie frühem 93ermaf)rungen, feine edjte, erprobte Unfdjulb
unb ©eredjtigfeit.
©ott felbft tritt nun ein, bod) nid)t um Dor 3ob bie Derfdjlungenen
gäben feiner Sßrooibena &u entwirren, eine Söfung, bie bem 3enfeit3 oor=
behalten ijt, fonbern u)n jur Demütigen Unterwerfung unter feinen 9tatfj=
fc&lufj in ermahnen. Wit ©ott barf ber 9Dtenfd) nidjt regten. Unb jejjt
f$lägt bie 5)idjtung mieber freubigere, fjerjerfyebenbe 91ceorbe an. 3n einem
©djöpfungSbilbe Don erf)abenfter ©rofeartigfeit &ei#net fte bie 9Jtad)t unb
ÜRajeftät ©otteS.
SBer ift'8, ber ba berbuntelt meinen 9latlj
3Jtit unoerffönbüdjen Sorten?
@o gürte toie ein Wann nun beine Senben,
3$ toiU bi$ fragen, unb bu lefjre midj.
Söo marft bu, all i$ grünbete bie grbe?
SJerfÜnb' eS, wenn bu ßinfufy tjafi!
2Öer Ijat georbnet iljre ÜDlafte, bafe bu'8 »üfctefl,
Unb »er f)at über fte bie ÜDte&fönur au«gefpannt,
Huf fcas ftnb iljre Pfeiler eingefenlt,
Unb »er ^at iljren Crfftein »o^l gelegt,
»eim Slubel atter a^orgenfterne,
918 alle 6ö$ne ©otte« jaulten?
SEBer t)at ba« IDleer mit Spüren eingetroffen,
«I« eä ^erOorbra<§ aud bem SERutterfc^oge ?
30ßo ia) ©emölf ju feinem Uleibe raad)te
Unb fjtnfternife a« fetner JBinbel,
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28
Cnflco SBu<$. drittes flatftel.
Unb meine ©renje ifnn beftimmte
Unb Stießet if)m unb Sln't«" fefote,
Unb fpradj: 93i$ ^ier^cr barfft bu fomraen unb nid)t weiter,
#ier fei ein 3»fl flcTe^t bera ©tolje beiner Bogen.
£>aft bu, feitbem bu lebft, ben borgen je entboten
llnb funb gcttjan ber 9Jtorgenrötf)e ib,re ©teile,
2)a& fie ber 6rbe ©äume faffe
Unb ^rreolcr t>on ibj loägefdjüttelt toerben?
Sie önbert ftd) bann gleia^ ber ©iegeterbe,
€ä jcigen fidj mie i^r ©eroanb bie Singe.
3>en 3f"ölern aber toirb tr)r 8id>t entjogen
Unb ifyun ber erb,ob'ne 2lrm jerbroajcn.
23ift bu bid 311 beä ÜJhered Duellen je gefommen
Unb b^fi im tiefften ©runbe bu getoanbelt?
©inb bir beö Sobtenretdjeö Xfjott offen,
Unb fannft bie 2f)ore bu bei % obeäf djattenö feljen?
Äannfi bu ber €rbe Söeiten überbauen?
JBertünb' eS, toenn bu ganj fie lennft.
SEOo ift ber SDÖcg jum 2lufentb,alt bed Si#te«?
Unb Orinftennü, wo b,at fte ifjre Stätte,
!£>a& bu in it)r ©ebiet fte bringen lönntcfl
Unb bafj bie $fabe bu ju itjrcm £>aufe toüfjteft?
2)u toei&t e£ »ob,!; benn bamalä lourbeft bu geboren,
Unb beiner läge 3af>l ift grofc.
JBift bu gelommen ju beö SdjneeeS SBorratbötammern
Unb bof* beä £agcU Sorratbätammcrn bu gefeben,
$ie idj mir ffcare für bie 3C** btx ÜHotb,
Unb für ben Sag beö ÄampfeS unb beä ÄriegeS?
Söo ift ber SGßeg, auf bem baS ßidjt ftd) teilet
Unb fi<b ber Oftminb über« ßanb oerbreitet ?
2Ber tbeilt bem ttegengufc Äanäle
Unb feinen SBeg bem ©lifo unb Bonner au.
3u regnen auf ein meufdjenleereS ßanb,
Stuf eine SBüfte, mcldje unbemobnt,
3u fdrtigen bie Cebc unb 93eröbung
Unb ju befrudjten ©rafeStriften ?
#at moljl ber JRegen einen Söater,
Unb roer erzeugte benn beS 2baueö Üropfen?
91 u$ meffen ©djofc gebt 6i8 fywov
Unb JReif beS ißimmelä, mer gebiert ifni?
2öie ©tein Derbergen fi<b bie SBaffer,
2)er fttutben Dberflääje mirb gefcffelt.
#nüj>fft bu bie SBanbe ber ^lejaben
Unb löfeft bu bie Ueffeln beä Orion«?
Srübrft bu tyroot jur regten Qt'ti bie Jfrone
Unb leiteft bu ben SBdr mit feinen jungen?
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3)ie Söllingen bti Sitten JBunbcö.
29
flennft bu bie ©afeungen be« $imme(8
Unb orbneft feine fcerrfdwft auf ber 6rbe ? 1
©ibft bu beut Stoffe feine ©tftrle
Unb fteibefi feinen §atö mit 3ittern?
SRadjft bu e8 Ijüfcfen nie #eufdjredten ?
SBie fura)tbar ift fein prädjtig JEßie^etn!
<£i fa)arrt im Xf>al unb freut ftcfc feiner Äraft,
®8 5ief)t f>inau$, bet SBkffenrüftung ju.
%H ©Breden« Rottet e$ unb fügtet nia)t8,
Unb toenbet cor bem ©djroerte ftd) ntdfjt um.
$8 flirrt ber Äöd>er über iljm,
2)e8 ©beere« unb ber ßanje Rammen.
9ttit ßärm unb £oben fd>lürft e8 »oben,
§dlt nüf>t met)r ©tanb, wenn bie trompete fc^attt.
SBei ber trompete ruft e«: £ui!
Unb rieäjt bon 2rerne fdjon ben Ärieg,
$er dürften 2>onner unb ba« ©djlad&tgefdjret.
©dmnngt fidj bura) beine 6infiä)t auf ber #abiä)t
Unb breitet feine Srlügel nad) bem ©üben aus?
^fliegt rooljl auf bein ©ebeifc ber Slbler t)od)
Unb bauet in bie $öb,e ftcb. fein 9teft?
Huf Seifen toeilt unb übernachtet er,
Stuf ftetfenriffen unb 33ergfpi&eii.
93on bort erfpäfjt er feine 9taf)rung,
3n weite 3«rne fdjauen feine Hugen.
Unb feine jungen fdjlürfen ®lut,
Unb roo 6rfä)lag'ne ftnb, ift er*.
3ob gefielt bemütljig, bafe er unbebaut gefprod)en , ba er mit ®ott
regten tuotlte. Unb um u)m feine Äleintjett nod) fühlbarer ju motten,
Gilbert tym @ott jroet ber Ungeheuer, bie er fpielenb gefd&affen unb bie
ber 9)?en[d) ni#t ju säumen bermag, 33el)emotIj unb Öeoiatt)an, DaS $lujj=
pferb unb baS ßrofobil. $3 ftnb jmei 9iaturbüber öon Innreiftenber poetijdjer
ßraft unb 2lntcf)autid)feit.
©ietj bodj ba« flilpfcrb an, ba« id) gemad)t mit bir.
«8 fri&t bem JHinbe gleid) ba« ©ra8.
©ief) an bod) feine flraft in feinen ßenbeu
Unb feine ©tärfe in ben 3Jtu8feIn feine« 33aud)8.
€8 beugt rote eine Geber feinen ©djroeif,
2)ie Heroen feiner L'enbcn finb oerfdjlungen.
(58 gleichet eb/rnen 9tof)ren fein ©ebein,
Unb feine flnodjcn ftnb roie eidjenftäbe.
' 3ob 88, 2—33. Ueberf. oon 93. 3öelte, 2>a« 33ud) 3ob (3reiburg i. 33r.
1846), ©. 860—369.
* 3ob 39, 19-30. Ueberf. won 33. SOßelte a. a. 0. ©. 376—379.
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30
Gxltis 58u$. dritte* Äapttel.
3)q8 erfte ifl'g »on ©otte« Söerfen,
Sein ©köpfet fclbft gab itjm fein ©eb>ert.
Senn Orutter tragen ifjm bie Serge,
Unb alles SQÖüb be8 Qrelbe« fielet bort.
66 legt ftd) unter Sotoabfifdjen
Unb im Jöerftee! tum fRotjr unb 6$ilf.
es flehten 8oto*büf<$e feinen ©Ratten,
Unb e$ umgeben ei beS JBadjefi Söeiben.
©iefj! m&djtig fc^toiCtt ber ©trom; ti jittert nid)t,
SBleibt ruhjg, toenn ir)m auct) ind üftaul ein dorban bringt.
Äann mau t»or feinen Slugen ti ergreifen,
aJlit ©triefen feine 9tafe ibjn burcrjbobjen ?
Äannft bu ba8 Ärotobil mit einem Singet jieben
Unb mit bem ©eile nieberljalten feine 3"UQ*?
Äannft SBinfen bu in feine 91a fe legen
Unb einen SRing ifjm burä) bie ftiefer bofjren ?
SBirb eö roof)l Diel ju bir um ©nabe flehen
Unb fä)mei(r)elt)afte SDBorte an biet) ridjten?
JEßirb e8 ein Sfinbnif} mit bir fcfjliefjen,
Unb bu auf eroig es jum ©Haben nefjmen?
Äannft bu mit ib,m rote mit bem Sögel fpielen,
Hnbinben e8 für beine SÖlabä^en?
Unb b>nbeln bie ©enoffen über ib,m,
Sertcjeilen fie e$ an bie Äananiten?
Sfüüft bu root)t mit ©efdjoffen feine $aut
Unb feinen Äobf mit Srifttjerrjafen ? 1
3ob anerfennt bic unerforfdbjidje 9)iad)t unb 2öei§f)eit be£ ©djöpferS
unb feine eigene Ummffenbeit unb bittet bemütf)ig um Sterjeiljung.
3m Epilog tabelt ©ott bann bie bret ftreunbe, bafi fie nidjt redb,t bon
feinem Liener 3ob gefproa>n, mafmt fte jur 33ufjc unb gibt 3ob Seben,
©efunb^eit unb fein ganje§ trbifd)e§ ©lücf roieber jurüd2.
%U bie f)öd)fte unb jortefte SBlütlje altfyebräifajer ^ßoefie gilt mit 9tecf)t
boS Don Äönig (Solomon Derfajite ^) o^clicb ober Sieb ber Cieber (Schir
haschschirim). 9tad) bem übereinftimmenben 3cl,9mfr ocr ^ünagoge unb
ifjrer Ijerrjorragenben Seljrer (nrie Ürabbi 2lfiba unb 5lben (5£ra) unb ber griffe
litten Ueberlieferung fajilbert e& in aflegorifa>möfiifd)er Steife bie Siebe be3
1 3ob 41, 15—31. Ueberf. öon 83. 2öelte a. a. €. ©. 382—387.
* 2>te fatfjolifdje ßüeratur über baS 3Jucf| 3ob öcrjeidjnet bei R. Corneltj 1. c.
11, 2, 71—75. §eroorragenbe neuere ©rHärungen ton ^Jarift (Palermo 1842),
S2c $ir (Paris 1873), «pierif (Gulpen 1881), Änabenbauer (Pariaiis 1885),
Sefetre (Paris 1836). $eutf<f,e Ueberfefeungen tum §. 3fö)offc (äßien 1875),
». äßelte (8freiburg i. SBr. 1849), fratob (Sttüncrjen 1859), ©. Sief eil (2öien
1894). 6tne treffliche äftfjetifebe Söürbigung be* J8ucb>S bei ©. ©i et mann,
^arjioal, Sauft/ $ob unb einige üertoanbte 2>icf)tungen (3rreiburg i. SBr. 1887),
©. 556-679.
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Xic 2id)tunqen bes Eliten SÖunbcö.
31
SrlöferS ju feiner Braut, ber Slirdje, wobei eine fecunbäre möfhfche Deutung
auf bte einzelne @ott liebenbe Seele unb gan$ befonberS auf bie allerfeligfie
Jungfrau, bie ÜRutter beS <£rlöferS, nicht auSgefchloffen ift. $er ©runb=
gebaute biefer SWegorie, bie Bergleidfwng beS BunbeS §mifc^en ©Ott unb
Israel mit bräutlicher Siebe unb ehelicher i'ebenSgemeinfehaft , aiefjt ft<h als
eine ber leitenben ^been burdj baS ganje 9Ute Seftament, oon ben Büchern
9Jiofeö bis ju ben legten Propheten, unb GfjriftuS felbft ^at ftch als ben
Bräutigam bezeichnet, in welchem biefer ^eilige SiebeSbunb erft feine öoHe
Bermirflichung gefunben hat. Schon burdj bie Schwierigfeit ber Sprache, mehr
noch burdj ben Dielfach buntein Sinn ber 5lflegorie bem Bcrfiänbnijj ber
erften beften faum jugänglich, ^at eS Don ben älteften Qexten an gerabe bie
beroorragenbfien Sehrer beS mnfrifchen SebenS am meiften beschäftigt unb ift
namentlich im Mittelalter jum Äern einer roeitfdudjtigen (SrflärungSliteratur
geworben, Schon jwifchen ben 3a^ren 1059 — 1063 fjat 9lbt SÖiUiram
ju Abersberg es ins £eutfche überfefct unb mit beutfdjen (Srflärungen Oer:
feljen1. 9luS ihm ift ju gutem £ljeil ber religiöfe 9Hinnefang beS 3JcttteI=
alters emporgeblüht.
3n ber äufeem §orm ^at bie "Sichtung ben ß^arafter einer ßfloge,
bie garte «Stimmung eines 3bt)IlS. Balb fpricht bie Braut mit bem Bräu=
tigam ober mit ihren Begleiterinnen, balb fpricht ber Bräutigam mit ber
Braut ober mit feinen fjfreunben. Bereits DrigeneS ^at beSfyalb fdjon bie
bramatifche Anlage fjerborgeljoben ; bodj mürbe man ju weit gehen, wenn
man ein eigentliche^ $)rama barauS machen wollte, darauf binjielenbe Ber=
fuäje neuerer Qrflärer hoben jii ben miHfürlichften unb unwürbigften |>bpo=
tiefen geführt, bie ftch burch tt)re romanhafte SQßillfür felbcr rieten. 2Beit
nä^er fleht bie tJorm, wie fiomth bemerft, ben 3bbllen beS 5tt)eofrit unb
Btrgil. $>er bramatifche Söechfelgefang aber ift nicht um einer #aupthanb=
(ung willen ba, fonbern nur um ben lörifchen ©ehalt $u boüerer unb
fchönerer Entfaltung ju bringen, tiefer felbft aber liegt tytx ttidr)t in ben
Stimmungen irbifcher Siebe, fonbern in ber reinften, göttlichen (ShowtaS, bte
weit über alles ©efdwffene hiuauSfluthct unb fich mit bem nüchternen 5Jtafj=
ftab fleinlicher Buchftabenerflärung nicht meffen läpt2.
3u ganj baroefen (Srgebniffen finb beShalb jene gelangt, welche, bie
poetifche Statur beS Buches nicht beachtenb, aus jebem einzelnen SluSbrucf
1 35aß höht Sieb fiberfefct Don SB t Her am, l)erausgeg. Don 3t o f. §aupt.
SBien 1864. — äßiUiramä beuiföe SParaphrafe beä ho^n Siebe*, b>rauögeg. oon
3o|. Seemüllet. Strafeburg 1878.
2 lieber bie gtflarung«lüerarui be* fcohenltebe* ogl. R. Cornely 1. c. p. 201-210.
— teuere latholifd^e ßontmentare oon 3. ß. §ug (3frcibutfl i. SJr. 1813), Äipe«
matcr fünfter 1818), Sd)ulet (äöürjburg 1858), JB. 6djaf er (SDlünfter 1876),
8e $>ir (Paria 1883), ®. ®i et mann (Parisiis 1890).
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32
grfte* 99ud). drittes Hostel.
ein neues mt>ftifc^cä ©el)eimniB tjerauSlefen moHten; böflig bcr f)eiligen
Triften unroürbig aber ftnb natürlich alle (£rflärungen, melcbe im |)of)en=
liebe nur bo§ „fünfte aller Siebeslieber" finben ober gar einen ©alomos
nifeben Vornan barauö ju geftalten öerfuebten1. 9tur reine göttliche Siebe
fann ben Quell ber ^oefie erfdjliefjen, ber in biefem ($pitr)alamium berborgen
ift 2. <&te ift unjertrennlid) mit bem Äreuje oerfnüpft, an meinem ber gött=
liebe ^Bräutigam fein Seben für feine SBrout gegeben unb baS erft ganj unb
oott feinen 9Uuf beftätigt:
„©tarf tote bcr Sob ift bic Siebe,
Unerbittlich toie ber ©djeol iljr (Eifer,
3bre flammen §reuerftammen unb Sofje.
2Hele SEÖaffer Dermogen nid^t aufyulöfdjcn bie Siebe,
Unb Ströme fte nidjt ju überflutfjen.
©äbe audj ein Wann ade $abe feines Kaufes um bie Siebe,
SDßie nidjtß toürbe man jene adjtcn.-
$aS 93ud> „(ScclefiafteS", ober mie bie ljebräifcbe Ueberfcbrift eigentlich
lautet: „2Borte beS ^rebigerS, be§ 6ob^e§ $abibä, ÄönigS in Serufalem",
ift eigentlidj ber ^>aut>tfacr)e naaj in ^Jrofa gefebrieben ; bodj enthält e§ biele
poetifdje ©prüdje unb längere, in poetiiebem 5}3aralleliSmuS gehaltene ©teilen,
bie als bibaftifdje ©ebiebte gelten fbnnen, unb fo mürbe es ben poetifdjen
SBücbern jugeredjnet. Sie ^rebigt »erläuft au<b nidjt nadt) ftreng tljeoretifcber
ftorm, fonbern in freier %xt, unb fliegt ber IraftöoUen (Srmaljnung manche
®ebanfen unb ^Betrauungen ein, bie nidjt ftreng ba$u gehören. $ro& ber
sJlücbternljeit beS SluSbrurfS fönnte man ben erften Xfyeil boäj als ein fiieb
auf bie SBergänglidjfeit unb Scidtjtigleit alles 3rbifä)en bejetdjnen, mie eS
cinfebneibenber rooljl niemals niebergefebrieben morben ift. 6a£ für £afc er=
innert, bafe ber ^rebiger, ber meifefte ber iSraelitifdjen Könige, aus ali=
feiiiger Grfaljrung, cmS tiefftem .^erjenSgrunbe fprid)t. SaS gibt ben SBorten
eine erfdnittembe #raft. SÖenn aber 9tenan unb anbere feine ernfte, foft
1 „3dj bobe bad $otjelieb ©alomonS überfefet, roeIct)e* ift bie b,errliä)fte Samm*
lung Siebefiliebcr , bie ©Ott erfdjaffen," fdjrieb ber junge ©oettje im Saumel feine«
SiIi-9toman$ (21. Baumgartner, ©oettje I, 189 unb ©oetbefl SSJerfe [frempel]
XXin, 225), unb biefe Stuffaffung ift für eine 3Jiengc Seute tonangebenb getoorben.
6$ lotynt fidj nidjt, bic toülfürltdjen Ueberfefcungcn ju citiren, in toeldjen ba§ (£an-
ticum gemäfi biefer Sluffaffung öerbreljt unb meifi audj oerftümmelt morben ift. $cn
neueften JBerfudj, eine Operette barauä ju madjen, lieferte <£ fj a r I e i 93 r u ft o n , ?ßro*
feffor ber proteftantifdjen 2bcoIogie ju HJtontauban, auf bem Crientaliften=(Songre&
JU ©enf (1894): ,Un ancien drame semitique« (Actes du X™ Congres Internat.
dc8 Orientalistes Iii, 33-43. Leiden, Brill 1896). $rofeffor 93 i de II toie* ityn
nad), bafe ber eittjtge 9>er«, auf ben fid) jene 9Iuffaffung frühen fönnte (6, 12), bie»
felbe entfdjieben auäfcbtte&t (ibid. p. 44).
2 Cf. Verdaguei; Idilisy Cants mistichs (Barcelona 1885), Prolech. p. XI. XII.
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3)ie 2>i($tungen be* Slten SJunbe«.
38
traurige Stimmung peffimifrifdj gebeutet Ijaben, f)aben fte ben jtveiten 5 bei!
nid>t genugfam beadjtet, ber bie fdjönften SebenSgrunbfüfce entmirfelt, um in
3ufrieben^eit unb magrer ÜEBeiSfyeit ©ott ju bienen. 35ie gan$e (Srmafmung
Hingt in ben ^errli^en Safc aus, ber eine burc^auS bernünftige optimifHfdje
9lnfd)auung DorauSfefct: „3rfird)te ©ott unb fyalte feine ©ebote; benn baS
ift ber ganje SJtenfcb, unb alles, maS gefaxt, jiefyt ©ott bor feinen 8Hdjter=
Mi." 1
(Sine britte, nad)toeislid) Don Solomon ftammenbe Schrift ift baS ,,33ud)
ber Spridjmörter", eine bibaftifc&e Sammlung, meld&e in iljren erften neun
tybfdmitten längere ©ebidjte enthält, mä^renb bie folgenben ftdj aus ben Oer?
fcfyicbenartigften Sinnfprüdjen $ufammenfefcen. 3ln bie erfte Sammlung reir)t
[idj (ßap. 25) ein furjer 9tad)trag bon Sprühen, bie ebenfalls Solomon
jugefdjrieben werben, aber erft unter (5jed)iaS gefammelt mürben, unb nod)
brei fürjere 3lnlj(mge, Don meiern ber lefcte in einem alp^abetifdjen Siebe
(b. ty. beffen SBerfe je mit einem anbern Sudjftaben beginnen) baS fiob einer
Ȋdern 3rau befingt. 5)iefe ganje SprudjroeiSljeit bejiefyt fldt) ber $aupt=
fadje nad) auf bie getoöfmlidjen SBerIjältniffe beS ÖebenS, entnridelt jumeift
©runbfäfce unb Kegeln, bie fiä) aus bem 9faturgefefce ableiten Iaffen, unb
maljnt befonberS Don ben ^aupttaftem ab, bie im 3ubentl)um wie im Reiben:
tf)um baS 2Bot)I beS (Sinjelnen mie ber ©efellfdjaft bebroljten; bodj ift baS
alles nidu* Dom Stanbpunfte eines pljilofopfjirenben Reiben, fonbern eines
burd) baS ©efet> erleudjteten , glaubenstreuen 3Sraeliten betrautet, ber Don
ben SSerljei&ungen feines SBunbeS mit ©ott erfüllt ift.
3n erfjabenfter 2öeife ift (#ap. 8 unb 9) bie emige 2BeiS§eit felbft,
ber unerfa^affene 23orn aller ©efefce unb aller menfdjlidjen 2Beis§ett, ge=
f Gilbert : 2
3dj, bie 2öet$beü, toofme bei Ueberlegung : unb bin unter einftdjföDotten @rn>agungen.
3fur$t bti fetten Raffet SBöfeS: Uebermutb unb Stol^ unb böfen 2öeg unb jtoet»
beutige 3unge öerabföeue icfc.
SWein ift Siatb, unb ffied&t: mein ift Älugfjeit, mein ift Starte.
$urdj midj regieren ftönige: unb öerorbnen ©efefcgeber, ttaä red>t tft.
3)urdj mid) b*refdjen dürften : unb ©eroatttjaber entfdjetben ©eredjttgfeit.
liebe, bie mit) lieben: unb metdje frü^ ermaßen ju mir, toerben mtcf) finben.
Sei mir ift Weidjttjum unb ©Ijre: tjerrlidje Si^ä^e unb ©ered&ti gleit.
2>enn beffer ift mein 6rträgm& als ©olb unb ©belftein: unb meine ©rtrdgniffe al8
ouäerfefencö Siltter.
fctof ben SDSegen ber ©eredjtigfeit manbte idj: inmitten ber SBah,nen be£ SRedjteä,
Um ju bereitem, bie mitf lieben: unb tf)re ©c$afcfammem ju füllen.
> aaif>olifd6e ©rllärungen jum gcdefiafteä »on ß. ö. ©ffen (©^offb^oufen
1856), SB. 6$afer (ffreiburg i. »r. 1870), ©iilö (Paris 1863), Rambouillet
(Paris 1879), *. 9Jtotai« (Paris 1876—1877), Jöegni (Firenze 1871), ©. JöicTell
Onndbrud 1885), ©. @t et mann (Parisiis 1890).
1 ©pridjio. 8, 12—36, ftberfe^t üon ßo$ unb Reifet.
Saumgattnet, SBtlUUetatut. I. 3
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34
Grfteä SJudj. SJrittc« ftnpitcl.
$er §err befafj mid& am Anfange feiner Söege: beoor er etwa« bilbete, öom Än«
fange an.
9Jon ßwigfeit b>r bin id& gefefot, unb bon ber Urjeit an, beöor bie (Erbe toarb.
9Hdjt toaren nodfj bie Siefen, unb idt) war fdjon empfangen: nod> nid&t toaren bie
2Bafferquetten tyeroorgebrodjen,
9lod& franben nidf>t 99erge öon fernerer Saft; eljer al< bie #figel warb iä) geboren.
9to$ h>tte er bie 6rbe nid&t gemalt; unb bie glfiffe unb bie Äugeln be« @rbfreife*.
Mi er bereitete ben Gimmel , mar id& babei : al« er mit beftimmtem ©efefre unb
€>ä)ranfen umjog bie Siefen ;
9llö er bie ßüfte oben feftigte: unb auäglidj) bie üföafferqueften ;
tili er bem 9Jleer ringsum gab feine ©renje ; unb ©djranf en fefcte ben JBaffern, bafj
fie nidjt überfd&ritten ib>e ©renjen: ald er einfette bie ©runbfeflen ber (Erbe;
3)a mar ia> bei iljm, atte« orbncnb, unb id> freute midfc an jebem Sage, fpieleub oor
ih> aHejeit;
©ptelenb auf bem grblreife: unb meine Söonne ift ti, 3U fein mit ben 9Jtenfa>n'
Ünbero.
5lun alfo, ©öfme, l)örct mia): gtücffelig, bie einhalten meine SBege!
9RerIet auf &\id)t unb feib weife: unb beradjtet fie nid&t.
©lüdfelig ber aJtenfdj , ber mid& fjört , unb ber toaa^et an meinem 2b>on Sag für
Sag: unb ber ad&t h>t an ben Soften meine« Sb>rc«.
jJQBer midj gefunben, wirb Ceben ftnben: unb §eil fd&öpfen Oom fterrn.
2Ber aber gegen miä) fünbigt, uerlefet feine 6eele. «He, bie midj Raffen, lieben
ben Sob.
SBeber bei Snbern nodj Werfern ober ©rieben wirb man eine
äf)nlid)e ©teile finben, in roelajer göttliche unb menfdjlidje SBeiSljeit in iljrer
2öed)felbeäief)ung fo flar unb roaljr gefdn'lbert ift, mit foIa>r fpeculatioen
9iidjtigfeit, folcb,er praftifd&en Jhaft, [ola^er bid&terifdjen Sdjöntyeit, fo frei
bon Ueberfajä&ung beS menfd)lid)en 2öiffen§, fo frei Don allem, roaS na#
2öafmglauben, ßföjjenbienft unb fyabclet fdjmetft1.
Söicl 95ertüanbte& mit biefem 93ita> l)at baS „93udj ber 2BeiSf)eit\
fpäter, erft unter ben polemäern, in griecbjfdjer Spraye für bie in Slegüpten
roeilenben 3uben abgefaßt, bodj mit 3ujteljungen älterer Ueberlieferungen
unb Wufeeiamungen, »elaje ebenfalls mieber auf ©alomon jurüdge^en. (5r
felbft roirb im jmeiten 2b>ile rebenb eingeführt, berfünbet in b>rrlicb>n
Söorten baS Sob ber 2Bei§f>eit, erjä^lt feine ©emütjungen um beren @r=
langung unb roeift ben SBertf) ber SBetefjeit einerfeit* an ben pljrungen
beS iäraelttififcen ÜBolfeä, anbererfeits an ber Entartung ber ^eibnifc^en
Wegöpter unb ilanaaniter burd) ben ©öfcenbienft nadb;, fomie an ben <5traf=
gerieten, melaje i^rettoegen über fte ergangen. $ier unb ebenfo im erften
Zfyil mirb ber in göttlid&er Offenbarung murjelnben unb in &eiligfeit be§
ÖcbenS fidb, betyfttigenben SBeiS^eit eine ma^aft öerntajtenbe Jfritif ber
olt^eibnifd^en Kultur gegenübergefteüt, bie, am (Snrigen berjmeifelnb, fi* in
' ?l. {Rohling, 3>a« ©aloraontföe ©prud^bu* (SJlainj 1879). — H. Leaetre,
Le livre des Provorbes (Paris 1879).
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2ie Siditunaen boö Gilten Sunbed
35
febnöbem Lebensgenuß entwürbigt, Söaljrheit unb $ugenb »erfolgt, ober in
fdjmitylidjem Srrtbum bie menfchlicbe Vernunft mit Ofüfeen tritt unb ewigen
Ouolen entgegeneilt, mäljrenb ßeiben, Verfolgung unb $ob ber ©cremten R#
äum fiebern 2*iumpl)e geftalten.
2B<u)renb bie übrigen SSölfer beS Orients Solomons ß^arafter in ben
ungenießbaren fabeln entfteüt ^oben, führt er felbft ljier alles Söiffen auf
bie unerfebaffene SÖeiSheit jurürf:
Unb toa« immer ift öerborgen unb umoaljrneljmbar, erfunbete td) : beim bie 2UI«
fünftlcrin lehrte e« mid), bie Stteiebeit.
Senn in tfjr ift ein ©eift, ein oerftänbiger , ^eiliger, einfacher, oieltfjeiliger,
feinet, berebter, beweglicher, unbeflecfter , fixerer, lieblicher, guteöliebenber , fdjarfer,
ungehemmter, roor)ttr>ättger,
ajtenföenfreunbtidjer , gütiger, fefter, oerläf figer , forgenfreier . aHüermögenber,
attfdjauenber unb alle ©eifter burd)bringenber, ein finniger, reiner, jartet.
Senn über jebe SBemegung beweglicher ift 2Bei«heit : fie bringt aber Überall hin
mittelft i^rer Feinheit.
Senn ein £auch ift fie ber ftraft ©otte« unb ein Huäfluß be« ßidjtglanjeä
be« allmächtigen ©otte« : fonnentein, uttb Deshalb reicht nichts Jöeftecfte« an fie tyxan.
Senn fie ift »bglanj ewigen Sichte« unb ungetrübter Spiegel ber SDlajeftät
©otte«, unb JBilb feiner ©üte.
Unb obgleich fie ift bie (Sine, bermag fie ade«, unb in fleh bleibenb, erneut fie
alle«, unb geht burch bie @efd)lecht«folgen über in heilige Seelen, bilbet Orteunbe ©otte«
unb Propheten;
Senn niemanb liebt ©Ott außer berjenige, toelcher mit ber 2Bei«heit ju-
fammentoohnt.
Senn fie ift fdjimmernber al« bie Sonne, unb ift über allem tReije ber Sterne :
mit bem Sichte aufammengehalten, ift fie bezüglicher.
Senn auf jene« folgt bie Stacht: über bie Söei«heit aber obüegt nicht ba«
»öfe «.
9?icbt minber warm unb berebt Hingt baS 2ob ber 2BeiSf>eit auch in
bem legten ber bibaftifeben 33üd}er, bem „(ScclcfiafticuS" ober ber „SBeiSljeit
3efu§, beS Sohnes Sirach", einer auSgebelmten Sprucbfammlung, nach einer
hebräijcben Urfdjrift unter sptolemäuS VII. (SuergeteS II. (170 — 117) ins
<&rtedjifd)e überfe$t. $tefe Spruchfammlung weift in 33ejug auf Snljalt wie
^Inorbnung bie größte 5le^nliü)feit unb SSermanbtfcbaft mit ben Sprichwörtern
(Solomons auf. SJlag eS fich beSf)al6 um eine ftaebbilbung ber ältern 93ü(f)er
hanbeln, fo boch jebenfallS nicht um eine froftige ober fflaöifcbe 9(achaljmung.
3n reichfter Qrüfle, balb in f^orm Don Gnomen unb 9tätr)feXn balb in finnigen
Parabeln unb ©ergleichen, winben fich bie Sprüche frifch unb lebenbig ju
einem mafjrljaft neuen #ran$e, ber ©eift unb ^)erj gleichermaßen erquieft.
%tx poetifche ^araüeliSmuS ift wie in ben Salomonischen Sprüchen mit
lunftooller ©enauigfeit burchgeführt. Vermanbte Sprüche finb überfichtlicher
1 SBBei«h. 7, 21—80, überfefrt bon S och unb «ei fehl.
3*
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36
Grftcö SBud). ©terteS «apitel.
jufammen gruppirt. $>er ßehrgefjalt ift reicher unb mannigfaltiger als in irgenb
einem ber bibaftifchen Silber1. Sie umfaffcn alle Seiten unb Beziehungen
eines gottgefälligen SebenS bom natürlichen wie übernatürlichen ©efichtspunfte
aus. 9ttit 9*ed)t tjat barum 9Jhabönuä Maurus ben ^Jcainjer (Srjbifchof
Otgar ermahnt, biefe Sprüche häufig ju lefcn unb bejtönbig §u betrauten2.
3)ie fdjönften ßebenSborfchriften ber Stoifer nehmen ftch baneben fc^r lüden*
fjaft, pebantifch unb hölzern aus.
Viertes fapitcl.
3$raef3 llfropQttcn.
SEBunber unb SffieiSfagungen waren bon ben älteften Qtiien an D'e
ßennjeichen unb SBeftätigungSmittel , beren ftd) ®ott bebiente, um ^eilige,
auSerlefene Männer als Boten feiner Offenbarung bei bem auSer wählten
Botfe unb bei ber 3Renfd)tjeit überhaupt ju Iegimitiren. Me Berfudje beS
Nationalismus, biefe bebeutfame 2^Qtfad)e hüiwegjubeuteln ober f>inroeö=
juftreiten, ftnb mifjglüdt. *Dkn b,at nur bie 28aljl, fich in ffeptifdjer ©enüg=
famfeit, mit $intanfe£ung aller $runbfäfce t)tftorif«^er unb fritifdjer ftorfdmng,
in ein unabfehbareS 9le$ ber roiflfürlidjften, wiberfprechenbften unb abenteuere
lichften £bpott)efen ju berfttirfen, ober aber mit ber ernften unb gewiffenhaften
&rttif afler chriftlichen Sorfdjer anzunehmen, baß baS Bolf Israel wirfliche
Propheten befeffen ^at unb baji ihre ^hätigfett öon ber Teilung beS 9teid)eS
an wefentlich miteingriff in bie weitere ©efchidjte unb (Sntwitflung beS hangen
BolfeS. $)amit ergibt fich auch für bie Siteraturgefdjichte bie Wothmenbigfeit,
bie Schriften ber Propheten nicht als agitatorifche ©elegenheitSfchriften ober
als phantafieboüe Träumereien ober als poetifche Bearbeitung bereits er=
füflter unb bodenbeter ^atfadhen anjufehen, wie es unter bem (Sinflufj ber
rationaliflifchen Bibelfritif Ieiber bielfach gefchehen ift, fonbern als tbof)l=
beglaubigte, wahrhaft tyMiQt unb prophetifche Schriften, bon ©ott felbft
infpirirt unb allen, bie reblich nach 2öab,rheit ftreben, zum untrüglichen
2Ba!t)r$eichen gegeben, an bem fie fich über bie meffianifchen Verheißungen,
über ^erfon, Wntunft unb 2et)re beS berheijjenen 2)teffiaS mit boller ©e=
mijjljeit berftchern fönnen.
« 3. *. ©äjmib, 3>a« SBudj ber SBei^eit überfe^t unb ertlart (Söien 1858,
2. Vufl. 1865). — (£. ©utberlet, 2)a8 Sud) bei 2öeüfjeit ic. (ÜMnfier 1874). —
H. Lesetre, Le livre de la Sagesse (Paris 1880); L'Ecclesiastique (Paris 1880).
2 Rhabani Mauri Commentariorum in Ecclesiasticum libri decem Praefatio
(Migne CIX, 763).
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Ssiaclö *p rotten.
37
$ie nöd^fte Aufgabe bec Propheten mar aüerbingS an baS Sßolf
SSrael gerietet. Sie Ratten bic grofje Senbung ber Patriarchen, beS
3KofeS, ber ^Richter unb theilmeife auch biejenige ber Könige fortjufejjen,
b. t). ben 53unb ©otteS mit feinem S3olfe aufregt ju erhalten, bie bereits
erfolgten Offenbarungen &u bemahren, ben (Glauben baran ju ftärfen unb
neu ju beleben, SBolf unb ^errfeber aus ben ©efahren beS ©öfcenbienfteS
unb ber Sittenlofigfeit aufzurütteln, bie Hoffnung unb ßrmartung eines
GrlöferS Don ©efajlecbt ju ©efchledjt neu ju fröftigen unb immer beuU
lieber ju geftalten. So trat baS SBilb beS 2JleffiaS auS buntein Ums
riffen immer flarer ljerbor, unb als er erfebien, ba mar feine ©efebiebte
in fmnbert (Sinjelljeiten febon gum Boraus gefebrieben. $)ie guten SGBiHenS
waren unb emft nach ber SBa^r^eit forfdjten, tonnten fich über feine ^erfon
nicht töufcben.
2)ie grofce TOaffc beS 93oIfeS, oielfacb auch bie $errfcbenben , Könige
unb Sßriefter, entfpradjen feiten ber £mlb, bie (Bort u)nen ermieS. Sie brauen
ben ^eiligen, mit (Sott eingegangenen SBunb, manbten fich bem ©Öfcenbienft
ber benachbarten 9teube ju ober überfdjritten in jügellofem Söeltleben bie
©ebote beS £errn. 5)aS Amt ber Propheten mar beSljalb ein partes unb
bornenDolIeS. Sie mürben fjäufig felbft ju üBorbitbern beS SDReffiaS, ben
fein eigenes 93olf berftiefj. (5s traf fie ÜSMberfprud) , Schmach unb S3er=
folgung. *Dteljrere aus ihnen erlebten fetbft bie furchtbaren $ataftrophen,
bie ©ott §ur Strafe über fein 33oI! behängte unb bie fie ifmi jum borauS
anfünbigen mußten.
35on zahlreichen Propheten finb uns feine Aufzeichnungen erhalten.
3h*f Senbung befchrönfte fich auf münblicbe Sßrebigt. Sßon ben feebzefm,
beren Schriften in ben ßanon beS Alten SöunbeS übergegangen ftnb,
merben oier: 3faiaS, Jeremias, @zecbiel unb Daniel, als bie großen ^ro*
pbeten l)ert)orge^oben , bie jmölf anbern mit bem tarnen ber fleinern
bezeichnet, lieber einige oon if)nen höben mir ebenfo genaue hiftorifche An=
gaben als über btele fpätere SchriftfteÜer bon £>eflaS unb ftom ; ihr ßhorafter
prägt ftch theilS in gefchichtlidhen 9cotijen, theils in ihren ^rophetien felbjt
aus. $>ie bier großen Propheten gehören mie 9)cofeS, $5abib unb Solomon
Zu ben h^borragenbpen ©eftalten ber gefamten alten Literatur.
3 f a i a S trat fein Amt im legten %af)xt beS Königs OjiaS bon 3uba
(757 t>. 6hr.) an. Sßahrfcbeinlicb mar er aus oornelnner Familie gu 3eru=
falem felbft — im Anfang ber Regierung beSfelben ÄönigS — geboren.
$ie Schönheit feiner Sprache unb feines Stils läfjt feinen 3meifel fl&rifl*
bafr er eine forgfältige, fyöfyxe SBilbung genoffen. Seine ßrmählung jum
^rophetenamt burch eine erhabene SBifion ha* « felbft gefajilbert:
,3n bem 3ahre, in meldjem ftarb ber ftöntg ßjia8, fah id) ben fcerrn ftfren
auf hohem unb erhabenem Zhnme; unb feine ©<bleppen erfüllten ben Tempel.
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Cnftcö 29udj. SHerttf Äapitel.
Seraphim ftanben auf felbem; je fed)3 tyüQtl ^atte ein jegüdjer; mit aioeien
oerljüttte er fein Slntiife, unb mit jweien »erfüllte et feine ftüfee, unb mit Jörnen
flog «•
Unb fie riefen einer bem anbern ju, unb fprachen : heilig, fjcUig, Zeitig ift ber
^»err ©ott ber £eerftf|aren, oott ift bie ganje @rbe fetner §errtichtett !
25a erbebten bie ©efimfe ber SdjmeUen ob ber Stimme be* Äufenben, unb bai
£au8 toarb erfüllt mit IRaudj.
Unb ich fpracr) : 2öef)e mir, roeil id) oerftummc, unb ein Sttann td) bin unrein
an Sippen, unb in SJlitte eine« JBotfe«, ioeld)e$ unreine Sippen hßt , toob^ne id) , unb
ben Äönig, ben Jperrn ber ^eevfdjaren, flaute id) mit meinen äugen.
2) a flog au mir einer ber Seraptjim, unb in feiner §anb toar ein ©tuhftein,
ben er mit einer 3ange genommen r)atte oom Elitäre.
Unb er berührte meinen 2Kunb unb fprad): Siehe, bie« ^at berührt beine
Sippen, unb fnnmeggenommen ift beine Sd)ulb, unb beine Sünbe mirb gefü^net.
Unb ich; Oernatjm beä §errn Stimme, melier fprad) : SBßen foll id) fenben ? unb
roer nrirb und geljen? Unb id) fagte: frier bin tdj, fenbe mid) !
$>a fprad) er: ©etje unb fage btefem üöolte: fröret nur, b^öret unb Derfteljet
niä)t; fefjet nur, fer>et unb erfennet ntä)t!
SSerblenbe bai frerj biefe* Softes, unb beffen Otjren betäube, unb feine Äugen
fä)lie&e, bamit es ni<ht ettoa ferje mit feinen Hugen, unb mit feinen Ofjren f>öre, unb
mit feinem frerjen erfenne, unb es ftd) belehre, unb id) eS tyilt.
3) a fprad) idj: SGÖie lange, frerr? Unb er entgegnete: SBiS bafj ocröbet finb
St&bte ohne JBctoofmer, unb Käufer orjne 2Jlenfd)en, unb bas Sanb öerlaffen ift
als SEßflfte;
Unb entfernt b>t ber frerr bie SRenfdjen, unb grofc ift bie SBerlaffentjeit in
SRitte be« SanbeS.
Unb nod) ift bafelbft ein 3efjntel, unb eS roirb fidj belehren, unb toirb ftd)
jeigen toie eine 2erebint^e, unb wie eine @id>c, toeld)e ausbreitet it)re Hefte ; Zeitiger
Same ift baS, toas bleibet bafelbft
Sie göttliche Erhabenheit bcc «Senbung , bic mcnfdjlid&e Schmächc bcS •
Propheten, bic ^tmmlifcrje Säuterung unb Stärfung, bic feinere Saft be*
SßrophetenthumS gegenüber einem öon Srrtfmm unb Seibenfehaft uerMenbeten
Sßolfe, bic furchtbaren Strafgerichte, bie btefem b rohen, baS Chatten (Bottcä
am £>eilSplan ber (Srlöfung, bie Rettung ber ©enigen unb bie fegenSöofle
Ausbreitung beS ®utcn aus ben noch gnabenreich erhaltenen unfeheinbaren
Neimen, Iura, baS ganje ^rophetenthum in feinem Saiten unb 2Öirtcn ift
in biefen menigen Herfen granbioS gezeichnet. Auch h>« ^ uns mieber
eine gemaltige ^oefie an; boch nicht jene beS gemöhnlichen SRenfchenlebenS,
fonbern jene beS ÖotteSreicheS , baS ber £>crr felbft in bie SRenfchheit ge=
pflanzt hat.
lieber fünfzig 3tahre, unter ben Königen Cjia§, ^oatham (II.), Achaj
unb %chia§, höt SfaiaS feines h°h*" Gimtes gemottet ; nach alter chriftticher
Uebcrlieferung ftarb er unter bem ftönig WanaffeS als Wiartnrer unb Opfer
feines Berufes. (SS mar ihm inbcS öergönnt, feine Sehrreben unb 2öciS=
1 3f. 6, 1-13. 9tad) ßoä) unb Weifd)!.
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3«raele *P rodeten.
fagungen in fchöner Drbnung ju einem abgerunbeten ©onjen ju bereinigen,
ba* fcfym bie jübifchen 6rflärer als „Sroftbucb" bezeichneten. §S ^erfüllt
in jwei #aupttheile, Don melden ber erfite (nach bem hl. Bornas Don Slquin)
„bie Erohungen ber göttlichen ©erechtigfeit über ben Untergang ber ©ünber
umfajjt, ber jttjeite bie Sröftungen ber göttlichen Sormherjigfeit im 2öieber*
aufleben ber Gerechten". ®er erfte Xljeil gliebert ficb mieber in brei Gruppen
oon erfcbütternben Drohungen unb Mahnungen: bie erfte bejieht ft# auf
bie Gefahren, meiere bem Steide $uba Don feiten ber Wffprer Drohten, benen
Äönig 2tö)aj ftaj in bienftgefäfliger ^olitit angcfcbloffen ^atte ; bie jtoeite
auf bie benachbarten b,«bnifdjen SBölfer, baS »eltbeb, errfchenbe 33abölon, bie
fleinem 33ölfer ber ^hilifler, SRoabiter, EamaScener, bann bie Slethiopier
unb Slegöpter unb enbticb roieber auf Sabplon, $uma (3bumäa), Arabien,
Serufalem unb XpruS, mit weiterem SluSblid auf baS lefcte SBeltgericbt ; bie
britte auf ben 3erufalem brohenben $rieg gegen ©ennacberib, beffen glüdlicben
Ausgang ber Prophet julefct luftorifch berichtet. 3m jtoeiten geht er
ju ben ©rofethaten über, »eiche bie göttliche 23armb,erjigfeit jur Rettung
feines SSolfeS unb ber SWenfcbheit au tuirfen beabftchtigt , er fchitbert bie
flacht unb SöeiSheit, welche ©ort jur Erfüllung feiner $löne ju Gebote
fteht, er Dertünbet ben ©turj SBabnlonS burch GöruS ben Werfer, bie $e=
freiung beS SBolfeS aus ber ©ef angenfdmft , bie 6rlöfung ber Wenfchheit
burch ben fommenben SReffiaS, beffen Reiben unb Opfertob, baS neue burch
ihn gegrünbete ©ion unb ben Triumph ber ©nabe unb ber <5rlöfung über
alle ©ünben unb Strafen 3erufalemS. „Sprechet jum Oerzen SerufalemS
unb rufet ihr ju, bafr Doflenbct ift ihre SRühfal, — nachgelajfen ihre 9Jtiffe=
that, — baß fte boppelteS empfangen aus ber £>anb beS £errn für alle
ihre ©ünben" (40, 2) K
$ie poetifdjen SBorjtige beS 3faiaS hat öototh fehr gut charatteriftrt :
„SfaiaS ift fo reich an allen SJorjügen, bap ftch in biefer 5lrt nichts S3oll=
fommenereS benfen läpt. 6r ift zugleich anmutig unb erhaben, tunftreich
unb fraftDofl, fotoohl in SReichthum unb ftülle wie in ©emalt unb Sßürbe
bemunbemSmerth. 3n ben (Smpfinbungen r)errfc^t eine unbefchreibliche 6r=
habenheit, SJcajeftät, ©öttlichfeit , in feinen JBilbern bie bejeichnenbfte Cru
ginalität, SBürbe, Schönheit, ^rucbtbarleit, bie geroähltefte 5Jcannigfaltigfeit ;
in ber ©pradje eine aufjerorbentlicbe Einheit un0 oc' f° geheimnijjDoflem
1 Äatb,olifä)e lleberfefcungen unb erftärungen bon ^J. © dj e g g (SJtündjen 1850),
«. ftohüng (Snünftcr 1872), Sc $ir (Paris 1877), Meteler («TOflnfter 1876),
2tod)on (Lea Prophetes. Isaie. PariB 1878), Änabenbauer («rHärung
be* Propheten 3faia*. Sfreiburg 1881. Comment. in Isaiam. 2 vol. Paris. 1887).
(Eine metfterfjafte Uebertragung in fjottänbiftfje SJetfe lieferte G. JonckNoet S. J.,
De Profeticön van Arnos' Zoon. Amsterdam (*Prtt(htau«gQbe 1888, §anbau«gabe
1889).
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40
Grfte« »ud). Sterte« Jßapitet.
©toff eine munberbare tflarljeit unb ftatürlidtfeit; im poetifa>n ©afcbau
eine folaje ©üfjigfeit, bafe, wenn bon ber frühem Sieblidjfeit unb Wnmutlj
ber tjebrätfdjen <ßoefie noefc etwas übrig geblieben, eS na# meiner 9(nfid)t
in ben ?lufjei^nungeu be§ Sfaiaä enthalten ifi unb am tlarften mat)r=
genommen merben fann. . . . @r jeidjnet fu$ aud& ganj befonberS burd)
richtige Hnorbnung ber Steile, gefällige 95erbinbung unb ©ruppirung be*
©toffeS aus, obmot)! man ljier immer mit bem propfctifd&en Crange rennen
muf$, ber fid> ba unb bort in plö$lid>em Uebergang bon bem Waljeliegenben
jum Entfernten, Dom 9ölenfd)lic&en jum ©öttlitfen entrafft. " 1
6ine ^ßrobe &u mähten mirb fdjmer, ba feine einzelne ©teile bie reidje
HbmedjSlung unb 3?üfle miebergibt. Eon toettgefajidbtliajer ©röfje unb <Sr=
fabenljeii ifi bie folgenbe ^ropfoeiung über ben f$atl ber ©tabt Säbel,
beS ^ariä unb Sonbon ber alten Söelt:
SBic ifi'« ju Snbe mit bem 3toing^erm jefrt,
Vorüber mit ber ©olberpreffung !
3erbrod)en Ijat ber §err ben ©tab ber Ofrebler,
$a« ©cepter, ba« bie SBöltec fd)lug
83 oü ©rimm mit ©plagen oljne SDlafe unb 3*1)1»
3n SButlj fte niebertiat unb raftlo« fjefrte.
$efct rul)t unb raftet au« ba« ©rbenrunb;
ß« jubelt unb froblodt.
6« freun fid) bie Sijpreffen über bid),
S)ie Gebern ßibanon«:
„Seit bu 3ur SRaft gegangen,
9lar,t feiner mit ber Hrt!"
2)er ©d)eol fäbrt empor, ba bu erfd)einft,
©türmt bir entgegen, toedt bie ©Ratten auf »
2>er »ölferfurten, unb Pon ü)ren X^ronen
Grljeben aller Stationen Könige fid)
Unb grüben bid) unb rufen laut bir ju:
„Slud) bu bift Iraftlo« iefct, ttrie mir e« finb,
Un« gletd) getoorben!
fcinab in« fcobtenreid) fan! beine *Prad)t,
©anf beiner Warfen ftoljer ©iege«ton,
5luf SDBÜrmern ifi ba« ßager bir gebettet,
Unb 9Jlober beift bid) ju."
2Bie bift Pom Gimmel nieber bu gefrürjt,
S5u ©lanjgefHrn, bu ©o^n ber 3Jtorgenrött>e,
©efdjteubert auf bie ßrbe bin,
2>er au« ben Wn bu einft bie »511er nieberftrerfteft,
1 De sacra poesi Hebraeorum. Prael. 21, p. 241 sq. — Ueber bie metrifdjeu
Xfjeile ber $rop^etie Pgl. G. Gütmann, De re metrica Hebraeorum p. 59 sq., unb
G. Bickell, Carmina hebraica etc. p. 200 sq.
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3<naett $rop$eien.
41
2)er bu, ja bu, in beinern £>erjen fbrad)ft:
„fcod) iu bei Gimmel« §öben nntt id) feigen,
Unb über ©otteä ©terne Bauen meinen Syrern,
£od) auf bem (Kötterberg mid) nieberlaffen,
3m t)5ct)ftcit Horben,
SBeit über 2öoI!enl)öb>n toiü id) fahren,
S)em #öd)ften gletdj fein" —
$ebod) in« Xobtenreid) wirft nieber bu gefäjleubert,
herunter in ben ttefften ^ßfur)I.
Unb bie bid) fehen, flauen oott Jßertounb'rung
Unb fdfjaun bid) finnenb an:
„3fi baS ber Mann, bor bem bie 6rbe bebte,
SBor bem bie Aönigreidje gitterten,
S)er roeit ba$ CSrbenrunb üermüfteie,
2)ie ©täbte nieberrifj unb bie ©efang'nen
9licbt roieber jjiefjen lieg in ibre Heimat?"
2)ie Könige aller Nationen rubn
3fn S^ren, jeglidjer in feiner ©ruft;
S)u aber bift au« beinern ©rab b,inau«gefd)leubert
SGßie ein bermorfnefi 9Rif$gemäd)6,
SBebedft mit ßeidjen ton €rfä)Iagenen,
2Rit ©djtoertburdjbobrten, bie mit ©teingeröü
SWan rafd) binunter in bie ©rube fd)aufett — —
Söie ein 3ertretneä 3la3.
Äein 3$eU toirb bir an ibjer ©rabeöfeier,
SSBeü bu bei« ßanb oerljeert, bein Soll gemorbet;
S)er Sfreoler Warnen fott berfdjotten bleiben
Sluf emiglid}!
Sur ©djladjtbanf führet ibre ©öbne nur
Um ibrer SJäter SMutfduiIb mitten,
9lid)t follen fie erbeben fldt) unb ßanb erobern,
SRod) aud) ben CrbfreiS neu mit Stäbten füllen.
Unb id) »itt mid) erbeben toiber fie,
So fbrid)t Seboöab, 3£baotb,
Ausrotten SBabel* legten SRefl unb ©tamm,
€>d)Ö&ling unb ©pröfcling, fbridjt ber §crr.
3ur 38elbfüfee mai$' idj'ö unb jum ©umtof
Unb feg' e« mit bem Siefen ber Vertilgung fort,
©o fpridjt 3eb,ooab, Sebaotf) \
Jeremias, aus einem ^rieftergefajtedfrte ju Slnatljotl) im ©tammeS3en=
jamin, mürbe erfi gegen §nbe ber Regierung beS tfönigä SWanaffeä geboren,
unter meinem 3jaiaä ftarb. (5§ maren traurige 3eiten, bie ftä) unter bem
folgenben &enf$er, Sofias, menig änberten. 3m 13. 3afjre biefeS ÄönigS
warb Jeremias jutn ^ropfctenamt berufen, baS er bierjig Saljre lang in
» 3f. 14, 4-23. 9iad) bem fcetoäifdjen.
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42
Giftes Surf). Viertes flaöitel.
Söort unb ©djrift, in Tempel unb ^ßalaft, an bcn Sporen bcr ^eiligen
©tabt unb in ^ribatroo^nungen , aucb, im Werfer mit f)tngebenbfter £reue
berroaltete, „als eine umroaflte Stabt unb eine eifeme Säule unb eine
eherne ÜHauer für bie ganje (Srbe : für bie Könige IJubaS unb feine dürften
unb ^riefier unb baS gefamte SSolf". Unermüblid) jianb er bem ßönig
Sofias in feinen Semüfmngen bei, ben ©öfcenbienft auszurotten unb baS
95oIf auf beffere SBege ju bringen. ©tanbf)aft erljob er unter beffen 9toaV
folgern Soadjaj unb 3oafim, 3oad)in unb ©ebecias feine ©timme gegen
ben bon neuem auflebenben ©öfcenbienft unb gegen bie in reügiöfer wie
nationaler &infid>t bcrberblidje ^olitif biefer Könige. 9hir als es ju fpät
mar, als bie ^riegSmaa^t ber SBabplonier Serufalem bereits eingefdjloffen
fjatte, um es nad) jroeijäfjriger Belagerung ju jerftören, rief Äönig ©ebecias
ben ©el)er um feine fjürbitte bei ©ort an. 91udj je^t aber folgte er feiner
Wafjnung nidjt, fonbern überließ ifm jeitmeilig bem $ajfe feiner geinbe,
bie iljn jmeimal in bie fdjredlidjftcn Äerfer warfen. @rft !ftabu#obonofor
gab bem ^ropfjeten nadj ber (Sinnalmte 3>erufalemS bie <}reif)eit lieber.
$a erflangen feine Samentationen, bas ergreifenbfle Xrauerlieb, baS je über
eine eroberte unb jerftörte SBeltjiabt gefungen morben ifi, ber erfjabenfte
ßlagegefang ber $ir$e bis auf ben heutigen $ag. Jeremias bermodjte
fid) bon ben Krümmern ber ^eiligen ©tabt ntdjt loS§ureijjen. ($r blieb
bort mit bem föeft ber armen, fulflofcn Bebölferung , bie ben Sabbloniern
ju elenb mar, um fie in bie Öefangenfdjaft fortjuf abebben. (£r fuajte bie
9lermften ju tröften unb mahnte fie, folange er tonnte, ab, nadj Wegopten
auSjumanbern ; als fie il)m aber nit^t geljordjten, flog er mit ifmen unb
bot alles auf, fie bor bem 9lbfaö 511m ©öj^enbienft §u bemaljren. Sann
unb mo er geftorben, ift ungemifj. 9(ad) ber altdjriftlidjen 2rabition mürbe
er in Wegbpten bon abgefallenen Suben gefteinigt ; nad) einer jübifä^en Ueber=
lieferung mürbe er jule^t als (befangener nad) Sabolon gefd)leppt unb tft
bort geftorben. 91lleS meift auf einen fyelbenmütl)igen, unerfdjrodenen Wann
Ijin, ber ©ott unb 2Bal)rl)eit, fein 93olf unb feine Religion mit unbefteg=
lieber Üreue liebte.
911S 35id)ter f>at Jeremias bei ben Siteraturfritifern nid)t fo 1jol)eS 2ob
geerntet mie SfaiaS. 6S mirb ü)m Breite, 2öieberl)olung , eine meniger
reine ©praaje, 2Jtatttgfeit beS ^luSbrudS borgemorfen. $iefe ÜBormürfe
milbern fid) inbeS feljr, menn man feine Eigenart, feine gerben 2ebenS=
fdjttffale, bie fdjroierigen 33ertjältniffe, mit benen er ju fämpfen f)atte, in
Betraft jiefjt1. Bei aller Ginfad)fjeit unb 2eid)tigfeit beS MuSbrutfS beftfct
1 S. Hieron., Praef. in Ieremiam ; an einer anbem Steffe (Comment. in lerem.
VI. Prol., Migne XXIV, 900) Jagt er: Quantum in verbia simples videtnr et Ca-
cilia, tantum in maiestate sensuum profan dissimus est.
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3*rael* $ropb>ten.
4M
er, naä) bem Urteil be§ fjl. $ieronmnuS, erhabene SRajeftät unb $iefe beS
©ebanfenS. $er frf)lid)te, ungefünftelte WuSbrutf, bic gelegentlidje ©rette
unb mand&e 2öieberf)olungen ftnb nur bie SBirfung eines mäd)tig erregten,
Don tiefflem ©dbmerj burd&toüfjlten (BemütfyeS unb entbehren als folü)e ir)rer
Sd)Önf>eit nid)t. 3n üielen ©teilen aber, befonberS in ben gewaltigen
©eiSfagungen gegen bie ljeibmfa>n SBöffer , erreicht er üoflfommen bie (5r=
f)abenljeit beS SfaiaS x.
(Sjecbiel, ber ©olm beS SBuji, ebenfalls aus einem priefterlidjen ©e=
fcbledjte, gehört fdjon ber 3^ beS @jilS an. Gr nmrbe um 622 geboren,
nur n>enige 3afjre naajbem 3*remias feine propfyetifdje ©enbung angetreten
fyatte. 9HS Wabudjobonofor 597 ^erufalem jum jmeitenmal eroberte unb
ben &önig 3ed>oniaS mit ben ©belftert beS SBolfeS nad) S3abolonien fort=
fdjleppte, traf aud) (Sjedjiel baS 2oS ber ©efangenfdjaft unb ber Verbannung.
(£r liefe ftd^ am bluffe ßljobar in *D?efopotamien nieber unb lebte ba unter
feinen SBerbannungSgen offen roenigfienS 22 3ofjre. 3m fünften !3aljre beS
SrilS fam ber ©eift beS £)erm über Um in jener munberfamen SBifion,
roeld)e als ©ömbolif ber üier (Soangeliften oon ber djriftlidjen $unft un=
jä^Iigemal nadjgebilbet morben ift. lieber 3«t unb 91rt feines SobeS ift
nic&ts ©iajereS berietet.
2öic bie ^rop^ejeiungen beS 3faiaS verfallen aueb bie feinen in jtoci
^auptgruppen : in ber erften f)ält er <5terid)t über baS 93olf ^Srael unb
über bie es bebrängenben Ijeibnifajen SBölfer, in ber jmeiten tröftet er baS
fd&toergeprüfte Volf unb öerfünbet tfjm bie (Srbarmungen (SotteS. Seine
©prad&e toeift manage aramötfdben formen auf unb ift bc§t)alt» weniger rein
als biejenige anberer ^ropfyeten, maS fid) aus feinem 9lufentl)alt in 2Jtefo=
potamien leidet ertlttrt. 2)ie feine Wnmutb, beS SfaiaS befifct er nid^t ; aber
„an Jlraft, Seibenfdjaft, 2öud)t unb ©roftartigfeit fommt ifmt", toie Sorotf)
meint, „fein anberer altteftamentlidjer ©djriftfteller gleid)". 3)ie ftttlidje 3kr=
berbnifj beS SBolfeS, ben nriber ©ott begangenen SunbeSbrud) fjat fein an=
berer fo unnadjfi^tliaj, mit fo glüfjenber (Sntrüftung, in fo Iraffen Silbern
unb 2luSbrüden gegeißelt, ©eine ©trafreben gefyen burd) 9Jiarf unb 58ein.
©eine ©djilberuwg ber EMebertoecfung Israels (Äap. 37) ift mit 2itanen=
Ijanb entworfen ; fo audj bie 3ei#nung öeS neuen Tempels, beS neuen ©otteS=
bienfteS, ber neuen Verkeilung beS ©elobten SanbeS. 3>ic ©id)t in bie femfte
3utunft beS a^riftlia^en ©otteSreid)eS umftraljlt baS näljer liegenbe Vilb beS
ttriebererflanbenen 3erufalem mit apofalnptifdjem $ämmerlid&t, unb bie ar$U
1 Äatt)oItf(fje 6rflärungen unb lleberfefeungen öon Ä. © o I j (9tegcn«burg 1875.
2Bür3butg 1880), 2rod)on (Paris 1878), 8. ©d)nceborfer («Prag 1876),
fttteler (fünfter 1870), ©. 6.501 a>) er (2Bien 1865), Änabenbauer (Parisiis
1889).
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44
Giftes fflud). Jöiertea flapüel.
teftonifdjen 3of)fen "nb 9flafee ber ®otte§ftabt berlieren fidj in einer mt)ftifd)en
spradjt, bie fid) Ijienieben nidjt Dertoirflidjen läßt. 3foio8 gleist einiger:
majjen Stap^ael, Gjedjiel bem Michelangelo1.
Son Ijofyer bidjterifajer Sajönljeit ift jene Sßifton , in melier (Sjednel
ben 3faÜ bon Zijxtä fdjtlbcrt. 6r jeit^net bie 3nfelftabt, bie baö fbätere
Senebig an ©rofcartigteit übertraf, bie geroaltigfte £>anbel3metropole ber
batnaligen 2öelt, unter bem SBilbe eines ©djiffeS, 311 beffen Sau, ^Bemannung,
tJaljrt unb ^anbelStljätigfeit ftd) ade Söller bie $anb reiben, baS aber
auf bem |)öljepunft feines ©lanjeS, bom Sturm erfafet, für immer in ben
Siefen beS leeres berfinft.
Unb e8 erging ba3 2Bort 3eljoDal)$ an mid) alfo:
Unb bu, *ERenfd)enfol)n, ergebe über %\)xut ein Atagelieb
Unb fbrid) ju Styruä: 3)ie bu moljneft an ben 3ugangen bes llkereS,
fcänblerin ber JBölfer nad) Dielen Onfeln, fo fbridjt 3«ljo*>al), ber $err:
2bru8, bu fprid)ft: 3d) bin Dollfommen an 6d)önl)eit.
3m §erjen ber SJteere ift bein ©ebiet;
Steine ^Bauleute fjaben beine €><bönf)ett DoHenbet.
21 118 ©Steffen Don Senir bauten fte bir alle8 3)obbetplanfenmerl,
Gebern Dom Sibanon nahmen fte, um einen *Dlaft auf bir ju errid)ten.
8u8 6id)en Don 39afan mad)ten fte beiite Sluber,
2>eine »änfe au8 Elfenbein, in SBuäjdbaum gefafjt, Don ben ^nfeln ber Sljtttaer.
IBuntgeroirtter S^ffu« aus Slegtjpten mar bein Segel, bir al8 ©anner ju bienen ;
SJlauer unb rotier ^urpur Don ben 3nfeln Gltfaö mar bein 2)ecfgejelt.
2)te 93ett>ol)ner Sibon8 unb StrDabS maren beine {Ruberer;
2>etne Söeifen, 2^ru8, bie in bir mcilten, beine ©djiffäfjerrn.
$te «elteften unb SCBeifcn ®ebal« maren bei bir, beine ßede au8subeffcrn;
?iae @d)iffe be8 afleere8 unb ibre Seefahrer maren in bir, um beine 2Öare
einautaufdjen.
Werfer unb Sabier unb Sibljer maren Arieger in beinern §eere;
Sdjilb unb §elm fingen fte in bir auf; fte gaben bir @(anj.
ÄrDabÄ ©blute unb bein $>eer befefcten rings beine äUauern, Üapfre beine Stürme;
3f>re ©d)tlbe fingen fte ring« auf an beuten 9Jtauern ; fte Dollenbeten beine 3«*-
XarfiS Derle^rte mit bir ob ber 2Renge Don allerlei Gütern;
2JUt Silber, (Eifen, 3inn unb SBlei jaulten fte beine SBaren.
3aDan, Subal unb 9Jtefd)ed) maren beine §änbler;
SDltt 3Jtenfd)enfeelen unb etjernen ©erdtljen trieben fie Ipanbelataufd) mit bir.
JBom §aufe Xljogarma jaulten fte Stoffe, 9ieitpferbe unb 9Rault^iere für betne
SBaren.
$ie ©öljne $eban8 maren beine fcänbler; Diele 3nfeln maren tum 9)erte$r
bir bereit;
1 Äatljoltfdje Gommentare oon 8. Steinte (SJtefftan. 2öei8fagungen. 99b. IV.
©iefcen 1862), »abe (Sbnftologie be« 91. X. 99b. III. aUünfter 1852), Änaben«
bau er (Parisiis 1890).
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3örael* «Propheten.
45
6lfenbeinf>örner unb «benbolj brauten fte bir al« Sablung.
«ram berfebrte mit bir ob ber «Menge beiner «rjeugniffe;
Üftit Äarfunfel, rotb^em Purpur unb buntgetoirftem 3«"g
Unb 39bffu8 unb Äoratten unb {Rubinen sagten fte für beine Söaren.
3uba unb ba8 ßanb 38rael toaren beine Jpänbter;
9Rtt SOBeijen bon !Dltnnttr) unb JBacftoerf unb §ontg,
9Kit Cel unb Salfam trieben fie Saufd)fjanbel mit bir.
Dama8tu8 berfebrte mit bir in ber Sflenge beiner (grjeugniffe,
Ob ber Üttenge bon aUertei ©ütern, mit SDÖein bon 6b,eIbon unb toeijjer SßoUe.
SBeban unb 3aban au8 Ufal gaben für beine üöaren gefd)miebete8 (Eifen,
ftaffia unb flolmud toar für beinen Saufötjanbel.
Deban mar beine $änblerin in Sbrettbeelen jum Stetten.
Arabien unb alle dürften Äebart toaren jum Jöerfebr mit bir aur #anb;
ßämmer, äöibber unb »öde, bamit Ijanbelten fte mit bir.
Die ftaufleute bon Seba unb Ülagma toaren beine ßunben,
ÜJlit allerlei f öftlidjen ©befreien, €belfteinen unb ©olb jabltcn fie beine SEßaren.
^>aran unb Äannef» unb (Eben, bie ftänbler bon Seba, Slffur, 6f)ilmab toaren
beine Äunben;
Sie toaren beine #änbler in *prad)tgetoönbern, in burburnen unb buntgetoirlten
SDtdnteln.
Unb in Sdjüfcen bon gejtoirntem ©arn, in getounbenen unb feften Sdjnüren für
beine SBaren.
Sie Sd)iffe bon 2arfi8 toaren beine Aaratoanen,
Dein §anbel unb bu tourbeft angefüllt unb f|errli<$ im §erjen ber Sffteere.
9luf grofeen Söaffcrn führten bic^ beine Ruberer —
Der Ofttoinb jerbrad) bid) im fcerjen ber SJteere.
Dein 9tetd)tbum unb bein Hbfafc,
Deine 2aufd)toaren, beine Seeleute unb beine Sdfjtffer,
Die ?lu8befferer beiner ßede unb bie ftänbler beiner Söaren
Unb alt beine &rieg8teute in bir, famt ber ganjen 33olf8ntenge in bir,
Ofielen ini §erj ber ÜJteere am Sage beine« QraUe«.
Ob be« Sd)atle8 be8 ©efdjreiö beiner Sd)iffer erbeben bie «ptdfce.
Unb au8 ibjen griffen fteigen aüe Ruberer, Seeleute, Sd)iffer be8 SDleere«,
2ln8 ßanb treten fie
Unb laffen über biet) bernef)men tr)re Stimme unb fd)reien bitterlid)
Unb bringen Staub auf iljre $äubter unb beftreuen ftd) mit 9lf<f>e
Unb fd&eren fid) beinettoegen fab,l unb gürten Sacftüd)er um
Unb meinen über bid) in Seelenbetrübnifj bitterliche Älage.
Sie ergeben über bid) in tljrem Jammer ein Ätagelieb
Unb f tagen über bid) : Sffier ift wie SbruS? toie bie 93ernid)tete inmitten be8 DJlcerc« ?
Da bein Hbfafc b«borgtng aui ben beeren, fättigteft bu biete SOölfer ;
9Äit ber SDlenge beiner ©üter unb beiner Jßöaren beretdjerteft bu Könige ber Srbe.
3efot, ba bu gefä)eitert bift bon ben ÜJteeren weg in bie Siefen beä ÜÖafferä,
Sinb beine SEÖaren unb beine ganje ©emeinbe in bir gefallen.
«He Setoobner ber 3nfcln entfern ftd) über bid)
Unb if/re ßönige fd)aubern fefjr; ir)re Ängefidjter erbittern.
Die §&nbler unter ben Jööltern jifd)en über bid);
3u Sdjreden bift bu getoorben unb bift auf etoig babin.
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46
(frfteo jßud). lUerteo ftapiiel.
Das gtänjenbe 95>eltbilb biefer $errin ber SReere 1 |eidmet unS jugletä
ein Volt, baS, ganj berfunfen in materielles Streben, fcanbel unb (Bewerbe,
©enufe unb ©eminn, trofc aüer $ra#t unb £errlicbfeit ber ftaajwelt Weber
£a)ä|e Ijöfjerer 2öiffenfd>aft jurüdgelaffen l)at noa) eine Literatur, wenn es
aua?, als Vinbeglieb beS VölferoerfeljrS, gerabe burefc feinen Söeltfwnbel bie
r>Ö<^fte geiftige Cultur $ätte förbern fönnen. 2Saf)rf>aft grofe fteljt ben ge=
wältigen £>anbelSfürften ^fjönicienS baS Heine Israel gegenüber, baS auf
bem ftoljen 2Beltmarft nur mit ben befaVibenften ^robueten beS SanbbaueS
bertreten mar, in beffen Seljre aber bie erljabenfte Sluffaffung ber SSelfe
gefdnajte fidj mit ber ergreifenbften ^oefie bereinigte.
Daniel, ber bierte ber großen ^ropfjeten, geriett) fd>on in iugenbliajem
%Iter in bie ©ef angenfajaft , als ftabud&obonofor nad) ber Vefiegung beS
ägbptifdjen JtonigS Wedjao bei Äarfemtfd) Serufalem sunt erftenmal eroberte.
Die jübifefcen (Befangenen würben bamals jicmliä) milbe befjanbelt: fic er=
fetten als tfoloniften Söo&nplä&e in ben günftigften Sanbftridjen VabblonienS
angemiefen. SluSerlefene Jünglinge aus ebeln gfamilien aber jog ber babti=
lonifaV Eroberer an feinen £of unb liefe iljnen bie forgfältigfte (Srjieljung
angebeiljen. So gefd)af> es aud) mit Daniel, ber feinen tarnen mit bem
babblonifdjen Vala t=fu--ujur (Veltfc&ajaar ; Vulg. Valtaffar) bertaufdjte. Gr
gelangte burdj bie Rettung ber ©ufanna ju Ijoljem Slnfeljen bei feinen mit
iljm berbannten StammeSgenoffen. %uä) bei ben ©abblontern errang er
fidj Wdjtung unb (Sinflufe. Wabmfcobonofor übertrug ir>m bie Verwaltung
ber ^ßrobinj Sabbton, fefcte if)it über feine d)albäifa>n £ofgeIetjrtcn, erfannte
ben ©ott Daniels als ben t)öcr>ftcn aller ©ötter an unb würbigte Daniel
felbft bis ju feinem 6nbe feines Vertrauens. 2lud> unter feinem «Rac&folger
<5bilmerobad) blieb er in ©unft. @rft unter beffen 9tad>folger Werigliffar
fajeint er aus feiner einflußreichen Stellung berbrftngt worben ju f«n.
28äl)renb ber Werfer Gnrus Vabm'on belagerte, beutete Daniel bem Valtaffar,
^rinjen unb TOregenten beS legten VabnlonierfönigS «RabonibuS, bie
wunberfamen 3*ia>n, »elaV tym ben Sturj beS Steides berfünbigten. @r
war ein neunzigjähriger ©reis, als ber fiegreidje GtoruS bie ^uben befreite
unb nad) ^aläftina jurüdfetyren liefe. @r blieb in Vabtylon unb unterftüfcte
t>ier bie ^ntereffen feiner StammeSgenoffen. Das Mr feines StobeS ift
unbefannt. Die le&te feiner Vifionen wirb ins britte 3af>r beS GbruS berlegt.
Die 9lufjeiajnungen Daniels finb tljeils in ^ebräi jct>er , tyeils in ara=
mäifajer Spraye gefd)rieben. @r war beiber Spraken mädjtig, fteflt aber
feine bon beiben in boller töeinljeit bar. Den fjebräifcben Slbfdniitten finb
MramäiSmen beigemifdjt, unb umgelegt. 3m 2öefentlid)en beS propljetifdjen
GljarafterS ift jwifcfcen ilnn unb ben anbern ^ropljeten fein Unterfdjieb.
1 &i. 27, 1-36. 9lad) bem ^cbröif^en; Ucberf. bon Äeil.
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j
35i-üelö «Propheten.
47
kleinere, untoefentlidje Unterfdnebe ftnb in feiner Stellung am |)ofe bes
fremben Eroberers, inmitten eines fremben, fjeibnifd&en SßolfeS unb feiner
alten Kultur, begrünbet. Sein (Sinflufj rufjt auf ber Deutung üon träumen,
unb fo wirb aud) iljm felbft im Xraume Offenbarung ju tljeil. Seine
üßifionen unb SBeisfagungen aber beroegen ftd) nidjt in bem engen Greife
ber ftreng jübifdjen 9tationalitätSibee unb tljrer SluSfdjlieÄItdjfeit, toorin baS
toirfliaV, gefdjidjtli(fce 3erufalem ftetS als 3Rittelpunft ber 2öclt erfdjeint.
Daniel fteljt auf einer lu%rn, toSmopolitifd)en SBarte. 6r ift nidjt
blofj Sßropljet für ^uba unb SSrael, fonbern aud) für bie Ijeibnifcben Söölfer
unb 9Reid)e. 2)ie bisherigen Söeltreidje gruppiren fid> für Üjn nidjt um baS
bisherige jübifaje SReid), fonbern um baS tommenbe meffianifdje 9ieid), baS
in iljre (5rbfd)aft tritt, um meit über üjre SEerritorialgrenjen InnauS bie
gefamte (Srbe ju umfaffen. 5)ie bisherige Sorfteüung, baf$ ber 2üte 53unb
ni$t blofc Jjergefteflt werben, fonbern auaj mit aU feinen gefefclidfoen 6in=
ridjtungen für immer fortbauern fotlte, ergebt er ju iljrer roirtlidjen, geizigen
SBebeutung, ber jufolge baS alte 8eöiten= unb Sßrieftertljum mit ben blutigen
Opfern aufhören, eine neue geiftigere Orbnung an üjre Stelle treten foll.
6r gibt ben Pagen, leiajt ju mipbeutenben Hoffnungen auf ben TOeffiaä burdj
fefte 3«tbeftimmung einen beutliajern unb fixerem $alt, oerfd)eud)i bie irrige
93orfteflung, als ob mit feinem <$rfd)einen fa^on bie (Slorie ber SMenbung
für Israel unb für bie SBelt anbredjen foflte, unb bereitet fo jene 2öete*
fagungen Dor, toeldje erft Lonnes, ber ^ßropljet beS 9?euen ÜeftamenteS,
in feiner 9IpofaIt)pfe ben fpätern ^aljrljunberten eröffnen foflte.
$>ie 59ebeutung Daniels liegt mefyr in bem gemaltigen Stoff feiner
meltumfpannenben JBifionen als in ftiliftifdjer Schönheit ber Spradje unb
$)arflellung. Selbft ber ungläubige Sorb 53pron unb na# tym ber no#
ffeptifa>re £>eine tyaben inbeS gemertt, bafj baS „©aftmaljl 33altaffarS" bodj
ein roirflidjeS Stürf $oefte ift, unb Ijaben öerfudjt, es nadjjualjmen. 3^re
@ebid>tlein Debatten ftaj aber &u bem 3)anielifd)en Sejte mie ein 9ttpp=
fädjeldjen aus Elfenbein §u ben riefigen geflügelten Äoloffen aus 9liniüe ober
58abölon. 2Ran mufj flc^ in bie ^aläfte ber babplonifaVn §errfd)er unb
ber perftfdjen (Broftfönige berfefcen, um bie übertoältigenbe Sflajefiät jener
$oefie $u oerfteljen, mela^e in ben SBiftonen beS oerbannten Ijebräifdjen
Sehers liegt. Sie finb nidjt naaj bem 9Kiflimetermafj mobemer Sßoetif
gefdjrieben. SBäljrenb aber bie meifte moberne ^ßoefte motyl taum bie ©lutlj
beS babolonifdjen ^euerofenS ausgemalten f)ätte, fa^aflt ber ©efang ber brei
Sünglinge, ber ©enoffen 3)anielS, noa^i ^eute fort in allen fünf SBelttljeilen. .
Ueber Seben unb Qt\t ber gmölf tleinern ^rop^eten ftnb uns meift
nur fefyr bürftige 9laa^ria)ten erhalten. %f)Te ^ätigteit oert^eilt fidd banaa^
auf etwa brei 3af>rljunberte , öon 5Ritte beS 8. bis Witte beS 5. 3al)r=
b,unberts 0. 6^r. 2>ie brei älteften fallen nämlic& ungefähr in bie 3«* beS
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Giftes 23utf). SHerieö tfapitel.
SfaiaS; ber iüngfte, 2Hala(f>iaS, fa^eint na* bem Snljalt feiner Sßropljetie
ein 3citgcnofye beS (SsbraS unb WeljemiaS getoefen ju fein, genauer aber
fftfjt fid) bie 3eit feines SBirlenS niajt beftimmen.
Son ben brei ölteften jeiajnet ftd) Ofee burdj flare ©ruppirung beS
Stoffes unb forgfftltigeS 3nnef>alten beS poetiftfen SßaratleliSmuS auS; er
fpringt aber häufig rafdj bon einem Silbe jum anbern über, fo bafj bie
Serbinbung unbeutlia), ber ©inn felbft öfters bunfel toirb. $ie Slnna&me
ift toof)l begrünbet, bajj tt)ir in feiner ^ropljetie nur einen gebrängten
2lu8&ug ber Dielen Sieben oor uns ^aben, bie er int Saufe Don metjr als
40 Sauren an baS «Boll inelt. 3oeI, ber toie Ofee um bie Seit be«
ßönigS OjiaS toirlte, fteljt als Dieter tooljl am nöc&ften an SfaiaS unb
#abafuf, fotooljl toaS ßlarljeit unb Iünftlerifd)e Ofein^eit als 6r()abeiu>it
beS Sd&roungeS betrifft, ©eine ^ropljetie beginnt mit einer ber fünften
ftaturbefc&reibungen, toela> baS Sllte Xeftament enthält. @S ift bie <5d>it=
berung ber ^eufdjrerfenplage, toeldje Don einigen als rein l)iftorifdj, Don anbern
als rein propljetifa) ober toenigftenS jugleidb, propl)etif# gebeutet toirb.
2Ba« übrig liefe bie SRaupe, frafe bie £>eufd)re<fe, unb toa£ übrig liefe bie $eu*
fdjrede, frafe ber Äöfer, unb n>as übrig liefe ber Ääfer, frafe ber Äornbranb.
SGÖadjei auf, Srunfene, unb »einet; unb tjeulet alle, bie itjr SSBein rrinfet, ob
ber ©Üfeigfeit, »eil fie entfdjtounben ift au« eurem flftunbe.
S)cnn ein SBolf jog fjer über mein 8anb, ein tapfere« unb aaljllofe«; feine 3&lmc
finb »ie ßötoenjäljne, fein ©ebife ift toie eine« jungen ßeuen.
<Si madjte meinen Söeingarten jur Söflfte unb fdjälte ab meinen Feigenbaum;
natft 30g e« if)n au« unb warf ilm nieber; toeife mürben feine tiefte.
SBebflage gleid) einer Jungfrau, angettjan mit bem JBufefatfe, um ben SRann
tfjrer 3ugenb.
entfa^munben ift €pfer unb Söetnfpenbe au« bem §aufe be« fcerra ; e« trauern
bie ^riefter, bie Liener be« §errn.
SBerb>ert ift ba« öanb, e« trauert ber »oben; benn oeroiäjtet ift ber SQBeijen,
pertroefnet ift ber SOBein, oerfdjmadjtet ba« Oel.
SBeftürjt finb bie %d erfileute , e« beulen bie Söinjer, ob be« SBetgen« unb ber
Weifte, »eil 311 ©runbe gegangen be« Selbe« Crnte.
3)er SBBeinflod ift Perloren unb ber Feigenbaum oerfdjmat&tet , ©ranate unb
«Palme unb «pfelbaum unb aüe »äume ber Flur finb oerborrt, fo bafe ba&in ift bie
Freube oon ben 9Jienfä>nfinbem.
SSlafet bie $ofaune auf Sion, lärmet auf meinem tjeiligen Serge! erbeben fotten
alle ÜBetooIjner be« Sanbeä, meil fommt ber Sag be« §erm, ja nalje ift er,
Sin Sag ber tJriitftemi% unb be« 2>unte(«, ein Sag be« ©emölte« unb be«
Sturme«; bem SKorgen glei# au«gebreitet über bie Serge ift ein jaljlreid&e* unb
ftarfe« JBolt; if>m g(etd> mar leine« Pom anfange an unb mirb leine« fein nadj it)m
auf bie 3a^re Pon ©efdjleajt ju ©efdjledjt.
Jöor ifjm c)er ift Petje^renb Feuer unb nadj ib» fengenbe Flo»»e» Qleitf)
einem ©arten ber SSonne ift ba« öanb Por ifjm, unb natf) if)m Debe ber SGßüfte ; unb
niemanb ift, ber ib,m enrlomrae.
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©leid) bem tfnfe^en Don Stoffen ift tljr Unfein, unb lote Weiter, fo rennen fte.
2öie ©etöfe Oon Söagen büpfen fie auf ber »erge ©tpfel, gletdj bem ^raffeln
bet Seuerflamme, toeldje Stoppeln fri&t, gletdj einem gewaltigen »olfe, ba« gerüftet
ift jum ßampfe.
Hngeftdjt« fetner ftnb in «engflen bie JBölfer; ba« «ntlifc aller wirb gleidj
einem 2opfe.
©letdj gelben laufen fie, roie ftrteg«leute erpeigen fie bie ÜJtauer; alle geljen
auf tfjren äBegen unb tocidjcn nidjt oon itjren ^ßfaben.
fleiner bröngt feinen 9läd>flert , alle geljen auf i^rer Saint; fogar audj burd)
bie Senfter fallen fte ein unb laffen fidj niäjt abtoeifen.
Sie aieb>n in bie Stabt, laufen auf ber SRauer, befteigen bie Käufer; burd)
bie Sfenfler bred)en fte ein toie ein 3)ieb.
SBor tfjm erbebt bie €rbe, eratttern bie Gimmel; Sonne unb üllonb oerbunfeln
ftdj, unb bie Sterne ateljen jurücf tbjen ©lanj.
Unb ber £err erbebt feine Stimme oor bem Slngefid)te feine« $>eereö, benn febr
grofe ift fein Heerlager, ja gewaltig unb toottjtebenb fein JEßort ; benn grofe ift ber
2ag be$ #errn unb furdjtbar überaus, unb toer toirb tljn überfielen ? 1
Sßielc SCBenbungen weifen Deutlich, genug barauf t)in, bafj eS fid) f)ier
nidjt um eine bloße poetijdje 9laturfd»lberung Ijanbelt. 3n bem Silbe ber
SSerroüfhing , toeldje bie ©djroärme ber ^peufdjrecfen anrieten, erfdjaut ber
©ef)er ein 33ilb ber nod) biel fdjrecflidjern SBerljeerung, meiere feinem Holte bon
ben gemaffneten ©djmärmcn frember ßroberungSfjeere bcborfiefjt, unb btefe
fdjredflidjen ^eimfudjungen fjintüicber finb nur ein 9$orfpiel für ben „Sag beS
$mn", b. ty. ben £ag beS (Berichtes, ber afle Völler bebroljt unb ber alle
auSnatjmloS $ur Sufce maljnt. $iefe $urdjbringung bon S3üb unb $egeii=
bilb mit ber breifad)en ^ßerfpectibe, bie bon ber nädjften 3u*unft üb« fernere
Straf geriete bis ans @nbe ber Otiten IjinauSragt, oerleiljt ber marfigeu
3eicf>nung erft ifjre bofle Uraft unb erhabene ©röjje. $5ie Watur wirb bem
5)id)ter -mm ©piegel ber (Sefdjidjte, unb in ©efdjidjte wie Statur bleibt fein
53Iia* auf ben (Smigen gerietet, in bem allein alles feine fyöljere (Sinfjeit ftnbet.
31 m o S , ber £>irt bon Srjefue (im ©tamme 3<ibulon), mürbe aus ber
2Ritte feiner ©djaf= unb 3ieSc"§croen Jum fcoljflt 5lmte beS $ropf)eten be=
rufen. 3n feiner ^ropljetie finben fidj freunblid)e Unflätige an feinen frütjern
fdjlidjten ©tanb. 2öäf)renb ber fjl. £)icronr;muS feinere SBilbung an ifmt ber=
mifite, fpradj ftd) fdjon ber 6,1. SluguftinuS begeiftert aus über feine nid^t fünft=
lia) angelernte, fonbern aus ^immlifajer ($rleud)tung ftammenbe 53erebfam=
feit, „bie in ber Üfjat burd) ba» einfadje, flare ©efüge ber 8ft|e unb eine
unüergleidjlidje 9J?ifd)ung bon Äraft unb 5Kilbe ba§ (Semütlj feffelt, bie
^antafte erleuajtet unb ben SBiflen mit gemaltigen ©inbrüden ber ftuxifyt
fomob,! als aud) ber Hoffnung anregt unb beb,errfd)t". ©eine ^rop^etie Hingt
in ein tieblidjeS 3bnH au§:
» 3oel 1, 4 bis 2, 11. Ueberf. oon Sod) unb 9teifd)l.
»aniuflottntt. SBdtliterotur. L 4
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Gifte* 33ud&. Sßiertcö Kapitel.
6tef>e, Sage fomtnen, fprtd^t ber #err, ba fiä) anreihen »trb ber $fluger an
ben ©djnttter unb ber Sraubenfelterer an ben Sämann , unb träufeln werben bie
Serge ©üfeigfeit. unb alle §öt)en »erben bebaut fein.
Unb iä) »erbe f)eimfüf)ren bie befangenen meines 93olfeS Israel, unb fie »erben
»ieber bauen üeröbete ©table unb barin »otmen unb »erben Steingärten pflanzen unb
trinlen beren SEÖein, unb »erben ©ärten anlegen unb effen beren Oftüa)te.
Unb iä) pflanze fie auf iljren »oben unb rei&e fie fürber nimmer au* ibjem
ßanbe, ba« iä) ifjnen gegeben, föriä)t ber §err, bein @ott ».
33on Wbbiaä liegt nur eine für je SöeiSfagung roiber bie Sbumäer bor,
ungefähr auä berfelben 3fü wfe bit brei eben genannten ißropfyeten. 2)aS
SBudj 3ona§ ift feiner äujjern ©eftalt nacb, eigentlidj Inftortfa*); propfjetifcb,
roirb e§ erft buraj bie roptfdje ÜBorbilblic&feit ber ©$itffale beS Sßropfyeten,
toeld&e Gb,riftu8 felbft auf feine 2luferftel)ung bejog. 2Bie 3faia§, fo ift auä)
i 6) ä a § borroiegenb ein Sßropljet be§ 2rofte§, er gleist iljm aud) in s«Retn-
ljeit, ©ttjönfyeit unb Süberreidjtljum ber ©prac&e, ift inbeä mitunter ge=
bröngter unb roeniger leidet berftänblidj.
Unter ben übrigen nehmen in SBejug auf bidjterifdje SBoHenbung
9t ab, um unb £>abafuf bie erjte ©teile ein. 33eibe fallen in bie 3^
be§ ÄönigS EtanaffeS, bie 2öei3fagung beS Dtaljum etwa in ba§ 3af)r 664.
„SBon ben fämtlidjen fleinern Sßropljeten", fagt Sorot!}, „bürfte feiner bie
<$rl)abenl)eit , ©lutt) unb Äüb,nf)eit be§ 9tab,um erreichen. Seine ^ßropljeric
ift überbieS ein böHig abgerunbeteS ©ebidjt; ber Eingang ift t)errltd^ unb
bofl ÜJlajeftät; bie Vorbereitung jum Untergange 9?iniöe& unb ber Unter=
gang felbft roirb in ben glüljenbften färben gefd&ilbert , mit rounberbarec
9lnfd)aulidjfett unb $raft." (SornelD bestätigt biefeö Urtt)eil, fügt aber
nod> ein roidjtige§ Moment ljinju: „2öic feiner ber f leinern ^ßropljeten
9tafjum an (5rf)abenb,eit unb ^üt)nr)eit erreidjt, fo erreidjt ib,n audj feiner
ber biblifdjen Siebter in bramatifdjer ßebenbigfeit ber SDarftellung ; gleid&
als ob er felbft gegenwärtig roäre, rebet er (in feiner SBeiSfagung über
ben Untergang 9ttntoeS) ba(b üfttnibe an balb 3ubäa, jejjt bie flieljenben
&ffö.rer, jefct bie bie ©tabt plünbernben fteinbe, jefct füljrt er ben §errn
felbft rebenb ein, jefct gibt er ben Syrern ber fteinbe ober ben Stffm-ern
baS Bort."
2)ie ^ropljetie beS $abafuf befielt aus jroet feilen ; im erjten t>er=
fünbet er in einem Sw'CflcfPröd} , baS er felbft mit ©ott fjäU, ben 3uben
bie iljncn burd) bie ^albfter broljenbe ©träfe, ben (Sljalbäern tyren Unter=
gang; im sroeiten aber roenbet er fid) in einer Ijerrlidjen 2)it^orambe an
©ort unb feiert jugleicb, feine ©ercdjtigfeit unb 53armr)erjigfett. 3)tefe§
©ebet ift eines ber fd&önften ©enfmäler religiöfer ^ßoefie aöer Sänber unb
3eiten.
1 «mos 9, 13—15. Ueberf. öon ßoä) unb Weif d) 1.
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3«taet« ?ropbrten. • 51
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§err! idj Ijabe gehört beine Aunbe unb fünfte mid). #err! bein SBerf, in
TOte ber 3afjre rufe e« in« Sieben. 3n 9Mitte ber 3a$w madje fie offenbat; inbc«
bu jürneft, roirft bu be« erbarmen« eingeben! fein.
©ott toirb Pom ©üben ber tommen unb ber &eilige Dom Serge Baratt; e«
bebedet bie Gimmel feine $errlid)feit, unb feine« Sobpreife« ooH toirb bie €rbe.
©ein 9lufgtän$en toirb fein toie Sidjt; ©trollen ou« feinen §anben; barin
»erfüllt ftdj feine ©tärfe.
SJor ifjm Ijcr geb,et ber Sob, unb e« aie^et au« ber SBerberber oor feinen ftü&en.
6r fielet unb mifct ab bie grbe; blirfet unb löfet 3)öl!er auf; unb e« jerberften
bie Serge ber Urjeit; einfinfen bie §figel ber 2öelt unter ben ©fingen feine« etoigen
©ein«.
Unter bem $>rude felje idj Hettuopien« ©ejelte; e« beben bie 3dtöeden be«
Sanbe« SWabian.
»ifl toiber ©tröme bu ergrimmet, §err? ober ifl toiber bie ©tröme bein
3ümen? ober Joiber ba« SDteer bein $räuen? 3>er bu fteigefl auf beine Stoffe, unb
beine SBagen ftnb §etl.
SOßeden toirft bu, toeden beinen Sogen, wegen ber ©djwüre an bie ©tämme,
bie bu gefprodjen tjafi. ©tröme fpalteft bu ber @rbe;
©8 feljen btd) unb Juden jufammen bie Serge; Srgufi bon Sßaffern flrömet
nieber; bie Siefe gibt ibje ©timme, bie $öfje t)ebt ifjre $änbe empor.
©onne unb SKonb galten an in ifnrer Sefiaufung, beim ßidjte beiner «Pfeile, fie
toetdjen bei bem ©lanje beine« blifcenben ©peere«.
3m ©rimme burrfjfrfjreiteft bu bie ©rbe; im 3orne madjft bu SÖölf er erftarren.
S)u jteljefl au« jur Stellung beine« Solfe«, jur Kettling mit beinern ©efalbten.
35u fdjlügft ab ba« §aupt oon bem £>aufe be« QfreDler«, legeft blofc beffen
©runb bt« an ben #al«.
$u fludjeft feinen ©ceptern, bem Raupte feiner «rieger, rottet tommen toie ber
©türm, mid) ju jerftreuen; beren ftrcubengefdjrei ift, toie beffen, ber oerjebjet ben
Sinnen im Serflede.
2>u bafyneft Söeg in bem 9)teere beinen Stoffen, im ©flamme groger SEBaffer.
3dj fförte e« — unb mein ßeib erjtttert; bei bem Stufe beben meine Sippen.
Sermorfdjen möge mein ©ebein, unb unter mir e« toimmeln, bog id) rub,e an
bem Sage ber Srübfal, — bafj td) b,inanjieb,e ju unferm gegürteten Solfe.
3)enn ber Feigenbaum toirb nidbt blühen unb fein 2rieb fein in ben Stein-
garten. Säufcben toirb be« ©elbaum« $(nfafe, unb bie Slderfturen toerben nid)t
9tab,rung geben. (Entriffen ift ba« ©djaf au« feiner fcürbe, unb md)t toerben Stinber
an ben Grippen fein.
3>od) id; — id; toerbe in bem $errn mid) freuen unb frob>den in ©ott, meinem
$eilanbe.
©ott ber $err ifl raeine Äraft unb madjet meine ftüfce toie bie ber #irfdje,
unb auf meinen §öljen tä&t er, ber ©ieger , mid) ftöreiten, ftngenb in «Pfalmen l.
@op§onta8 bämbft bie glanjüollen Scfjilberungen, toeldje bie onbern
^ßropfjetcn bon bem [djliefjlidjen Üriumbr; be$ 5)te|)to8 entwerfen, burdj bie
Erinnerung, bajj $unäd)ft 9frmut unb 9iiebrigfeit feiner unb feines 33olte§
Marren. Seine ntajjtjofle 25arfteflung ifl flar unb lebfjaft, [eine 6prad)e ebel
' $ab. 8, 3—19. Ueberf. öon 8 od) unb Steif djl.
4*
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«Frfte« 5Bu$. SBierie« Äopttel.
unb gewählt, unb frühere 5öei§fagungen , bie er ben feinigen einfließt, ftnb
mit benfelben fo funftooH berbunben, „baft fie, wie feböne, glänjenbc 33lumen
auf einein bunfeln 9?afen prangenb, mit jur SBoüenbung beS ©anjen ge=
hören" 1,
51 g g ä u § , ber erfte ber nadjerilifchen Propheten, tröftet bie Erbauer be§
neuen Stempel burd) bie freubige 9lnfünbigung, bafi in biefen Xempel ber
5Jtenfchgemorbenc felbft feinen Einjitg Imlten werbe, Dorwiegenb in fd&lidjter,
einfacher 9?ebe, bie ftd) aber boeb gelegentlich ju lebhafter Syrageform unb
ed)t poetifebem Schwung erhebt.
Die längere ^rop^etie be§3o4>fltio3/ welche ben Einzug @f}rifK am
^almfonntag, ben fchnöben ^3rei§ feines 93errath§, bie fd)mör)Iic^c Orlucbt
ber jünger unb bie Durchbohrung ber Seite (grifft am Äreuje (12, 10)
jum borauS anfünbigt, 1)cit wegen ihrer buntein Sombolif ben 9(u»legern
Diel ju fchaffen gemacht, ift aber reich nn poettfeber Schönheit unb fommt
burch $iefe, SReichthum unb ©rojiartigfeit ber majeftätifdjen Erhabenheit bc§
3faia§ vielfach nahe. Obwohl feine Sprache nicht frei Don Ehalbäi§men,
ift fie boch im ganjen rein unb jeigt eine innige Vertrautheit mit ben
Schriften ber frühern 3C'*-
SHaladjiaS, ber £>erolb be* großen neuteftamentlichen Opfers, ba£
ben £>errn auf ber ganjen Erbe üom Aufgang bi§ jum 9iiebergang Der=
herrlichen fofl, weift ju einer 3fU\ wo ba§ Volt fdjon allgemein cbalbäifdh
fprach, nod) bie reine Sprache ber öltern 3ei* auf- C^^araftertflifc^ für ihn
ift ber Sükdjfel Don S^gen unb Antworten, ber feine ^rebigt belebt unb
ihr eine jünbenbe oratorifche Söucht oerleiht2.
Der höchfte Triumph ber Propheten mar inbe» fein fünftlerifcber, fon=
bern ein religiöfer. Etwa 450 %af)te nachbem bie ^rophetie be§ SflalacbiaS
Oertlungen mar, etmn Imnbert Safjre nadjbem baS zweite 93uch ber Sltadjabäer
jum Wbfcbluf} gelangte, ftieg ber Eingeborene beS Sßater* auf biefe Erbe
nieber unb erfüllte 3U9 um 3ug ba$ beutliche Silb, bas bie Propheten
öon ihm entworfen hatten. 9lnfnüpfenb an bie Söorte ber alten SSerheifjungen,
marb feiner gebenebeiten $Rutter Don bem Engel ba$ grofje ©ebeimmf? ber
SRenfcbwerbung angefünbigt. Die Schriften be» Gilten 33unbe§ finD, foüiel
mir miffen, bie einige Sefung, bie Siteratur be§ Üftenfchgemorbenen gemefen.
Die fragen unb Antworten, bie er als zwölfjähriger #nabe im Tempel
an bie ÖefefceSlebrcr richtete, fönnen fich faum auf etwas anbereS belogen
1 Sä) egg, @eföiä)tc ber legten ^ropfjeten ©. 21.
« lieber bie fleinern ^roptieten »gl. © ä) e g g , ©efd)iä)te ber lefeten «Propheten
(SRegcndburfl 1853) ; $crf., S)ie fleinen «Propheten, überfefci unb erflätt (ebb. 1854) ;
23. 9t et el er, ©liebevunß ber 28üd)cr ber atodlf Propheten (fünfter 1871); Trochon,
Lea petita Prophetes (Paria 1883); J. Knabenbauer S. J., Coumient. in proph.
min. 2 voll. (Parisiis 1886).
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53
haben. SBäljrenb feines öffentlichen Sehramtes §at er fich unaufhörlich auf
fte berufen, unb erfüllt, was fie Don ihm uim oorauS oertünbigten. 5)aS
le$te 2öort beS am j^reuje fterbcnben @rtofer§ mar ein ^falmöerS : „Vater,
in beine £änbe befehle ich meinen ©eift!" £er Snrif ber Sßfalmen marb
bamit eine Veöorjugung ju theil, bie feiner irbifdjen ^ßoefte je befchieben
werben foflte. $aS Sieberbuch beS ©ottmenfa)en ift auch baS liturgifdje
ßieberbuch feiner ßirche geworben.
9Jtit feiner glorreichen Auffahrt in ben Gimmel mar inbeS ber gro$=
artige Veruf ber r)ebräifct)en brache erfüllt; fie behielt ihren 2öertr) nur
als 3eu9m Dfr Vergangenheit. 5)ie ^rebigt beS erften ^ßfingftfefleS er=
fchoü in ben «Sprachen afler Völler fern unb nah, <w bie $artl)er, Weber,
Aelamiten, bie Vemotjner bon 5Jtefopotamien, 3ubäa, ßappabocien, ^ßontuS,
Äleinaften, ^Jt)rr>gien, ^ampholien, an bie Aegtipter, Siböer, SRömer, an bie
Ureter unb Araber. £aS (Jhriftenthum befchränftc ftch nicht nur auf ein
beboruigteS Volf, fonbern h^lt feinen (Sinjug fofort in bie üffieltliteratur,
um bie getrennten Völler, Stämme unb Sprachen in einer großen religiöfen
Einheit ju oerbrübern. 2Bie inbeS bie Vorbereitung beS ßrlöferS Saljr*
taufenbe in Anfprudj genommen h&tte, fo öofljog fich auch bie Ausbreitung
beS tehriftenthums mx langfam unb ftufenmeife im Saufe ber Sahrfmnberte,
meil ©ott meber in baS SBalten ber menfchlichen Freiheit noch in bie natür=
liehe (Sntmicflung ber 2Wenfcbheit gemaltfam eingreifen moflte.
günftcä Kapitel.
33aDnf0tufd>e «üb affytxfQt §Qx\ftbtt\kmäUx.
33er biblifche Veridjt 1 roeift uns auf baS Sanb Sennaar, b. h- Vabto=
lonien, hin als auf baS fianb, mo bie bisher oereinten 9iacbfommen 9toeS
fich nach berfchiebenen Völfern unb Sprachen geseilt haben. Als Söhne
ßhamS merben „6huS unb DJceSraim unb Pjutb, unb Ghanaan" 2 genannt,
als Sohn beS GljuS8 9iimrob. „£er fing an ju fein ein ©emaltiger auf
ßrben; unb er mar ein gewaltiger Säger oor bem £>errn. deshalb ging
baS Sprichwort auS: 2öie ffiimrob ein gewaltiger Säger oor bem £>errn.
$er Anfang aber feines ÄönigthumS war Vabnlon unb Aract) unb Achab
unb Ghalanne m Sonbe Sennaar. Von biefem Sanbe ging aus Affur unb
baute 9hniüe unb bie ©affenftabt unb Ghale, unb töefen jwifchen 9tinibe
unb jwifchen 6hale- ift bie grofje Stabt." 3n ber ebene üon Sennaar
• 1 2Rof. 10, 10 unb 11, 1-9. 8 Sbb. 10, 6. » 6bb. 10, 8.
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54
Grftrs «Bu$. 3fünfte* flapitel.
Verfielen bie bis bafjin Dereinten ©eföled&ter auf ben übermütigen $lan:
„luf, bauen mir uns eine ©tabt unb einen Sburm, beffen ©pifce bis an ben
Gimmel ragt, unb oerfierrliaVn mir unfern Warnen, ehe bajj mir jerftreut
werben über alle ßanbe!" ©ott aber flieg hernieber, t»crtt>irrte iljre ©pradje,
fo baji leiner meljr ben anbem Derftanb, unb Dereitelte fo iljr Dermcffcneä
beginnen1. „Unb fo jerftreute ftc ber #err Don bort fynroeg über alle
Öanbe, unb fie hörten auf ju bauen bie ©tabt. Unb barum nannte man
beren Warnen SBabel ; benn bort warb Derroirrt bie ©pradje ber ganzen (Srbc ;
unb Don bort weg jerfireute fte ber £>err über afle Sanbe."2
$ie GncöHopübiften unb jafjlreiaV Mufflärlinge nadj ihnen traben biefen
5Berid)t gleidb, einer natoen Äinberfabel Deratfctet. $ie in SRefopotamien feit
50 Sohren Dorgenommenen Ausgrabungen haben jeboa? mit jebem 3aljr=
jer)nt beutlic&er ben Söertl) jenes SeridjteS bargetljan, unb bie »iffenfüjaftlidje
gorfdmng Ijat nia^t blofe feine 2Biberfprüd)e bagegen aufgebetft, fonbern ibjt
Dielmeljr 3U9 um 3ufl> tocnigftenS mit großer SBa^rfa^einlt^feit , beftätigt,
tuenn aud> bie nur ju Meinem Sfjeil burcbmü^lten Mmmerfelber ber Ältejten
Kiefenftäbte manches ftfttfjfel eb,er erfc&toert als getöft fjaben. Unbeftreitbar
aber bezeugen fte baS $afein einer uralten (Sultur, bie »eber in Iin=
guiftifdjer no# d&ronologifdjer unb bjftorifcher ^infiajt mit ber 59ibel im
2Biberfprud& ftcf)t«.
1. ©pradje, ©tfcrift unb ältefte ftacf>ri#ten.
3u ben midjtigfien Momenten biefer Gultur gehört eine ©pradje unb
©$rift, mit beren Hilter fi<f) nur bie alten $enfmäler SlegDptenS Dergleichen
• l 3Rof. 11, 8. 9.
» Fr. de Hummelauer, Comment. in Genesin (Paris. 1895) p. 285 sqq.
»6b. Sdjraber, $ie ßeilinfd)riften unb ba* $Ute 2eftoment. 2. tCufl.
©ie&en 1898. — Gius. Brunengo, L' Impero di Babilonia e di Ninive. 2 voll.
Prato 1885. — Basti. T. A. Evette, New Light on the Bible and the Holy Land.
London 1892. — <£. Rommel, ©efdjufjie ©abtönten« unb SlffyrienS. JBerltn 1885.
— F. Vigouroux, Manuel biblique. 3* ed. Paris 1882—1888. - 6. Siele,
»abnlonif^affürifdje @ef<fiiä)te. ©otba 1886. — 2fr. Äauten, «ffürien unb J8ab>
lonien nad) ben neueften CEntbedungen. 4. 9lufl. ^freiburg 1891 , toorin (in gute!,
djronologifd) georbnete* fiiteraturüerjetdjmfe fidj ftnbet. 5)te umfaffenbflen unb ju«
üerläfftgften Siteraturangaben bietet Dr. Karl 58e jolb, ßurjgefafeter lleberbltd
über bie babtylontfa>afft)rtfd)e ßiteratur (Setpjtg 1886), fortgefe^t in feiner „3eit*
jd)rift für Hffbriologte" (SÖeimar, 6mil Selber), öon ber jefct ber 11. Söanb (1896)
vorliegt. 9toeb auSfübrUäjer ifl ber Catalogue of the Cunoiform Tablets in the
Kouyunjik Collection of the British Museum by C. Bezold, printed by order of
the Trustees. 4 voll. 4°. London 1889—1896. «Rur burd) biefen flotalog tft
ber 3uf>alt ber fogen. JBibltotbel 9lffurbanipalß enblid) uaa) 40 Oaljren jerfpltttcrter
©injelpublicationen jum erftenmal belannt getoorben.
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SBabtjlomfdje unb afftrifdjc Sdjriftbenfmäler.
(äffen. 5)ie Sprache, bureb ben ftleifi zahlreicher ftorfeber b>ute im toefents
liefen erfdjloffen, lerjfograpbtfch tote grammattfeh bearbeitet« fteUt einen felb*
ftänbigen QaeiQ ber femitifeben Sprachfamilie bat. «Sie ifi auf ben affyrtfcben
unb babolonifcben 3nfcbriften nicht böflig gleich, mirb aber bet Äürje megen
einfach bie affbrifche genannt. $ie Schrift, erft bon ben öabbloniern an=
geroanbt, bon ilmen bann $u ben Slffnriern gelangt, ijt nicht femittfd^en
UrfprungS, fonbern bon einem anbern üBolfSfiamme b^erübergenommen, beffen
Sprache too^I am heften an baS 9legöptifcbe angereiht »erben tann. Sie
toirb bon ben meiften affabifdj genannt, bon einigen auch fumerifdj. Ob
ber Warne Sumir urfprünglidj ben füblichen 2ttfab ben nörblicben
be§ alten SabblonienS bezeichnete , ift ungemijj, obwohl bie älteften Könige
fomie auc^ fpätere afforifebe f)errfcber auf ben fteilinfcbriften fieb „Äönige
bon Sumir unb 91tlab" nennen. $ie Schrift mar anfänglich ibeograpfnfcb,
unb jmar ^ieroglnp^ifc^, b. h- fie bezeichnete bie ^bee ober beren finnlicbeS
SSilb, nicht ben Saut ; fpüter aber mürben bie Silberjeichen mit einem brei=
Iantig jugefpifcten ©rtffei auf weichen %fyon gefchrieben unb erhielten babureb
bie ftotm ber ßeilfchriftjeichen ; biefe aber mürben nun auch <tl* Silben=
jeichen für ben betreffenben Saut angemanbt. 2)ie JBabblonier nahmen bie
fremben Scbriftzttge in biefer boppelten 9lnrocnbung herüber r einmal als
3beogramm, ba$ fte aber nach ihrer eigenen Sprache auSfprachen, bann
auch als ©ilbenjeidjen nach feinem urfprünglichen Sautmerth- 2>ie lefetere
Slnmenbung ijt bie bei »eitern häufigere. 2ln ber (Sonne getroefnet unb im
fteuer gebrannt, mürben bie 2äfelchen h^rt unb tonnten mie bie mit bem
2Jcei$el in Stein eingehauenen 3nfcbriften ^ahrljunberte unb Saljrtaufenbe
überbauem.
Siele 2aufenbe folcher Üäfelchcn finb h^ute in ben SMbliothefen unb
3Kufeen Europas, befonberS im SBritifh SJcufeum $u Sonbon, bereint; Diele
$unberte finb burch ^acftmile, S)rud unb ^ß^otot^pte berbielfftltigt, auch Nber=
fe^t, erflärt unb für hiftorifche Qnede bermerthet roorben. Ueberrefte riefiger
23a uten, großartige Silbmerfe unb zahlreiche Srjeugniffe ber Äleinfunft finb
aud bem Schutt ber 3al)rtaufenbe hervorgetreten unb beleuchten, gleichfam
als Sfluftration ju ben feilinfchrtftlichen Herten, bie Äunfc unb (5ultur=
gefliehte jener meit entlegenen Qtxim. $0(h finb unztoeifelhaft bie Stutnen*
felber bon fthorfQOab, Äununbfchif (9cinibe), 9cimrub, Villah (33abölon), 55or=
ftppa, 33ir§ ftimrub, ÜKufaooar ober SJtughatr (Ur), 3Barfa (ßrech) u. f. m.
noch lange nicht erfchöpft. 5)ie Sammlungen, melche ftch in ben Sßaläfien
ber affbrifchen unb babolonifcben ^errfeber fanben, finb nur zum in
miner Unorbnung, bielfach befchäbigt, nach Suropa gelangt. SSon ben
erhaltenen Üäfelchen finb bie meiften abgebrochen, berieft, an bielen Stellen
jdjtocr Ieferlich ober ganz unleferlich gemorben. üßon größern Söerfen ober
Sammlungen liegen nur Fragmente bor, unb bei meitem bie meiften, aud)
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50
Lüfte« SBudj. fünfte« Äapitel.
Heitlern Snfättften haben Süden ober ©teilen, bie fidj nicht mehr entziffern
laffen. Wur cum grano salis, b. h- in einem noch fet)r eng begrenzen
©inn, tonn man bon afforifch=babQlonifcher $rofa unb ißoefie, <5pif unb
Sörif, SBibliotyefen unb Literatur überhaupt reben.
<8ei meitem bie größte !Diaffe ber bis iefct entjifferten ©teininfchriften
unb Säfeldjen gehört bem ©ebtete ber officiellen unb priöaten, gefchäftlichen
ober wiffenfchaftlicfjen SUItagSprofa an, bietet Weber ^oefie noch profaifche
$arftcüung Don leerem fünftlerifchen ß^aratter, ift aber für baS ©tubium
ber ©efa^id^te oon unfaßbarem Berti).
Wach ber 33ibel bofi>g fidt) bie erjte ©taatenbilbung in ben großen
ftlufjebenen beS (5upt)rat unb Tigris, als, Wegopten abgeregnet, bie übrige
SBelt noch in patriarchalem ober t)at& barbarifdjem 3uftanb fich befanb.
Wimrob, ber Gnfel GhamS, fo !)ei&t eö ba, grünbete ©abel, Sirach (Grech),
9tajab (Slttab) unb Gfjalanne (ßalneh), im 2anbe Sennaar, unb Slffur sog
aus bemfelben Canbe aus unb grünbete ^iniöe, Ücechobotf) unb ^ale (Salach)
unb Siefen ätoifchen Winibe unb Mach: „baS ift bie grofje ©iabt". Sßiele
biefer tarnen mürben fdt)on in ber erften ^eriobe ber affnrifchen ftorfdmng
auf itjontäfelchen nachgewiefen. Genaue Weffungen unb ©chäfcungen, welche
für ben glöajenraum beS alten Winibe (1800 HcreS) etwa eine ©ebölferung
oon 170 000 ©eelen annehmen liefen, fc&icnen ben Angaben beS Propheten
SonaS wie beS griechtfchen ©chriftftettcrS tftefiaS §u miberfprechen ; ber an=
fcheinenbe SÖiberfpruch fanb inbeS feine Söfung barin, bafe unter bem Warnen
„ber grofjen ©tabt" nicht blofj baS eigentliche Winioe, fonbern jugleich bie
umliegenbe biajt beoölferte Sanbfdjaft mit flalach, töechobotfj unb Siefen
miteinbegriffen tourbe.
2)er biblifche Sfjurm oon Söabel hat fidt) in ben Ruinen Oon 99irS=i--
Wimrüb miebergef unben , beffen ^ot>e§ Hilter bie tfeiltnfchriften bezeugen.
25on ben SBabüloniern 58it=3iba genannt unb als £etligthum bem ©otte
Webo geweiht, bilbete er ben TOtelpunft ber ©tobt 33orfippa, bie fpäter
unter Wabopolaffar unb Wabuchobonofor mit bem eigentlichen Sabolon nicht
förmlich berfchmolj, aber in engfter 93ejiehung ftanb. 6in anberer Sempel,
S3it=©aggil, im eigentlichen Söabölon, mar bem ®otte Sei gemeint, $ie
beiben Tempel waren bie angefehenften $eiligtt)ümer ber alten Wiefenfiabt.
Webufabnejar liefe ben Tempel oon $it=3iba glänjenb ^erfieüen unb btc
©pifce beSfelben böflig ausbauen, bie, nach einer Snfchrift aus feiner 3eit 1,
bis bal)in noch immer unooüenbet geblieben mar. @r fparte Weber Gebern=
holj noch Sronje, Weber ©über noch ©°lb, "w ben Sempel jum prächtigften
feines Meiches ju machen.
1 S)ie fcfjönfie ollet erhaltenen Snfdjriften, btc fogen. Snfdjrift be$ 6aft Sfnbta
f>oufe, nrirb gegenwärtig im 3nbia Office ju Bonbon aufbetoahrt.
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Sktylomföe unb affijriföe e^riftbcnfmSler.
57
Gine fpätere, Don P. ©trapmaier entbedfte unb ertlärte Urfunbc jeigt
uns, bafe ber alte Sempelbienft bcr Vabölonier mit ber Verehrung ber <Se=
ftirne, mit Stjironomte unb 91ftrologie $ufammenhing. (SS ift ein fnfte=
mattier WuSgug aus einem alten ßetjrbud) bon Vorfippa über 2lftronomie
unb Slftrologie, eigenfjänbig geschrieben bon Vel=afhe=ibbin $u 53orfl|jpa im
3ahre 138 ö. 6fn\
„Sie faß ade aftronomifchen 2er> beginnt er mit: ,ina amat Bei
ü Büti-ia purussü (©emöjj bem Söorte bes Vel unb ber VeltiS)', beljanbelt
bann bie Vebeutung beS Sommer= unb 2öinter=Solftitium , ber 2ag= unb
'Ji abgleiche im grityling unb £>erbft, ben 3ulammen^an9 oer Grafel mit
bem Vollmonbe, ben (Sinflujj beS ÜJtonbeS unb ber Sommerte auf ben
ihanfheitSjujknb ber $Renfcben unb bie Vefdjmörungen jur Teilung ber
Äranf^eiten, bie berfdjiebenen Opfer im ftrüljlinge unb im $erbfte, unb
bie Vebeutung beS heliatifchen 91uf= unb Unterganges beS Sirius unb beS
Sternes Sljugi. 3n Verbinbung mit biefen £>immelSerfchcinungen fielen
bie berfchiebenen ^efte: bie Trauer im $ocbfommcr für 2^ammuj, bie Älage
für bie abneljmenbe Sonne, bie Trauer im ÜBinter für baS Verfcbroinben
ber Vegetation, bie Ofcfle für SRarbuf beim SSMebererfcbeinen ber Vegetation
im 3früb,Hnge, bie berfchiebenen Zeremonien beim öffentlichen ©otteSbienfte,
bei benen bie Heilpflanzen , bie Amulette (abnu), bie berfchiebenen £>olj=
arten, bie Öetreibearten xc. eine bebeutenbe Stolle fpielen. ^lngereil)t merben
hier auch bie Vorherbeftimmungen aus ben berfchiebenen ^eiligen Vögeln,
bie in ben Sempein gehalten mürben. (Sine boflftänbige Qsrflärung beS
ganzen 2*jteS forbert noch einge^enbere Stubien; boct) fetjen n>ir fyti $um
erfteumal fct)on jejjt bie eminent aftronomifche Vebeutung ber beiben £aupt=
tempel bon Vabnlon, Vit=Saggil unb Vit=3iba, ba bie £>immelSerfdjeinungen,
toie fjinjterniffe, Äetjrpunfte unb Sauf ber Planeten, als ,2öd)ter beS Tempels
Saggil' bezeichnet merben, bie im £)ochfommer in ^roceffion ausziehen nach
S3tt=3iba, bem £aufe ber flacht, um bie föchte ju berlängern, möt)renb
umgelehrt bie Töchter bon Vit=3iba* nach Vit=Saggil, bem $aufe beS
2ageS, auSjiehen, um bie Sage $u berlängern. Cb h^rnit bie berfdnebene
Drientation ber babblonifchen Tempel in Verbinbung fteht, tonnen uns
bieQeicht bie 21ffbriologen fagen, welche Vabttlon befucht hoben. 5)ie Ruinen
bon Väbil ober SJZubjelibet) follen mit ben Seiten, nicht mit ben ßefen,
bagegen bie Ruinen bon VirS=U9timrüb mit ihren (5 den nach ben £)immelS=
gegenben orientirt fein." 1
3)aS biblifche Ur ber ßfmlbäer mar bereits in ber ©egenb beS heutigen
ÜJtufantwr nadjgemiefen, als bie Ausgrabungen beS Sonnentempels ju 21bu
1 9teue babljlomfd}e ^lanetentafeln tum 3 o f. d p p i n q S. J. unb & 31. € 1 1 a fe«
mater S. J., in ber 3eUförift für Slfforiologie, h«au8ßefl. öon ©arl »ejolb (Sept.
1891) VI, 216.
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58 Grfte* ^fünfte« Kapitel.
#abba, bem alten ©ippara (1878), unb bie Ausgrabungen gu Sellolj (Tel-
Loh, 1878—1881) neue Auff<blüffe über bie ältere Kultur in Weber*
©fmlbäa ju Sage förberten. Als ftabonibuS, ber eifrigfte Sauden unter
ben fpätern babDlonifdjen Röntgen, um bie Glitte beS 6. 3al)r&unbertS o. Sljr.
ben berfaflenen ©onnentempel ju ©ippara mieberfcrftellen wollte, fanb er
in ben Krümmern beSfelben gefdjrieben ben tarnen beS ßlmmmurabi, beS
alten tfönigS, ber 700 Safjre bor Surraburnafö ben ©onnentempel unb
ben $f>urm auf bem alten ftunbamente errichtet $atte. $a ©urraburoafb
um 1500 b. ßfjr. lebte, fo Ijtttte Jtyammurabi fa>n 2200 b. in
33abb>n regiert. 2>erfelbe 9?abonibuS fanb aber bei äljnlicben 3fcftourationS=
arbeiten einen nod) ältern ©onnentempel in ©ippara, unb fo befagt fein
93erid)t: „$er Sonnengott lieft mia) auffinben bie 3nfa)riften be« 9toram=
©in, beS ©of)neS beS ©argon, meldje in 3200 Salden feiner ber mir
borangegangenen Röntge aufgefunben Ijarte." ©argon r>ätte alfo 3750
3a§re b. Gljr. fdjon im untern ©tromlanbe beS (Supljrot getyrrfebt. $ie
©enauigfeit, wela^e fonft in ben aftronomifeben unb (bronologifdjen Angaben
ber ©abplonicr Ijerrfdtf, erlaubt es faum, biefe 3af>l of>ne weiteres &u ber*
werfen, wenn fte aud) großes ©efremben r)ert>orrief. Sin in Xeflolj auf=
gefunbeneS Alabafiergefäfj trug bie Snf^rift: „9taram=©in, ßöntg ber bier
Legionen." Anbere Snfcbriften in SeHof) wiefen auf eine nodj ältere 3eit
Ijin, in weldjet biefe ©tätte, Sagafb, genannt, nodb, majt unter ©abnlon
flanb, fonbern bon eigenen #errfcf>ern regiert mürbe. 9118 folä> werben
ßfmlbu, Ur=9iina unb Afurgal genannt. $)ie in Mol) gefunbenen ©culpturen
weifen einen ganj anbern 2t)puS auf als bie um metyr als 2000 Saljre
fpötem bon Winibe. Sagafl> tarn unter bie #errfcbaft ber Könige bon Ur.
Aus einer ©tätte meljr als anbertbalbtaufenbjityriger Gultur alfo war es,
bafe Abraham wegberufen warb, um ber ©tammbater eines auSerwffl<en
S3olleS ju werben unb jene reinem Ueberlieferungen ju retten, welche unter
bem ©eftirnbienft ber Glmlbäer böflig erftieft ju werben brotyten.
2. ©tiefe aus bem 16. unb 15. 3a$rljunbert bor ©IjriftuS.
lieber bie 3"* ber ?ßatriara)en bon Abraham bis Safob, über 2KofeS,
bie Stifter unb bie erften Könige bon 3uba gewähren bie #eilinfd)riften
bis bafjin feine 9tad)ridjten bon widrigerem 99elang. (Sine Ausnahme bilben
nur bie bor furjem in Seil eI=Amarna aufgefunbenen ©riefe1 mefopota=
1 S)a* ftetne Dorf Xell el-Amatna liegt am 9W, ungefähr in ber SDtttte
jttnfdjen bem alten ÜRempfnS unb Sieben (200 engl. SKeilen oberhalb Kairo). Arne»
nopl)i8 IV. ober 6b,u-en=aten („©lanj ber ©onnenföjeibc") grünbete ^iec im 16. 3abr«
bunbert v>. 6b,r. eine neue $auptftabt, um Slegrjpten grünbliä) bon ben Ueber-
lieferungen ber alten ©taatSreltgton lodjureifeen unb einen neuen ©onneneuli an
itjte ©teile ju fefcen. «n biefer merlmürbtgen ©tötte entbeefte im ©ommer 1887
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59
mifdjer durften unb roeftaffatifdher ©eamten an bic jtoet ^baraonen 9lme=
nopf>i8 III. unb 9lmenopbi8 IV. 3>er 9tame bcS erftern, 9lefer=fbeper=ra,
ifi in benfelben in „Wapfburruja" ober „?Wapt^urririt)a" öeränbert, bcr beS
lefctern, ^Itb-maUxa, in „Wibmuriija" ober „Wmmurina" 1. @iner biefer
Briefe rtiljrt Don einem afförifaVn #önig fjer, anbere Don bobnlonij^en
$errfd)ern, bie mit 9legttpten in gutem Sinbernefjmen 31t fielen münfdjten,
einige Don ben Königen bon *Dlitäni unb 9Uafhit)a 2 — roahrfaVinlidb, ©renj=
länbern ÜHefopotamienS — , bie meiften inbeS Don ein^eimif^en Statthaltern
in berfdjiebenen ©iäbten bon ©orien unb Jlanaan, meiere unter bem ©cepter
ber 9tegp,pter ftanben.
@d>on als groben be§ 39rieffti(S auS bem 16. unb 15. 3af>rhunbert
0. (Jbr. finb biefe ©diriftftutfe äufeerft intereffant unb bon literoturgefa^ia^ts
lieber 33ebeutung. 9In monard)ifd)em ©elbftgefüble laffen bie einen, an
naiber £öflidi)feit unb fubalterner Untermttrfigteit bie anbern nidjtS ju
münden übrig. 60 grüfct j. 33. ber Äönig bon 9lffnrien feinen ägt/ptifd&en
Pflegen folgenbermajjen :
„3u Waplfjurriritya (bem großen König), König Oon Slcg^pten, meinem SBritber,
fpridjt Affjur»ubattit, König oon Afforien. ber ©rofefönig, bein Stoiber, olfo: ,9)1 öge
ti gut fteljen mit bir, mit beinern $au«h,alt unb mit beinern ftinb.'"
eine arme Araberfrau, beren 3Rann mit Antiquitäten fianbelte, eine Heine ©rab»
tammet, bie nid)t fetjr tief lag, unb in betfelben eine An)af)t X^ontafeln (eä foQen
etwa 330 getoefen fein) , hüe man beren bisset nie in Aegypten ausgegraben fjatte.
€6 waren bab^lonifd) « afforifäje Äeilfdjrifttejrte aus ber 3"* *>e* 6bu=en»aten , unb
toie ftd) baib fjerauSflettte , faft lauter »riefe au8 bem U)eftlid)en Afien, an biefen
durften gerietet, <Sttoa 60 berfelbeu gelangten in baö 9)tufeum 3U ©ijeb, 160 an
ba8 au JBerltn, 82 ertoorb Dr. 6. A. SBaHiS JBubge für baö 93ritifr> aJlufeum. $ie
l erlern oeröffentlidjte Dr. JBejolb im Auftrage ber DJtufeumäüertuaÜung : The Teil
el-Amarna Tablets in the British Museum with autotype facsimiles. London 1892
(mit ßinleitung k. oon Dr. Sejolb unb Dr. SEßatttä Subge). ®. LXXXVIl— XCII
bafelbft ftnbet man bie jablreidjen Arbeiten oerjeiebnet, bie oon 1888—1892 über
ben bebeutfamen 3runb erfä)ienen. 6tne 2ran3fcription ber fämtltdjen Serie gab
Dr. SBejolb unter bem Sitel : Oriental Diplomucy : being the transliterated text of
the Cuneiform Despatches between the Kings of Egypt and Western Asia in the
XV1? Century before Christ, discovered at Teil el-Amarna and now preserved in
the British Museum. With füll Vocabulary, Grammatical Notes etc., by Charles
Bezold. London, Luzac and Co., 1893. — Ueber bie Gebeut jamteit be$ ftunbeS Ogl.
Natare Oom 19. 9Kai 1892 (XLV1, 49—52). - A. J. DelaUre S. J., Le pays de
Canaan, province de l'ancien emptre egyptien (Bevue des quest. hist. XXXI
[1896], 1—94). — $er tranSliterirte £eji neoft ooflftänbiger beutfdjer Ueberfefcung
beiSberbarb ©dj raber , Aeilinfdjriftlidje SBtbliothet. JBanb 5. $te £l)ontafeln
oon Xed«el'Amama oon #ugo 20 in dl er. SBerlin 1896.
1 2)tc ©djreibart eine« unb beSfelben gigennamen« ift in oerfdjiebcnen $ocu«
menten felbft eine oencf)icbene.
* A I a f b i D a ift nad) 3Raj SKüUer unb 3enfen Supern, beffen alter 9tame in
\Üaia (Ptolem. V, 14, 3) erbalten ift. 3«tfd)rift für Afforiologte X, 380.
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60 örfled »ud). fünfte* Äapitel.
@in 93rief beS ©urraburttaffj, #önig öon SJaboJon, on 3lmenopf)iS III.
fyebt alfo an:
„3u SRlpft)urririJ)a, ßönig Don 9(egt)pten, fprid)t alfo SBurraburtyafl), ftönig öon
Äarbuntyaft), bein SBruber : ,*0lit mir ftefjt eS gut; möge eä loirlUd) gut fielen mit
bir unb möge ee mtrflid) gut ftefjen mit beinern $auat)alt, mit beinen SEBeibern,
beinen ßinbern, beinern 2anb, betneu ©rofeen, beinen ^ferben unb beinen 2öagen.4u
Sd>on 2f>otmeS III. Ijatte eine fnrifdK ^rinjeffin jur tfrou, 9tamfeS II.
eine £ettitin. 2:f)otmeS IV. heiratete eine ^rinjeffin öon TOani, unb jein
Sofm 9tmenopl)iS III. nafym jmei Söeiber aus bemfelben $ürftengefa)lea)t
ju ber ebenfalls mefopotamifdjien ^cinjeffin 2(ji, meldje feine erfte ©emaljlin
unb Königin war. (Sine biefer grauen, mit tarnen SEätum=fl)ipa, Sodjter beS
Königs Suföratta, würbe ilun erft gegen @nbe feiner Regierung jugefanbt,
unb ba er ftarb, heiratete fie fein Soljn SImenopljiS IV. 2lmenopljiS III.
Ijatte übrigens aud) eine 3?rau aus bem babt)lonifd)en $ömgSgefd)Iedjt , bie
j£od)ter beS $aflimma=Stn, Wäfyrenb eine jtoc^ter 9lmenopf)iS' IV. fid) mit
einem Sofjne beS Söurraburnaffj, ftonigS öon Söabölon, öermätylie.
£ie 5prin$effm $ätum=ffjipa, SufljrattaS lodjter, weldje als Sraut an
9lmenopfnS III. gefanbt würbe unb nad) beffen Üobe mit feinem Soljn unb
9iad)foIger öermäfylt warb, bradjte einen 23rautfd)a$ mit, ber geeignet war,
ben ^ßljarao nad) anbern älmüajen Sßerbinbungen lüftern §u madjen. 3)ie
ßtfte beSfelben füllt in fleiner Sd)rift jmei ber größten iablets, bie je
aufgefunben würben. Sie befinbet ftd) im SJlufeum ju 93erlin unb enthält
trofc ber üorfjanbenen Serftümmelung nodj 600 3eilen. $>er Üitel lautet:
„$ieS ift baS Öanje bes Srautf d)afces , welken 5tuff;ratta , tfönig öon
9Jtitäni, bem Siimmuriöa, #önig öon Slegopten, feinem Soljn unb Sdjwiegers
foljn, gab, als er 2ätum=ff)ipa , feine %o6)tex, nad> bem Sanb 9legöpten
fanbte, an Wmmurtya, fein 2Beib ju fein; an biefem Sage gab er ifm."
3)ie WuSfteuer befielt aus einer jaljüofen *Dtenge öon ©efäfsen, 5Öerl=
$eugen, |)auSratl) unb anbern ©egenftänben öon ©olb unb toftbaren Steinen
wie ÖapiS=2ajuIi , fowie öielcn aus Silber unb Tupfer unb einigen öon
Gsifen. 3)aju fommen ^ferbe, ein mit ®olb gefdjmücfter SEßagen unb $radu"=
gewänber aus bunten Stoffen, üßiele ber 2Keta IIa rbeiten waren offenbar
groben mefopotamifdjer Äleinfunft; benn fie beftanben tfjeilS aus ©olb unb
tfyeilS aus Silber ober aus reidjlid) öergolbeter Sronje ober aus toftbaren
Steinen mit jierlia^er ©olb* unb Silberfaffung.
(Sin früherer SBrief SufljrattaS an MmenopfyiS III. gegen (Snbe Don
beffen Regierung enthält aujjer Örüfien an feine 2od)ter folgenbe bemerfenS=
mertlje Stelle:
w©o jagt bie ©öttin 3f()tar, au« ber ©tabt Slind, bie §errin ber ganzen
äBelt: ,3d) mitt geb,en in ba8 Sanb Siegtwten, baß ßanb, bad id) liebe; id) mitt ba»
h;in sieben.' 6ie^ je^t, id) mill fie fenben, unb fie toirb getyen.
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»abhlonifd&e unb afforifche Sdbriftbenfmäler.
61
„Steh, in bet Seit meine« »ater* fam bie ©öttin 3fl)tar, bie §errin, in biefe*
8onb, nnb wie fte früher ba wohnte unb er jie öcrehrte, fo möge nun mein ©ruber
fie $ef|nmal mehr ehren. «Wöge mein »ruber fte ehren mit ftrenbe, unb möge er
fie bann jurüdfenben unb fie heimfehren (offen.
„2R5ge 3f^tar r bie $errin be* $immel«, meinen »ruber unb mich hunbert
3ohre behüten, unb möge fte un8 beiben grofce 3f«ube gewähren, wenn mir tbun,
wa* recht ift."
9fu§ biefem »riefe erhellt, wie gerabe burd) bic föniglidjen 9Wifd)el)en
bie ©ötter bon SEÖeftafien in 5legt)pten Eingang fanben, unb jroar in bem
(Srabe, bafj 2Imenopl)i§ IV. bon ber altägpptifdjen StaatSreligion DöHig
abfiel unb einen neuen ©onnencult an beffen ©teile ju fefcen fudjte.
Sßäfjrenb bie roeftafiatifdjen dürften ben ^araonen grauen, Sflaben,
^Pfcrbe unb Äunftfadjen fdjidten, bemühten fie ftd), au§ 9legi)pten f)aupt=
fääVid) ©olb $u eTfyalten. £cnn ba§ (Solblanb jener 3e't ba§ Opfnr ber
»ibel, lag uitätoeifelfiaft an ber oftafrifanifdjen Äüfte unb war ben 2legt)ptern
am leiajtefien jugänglid).
W2U« ich, beine »oten fah," feftreibt ber afförtfdje Äöntg an 9tmenophi« IV.,
„ba freute ich mich fetyr. 3<b/ fehiefte nach beuten »oten, bamit fie t>or mir erfebienen.
3dj fenbe bir al« ©efchen! einen SSagen . . . unb jwei weifje ?ßferbc . . . einen
Söagen unb ein Siegel au* ßapi**ßajuli. . . ©olb ift wie Staub in beinern fianbe. . .
SWetn Sater Slfhurnabimalht fanbte »oten nach Slegöpten, unb fte fanbten ihm
jwanjig Talente ©olb. . . Sfienn bu gnäbig gegen mich geftimmt bift, fo fdbirfe mir
unb Ia& beine »oten holen, wa* immer bu öerlangft."
91m lauteften fpridjt bie ©elmfudjt nad) (Stoib, in ftreunbfdjaft gefüllt,
aus einem «riefe be§ fajon erwähnten ÄönigS iuföratta bei Gelegenheit
ber »ermäf)Iung feiner Softer mit bem ägbptifdjen Monarchen:
„9Ba* beine »orfahren betrifft, fo waren fte fct>r freunblicb gegen meine Sor»
fahren, unb auch bu warft aufterorbentlich freunblid) gegen meinen Sater. 2öenn
nun bu unb ich freunbfchaftlich jufammenhalten werben, fo wirft bu aehnmal
mehr gewinnen al« bein »ater. SJtögen bie ©ötter, bie mir lieben, biefen »unb
begunftigen - nämlich Seffnib (Mammon), mein £>err, unb Simon! Wögen fie für
immer unfere ©ebete erhören, wie auch 3U gegenwärtiger 3ci* -
„3)a mein »ruber mir SOlani, feinen »oten, gefanbt 1)üt, fpre<f»enb alfo : ,3)tein
©ruber, gib mir beine Üochter $ur Che, um ju fein §errin im ßanbe Slegtopten',
möge meine* »ruber« #er3 nicht Iranf fein; fagte ich ba* nicht früher? 2öie mein
»ruber wfinfebte, jeigte ich fie 2Hani, unb er fah fie ; unb al* er fie fah, bewuuberte
er fie fehr. $n ^rieben fotten fie fie bringen jum Sanbe meine« »ruber«; unb
mögen 3fbtar unb Simon fie nach bem £>er$eu meine« »ruber« formen!
„©ilitia, mein »ote, wieberholte mir meine« »ruber« ÜEÖorte, unb al* ich fte
hörte, waren fte gut, unb ich freute mich fehr, alfo fpredjenb: ,»rtng ba« jwifdfjen
un* ju ftanbe, bafi wir tjrcunbfdbaft miteinanber halten mögen.' Steh, gemäß biefen
SCÖorten wollen wir Srcuiibfchaft miteinanber halten für immer.
„911* ich jn meinem »ruber fanbte unb alfo fprach: ,30) unb mein »ruber
wollen fiberau* freunblich flehen miteinanber', ba fagte ich «ud? fo: ,9Rein »ruber
Wirb mir jehnmal mehr gewähren al* meinem Sater.'
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62
<£tfteö ©ud). Brünfte« Äabitel.
„@o berlangte td) ötet ©olb bon meinem ©ruber, fo fbred)enb: ,3Jtef>re e« mir
meüj al« meinem ©ater.' ÜJiöge mein ©ruber e« mir mehren. $u fd)ic!te{t meinem
©ater Diel ©olb; bu fdjirfteft tfjm eine gro&e Spenge ©olb unb grofje SJlaffen bon
©olb. ßud)en oon ©olb — al« ob c« Aubfer wäre — wirft bu mir fenben.
„3d) fenbe meinen ©oten ©ititja an meinen ©ruber, unb id) bitte ifm fo:
,ÜJiöge mein ©ruber mir jefmmal mefjr gemäßen, als er meinem ©ater gemährte,
unb möge er mir oiel unbearbeitete« ©olb fenben.' So fage id) au meinem »ruber :
,35eine ©efä&e , weldje mein ©rofebater maäjte , Will id) mad)en' . . . , unb aud) fo
fage id) : ,S)a« ©olb, ba« mein ©ruber fenbet, möge er für ben ©rautfdjafe fenben'. . .
„Sief» jefet, id) fenbe ©otfdjaft an meinen ©ruber, unb möge mein ©ruber bie
tfreunbfdjaft mit mir mef)r berbtelfälttgen al« mit meinem ©ater. Sief), id) Oerlange
©olb Oon meinem ©ruber, unb ba« ©olb, ba« id) oon meinem ©ruber Oerlange,
fmbe id) jweimal Oerlangt ; erften« für . . . unb jmeiten« für ben ©rautfdjafe.
„9Jtöge mein ©ruber mir biet unbearbeitete« ©olb fenben, unb möge mein
©ruber mir mefjr ©olb fenben, al« er meinem ©ater fanbte. 3n meine« ©ruber«
Sanb ift ba« ©olb berbielfad)t wie ©taub. ÜJlögen bie ©ötter gewafjren, bafc ba«
©olb in meine« ©ruber« ßanb berbielfacfjt fei rote jefet, unb jefmmal mefjr al« jefct !
ÜDlöge ba« ©olb, ba« id) Oerlange, ba« £erj meine« ©ruber« nidjt tranf mad)en;
möge id) nid)t ba« Jperj meine« ©ruber« tränt madjcn. SRöge mein ©ruber mir
red)t au&erorbentlid) grofce Wengen unbearbeiteten ©olbe« fenben, unb ma« immer
mein ©ruber für fein #au« oerlangt, er möge ©oten fenben unb e« f)olen; unb id)
will meinem ©ruber geben, wa« immer für ein ©efdjenf er begehrt.
„3>iefe« Öanb ift meine« ©ruber« ßanb, unb biefe« £au« ift meine« ©ruber«
§au«.
„Biet), icf) f)abe meinen ©oten ©ilitya an meinen ©ruber gefanbt; möge mein
©ruber ifm nid)t ücrfd)mäf)en. ßntlaffe it)n balb unb lag if)n jtefjen. SBenn id)
bon meine« ©ruber« ©efdjenf fjöre, werbe id) mid) fefjr freuen; id) werbe meine«
©ruber« @efa)ent für immer fd)öfcen. 2>iefe JCßortc, Weldje wir einanber fenben,
möge ber ©ott Seffjuö, mein #err, unb Simon genehm fjalten . . unb mögen fie
biefelben wie jefct nad) if»rem Sötllen formen! SEOie wir einanber jefot lieben, fo
mögen wir einanber für immer lieben!"
SMefe älteften #anbeläbe}ieljungett , bon ben dürften |eI6fl in ifjrem
eigenen Sntereffe angefnübft, bilben einigermaßen ein Söorfptel beS weit auä=
gebetjntern ^janbelSberfeljrS, ber fidj jtoijc&en £iram bon $öru§ unb Solomon
entfpann. $)ie beatiglidje 25arftellung ber ^eiligen Sa^rift finbet barin bie
boflftänbigfte SBeftätigung ; nur matten fid> bie beiben Könige Don bem
luftigen ägbbtiidjen 3tt)ifd)enljanbel loS, rüfteten fetbft eine #anbel8flotte ju
(S^iofcgeber bei CEIotl) am 9totl)en ÜDleere aus unb belogen unmittelbar bon
ber afrifanifdjen Cftfüfie ©olb, foftbare Steine, feine ^ofyarten, (Setbürje,
Staudjmeri, [eltene Sßflanjen unb Spiere.
%loä) merfmürbiger ift ber anbere Stjeil ber 33riefe auS Ü£eü* el=2lmarna,
in melden borjüglitf) ägtjptijdje Statthalter unb ©eamte bie bamalige Sage
bon Äanaan unb Sbrien fajilbern. 2bruS unb 3crufalem erfa^einen Ijier
— fdjon bor ber Qtit beS StuSjugS auS 9legtobten — als bebeutenbe Stäbte,
unb Serufalem trägt nia^t ben tarnen 3ebu§, fonbern bereits ben Hainen
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23abt)lomidie unb omjriidje idjviftbenfmäler.
Urufalim, Scrufolcm i. *Dcdjrere ber ©riefe flammen aus Serufalem felbft,
ttjeiß Don flbbi=flnba, bem ägnptifdjen Statthalter bafelbft, tb>il$ bon beffen
©egner 5ftilfili, ber bon jenem als Serfc&roörer gegen bie ägbptifaV Dber=
b>b>it bargefteflt roirb.
„20a* t>abe td) gegen ben Äönig, meinen §errn, geu)an?" 60 treibt Stbbi«
tyiba an ben tytyiTao (9tmenopb,i* IV.). M toerbe tot bem Äönig alfo öerlcumbet :
,./iPowi)U>a t|i uoeuiiti) gegen oen Honig, leinen .yerrn. feie«), loa« mta) oetnnt,
niä)t mein 9)ater ober meine ÜJiutter Ijaben mid) an biefen ^ptafc gefteflt, fonbern ber
Strm be« mächtigen Äönig« f)at mid) gebraut in meine* Sater« §au«. SSarum benn
follte td) gegen ben Äönig fünbigen? ©o lange als bei Äönig, mein §err, lebt,
fage id) fo ju ben Soten bei Äönig«, meine« #errn: ,9Barum begünftigt iljr bie
Serbünbeten (Äljabiri) unb jeigt i^r eud) feinbfelig gegen bie ©tattfjalter (be* Äönig*
»on Hegtyrten)?'
„HUe Statthalter ftnb erfd)lagen; e« ift tein ©tattb>Uer be« Äönig« meljr
übrig. 2Röge ber Äönig fein 3lntlifc auf fein SBolf toenben. Sie SBerbttnbeten
(Äbabiri) boben atte ßänber be« Äönig« geplünbert. SOßenn bie ^nippen biefeS 3ab,r
fommen, mögen bie Sänber be* Äönig« nod) gerettet toerben; aber toenn ftc niä)t
fommen, toerben bie ßänber be« Äönig« oerloren geljen."
3n einem anbern ^Briefe fagt ftbbUfljiba:
„üftöge ber Äönig Gruppen fenben gegen bie ÜDlänner, bie gegen ben Äönig,
meinen §errn, gefrebelt fjaben. Söenn bie Gruppen biefe« 3afjr fommen, toerben bie
ßänber unb bie ©tattfwller bem Äönig, meinem §errn, erhalten bleiben; aber toenn
jte nid)t fommen, toirb bem Äönig tein ßanb übrig bleiben. 6iefj, toa* biefe ©tabt
3erufalem betrifft : nid)t mein JOater ober meine 3Kutter gab fie mir, ber Hrm be«
Äönig« gab fie mir. Sa« ift ba« JZBert be« SMIfili unb ba« SQßerf be« ©ofme« be*
Sapapi; fie fjaben be« Äönig« ßanb ben SBerbünbeten (Äfyabirt) übergeben. . . 8iel),
ber Äönig b>t gefegt feinen 9tamen auf Serufalem für immer, be«b>lb tarnt er bie
Stabt 3erufalem nid)t im ©tid) laffen."
TOtlfili feinerfeits manbte fidb, ebenfalls an ben Sßljarao unb behauptete
in feinem ©riefe, iljm treu anhänglich ju fein: „3<h hÖDC fleh01* 53°*=
fdtaft beS ßönigS, meines £)errn, an mich, unb möge ber Äönig feinen
Wienern £üfe fenben!" 3n einem anbern ©riefe flogt er über fdjmcre«
Unrecht, baS er bon einem äpptifdjen Beamten erlitten, unb bittet ben
Äönig um JBetftanb, um fidj an feinem SBergemaltiger rächen §u fönnen:
„SOtöge ber Äönig bie 2fmt toiffen, bie Dantljamu getf)an, feit id) bie @egen>
toart be* Äönig«, meine« £>erro, oerlaffen. . . dt fagte ju mir : .Uebergib mir bein
$ßeib unb beine Äinber.' Sag mid) ib^n oernid)ten. * 9Jl5ge bei Äönig biefe £f)at
toiffen. SDtöge ber Äönig SBagen fenben unb mid) bringen in feine ©egentoart. Sag
ib,n nid)t entrinnen."
SBä^tenb Wülxli nur auf ^ßribatrache fann, brängte 5tbbi=!b,iba immer
ernfllidjer auf Xruppenfenbung, um baS gan^e Sanb für Stegüpten ju erhalten:
1 3>ie fed)8 SJriefe au« 3«rufalem befinben fid) im SDlufeum ju JBerlin (9h. 102
bi* 106). V. A. Th. 1642—1646). ©gl. Simmern, 2)ie Äeilfdjriftbriefe au«
Owufalem, in »eaoib« 3eitfd)rift für Äffbriotogie (Sept. 1891) VI, 245-263.
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«4
(Srfte« JBuc&. Brünfte« Hapttel.
„©ietj bie Saaten, bie SDlttriti unb ©ljuarbatum gegen ba« öonb be« Äönig«,
raeine« §errn, oerübt fjabcn. ©ie f>aben herangeführt bie trappen bon ©cjer, bie
Siruppen Don ©imti unb bie Gruppen bon Äüti, unb fie tjaben ba« ®ebiet ber ©tabt
{Rubute befefet. 2)a« ttanb be« Äönig« iß fibergegangen an bie SJerbfinbeten (Äb>biri).
3efot ift übeTbie« eine ©tabt be« ©ebiete« bon 3erufalem, bie ©tabt 99it»9timp, eine
©tabt be« Äönig«, übergegangen toie bie ©tabt Ätlti. ÜDtöge beSfjalb ber Äönig
®eh,ör fa^enten feinem Liener 3lbbi-lbiba unb Gruppen fenben, bamit i# bem Äönig
ba« Sanb be« Äönig« toieber getoinne. 2öenn aber feine Gruppen fommen, bann
wirb ba« ßanb be« Äönig« übergeben an bie SBerbünbeten (Jtfcbiri).'
Welmlidje klagen ertönen aus anbern Stäbten SlanaanS (in ben
Nablet» balb „5Rat Äinätyi", balb „Sflat ßinaHjna" getrieben, ent=
fpredjenb ben einljeimifdjen §ormen »Äna'" unb „ßna'an"), aus 5Eüru8,
Sibon, Möbius ober ©ebal, 9lffa, 91roab, 3oppe, Simtyra (ßemar) unb
Oejer. Der ägüptifdje Kefibent in SEoruS, 9tbumilfi (?lbimcled)) , ein ge=
borener Jlanaaniter, toirb Don öden Seiten angegriffen unb fieljt fidj jule^t,
ohne SCBaffer unb $olj, auf ber gfelsinfel wie in einem Ääfig gefangen.
Wd&t weniger als oierjehn Briefe fc&ilbem bie bebrängte ßage beS 9Kp=
9lbba, (StouocrneurS üon 33tybluS, bent bereits alle Stäbte bis auf jtoei,
befonberS bie ©ergftäbte, entriffen finb unb ber olme ^ilfstruüüen fidj felbfl
nidjt länger im Sanbe galten ju tonnen glaubt. 2US £>auptfeinb wirb ein
2lbb=2lfhitta genannt; er unb feine SBerbünbeten erhalten bie 99e$eidbnung
üon „Räubern", „pünberern" unb „58rtganten". Sitia, (Bouüerneur oon
WSfalon, unb 5lfijäi, ägtjptifcber Cberbeamter in Äatna, melben in Des
pefefcen an WmenopljiS IV., bafj fie feine Gruppen reiflich mit ^leifdj unb
#orn, Cel, £>onig, Sßalmtoein unb Odjfen üerfehen ; 9lmmunira oon 33eorut
unb anbete (ünbigen bie ßntfenbung oon £>ilfstruppen an ; bie Stäbte ©aja
unb ^oppe üerftdjem ben ^arao ihrer unüerbrücblidjen Ireue. Dodj bie
Sage beffert fidj nidjt. 2)aüafhi, ©ouüerneur ber ©tabt ©ejer, Slgijji,
©ouüerneur Oon $atna, Sljubanbi unb anbere ägüptifd)e Seamte oerlangen
bringenb militärifaV £»lfe, Unterfrütjung unb (Sntfa|. 9tbb=3(f^trta fpielt
eine üerrätherifdje Doppelrolle. Durd) feinen Solm Sfjiru läfct er ben
Pharao feiner officieflen Ergebenheit oerfiajern; er felbft aber bient ben
Königen oon ÜJlitäni unb $afhi unb bem #önig ber £)ettiter, toeldje,
üon ben 5legnptern aus ihrem urfprünglidjen SBcfi^ üerbrängt, immer oon
neuem gegen bie £errf#aft berfelben fid) auflehnten unb biefelbe ganj ab=
jumerfen oerfua^ten.
So get)t au§ biefen 2)epefa^en jiemlia^ unätoeifeltyaft Ijcroor, bap fieb
um jene 3ßü 9«nj Serien unb Äanaan in einem 3«ftunbe roirrer ?luf=
löfung befanb. 3U SQnD unD ®ec würben bie ftgpptifcben Statthalter an=
gegriffen, aus Dielen Stäbten üerbrängt, in anbem eingefdjloffen unb belagert.
Da oon ^legopten feine toirtfame ^)ilfe tarn, oerloren bie einf)eimifdjen
tribtttppidhtigen dürften ben 2)cuth, matten fia^ felbftänbig unb ftbjoffen
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3}af>t)lomfäe unb afforifdje 6$riftbenftn&ler. 65
fid) ben geinben an. baljer 3ofue in baS Sanb ßanaan einbrang,
fat) er fid) nidjt ber gewaltigen concentrirten 3Radjt eines einheitlichen ©rofj=
ftaateS gegenüber, fonbern nur einem ©d)warme bon Keinen Sürßen unb
Häuptlingen, bie längft fid) bon 9legbpten loägefagt unb unaufhörlich fid)
untereinanber befet)beten, fo bajj bie SSraeliten mit berljältnifjmä&ig leichter
Diiuje Ofufe in bem ihnen berljeijienen ßanbe faffen unb burd) mehrere 3ahr=
hunberte ihre ©elbftänbigfeit bewahren fonnten.
3. ®efd)id)tliche Slufjei^nungen über Slfftyrien
unb SBabblon.
Reichlicher fliegen bie Sluffchlüffe ber Mffbriologie erft bon ben 3"*"*
an, ba bie Sttfftorer als gemaltige Eroberer weftwürts brangen, um 1100
unter Stiglatt) Sßilefar I., in welchem fid) fdjon afle 3üge beifammen finben,
welche bie fpätern affftrifchen £>errfcher topifd) d)arafterifiren. 9luS ihrer
langen Steide, welche und burd) bie 3nfct)riften erhalten ift, ragt junüdjft
Slffumäfirpal ^erbor (885 — 860), ber fein Weich bom Urmia=©ee im Dften
bis an bie (Beftabe beS 9)cittelmeereS, bom 9lrarat bis an ben untern 3a&
ausbreitete, ©ein fampfluftiger Sob,n ©almanaffar II. (860 — 825) trug
feine SBaffen noch weiter, marfdnrte neunmal über ben 6upr)rat unb unter?
warf fid) 89 ©täbte ber £ettiter, machte fid) SBabblon tributpflichtig unb
brang über bie Ufer beS Urmia=SeeS nad) bem heutigen ^erfien hinüber.
9hd)t weniger beutereich waren bie üier ^elbjüge feiner 9iachfolger S^amf(|i=
»amman (825—812) unb ÜRamman=nirari III. (812—783). $iglath=
^ßilefar III. (745 — 727) ift inbeS ber erjte biefer Eroberer, ber in ber
SMbel namhaft gemacht wirb. Unter bem tarnen $ul würbe er in SBabnlon
als dortig anerfannt. Sein Sohn Salmanaffar IV. (727 — 722), entrüftet
über bie jweibeutige Sßolitif beS ßönigS OfeaS, begann bie Belagerung
©amariaS ; fein Nachfolger ©argon (722 — 705), ber größte ber affyrifdjen
Eroberer, boflenbcte fie. ©ennadjerib (705 — 682) erweiterte baS SReid) im
Often unb SBeften, unb unter feinem ©ohne unb Dto^folgcr Sfar^abbon
(680 — 668) fiel aud) Slegtopten in bie £änbe ber Slfftorer; beS lefctern ©oljn
3lffurbanipal (668—627) behauptete es gegen bie 50tad)t beS 9lett)iopenfürfien
Üirhafa. $amit war inbeS ber £öt)epunft ber affmifdjen 2BeIhnad)t erreicht.
TO bem Gmbe beS 7. 3ahrt)unbertS d. (Styr. brach biefelbe jufammen, unb
ftinibe warb jerjtört. ?tuf ben Krümmern beS affnrifdjen Reiches erhoben
bie Sabolonier unter Rabopolaffar unb 9cabud)obonofor baS Sanner ber
Eroberung. $en lejjtern dürften fdjilbern bie bis je£t gefunbenen 3n=
fdjriften als mächtigen ^Bauherrn unb pradjtliebenben Verehrer ber (SJötter ;
aber bon feinen Kriegen melben fie fajt nichts, unb eS ift nod) feine SteiU
infd)rift borljanben, welche bie (Sinnaljme ber ©tabt ^erufalem berichtete.
»aumgottnet. «StlUittrotur. L 5
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66
©rfteä »uaj. fftinfteä Äapitcl.
$er Scbroerpunft bcr bisher cntjiffcrtcn Ouellen liegt barin, bajj fte
uns bollauf betätigen, roaä bie Propheten unb (Sefcbicbtfdjreiber bon 3uba
über bie auSgebchnten Eroberungen ber Wffbrer, it)ren friegerifcben unb ge=
roaltthätigen Gbarafter unb über bie befonbere %rt ihrer Kriegführung bes
richten. Sie befähigen uns, jene Stellen beS ^faiad r beS Jeremias unb
ber fleinern Propheten $u roürbigen, toeld^e bon ben afforifcben unb babü=
lonifdjen $eereSm äffen berichten, Don bem ©Breden, ben fte einflößten, Don
ber 3erftörung, bie fte hinter fidt) jurüdliefeen. Sie jeigen unS, bafj bie 2Beg=
füljrung beS SBolfeö aus Santaria unb ^ubäa nur bie Sßirfung einer fefien,
fbftematifcben Sßolitif mar, meiere bie ^errfeber beS affnrifeben SteicbeS aboptirt
Ratten, um boUftönbige Unterwerfung $u erzwingen unb ftcb jene Xribute $u
fiebern, meldte ber ^auptjmecf ihrer friegerifcben Unternehmungen maren.
Ueber ben §all SBabolons liegen bis jefct nur menige ^Nachrichten bor.
9US lefcter König ift babei 9tabonibuS genannt, berfelbe, ber fidt) als eifriger
93aut)err, befonberS als 2Bieberherfiefler beS Sonnentempels unb SRonb*
tempels bon Sippara in biefen $enfmälern beretbigt fjat. Eine erft 1882
aufgefunbene „Ghronif" melbet über feinen Sturj nur baS tJolgenbe:
„2>ie Xruppen bess Slftyaged (ÄönigS oon ÜUccbien) empörten ftcb gegen tljn; er
Würbe gefangen genommen unb bem ©tyruS überliefert. ©rjruä 30g nad) ©fbatana,
ber Äönigdftabt. S)a8 ©über, baS ©olb unb bie übrigen ©d)&fee oon ©fbatana
würben ate Seute b,intoeggefüb;rt unb nad) bem Sanbc »nfban gebracht.
„3m ftebenten 3ab,re mar ber Äönig (5Rabonibu$) in ber ©tabt Sema. S)e*
ÄönigS ©oljn, bie ©rofcen unb feine Gruppen waren im ßanbe Slffab 2)er Äönig
fam nicht nach 83af>t)lon im SDtonat SRifan ; ber ©ort 9tebo tarn nidjt nad) JBabglon ;
Jöel tarn nidjt t)«öor; bie Sfeftttdjfetten würben nid)t gehalten. Opfer Würben bar«
gebracht ben ©öttern oon löabtjlon unb SJorftppa in ben Sempein oon 99it'©aggit
unb 25it--3iba. . .
„Neunte« 3at)r. Slabonibu« ber Äönig war in ber ©tabt Sema. 3>e« Äönig«
©oljn, bie ©ro&en unb bie Sruppen Waren im ßanbe Slffab. 2)er Äönig fam nicht
nach SBaboJon im ÜJlonat 9ttfan. SRebo fam nidjt nad) ffiab^lon; S3el fam nidjt
tjertior; bie Oreftltdjfeiten Würben nidjt gehalten.
„9lm fünften bed 9lifan ftarb be$ ÄönigS Mutter in ber ©tabt 2)urfarafl)ü an
ben Ufern beS ©upbrat, oberhalb ©ippara. 2)es ÄönigS ©oljn unb bie Gruppen
trauerten brei Sage ; es war aöcfjtlagen ; im SDtonat ©ioan war SDBeljriagen im Skmbe
Hftab ... für beS Äönig« SOtutter. 3m Monat 9tifan rief ©ijruB, ber $erferf önig,
feine Sruppen jufammen; er ging über ben Sigrid unterhalb 3trbela."
Ueber baS 10. unb 11. 3al>r beS ^abonibuS mtrb ungefähr baSfclbe
berichtet; banacb ift aber baS Nablet abgebrochen. $ie föüdfeite enthält
über baS 16. 3ahr beS ÄönigS nodt) baS golgenbe:
,3nt SHonat Xammu} lieferte ©ljrufi ben Gruppen oon Slffab eine Schladt,
unb bie 3Mnner oon »tlab machten einen Slufftanb; ein »lutbab fanb ftatt. 3lm
12. Sag warb ©ippara oljne Äampf genommen. 9labonibu8 flot). 2tm 16. 3ogen
1 2)er 9lame Slffab bebeutet tjier wahrfcheinlid) ba* Sanb um »abtjlon.
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SBaböIonifflje unb affbrifd&e 64riftbentaaier.
67
@obrt)a$, Statthalter oon ©utium, unb bie Gruppen bed €t)ruä in Sabülon ein oljne
©efecbj. §ernad) tourbe 9tabonibu§ in ®abtylon umjingett unb gefangen genommen.
„3m aflonat 2ttar<be*öan am 3. Sag 30g 6öruö in SabJjlon ein. . . dt gab
ber Stabt ben ^rieben. 6t)ruä oerffinbete ganj SSabtilon ben ^rieben. €r fefcte
©obrtjaä, feinen @tattfjalter, ata Statthalter in Stabulon ein. SJom <Dionat Gfji&Ieu
bis jum SKonat Ubar lehrten bie ©ötter Don Slffab, toetä^e 9labonibu* nadj SJabljlon
gebraut, nrieber in i^re @täbte jurücf. . .
„$ie 3frau be* Äönigd ftarb. JBom 27. 2ag be$ Slbar bi« jum 3. be« 9lifan
(eine SOSoa» toar Trauer in «Hab. 2lKe* SBolt fenftc baä &aupt." 1
9luS biefen Aufzeichnungen ergibt ftd), baü 9cabonibuS in ben legten
3af>ren feiner Stegierung bie üblichen ^e|}proce[fionen mit ben ©ötterbilbern
unterließ unb fich bamit roahrfcheinlicb, bei ber mächtigen ^riefterfchaft unb
beim SSolfe mifjbeliebt machte, baft er lange 3^it feiner $auptftabt ferne weilte
unb bie Leitung feines ipofeS unb feines £eereS feinem älteften ©ob,ne überließ.
(Sin älterer ^onctjltnber, aus ben Ruinen Don Ur ausgegraben, melbet uns
in einem Öebete beS 33aterS ben tarnen biefeS feines älteften ©oljneS. (£r
bjefe Selfha^ar (93il=far=uffur), unb bamit erflärt fid) genügenb, bafe 3>aniel
als legten Äönig bon Sabnlon nicht 9cabonibuS, fonbern ©elfha^ar nennt.
4. 93aböf onifd&e unb afförifche £ömnen.
Unter ben erft in neuerer Qt\t entzifferten affnrifdjen jDenfmälern fanb
fid) auch eine Wnjahl bon ©ebeten unb ©ötterhtomnen, meldte jum Vergleich
mit ben ^Pfalmen ber Hebräer einlub. @tn Ityil berfelben mürbe unter
bem Xitel „Vabblonifchc Vufjpfalmen" herausgegeben2; man muf$ inbeS ben
begriff bon 93ujje ziemlich elaftifdj ermeitern, um biefen Xitel gerecht:
fertigt ju finben. 2)ie SRothologie, roelaje biefen noch färglicb, repräfen=
tirten Siteraturjroeig ber jmei alten Völler be^errfd^t , macht jene parallele
überhaupt ju einer fachlich foft unfruchtbaren ober menigftenS negatiben.
Vel=$Rerobad), ber $rad)cnbejtt>inger , ber Wationalgott bon Vabtolon, balb
mit bem Planeten Jupiter, balb mit ber (Sonne felbft ibentificirt ; ftebo,
ber ©Treiber unb 9tatt)geber ber ©ötter, „ber erhabene Vote, ber 9Jtaje=
fiätifche, ber Vielgeliebte VelS", „ber t)ohe Senf er, ber 6or)n 93it=©aggilS,
ber heflfef)enbe, ber geregte, ber fürftltche, ber erhabene ©ot)n 9Ju=fimmutS" ;
Wergal, ber babölonifche $luto, urfprünglich eine Cocalgottljeit bon ßutfw;
ber <Sturm= unb SBettergott Äimmon (ober 91bbu), auch in ©nrien biet
berefjrt; ber urfprünglich ben ^ßt)iliftäcrn zugehörige ©ort $agon, fpäter
auch in Affbrien unb Vabtolon bereit ; ber roejtaftatifche WboniS, in ©tyrien
tammuj, in Vabblon 5)üju genannt unb jugleicb, mit ber fiiebeSgöttin
1 3m «nfd)lu& an bie öon ben PP. Spping unb ©trafjmaier getoonnenen Crgeb»
niffe Iaffen fid) biefe 35aten genau nach bem Julian, ßalenber beftimmen. Sgl. 3*itfö*.
für «ffbriologie IV, 76 ff. 168 ff. ; V, 281 ff. ; VI, 89 if. ; VII, 220 ff. ; VIII, 149 ff.
* S8on 3immern, Senzig, #ttmcH 1885.
5*
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G8
(trfte* »ud). 8rünfte* «apitel.
Sfötar als beren ©emaf)l gefeiert; bann Sfotar ober Slfttoretf) , bie babö*
lonifa> 2knu& felbfl , fdmn in feljr frühen 3nfa?riften als Soealgöttin bon
Gretf) unb f)aflab, fpäter in ftintoe unb 91rbela ermähnt, bie 6c&ufcgöttin
ber (Slamitenljerrfdjer ßuburtnabul unb 9Him=afu fomie beö erften mäßigen
babölomjdjen ÄönigS ßljammurabi mie fpäter be8 91ffurbanipal; enblta)
ber affnrifdje 9tationalgott 9lfl)ur: — bilben eine fo bunte, polttttjeijiij'dje
©efellfdjaft, baji man fie unmöglia) mit bem ©ott ber fyebräifdjen ^falmen
auf eine Sinie fefcen fann. $)er ©egenfaty fpringt in bie 2lugen. 9lur in
formeller £)infid)t beftyen bie afforifaVbabtylonifdjen ©Ötter^mnen einige
Analogie mit ben ^falmen. $ier mie bort ftnben mir ben ^arallelismus
ber ©lieber, Ijier mie bort gemiffe ©Uber unb Atomen, bie aber nid&t nur
ben femitifdjen, fonbern faft allen SBölfern gemeinfam ftnb.
$>en Sonnengott berljerrlidfrt ein afforifd>er $tnnnu§ folgcnbermafeen :
8tn ben 6nben ber 6rbe, in ber 9JUtte Der Gimmel bift bu gefefitgt.
Su orbneft alle »öfter ber Söelt;
Su regierft über alle«, tt>a« ©ott €a, ber Aönig, gefdjaffen;
Su forgeft für alle«, toai lebt ;
Su bift ber $>irte berer in ber §öf>e unb berer in ber liefe;
Su aieljeft ba&in über ba« Öftrmaraent ber Gimmel;
Sie 6rbe ju unterwerfen fommft bu jeben 2ag.
Äeiner unter ben ©eiftern tanu fein ofjne bid);
fßon ben ©öttern aller fceerfdjaren, »er ift fo möd)tig toie bu?
Sen 6d)Iiefjer be« ßerfer« — fein £orn bernidjtefi bu;
Sem ©ewoltt^dtigen, ber feinem ßanbe Unteibrüctung ftnnt,
Sem ungerechten Stifter — if)m jeigeft bu Ueffeln.
Sern, ber 99efted)ung nimmt unb nidjt red)t tljut — bem bftrbeft bu auf feine ©ünbe;
?lber ber feine JSefted)ung nimmt, ber ben ©d)road)en fdjirmt,
35er wirb ©ute« Don bem Sonnengott empfangen unb fieben erhalten.
@in (Bebet ?tffurbanipalS an Sfötar lautet alfo:
Ser &errin öon Sftiniöe, ber @rtjabenen;
Ser Sodjter be« Sin, be« flUonbgotte«, ber ©ajmefter be« Sl)amaff>, be« Sonnengotte«;
3t)r, bie ©efefre gibt, ber ©öttin be« «Weltall«;
Ser ^errin be« Gimmel* unb ber 6rbe, bie ©ebete aufnimmt;
3f)r, bie auf JReben laufet unb auf Hilferufe ad)tet;
Ser gnäbigen ©öttin, toeldje ©eredjtigteit liebt.
3fl)tar ift betoegt beim Stnblicf ber 3crtnirfd)ung.
Sie Seiben, bie id) fd)aue, betraute id) uor bir.
Sein Ofjr t)ord)e auf meine Söorte, öoU be« Seufoen«;
Seine Seele ttjue fid) auf meinem Älagelaut.
Sieb auf mid), fcerrin, unb n>enbe bid) ju mir, bafe ba« §era Deine« Siencr« erftarte! 1
1 Stnbere groben finben fid) in ben Records of tht Fant: An Accadian Liturgy
(III, 125 f.). — AssjTian Sacred Poetry (A prayer for the King. A short prayer
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Jöabijfwtifdje unb amrnfdje Scfiriftbenrmaler.
(59
2öie bie ägtiptifdjen Rinnen, fo finb audj bie babblonifdKn unb
affhrifd&en nid>t fo febr als freie poetifdMiterarifdje ßrjeugmffe auf jufaffen ;
fie beftyen einen ftreng liturgifdfoen (£b,arafter unb feiert ftdti aus ftereotopen
religiöfen Wormeln jufammen. $ie SBerSabfänitte ftnb burdj bie Schrift
felbft bertoorgetjoben.
5. SKarbuf unb Xiämat.
SBon mbtf)ologif<$=epifd)en £erborbringungen in affnrifdjer (Spraye finb
bis baljin befannt: „55er Äampf beS ©otteS *Dlarbut mit ber ©öttin ber
ftinfternijj Siämat", „$)ie Jpöflenfaljrt ber 3fr)tar", baS fogen. ,,©HgnmoS=
(SpoS" 1 unb einige anbere (toie (Stana, 9tbapa u. f. to.), bon melden inbeS
borlöuftg nur wenige 33rud)fiücfe aufgefunben fmb 2. ©o unboflftänbig unb
brudjftüdtoeife audj atfe erhalten ftnb, beftyen fie bocb, fein geringes 3ntereffe.
©ie gehören $u ben ölteften fdjriftlidjen ©enfmälern ber SBelt.
„$>er Äampf beS ©otteS Sftarbuf mit ber ©öttin ber f^tnfterni^ ^iomat"
enthält jugleidj ben @(t)öpfungSnu)U)oS ber Babolonier unb ift fd^on in
biefer £>infid)t oon allgemeiner 53ebeutung. (5r ift in fieben Jbontafeln
aufgejei^net , bon benen jebodj bie jn>citc fehlt, bie britte bfofj in Meinen
33ru(fcftfiden borliegt, bon ber fünften nur ber Anfang, bon ber fedjSten
for the soal of a dying man. Another. Penitential Psalms. An Adress to aomc
Doity. Odo to Fire). Assyrian Talisman» and Exorcisms (III, 181 — 144). —
Ancient Babylonian Charms (III, 145 — 154). — Accadian Hymn to Istar (V, 155 f.).
— War of the Soven Evil Spirits against Heaven (V, 161 f.). — Tables of Omens
(V, 167 f.). — A Prayer and a Vision (VII, 65). — The Revolt in Heaven (VII,
123). — Legend of the Tower of Babel (VII, 129). — Accadian Penitential Psalm
(VII, 151). — The Fight between Bei and the Dragon (IX, 135). — Accadian
Poem on the Seven Evil Spirits (IX, 141). — Fragment of an Assyrian Prayer
after a bad dream (IX, 149). — ßetber fmb biefe Ueberfejuingen fämttid) unjuberlaffig
unb burdj feitberige Irttifdje Unterfudjungen überbolt. (Eine Sammlung aller bisher
gefunbenen poetifdjen ftragmente mit genauer Ueberfefoung unb gebiegener grflärung
märe beSbalb ein überaus öerbienftltdjeS SCÖerf. ein folajeS ift, mie mir bören, in
Vorbereitung als ber fetfiäte unb ©cfilu&banb ber „Äeilinfd)riftlid)en SBib«
liotbef", in »erbinbung mit Dr. 8. «bei, Dr. 6. ffleaolb, Dr. ^. 3fenfen,
Dr. 8r. GL Reifer, Dr. äöincfler IjerauSgegeben Don ßberbarb ©dj raber.
^Berlin, SReutber unb Sleidjarb.
1 ©o genannt nad) bem gelben Gi-il-ga-meS ober ©ilgamefd) (HAra/wg), früher
Sjbubar ober ©tf^bubar gelegen. 2>er 9tamc ftnbet fid) in einer babttlomfdjen
Säße toieber, »eldje ÄelianuS (Hist. anim. XII, 21) aufbetuabrt Ijat. SBegen unheil«
brobenber SöeiSfagung jum Hobe beftimmt, toirb ein taum geborener $riuj von einem
^Ibler munberbar gerettet unb berrfdjt bann als ßönig ©UgamoS.
* Sepor bie Sammlungen beS SJritifdjen üttufeums tatalogifirt finb, ift es
unmöglid), bie menigen Vrudjftüd'e aufammenjufinben. Viele Stuffdjlüffe mirb hierüber
ber 3nbe{banb jum Äatalog ber Kouyunjik Collection bringen.
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70
ßrfie* S3utb\ 3rünfte* Äabitet.
nichts erhalten ift. $ie bierte unb bie ftebente $afel jufammen mit bcn
Sragmenten ermöglichen un§ jebod) immerhin einen (Sinblid in ben Gharaftet
be§ (Sanjen1. S)er Anfang erinnert an SRig=SBeba 10, 129 unb an ben
beginn ber SSölufpd in ber Gbba, jugleidj aber auch an alte foSmologifcbe
Döthen ber 9tegppter2:
9U3 broben ber Gimmel noä) nid&t benannt h>ar,
Srunten bie ßrbe nodj ntä)t gereiften,
2Da mieten ber Ocean, ber attererfte, ber fte erzeugte,
Unb ba8 S^aod, bie 9Jteerftutl), bie fie alle gebor,
3t>re 2öaffer jufammen,
SDßä^renb ein 9töbrid)t ftdj noä) nidjt öereinigte unb ein JRob^rbitfi^t nodj ni$i
erzeugt toarb.
911« öon ben Oöttern nodj fetner gefdjaffen, ein Sdjidfal nidjt beftimmt mar,
$a mürben beiöorgebradjt bie ©öfter . . .
L'adjmu unb Sadjamu tourben gefdjaffen . . .
Unb fte >oud)fen auf . . .
Hmffjar unb Äi'foar mürben b>röorgebraa)t . . .
£ang tourben bie Sage . . .
9htn folgt eine ßücfe, bie ftd) über jmei Jafeln erftreeft unb über bie
fich feine fiebern Vermutungen aufhellen laffen. Stur aus bem golgenben
fet)en mir, bafj auf ber oierten Safel glcicb Don Warbul bie 9tebe ift,
b. h- üon 33el=9Jierobacb , bem $racbenbejtt)inger , bem ftationalgott ber
Sabölonier, ber balb mit bem Planeten Swpttcr balb mit ber ©onnc felbft
ibentificirt wirb. (£r ift ber ©ott ber ^rübfonne unb beS f^rü^ja^rS jugleid).
2öie er an jebem borgen ftegreidj über ba§ nächtliche Oftmeer — üennat —
emporfteigt, fo ift er ber fiegreidje 5rüt)ling&gott, ber ben ÜÖMnter mit feinen
lebenSfeinblicben SBafferfluthen jurüdfeblägt, unb fo hat ihn benn bie 93olfö=
p^antafie aueb ju bem triumpbi^nben ßtcbtgott erhoben, ber am 2öelten=
morgen bie uralte ftinfterniji über ben SBafferu oerfebeuebte, baS unförmliche
(5t}ao§ jur febönen, georbneten 9iatur geftaltete unb Sehen unb ©cbönfyeit
aus ber dmotifdjen 9Jatur ^ert>orrief. $)ie SBerfe über feinen Urfprung ftnb
oerloren. 2Bir treffen ihn erft, »ie er bon ben übrigen (Söttern feierlich als
Slönig intfjronifirt mirb:
1 S)ie I. unb bie V. Safel juerft bubltcirt öon @. Smttb, (Transactions of the
Society of Biblical Archeology IV [1876], 863), banadj abgebrudt öon SJeltfrfä)
(Hfför. ßefefrüdc, 2af. 40 unb 41); unauöerläfftg fiberfefet in ben Records of the
Fast IX (London 1877), 115—118. «He üorbanbenen JBruäjftfide flberfefrt unb ein«
gefjenb ertlärt öon 3en f en , 3>ie AoSmologie ber SBabOjonier (Strafeburg 1890)
©. 261 ff. Seine lleberfefcung geben toir r)ier töieber. — SBgl. Rommel, ü>e^d).
Sabülonien« unb Slfftorienü S 896—399. Äaulen, Slfförien unb SJabtolonien
(4. Stufl.) ©. 175-179.
1 Sei 93rugfd), Religion unb Sttütbologic ber alten »egtibter (ßeiöaift
1888) 6. 107 ff.
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©abblomfche unb affbrifche Sdjriftbenfmäler.
71
Unb fle fefcten ihn in ba« fütftlicfje ©crnact).
Seinen ©eitern gegenüber liefe et ftch nieber jur Äönig«t)errfchaft.
„Su btft geehrt unter ben grofeen ©öttern.
Sein Sdjidfal ift ohnegleichen, bein ©ebot ift SCnu.
*Dcarbul, bu bift geehrt unter ben grofeen (Söttern,
Sein ©djicffal ift ohnegleichen, bein ©ebot Unu.
93 on heute ab fott bein 23efet)l nicht geänbert toerben.
erhöhen unb ©rniebrigen fott in beiner #anb liegen.
3feftfteb,en fott bein SBort, nicht toiberftrebt werben fott beinern ©ebot.
Äeiner unter ben ©öttem fott beine »efebtc (?) übertreten.
Stueftattung (Drütte) . . . ©emacfj ber @5tter unb,
Söo fie rieten, fott bein Ort fein.
50tdrbul, bu bift unfer Stacher.
Sir tootten toir bie Äönigafjerrfchaft geben über bie ©efamtheit be« ganjett &tt«.
Su fottft fein, in ber ©efamtheit fott bein JEßort erhaben fein.
Seine SBaffe fott nicht beftürmt toerben, möge fie beinen ffcinb bacfen!
0 fcerr! 3Ber ftch auf bich berlftfet, föone beffen ßeben!
Unb ber ©Ott, ber ftch mit 33öfem befafet, giefe au« beffen ßeben!"
Unb fte legten ihrem ©efäfjrten ein Äletb an.
3u SJlarbuf, ihrem Srftgebornen, fbrachen fie:
„Seine SchicffalSbeftimmung, o §err, fei bor ben ©öttern!
6in SBort unb befiehl, bafe »erbe — unb e« fott fein.
Sthu beinen ÜDtunb auf — fo fott ba« Äleib berfchtoinben.
SBeftetjl ihm: ,Aet)r toieber!' — unb ba« Äteib fott ba fein."
Sa befahl er mit feinem SJtunbe — unb ba« Äleib berfdjtoanb.
Cr befahl bemfelben: „Äehre toieber!" — ba toarb ba« Äletb . . .
Sil« bie ©ötter, feine Jöäter, fahen, toa« au« feinem 3Jiunb herborging,
freuten fte ftch, grüfeten fegnenb: „2Rarbuf fei Äönig!"
fügten ihm baju einen Stab, einen Stjron unb . . .
Unb gaben ihm eine 9Baffe ohnegleichen, bie ben 2öiberfact}er . . .
„2Bohlan, fdjnetbe ab ber Üiämat ihr ßeben!
Der ÄBinb entführe ihr 33lut ju berborgenen OerternI"
6« festen feft bem #errn fein SdEjtcffal bie ©ötter, feine Setter,
fiiefeen ihn at« 2öeg einfchtagen einen «Pfab be« £eit« unb be* ©elingen«.
Cr machte einen Sogen aurecht unb beftimmte ihn ju feiner SBaffe.
6inen ©beer lub er ftä) auf unb legte ihn . . .
6« erhob ber ©ott bie SQßaffe, tiefe feine «Rechte fte faffen
Unb hängte Sogen unb Äöcher an feine Seite.
©r machte einen Sltfe bor ftch,
aJlit einer lobemben 3ftammengtuth umgab er feinen ßeib.
Cr machte ein 9lefe aurecht, um 9JtittIing«-2:iömat a" uutfc<efeen,
Sie bier Söinbe liefe er ftch feftftellen, bamit nicht« bon ihr entfomme,
Sen Sübtotnb, ben 9torbtotnb, ben Dfttoinb, ben 9£efttoinb,
Unb brachte an ihre Seite h«an ba« 5Refc, ein ©efdjenf feine« Sater« Stnu.
6r erregte einen Crfan, einen böfen 2Binb, einen Sturm, ein SBetter,
Sie bier SBinbe, bie fteben SOßinbe, einen auftoühlenben 9Binb, einen SBinb
ohnegleichen,
Unb liefe bie fteben SGßinbe h"au«, bie er erzeugt.
Um 9mttling«.£iämat ju berwirrcn, hinter ihr her3«f*ün»«n.
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72
Grftcö 5Bu$. Üfünfte« Äaöitel.
2>a erhob bcr #err ben Sturm, feine grofee Baffe,
2) en 28agen, eftoaS UnOergleiäjlüheS, ben furchtbaren, beftieg er.
<5r ftetCte f«h brauf unb banb an beffen Seite bie biet Spannfetle.
9lun folgt nrieber eine Surfe (3eife 52 — 85). 2lu8 obgeriffenen ©teilen
geljt nur Ijeröor, bafe ba§ 9luSjiel)en §um Kampfe miber üämot unb iljren
©ema^l Äingu nod) tueiter betrieben roirb. 5JJit QvU 86 beginnt bie
£>erau§forberung unb ber Äampf felbft.
„Äomra hieran! 3$, bu »ollen fämpfen!"
$113 Ziämat ba* hörte,
2>a tjielt fte ftd) für öerloren unb !am t>on Sinnen.
6« fdjrte auf Siämat toilb unb laut.
SDon unten auf, gerabe burdj, fiel jufammen it)r fefter ©runb.
Sie fagtc eine 93efcb>örung f>er unb fpraa) it)re Oformel,
Unb bie ©ötter ber Schlacht, ibre SEßaffen bot fle auf.
6* näherte fW) Stämat unb ber Jtluge unter ben ®öttem, SRatbut
3um Äampf ftürjten fte b^eran, tarnen nahe jur Schlacht.
3) a breitete ber #err fein 9tefc aud unb umfchtofe fte.
ßinen Drfan, ber t)inten fianb, liefe er oor fie lo8.
3>a öffnete er ben SRunb ber 2iämat, um fie nieberjufchmettern,
ßiefe ben Orlan hineinfahren, bamtt fie it)re Sippen mcr)t fchlöffe,
Unb füllte mit ftarten SBinben itjren 58au<h,
Sickte auf it)r innere« unb rife toeit auf it)ren Sfftunb,
^ocfte feft ben Speer unb jerfiiefe it)ren Saud),
2) urd)fchnitt ihr innere« unb jerfchnitt, toaS barin,
Sra&te fie unb oernid)tete it)r Beben.
3(t)ren Seict>nam toarf er Inn, fteflte fldt) barauf.
9la$bem er bie Stämat, bie 3füi)rerin, getöbtet,
Serfprengte er itjre Sä)ar unb jerflreute ihre 9Jlenge.
Unb bie ©ötter, it)re Reifer, bie ihr jur Seite gingen,
3itterten, fürchteten fid), toanbten ft$ rfictoärtt.
ßr liefe fte baöon fommen unb fronte it)r Seben.
S3on einer Umfcbliefeung toaren fie umgeben, ber man nicht entrinnen fonnte.
6r umzingelte fte unb gerbraa) it)re JEÖaffen.
3n ba8 9tefc toaren fte getoorfen, fafeen im ©ante
Unb füllten bie 2Belttt)eile mit ©et)eul.
SRaäjbem SJtarbuf ben Äingu, ben ®emal)l ber Xtdmot, gefeffclt,
wenbet er ftd) ju Siämat aurfitf, burd)fd)neibet ib> Slbem unb läfjt üjr
93lut burdj ben ftorbtoinb ju verborgenen Dertern bringen.
3) a toarb befättftigt ber §err, betrachtete irjre 8ei<6> ... unb fä)uf Äunftretche*.
(Er jerfctjlug fte toie ein . . . 9iu»9tu (SÖaffe) ... in jtoei Xtftilt,
Stellte bie Hälfte Don it)r auf unb machte fte ju einer 3>ecfe, ju einer Gimmel*«
Wölbung,
Schob bann einen Stiegel unb liefe einen $fiter fid) t)inftetten
Unb befahl ihm, it)re SBaffer nidjt t)erau«ftrömen ju laffen.
S)en Gimmel öerlnüpfte er mit ber untern ©egenb unb
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»nbblonifdje unb affurifdje Sdjriftbenfmater.
73
©teilte ttjn gegenüber bem Urwaffer, bet SÖolutung ber Stugimmub
S)ann raa& ber #err ben Umfrei« bei Urmafferi
Unb errichtete einen ©rofebau gteidtjtoie jenen, 3ffjara,
2>en ©rofebau 3ff)ara, ben er ali eine Jfrimmelimölbung baute,
Unb liefe Hnu, SBel unb Qa in ibjren 2Bobnptafcen Raufen.
6r raadjte bie Stanbörter ber großen ©ötter,
©terne gleid} toie fle, unb fefcte bie Sfjierfreiigefrirne ein.
dFr fennieidjnete bai 3at)r unb jeidjnete alle Silber.
3tt5If HJlonate (unb je) brei ©teme fefote er ein.
9tad)bem er bie Sage bei 3tat)rei in ben Silbern . . .
L'egte er t)in ben ©tanbort bei Jupiter, um ju lennjetdjnen it)re ©djranfen,
2>amit reiner ber Sage abtoeid)e, nod) fidfc) berirre.
2>en Korbpol unb ©übbol fefete er jugleidt) mit ibnen feft.
Unb er öffnete Xljore ju beiben Seiten,
Jöefefrtgte einen 93erfc^lufe jur Sinten unb ftedjten.
3tn ber ÜJlitte berfelben fefcte er ben 3*"ttt>.
3)en 9teumonb liefe er aufprallen unb unterteilte iljm bie 9tad)t
Unb fennjeidjnete itm ali einen 9lad)tlörber. Um bie Sage ju fennaeidjnen,
Sebedte er ifui allmonatlich, otme Slufbören mit einer Äönigimüfee,
Um am Anfang bei SJlonati am Slbenb aufjuleudjten,
bie Börner glänzten, um ben Gimmel ju fennjeidjnen,
Unb am fiebenten Sage bie Aönigimftfee jur Qälfte.
9cad) bem biergetjnten mögeft bu gegcnüberfterjen ber £ölfte monatlich.
5)aran tnüpfen ftd) nodj einige abgeriffene 5Inbeutungcn über ben
©tanb unb bie (Sonjunction ber Planeten, bann eine 9tetlje bunflcr Segens
fprü$e unb $ef$tDörung§formeln , in melden inbeä beutlidb, bie !Dlifdt)ung
Don ©ternbeobadjtung unb abergläubi[$er Sternbeuterei $u 2age tritt, unb
enblicb ein begeiflerteS Soblieb auf 53eI=3)cerobaa) , ben fjöajften ber ©ötter:
2) er SGßeife, ßunbige möge jugleid) ftd) befinneu;
2>er Sater möge ei erjötjlen unb ben ©ofjn belehren,
2>em gurten unb $üter (b. fj. bem ftönig) bie Oberen öffnen,
3) aß er ftd) freue über ben §errn ber ©ötter, SJtarbul!
Unb fein ßanb möge gebeitjen, ttjm möge ei tootjl getjen!
»eflänbig ift fein äBort, nict)t beränbert toirb fein »efebl.
SOBai aui feinem SDtunbe t)erborger)t, bertoanbelt fein ©ort.
©lieft er böfe an, toenbet er feinen Staden md)t;
3n feinem ^rnen, feinem ©rimme fommt it)m fein ©ott gleid).
6. $ie Höllenfahrt ber Sf^tar.
2öte 33efc5J?eroba<$ ber t>ö#e ber baboloniföen ©ötter, fo ift Sfötar bie
$öd)fie unb noKStyümlid&fte ber Göttinnen a. ©te entfprtd&t tyeifmetfe ber
1 3ft baifetbe mie oben 9cu»fimmut, bie unerfdjaffene, nid)t gemad)te Materie,
bai .Gbaoi\
» La Döesse Htar, aurtout dans le mytbe Babylonien, par C. P. Tiele.
Actes du 6« Congrea Intern, dea Orientaliates. Leide, Brill, 1885. II, 495-506.
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74
Srftcfl 2»ud). Sanftes Äopitel.
9lfiarte, ber ^Ip^robite, bcr ÜBenuS. 3hr ®efiirn ift ber 9tbenb= unb 2Rorgen=
ftern. Sie wirb fomohl bie ^odjter beS SWonbgotteS Sin als aud) ge=
Iegentlid) bie beS 91nu, beS Sei, beS SJlarbuf unb beS 9lf)ur genannt. 3n
bcn *DiöU)en tritt fie in boppelter ®eftalt auf: einerfeits als (Göttin ber
Söofluft, ber finnlid)en Siebe, ber ^rudjtbarfeit unb beSfjalb als 9Rutter
ber ©ötter unb ber ÜJienfd)en, anbererfeitS audj als bie ftärffte unb ge=
tualtigfte ©öttin, als ©öttin ber Sagb, beS Kampfes unb ber Scbladjt,
als entfd>eibenbe *Dlad)t im 9tatlje ber oberften ©ötter1. 3br (Sult mar
mit ben gröbften 91uSfd>roeifungen berbunben, il)rc ^riejterinnen öffentliche
Sudlerinnen. $auptfeft fdjeint baSjenige beS iammuj, beS bab>
lonifäjen 91boniS, geroefen $u fein, an meldbem mit ibrer £rilfe aud) $obten=
befd&roörungen mit ben miberlidjften Wormeln vorgenommen mürben. 3t)r
ift baS jmeite ber affi)rifa>babölomfc&en Gpen gemibmet: „$ie Höllenfahrt
ber 3ff)tar" 2.
$aS ©ebtdt)t beginnt mit einer mirflicb poetifdjen Sefd)reibung ber
Untermelt :
Sunt ßanbe obne §eimtel)r toenbe tdj mtd),
Breite Innab toie ein Sögel meine 3flüßcl.
3d) fteige binab jum £aufe ber Srinflernifj,
3ur 2Bofjnung beS ©otte« ^rtatla,
3u bem §aufe, baS einen Eingang hat ot)ne ÄuSgang,
JRad) bet Strafte, ouf ber niemonb fann umtoenben,
$er Heimat öon Srinfternife unb junger,
SDßo Staub bie tftafirung ift, bie Speife Äoth,
8iö)t nimmer gefdhaut toirb, im $)unfet afleS roeitt;
©elfter fd)n>ingen bort mie Söget ibre ©(btoingen,
2f>ore unb ^foften bedt ewiger 6taub. . .
Cbroobt gewarnt, iäfct ftc& Sjbtar, „bie Soajter beS 5KonbgotteS Sin", mie
fie ^ier genannt mirb, nicht oon ihrem Vorhaben abbringen. $te ©cbilbe=
rang mirb nochmals mieberbolt. 2)ann fjeifct eS meiter:
1 Ä. Jeremias, 3abubar«9limrob (Seipjig 1891) 6. 57—66.
* §er Slejt ift DoHftänbtg unb publieirt in The Cuneiform Inscriptions of
Western Asia, vol. IV, second edition (plate 31 with additions and corrections
page 9) , London 1891 ; ungenau fiberfefet in ben Tranaactions of the R. S. of
Literature VIII (1865), 244, mit ©rganjung in ben Transactions of the S. of
Bibl. Arch. n (1873), 179 unb Records of the Past I (1875), 143—152; beffer
überfefct öon (gberbarb ©djraber, 3)te $öttenfa&rt ber 3ftar. (Sin attbab^«
IonifdjeS <£pod. Sejt, Ueberfefeung , ßommentar unb ©toffar. ©iefcen 1874. —
Dr. St. Jeremias, Sie Höllenfahrt ber Sflar, eine altbabb>nifd)e SefdjmörungS-
Iegenbc. 2Ründ&en 1886. — Sgl. Rommel, ©efd). »abülonien« 6. 399. — Äaulen,
«fförien unb SBabUlonten (4. 3tujl.) 6. 165—167. — St. «Jeremias, 3>ie bab^t.«
afför. »orftettungen Dom ßeben rrad) bem 2obe (Seipjig 1887) 6. 4—45.
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J
$abl)lonHcf)c mtb afft)rifd)c SdjriftbntfmcÜet, 75
9116 3f^tar anlangte an bem Iljore bed Sanbea oljne ftetmfeljr,
JRtef bem SBädjter be* £h,ore« ein Söort ftc ju:
,2>u 2ööd)ter bet SEBaffer ! Deffne bein 2t>or!
Oeffne bein £f)or, fdmeU, baß id) eintreten fönne!
SBenn bu nid)t bein Xfjor Öffneft nnb id) nid)t eintreten fann,
©o 3erfd)lage td) ba« fcljor, gcrfplittere bie $foften,
(frftftrme ben (Eingang, t>ernid)te ben Xtyorbau!
25ie Sobten ertoecfe id), bie ßebenben ju berge^ren,
lieber ba8 ßeben foff ber Sob triumptjtren!"
$a öffnete ber 2öäd)ter feinen SRunb unb fprad),
Sftebete an bie erhabene 3ff)iar:
„#alt ein, §errin, toirf nid)t nieber baä Sfjor !
3d) »iH f)ingef)en unb beine Siebe melben ber Königin 9Hnfiga(." 1
hinein ging ber Pförtner, b,ub an 3U Sftinfigal:
w2)tefe* Jffiaffer b,at beine ©d)mefier 3ff)tar fiberfd)ritten. .
«I« SUnligal fold)e* Wrnab>,
2) a erblid) fte roie eine abgefd)nittene 23lütb,e,
2>a gitterte fte lote ein tRofu-ftengel ;
©te fpract) : „3$ min fi* feilen oon iljrer SButf),
2Bitt irjre S)rof)ungen ib,r öergelten.
£euä)tet auf, ttjr Derjefjrenben flammen! 8eud)te auf, feurige 8oh>!
3fjr 2ljeil foa fein bei ben ©atten, bie itjre grauen oerlaffen!
3t)r %f\til bei bem ber ftrauen, bie Don tt>re* ©atten ©eite fid) Trieben!
3ljr 2b>il bei bem ber Sugenb, bie efyrlod gelebt!
©et), 2Bäd)ter, öffne ifjr baä £t>or,
Unb tfra mit iljr roie mit anbern 31t anberer 3c't!"
Einging ber Pförtner, öffnete feine 2fjür:
„Sritt herein, fcerrin t»on Kutfa! ift bir nidtjt berührt.
tCRag ber Unterhielt ^ßalaft beiner Hnfunft fidr) freuen!"
Xat erfte 2f>or liefe er fte burä)fd)reiten , ergriff fie; ba marb bie Krone üon
iljrem Raupte genommen.
w2Sdd)ter, toarum tjafl bu mir fte genommen, bie große Krone Oon meinem
§OUpt?'
„Sritt nur ein, §errin; bie ^füsflin be« ßanbe« tfnit alfo mit ibjren 2*efud)ern."
©ieben $l)ore Ijat ftc ju burdjfdjreiten , bei jcbcm toirb ü)r ein iljeil
iljreS ©d&mucfeö entriffen: beim feiten i^re Cfyrgefjänge , beim britten bie
ßbelfteine an iljrem §aupt, beim bierten bie Suroclen an i^rer ©tirn,
beim fünften tf)r foftbarer ©ürtel, beim fedjSten bie golbenen Glinge an
Jpftnben unb ftüfcen, beim fiebenten tyr letjte§ ©emanb.
tili nun fo 3fljtar in bad Sanb ofjne #eimtef|r gefommen mar,
3) a toarb Winttgal i^rer anftdjtig unb tarn grimmig ifjr entgegen.
9lid)t bel)errfd)te ftd) 3ftjtar unb b,äufte SBermünfdjungen auf fie.
darauf ergrimmt 3trtf^=tigal nod) meljr, übergibt 3>ft)tar if)ren Wienern
unb jajlägt fie mit tfranfljeit an klugen, ©eite, ftuji, ^>erj unb Ropl ^od>
1 ftin.ügal ifl jefet nad) ben &g^ptifd)en 2afeln 3nf!)'rigat 3" lefen.
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76 ©rftcs &ud). 2fünfted flapttel.
•
feit Sffjtar bic Cberroelt berlaffen, Ijört alle ftrudjtbarfeit auf, alle geselligen
93anbe löfen fia). $e§ljalb fd^afft ©ott (Sa einen befonbem Soten, „Ubbu=
flju^namir", unb fdjitft if)n in bie Unterwelt, auf bajj er Sfötar befreie.
Um SriflHigal $u beruhigen, fofl er ifjr ein 3£>u6erftü(f liefern, nämlidj
Sifdje aus einem leeren ®efäjj fjeroorbringen. 80 n>irb Sf^tar gltitflid)
befreit unb erhält an ben fieben Sporen Äleibung unb Sdjmutf roieber.
7. $a8 ®ilgamo3=(SpoS.
2öeit umfangreidjer unb bebeutfamer ift ba8 ©ilgamo§=§po$ l, baS auf
jmölf lafeln etwa 3000 3eikn umfafct ju f)aben faVint. $on ben meiften
tafeln finb inbeä nur S3rudjftürfe borfjanben. 55er #elb ©ilgamoS (©iföbubar
gefd&rieben, aber naaj einem Smlabarfragment , baä erft 1890 gefunben
würbe 2, ©ilgamefd) auSjufpredjen) mürbe bem biblifc&en Wimrob ibentificirt
unb baS @po§ banad) aud) f$on baä „9limrob=(Spoä" genannt3. 51m
meiften Sntereffe aber erregte ber auf ber elften 2afel enthaltene bab>
lonifdje 93ertd^t über bie «Sünbflutlj. Someit fidt> ber 3ufammenfymg aus
ben oft fümmerlidjen Srudtfüden erfennen läfet, ift ber Verlauf ber (Sr=
ääf)lung ungefähr folgenber:
$ie Stabt Gredj (Uruf) befinbet fid) infolge einer breijäfjrigen SBe=
lagerung im größten Glenb. 2öie baä $ief) jammert ba§ 93olf ; mie Rauben
meljflagen bie SHägbe ; bie (Sötter oon Uruf oermonbeln fid) in Riegen, bie
1 $ie Fragmente, auf Denen ba* @ebid)t, urfprünglid) auf jtoölf Xafeln ge«
fd)rieben, und erhalten ift, flammen au« mentgften« ad)t oerfdjiebenen ßjemplaren,
morau* ju ertennen ift, bafe biefe Sejte atä ein allgemein berbreitetei Öeljrbud) oft
abgetrieben mürben. Gin erft für&lid) gefunbeneä Fragment ift aui ber 3cit ber
Srfaciben batirt, alfo aud bem 1. ober 2. 3abjf). 0. ßb,r. Sialjer crtt&rt fid), mie
biefe Sagen Ieidjt au ben ®ried)en gelangen fonnten (Oilgamoä bei Helianu«). «ud)
pfylologifdje (Sommentare baju fd)etnen fid) in ben afförifdjen Safein ju fmben.
@efamtau$gabe ber gefammelten 93rud)ftfide oon 3) e l i f d) unb # a u p t . Äftyrtolog.
93ibIiotf)er 9b. III. unter bem Xitel : $aö babölonifdje 9limrobepo«, $eft I (1884),
§eft II (1890). — 2)er 2e|t ber XI. Safel ift publtcirt mit allen Varianten in
The Cuneiform Inscriptions of Western Asia, vol. IV, aecond edition (plate 43) ;
feitbem finb nod) neue Fragmente baju gefunben »orben. Ueberfefcung oon §"8°
SBinUer, Äeiltnfd)riftlid)efl Sejtbud) jum «Ilten Seftament (ßeipjig 1892) ©. 70 ff.
Hnberc Ueberf. ber XI. 2afel oon §aupt, $er teilinfd)r. Sünbflutf>bertd)t (al*
Beigabe au ©djraber, fleilinfdjr. unb ba« Sllte Seftament. 2. ftuflL 1881—1883),
unb 3 e n f e n , Äoämologie ( 1890) ©. 365 ff. Ueberf. bti ©anjen oon Ä. 3 e r e m i a *,
3ibubar«*Rtmrob. ßeipjig 1891. — Sgl. 9t. 3eb,npfunb, aitbab^lonifdje ®5tter»
unb ^elbenfagen. Slttg. 3eitg. 1891. 5Beil. 89 unb 46.
* «Publicirt ift biefe« Süflabarfragment nod) nid)t.
» ©o juerft oon ^rofeffor ^aupt (ogl. ftaulen, Slffttrien unb SBabülonien.
4. Slufl., ©. 162). P. Stra&m aier unb anbere angefeb,ene «fftjriologen bejmeifeln
jebod) bie 9tid)tigfeit biefer Sbentificirunfi.
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3?abtiIotüjrfje unb affnrifdje Sdjriftbenfmdler.
77
Stämonen in ©d&langen. 3ff)tar ergebt if)r ffraupt nid&t miber bcn Qfcinb;
nur 5BeI nimmt ft$ tyrer enblid) on ($af. I).
$a erftefjt ber Stobt ein Wetter in ©ilaomoS. $ie ganje Sugenb läuft
iljm na#. „9tid)t lieft et einen ©ob,n feinem 93ater, bie Soajter einem
gelben, bie (Stottin einem Jpelben." $arob bef lagen ftd) bie fieute bei ber
©ötrin 9lruru unb oerlongen, fie folle einen üftann fd&affen, ber if/n be=
fämpfe. „Hruru mufd) it)rc |>änbe, fnijf ßefjm ab, roatf ifjn auf bie (Srbe ;
ben @oboni fa^uf fie, einen gelben, einen erhabenen ©profe, einen 53ouerS=
mann." (5r ijl am ganjen ßeib mit einem jottigen §efl bebetft, frifjt
Kräuter mit ben ©ojeflen unb ger)t mit bem 93ielj &ur tränte. 95on ben
©öttern roirb ©äbu, „ber 3äger", beauftragt, biefeö f>albmen|d)Iid)e Un=
geu)tim nad) Uruf ju Iorfen, um bafelbft ber 9)tad)t beS ©iIgamo§ bie ©tange
ju galten. S)er erjte SBerfudj mißlingt. Wuf ben Stoib, eines ©otteS nimmt
ber Säg« nun eine 2ift $u $ilfe, inbem er eine Wienerin ber 3f^tar ju
Sobani bringt. 2$re 33uf)lerfünjte bedingen ben freuen 2öalbmenfd)en,
unb fie lotft ifjn ofme 2WüI)e ju (SJilgamoS in ber ©tobt Uruf. 2ro$ feiner
tljierifa^en 33el)aarung unb feiner brutalen ©innlia)feit ift ßabani ein „SBeifer",
ja fogar ein Sraumbeuter ($af. II). (5r beutet bem ©ilgainoS einen Xraum,
unb bie beiben merben ^freunbe. (Sabani bleibt, gu 9Ju| unb frommen
ber ©tobt, bie bon einem elamitifdjen £errfdjer Samens (Sfjumbaba ljart
bebrängt mirb. $)ie jmei ^reunbe fließen oereint flum Kampfe roiber ir)n
aus (2af. III) unb bringen in ben #ain, ber feine fefte S3urg umgibt
(2af. IV unb V). ®ilgamo§ fließt als ©ieger in Uruf ein in meinem
ßteroanbe, mit ftraßlenben SSaffen, bie Ärone auf bem £>aupt. $)a ergebt
bie gemaltige ©öttin 3iff>tar ißr Sluge 311 ißm unb mirbt um feine @unß:
„80mm, GKlgamoS, fei mein ©emaf)l, beine Siebe gib mir flum ©efdjent;
bu follft mein SRann fein, \ä) miU bein 2Beib fein; icß miß bieß ftefjen
laffen auf einem 2öagen bon Gsbelftein unb (ftolb, beffen 9töber oon ©olb,
bejfen Börner bon ©apßir finb; gro&e #ubanu=£ött>en follft bu onfpannen,
unter SBoßlgerüaVn ber (Seber follft bu einfließen in unfer £>auS . . . ; es
follen jtd> bor bir beugen bie Könige, Herren unb dürften; aüeS, mos
ßerborbringt 93erg unb Sanb, follen fie bir bringen als Tribut." $)oa)
ÖilgamoS berf<ßmäßt ißre £>ulb; er fprid&t flu ißr:
„2Bof)Ian, i<6 totß bir offen f)erauafagen beute 5Buf)lfünfie. . .
„25em 2aiumu3, betn ©emat)l beiner 3ugenb, nöifugft bu äöeinen auf,
um Safjr.
„£en bunten SttaQa^ogel ^aft bu geliebt; bu jerfdjlugjt i^n, jerbrod)fi ib,m bie
Sflügel; nun fie^t er im SÖalbe unb fdjreit: ilappi ! („Sffleine 3t"Öel!")
„3)u fjaft oud) einen ßömen geliebt »on öoltenbcter flraft; 3U je fieben unb fieben
Anlaufen l>aft bu ifjn betrogen.
„®u b.oft aud) geliebt ein SHo% , ergaben im Streit; mit 6porn unb ^eitfdjc
^aft bu & genötigt; obgleid) ei fteben 3JleiIcti ©atoW gelaufen mar unb trinlen
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78
Grfte« SBu$. SfftnftcÄ Äapitel.
wollte, fjafi bu ei genötigt; wenn eö ermattet war unb trinfen wollte, ^aft bu eS
genötfjigt; feiner Butter, ber ©öttin 6ilili, tjaft bu äüeinen aufgenötigt.
„Su gewännest auä) lieb einen £)bcrf)irten, ber bir befiänbig 20eiljraud) ftreute
unb tagtäglid) 3i(flein fdjlacfjtete — bu fd)lugft if)u unb öerwanbelteft iljn in einen
üiger, fo bafj it)it Oerjagen feine eigenen Unterarten unb feine §unbe ifjn blutig
beißen.
w£u f>aft geliebt einen Kiefen (?3ff>uÜanu), ben ©ärtner betneö Satert, ber bir
beftönbig ©efajenfe braute unb beine £afel bir tägltdj freunblia? fd)müdte — bu fjaft
bein 3tuge auf ifm geworfen, Ijaft ifjn betfjört. . . $er Miefe fpradj ju bir: ,2öaä ftedft
bu an mi$ für ein Segetjren ? Sttein ÜDtütterdjen, rüfte fein *Dlat)l, iä) will e* nidjt
genießen; wad id) genießen fall, ift böfe unb ocrfüidjte ©peife. . .' ©obalb bu ba$
gehört , fjaft bu iffn jerfdjlagen unb in einen Änirp* oerwanbelt , Ijafi tbjt auf ba«
Sager gelegt, baß er ni*t meljr auffielen fonnte.
„2lud& mid) liebft bu nun ; wie jene willft bu miaj oerberben." 1
$>a fteigt Sftyat jürnenb $um Gimmel empor unb flogt ihr ^erjeleib
unb ihren ©dumpf bem 93ater 91nu. W\t bloßen SBorten aber roifl fte fidj
nicht begütigen laffen. Sie verlangt, bajj ein Rimmels jtier gefdjaffen werbe,
um (SJtlgamoS §u befämpfen. Sie broht, rote bei ihrer Höllenfahrt, gleich
einem öerjogenen Äinbe, alles ju jerfcblagen, wenn ihr SBtQe nicht erfüllt
werbe, ©o wirb ber £>immelsftier gefebaffen unb gegen ihren 33eleibigcr
loSgelaffen. 55odj (Sabani padt ben ©tier beim ©cbwanj unb ©ilgamoS
flößt ihm baS ©cbwert ins £>erj. 3fötar fteigt auf bie dauern oon Unit
unb flucht ©ilgamoS, roäfyrenb bie gelben ein 2)anfopfer barbringen. 5)a
(Sabani aber it)ren ftludj Ijött, wirft er ihr ein ©tüd beS tobten ©tierS
an ben $opf unb fdjwört ihr ben Untergang. darauf ^ält Sfötar eine
ihrem (Sfjarafter entfprecbenbe Jobtenflage um ben ©tier, bie beiben greunbe
aber ein f)txxl\$t$ ©iegeSfefl (2af. VI).
9hm folgen unauSfüflbare Süden. 9lur fo Diel erhellt auS ben wenigen
SSrucbftüden ber tafeln VII unb VIII, bajs ©ilgamoS bem ßabant einen
2raum beutet; (Sabani erfranlt — infolge eines ftamöfeS — unb jttrbt.
(SJilgamos miß nicht gleich Gsabani fterben ; er hält Sobtenflage um ben
ihm entriffenen gfreunb unb macht ftd) bann auf ben 2Beg, um feinen 9lfms
herrn ©tt=9capifhtim , ben ©ofm beS Äibin=3Karbut , aufjufuajen. ift
eine gefährliche Säuberung. Cöwen bebrofjen i^n an einer S3ergfcbtucht.
9lur mit ?lrt unb ©ajwert bricht er fiaj S3ahn. 3u9on9 DcS ©fbtrgeS
Wafhu (Mdmog) begegnen Üjm ©torpionmenfeben als ^^or^ütec. £er
©forptonmenfd) ma^nt t^n erft Don bem $urd)marfdj ab: eS gelte jwölf
teilen in biebter ^inpernt^ ju burebwanbern. ?luf ©ilgamoS' inftänbigeS
3flcr)cn öffnet er i^m inbeS baS %$ox, unb ©tfgamoS oodbringt bie flauer:
ltdt)e SOÖanberung. 2öie er aus ber ^infterni^ heraustritt, fte^t oor ihm ein
herrlicher 33aum: „gbelfteine trägt er als fyruc^t ; 9(efte Rängen baran,
1 Ueberf. oon Ä. äeremiad, 3jbubar«5hmrob 6. 24. 25.
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»abJjloniföe unb afforifdje ©d)riftbenfmaler. 79
prädfrtig anjufdjauen; Äröftafl tragen bie 3^9* > tfrüdjte trägt er, föftlid)
anjufdjauen" (2af. IX). 9todj anbere foldje SBäume fielen ba, am IRanbe
be§ SReereS. %uf bem Styrone beS 9Jteere§ fifct bie jugenblidje ©öttin ©abitu.
@& ift bcr Sobtenflujj, an bem ©ilgamoä angelangt. <5abitu fliegt bor iljm
unb berriegelt ftd^ in itjrem ^alaft. 2tuf feine SBeljHagen unb Sitten gibt
fie ifjm enblidj Sefdjeib, warnt iljn aber öor ber ^a^rt unb toeift ifm an
31rabs6a, ben ©Ziffer be§ ©it=9tamfl)tim. 9trab=@a erflärt fidj jur ^aljrt
bereit, nur mufj ©ilgamoS ferbjt für ein Stuber forgen. 9U§ e§ befd&afft,
befteigen fie baS Sa^iff. (S§ tft eine fä^Iimme 3?ar)rt ; 45 Sage merben fie
in ben (Bcuuifjern beS iobeS l)in unb I)er gef$Ieubert. 2)ann erreidjen fie
enblidj bie (Sefilbe ber Seligen. 9loaj Dom Skiffe aus begrüßt ©ilgamoä
feinen 9fljnljerm ©it-9la|)ifr)tim , erjä^It ifjm feine bisherigen ©d&itffale unb
fragt itm, mie er benn baS erfeljnte 2eben in ber ©ötterüerfammlung erlangt
^abe (Jaf. X). $aran fnüpft fidj nun ber merfnmrbigfte ber 2)id)tung,
inbem ©iteRaöifljtim, ber babtjlontfd^e 9toe, feinem ©pröfjling bie (Sefc&id&te
ber Sünbflut!) er^lt1.
©tt'Stajrifottm faßte ju if)m, au ©ilgamoS:
„(Eröffnen örifl id) bir, ©ilgamo«, verborgene Siebe,
Unb bie <£ntfd)eibung ber ©ötter toill id) bir fagen.
©Ijurippaf, eine Stobt, bie bu fennft — am Ufer be* (Emirat ift fie gelegen,
2>iefe ©tabt ift alt, bie ©ötter (tooljnen) in iljr.
ginen 8rlut!)fiurm ju erregen, trieb iljr §erj bie großen ©ötter.
mar t$r SBater Hnu, itjr »eratljer ber ftämpe öel,
3fjr ftüljrer 9Hnib, ifjr Jöorbermann 6nnugi.
9lin-igi-a^ag * ©a fafj bei itmen unb
Grölte iljre Siebe einem 9tot>r}aun: ,9toljrjaun! 9to^raaunI JEßanb! 3Banb!
SRofjrjaun, l)ore ! Söanb, öerfteb>!
3)u 3Jlann aus ©fmrippaf, ©oljn be8 Ubara=3;utu,
3imm're ein £au3, baue ein ©d)iff, öerlafe beinen »efifc, fudje baä ßeben,
£af$ £ab unb @ut beifeite unb rette bein ßeben.
SBringe hinauf ßebenäfamen afler Slrt in baö ©d)iff.
$ai ©djiff, baB bu bauen foflft,
©emeffen werben mögen beffen 3af)\tn,
Entworfen »erben mögen beffen ©röfje unb beffen JBtlb.
fßii in ba« Urtoaffer fenfe e* b>ab.'
$d) öerftanb es, unb fagte 8" <Ea, meinem §errn:
,3ftein #err, toaS bu befatjleft,
$ea<fjte id) unb merbe eä ausführen.
Uber toie fott id^ antmorten ber ©tabt, bem 93oIfe unb ben Selteften?'
€a tr)at feinen SRunb auf unb fprad) 3U mir, feinem Äned)te:
,«18 Slnttoort fage bu fo ju itjnen:
1 3)ie Ueberfefeung nad) ^p. 3enfen, Äoämologie ©. 367 ff., meldjer ben
toirflii^en »eftanb bti 2ejte* — au$ mit feinen ßucfen — genau roiebcrgibt.
* Scürigi'oaag: „S)er ^>err (ober bic Jperrin) mit ben gldnjenben ?tugenÄ.
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80
Cvrftcö Sud). Sünftec Kapitel.
SBÖeil mid) »el bafet,
aSßia td) nidjt wohnen in eurer ©tobt unb auf bie «rbe SBclfi mein fcaupt nid)t
nieberlegen ;
3um Urnmffer toitt id) fjinabfaljren unb bei 6a, meinem £>crrn, mofmen.
lieber eudj wirb er bann regnen laffen reidjlidjen Segen,
Sine 9Jlaffe Sögel, eine Wenge 2rifd)e,
(Eine Drütte Don SBteb, reiöjlidje (Srnte l.
ein »erabrebeteä Seidjen bat <Ea gefefrt, nilmlid), ber ben ©turaregen fenbet,
2Birb an einem Slbenb Über eud) regnen laffen einen ferneren Siegen,
©obalb etma« öom 2Rorgenrotb erfdjien.4
8m fünften Sage entmarf id) feine ©eftalt.
3n feinem Sntmurf* maren bunbert unb öierjig (Ellen bod) feine SBänbe,
Äuf bunbert unb öterjig (Eden mürbe Deranfd)tagt . . .*
3d) marf l)in baS ȟb ... unb jeid^nete e4 felber.
3d) baute eä in fedjä ©tocfmerlen unb teilte e* fiebenmal,
©ein innere«* teilte idj neunmal.
$fftble fdjlug id) für ba* Baffer barin.
3d) erfab mir ein «Ruber unb toarf baä 9lötb^ige ^in.
©ed)« ©aren (Erbpetf) gofe id) auB auf bie Slufeenfeite 4,
vSedjS ©aren SRapljtba gofe id) auf bie ^nnenfeite."
9ton tuirb ber %qci* [c^r lütfenfjaft. ben jerfttirften SBorten ifi
oon 93erforgung beS ©Riffes mit Oel bie 9lebe, bann bort täglidjen Opfern,
reifer unb feftli<fcer SScmirtung ber Arbeiter unb Pon ber weitem 3lu§=
rüjiung beS ©Riffes :
„SJht allem, toa« id) fiatte, füttte id) e«. Sffltt allem, toa« id) an ©Uber batte,
füllte id) e«.
9JHt allem, roaä id) an ©olb blatte, füllte id) ei.
attit aüem, toaä id) an Bebensfamen aller Strt batte, füllte id) ed.
3d) brad)te binauf in baä ©d)iff meine ganae ^anritte unb loeiblicbe tpauS*
genoffenfd)aft.
Sieb; be* frelbe«, ©etbier beö gelbes, fcanbtoerfer alle aufamraen bratfite id) binauf.
Sin »erabrebete« 3eidjen fefete ©fmmafb feft:
,2ßirb ber, meldjer ben ©turaregen fenbet, am Hbenb einen fdjtoeren «Regen regne it
laffen,
$>ann tritt ein in ba8 ©d)iff unb berftbliefc bein Sfjor.'
2>tefe8 öerabrebete 3eicben traf ein.
2>er, roeld)er ben ©turaregen fenbet, liefe am Slbenb einen ferneren Wegen regnen.
2>iefe8 Xage« Sufleucfiten fürtfitete id).
2>en Sag au fdjauen, Datte id) Slngft.
3d) trat ein in bafi ©d)iff unb Derfd)lofe baä 2b°r-
£)ie »ermabrung bei ©d)iffe$ übergab id) *Puaur*»el, bem ©djtffer,
3)a8 große #au8, unb toai barinnen mar.
» $ier ift ber Sert aiemlid) pari befd)dbigt.
a »et 3enfen ftarbttu. 3 §ier folgt eine ßüde Don 13 3eilen.
* »ei 3fenfen Äirbitu. 4 »ei 3cnfen Äiru. 6 13 3<»en lang.
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äabglonifge unb afttirifd)e Sd)riftbenfmäler.
81
Bobaib etwa« Dorn 3Jiorgenrotb ersten,
Stieß auf am fcoriaont be« £immelä büftere* ©ewölf,
Äammän boimerte barin,
9tabü unb 9)iarbut gingen oorau,
Singen al* Srübwr über Serg unb Sf)al.
Mergal 1 riß ba$ Steuerruber oorwärt* ;
Sabin fdjrttt 9tinib, ließ Sturm f)tnterbrein folgen.
Sie Wnunnati erhoben ihre Orodetn,
Surd) ihren ftrablenben ©lanj matten fie baö Sanb fuufelu.
Sa$ ©ewühj beö SRammän ftieg himmelan,
JBermanbelte alle« §elle in 3finfterntß.
6r überfdjwemmte ba« ttanb wie ein . . . Sinen Sag fnnburdj jerfd)lug ber Orfan,
»lie« flürmifd) baher. . . Sie SÖaffer fliegen ben 33crg hinan,
Rubren wie ein Sturm auf ben ÜJlenfdjen lo$. . .
9iia)t far> einer ben anbern, nid)t mürben ertannt bie 2Renfd)en . . . (!)
Sie (Sötter fürchteten fid) oor bem Orlutbfturm,
Sie wichen, fliegen empor jjum Gimmel beö Sinti.
Sie ©ötter waren wie ein #unb . . . fafjen niebergefauert auf ber Stingmauer
<i* fdjric 3fbtar wie eine fireißenbe,
<£i rief bie $>emn ber ©ötter, bie fd)önftimmige :
,Ser uralte Sag 2 ift wieber ju fiefjm geworben,
2Beil id) oor ben ©öttern SBöfeä befahl,
Unb ali icf) oor ben ©öttern SBöfe« befahl,
3ur 2Jernid)tung meiner SDtenfcben Sturm befahl.
2Ba« idj gebar, wo ift e«?
JEßie Srtfc^brut füllt e« bai SReer.'
Sie ©ötter weinten mit iljr über bie Stnunnafi.
Sie ©ötter faßen gebeugt unter Söeinen,
3t)tc Sippen waren jufantmengepreßt. . .
Sed)« Sage unb Md)te wütbete fort ber Sturmminb, bie ^>(utr), ber ^labregcn.
311« ber fiebente Sag benmfam, liefe nad) ber Stegen, ber Sturm hörte auf,
Ser gefämpft tjatte wie ein flrteg8b«r-
€ä ruhte ba« Slteer, ba8 ber Orfan aufgewühlt, ber ^lutbfturm borte auf.
3d) fab auf bad Sffteer, tdj ließ meine Stimme erfdmlleu;
$lber alle ÜDtenfcfjen Waren Wieber ju 8eb«n geworben,
2Sie ein fahler Steter lag öor mir ba« SBalfelb.
3d) öffnete ba* fiuftlod), baö 8id)t fiel auf mein Slntlifc.
3d) beugte mid) nieber, fefete mich, weinte.
lieber mein Slntlifo floffen mir Shräneu.
3a) fab auf bie 2öelt - alle* «Dleer.
Dtad) jwölf Sagen ftieg Öanb auf.
9ln ba« Sanb Wi^ir fam ba<$ Schiff hinan.
Ser »erg be* Saube* 9tijir ^ielt baä Schiff feft unb ließ c« nicht oou ber Stelle,
einen Sag, einen jweiten Sag hielt ber Serg 9tijtr ba3 Schiff feft unb ließ e*
bei #immeld.
nicht oon ber Stelle.
1 Tiergal — ber Sobeägott.
Baumgartner. XUdtitteratur. I.
* b. h- „Sie alte (fd)Önc) 3eU".
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©rfte* Sud), fünfte* Äapitel.
einen britten unb oierten Jag bMelt ber »ctg SUjir ba* ©d)iff feft unb tiefe
liiert fron ber ©teile.
einen fünften unb fechten lag ^ielt ber Serg 91 ba* ©djiff feft unb Hefe e*
nidjt oon ber ©teile.
911* ber ftebente 2ag berantdm,
Siefe id) eine Saube Ijinau* unb liefe fte lot. Sie $aube flog !jin unb tjer.
3)a aber lein Ort jum ©ifcen ba mar, lehrte fte jurüd.
3d) liefe eine ©d)malbe « bmau* unb liefe fle lot,
es flog bie ©d)malbe fort unb teerte jurürf.
Sa ein Ort jum ©ifoen nid)t ba war, lehrte fte jurftd.
Sann liefe id) einen SRaben * fjinauä unb liefe ifm lo*.
Ser Stabe flog, fab, ba« ©d)winben be* ÜBaffer«,
5log näh>r b,tnau, fefcte fid), frad)ate, fam nid)t jurüd.
Sa liefe id) (alle*) h,inau8f opferte ein Opfer nad) ben oier SSinben,
3Jlad)te eine ©üb,nefpenbe auf bem ©ipfel be« Serge«.
©ieben unb fteben Opfergefäfee fteftte id) auf,
darunter fluttete id) au* Aalmu*, ftebem^olj unb JHaudicrwerf \
Sie ©ötter rod)en ben Suft, bie ©ötter rod)en ben Söoblbnft.
Sie ©ötter fammelten ftd) wie ^fliegen um ben Opferer.
$U* nun bie $errin ber ©ötter farangetommen mar,
Sa erh>b fte bie grofeen Slifre (?), bie ttnu gefertigt nad) ib>em Segebj.
,Siefe ©ötter! Sei meinem §al«fd)mude, td) toerb' es nid)t »ergeffen,
Siefer Üage werbe id) gebenfen, in 3u!unft nid)t öergeffen.
Sie ©ötter mögen Ijingefjen jur ©älntefpenbe.
91ber Sei foU ntä)t f)ingef)en jur ©üljnefpenbe,
Seil er unbefonnen ben 3rluth,fturm erregt
Unb meine 9ttenfd)en bem ©trafgertdjt überantwortet bat.*
?ll* bann Sei b>rangefominen mar,
©ab er ba* ©d)iff. Sa ergrimmte Sei unb warb Don 3orn erfüllt über bie
©ötter ber 3gtgi:
,SB« ift ba entfommen? ftein SJlenfd) foll lebenb bleiben beim ©trafgeridjt.'
9iimb öffnete feinen 2Runb unb fprad) ju bem gelben Sei:
,28er aufeer ©a b>t bie ©ad)e angerichtet ?
ftennt bod) ©a jeglid)e Sefd)wörung.'
©a öffnete feinen Sftunb unb fprad) ju bem gelben Sei :
,Su Aluger unter ben ©öttem, §etb!
©o unbefonnen warft bu, bafe bu einen Qflutbjturra erregteft!
ßeg bem ©ünber feine ©ünbe auf! ßeg bem Srreoler feinen Prebet auf!
«ber fei nad)ftd)tig unb lafe itjn nid)t abgefdjnitten werben; b>bc ©ebulb unb laß
tfjn md)t weggefpült werben !
2B03U wittft bu einen 3rlutf)fturm erregen ? ©in ßöwe möge fommen unb bie
*Dlenfd)en Oerminbern.
3öoju willft bu einen ftlutyfturm erregen ? ©in ßeoparb möge loramen unb bie
9Renfd)en Oerminbern,
äßoju wittft bu einen frlutbfrurm erregen ? ©ine §unger*notb, möge entfielen
unb ba* ßanb öert^eeren.
• ©inuntti. * Siriba. » Sim-gir.
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I
»abttlonifäe unb afforifa> Sd)riftbenlmäler. 83
ÜBoju toiüft bu einen ftlutyfiurm erregen ? ©tra 1 möge fommen unb bie 9Jten*
fd&en »erminbern.
3<b, fjabe ntc^t ben 9tatbf<blufe ber grojjen ©ötter eröffnet.
3>en „Sef)r=@efa>itcir * lieft id> einen 2raum fe^en, unb fo toernabm er ben 9tatf>*
föhifc ber ©ötter.'
3)arauf (am er jur Vernunft. Unb eö ftieg Söel hinauf in ba* ©djiff,
<5rgriff meine #anb, führte mi<$ hinauf,
3rfifjrte tjinouf mein 2öeib unb liefe e« nieberlnieen an meiner Seite,
SBJanbte unö einanber ju, ftettte fi$ jmift&en un$ unb begrfifete im* fegnenb :
,©ormal$ mar SU«9lapiff)tim ÜJlenfä).
Sfirber&in foUen Sit « ftapifbtim unb fein SÖetb geartet »erben wie bie
©ötter felbft,
SÖolmen foU ©tt'9lapifb,tim in ber 3ferne, an ber ÜJlünbung ber Ströme.'
2>a entführten fie un«, unb in ber 3fernef an ber SJlunbung ber Ströme tieften
fie un3 mob,nen."
Damit fäjliefet ber altbabtylonifcbe ©ünbflutijbericbt, fd^ott baburdj äufcerft
mertmürbig, bafj er bie §lutl) atö eine etlmograpffifd) wie geograp^tfc^ aU=
gemeine unb ate eine eigentliche ©ünbflutl), als ein ©trafgeridjt über bie
entartete 2)tenfd)(jeit barjteßt.
Die ßrjä^Iung roenbet jicb, nun mieber $u ©tlgamoä, ber, bon ben
Göttern mit bem 9lu§fafre gefcbjagen, ben SBeridjt bon feinem SBoote aus
angehört b,at unb auf guten Statt) unb Rettung »artet. ©ttsftapifljtim läfct
Um §uerft fdjlafen, fed)& Sage unb fieben *Rää>te. Da befiehlt er [einem
28eibe, eine 3<"*berfpeife ju bereiten unb bem fielen @aft ju effen gu geben.
Da biefe 3auberfpeife aber nod) niddt wirft, übergibt er ben Uranien bem
©Ziffer 9lrab=<Sa, um iljn an ben 9ieinigung3ort ju bringen, beffen SBaffer
bie ftrantl)ett ju feilen bermag. SBtrflid) lammt ©ilgamod böflig genefen
$u feinem 2Hpu)errn ©ifc^apifljtim jurürf, ber il)m nun aud) mittelft einer
munberbaren Sßflanje bie ©abe enriger Sugenb berfdjaffen mifl. ©ie gleiäjt
einem ©teebborn. (Bilgamoä finbet fie unb plant fä)tm, nad) Urul jurütf=
geteert, einen ganjen SBalb babon ju sieben. Docb rate fie auf ber #eimfaf)rt
einmal lanben unb ©UgamoS §u einem Brunnen fjinabfteigen mifl, faßt ü)m
bie ^flanje in§ ÜBaffer unb ein Dämon b,oIt fie üjm fd&leunig weg. 6r
meint gar fefjr barüber. Der treue Bootsmann aber bringt ifm menigften§
b,eil nad) Uruf jurürf. So enbet bie berühmte XI. $afel.
Die ©d&lufetafel (XII) ift mieber fet>r fragmentarifa). ©ie bietet 9tefte
einer lobtenflage @ilgamo§' um ßabani, eine »efebmömng , bureb bie ber
©eift (SabaniS bem ©ilgamoS erfajemt (mefleidn' gehört ljierl)er aua) eine
1 b. fj. 9iergal, ber 2obe«gott, bie $efl.
» Atra-hasis, morau« ber bei ©erofu« forfommenbe 9lame Xhiithros burd>
UmfteDung (haab-atra) bwjuleiten ift.
6*
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84
grfte* 9Jud). Orfinfted «apitel.
Sdjilbenntg ber Unterwelt, roeld)e früher $u bcr „£>öflenfaljrt Sfötar»"
gebogen mürbe), unb enblid) einen SÖedjfelgefang $n>iföen (Stlgamo» nnb
(Sabani:
9luf einem IRufjepolfter ift gelagert,
deines 28affer trtnfenb,
2Der in ber Sd)(aä)t getöbtet toarb — bu iafjft e$! — 30/ id> fal) ed:
Sein Jöater unb feine 2Rutter (galten) fein §aupt,
Unb fein Söeib (fniet) an feiner Seite. -
Sffieffen tfetöjnam auf bem frelbe liegt,
3)u fabjt eS! ~ $a, idj fat) e8:
3>cffen Seele Ijat md)t 9tufce in ber (Srbc. —
2öeffen Seele feinen l)at, ber für fte forgt,
Xvl fafrft e«! — 3a, id) faf) ti:
Sie $efe be* 2Bedjer$, bie Ueberbleibfel be« «Wafjieä,
SBa« auf bie Strafee getoorfen ift, geniefit er.
(£§ ift unfd)tr»er ()u erfennen, baß ber 3ünbflutr)6ericr)t ber Jötbel fid)
unmöglich au» bemjenigen be§ (3ilgamo»=@po3 entroitfeln tonnte, roäfyrenb
biefer alle 3U9C einer feljr ölten, ober gefunfenen, oielfadj öerünberten unb
oerjerrten Ueberlieferung an fid) trägt. Ser urfprüngliaje 9Konotl)ei»mu3,
ber fittlidje ßljaraiter ber ftMt) al» eine» großartigen göttlidjen Straf*
gerid)te§, bie göttlidjc Wbfidjt in ber 9tetrung 9toe» unb anbere Elemente
ber UrÜberlieferung leuchten in bem altbabolonifdjen 33ericr)t nodj ftellenmeife
burd); bod) wie unter ben ©öttem polotfyeiftifdjer SBirrroarr unb $öiber=
fprucr) ljerrf4)t, fo in ben bamit jufammenljängenben Fabeleien; bie ^luu)
felbft n>irb ju einer Sfjorfjeit 33el» fyerabgefetjt , 9foe» SÖarnung $u einem
$omöbienftreid)e beä ©otte» 6a, feine Rettung §u einer bloßen ftolge be»
2öiberfprud}§, ber unter ben ©öttern r)crrfdt)t, er felbft gu einem @ö|enbiener
unb fdfließlid) einem- Halbgott entmürbigt. $ie an fidj fo flare unb etjrroürbige
Ueberlieferung finft jur roiberfprud)§t)oflen, pl)antafiifa>n Sage Ijerab ; burdb,
bie ©eftalten ber Sfötar unb be» Gabani ift fie mit ben nriberliä^ften 9iadjt=
feiten be» £>eibentfmm» oerfnüpft. ^Blofe als $)id)tung betrautet, befi|t ba»
<$ilgamo»=(5po» allerbing» bennod) eine geroiffc unt>üd)fige Äroft, ergreifenbe
9lnf länge an bie großen Probleme be» menfajlidjen Öeben», Seiben», 2obeS
unb ftortbauern» im Senfeit», bramatifaje tfebenbigfeit ber 2)arfteflung unb
3prad)e, eine Gfjaratteriftif unb 9iaturfd)ilberung , bie mit wenigen 3ügen
ftarfe Effecte tyerüorruft. Mt Elemente mnujologifdjer £pif tommen tyer
fdjou ju leben»Doller C?ntn>itflung, unb au» ben fümmerlid) erhaltenen 2fjon=
fragmenten fpriajt eine gewaltige, finnliaje ^antafic.
kleinere äfmliaje Stüde finb nod) mehrere erhalten, fo „;£er Stampf
!8el» mit bem 3)rad)en", burd) ein prädjtige» Relief au» 5Rimrub iüuftriit;
„£er Äampf ber fieben böfen ©eifter gegen ben SKonbgott Sin", unb fo
roerben mo^I nod) anbere religiöfe üRnt^en Bearbeitung gefunben fabelt.
i
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Ii? a bi) l o ii i fclje unb afji)rifd)e Sdjnftbenfmaler.
85
ßin roirflid) fjoljer Sd)önl)eitafinn befunbet fkfc oörin nic^t. 92odb, weniger
lann man Don einer poetifajen ^rua^tbarfeit reben. 9(u§ ben verriebenen
Kopien beä ©ilgamo§=@po§ ergibt fid), baß baäfelbe fc&on bor 650 d. Gljr.
erjftirt fjaben muß unb nod) 150 b. <£l)r. lieber üon neuem abgetrieben
tourbe, alfo beftänbig in Umlauf blieb, n»äf)renb oon fpätern poetifdjen
Söerfen bis je$t niajts ju Sage getreten iß1.
£aben aud) bie Sagen ber ©abülonier nadjroeislid) eine meite 35er=
breitung bei ben femitifdjen roie arifdjen Golfern gefunben, roie j. 33.
au* beutliaVn 3ügen ber griedufajen, forifdjen, ätfnopifaVn unb perfif^cn
Hlefanberfage Ijeroorge&t, fo liegt bod> {ebenfalls ba§ ^auptDerbienft biefe§
uralten SolfeS meniger auf bem Gebiete ber ^oefie als auf jenem ber
ÜRatffematif unb «ftronomie. ©eine Heiligtümer roaren mit Sternwarten
Derbunben, auf melden eine genaue unb regelmäßige Beobachtung bes ge=
fHrnten Rimmels ju ftaunenawertyen ßeuntniffen unb Beregnungen führte.
SRittelft praftifajer SJtetljobeu, bie nod) nid>t DöUig aufgehellt finb, beftimmten
biefe älteften Wftronomen mit großer ©enauigfeit ba§ 9teulid>t unb ba*
5ßerfa)toinben beä WonbeS, Sictybarfeit , ©röße unb Stunbe ber 9Jconb=
finfierniffe, bie Ijeliafifcben Huf« unb Untergänge, bie Oppofttion unb 9tüd=
läufigfeit ber Planeten foroie if>re Stellung ju mehreren gijfternen unb
ebenfo ben Sauf ber Sonne, roenn au* ihre Mufeeicfmungen hierüber fpär=
\\d)tx finb 2.
• 9kd) bem Äolopljon ber lafeln finb biefelben eine 9lbf#rift Don uralten
Gopten au« SBaboJon für bie Jöibliotljet be« Jtönig« 91ffur=banipal. 3lu* mehreren
3nfc$riften ergibt fiö). bafe unter Sargon unb feinen 9tad)folgeru bie meiften babtj*
lernt fdjeit Xöerfe für bie 2cmpelard)iöe in 9linioe, Äffijrien, abgefdj rieben mürben,
unb jmar mit febj großer ©enauigfeit. SJon Webutabnejjar I. (13. 3abrl). t». Gfjr.)
miffen mir, baß er ein anbere« große« aftronomifcfje« SSerf : Amu Bei, Don bem mir
nodj Oiele Fragmente fpätercr Hbfcbriften beft&en, für ein ba bt)lontfd)e« lempelard)tü
ftiftetc (ögl. J. N. Strassmaier, Insvription of Nebukadnezzar son of Nin-eb-nadiu-
5urn. Hebvaica vol. IX, Oct.-Jan. 1893). 35a auef) Sfragmentc oon Söorterflärungen
biefer Sammlung nod) ejiftiren, fo geben mir niä)t fefyl, menn mir annehmen, baß
biefe gefdjriebencn lieber lieferungen au« uralter 3eit al« allgemeine« £>anbbud) jum
Unterrichte in SBabtjlon unb fpäter in Sljfqrien bi« f)iw»b in bie 3"t ber Slrfaciben
gebraucht mürben.
» 3. gpping, Slftronomifcbe« au* Söabölon ober ba« SBiffen ber efalbäei
über ben geftirnteu Gimmel. Unter VHtwitfung oon P. 3. ©tra&maier S. .1.
(gfreiburg 1889) S. 186-188.
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86
6rftf* »ud). Senate* Aapitrl.
ScdjStcS Kapitel,
lobten bud) ber Heppter.
$aS f^male Wlthal, baS, snrifchen SBüften eingebrängt, Dom Littel»
meer bis ju ben erften ßataratten hinauf fnum fo oiel fruchtbares Sanb
umfaßt al§ ber ftlächenraum beS heutigen Belgiens, beherbergt nicht nur bie
iiltefien uub jum Tljeil auch bie grojjartigjtcn Sautoerfe ber <$rbe, fonbern
auch an [einen ^uramiben unb (Srabfammern, Tempeln unb ÜJcumienfärgen
bie ältejten uns erhaltenen Sprachbenfmäler beS menfehtichen ©efchledjts.
Manche ber legten finb in ben jüngflen ^ahrje^nten an bie SBibliothefen
unb v3Wufeen ber europäifchen £>auptftäbte gemanbert; aber auch ba bilben
fie baS ältere ©ajrifttljum, meines ber ^orfa)erf(ei$ aus bem €?taub unb
ben Krümmern ber Vergangenheit ausgegraben hat. 2öoljI reichen bie Ueber*
tteferungen bes Gilten Testamentes ihrem Inhalt nach weit über bie ältejten
:£>icroglt)phentejte hinauf, allein bie Urfchriften jener heiligen $ü$er finb längft
$erftört. 9iur in ben Äeilinfchriften ber 93abölonicr finb uns noch Siteraturs
benfmäler erhalten, toelche bem Hilter ber ägbptifchen fich nähern ober eS biet
leicht jum Tfjeil übertreffen, ©onft hat feine Literatur ber 2BeIt einen fo
mertroürbigen , monumentalen Schufc gefunben gegen baS aflmaltenbe 2oS
ber Sßergänglichteit toie bie ägpptifche in ben mächtigen Tempeln unb ftelfen=
gräbern oon Theben, beren Trümmer noch r)ente ben Siaum einer mobernen
(Brofiftabt umfangen, unb in bem ^ßramibenfelb oon SJtemphiS, beffen jähr*
taufenbalte Cuabcrmaffen bie gemaltigften bauten ber Söelt überragen.
1. Verbreitung unb Wltcr beS TobtenbucheS.
Unter ben altägnptifchen 3prad)benfmälern, n>eld)e ber $leife äahlrcicher
ftorfcher im Saufe biefeS 3ahrf)unbertS nach unb nach, ganj ober roemgftenS
theilroeife, entziffert hat, nimmt baS fogen. Tobtenbuch bie heröorragenbfte
Stelle ein. $S ift, wie SepftuS fich bei ber erften Veröffentlichung beSfelben
nach bem großen Turiner SßapöruS auSbrüctte, „baS größte äufammenhängenbe
l'iteraturtoerf , baS unS oon ben Meggptern erhalten ift"1; es ift zugleich
baSjenige, baS noch in ben zahlreichen ftieberfchriften unb Slbfchriften, toenn
auch nie boflftänbig in berfelben Raffung unb in bemfelben Umfang, bor=
hanben ift unb über bie religiöfen unb fittlichen sÄnfchauungen beS alten
GulturbolfeS bie reichlichen unb merthbollften Angaben enthält.
(Shampollion, ber erfte Entzifferer ber £ieroglophenfchrift, betrachtete e8
als ein VegräbnifrÄituol (Rituel funeraire) unb gab ihm besljalb einfach
' ßepfiu*. Xai TobteiUntcfc ber alten MeßWter. Seriin 1842.
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£a<* loötenbucö t>cv SlcatiUtcr.
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biefen tarnen, ben fpäter aud> Immanuel be Äouge mieber befürwortete.
8epfiu§ bagegen führte in $wei Abljanblungen aus, baß biefer 9iame einen
füllten ^Begriff Don bem Söerfe gebe, inbem es weber bie für bie 58eftattung
oorgefdjriebenen fltiten unb Zeremonien noaj bie bobei ju berri$tenben (Öebete
enthalte, fonbern faß auöf(^Iief>üdt| (Hebete ober fytimnenartige Anrufungen,
meiere bem Verdorbenen felbft in ben 9Runb gelegt unb als SSabemecum in
bie (5migfeit mitgegeben werben. @r nannte cd besfjalb einfach baS „lobten^
bud>", unb biefen tarnen fyaben feitbem bie meiften ftorfaje* beibehalten.
t\t Aegbpter felbft nannten es baS SBudj Dom Per em hru, b. fy. baS
Öudj „üom Verborgenen bei läge", wie 3>coe'ria unb £e ^jßage 9lenouf über=
fe^en ober baS ^Budr) „bom Ausgang aus bem 2age" (sortir du jour),
roie 6b. Waoille überfe$t 2. Aus mehreren Stellen erteilt, bafj unter „lag"
fjier bie menfdjlidje ScbenSbauer berftanben wirb. 2öie sJiouiüc meint, gibt
roeber „SBiebergeburt" nod) „SMebererf Meinung" nod) „Auferfieljung" ben
lUfammengefejjten AuSbrud böüig mieber, „unb gleic&wof)! liegt in jebem
biefer SBörter etwas UftidjtigeS unb mefyr als in ben budiftäblidjen Ueber=
l'efcungen". ^ebenfalls gibt aud) ber AuSbrud „lobtenbuaV' ben Sinn nidjt
gan$: eS ift ein Söudi „Dorn Ausgang ober Uebergang in baS jenfeitige fieben".
tiefem litel entfpridjt ein anberer, ber fid) ebenfalls jiemlid) häufig
finbet: „$as Äapüel Don ber SBerboÜfommnung beS 3$erftorbenen", womit
ber 3w>«rf beS 3)ua>S auSgebrüdt wirb, $urd> baSfetbe füll ber Herftorbene
Anteil an ben ßigenfdmften unb Vorzügen ber angerufenen ©ötter er*
fjalten, „im £eqen beS 9ta", „mäajtig Dor lum", „grofc bor CfiriS" fein
unb mit bon ben Cpfergaben erhalten, bie biefen Ööttern bargebradjt werben.
2Bie ÖepfinS meint, ift baS lobtenbucfo jenen SBnajern jujujä^Ien,
roela> (Siemens bon Alejanbrien in feiner Aufjäljlung ber oerfdnebenen
Schriften ber Aegppter bie je^n fjierattfajen nennt, b. Ij. biejenigen, „mela>
bie Setjre bon ben ©efejjen unb Don ben ©öttern unb ber gefamten reli=
giöfen 5Mlbung enthalten" 3. 3u mehreren ^anbfajriften beS lobtenbuajeS
felbft wirb feine Abfaffung bem ©otte lf)oü), bem Sajreiber ber Götter, ju=
gefdjrieben. So (jetflt es in einer ^Rac^fc^rif t jum 64. ßapüel:
„fciefe* Äapiiel würbe gefunben 311 §erinopoU«, bfou gefdjrieben auf einem
SEBürfel öon $aa«fe«, unter beu ftfl&en beä ©otte* (J&otl)). Set Suttb tourbe gemalt
»ße^ageÄenouf, JUorlefungcn über Urfprung unb ©ntwidlung bet 9te=
ligion. Slutorifirte Ueberfefcung (Seipjig 1882) S. 163.
s 3tat>Ule, la« «eguptifd)e Üobtenbutf (©erlin 188G) einleit. S. 23. 24.
s Obroq, tag «2v s/)Oör«'rijs tp'j Is/toO, r« tspartxA xakoOjiewa t' ßtßkia ix,ua>ßäi/sty
xepti/st <Ji ngpi t« >6/iw> xai #eä>v, xai ttjs o/.ij$ xatdsias rü> tspttuv. Clemens Alex.,
Strom, üb. VI, c. 4 (Miyne, Patr. gr. IX, 256». Ueber bie brei ©d)riftorteu ber
«egopter. bie ^ieroglüp^fdie , t>ieratif«e unb bemotifäe, cgi. bof. üb. V, c. 4
{Miyne IX, 40).
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1
88 ßrfteä Jöud). Senates Äapitel.
SU bcn 3eitcn be« Aönig« SDieniaura, beffen 2ttort bic SÖafprbnt ift, burd) ben
*Prtnjen fcartitif an biefent Drte, ala er reifte, um nad) ben Sempein ju flauen.
6r fanb barin einen £>t)inmid, ber it)n in (Sntjüden uerfefete. 6r trug ibn auf
ben JEÖagen bcS Aömgä, fobalb er faf), n>a<j auf bera Söürfel gefrfjrieben ftanb:
©rofeeö ©ebeiinnift! ßr fal) nidjt mehr, f)5rte nid)t meljr, inbem er biefe* ^eilige
unb reine Äaptrel herfagre, er näherte ftd) ben ftrauen niä)t mefyr, er afc toeber
Sfleif« noch 3tfd) mehr." '
£iefe 92acf)ric^t, tt>ie bic 5öemerfung be* Giemen? bon Wleranbrien, bafj
bie 5)3riefier bie ljeiligen 5Mid)er au§roenbig müftten, enblid) ber Umftanb, bafi
bie meiften Urfunben be» 2obtenbud)e§ mit einer 3eidjnung be» 2eid>en$uge»
beginnen, fpredjen für bie Slnfdmuung, bie £c ^age föenouf mit be ötouge'
tfjeilt, ba£ ba» ^obtenbud) nidjt für bie lobten allein, fonbern aud) für bie
Sebenben Beredjnet mar, unb jnjQr foroof)! ju ifyrer 3*elel)rung als jum rituellen
©ebraudje beim Sobtenbienft. Seine Jpauptbejiimmung aber galt unjroeifel=
fwft ben lobten.
@ä erfd)eint nämlid) nidjt in fefter ©eftalt als ein für immer ab-
gcfdjloffene* 2Berf, mie ber Stigbeba, ba» 9tbefta, ba» ?)t^=fing ober anbere
^eilige ÜMtdjer ber alten SÖclt, fonbern alä eine miflfürlidje Sammlung rcli=
giöfer Sorte, bic $mar einer gemeinfamen CiicHe entflammten, aber in bc=
liebiger 9lu»mat)l, balb jaljlreid) balb bürftig, balb in fürjerer balb in längerer
Raffung, oft mit Dielen unb funftreidjen, oft mit färglid)en unb flüd)tig ge-
fleidjneten Vignetten ben OTumien mit in ben Sarg gegeben ober an ben
Söänben ber ©rabftätten angebradfot mürben, 3n feiner auSgebe^nteften 5ai7un9»
bem fogen. großen Muriner $apnru* (17 m lang, 30 cm tyod)), jäfjlt es
165 Kapitel; in bem ^apuruS Surton (9lr. 9900 bes 33ritifb, <Diufeum), ber
gegen 20 m lang ift, feljlt eine groftc föeilje biefer Kapitel, mirb aber buraj
anbere erfetjt, bie oon nidjt geringcrem ^ntereffe finb. (Sine anbere 9lbfd)rift
(gegenmärtig im Wufeum bon ©ijel) bei $airo), einft abgefaßt für „ben
erften £nlf*priefter beS ftmtnon, ben Sdjrciber Wefemneter , ben ©oljn be*
9iid)ter* Wfmte*", $äf)lt nur 61 Äapitel, mieber ganj anber* georbnet. 3Mer
ber am Ijäufigften borfommenben ftapttel unb einige feltenere finben fid) auf
ber ebenfalls in ©ijeb, aufbetoatjrten L'einmanb, in melier bie Winnie bes
Königs Slmtlnne* III. eingcroitfelt mar, eines ber größten ägoptifdjen Könige,
ber (nad) 93rugfd)) 1600—1560 ü. Gör. regierte, Weun tfapitel be*
$obtenbud)e* finben fiaj gemalt an ben Söänben bes ©rabeS be§ 9lmenemb,a
ju ^Ibbelqumab, (bei lieben); einige anbere fe^r fc&ön eingemeißelt in bem
©rabe be* Cljaemlja ebenbafelbft ; mieber anbere in ben ©räbern ber Könige
Stameffu (9lamfee) IV., VI., IX. *u lieben.
' P. Pierret, Le Li vre des Morte des anciens Eg>Ptiens (Paris 1882)
p. 200. 201. — Sögt. S. Birch , The Funeieal Ritual or Book of the Dead (in
Bnimn, Egypfs place in universal history [L(»ndon 1807 V, 209. 210).
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2u# 2obtenbud) ber Heg^ter.
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$er $(egnptoIoge @buarb 9?abille, tt>eld)er Don bcm Crientalifiencongreft
1874 beauftragt mürbe, eine möglidtft genaue IritifaV 2ertauSgabe für bic
3eü ber XVIII. bis XX. Dbnaftie (b. % einen 3eitraum Don etwa
500 Sauren) ju beranftalten, braute nid)t weniger als 77 9tieberfd)riften
beS JobtenbudjeS pfammen, barunter 71 in berfd)iebenen 9)tufeen auf=
bewahrte ^appri, 6 ©räberinfdjriften aus Sieben. $ie ©efamtjaljl ber
Äapitel ift baburdj auf 186 angeworfen, bon melden fidb, bie meiften in
bunter Wusroal)! auf bie berfdjiebenen Urfunben bertljeilen, eine gewiffe %n-
jaljl aber fidj als ©runbflod unb Äern beS ©anjen ju erfennen gibt l.
SöaS baS Hilter biefer Urfunben betrifft, fo b,errfd)t befanntlid) auf bem
Öebiete ber äg&ptifdjen Chronologie nod> überhaupt grofte Unfid)erf>eit unb
rätselhaftes Tuntel. 9luS bem Vergleich, ber ÄönigSlifte bes ägöptifdjen
^ßriefters Wanetfw, weld)e fid) jum Xljeil bei ^labius ^ofepfms finbet, mit
ben ÄÖnigölijten beS Muriner ^aporuS unb ber lafeln bon ffarnaf, WbnboS
unb ©aqqarafj ergibt fiefr ^war, bajj bis auf $lleranber b. $r. 31 $5tmaftien
über Wegnpten b,errfd)ten, beren Mglieber entweber burdh, ^amilienabftammung
ober StammeSberwanbtfdjaft äufammengefjörten ; ebenfo Ijaben bie £>iftoriter
bie @inth,eilung bei 9Kanetb> aboptirt, wonach, fid) bie agnptifdje ©efd)id)te
in brei £auptperioben gliebert:
$aS Sitte fteid) (I. bis XI. $rmaftie);
baS Mittlere 9teid) (XII. bis XVIII. Spnaftie);
baS fteue »eich. (XIX. bis XXXI. ^onaftie).
Mein über SInorbnung unb £auer ber Regierung ber einzelnen Wönigc unb
ßonigSreujen geljen bie 9njt$ten ber 3?orfcftcr noch, weit auseinanber, unb über
ben Regierungsantritt bes erften ÄönigS 9fleneS (3Kena) aus lb,is (SljiniS),
fdnoanfen bie 3^^1en um einen Unterfdjieb bon meb,r als 3500 fahren. ßfjam=
poüion beftimmt bafür baS 3af>r 5867 b. Gljr., llnger 5613, Gloriette 5004,
Sieblein 4717, ©rugfeb, 4455, ßautb, 4157, L'epfmS 3892, (Sbuarb «ölener
3180, ©eiffartb, 2782, Söiltinfon 2320. 93ei ber XIX. fconaftie treffen
inbeffen bie Chronologien jiemliö) nab> jufammen, unb bie Sifferenj ber
Angaben beträgt (eine fmnbert Saljre mefir.
Völlige @id)erf>eit beginnt erft mit ber XXVI. ^pnaftie, bem ftönig
^femtbef (^fammetid)) aus 6aiS, ber 664 ben $b>n beftieg. $ie 3eit
bon ifmt bis jur Eroberung burd) bie ^erfer beifct bie faitifd)e s-ßeriobe
(664 — 528). 6ie bebeutet ein nochmalige» Söteberauf leben beS einheimifdjen
tfönigtömnS nach, langer ftrembherrfdmft , boeb, ofme (Srftarfung jur alten
1 $ert>orragenb burd) feine funftoolle Slnoftattuna, ift ber ^BappiuS 3tnt, fierauö*
gegeben oon P. Le Page Renouf , The book of the dead. Fatsimile of thu
Papyrus of Ani in the British Museum: 37 large coloured plates with intro-
duetion. Imp. fol. London 1890. — Second edition by K. A. Wallis Budt/e.
London 1894.
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<)<>
(hrtco lÖudi. ccctiötcö ÄQDitel.
flocht unb $lütf)c. 91 IS eine foldje ift bie 3«* bet ^nramibenerbaiier aus
ber IV. $mtaftie : (Slmfu (GheopS), 6^ofra (^^efren) unb SRentaura
lerinoS) $u betrauten, als bie glänsenbfte Sßeriobe ägppttjc^er ©efdndne aber
jene ber thebaifdfien Äönige ber XVIII. bis XX. Smtaftie, mit ben oier
9lmenhetej> (HmenophiS), ben oier 2ehutimeS (^hotfjmeS), SRamfeS I., <3eii I.,
iKamfeS II., 3eti SRenejrtah IL, 9tamfeS III. Sn biefer 3«t gelangte i^eben
mit feinen gewaltigen Sempein Don Suffor unb $arnaf unb ber riefigen
Metropole am Söeftufer beS Wils ju feinem höchften ©lan^e.
9taä) Angabe beS Muriner ^apnruS, ber aus ber faitif$en Qt\t flammt,
märe baS 130. Kapitel beS SobtenbuäjeS unter bem Könige UfattfjaiS (£efepti),
bem brüten ber I. ^onaftic (naa) ^Brugfa) 4266 ö. (£ljr.), baS 64. unter
3)ienfaura aufgefunben morben, öon beffen 9Rumienfarg nod) Ueberrefie im
5Jritif<hen 2Rufeum $u £onbon aufbewahrt ©erben. (Sine fortlaufenbe lieber:
lieferung, bie baS 64. ßapitel bem tfönig llfapljais jufdjreibt, geht bon ber XXI.
bis auf bie XI. 2)önafrie jurüd unb maa)t eS mahrfcheinltd), baß baS lobten:
buch fäjon unter ber XI. Xonaftie als ooflftänbige Sammlung öorljanben mar,
einzelne Steile aus ber Qtit ber erften itönigSreihen herrühren mögen. 2?a
eS nod) unter ben faitifajen unb ptolemäifdhen §errfä)ern bis über bie Qt\t
@b,rifti hinaus in ©ebraud) blieb, fo umfaßt feine ($efd)i$te nad) ber engft
bemeffenen Chronologie etma brei 3a^rtaufenbe, nad) ber weiter auäholenben
baS doppelte. 3>n biefer langen Qtit r)at bie ägoptifche Anthologie unb
Religion, tro^ Beibehaltung gewiffer Örunbanfthauungen , bie bielf äfften
SBanblungen burd)gemaä)t, unb bei aller 3ä^tg!eit ber Ueberlieferung muftte
nothwenbig auch ber $eyt beS 2obtenbudjeS mannigfache 9lbänberungen er:
leiben. 9US Anhaltspunft $ur 5öcurtt)eilung bienen fowot)! bie ßigenfdjaften
ber üerfdjicbenen Urfunben felbft als aud) anberweitige Snfdjriften unb ^apori,
bie nicht jum iobtenbudje gehören1.
Sie eigentliche Gntftehung beS Ruches unb fein lejt jur 3«*
Gilten unb Mittlern SReicheS ift noch fo gut wie gor nicht aufgehellt; ba=
gegen hat ftaoille ben thebaifchen Ie?t ber XVIII. bis XX. $onaftie, wie
febon erwähnt, mit großer ©enauigfeit feftgeftellt. Wie biefe $ejte finb in
jpieroglgphenfdmft ausgeführt, ßrft mit ber XX. Snnaftie beginnen 2ejte
in hittatifdjer Schrift, bie bem thebaifchen in ber Ausführung nacfcftehen
unb noch feine bestimmte Reihenfolge nufweifen. Grft in ber faitifchen unb
ptolemäifd>en fcpoche würbe ber fowol)l in £neroglüph«i dl* >" r>ievatif<^er
Schrift oorfommenbe leyt mit Wummern unb liteln üerfeb,en unb in eine
' iögl. The Book of tlie Dead. Tlie Papyrus of Ani in the British Museum.
The Egyptian Text witli interlinear transliteration and translation , a running
translation, introduetion etc. by E. A. WaUis Budye, Litt. D. Keeper of Egyptian
and Assyrian Antiquities. London 1895. 4°, Introduetion, tvofelbft eine aieoüüh
ooUftänbiöe ©efd)id)te bti 2obtenbud)e« gegeben ift, nebft auSfütjtttdjer »iMiogntpliie.
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$a» Sobtenbuifc ber »föijpter.
91
fe{te tfapitelreuje gebraut, bie $roar eine bloB äujjerlidjc ift, bie aber bod)
bon ben Herausgebern unb ^orfc^ern beibehalten rourbe, um bei ber Waffe
ber ganj begebenen ftebactionen , in welken ba§ 5Mid) fieb, finbet, einen
feften %uägang§punft ju tyaben.
2. (Sfjaratter unb 3nf)alt beS 2 obtcnbudie*.
$urd) baS blofie *Rumeriren würbe natürlich nod> feine innere mctyobifdje
Crbnung erftd)t(id). Daö ©ud) erfdjeint beSljalb auf ben erften Süd als ein
roabrbaft ebaotifcfje* iKdtbjelbud). ftürjete unb längere (Sfcbete, 3auberformeln,
Damnen, Litaneien, rljapfobifäK Beitreibungen beö 3enfeit§, föbtterreben unb
Sieben ber Verdorbenen, Anrufungen ber berfdjiebenften dJortr)eiten unb rituelle
Vorfdnriften für ben Xobtenbienft reiben fid) bunt aneinanber, tote fie jroei
^aljrtaufenbe ober meb,r au§ ben berfdjiebenften &pod>en ägnptifdjer vJielU
gion&ntroidlung $ufammengeroürfelt fyaben. Qüine geroiffe ßinbeit erhalten
bie berfdnebenartigen SBeftanbtljeile nur burd) ben gemein) amen föegenftanb
unb burd) ben genteinfamen Sluögangäpunit $a* ift 9lnu, ba§ biblifd)e Cn
ober £eliopolte, fünf englifdje Weilen norböftlid) bon Äairo, an ber Stelle
beö heutigen Dorfes Wataripnef). lieber feine ürümmer ragt noch, ein 20 m
b,of>er ©ranitobelisf empor, aus ber 3eit be* ÄönigS Ufertefen I. (XII. $p=
naftie, nad) $3rugf# 2433 b. 6b,r.). $>ie ©emat)lin beä ägpptifdjen Sofeplj
roar — nad) bem ^Jentateud) — bie 2od)ter eineä DberpriefterS au* £elio=
polte. Unter ber XX. $pnajtie roar ber lempel bon Wnu einer ber
berrlidjjten in ganj Aegopten; laufenbe bon ^rieftern ftanben in jeinem
$ienffc. Anu^eliopoliS roar bie £auptftätte für ben Gult bef 6onnen=
gotteS SuimSRa, ber burdj lange 3«ttäun« bie gefamte föeidjSreligion be=
&errfd)te. ÜBon %nu ift aud) baS 2obtenbud), $um roenigften ber #ern beS=
felben, ausgegangen : es enthält bie i'eljre ber ^riefte bon On. $er 9tame
fe^rt in allen roidjtigern Kapiteln roteber. „9lnu ift bie 9tefiben& bes ÖotteS
lunu&a, be§ 9tid)terS Ofiriä, ber neun foämifdjen ©ötter", ba$ ertjabenfte
aller #eiligtb,ümer, ber ©ijj bes lobtengeridjteä unb — ätjnlid) bem 3eru=
falem ber Hebräer --- ein Mbbilb unb ißorbilb ber eroigen £)errfid)feit im
^enfeitö.
Äommen in ben älteften Ueberlieferungen aud) Mntlänge an einen ur=
jprünglidjen 2)conotl)etemu3 bor, fo fyaben bod) jdnm bie alten to3mifd)en
Götter unb bereu Wnthm ein böUig polptt)eiftifd)e$ Gepräge, in »elftem fift
ftaturcult mit pf)Uofopb/ifd>r Allegorie berbinbet. $a$ lobtenbuft beljanbelt
bas ©efjeimnifj beS menfftliften Sebent, roie e§ in ber SSMeberbelebung ber
organifften Natur burd) bie 3onnenroärme berfinnbilbet wirb. (S§ finb bor=
roiegenb foömifdje ^been, roel(b,e barin niebergelcgt finb unb roeld)e bie
naturpb/ilofopb,i|'4en 91nf<öauungen ber ^legupter fpmbolifd) au^brüden. 3»
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92
(rrfte« »ud). @edj«te* flapitel.
ben älteften (Göttern, in meieren fid) bie Dorjüt]lid)ftcn 9taturgeroalten unb
9?aturerfcbeinungen De rförperten , bietete bie $um Abenteuernden geneigte
StolfSpfmntafie ein ganjeS Jpeer anberer ©ötter unb Dämonen f)ingu. DaS
STobtenbud) allein jäljlt iljrer über Rimbert.
Der ©ott, ber unter bem bunten ©emimmel ber ägoptiftfien ©ötterroelt
im 5obtenbud) felbft als ber t)öd)fte hervortritt, ift 9ta, fd>on burd) feinen
9iamen, roeld)er audj jener ber Sonne ift, als Sonnengott gefennjeitfcnet.
Auf feiner Sarfe burdmiifit er jeben Sag baS ^immelSgeroölbe, eine 2öaffer=
fläche , beren irbifdjeS 9iad)bilb ber 9iil ift. ßr ift nid)t ber ältefte ber
©ötter. SBor ilnn ift bie grofee ©ötter=9teunljeit ((fnneabe): Sdni, Sefnut,
Seb, 9tut, Ufiri, 3fis, Setlj, vJ?ebtfjat, nadj foSmogonifdjer Deutung fämt:
lidj aus bem 9fun, ber feuchten Urmaterie, Ijerborgegangen.
Uftri (OfiriS) ift baS ältefte ber fünf Äinber bcS Seb (6rbe) unb ber
9hit (£immel), 3fiS sugletc^ feine Scbmeftcr unb ©attin. Sic finb ©ötter
beS SidjteS; iljre ©efdjmifter Sett) unb 9tepljtljöS (Dtebtbat) bagegen ©ötter
ber Sinfternifr. Setfj ift Doli $aä gegen CfiriS, bringt iljn ljeimlid) um,
äerreijjt feine Ceiaje in 14 Stüde unb oerftreut fte über baS gan^e Sanb.
3fiS trauert um ihn unb burdjroanbert ganj Aegypten , um bie deiche beS
geliebten ©atten roieber jufammenjubringen. 9lnubiS (91npu), Solm beS
OfiriS unb ber 9tepl)tl)t)S, begleitet fie babei. $n iljrem eigenen nac&geborenen
Soljne |>or (£>orus) finbet ber Söater einen 9läd)er, ber bie 3Hädjte ber
^infterniß fiegreid) übernrinbet. CfiriS aber marb nadj feinem lobe ^errfdier
ber llntermelt unb «Qönig beS SenfeitS (9lmenti). @r r)ält mit feinen 42 53ei=
fijjern ©eridjt über bie 93erftorbenen unb ift fürber ü)r ^errfdjer. 9ln Um finb
beSlmlb bie meiften ©ebete unb Cpferformcln beS 2obtenbud>eS gerietet *.
Der $erftorbcne felbft roirb nad) bem lobe ein CfiriS genannt, als
fötaler bem ©otte oorgeftellt, bon ifmi gerietet unb nad) feiner $reifpre$ung
unb SUerflärung mit bemfelben ibentificirt. 5m Wienfajen unterfebieben bie
9legüpter aufier bem 2eib (khat) unb bem geiftigen £eib (sahu) ober ber
Wumie befonberS baS £>erj (ab), bann bie Seele (ba), ben ©eniuS (ka),
ben Statten (cbaib) unb ben ©eift, bie ^ntelligenj (kbu) 2. Sie glaubten,
bafc ber „$a", eine 9(rt Doppelgänger beS ganzen <Dlenfd)en, fid) roieber
mit bem Ceibe bereinigen mürbe, wenn biefer, als *Diumie rooljl erhalten,
ben Wägten ber 3f*ftörung ÄMbcrftanb leiftete. SBäljrenb bie SJtumie bann
im ©rabe meilt, jiefyt ein neugeborener Vtenfö, bcrtlärt an 2eib unb Seele,
aus bem ©rabe empor gen 9lmenti, ju ben ©öttern, um an beren fieben
Anteil su nehmen. Das ift ber neue CfiriS, ein 5ta*bilb beS ©otteS, ber
" Piutarch., De Isidc et Osiride. Edit. Didot. (Scripta Moralia I».
429-469). Jögl. IV. Budge, The Book of the Dead. Introd. p. 48 f.
* Fr'. Budge, The Hook of the Dead. Introd. p. 55 f.
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3>aa 2obtenbuc& bei A«ßt)ptcr.
93
über bte 9Käd)te ber Utnftcrni^ triumpljirt. AIS ©ott Cfirte unb 9ta be=
fteigt er bie Sonnenbarfe unb jie()t am Gimmel bafnn.
Dies finb in einigen Umriffen bie roefentlid)ften Anfdjauungen , auf
meinen ba§ Tobtenbud) beruht unb roeldje barin jur Darstellung fommen.
Diefelben treten aber nie mit jener Maren, plaftifc&en $8eftimmn)eit fjeroor,
mit Wetter bie griedjifdjen Genfer, Dichter unb $ünftlcr ben hellenifdjen
9Wotf|u3 gehaltet haben, fonbern ftet§ in einem gefjeimnifjooflen, üerfüjroonu
menen Tuntel, in meinem Dielfad) felbft bie ©eftalten ber £>auptgötter
inetnanber fliegen, ©öttcr einer fpätern @pod)e ftd) jurifdjen bte Ü)lntb,en
ber Urjeit brängen, magifdjer Aberglaube ben in ber Vernunft begrünbeten
llnfterblidjleiteglauben rounberlicb, berjerrt unb entftellt , bie mnfhfdje , nur
ben ^rieftern böHig geläufige Terminologie felbft baS (Sinfadje mit bem
Sdjleier bc§ ©eljeimniffeS umfüllt, eine ferner ju enträtf)felnbe Doppel=
fäjrift enblid), bie tneroglüptjifdje unb bie ^ieratifa^e, oft fdjon ben oinn
eine4 Auäbrucfö jum Stätbjel madjt.
An ber £anb ber Vignetten, mit melden bie boUftänbigern Abfd&riften
be§ TobtenbudjeS oft fefjr reidjlidb, ausgestattet finb, fomie be$ Wertes felbft,
laffen fidj inbeS barin unfetyroer brei £aupttfjeile untertreiben, bie man furj
„Tob", „©erid)t", „^arabieä" betiteln fönnte. ©enatier ift ber Snljalt ber
brei Ifjeile folgenber:
1. Der Ausgang aus biefem Öeben unb ber Eintritt in bie
Unterwelt. Die Vignetten jeigen uns ben &id)en$ug mit feinem feierlichen
(Gepränge, bie Anfunft am ©rabe, bie (Sinbalfamirung unb SBeifefcung ber
SMumie, bie Begegnung beS SBerftorbenen mit OfiriS, feine £ulbigung bor
9ta, bie Tobtenopfer unb anbere ©ebräuchc, bie für ben Tobten bei beffen
Seftattung unb fpäter noeb, ju beffen Jpeite jn Dofl$ieb,en finb ; ber Tert aber
enthält bie ©ebete unb Anrufungen, meiere biefe» alles begleiten müffen unb
roeldje tfjeil» bem SBerftorbenen t^eilö ben amtirenben Sßrieftcrn in ben 2Runb
gelegt werben — ein bollftänbiges 35egräbnifc9titual.
2. Das ©ericfyt über ben SBerftorbenen in ber Unterwelt.
Die Vignetten führen ben ganzen ^rocefj bor, fomie bie berfebjebenartigen
Prüfungen, meldte ber Tobte bis jur ooüftänbigen Söiebererneuerung unb
Biebergeburt ju befielen t)at, unb bie Cpfer, Zeremonien, Amulette unb
magifajen 3*1$™, bureb, n>eltt> bie Ueberlebenben ifjm babei §ilfe unb 33ei=
ftanb leiften; ber Tert begleitet abermals alle biefe Acte mit entfpreefcenben
bitten, Anrufungen, SünbenbefenntniB unb magifd)en Wormeln, bie ftd)
SU einem permanenten Tobtencult berbinben.
3. Die Anfunft unb ber blcibenbe Aufenthalt in ben
©ff üben ber Seligen, roo ber Sßcrftorbene , in Bereinigung mit ben
©öttern unb felbft alä ©Ott mit rounberbarer stacht betleibet, eine bem
irbifa)en Seben analoge ©lüctfeligteit genießt.
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94
ßrfte* Suä). Setzte« Änpitcl.
60 berfdjieben 3°^ un^ Sänge ber Kapitel in bat berfdjiebenen
Raffungen beS 2obtenbua>S finb, (äffen fte fidj boä) leitet nad) btefer &aupt=
eintljeilung gruppiren, in roelcber bie (Srfenntnifc ©ottes, bie Gntfdjeibnng
für (Öott, bie ($rreid)ung beS legten 3i*leS im 33efifcc etoigcr ©lürffeligfeit
beutlid) als leitenbes Moment fjerbortritt.
Unter ben 165 Äapiteln beS faitifa>ptblemäifa)en SejteS, ber, wenn*
gleich bielfad) bcrborben, bod) als ber fpätefte unb boflftänbigfre nocb, Ijeute
ben SluSgangSpunft unb bie ©runblage »eiterer ^tofdjung bilbet, ragen
einige wenige ftapitel fjerbor, bie man als ©runbftotf ber übrigen betrachten
fann, unb bie je für ftdj ein abgefdjloffeneS , bebeutfameS ©anjeS bilben.
$aljin gehören borab bas 17., baS 64., baS 1. unb baS 125. Kapitel.
$)as 17. Äapitel, beffen urfprünglidjer Sejt bon fct)r alten Varianten unb
©laffen burdjrooben ift, enthält bie ÄoSmogonie nad) ber ßefjre ber ^riefter
bon £>eliopoli§ unb bie 93ejieljung berfelben jur OftriSmbtlje unb jutn Un=
fierblidtfeitSglauben K $aS 64. Kapitel, burd) fe^r geroid&tige 3^ugniffe als
einer ber älteften Steile be§ $ud)eS beglaubigt, fafjt bie UnfierblidjfeitSleljre
in einem gebrängten Slbriß jufammen, ber in Sluffaffung wie 9luSbrud einen
Ijofyen poetifdjen <5d>roung atljmet2; äljnliä) baS 1. Hapitel, baS inbeS
fpätern UrfprungS ift. Me biefe fiapitel finb übrigens aus einer folgen f^üfle
ferner berftänblidjer mbtljologifdjer Wnfpielungen unb Silber äufammcngei'e^t,
bajj jebeS berfelben, um bem Sefer berftänblid) ju roerben, einen eigenen
längern (Kommentar erljeifdjte. Ilm menigfienS eine $robe biefer uralten
r;ieroglm)f)i)dj)en ^oefie gu geben, toäljlen wir ben ^omnus an ben Sonnen^
gott 9ta, melier ben 3n$alt beS 15. ÄapitelS auSmad&t unb bieüeidjt
fpätern £&mnen als Vorlage gebient t)at r bie aber nid&t im lobtenbud)
flehen. $er 93erftorbene ruft ben ©ott an, um Slntljeil ju erhalten an feiner
£errlid)feit.
„$eil bir, §armad)i§ Äfjepra, ber ftdj feine ©eftalt felbft gibt!
etrnb,lenb ift bein Aufgang am §orijoni, erleuä)tenb bie 3»iefaa> <$rbe mit beinen
6 tral)len.
Stile (Söttet finb in ^freube, wenn fie bidt) fdjauen, flöntg be8 §iuimeU, mit ber
Uräuäfdjlange auf bem §aupt, ber ßrone be8 Subeni unb ber Ärone beä Horben«
auf beiner Stirn , unb fte fc&en fid) bir gegenüber unb arbeiten Dorn an ber
S3arfe, um fftr bid) alle btine Sreinbe ju öernid)ten.
1 Sq. SBrugfd), JReligion unb 2tti)tf)ologie ber alten Slegbpter (öeipjig 1888)
€5. 21—26. — SJict. t>. Sttaufe unb dornet), 3)ie altag^ptifdjen (Sötter unb
©ötterfagen (freibelberg 1889) 6. 226—289. — 6. 9lao i Ue, lobtenbud). ßinleit.
5. 123. — %. SBiebemann, 55ic »etigion ber alten »egbPtcr (ÜJtfmfter 1890)
6. 137.
* Paul Guieysse, Rituel funerairc t-gyptien. Chapitro 64. Paris 1876. —
JB. ».©trau unb SoTueü, ©ntftebung unb ©efa)iö)te bed altägbPtifä^en ©öttep
glaubens (J^eibelberg 1891) ©. 359-374.
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2a<$ Sobtenbud) bcr «cgöpter.
95
SJie SJetoofyier oon Stau sieben betner SJlajeftät entgegen, um biefe* ftrablenbc 3*»d)en
ju f (bauen.
$d) fomme 311 bir, id) weile bei bir, um beiite Sd)etbe jeben Sag 311 feben.
ftidjt möße id) etngef erf ert , nidjt üerflofeen roerben. erneuern mögen ftd^ meine
©lieber, um beine Jperrttdjfeit ju flauen tote irgenb einer beiner ©ftnfrliuge;
benn id) bin einer berer, bie für bid) gemeint mürben auf ©rben.
3d) fommc jum Canb ber emigfeit, td) erteile baö fianb ber Swigtett, unb bu f)afl
baS für mia) Oerorbnet, ber id) bin in 9lo unb in jebem ©otte.
J8ereb,rung fei bir, ber bu bid) erf>cbcfl am §ort3ont bei Sage unb glncftid) ben
Gimmel burd)fabrft burd) bie ©abe beä SDBorte^ ber SBa^rbeit!
3ebeä Stntltfc ift in Sfreube bei beinern Bnbltcf; bu Waubelft »erborgen oor tbnen
einber. 2)u jeigfz bid) am borgen eines jeben SageS. ©lürflid) ift ber Sauf
unter beiner §eüig!eit für bie, beren 91ntlifo beine ©trafen erleuä)teu.
SBerbunfelt ift bed ©olbeä ©Limmer; unoergtetä)(id) ift bein @(an3.
5>a8 2anb ber ©ötter fd)aut«alfe färben Arabien* ; beine ©cbeimniffe finb nur 311=
gängtieb ibrem Hntlifc.
S)u bift geworben ber ein$ige, bcr bu t)ert>orgingeft aus bem 9iun.
ÜJtöd)te td) wanbeln, wie bu wanbelft, ob,ne &alt ju mad)en, wie beine §eüigfeit,
0 ©onne ! 3>er bu feinen fterrn über bir b^aft, großer 3)ura)wanberer ber 9töume,
für ben Millionen unb fjunbert Millionen oon 3abren nur ein 9lugenblicf finb!
£u geh.ft unter, aber bu lebeft fort. Sne ©tunben, bie Sage, bie 91äd)tc, bu Oer«
oiclfalttgft fie gleid)erma&en, bu lebft nad) betnen eigenen ©efefeen.
$11 erleudjteft bie (Erbe, inbem bu bid) weibft mit eigenen ftänben in ber ©cftalt
9la# bei beinern Aufgang am Iporijont.
©eftirn be« Aufgang«, grofe burd) biefen betnen Strablenglans ! bu geftalteft beine
©lieber unb erjeugeft bid) felbft, nidjt crjengt, am ^orijont.
ß bu Strablenber an beä Rimmels £>öl)n! gewähre mir, bafc ia) gelange $u be«
Rimmels §öben auf ewigfeit, 3ur 2Bobnung beiner Sfreunbe, bafc id) mid) oereine
biefen erhabenen unb üollfommenen Seelen ber göttlid)en Unterwelt, bafj id)
mit ifmen ausgebe, um beine £>crrlid)feit 3U flauen bei beinern Aufgeben unb
am 9(benb, wenn bu bid) oereinft betner SWuttcr 9cut unb wenn bu wenbeft bein
Ängefid)t gen SBeften ; meine §&nbe werben fta) anbetenb au*ftreden bei beinern
Untergang auf bem Serge beö bebend.
Su aber, Urheber ber «migfeit, bu wirft feiig angebetet im Wim. 2öer bid) unanf»
t>örlic^ im #er3en begt, ben oergöttlidjfl bu mefjr als alte ©ötter.
Anbetung bir, ber bu bid) erhoben baft auä bem 9htn, ber bu erleud)tet fjaft bie 3Wiefaa)e
Srbe am Sage beiner ©eburt, aU beine SRutter bid) gebar mit ibren Jpänbeu!
3)u erleud)teft bie erbe, unb beine emeuerung erneuert aud) fie.
©rofeeS 8id)t, bfrtwrgegangen aud bem 9tun! bu erbältft baä 2>afetn ber ÜJtenfdjeu
burd) ben ©trom, ber öon bir ausgebt; bu oerfeibft afcflfreube aüen SBejirfen.
©täbten unb Sempein; bein SÖärmeftrabl l)Uft vmi bereiten ©peifen, Wabrung
unb Unterbalt.
SDeref»rte^er öerr ber Herren, bu weigert jebe 3uflucr)t Oer Ungered)tigfeit ; ^>err ber
Aufgange in bcr Scfbtibarfe, ^>err ber gewaltigen fti^e in ber 3Jtaat*2Jarte, befd^üfee
ben ßfiri« 9t. in ber göttlid)en Untertoelt, lafe tt)n eingeben in ba« ftmenti, lafe
ibn bejmtngen ba* Söfe; ftelle bid) als Sd)utjb«rr fjinter if>n wiber feine Sünbcn:
reibe ibn ein unter bie ©eligen unb erbabenen , auf bafe er fid) rereinige mit
ben Seelen ber göttUtfen Unterwelt, bafe er umb,erwanble auf ben ©eftlben oon
Karu unb bafe er froren ^»er3end ba^tn$ief»e.
1
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96
grfted Surf). Sed)*ted «apitel.
2er Curi* W. fprid)t: 3dj fteige auf jum Gimmel; id) burdnoanbre ba* eherne
mament; id) Inte nieber aroifdjen ben ©eftirnen; man jaucbjt mir ju aud ber
Söarle Sef fjti ; man ruft mid) an in ber SBarfe Waat ; id) fdjaue 9ta in feinem
Sdjrcine; benn id) üereinc mid) mit feiner €onnenfd)eibe jeben Sag.
3d) fdjane ben ftifd) Slnt, toenn er fid) bilbet auf bem $luffe, fd)immerob in ber
Jarbe eine« lurfiö; id) fdjaue ben ftifd) »bet in feinem Itjun; ber Stur}
beä »öfen »olljiebt fid), ba er mit Streiken auf meinen Warfen meinen 9)torb
plante.
3d> öffne bir ben 2Beg, id) ebne bir ben ^Jfob, o 91a, mit künftigem Sfafjrroinb ; bie
SBarfe fliegt, fte erreidjt ben Jpafen; bie ÜJlannfdmft 9ta8 ift in Ofreube bei feinem
Slnblid; bieftrau bed SebenS (bie Uräuefdjlange) ift befriebigten ^erjenö, meit
fte beftegt alle feine OFeinbc.
3d) fdmue £>oruö mit feiner San^e, Itjotl) mit bem (gdenmafe in feinen #önben; alle
©ötter freuen fid), ihn glüeflid) angefommen ju fel)en ; entjücft ift ba« fcerj ber
abgetriebenen Beelen. •
$er Cftriä 91. weilt mit ifjnen in Slmenti, aufriebeneu JperymS." '
3. Sas lobtengeriifjt.
Öci weitem ben mertiüürbigften unb n>e|entltd^fteit 2f)t\i bes Xotoen--
budje» bilbet ba* 125. Kapitel, meines uon bem ©eric&te naä) bem $obe
fninbelt unb in einer 5)ienge uon Urfunben erhalten ift, meift mit 3eufc
nungen ausgefluttet, meiere halb in letztem Gntmurf 6aö) in lunftooller
9Ju*füf)rung bie entfd)eibenbe ©eri<^t^fccnc $ur $arfleflung bringen. @*
verfällt in bier Iljcile: 1. Stnrebe be« Skrftorbenen an Ufiri beim Eintritt
in bie £alle ber smiefadjen ©ered)tigfeit ; 2. ba* SWenntnifc be» $erftorbeuen
bor ben einzelnen ber 42 2obtenrid)ter ; 3. bie ÜEßägung be* $er$ens (bie
fogen. ^fnapftafe) jur Prüfung feiner Slusfagen; 4. Sieben unb 5ßerf)anb=
hingen mit anbern 5Jiäd)ten, namentlidj ben £fjürf)ütern beim SJerlaffcn ber
jpaüe. Reiften* folgt bann no$ eine Wadjfcfjrift über Wnroenbung unb
Pütjen biefes Äapitel*.
SDer Slitel lautet: „Kapitel, um einjugeljen in bie ^alle ber jroiefaaVn
$ercd)tigfeit unb $u trennen ben ÜRenfdjen Don feinen Sünben, bamit er
frfjaue ba* Slntlifc ber Götter." $ann rotrb ber lobte felbft alöbalb rebenb
eingeführt :
,@epriefen fei ber große ©ott, ber £>err ber jtüiefadjfii ©eredjtigfeit ! $d) bin
gefoinmen ju bir, meinem Jperrn; gebracht bin id) jum Slublirf beiner £>errlid)feit.
3d) fenne bid), id) fenne bie Warnen ber jmeiunbüiersig ©ötter, bie ba futb mit bir
in ber $>a(lc ber jiuiefad>en ©eredjtigfeit , bie ba leben in Cbmadjt ber Sflubcr unb
trinfen tum iljrem »tut au biefetn 2age ber Slbroägung be<S ilßanbeli »or bem ,©uten
aüJefeif (OfiriS). Sd)irmf)err bed geliebten 3wiU>ngdpaareg, feiner Augäpfel, ^>err ber
^uiefadjcn ©eredjtigfeit ift bein Warne. Sdjirmc bu mid>! ^d) fommc ju bir, unb
id) bringe bir ©ered)tigf eit ; ferne balt' id) bir Unlauterteit.
1 I*. Pierret, Le Livro dos Mnrts p. 39 —44.
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$aö iobtenbud) bcr Slegüpter.
97
„9Ud)t t^at id) Siege« an ben SKenfdjen. <Rid)t töbtete ober quälte id) jemanb.
9tid)t tf>ot id) Sdjanbbareä am Sifee bcr ©eredjrigteit. 91id)t fannte id) Sügeu. 9Hd)t
t^at id) Stfjlec^ttgfeiten. 9lid)t ließ id) ald SJorgefefoter ben ganzen $ag bie SJienft*
leutc arbeiten für mid). 9Hd)t fam mein Üftame ju ber SJarte bes 9tllcri)öd)ften.
91td^t Derffirjte id) einen ©ott (bei ben fd)ulbigen Seiftungen). 9liä)t Derfleinerte id).
Sticht fefote id) berab. 9lid)t tb,at id), toa* ©ötter Derabfd)euen. 9Hd)t liefe id) mtfe«
fcinbcln einen Sflaöen Don feinem »orgefefrten. sJhd)t liefe id) fjungem. 9iid)t mad)te
id) »einen. 9Ud)t töbtete id). 9lid)t gebot id) ju töbten. 9lid)t bradjtc id) Seiben
über jemanb. sJtid)t fdjmälerte id) bie Opfergaben am Gingang ber 2empel. 9tid)t
minberte id) bie Dpfcrtudjen ber ©ötter. 9Md)t entjog id) bie Opferbrobe ber JBer-
tlärten. 9Hd)t brad) id) bie Gt)e. 9lid)t tl)at id) Unfeufd)e$. 9lid)t unterfd)lug id).
9itd)t oerringerte id) am ©etreibe. 9lid)t verringerte id) an bem SRafe. 9iid)t Der«
rüdte id) bie «efergrenjen. 9hd)t unterfdjlug id) ba* ©eringfte am ©emidjt ber SUagc.
9lid)t öerlleinerte id) ba$ 3ünglein ber 2öage. 9tid)t tutjog id) bie SKild) bem SJlunbc
ber Säuglinge. Dltdjt tiergriff id) mid) am S3iet) auf feiner 3Beibe. 9Hd)t fing id)
toeg bie reinen Sögel ber ©ötter. 9tid)t fifd)te id) 3ifd)e in if)rcr Sluflöfung. Midjt
toeljrte id) baö äöaffer in feiner 3af)re$3eit. sJHd)t jerflörte id) einen 3>amm ber
2ßafferlcitungen. 9lid)t löfd)te id) ein Steuer in feiner Stunbe. 9itd)t überfd)ritt id)
3eitfriftcn gegen bie SJeftimmung. 9itd)t Derfdjeudjte id) baö Söeibeoieb, Don bem
Gigcntbum eines ©otte*. 9lid)t Huberte id) einen ©ott an feinem Büßgang (beim
feierlid)cn Umb,ertragen feines JBilbeä).
„Stein bin id), rein bin id), rein bin id), rein bin id)! *JJleine ?Reinf)cit ift bie
bti großen SBcnnu in Gfyenenfu ; bieroeü id) bin bie 9lafe (ber Sltfimenbe) beö $errn
ber £>aud)e, meld)er belebt alle Grienneuben (2)lenfd)en) an bem Jage bee üüolltoerbenä
ber lljat in ?lnu, bem legten Sage bec ^weiten GrntemouatS uor bem §errn biefeä
ßaubeä. 3d) faf) ooü merben bas> Ujat=?luge in 9lnu. Wd)t gibt e$ Sd)limmcfi für
mtd) in biefem Sanbe unb in ber £alle ber yoiefadjeu ©ered)tigfcit, biemeil id) lernte
bie Warnen ber ©ötter, bie in i(jr Pub." 1
(Irft nad) biefer Wnrebe an Citri* beginnt ba» eigentliche $eridt)t, rote
e* bie Vignetten ber lobtenrollcn jur 91nfd)auung bringen2.
9?ed)t» auf einem ^radjtoollen $f>rone, ber auf ©affer ruljt, fijjt Citri*
al* Jftönig ber Unterwelt in eng anfdjliejjenber ^umiengeroanbung, bie 9Uef=
trotte auf bem £>aupt, in ber 9ted)ten ben ftrummftab, in ber Stinten bie
(Seifcel, bie 3«^cn ber fürftlidjen (Bemalt. Jpinter ifmi fielen Sfis unb
Wepljtf»)*, fenntlid) an ben 9lbjeid)en auf tyrem Raupte, bie dritte betenb
ausgeftrerft. 5Jor bem 3:^ronc fpriejjt eine riefcnt)afte Lotosblume empor,
auf bereu geöffnetem 5leld) bie üier Äinber beö^porus: vi(mfet, .^äpi, 2ua=
mautef unb Äeb^fennuf, bie iobtengenien, flehen, ^n ber 6rfe uor Cftriö
1 9J. D. St raufe unb lorneö, ©ötter unb ©ötterfagen S. 478. 479.
abujeid)cnbe Ueberje|nmg bei ?l. iöie bemann a. a. C. S. 132. 133.
2 Siefe Vignetten fmb fetjr üerfd)ieben au^gefü^it. ^ie älteften ftub feljr cin=
fad), fpäter mürben fic forgfältig gejeidjnet unb colorirt. -Tie fotgenbe 23efd)reibung
gibt bie SarfteUung nad) bem funftoollen <PapUruö 9tr. 0901 beö Sritifdjcn 3)tu^
feumd mieber. «a Dille, iobtenbud) 1, laf. CXXXVI Ay. Gine jiemtid)
äbttltd)e gibt G. 2Wei)er, ©efd)id)te beö alten 9legöptenS (JBerliu 1S87), yt S. 258,
nad) einem au« lieben ftammenbett ^apüruö im berliner aJlufeum.
«auniflartiif t, aDBeltlittratur. I. 7
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98
©rftee 9Jud). Setzte* Äapttel.
ift bciö £>oru&auge mit stoei im redjten SBinlcI fteb>nben klügeln, ba* 3"*?»
ber Sonnenmenbe, angebradjt.
3n bcv Witte ber frafle fteljt bie grojje 2Bagc be* ©eridjtea, melajc in ber
einen Sc&ale bas ^erj be» 33erftorbenen, in ber anbern eine ($eber, ba* Wb=
jeidjen ber sBiäat, ber ©öttin ber ®ered)tigfeit, trägt. <£m fleineö SMlb biefer
©öttin befinbet fid) aud) oben am 3ünglein ^fr 2öagc. Die 2öägung nimmt
ber fdjafalföpfige ©ort Anubis (SInpu) oor, ber unter bem ünfen SBalten ber
2Sage fijjt ; unter bem rechten Söalfen fifct ein riefige* Ungeheuer, „ber 5Jer^
fdjlinger ber lobten", oorn Ärofobil, in ber Witte £öroe, fjinten 9tüpferb.
Sint§ oon ber SDage begegnen mir abermals bem fdjafaltöpfigen 9lnubi3,
ber l)icr ben SSerftorbenen an ber Jpanb 511 ber 2$age füfjrt ; redete t»on ber
2öage aber fteljt STfjotl) (Üeljuti) mit bem ^bi§fopf unb füfjrt auf einem
$äfeld)en ba§ ^kototoll ber ^erfjanbhmg. hieben ib,m flefjt mieber ber Ver-
storbene, ber nunmehr frfion ba$ ©eridjt überftanben f)at unb ben ber töott
£oru# mit bem ©perberfopfe bem CfiriS oorflellt.
?ln ber £ängsfeite ber .$alle s'iefyt fid) oben ein grie§ fun, auf toeldjem
bie 42 £obtenrid)tcr in ftjjenber Stellung mit tl)ren Attributen angebracht finb.
$n einer bem Sdjlufiroort betgegebenen 3eid)nung if^ auaj bie ^>öüc
bargefteflt al* ein Don oier £)unb*fopf äffen bemalter Cfen.
Die jmeitc Scene, ba* eigentliche (Beriet, beginnt bamit, bafi ba3
Jper$ be§ 93erftorbenen auf bie Söage gelegt unb nad) ber 9iorm be* Gk--
fejje*, ber ©eredjtigfeit , geprüft mirb, mäfjrenb ber 33erftorbene felbft fid>
über 42 fünfte je oor einem ber 42 Xobtenridjter ju uerantmorten bat,
AnubiS 5uftel)t, ob ber 2f>atbeftanb, im £er$en oergegentoärtigt, bem ©efefc
unb ber 91u§fagc ba* Öleid)gennd)t Ijftlt, Xfyofy, ebenfo aufmerffam prüfenb,
ba» (Srgebnife aufjeidjnet, bie £>ölle aber, in bem „Verf jünger ber lobten"
tterförpert, auf if>re S3eute fyarrt.
Die 3uüerfid)t, mit toeld)er ber iobte ben Cfiri§ begrüßt unb bereit* Kor
Umt feine Unfdjulb befeuert Ijat, meid)t jefjt banger gfur^t. Da§ bezeugt
eine fürjere 3roifd)enrebe ($ap. 30), bie in mehreren SetdjcnroUen an biefer
Stelle etngerürft ift. Der 3?erftorbene rebet folgenbermaften fein £>er$ an:
„9Jcetn Jpcrj, boö mir jufommt Don meiner 9)hitter, mein Jperj, nottjioenbig ju
meinem 3)ofein auf (Erben, ergebe bid) md)t tniber mid), jeuge nid)t nid ^einb toiber
midj oor ben göttlichen Häuptern über ba«, toaö id) Oor ben ©öttern gettjan ; trenne
bid) nid)t oon mir oor bem großen (Sott, bem $errn oon Hmenti!
„^>eit bir, 0 be<5 Cfuii, 58eioo()ner beö SÖeftend! fceil eud), iljr eingetoeibe!
^>eil eud), if)r ©ötter mit ben geflogenen Härten, ergaben burdj euer Sccoter!
©aget ©uteö oon bem Ofm$ 9c., laffet it)n gebeifjen burd) 9ie()bfo.
N3<3r> Ijobe midj mieber oercint bev 6rbe oon ber »oeftlidjen Seite be8 Rimmels
rjer. 9^ad)bem id) gelegen auf ber 6rbe, bin id) nidjt geftorben in ?(menti. 3d) bin
reiner ©eift für bie ©migfeit." 1
1 P. Pierret, Le Li vre dos Morts p. 113. 114.
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$a* Sobtenbud) ber 9legppter. 9t)
6ine ou§ fpäterer $t\t ftammenbe "Wndbfcbrift befagt, bafe biefc 2Borte
über einem aus hartem Stein gemalten unb mit ©olb überzogenen Scara=
bäuä1 ju fpretben fmb, ben man bem lobten auf bie $rufi legen fofl,
nadjbem man bie Ceffnung beä 9)tunbe§ unb bie Salbung be$ Raupte«
mit Cel öorgenommen. $ie folgenben 3öorte foHen als Sauberformel über
ujn gefprodjen roerben:
„2Jtein £>er3, bas mir jufommt Don meiner Butter ; mein $erj, bas mir noth*
toenbig ift 3u meinen SBertoanbtungen !"
3efct fajjt ber lobte roieber Wutb, unb befeuert bor ben einzelnen
$obtenrid)tem feine Unfdmlb:
„9th, Streiter, ausgegangen Don Situ! 9licbt tr)at id) unredjt.
911), 9lusbreiter ber Sreuerarme, ausgegangen Don ßherau! 9lid)t Dergeroaltigte id).
9lh, Sdjnauber, ausgegangen Don Chmun (fcermopolis) ! 9Ud)t frantte idr>.
«f), Sd)attenDerfd)linger , ausgegangen Don ber ©etjeimftätte ! 9Hdjt entmenbete id).
9lf), ©liebDerbreber, ausgegangen öon IKoftau! 9ltd)t töbtete id) 3)lenfdjen.
911), $oppeUdtoc, ausgegangen Dom Gimmel! Glicht Derringertc id) bas ©etreibe.
Sil), Scharfäugiger, ausgegangen Don Sehern ! 9Udjt übte id) §interlift.
911), ftlammenber, ausgegangen Don rüdroärts! 9tidjt entmenbete tdr> Gigenthum
eine« ©ottes.
911), Änodjenaeigcr, ausgegangen Don Ghenenfu! 9tid)t rebete id) ßügen.
91h, 3fcue^"ngter, ausgegangen Don £>attaptah (Memphis) ! 9Hd)t entjog id) Wahrung.
9lh, SJoppelaueUer, ausgegangen Dom SDöefttaube ! üftidjt befdjimpfte id).
9lf), äÜeifcjahn, ausgegangen Dom ©rcnjlanbe! ÜRidjt überfdjritt id) (Derbotene ©renje).
911). SJlutDerjehrer, ausgegangen Dom äkrnidjtorte ! 9lid)t töbtete id) ein ^eiliges 2f)ier.
91h, gingetoeibefrefier , ausgegangen Dom Sreifjigerhaufc (bem hödjften ©eridjtshof) !
9tid)t that id) bas Verbotene." >
So roerben ber 9ieüje nad) 42 oerfdnebene £obtenridjter angerufen,
ein jeber mit Eingabe feines befonbem 2Öof)norte2, unb jebem befeuert ber
SBerftorbene fein ^reifein Don einer anbern befonbem SdjulD. %m mefent-
lidjen berft fid) biefeö SBefenntniB mit bem öorau*gegangenen , bodj finb
einjelne Sünben meb,r nad) if>ren Unterarten unb llmftänben jergliebert, ein
paar aud) roieberfyolt, um bie 3«^ 42 beraub ju betommen. blopc
Spielerei ift aber lejjterer Umfianb taum $u betrad)ten, ba fonft bie ein^
1 S>as SÖeibdjen bes Scarabäus (Ateuthiu* sacer) iiml)üüt 6e!aunt(id) feine
ßier mit SJtift unb legt bas fo gebilbete ßugeldjeu bann in eine juDor gedarrte
örube. 2>te 9legppter, benen biefer Vorgang nid)t entging, meinten, ber Ääfer er-
zeuge fid) toie ber Wnis ber Sage — im 33oben ftets felbft aufs neue, «o
roarb itjncn ber Ääfer (äg^Dtifd): cheper) ein S3itb ber 9luferfleb^ung , b. I). ber
SEBieberbelebung ber Mumie, rocldje befreit unb Derftärt ber Bonne jufdjmebt. 9lad)
Giemen« uon 9Ueranbrien tuar er aud) Biunbilb ber Sonne. Stronmta Hb. V, c. 4
{Migne, Tatr. gr. IX, 41).
s iß. D. ©trau 6 unb dornet), ©ötter unb ©ötterfagen S. 481-484. -
»gl. ben 2e|t bes ^apprus 9lni bei E. Walto Bmlge, The Nile (London 1890) p. 74.
7*
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100 6rfte8 Sud). Sektes «apttel.
feinen SBergeljen roiber Religion unb ©otteäbienft , toiber ®ered)tigfeit unb
töeblid)feit , roiber 3M)rf)aftigfeit unb Zimt, roiber (Sljre, Öeib unb Seben
anberer, roiber $eufd)ljeit, Qutht unb Sitte mit großer ßlarljeit unb ob*
jectioer 9iid)tigfeit nad) ben ^orberungen be3 StaturgefeljeS unterfajieben finb.
$)a§ lange, eingefjenbe unb ebenfo tlare ©ünbenoerjetajnijj — ber ältefte
9Jeic§tfpiegel ber 2Öett — ■ jeugt für einen feljr fjofyen (Örab fittlicfyer (£in=
fid)t unb ©eroiff en§fc^ärfe , roenn aud) ba§ priüate unb öffentliche Ceben
biefem ©rabe fittfidjer (£rlenntnijj im Verlauf ber 3C^ immer roeniger enfc
fproajen Ijaben mag. 3)ie tarnen ber 42 Sobtenridjter tönen für ben Un=
eingeroeif)ten roie ein roaljre§ £>e$eneinmalein§ , fjaben aber iljre beftimmte
33ebeutung, bie foroofu* ju bem jeroeilig beigefügten 23crgeljen al§ 511 bem
gefamten SRötiju» in näherer Se^ietjung fteljt.
Die weitere ©eriajtäüertjanblung fdjilbert ber S£ert nidjt. £a§ 33ilb
fagt baS übrige. Die 42 Stifter Ijaben ben SJerftorbenen geregt befunben.
Cfiriö bestätigt iljr UrtfjeÜ. froruS, ber Sonnengott, ber Sotjn be3 Ofirte,
füfjrt ben ©eredjtfertigten bor feines 33ater§ Ifjron. 3ubelnb banft berfelbe
ben ©öttern, bie ifm freigefprodjen, inbem er nodjmalä bie Sitte um ifjren
3<fm$ erneuert:
„»Prcia eud), ihr ©ötter, bie ihr mohnet in ber #atte ber ahnefadjen ©eredjtigleit !
SBöfed metlt nidjt in eurer SBruft ; ttjr lebet oon ber }toiefact>rn ©eredjtigleit in
91mi; eure fterjen nähren ftdr) oon ber jioiefadben ©crecfittgleit oon ftoruä in
feiner Scheibe.
(Srrettet mid) Oor bem ©otte beö SJöfcn, ber ba lebt oon ben (Siugelociben ber ©roßen,
am Sage beS großen ©eridbteÄ unter eud).
$cr Cfui* 91. tommt jii eud); eö ift nicht Ucbel, ntcfjt Sünbe, nicht 9Halel, nid)t
Unreinheit in ifjm ; es ift leine ftlage, lein SEßiberfprud) gegen it>n.
(£r lebt oon ber ©erechtigfett , er näfjrt fid) oon ber ©eredjtigleit. $aä fterj freut
fid) beffen, loa« er gethan. SOftaö er gethan, ba$ oerlünben bie 9Jtenftfien, beffen
freuen fid) bie ©ötter.
<&x hat fid) ©ott oerföhnt burd) feine ßiebe. <&x gab bem Jpungernben SJrob, bem
Xürftenben 2Baffer, Äleiber bem 9latften. 6r gab eine SBarle bem, ber leine
hatte. 6r fpenbete ßpfergabe ben ©öttern, Sühnopfer ben Verstorbenen,
bettet ihn, fchühet ihn, flöget ihn nid)t an oor bem #erru ber lobten; benn fein
9Jlunb ift rein, feine #änbc finb rein.
2>er ihn fieht , ber fprtdjt : ,Äomme in ^rieben !' 2>enn ber OftriS 91. hat gebort
ba8 ©efpväd) beö ©felö mit bem flater tu bem Jpaufc beö ^at ; bad SBort feiner
Slnlläger bei bem, ber bor unb nad) fid) fäaut, hat bewirft, baß er erhoben tourbe.
2!er Cftriö 91. fdjaut ben ^erfea=2eid) bei fid), inmitten oon SRofrau; er hulbigt ben
©Ottern, beren 9täuine er lennt.
@r lommt , er ertjebt ftd) , er fteigt empor , er bclennt bie SEßahrheit. 6r ift rein,
er betoirtt, baß bie 2öagc im ©leid)getoid)t fleht im Innern ber oollenbeten
Seien.
0 ber bu erhaben thronft auf beinern Sifee, ^>crt ber 3(tef*Ärone, ber bit bett)ätigft
betnen 9lamcn ald ,^>err beö Cbemö', befreie ben Oftri* 9t. oon beinen Seng-
lingen, beinen ^oUftrerfeni, ben 9lufjeid)nern beiner SBefehle, ben böfeu ©eifteru.
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5>a« 2obtenbu<b bcr Hegtopter.
101
@« rubt fein ©Fleier auf bem, xoai ber ßfirt« 91. getfjan. 6t ift $err bcr SBa^p
beit; er ifl rein; fein $er3 ift rein, ©eine Sorberfeite ift gereinigt; feine 9tud=
feite fjat ba« Sab ber Steinigungen erholten ; bie 9Jtitte feine« ßeibe« ift gefoult
im 2eiä)e ber 2öabrbeit; e« ift (ein ©rieb an tbm mit 9Jtafel behaftet." »
21n bic ftretfürec&ung unb on bu* Söab bcr Säuterang idjliefet fid)
nun bcr Eintritt in ba* Weicb, bcr Unterwelt, bcr Uebergang Don bcr
$obe$nad>t 311 bcm Sag bc$ neuen, ewigen Seben*. $ocb, unftdjtbare Wächte
treten bcm Mbgefdn'ebcnen f>ier entgegen unb fteflen fein mt)ftifd&e§ SBiffen
auf bie $robe.
„25er Ofiri« 9t. toarb geläutert in bem 2eid>e, ber ba ift füblitf; Dom treibe ^>otep
unb nörblidj öora S-elbe ber §eufibredcn , wo bie ©öttcr be« ©rünen« fid)
mafrf/en in bcr öierten Stunbe ber 9tad)t unb in ber aalten be« Sage« mit bcm
Silbe bei fcerjen« bcr ©ötter, übergef)enb öon ber 9tad)t jum Sage.
,ßaf$t il)n aie^en!* fagen bic ©öttcr 311 bcm ßftri« 9t.
,2öa« toiHft bu oon und? Söie beißt bein 9tame?' fagen fie ifjm.
,3<fi bin ber Oftri8 9t. Söadjfenb unter ben Slütben be« Sreigenbaume« ift bcr 9iamc
be« Cfiri« 9t.'
,3icl) bebte« äöege«4, antworten fie il)tn.
,3<b bin ge3ogen burd) bie Söiefen nörblidj bom Orcigenbaum.'
,2öa« b«ft bu gefeben?4 — ,2)a« hKinbclnbe Sein mit ber Senbc.4
,2Öa« baf* bu uns noeb 3U fagen?4 — ,3* wurbe gerufen Oon ben Seilten btefe«
Sanbe« bcr Sntflcibften.4
,2Ba« ^aben fie bir gegeben ?' — .Srlammenbe« Breuer, ben ©rünfpatb unb ben 2aben.4
,2öa* fjaft bu bamit gemalt ?• — ,9Jtein Segräbniß am Ufer be« See« bcr ©cretfjtig«
fett, jur 3eit ber 9tad)t.4
,3Q3a« fjoft bu gefunbm am Ufer bcö Btta ber ©credjttgtcit V — ,$a« ©cepter au«
bartem Stein, weldje« ba« SEBort in Bewegung fcfct. $er Cftriö 9t. bat cß in
Semegung gefegt.'
,2Öa« ift ba« ©cepter au« Ijartem Stein?' — ,3penbcr be« Cbem« ift fein 9tame.4
,38a« tljateft bu mit bem flammcuben t$tutx unb mit bcm ©rünfpatb unb mit bcm
2af)en?- — ,3d) l)abe mit biefem bie flamme au«gelöfd)t unb ben ©rünftein
üerwanbt, um ein SÖaffer 311 bilben.4
,©0 magft bu geben unb eintreten in bie £alle bcr 3tt)iefad)eu ©eretbtigfeit." »
9?ac&bem bcr 93erftorbenc ben Un|id}t6aien ©enüge geleiftet, ftellt fid)
iljm jejjt ba3 Xb,or ber Unterroclt fclbft entgegen, geroaltig, rtefenljaft roic
bie ^tolonen ber ägtyptifapen Tempel. %tbev "Iljeil beäjelbcn Ijeifc&t ein be=
fonbereS SofungSmort; benn nur bem Söiffenben Öffnet fid) bic Pforte.
„3$ laffe btd) nidjt eingeben burd) mid),' fagt ber Stiegel be« 2f)ore«, ,menn bu
mir nidjt meinen 9tamen fagft.' — ,@ett>td)t be« £aufe« ber ©ereä^tigteit ift bein
9tame.'
,3$ laffe bi$ niä>t eingeben burä^ mia)/ fagt ber redete lt)ürflüget be« 2ljore«, .toenn
bu mir nia^t meinen 9tamen fagft.4 — .Scrtbcibiger ber ©eredjtigteit ift bein
9tame.4
» P. Pierret L c p. 377-379. 8 L. c. p. 379-380.
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102
Grfie« 5öuö). Sed)4tea Kapitel.
.3d) laffe bid) nittjt eingeben burd) mid),4 faßt bcr linfe Türflügel be* Sljoie*, ,roenn
bu mir ntdjt meinen tarnen fagft.4 — .SBertrjetbiger be« ©eridjteS bcr fcersen ift
bein Warne.4
,3d) laffe bid) ntd)t fdjreittn über mid),4 fagt bie Sd)meUe be* Stores, ,roenn bu mir
ntdjt meinen Warnen fagft.4 — ,£äule be« «eb ift bein Warne.4
,3a) öffne bir nttr)t,4 fagt bad «djloß, ,wenn bu mir ntd)t meinen Warnen fagft.4 —
,@eburt ber SWaut ift bein Warne.'
,3a) öffne bir md)t,4 fagt ba8 3nnere be* 6d)loffe*, ,unb ia) laffe ttidjt burd) ben
6d)Iüffet beo Sljoreö , toenn bu mir nid)t meinen Warnen fagft.' - ,8eben be*
28äd)terä beö ©ebef, fytvv öon Sacia ift bein Warne.'
,3rf) laffe bid) ntdjt eintreten, id) laffe btdj nidjt burdjfdjreiten,4 fagt ba* Xljor, ,toenn
bu mir nidjt meinen Warnen fagfl.4 - ,«rm be« ®d)u, bereit *um ©djirme be*
€ftriö, ift bein Warne.4
,3d) laffe bid) nidjt burdjfdjreiten 3nrifdjen un*,4 fagen bie ^foften, ,u>enn bu und nidjt
unfern Wanten fagft.' — ,Äinber ber Solange ift euer Warne.4
,3$ laffe bid) ntdjt fdjreitcn über midj', fpridjt bie 6a)h>e(le ber $aUe, ,an bem Orte,
too bu bift. 3d) bin rein, beim ta) lenne ntdjt ben Warnen beiner 3ffiBe, ra^
toetdjen bu mid) betrittft. Wenne mir ifm/ — ,®ürtei bc« Ähm ift ber Warne
meine« realen Süße« ; Trauer ber Wepf)tt)öS ift ber Warne meinefl linlen &ufce6.' —
,3ie^e öoran, bu fennft und.4
,$alt! 3)u tommft nidjt burd),4 fagt bcr 2Bäd)ier btf £b,oreä, ,wenn bu mir nid)t
meinen Warnen fagft.4 — .Äenner ber Jperjen, (Srforfdjer ber SJufen iff bein
Warne.'
,3öer ift ber ©Ott, ber an feiner 3eit ift ?' fragt bie ©öttüi «Waat ju if)rer 3ett. —
derjenige, ber ba mißt bic ßrbc.4
,2öer ift ber (Sott, ber bie 6rbe mißt?' - ,$a8 ift Sfjotf).'' 1
$er ©ott iljotl), einer ber ältejlen ögoptifdjen ©btter, ift nad) ben
Xenfinälem ber £>err ber (jeUigen ©pradje, ber 2Beife in ber ^eiligen Spraye,
ber Spredjcr in ber o6ern Jpemifpljäre, ber ftarfe Siebner öon füßer 3un9c*
ber Orbner ber 2öelt, ber WuSmeffer ber 3«t ©rfju^err ber Wfrronomie
unb aller übrigen SBtffenfdjaften — ber ©emal)I ber ©öttin Waat, ber
2ttoJjr()eit unb ©eredjtißfeit. 2öie er *uDor ba§ enbgütige Urteil über ben
Sßerftorbenen aufgejeio^net , fo füt)rt er if>n aud) je&t, nad> Uebernrinbung
aller £)inberniffe, in ba§ ewige Seben ein.
„Sa föria)t S^ott): ,«omm, tritt öor, Oftriä W.! 3d) frage bid): 2öel$e* ftnb beine
Stgenfdjaftcn V
,3d) bin rein öon allem 93öfen, ia) bin rein. 3d) bin befdjirmt öor ben ftallftricfen
berer, bie ba ffnb an ibren Sagen.4"
$er SBerftorbene b,at ba§ 5*er[)ör beftanben. be», ber baä Sßer^Ör
nia^t beftanben, fteb,t baö 3:t)or in ^flammen, ba§ uinfd)an$t bon lebenbigen
«^langen, unb fein Örunb ift ein See, über ben CfiriS ba^erfä^rt.
1 /'. PUrret 1. c. p. 380—382. «gl. bie abmeidjenbe Ueberfcfcung oon
fQ. Srugfa) (Weligion unb 9KQtb,oIogie ber alten Slegnpter 3. 68—70), ber biefe
©teile alfi eine ^robe bcr mnftifd)en ®ef)eimfprad)e fjernorbebt.
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103
„2 ritt oor, bu fwft bie Prüfung bejtanben. SBrob ift für bid> im U)at*91uge. Sranf
ifl für bid) im Itjat'Xnge. Sobtenopfer ftnb für bic^ im U,)at>8ugr. 3)er
Cfiri« 91. lebt wafirtjaft ctr>igli<$. - '
AU bie einzelnen getjeimnijjbollen Au§brüde erfldren, roeläje ftd) in
biefen imterroeltlicben ©efprädjen Käufen, mürbe eine eigene längere ^tbfeanb=
lung erljeifdben. Sie finb feine bloßen 3ufäfligteiten, jonbem ©lieber eines
gan$ auSgebifbeten möfnfc&en SpraaV unb Sdjriftfnftem* , in meines bie
ägnptologifaV ftorfdjung fdjon bielfadj eingebrungen ift, wenn bie (Jrflärer audj
niajt in allem übereinftimmen. $a und aber baä lobtenbud) fyier nur al$
literarif$e£ Senfmal, nid)t als 3eu9ntä religionäpljilofopfHfäjer 9(nfd)auungen
befdjäftigt, |o müffen mir und begnügen, hierfür auf bie einfd)lägige 3a$:
literatur $u öermeifen. Religion, ^tytlofopfue unb ^oefie treffen unb bers
roeben ftd> aufs innigfte in biefer mgftifdjen Seljre ber ^riefter uon £>eItopoliS,
|o jebod), baß bie turnen, feltfamen Silber bormiegenb bie poetifd)e £mlle
fo3mifd)er unb naturpfulojopfufaVr föafyrfyeiten bilben. 3m 3Bed)fel jmijc&en
lag unb *Rad)t, im Aufgang unb Untergang ber Sonne unb ber ©eftirne,
im Streit ber !Ratur(räftc, im JÜampf jmifajen H'idjt unb ftinfternijj fal) ber
ernfte (Seift beS AegöpterS ein Spiegelbilb beS menfdjliajen Gebens mit feinen
($egenfä$en: ®ut unb 93ö£, ©lüd unb llnglürf, (Srfenntnifj unb Unmiffen=
fjeit, ©ered)tigfeit unb Ungere$tigteit. 3>nbem bie AuSbrüde bon einem
©ebiet ber (Srfenntnijj auf baS anbere übertragen mürben, ergab fid) eine
t^üde geljeimnifiboller Anspielungen, melier balb toSmifdje SSorfteflungen,
balb religiöfe unb etlnfaje Sßaljrljeiten ju (Srunbe liegen, bie auf biefe
)iuiüu'd)c Seife gelehrt unb im ©orteöbienft praftifd) als Aberglaube ober
5Ragie geübt mürben. 3n biefer ©ilberfpradje entroidelt fidt) ein mächtiger
3ug jum Lüftern unb Seitfamen, mitunter jitm (Srljabenen; aber (jarmonifd>e
Sd)önl)eit unb Anmute befifct fie uid)t.
4. $ie Auferftel)itng unb ba* tfcben im Scnfeit*.
Cbföon fid) auf ©runb- ber oben gegebenen £>aupteinü>ilung (53e=
ftattung — ©eriajt Seligfeit) unb ber Unter|*d)etbung ber fieben Ifjcile
beS 9Renf$en (khat unb sähu für ben 2eib, ab, ba, ka, chaib, khu für
bie Seele) eine gemiffe organifaje Anorbnung be§ Stoffel genrinnen liefee,
mürbe bieS bod) $u meit führen; mir muffen uns bnrum begnügen, bie
übrigen Kapitel nad) einigen leid)ter füj*fi#en ©efidjtspunften ju gruppiren.
1. £a begegnen uns jtierft Kapitel, meldte au ben 9fitu§ ber $eftattung
antnüpfen unb bie Auferftelnmg fdjtlbern, mie fie fid) nndj ägnptifdjer $or=
ftellung nad) unb nad), geroiffermafcen rituell, bolljieljt. 3>m lobten mirb
fein *Dtunb jurüdgegeben (.Qap. 21. 22), bann mirb ifjm feicrlid) bura^
' P. Pierret 1. c. p. 382-383.
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104
Grftf« ®ud). Sed)*te* RapiM.
pah=51mmon (bcn Sonnengott Don %tybc\\) ber 9Wunb geöffnet (#ap. 23).
Er erhält bie Erinnerung feinet 9iamenS mieber (#ap. 25) unb fpridjt U>n
laut aus Dor ber 5Ber)ammlung ber bolljähligen Öötter. 2)ie Seele bereinigt
fieb mieber mit ber Winnie, bie burd) bie £mlb ber Ueberirbifdjen bor Über-
fall bemaljrt roirb (&ap. 89). $aS SDtdjtigfte ober ifh eS roirb ir)m fein
£er$ jurücigegeben unb bnmit fein 9Runb jum Sieben, bie Seine jum
©efyen, bie 9lrme jum Äampf roiber alle 5*inbe, bie Wugen, um ju fer)cn,
bie #raft, um fid) jum Gimmel $u ergeben, baS ganje unb Dolle üöeroufet:
fein unb ba$u bie 3-reifjeit ber 93eroegttng. 3>enn bie Seele ift in ber Unter-
roelt nict)t an ben ßeib gebannt (&ap. 26. 27. 28. 29. 30). Um biefe
Emabe bittet ber 93erflorbene in ben bcroeglid)ften ©orten, unb um benfelben
magifdjen 9iacbbrnrf ju geben, mürbe bas Öebet auf einen garten Stein
gefehrieben, ber bie ftorm eines ÄäferS t)atte unb ber Wumie an ber Stelle
beS fersen* beigelegt rourbe. ^aufenbe bon folgen Scarabäen Derförpern
noch feilte in ben Wufeen bie Erinnerung an biefeS (Bebet.
2. Eine anbere 9letr)e bon Äapiteln begehrt bon ben Eföttern Schirm
unb Sdmfc für fämtlidr)e ©lieber ($ap. 42), befonberS für baS £aupt
($ap. 43. 50), Schirm bor 58erroefung (Äap. 45. 48. 154), Sdmfc Dor
ben 9ic^en beS SobtenfifcberS (Äap. 153), Erhaltung beS Aufenthaltes in
bem l)immHfa)en 9lnu ($ap. 47), üöelnltung bor neuem 2obe ($ap. 44),
Sd>u$ gegen Sdjmad), SBefubelung unb Verunehrung ($ap. 51. 52. 53).
9ttd)tS Unreines roill ber Verftorbene genießen, fonbern reines #orn unb
reinen Sranf in ben ©efilben oon %ah\.
3. Ein Seitenftüd 511 ben Kapiteln Dom .$er$en ober üon ber 2öieber=
ertjaltung beS ftcrjenS bilben biejenigen bom fauche (SebenSobem) unb Dom
Söaffertrinfen. ?ylebentlid) ruft ber Verftorbene ben ©ott %um, ben „grofeen
Brüter", an, ir)m aus feinen Lüftern mieber ben angenehmen £aucb beS
ÖebenS einzuhauchen (#ap. 54. 56. 57), ober fühlt fein ©ebet fdron erhört
unb flöfet als ©ott Sdm anbern ben Cbem beS SebenS ein. 9Äit bem
Siefen um ben Cbem beS SebenS Derbinbet fid) (Äap. 59) audj baS um
ben erquitfenben 2Ba|fertrunf, ber fid) bann in mehreren Variationen roieber=
holt (Äap. 60—63).
4. Xen Verdorbenen bebrohen im SfnfeitS eine ganje Sdjar feinb=
lieber ©eroalten in Sljiergeftalt, gegen bie ihn bie geheimni&Dolle SobtenroÜe
fchii^en fofl. $aher bie furjen unb längern Vefprecrmngen miber bie &ro=
fobile ($ap. 31. 32), bcfonberS baS ßrofobil, baS ben E|el gefreffen (£ap. 40),
miber Schlangen unb Reptilien (#ap. 33. 35. 37. 38. 39. 41), miber bie
Sdnlbfröte (ßap. 36), miber baS Ungeheuer 9Kaft (ßap. 34).
5. Unheimliche 5tr>äler unb Verge, Sanbfdjaften unb ^aläfte t)öt ber
Verftorbenc in bem bunfeln SenfeitS 31t burchroanbern , bis er beS Sebenl
ber ©ötter theilhaftig mirb. SaS fchilbert ein EbcluS Don mehreren äapiteln
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SM Zobtmbud) b«r »egitfrter.
105
fpötcrn Urfprungg : bon ben Söä^tern ber fieben fallen unb Don ben jroeU
unbjroangig Spören ober Spionen be<? gelbes Aaru (Äap. 145), bon ben
fünf$ef>n Pforten (Äap. 146), bon ben fieben Sälen in Amenti (Äap. 147),
bon ben fieben ftüljen unb bem Stier (Äap. 148), bon ben bierjeljn 933of)=
mmgen in Aaru (Stap. 149. 150).
6. 92ad)bem inbes unter Anrufung unb mit /pilfe ber guten (Götter
o0e ^äl)rlid)teiten unb ©d^roierigfeiten be& großen Uebergangeä glütflid) uber=
jtonben finb, erhellt fid) bie Au§fid)t in ba* ^enfeit*. S)er Auferftanbene
unb Sfrrtlftrtc befteigt bie Sonnenbarte be$ Wa , beren einzelne $b>ile aus
lauter tounberbaren Gräften ber Gfötter jufammengefefct finb, meldte Götter
ielbit mit hartem Arm über ben £rimmel§ocean bafnnrubero, roe(d)e fiegreidj
über alle 9)tftd)te be§ £obe§ unb ber ^infterni^ triumpfnrt unb glüdlidj an
ben feiigen ©efilben bon Aaru lanbet. S)a3 £)auptfapitel über biefe Sdjiff=
faljrt ift Stap. 99. Sine lange Steide bon anbem Abfdmitten mieberljolt
ben Ofcgenftanb , füljrt Ujn meiter ober fürjer aus unb fnüpft (lebete
baran (Stap. 100. 101. 102. 131. 132. 133. 134. 137. 138). Sta=
äftnfajen reiben fidj Anrufungen ber £>atijor (#ap. 103), be3 tyiaf) (Äap.
106), üerfd&iebener anberer Götter (#np. 104. 107. 112. 113. 114.
115. 116. 120. 123) unb an ben eigenen „$a" ((fteniuS) be§ S3er=
ftorbenen. Aigens wirb bie ftafyxt im Sßeften gefdnlbert (ßap. 108), bic
im Cften (Stap. 109), bie SUciterreife (#ap. 107), bie Anfunft in föoftau
(Äap. 108).
7. S)a£ feiige Seben in Loftan unb in ben ©efilben bon Aaru wirb
gelegentlich fdjon bei ber Sonnenfaljrt berührt. @3 erhielt aber aud) nod)
feine eigene $)arftellung (Üap. 109. 124). 3m Often liegen biefe ©efilbe
an bem 93erg, bon bem füblicb, ber See ber ©änfe #!jar unb nörblid) ber=
jenige ber ©änfe 9Ro ift. Slawin fteuert bic Sonnenbarfc, bem ©egenminbe
tro^enb. Unberoeglid) fte^t auf ifyr ber SSerflärte als Steuermann. $a
fteljt bie Sttfomore SWafef, burd) bie 9ta emuorfteigt unb roo Sdju bie
Pfeiler be§ Rimmels ergebt (Sine ipede bon Stab,! umfriebigt bie @e=
filbe bon Aaru. $a* ftotn mirb fieben @llen Ijod): brei (SHen bie Aeljre,
bier 6Uen ber $)alm. Unb bie Abgefd)iebenen, ad)t Glien b>d>, mäb,en e$,
unb mit iljnen bie ©eifter be* Cften*. S)ie Amtleute ber (Götter laffen Rei-
ben SBetftorbenen feine Srrafee jiefjen; aber fie laffen iljn nia^t bie ©renjen
ü6crfdjreiten. ßr fü^rt feine Sdjriften mit fid), bie ifnn fein Stüd Sanb
jumeffen bom Anfang bis jum (£nbe. ftüfle be$ 3öaffer§ ift ba. Äeidjlid)
genießt er SBrob unb tfudjen. Unb er. raftet fröljlid) auf feinem (ftrunbe unb
fö^rt auf ber fjeiligen iöarfe. @r maa)t SBefanntfdjaft mit ben ßeuten be*
53e$irt^, bie ba täglid) arbeiten, ba§ Sorn einfammeln unb bie grüßte in
ben Speiser ^olen. ®a§ fieben ift ba§jenige eine* mo^Ibegüterten Aegbpter*
uuf 6rben.
iot;
erfleö $ud). $ed)dtefi Kapitel.
8. TO biefein iboUiföen Sanbieben, äfmltü) bemjenigen am tttil , cr=
fajöpft fid) aber baä <5Hücf be* 3enfeit§ feineöroeg*. 2öie bem SterHärten
bie Warfen ber Sonnengötter ju beliebigen Reifen jur Verfügung fielen, fo
ift if)m au* «Diaajt oerliefjen, fia) in bie Derfdnebenften 2Öefen ju Derroanbeln
(Äap. 76—88, mit «uSfälufe Don #ap. 79). 6r Derroanbeli fia) in Den
Sperber be* £oru* (#ap. 77. 78), in ben (Sott Zmn (£ap. 79), in ben
Sidngoti, ber bie Sonnenfinfternifc befiegt (Äap. 80), in einen 2otu8 (Äap. 81),
in ben ©ott ytat) (&ap. 82), in ben »ogel SBenmt (Wnij), eine ©eftatt
beä OfiriS (#ap. 83), in ben iBogel Sa>ntf)i ober Scpenfajen, einen
Stranbläufer (#ap. 84), in einen Sperber mit *Dtenfd)enfopf (#ap. 85),
in eine Sc&roalbe, baö fjeilige ifcier ber 3ft* (ftap. 8C), in eine Solange,
bie fifl) eroig üerjüngt (ftap. 87), in ein Ärotobil, ba$ Sinnbilb ber Der=
Ijeerenben ©lutlfti&e (Äap. 88). „<£r geljt IjerDor bei Sage in allen formen,
in benen e* ifyn gefällt, unb fefjrt ein in feine 2Bolmung. (5r roirb nid>t
Detftojjen. (£r erhält 93rob, 33ter unb ftleijd) im Ueberflufc auf bem »Itar
be§ Oftrte. 6r ge^t auf bie ©efilbe Bant; ba gibt man ifmt Stoxn Don
zweierlei 3trt ; unb er blüfjt wie einft r>icc auf (Srben, unb tijut alles, roaS
iljm gefällt, roie bie ®ötter, bie bort finb, in Soweit" (Äap. 72; Dgl.
tfap. 2 4. 5. 6. 7. 10).
9. 2Bie in ber Ausmalung biefer JBerroanblungen unb in ber büftern
Sa)Uberung ber Sdjreden beS SenfeitS eine jügeüoje, groteSfe v^M)antafie
jpielt, biefelbe, roelaje auf ben büftern ©räber= unb lempelroänbeu bie feit;
famen jleifen Oföttergeftalten mit iljren rounberlidjen fronen, Jperrfdjaft&ieiaVn,
Sombolen unb ^ierföpfen eingemeißelt, fo fpielt biefe Sömbolii au* in
einen ebenfo ausgebreiteten 9Iberg(auben hinüber. 3eu9c beffen finb ebenfo=
roofjl Diele iöeftattungSriten , benen eine rounberbare ^}2ad)t juge|*rieben
rourbc, als befonbers bie ^aljllofen Amulette unb ialiömane, roelaje ben
Mumien ins @rab mitgegeben mürben unb melden man magifc&e Äräfte
beilegte. (Sine Slnjaljl Kapitel be§ 2obtenbud>e3 finb fold>e magifaje S3e=
fpreanmgen foroofjl für Iobtengebräu*e, roie für bie ßopfftüfce, ba$ fogen.
fcnpocepfjal (#ap. 162. 166), baä bringen ber Uta (#ap. 167), bie Hufs
ftc Uung unb Hebung beä ©etteS (Äap. 168. 169), alä auü) für eigentliä^e
Amulette im engften Sinne. foldje bienten ber fdjou ermahnte ftäfer
unb ba« ©efäB, in meinem baS Jpcrj einzeln beigelegt rourbe; bann bie
Sdjleife 2et (&ap. 155. 156), ber fliegenbe (&eier (Äap. 157), ein $aib
banb (l?ap. 158), eine Säule (tfap. 159. 160) unb anbere Amulette
(#ap. 170—173) !.
1 lieber biefe SlmuleUe mjl. 2Öiebcmau» a. a. 0. S. 154 ff. — Sgl.
E. A. Wallis Budye, Some aecounts of the Collection of Kgyptian Antiquities in
the poesesaion of La<ly Menx (2d eilit. Loiulon 1896) j>. 156. 158. 330 f.
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2>aö 2:obten&ud) ber AegWtei'.
107
10. Außer ben $aljlreid>en bereite ermäfmten Anrufungen enthält ba$
lobten bud) cnblidj nod) biele anbere ©ebete an Derfdnebene ©ott^eiten, bar«
unter Drei Litaneien an OfiriS ($ap. 141 — 143), jpnmnen unb Anrufungen
an CftriS (Äap. 180— 18ö), «eben an Anubiä, 3ft* unb ftfpfyfyß
(Üap. 151).
Das mag genügen, um Don bem ©efamtinfyalt be» XobtenbudjeS eine
Sßorftellung ju geben. Die nod> niajt berührten Äapitel orbnen fid) einer
ober ber anbern ber beaeidjneten ©ruppen ein.
5. Weligiöfe unb literarif dje Söebeutung beä lobtenbudje*.
$ür bie 9teIigionägefdnd)te ift baS lobtenbud) natürlid) ein Denfmal
Don meittragenbfter Jöebeutung. ($3 läfu" {einen 3*üe*f e^ Darüber, bajs bie
Aegnpier Don ben cUteften 3(^en an D<c Unjlerblidbjeit ber 9Jtenfd(>enfeeIe,
ein entfdjeibenbeS ®eri$i über bie guten unb böfen 2b,atcn nad) bem lobe,
eine 2&ieberoereinigung ber Seele mit bem Seibe unb ftete §ortbauer ber
Strafe wie ber Söelofjnung im 3enfeitö annahmen, unb bajj fidj biejer
(Glaube an eine emige Sanction be3 göttlichen ©efet^e» unb an ein ewiges
Seben im Senfeitö Don ber Qtit ber ^pramibenerbauer biä Ijerab auf jene
ber Cleopatra erhalten l)at. Die ftttlidjen Aufhaltungen, bie babei ju Xage
treten, befonberS bei ber ©erid)t»fcene be» 125. Kapitel», entfpredjen im
toefentUc^fien ben $auptforberungen beS ^aturgefe^e» unb beSfyalb aud) beS
DefalogS. Die älteften Uebcrlieferungen weifen auf urfprüngliaVn 9)iono=
HjeiSmuS f)in, ber aber fajon frtiije fidj mit Sonnencult unb .^eroencult
mifajte unb enblid) Döüig in 9taturcult überging, wobei ber (Sonnengott
unter Derjd)iebenem 2Beä)fel Don gorm unb tarnen ber f)öd)fte aller ©ötter
blieb, lieber bie fambolifa^e Deutung ber altern (Sötter fjerrfaV ba§ größte
Dunfel ; bagegen tritt in ber fteten SBermeljrung ber (Sötter, in bem 2Üed)fel
üjrer «angorbnung nad) äußern politifdjen ^Momenten entfdneben eine pb,an-
taftifdje, edjt polntyeiftifdje Auffaffung ju läge. ÜNagijdje $ünfie, Qaubex
unb fraffer Aberglaube traten fdjon frtilje im alten Üteidje auf unb brängten
fpäter alle reinem religiöfen Anfdjauungen burd) ib,r Uebermudjern jurürf.
Sn literaturgefdu$tlid)er £>infic&t beft^t ba§ $obtenbud> ni$t baßfelbe
ftntereffe. Ginjelne ipbmnen unb ©ebete madfen burdj ba§ Duntel iljrer
JBilberfpraa^e unb ben (Srnft ber ©ebanfen einen gemiffen Ginbrud Don @r=
fjabenfjeit ; bod) tommen nid)t einmal bie poetifdjen Seiten be$ SonnencultuS
511 Doller, tünftlerifajcr Entfaltung. 2Bie bie bilbenbe Äunft ber Aegppter
nad) glüdlidjen Anfängen rafdj ber Sdjablone, bem ©roteMen unb Maroden
Derfiel, fo würben aud) bie erften Aeufterungen religiöfer ^oefie balb ju
ttjpifc&en, l)ieratifd)en Wormeln. Die ältere ftoSmogonic warb fpätern ^riefter*
gefriedetem felbft 511m föätfjfel, unb ber Snnfretiäinu* führte unter ben
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108
GrfteS JBud). Siebente« Äapttel.
©öttergeftalten felbft einen Üföirrmarr gerbet, ber feine menfdjlid) feböne,
poetifebe 9Hqthenbilbung mehr auffommen Hefe. 5>a§ ülfnerfnmbol ber (Götter
ging in bas $ilb ber (Sötter felbft über, unb berfelbe urfprünglidje Gtott
erhielt balb einen 2öibber= balb einen 2ön>en= balb einen ©perberfopf. 35as
Sfnerifdje unb 5™&enhQftc oerbrängte immer mehr ba§ 9)tenfd)licbe , unb
ba§ 3enfeit3 beoölferte fid) mit einem <*ljao§ bon Ungeheuern, ©tiere, Affen,
Äatjen, ßrofobile, Wilpferbe finben fid) flets in nädjfier Umgebung ber höd)jten
©ötter, unb bie Sonne tnirb aus einem Gimmel unb (Srbc erfreuenben ®e=
ftirn ein ftereotnpeS, htttoglnpbifthc» Auge.
SJiodjten bie älteften 2erte mit ihrem ^aralleliSmuS ber ©lieber, ir)rcn
fnmbolijcben Silbern unb tf)ren feierlidjen Anrufungen nod) einem tiefern
©efü^I entftrömen, fpöter marb bie Abfaffung ber Sobtenrollen jum blofeen
meebanifayn ®efd)äft. Vignetten mürben jum borauS gejeidiuet, bann ber
übrige 9taum mit altern ober neuern Xejten aufgefüllt, unb oft oerftanben
bie «Treiber felbft ben 2ert nid)t. Auf baS gefamte geiftige ?eben übten
inbeS bie Anfdjauungen beS SobtenbudjeS bod) immerhin einen gemiffen Sin*
flujj aus, unb man mufj feinen ^ufyalt fennen, um bie übrigen ßrjeugniffe
ägnptifdjen Schrifttums richtig 311 mürbigen.
Siebente«! Kapitel.
cStteratifdjes £tbtn im atten Jleg^ptctt.
2)te Üttefentrümmer ftgüptijcber Jperrlicbfeit mic bie ÜÄumien unb Kumten:
färge unferer 9Jhifeen rufen in bem Söefdmuer eine ernfte, büftere Stimmung
herbor. @S ift eine uralte, Iiingft entfajmunbene SQBelt, emporftarrenb au»
Krümmern unb SSMlfienfanb , ^erausgemorfelt auf taufenbjäl)rigem ©rabeS=
mober, nur erhalten, meil ber ©ebanfe an ben 2ob, bie ftutty bor ber
3erfiörung, bie ernfie $bee ber (Sroigfeit jenes ältefte ber Gulturbölfer meljr
als alle fpätern Hölter befd>üftigte. Aber fte ^at einmal gelebt, jene Söelt,
fo gut roie bie heutige, in ©onnenglanj unb 5rfuDe, in buntem 9Jienfcben=
getuimmel, in rühriger, rnftlofer ©eroeglicbfeit. STaufenbe bon Warfen be=
fuhren bie fidj freujenben Anne beS töilbeltaS unb befrachteten ägpptifcbc
flotten am Wittelmeer, ©tobt an ©tabt erhob fidr> jtoifcben ^almenhainen
an ben üppigen Ufern beS oergötterten ©tromes. Die ^nramiben bon
(Bijct), mit geföjliffenen Ouabern befleibet, ftrahlten fdjimmernb hinüber na*
ben iempeln bon Memphis unb £eliopoliS, beren Monolithe unb 3öänbe
im lebhafteren ftavbmfömudt prangten. 5öährenb bie bunte SMlberpradjt
unb bie tunftreidj gemeißelten £ierogltophen bem Sßolfc bon ben $ahllofen
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i'iterarifdje» ßebeu im alten Megtyrten.
10!)
(Göttern unb Don ben ältejiten Wömg»gejd)lcdrtern erjagten, brangen üon
ber ßönigsftabt lieben au» neue triegerifche .sperrjeher, Don ber Stenge als
(Götter oerehrt, ben 9iil hinauf in bie nubifepen SJerge, unb ben 92U hinab
unb roeit über beffen ©ebtet fy\nau% in bie benachbarten Bleiche ^tfien».
Salb überftrahlte if>r 9tufmt ben ber frühem 3eit, unb bie $önig»ftabt
Xheben überflügelte an bracht ba» ältere Memphis. Verbau, ©eroerbe,
£>anbel, fünfte, äüiffenfchaften blühten unter einer früh auSgcbilbeten, motyU
geregelten StaatSDerroaltung. 3n ber ßenntnifc ber $eftirne, technischer
^ertigfeit, SBauluft unb 33autunft 5eichnete [ich bie tt)ätige Nation frühzeitig
au» ; Don ujr erhielten roar)rf(jr)einlt€^ bie ^^önicier bie ^Buc^ftabenfdt)rift unb
bura) fie bann bie übrigen 9(moohner be» 9Hittelmeere». $ie ©riechen felbft
leiteten einen großen i^eil it>rer eigenen Kultur Don ben 2legoptern t)cr.
1. ®efd)id)tlid)e ^nfeftriften unb bibaftifdje 9luüeid>nungen.
(Sine gebrängte Ueberficht dou bem Okunbftorfe ber ägt>ptifcr)cn Öite=
ratur, ben fogen. ^emietijajen 33ücr)em, hat und 6 lernend ber Wleranbriner
Ijinterlaffen im Anfange be» britten chriftlidjen ^a^r^unbert-, wenige ^ahr=
jelmte 6ebor jene Literatur unb mit üjr ba» iterftänbniB ber brei ägtoptifchen
Schriftarten: ber r)icroQlr)pr)ifc^cn, tjieratifcr>en unb bemotifdjen, für 16 ^a^r=
fjunberte DÖÜig erlöfchen foütc. @r führt fie im» in einer fteftproceffion
bor, tute fie bamal» noch feierlich bie Strafen Don 5lleyanbrien burdjjog.
5k>ran fchreitet ber oänger mit ben Tombolen ber *Dcufif unb ben jioei
$üchern ber ©ötterhomnen unb Äonigslieber. $ann folgt ber 9lftronom
mit ber ©tunbenutjr unb bem ^r)önir f ben Reichen feiner 3Biffenfchaft,
unb ben bier 33ütt)ern ber Stcrnfunbc. .pinter ihm fdjreitet ber £>icro=
grammateu», ber ^eilige Schreiber, einher, öhnlid) nie fein Sdm&gott Xt)ott)
ba» Jpaupt mit Gebern gefdjmüdt, in ben ^önben tRichtmafi, £chreibrohr
unb "iintengef äjj , mit ben sehn Büchern ber ftosmograblne , (Geographie
unb 2anbe»funbc. Kuf ihn folgt ber 3toIite», ber $lciberbcroahrer, mit ber
geiefcmäBigen Gfle unb bem iranfopferfeldj unb ben jer)u Söüchern, bie Dom
ßtottesbienfie unb Don ben Cpfern honbeln. Grft jefct erscheint ber Prophet,
ber ©ötters unb <$efe£e»tunbige, ber ^Repräsentant bes Ijöchflen unb geheim=
niBDoüften 2öiffen§, ben Opferfrug in ber £>anb, mit ben $ef)n 93üd)ern,
roeldje Don ben ©efejjen, ©örtern unb aller priefter liehen 2Öei»heit r)anbeln,
mährenb anbere bie heiligen Cpferbrobe ihm Dortragen, ^m ganzen ^ählt
Siemen» 42 (jermetifche Bücher auf, Don Denen 36 nach feinem 2lu»brurf
bie „gefamte ^^ilofop^ie" ber 9legöptcr, bie anbem 6 ihre naturroiffenfchaffc
liehen unb mebicinifeben flenntniffe umfaffen1. 9(n biefe heiligen 93üa>r
1 9lu« ben Angaben betf Giemen« ergibt ftd) für bie cinjelncn 42 Stöger fol=
genber Onholt: 1. (Sötterl)t)tnnen, 2. JRönig*fo)mnen unb flönig«btograp^ien, 3. «II»
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110
erfte« 2Judb\ Siebente* ftapitel.
fd)loj? fid) unjmeifelljaft nod) eine meitere ^rofanliteratur , äber beren Unu
fang inbe§ fein unmittefbarc« ^eugnifc Vorliegt.
5Ba§ für bie Wadnoelt mistiger roerben foßte als bie Öefeluft ber
£ebenben, mar bie ©itte ber Wegnpter, ben einbalfamirten lobten iljre fiiek
iing*frf>riften mit in» ©rab ^u geben, bie 3>nfd)riften, mit roeldjen ftc beren
©arge, i'eidjentüdjer unb ©rabe*roänbe fdjmiitften , bie ^nfdjriften , roeldje
fie an Tempel, ^aläfte, ©räber, ©telen, Cbeltefe meißelten ober malten.
$ie 3af)l foldjer ^nfdjriften ift Legion. Sie reiben au§ ben erften jmei
d&riftlidjen Safyrfnmberten jurürf in jene ber älteften #önig§gefd)Ied)ter. 9ln
einer foldjen $nfd)rift, bem 1799 entberften ©rein bon SRofette, beren fyiero*
gltoplnfdjc #affung 3uglet$ bon einer bemotifajen unb gried)ifdjen Ueberfefumg
begleitet mar, entzifferte ber (Snglänber j!)oung bie erften ipieroglnpfjen , ber
Qfranjofe ßfjampollion bann bie übrigen 3c^cn unb ba% ganje altägnpttfdje
©cb,riftft)flem. $a lebte bie in Sanb unb Krümmern begrabene 2öelt ber
alten Wegnpter gleidjfam aus taufenbjtifjrigem ©Plummer auf, unb faft fein
3aljr ift feitljer öerftridjen, baS nid)t bie Äunbe barüber, fei e§ burd) ßnfc
berfung, (Entzifferung ober Grflärung neuer $enfmöler, bermebrt Ijätte1.
gemeine Sternfunbe, 4. »on ben Stmoben ber Sonne nnb beä 9)tonbe$, 5. JBon
ber erleudjtung ber Sonne unb beä SJlonbeä, 6. JBon bem Äufgang ber Sonne
unb beä Dlonbee , 7. Jtoömograpt)ie , 8. ©eograpl)ie , 9. Horn Sauf ber Sonne unb
beß 9)tonbes, 10. 9)on ben Planeten, 11. £f)ovograpf)tc oon 9legt)pten, 12. JBefdjret»
bung be$ 9til$, 13. SJcfdjreibung ber Opfergerätbe , 14. 3)on ben ^eiligen Stätten,
15. Hon ben TOafeen , 16. Hon ben Opfergebräudjen , 17. Hon ben 9taud)opfern,
18. Hon ben ffrfMtngen, 19. Hon ben £omnen, 20. Hon ben ©ebeten, 21. Hon ben
Sreftjugen, 22. — '20. Won ben fteften unb äbnlidjcm, 27.-36. Hon ben ©efefcen, ben
©Ottern unb ber gefamteu prtefterlidjen Söiffenfdjaft , 37. Hon ber (sinridjtung be*
8eibe$, 38. Hon ben Jftronttjeiten , 39. Hon ben Organen, 40. Hon ben Heilmitteln,
41. Hon ben 9lugen , 42. Hon ben grauen. -- dem Alex., Strom, lib. VI. c. 4
(Migne, P. gr. IX, 254 sq.).
' SBetöjcn Umfang bie 9legl)ptologte gewonnen fmt, mag man barauo ab«
nebmen, bafe 9tid)arb Sepfiu«, ber bebeutenbfte beutfdjc Negoptologe, bei feinem
Sobe (1884) eine Hibliotljel Innterliefe, bie nid)t toentger al$ 1427 auf Slegüptologie
bejüglidje SÖerfc umfaßte (Slntio. Katalog üon Srocfbau«. öeipjig 1886) , barunter
ba« auf 9lapoleon$ (?rpebition fuftenbe SJlonunientalroerf Dcxcriptian <ir FÄgyjtte
(Paris 1809^1828. 10 ^oliobnube 2ejt unb 14 ©ro&foliobänbe 5afeln), ba8 oon
Sepfiuä geleitete 9)Joiiumentalmerf B3)enlmäler aus Slegnpteu unb aet^iopien"
(»erlin 1849-1858. 12 ©ro&foliobänbe mit 900 Safein), 46 oon Viepfiu« felbft »er*
fa&te Sßertc unb *Dlüitograpf)icn, bie oon 9i. Sepftuä unb £>. Srugfd) tjerauSgcgebene
„3cttfd)vift für ägüpttfdie Spradje unb 9Utertbum«f unbe", 22 3af»r--
gänge (1863- 1884), femer 59 Oon JBrugfd), 25 oon Sautb oerfnfetf
Sßerfe unb ^Jlonograpbieu u. f. n>. 6in bie biöfjerigen »yorfd)ungen jufammen»
faffenbed ©er! gibt H ntrtjt. 9ieid)l)altige Crientirung geioäljren: Gb,r. (S. 3- « un-
ten, «egijptend Stelle in ber 2Beltgefa)id)te. 5 *Bbe. Hamburg unb ©ottja 1845
bis 1857; englifa) oon Ch. H. Cottrell, with additions by .S\ Birch. 5 vols. London
18M— 1867. »rugfd), ©efdjidjtc ?legöpten<J unter ben «ßtjaraonen. ßeipjig 1878.
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ßiterarifdje« ßeben im aUcn «eggten.
III
Die biftorifdjen unb culturbiftoriftben ^nfdjriften unb ^apbri a^fi"
bilbcn bereits ein umfangreidjeS Wrd>iü. tafeln in ftarnaf, SfbnboS unb
Saqqäralj ergänzen bic ßönigSüfle beS Muriner ^JapbruS. Die CbeliSfcn
auf bem Sateranptafc in JRom unb in 9Ueyanbvien geben uns $unbe bon
2$ot$me3 III., ber auf bem @oncorbienpla£ ju ^aris Don 9tamfeS II. Der
große ^apnruS Harris metbet uns bie (&rofctbnten SRamfeS' III. unb bie
©cfdjenfe, bie er ben Tempeln beS SanbeS, befonberS ben beborjugten ju
9Rempt)is unb Sieben, madjte. Die SQBänbc beS Tempels tum Der=el=
23abari bei Ifjeben Silbern in SMlb unb SBort bic flotte ber Königin
#atafu, bie mit IbotbmeS II. unb $b°tfjmeS III. regierte unb aus Arabien,
bem Sanbe Sßimt, bic reid)ffen Sdjätje nadji Wegnpten bringen lieft. Gin
^apbruS im SBritifdjen SKufeum erjagt uns bie 8d)irffale unb 33eobad)=
hingen eine« Steifenben, ber im 14. ^afjrtyunbert ü. @f)r. Serien, ^t)önkien
unb s$alftfrma burdjmanberte. Unb fo reibt fid) Denfmal an Denfmal bis
berab 511 Darius unb ^Ileyanber, ^u ben ^ßtolemäern unb ju ben römifdjen
Äaifern, roeldje nodj ^ot)Ireic^e Üempelbauten förderten unb beren Warnen bis
berab auf DeciuS (SaffaS) in £>ierogh)pljenfcbrift erholten finb.
©otoobl if|teS ^o^en Alters rocgen roie aueb als Siteraturbenfmäler im
engern Sinne finb einige 3nfd)rifteu berühmt, toeldje in fprud)artiger gönn
öon ben fittlidjen 9(nfd)auungen ber älteften 3*it ftunbe geben unb ben im
2obtenbudj entbaltenen ©ittencobej: pofitib ergänzen. Jpierju gehört 5.
bie in 2urin aufbemabrte Stele beS 33efa, auf roeldjer biefer folgenber=
mafien Don fid) befennt:
„3<b mar geregt unb aufrißt ig, of>nc $>interl)alt, trug ©Ott in meinem £erjen,
ftetu bereit , feinen JEÖiUcn 3U erlernten. 3d) bin in bie Stabt berer gefommen , bic
in ber @u>igteit mahnen ; id) ttjat ©uteS auf 6rbeu, id) beging lein Ucbel, fein ÜBer*
brechen; id) billigte nid)td fiebriges ober SBöfco ; meine ffreube mar ti, bie 2BaJ)r»
beit ju reben, benn id) roeife mobl, mie etjrenooll eä ift, auf ßrberi fo 31t baubeln
oon unferer erften üh,at im ßeben an bis jum ©rabe. 3d) bin ein ©at)u, mit ^reube
am Äeet>tth,un; meine $id>tfd)nur mar übereinftimmenb mit ben ©efefren (hapu) be«
SribunaU ber boppelten ®ered)tigfeit. 3d) t>abt nie jemanben niebern Staube*
unterbrüeft ; benen, roeldje bie ©ötter ehrten, babe id) fein ßeib augefügt. 2>ie ©üte
unb S3)abrt)aftigfeit, bic in ben §erjen meiner Gltern maltete, h,at meine Siebe ibnen
jurüdgegeben. 9tie fyabt id) fie (biefe ©ute) burd) ineine ^mnblungSmcifc gegen
Siater ober SDtutter oon meiner frübeften 3ugenb an oerle^t. Obroofd id) einer ber
— Sümidjen unb 6. Wteljer, ©efd)id)te bec alten «egUpteitö. »erlin 1887.
©. ßberö, ?legöpten in SBilb unb 3öort. Stuttgart 1878—1879. — 3. v#. 91. (5 r«
man, Slegn^ten unb äguptifdjeö ßeben im %ltertbum. Bübingen 1885— 1887. —
O. Maspero, Hiätoire aucienne des peupk'S de l'Orient. Taris 1875, mehrere Vluf«
lagen, lefcte 1896 ; beutfd) oon 9i. s$ i e t f d) m a n n. ßeipjig 1877. — 3f. 0- ß a n t b.
Slud «eggten* SBorjeit. SBerlin 1881. — 91 5£6ic bemann, ©efd)id)te 91egt)pten«.
ßeipjig 1880. — 2) er f., Religion of the nncient Egyptians. London 1897.
1>ricbr. ftnöfer, ^gnptcn einft unb jefct. 2. «itfl. 3frciburg i. ör. 1889.
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112
grfte* $u#. Siebente* ftopitel.
fcodjgeftellteii war, fwnbelte id> bod) fiet«, ate ob id) einet ber Biebern gcioefeu
wäre. 3<f) brängte feinen jurücf, bei- würbtger war als idj. «ölcin 9Runb mar ftetd
offen, um Söafjrfjett ju fprcd)en, nie, um ©treit ju ergeben. SBast id) f|örte, wieber*
fwlte id) gerabe fo, wie es gefügt warb." 1
3*on ben «Schriften, roelcftc biefe etlnfdjen 2lnfd)auungen fprudjartig enU
roideln, ift bic im ^apbruS griffe enthaltene beS ^taljfjotep bie berülnn--
tefte — als „baS ältefte 33ud) ber 6rbe". £enn ber $erf affer lebte unter
bem tfönig letfara (V. $tmaftie), unmittelbar naefe ber 3eit ber Erbauung
ber großen ^oramiben, unb beruft fidj babet nod) auf bie Sd)riften „ber
bitten", $Ste aafjlreidje Snföriften, fo ermahnt aud) biefe ©prud)fammlung
$um ©tubium ber 20ei*l)eit, $ur Pflichterfüllung gegen Altern unb $or=
gefegte unb jur Edjtung bor bem Gigentlmm. ©ie ftellt fiaj bar als baS
SRalmtoort eines ©reifes, ber 110 Saljre luenieben gelebt, bie Jgmlb mehrerer
.perrfdjer unb ber heften feines Golfes genoffen, jefct aber, oon ber 3a()re
Saft baniebergebeugt , ben fommenben ftefajledjtern ben ©djafc feiner Gr*
fafjrungen mit auf ben 2Beg geben roill.
%\\ bie Sc&ilberung beS ©reifenalters, roclaV ben Jüngern berebt genug
an bie £ur$e unb $ergänglid)fcit beS 6rbcnbafeinS erinnert, fnüpft ber
roeife Mite jtinäcfjft bie Sorberung, bem buraj Seib unb @lenb niebergebeugten
ÖreiS baS geben nid)t nod) befdttoerliayr 511 madjen, fonbem eS ifnn burd)
(Sljrfurajt unb Siebe 511 oerfüfjcn. $aS fü^rt oon felbft auf bie gefellfdjaft»
lid)c törunbpflidjt beS patriara)alifcf)en ©eljorfamS:
„5d)ön ift ©eljorfam, ein bcrrltdjeö 2üort. Sdjöner jebod) alä jeber anbere
(Sct)orfam ift ber ©eljorfam aud Siebe; jweimal r)errlid), wenn ein ©olm bie {Rebe
feine« 33aters aufnimmt, er wirb alt werben beStjalb. 2)ie Siebe ©orte* ift mit bem
©efjorfamen, ber ltngef)Drfame aber ift ©ott ein ©reuel. ©ieh>, ba8 $er3 madjt
feinen SBefitjer ju einem ©etjorfamen ober llugeborfamen Sßorjl unb äöelje eine*
flJtenfdjen Rängen ab uon feiner 6tnne*art. SBßer gefyorfam ift, getjordjt einer <Sr»
mabnung willig ; gefjorfam fein tjeifet tjanbeln nad) guten 3Jorfd)riften. ©efyordjt ein
3ot)it feinem Jöater in ßrreube, wirb bas gefagt uon einem ©ofme, bann wirb er
gern gefeh>n bei jebermann. 2öer in ©erwrfam rjört auf ba* ju iljm ©erebete, bem
wirb e« wobl geben an feinem Seibe, ber wirb geeint fein bei feinem Steter, unb
fein Sob wirb fein in bem ÜJiunbe aUcr ßebenben , bie auf Arbeit wanbeln. . . .
2er getjorfame 6ofm erreicht ein glüdlid)es ©eifenalter, er erlangt bie Söurbc ber
^ietät. €ein SBort bient jum SRufter feinen Jlinbern. in Erneuerung ber ßefjre
feine« Steter*."
3n ä^nlidjer SÜeife empfiehlt iptab,^otep bann $emutfj, ^lug^eit, ftxieb--
fertigtett, s«Reblia)feitf Aieufdjb,eit, SBarm^cr^igtcit :
„SCßenn bu einen ©ebieter in einem unwirfdjen ftugenblicf txiffft, fo fei juiwr»
fommenber ©efimmng. ^eige beine 9(rmc, beuge beinen 9tflden, fei ttidjt auf«
1 Uebcrfe^ung uon Chaba*, Transactiom» of the Society of Biblical Arcliaeo-
logy V, 459, unb Records of tlie Fast X, 5—10. Se ^age ftenouf, «or«
Icfungen (Seipjig 1882) S. 68. 69.
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8iterarifd)ee ßeben im alten tleg^pten.
1 13
braufenben Sinnet; beim er h^Ute feine ©ebulb mit bir. ein [d)ltmmrt SBort Oer»
md)tet bidj. . . . Jöertoeife ibu auf th> ?elbft burd) 3ld)tung, baä ift ntefjr mertb, al*
ba8 Httfblifcen beiner Seibenfdjaft.**
„JEßer rote ein Ärofobil Dom @ut beä Sla^barn raubt, ber gcreidjt feinen
Äinbern jum ©djimpf. Sein SBater gerätf) in Äummer, feine Butter toirb ein Äinb
be« $obc$."
„28er fid) öon Söeiberfudjt übermannen lä&t, für ben gibt e$ feine ÜJtögltd)«
teit guten 9tati)eö melnr."
„35ein Slntlife teufte, folange bu lebft. üöenn an beinern 2ifd) ein 2>arbenber
erfdjeint unb um «Imofen bittet, unb ift bie ©ier feine« @efid)teä eine flunbinadjung
ber ßeere in feinem Saud), fo meife ifm nidjt ob>e 9lotf) jurud, unb bringe ifm
nid)t baju, biet) anjupaden." «
JÖiec rote in anbem <Sprücf)en mitunter lautet bie SJegrünbung etroa*
felbftfüchtig ; anbere weifen inbeS mieber beutlich auf bie Sieligion al§ bie
eigentliche $runblage ber «Sittlichfeit f)\n:
„SBenn jemanb ftd) ftolj überhebt, fo toirb ©Ott, ber feine Starfe mad)t, ihn
bemüthigen."
„SEßenn bu toeife bift, fo ersiehe Deinen eob.ii fo, bafj er ©Ott liebe."
„3)er grofemütbige TOenfct) wirb oon (Sott gead)tet; ber aber, ber feinem
(Baumen fröhnt, mirb feinem eigenen SÖeib tum Spotte."
•
Much bie „Sprüche be$ 51 ni" führen bie fittlichen Hoeningen QUÖS
brüefüch auf baä (Sefefc ©otteS *urücf:
„SBete bemütfjig, mit liebenbein $erjen; fpridj bie Söorte beinev ^flebeuä im
geheimen aus."
,(fr toirb bid) in beinen @efd)äften befdjüben, er toirb auf beine SBorte hören,
er mirb beine ©aben annehmen."
„SÖenn bu ©ott beine Cpfer barbringft, fo hüte bid) oor bem, maß er Oer»
abfäeut." "
$ie Ermahnungen beö Königs Slmcnemhat 1. an feinen eofjn unb
Nachfolger Ufertefen I. (XII. $unafhe)3 bemeifen, baß auch bie ältern .perr=
jeher beS SanbeS fich nicht Don ben allgemeinen Pflichten enthunben glaubten.
Xer mächtige ^Phörao, ber fpäter ate ein f>errfcherüorbilb in ber Erinnerung
ber 3iegty)ter fortlebte unb öon beffen Wacht gemaltige Sauten in ^aijurn,
in $enberoh unb %tyben 3«"Ö«'B Öeöe"> ermahnt feinen Boijn, be* $age§
1 8auth, ^apürud «prüfe. SifeungiSücricbte II (ÜJlündjen 1870), 1 -140. 8e
$age Slenouf, SJorlefungen S. 72.
* Üe *JJage SRenouf, 93orlefungen S. 72.
3 35er Sitel lautet : Slnfang ber Untertoeifungen, oerfa&t oon ber $>eiligfeit be*
üerjtorbenen flönig« tlmenemhat I., mclcber jpridjt in einer 3lu«toahl oon 3Bahr«
heiten ju feiuem Sohn «Jlebertir (Ufertefen I.). ^apöjuö SaUier II. — Records of
tbc Fast II, 9-16.
Saumflartncr. 2B»Mittratiir. I. 8
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Grfted SBud). Siebente« Äapitel.
ber ^rübfal unb be* 2obe* 311 benfen, bie fc^tueren Pflichten eine» £>errfd)er*
311 erfüflen unb bem Webern unb ©eringen ebenfo zugänglich ju fein als
ben ©rofren be* 9teid)e*
1. Siel igt öff ©djriften.
Unter ben un* erhaltenen religiöfen Schriften ber Wegpbter nimmt
ba* fogen. lobtenbuch 2 ben erfien 9lang ein. 33on ben anbern brofaifchen
Schriften, welche fidj inhaltlich bemfelben anfchliejjen, ift bie merfmürbigfte
„$a* 93uo) Dom 9lm = $uat" ober „Da* 5öuaj bon ben fingen in ber
Siefe", ba* fich fomor)l auf $abnru*rollen al§ auf ©ärgen borfanb. «et
ber Eröffnung ber #önig*gräber $u $er=el=$ahari (üurnah bei Sieben) traf
man e* in boppeltcr Raffung, an bem ©arfobljag ©etiö I. wie auch an ben
Sffiänben feine* ©rabeS, beffen Gorribore fich über 150 m weit in ben ftel*
hinein erftreefen \ @* fdulbert ba* $uat ober bie Unterwelt als ben föaum,
melden bie Wadjtfonne $u burchlaufen b,at unb melier, ben jmölf Stunben
entfbredjenb, in jwölf 9fäume geseilt ift. Seber hat fein eigene* Zfyox unb
bilbet gleichfain eine ^öflenftabt für fich. Durch alle aber läuft ein jufammen--
hängenber ftlu^, an beffen Ufern recht* unb linf* bie abenteuerlichften ©eifter
unb Dämonen häufen, ©öttergeftalten ber altern 3eit, Männer unb SBeiber,
mit Canjen unb Seffern bewaffnet, 91ffen unb alle nur erbenflichen 3tt>ittcr=
formen oon 9Jcenfch unb %tytx. 3ebe Stacht fährt ber Sonnengott 9ta bon
neuem triumphirenb jmifchen biefen ©djaren bon Ungeheuern hinburdj. Die
in biefer Unterwelt*fd)ilberung enthaltenen 91nf<hauungen weichen fehr bon
jenen be* % obtenbudje* ab. Seber fjfreunb be* ©orte* 9fa erhält ihr jufolge
jroar S^ber im Duat unb bamit fein 91u*tommen, aber nur für eine
©tunbe, menn ber Sonnengott in feiner Sarfe ben ihm befdjtebenen Üiaum
burchfuhr. 9hir biejenigen (önnen immer bei 9ta berbleiben, welche in ber
9)cagie bemanbert finb unb burch ihre 3auberformeln alle Sdjrecfniffe ber
jwölf ^öllenbolgen 3U überwinben wiffen4.
6in ähnliche* SBuch, „Da* 33ud) bon ben %t)oxtn", entroicfelt bie=
felben Stnfchauungen, flicht aber swifdjen ber fünften unb fed)*ten ©tunbe in
einem eigenen ©aale ba* Sobtengeridjr ein, ba* bor Oftri* unb ben 9ieun=
göttern feine* Greife* ftattfinbet. Die Sööfcn werben an pfähle gebunben
1 (Sljantepie be la ©auffaöe, 9ieligion0i]cftf)td)te I (Ofreiburg 1887), 305.
- 6b. ÜJlencr, ©efdjtdjte be« alten 9legtypten« S. 172 ff. — Maspero, Hist. anc.
p. 11—13. 123 s. — Wunder, ©cid)id)te be« SUterthum« 1 (5. Stuft. 1878), 102.
s ©icf)e ba« oorige ßopttcl S. 86 ff.
» Leftbuve, I^s hypogees royauxdeThebes. I. LetombeaudcSeti I. Paria 1886.
— Maspero, Los hypogees royaux de Thebes (Rev. de l'hist. des religions, 1888).
* Ueberfefcung t>on Öcfebure in ben Records of the Past II, 79—134. %l.
Bie bemann, 3Mc »eligion ber atten «eggtet (1890) 6. 45—59.
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fiiterarifdjeS Beben im ölten Stedten.
115
uttb burd) $euer unb ©affer gequält; bie ©uteri bagegen erhalten 9te(fer
jur Bebauung, bie ober nidjt tüte bie ©efilbe Don 9(aru ftcten CidjteS ftd)
erfreuen. Söäljrenb im „öudj bom 2lm=$uat" eine einfache Zfyütt bie oer=
fdjiebenen Räume f Reibet, finb biefelben im „SBudj bon ben Sljoren" burdj
gemaltige ÜJlouern getrennt. 9tur ein enger ^fab gemär)rt Gtinlafj, rechts
unb linfs je t>on einer Whunie, bon neun ©öttern unb bon feuerfpeienben
6d)langen behütet, roeldje ifjren Jfuerobem burd) ben ganzen ©ang ftrömen
laffen. 9hir auf 3QUb^fomietn Inn mürbe e§ bem ©otte 3?a genmrjrt, bafc
fdjauerltdje Sljor 51t bafftren. $ie Mumien öffneten ib,m ib,re 5Irme, bie
©drangen Nörten mit fteuerfbeien auf, unb eine größere (Solange frodj
Ijerbor unb erfdjlojj bem ©otte bie 2f)üre. 2)a§ finb Säuberungen bon
einer grote$l=bf)antaftifd)en ßrfinbung, bie fid) mit £ante* ^ößenfcenen ber=
gleiten laffen; bod) fie finb nur fd>ablonenf)aft ausgeführt als Seil ju ben
berfdiiebenen Silbern, bie tjier nebft ben magifdjen Wormeln als £>aubtfadje
tjerbortreten1.
3e meb,r bie 9Jh)tb,oIogie ftd> bon ben erftcn, einf ackern Waturmbttjen
entfernte, nad) unb naa) -um mirren ©ötterlabnrintb, fidt) geftaltete unb im
Sbierbienfte aufging, befto mein* brang aud> übertäubt bie <Magie als be=
b,errfdjenbeS Clement in baS ©einleben ber SIegnbter ein unb bemächtigte
ftdj nicbt nur ber religiöfen Enfdiauungen unb beS lobtenbienfteS, fonbern
aud) ber £>eilfunbe unb ber geroöljnltc&ften Vorfälle beS MtagSleben*. Solare
magifd)e gormein enthält ber magifajc ^apnrus #arris2, einen ßalenber
für 3auber unb 3?orbebeutungen ber ^apbruS Sallier IV 8, ein auf 3auberei
fufcenbeS Sbftem ber £eilfunbc ber erft in letzter 3eit entberfte ^apbruS
(SberS4. $ie ßeime b,ierju lagen fc&on in ber 2eb,re beS lobtenbuaVS, 311=
folge meldjer baS Wißt bem 9ta, bie 9lugen ber £atljor, bie $>aare ber
9to, bie Of)ren bem 9tp=uat, alle ©lieber ftiifammen aber bem Sfjotb, als
1 SUon anbern relißiö£«pfjÜofopIjtfd)en ©Triften finb tfiex nod) anjufüfjren :
,£a* Sud) bom ßebenfiobem" (Schait en senson), ba« ber 3tftÄ augefdjrieben tourbc
(Records of the Past IV, 121 ff.); „3to* 93ud) Don ber SBer&müdjung be« Cftriö'*
(8e «Page Steno uf, »orlefungen 6. 193): „Sie ßitanei be« 9ta" (Records of the
Past VIII, 108); ba« Fragment über „Sic 93erniä)tung ber 9Jtcnfd)heit" am @rabe
6eti« I. (ibid. VI, 103); „Site 9lebe be« §oru« an Cfiri«" (ibid. X, 159); bie ©rab«
infdjriften be« Itna (ibid. II, 1), be« Slmeni (ibid. VI. 1), be« §aremfiebt (X. 29).
• Ueberfefcung oon Gbabad in ben Records of the Past II, 13*»— 158. —
Hnbere magifa> Sejte ibid. VI, 113—126.
* 2lu«jflge bei SBtebemann, ^Religion ber alten Stegtypter 6. 141, unb bei
Manpero, Les conti»» populaircs de l'figypto ancioune (2* öd. Paris 1889). Intro-
duction p. lxii — lxxv. — 3)en ganzen ßalcnber ertlärte &f)aba8 (Le Calendrier
des jours fastes et nefastes de l'annee ögyptienne. ChiVlon 1870).
4 ^»erauägeg. oon ©. 6b er«, ßeibjig 1875. SBgl. oon bem f.: «Pabtjrud ©ber«
(3)ie 3WaBe nnb ba* ßapitel über bie Hugentranfbeiten). Seibjig 1889.
8*
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110
Grfttf SJud). Siebente« Kapitel.
Sdurmljerrn empfohlen waren. $aS beljnte man Don bem ©erftorbenen
fpätet auf ben Sebenbcn aul; babei würbe aber ber ganje Körper in
36 Xfyeile ^erlegt, unb ftatt ber alten Götter erhielt jeber berjelben einen
ber $orftel)er be§ SljierfreifeS junt Patron. 2öurbe jemanb franf, fo
^anbdte eS ft$ nur baruni, ben $ämon be» tränten 2£eile§ ju wiffen unb
mit magifd>en Wormeln *u befc^roidrjtigen ^
3. $ie CfirU = Klage.
SJon ben 2>Jt»t^cn bcS 5obtenbua)eö Ijat einer eine mirtlid) poetifd&e
weitere Wu&geftaltung erfahren. $erfelbe ift ben bidjterifä) angelegten
©rieben nid)t entgangen, ^lutard) f)at uns beffen 3nfjalt am auSfül)r=
tieften aufbewahrt. (53 ift ber Sty^o* uon CfiriS unb 3t f i ö Olfiri
unb stufet).
OftriS mar nad) ^lutard)§ öeriajt2 König Don Wegopten. @r t)ob
bie 33ewoljner biefeS SanbeS juierfl au§ einem t^ierär)nlicr>en 3uftanbe ju
höherer, menfd)lid)cr 58ilbung empor, lehrte fic ben 33au ber Ofelbfrüd)te,
gab ifmen ©efe£e unb mattete fie mit ben ©öttern unb iljrer 5Beret)rung
betannt. $ann burd)jog er bie 2Belt unb milberte allenthalben bie Sitten
burd) ©efang unb Saitenfpiel. Solang er abmefenb war, wagte fein
©ruber 3:npfwn (©et) feine Seränbcrung; als aber CftriS jurütffam, ber=
fd>mor er fid) mit 72 ©enoffen unb einer ätffiopifdjen Königin ju beffen
5)lorbe. $urd) liftige 33orfpiegelung braute er ir)n baju, fid) in eine
prächtige Xrufye ju legen, bie er nad) feinem ÜJtajje angefertigt. Sobalb
Cfiris bariu war, f^lugen bie SBerfdjworenen ben $edel $u, fdjloffen bie
Irulje mit Wägein unb S31ei unb fanbten fie burd) ben tanitifd)en 9?ilarm
ans 9Jteer. Sie warb aber bei SöübloS an§ Canb getrieben; eine prää^tige
(Srifa umfd)lofc fie mit unrein Stamme. Der König be§ fianbeS Hefj ben
Stamm als Säule in feinen ^ßaloft bringen unb fteüte fie barin auf. 3fi§,
bie fd)mefterlidj>e ©attin beS CftriS, forfdjte untröftlia) nod) ber Seidje beS
(beliebten, tarn enblia) auf feine Spur, oerbingte fia) als 51mme bei bem
König üon 93t)bloS, erfannte in ber Säule munberbar ben in itn" ein=
gefd)loffenen Sarg unb entfernte bie £ülle. 5)ann warf fie fid> über ben
Sarg, fd)ludjjte laut unb na^m üjn mit auf it)r Sdjiff. 55a erfl öffnete
fie ben Sarg, legte tyr ©efid)t an baS beS tobten (Satten, füfrte it)n unb
weinte, hierauf Derbarg fie ben Sarg unb reifte ju ifjrem Sof>ne &oru3
in SButo, ben fie erft nad> beS 9}aterS (Srmorbung geboren tyatte.
Unterbeffen aber fließ 2t)pf)on bei einer näd)tlidf>en 3agb auf ben Sarg,
erfannte bie Seiaje, jerrifc fie in 14 Steile unb jerftreute fie über baS ganje
' lobtenbud) cap. 42, 1. 4; cap. 101, 1. 8.
a liutarch., De Iside et Osiride c. 12-20.
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j
ßiterorifdje» geben im alten HegWten.
117
Sanb. ©obalb baS 3fte erfuhr, burajmanberte fte abermals mit ifjret Scfomefter
9tept)tljö£ ganj Slegöpten, entbecfte ber Steide naä) alle ©tütfe ber Seidje bis
auf eines unb errid&tete an jebem ^funbort ein ©rab für iljren ©emaljl.
9llS £oruS ermadjfen mar, erljob er fidj als 9täd)er miber ben Färber
fetned 3$aters, beftegte iljn nadj biertägigem Äampfe unb liefe ifpt gefeffelt
bor feine Butter 3ftS führen. $)iefe fronte fetner. 2)a ergrimmte |>oruS,
rijj ifjr bie ßrone bom Raupte, b. er feblug iljr baS £>aupt ab. Kermes
fe$te iljr bafür einen ßuljfopf auf. $urdj ben tobten CfiriS roarb fte o&w
itodj einmal Butter unb gebar einen @ofm : £oruS baS ftinb, Hör pe /rut.
ftegnptifäje 2erte Ijaben alle mefentlidjen 3üge ber Grjä^lung Flittard)*
betätigt. 3n unjäfjligen ^nfüjriften nrirb barauf angefpielt. Tempel unb
Üempeltrümmer Dom 3)elta bis hinauf 311 Gaffel) $mifd)en bem erften unb
jmeiten Wilfataraft bezeugen, bafj biefe Sage über baS ganje Sanb Derbreitet,
bie bolfStf)ümlid)fte aller alten 9)tntfjen mar. $ie 3«pdelung beS £eia>
nams, bie Sammlung ber jerftreuten ©lieber burä) £oruS unb bie 9tacbe beS
lejjtem an ben ^feinben bes Ufiri mirb fdjon auf ber ©rabpnramibe 9JterenraS
(VI. $5bnaftie) ermähnt1. 9lad) einer Öifte (im Tempel ju $>enberalj) befanb
fid) in SRempljiS ber &opf, in CetopoliS ber £>a!S, in ^IttjribiS baS £>erj
beS OfiriS. 3m ganjen jäfjlte man in fpäterer Qe\t 42 Xempelgräber be*
CfiriS ober ©erapeen, mie bie ©rieben fte nannten, inbem fie ben tarnen
ber ^eiligen Stiergräber ju 2)templji§ auf bie ©räber beS $obtengotteS über:
trugen, ©eflattung unb 9luferfte()ung beS OfiriS mürben afljäfyrlid) im 9Wonat
(Sljoiaf feierliaj begangen, unb TObdjen fangen babei bie Jllagelieber ber
3fis unb Wepfjtlms, meldje fid) in mehreren Raffungen erhalten Ijaben. Sie
mürben gleia) anbern besten ben lobten mitgegeben, um ifmen jur 91uf-
erjie&ung gu oer^elfen2.
Anrufung ber 3fi*.
Komm 311 beiner 2üot)ming ! Äomm ju beiner SÖobnung ! SJeine fteinbe finb
nic^t mefcr. O fcrrlid&er gfftrft, foram ju beiner Söofjnung! ©djau mid) an! 30)
bin bie ®d)tt>efter, bie bi<$ liebt. »leibe nid)t ferne Don mir, fd)öner Jüngling!
Äomm su beiner Sßofmung! ©djnell, fdntett! ©iet)ft bu midf) nidf>t? 9Jlein ^>erj
ifl in »itterfeit um bidj. Sefjnenb fucfjen bidt) meine Äugen. 3(t) Verlange btdj 31t
fd>aun. SUiuft idj f&umen, btdt) 31t fdjaun? SKufe id& fäumen, bidt) 311 fttjaun? .f>err-
(idf)er Surft! SJtuft \ä) fäumen, bidt) ju f^aun? C ©ott 9(n! 2)i(f) ju fdjaun, ift
®(üd?feligfeit. Äomm 3U ber, bie bt^ liebt ! Äomm 3U ber, bie bid^ liebt, 0 Unnefer
(gute« aßefen), ®ered>tfertigter! Äomm ju beiner ©djtoefter! Äomm 3U beinern
1 0. ©trau f$ unb dornet;, «Itägupttfdje ©ötter unb ©ötterfagen (Reibet-
berg 1889) 6. 80.
* Les Lamentation» d'Isis et de Nephthys, d'aprös un manustrit hieratique,
par J. de Horrack (Paris 1866) p. 3. — Weitere Ueberfefcung üon bemfetben in
ben Records of the Past II. 117—126, unD l>on E. A. Wallig Budge, The Hierati«
Papyrus of Nesi-Amsu (Westminster 1891) p. 6-22. 65—99.
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118
©rfte« 5Bud). Siebente* Kapitel.
Sßeibe! Äomm ju beinern äöetbe, o Urtfjat! Äomm ju beiner ©attin! 3d) bin
beine Sdjmefter burd) beine SJhttter. brenne bid) nidjt Don mir! ©ötter nnb
*Dlenfd)en toenben if>r Slntltfc ju bir, um bicSt) ju beweinen, fo oft fie mid) flauen,
wenn id) meine ftlage ergebe bi« empor jum Gimmel, unb bu ()ötft nidjt auf meine
Stimme. 3d) bin beine Sdjmefter, bie bid) liebt auf ©rben. ÜRiemanb liebt bid) raeljr
al« id), beine Sd)wefter, beine Sd)wefter '.
Anrufung ber 9tepf>tl)i)«.
C f)ertli<$er Srürft , fomm au beiner 28of)nung! Sreue bid); all beine ördnbe
ftnb öernidjtet. 3)eine jwei Sdjweftern finb bei bir, fie f)üten bein 8etd)enbett; fie
rufen weinenb 31t bir, ber bu fnngeftrecft bift auf bein £eid)enbett. 3)u ftebft unfere
jarten Sorgen; 0 fprid) ju uu«, t>3cr)fler ftürft, unfer Jperr! 3e*f*öre bcn ftummer,
ber in unfent fteraen ift! 3)ein ©efolge, ©ötter unb 90tenfd)en, rufen ju bir, wenn
fte bid) fefjen: 3eig und bein 9lntltfc, f)öd)fter Surft, unfer #err! ßeben ift e« für
uns, bein Stntlife ju flauen. JEßenbe bein Slntltfc nid)t von un«; bie JEBonne unfere«
#erjen« ift e«, bid) ju fdjauen, 0 Srürft! Unfer $erj ift fclig, wenn e« bid) fief)t.
3d) bin ÜNepbtftö«, beine Sdjmefter, bie bid) liebt. $ein Ofcinb ift erlegen, er ift
nid)t meljr. 3d) bin mit bir, al« $ttierin beiner ©lieber, auf immer unb emiglid).
Anrufung ber 3fi*.
C ©ott »n, bu leudjtejt für un« am Gimmel jeben Sag. äöir ^ören nidjt
meljr auf, beine Straelen au fefjen. Sfwtf) ift bein JBefdjüfeer, er ergebt beine Seele
in bie SBarfe 3)laat, in beinern tarnen, in jenem be« SJlonbgotte«. 3d) bin ge»
fommen, um bid) 311 fd)auen; beine Sdjönljeit weilt mitten in bem ^eiligen $(uge,
in beinern tarnen al« Jperr ber Grefte am fedjsten Sage. 3)eine ©enoffen finb bei
bir, fie trennen fid) nid)t Don bir. 2>u ^aft bid) bemächtigt be« Jpimmel« burd) bie
©röfje be« Sdjrecfen«, ben bu einflöjjeft, in beinern tarnen, al« §err ber Srefte be«
fünfje^nten Sage«. $u erleudjtcft und wie 9ta, jeben Sag, bu flrafjleft auf un«
nieber wie Sltumu. ©ötter unb 3)tenfä)en leben, weil fie bid) fd)auen. $u glänjeft
auf un« nieber, bu erbellefi beibc SBelten. ©ötter unb Ü)tenfd)en wenben itjr 9lntli^
ju bir; nid)« tann ifinen fd)aben, wenn bu leud)teft. 2>u fdjiffeft ba^in in be«
Gimmel« Jpöfjen, unb bein Sfeinb ift nid)t mein*.
3<b bin beine SBefdjirmerin jeben Sag. 3>u, ber bu un« nafyeft al« älterer
Sofm ber ßwigteit, wir bören nimmer auf, bid) ju fdjauen. Steine Hu«frrablung
erf)öf>t ben ©lanj be« SternbUbe« Saf>u (Orion) am Gimmel, leud)tenb unb ber«
föwinbenb jeben Sag. 2>ie beilige Hu«firat)lung, bie von bir ausgebt, belebt ©ötter
unb 37lenfd)en, bie ftriedjenben unb Söierfüfeißen. Sie leben burd) bid).
35u fommft aurücf )u un« au« beinern SBerftect* ju beiner 3«t# um auszugießen
ba« SOßaffer beiner Seele, um au«jut^eilen ba« JBrob beine« Sein«, um ßeben ju
fpenben ben ©öttern, unb ben 2Henfd)en audj. D göttlid)er C>err! «ein ©ort ift
bir gleid). $er Gimmel f)at beine Seele, bie 6rbe bcinen ßeid)nam, bie Unterwelt
befifrt beine ©ebeimniffe. 3)eine $raut bient bir jur »efdjirmerin, bein Sofm C>oru«
ift ber Äönig ber Belten ».
Weitere Anrufungen jä^lcn bie öcrf^iebcnen Jpaupt^cUigt^üinec beS
CfiriS auf joroic bie iljm bojubringenben Opfer. 6ine rttueüe ftacrjfärift
1 «gl. i\ Srugid), 3>ie «bonidflage unb ba« Sinoölicb (»erlin 1852) S. 22 ff.
2 Ueberfefeung uad) Horrack p. 4—9.
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ßtterariföeö Scben im alten Sleghpten.
11!)
befagt , baj$ biefe Anrufungen bem Orte, wo fie oorgenommen »erben,
große £>eiligfeit Perlenen. 9tiemanb foÜ fie feb,en nocb, fjören aufeer bem
Cberpriefter unb feinem (Muffen. Vorzutragen ftnb fie oon jmei fdjönen
grauen, bie fidj auf bie @rbe nieberfefcen fo0en am $>aupttfn>r beS Ufadj,
beS grojjen Saales, an bem bie Scene beS SobtengeridjteS gemalt mar. Sie
foflen in ber fliehten eine Urne mit ©affer tragen, in ber Sinfen Opfer*
faa>n aus üttempljis. 9Iuf bie 3 Hullern fotten ifmen bie Hainen 3fi§ unb
Weptjtljgs gefdjriebcn merben >.
4. profane unb religiöfe Snrit.
Xer 2lnfa£ ju einer bramatifdjen v$oefie, roie er in ben 2öed)felgefängen
ber 3fi* unb 9tepb,tlws gegeben mar, gelangte ju feiner weitem StuSbilbung.
dagegen ift bie Öörif in ben bereits entzifferten Senfmftlem juemlitf) ftart
oertreten. $rei SiebeSgefänge, in fe^r lüden^aftem 3uftanbe in bem Sßaporus
frarriS 9tr. 500 (beS SBritifdjen 9Wufeum8) aufbewahrt, ftnb Don mäßiger
(Smpfinbung getragen, bie fid) in ben jarteften Silbern fpiegelt '-. lieber bem
bajmifa^en geftellten Siebe b e S ßönigs 91 n t u f maltet ber melanc&olifdie
Grnji ber @rabmonumente unb ein tiefes ©efüljl irbifdjer «ergänglidjfeit, aber
mit ber Jjorajifdjen Sdjlujsfolgerung, baS turje Seben ju genießen, welkes
nia^t mieberfetjrt, wie ba§ fd)on Smfwtep geraten, ber Sob,n $tab,s unb
ber (Srfinber ber fünfte, unb fcartataf, ber Sofm beS ^nramibenerbauerS
fflenfaura :
„3$ habe gehört bie 2Borte 3mhotei>« unb fcartatafs. 6* helfet in ihren SpriWben :
üBa* frommt aller 9tetd)thum ? 3bre fejten ©lauern ftnb in Prummern, Ujre Käufer
ftnb, als mären fie nie gen>efen.
Uliemanb tommt au« ihnen herüor, ber erjählt oon ihren Söorten, ber erjählt uon
ihren Xfraten, ber unfer $erj flärtt.
25u gehft ju bem ^ßlafee, öon bem fte nidbt ttrieberfebren.
Starte bein #era, ju öergeffen, toie bu biet) einfl erfreut,
erfülle bein Verlangen, folange bu lebft.
Salbe bein #aupt, fletbe bi<b in feine Sinnen, gefdjmüdt mit (oftbaren «Metallen, %
ben ©efdjenfen bei (Sotted.
iBermeh« beine Sd)äfee, erfülle bein ©erlangen, ftille beine ßuft mit beineu Sdjäfcen
auf (Erben nach bem 28unjdje beine« Jperjcn«.
Xer 2ag mirb fommen, ba man feine Stimme hört ; wo berjeuige, ber ba ruht, ber
Xrauernben Stimme nitfjt hört.
Xie ftlagen befreien ben nitbt mehr, ber im (Srabe roeilt.
®entefee in SRube; benn ftehe, teiner nimmt feine Sdjäfee mit fict>.
Sdjaue, teiner, ber gebt, lehret toieber hierher jurüd." 1
« • - — -
1 Horrack 1. c. p. 13.
* Ueberfefrung öon C. W. Goodtcin, Tronsactions of th« Soc. of Bibl.
ArchaeoL III (London 1874), 3*0 ff.
J Ibid. III, 386.
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I
120 erftea 3Judj. Siebente« flapitel.
Sletmlidje Stimmung »öltet in bem fogen. „iMebe be* ^»orf ner§",
ba$ aufeer bcm ^arafleliSmuä, ben Mntitljefen imb ber gehobenem Spraye
audj abgemeffencn 9tfmtlmtu§ mit Herfen berfelben ßänge aufmeift. $od)
ße$t Ijier ber Öebemannämoral ber ftroeiten ©tropfe in ben folgenben eine
roürbigere unb fittlidjere ÖebenSanfdwuung gegenüber:
„©eben! bed Sag«, ba bu mußt tuanbero in ba* ßanb,
SBon beffen Sdjmetle feiner nneberleljrt.
@ut tvtrb bir'« fein, geredet gelebt ju fjaben;
Srum fei geregt unb h,üffe Uebelthat.
Senn ber ba* Äedjt liebt, mirb gefegnet fein.
Öretgltng unb §elb entfliegen nidjt bem @rab,
Ser »eitler unb ber Stolje fteb,n fid) gleid).
Srum fdjente reid)lid), wie e« fid) gejiemt,
Sieb 2Öab,rl)eit, unb ei roirb btdj 3fid fegnen
Unb fdjenfen bir ein glürflid) ©reifenalter. " 1
Sefjr §aljlreia) finb bie Äönig§I)t)innen unb noä) jü()lreia>er bie
CBöttcrljdmnen. 53eibe Mrten befifcen einen geroiffen erhabenen Scfcnnmg.
Söeber ba§ bunte Sajaufpiel ber %otur nod> bie reiaje Stufenleiter menfa>
lieber Öefüfjle fommt jeboü) barin ju rechter Entfaltung. (Sin befc&rftnfter
flrei* oon Ööttertiteln, Attributen, religiösen Cobfprücfcn, gotteSbienfHiaVn
Wormeln unb ftereotnpen Silbern fefjrt barin immer unb immer roieber unb
maajt notyroenbig ben (Sinbrurf einer geroiffen feierlichen (Stntönigfeit. 3u
ben befien gehören einige Sobgeiänge auf ben Sonnengott 2tmmon4Ra2 unb
auf ben Wlgott #äpi. @tn paar Stellen aus bem bern^mtejten ber erftern
mögen als s^robe genügen.
„Cobpreifung bed 9lmmon«5Ra,
De« Stiere« in Slnu, be« Dberbaupteö aller ©örter,
35e* guten, »ielgeliebten ©otte«,
Ser ba gibt ju leben allem »efeelten
Unb allem guten aßeibeeief).
vJJrei$ bir, Ämmon«iRa, $>err beö Üöeltentbron«,
Cberfter ber Xöjonenftabt,
(Satte feiner üttutter, Cberfter feiner Flüren.
Ser baf)inftretft feine 3d)ritte juoberft ber Süblanbe,
*perr beö Sttorgenlanb«, Aönig Don SPunt;
©rößter im Gimmel, Heltefter auf Grbeu,
fierr be« Sein«, €rh,alter ber Singe, ©rhalter aller Singe!
1 Ueberfeßt x>on Ludwig Stern, Records of tlio Past VI, 127 ff
« SJgl. in ben Roconls of the Paat ben großen $t)mnu« an 9linmon>Ka II, 127 :
anbere tyjmnen an 9lmmon VI. 97 ff.; ben fcijmnu* an OfirU IV, 99; ben an SHa
§amard)is VIII, 129; bie Jppmnen an ben 9HI IV, 107; X. 37; bie Sobtenflage
um 9Henepb>b; IV 49; ba<J 3Beif>eIieb an ?lpU IV, 61.
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Öttcrarifd>rt ßeben im alten «eggten.
121
einzig in feinem Anfang, mie unter ben ©öttern,
e«öner Stier bee ©öttertreifeä,
Oberbaupt fämtlieb,er ©ötter;
fcerr ber ©eredjtigteit, SJater ber ©ötter,
€rfdjaffer ber 2Jlenftb>n, Scfcöpfer ber Sfjierr,
f>err be* Seienben, Sdjöpfer ber ^rTuebtbäume,
©rfdjaffer ber Äräuter, ber 9tabrung bcä Söetbeoieb*.
SRftgtiger, Scböncr, erzeugt Oon <Ptab,
Jüngling, liebefcböner,
^eidE)em geben bie ©ötter ©tjre,
Sdjöpfer bei Drunten unb be* Droben, ber erleuchtet bie SBelt,
So er r)tnfär)rt am Gimmel in ^rieben;
©eretfjter Aönig 9la, Cberljaupt ber $8elt.
©rofeer oon Äraft, £err ber Störte,
Oberhaupt unb Stböpfer ber erbe, wie fie baftebt !
99ilb bed einen, ber gefä)affcn alte* Seienbe,
€injiger, ber allein gefdjaffen bie 2öefen!
Jperoorgegangen ftnb bie ÜDienfdjen au« feinen ttugen,
entffanben bie ©ötter auf fein JEÖort;
©r fcfi,afft bie Kräuter, bie ba nähren baä Sßcibeoieb,
Unb bie JJrudjtbäume ffir bie 9Renfd)en;
Schafft bie ^afjvung ber Sifdje bti Stroms
Unb beä ©eflügeld unter bem Gimmel;
©ibt Obern bem, baS ba ift im ei,
Unb ernährt ben auSgefrodjenen SJogel ;
Schafft ju leben ben Spinnen bann,
jßriedjenbetn, ^(iegenbem gleid)ertt>eife,
Schafft Speife ben SRäufen in i^ren ßödjern
Unb ernät)rt bie Jöögel auf jegüdjem SJaum.
$reiö, bir, ber foldjeä tfjut »ueitbinaucf,
Der eine allein, beö #änbe fo oiete!
Der rubt unb macbt, toenn alle ffltenfajen rubn,
Um ju forgen für bad JBefte feiner 2fuere;
Slmmon, £alt aller Dinge,
$ura unb ipor beibcr frorijonte,
Sie preifen bidj in ibrer Spradjc überall .
Öob fei bir, bnfe bu ioeileft bei im«!
Anbetung bir, baß bu gefdjaffen und!
^Jret« bir oon allen 3ljieren,
fiobfagung bir Oon allen Sanben
39i« jur $>öbe bed JpimmeU, bi« jur ©reite ber erbe,
»i* ju ben Siefen be« großen SReere«!
Die ©ötter, in Seugung oor beiner ©tajeftät
»eim erbeben ber SRatbWüffe ibre* Schöpfer«.
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122
ßrfted 33tid). Siebente« fiopitel.
erfreut öont #eranuat)en ifjreö Grjeuger»,
Stufen fie bir ju: fiomin in ^rieben,
33ater ber SBäter aller ©ötter,
2) er bu ftüfceft ben Gimmel uub bcrütjrft ben ßrbboben.
Urheber be* Setenben. Sdjöpfcr bev Siefen,
©rofcfönig uub Oberhaupt ber (Sötter,
2Öir preifen beinen 9iatr>fd)tuB/ &>ie bu un« gemad>t fyaft,
3) ie gcmodjt ftnb aus bir, ber bu und geboren,
SBir geben bir lobpreis ob beineS 9tu(jmeö tu nue." '
$er ,<pmnnu£ flammt aus Ityben, roafjrfcbeinlid) aus ber Qeit ber
XIX. $mtaftie (na<b jicmücb übereinftimmenber Xatirung aus bem 15. ober
14. 3a!jrf)unbert t>. Gl)r., aus einer bem 9)*ofeS nal>cn 3ett). lempel
beS «mmonsÄa (heute nach bem $orfe Starnaf ^benannt) mar f$on ba=
malS faft boppelt fo lang nrie ber Kölner $om, mit feinem 2öalb tum
Monolithen, ftrahlenb in gefcbmacfooller 8arbenprad>t, ein nahrhaft nunber=
bares Söaumerf. 9In Um reiben fieb aber nach allen Seiten anbere lempel,
$um tytil mit langen Sp&inrretyen oerbunben, bis hinüber nach Sttror am
Ufer beS Wil, mäljrenb brüben am Wbfjang ber ©ebirge roieber Tempel an
lempel ragte, unb bajmifcben bie Stobt in einer 2ängSauSbebnung bon
^mei beutfdjen Weilen. 3*erfefct man fid) in ben ftejtprunf, melden „bie
Stabt ber l^rone" am ftefie beS Sonnengottes entfalten mochte: bie Xempel
im herrlicbften Scbmucfe, ber 9lil mit reich gezierten Warfen überfät, bie
lempelhöfe bon ben gejtjügett oer ^riefter unb bem glänjenben ©efolge beS
ÄönigS belebt — fo toirb man Stimmung unb Zon beS angeführten
£nmnuS nicht übertrieben finben. (SS rocr)t jener feierliche Gruft barin, ber
bie gewaltigen Sempelbauten umfebmebt, unb jugleicb ber gemüthlicbe 5laü)=
Hang einer einfachem ^atriarcbaljeit.
9ln einer ber üöänbe bes großen 21mmontempelS Don Parität, an bem
bon 3:()0tf)nt(3 I. an über anbertbalb 3af)rtaufenbe weitergebaiit mürbe, au
anbem Tempeln fomie auch auf einem ^apnruS fanb ftcb bas einige 3rWfl=
ment, baS fict) bon ber epifeben Dichtung ber Vlegtjpter erhalten hat unb baS
lange unter bem tarnen beS Kentaur ging. ÖS ift jefct ficher, bafl Kentaur
nicht ber Siebter , fonbern nur ber Schreiber jener Sichtung mar 2. Sie
1 Ueberfefoung uon SB. ö. Straufe unb Xorneu, ®ötter uub ©ötterfagen
®. 378 ff. — 35er ganje £nmitu$ ebenfalls bei JBrugfc^, «eligion ber alten
Slegupter 6. 690 ff.; SBß te bemann, Religion ber alten «eg^pter S. 64 ff. ; anbere
Ueberfefouugen Don tiubtnig Stern, ©ribaut, ©oobtoin.
• fcauptquelle ifl ber $apuru6 ©allier III (ergänjt burdj bati Fragment Slaifet),
beu jefjon GfjampoUiou benufete, Saluolini (1835) analtiptte, be 9iouge" juerft ganj
5. $a$ 3iamfeS = Cteb.
i'iterarifcbe* lieben im alten Slegnpten.
123
föilbert ben Äompf beS größten triegerifchen ÄöntgS bon 91egt>pten, ÜRamfeS' II.
(beS SefoftriS ber ©rieben), roibfr bie dfyäa unb jeigt abermals, in rote
frohem ©rabe bie Sieligton, befonbers bie ^Belehrung beS Sonnengottes, baS
ganje Seben, tfönig unb Holl, bie Unternehmungen beS Krieges roie bie
Äünfte beS ^rieben* ber)erqtt^tc.
3ton bem fchladjtgeroaltigen ^b,arao ftnb noch mehrere prächtige Statuen
oorhanben, auch eine, bie ir)n als ßtnb borftettt mit ber ftürftentrone auf
bem Raupte, aber ben Ringer noch am Sttunbe rote auf ber £>ierogu)pf)e
beS ÄtnbeS (/rut). $ie lobtenmasfe ber 1881 aufgefunbenen SJtumie be=
jeugt bie ^ortrfttähnlichfeit ber großen Statuen.
5)te 3üge biefes £errfchers finb uns nach 35oü Satyrn ebenfo be=
tannt als feinen Untertanen. Seine 2Baffentt)aten fielen nict)t nur an ben
iempelroänben bon Öuror, fonberu auch an jenen beS bon ihm gebauten
UiamejfeumS (in Üheben) bezeichnet unb frod) oben jrotfchen ben $roci erften
Wilfataraften in ben Tempeln bon 33ct=el-9©ali unb Slbu Stmbet (^pfatnbul).
£rier, fajon in Siubien, ift in £>ieroglbphenfchrift ju lefen, baß 9iamfeS IL,
ber Erbauer beS Tempels unb ber Scheden ber kubier, im fünften %af)te
fetner Regierung fern brüben in Snrien roiber bie nomabtfchen Sdrofu unb
@r}eta fämpfte , im Sanbe %afy , bei Äabefch am CronteS *. Um ifm irre
ju führen, fanbten ifjm bie Schaf u $roei berf leibet e Spione entgegen, roeldje
borgaben, it)re Stammeshäupter feien bon bem Äönig ber @i)eta abgefallen
unb wollten ftd) nun ihm unterroerfen, ber ^ürft ber 61)eta ftefje mit feinem
Jpeere noch weit ab im Sanbe ^irebu, nörblich bon jtunep, unb fchene ftch
fct)r bor einem 3u[am,nenf^fe m^ Deu Sfegtoptern. 2Bäl)rcnb bie ägöptifchen
Führer ftch roirftich burch btefe ßriegSlifl tättfchen ließen, marfdjirte ber
Äönig bon (Sfyeta geraben 2öegeS auf bie Stabt ilabejch los unb gewann
b,ter eine fefte Stellung. 3" fpät , um biefeS $u berhinbern, griffen bie
Hegr/pter jroei anbere Spione ber Sdjaftt auf, bon welchen fie bie 3öahr=
heit erfuhren. föamfeS rief feine ftelboberften jufammen unb tabelte bie
Führer beS ObferbattonScorpS nach 3krbienft, baß fie nicht beffer aufgepaßt.
Samt gab er Befehl, fofort auf tfabefch loSjurüden. $te 9Irmee mufete
\w biefem 3tofde über einen Flußarm fefcen, unb bei biefem tJlufcübergang
(am eS alSbalb jur Schlacht, $ie 33ogenfd>üfcen unb bie iHeiterei ber ftegbpter
rourben fchon beim erften Anprall äurüdgebrängL
3n biefem entfcheibenben Slugenblid fefct baS noch erhaltene epifche
gfragment ein. 6S zeichnet ben Äönig, roie er nun felbft %u ben ©äffen
überfefete (Le poeme de Pentaour. Paris 1860). (Eine jrocite lieber je^ung , Don
©oobtoin, folgte 1858. Wadjbem UJriigftf), tarierte, 3)ümid)en unb be 5Houg* aber*
matt fid) einget>enber mit bem Gebidjte befdjäftigt, überiefcte e* Üuff)ington für bie
hVcords of the Past 1F, 67—78.
> E. A. Wallt* Budye, The Nile (London 1890) p. 258 f.
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124
Grfte* Su4- Siebente* Habitel.
greift unb fid> in bic Sdjladrt" ftürjt, „furchtbar »Die SRentfju, ber £>err Don
Rebell", $od) bie ©einen laffen ifm feige im Stidj. 3m 9tu fteljt er fid)
Don jmeitaufenbfünftwnbert Streitmagen ber ßljeta umringt unb Don feinen
Struppen abgefdjnitten. deiner feiner dürften, ftelbljerren unb ^vauptleute
flefy tljm jur Seite. Son ben Wenfc&en oerlaffen, menbet er ftd> an feinen
SSater, ben ©ott 9mmon4Ra:
„9Jieine Sogcnf4üfecn unb meine »eiter baben midj oerlaffen ; feiner unter ibnen ift
bo, um mit mir ju tämpfen!
So fpra4 befi Hönig6 Sftajeftät, ber (gewaltige, Starle.
will mein Sater Hmmon? Hann ber SBater feinen Sobn oerläugnen?
$abe iä) mi4 auf meine eigenen ©ebanlen Oerlaffen? Sin i4 niebt gewanbelt na4
beinern ©orte?
€»at bein 2ftunb nid)t meine Unternehmungen geleitet, bein 9tatf) mi4 nia^t geführt i
2Öa8 ift bie Hoffnung biefer Hamuö ? Slmmon wirb biejenigen erniebrigen, bie ®ott
nidit tennen.
$>abc idj bir nia^t fprrltrfje unb jatjlreidbe ftefte gefeiert unb bein $au< mit meiner
Seilte erfüttt?
SJtan baut bir eine 2Öof)imng für SJiörtaben 3«b" . . .
Die gange S3elt oereint fi4 . um bir Cüfer 311 bringen. 34 habe bereichert beinen
Sefife; brei&igtaufenb Cdjfen babe i4 bir geopfert mit woblbuftenbcn Hräutern
unb bem löftli$ften 9Gßeit)raurf).
34 b°&e bir Sempel au$ ^reläquabern gebaut , idt) Ijabe bir emige Säume errietet.
34 babe ßbeli«Ien oon (Slefantine berbetgefübrt , i4 habe emige Quabern herbei»
ferjaffen laffen.
28er tann fagen, ba& fola>rt f$on einmal gefcr)et)n ? S4ma4 bem, ber beinen
Hbfidjten wiberfleljt; #eil bem, ber bicr) oerftefft, 0 ftmnton! . . .
$i4 rufe ia) an, mein Sater! 34 bin mitten im S4warm unbefannter Söffer,
unb t4 bin allein 001 bir. Heiner ift mit mir.
9Reinc Sogenf4üfeen unb Leiter haben mid) oerlaffen, ali id) natf) ibnen rief.
Heiner oon ibnen bordjte auf mid), ba id) fie jur Jptlfe forberte.
9lber idj giehe Slmmon SDtilliarben oon Sogenfd)fl^en oor, StiUionen Heitern, <Diö«
rieben junger gelben, unb mären fie aii4 alle oereint.
$te 8tft ber SRenfapn oermag nidjt«; Smmon wirb fie überwinben
C 9ta! Sin id) uid)t bem Sefebl beine* SMunbe* gefolgt, unb waren beine Stätbe
nid)t meine Sfübrer? §abe id) bid) nidjt Oerberrliä)t bis an bie Guben ber 6rbe?
$aö SJort »iberballt in fcermontbifi. Sbra fommt gu bem, ber ihn anruft; er leibt
bir feine £anb.
5reuc bia^! 6r fliegt gu bir. Gr fliegt 511 bir, 9tamfe**9)ciamun !
34 bin bei bir, i4 bin bein Sater, 9la; meine $anb ift mit bir, unb i4 bin bir
mebj als ÜJftüionen ÜRenf4en oereiut jufammen.
34 bin ber #err ber ©ewalten unb liebe ben 9Jtutb; t4 fanb bein ^erj feft, unb
ei freute ft4 mein §erg.
9)tein Söille wirb fi4 erfüllen; glei4 Wentbu werbe i4 jur Sinfen meine ©peere
toerfen, unb jur 9te4ten merbe i* fie faffen
34 »erbe über fie fjerfaüen »oie Saal in feiner Söutb. ®ebro4en werben bic jmei-
taufenbfünfbunbert Hrieg«»agen ^itfammenfinfrn oor beinen Stuten, bin i4 in
ibrer Witte.
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Citerarifdje« «eben im alten Hegbpten. 125
3fc ^>et3 wirb fdjwad) in ihrer ©eile, unb all itjre ©lieber werben fidj löfen.
Sie werben feine Pfeile mein: ju fcbleubern vermögen unb leine Äraft mefir baben,
bie fianje ju galten.
3dj »erbe fic fprtngen macben in bie SBaffer , wie ba« Ärofobil fid) hineinftürjt ;
bie einen werben über bie anbern faden unb fid) gegenfeitig tobten,
deinen laffe itb umfd/auen , feinen umf ehren , unb ber ba fällt , ber wirb ftd) nicht
wieber ergeben."
2öie ber ©ott es oerfjeijjen, fo gefdjiefjt e§. 3^^^ bringt ber Äönig
ber @fjeta felbfl auf SRamfe* ein, bann ber 9feif)e natf) feine dürften unb
3relbl)erren — aber alle Dergeben§. %m ©ebränge ber $roeitaufenbfünf=
t)unbert 2Bagen mafmt ber üöagenlenfer beä JRamfeä Derjtoeifelt jur ffluifyt ;
bod) IRamfefeüJtiamiin fpridjt ifjm 9JJutlj ein unb [türmt unbeirrt üoran.
(£§ ift feine SSertljeibigung, e» ift ein Angriff. Sechsmal bringt er auf bie
elenben (Sfjeta ein unb bringt if)re Uebermaajt juni 2öeid)en. 5)ann tabelt
er feine £>eerfüf)rer unb Gruppen in langer Straf rebe, lobt feine beiben
v^ferbe unb Derfprid&t tynen baä föftlid)ftc Butter. Hm anbern 2ag berfotgt
er ben gewonnenen Sieg an ber Spifce ber Seinen.
„Sobalb bie Srbe fid) erhellte, erneuerte er bie Schlad)t unb warf fid) in ben Jftampf
wie ein Stier, ber bie ©änfe öor fid) r>erfdjeu<^t.
3)ie Xapfern ihrerfeitö ftürtfen fid) in« ©ebränge wie ber Sperber, ber auf feine
Seute nieberfdjiefet.
S(hleubere beine 3rlamine in« Slntlifc beiner JJeinbe gleich ber Sonne, wenn fie be«
SWorgen« erfebeint unb irjre Oreuerftraf)len auf bie ©ottlofen nieberblifct.
$er große Söwe, ber neben feinen «Pferben einfjerwanbelte, tämpftc mit ihm. JButh.
entflammte feine ©lieber, unb wer fi<& ihm mtye, fiel rüdling« ui 33oben; ber
Äönig fing ober töbtete fte; e« war fein Sntrinnen.
3n Stüde genauen t>or feinen Stuten, bilbetcu if>re fieiajen nur einen einigen Jpaufen
blutenber Xrümmer.
2er Orürft ber elenben ßhetaö ließ anrufen ben großen Warnen feiner üNajcftät : $u
bift $a, ber ©ott beiber fcorijonte.
$u biftSutaf), ber große Sieger, ber Sohn be« Gimmel«; »aal ift in allen beuten
©liebern.
Sdjreden ift über ba« tfanb ber Cfjeta gefommen; bu bemöd)tigft bid) feiner 3ööeI
für immer."
*Run erfolgt bie Unterwerfung ber Gf)eta unb ifjrer 33erbünbeten unb
ber frieblidje 9tüd$ug nad> Hegöpten.
„Seine SDtajeftät (am an in ber Stabt be« 9tamfe«=3)tiamun, beut großen Silbe be«
^3f)ra, unb ruhte in ben föniglidjen 2)oppelpnlonen , Reitern V'eben«, wie bie
Sonne in ihrer boppelten JEßot)nung.
35er ©ott, fein SJater, berf)errtid)te fein 93ilb unb fpradj: §eil bir, mein geliebter
Sof)tir 9tamfe«>ÜJtiamun ! SEÖir gewähren bir 3ahlIofc 9tuhme«fefte.
«leibe für immer auf bem Shrone beine« 9Jater« Sunt , unb alle ^Barbaren foUen
jermalmt werben unter beinen Sanbalen."
tiefe groben jeigen fdjon, mie bie panegoriftifd)e Öegeifterung ben
Xidjter ju feiner eigentlia) epifa^en Öeftaltung feinet Stoffel gelangen läfet.
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126
Grfic« 93ud). Siebente* flapitet.
Sßor bem #önig unb feinem göttlichen Schufcherrn 2lmmon=9ta tritt aüe§
übrige jurürf. Heber ihren Sieben bergi&t ber dichter ganj, bie Schlacht
in ir)rer folgerichtigen ($ntn>icflung unb in ihren (Sinjelheiten anf baulich ju
jeichnen. $a3 ©ebicht gleist ganj bem Silbe ber ©rftürmung Don 3)apur 1
im Ütameffeum ju 2^eben, auf meinem ©efojrri§ mit Söagen unb 3>oppel=
gefpann in Dreifacher Vergrößerung in bo§ Slmeifengetoirr ber ^r)eta hinein=
fprengt, bie mie bie dürfen Don ben Sfjiirmen ber Stobt $apur fallen2.
ti. (Sr^ählenbc ^rofa.
(Sin intereffanteS (Segenftüd ber feierlichen Tempel- unb £>ofpoefie
liefert eine 9leit)e oon ^rofa^rjählungen a, Welche feit 1852 noch unb
nach ans Cid)t gebogen unb erflärt toorben finb, unb töelct>e un§, ebenfo
mie eine SRenge Öenrebarftellungeu in ben alten Sauten, einen genauem
(Sinblitf in ba§ Alltagsleben be§ alten Gulturoolfe* gemähten. 3»™ &foo'-
nomifchen Äalenber unb juin prophetifdtjen Ölüd§= unb llnglürfäfalenber
burften auch bie Äalenbergefcbitbteu nid)t fehlen. $)ie meiften flammen erft
au* ber 3eit bis bleuen 9teid)e§, oon beffen Anfängen bis herab in bie 3eit
ber ^tolemäer; einige reichen aber noch in ba§ Mittlere Äeich jurütf unb
oerfetjen un* burch ihren Stoff theiltoeifc in noch ältere 3eiten.
' 6. 3ftct)cr, @cfdjid)te beä alten Slegtjptend 8. 289, unb baö polu*
ajrome Stlb baju bei Äaüfer, flegtjpten finft unb jefct (2. 9lufl., ffreiburg 18>9),
Sttelbilb.
2 9ltdjt ol)ne poetifdjen Slnflug ift ebenfalls eine Otnft^rift , welcbe oon 5Dler»
neptof) (ober SDleneptoh) , bem Solute unb Nachfolger 9tamfe$' IL, herrührt unb
welche erft fürjltd) (im 9öinter 1895/96) twn ftlinber« Metrie in einem Sempel
biefed Äönigö auf ber Söcftfeite »on lieben entberft mürbe, Sic melbet ben Sriumpb
beö fiöntgS über alle 9lad)barlänber in folgenben Korten: „Sie durften finb 31t
ÜBoben geftreclt, inbem fie ben ©rufe fpredjen. 9tid)t eins unter ben 9teunbogen=
oölfcrn ergebt fein £aupt. SJerwüftet ift Stbtjen, Gfjeta ift jur 9lub,c gebracht, bas
Äanaan ift gefangen mit jebem JBöfen, fortgeführt ift Hdfalon , bemädjtigt bat man
fi<h ©ajer«, 3cnoam ift 311 nirf)tö gemalt- $öracl ift ejn fable* öanb obne
Qfruajt, ^Paläftina ($)or) ift jur SÖßittwe 2legt)ptenö geworben, alle ßänber inägefamt
finb im Sfrteben. 3eber, ber um berfd) weifte , ift oon bem Jtönig 33inere*5)tiamun,
Sobn ber Sonne, 9)terneptaf)=£>etepb,ermet, mit Sieben begabt gleid) ber Sonne jeben
2ag, gejüa^tigt morben." 3)iefe Snförift, bie erfte ägtyptifdjc Urtunbe, in welcher
ber Waine „3$rael" fid) finbet, ift um fo merfwürbiger, als mehrere Umftänbe un=
gefäfjr auf biefe 3eit alö jene be$ „Hu*aug8 au« 9legt)pten" fjinmeifen, befonbert
bie Angabe (2 ?Dtof 1, 11), bafc ber türanuifche ^Jb,arao bie 3ßraeliten jwang, ib,m
bie SBorratbeftäbte *|iithom unb 9tameffe« (Slamfe«) ju bauen. Mehrere Qrorfchev
nahmen bc^balb fd)on früfier an, bafe Slamfed II. ber gewaltfame Sebrüder war, unter
welkem 9Jtofes geboren würbe. 20. ©picgelberg, 2)tc erfte 6rwäf)nung 3«rael«
in einem ägüptiftben 2eyte. ©ifeungöberichte ber f. «tabemie ber äöiffenfchaften ju
Serlin 189ß S. 593-597.
:t G. Ma*t*ro, Los contvs populaires de I Kgj pte «neipnne. 2' ed. Paria 1889.
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tfüerariföe* geben im alten «eggten. 127
3>ic ölteften ßrjäljlungen finb: „$ie Abenteuer be§ ©inufnt", „$)er
©duffbrüä)ige\ „S)ie ©efd)id)te Don ben jttjci SSrübern" unb „3)ie ©efd)id)te
eine* Sauern".
Sie Abenteuer b e ä © i n u l) i t J. ©inufyit, ein bornefjmer 9legt)pter,
„einziger Otounb be$ ÄönigS", 58orftef)er ber ©renjpolijei, ober wie ba$ auf
ägnptifcfc Reifet, „©djafal, ber bie 9tunbe an ben ©renjen madjt, um baä
5anb ju bemadjen", |>errfd)er im Sanbe ber ©ittiu, Dberauffetjer be3 ftönig§=
palafte§ unb ütular=6rbprinj burd) bie £ulb ber Königin, ergäbt un§
feine ©djirffale felbft. 6r lebte am #önig§l)ofe ju $$eben, als König
©eljetebrab--9ta Slmenenujat (I.) im breifjigfien 3af)re jum Gimmel fuljr unb
fid) unter bem 3>"bel ber ©ötter mit ber ©onnenfd)eibe bereinigte, ^m
^ßalaft aber mar grojieS Seib unb klagen. Sie fmfyen Pforten mürben ber=
fiegelt, bie ^ofbeamten lauerten trauernb am Soben umtjer. 55er ©taat§=
ratl), ber injroifdjen bie Regierung führte, fanbte 93oten nad) bem Söeftlanbe,
wo ber Kronprinz Ufertefen (I.) eben gegen bie limifm, bie ©öljne ber
Söüfte, in Söaffen ftanb. Kaum erhielt biefer bic 9taa)rid)t, fo fefjrte er
flugs um, olme fieb audb nur meiter mit feinem £>eere $u berftänbigen, unb
flog gleid) einem ©perber nadj .^aufe. Sa !am eine grofte fturdjt über
©inufnt: roeSljalb, fagt er nidjt. CSr mujj aber mit bem Kronprinzen nic^t
jum beften gejtanben Ijabcn. (Sr ergriff alsbalb bie gludjt. 3n einem
93ufd& berflecft, entging er glüdlid) bem Ijart an ifjm borüberjiefyenben ©e=
folge be» ^ßrinjen, übernadjtete auf freiem gelbe, erreichte folgenben $age*
bie ©tabt (Ujriafm, fufjr auf einer Söarle olme ©teuer über ben 9iil, ge=
langte in baS Cftlanb Saufu unb manberte bann meiter freuj unb quer
bi§ in ba» 2anb 6bima (roal)rfd)einlid) ba§ btblifdje (Sbom) jmifajen bem
lobten 9)?eer unb ber ©inaitifajen ^albinfel. 9iad)bem er tjier ein 3af>r
jugebrad^t, naljm ifm 9lmuanfd)i, ein gürft be* obern £onu, in feine Sienfte.
Siefer forfdjte njn aus, ob er nidjt etma an einer s^alaftoerfa^mörung gegen
ben mutfmmfilid) ermorbeten sJtyarao 9lmeneml)at beteiligt gemefen; bod)
©inufyit befeuerte, bafe nur eine bon ben ©öttern eingeflößte gurdjt ifm
au* bem Öanbe getrieben, unb erging fid) in ben begeiftertften 2obfprüd)en
über ben neuen %axao Ufertefen I. Ser gürft bon 2onu, ben SIegnptern
gemogen, gab ©inuf)it feine älteftc Softer jur grau unb &ur <D?orgengabe
ba§ ©renjlanb Wm, reiaj an geigen unb Trauben, SBein unb £onig, Oel
unb grüßten, fefcte tyn jum ©tammeäfürften ein unb berforgte i^n auf*
befte. Sange 3a$re lebte ©inu^it ba in GHürf unb Ueberflu^ ermarb fi*
burdb feine Öafrfreunbfwaft ^o^en 9tul)m meit in bie Äunbe, fa^ feine ©öf)ne
1 SBerlincr ^ßaptjruö 9t r. 1, überfe^t von 6l)Qbaö, ©oobwnn (1865), 9)tafpcro
(1874—1876 unb 1889); ein Stjeil bc« 2ejtc« auf bem Dfttafon be4 95rit. 2)tuffum4
9tr. 5629, ber fef)Ienbc Hnfaug auf bem Cftraton 9lr. 27419 befi 9)lufeum§ ^u 9Julao
(jefct tu @Uet».
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128
(Srfted $u$. Siebente« Kapitel.
$u mächtigen Häuptlingen Ijeranroacbfen, warb Cberfelbljerr ber Sonu unb
führte a!S fold^er bie glänjenbften SÖaffenthaten aus, übermanb enblidj im
3»cifompf ben mäd>tigften tfriegShelben ber 2onu unb erhielt als (Sieger-
preis beffen ganzen Beft|. Doch bic ftrembe blieb für ben glüeflieben Sinuhit
immerhin bie $rembe. 2118 er $u altern begann, befiel ihn eine mäßige
Sehnsucht nach bem heimatlichen 9legopten. flönig llfertefen hörte baüon
unb fanbte ihm einen Ijofyen Beamten mit einem fjulbreicben £)anbfd)reiDen,
bas Um jur £>eimtehr einlub. Sinuhit antwortete banfenb in einem SthreU
ben, baS an f)öfif$er Untermürfigfeit nichts 511 münfehen übrig liep. Beibe
Briefe finb in ber Grjählung ausführlich mitgeteilt. 9cun üertheilte Sinuhit
£anb unb ©itter an feine Äinber, ernannte feinen älteften Sof)n jum
Stammeshäuptling unb übergab ihm £auS unb £)of, Biel) unb Pflanzungen.
Dann reifte er ab. Der p^arao fanbte ihm feinen oberften Domänen=
birector entgegen unb ein ganzes Schiff öofl öefdjenfe für bie Sittiu. Bei
^)ofe uerfammelten jicb fämtliche ^ßrinjen unb H°f^eam^cn» um oen ^lut:
febrenben in großer Wubienj bem tfönig borpführen. Sinuhit warb oon
ber "üRajeftät beS Jperrfc^erS fo ergriffen, baß er in Ohnmacht fiel. Gr fajjte
jtdj erft roieber, als ber ^1^™° fdfcft 0Qä f*eUe Zeremoniell mit einem
SMjje unterbrach, inbem er fagte: „Schau, ba fommt ja Sinuhit mie ein
Bauer mit ber jpaKun9 Sitti." Da brachen bie ^rinjen in ein
l'cballcnbeS Öelächter aus, unb 3inut)it mürbe nun gleich einem prinjen
oon ©eblüte mit ben oertraulichften 2iebeS= unb ßhrenbemeifen überfchüttet
Die t)ödr)freu Remter mürben ihm übertragen, glänjenbe SBohnung unb
iHeicbtbuin ihm jugetheilt. Der Äönig liefe fogar eine (Brabporamibe für
ihn errichten.
Der Schiffbrüchige1. (Sine ffiunbergefdnchte, mohl ber ältefte Bors
läufer ber Steifen SinbbabS beS Seefahrers unb beS manbernben CbtoffeuS.
Der £>elb i ft nicht genannt. 9luf einem 9ciefenboot, mie nie eines auf bem
mar, 150 Glien lang unb 40 Glien breit (alfo 78 m lang, 21 m breit,
roätu'enb bic größten betannten Dcilfcbiffe nur 22 m Sänge r)attett) , fährt
ber Unbetannte mit ben beften 3Ratrofen an bem Sanbe Senmuth unb an
bem l'anbe Uauat oorbei bis in baS ferne ßanb $unt. Da bricht ein Sturm
los. Die 5öeüen gehen acht Glien h^ch- Die ganje *Dlamtfcbaft mirb Don
ben tobenben $luthen oerfchlungen. Ulur ben Ginen rettet eine SBoge an
eine 3nfel, unb baS ift juim ©lud für if>n ein wahres parabieS. Da finb
feigen, irauben, alle Sorten ber h^rrlichften Qtanüfe, Beeren unb #orns
arten, Melonen, Sifche, Bögel, alles im Ueberflufe. Der (Gerettete itft ftch
fatt, jünbet bann ein grcuer an unb opfert als frommer SJiann ben tööttern.
1 ^apijruä ber tfrcmitaße in St. ^eteroburfl, erft 18*0 üon äöolbemar ®ole»
nifdjeff entberft unb überfe&t, 188*1 am Cricntoliftcnconfliefe 3U Berlin mitgeteilt.
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fiiterarifdjeä ßebeu im alten Kenten.
129
Sa fchütteln ftch bie ©äume, bie 6rbe bebt, unb es erscheint eine Solange,
30 @Uen lang, mit einem 2 (SUen langen ©art, ber ganje 2eib fchiminernb
wie (Stoib unb (Sbelgeftein. Sie nimmt ben Schiffbrüchigen in iljr SRaul,
ohne ihm ein Seib ju thun, unb trägt ifm fo ju intern Weft. &ier fragt
pe ilm au§, unb nachbem er ü6er ben 3roecf feiner SlmtSreife im Auftrage
beS Königs ©efdjeib gegeben, flöjjt fte ihm SHutf) ein unb fünbigt ihm an,
baB tyn nach öier Monaten ein Schiff abholen unb nach §aufe bringen
werbe. Sie Snfel, fo belehrt fie it)n , ift bie ^njel ber Äa (ber abgefchie=
benen Seelen), unb eS jofl ihm unterbeffen an nichts fehlen. Unb fo ge=
fchieht eä. 9tad> einem forglofen "^^äafenleben bon bier ^Jconben fommt
baS Schiff, unb bie gute Solange entläßt i^ren Ötofl mit reichlichen ®e=
jchenfen für ben $önig : ben föftlichjten ^ßarfümerien unb £>öl$ern, (Siefantens
jä^nen, 2Öinbf>unben, ^aüianen, grünen Wffen unb $oftbarfeiten aller 9trt.
ÜKit folgen Schäden ift er natürlich bei £)ofe ganj miQfommen unb fleht
nicht umfonft um ©eförberung. „2öerbe ein SBeifer, mein greunb," fo wirb
ihm gefagt, „unb bu wirft ju @h«n gelangen." „Unb ftehe! bin es
geworben", fd^lte^t ber wunberfame ©eridjt beS Schreiber» ^Imeni^lmen^aa.
Sie Öefchidjte bon ben jwei trübem1 gibt in ihrem erften
Zf)t\i ein fdjlichteS ©ilb oon bem &ben ber ägnptifchen dauern. „<5S
waren einmal jwet ©rüber bon berfelben Butter unb bemfelben SBater.
^tnupu mar ber 9tame beS großen, ©itiu war ber 9iame beS fleinen. Wnupu
hatte ein #auS, fyattt eine grau, unb fein Heiner ©ruber war mit ihnen
als Siener; er machte bie Kleiber unb ging hinter bem SBiet) her auf baS
gelb; er that alle Arbeit, er brofd), er berrichtete äße gelbgefchäfte; benn
biefer fleine ©ruber war ein trefflicher Arbeiter, eS gab feineSgleichen nicht
auf ber ganjen (Srbe (b. h- in 9<m$ Unter: unb Oberägtypten). Sieh, baS
that er. Unb biete Sage banad), wenn ber tleine ©ruber hinter feinen
SMnbern nach feiner ©ewofjnheit alle Sage auf bem gelb gewefen war,
bann fam er jeben 9tbenb nach £>aufe, belaben mit allen Kräutern beS
gelbes, unb fteh, was er that, fobalb er oom gelbe jurücfgetommen war:
er legte bie Kräuter oor feinem großen ©ruber nieber, ber mit feiner grau
1 <Papöru$ Orbinen im ©rit. SRufeum ju Sonbon, öeröffentlid)t Don 93ir<h
(Select Papyri II, ix f., 1860) unb SBubflC (Egyptian Reading Book p. 1—27);
überfefct unb befprodjen Don De 9loua.e" (1852), ©oobwtn (1860), ©ird) (1860),
tyabai (1864), ©ruo,fd) (1864), <?ber* (1868), SJlafpero (1871), Öe ^agc ftenouf
(Records of the Past II, 137 f.), GoemanS (1887), ©roff(1888), 3)tolbef|nfc (1888).
— Wadj tyt). 23ireü (Revue des Quostiona Historiques, avril 1893, p. 337 s.) loare
bie <$efd)id)te burdjauä uid^t als natoc SJotföerjäfoluna, ju bctradjten; anfnüpfenb an
$arftefluna.en in bem ©rabe oon töcfbmara, jud)t er oielmel)r bariutfmn , baß fie
nur bie aflegorifd)e <£infletbuna, cineö mit bem Sobtencult jufammenf)äna,enben
ffllüthu« fei, flleid) jenem beö Cfivte. £te grfläruna, entbehrt einer gemiffen 2öab,r=
fdjeinltdjfett nidjt.
»aumflattner. !©«Iilittiatur. I. i)
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130
Grfieä ühtd). Siebentel Äcuiitel.
bei £ifd)e jap, er a&, er tranf, er fd)üef in feinem Stall mit feinen treff=
lidjen 9tinbem. Unb wenn bie (Srbe fid^ erhellte unb ein ameiter 2ag am
braaj, unb roenn bie ©robe gebaden maren, bann fefcte er fie [einem trüber
Oor, er nabm aud) ©rob mit auf bie gelber, unb er trieb feine Siinber
au§, um fie auf ben gelbem meiben 311 (äffen. 9®är)renb er ijinter feinen
)Ninbern Berging, fpracben biefe 511 i(jm : ,3>a» ©ra» ift gut an biefem Crte.'
(5r rjörte alle», ma» fie fagten, er führte fie ju ber guten SBeibe, bie fte
Oerlangten. $afjer mürben bie Äitye, bie bei iljm maren, fef)r fd)ön, fefjr,
feljr; unb fie warfen üiele üälber, biete, oiele." 3n biefe» fd)lid)te, tratu
liebe Familienleben brtdjt nad) bielen glüdliajen ^ahjen unberfefjen» ber
gunfe be§ Räbers unb be§ Untjeil», mie überaß feit 3>af)rtaufenben, bureb,
be» 2Beibe» ©egel)rlid)feit unb bura) be» Wanne» (Siferfud>t. $n ber 3eit ber
?lit»faat, meldje ber ältere ©ruber 9lnupu felber leitet, fdjidt er einmal ben
jüngem ©ruber 33itiu nad) £>attfe, um ein feljlenbe» Sßäddjen ©amen ju
bolen. (Sr trifft bie faule ©äuerin oor bem Spiegel, roo fte fid) mit Xoilette
bie 3rit oertreibt, ©öfe 2uft fteigt in if>r auf. Sic miH ©itiu §ur Sünbe
herleiten, aber ber treue ©itiu meift iljre fd>eufjlid)en ©orte, gleich bem
ägoptifdjen Sofepb, entrüftet -wrüd: „^ürmaljr, bu bift für miü) mie eine
Wutter, aber bein ©atte ift für mid) mie ein ©ater; aber er, ber mein
älterer ©ruber ift, er gibt mir Seben unb Unterhalt ! C bie grofje Scbeufc
lid)feit, bie bn mir gefagt! fage fte mir nidfrt roieber, unb icb merbe fie
feinem fagen, unb iaj merbe fie mit meinem Wunbe an nieinanb meiter
oerbreiten. "
5)oö) ba» fd)änblidje SBeib mirb burdt) bie treuen, für iljre 6b,rc fo
fdmnenben SBorte nid)t gerührt. Sie furniert fid) mit ftt^roarjem 3*tte
buntle Wale auf bie §aut, als ob fte gefd)lagen morben, mirft fid) auf
iljr Sager, jünbet abenb» fein Sidjt an, empfängt iljren ©arten jammernb
unb roefyflagenb unb flagt ben ©itiu ber f$tnfif}(t$en 3umutljung an, bie
fte ifjm geftellt. 2)a ergrimmt 9lnupu, ergreift ein Keffer unb ftellt fid)
an ber Staflttjürc in ben ^rinterljalt, um ben oermeintliüjen Sdjänber feiner
(£f)re 511 erftea^en. ©itiu fommt mit feinen Mljen baljer. $)odj mie fie
bem Stalle naljen, fpridjt bie Seitf ut) : „Sieb,, bein grofjer ©ruber ftcljt oor
bir mit feinein Weffer, um bid> ju tobten; rette bi(jt) oor Umt!" $ie sroeite
Stnff mieberljolt bie SBarnung. ©itiu bentertt nun bie ^füfie feines ©ruber*
unten an ber Stalltl)üre; benn an ben ägnptifdjen Käufern unb Ställen
reidjtc bie iijüre gemöfjnlid) ntcr)t bi» gum ©oben. (Sr mirft feine i?aft ab,
fliegt eilig unb ruft untertoeg» ben ©ott ^fjra £>armad)utt um £)ilfe an.
Unb ber ©ott erhörte iljn unb lieft atoifdjen tym unb feinem ©erfolgcr ein
grofje» Söoffer ljereinbred)en ooü Ärofobile. ßin um ba» anbere Wal ftöfjt
%nnpu in, aber fein Worbftaf)! fann ben fa^ttlblofen ©ruber nidjt erreid)en.
Diocb am anbern Jage fielen fie ftcb an bem Gaffer gegenüber. 25er treue
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Siternrifdje* ßcben im alten fkgty>tcn.
131
SMttu erjär}lt je$t feinem Söruber bie ©aaje bec 2öar)rt)eit gemäfr unb be=
ftätigt feine Unfdmlb burd) eine graufame ©elbftberfltimmelung bor beS
Siruber» 91ugen. $)ann nimmt er 9fi>fdneb Don ifmt, um in baS ferne
9lfaäientr)al $u jieljen. 58ei feinem Xobe aber, baS oerfpricfjt er, will er
fein £>er$ wegzaubern, unb jwar auf bie oberfte 93lütr)e ber 9lfa$ie. 3?a
foÜ eS 9lnupu rjolen unb in frifctjeS Söaffer legen, um SBitiu ju neuem
Seben ju t»err)elfen. 9ÜS 3c^fn beS lobeS gibt er it)m an: „2Benn man
bir eine Äanne 3Mer reid)t unb eS auffdjäumt." Wnupu ger)t nun naaj
£aufe, fernlägt fein 28eib tobt, mirft ben öeia^nam ben £)unben oor unb
trauert um ben treuen, für immer Derlorenen Söruber.
£er zweite Xr)eil ber ©efd)id)te ift ein DoflftänbigeS 3flUbermära)en.
3m 9lfajientf>al baut fidj SMtiu baS fjerrliajfie SanbfmuS. $ie 9tatn1jett
ber großen (flotter finbet fid) bei ifmt ein, unb £>armact}uti befiehlt bem
&ljnum, ifjm eine feiner mürbige Öattin ju geftalten, bie fcfcönfte in gan$
Wegnpten; benn aüe ©ötter roaren in ir)r. Sie leben eine 3eitlang 9rtn*
glütflid) sufammen. $)a fommt burdj iljre UnDorfidjtigfeit #unbe bon biefer
@öttertod)ter an ben regierenden ^r/arao. ßine Don biefem auSgefd)icfte
©efanbtfdwft mirb jmar Don ©itiu bis auf einen 9)lann erfd)lagen; allein
einer jmeiten ©efanbtfd&aft gelingt e§, fie 511 entführen, unb fie mirb beS
Königs erftc SteblingSfrau. Huf ifjren SRatr) läfjt ber ßönig bie ^fajie
fällen, auf meldje 53itiu fein Jg)erj r)ingejaubert r)at, unb infolgebeffen ftirbt
SBitiu. Hber fein SBruber erhält alSbalb baS üerljeifcene Qtxfyn: fein Söier
fdjäumt auf. (5r fudjt unb finbet beS SBruberS £ers im ^fajientr)al unb
bringt itjn ju neuem geben in ®eftalt eine? Stieres. WlS fold)er läfct er
ftd) an ben |>of beS Portio bringen unb mirb mit 3ubel empfangen;
aber fobalb er fid) feiner grau ju ertennen gibt, mirb er auf beren 9tatt)
gefd)lad)tet. 9tun färjrt er in jmei ^erfeabäume, bie aus jmei feiner 59Iut^=
tropfen in einer 9tadt)t emporfpriefjen. SÖieber gibt er fid) feiner grau *u
erfennen; ba rätr) biefe, bie jmei ^erfeabäume umjutjauen. ®aS gefd)ier)t;
aber bei bem Umbauen fliegt ein Span in ben 9tfunb ber grau; fic Der=
fdjludt ifm unb mirb baburd) Butter eines ^rinjen, ber als Äronprinj an=
erfannt unb auferjogen mirb. SSeim lobe beS Königs aber Derfammelt
SBtttu bie föniglidjen ttätye unb erjagt tynen alles ©efdjefjene. Sie mad)en
ber grau ben ^roceji. S3itiu mirb ^önig, unb ba er nad) jmanjig 3ar)ren
ftirbt, folgt i^m fein älterer «ruber auf bem Stfjron. „2Öer immer Don
biefem Söuaje fpridjt, mit bem fei Xb,ot^!" fo fa^ließt bie feltfame 5)(är.
©efd)id>te eines Sauern1. 9lua) biefe fängt wie alle ridfrtigen
Oiefdjic^ten an: „@S mar einmal im 2anbe .^adjininfuton ein 58auer. €r
' »etltner ^ap^ru« 9lr. 2 unb 4 unb ^nptjrus Jöutlcr im »rtt. «Dlufeum, üf>cv«
W öon ßfaba* (1H68 unb 18R4), ©oobroin (1865).
9*
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132 <Srileö 811$. ©iebcnteö Jtapitel.
hatte eine gfrau , unb er hatte brei tfinber, unb er f>atte 6fel, welche er
mit ben ftxüfym beS ÖanbeS belub, um fie in ber ftrembe jU bertaufeu.
@ineS SageS jog er in bie Saljoofe unb oerfaufte, was er mit ftdj gebraut,
unb taufchte bagegen ©emüfe, ftrüchte unb üerfchiebene ^Irjneien ein, roelche
in ber Soljoaie gebeten." Bei ber 9iücffehr mußte er an bem £aufe
WfariS, eines roohllmbenben ÜtanneS, öorüber, ben na* bem Befifce feiner
Labung gelüftete, tiefer liefi barum ^art am 2öege $üct)er jum Söafthen
ausbreiten; an ber anbern Seite aber ftanben Sattelbäumc, fo baß ber
Gfel faum öorbei tonnte, ohne auf bas lud) ju treten ober fidj ein paar
Satteln abzurupfen. Samit hat Wfari einen Borroanb 511m föaube, nimmt
bem Bauern feine ganje Sabung ab, prügelt Um burch unb 6cbror)t ilm
mit bem $obe. 35er Beraubte flogt nun bei bem Oberoerroalter SHiruitenft,
in beffen Sienft flfari fteht, unb fchliefjlich beim tfönig felbft. Soch in
ben Beamtenfreifen mäfcht eine £anb bie anbere, ber Sachverhalt wirb
überall oerbrefjt, unb ber Bauer fommt nicht gu feinem Siechte, tro| feiner
langen, öortrefflichen hieben, bie heute noch in brei ^apuruS erhalten finb
unb tlar bejeugen, baß nicht erft bas römifche Stecht bas ©Kröpfen ber
Bauern ju erfinben brauste.
Sie 2uft am gabuliren, welche fich in biefen CSrjählungen ausfpricht,
läßt oermuthen, baß mir in benfelben nur bie fümmerlichen Ueberrefte einer
auSgebehntern Siteratur biefer 5trt cor uns hoben. Much aus ber ©lanj=
jeit Don %t)tbe\\ (XVIII. bis XX. Sünaftie) finb nur einige menige $ro=
buete biefer $lrt erhalten, meldte aber noch mehr als bie altern bie Öuft
ber 9legupter am Söunberbaren, an 3<iuber unb 3Ragie bejeugen. Srei
baöon finb ganj phantaftifche 3ÖUDcrmära)cn wie in „2aufenb unb (Sine
9tadjt". Sie finb fehr eigenartig burchgefüljrt , mir müffen uns aber mit
einer furzen 9lnbeutung bes Sufjaltd begnügen.
Ser oermunfä)ene ^ring1. (Sinem tfönig nrirb nach langer
tfinberloftgfeit ein Sohn geboren. Sie £>att)orS ober Schief falSgöttinnen
fommen, um ihm fein Scfncffal 511 beftimmen. (5S lautet: er fofl fterben
burd) ein Ärofobil ober eine Schlange ober einen £mnb. Me Borficf)tS=
maßregeln merben getroffen, um ihn biefen gefährlichen Sdjirffalsroefen jju
entziehen. Sod) ein Meines ^>ünbajen lann man bem bittenben Änaben
nicht oerfagen. 911S Jüngling fommt er $u bem förifchen dürften oon
9iaharanna. Ser hat feiner @rbtod)ter einen ^alaft gebaut mit 70 ftenftern,
aber alle 70 (Sllen hoch über bem Boben. 9öer ba hinauf tommt, ber er=
hält bie Braut. 9BaS allen fnrifchen Skiern bisher mißlungen, gelingt
' 'JJaptoruä #nrriö bcö 5ötit. Sfflufeumö 9lr. 500, überfefct oon ©oobipin
(Tnuibrtctions of the Soc. of Bilil. Archaeol. III, 349 f. unb Records of the Past
II. 153 f.) unb oon 6bcr« (SBeftrrmann« «Dlonatöfiefte, Cct. 1881, B. 96 ff.).
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ßtterarifätf Beben im alten «eggten.
133
bem ^rin^en, ber fid) für einen geroöl)nlid)en ©olbatenfoljn ausgibt, $er
gürft Don ftaljaranna mitt ifjn beSfjalb nic^t $um (£ibam fjaben; aber bie
jajöne ^rinjeftln bedangt nur biefen unb fliegt mit tym. ©lütflid) befdjüfct Tie
iljn bor ©anlangen unb ftrotobilen ; aber fic werben bon ben anbern, etfer=
lästigen freiem berfolgt, unb wie fic fid) einmal bor benjelben in einer £)öljle
Herbergen, ba Derrätl) fie ber Heine £unb — unb baS Sdntffal ift erfüllt.
35ie befeffene ^rinjeffin bon SBedjten'. ^iefe ©efdndjte ift
ganj in Form eines offictellen 9lmtSberid)tS, mit allen möglichen Formalitäten
abgefaßt unb Ijat lange für einen folgen gegolten. (Srjt bie Söiberfprüdje
ber Flamen führten barauf, bafj fie roafjrfd&einlid) nur ein jur 5Berl)errlid[)ung
beS ©otteS ßrjonju in lieben erfunbeneS 9)läraVn ift. — $>er f^ürft bon
$rd)ten, ein afiattfcr)er ^errfa^er, fjat eine feiner Xöä^tet einem ägtoptifdjen
Äönig bei beffen SBefud) jur Frau gegeben. 9tad) etlichen ^afjren ertrantt
iljre jüngere ©dforoefter Sentrefdjt C8int=9lafdnt) , unb niemanb roeifi J^ilfe.
$)a manbte ftd) ber ^ürft an ben £of in Sieben, unb ber fömglidje Sdjreiber
£l)ot=em.|jeb , ein grunbgelefnler Wann, wirb nad) 33edjten entfanbt. 6r
finbet bie ^rinjeft bon einem böfen $ämon befeffen unb ju fdnoo$, um mit
bemfelben ju fämpfen. $er Qfürft roenbet fid) beSfyalb abermals nad) £fjeben
unb begehrt bteSmal einen ägoptifa^en ©ott jur £)ilfe. 9tod) allerlei $e=
fragungen unb Zeremonien jeigt fidj ber ©ott Gljonfu geneigt, bie föeife
nad) 93ed)ten anzutreten, natürlich mit einem Ijeilbringenben Amulett. $ie
©tatue wirb alfo feierlich nad) 33ed)ten gebraut. $ie SBefeffene erhält bom
©ott baS Amulett unb roirb alSbalb gejunb; ber $ämon aber nrirb burd)
ein großes Opfer befdjroidjtigt unb jueljt auf SBefeljl beS ©otteS (S^onfu bon
Rinnen. S)aS gefällt bem dürften bon Staaten aber fo, bafe er ben ägtop:
tifajen ©ott für äfmltdje 9lött)en bei fid) behalten möd&te. (Sr jögert alfo
mit ber Äüdgabe brei Saljre unb neun Monate. $)aS mürbe inbeS bem
©ott 511 lange. 9tad) Ablauf biejer grtft erfjob er fid) in ©eftalt eines
Sperbers aus bem iljm erridjteten £eiligtfwm unb flog Ijeim nad) Wegopten.
Äönig (Sljufu unb bie 3auberer2. 9Wel)rere 3flubergefdjid)ten
finb fjter ju einem Meinen 9iobeflenrranj aneinanber gereift in ber fpäter im
ganzen Orient beliebten Söeife. $ie 2)lärd>en ljaben ebenfalls einen pifant
lüjternen Beigefdjmad. $er eine Sauberer beljeri ein roädjjerneS ßrofobil,
1 Stuf einer ©tele au* bem 2empel beö Gfanfu in Sieben, jefet in ber Biblio-
theque Nationale $u Jßari«, fiberfefct öon »irdj unb 6. be 9toug<5 (1868). Sögt.
8 a uth,, 2lu3 altägtjptifdjer 3«*. IV: 2)er 3ug bc* Ätjonfu gen SBufl)tan (Mgem.
3eitung, 3lug*burg 1875, 9tt. 214), unb SBiebemann, S£ie Religion ber alten
Següpter ©. 149 ff.
« «Paptjru« be« SRufeumö ju »erlin, uberfe^t oon 91. Grman (Slegnpten unb
ögt)pttfa)e* ßeben im Hltertfam (Sübingen 1885] 6. 498 ff.) unb 6b. Snener
(6efa)ia)te be* alten «egtopten* [»erlin 1887J ©. 129 ff.).
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134
Gifte« »udj. Siebentel flapitel.
l'o batf es lebenbig roirb unb einen freien ^ebce^er jur t>erbienten Strafe
bringt ; ein anberer 3auberer tl)ürmt mittelft feiner $efpred>ung baS SBaffer
eineö SeeS beliebig auf, um aus ber geöffneten liefe ein Suroel fjeroorjuljolen,
baS eine ftaüoritin beim Spajierenfafjren oerloren Ijat ; ein britter Sauberer,
fdron 1 10 3ab,re alt, leiftet no$ rounberbarere Dinge jroeibeutigen 3n&altS,
wie fie im £arem eines üppigen $f>arao üöeifatt finben motten.
dagegen ift Hoppes Ginnaljme burd) Xffutti1 eine ganj tjarm*
iofe tfriegSanetbote. 3oppe ift in f einbüße ©eroalt gefallen. Der Jelb&err
Xfmtii toeiB ben 93efeb,lSf)aber ber Stabt tjerauSjuloden # inbem er fid> tym
faVinbar unterwirft unb ib,m als Unterpfanb bas Scepter beS ^barao
Mencfceperra 2ef)utimeS (i&ot&meS III.) bringt, tyn aber mit bem Scepter
$u «oben fdjlägt. 3"ölet<fc fajmuggelt er in 400 großen trugen ägmrtifc&e
Ärieger in bie Stabt unb überrumpelt fie fo unberfeb,enS.
(Sine merfroürbige s:probe fpäterer GrsöfumigSfunft (aus ber faitifc&en
^eriobe) ift bie ©efd>ic&te beS Satni ober Setna2 — ein Heiner
Vornan, ber bie unheimlichen Stauer ber ägnptifthen Metropolen in felt=
famom Contraft ber fittenlofen Ueppigleit beS SebenS gegenüberftellt. Durdj
einen ber 2Beifen bei £>ofe, einen el)rroürbigen ©reis, ^Ört ber gelehrte unb
roiffenSburftige ^rinj Satni3 oon einem 3auberbud), baS ber ©ott Slroti)
felbft gef(hrieben unb bas feinen 53eft|er an 3aubermad>t junäöjft an bie
©ötter reiht. Um es ju befommen, jud)t er brei Jage unb brei 9iäajte in
ber Sobtenftabt Don Zempins, finbet enblith baS ©rab, roo 9?oferfephtal),
beS 55uäjeS (Signer, begraben liegt, unb fteigt in bie furdjtbare liefe hinab.
Dodj es ift hell ba unten, Sonnenglanj ftror)It oon bem göttlichen 3aubers
buaje aus. Obtoohl in tfoptoS begraben, roeilt bei s}?oferfepf)taf) fein Söeib
Stfmri unb fein Sob,n 9)lid()onfu, b. h- ü)r §t<\, ihr Doppelgänger. 3n'if^n
ilmcn liegt baS Sud). Satni oerlangt es unb broljt fogar mit ©eroalt Da
erhebt fi# 9Üjuri Don ihrem ©arge unb roarnt ihn oor bem S8ud)e. (£s b,at
ihr unb ben 3&,rigen baS ©lürf beS (SrbenlebenS getoftet:
Sie roaren fo glütflidj, unb ihre (Slje mar eben mit bem erften Äinbe
gefegnet, ba fam über 9ioferfepf)toh ber unfelige Drang bes SöiffenS, unb
er Ijörte oon bem 3öuöerbud), baS Shoth felbft gef$rieben, unb er raftete
nid)t, bis er eS hotte. 3m 9lil ruhte es (äfjnlidj bem Nibelungenhort) in
fiebenfadjem Sd)rein oon (Sifen, 33ronje, 3totmetholj, Elfenbein, Gbenholj,
1 Sluf ben erfiten Seiten bcö 'Jkptyniä £>arrU 9lr. 500 im SBrit. SJlufeum,
überlebt oon (Soobtoin (1874) nnb 9)lajpero (1879).
* tßapijruft beä ÜJlufeum* von S3ulaq (jefet in ©ijefj) , f>erau«QeQeben oon
tmaviette (Les Papyrna da Mnsef de Bulaq, 1871, I, 29 s.), überfefet Don 93rugfö
(1867), £e <Pa0e SRenouf (Ffccorda of tho Pobt, 1875, IV, 129 f.), «. »cDiflont
(1877), gjlaiöero (1878), $efe (1888).
3 Äönig führte er fpäter ben 9kmen Slamfed HI.
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ötterorif^eö &ben im alten «eggten.
Silber tmb ©olb, oon einer geroaltigen 3tr)lnnge ummunben, uon anbern
Sdjlangen unb Sforpionen umroimmelt. 9lur burdj ben mäd)tigfien Räuber
toarb Wofertepfytaf) über bie Solange SJteifter unb Seftjjer be$ Su$e$.
2öunberbar über äße Dianen mar ber 3auber beS SudjeS. „@r bezauberte
bamii ben Gimmel, bie (Srbe, ben näcb,tlid)en 9Xonb, bie Serge, bie ©e=
roäffer; er üerftanb bie Spradje ber Sögel im £immelSraum, ber ftifdje in
ben ©emäffern unb ber Sierfüfeer in ben Sergen. Gr fagte eine anbere
Formel ber Schrift, unb er far> 9la, ber mit ber großen ©öttemeunljeit gen
Gimmel flieg, ben aufgefyenben Wonb, bie Sterne in tyren Öeftalten; er
fab, bie Ungeheuer ber $iefe, benn eine göttliche ©emalt trieb fie hinauf an
bie Cberflä$e ber 2öaffer." Wber roas Ijalf baS afleS? afle ÜJiadjt unb
3Btffenfct>aft ? 211s er baS Sud) tjeim gen $Rempb,iS bringen mollte, fiel
fein #inb über Sorb, bann fein SBeib unb julefct er fefbft mit famt feinem
Suaje. 2lUe mürben bon ber üefe berfdtfungen unb um bas ©lüd biefeS
Seben» betrogen. ÜRitr baS ßine erlangte er, baji feine £eid)e mit bem Sud}
auf ber ÄönigSbarte felbft gen SJiempljte gebraut unb mit fürftliajen (£ljren
beftattct mürbe.
%\lt% baö Dermag inbeS Saini nidjt üon feinem Verlangen abzubringen.
Gr fpielt mit 9loferfepI;tar) Srettfpiel um baS Sud> unb oerliert bei jebem
3uge. Gr oerfinft bis über bie Äniee in ben Soben, beim britten bi» an
bie f)üften, beim fedjöten bis an bie Cljren. vJiur burd) bie 3<*ubertunft feinet
SruberS Wnljatsljorerrau mirb er bor böüigem Serfinfen gerettet, entgeht bem
©rabe unb bringt ba§ Sud> beS 2Tr)otr) mit an ben £>of. Scrgeblid) mab,nt
it)n tRoferfepfjtaf), er merbe es fieser jurütfbringen muffen ; bergeblid) mafjnt
it)n fein Sater, ber ßönig, baSfelbe ben lobten jurüdjugeben.
£od) je£t, im Seftye afler bermeintliajen 3^nbermei§b,eit , füllt Satni
ber geroöfmliajften, niebrigften ^i)orr)cit anfjeim — er gerötr) in bie Sehlingen
ber Sudlerin iljubui, ber iodjter eine» memplntifd)en ^3riefterS. £ic 2eiben=
föaft läjjt if)n jebe beffere Regung, jebe ftlugfyeit öergejfen. Gr fünbigt mit
it)r — unb jebe 3nu°fnnad)t ift babura) bon if)in gemiajen. 3e|t, in ber
tiefften, fmmaajboüften Grniebrigung , gefjordtf er enblidj feinem Sßoter unb
bringt baS Sud) feinen Sefi&ern, ben lobten, jurüd. Wuf bie flef)entlid&e
Sitte bes 9?oferfepr)tal) t)olt er aud) bie 2eid)e ber ^tljuri unb beS tfinbeS
SRicfconfu auf ber JRönigSbarfe auö tfoptoS fjerbei unb bejiattet fie bei itjrem
©arten unb Sater.
$ie ganje ®ef#id)te ift überaus feffelnb erjä^lt, bie Gpifobe ber S^ubui
nur $u realiftifcb, unb lüftern; bas ©anje beiförpert inbeS eine tief fittlidje
3bec, biefelbe, meldje in ber ftauftfage ju läge tritt : bafc bermeffener 2Biffen§=
jiolj gemöb,nlid) in fittltdjer Gntroürbigung enbet. ^ic unb.eimlia^en ©räber=
feenen finb in roenigen Striaen meifterljaft ge-jeic^net, unb ber 6rnft beS
lobeS bämpft ernüa^ternb baS bajroifcr)en liegenbe frioole SBeltbilb.
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IM
SrfteS SBud). Siebente« ftapttel.
2Iu* ber 3e^ oer ^ßtolemäer enblicfo ftammt bie Sr^lung üom „6dja$e
be3 SRljampfinit" J, roeldje burd) ^erobot ju ben ©rieben unb burdj fie
längf! ju allen foltern gelangt ift. ^tu^ biefer mie auä frühem Venoben
finb übrigens fd)on jefct Fragmente mehrerer anbern (Srjäljlungen befannt;
e§ ift barum fid)er, bajj Aegöbten auf beut (Sfcbtet ber UnterljaltungSHteratur
einen $iemlia>n JReia)tf)um befeffen Ijaben mufj.
W\t ber |)errfajaft ber ^toleinüer jogen grtednfc&e Silbung unb Sitte
in Aegypten ein, aber ntcbt jene ber glänjenbjfen ljetlenifdjen Qtit, fonbem erft
jene be§ Verfalle*, bem bie ©elefyrfamfett ber 9Meranbriner nid&t $u fteuern
bermodjte. ^a» Ijöljere ©eifteäleben ber $legnbter war bamal§ bereits in
unfruchtbarer ^ormalifHf erftarrt, bie 6beculation in einer bunfeln, atlegorifü>
mptr)ifc^en 9toturbI}iIofopfne, bie ^oefte in ebenfo geffeimm&tlmerifdjer, feier=
lieber Sempelpoefie. 2öa§ am üppigften weiter wucherte, baS waren 9Ragie
unb Aberglaube, welche, obwohl Don ©rieben unb Römern berfpottet, bod)
511 bem ^pantfyeon be§ abfterbenben gried|i)a>römifct>en £eibentljum$ tyren
anfeljnH$eit Beitrag lieferten. @lemen£ ber Weranbrtner madjt inbe§ mit
Stecht geltenb, bafc ber Verfall ber griecbifcfcrömifdjen Kultur ein Diel ab--
grünblic&erer mar als jener ber ägttpttfcben 2.
1 Herodot. 1. II, c. 121. * Cohortatio ad gente» c. 2.
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Statute »udj.
Die ali4)ri0lül)eii mttatnxtn Us ©tftnt* uni
itos 3ukntl)um.
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(Srftcä tfapitel.
3>a$ Klette %tftament.
jjreijjig ^a^rc naajbcm Cleopatra, bie le&te @rbin ber $toIemäer,
fi$ burdj ben einer giftigen 2d)lange ums Seben gebraut Ijatte, imb
ba» uralte iHeia) ber sJtyaraonen \ux römifdjen ^roöinj ljeruntergefunfcn
mar, flüchtete eine arme £>anbroerferfamUie Don ^aläftina au§ nad) Wegnpten.
Wod) toeift eine fromme Cegenbe auf 91nu=£eliopoli», einft Si£ be* ältejten
ägöptifdjen ^rieftercoUegiutn* , Inn als auf bie Stelle, mo ber Söelterlöfer
ats armes $inb mit Waria unb 3iofepf| auf ber Jluajt oor £>crobe£ ge=
raffet Ijabeu foÜ1. $)er CbeliSt, ber t)eiite nod) bie Stätte bejeicbnet,
mürbe Don #önig Ufertefen I. (etroa 2433 D. (%.) aufgerichtet. Unter ber
XX. $Qnaftie mar ber lempel Don 9lnu ber glänjenbfte Don ganj s2tegt)pten.
SU» ÄamböJeS bie Stabt befugte, mar fic jebod) fdjon am Wiebergang,
unb Strabo fanb fic (24 d. Gfyr.) bereit» in Ruinen. £ie törünbung Don
WIeranbrien §atte ifjr (^lanj unb Söebeutung cnt5ogen.
9lUe bie großen 2Beltreid)e bitten fid) in bem SBefifc Wegoptens abgelöft :
Wfförien, Öabulonien, ^erfien, 2)tacebonien, 9tom. 3J?emp()i» unb itjeben
mit iljrer uralten Kultur roaren burdj baS gried>ifd)=macebonifd)e , bann
rflmifdje 9lle£anbrien Derbrängt, Don bem aus fjeüenifcbe 5Mlbung fid) nad)
bem 9tbenblanbe mie nach, bem SJtorgenlanbe oerbreitete. SBic einft IDiofe»,
ber ©efejjgeber be» Gilten 5Bunbe», fo rooflte aud) Gbnftu», ber ©efefcgeber
be§ ^Reuen 58unbe3, Don WegDpten au» feinen (£in$ug in bie 2£elt galten.
9Son SUeranbrien au8, roo ba§ ®ried)ifd)e atö xoiv^ jur gemeinfamen 3?er=
te^rSfpratbe für Crient unb Cccibent gemorben, f)atte er fid) unb feinen
Senbboten burd) Eroberer, Slaufleute unb ®elefjrte gleicbfam bie Söege Dor-
berciten laffen.
Gr felbft befdjräntte nad) emigem iHatfjfdjluft feine l'eljrtljätigfeit auf
ba» Heine ^ßaläftina. Seinen Wpofteln blieb e» übertaffen, bie £cf)ren, bie
er ifmen in ber aramäifdjen Spraye feiner Heimat mitgeteilt f)inau§ in
' E. A. Wallis Budge, The Nile (London 1890) p. 131. 132.
s «. SJtetjer, 3efu ÜJtultevfpra^c. $>ai gnliläifäe Slramäifä in feiner f&t*
beutung für bie Weben $efu ic. Ofretburg 189H.
uo
Smeitti 99ud). Grfte* Äapttel.
afle Seit ju trogen, unb fomeit erforberlidj, in jener Spraye aufauseidmen,
meldje bamate über ba§ gefamte Stömerreid) verbreitet unb über beffen ©renken
hinaus befannt mar, in ber grieebifdjen.
6* mar nid>t bie feine attifaV Spraye ber grofeen $id)ter unb tyxo--
faifer %tfyn$, fonbern bie griecbifdje »olföfprad&e, wie fie bura) bie ßrobe=
rung$$üge Slleranber* be§ ©rojjen unb bie Kriege ber $iaboü?en unb ber
Börner mit bem ganzen Orient in 33erbinbung gefotnmen war, (demente
au* ben öerfdnebenen grieebiidjen Paletten, aus bem ^erftfdjen, Slegnptifajen,
Sateinifajen mie au§ ben femitifdjen Spraken in fidj aufgenommen, fid»
flud) in #orm unb Söortgebraud) freier entmidelt t)atte
3n biefer Umgangäfprad)e mürben, ba§ ßoangelium be§ 1)1. S)iattl)äu§
abgeregnet, fämtlidje SBüdjer be§ 9teuen Seflamenteä niebergefdjrieben ; aud)
ber f>ebräifa> Sejt be* Wattf)äuaeüangelium§ 2 mürbe balb burd) eine
griea)i)d)e Ueberfefcung berbrängt. <So gehört benn bie Ur!unbe beS Wcuen
S3unbe§, baä midjtigfte unb fegenSbotlfte Sajriftmerf ber ganzen 9)tenfd)f>eit,
fprodjlid) bem 9lbenblanbe an, fadt)£tdr> jebod), als frof>e Sotfd&aft *n bie
gefamte 9flenfd$eit , ebenfogut bem Worgenlanbe. TOit ber gnabenreid&ften
göttiid)en Offenbarung erhielten bie Hölter beä 9lbenb= unb 9)iorgenIanbe*
$ugleid) eine neue ©runblage it)re§ gefamten ®eifte§lebenä, aud) tyrer SMlbung
unb Literatur.
2öie bie münblidje ^rebigt be§ (Sbangeliums , fo traten auaj bie
Sdjriften ber Wpoftel unb ßbangeliften mit unbefdjreiblic&er Einfalt unb
Wnfprud&Sloftgfeit an ü)re £>Örer unb ßefer Ijeran. ßeine lünftlidje ober
fünftlerifdje 9)tül)emaltung ift fidjtbar, feine 9lbfid)t, gefallen ober gar febiflern
5U rooflen. SBei ben brei ©nnoptitern roeajfelt bie einfaebfte (£rjäljlung mit
ungefügem Setjrbortrag ; audj bie eingeftreuten Silber, 9$ergleid>e, Parabeln
finb bon jajlidjtefier 9trt8. $er 3nl)alt ift afleä. 3ol)anne3 nimmt einen
(jöfjern fällig, aber er liegt ni#t in 53ilb unb 9lu3bnitf, fonbern in ben <5te
1 i?. Cornel;/, Introd. generalis in U. T. libros sacros. 2. ed. (Parisiis 1894)
p. 298 sq.
* Ob ber Urtext bei ÜJlattbftuäeöangeliumd fabrätfd) ober aramäifd) war, ifl
ftrittig. »gl. Hauten , (Einleitung in bie fcetlige e^eift (2. »ufl., Sfreiburg i. »t.
im) ©. 389.
' Sdjon in biefer Einfalt ber 6prnd)e nnb SarfteKuna, liegt ein 6d)immer be«
©öttlidjen. Sötcnfdjltdje Tutoren gälten ftdj feiner entfdjlte&en fönnen, auf jebe ge«
lehrte Oftcntatton 3U Derjtdjten. Set ben älteften Atrd^enfdjrtftftctlern, nue bei Sar«
nabaS (c 10), bei (Siemen* t>on SRom (1 Cor. 25), fhtben fta) au* bem gelehrten
SBiffen jener 3eit 3. JB. Sb,ierfabeln, bie fid) fp&ter al« unhaltbar ernteten unb nun
ba« ©egentbeil Don bem bennrfen, toai ber ©äjriftftcaer beabfidjtigte. 2)ie goangelien
terjidjten auf alle« Das, fnfipfen i^re Sebre an bat 3llltäglid)e unb @emÖbnlid)e unb
tjaben fo für alle 3«tcn irjre 3rrifd)e bemabrt unb ifjre Uebertegenbcit über irbifd)e
©elefjrfamlcit burd) baö Serfdjmfttien berfelben belunbet.
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$ai Diene Xeflament.
141
bauten, in ber Sadje. 3u bcr Slpoftelgefdndjte maltet roieber ber einfadiftc
(5r}äf)lungston. Sßaulu» felbft öcrjidjtet in feinen ©riefen au§brüdlidj auf
allen fünftlidjen Äebeprunf, unb roenn feine 9(u3füf|rungen aud) einen f^arfen
Genfer, einen rooljlgefdjulten (&efe$e§lel)rer, einen fnnreijjenben SHebner oer=
ratzen, fo Hegt feine £auptfraft bod) nidi>t in biefen (£igenfd)aften, fonbetn
in einer (bemalt ber Ueberjeugung , bie in tieferem (Srunbe rourjelt. Die
majeftätifdie SBilberpraa^t ber altteflamentlicrjen ^3ropljeten ftnben mir nur
in ber Slpofalöpfe roieber. Dennod) fjat fein 39ud> Je foldje Sriumplje über
ben Üflenfa^engeift gefeiert roie biefe anfpruajälofen Triften. Sie Ijaben,
im SBerein mit ber mtinblidjen sprebigt be§ (SbangeliumS , ba§ Wntlifc ber
@rbe erneuert, eine neue, beffere ^enfcr)r)eit herangezogen.
33a§ <$el)etmnifi ifjrer munberbaren $raft lag in ®ott felbft. Statt
bec polutljeifiifüjen ober panrljeiftifd>en 2öar)ngebilbe , roeldje bis baf)in ben
(Seift be$ 3Kenfd>en genarrt, ifm balb in unbänbigem ibealiftifd)en Stolpe
über fi# felbft erhoben, balb in materialiftifd)em Sinnentaumet unter bas
i^ier ljerabgeroürbigt, brauten fie ftajere, unfehlbare $unbe, bafc ©ott felbft
in grenjenlofer Siebe ju bem gefallenen <Dcenfd)en fjerabgeftiegen fei, um
tyn mit bem 3Mute eines ©ortmenfd&en ju erlöfen unb um if>m im ßeben
eines ©ottmenfdjen ben fidjerften 2öeg -ut eroiger ©lüdfeligfeit borjuseidmen.
F3m Anfange war bai 2Öort, unb bad SSBort mar bei (Sott, unb ©ott war ba*
SBJort. 3Hefe$ war im Anfange bei ©ott. Mee ift buref) baäfelbe geworben, unb
obne basfelbe ift nichts geworben, Wae geworben ift. 3n it|m mar Seben, unb baS
Sieben war bae ßid)t ber ÜDtenfdjen. Unb bai 8id)t leuchtete in ber 2rinfternife , unb
bie OfinfterniB erfaßte es nidjt. 6$ erfdjien ein *Dlcnf<^. gefanbt Don ©ott, unb fein
9tame mar 3of)anneä. S)iefer fam $um 3cuQniffe, baß er 3ci»Ö"i& Qöbe Don bem
ütdjte, bamit alle glaubten burd) if>n. 9Hä)t war er ba« Cic^t, fonbern 3c"9"i6 geben
iottte er öon bem Staate. 68 war baS mabre ßi$t, weites erleuchtet jeben SHenfdien,
weiter tommt in bie 2öelt. 3n ber UÖelt war eS, unb bie S&elt ift bureb felbe«
geworben, unb bie SQBelt fyat ifm niä)t erfannt. 3» fein ©igcntljum tarn er, unb bie
Seinigen nahmen Ü)n niä)t auf. SBte Diele aber it)u aufnahmen, er gab i^nen SJladjt,
©otted Ainber ju werben, bie ba glauben an feinen tarnen, weld)e nid)t auä bem
©eblüte, unb niä)t auö 3rleifa)e<$winen unb nidjt au* OJtanneöwillen , fonbern aus
©ott geboren worben finb. Unb bad 2öort ift 3rleifd> geworben unb b,at unter und
gewohnt, unb wir baben gefeljen feine #errlid)feit, eine fterrliäjtctt ali beä Eingeborenen
oon bem JBater, üott ©nabe unb SEßarjrtjcit." 1
Die 9ttenfd)roerbung , ba§ irbifaje Seben, bie Set)re, ba§ Reiben, ber
JireujeStob unb bie 9(uferftcl)itng bc^ eingeborenen ©ottesfo^ne^ bifoen ben
unerfahöpfliahen 3n^alt ber oier eoangelien. 9U» münblia^e 3eu$m feinet
Sebent roie feiner Se^re roäljlte fid) ber ^>err au^er ben erfreu 3möIfbotcn,
bem t)I. <Dlattf)ia3 unb bem t)I. Paulus nod) eine ganje S*ar Don Jüngern
au^; at§ feine ©e)c^id)tfa)reiber erfor er fid) bier: Watt^äu^ ober Sebi, ben
1 3ob. 1, 1-14.
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142
3n>eite$ 3}u$. ©rfte» Äapitel.
3öUner, ben er einft bon feiner 3»Uftättc am See ©enefareth ju feiner
Nachfolge berufen hatte; 3Warcu8, ben fpätern bertrauten Begleiter be3
SIpoftelfürften 5ßetru£; 2uca», ben griednfcb gebilbeten 31r$t au£ Antiochien,
ben treuen ©efäljrten be» 2öeltapoftel§ $aulud auf beffen weiten Steifen
burch $leinafien, ^ella» unb nach 9tom ; ben jungfräulichen 3ohanne§ enblid),
ben einfügen ftifdjer ont See ©enefareth, feinen £iebling»jünger , ber beim
legten Slbenbmaljle an feiner ©ruft ruhte unb bei feinem Sobe unterm
ßreujc ftnnb, bem er fterbenb feine 9)iutter anempfohlen. 3Mer böflig
felbftänbige unb berfdjieben geartete 3fU9en foflten bie frohe SBotfcbaft auf-
jeiebnen, um burch bie Uebereinftimmung il)re» 3eu9nifTe^ *n ö^en wefent*
lieben fünften feinen 3ft,cifel ü6er beren SBafjrheit übrig ju laffen, um fte
burch bie Sßerfdjiebenfjeit ber ^orm ben Suben wie ben Reiben, ben (belehrten
wie ben Ungelehrten, Wenfcben ber berfdjiebenften ^faffungfthaft unb be§
berfdn'ebenfien (Sharafter» jugänglicber ju machen, ^n ben bier Silbern
jeigt fieb baSfelbe Porträt in munberbarer Gleichheit unb boch in ber=
fchiebener, neuer Beleuchtung; fie berfchmeljen nicht 31t einer tobten 9ftofciif,
fonbern ju einer lebenbigen ©eftalt, bie ein unb berfelbe ©eift belebt.
Der hl- 9Jtatthäu§ fchrieb für feine Sanbaleute, bie 3>uben oon ^alä=
ftina, welche, irregeführt bon ihren Scbriftgelctjrten unb ^hacif&eni, bethört
bon Stolj unb Sinnenluft, betrogen bon einer falfchen 5Reffia§ibee unb
9)ieffia3hoffnung, ben (Srlöfer wäljrenb feine» fterblichen Sebens nicht erfannt,
wohl fogar eingeftimmt Ratten in ben freblerifdjen Stuf: „.STreujige ihn!
ftreujige i(m!" 9lu3 ihren eigenen ©efefce§rollen führt ihnen beSfjQlb ber
(Fbangelift ba* ©efdjlecbtsregifter be§ IDteffia* bor, bon Abraham, bem
Stammbater be» au»ermählten 9?olfe§, burch alle Präger ber 3?erheifumg
bi« auf „Sofeph» Dcn 3Kflnn Marien», bon welcher geboren würbe 3>efu*,
ber genannt wirb ßhriftu»". Schon bie £>ulbigung ber Steifen bezeugt,
baß ber Iftngft erwartete Aüönig, ba§ £>eil ber ÜBölfer, erfchienen : bie Wngft
be* Jperobes, bie Aufregung ^erufalcm§, bie Angabe ber ©chriftgelehrten
weifen mit unberfennbarer Deutlidjfeit barauf hin, bafj alle bie Anfunft be*
9fleffia» nahe glaubten, unb bie Scbriftgeleljrteu bezeichneten felbft ben Ort,
wo bie Steifen ben 2öeltheilanb finben unb anbeten follten. ©0 fchilbert
Watthcius weiter, 3»9 um 3"9» im Seben be§ ($rlöfer§ ben bon ben ^ro=
Pheten berbeiftenen, in ben SBorbilbern be§ Gilten 53unbe» angebeuteten,
bon allen erfehnten Weffia*. @r fammelt in turnen aber biclfagenben Gr=
innerungen ©efefc, ^ßrophetien unb ©lauben be» Gilten 33unbes um ben
wirtlich erfchienenen 9)teffia§ unb fehltest bamit weiheboll 3§rael» ©efchichte
ab, bie [ich in GhriftuS jur 2Beltgefd)ichtc erweitert.
$aa (Sbangelium ift borwiegenb fachlich angeorbnet. SRattljätö gibt 311=
nächft in ber Sergprebigt ($ap. 5 — 7) einen ©cfamtnberblicf über Ghrifti Sefjre,
beftfttigt burch Söunber feine Senbung (8—9), weift ihn bann al* ©rünber
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2)aä 9teue Jritament.
143
beä mefftanifcben 9leid)eS nadj (9—13), erjäfjlt bie §eranbilbung ber Hpoftel
(14—20), bcn ßampf 3efu mit ben ^fjarifäern (21—28) unb enblid)
baS ßeiben unb bic Sluferfteljung beä #errn (24— 28)1.
$)a3 (Söangelium beä Ijl. 9)tarcu§ ift lürjer, fummarifdjer, aber im
SBortlaut oft fo mit jenem be§ fjL Wattfyäuä äufammenftimmenb , bap ber
$1. ftuguftinuä u. a. einen Auifyug aus bem sIRattf)äu£et>angelium barin
ecfennen ya müffen glaubten2. $ud> toenn bem fo märe, Ijat bie (Sdfjrift
bod) üjren felbftänbigen unb eigenartigen (Fljarafter erhalten, inbem ber
btolifd^bogmatifaV 9Jac&toete, bap* in (5ljriftu§ ber oerljeifeene 2Jcefftaä er=
jd)icnen fei, ljier f oft ganj jurürftritt unb ber (Söangelift ficb, begnügt, baS
fieben beS 6rlöfer$ fctjlidn" nad) beffen jpauptereigniffen ju erjagten. 37iarcu§
bringt meniger 3:l)atfacben , füb,rt fie aber meift mit überaus anfdjaulidjen,
lebenbigen 3"9en etwas meiter aus. 3n bem gebrängtern SebenSbilb leuchtet
neben ber #er$enSgüte, SJiilbe unb S3arm^erjig!eit (£()rifti öor ädern feine
©Ortzeit Ijeroor, bie ficb, in feinen oielen unb großen Söunbern betätigt
unb juglcid) feine Seljre als eine göttliche auStoeift8. (Sinjelljeiten, bie bor=
nwgenb ben 1)1. SßetruS betreffen unb bie jum $f)eil unmittelbar nur oon
ifmt fyerrübjen fonnten, erinnern baran, bafe biefeS 6oangelium unter bem
ßinffop' beS Styoftelfürften ju ftanbe (am. Unb fo bezeugt eS benn auct)
bie alte Ueberlieferung (burd) (Siemens oon Wleranbricn oerbürgt*), bafj
Marcus fein (Soangelium, auf Sitten ber römif$en (Jfniftengemeinbe, nod)
ju Sebjeiten beS Ql. $etruS nadj beffen Seljroorträgen unb unter beffen
klugen abgefaßt t)abe.
2öäf)renb baS ($oangelium beS In*. 39cattl)äuS einen ausgebrochen (ate=
djetifdjen (Sfjarafter Ijat, tritt ber f/ 1. 2 u c a 8 gleicb, am Anfang beS feinigen
mc\)x als eigentlicher £>iftorifer auf. SBeil einmal üiele fdjon £>anb angelegt,
um bie £eita,e)ti?id)ilid)en (Sreigniffe in eine georbnete $arfieüung ju bringen,
befd)toft aua) er, gemäp* ber Ueberlieferung ber älteften „ Augenzeugen " unb
„Liener beS SöorteS" alles nadj genauer Prüfung ju befdjreiben, um bem
2:t)eop^ilu^, an ben er fid) junädjft menbet, bie 3UDcr^fftgfeit beS ifmt ju
tljeil geworbenen Unterrichts ju oerbürgen. 3)emgemäjj ift fein doangelium
baS ausführliche, tl)atfacbenreicbfte oon allen unb zugleich chronologifdj ge*
orbnet mie ein Ilarer, actenmäfciger Bericht5, tiefer Bericht ift aber fein
1 /. Knabenbauer, Commentarius in qaatuor s. cvang. 1.1: S. Matth.
(Parisiis 1893) p. 12 sq.
* S. Augustin., De cons. evang. I, 2 (Migtw, Patr. lat XXXIV, 1011).
* Äberle (Einleitung 6. 46) nennt baS SJtarcudeöangeliutn Darum mit Stedjt Bba8
«öanaelium ber 2Bunberthaten be* ^errn". Sgl. Cornehj, Introd. spec. in libr. Novi
Test (Parisiis 1886) p. 107.
* »et Euseb., Hist. Eccl. VI, 14 {Migne, Patr. gr. XX, 552).
8 Cornehj, Introd. spec. in libr. Nov.. Test. p. 149 sq.
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144
3n)eite* »Utk lexftti flapiiel.
magerer unb bürrer, fonbern Don fpredjenbfter 9tnf*auli*feit unb ttebenbig* .
feit, deiner ber onbern (Soangeliften fjat bie ©efjeimniffe ber ßinbf)eit 3efu
mit fol*er Snnigfeit unb £iebli*feit erjagt, ®ie munberbare ©eburt beS
Vorläufers, ber (SngelSgrufe an Sflaria, ber 33efu* ElariaS bei @lifabetf),
bie ©eburt Gtjrifti im Stalle ju Vethem, bie Anbetung ber Birten, bie
^arjteüung 3efu im Sempel, baS 3urüdbleiben be« SeiuSfnaben bei ber
SöaUfaljrt na* Serufalem unb baS üerborgene ßeben ju Wajaretlj — fur$,
faft ber gan$e ßnflus ber freubenrei*en 2tteilma*tSgel)eimniffe ftammt oom
ty. SucaS t)er. Me 2Be*na*tSpoefie unb jutn grö&ten Sfjeil au* bie
5Karienpoefie ber fpätern *riftli*en Völfer &at tyre Quelle in feinem <Soan=
gelium, unb jmar nieftt nur ber gef*i*tli*e unb bogmatif*e ©eljalt, fonbem
au* ber jortc poetif*e Suft, bie finbli*e ftrömmigfeit, bie ßngelSfreube,
roel*e tote ein unoergängli*er Sugenbfrityling oon biefen ©eljeimniffen aus*
ftratjlt. 92Me maljre ©ef*i*te unb roatjre Sßoefie au* fonft #anb in §anb
ge&en, fo Ijat uns ber (Soangelift ber Hinbtjeit 3efu au* bie brei erften
*riftli*en $i*tungen aufbemaf)rt : baS Benedictus beS SßriefterS 3Q*Qriaäf
baS Nunc dimittis beS greifen Simeon unb bas Magnificat ber jung=
fränli*en ©otteSmutter K
£aS (Soangelium be§ 1)1. SucoS märe f*on aus biefem ©runbe ben
fru*tbarften unb fegen SOoUften 6rf Meinungen ber SBeltliteratur beijujäf)len ;
ja, menn alle anbere ^oefie üerborren ober Dcrroelfen foflte, fo mürbe baS
Gloria in excelsis ber Gf)riftna*t ben beften Sfjeil berfelben mieber neu
aufblühen laffen. 9lu* bie übrigen Steile feines (SoangeliumS fmb aber
an poetif*er S*önf)eit rei*. Von Parabeln Ijat er allein jene bom guten
©amaritan, oom berlorenen Soljn, oom ungere*ten Vermalter, oom armen
SajaruS, oom ^pt)arifäcr unb 3öDn^f oon ber oerlorenen unb miebergefunbenen
£ra*me. 2>er 5paffton»gef*i*te f)at er neben anbern gemi*tigen 3"9*n
brei ber ergreifenbften Söorte beS fterbenben (SrlöferS hinzugefügt, bie im
fieben ber $ir*e mie in ber *riftli*en $i*tung einen nie oerfiegenben
SSiberljaU gefunben Iwben: baS ©ebet beS ßrlöferS für feine Äreujiger,
baS ©efprä* am ilreujc mit bem reuigen S*ä*er unb baS lefcte ©ebet
beS fterbenben £)eilanbeS : „Vater , in beine £)änbe befehle i* meinen
©eift!" — SucaS ift au* ber einzige, ber bie Verfpottung (Hjrifti bur*
^erobeS er$äl)lt, bie liebli*e (£rf*einung beS 5luferftanbenen ju (JinmauS auS=
füf)rli* mitteilt unb ben 9lbf*ieb Gljrifti oon biefer (£rbe am eingefyenbften
fdjilbert, als ob er felbft bie golbenen Söolfen gefdjaut, mel*e ben glor=
rei*cn SBelterlöfer ben 531iden feiner jünger entjogen.
1 SJlan !ann aiemlid) ftdjer annehmen, bafe er fit bereits in aram&ifdjer Slieber«
fä)rift bor fiä) I)atte. Caotica: Magnificat, Benedictus, conscripta fuisse aramaice
certuin videtur (/. Knabenbauer, Commeutarius in quatuor s. evang. III : Lucas
[Parisiis 1896] p. 12).
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$aö 9leue Zeftament.
145
(vMeidjfam weiter empor nod), in ba§ lidjtetfüflte, uferlofe 9)Jcer beä @ött=
lid)en, erf)ob ftdj mit fttljnem Wblerfluge ber t) l. ^ o l) a n n e S. Sein GDan*
geltum, nad) bem fjl. £neronbmu§ „auf ©itte ber 3Mfd)öfe unb (Öemeinben
ßleinafienS" niebergefdjrieben , iß burd) feine Grljabenljeit unb Wnmutl) bie
Ärone ber brei übrigen x. %i% Ort ber Wieberfd)rift nennt ber 1)1. ^renäuS
Gpljefu3, wo bie Sßrebigt be* Goangelitim§ bamaß fdjon bon ber jübifd)=
gnoftifd)en Secte be§ Gerintfju» gehemmt unb burdjfreujt würbe. Den ftoljen
Iräumereien jübif(fcgried)ifd)er ^ogoSle^re unb orientalifdjen (SeifterglaubenS
trat als probibentieUer Kämpfer Derjenige entgegen, ben nidjt ein fterblidjer
Denfer, fonbern ber menfdjgemorbene 2ogo3, ber Gingeborene beS Sßaterä, ju
feinem Vertrauten erwählt unb am tiefften in bie ®etjeimnifje ©otteS Ijatte
einbringen laffen. Der ftainpf warb aber nidjt in polemifdjer 2Seife ger
fütjrt, fonbern mittelbar unb rein fadjlid), inbem ber Goangelift ben SBafjru
gebilben ber Ijodmiütljtgen Srrlefjrer einfad), dar, beftimmt bie großen 2öaljr=
Reiten gegenüberftellte, bie er felbft im SBerfcr)r mit feinem göttlichen Se^rmeifter
erfahren fjatte, innerhalb ber ©renken, bie menfd)lid)em Grfennen ljtenicben
geftedt finb. iUaä) furjem 331irf in bie ewige £errlid)teit beä Sogo» fct)rt
Der Göangelift mit bem Wenf angeworbenen auf biefe Grbe jurüd, um ben
9Wenfd)en bon feinem fidjtbaren ©alten unb SBirfen tnenieben $u er$äf)len.
Gr fejjt babei bie 39erid)te ber anbern Gbangeliften fdjon oorauö unb ergänjt
fie mit Ginjelljeiten , in bie er genauer eingeweiht mar. Sein ^auptjmed
ift babei ber Grwei* ber ®ottf)eit G^rifti2. Da ift aber fein Sdjweben in
1 lieber baS 3o(mniKfieuaugelium fagt Origeneö (Coiuraent. in loannem
tom. I. § 8. iligne, Patr. gr. XIY, 32), fein onberer ßüangelift f)abe fo Uax ßfjrifti
(Sottfyeit geoffenbart alä 3oh,anneö, bei bem bie Söorte fid) finben : 3dj bin baö Üidjt
ber SBelt ; ia) bin ber SEßeg, bie SDÖofjrtjeit unb baä Sieben ; idj bin bie Sluferftebung.
„. . . Unb fütni barf man fagen, bie (Srftlinge ber ^eiligen 6d)rift feien bie Geangelten,
bic ßrftlingägabe aber unter ben Guangelien baö beS 3ot)anne£. 3n beffen Sinn
fann niemanb einbringen, ber nid)t an ber «ruft 3cfu gerufjt fmt unb ber nid)t Don
3efuÖ SJtaria erhalten bot, bafj fie aud) feine <Mutter werbe." Sleljnlid) Ambrosius,
Instittttio virg. c. 7, S 50: Non miror, prae eeteris [evangelistis] locatum esse
myeteria, cui praesto erat aula eaelestium sacramentorum [i. e. MariaJ.
2 hiermit ift aber nid)t weniger alfi bei 9Jtattl)äug ber 9tad)Wei$ uerbunbeu,
„baß 3efuö ift ber (£f)riftuö", b. f). ber uerfjeißene *Dteffia3 (20, 31). „3of)anne8
ift Don Anfang feineö gbangeliumö barauf ausgegangen, burd) Saa> unb 3DÖort>
^aralleliämuä, wie er oft frappanter !aum gebadjt werben (bunte, pfaftifd) (ui aeigen,
baß ber Weifittö, wie bie ^rüpfjeten ifjtt gefd)ilbert , in 3efu* realifirt fei. ^ene
oerfünben ben 3Jtefftaö unb feine 3(i* ""ter bem Silbe ber Ströme erfrifdjenben
2öaffer$, be« ßid)te«, beÄ Birten u. f. f.: ber (£»angelift jeigt, wie 3t\ui in üöort
unb Xfyat all biefeo feinem ätolfe fei; bie im Gilten leftameut jerftreuten Strahlen
bes> ÜJleffiüÄ werben fojufageu uon 3iJ^aune*$ gefamtnelt ober beffer in il)rcr ^ler-
cinigutiß auf 3efuä nadjgewieien." 3- Ä na beu bau er aber /. Corluy S. J.f
Commentarius in Evangelium S. loannis. (iandavi 1878. Stimmen am SOlnria*
Caad) XV (1878), 534.
aSaumsartner. «EöeUlitnatur. I. 10
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146
3>vciteö SBud). Gxfteö ftapitcl.
quietiftifcher, unfruchtbarer Ztyo]optyt. 3)aS nächtliche ©efpräch beS $tu
lanbeS mit WlobemuS wie bie lange Unterhaltung mit ber Samariterht
am Safobsbrumten finb für ieben ß^riften berftänblicb. $>er Jpeilanb offen=
bart barin eine Siebe unb ^erjenSgüte, bie fchon rein menfchlid) betrautet
jeben gewinnen mutf. @S finb Scenen Don unoergleichlicher Schönheit unb
Anmutf). Wicht weniger ergaben unb ergreifenb jugleich ift bie Auferwecfung
beS SajaruS erzählt, wo (ShriftuS als tljeilnehmenber ftreunb um ben $ahin=
gefdjiebenen meint, ct)c er al& ©ottgefanbter, $ur Veftätigung feiner göttlichen
Natur, i^n aus bem 9Jtober ber Vermefung ins Seben aurüefruft. Nur Don
Johannes üernehmen mir, mie ber ©rlöfer am #reu$ ihm fterbenb feine
9)iutter anempfahl unb wie er nach feinem Sobe noch feine Seite burch ben
Speer eröffnen lieft, tote ber Sluferftanbene fich burch ben bloßen ßlang
feiner Stimme ber trauernben 3)taria Wagbalena ju ertennen gab unb wie
er ^etrus jur Sühne für bie breimalige Verläugnung nur ein breifaches
©eftänbnifj feiner Siebe aboerlangte, um ihm bann als feinem Nachfolger
unb Stefloertreter bie Kirche ju übergeben. 2Sie man ßucaS ben (Soan=
geliften beS SefuSÜnbeS unb ber XRabonna nennen bürfte, fo ifi Johannes
ber jenige beS HerjenS 3efu, unb fein Bericht ifi be^afb ein nicht weniger
fruchtbarer Cuefl religiöfer unb mtjftifcher Dichtung geworben.
Veiben (Sbangeliften mar inbeS. nodj eine anbere Aufgabe oorbehalten.
ßucaS warb ber ©efehichtfehreiber ber jungen chriftlichen Äirche, Johannes
ihr Prophet.
$)ie 9lpoftelgefd)ichte führt fich als ^ortfe^ung beS ßucaSeüangeliumS
ein, wieberholt noch einmal eingeljenber bie (Stählung ber Himmelfahrt beS
^errn unb geht bann jur Vorbereitung beS ^ftngfrtageS unb jur 2Bahl bes
ApoftelS Matthias über, darauf folgen bie Söunber beS ^JfingfrfefteS, bie
erften 3)laffenbelehrungen, bie erften Stürme unb Verfolgungen gegen bie
junge Kirche, baS 9Jiartorium be§ &X StephanuS, bie Verehrung beS SauluS,
bie Vifion beS Apoftelfürften über bie Aufnahme ber Reiben, baS Aufblühen
beS (Jhriftenthums ju Antiochien, wo bie jünger juerft ben tarnen G^riflen
erhielten, bie (Sinferferung unb Vefreiung bes ^etruS, bie erften 5)cifftons=
reifen beS VarnabaS unb Paulus, baS Apoftelconcil. Vis bahin bleibt
^erufalem ber Wittelpunft ber (Srgäfjhing; ^etruS tritt als $aupt ber Apoftel
beutlich in ben Vorbergrunb. Wachbem fich ober bie Organifation ber ßirche
in Serufalem felbft unb bereits in weitem UmfreiS über bie ©renken ^3alä=
ftinaS ^inauS ooüjogen, oerönbert fich bie Scene. 2>er Völferapoftel wirb
bie .^)auptperfon , feine *ötiffionSthätigfeit jttr £>auptfa<he unb einigermaßen
bie SBelt 511m Sd)aupla£. ^auluS pflanzt bas Äreuj hm burch 9flnB Älein=
afien, in 9)?acebontcn , bon wo au» eittfl Aleyanber bie 5ß)elt erobert, in
Althen, oon wo aus einft bie höthfte' geiftige Vilbung beS Alterthums auS=
gegangen, unb enbltch, als befangener, in Äom, baS jefct noch bie Söelt
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S5a* 9teue Seftament.
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beljerrfcbte. £>ier enbigt bic ßrjählung. 2>ie erfte v4$eriobe öcr Äird)cn=
gefdjicbte ift abgefchloffen. Das ßhriftentfmm ift SBeltreligion geworben. 6*
gibt wenige ©efdncbtöbücher , bie auf fo engem 9faum fo Dielet bieten, wie
biefc 28 Kapitel, mit fo fcbarf umriffener Gharafteriftit ber 3$atfa$en wie
ber ^erfonen, mit fo einfacher, leicht fafelicher ©ruppirung, mit fo Diel £eben
unb ©eift in wenig treffenben Söorten. Sßerftanb unb ©emüth fiebert in
febönfier Harmonie, unb bie ooüenbetften @pen fönnen faum feffelnber wirfen
als biefc flüchte @r§äf|lung, bie fieb unauälöfchlich bem ©eifte einprägt1.
Wn bie 9lpoftelgefchicbte reiben fieb, theilweife alä Ergänzung unb ^ort=
fefcung, theilweife al§ etwa§ DöHig Üfrueä unb ©elbftänbigeS, bie 9fpofteU
briefe. Obwohl fie fieb nach Inhalt unb gorm als bogmatifebe unb moralifcfye
&hrfd)riften barbieten, bergen bodj auch fie einen reiben Schaft Don $oefie.
2öir lernen !jier bie erften ©rünber unb Verbreiter ber djriftlicben Äircbe
näher fennen. üöir treten mit ihnen in perfönlidjen Verfeljr, mit ^ßetrirä,
bem erften Zapfte, mit ^auluä, bem größten unb fyerrüdjften aller ©laubens=
boten, mit 3>ohanne£, bem Öieblinge beö £errn unb bem 9lpoftel ber Ciebe.
63 finb ©eftalten Doli inbioibueUer Eigenart, Doli Erhabenheit unb ©röpe
— tnpifche 3bealgeftalten für bie weitere @ntwicflung ber ftirdje. S)ie
cbriftlidje ftunjt ift nicht mübe geworben, fid) mit ihnen ju befchäftigen, unb
hat ben ©egenftanb nicht erfdjöpft. 3Öa§ fie und lehren über bie Schöpfung
unb bie übernatürliche Erhöhung be§ Wenigen, über ben frafl be$ erften
9Jtenfdjen unb bie Erbfünbe, über bie ^eilSöfonomie be§ Eliten SBunbeä,
über bie $reifaltigfeit in ©ott, über ben 9fatl)fcbluft ber ßrlöfung unb
SRenfchwerbung , über baö blutige Opfer am £reu$e unb beffen unblutige
Erneuerung auf bem Altäre, über bie Wothwenbigfeit unb ba3 Söalten ber
©nabe, über bie ©egenwart grifft in ben ©eftalten Don 33rob unb 2Bein,
über feinen ©emifc als Speife im allerheiligften WltarSfacrament, über Saufe,
Ski^e, lebte Delung, 2ob unb ©eriebt, Wuferftehung , £>ölle unb Gimmel,
— baä ift eine SSelt Doli Söafjrfjeit, ©tnr)cit , Schönheit, bie bem geiftigen
Sluge alle SJtofierien be§ 9Uterthum§, alle Sbfteme ber ^fulofopfyie erblaffen
läpt. £ier erft erlangt bie tDpifdje Vilbermelt beS Sllten S3unbe§ it)rc Dolle
ßrflärung: über bie ^afyrtaufenbe ber Vergangenheit erftrafjlt ber Sönnern
glan$ eines ewigen göttlichen 9tathfcblitffeä beS $eile3. 3n biefem Sichte
erlangt auch bie natürliche ffieltorbnung eine neue Schönheit unb munber=
bare VoÖenbung.
1 Stuf bic neuem SUennuthungcn unb ßontroöerfcn , ob ber hl- *Jueaö bie
2lpoftelgef3)idjte in Doppelter 2ertauegabe ber Äirä)e mitgetrjeiLt habe, Oon melden
bie erfte nur in bem berühmten Gambribger Gobej (Codex D ober Bexac) erhalten
fei, brausen toir tytx nidjt einzugehen. SBgl. Fr. Blas», Acta Apostoloruni. Got-
tingae 1895. Serf. , Acta Apostolorum aive Lucae ad Theophilum libor alter,
secundum fonnam quae videtur Romanam. Lipsiae 1896.
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StotiM $ud>. Grfte« flapitct.
Die Wpoftelbriefe , befonber» jene be» 1)1. ^aulu« , jiefjen au» bem in
ben @Dangelien gebotenen Stoff, roie 3. aus ber 2f)atfad)c be» Seiben»
Gljrifti, bic bogmatifdben Folgerungen unb bejeitfmen fo bie erfte <5nttt>icf=
hing ber ajriftliaVn Ideologie.
Da» buutle Sättel be» Seiben» erflärt fiaj aus jenem ber Sünbe unb
Sd)ulb, bie Sünbe au* bem SÖtiBbraudb, ber menfc&liaVn Freiheit; biefer
felbft aber roirb iejjt bura? ba» Seiben ein Heilmittel unb burd) bn» $reuj
ba» £Öiebergero innen be» oerlorenen s$arabiefe§ eröffnet, inbem ©ott felbft
jur Süljne für ben *DJenfd)en SWenfd) roirb, leibet unb ftirbt. 9luf ber Sefyre
00m Äreuje aber mirb eine neue ®efeu*fdjaft»orbnung gegrünbet, bie, auf
ben Pfeilern be» eroigen ©efe^e» rufjenb, Familie, Staat unb Mirale mit
übernatürlid)en Gräften belebt unb buretybringt unb, t)inüberreid)enb ins 3en=
fett», bie Seligen be» Gimmel» mit iljren fämpfenben Srtibern auf (5rben
Derbinbet. Dod) e» ift nidjt möglid), bie c^rtftftdye ^beenroelt ber 9lpoflel=
briefe in einigen 6ä$eu audj nur flüdjttg anjubeuten.
kleben ben lidjtDollen Darlegungen unb einfdmetbenben Seroeiefüljrungen,
in meldten uns biefe Sbeenroelt oor klugen geführt roirb, enthalten biefe
Briefe aber aud) nidjt feiten begeiftert jünbenbe Effecte unb anbere Stellen
oon fjoljer poetifdjer Alraft, au» melden bie Siturgie roie bie geiftlid)c 5Be=
rebfamfeit fort unb fort iljre fdjönften perlen fdjöpfte. Die Säuberung,
roeldje ^aulu» $. 33. im erften $orintl)erbrief (13, 1 — 13) Don ber über=
natürlia^en Siebe entwirft , lieft fidj roie ein ©ebidjt; bie Sobfprüdje auf
Gfjriftu» im tfolofferbrief (1, 12—26) unb im ^fnlipperbricf (2, 6—11)
finb ^pömnen Don rounberbarer Grljabenljeit. Siele WuSbrütfe feiner Siebe
AUiti Grlöfer unb ben (Srlöftcn atfnncn ben f)öd)ften lörifa>n Sdjroung. 9lm
meiften nähert fid) aber, in ©ebanlenflug unb 5lu»brutf, ber £ebräerbrief
ben grofiarttgften Stellen ber "^ropbeten unb be» 3of)anne»eDangelium» K
1 lieber bie fjellcntfdje SJÜbung uub liierarifdje äJebcui famteit be« b,l. ^aulud
jpvidjt 6. (f u r 1 1 u 8 ftdj in folgenber SBeifc auS: „<Pautu* tjat baö (Sricc&ifdjc nid)t
erlernt mie ein 2)Uffionär bie 6prad)e ber Eingeborenen, um fid) tb,nen notl)bürftig
öerftänblid) 3U maä)en. $auluä tjat bie Spraye überhaupt nidjt ju SJtiffmuSjmeden
erlernt, fonbern er ift in bcrfelben aufgemacbjen. 3Wan b,at oor 3cit«t filtfifdje
'JJroöinjialiömen bei ib.m nadjmetfen motten , aber mä)t bie Sanbfdjaft , fonbern bie
Jöaterftabt luar bic SKMcge feiner Silbung. Zarjoä mar nädjft SUeranbreia ber
angefebenfte Sife ber Söiffenfdjaft. Sarfod rjatte ben Jöorjug, baß e$ eine alte Stobt
mar, an ber ©icnjc uon obrien unb ßlcinaften, an 2)tecr unb Strom gelegen, ein
uralter SBretmpuntt orientalifdier unb occibcntalifdjcr (Siüilifation. (H mar feine
gemachte Stabt mie ^llcjanbreia , mo in ^>of> unb Staat^iuftituteu bic 2Biffenfo5aft
fünftlta^ gepflegt mürbe, fonbern ber föeücnißmuö mürbe Don ber einbeimifd^cn Se»
oölleruufl aufgenommen; e* mar fein Sammelplafe, mo bic öerfdfuebcnen SBefiaub»
ttjcile ber fyeraitgcjogeneti SJeoblfcrung fremb nebencinanber oerbarrtcu. Strabo ftebt
aufibrüdlicb, IjcrDor, bafe bie üielen berübmten Sforfier au« allen 3meigen ber iEÖiffen«
ieftaft lmb Äunft cinbeimtfa^e 3)länner maren. larfo« mar bad 31tf>en oon Äiein»
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3)0« 9ieue Seftomcnt.
149
ber 9lpofatbpfe bes 1)1. So&anne* tritt enblid) nodj einmal eine
roirflid)e ^ropljetie an uns r)eran — bie erljabenfte bon allen. 3n ber
tjorm fdfrliefet ftc fid) an bie Wpoftelbriefe an — als ein <Senbfd)rei&en beS
MpoftelS an bie fieben $irdjen 9lftenS: (£pf>efu&, ©mürna, SßergamuS,
jHjbatira, SarbeS, Sßljilabelpfna unb Saobicea. <Bü)on ber eröffnenbe ©ruft
fd)lägt inbeS bie ert)abenften , roeüjebodfien sXccorbe an, unb nadjibem ber
Slpoftel in tuenig SBorten bie üjatfadje ber ifpn auf ^atmoS geworbenen
Offenbarung berietet, geljt er balb jur SRitttyeilung bejfen über, roaS er in
tounberbarer iöifion gefeljen unb gehört fjat.
$en erften, fürjern bilben 5Rar)nungen aus bem ÜWunbe (grifft
felbft an bie einzelnen ber fieben flirren, um fie aus ir)rer ßaufjeit unb
tyafjrtäffigteit aufzurütteln unb gu ftanbfmftem Äampf roiber ^rrtfjum unb
Süge 511 ermuntern, um iljre ©elbjtgefälligfeit unb Unentfduebenljeit ju tabeln
unb fie in iljren Seiben unb Sebrängniffen 511 tröften. Dann erweitert fid)
ber <£d)aupla£ ber ÜBifion flum allgemeinen Söeltbilbe. 35om Sljrone (SotteS,
beffen £>errlid)feit in majeftätifcfyen 3u9en gefdjilbcrt wirb, fdjroeift ber 93lid
über bie ganje (Srbe mit i^ren berfd>iebenen 3e^a^ern t)in bis ljinab in
ben Slbgrunb, aus bem bie 9)täd)te ber ^infternifi cmporfteigen, forooljl gum
Äampfe gegen baS 9ieid) ©otteS auf (Srben als $ur 3üd)tigung berer, bie
bemfelben miberftefjen. $ie Silber finb überaus bunfel unb rän)fefl)aft.
3rit unb Üiaum berfdjroinben gemiffermafjen im Slngefidjte ber (Sroigfeit.
9hir bie Eröffnung ber fieben ©iegel ber bis baljin oerfdjloffenen 58üd>er
unb ber ©a^aH ber fieben ^ofaunen tfjeilt bie ©efamtbifion in fömbolifaje
Venoben, über beren ©ebeutung jebod) bie eljrtuürbigffen unb geleljrteftcn
Sdjrifterflärer feit ben Qtitm °" 3JÄtcr 311 feinem einheitlichen unb fidjern
drgebnifl gelangt finb.
Sie einen beziehen bie gefjeimnijjDollen SÖeiSfagungen auf bie kämpfe,
Prüfungen unb Siege ber erften dniftliaVn ^5nr)rfjunberte ; anbere fefien in ben
afien. @ine allgemeine üernbegterbe bejeelte bic ÜBürgerfd>aft , mic ci ber ©eografel)
mit fo »armen Söorten anerfennt, unb biente baju, ib,rc »erfdjiebenen ajeftanbtfjcile
fjarmonifd) ju uerfdjmeljen. So Imt fid) aud) bie jübifdje Seöölferung, meldje an
bem großen äöeltmartt natürlid) jatylreiä) norljanben mar, I)icr am leidjteften f)elieni<
ftreu tonnen. . . 3n biefer Sltmofpljäi'e ift ber Slpoftel aufgemad)fen. . . 2Öir finben
bei ifjm eine lebenaöolle 2lbmed)alung bed ftebetonö unb eine 3ftUe beö 2öortuor-
rath,S, wie fie bei einer abfid)tlid) erlernten Sprache nidjt letdjt crrcidjt wirb. Gr
toenbet aud) feüene Sffiörter an, meldje bem tägüd)en ©ebraud) fem liegen mußten,
unb jeigt ben feinften Sinn im ©ebraud) ber SBerbalformcu. Gr lueife bie jarteften
Saiten ber Smpftnbitng anzuregen unb ift flarf in biateftifdjer ©cbanlcnfüfjrung,
foroie in fd)neibiger Debatte für unb wiber, toie fte in ber ©cridjtärebe erlernt mürbe.
Sftm ftfben bid)terifd)e Silber ju ©ebote, mie fie einem ^tnbar unb flefrijtolus ju=
fteben. . Si^ungöberidjte ber f. preu&. 9lfabetme ber aöinenfd)aften ^u «erlin
1893 ©. 934 f.
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3weiteö öuaV ßrfte* Heitel.
fiebcn Ifjeilen ber SBifton ebenfooiele (Sporen ber gefamten tfirdjengefcbid)te
fnmboufirt; totcber anbete galten bafür, bajj uns in ber Cffenbarung beS
Mannes nur ber lejjte töampf beS Steides Rottes unb ber Slbf^lufj ber
2öeltgefdjid)te Derfünbet fei. 9(flc ftimnien inbeS barin tiberein, böfe bie
tounberbare <Sd)rift, trofc iljrer Siatljfel, für alle ^eittn eine unerfc&öpfüdje
Cueüe ber 33elehrung unb bes Srofteö enthalte.
3on>eit fidj für gefdjaffene klugen bie Jpertlidbjcit unb ©lorie beS
lebenbigen GtotteS jeia^nen läfit, ift fte in ben majeftätifeben Silbern biefeS
sBudjeS mit unmijjbeutbarer filarljeit gejeidjnet 1. @benfo granbioS tritt uns
bie ©erfyerrlicfyung öor Wugen, bie ftd) GljrifiuS bureb fein Seiben unb feinen
tfreu^estob im Gimmel erworben. 9ftcbt minber beutlidj etfennbar ftnb im
allegorifatyn Silbe bie $Hrd)e, feine Sraut, bie er fid> mit feinem ^erjblute
erlauft, bie TOd)te ber ftinflernifj, bie fie bis jum 2Öeltenenbe befämpfen
»erben, ber £riumpl), ber iljr tro£ aller ©türme unb ©erfolgungen gefiebert
ift, bie Söoflenbung bes gefamten 2Beltplane$ in bem 2tiumplje, ben fie
bureb ^r)riftu§ unb GfjriftuS in iljr, Mt fetbft im enbliäjen 2lbfä)lu$ beS
tfrlbfungSroerfcS feiern mirb. 9luä) baS fcbliajtefie #inb wirb in ber (&otteS=
ftabt am 3<bluffe bie $ird)e niajt oerfennen, beten 3Ritglieb c§ burd) bie
laufe gemorben ift; aueb ein $ante Imt oom Jpimmel niebts SäjönereS $u
fagen geteufet als ber Sefjer tum ^ßatmoS in feiner Wpof alttpfe :
Unb bie ©tabt benöttugt nid^t ber Sonne unb rtic^t beä SDtonbeö, bafe fie
teudjten in iljr; benn bie fcerrlidjteit ©otteä erleuchtet fie, unb ifire fieuc^te ift
baä 8amm.
Unb wanbcln werben bie JUölfer in if)rem £id)tef unb bie fiönige ber 6rbe
bringen itjre §errlid)teit unb Äofibarfcit ju ibj.
Unb ir>rc 2bore »erben mdjt gefdjloffen werben am Jage; benn 9lad}t wirb
bort nimmer fein;
Unb bringen wirb man bie $errlid)(eit unb bie fioftbarfeit ber öölfer bin ju itjr.
9lid)t wirb in fte eintreten irgenbwie ©emeineä, nod) waä ©reuel übt nod) aueb
öftge, einzig nur, bie ba gefdjricben finb im SBudjc beä £ammeä.
1 „Malgre les profondeurs de ce divin livre, on y ressent , en le lisant,
une impression si doueo. et tout ensemble si maguifique de la tmvjeste de Dieu ;
il y parait des idees si hautes du mystöre de Jesus-Christ, une si vive recon-
naissance du peuple qu'il a rächet« par son sang, de si nobles images de ses
vietoires et de son regne, avec des chants si merveilleux pour en celebrer les
grandenrs, qu'il y a de quoi ravir le ciel et la terre. 11 est vrai qu'on est ä la
fois saisi de frayeur, en y lisant les effets terribles de la justice de Dieu, les
sanglantes executions de ses saints anges . leurs trompettes qui annoncent ses
jugements, leurs coupes d'or pleines de son implacable col^re . et les plaies in-
«•nrables dont ils frappent les inipies; mais les douces et ravissantes peinturcs
dont sont mPk1» ces nffreux sj>ectacles, jettent bientöt dans la confiance, oü 1'ftme
se repose plus tranqnilleinent, apres avoir ete longtemps etonnüe et frappee au
vif de ces hommrs4 (Bo**uet, L'Apotalypse avec une explication. Paris 1689.
Prefare. Oeuvres | Liege] II, 3.531.
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£aö tteue 2eftament.
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2Öie bas 3oljanne»eüangelium unb ber äpebräerbrief ba» eroige 2öort
im SdroBe be§ Katers betreiben, bie (Söangelien überhaupt fein Seben auf
biefer Grbe, fo Gilbert bic Slpotalöpfe feinen Iriumpf) im Gimmel unb
oerooflftänbigt fo wgleid) bie ©oangelien unb bie SöeiSfagungen, roeldje bie
^roptjeten be$ Gilten SBunbcS über bie glorreidje £errli#teit be» ^Reffia*
unb feines 9teid>e§ oerfünbet Rotten.
Unb fo fdjliefjen ftd^ benn bie oerfü)iebenartigen Iljeile be£ *Reuen
SeftamenteS, oon aa>t oerfd&tebenen Sdjriftfieflern, ju oerfdncbencr 3*it, an
toeit auöeinanber liegenben Stätten 9lftenS unb Europa» abgefaßt, bei aller
Eigenart ber ftorm, ber $arfteflung , ber Spradje, ber inbiöibuellen 9luf=
faffung, ju einem ÜJanjen jufammcn, baS nrie aus einem ©uffe ftammt, bas
ein unb berfelbe (Seift bdjerrf$t, ba§ fid) in feinen mannigfaltigen Seftanb:
feilen roeä^felfeitig ergänzt, oerftärtt unb ju einer roaljrfjaft fünfilerifc&cn
Sdjöntyeit unb 3Menbung oereinigt. 9Jtan tann nidjts Ijinuifügen, nidjts
roeglaffen, olme baS ®leidjgeroid)t p frören, bie Harmonie $u oerberben.
2et)rbudj roie als ©efc^bud), meljr nod) als glüdlidjfte Bereinigung
beiber, ftefft es ganj einzig in ber 9Belt ba.
5ÜS Sefjrbudj ber Sieligion umfaßt eS baS tieffte, einfjeitlidjfte unb
uigleid) toeitgreifenbfte Softem ber Dogmatil, baS je entworfen roorben ift,
in bem adeS, ol)ne ben leifeften Söiberfprud) , fwrmonifd) flufammenftimmt.
2)ie Summa theologica beS 2(quinaten unb bie SBerte ber großen 2^eo=
logen, meldte fidj au biefelbe lehnen, entroideln einigermaßen ben ©efamtplan
ber Geologie, meldte in bem bleuen Jeftamente gegeben ift, erfdjopfen tyn
aber mcr)t. #ätte ein irbtfd)er Center biefeS großartige Softem auSgeffaltet,
er Ijätte fc^roerlid» barauf üerjidjtet, eS als Softem 511 üerfünben, ober
roenigftenS als Softem beutlid) Ijeroortreten ju laffen. 2)er göttliche Ur=
fjeber ber fjeiligen Sdjriften, ber Wrdnteft ber $ird)c, fjat bieS oöllig üer=
fd)mäf)t. 6r Ijat baS erf>abenfte Softem in fd)Iid)te ÖHeid&mjjreben, (Sefprädje,
(Srjinjlungen, Set)r6rtefc unb einige propljctifdje 33iftonen jerftüdelt, bie oer=
einleiten SBlätter gleid) Samenförnern fjinauSgcftreut in bie toeite 2Belt unb
fid) begnügt, burd) baS 2öalten feiner $ird)c für iljre ©Haltung, 9tein=
bema^rung unb Sammlung ju gelegener 3ett ju forgen.
911s ©efefcbud) ocrförpert baS 9ieue Seftament bie reinfte, ebelfte, men=
fajenroürbigfte SRoral, roeld>e je auf @rben gelehrt toorben ift. SSielc, bic (aum
an bic (iJott^cit (yljrtfti glaubten, Ijaben bieS roenigftenS unumrounben an=
ertannt1. 28aS bie einzelnen ftrunbfäfce, Storfajriften unb Wnroenbungen
1 „3Jtag bie geift ige Gultur nun immer fortft^rciten , mögen bie vJlaturuüffen«
haften in immer breiterer Sluäbcfmung unb 2iefc toa^fen unb ber menf(f)li(^c ©cift
fitf) erweitern »ie er miü : über bie §ofait unb fittli^e ßultur, roie er in ben tf oan.
gelten fdnmmert unb leudjiet, toirb er nit^t ^inaußfornmen'' ((Soeitje, ©efpräöje
mit (Scfermann (4. Slufl. ßcipjig 1876) III, 256.
152
3iüfite$ SBudj. 6rftc$ ftopttel.
biefer Floxal berbinbet, ift aber mieberum fein froftigel Stiftern, feine fcharf=
geglieberte ^aragraphenreifje, fein in monumentaler SÖürbe eintjerfchreitenber
9ted)t§cobej. Selbft bie majeftätifche Promulgation unb Sanction, roelche
@ott im 23li| unb Sonner be3 Sinai ber ©efefcgebung beS Alten SBunbc*
berliehen, fehlt hier. Sie Sittenlehre be* 9ceuen SBunbe» berförpert fich ju=
näcbft in bem Seben beä tfinbe* üon Bethlehem, in ber mefftanifchen 2ehr=
thätigteit be& (Srlöfcr*, in ber ^affion be$ ©efreugigten, in bem erf>abenften,
reinften, heiligften &ben, ba* je gelebt unb befctjrieben roorben ift , beffen
einfacher Bericht Millionen oon Wienfchen rounberbar ju feiner Siebe, An=
betung unb Nachfolge hingezogen h«t. (Sr Ijat nichts gelehrt, roa§ fein
Seben nicht jubor in fpredjenbfter 2Beife Derroirflicbt, unb er hat nichts bon
ben <Dtenfcben geforbert, roaS er nicht fclbft jubor im Uebermafce geleiftet
hätte. Seine gleichmäßige Siebe beroog ihn, alle Schaufteilung hohen SBiffenS
*u meiben, bie erhabenften ©efjeimmffe ©otteS in ber feblichtefien ftorm allen
zugänglich ju machen unb fclbft SMlber unb ©leidmiffe aus ben einfachen,
naheliegenbften ©ebieten beS WaturlebenS unb beS menfehlichen Alltagslebens
*u fd&öpfen1.
eben hier quillt aber ber $orn einer poefie, beren Söirfung bie höchftc
tfunfttedmif, roie mir fic ctma in ben AutoS 6alberons finden, mohl be=
jeugen, aber nicht erhöhen tann. Schöner unb rührenber läßt ftch bie
3?armherjigfeit ©otte* nicht zeichnen, als es 6r>rifius felbft in ber Parabel
bom „oerlorenen Sohne" gethan. flein litel, meber ber eines dürften
noch tfönig§ noch ^or)enpricfter5, tonnte bie Autorität treffenber bezeichnen,
bie Ghrifhis bem Petrus überträgt, als wenn er ihn ben „?5felS" nennt,
auf bem er feine iHrche bauen will. 2Bie an biefeS herrliche 3Mlb, fo
f impfen fich an Jenes ber ,,#immelsfchlüffer' unzählige ©ebichte. SaSfelbe
ift mit ben einzelnen biblifchen (Stählungen ber gall. Sie ährenlefenben
jünger, bie 9)tagbalena, bic ^rtftuö bie tfüjie falbt, bie (Srmecfung beS
Jüngling» Pon sJiaim, baS löcfjterlein beS SairuS, ber bie Äinber fegnenbe
£>eilanb, finb Scenen bon fo unbergleichlichcr Schönheit, bn& meber bie
^oefic nod) bie bilbenbe Äunft ihren ©ehalt erfchöpfen öermochte. Unb
boch bemegt fid) bie erhabene, übernatürliche 5ßelt , bie hier an unS heran=
tritt, in ©eftalten unb Wotiben, bie unter allen $onen in bem gcmölm-
lichften .streife ber Alltäglichteit 511 finben finb: GhriftuS gehört ganz unb
gar bem U>olfe an, nicht ben £>ohen unb ©elehrten ober fonft einer prioi-
legirten itafte.
Ser einzige Sdjinud, ber feine hieben ziert, ift außer töilb unb ©leidmitf
bie einfadje Spruchform, mic fie, mit fchlagenben ©egenfäjjen unb ^ara^
boren, ebenfalle allenthalben zum ©emeingut beS 3>olfeS gehört: „SBer mich
1 3»f« mmcufteüttitrt bei 2öif etnon, VBcrmif^tc Schriften (Äöln 1858) II, 56.
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2>aä 9l«ue 2eftament.
153
fielet , fieht ben Vater!" — „£afc bie lobten ihre iobten begraben." —
„%f)x »irb biel beziehen, weil fie biel geliebt Oat." — „ßommet alle ju
mir, bie ihr mühfelig unb beloben feib, nnb ich roiü euch erquiefen." —
Üßoch bom Mreu^e tytab tönt btefe erhabene Spruchpoefie : ber unbergäng=
lichfte Schafc menfchlicben Kentens unb Bühlens.
3n ben (£bangelien ift be^olb feine ©pur bon jenem orafelhofteu
$unfel, jener brücfenben Gintönigfeit , jener mbthologifchen Verworrenheit,
jener gef preßten ^örmlichfeit unb aumafcenben SBürbe, bie auf ben älteften
flicligtonSfchriften ber (Sfnnefen, Wcgbpter, Snber unb Werfer laften, feine
Spur bon jenem unheimlichen 3?anati3mu#, ber ben ftoran burchglüfjt, feine
©pur oon jener jügellofen ^Ijantaftif, bie ben 39rahmani§mu§ beljerrfcbt,
ober bon jener trofllofen Sangroeiligfeit, in ber VubbtjaS Seljre anfangt unb
enbigt. Äein menfchlid) betrautet entzieht ftd) ba§ £ebenöbilb 3efu Gljrifti,
roie e§ tner gezeichnet ift, in feiner mafellofen Feinheit unb Harmonie jebem
Vergleiche mit Gonfuciu» unb 3°roaftfr- Vubbha unb Wohammeb. 9luch
baS Sihtnberbare in feinem fieben trägt einen Stempel grunbberfchieben bon
allem, roaä bie ÜJltjtJje anbem sJteligion§ftiftern je angebietet ^at. ©ein
Äreujeätob unb feine 2luferftehung, beibe fo gut beglaubigt rote irgenb eine
Sljatfache ber alten <^efdt)t^te , befugen bie fööttlie&feit feiner ^erfon unb
feiner Religion.
2) iefe feine göttliche ^ßerfönltchfett umftraljlt ben einfachen Vericbt
ber Simoptifer mit rounberbarer 5Rajeftät, oerleiht bem @bangelium be*
3ohanne£ feine Erhabenheit, befeelt bie Vriefe be$ 1)1. ^auluS mit unroiber-
fiehlicher ®eroalt, burcbbringt bie 2Ror)ntt»orte beä fyl. $etru», S^fobu» unb
SubaS 3Jjabbäu3 unb beherrfefy in ber Apofalupfe ben Anfang unb ba*
(Snbe aller Glinge. Sic roarb im menfchlichen Öeben Gfjrifii „ber UBeg,
bte 2öal)rheit unb bas i'eben" für alle. Sie berlieh ber Seljre G-hrifti eine
unroiberfiehliche flraft. Sie triumphirte im Äreuje unb burd) ba» ßreu,v
3) er befajränfte 9?ationalgeift ber Hebräer, bie 2öeia)licf)feit ber übrigen
Orientalen, bie 3roeifelfucht unb Verborbenhcit ber ©rieben, ber politifche
ftriegerftolj unb bie fterrfchfucht ber Börner fämpften bergeblid) gegen bie
neue Religion beä Äreuje* an. $er blutigften Verfolgungen uneradjtet,
berbrcitete fie ficb mit rounberbarer Schnelligfeit unb fante Jyiifc in 9tom,
Athen, Antiochien, Wleranbrien , in allen Wittelpuntten unb Canbfctyaften
bes ungeheuren lömifdjen 2Beltreich*. Wehr 3«* braudjte es, bte fie ben
berjroeifelten SSiberftanb be$ .freibenthums brechen unb bic Völfer mit ben
SebenSelementen einer neuen Öiteratur unb Kultur burchbringen fonnte. £ocb
auch ba* rourbe erreicht. Witten im Kampfe entroicfelte fich eine cbriftliaV
griechische Siteratur, theilä ber (Srflärung unb Vegrüubung, theil* ber Ver=
theibtgung unb ^rebigt ber djriftltchen 2ef)re gcroibmet. %t>x folgte auf
bem Stifte eine chriftlich--Iateinifche Literatur, roeldje bie gleichen 3iele an=
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154
3nieiie« !öu$. SxotiM «apitcl.
ftrebte. $or eine neue, großartige Aufgabe gefteflt, ermatten bie jroei
Spraken be4 tlajfifd)en 9Utertf)umS jut neuem fieben. Hber aud) ben Spraken
be§ Orient» fam bie geroaltige 9{eugeftaltung $n gute. 3m Saufe bec erflen
3afjrf)unberte rouvben bie heiligen 33üd|er ins ©tyrijaV, ÄoptifaV, 9letlnos
pijaV unb 9(rmeni)d)e überjetjt unb biefe Spraken aus ihrem bisherigen
Tuntel 511 Öiteraturfpradjen erhoben. 3m ^Beginne bet großen 5Bölferman=
berung (jmifdjen 348 unb 380) erhielten aud) bie Gtoten fd>on burdj UU
PhilaS einen $f>eil ber 33ibel in ihrer Spradje.
3rocttcö Kapitel.
3He morgenrättbif^en Apoßrijp()eit.
5Jei fämtlid)en alttbriftlidjen Golfern be§ Orients biiben bie fettigen
2 Triften nunmehr für geraume 3^t bie ©runblage unb ben gemeinfamen
"ittittelpunft irjrcr Literatur. ^f>re Ueberfefmng , ihre (Srflärung , ihre 9^er=
menbung jum religiöjen Unterridjt befdjäftigte bie beften Gräfte. Sie maren
faft bie au»fd)Iie&lid)e ©eifte^naljrung jener laufenbe Don 2Rönd)en, meiere
bie tflöfter Wegopten», ^aläftina» unb SnrienS beoölferten, baS unabläfftge
Stubium ber firchlid)en Spulen 511 Antiochien, Wleyanbrien unb ($beffa,
Sidjt unb SBaffe ber großen &irdjenlel)rer unb fürten, melcbe ben Schafe
ber Offenbarung gegen 3ubentljum unb Jpeibentbum wie gegen bie Am
griffe ber $af)llofen Secten Dertheib igten. $ie ebelften, fyoebbegabteften ÜÄänner
fanben in biefen ehrmürbigen 93üd)ern eine geiftige ©efriebigung , roeldhe
ihnen meber bie ^ljilofoptne noch bie ^oefie beS flafftfa>n 9UterthumS ju
gemäßen Dermocfye.
hieben biefer biblifdjen Literatur, melcbe Don ben £)öhen beS Wrarat
bis ju ben femen (Gebirgen 9lbeiFtnien» , an ben ÄüjJen beS SRittelmeerS
roie im üeflanb SRefopotamienS , unter politifdjen SBirrfoIeii aller 91rt,
eine ebenfo reidje al* fruchtbare ©eifteSthätigfeit ^erborrief, läuft eine faft
cbenfo allgemein Derbreitete, melcbe ba» 2Birfen berfelben nur $u geringem
lt)c\le förberte unb ergänzte, in größerem 9Jtaf?e hemmte unb burdjfreujte.
@§ finb bie fogenannten Wpotröphen.
Xer Warne bezeichnet eine ^meifadje, jebr oerfchiebene 9lrt Don Schriften,
benen nur ba§ eine gemeinsam mar, baß fie unter bem 9?amen biblifdjer
^erfönlid)teiten ober 93erfa|fer ober anbermeitig als „heilige Schriften" ober
$ru£btheile berfelben in Umlauf gefe|t mürben. £ie einen aber, aus bem
Schoß bes Subentfmms ober ber alten Secten ^erDorgegangen , enthielten
unter jenem 9Inftt>in nur tniatürfic^e Grfinbungen, ^antafieftücfe unb 3rr=
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Xie morgtnlfinbifdjen 9lpofrt)pf>en.
ili inner, bie anbern bagegen oordjrifilidje ober altdjriftlidje StolfSüberliefcrungen,
bie jtoar auf fein canonifdje» Anfefyen Anfprudi) matten, aber mit ber
Cffenbarung in feinem SBiberfprudj ftanben1.
3ton ben elftem reiben mandje fdjon in öorajrifHidje 3ett jurüd. Sie
banfen iljren Urfprung ber Serüljrung beS nad)eriUfd)en , jinfenben ^uben=
tfyuntö mit ben oerfdjiebenen f)eibnifd)en Woltem, unter benen bie 3uben
in ber $iafpora lebten , fotoie mit bem £)eHeni§muä , ber immer mächtiger
in ^aläftma felbjit einbrang. Sei allen benachbarten 33öltern trafen bie
3>uben nidjt blofi rcligiöfc ©ef)eimlefjren unb 5)(ftfterien, fonbern aud) ®e=
r)etmfcr)riften , meiere fid) mit benfelben wie mit $Rötf)ologie unb *Dtt)tl)en=
beutung, ßrforfc^ung ber Watur unb ir)rer töefjeimniffe, rounberbaren 3ci<&w
unb 30UDCrfräften befd)äftigten unb nur ben ^rteftern unb (^ingeroeiljten
jugftnglicb maren. 3a^reia^e iljeurgen , Magier unb anbere Sdmnnbler
benufcten bieS, um unter bem turnen be» Kermes Xrtemegiftol, be§ Hjotf),
be* 3"roafterf beö Sandnmiatbon, be§ Crpfjeuä unb Tarbano* folcfcc ober:
gläubifttVpfjantaftifd)e Südjer in Umlauf ju fefcen. Aua) unter ben ^uben
traten fold>e Betrüger auf, n)cld)e fid) für it>rc ©efjeimftinfte , 3öUDerin^
unb $efd)tt>örungen auf Schriften be§ Solomon, beS WofeS unb beä Abra*
bam beriefen. Unter ber ftlutf) Don Aberglauben, ber fid) auf biefem Sege
unter ben 3uben üerbreitete, entftanb bie Sage, baB Gäbra» nad) ber 2$er=
brennung beS $empel§ unb ber ^eiligen Sdjriften mdjt nur bie 24 cano=
nifajen 93üc&er be§ Alten leftamenteS, fonbem nod) 70 anbere ljeilige
Sd)riften tounberbor mieber^ergcfteHt ljabe2. Wlit biefer ^orfteüung mar
bem abergläubi|d)en (£rfinbung»geift ein weiter Spielraum eröffnet unb ber
Verbreitung ber feltfamften ftälföungen «n letzterer (Eingang gefid)ert.
(SS entftanb nun eine <Ölenge foldjcr $Öunberbüa>r, bie Ijeute nur nod)
bem tarnen nad) ober nur in Meinen SBruaiftürfen befannt finb : eine Apo=
falüpfe Abamä, ein Ceben AbamS, ein ßbangelium (?öa«3, ein 33ud) Setfj,
ein Sutf) SRetlmfalem, ein 23ud) £amedj u. f. w.
3ur 3eit ber ©noftifer üeimeljrten fidt> biefe Schriften. Aus bem
einen öud) Setlj roudjfen fieben löücfcer Setf). Aua) bie ftrau be3 Woe,
1 Migm, Dictionnaire de» Apocryphes. 2 vols. Paris 1858. — Brauet, Los
Evangiles apocryphes. Paris 1845. - Bürberg, SBibltotbet ber neuteftaraentl.
Spofröpfien. I. 5)b. Stuttgart 1841. — C. ft. tfrtfef** unb 2. 30. Srimm,
«ursgefafettS eregetifdje* fcanbbud) ju ben «pofr^pb,en be« Kltrn Seftantent« 6 2f>le.
Seipjig 1851-1860. - O. Sortier, $ie Slpoiriiphen be« KUen 2epamenM. SÄündjen
1891. — C. Thilo, Codex apoerypIuiH Novi Testanienti. Lipsiae 1832. — fangen,
£a« Sfubenthuin in ^aläftina jur Seit 6t)dfti. Sreiburg i. 99r. 1866. — Michel
XicoUto, Etudes sor les Evangile» apoer. Paris 1866. — Casion Boistier , Les
origines de la po^nie chretienne. lievue des Deux Mondes 1875 (8° Serie 45« anneo),
X. 75-103.
2 4 6*br. 14. 46.
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156 3»eiteö SJudj. 3n»eite* Äapitcl.
bie "DZorio gereiften fyabcn folltc, ber üon 92oe Der(lud)te ßfjam unb &ainan
würben $u angeblich biblifdien Sdniftftellern gemalt. (£benfo taudjte eine
9lpofaIt)pfe ?lbra^Qmö auf, eine Sd)rift ber brei ^atriardjen, ein !8ud) ^afob,
ein (Bebet 3ofepl)§, ein 33ud) Samne unb 9Jtambre (Flamen Don jmei ägnp=
tifdjen 3rtUöercrn) S c'n $ud) @lbab unb SRebab 2 (mabrfdieinlidj mit s}kopl}es
jeiungen an bie 3$vaeliten i" ber 2öüfie), ein leftament beä ÜJlofeö unb
@e$ehne Sieben be§ UKofeS. 3ö^iteid()e !©unbergefä)id)ten mürben an $önig
Solomon gefnüpft unb an ben ^ropljeten (£lia§3. Unedle ^rop^eiungen
mürben bem ^ropfyeten 3ercntia* angebietet, feltfame 9tpofoU)pfen ben ^ro=
Preten $aniei, ($$ednel, foabatuf, Sopljonia» unb 3nd)aria5.
Sie 3al)l foldjer 8d)riften mürbe Segion. 2)enn jebe ber fleinern unb
größern Secten, meldje mäfjrenb ber erften 3<if)rfjunbertc gleid) s^il$en au»
ber ($rbe fdmffen, fdjmiebeten foldje Dorgeblid) altteftamentlidje 5öüd)er, falfcbe
©Dangelien, Wpoftelbriefc unb 5lpofah)pfcn. Cl)ne ba§ flarc unb fefte SEßalten
be» fird)lid)en Se^ramte bätte bie mirfliaje Offenbarung in biefem müften
Sabnrinth oon £ug unb 2rug, Söalni unb Unftnn erftidt merben muffen.
5>od) baS Öidjt ermie^ ftd) mädjtiger als bie ^wfternijj. Sie meiften jener
Sdjriften oerfajmanben mieber, mie fie gefominen, gleid) tilgen über 9tad)t,
unb mir fennen bie meiften iljrer Flamen nur au» ben üöerfen ber 35äter
unb ßirdjenfdjriftfieller, meldje biefe ephemere Sa^minbelliteratur gleid) bei
i&rem Auftreten entlarbten, befämpften unb fiegreia) übermanben 4.
1 91lö Oanueo unb Ü)lambrcö (gried). : ^arabrea) evnmfpit 2 2im. 3, 3. — 3igl.
Oriyenes, Contra Celsum IV, M (Migtw, Patr. gr. XI, 1112 unb bic Knmcrfintß
(94) t>on Dehme.
* 4 3Kof. 11, 26.
s (Siuige biefer öüdjer, toie bie 9lpoIali)pfc bc* ©üüö unb i^anne* unb SJtautbrefl,
werben Don Crigeneä nid)t unebrernjoU ermähnt unb cüirt.
* Sic Constitutionen Apostolorum fpredjen ftd) in biefer $>infid)t fef)r cnergifd)
auö (VI, 16. Migne, Patr. lat. 1, 953) : Apud vetores nounulli eouscripserunt
Moysis, Henoeli, Adami , Isaaci , Davitiis. Eliae et triuni patrianliaruni liliios
apoeryphos, oxitialos vi repngnantes veritati : consimiles libros nunc quoque edi-
dorunt inauspicati homines. calumniantes creationein, nuptias, providentiam,
proercationem Iiberomm , Legem , Prophetas , adscribentes barbara quaedam uo-
mina. scilicet, ut ipni ditunt. angelurum, re vera autem daeuionum, quornni afflatu
loquuntur. @tttm* milbec ftellt fid) Criflencö (In Matth, tom. XXIII, n. 28. Migne
XIII. 1636 »q.) ju ben 31pofrüpf)en. 3)q er ^ur terflärung einer SteUc nidjtfi in ber
öeiligcn Sd)rift ftnbet, nimmt er feine 3ufl"d)t 311 ben ?lpofrnpben unb beruft fi^
bafür auf bös JBeilpiel be« bJ. ^oulu«. „&rcilid)", fagt er, „ttteife id) fe^r tooM.
boß mele »011 ben ?lpofrt)pf)en erbid)tet finb Don gottloicn Utenfdjen unb foldjen, bic
Säfterung rebeten gegen ben Merbödjften. OJIan muß alfo Doifid)tig jufeb.en, unb
roebei alle ftpofrupf)«", bie unter bem Tanten eines ipeiligen geben, annebmen — bei
3uben wegen, meldje tneßeid)t, um bie JBJabrbcit unfercr ffetli^ett ©djriften 311 in-
ftören, mand)erlei (yir ajefämpfung folfdjcr «cf)ren crbidjtcten — , nod) audj «ließ t>er=
merfen, wqö jur 5Red)tfertigung unferer bciligen Sdjiiftcn bienen tann." 6r tobeit
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Xit lnorgeulönbifcften »potrnpben.
157
(#runbberfd>ieben Don biejem Söufte betrügerifdjer 9teligionSfd)riften ift
eine fleinc ©ruj>pe üon 2(pofrpphen , roeld>e beu eigentlichen bibltfd^en
«Triften beS Otiten unb bleuen JeftamenteS feb,r nahe flehen, unb, wenn
fic audj ittc^t als infpirirte Sdjriften bem fird)lid)en Canon einberleibt
würben, bodj in bet alten ftiraje eines ^ob^en 91nfehenS genoffen, hierher
gehören in erfter i'inie baS britte unb bierte Vud) (SsbraS unb baS (Sehet
beS ÄönigS 9)tanaffe3, meldte bie fttrcfye felbft, toenn auch außerhalb bet
Reihenfolge beS Ganon, ber Glementinifchen Vulgata beibruden liejj. $aS
britte Vucb, (SSbras iß benn auch nicht nur in griednfcber, fonbern auch, in
lateinifcher , fprifdjer, ätlnopifcher unb armenifcber Raffung borf)anben, baS
bierte Vucb, Gsbras in (atetnijcher, fprifcher, arabifcher, äthiopifcher unb
armenifcber. 35aS ©ebet beS &önigS Wanaf f es, urfprünglich grie=
d)ifü) gefchrieben, toirb bon ben Armeniern noch b,eute in ihrer alten Siturgie
berroenbet.
$aS britte Vud) (SsbraS ift grofcentheils aus canonifdjen Stellen
jmfammengefetjt. Ueberaus poetifcb, roirb im 3. unb 4. Äapitel, in ftorm
einer orientalifchen ^alaftbisputation am £>ofe bes Marius, bie fpöter noch
fo oft behanbelte Streitfrage ausgeführt, roaS am mäcbtigften fei, ob Söein,
ob ÄonigSmacht, ob SBetber ober 2Bab,rl)eit, mit bem Ijerrlidjen Scr)luffe :
Magna est veritas et praevalet (4, 41).
$as bierte Vucb (SsbraS (eine Ärt Wpotalbpfe), beffeu jmei erfte
unb sroei Iefcte Kapitel n>of)l chrijilichen UrfprungS fmb, gcnofc in ben
erften 3ab,rb,unbcrten ebenfalls roeite Verbreitung unb mirb bon managen
Vätern unb Rirchenfchriftftellern angeführt1. Viele Stellen baraus finb in
bie römifche Siturgie übergegangen, barunter baS fajöne (Sehet für bie
Verdorbenen : Requiem aetemam dona eis, Domine, et lux perpetua
luceat eis (2, 34. 35). $ie Viftonen, bie es enthält, finb bon hoher
poetifdjer Schönheit unb haben besljalb auf manche Vorstellungen beS ebrifc
lieben Mittelalters, befonberS über bie legten £inge, feinen geringen @influfc
gehabt. Sief ergreifenb ift V. bie Stelle (im 2. #ap.), reo GsbraS baS
(In Matth, rommentariorum seriös <$ 117. Migne XIII, 1769 c) jene, tocldje
iljren 3lbfd>eu t>or ben 3tpofrt)pt)en fo roeit trieben , bafj fte ben jiueiten ©rief bes
f>l. ^auluö an 3tmotf)euä als unedjt Derroarfen, ineil "»b SJlambre« barin
erwähnt »erben ; er will aber ni<ht , bafe man eine apofrnphe Schrift ofine toeitere*
annehme, wenn eine ©teile baraii* in ber fceitiflen Schrift benufet ift (In Canticum
Prol. Müjne X!llf 84 a).
1 »eftc Httäfiabe Don Venslt) unb 91. 3ameö (Gambribae 1895: eine 2er>
lüde Don 62 Herfen ^rotfcr>cn 7, 35 unb 36 ausgefüllt); — arabifd) üon (final b (1863)
unb (8 il bem eifter (Sonn 1877);- furifd) Don 9)1. H. (£ e r t a n i (Monuni. sacra
.•t profana 1, 2. p. 99 sq.; V, 1, p. 41 sq.) unb non 3 6habot (1894); -
ätfjiopifd) Don »ich- Cawrence (Oxoniae 1826; lateinifd) Don »olfmor.
lübinflen 1863; beutfd)e Uebcrf. Don «.Clemens. 8tuttaart 1850).
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158
3n>eitc* »u<$. 3»ette8 flapitel.
fajtuergeprüfte ^erujokm über baä So$ feiner tfinber tröftet, tooran ftd)
bann eine allgemeine Sdiilberung bei 2riumpb,e§ ßljrifH imb feiner ^eiligen
fdjliejjt. @» metyt t)ier eine ^oefte, roeldje ber 6rb,abenljeit nnb Sd)önf|eit
ber canonifdjen Sdjriften fer)r nafje fommt 1.
9itd}t in bie SBulgata, rooljl aber in grieebifaje £>anbfd)riften unb
gaben bei Otiten Seftament» ^aben ein bem 5)aöib jugefä^riebener ^pfalm (151),
bann 18 bem Solomon jugefdjriebene Jahnen unb enblid) ein 3. unb
4. 93ud) ber 9)cadjabäer ?lufnal)me gefunben.
$er 151. ^[alm, bom tfl ^t^anafiuS unb anbern griecbjfajen Tätern
für eä)t gehalten, auä ber Septuaginta in bie alten (ätljiopifdje, armenifdje.
forifcfye unb arabifdje) Ueberfefcungen Ijerübergenommen, in ber mojarabifdjen
Liturgie aud) beim GultuS berroanbt, befingt ben Sieg 3)nöib§ über ©oliatlj.
Qx ift ein IjübfdfoeS Öebid)t, bodj liegen genügenbe ©rünbc nidn" Dor, tyn
bem infpirirten ^falterium 6ei^u§äf)len.
5ßon ntd)t geringem bid&terifdjen 9Bertr)e finb bie 18 s-ßfalmen Solo-
mon^2, meldte nur in griedjnfdjer Raffung galten ftnb, aber unjtoeifel^aft
urfprüngliä) fyebräifd) gebiajtet waren. 9Jceljrere Stellen weifen barauf Inn,
bajj fie nadj ber Eroberung SerufalemS burd) ^ompejuä, in ben Saferen
63 bis 48 b. üfyx. , ju ftanbe famen. Sie atljmen bie tieffte (Sntrtifhing
barüber, bafi abermal ber Orrembling in bie fjeilige Stabt unb ben Stempel
gebrimgen, unb eine glüljenbe Sffmfudn" nadb, bem kommen be£ ^Reffia*.
ber mit magrer Storate^Stimmung fjerbeigefleljt tmrb, auf bafj er ber Sa^madj
unb bem (Slenbc SäraelS ein Snbe mnd)e8. Sie bezeugen niajt nur, bafe
1 S\ a b i f ä) , 2)a3 IV. S8u<r) 6*ra auf feine Duellen unterfud&t. ©Otlingen 1889.
— Le Hir, Le quatrieme livre d'Esdras (Etudes bibliques [Paris 1869] I,
139—250). — P. Batiffol, Apocalypses apoeryphes (Vigourotix, Dictionuairc de
la Bilde 1 [Paris 1892], 759—762).
« 3uerft beröffentlidjt Don P. Se lo Gcrba S. .1. (Adversaria Sacra Lugd.
1628. Append.); genauer bei 3fri^fd)e (Libri apoeryphi Vet. Test. Lipsiae 1871
p. 569 sq.) unb €. d. ©ebljarbt, Takfiol Iokofiüi>roq. Sie ^falrnen Solomon«,
3um erftenmal mit JBenufeung ber 9Üb,o䫧anbfd>rtftcn unb be$ Codex Casanatensis.
ßeipjig 1895.
3 „31ro&bem ber SWeffia« luer al* Staoibä Siadjfolger auf bem Sljrone aufgefaßt
ifl, b,at ber Setfaffer aufs glüdlid)fte biefe* ctoige Äönigtfntm mit ber getftigen »e«
beutung unb aSßirffamlcit be* «Weffia« ju vereinigen gemufet. 6« gebührt iljm barum
bie Slnerlennung, bie ©efab,r ber JBerweltlidjung ber 9Reffia«ibee, meldje für ib,u un«
gleid) größer mar als für ben SJcrfaffer be$ 33udjeä &enodj, fiegreiäj beftanben ju
baben. SCßir beftfcen fonadj in feinem 2Öerle ein fdböne« Seutmal für bie ungea$tet
aller in ben 3eitoerb,dltniffen liegenben Socfungen geiftig=religiöä erhaltene 6eb,nfud)t
na* einem SÖleffiad^önig. «m »id&tigften für un« finb bie beiben legten ^falmen.
9ia*bem ber »erfaffer ganj in altteftamentlid^er Söeife bie 2öieberl)erfiellung bee
baöibifd^en Äönigtb,um«, bie ^urütffüljrung ber ^erflreuten 3«raeliteu unb bie Unter»
joö)iing ber Reiben bnr* ben HKeffia* in 9lu«ftd^t geftettt b,at, legt er im v-orlefeten
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Sic morgenlänbtfd)en 2lpotröpben.
159
e§ neben bem bibliföen ^fölteriunt nodj anbete, Heinere ^Jfalmenfammlungen
gab, [onbern bafe bie ^|*almenbid>tuna, überhaupt bi§ in bie 3eit ber 9liu
fünft §f)rifti röeiterbluljte.
£en Hauptinhalt biefcr ^jalmcn unb fo jiemlid) bie ganje Tonleiter
ber barin maltenben ®efül)le fafct ber Dotierte folgenbermajjen gufammen:
§err, bu bift unfer ftönig für immer unb emiglid) ; benn in bir, o ©ott, wirb
unfere Seele oerberrlid)t werben.
Unb maS ift bic Sauer beS 2Jienfd)enlebenS t)tcr auf 6rben ? 9tad) feiner Sauer
if! aud) feine Hoffnung in ibm.
2Btr aber, mir fjoffen in ©ott unferm $>eilanb ; benn bie 9)tad)t unfere* ©ottc«
mit feiner Grbarmung bauert in alte (£toigfcit.
Unb bas Heid) unfereö ©otteS mähret burd) alte 3ab,rt)unberte über bie Hölter,
bie er ridjtet.
Su, o fcerr, bu bafi Saoib erroäl)tt 311m .ftönig über Israel, bu tjoft »bot
gefdjmoren unb feinem Stamme, auf eroiglid); feine $>errfd)aft fotT ntd)t f)inmeg=
Qfnoiit Uten tperoen von otr.
Unb um nnferer Sünben teilten fyaben bic Sünber fid) miber uns erhoben; ftc
baben fid) auf und geftürjt unb unö »erjagt ; fie, benen bu feine ©ertjeifeung getban,
(jaben uns mit ©emalt beraubt.
Unb fte baben beinen Warnen ntd)t in (£l)ren gehalten, ftc fjaben fid) bie Ärone
aufgefegt in tbrem Stotje '.
Sie baben ben Zt)ion Saöib* oermfiftet in if)rem £od)mutb unb if>rem JftriegS*
gefd)ret, unb bu, 0 ©ott, baft fie geftürjt, unb itjren Stamm oerttlgt oom Stntlife
ber erbe,
$ttS fid) wiber fie erbob ein ^rrembling unferem fOolft *,
Sa fwft bu ibnen oergotten nad) ibren Sünben, 0 ©ott ! 9)töge i^nen werben
nad) ibren äöerten!
9tad) tbren Söerten bat ber £err fid) ifjrer erbarmt; er Ijat forgfältig ibren
Stamm geprüft, unb er bat fie nid)t »erlaffen.
©ort ift treu in feinen ©eridjten, bie er oergilt auf Crbeu.
35er Sturmttünb bat unfer Sanb oertoüftet unb umoobnlid) gemadjt; fie baben
oertilgt ben Jüngling unb ben ©reis fowie ibre Jtinber.
3m ©rimme feines 3»rneS * bat er fie entfenbet bis an bie CFnben beS Steffens;
er bat fie jum Spott gemadjt ben dürften ber <?rbe, unb er bat ibrer nid)t gefdjont.
$falm befonberS Diel sJiadjbrud barauf, bajj in jenen Sagen feine Ungered)tigteit
meJjr in Israel ejiftiren toerbe, weil ade gebeiligt mürben unter ber $errfd)aft beS
SteffiaS, ber aud) felber fünblos fei. Siefer totrb aber aud) juglcid) als Sßerfünbigcr
ber gßabrbeit bargefteüt: feine SBorte ftnb feuriger als foftbares ©olb, feine «eben
finb mie bie Sieben ^eiliger inmitten gebeiligter Sdjaren. Unb ebenfo erfdjeint aud)
im legten $falm bie mefftanifd)e 3*»t als bie ber Steinigung, unb ber SDleffiaS als
ber ©efegnete, meld)er bie 9)tenfd)en bie SEßerle ber ©ered)tigteit lerjrt unb bie 5"td)t
beS §errn" (3. Sangen, Sas 3ubentbum in «Paläftina jur 3eit ßbnfti [ftreiburg
i. ®r. 1866] 6. 417. 418).
1 60 überfefct P. 6b. Gpbr- ©eiger (Ser ^falter 6alomo«. 9lugöburg
1871) abtoeid)enb oon jacquier.
• »us bem Solgenben erhellt, bafe biet ^ampejtt« gemeint ift.
» Börtlid): „3m StoUe feiner 6d)önbeit".
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I(i0
^roettcs »ud). üxotitti Heitel.
2tr Jrembling. ber Jeinb rjat fid) bem Uebermutb Eingegeben, unb {ein §erj
blieb fremb unferem ©otte.
Unb wa* er getrau m v\erufalem, baä baben bie Reiben aud) getban in ibren
8 tobten ibren (Söttern
Unb bie Atnber bcö $mnbe$ [jerftreut) inmitten ber oermifdjten Nationen über-
trafen fie |im ©öfcenbienftj; ei mar feiner Don ibnen, in ÜRitte 3erufalemd, ber ßr»
barmen unb 2üab,rbeit übte.
3ene, meldte bie SSerfammlungen beteiligen liebten, floben fie; tote bie ©per«
tinge waren fie jerftreut fern oon ihjem flefie.
Sie irrten in beu ÜÖüften untrer, um if>r ßeben oor ber ©efatjr ju bergen;
beim f oftbar mar in ben Stugen berer, bie in ber ftrembe wobnten, eine Seele oon
jenen, bie gerettet mar.
2urd) bie ganje Stabt waren fie jerftreut burdj bie ©otttofeu ; benu bie Gimmel
batten aufgehört ju regnen auf bie 6rbe
3>ie CueUen, bie ewiglid) floffen aus beu Siefen unb oon ben fjofjen Sergen
tjerab, waren oerfiegt; beim c* mar feiner unter ibnen, ber ©eredjtigfeit unb ©ertdjt
übte, oon bem fjödjften bie jum minbefteu be« SöolfeS, fie waren ganj in ber Sünbe.
Ser Äönig war ein Uebertreter, unb ber 9iid)ter ungeborfam unb bas 93olt
in Süiibcu.
Siebe, o *>err, unb lajj fid) ergeben für fie tljren ßönig, ben Solm Xauitw,
in ber 3eit, bie bu fennefl, o (Sott, auf baß er berrfc&e über Otfrael, beinen 2>iener.
©firte ifjn mit Stärfe, auf bafe er ftürje bie ungereajten Ofürften.
2)tit 2öetef)eit, mit ©eredjtigteit reinige 3erufalem oon ben »ölfern, bie e<
uiebertreten, um tü \u jerftören.
€r wirb bie Sünber oerjagen auö bem Srbtbcil, er wirb oertilgen ben Stolj
ber Sünber; wie Söpferwaren, mit eifernem Stab, wirb er ad iljren 9teid)ttntm in
Stüde fcblagen.
Gr wirb oertilgen bie gottlofen Stationen mit einem SÖorte feine« 9)lunbtf;
bei feinem Jabel werben bic Sölfer oor if>m bie ftlucbt ergreifen, unb er wirb bie
Sünber überführen in ben ©ebanfen ibreö Jperjenö.
Unb er wirb oerfammeln baö beilige Jöolf, er wirb ei füfjren in ©eredjtigteit,
unb er wirb ridjten bte Stämme beä JSolfed, geheiligt burd) ben $errn, feinen ©Ott.
Unb er wirb nidjt bulben, bafj bic Ungcretbtigfeit unter ifmen bleibe.
2)etm er wirb erlernten, weites bie Söbne it>reä ©otteä finb, unb er wirb fie
ocrttjeilen nacb ifjren Stämmen auf ber 6rbe.
Unb ber Slnficbler unb ber Ortembe werben nid)t mebr mit ibnen wohnen; er
wirb rieten bie Jöölfer unb bie Nationen in ber ^ßeidfjeü feiner ©eredjtigfeit. (Sela.)
Unb um ib,m m bienen, wirb er unter feinem 3od)e b^Iten bie Golfer ber Nationen,
unb er wirb oerberrlidjen ben §errn an einem Orte, fi<f)tbar oor ber ganjen @rbe.
Unb er wirb $erufalem reinigen ; er wirb ei heiligen, wie ei ,m tinfang war,
So ba& bie 33ölfer fommeu werben Oon ben (rnben ber (Srbc, um feine §errliö>
fett m flauen, al* ©abeu mit fid) fübrenb bie fleingeworbenen ©ötjne berfel&en,
Unb um ju flauen bie $errli(f)feit beö $errn, womit ti ©Ott ocrberrlidjt bat ;
unb ber Aiönig, ber über fie regiert, ift geregt unb oon ©ort unterridtjtet.
Unb in feinett Sagen gibt ei feine Ungered)tigfeit in if>rer Witte ; benn fie finb
alle betlig; unb it)r ftönig ift ber 9)teffta<$, ber $err.
©r fefet feine Hoffnung uicf)t auf ben Leiter, notb auf ben «ogen; er fjäuft
uid)t ©olb noa) Silber auf mm ftriege, unb am Sage bed Kriege« fefrt er feine
iöoffnuna, nidjt auf bie ^afjf.
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Sie morgenlänbifdjen HpofrttpQen.
101
$er §err felbft ift fein Äönig; bie Hoffnung b«r Sttäcbrigen rufi,t in ©otteö
Hoffnung, unb er toirb fid) erbarmen all ber Stationen, bie uor if>m in 3ritrd|t finb.
Xtnn er toirb fdjlagen bie Söölfer ber ©rbe mit bem 20orte feincö 3Jtunbeö
für immer.
ßr toirb fegnen baö Söolf beö $errn in 2öetöt)eit unb Sfreubc.
€r fclbft ift rein »on ©ünben, ju fjerrfd)en aber ein gro&eö JBolf unb bie froren
ju tabeln unb bie Sünber 3U öerttlgen bureb bie ÜHadjt feine« Borte«.
Unb er toirb niä)t fätoad) toerben in feinen logen, geflutt auf feinen (Sott;
benn (Sott hat ibu mädjttg gemalt burd) ben ^eiligen ©etfl unb toeife burd) ben
Statfi beö 93erftanbcö mit Üftadjt unb ©ereebttgfeit.
Unb ber 6egen beö $erm ift mit ifim in Stärfe, unb feine Hoffnung auf ben
<>errn toirb nifl)t erlahmen.
Unb toer hat Sttadjt totber ihn ? Gr ift mädjtig in feinen 5tÖerfen unb ftarf in
ber Surtfit beö #crrn.
6r läßt toeiben bie $>erbe beö $erro in ©tauben unb ©ereebtigteit, unb er toirb
feinen üon ifjnen leiben laffen auf ifjreu 2Seibeplä&en.
6r toirb fte führen in §eiligfeit , unb eö toirb fein Sroljer unter ihnen fein,
ber fie bebrüefe.
2>aö ifi bie fcerrlidhfeit beö fiönigö bon 3örael, ben ©ott gefegt bat, ben er
erhoben hat über 3*rael, ben er unterrichtet.
Seine Borte finb im Breuer geläutert tnehr alö ©olb unb Oreingotb; in ben
Serfammlungen toirb er bie Söölfer richten, bie Stämme ber ©ehetligten.
©eine Söorte ftnb toie bie SBÖortc ber Jpetltgen inmitten ber geheiligten JÖBIfer.
©lücfiicb biejenigen, bie geboren toerben in jenen £agen, ju flauen baö ©lüxf
3öraelö in ber SJerfammlung ber Stämme, bie ber £>err bereinigt tjat.
©Ott beeile fein erbarmen über 3$rae(, er befreie uuö ton bem ©reuel ber
unheiltgen Seinbe ! 2)er £err felbft ift unfer Äönig in alle gtoigfeit unb barüber '.
$ie jttjci apofrnpljen 33 ü d) e r ber 9}tad)abäer (ba§ britte unb bierte)
Ijaben mefyr gefdjid)tlid)e3 al» literarifdje» ^ntereffe. 55a» britte , in alt=
forifdjer unb armenifdjer Ueberfefcung borljanben , fdjeint im Orient einige»
9lnfef)en erlangt ju Ijaben. $>a§ merte2, eine (Srbauungärebe, roeldje, ans
fnüpfenb an ben au»füf)rlia) eqftfilten £elbentob be» (Sleagaraä unb ber
fteben madjabäifdjen ©rüber, bie ©efjerriajimg ber Scibenfajaft burd) bie
Vernunft prebigt, finbet fid) aud) unter bem Sitel „Ueber bie £errfd)aft
ber Vernunft" unter ben Schriften be» fttaDiu§ ^ofepfm». ($» ift nidjt
frei bon ftoifdjen 3frrtf)ümeru.
Sdjon biet roerter ab öon ben canonijrfjen Triften ber SMbel liegt
ba» $uti Öenott)3, ba» jmar mit einer Stelle be» Briefe» %iibä (33. 14)
1 9lad) E. Jacquier, Lea Psauraes de Salomon. L'Universite Catholique
1898 (Lyon, Nonv. Serie) XII, 94—131. 250—275.
» The fourth Book of Maccabees and kindred docninents in Syriac, first
edited ou manuscript authority by the late L. Bemly with introduetion and trans-
lations by \V. E. Barnes. Cambridge 1895.
3 ^erauögegebcn oon ßatoreuce (C'jforb 1S39) unb Stil mann (ßeipjig
1851); — englifä oon Catorence (Cjforb 1821) unb ©. Sdjobbe («nboüer
JBonmgartntr. aöeltlittratuc. 1. 11
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162
3»i>citeij Sud). 3»cite$ Äapitel.
in SSerbinbung gebraut morben ift, bon Sertullian für infpirirt gehalten,
bon ^riScillian fafi ebenfo Ijocb gefehlt mürbe, burch bic IjH. Stuguflin unb
.^ierontomuS jebod) eine flrengere tfritif erfuhr unb bom 5. Safirbunbert
an faft in gönjit^e Sßergeffenljeit geriet!), bis bie Qpntbedung einer ätfjiopifcben
Bearbeitung beweiben buref) Bruce (am (Snbe beS 18. ^aljrljunbertS) bie
gelehrte ftorfebung bamit befd&äftigte.
GS beftef)t nebfi Prolog unb Epilog aus 105 tfapiteln, bie in fünf
jpauptabfehnitte geteilt finb. $er erfte «bfebnitt (Äap. 6—36) erjäljlt
ben ^aü ber (Sngel unb ben Urfprung ber Kiefen fomie bie SÖßanberfaljrten
$enod)3 bureb ben Gimmel unb befdjreibt all bie Söunber, bie er bafelbft gc=
febaut. $er jmeite ^bfebnitt (Äap. 37—71) enthält nacb einer furzen Einleitung
unb brei Parabeln bie Biftonen, melaje £enocb über bie Slnfunft beS EceffiaS
unb baS 2ßeltenbe ju theil gemorben fein foflen; biefelben ftnb (ßap. 64
bis 68) bureb Btfionen 9cocS unterbrodjen. $er britte Slbfcbnitt (#ap. 72
bis 82) fdulbert eine anbere 9teilje bon Öefidjten, burd) meldje &enod) in bie
ganje Einrichtung ber 2Belt, ben Sauf ber ©onne, beS SRonbeS, ber Ctfeftirnc
unb bie übrigen (Bebrimniffe ber 9iatur eingemeUjt mirb. $er bierte Slbfcbmtt
(Äap. 83—101) jeiajnet, abermal in gorrn bon SMftonen, ben gefamten SBer=
lauf ber 2Belt= unb 3Renfc&engefd)icbte bis $ur bollen Erfüllung ber meffia=
nifeben SBerbriftungen. 3m fünften Mbfcbnitt (Äap. 102 — 105) menbet fid&
£>enocb enblicb an feine tfinber unb erteilt ibnen feierliche Warnungen.
55er lofe 3ufammenf|ang ber Sbrile unb mannigfacbe Sieberljolungen
meifen barauf bjn, bafc eS aus mehreren vorausgegangenen Sdjriften, barunter
audj einem 92oc=S8udt)e , äufammengefteüt mürbe, beren Urfprung ftcb nid)t
mefjr beftimmen läfjt.
£ie nach, ^a^rmoeben georbneten gefcbidjtlicben üßifionen beS bierten
$lbfd)nitteS reiben bis auf bie ruhmreiche 3eit beS 3of)anneS £mrfanuS
18B2); — lateinifd) Don ©fröret (Stuttgart 1840); — beutfd) tum S. Jp o f f in ann
(3ena 1883—1838), 31. Glemenö (Stuttgart 1850), 91. $illmann (Seidig
1853) ; — hebräifd) Oon 8. © o Ib 1 eb m i b t (fflcrlin 1892). — S)er r)ebräifet)e ttriert ift
oerloren; Don einer alten gried)tfd)en Ueberfefeung tourbe ein beträd)tltd)er Sbetl
(ßap. 1—32) bei ben Ausgrabungen au Stltjimm 1887/88 gefunben, in bemfelben
^aötjruS, ber baä ^etruöeüangelium enthielt. SJgl. ISillmonn, lieber ben neu-
aufgefunbenen %ttf bed §enod)bud)e$. Stfeungdber. ber tgl. Slfabemie, Serltn 1892,
@. 1039 ff. — lt. IL tliarles, The Book of Henoch. Translated from Prof. Dill-
mann's Ethiopic Text, emended and revised in uecord with hitherto uncollected
Ethiopic Manuscr. and with the Gizeh and other Greek and Latin fragments which
are here published in füll etc. Oxford-London 1893. — Sößeitere btbliograpbifdje
Angaben bei 6mil Sdjürcr, ©efd)id)te bed jübifdben Jöolleö im 3eitaüer 3efu
<5rjrifti II (Seipjtg 1886), 629. 630. — ©anj öerfdjtebcn r-on bem bisher belannten
Jpenodjbudj ift bad ffanufefie. Sögt. ©. SBonttietfd), 5)aö flatoifdje ^>enod)bua).
«bfianblung ber Igt. ©efefffd). ber 3Biffenfd). ju ©öttingen. »erttn 1896.
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3)ie morgenlänbtjdjen 'Jljiolrijöljen.
(135—106 t>. <£tjr.) unb laffen fidj ungefftfjr auf baS Saljr 110 als
©djlufipunft ftrircn; bic brei Parabeln aber beuten fd)on auf bie 3cit
$erobe3' b. ©r. (40 — 4 b. ©jr.) fjtn, fo bafe baS ©efamtroerf furj bor
ber Slnfunft (S^riftt jum 9l6fdi>Iufj gelommen fein mag1.
(£§ ift reid) an ©teilen Don Ijotyer boetifdjer ©d)önljeit, audj an
folgen, in »eldjen bie SReffiaäertoartung ju großartigem SluSbrud gelangt.
2>ie 2öet*f)eit fanb auf 6rben leine Stätte, wo fte fyätte tb> $aubt Einlegen
fönnen; barum bot fte ifyre SEÖofjnung im Gimmel aufgefdjtagen.
Stte 9Bei£b,eit ift bom $immel fjerniebergefiiegen, um mit ben tDlcnf^cnfinbern
3U wohnen; aber fte b,at feine Söobnftäite bei ifjnen gefunben.
$a ift bie 2Bei8t)eU in ib>en bimmlifdjen Slufentfwlt aurüdgeteb>t unb f>ar ib>
SBofmftätte inmitten bet ^eiligen enget genommen.
Unb nad) tbjem §inweggang t>at ftd) bie Ungerec^tigteit eingcflefft, unb fie f)at
2ßcj)nung gefunben, unb fte mürbe tum ben SJtenfdjenfinbern aufgenommen, wie ber
Stegen aufgenommen wirb bon ber Söüfte f wie ber Sb>u aufgenommen wirb bon
audgeborrtem ßanbe (42, 1. 2).
Stelje, ber Sag ber 3üd)tigung unb ber 9tad)e! «n jenem Sage »erbe iä)
fieffen meine 2lu8erWählten in bie 2ttitte ber ^eiligen, unb id) »erbe umwanbeln ba«
?tntlt^ be« Rimmels, unb id) Werbe ttjn erleudjten für alle SwigTeit, unb iä) werbe
ummanbeln baä Slntlifc ber 6rbe (45, 2 — 5).
®a fab, id) ben 5ttlten ber Sage, beffen $aubt mar mie toei%e SEßoffe, unb mit
tl)m faf) id) einen anbern, ber fyatte bie ©eftalt einei 9Jtenfdjen. S)iefe ©eftalt mar
bott &utb mie bie eines ber ^eiligen Gingel. 2>a fragte id) einen ber €ngel, bie mit
mir maren unb bie mir alle ©ehrimniffe bei 2Jtenfd)enfobne3 erflärten. 3d) fragte
iljn, mer H märe unb motjer er fäme unb marum er ben Sitten ber Sage begleitete.
Unb er antwortete mir : 5>iefer ift ber Sotjn be« 10lenfcr)ertp auf ben ftdj alte @ered)tig»
feit bejiefyt, unb mit bem fie wofynt unb ber ben @d)lüffel affer verborgenen ©djäfce
bat. Senn ber §err ber ©eifter t)at it>n oor allen auSerwäljlt unb er l)at il)m eine
§errlid)teil über äffe Kreaturen gegeben. S)er Sotjn beS 2Renfä)en mirb bie Könige
unb bie SDtääjtigen fortreiten oon bem Säger ber 2Mluft; er toirb ben 2Rärf)tigen
einen 3aum anlegen unb bie 3äf)ne ber probier aerbreäjen (46, 1—4).
3d) fab, aud) ein ßamm, unb biefeS Santm würbe SDIenfd). Unb es baute bem
§errn eine §ürbe, unb es fammelte !)ter bie ©djafe, bie fid) berirrt Ratten. 3d) fal)
aud) ein fiamm faffen, baä jenem borging, meldjcS bie übrigen führte. Unb id) fal)
eine große ©djar anberer ©<r)afe ju ©runbc geben, il)re jungen anftatt il)rer wadjfen
unb auf eine neue JEßeibe geben. Unb bat Samm, ba« fte geführt unb baB 9Jtenfdj
geworben, trennte ftd) bon itmeu unb ftarb. Unb bic anbern ©djafe fügten unb
riefen ti mit jämmerlidjem ©efdjrei (88, 60—63)
Erinnern biefe ©teilen audj an ba§ S3ud^ ber 2Bei8§eit, an bie ^Pfalmen
unb an bie 9lpof alnpfe , fo läßt fiO^ bana$ boa^ no$ leih Urtr)cil fällen.
3)aS $u$ fclbft aber ^ält fid^ nid)t auf biefer ^)ö^e. 6» enthält ^u oiele
abfonberlid^e unb barode ^Rära^en über ©onne, 3Jlonb unb ©terne, über
1 P. Batiffol, Apocalypses apoeryphes (Vigouroux, Dictionnaire de la Bible
I, 757 s.).
» Ueberfetjt nad) P. Batiffol 1. c. p. 758.
11*
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164 $totüei *Bu$- 3toeite$ Äapttel.
bie ©efjeimniffe ber GngeL- unb ajienfdjenmelt, über oerborgene Dinge, Gräfte
unb Stötten im SSeltall, unb jimar alle» als Cüngeföoffenbarungen in funter=
bunter Unorbnung burdjeinanber gemixt, um in ernftlic&e parallele mit ben
^eiligen Sutern gebellt ju toerben1. 2öaf)rfa>inlitt) cntftonb eS jur 3eit
ber «Dtaajabäerfämpfe als ba§ Sßerf eines gläubigen Suben, ber bic ortljobore
nationale Uebertieferung gegen bie einbringenbe Ijeibnifdjc SBeltanfdmuung
bertfjeibigen wollte2.
Da3 33ud) ber Jubiläen3 ober bie Heine ©enefU (ätbjopifa) unb
in lateinifajen 53rucf)ftüden ermatten) umfaßt bie fämtlidjen Gelungen ber
canonifdjen ©enefis, in 3ubiläenabtf>eilungen oon 7 3af)rtooa>n = 49 Scitjren,
bi§ jum 6in3ug be§ 33olfe* in ^aläjtina. Die Grilling tft jebodj einem
Gngel in ben TOunb gelegt, ber alles bem 9Hofe3 berietet unb feinen 93e=
rittet mit allerlei erbic&ieten ©agen unb Umftänben auäfd&mütft. Der ur=
fprünglitfe Sejt fdjeint frbräifaj ober aramäifd) gemefen su fein, ber 93er=
f affer ein gläubiger 3>ube, ber (im 1. Satjrt). n. <5f)r.) 311m fteftfmlten beä
alten ©efefceä aneifern moüte.
Die Himmelfahrt be§ 3faia§* (ätbiopifd) unb in lateinifdjen
Fragmenten öorf)anben, urfprüngüaj griedjifd» erjagt im erften St>eil (ßap.
1—5) baS SWartorium be§ ^ropljeten; im jmeiten 2f>eii ($ap. 6—11)
fajilbert bie Sdjrift, in d&riftlid&cr Sluffaffung, bie £erabfunft ©frifli burd)
bie fieben Gimmel $um 3mede ber (Srlöfung, mie fie bem ^ropljeten ju
flauen bergönnt mar, al§ er in bie fieben £rimmel entrürft mürbe.
1 Aethiopicus liber, qui ex variis apoeryphis ita couflatus est, ut merito
ambigatur, num idem ille sit , quem Patres cognoverunt, rcvelationibus constat,
quibus angeli patriarebam Henocb omnia mysteria mundi visibilis et invisibilis
docent, innuroerisque absurdis ridiculisque narradonibus et explieationibus scatet.
R. Cornehj, Introd. gen. (2. ed. Parisiis 1894) p. 222. Sögt. L. Goldschmidt,
Bibliotheca Aetbiopica (ßetpjig 1893) S. 35, unb beSf. (Einleitung jum JBudje
fcenod) (»erlin 1892) p. xjii; Wlooerfl-ftaulen, 3lrt. „Slpocrhpbeit'Siteratur*
in SDÖe^cr unb Söelte's Jftird)enIerJfon. I (2. 9tufl.), 1054.
«Sangen, 3>a5 3»bentt)um in «paläftina jur 3ett Gfirifti (ftreiburg i. St.
1866) S. 64.
* herausgegeben oon 31. 2) t Ilmann ((Böttingen 1854); beutfd) Hon bem f.
(Groalb* Sahjbüdjcr 1849—1850); euglifd) oon ©. ©ebobbe (1888); tjebräifdj
oon »üb in (SBtcu 1869). — <tteue SMuögabc Don R. Charles, The Ethiopic Ver-
sion of the Htbrew book of Jabilees , in Anecdota Oxoniensia, Semitic
Series VIII. Oxford 1895. — Sgl. H. Roensch, Liber Iubilaeorum. Lipsiae 1874.
* SIetfnopifd) , lateinifd) unb englifd) Oon 9t id). Lawrence (Oxonii 1819);
ätfnopiidj unb lateinifd) oon 3t. 3>tllmann (Lipsiae 1877); lateinifd) Oon ©ie*
feler (Gottingae 1832) unb ©fror er (Prophetae pseudepigr. 56—63); beutfdj
oon 3oloU)icj (Seipjtg 1854) unb 9t Siemen« (Stuttgart 1850); franjöfifd)
oon 9t Söffet (Paris 1894). — (Sine fpätcre freie Bearbeitung be* gried)ifd)en
Sejrte* fiebe in ber 3eitfcf)rift für n»iffenfd)aftlid)e Sbeologie XXI (1878), 380—353.
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e
SJie morgenlänbifdjen «pofrWben.
165
SDie Himmelfahrt SDtofiS (nur in einem loteinifcben $ruä)ftüd
erhalten l, urfjjrünglid) t)ebräifc^) f Gilbert, mie bem $RofeS bor feinem Üobe
ber ganje 93erlauf ber jübifdjen ©efdjtdjte bis jum (Srfdjeinen beS WeffiaS
geoffenbart roirb, unb fudjt bamit bie 3uben — wafjrfdjeinlitf furj nadj
ber 3«Pr"n8 ScrufalemS — ju tröften.
25ie fogen. SEeflamente ber ^roölf ^atriardjen (griednfd) ber=
fafet, quo) in alter lateinifdjer unb armenifa>r Ueberfefcung borbanben)2
führen in jmölf Sutern bie SlbfdjiebSreben ber jmölf ©öbrte SafobS bei
üjrem lobt aus. Seber ber ^atriarajen fnüpft babei an feine eigene fagen=
$aft auSgefdjmüdte Öebenägefäjidjte gute SRatbe unb üRaijnungen an feine
Äinber unb erteilt ihnen allerlei Wuffajlüffe über bie ©eljeimniffe beS ^enfeits,
über baS Seben, baS Ceiben unb bie Sluferfteljung 6t|rifti foroie über bie
»ermerfung beS auSermählten SJolfeS. 6in Subemfcrift fa>int burd) biefe
©djrift bie 93eteljrung feiner SanbSleute angeftrebt ju fcoben.
ebenfalls bon einem 3uben#riften, aus ber 3eit jmifdjen Situs unb
§abrian, fcheint bie Slpof alnpfe Barums berfajjt ju fein (urfprüngli*
toaljrfäjeinlia) griedfrifä), nur in lateinif^er unb forifdier Ueberfefcung bor=
(janben)8. Storud) erhält barin Offenbarungen über bie affprifaV unb bie
babnlonifdje ©efangenfdwft , über bie ©rünbung eines neuen SerufalemS
unb einer neuen SBeltorbnung. 2lm Sage nad) biefer Sßifion mirb 3eru=
falem erobert; um feinen 9iuf)m $u fdjonen, fommen aber Sngel, legen
felbfi bie dauern nieber unb bergraben bie heiligen Sempelgefafce in ber
6rbe. 3eremiaS nrirb in bie ©efangenfdjaft abgeführt, Saruar ober bleibt
in ben Mmmern ber beröbeten Stabt unb ftimmt fein tflagelieb um fie
an. Sine Stimme bom Jpimmel tröftet ir)n unb berlünbet ü)m baS balbige
flauen beS SRefftaS. 3n anbern löifionen »erben itmi bann bie 6dndfale
bes römifajen 9teia>S, baS SMtenbe nnb bie ganje frühere ©efehiebte Israels
oorgefuljn.
eine 9tad>bilbung biefer 6d»rift ift baS 93ud) SöaruaV (griednfdj
unb ätbjopifß erhalten), aber mit Dielen alten unb neuen Segenben über
ben ^rop^eten Jeremias auägefdnnüdt , meldje bie @ottf)eit Gl)rifH be*
toeifen foöen.
93on geringerem tljeologifdjen Sntereffe als bie meiften ber angeführten
9lpofröpf)enf aber bon größerer Söebentung für Sagengefchidjte unb Citeratur
1 SöeröffentUdjt öon Ceriani, Monum. sacr. et prof. I, I, 55.
! Migne, Patr. gr. II, 1037—1150.
3 The Apocalypse of Baruch, trawdated firom the Syriac, edited with in-
trodaction etc. by ft. U. Charles. London 1896.
* ajeröffentlidjt in einet fürjlid) begonnenen Sammlung: R. Basset, Les apo-
cryphes Äthiopiens. Traduits en frainjais. I. Le Livro de Baruch et la Lögende
de Jeremie. Paris 1893.
1ÜÜ
3rociteö Sud). 3»eite« flapüel
ift baS (fcriftlidje „SIbamSbuäy'1 (gana berf Rieben oon bcra 2lbamSbucb
ber Sftanbäer [3abicr], 91ajaräer ober SofianneSäjriften). 3n baS lbenb=
lanb ift baSfelbe nie gebrungen ; im Orient ift es bagegen in jmei Raffungen
üorhanben. Sie fttljiopifäje trägt ben Sitel Gadela Adam (Ser flampf
SlbamS) unb weift fidö als Ueber[e$ung einer orobif^en Vorlage aus. Sie
forifdje bat ben Zxttl Spelunca thesaurorum (Sie S(f)a$öb)le)2 unb ift
oermutfjlid) ber Urtejt ber fttljiopifajen unb arabiföen Bearbeitung, bie auf
eine fet)r weite Verbreitung beS SBerleS fdjliefcen laffen. SaS SBuaj erjftljlt
in ganj auSfüljrlid&er Sarftellung bas Seben ber erften Altern bis ju u)rem
£obe, fürjer bie »eitere ©efdjiäjte ber 9)lenfdjbeit bis $u WoeS £ob, nur
ganj auSjugSmeife bie übrige altteftamenüidje @e|cbid)te, bann aber roieber
in beb,aglitt>r ©reite bie ©efajiajte Darias unb bie 3ugenbgefdjiü)te beS
grlöferS. Sie «bftdjt beS SerfafferS fajeint babin §u geben, bie 9Henfä>
Werbung als 9lb|ajluji beS oon @ott mit Wbam eingegangenen 93unbe8 bar*
aufteilen. Segenbe unb Sage übermu^ern aber oöüig bie Angaben beS
bibhföen 33erid)tes, unb fo f)at baS 2öerf fafi nur ÜBertb als Sammlung
bibliiajer «Sagen, wie fie fi(& junftdjft in Serien unb Don ba aus weiter
bureb ben Orient berbreiteten.
2Bie bie alttefiamentlidjen, fo jerf allen aud) bie neuteftamenflid&en
Slpofrüpljcn in jmei £auptgruppen : foldje, weld&e zeitweilig öon am
gefebenen ftirdjenf^riftjtellern für echt gehaüen würben unb beSt)ol6 in firä>
lidjen Greifen ein gewiffeS theologifajeS , ja mitunter canoniföjeS Wnfel?en
genoffen, unb folüje, welaje jebeS folgen Slm'ebenS entrietfjen unb als 53e*
trügereien oon Sectirem tfjeilweife fogar oon ber fircblid&en Autorität auS=
oruaiiaj üerworjen würben.
3u ben «pofropben ber erften 3lrt gehören: Ser «rief unferes £>errn
an ben ßönig 9lbgar oon ßbeffa ; Sie Öiturgien ber ^eiligen Slpoftel $etruS,
3acobuS, «Matthäus unb beS (Soangeliften Marcus; Sie Seljre ber jwölf
Slpoftel; Sie jwei SBege ober baS Urteil beS $etruS; Sie GanoneS ber
Slpoftel; SaS ßoangelium ber Hebräer, 9?ajarder ober ber jwölf 9lpoftel;
Ser Brief beS hl. SßauluS an bie Saobicoer; Ser britte ©rief beS 1)1. ^auluS
1 Seutfd) bon Ä. $iUmann (in Gmalbö 3abrbüdjer 99b. V. ©öttingen
1853), 6. 2turapo (3Jlünd)en 1880); englifd) öon 6. 6. Attala n (London 1882).
»gl. H'. Wright, Catalogue of the Ethiopic Manuscripta in the British Mu-
seum III (London 1877), 213: The history of Adam and Eve „Gadla Adam4.
— 9)öUig oer Rieben baöon ift bai §aupt!Dert ber Slonb&er im fflblid)en 8tabt)lonien,
ber @tbrä 5Rabbä ober ©injä, berauägegeben oon 9lorberg unter bem Sitel
Codex Nasaraeiiä Liber Adami appellatus, Lond. Goth. 1815, unb Oon 3. ^eter»
mann: Thesaurus seu Liber magnus vulgo „Liber Adami" etc. ßetpaifl 1867.
»gl. W. Wright, Catalogne of the Syriac Manuscripts in the British Museum
III, 1210.
» (5. »ejolb, Sie Stöhle. Stortfcb unb 25eutf(b. ßeipjig 1888.
3>ie morgenlanbifdjen 9(poIrty>l)*»-
1G7
an bic #orintb>r; $ie ^Briefe beS ljl. ^ßaulu» an Seneca; $er Brief bcS
fjl. Barnabas; $er ätoeite ©rief beä f)t. (Siemens I. an bic Äorint&er; $er
^3aftor ipermä *.
3ft aud) unter biefen Schriften feine, welche in literaturgefcfyd)tlid)er
£)infid)t eine fjeröorragenbe Stellung einnähme, fo bejeidmen fie bod> in
if>rev ©efamtljeit bie Anfänge beS literarifcb>n £eben§, ba» fidj fdjon in ben
erften 3ot)rl)unberten ber Äirdje unter unfäglidjen Sdjroierigfeiten, 9toÜ) unb
Verfolgung 311 regen begann 2, bie weife 93orftd&t, mit meldjer bie Ä irdje in
ber ^eftfet^ung be* biblijc&en (Sanon öoranging, unb ben unfaßbaren 93or=
tf)eU, ben i^r lef)ramtlid)e» 2öalten ber ßntmidlung ber fird)li<$en Literatur
gebracht (jar. M liebebofler Schonung r)at fte alle» bet)onbctt , roa§ eine
eljrmürbige Ueberlieferung ober eine glaubhafte Autorität für fieb, aufmeifen
5U lönnen fdjien ; aber mit ebenfo fefter unb einfdjneibenber Energie Ijat fie
ben Einfällen be§ Srrtfmmä unb be» fc&ranfenlofen ©ubiectiöiSmu» ^tnr)alt
geboten. 2Ba§ märe, nid>t blof} au» ber d)riftlid)cn Offenbarung, fonbern
aueb, au» ber d>riftlid)en Silbung gemorben, menn baS fird)lid)e Seljramt
nicb,t mit jener <5ntfd)iebenb>it ben safjllofen faifajen Eoangetien, 5tbofteU
gefaxten, 51pofteIbriefen unb Slpofatöpfen entgegengetreten märe, mit meldjen
bie ©eden ber erften 3ab>fmnberte, befonber» bie ©noftifer, baS 2lbenb= unb
SWorgenlnnb jugleid) überfdnoemmten ! 8
2öa» fta) übrigen» bon biefer feiten Hrt ber neutejtamentliajen 9lpo=
fragen erhalten &at, bietet bleute ein burc&au» mertb>ollc» 3eugnife für bie
ec&ten canonifdjen Schriften. Sie jeigen anfebautidj ben ®egenfafc „jtDtfcben
2öal)rr)eit unb $id)tung, jmifdjen ber Einfachheit unb Erhabenheit ber gött=
lidjen £ffenbarung»tt)atfad)en unb ber Buntfcbedigfeit , öädr)crlidt>feit „ £ri=
bialität unb ^fjantafterei menfd^Iicfter Erfinbungen. Sd)on biefer, befonber»
in ben Wpoftclgefdndjten ^anbgreiflic^c ©egenfap- fennjeidjnet bie canonifcb>n
Schriften mit bem Siegel ber Echtheit. SBie ber Inhalt, fo gibt aud) bie
Befjanblung, bie man ihnen ju Ujeil werben liefc, 3fUflnip bon beren höherer
Sößürbe. $ie apofrnp^en lejte mürben mit ber größten $reir)eit geänbert;
bie aafjlreichen Bearbeitungen erlaubten fich bie mannigfachsten Slenberungen,
^Uölaffungen , 3ufä^e — turj, man {chattete unb mattete mit ifmen nach
1 $ie lefotgenannten Stritten fuib natürlich nur infofern olä „Stpotröpfjen"
ju bejctdjnen, alÄ ber Jöerfuö) gemalt tourbe, fie ben „canoni^eu" ©Triften als
ebenbürtig an bie Seite ju ftetten.
* JBiel liefe jtd) nod) nidjt letften. Non loquimur magna, sed vivimus, Jagt
ber f)l. Gttprian (De bono patientiae cap. 3. ed. Hand p. 898) ; bie 6t)riften toaren
philosophi non verbis, sed facti» (ib.).
» €>ieb> borüber 9tidj. Slbatb. Sipi'iuS, ®ie opotrt)bb*n Styoftetgcfdjidjten
unb «pofteUtgenben (2 JBbe. ©rounfdjweig. I. 1888 ; II. 1884), fotoie bie JBemertungen
befi P. 3- «nabenbonet S. J. ju biefem SBerte in ber 3ei*färift f»r fatMifdje
S^eologie VIII ßnnöbrud 1884), 799-809.
168
3»ette8 JBud). 3»eite* flapitel.
belieben, liefen bunten Umgejlaltungen gegenüber bietet bie Ueberlieferung
ber ^eiligen 2erte trofr bec Varianten eine großartige unb ftaunensroertfc
ßinljeit. 9)ton f ann eS mit öänben greifen : Ijier mar im ©emujjt jein aller
^eiliges ©ut, ba* mit ^eiliger 2reue bemalt mürbe" ».
Sind) für einzelne fielen ber tfirdje, mie für jene über ben Primat
^etri, enthalten biefe 9lpofrm>f)en gelegentlich ein mertybolleä 3e"Öt«&;
fonberä aber beftätigen fie bie Stjatfad&e, baß e§ eine Don Urnen unabhängige
fatfjolifcfce Ucberlieferung gab unb baß ben alt<$riftlia>n Segenben Dielfacb
ein roirHidjer gefd)idjtlid)er Äern ju ©runbe lag.
$er literarifdje Söertlj biefer Mpofrnpljen ift bagegen nufy fonberlid)
t)od) anjufdjlagen. $a§ gnoftifdje „^anjlieb" 5. 33., bas fia? in ben 2tden
beS %{. Sotjanne* finbet2, nimmt fid) neben edjt diriftlidMiturgifdjen ©e=
fangen niebt Diel beffer als eine fonberbare $raöeftie aus. Wefmlief) ift
e» mit jmei gnoftifdjen „2öeit)eliebern" in ben Slcten beä f)t. Stomas3.
£a§ gnoftifdje „£ieb bon ber Söei«r>cit" (Sobljia^ldjamotl)), baS in benfelben
bieten eine Don bem Stboftel belehrte Sängerin bei einem Ijeibnifdjen fjefc
maljl jum bejten gibt, prunft jmar in allem ®lan$ unb 3*üt)ling§buft eines
muftifefcen ©rautgefanges, aber ber $>emiurg mit ben Leonen brängt fidj in
ftörenber 2Beife jroifdjen Söraut unb ^Bräutigam, unb bie 33e!ämbfung ber
d)rifn"idf>en ßfjc, toeldje ba» ganje 23ua) burd)jieljt , jerftört baS bidjterifdje
33ilb, auf roelcbem ba* Sieb fid) aufbaut, unb trägt ben fdjreienbften 2ötber=
fbrudj in baSfelbe hinein*. Söofjl länger, aber faum boetifdjer ift ein
onbereS ©ebid)t, bal ber $erfaffer ber steten ben $1. SljomaS im Werter
fingen läßt, baS er aber offenbar fdjon aus früherer 3t\t üorfanb unb
mit bem alten 5itel feiner (Srjäfylung einverleibte : „$ömnu§ be§ Softeis
3ubaS IfjomaS im Saube ber £>inbu." 3n neuerer Qe\t rourbe es ber
„^nrnnu* oon ber Seele" genannt5.
1 3. «nabenbaucr a. a. £. VIII, 803. 804.
■ 21). 3nf)«, Acta Iohannis (Griangen 1882) S. 220. 221.
8 Ä. 9)1 acte, Srjrifdje 2ieber gnofttfdjen Urfprungä (üljeol. Cuartalfd)rift.
Xfibingen. LV1 [1874], 49-52. 69. 70).- 9t. «. fiiMiu«, Sie aboirtjpben «poftel«
gefd)icr,ten I, 811—821.
* W. Wright, Apocryphical Acts of the Apostles II. Cambridge 1871. —
Ä. üflaefe q. a. O. 6. 7—17. — SipfiuS 0. a. €. I, 301—311. — y%ai
$bänomcn, um ba« e$ fidj fjanbelt, ift aud) ertlärt, toenn man annimmt, bafj ber
Söerfaffer ber gnofttfdjen 2Ijoma$acten ein ftyrifdjer ©riedje toar unb für feine 3totd'
ein alteä profaneö fnrifdjeä $>od}jeitölieb ju einem aried)if4>gnoftifd^en ©efang um«
gearbeitet h.at. S)enn ba8 ift jmeifeUoS ber Urfprung biefer Obe." H. f>arnacf,
©efd}id)te ber altcb.riftli^en ßiteratur. IL X^eil (6b,ronologie). I (fieipjig 1897), 547.
* 2er forifaV 2ept bei \V. Wright, Apocryph. Acte II, 288-245; beutfd)e
^rofattberfe^ung unb erriärung bei ft. 9)1 acte a. a. C. S. 28 ff. 52 ff.; metrif(b,e
Ueberfe^ung Don bem fei ben bei SRorrenberg, Mgemeine ßiteraturgef^idjte
I (2. «ufl. aJtünfter i. 2ö. 1896), 286-288. — 0. ©utiebmib Mrfuajte bie
Sie morgenlänbifchen Slpofrüphen.
169
$)ie ÜDIenfchenfeele ift i)icr als junger ÄonigSfolm gefdnlbert, ber mit
reiben ©chäfcen auSgerüftet aus fetner £>eimat, bem Sanbe beä Oftend
(b. r). bem ^immlifdden SBaterlanbe), nach 2legnpten (b. h- in ba§ irbifche
l?eben) entfanbt toirb, um bort eine töftlidje $erle ju fjolen, bie mitten im
SReere tum einer ©anlange umringelt unb beroacht ift. 3n 91egt)pten atu
gelangt, fleibet er fich jeboch, um nicht aufrufallen, nach 2Beife ber unreinen
?legüpter, ifjt unb trinft mit ihnen, tritt mit ihnen in immer oertrautern
Starteljr, oergijjt barüber üöüig feinet 2luftrag§ unb finlt in einen tiefen
(geiftlidjen) ©cblaf. $a fchreiben ilmi bie Altern einen SSrief, ber ilm an
bie SBürbe feiner Slbfunft, an feinen Auftrag unb an bie it)m ju £aufe
befrinrmte #errlichfeit mahnt. $er SBricf „fliegt gleich bem Slbler, bem
ßönig alles Gkflügelä, unb mirb gan$ ©ort". 9ton rafft fich ber ^rinj
auf, lullt bie ©ajlange burch 3aubcr in einen 6d)laf, bemächtigt fich ber
Sßerle unb lehrt bann na* feiner Heimat im Often jurücf. 3u Etaifcban,
an ber ©renje, jiefjt er bie Ijerrlid) gefiicfte Soga an, »eiche ihm feine Altern
enigegenfdjiden. darauf Doüenbet er feine heimfahrt unb tritt ein in bie
ihm bereite fcerrlichfeit.
2)ie Allegorie wäre einer fajönen chriftlichen Deutung fähig ; allein eine
folcfce tritt nirgenbs flar herbor ; bielmein- mirb ber an fich unflarc ©runb=
gebaute gegen Gnbe fo berfchoben unb mojifch umbunfclt, baß ba§ ©ebiajt
nur einen ganj berfchroommenen unb unbefriebigenben £inbrucf jttrüdläfet.
Sluf bie übrige apofrtjblHfd)« Literatur biefer 51rt näher einzugehen, ift
hier nicht ber Ort; bagegen müffen wir noch bei einigen 2lbotrtophen ber=
meilen, bie gmar für 2)ogmatif unb (Sjegefe menig Söerth befifcen, aber als
Xhontadlegenbe auö inbifcher (bubb^iftifdher) Duelle abjuleiten („S)ie Äöntgßnaraen
in ben apotrtophen Mpoftelgefchuhten." ftytin. ÜJtufeum für ^fjiloloßie. 19. $abjg-
6. 161 ff.) unb tternuithete ben furifdjen ©nofttter SJarbefäne« ald ^Bearbeiter.
9t. ©th röter (3eiHä)rift ber $eutfd)en SHorgenlänb. ©efellfctjaft XXV, 326. 327)
hfilt bie «utorfthoft be« Barbeföneä für fraglich; ttölbefe (ebb. XXV, 676. 677)
»erlegt bie Hbfaffung befi @ebid)te$ in bie Seit beSfelben, bemerlt aber: „ttebrigenä
ift eä für mich, ber ich mir feit 3<*h"n fo ttiet öergeblidje 3Wühe gegeben habe, in bie
©eljeimiriffe ber tnanbätfchen ©Triften einzubringen, eine traurige Säefriebigung, baß
ftä) felbft ein fold)e8 in einer ganj befannten 6praä)e gefdjriebencä , einem biet ein-
fachem 6t)|tem entftammenbes gnoftifctjed ^robuct fo fdjtver enträtseln läßt." —
SJtade (a. a. O.) unb 9t. «. Öipf iui (®ic apoMjphen Bpoftelgefd)icbten I, 292 bi*
301) halten Sarbefäne« für ben mutf>ma&lid)en Jüerfa?fer. — «. ^atnod bagegen
(®efd)id)te ber altd)riftlid)en SUeratur. II. [ehronologicj. I, 545. 546) öolemiftrt
fä)arf gegen fR. 9. ßipftu«, baß er nad) ganj unjureidjenben Äriterieu w©noftifd)eöu
in bie Styoftelacten hineintrage, unb fagt öon bem ©ebtd)t : „S!er #t>mnuö felbft ent«
hält fd>leä)terbingd nichts 6hnftlid)e« unb barum aud) nichts ©noftifcboä (»enigfteu«
toenn man ben üblichen Sprachgebrauch fefthält). 6ö ift ein räthfelbafte« 2)ocument
für Hbftchten , bie unö toBüig unburct)fiä)tig finb , für eine SDenfroeife , bie bie »er.
fchiebenfien religiöfen Unterlagen julöBt."
170
3ioeite8 9Jud). 3weüe« Jtapitel.
SluSbrucf frommer ober roenigftenS l)armlofer Voltsüberlieferung unb als
Quelle ber fpätern djriftlidjen Segenbe für bie Siteratur nidjt ganj bebeutungS=
los finb, ja mitunter eiltet gemiffen poetifdjen Steves nia)t entbehren.
Sdjon öon ben 3citen ber Slpojtelfcfyüler an begegnet uns ber Üöunfdj,
etwas mefyr über baS Sajiclfal beS (SrlöferS unb [einer gebenebeiten Mutter
511 berneljmen, als in bem gebrängten, oft lafontfdr) furjen SBeridjt ber üier
(Sbangeliften enthalten mar. Weujjere Vcbrängniji unb Verfolgungen motten
jeitmeilig biefen SEßunfd) jurüefbrängen , jumal in ben Qiöangelien felbft ein
Ouefl unerf#öpflid)er Betrachtung unb befeligenben SrofteS, übernatürlicher
Erleuchtung unb Äraft öorljanben mar. 3mmer unb immer roieber manbte
fich jebod) bie befchauliche Siebe ber ©laubigen auch jenen «einem Gebern
umftänben im Sehen beS (SrlöferS ju. Man fudjte unb fammelte bie Ueber=
lieferungen, bie fich barauf belogen.
2)ie Siebe mar inbeS Ijier ben ©efahren ber Neugier, ber Säuf^ung
unb beS VormifceS ausgefegt. $ie ßird^e bemalte beSljalb ber Segenbe
unb legenbarifdjen Ueberlieferung gegenüber ein fetyr jurürf^altenbeS , mehr
abmefjrenbeS als förbernbeS Verfahren. 6rft als bie djrifiologifdjen 3rr=
thümer ber erjten Sahrfjunberte ftegreich übermunben, bie großen Dogmen,
bie fich auf bie Menfcbmerbung belogen, burch bie Vefcblüffe ber erften
Goncilien genauer feftgeftetlt maren, eine arianifdje ober nefiorianifche Muf-
faffung beS ErlöferS unb feines GrbenlebenS nicht mehr ju fürchten ftanb,
mürbe ber Gntroicflung ber Segenbe mehr SRaum unb Freiheit öerftattet, bis
fie fich enblia) im Mittelalter 511m reichen Slüthengarten geiftliäjer ^ßoefic
entfaltete.
Sie meiften ber Ijierljer gehörigen "Jlpofröphen beschäftigen ftdt) mit ber
SugenbgcfdHdjte beS (SrlöferS unb mit bem Seben feiner jungfräulichen Mutter.
Bo baS ^rotoeöangelium SacobuS' beS Jüngern 1, baS (griechifdj
abgefaßt, in förifcher, loptifdjer unb arabifdjer Ueberfc&ung öorhanben) in ber
orientalifdjen ßirche in ^o^em 2lnfeljen ftanb, öon ben griechifchen Vätern in
ihren .poinilien benufct unb an Marienfeften ju öffentlichen Vorlefungen ber*
roenbet mürbe, mäfjrenb es in ber Iateinifd&en Kirche erfi nach aiemlich
langer Slbmeifung feit bem 6. ^ahrfwnbert Eingang fanb. Mit tyofjer (5in=
facbfjeit unb Stürbe erjft^It eS (Aap. 1—20) bie ©eburt unb 3ugenb=
gefdnehte Marias, ihre WuSertoählung jur ©otteSmuttcr unb fobann bie
©eburt Ghrifti ju Bethlehem, in einem Anhang (ffap. 21 unb 22) bie
©efebichte ber ^eiligen brei 2öeifen aus bem Morgenlanb.
1 le^mg Mapt'ag rftg uyiag <9so7nxotj xai inzepsutiöSo'j firjrpuq lyjoou Xpurroü.
§eraudgegeben Don Tischendorf, Evang. apoer. p. 1 — 50; C. A. Suckow, Protev.
lacobi. Vratisl. 1840. — 91. JBerenbtö, ©tobten über 3ad)aria«'3lpofrt)Ph«n
unb 3acharia^ßegenbcn. Seidig 1895. — tt. $arnacf, ©efäidjte ber alt^rift-
lidjen ßtteraiur. I. 2b,eil S. 5 ff.; II. Sfcit ©. 589 ff.
2te tnorflentänbifcfjen Hpofrijpljeii.
171
2Bol)l ebenfo alt ift ba§ (Sba ngelium 2f)oma§' be3 Israeliten,
ba£ bereite oon Crigenc«, SwiiäuS, @ufebius, Cyrillus bon Serufalem,
Stmbrofiuä unb f)ieront)mu§ erwähnt wirb, aber nur mefjr in einigen lateU
nifdjen, gried)ifd>en unb fnriferjen Srudjpcfen borfjanben ift. 9t(s SBcrfaffer
güt nid)t 3$omad ber 5lpoftel, fonbem Stomas, ein ©dmler be§ ÜKane».
2)ie Sdjrift ift bon bofetifajen Srrtfyümem beljcrrfä)t unb mar r)auptfä(^(t(^
unter ben 9)tanicf)äern unb ©noftifern oerbreitet. Sie enthält aber weitere
legenbarifd^e (Sinjetyeiten über bie Altern SRariaS, ^oadjim unb 9lnna, bie
©eburt Darias, il)re 93ermäb,lung mit Sofepr) unb über bie ^ugenbgefdjidjte
(Stn-ifti, bie fpäter aud) in fird>lia)en Greifen Beac&tung unb 93ertoertt)ung
f anbeu.
31uf ©runblage beS ^rotoebangelium» 3acobu8' beS Jüngern, mit S8c=
nufcung be3 $f|oma§ebangelium& , ruf>t ba§ fogen. ^feubo = *Diattljftu§=
ebangelium, oon einem £>äretifer — bermutf)licb, im 6. 3al)rf)unbert — in
lateiuifdjer Spraye abgefafet. 9tu3 allen breien ift enblicr) baä fürjere Evan-
gelium de nativitate Mariae Ijerborgegangen, ba3, fcfyon SBtfc&of Fulbert
oon 61)artre3 (geft. 1029) befannt, faft toörtlid) in baS Speculum histo-
riale beS SMncenj bon 33eauoai§ unb in bie Legenda aurea beä 3atob
be SSoragine überging unb burdj biete bietbeliebten 5Büd>er im ganjen Wbenb=
lanbe oerbreitet rourbe. $iefe toie anbere lateinifcfie Bearbeitungen beS
^rotoeoangetiumä gehören inbeS fd)on in ben SBereid) ber abenblänbifdjen
Literatur.
$em Orient gehört bagegen noeb, ein Evangelium infantiae Sal-
vatoris, baä uns nur in arabifd)er Spraye ermatten ift, aber auf einen
fbrif^en Urtejt jurürfroeift unb bei ben fteftorianem in Snrien unb ^erfien
att^eit grojseä 9lnfe$en genofc i. $ie erften neun Kapitel ftammen auö bem
^rotoeöangelium 3acobuä' be§ Jüngern, bie aajtje^n lejjten au§ bem 3:l)oma8=
ebangelium ; bie bajmifa^en liegenben Kapitel bagegen enthalten atterlei $abe=
leien, bie be§ b>l)en ®egenftanbe§ nia^t roürbig finb unb an „Saufenb unb
eine *Ra$t" erinnern. 2>er 3efuäfnabe bermanbelt anbere ßinber in junge
3idtein unb gibt cutcin Jüngling, ben 3auberer in einen Waulefel ber=
manbelt Ratten, feine menfd)lid)e ©eftatt jurürf ; er plagt feine ©ptelgenoffen
unb fefct feine Se^rer in Verlegenheit, ja er ma<f)t bon fetner SBunberfraft
einen fo bebenflidjen ©ebraud), bap bie Öeute ju ^ofept) fommen unb ifm
bitten, bodt) bon ftajaretb, fortziehen2. Weben folgen naiösttmnberlicfcen
' I. C. Thilo, Codex apoer. Nov. Test. (Lipsiae 1832) I, 63—158.
* 2>er franjöfifdje Slfabemiter ©afton Sotffter (Les Origines de la po^sie
chretienne, 1. c. p. 79 s.) bemerft fjierju : Au lieu d'en rire, ce qui ne meno k rien,
il vaut mienx essayer de coraprendre d'oü ces deTauts peuvent venir. Souveuons-
nous que le christianisme est une des rares religions qui ne se sont pas develop-
pees ä one öpoque reculue et naüve. II est ne en pleine civilisation , au milieu
172
Smette* 2hid&. 3»citei ftapttcl.
ßrfinbungen finbct fich inbe* boch auch mannet poetifche 3uÖf wie 5. 33.
tt>o baS 3e|u§finb mit ben anbern &inbern f leine üöögel au§ Sehnt geftaltet,
ein alter brummiger 3»be fie beäfjalb auSjanft, ba§ SffuSfinb in bie £änbe
flatfdjt unb bie Sehmgebilbe als nrirtliche SBöglein bon bannen fliegen.
$>en 2lbfchlujj ber Sflarienlegenbe bilbet baS Stocb. De dormitione
Mariae ober Transites Mariae, baS, griedjifch abgefaßt, in mehreren fbrU
fdjen unb lateinischen Bearbeitungen, auch in f optif =f a ^tbif 4)er unb arabifcher
Uebcrfe&ung erhalten ift. ($8 er^It in anmutiger 9öeife, mit einem reichen
ßranje munbcrbarer 3üge, ben $ob ber ©otteSmutter unb tyre glorreiche
Aufnahme in ben §immel, roobei ber ÜJlaube an ihre unbefledte Gmpfängnift
beutlic^ f)«bortritt. 6ä mar bereit im 4. 3af>rljunbert borbanben.
2Bie bie Öegenbe ftcb, bon früher 3eit an liebebofl mit ber jungfräulichen
«Mutter beS ScjuSfinbeS befdtfftigte , fo auch mit bem treuen Edhrbater
3ofebfj, ber eä auf SBefefjl be* @ngel§ nach Siegten flüchtete unb unter
beffen Obforge eä im füllen Wajareth jum Jünglinge unb 511m Spanne h«an=
wuchs. 9lllerbingä ift b>rbon bis t)eute nur ein einziges Eenfmal betannt,
eine „©efchichte 3ofetoh§ be§ 3immermann§" (Historia Iosephi
fabri lignarii)1, bie, roahrjcheinlich fchon im 4. 3ah^«"bert entftanben,
d'une soctetö polie et lettree, amollie par le bien-etre, us^e et fatiguee par l'exces
des jouissances de la vie. 11 est naturel qail n'ait pas produit d'abord les memes
effets que s'il eüt rencontre" des Arnes entierement fraiches et jeunes. Les oeuvres
qu'il inspire, meme darxs les classes populaires, semblent avoir deux ftges. Elles
sont im m<5langc surprenant de neuf et de vieux, de grosstercte" et de gr&ce, de
rhßtoriqu© et de v£rite\ de poesie charmante et de banaütes miserables. 3Hefe
«5rf lärung bürfte bod) etnm« ju weit her geholt fein. S)ie altem <protoebangelien Der«
einigen eine geroiffe finblicbe Ginfalt mit religiöfer SSurbe. 2>ie unbaffenben 3üge
aber, in meldten baS foptifdb>arabijd)e &inbheit£et<angeliutn bon tfjnen abmeldet, Der*
ratfjen butdjauö teine #t)perciüiltfation, fonbern eher jene finbifdt>e Srabultrfudrjt,
meldjc fid) allgemein bei ben Orientalen ftnbet unb ftch bei ben Arabern am ftärlften
entnucfelte.
> Harabifd) unb lateinifd) herausgegeben bon ©. 30 a Hin (Lipsiae 1722),
lateinifd) t*on /. C. Thilo 1. c. I, 1—61 unb Tischendorf, Evang. apocryph.
p. 122 — 189; Fragmente einer faf)ibif^t)-foptifdt)en Ueberfefoung bei Zoega, Catal.
codd. copt. p. 225 , unb Dulaurier, Fragments des rdvelations apocryphes de
S. Bartla5lcmy , Paris 1835; beutfdje Ucberfcfcung oon 2. ©tem, SDte ©efdjidjte
3ofebb$ bed Zimmermanns (3eitfd)rift für miffenf(r)aftHd)e Sljeologie XXVI [1883],
267—294). — die Schrift enthält baö ältefte 3eugnifc für bie öerebrung befi hl- 3ofebb-
3m 2G. ftapitel fpridjt ber $eilanb jum 1)1. ^ofepr) : „diejenigen, meld)c bir eine
Cbfergabe toibmen, mögen bicfelbc beiner Stätte am Sage bciueö ©ebädjtniffeö bar«
bringen, am 26. «5pipl)i. . . 9öcr einem Slrmen ein Jßrob in bie £>änbe gibt in beinern
9lamen, ben ttiill ich Biict)t ÜJtangcl leiben laffen. . . diejenigen, toeldje einem Sremb«
ling ober einer 2ßitt»e ober einer SÖaife einen »ed)er Söeine« in bie #änbe gebeii
an bem Sage beine* ©eoädjtniffeö , bie null id) bir embfehlen, bafe bu fie $u bem
©aftmaljl ber toufenb 3ahre labeft."
Sie tnotgenlänbifdjen SfypttWljen.
178
nur in foptiftt>mcmplntifcber Raffung unb arabifc^er Ueberfefcung erhalten
ift. $ie Scbrift fc&eint eine £>omilie owf ba§ freft beS ^eiligen $u jein,
baS in ben ägoptifeben tflöfiern fd)on fef>r frü^c gefeiert würbe. $er erfte
$t)eil erjäf>lt in fölicfcter, anmutyenber SBcife baS ganje Seben beS fjeiligen
^atriaraVn unb befonberS feinen glütffeligen tob; ber $u>ette 2$eil fnüpft
baran bogmatiftt> unb moralifdje Belehrungen, bie in einem fiart orienta=
Cif^en b. % breiten unb fcbmülftigen Stil gehalten finb.
$ür bie Cegenben, meldte jid) an baS i'eiben beS (SrlöferS fnttpfen,
bilben baS fogen. @oangelium beS fRifobemuS ober bie bereits bei Suftin,
XertuOian unb ßufebiuS ertoiilmten Acta Pilati baS £>auptmonument. $>aS
mafjrfd&einlid) fd)on im 2. ^a^unbert griect)ifa) abgefaßte SBerf enthält in
feinem erjien Steile bie Steten beS oor flatus über CfjriftuS geführten
^roccffeS, bie in 23irflid)feit ganj bem römifeben ©erief)tSberfaljren entfpred)cn
unb nidjts Umoal)rfd)einlicbeS barbieten, im jmeiten Steile eine $od)poetifd)e,
lebenSoolle Sajilberung ber 9?ieberfat)rt Gf)rifti \ux Borf)ötle. 2öeber biefe
noa> anbere &$nü<$e Sdjriften ($. 35. ber Briefroed&fel $toifd>en flatus unb
£erobeS, ber Brief beS flatus an tfaifer SiberiuS u. f. tu.) t)aben fid)
inbeS im Orient eingebürgert; fie finb unmittelbar aus gried?ifa>n ober
iateinifdjen -Duellen ins SIbenblanb gelangt.
Unjroeifc^aft befaß bagegen ber cfcriftliebe Crient in früfjer 3eit fd)on
jenes erhabene unb liebliche Bilb ber reinften Jungfrau unb ©otteS=
mutier Maria, baS mit feinem munberbaren ©lan$e nid)t nur bie Marien=
minne beS Mittelalters, fonbern bie gefamte ö^riftlia^e ^oefie bef>errfcbt. £aS
r)olbc flinb 3oad)imS unb 2lnnaS, mafelloS empfangen unb geboren, in
jarter Sngenb fd)on bem $errn gemeint, in ftiller 9lbgefd)iebenfjeit, ©ebet
unb Arbeit aufroaebfenb jur ^eiligen Jungfrau, in jungfräulicher @f)e bann
mit Sofepf) üermäljlt, als ©nabenüofle bom ßngel gegrüßt, als ©efegnete
unter ben Söeibern oon 6lifabetf> gepriefen, als Butter beS 2öeltf)eilanbeS
üon ben £irtcn unb ßönigen ocrcfjrt, bie Verbannte in 9legopten, bie traute
£auSmutter im füllen ü^ojaretr), bie mitleibige gürbittertn bei ber £odbjeit
ju ßana, bie Königin ber Märtyrer unter bem Äreuje, bie feiige Mutter
beS 2luferftanbenen , bie 2röfterin ber oertoaiften Wpoftel nadj ber £>immel=
far)rt, bie glorreiche Braut beS .^eiligen ©eifleS am ^fingfttage, bie freunb=
lia> Beraterin beS ÖieblingSjüngerS unb ber jungen Äirdje ju (?pf)efuS,
bei ihrem tobe nod) einmal baS Wpoftelcollegium um fia? berfammelnb,
bamit eS 3cu9e $m Aufnahme in ben Gimmel fei — btefeS tounberfame
ßebenSbilb, in feinen unanfechtbaren, bogmattfeben ©runblinien oon ben
(Joangelien gezeichnet, nur ba unb bort Oon 3ügen altcbriftlidjer Ueberlieferung
unb tfegcnbe ergänzt unb bertlärt, ift nicht üon mittelalterlichen Stbenblänbern
erfonnen toorben, es l)at f<b,on bie alten ftira^en beS MorgenlanbeS erfreut,
beoor baS ßoncil Oon ßpbefuS (431) unter bem Subel beS dbri|llicben
174
3roeite$ $u$. 5) ritte« Haöitel.
SBoIfe^ bic gan$ einige Stellung ber @otte#mutter im ßrlöfungäroerfe unb
in bcr SSeltgefd)i(bte mit feinen feierlichen Secreten beftegelte. £ie Wnbac&t
ber Gljrifientjeit jur SJiutter beS (?rlöfer§ mar nur ein SBibertjaü be$ Öru^,
melden if)r ber (Sngel öom £tmmel gebraut unb welker ber ganzen Söelt
^rieben, $eil unb Rettung berlünbete.
UlOc it)r bargebradjten #ulbigungen, alle iljr gemibmete Skreljrung unb
Siebe Ienft bie Ijoajbegnabigte Butter beS £errn aber auf ©ort felbft jurürf,
ber in bem grofeen 2Berfe ber «Dienfdjroerbung alle (Srroartungen ber Golfer,
alle aSerfjeijjungen beä Gilten SBunbeä erfüllte:
„^>od) greifet meine <&eelc ben ^>errn , unb mein ©eift froblotfet in ©ott, meinem
§et(anbe,
2Üeü et gefeben b>t auf bie Wiebrigfeit feiner SJtagb ; benn ftel>e, bon nun an werben
mid) feiig greifen alle ©efdjledjter,
3BeiI ©rofjc* an mir getf)an t»at, ber ba mädjtig ift, unb heilig t ft fein 9lame,
Unb feine SBarm^erjtgfeit öon ®efd)led)t ju @efä)leä)t benen, toeldjc Hui furdjtcn.
6r bat ©ettialt geübt in feinem Hrnte, er t>at üerft&rt bie §offärtigen in iljre«
§erjenfl Sinne.
€>erabgeftürjt fyat er bie SRädjtigen Don i^rem Sfjrone, unb erhöbt bie fiebrigen ;
Sie ^mngernben fjat er erfüllt mit ©ütern, bie 9teiä)en leer binmeggefanbt.
Aufgenommen fyat er 3$rael, feinen Änedjt, eingeben! feiner 33armb,er jigleit ;
2öie er geförodjen bat ju unfern Jöätern — ju Abraham unb feinem Samen in
etoigleit."
tiefer £omnua, öon ber Butter bc§ (Srlöferä felbft in aramäiföjer
©praaV gefungen, ift ber erfte ßlang unb jugleid) ber bleibenbe ®runb:
aecorb ber neuen ajriftliöVn ^oefie.
drittes ftopttcl.
Jet 0f. gyQmm, bet &tafflhex tut §yta.
1. $ie Anfänge bcr fttrifdjen Citcratur.
35on einer bordjriftlidjen forifajen Siteratur finb feine fiebern ©puren
oorlmnben. $o<b, mun e§ eine foldje gegeben tjaben, ba bie ©pradje um
Gbnfti 3eit fd)on in fertiger WuSbilbung erfd&eint1. Sie mar einer jener
1 W. Wright, A short history of Syriac Literature (London 1894) p. 1. —
93gl. 9t ö 1 b c f c « JBemertungcn gegen SDlommfen, 3eitfd^r. ber 3)eutfd)en SDtorgenldnb.
©efeafd). XXXIX, 333. 334. — ein ©djriftftürf au8 t|eibnifd)er 3eit (ein J8erid)t
über eine Ueberfd)toemmung 3U (gbeffa am Anfang be« 3. 3abrf)unbertö) foU" in ber
„(Jbeffentfdjen dtjronif" enthalten fein. So fallier, llnterfuajungen über bie
gbeffenifd)e efjronif. Seiöjig 1892 (£erte unb Unterfud)ungen öon ö. ©ebbarbt
unb §arnacf IX, 86).
5>er fjl. gpfjrara, bet filaffiler bct ©tjrer.
175
Palette, in meldje fiaj baS Stramäpe gefpalten fatte, unb Don weisen
fta? ber balmorenftfc&e , nabätäifc&e unb manbäifdje nur in Snfajriften im0
anbcrn fümmerlid)en Ueberreften, bcr biblif^aramäifc^e in einigen 93nta>
ftüden beS Sitten SeftamentS , ber famaritanifd)e in Uebertragungen btb=
lif<$er ©Triften, ber talmubifc^rbabplonif^e in ber ©emara erhalten fjat.
£er fnrifd)e fom ber SMfSfpradje am näajften, beren fid^ ber (Srlöfer felbfi
unb feine jünger bebienten. @r mürbe l)auptfäd)lid) in ber Umgegenb
bon @beffa gefprodjen, einer anfe^nlidjen ©tabt im nörblidjen <5örien, meldte
bamalä ben TOtelpunft eines eigenen Meinen 9teid>eS, beS o&roenifdjen, bilbete.
Watt) einer alteljrmürbigen Segenbe trat fdjon ßönig 2tbgar bon Gbeffa
mit (Sr)rifhi§ in nähere Sfcrüfjrung. Seit langem am SluSfafc franfenb,
fanote er einen Soten an ben ©elterlöfer mit ber brieflidjen ©itte, §u ifjm
ju tommen unb iljn gefunb ju madjen. GfiriftuS lobte [einen (Blauben, er=
flärte iljm aber, baß er felbft nid)t fommen fönne, meil er erfl bie ifjm in
^ßalöftina jugeroiefene Aufgabe erfüllen müffe; bann ober merbe er ifjm
einen feiner ©djüler fenben, ber ifym unb all ben ©einen baS fieben bringen
werbe. 9?adj einer weitem Segenbe foü (SljriftuS bem Äönig aud) ein
©djmeijjtud) jugefanbt Ijaben, auf bem fid) ein SMlb feines ^eiligen 9lntli&eS
befanb. 2)ie ältefte Raffung ber 9tbgarlegenbe, bie fogen. Doctrina Addaei,
reidjt moljl in baS 2. Safjrljunbert jurücf unb erjagt jugleidj bie 93elefjrung
GbeffaS jum Gljrifientf)um bur# 9lbbäuS, einen ber 72 jünger K Um biefe
3eit maren bereits bie SBüdjer beS Gilten £eftamenteS ins <5t)rifaV überfefct.
3m ßaufe beS 2. 3af)rljunbertS mürbe maljrfd)einlidj aud) baS 9?eue 2efta=
ment ins ©örifdje übertragen; im 3. Saljrfjunbert mar bie (5bangelien=
Harmonie (baS S)iateffaron) beS Nation bereits allgemein im ©ebraudj,
mürbe aber fpäter burd) bie eigentlichen (Sbangelien Derbrängt. 3" oer
S3ibelüberfe|mng, ^efdjittfjo (ober 5}3efdjittf)a) genannt, gefeilten ftc^ balb anbere
SBerfe, bon benen jebod) menig erhalten blieb. 3)ie jpomilien beS 93ifdmfS
unb 9lbteS Wfrafjät (2(pljraateS) ftammen erft aus ben Sauren 336 — 345
unb bejeidmen bie fdjroierige Sage, mit meldjer baS 6r)riftent^um in ©prien
ju ringen fwtte.
©djon im 2. ^aljrljunbert mürbe jmar bie <3dwle öon (Sbeffa, in
engem Wnfdjlujj an biejenige bon Wntiodjien, nidjt nur eine ©tüfce beS
©laubenS für ©orien, fonbern aud) ein Stü^punft ber ©IaubenSberbrcitung
für 9flefopotamien unb Verfielt2, ©erabe biefe 9iadjbarfd)aft geftaltete fic^
1 Sfür ben apoftolifdien Urfprung ber Ätrdje öon ©beffa lä&t fidj anfufjrcn,
bafe am *Pftn«ftfeft ju 3erufalem aud) $art$er ber erfien a)rifilid)en ^rebigt bei«
toofjnten. ßbeffa beifet aber bei ben ©ürern oft „Softer" ober £auptftabt ber <Partf)er.
ÜJtartin in ber Revue des sciences eedesiastiques 1888, p. 308.
* „Söir totffen, bafe bie Werfer böuftg bie 6d)u(e von gbefja befud)icn. fo
bafe biefe ben Manien ,6d)ule ber Werfer4 erhielt." Spiegel, 8tubien über baä
176
Sweüe* 93uc$. Tritte« ftapttet.
jcbodj für bic ßljrifien SbrienS $u einer Cuelle beftanbiger Seiben unb
Prüfungen. Söiberroitlig mürben bie gtirflen o0n (Sbeffa bereits bon SrajanS
3eit an in bie kämpfe ber Börner mit ben ^artljent ^tneingeriffen , ihr
Öanb unjähligemal geplünbert unb berheert. Unter Garacaüa (211 — 217)
oerlor @beffa feine Setbfiänbigteit unb warb römifche ^robinj. 9lad)bem
mit 9trbefd)ir I. (220) bie perfide Tbnaftie ber Saffaniben an Stelle ber
5lrfaciben getreten mar, erneuerten fich bie kämpfe mit ben Ütömern in
noch furchtbarerem Umfang, befonbcrS unter Schäpür I. (240 — 271) gegen
Äaifer SBalerian unb unter Schäpür II. (309 — 380) gegen ßonftantiuS.
Tod) unglcid) berhängnijjbou*er für bie chrifHidjen Sttrer mar eS, bajj fdjon
bon ben frür)eftcn 3eiten an bic Sccten ber ©nofttfer fich auch in Morien
berbreiteten, bafe bon Witte beS 3. 3ahrfnmbert8 auch bie 5el)rc beS 5JtaneS
bon Werften t)cr einbrang unb bafe ßbeffa fclbft gut ^flan^ftätte einer neuen
gnoftifchen Irrlehre marb. Sfyr Stifter, S3arbefäneS, um 153 geboren,
fd)(oR fid) 5itm 3$eü an ©atentinian an, entmideltc aber beffen £efjren
fclbftänbig, mit reichen 3uthaten morgenlänbtfcher ^tjantaftif. 9tad) Sojo*
menoS1 roar er ber erfte Surcr, ber, in griednfeher Sßiffenfdmft unb Sites
ratur roohl bemanbert, nicht nur rebnerifch, fonbern auch bichterifd) unb
mufttatifch begabt, als eigentlicher Dichter auftrat, ju feinen ©ebidjten auch
OTelobien erfanb unb biefelben bon GljÖren oortragen liefe. Stuf foldje 2öeife
gemann er biele Anhänger, befonberS bei ber 3ugenb. 3n feinen fiebern
feierte er bie 9leonen ober (Hementarmefen , mit melden ber ÖnofticiSmuS
bie ganje ftatur beoölferte, nach Wxt heibnifcher ©Otter als 'Btännchen unb
SBeibchen, Öötter unb (Bötterfinber , in fentimental=üppiger 2öeife, mit ob=
fcönem Seigefdmtad unb mit blaSpfjemifcher ©eimifdjung chriftlicher 58or-
fteflungen unb tarnen. @r lebte bis in bie 3c't bcS ftaiferS ©lagabalu?,
ber, felbft aus Sorten ftammenb, bon 218 — 222 regierte, ©ein Sohn
£)armoniuS trieb fein p^r(ofo)>t)ifdr)e$ unb poetifcheS Unroefen fort, (Jrft
in bem t)I. (Sphräm erftanb bem fprifchen ©nofticiSmuS ein ©egner, ber
ihm nicht nur in religiöser, fonbern auch in literarifcher $>infid>t böflig
gemachfen mar.
2. 9luS ßphrämS Seben.
Ephram, b. f>- GPh™im (im Sorifd)en eigentlich ?lfrem gefprochen),
mürbe im 3al)re 306 gu WifibiS geboren, in ber ^auptftabt ber römifchen
^rooinj 9Jibgbala, ber ftarfen ©renjfcftung beS 9tömerreid)S miber bie Werfer
im obern Wefopotamien. Ueber feine Sugenb gehen bie Berichte fet)r aus*
3enbaDcfta (3ettf«hr. ber £cutid)en SOtoigenlänb. CSefeUfd). I, 2o6). — (Card.) Lavi-
yt-rir, Essai historique sur IVeolo chr^tienne d'Edesse. Paris 1850.
1 Hist. Eccl. III, 16 (Migne, Patr. gr. LXVII, 1089. 1090).
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2>er ftl. <Spf)xäm, ber Älaffüer ber ©tjrer.
177
cinanbcr *. *Radj bem einen war fein SBater nid)t nur £eibe, fonbern fogar
©öfcenpriejfcr beS ©ottcS 2ttmil, unb berftiefj ben jegnjägrigen Änaben, als
berfelbe trofc aüer 3Dtagnungcn unb $rogungcn fid) ben Ggriften jutoanbte;
nadj einem nnbern waren beibe (Sltem 6r)riften , mürben aber bem Äinbe
burü) frühen 2ob entriffen.
3n feinen „Sefenntniffen", beren @<gtgeit ftarf angezweifelt wirb, er*
jiiglt ßpgräm, fein jugenblicger Seicgtftnn gäbe ign geraume 3eit auf ben
SBogen beS SebenS gin unb ger geworfen; es gätte niajt biel gefehlt, unb er
märe an ber Sßorfegung bezweifelt unb ^ätte fid) einem blinben 6d)itffalS=
glauben überantwortet. Sa würbe er, auf Streifeügen im innern 9Jlefo=
potamien, unfdt)ulbig in ben Äerfer geworfen unb mit Seuten jufammen=
gepfropft, bie beS EtorbeS unb beS (SgebruajS tgeils unföulbig angeflagt,
tr>eils mirflitg fcgulbig waren. Siebzig Sage f#mad)tete er im Äerfer, bis
feine Scgulbloftgfeit enblicg an ben lag tarn. 6r wie anbere ftfmlbloS
Slngeflagte gelangten inbeS 511 bem Semufetfein, bafl fte bie lange, fdjmer$=
litfje Strafzeit bureg anbere Regler ober SSergegen mogl berbient hätten,
©eiftig umgewanbelt, Doli Sajmerj unb fReue über fein bisheriges Seben,
Doli geiligen (SrnfieS unb Doli beS SSertrauenS auf bie ^orfegung, fet)rtc
6pgrüm in bie Söelt jurürf, aber nur, um fie alSbalb wieber &u berlaffen
unb fid) unter Seitung eines frommen Cannes in ftiOer 3urürfgejogeugeit
bem ©ebet unb ber 93u$e ju mibmen. So erjäglen bie „Sefenntniffe" 2.
$er 93erid)t enthält nirf)t8 2Biberfpre<genbeS, erflärt bielmegr bortreffltc^ baS
SBerftänbnifj , baS gpgräm für bie Sluffaffungsmeife unb baS £eben beS
SßolfeS befafj, ben reifen, ernften SBlid unb ben liebeboflen (Sifer, mit bem
er aller ftd) annahm. @r gatte in jungen Sagren tief in alle Slbgrünbe
menfd)li$er ©oSgeit unb ©ittenlofigfeit gcblidt unb mit ber bo0en <5<gmung=
traft einer jugenblugen Seele fid) ber ^ügrung ber ©nabe anheimgegeben,
um fieg felbft ju geiligen unb anbern ein Detter aus ben ^rrpfaben beS
fiebenS ju werben.
JßÖllig berbürgt ift bie £gatfad)e, bafj ber gl. Safob, ber bon 309
bis 338 bie #ird)e bon 9tifibi8 regierte, fid) beS jugenblidjen (Spgräm an=
nagm unb igm eine trefflidje religiöfe ©rjiegung angebeigen liefj. 3m Hilter
Don 18 3agren würbe (Spgräm getauft. 9luS ber ftiHen ßlaufe, wo er
bem ©ebet unb bem Stubium oblag, fügrte ign 93ifdgof 3afob bann als
feinen Begleiter ju ber egrwürbigften unb bebeutfamften SBerfammlung jener
3eit. $a fag ber 19jägrige Jüngling ben erften dt>riftlict)en Äaifer, bie
©efennerbifawfe, wel(ge bie legten unb furd)tbarften ßgriflenberfolgungen
1 Gine ooüftänbtge frtttfdje Söiograpfjte bed ^»eiligen gibt es nod) nid)t. lieber
bie bisset Dorltegenben ÜueUen »gl. Lumy, Etudes de Patrologio Orientale.
LTniversit« Catholique. Nouv. Serie III (1890), $3o s.
1 Acta Sanct. Bolland. Febr. I, 56—60.
©oumgattnet. StBtülittrahir. I. 12
178 3«oeü« Bud). dritte« Äapttei.
überlebt fjatten, ben jugenblidjen 51tf^anafius, melier ben begonnenen Äampf
ber flirre gegen ben SlrianiSmuS fo glorrei# ju 6nbe führen follte, ben
ganjen ßpiffopat, ber bie ©ottbeit Gfjrifti fo einmütig unb begeijtert gegen
bie Cef>re beS Sirius bertljeibigte.
Waaj Hiftbis aurüdgefebrt, lebte Gpfjräm f)ier bis jum 3a$re 364 an
ber Seite beS BifdjofS 3afob unb feiner 9ia<bfolger Babu, BolagefeS unb
5lbra^am. Die im ganzen frieblid>en 3citen beS BifaVfS 3afob routben
jule^t bur# bie furchtbare Belagerung getrübt, roelajc 337 ber ^erferfönig
Sd)äpür II. mit ungeheurer £eereSmad>t über bie Stabt beringte. 3m
3af>re 345 falj ftifibiS ben Äaiier ConftantiuS in feinen dauern, unb
^riebenSberbanblungen mit ben ^erfern liefen ein Gnbe ber kämpfe unb
Seiben erhoffen, bie unter Babu bie flirre unb baS 2anb bebrftngten.
Dod) bie Berljanblungen $erfd)lugen fid), ba bie ^erfcr ganj Armenien unb
2Wefopotamien berlangten. ^m Saljre 348 erfdjien Sdjäpür roieber bor
WfibiS unb belagerte eS brei Monate. Bifd)of Babu, bem eS gelang, biele
(befangene bon ben Werfern loskaufen, ftarb im folgenben Saljre. (Sine
britte, nodj biel fajredliaperc Belagerung burd) Sdjäpür im $al)re 350 rourbe
jroar ebenfalls fiegreidj jurürfgefajlagen ; allein bie ^erfernotlj Ijörte bamit
ni^t auf. Die ^erfer burdjjogen fengenb unb plünbernb bie benachbarten
^robinjen, unb 359 fiel bie fbrifdje fteftong Slnajit in ibre &änbe. 91i<&t
lange banacb (3G1) beftieg Julian ber Wpoftat ben ßaifertljron unb mad>te
ben geroaltfamen Berfud), baS £)cibentljum im Crient unb Cccibent neu
aufleben ju laffen.
2öür)renb biefer brongfaloollen 3a^re ftanb Gpljräm erft als Saxler,
bann als ftreunb, föattjgeber unb ©etjilfe ben Bifajöfen t>on 9tiftbiS jur
Seite. 6r mar meber ^riefter noaj Diaion. 9Bir miffen bon feiner offi=
ciellen Stellung, bie er belleibet ^ätte. 3Bal)rf$tutIi$ lebte er als Wlönä)
in großer Strenge unb ßingejogenljeit , mirfte aber jugleid) als Siebner,
"^rebiger unb Sefyrer an ber Sd>ule, bie Bifdjof 3afob begrünbet t)atte.
Die £>eiligfeit feines SebenS, feine ftenntnifc ber Schrift unb ber firahlidjen
SMjre, fein apofiolifdjer Gifer, feine rebnerifebe Begabung unb feine bidjtes
rifebe Spradjgeroalt berlieben ifjm ein ungemöljnltdjeS Stnfeben unb einen
mää^tigen @inf(ufj. 3n iljm lebte gemiffennaBen bie Ueberlieferung beS
großen BifdmfS 3atob fort, ber ilm einft mit auf baS ßoncil bon Wicäa
genommen batte unb ber burd) feine unbeugfame ßraft unb §e^ig!eit bie
folgenben Bifdjöfe meit überragt 511 fyaben fd)eint. fddrieb baS Bolf
nftajft bem Bifdfof ^afob bie Errettung ber Stabt bei ber erften Belagerung
burd) Sdjäpür 31t. Sie flößten ben beftürjten Bertljeibigern neuen SJtutlj
ein, als bie Werfer bereits Brefdje in bie Waner gelegt Ratten unb alles
berloren fdu'en. Sie boten bie ganje Bebölferung jur 9trbcit auf, fo bafe
toäfjrenb einer 5iaajt an ber bebrobten Stelle ein neuer innerer 2BaH auf=
$«t $1. ©t^rdm, btr Älafflfer bet 6>jrer.
179
geroorfen mürbe. Wuf bic Sitte SpljrämS beftieg bann ber fjeilige 33ifd^of
am anbern £age ben SBaU unb rief ©otteS $Ra$t gegen bie 53ebränger
feine* SSolfeö ju £ilfe. 2)a brad) ein ungeheurer ©dmmrm bon ©tedjmüden
über bie perftfaje Uebermad)t Ijerein, Ijemmte bie ßrieger, berfefcte bie ^Jferbe
unb Elefanten in 2öutf) unb führte in ben föeiljen ber Werfer eine foldje
SBermirrung gerbet, bafe fte bie Belagerung aufgeben mußten. Wehere alte
#ird)enfd)riftfteller, fogar ber Wrianer ^IjiloftorgioS , ^reiben bie Äettung
ber Stabt bem $1. 3afob ju, menn fie audb. nid>t alle bon Sfyoboret er=
mahnten ßinjelljeiten betätigen.
Unter innern unb äupern ©türmen bra$ inbeS bie 2)ladjt beS Ülömer=
retd&eS Iangfam jufammen. ßaifer Dobian fat) fic^ 364 genötigt, bie
langumftrittenen ©renjprobinjen unb mit il)nen audj bie gfeßung WtftöiÄ
an bie Werfer abzutreten. 2>ie meiften 6r)rijien manberten jefct aus. Gbb>äm
30g juerfi in bie 33erge üon ©etfcöarbain, roo er einft bie Saufe empfangen,
bann nad) Slmiba ($iarbetr), öon mo feine Sflutter fjerftammte, enblicb,
na# gbeffa, mo er fid) für bie noeb, übrigen 3ab,re feines SebenS bleibenb
nieberliejj. Sßon b,ier aus befugte er ben fu*. 93afiliuS in Gäfarea, ber tyn
jum $>iafon (nadj ber 21nfi<$t einiger jum ^riefter) meiste. 9ta<$ feiner
SRüdtefjr bejog er eine (Sinfiebelei in ber 9iäf>e bon (Jbeffa, mo er mit einer
21nsaf)l 9Jlöna> sufammenlebte unb fie im Orbensleben mie in ben ^eiligen
SBiffenfajaften fjeranfajutte. §r mirlte aber audj, mie früher ju WfibiS,
als ttebner unb ^rebiger in ber ©tabt, als überaus fruajtbarer ©djrift=
ftefler meit über beren 28eid&biib hinaus. 6r ftarb 373, im felben 3a&re
mie fein grofjer 3eit= unb flambfgenoffe 91tf)auafiuS bon 9Hejanbrien. ©lei#
biefem l)at er unermüblitf) bis jutn £obe bie 3trt$Ümer ber ©noftifer,
Hrianer, SRanic&äer unb anberer ©ecten bon ber #ird>e ©otteS abgcmeljrt
unb bie reine fird&lidje fiebere in jaljllofen ©djriften ertlärt unb bertljeibigt.
Seine ©Triften erlangten im ganzen sJOlorgenlanbe , balb audj im
Slbenblanbe ein ni$t geringeres Wnfefjen als jene ber griedjifdjen $trd)en=
leerer 2ltf)anaftuS , öafüius, ©regoriuS Don ^ajianj unb ©regoriuS bon
9tyffa. ©ie mürben niajt blofj ins ©riedjifdje, fonbern au# bielfadfo ins
9trmenifa)e, #obtifd>e, 91etb>bifdje unb Wrabifdje überfefct. ©ojomenoS ftellte
üjn fogar über bie gried&ifdjen Äircr/enfajriftfteller. „Obmoljl er leinen Seljrer
blatte", fagt er bon (Sbfjräm1, „unb nid)ts feine fünftige Sebeutung an=
tünbigte, gelangte er boa? rafdt) in ber fnrifdjen ©bradje ju einer fo b>b>n
SBilbung, bafi er in ben fa^roierigften Problemen ber ^^ilofop^ie baS
Süchtige traf, bureb, Seia^tigfeit unb ©Ianj ber 9lebe, bura^ f^üde unb ©e=
biegenb,eit beS geiftigen ©el)alteS bie gnea^ifa^eit ©cb,riftfteller meit über=
pgelte. 2)enn menn man bie ©Triften ber ledern in bie fbrif^e ober in
1 Sozomtnos, Hist. Eccl. III, 16 {Migne, Patr. gr. LX\1I, 1087. 1088).
12*
180
SrotiM ®ud). Drittes ffopitel.
eine anbere Sprache überfe^t unb babei bie Söürje, fojufagen, ber feinen
griedjifchen Söenbungen abftreift, werben fte gleich ertappt unb berlteren itjre
frühere 5lnmutf>. 93ei ben Sieben beS @phräm behält eS fiaj jeboch nicht fo.
©eine Schriften finb fdwn feinen Sebjeiten ins ©riedjifche überfe|t morben
unb werben noch bis ^eute überfefct unb laffen nicht Diel Don ihren ur*
fprünglichen Vorzügen üermiffen. 5fuf griechifch gelefen, ermedt er biefelbc
©ewunberung wie im förifchen Urtert."
3. @phräm als S<f>rif tfteller.
ßbenfomenig wie bie gleichseitigen griechifdjcn unb lateinifdjen fiira^en=
fchriftfteHer oerfolgte (Sphräm junächft rein literarifd&e ober fünftlerifche 3iele.
9US feine Hauptaufgabe betrachtete er es bielmehr, bie göttlichen Offenbarungen
an ber £)anb ber ^eiligen Sdjriften beiber üleftamentc fowic ber ftrcblichen
Ueberlieferung 511 lernen unb ju lehren, 31t oertünben unb $u oertheibigen.
Sein ganje» £eben lang blieb bie 33ibel fein tägliches Stubium, feine geifttge
9iafn*ung, fein Sroft unb feine fjreube. 3« allen 33üchern berfelben, biel=
leicht bie beuterocanonifchcn ausgenommen, ^at er Gommentare gefchrieben
in fchliehter, einfacher ^rofa, junt Gilten Seffament im Slnfdjlufj an bie
^efchittljo, ju ben ßoangelien im 2lnfchlufj an baS SJiateffaron1.
$ie übrigen zahlreichen Schriften (SphrämS 2 finb fömtlich in metrifdjer
Oform abgefafjt, theilS Sieben (SJiemre ober Wimxt) theilS eigentliche £gmnen
ober fangbare Öieber (Ecabräfdfoe). 2luS if>rer ©efamtheit fpriajt ein göttlich
erleuchteter Setter, ein in ber Schrift grünblich bewanberter ©elefjrter, ein
gewaltiger Siebner, ein ebenfo erhabener als jartfinniger dichter. Eodj wie
fid) ber bogmatifche $ehrgef>alt unb bie religiöfe 93egeifterung wechfelfeitig
ftü&en unb burebbringen, fo läßt fich auch feine gewaltige Serebfamfeit bon
feiner ^Joefie nicht ganj unb fttfiemattfeh trennen. 6in mächtiger $aud) ber
^oefie burchweht feine Sieben, aber ein mehr lehrhafter, oratorifcher 3ug
bämpft mitunter auch feine Dichtungen. 6r bietete nicht, um ju bieten,
fonbern um $u lehren, ju prebigen, 511 rühren, 311 beten, ju lobfingen, ©ott
51t oerherrlichen unb auch «nbere jur Verherrlichung ©otteS anjuregen. 2öa5
1 *Räl)ere4 über fein Söirfen al8 ©ä^riftertlärer bei O. Sarbenbetner,
^Potroloßie (Orreiburg i. SBr. 1894) S. 862 ff. 865. Ceiller, Auteurs saeräs VI
(Paris 1860), 440 s.
8 Sie £auptaufignbe feiner 2ßcrfe ift : S. P. N. Ephraeiu Syri Opera omuia
quae extant Gracce, Syriace et Latine, in sex tomos distributa: Opera et studio
/. S. Assemani, P. Benedict i et Steph. E. Assemoni. 6 vol. fol. Romae 1732—1746.
— ÜBMdjtifle (Ergänzungen baju t>erdffentlid)ten : 3. 3. Doerbed (S. Ephraemi
Syri etc. Opera selecta. Oxonii 1865), <§. »idell (S. Ephr. Syri Carmioa Nisi-
bena. Lipsiae 1866), 2. 3. ßamü (S. E. Hymni et Sermonea. Malines 1882—1888).
«eitere Sluagaben üeraeidjnet bei Lamy, Studies in Oriental Patrology. Dublin Re-
view. 3"> 8er. XIV (1885), 20.
35er ty. ßpljrära, ber fllafftfer ber ©ärer.
181
if)n hauptfachlidj jur Pflege ber poetifdjen Ororm beroog, mar baS Unheil, baS
iöarbefäneS unb $armoniuS mit if>ren Uetfü^rerif^en Äej^erliebern anridjteten.
„211s ber gottfelige (Spljräm bemerfte," fo erjagt fein fbrifdjer 99iograpf>,
„wie alles Dom ®efang fia) hinreisen liefc, fo erf)ob fid) biefer fromme Wann
gegen bie Spiele unb Sän^e ber Sugenb, fammelte $bd)ter beS 23unbeS (b. b,.
heilige, gottgemeihte Jungfrauen) unb lehrte fte Bieber. $iefe ©efönge ber*
fafcte er in Sßorten hohen Sinnes unb boll geiffiger SBeiSheit auf bie ßte
burt unb Saufe unb gaften unb bie ganje &eilsanftalt 6^rifti, auf fein
Seiben, feine Sluferfteljung unb Himmelfahrt, ßbenfo b>t er audj auf bie
Sföartörer, bie 95ufje unb bie £ingefa)iebenen Sieber berfajjt. 35ie £ö<hter
beS 93unbeS berfammelten fid) iebcSmal an ben heften beS &errn unb an
Sonntagen unb Wartyrerfeften. $a ftanb bann Gphräm mie ein SBater in
it)rer Witte als Sefjrer beS geiftliajen 3ttherfpielS unb orbnete ihnen bie
mannigfaltigen ©efänge unb lehrte fie bie anmuüjige 9lb»ed)slung berfelbcn,
bis fi<h ganj (Sbeffa ju if>m brängte unb bie Schar ber (Begner befajämt
ft<h jerftreute." i
35ie tfunftformen, bcren ft<h (Sphräm bebient, finb burthroeg feljr eim
faa>. 3n ben „»eben" befchränten fie fi<h barauf, bafc biefelben in %t\\m
bon gleicher Silbenjahl abgefaßt finb, bie burdj ben SBortaccent einen ge*
miffen 2öob,lflang gewinnen unb fo bem ©ebächtnifj leichter ftch einprägen;
am häufigften finb 93erfe bon fieben Silben : bas fogen. gphrämfthe Wetrum.
Sluch bie £omnen unb Sieber beftehen aus folgen gleich langen SltoSjeilen,
in melden ber 9leim nur feiten auftritt, welche fich aber 511 Strophen bon
berfdnebenem Umfang, bon bier bis 5U jmölf Herfen, berbinben2. $as
Hauptgewicht liegt im ©ebanlen felbft, in ber Alraft unb Schönheit beS
SlusbrudS, in Silbern unb dergleichen.
4. ©eiftliche 3eitgebichte.
2öann ßp^rftm 511 bidjten begonnen unb in melier Reihenfolge fich
feine Dichtung cntwidelt hat, Hüffen mir uidr)t. 2Bie manage fünfte feines
SebenS, fyaxtt auch biefer noch weiterer 3rorfdr)ung unb Mufflärung. ßine
1 P. ^iufl 3»"9erle, 9ludgeioär)lte ©Triften bei t)l. ©pf)räm I (Äempten
1870), 38.
2 6. £>. ©rtmme, $er 6tropfjenbau in ben ©ebtdjten ©pfjrätn bti 6bjerä,
mit einein ftnfjang über ben 3uffltnmenfjang jtoifdjen fhrifdjer unb b^anttnt^er
tnunnenform. Sfreiäurg i. b. ©dji». 1893, unb Don bem f., ©runbjuge bet fori«
fdjen SJetonung*« unb Seröteljre (3eitjd)r. ber Seutfdjen *Dlorgenlünb. ©efettfö. XLVII,
276—807). — lieber bie »moenbung üon alpbnbeiifdjen ©tropben unb »froftidjen
»gl. Dt. ©eiger, 2Upbabetifäe unb a!rofiiä)ontifif>e Bieber bei ©pfcäm OeitWr.
ber 3>eutf$en flttorgenlänb. ©efellfd). XXI, 469—476). ©. »idell, Norf) ein ©ort
über alpfjabetiföe unb arrofHtfMdje Sieber gpfiröm« (ebb. XXVI, 809—811).
182
3weite* SBud). dritte* tfapitel.
Wn^afjf ber oon SBidefl herausgegebenen Carmina Nisibena weifen inbeS
beutltd) genug auf bie Qeit feines Aufenthaltes in UliftbiS öon 350 — 364
alö if)re (Sntftef)ungS$eit Inn (atfo etwa in baS 44.-58. SebenSjafjr beS
$id>terS) *. (SineS berfelben fnüpft ftc^ an bie britte Belagerung öon Siifi&tS
burd> Schäpür II. unb ift juglctd) oon hofyem gefdjidjtlidjen wie poetifdjen
SBertlj. 3n erfdjütternben 3ugen jei^net eS bie furtfctbare 2age ber be*
lagerten Stabt.
Halbem ber 5perferfönig bie Stabt oon allen Seiten eingefd>loffen,
führte er runb um bie dauern Grbtoäfle auf unb ließ nadj beren SoII-
enbung ben ftluji EtygboniuS, an toeld&em WfibiS lag, in bie fo entftanbenen
©räben leiten, tljeilS um mit ©ooten bis an bie dauern ju gelangen, tljeilS
um mittelft beS abgeleiteten Stromes bie dauern $u unterwühlen. $ie
ßintoohner gelten fidf> tapfer. 9US jeboc^ ber Strom tt>irili<h eine 33refa>
in bie flauer riß, mürbe ihre Sage eine f)ö$fl bebrängte2. 3n biefen
furchtbaren Hugenblid öerfefct uns (SphrämS ©ebidjt. <5r fiefjt fajon bie
2Baffer rociter einbringen in bie Stabt; aber er fteljt auch im ©eifte bie
SBaffer ber Sünbfluth bor fidfc, aus benen ©ott Woe unb bie 9lr<he munber=
bar gerettet, unb im tarnen ber Stabt, biefe perfonificirenb , ruft er Oers
trauenSboll ben 2lUmäd)tigen um $'\l\e an:
SBarmljerj'ger ©ott, ber 9loe 9tu^' gefpenbet,
2SeiI et bir, ©nabenreteber, Spcnben brad)tc!
€t bradjte Opfer bar unb fjielt bie fjrluth, auf,
€r meifjte ©oben unb empfing SBerbetfjung.
©ebet unb 2öeif)raud)buft berföfnite biö),
Su fdjrourft unb fdjenfteft ib,m ben 9tegcnbogen,
$amir, roenn 2ßaffcrffutr) ber (Erbe brofje,
Sie 3u Derberben, fte ju überftrömen,
Serfelbe gegen fie gefpannt baftünbe
3ur 51udjt, jum neuen 3Kutb,e für bie €rbe.
Sein Gtbfdjtour mag ben ^rieben uns bett>ah,ren,
$ein JBogcn mag mit beinern 3°*n* ftretten;
£en Sogen fpanne auä, bie Srlutb, ju 3Wingen,
Senn itjre Bellen ftürmen unfre Litauern ! »
3n ergreifenbfter 2Beife madjt ber $id)ter bann alle SBeioeggrünbe
geltenb, tocla^e ihm ber SSergleid) mit 9toe an bie ,$anb gibt, um feinen
SMttruf JU unterftüjjen. ftür 9Joe traten nur öorbilbliche Cpfer ein, für
1 G. Bickell, Conspectus rei Syrorum literariae ( Monas terii 1871) p. 28.
1 Theodoret., Historia religiosa. I. Iacobus (Migne, Patr. gr. LXXXII,
1803 sq.). — Hist. Eccl. Hb. N, cap. 26 (ibid. LXXXII, 1075 sq.). — Mint*
Imp. Orat. I, 27 sq.; II, 63 sq.
• Carmina Nisib. I. Ueberfefet öon ©.Warfe, §bmnen auä bem 3n>etflrömc«
lanb (2Jtainj 1882) S. 11 ff.
2er fjl. ept)xüm, ber flfaffifer ber St)rer.
183
^iftbis baS 331ut (grifft unb bic Erneuerung feine« tfreujopferS auf bein
Altäre, $ie 9lrdje ij! nur Don $lutf)en umbrfiut, 9tifibiS jugleicb, Don $ügem,
Speeren, ffiäöen. $ie Sünbflutfj traf mit 9ced)t ein GJefdtjIec^t , baS fidj
nid)t befeljren rooflte; aber in 9?iftbiS erfdjatlt troty aller Sünbfyaftigfeit ber
SMttruf innigfter 9teue ; beSfyalb foflen bie ftlutljen bie Stabt niebt jerftören,
fonbem fie öon tt)rcn Sttnben rein roafdjen. 2Öie aus ber 51rd)e ftd) bie
(Srbe Don neuem beDölterte, fo foll baS Derljeerte Serien aus ber geretteten
©tabt mieber neues Seben erhalten. Wurf) ber Oeljmeig, ber 9loe unb ben
Seinen Hoffnung bradjte, ift fd>on ba: er ift baS ©ottDertrauen, baS nod)
in ftiftbi» lebt:
Senn nidjt auf fanb'gem (äruub ftel)t meine fietjte.
3dj ftef)' ouf einem Greifen, feft gegrünbet,
SWein ©laube ift auf beinen 3clä gebaut;
»erborgen unb üerfdjleiert ift ber ©runbfteiit,
Sem idj öertrau', bod) ftäfct er meine Stauern.
*uf biefen ©tauben fid) ftityenb, erneuert ber Siebter bann feinen
ÖÜferuf. (?S gilt f)icr niüjt baS Seben Don Sfucren feie in ber Slrdje,
fonbern äaf)lreid)e 9Jtenfd)enleben , nid)t ein paar grauen nur, fonbem
Sparen Don jungfräulidjen Seelen, nia)t einen Gfjam, ber gegen feinen
SSater freDelte, fonbern gro^erjige 6t)rificn , roeldje bie Warften befleibeten
unb alle 2öerfe ber SSarmfjeraigfeit ausübten. $ocb, nid)t auf SBerbienfte
toill er poajen, fonbern alle* nur erhoffen Don ©ottes unbegrenzter ©üte
unb SHad&t:
€rtt>äge meine ßage unb bie Dtoeö,
Unb mär' mein «djmerj aud) leid)ter als ber feine,
So mögen mir und gleichen in ber ^Rettung;
Senn fie^e, meine ftinber fiefjn roie 9toc
inmitten t>on Empörern unb Don Seinben.
0 Jperr, fdjenf mir ben ^rieben mit ben steinen,
3u Soben fdjmettere, bie braufjen ftef)n,
£ob fo midj einen 35oppelfieg erringen,
Unb ba mid) breimal jener 2Bütt)ridj anfiel,
Wag Gtjriftud feine ©nabe breifadj fpenben;
Saß nidjt ben SBöfen beine §u(b befiegen,
SSefiege t&n, ber breimal mid) bebrängte!
3>er 6rbe ©renjen mag mein ©ieg burdjfliegeu,
Unb 9tuf)m bir auf bem Srbenrunb bereiten!
$er bu am brirten Sage auferftanben,
Cafe in ber britten Zrübfal und n*id)t fterben!
£eS fjeiligen Sängers 35ittgefang Derfjaüte nidjt ungeljört. ßs gelang
ben Sertljeibigem Don ftifibiS nidjt bloß, bem roettern Ginbrudj beS SöafferS
ju mehren, fonbern aud) ben jcrfiörten 2(jeU ber Stauer mieber fyerjufteflen.
$er 5Iub aber burajbrad) jefct ben ErbroaU, ben Sdjäpür um bie Stabt
184
3»ueite3 #u$. dritte« Äapitel.
gebogen. Gin Angriff ju 2Baffer tourbe unmöglich, unb als bie ^erfer
md)t§beftou>eniger an bcr Brefdje einen Sturmangriff üerfudjten, blieben fte
mit i^ren Stoffen unb Elefanten im Schlamme fterfen. TOit nid)t geringem
Berlufi fal) (Scfcäpür fid) nun genötigt, bie Belagerung aufzugeben1.
5Hefjr ©lüd Ratten bie ^erfer neun 3<«pre fpäter bei ber Belagerung
bon 5lnajit, einer Sodjterftabt bon 9ftfibi§ in ber ?Räf>e bon 91miba. ©ei
einer furdjtbaren £)ifce gelang eS üjnen, ber Stabt Sonata unb Söaffet
boüftänbig abjufdjneiben unb fie fo jur Uebergabe ju jmingen. Studb, biefe
Belagerung f>at Sbtyräm in einem ergreifenben Siebe befungen, inbem er
abermals feine ©orte ber 6tabt 9iifibi4 in ben ÜHunb legt.
9)teine Äinber finb getöbtet,
2Mne 2od)terftäbte braufeen,
Umgeftürjt finb tf)re SOkuern,
3f)tc Äinber finb jerftofaen,
3f)rc Semmel ftnb vertreten.
Unb bie SOogelfieller fdjeudjten
SKeine Sauben aus bem 2burme;
Sie Derliefeen itjre Siefter,
Sentten ifjrcn Srlug 3itr Siefc
Unb fic fielen in bie 9iefoe. . .
Unb mo Ströme 9)Hld) entquellen,
fReid)li$ floffen, überftrömteu
ÜDleinen ßnaben, meinen ftinbern,
3ft bie Sttild) »erfiegt ben «leinen,
flttangelt SDÖaffer ben (Sntivöfjnten.
Unb im gerben 2obe$fampfe
OrftBt baß flinb öom Sd)of$ ber SJhitter,
SNtajt wrmag e* mef|r ju trtnfen,
Sie öermag mä)t, ti 311 ftillen,
Sie toertjaudjen ifjre Seelen. . .
«1« idb hoffte aufjufteigen,
3luS ber Stürme ailadjt gerettet,
$a umtoften miä) bie Stürme
Sdblimmer in be$ $>afenS Sutten
91lö auf f>of>en 3)tecreStt>ogen.
$a üfj Unerfabnie glaubte,
Safe mein gafjrjeug feftgeanfert,
21u$ ber Sd)lud)t emporgeftiegen,
Säjleuberten mid) meine Sünben
SEßieber in bti Slbgrunbä liefe.
1 Or. Oufti, ©cftbic&te beS alten $exfien8 (»erliu 1879) S. 189. 190.
3>er ffl ßpbjäm, bet Alafftter her ©t)rer.
185
©c&aue, §err, auf meine ©lieber,
2Bie Dom Sd)toerte fie burdjbobrt finb,
Unb jerfleifdjt finb meine 9lrme,
Hnb be« Speeres blut'ge 3Jlale
UJteinen ©eiten eingegraben!
SRotf>getoeint ftnb raeine Slugen,
©djlimme« ^ören meine Cbjen,
Älage tönt au« meinem ÜDlunbe,
Ürauer ift in meinem Jperjen —
£>alte ein, o #err, niäjt meiter ! 1
3)iefe jmet ©eftmge fielen nic^t bereinjelt. 3n einer ganjen Steide
ö^nlidyet 3eitgebid)te2 nimmt (Ephram an ben großen öffentlichen Greigniffen
fetner Söaterftabt tfyetl, erhebt feinen Söittrnf bei neuen ©efahren Don fetten
ber Werfer, jieht aus ben überftanbenen Setben Ijeilfame Seiten unb 9flah=
nungen, ruft jum ©ebete für bie bebrohten 9tachbarftäbte auf unb trauert
über beren fernere £eimfuchung.
3n einer anbeut Steide3, bie mir firdtfidje 3eitgebichte nennen fönnten,
beftngt er bie SBifchöfe bon 9nfibte, mit benen er jufammenlebte, 3atob,
*8abu, 23oIagefe3 (5$alagefch) unb Abraham, Verherrlicht ihre Xugenben unb
SBirbienfte , bertfjeibigt fie gegen ungebührliche Angriffe, feuert fie begeiftert
an jur Erfüllung aller Pflichten be» $irtenamt», befonber» jttm Äampfe
mtber £)ärefie unb Jpeibent^uin.
9M be§ Rubels münfeht er bem noch jugenbltchen S3tfchof Abraham
©liid, ber mit ^iartprermuth bem fioljen ßäfar Julian entgegentrat unb
beffen Starfuch, ba» §cibenthum in 9iiftbi» mieberherjufteflen, vereitelte.
*Dtit nicht geringerer greube aber begrüßt er ben neuen Äaifer Dobian,
ber, felbfl fromm unb gläubig, ber Kirche feinen Äambf mehr aufbrängt,
fonbern ba§ ©chmert gegen bie äußern freinbe be§ föeicbeS menbet, mftb,renb
e§ bem 33ifchof nun möglich mirb, in Siebe unb (Sanftmut!), in botler @in=
tracht mit ber bürgerlichen ©emalt, bie ©unben 511 feilen, melche ber lange
3mift nach innen unb außen gcfchlagen.
3n bie 3<>hl biefer 3«tgebichte laffen fich auch bie bter ©efänge reihen,
melche (Sph^m im 3«h^ 363 gegen ben tfaifer Julian, bie ^rrlehrer unb
bie Silben bietete, nach ber Gelobte „galtet euch «n bie SSahrheit''4. $er
erfte beginnt f olgenbermajjen :
• Cannina NUib. X. Ueberfefrt öon SOI aef e a. a. D. ©. 26 ff.
* Carolina Nisib. I — XII. 8 Cannina Nisib. XIII — XXI.
4 3u«fi oeröff entliebt öon ß b e r b e d an ber ©ptfce feine« Hßerfeä : S. Ephraemi
etc. Opera sclecta (Oxonii 1865), in beutfdje $rofa uberfefrt Don ©. JBidell
in ber 3eitf<hr. für fat^ot. Geologie II (3nn«brud 1878) , 335-356. 2ötr baben
berfud&t, eine mögliä)fi treue SEÖiebergabe be« Sinne« mit ber »nwenbung be« »leime«
ju berbinben.
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3»oeite* ©ua). dritte« Äapitel.
Seö flaiferö Seepter foll in treuer $ut
Sa« SRolf befdjtrmen unb ba« fianb erhalten,
Söon ibm öerfdjeudjcn »Uber liiere Sörut ; —
Sodj anber« roar bc« Äpoftaten SBalten:
Sie Skfticn jubelten, al« fte i^n faf)n,
Sic äßölfc brängteu fror) ftd) ifjm jttr Seite,
Gö fonntcn ßeu unb ?Pantfjer fröblid) natjn,
Ser Sdjafal b>ulenb grfifjen feine JBeute.
$n 9lebel, Sturm unb Stegen raft b>ran
Sie 2öolf«brut, frei öon ib>en alten Jtetren,
3n grimmer ©ier, in jäben §unger« SBann:
JEÖer toirb bie fjeil'Qe Jg>etbe Gbrifti retten?
Sod) ftcf)! Sa« Seepter bricht, bem fie bertraut,
Unb fte oerfinten in bie alte Trauer:
Sie baben auf ein ftfjroadje« 9tobr gebaut,
Unb iljre ftreube roar oon furjer Sauer.
W\t Innreifienber ©emalt fdjtlbert er im britten biefcr ©efänge feine
£inbrüde an ber Seidjc Julians beä Abtrünnigen, als Dobian biefelbe jur
Seftattung nad) JnrjuS britigen liejj unb fte unterwegs burdj 9lifibi§ ge=
tragen würbe. 9tod> mertroürbiger aber tft ber bierte biejer ©efönge als
3cugnt^ für bie [d)on anberweitig beglaubigte Stfjatfadje , bajj nnmberbare
SBorfälte ben berblcnbeten Älatfer am üöiebcraufbau beä Tempels öon Senu
falem üerfjinberten. (Sbtjräm fpriajt barüber folgenbermafeen :
Sie Sporen! 9t(ö ber Sempel t)txil\d) ragte,
£at ifjn 3ertrümmert ir)te fredje ftanb;
9(18 niemanb mef>r nad) feinen heften fragte,
2öiH neu ifin toieber baun ir)t Unoerftanb.
Sie fdjleiften ifju, ba tranig füfjn er prangte;
Sie liebten iljn, ba er bernidjtet war.
jerufalem bor neuem Sdjrecfen bangte,
Sa roieber naf)te ber 3fr^örer Sdjur.
C« rief ben frödjftcn an, ihm beijuftef)en,
Unb ©ott erbörte feine« SBolfe« Rieben.
6r rotnft ben Stürmen — unb fte roefjn unb braufen;
Ser Grbe tuinft er — unb fie toanlt unb bebt;
Sen JBltfeen — tr)rc Junten nieberfaufen ;
Ser Stift — unb nädttlicf) Sunfcl fte umfdjroebt;
Sen Dtauern — prafielnb ftürjen fie gnfammen;
Sen Sfroreu — flaffenb weit ifjr 9taä)eu fdjnaubt;
©lutb bricht herüor. (?« jcfjrt ein 2Heer Don flammen
Sie Seljrer auf, bie Saniel nidjt geglaubt,
Sajj eroig toerbe bie Söerrofifhtng roäbren.
Sie lafen«, Stetten e« für eitle SDtären:
2Ba« fte nidjt lernten, muffen fte erfabren,
Sa« Strafgeridjt roirb'd ibnen offenbaren!
Ser bl. gpfjräm, ber fllaffifer bec Storer.
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5. ©ruppirung unb Gfjaraf teriftit bcr ©ebidjte Gpljräms.
$ie Sörer fdjreiben Gpljrüm (nad) Slffemani) 12000 metrifd>e Stüde
ju, bie Zopten eine nod) größere 3^1. SojomenoS, ber ein Saljrfyinbert
nad> iljm lebte, f>örtc, er fjabe 300 SHoriaben (3 ÜMionen) Serfe ge=
fdjrieben. $iefe Angaben finb root)! übertrieben, au# wenn man bie oia-
iorifd)en, bogmatifefcen unb a&cetifd&en Sänften mitreänete , bie jwar in
Herfen getrieben, aber tf)atfädjlid) profatfd» finb. $odj auä abgefeiert
Don biefen bleibt nod) nnmerljtn eine ftattlic&e 3al}l eigentlicher Ehingen
übrig, bie, meift fdjon urfprünglid) in Gbflen georbnet, fiaj in bie folgenben
©ruppen reiben: 1. Religio je unb fircf>licr>e 3«tgebi(&te (etwa 33); 2. ©es
fänge wiber Julian ben Abtrünnigen (4); 3. ©efänge roiber bie Äcfcer (56);
4. ©efänge über ben ©tauben roiber bie ©rübter (87); 5. ©efänge über
bie ftirfte unb bie Sungfräulic&teit (103); 6. ein längeres Öieb über „bie
$erle" (Sinnbilb beä ©IaubenS unb beS (SrlöferS zugleich, in 7 ©efängen);
7. liturgijd)e &omnen auf ben gefamten fird)lid>cn fteftfretä (barunter 27
auf 23eif>nadjten, faft ebenfo biete auf (Spipfjanie, 21 auf baS lefcte 9tbeub=
rnafi,!, noa) $af)lreidjere auf ben tfreujeStob (^rifti unb auf bie feligfte 3ung=
frau, berfdjiebene auf ^eilige SHartörec unb SSefenner1); 8. ©rabgefänge (85);
9. ber Triumph, ßljrifti über Satan unb $ob (in 17 ©efängen); 10. baä
^arabieä ßben (15); 1 1 . «Dtefntreben (76); 12. ber ägtoptifaV ^ofept) (in
12 59üa)ern)2.
Sei fo fjäufiger SMjanblung berfetben Stoffe waren Söieberljolungen
nidjt ju bermeiben, unb ber heutige Cefer lann leid)t ben (Sinbrud ber @in=
tönigteit betommen, wenn er bie wof)l ju berfd)iebener 3eit abgefaßten Jpnmncn
über einen unb benfelben Stoff f)intereinanber lieft. 9lud) in einzelnen ©e=
bieten wieberb,olt fidj mitunter (ganj wie in ber gried)ifd)en unb lateinifd)en
£nmnif) berfelbe ©cbanfe, balb in bariirenber Söenbung, balb als SRefrain
(fprifcf) Unitfia) ober litaneiartigeä ©ebet. Sennoft entwidelt @pf)röm nid)t
nur in ber Sluffaffung berfduebener Stoffe unb ©eljeimniff e , fonbern aud)
in ber SBeljanblung eines unb beSfelben Vorwurfs eine bewunbernswertlje
ÜHannigfaltigfeit, Siefe, flraft unb Snnigteit3. Wur auft Langel an bog--
1 2)te £ötnnen auf ben ^eiligen ßremiten Slbraljam Aibimaja überfefct Don
% SJlartin in ber 3*itfät. für fatfjol. 2fjeologtc IV (1888), 426-487.
* Bedjan, St. Ephrem, Histoiro completc de Joseph; Poeme en 12 livres.
Nouv. ed. Paris 1891.
* 2öertf)t>oUe ©eftdjtSpuntte für €fef>räm8 SJeurttjeilung gibt P. $ius $in*
gerle in feinem Sluffafc „groben ft)rifd)er tßoefte aui §alob oon Sarug'', in ber
3eitf<fir. ber 35eutfd>n SJtorgenlänb. ©efeüfd). XV, 629- 647. Gine eingef>enbere 20ür«
bigung Oon 6pf)räm8 *Poefie bietet C. Ferry , Saint Ephrem, poete (Paris 1877);
bodj umfafet biefelbe niäjt oöe Störungen Qptix&mi, nod) alle g(etd) ou3füb,rIicb , fo
baß eine neue Bearbeitung beä ©egenftanbe« lobnenb wäre. — lieber bie ted)iüfö)en
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3>oeite$ ®ud>. drittel Äapttel.
matifdjem SBcrftänbnif» unb religiöfer Stimmung ift es 51t erflären, wenn
ihm alle unb jcbc poetifchc Begabung, ftunft unb Bebeutung abgefprodjen
morben ift.
91m häuftgffen unb etnlä&Udjften berroeilt Gphräm bei ber Betrachtung
jener mächtigen ©runbroahrhetten, meiere im gefallenen 3uftanb be§ Etenjchen-
gefdjlechts faft allein bermögenb finb, ben TOenfchen oom Srbifc^en unb
Sünbigen loäjureiflen , gum Streben nach bem <£roigen unb ©öttlidhen ju
bewegen unb Um in biefem Streben gegen ade Berufungen unb ©efahren
fiegreid) ju bemalen: bei ber Betrachtung be3 SobeS, ber Bergönglichfeit
alles 3rbi|ö)en, ber Berichte ÖotteS, beS jüngjkn SageS, ber eroigen Sünben:
jtrafe, ber Sünbe fefbft unb ir)rer folgen, ber Bufee unb ihrer 9corhtt)enbig=
feit, ber SRenfchtoerbung unb beS CpfertobeS dirifii, ber £eiligfeit unb
©erechtigfeit ©otteS, ohne beren praftifc^c Mnerlennung ber Ecenfd) roeber
Barmherjigfeit finben noch ju magrer Siebe unb fittlicher Boflenbung ge*
langen lann.
(Sine 5teftljetif, meiere fia) bom ßf>rifientf)um losgesagt, pflegt biefe
BetrochtungSftoffe als abfcheulichften Störefrieb ihrer [enjualiftifchen unb
naturaliftifchen Neigungen ju berabfeheuen , als funftfeinbliche «DtönchSphans
tafien ober jelotifche Äapujinaben aus bem greife beS wahrhaft Schönen
311 öermeifen1. Sie bilben inbeS nicht nur bie großen, unbermifebaren
Söorjügc feiner Sichtungen fagt ©rimme (2>er Stropbenbau in ben ©ebicfjten
6pf)tämö beS Styrerä, S. 7. 8): „Sehen nur fcier gan3 Dom 3nt)altc feiner $oeften
ab, fo fjot er bie Öorm in fo uteifterhafter , origineller 2öeife gcbanbtjabt, ba& er
unter ben grofecn Jöerärünftlern be« Crtcntd mit an erfter Stelle genannt »erben
mufj. 2öäf)renb fpätere ©rö&ett ber fnrtfcben Siteratur, ein 3faaf Don Antiochien,
3afob oon Sarug unb anbere fidt) mit ber Amoenbung einer einzigen Wertform be«
gnügen, erfdjöpft ©pbräm bie Äunftmittel ber ft)rifcficn SDietrif. . . 93or allem in ber
3ufammenfaffung ber SBerfe ju Strophen offenbart ftcb fein feinabloägenber Sformen«
ftnn. Söie ihm alles jum Jöerfc tourbc unb alle SÖerfe ju Strophen jufammen«
ttmebfen, fo fajuf er ber orieutalifchen Hiräje einen überreichen Canon oon reltgtöfen
©efängen, beren ftorm unb Inhalt bejaubemb ntcfjt nur auf bie Sörer, fonbern
auch <*uf bie ßbriften bed Cccibcntö, befonbert bie ©riechen, einttrirfte unb eine neue
Micfttung in ihrer $oefie, bie ^hmnologie in accentuirenben Sthtijmen, begrünbete.*
1 Am rüdftcbtftlofcflen f)«t ©. 8. Eichhorn al« blutjunger $ocent in 3«na
(er 3äblte erft 25 3at)re) über bie gefamte ftorifebe ßitcratur ben Stab gebrochen
(in ber »orrebe ju feiner Ausgabe Oon ir. Jone*, Poeseos asiaticae comm. libri VI.
Lipsiae 1777). §1)m folgte bann ©ottfrieb »on Berber, ber in feinen „•Sbeen*
Oon ben Syrern fagt: „Sic toaren fein Sßolf, fein felbftgetoacbfener Stamm in einer
mütterlichen 6 rbe ; fte toaren dhviften, fie toaren Dlöndje. Sfyxt Sprache tonnten fie
lehren , toaä aber in ibr febreiben ? ßiturgieu, Auslegungen ber Schrift, Ilbfterliche
(f rbauung*büa)err «Prebigten , Streitfchriften , etjronifen unb geiftlofe »erfe. $ai)er
in ber forifch=chriftltchen Siteratur fein Orunte jener 3)ichtergabe , bie auä ber Seele
flammt unb $>er)cn ertoärmt; eine elenbe Aünftelct, 9lamenregifter , ^rebigten,
Ghronilen ju oerfificiren, ift itjrc Sichtfunft. Ou feine ber Söiffenfcbaften , bie fie
3)er f)l. Gpbräm, ber Ätaffiier ber Brjxex.
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©runbpfeiler einer djrifflidjen 2Bctt= unb CcbenSanfcbauung , fonbem au#
bie beflimmenben ©runbaccorbe einer mafjrfjaft djrifHic^en ^oefie. Cljne
bie ftttliaje Läuterung unb Steinzeit, welche fte Oermitteln, fdjtoeben afle
anbern religiösen Wnroanblungen unb Stimmungen in ber Suft, ift alle djrift=
lidje Siidjtung eine Sölume ofme Söurjel, eine geljaltlofe ^tjantaSmagorie.
(Spfjräm öerliert be*l)alb burd) biefe tiefernfte Stiftung nidjtS an magrer
unb edjter ^oeftc. 6r ift ber grofje Vorläufer unb SafjnbreaVr ber fpätern
d>riftlid)en £id)tung, ber erfc^ütternbe Spred>er unb £erotb jener iaufenbe
oon ©üßern, 9Röna)en unb Gsinfteblern, toeldje bamalä in Sorten, ^aloftina
unb Slegnpten baä CrbenSleben unb in ibm bie fittliaje Erneuerung beS
SlbenblanbeS begrünbeten, roäljrenb boS 9iömerreia) mit ben Krümmern ber
fjeUenifajen SSilbung in einem »irren G&aoS ber fajrerfliajficn Korruption
jufammenbrad).
6. ©rabgefängc.
Sie bie allgemeinen unb bie firdfliajen ©elegenl)eit3gebia)te dp^rämS,
fo finb aud) feine „©rabgefänge" jumeift als ©elegenljeitägebidjte rec^t
eigentlid) aus bem ^)erjen feines 3?olfe3 f)eroorgett>ad)fen , beffen Seben er
mitlebte unb beffen Sdntffal er bis in£ ©rab unb botüber fjinau? liebeooü
oerfolgte. 2öir finben ilm als Seibtragenben an ber ©ruft oon 33ifd)öfen
unb dürften, s$rieflern unb 2)tönd)en, nrie am Sarge fdjlidjter Bürger,
£auämütter, Jünglinge, Wählen. (Sinem 2kter legt er ba» folgenbe Sieb
auf fein früljoerftorbeneä Söfjnd&en in ben SJtunb:
Ciebeö Söijncbeii, oon ber ©nabe
3n bem 9)luttecfcE|o% gebilbct,
Surtfi, (£rbarmung fjolb geftaltet,
Sratft bu in bie Söelt ber ßctben,
Iffiie ein $lümd)en quo bem Soben.
2ld), ba fcngte bid) ber Xob,
©lüfjenbt)eif$er alö bie Sonne,
SJtadjte betne »lütter fallen,
5DtQd)te fterbenb bid) bermelfen.
Sennod) tuag' tcb'8 ntd)t, au »einen
bearbeitet, fjaben fie <?rfinbung«geifi getraut, leine berfelben mit 6tgentf)ümlid)feit
befyanbelt. ©in trauriger ßrroeU, loie menig ber a<kettfd>poIemtfdje 3ttönd)ägetfl
bei aller politifcrjen Jflluflfjeit leifte. 3n allen S&elttfjeifen tjat er ftdr) in biefer un>
frudjtbaren ©eftolt gejeigt unb l)errfd)t uod) auf ben tibetanifdjen Sergen, too man
bei aller gefefoUdjen ^ßfaffenorbnung aud) feine Spur eines freien, erfinberifd)en
©eniu« antrifft. 2Öa8 aud bem Älofter tommt, gehört aud) meiftenfi nur für
Älöfter- (3been jur «PbUofopfiU ber ©efd)id)te, 1791. $erberö ffierfe [fcempel]
XII, 47). — 3roar fjat ber befanntc Cricntalift tR obiger (bei GFrfd) unb ©ruber,
Slrt. „firpljram") im Sa^re 1841 biefeS Urtbeil a\i ungeredjt nadjgenncfen. Slber nad)
einem folgen CmpfefjIungSbrief oon feiten beS gefeierten ÄlaffifcrS Ijabeu e8 Oobanneö
©d)err unb Sbolf Stern für oöflig überflüffig gehalten, in ibjrer allgemeinen ©efajidjte
ber Stteratur bie Snrer aud) nur ju ermähnen. Surd) ein foldje« 2obtfd)toeigen mirb
nun aSerbtngd bie Stufgabe etneö Siteraturh^iftoriferä mejentlid) abgefüllt unb er-
leichtert; aber miffenfdjafttid) ift ein foId)e8 »erfahren jebenfoOS nidjt.
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3meitc« ®ud). Srttte« «aüitel.
lieber bid) ; beim fiel), id) weiß ti,
Saß bet Sotm be* Aönigd bidj
ftüljrte in teilt JBrautgemadj.
Setner Sieber Stimme rühret
2)ltd) nod) immer, tönt mir toteber
3n8 ©efjör, mid) tief bctrfibenb,
llnb id) Ijorcfje, mid) crinnemb,
Sic bei beinern $>o<bjeU*maf)Ie
©nng §ofianna rufen ».
Saufet erftaunt ben #immel3liebern
llnb ber fel'gen ©eifter $)t)titnen,
Sötten, beinen füßen SÖotien.
Sod) roemt td) bariiber flage,
ftaßt fidj meine Seele mieber,
Siefbetueget beinen bolben
So geftalten fid) biefe „©rabgefänge" balb jum fäjlidjten, innigen
£iebe, bolb entroirfeln fic fid) 5ur ergreifenben (Hegie, balb erfdjroingen fie
fid) jum erhabenen $mnnuä, balb breiten fte fid) jur längern liturgifdini
Gantate au§, ju einer 5lrt Srauerofficium mit ßtngelgefängen, 9tefponforicn,
(Spören nnb ®ed)feld)ören. 9htr roem am ©rabe alle§ eins ift, bem tonnen
biefe (Befänge einförmig erfdjeinen. $enn ber $id)ter fd^Iögt bie mannig:
faltigften ©aiten an, bie jartefte Trauer, ben innigften ©rfmterj, bie freu*
bigfie Hoffnung, tieffte Sötljmutij, bie erfdjütternbfte ^urc^t bor ©orte*
©erid)ten, bie fiegeäfreubigfte 3uberftdjt auf ein croige§ ßeben. Me ©djrecfen
unb «Sdjauer be§ 2obe§ tyat er aber in bem großartigen Silbe bereinigt,
baS er offenbar al§ 9lugenjeuge bon ber Sßeft entworfen Ijat, bie, toa^
fdjeinlidj im Safjre 362, nad) langer $ürre unb Xrodenfjeit in ftifibis
f>errfd)te unb beren <£ojomeno§ unb ber f)l. Gfjrofoftomuä (Srroöfjnung tfmn.
@in großem 3feft tfitÜ je^t ber Job, Ser ©räber Slawen ift nun offen,
Jöerief unb lub bie Stationen ©cfdjloffen ber !ßaläfte Sfjor;
Unb SJöller aUer Spraken ein; JBon Seiten firofoen jefct bie ©raber,
SBericf bie Äönige unb dürften, Sic Käufer fielen mcnfd)enleer.
Sie 9Dläd)tigen unb bie ©ebieter, betreten ift ber 2öeg jur ©ruft,
JBerief ben gan$en ©rbenfreiä, llnb öbe ber jum §att8 be8 Sebent,
llnb bradjte Stämme unb @efd)lcd)ter, 9lie fatt ftnb ©rab unb Sobtenreid),
Sie Onfeln and) unb bie brauf tooljnen Sie ©rüfte fagen nie: „©enug!"
S3on jebera 6nb' ber 2Mt bat)er, Scbon bat ein jeber fein @efd)äft
Sb,at auf ba« gier'ge Sobtenreid), llnb alle Arbeit aufgegeben,
Sen Sdjlunb, ber jeglidjeä öerfdjlingt. ©eböub' unb ßigentljum »erlaffen,
Scr Sob ftanb lote ein ftöntg mitten llnb jebermann gräbt fid) ein ©rab.
3n ber SJebaufung aller Sobten, Sie graben Sage fid) unb 9iäd)te
Umringt uon feinen ltriegc«beeren Sie ©räber, unb entfomraen ntäjt.
Unb DJtöriaben oljne 3af>l, Sa forgt ein jeber, feiner £cid)e
Scr 5Jlenfä)f)eit bia)tgebrängtcn Sparen, Salb eine ©rube ju bereiten;
Sie er berief, um ifm ju lernten. Sic ift ifjm lieber alö bie Seiten,
3u ©oben ftürjtc er bie 9)lenfd)beit 9JHt reid)en Seden fiberjogen.
Unb marf fte in ber lobten Sunlel; Gin jeber ftrebt, fo Diele ©räber,
3u ganjen Mügeln fjauft er unter M& ßeute jäblt fein §au8, au graben,
Sen ©tummen auf bie 9lebenben. SJerfaufet am, roas er b«t,
1 Necrosima XXXVI, überfe^t oon ^ingerle, 3tu8gemäf)Ue Sänften bc*
^eiligen «ird)enoater8 ßpbräm. 3nn«brud 1830—1838. IV, 78. 79.
2 er f)I. ßpljräm, bcr fllaffifer ber ©Drer.
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Um fid) bie Söerfjeug' 3U Derfdjoffen.
»trottet ift ba« ©olb unb Silber,
Unb nur bie ©räber ftnb gefdtffyt.
©leid) einem Cuett, ber nie oerfiegt,
Strömt fort ber 2Beg in« Sobtenfwu« ;
2er Seiten 3al)l gebredjen ©räber,
Unb jcber forgt für« feinige,
Um erft für feine Seid)' ein ©rab
3u ^aben, anbre bann 3U bringen.
Ofür ©rüber ift ju wenig ©rbe;
3ttan gräbt fte auf unb wirft fie weg.
60 mobern Staden olme ©räber,
Sßertoefen oljne Üobtcnträger.
2er Slten fd)f)ett Hoffnung ift bob,in,
2e« Sterbend Sag ift angebrod)en,
Unb jeber jief>t bera Sieben jefct
6in ©rab al« feine SEBobnung bor,
SJott Srurdjt, er möchte fterben unb
©ein Seidjnam leinen $lafe mefjr fmben.
3)ie leben, greifen jene glütflid),
2ie ba juerft geftorben ftnb;
2enn tbnen warb bie fd)ulb'ge ©ljre
Unb bie JBeftattung nad) ©ebraud).
2er SBoben, ber bie lobten trögt,
SJetfault unb fttnft, oon ßeidjen Doli.
3)ie fjöä)fte €cr)önt)eit ift jerftöret
Unb liegt als flttober 3Wifä)en Sobten.
2ie reijenbften unb fä)önftcn flörper
©inb nun ©ewürme in ber ©ruft,
©in groge« Sfeft ift bei ben ©räbern,
2ort finb nun Sebenbe unb Xobte;
3>ie lobten liegen in ber ©rbe,
Unb jene meinen bei ben ©räbern.
3erft5ret gonj fmb bie ©eftalten,
2öte aud) bie SBitbungen ber 3)lenfä)en,
2en ftnedjt erlennt man nid)t Dom #errn,
2-en §ägltcb>n Dom ©d)önen nid)t.
3>er Sob jog au« gleid) einem ©Knitter
Unb mäfjte ab bie ganse 2Jtenfd)ljeit,
9li% Säuglinge Dom ÜJlutterfdjoge,
9la()m au« ben SBctten meg bie Itinber,
9taf)m fort bie Jünglinge Dom treibe,
2>ie UJiäbdjen au« ber Käufer 3mierm,
2ie Bräutigame Don ber §od)jeit,
3n «lag' unb Srauer biefe toanbelnb,
Unb warf bie SBräute tobt baljin,
3crftörenb ibre J8rautgemäd)er.
©efang unb 2anj mad)t' er Derftummen
Unb ftimmte Älaggefänge an.
2er eilte au« ber Stobt, ba traf
2er Sob ibX unb er fiel bafjin;
Unb jener flopft an eine Pforte,
2er Sob antwortet ifjm farau«.
2ie wanbeln auf ber ©trage bin,
2a unterbricht ber 2ob ben ©ang;
Unb anbre finb jum ©eben fertig,
2er Zob lommt ibnen fd)on entgegen.
2er rüftet eine ^odjjeit ju,
2od) lägt berSob ibm nid)t bieftreube;
Unb jener flieljt Dor feinem $errn,
2er Zob trifft if>n unb mad)t ifm frei;
Unb wo er jeben überfallt,
2a ridjtet ber fein ©rab fid) ju.
Seer finb bie Käufer unb Deröbet,
2ie ©räber Doli unb überbedi,
Sie ftefjen alle offen, boä)
2er Käufer Stjüren finb gefd)loffen.
2er ©ä)erj ift Don ber €rb' entflogen,
Unb jebe tJreube ift baljin;
9tur Beinen b«rfd)et ring« unb ©eufjen,
Unb Älag' unb ©ram nimmt überbanb.
2ie ©rbe fd)reit Don grogem ©djmerje
Unb flehet b«ife ju ©Ott empor:
„Gebiet, o $err, bem gier'gen Sobe,
2ie $anb Dom ©d)werte abaujicfm!
3d) bin wie eine Söittwe nun,
9Jon 2obe«ängften ring« umgeben.
2ie SBege ftnb Don ÜJtenfdjen leer,
2ie Käufer öbe Don ätewobnern,
Unb einfam trauern alle ©tragen,
2er 2Jtenfd)enmenge ganj beraubt.
Wimm an, o &err, nad) beiner 3Jlilbe
2er Zf)\tu ©freien unb ©ebrü«!
2ie Senne weint um itjreu $>errn,
2er ßanbmann lägt bie Arbeit ftebn,
2ie ^jerbe weinet um ben fürten,
3erftreuet auf bem S3erg umf>er.
2a« «Pferb füt)lt aüct)mutf) unb beweint
2en f>errn mit Häglicbem ©ewieber.
©ieb, unfre 3felber gebn 311 ©runbe,
SBeil ibre Säuern ßeidjen finb.
2ie Sffleinberg' flogen unb bie Xriften,
2e« grögern Jöiebe* SBeibe einft.
JBerfd)Iieg, 0 £err, be« Äbgrunb« Pforte,
Unb ftopf be« Xobe« SRad)en 3u;
SBerfperre aller ©räber ©d)lunb,
192
3meite« Sud). dritte« flatiitel.
2>ie in ber SSutf) ber Xob geöffnet.
SOeröbung fyerrfdjet in ben Käufern,
Unb ZobtenjiiUe in ben ©äffen.
&ie Käufer ftinfen Don ©efdjmüren,
Sie Straften Don ber Seidjen 2Jlenge.
SBon aufcen, innen, fjier unb bort
Regieret nun ber SDloberbuft.
$er 2ob mad)t' eine Äelter unfi,
Söooon bie ganje (Erbe fpridjt,
Söarf iljre Söder bort hinein
Unb trat fte mie bie Trauben bann."
O ©rüber, lafct uns nie ocrgeffen,
SJBeld) fteft ber Sob bei un* gefeiert!
Sldj, mär* aui$ unfer §erj oon Stein.
Söir müßten füllen unfer Glenb.
$rum ftitt Dielmefjr mit !£f)räncn jefot,
Unb trocfnen mir ber 2Öoifen Xfjränen!
Sagt und nidjt bleute SWitleib füllen
Unb morgen bittre Raffer fein!
Sagt in«gefamt un8 immer flehen
3u ©ott mit unbefterftem £>erjen,
Saß er bie $e|l Don und entferne
Unb gnäbiglidj bie Strafe l)emme,
Unb bafe mir, mann am 6nb' er lommt
3n §errlid)fett, mit ibm einjiebn
3nfl Srauigemad) (be3 #immelreid)*)
7. $ogmati|*d)e ©efänge.
3n ßpljräms „©efängen ©iber bic $e&er" tuiegt natürlich ba8 btbak
tifd)e (Clement bor. Um fie ridjtig ju nuirbigen, mujj man fidj in feine
3cit $urüdoerfe&en, mo ©noftifer bon allen Spielarten, Sltaniajäer, 9lrianer,
^Cftrologen unb IJatalifJen ba§ aufblüljcnbe Gb>iftenÜ)um mit aüen Wittein
bamaliger SSilbung bef erbeten , aud> poetifdje formen nidjt öerfdjmä^ten,
um bie l^ugenb in ifjre ftefce ju jietjen. 3n buntefiem Söirrwarr mifajten
\id) ba 9tefte alter ©ötterfabeln mit platonifdjen unb orientalifajen Traumes
reien, ein am Senfeita berjroeifelnber Materialismus mit ben fjod)mütt)igfien,
aöltrufeften Speculationen. ©egen all biefe 9Häd)te ergebt ftd) (5pb>äm mit
ben Stoffen einer traftboflen, oft fdmeibenben Satire, bie inbeä immer
Ijofjen (£rnfi unb ^eilige 2üürbe beroaljrt. $n ben „©efängen roiber bie
©rübler" fteüt er jtdj bann bie Aufgabe, jenem ßfjao§ bon 3rrt^ümem
unb ifjrem gemeinfamen OuetI, bem menfdjlidjien Stofj unb 93ortt>i£, gegen:
ü6er bie mirflid)e übernatürliche 2öelt mit ifyren erhabenen ©efjeimniffen,
im ©croaube ber ^oefie bem ©eift unb £er$cn be» 35olfe» näljer ju rüden,
ba§ Unfiajtbare unb Unerforfajlidje in erhabenen Silbern anjubeuten, ofyne
ben Soleier be3 ©e^eimniffeS anjutaften, ben munberbaren 33unb ber ©otU
r)eit mit ber 3Jcenfd)^ett ju beftngen, ofme beibe in irriger SBeife ju mifdjen
ober ju trennen, alle 3ift0C °er fid)tbaren Sdjöpfung jum ßobe ©otteS
fjeranäujietjen , ofjne ben Unenblidjen im enblidjen Srnn6ot, ben Unbcgreif=
liefen im menfdjlidpn 33tlbe, bie un6egren$te 9Mfommcnf)eit in irbifdjen
Sorten unb normen erfd)öpfen ju wollen. 3" einem eigenen Sieb, einem
Warnruf au einen iüngern 2)ia)ter, fi,at er biefeS Programm ajriflli^er
^ idjtfunft fferrlia^ formulirt 2. 3n f)of>cm ©rabc ^at er eS aud) bertt)irfli(ftt.
1 Necrosima LXIII, überfefrt öou fingerte IV, 110—115.
5 Adversus Scrutatoros XXIII, überfe^t Don 3ingerle V, 88—92. ^Jrofa»
nberfetnnig in S^alhofer« Sammlung (ÄcmDten) II, 98—100.
tized by Googl
2er fjl. Spirant, ber Älafftfer ber Sörer. 193
$enn ber rcügiöfe Srijrffoff ijt in btefcn Öefängen nic&t nur burajraeg oolt§=
t(nnnlid> unb roatjrfjaft poetifa erfaßt, bie SBegeifterung beä SiajterS ergebt )id>
nic^t feiten ju erhobenem, Ibrifäem Sdnoung. 3n ben f)errlid)fien Jöilbern
feiert er bie afler^eiügfte $reifaliigfett, bie ©ottfjeit ©fjrtfti, bie 9)ienfd)tt>erbung.
5afJ ein 3al>rtaufenb bor bem Sänger beS Lauda Sion b,at er fc&on in
begeijterten Strogen ba§ 2ob ber fjeiligen Gin&ariflic angejtimmt.
2en ©ngeln — btefeti ©eiftent — gab
<Einft 9lbraf)ant ber üJlenfdjen Speife;
Sie afjen — bie* mar munberbar — .
2od) fef>et nun ein neueä Sßunbfr!
2en 2öefen, nod) in Offcifd) Qer>(lltt,
®ibi unfer großer $err bo Breuer
Unb ®eift ju effen unb ju trinfen!
21 Iö Strafe fiel baS 3feuer einfi
Serje^renb nieber auf bie Sunber;
2e$ Stllerbarmerä 3r«uer fäljrt
J£>erab unb ftofjnrt in bem 35robe.
Statt jene« Scucrä, t>ö$ Derart,
©eniefjt tc)r nun im ÜBrobe Sfeuer
Unb efjt barin ba3 toafjre ßeben.
€in Breuer fiel öom Jpimmel einfi,
SBeraefjrenb be« 61ia« Opfer.
2a* Breuer ber grbarmung »arb
3um Opfer und be* eto'gen Seben«.
2ie Opfer bat ba* Breuer einft
Jöerjefjrt; in beinern Opfer effen
SDÖir nun, 0 unfer §evr, bein Oreuer!
2ein Stob ift jene« Treffer* Sob,
2er und ju feinem ©tobe machte;
Sein Äeldj oernidjtet aud) ben 2ob,
2er un* feit »bam* Satt Derjehwt.
2u, unfer §exx, bift unfer 93rob
Unb Xranf, nidtjt um bid) ju oerjefjren,
9lur um mit b t r d e r e i n t ju leben
2Öie h>r, fo le$nt ft(f> (gptyräm* ^oefie aud) fonft oielfacfj an Silber,
5Ui§fprü<b,e unb Sorfleüungen ber 33ibel; biefelben erfc&einen aber bei tym,
rote bei anbern großen 4>rifilid)en 2>id)tern, bnrcfjauS eigenartig aufgefaßt,
begeifert bur$ba$t unb roar)rr)aft fünftleriftf $u etroas Beuern geftaltet, ba§
nidn" nur ben Stempel ber überlieferten 2öar)rr)cit an ftd> trägt, fonbern
mid> jenen beS tiefften ©efityls unb e#ter Sajönfjeit. $a& gilt befonber§
Don ben Hturgifc&en Biebern, mit melden er ben ganjen djriftlia>n ^eftfreis
1 Adversus Scrutatores X, Überfefct Don 3i"fl«tfe V, 48 ff.
»amngartner, SBtUIiteratur. L 13
194
3n>eite* S8u<b. dritte« ftapitel.
üer&errlitfct bat. Cciber fönnen mir cwd) tjier nidjt beim einjelnen bettoeUen,
fonbern muffen unä begnügen, eine ober bie onbere $robe aus feinem ©eifc
nadjiScpftuS anjufüfyren.
3n biefen Söeifjnacfiteliebern fpiegelt fic& fcfjon bie fäliäjte Einfalt unb
ber $arte Siebreij fpäterer Ärippengefänge. $er Butter ©otteä legt er foI=
genben ©ruft an ba§ Ctyriftlinb in ben 3Runb:
2öer ma$te bie Jungfrau
(Empfangen, gebären
3)en (Einen, Söielfncben,
$en Jtlciuen unb ©rofcen,
2>er ganj ifl bei mir
Unb ganj bei bem M?
3>er Sag, an bem ©abriet
Grfdjienen mit 9lrmen,
Söerwanbelte plöfclicb
3ur §«rrin bie «Dtagb.
SKagb beiner ©ottbeit
SBin id) unb «Dlutter
3uglet<b beiner 3Jtenfd)b<it,
O §err unb ©obn!
SOßie fcbnell loarb bie 5Dlagb
3ur Ä6nig«tocbter,
$urcb bieb, o be« ßönige« ©obn!
©iebe, bie fiebrige
JBkrb (Sntelin $aoib«
äßegen beiner, o Saoib« ©obn!
2)ie Softer ber (Erbe
(Erbebt burdj ben §immltfeben
©id) ju bem §iminel.
SOÖie foH id) erftaunen!
2>a liegt oor mir
gin greife« Äinb,
(Erhoben fein Huge
3um §immel ganj,
9Ue rubt ba« Sailen feine« 3Jtunbe«,
21 neb roenn e« mir fd)eint,
2)a& ftijr) mit ©ott nur
SSefpredje fein ©djmetgen.
2öer fab je ein flinb,
2) aS alte« burdjfäaut?
Sein ©«bauen oerrätb
6« al« ben Center
ttfter ©efdjöpfe, bie oben unb unten,
©ein JBtirf tft ber 331tcf
3) e« SWgebieter«.
SEÖie öffn' icb bir, Urquell,
Sne ßuelle ber 9ttiub?
2Bie geb' icb bir 9tabrung,
Gm&brer be« ftlt«.
Sin beinern Xifdje?
Söie leg' icb bir Sßtnbeln an,
©trablenumbüllter ?
2üte foll icb bieb nennen?
9ttcr)t metfj e« mein 9)lunb,
£) ©obn be« Sebenb'gen!
2Öag* icb'«, J" nennen bieb 3ofepb« ©obn,
©o beb' icb; bu bift niebt erjeugt Don ifjut.
©einen Warnen ju läugnen
Qrürcbt' icb ntitb aueb;
Cr marb mir Oerlobt.
0 ©obn nur be« ©inen,
©oll icb bieb nennen audj ÜJtebrerer ©obn ?
2) icb ipicd)cn niebt au«
SJtöriaben öon tarnen;
Senn ©otte« ©obn unb be« ÜDtenfdjen ©obn
SJift bu, jugleidj audj Saoib« ©obn
Unb Jperr ber 9Jtaria.
3ößer maebte biet) fpradjlo«,
O $>err ber ©pradjen?
Ob beiner reinen (Empfängnis
SBerleumbeten Sööfe mieb.
fceiligfter, rette ber ÜJlutter Qf)U,
3eig beine 9Jtadjt,
3>amit fie e« feben,
28ober id) bieb empfing!
3dj bin nun oerbaffet nur Deinetwegen,
S5er bu liebeft ba« Slff!
©teb, man Oerfolgt mieb,
2öeil icb empfing unb gebar
3) ie eine 3ufludjt ber aJtenfdjenfmber.
Stbarn erfreu' fidj;
S)enn bu bift ber ©cbläffel
3u«n ^arabiefe.
3)er Ijt. gpfjräm, ber Mafftter bet ©tjrer.
195
Sieb, loütfjenb empört ftd)
Wegen beute SJhttter ein 37teer,
2Bte gegen ben 3ona«.
©telje, #erobe8 —
CHne tobenbe Srlutlj —
SJutd) bid) su flewtnnen
3)o* fieben an jeglidjem Ott.
SBei bir ift ber «erter
Hein äerfer mef|r;
3)enn bjmmeltoärt« fteiget
©trebt au ertrönfen ben $errn ber 2Weere. 3>urdf) bicfj ber SOtenfd).
9ttit btr mill id) fliegen,
2tn btefen erhobenen ©rup ber SRabonna reüjt ftd) ein epif^er ©efang,
ber auerjl bie ^met £erolbe Gfn-iftt, ben ©lern als $oten feiner ©ottljeit,
3of>amte§ als Soten feiner SKenfajfjeit , befajreibt unb bann baä (S&rififinb
ber SReifje nac& Don Simeon unb Slnna, (Slifabeifj unb 3ac&arta* begrü&en
täfjt, jebeSmal in einem furjen, liebltd&en ©ebi#te, baS ftüj in bramatifäjer
Sebenbigfeit in bie Grabung einflickt. $iefe melbet bann bie freiwillige
#uibtgung beS 3o$amte3 unb bie unfreimiflige be* #erobe§ unb enblicb, bie
Qlorreiaje SMenbung ber gjripljanie in ber fmibigung ber Könige unb in
ber feierten «nerfennung Gljrifit bei fetner Saufe.
3>er ©tern be« 8id)te«
«uft in ber 8uft:
„©eljt bti ftönig* ©obn!"
2>er Gimmel flef>t offen,
£>eH firmlet baä Söaffer,
3)te 2aube erfdjetnt!
3)te ©timme bei JBater*
Stuft lauter als SDonner
3ßtt bereitem Stuf:
„SHtf ift mein ©eltebter!-
35 ie 2öad)ter üettünben,
3>ie ßinber ergeben
#ofanna.@efang.
Site* ffatb bie Stimmen, tocl^e oben unb
$ienieben laut be8 ©o^ne« $ero!be toaren;
Unb bemtod) — S^oni Sobeäfölaf entflog
33eim ©a)att ber Sonnerftimmen nidfjt.
Gsfi toarb betrübt, bejrßrjet, fuljr empor,
©rmorbet' itjn, weil er e« aufgemeeft 8.
8. ©efänge über bie 9ßaffion unb baä ^arabieS.
3u ben origtneßften unb mob,I aud) bebeutenbfien boetifdjen Seiftungen
ßpljräms gehört eine 9Jeib,e Don ©efängen, in melden er baS (Srlöfungsmerf
1 In Nat. Dom. IV, überf. Oon Singerle IV, 249—252.
* «b. IV, 255. 256.
O, teof)in flieb' td)?
8eb,re mid) bu e3,
&err feiner SDHitter!
©ei btr tft baä ©rab audj
«immer ein ©rab;
Senn bie Huferftetjung bift bu ! 1
196
3t»eite« Söucf». Stritte« Äapitel.
als Jriumpf) CT^rifii über feine geinbe, befonberS über Job unb Jeufel,
feiert unb meiere in tl)rer tf>eilS ebifdjen tljeilS bramatifc&en Ausführung ge=
miffermafjen ben Slnfafc ju einer Ütteffiabe unb äugleid} $u einem ^ßaffionS=
unb Oflerfpiel in ftdj entgolten *. ©ie ©arftellung beginnt mit einer £öflen=
oerfammlung, wie fie fbäter 2Mba, Jaffo, TOton, tflopftorf unb anbere
djrifilidje (Spifer jur SBerwenbung gebracht haben. (?phräm ifi ihnen hierin
jebodj um ein 3ahrtaufenb juborgefommen. 9Iuf einen gemaltigen 9htf
ffrömen alle föchte ber ftinfternijj jufommen, um ju berathfdjlagen , was
gegen (SljriftuS 511 thun fei. ©enn ber Sßorabenb ber ^affton ifi angebrochen,
©er $err fniet bulbenb unb betenb am Oelberg. Schon burch fein bis=
herigeS Söirfen fiefjt bie Sünbe, bie Butter ber ©ämonen, ic)r 9teich bebroht.
Satan fityt in langer JRcbc bie bereits erlittenen «Rieberlagen auf. Buch
ber Job unb ber Scheol ergeben fidj in büftern Älagen; betben fürt ber
(Srlöfer fchon mieberholt bie ftchere Seute entriffen. Abermals greift bann
Satan jum Söort unb fchilbert bie Schmierigfeiten , auf bie er in feinem
bisherigen #ampf miber ^riftuS geftofeen. 6r ift unfajlüfftg, melche ^olitif
er weiter oerfolgen fofl: ber SBcrfua), ilm aus ber Söelt ju febaffen, fönnte
ebenfo oer^ängni$ooü ausfragen als ein weiteres ©ewäfjrenlaffen feines
SöirfenS. Selbft bie Stngft unb ber Slutfchwetfj am Oelberg bürgen ü)m
nicht für fixeres Belingen, ©och bie ganje Schar ber untermeltlichen ©e=
malten brängt 511 weiterem Äampf. ©er Job rätf> Satan, in 3ubaS ju
fahren, GhriftuS burch ben ftriebenSfufj 311 berrathen unb fi<h bann mit ben
^barifäem $u feinem oöDigen Untergang $u üerbünben. ©er ©ialog ift
fehr lebenbig unb charafterifhfd) geführt; boch ungleich feböner unb merth=
oofler ift baS Gljararterbilb, baS in bemfelben bon GhrifhiS entworfen wirb,
unb bon bem gemaltigen SBeltf ampf e , ber fieb in feinem Ceiben unb Jobe
entfdjetben fofl.
2öie im erften (Sefang bie ScbmerjenSnacbt am Oelberg nur eben furj
geftreift wirb, fo im ^weiten bie übrige Sßaffion. ©ann wirb bie ©arftellung
mieber bramatifcb- ©er Job fte^t fiegeSgewifj am Jljore ber Unterwelt unb
erwartet ßfyrifhiS als feine $eute. 3n granbiofen $1\%en fdjilbert er feine
bisherigen Jriumpbe über bie 9Wenfd$eit, halt aber plöfclicb inne — benn
ein Strahl beS Siebtes Gljriftt burebsudt ben Scheol unb bricht bie SJtacbt
beS JobeS für immer.
Sefct trauert ber Job um ben Sturj feiner £errfajaft, unterwirft ftch
inbeS fcbliefjltcb unb h«lbigt bem göttlichen Sieger, ber triumtfjirenb aus
ber 2}orf)ölle emporfteigt. ©ie bret ©efänge, burch Welche bie tflage beS
» 3uerft üeröff entließt öon ©. JBicf eil unter ben Carmina Nisibcna, jum 2Jjeil
überje^t »on 3tngerle, »u^geto. Triften II (Äeotbten), 158—221, unb 3» 0 de
a. 0. O. S. 95—157.
3>er f)I. Cptniitn, ber filoffifet bet 6titer.
197
3;obe§ fid> fortfpinnt, treten burd) if)re Cänge böflig au§ betn Stammen bet
erfreu bramatifdjen 6cene Ijerauä, führen aber bie barin angeflogenen
Qlccorbc mit r)ol)em ©dmnmge roeiter. (Ss ift bem dichter fidjtlid) nid)t
barum ju tlmn, bie blofce ftlage be3 $obe§ weiter auäjufpinnen , fortbern
oielmeljr bie 21uferftel)ung Gtjrifti, biefe ©runblefjre bes Gr)riftentlwm3 , in
iljren SBejieljungen jum natürlichen fieben beä 5Renfd>en, ju ben Offenbarungen
unb 21>atfad)en beS Uten 93unbe3, \vx ©ottffeit Gf>rifti unb jum ewigen
Meiose beS SReuen Sunbeä möglichft bielfeitig unb ergaben jum WuSbrud ju
bringen. 3n ähnlicher SBeife jeid^net er in ben sroci folgenben ©efängen
ben Triumph Ghrifti über ben 8atan, inbem er un§ nochmals in bie 33or=
hotte surücfoerfe&t , roo ©atan in langer 9tebe fich felbft unb baä ganje
2Beltföftem ber ©ünbe [Gilbert unb ftcgc§fror> be$ ©efreujigten 511 fpotten
beginnt, als plö^Udt) bie Euferfiehung aü [einen planen unb all feinem
Stolje ein jät)e§ <5nbe macht:
„Sd&liefe auf, lafj Sefum fefjn, $>o^n über iljn!
2So ift nun beine ÜUladjt?" fei unfer Spottlieb !
2)enn fiel), brei Sage liegt er fä)on im ©rabc.
SEBir motten fpredjen: „$u, brei 2agc tobt,
$er an bem vierten Sajarus ertoedte,
Selcbe nun bt$ felbft!" — 3)e* ©c&eolä Sljore
©rfdjlofj ber 2ob — in gelten Strafen fdjofj
Sin ßtdfjtglanj Don bem Stntlifc unfrei #errn;
SBltnb, tute bie ©obomiter, taften fie
Unb finden ©d&eol« Zt>ov, bai fte »ergeffen.
$en (Srlöfer felbft läfct (Spljräm in biefen ©efängen nie ba§ 2Sort er-
greifen. <5ein blofeeä 6rf$einen unb bie $ajroifchen!unft ber @ngel mad)t
all ben Drohungen unb Bemühungen ber Seinbe ein 6nbe. 5tuf ein epifdjes
ober bramatifcheS ©anje hatte e8 übrigen« ber SDiajter nicht abgefehen. Seber
©efang fleht für fich unb fjängt nur lofe mit ben folgenben jufammen.
9iach ber entfeheibenben $ieberlage Satan§ folgen noch mehrere ©efänge.
3n bem einen beflagt fid) ©atan über bie Söunber, roelape bie nad) Gbeffa
gelangten {Reliquien beä f>l- 9lpoftelä 2;^omas bafetbft toirfen, in einem
anbern über bie Belehrung ber ©ünberin t>on 9taim unb be§ ßachftuä;
bajroifdjen ftcljt ein höchfi merfttmrbiger, lebhafter Dialog, in roeldjem $ob
unb Teufel miteinanber barüber ftreiten, roer Don ihnen bie größere üttadjt
befi^e. 3n einem feierlichen Monolog ma^nt bann ber 2ob bie 9)ienfdjen,
fiaj ^ienieben niajt aü$ufe(jr abjumü^en unb niajt unmäßig um bie lobten
ju trauern. 6nblid) ergreift ber ^idjter felbft ba§ 2Bort unb feiert banfbar
bie Sdjöpfung, Söieber^erfteüung unb ^oüenbung beä Ü)?enfd)en burd) ben
göttlichen £eißplan, ber Teufel unb %ot> in ber Sluferftelnmg ber Seiber
überminbet.
>
1<J8
StoeiteS öu$. dritte« Äapitcl.
Sine ßrgänjung biefeS ©djlujjbilbeS ftnbcn mir in ben f)errli#en jmölf
©efängen, roelcb> (Spljräm eigens bcr Sdjilberung bc§ ^arabiefeä geroibmet
ljat, um in ben äBonnen eine* irbifdjen @ben au# bic ©eligfeit beö Rimmels
aljuen 51t laffen.
SBom fd^tbenDotten ftxofte,
fBon glityenbljeifier Sßörme
SBeife jener fel'ge Ott
$cr f)&d)ften Sßonne nid)t«.
6ö tfi ber Ofteuben §afen,
®ti Sü&en Sammelplafc,
$e« ßidjte« unb ber Atarb>it JEßofjnung;
2>ort raufdjt ber Warfen üllenge,
Sort föatten ringsum 3»tfW
Jpofannoltebcr tönen
Unb Rinnen bort Dereint.
»I« SOßefir umgibt ti ring«
Sie SRufje oHumfriebenb ;
Sil« anou'r unb SBormau'r ift
Ser triebe atlt>erföf)neub.
Ser <£f)erub, ber'« bemalt,
3ft fjolb ben Sel'gen brin,
£od) föredlid) ben Sertoorfnen braufecn.
Sei jenem atterretnften
Unb fjeü'gen tßarabiefe
3ft, »q« bu immer r)Örft,
«Rur rein unb geifTger 2trt.
Sie IBlumen jene« fianbe«
einb bitter au*gefäct,
Unb glanjenber al« biefe«
Sichtbaren Gimmel« ©terne.
Studj toeb,t Don jenem SJufte,
2)er milbe bort erquicft,
6in 2f>eil at« Slrjt ben ©djmerjen ber
9Serflud)ten (Erbe ju,
Unb b,eilt burd) feine ftroft
3)ie ßranfljeit, bie in fic
©efommen burd) bie Solange K
So Hingt Gptjräma ^oefie, mie alle d)riftlia>religiöfe ^oefte, burctjauS
nidjt büper unb traurig, melt= unb menfajenfeinblid) aus, fonbern in
Wccorben ber reinflen unb r)eüigften ^reube. Gine äJjnliaje Stimmung bt=
ljerrfd)t fein grofjeS Sieb über bie „$erle", unter beren 53ilb er forooljl ben
djrifilidjcn ©lauben als feinen Urheber unb £>auptgegenftonb, baS menfa>
gemorbene 2Öort, befingt. 5lud) in feinen bogmatiföen ©ebidjten „2Biber
1 Hymn. de Paradiso X, flberf. Don 3ingerle IV, 106. 167.
Weiterer Serlauf unb eulturbebeutung ber fyttföen Cüeratur.
199
bie ©rübler" triumptjiren Siebe unb Begeiferung für ben breieinigen ©ott
unb für bie gnabenbolle 9Äenfd)H>erbung beS SoljneS in bilberretetjer Spraye
unb feurigem ©dfuming über bie froftigen (Sinreben flogen 3roeifelS l,no
verwegener ©rübelei. (SS roe^t ba biefelbe i'uft roie in Dantes ^arabies,
wo fidj bie formen fdbolafxifdt>er Definitionen unb Disputationen mit bem
s3Iütr)cnbuft unb Sonnenglanj beS Rimmels umfleiben. 2Ber Dante trop1
aß feiner €>d)utyfjUofopfue unb Sdjultfjeologie, feiner tief^et^ifajen unb barum
entften ©runbrit&tung , feiner breiten 91uSfüf)rung berfelben £auptmotibe
bennod) als einen ber größten Didjter aller 3c'*en wirb fc&roerlirf)
umtun tönnen, ben Ijl. Gipljräm als ben erften feiner großen Vorläufer unb
als einen ber größten Didjter beS Orients 1 anjuerfennen. ©eine ^arabiefe*=
jdjilberungen mit jenen bes Äoran ju bergleiajen, f)ieße fdjon iljm unredjt
tfjun. din nodj größeres Unred/t aber ift iljm baburd) angettjan roorben,
baß man unter djrifiliaVn Böllern bie oertommenften SiebeSbid)ter ber Werfer
unb Araber &öb>r angeflogen Ijat als ben fpracfcgeroaltigen Didjter oon
9JiftbiS, ben älteflen ©eUjnadjtSfänger ber ßfjriftenfjeit, ben großen Vorläufer
ber djriftliaVn Cfterfpiele unb 2ltttoS, ben erhabenen Ißerfünber ber 2luf=
erftefjung, ben bie c&riftlidje SBoqeit einft mit öoflem 9ted)te bie „£arfe beS
^eiligen ©eifteS" genannt tjat.
Viertes Kapitel.
Reiter« ^erfaaf nnb gittfnrBetattintg bet formen
£\texatux.
3n Sejug auf ©eljalt unb ftorm blieben bie ©efänge @pf)rämS metyr
ober weniger mafcgebenb für bie folgenben forifdjen Dieter2. 33alai befang
ben Sifdjof SfcaciuS bon Slleppo, äfjnlicb, wie (Spbjäm bie Cber^irten bon
9lifibiS befungen b,atte. (Sr beborjugte Strophen mit fünffüßigen Herfen,
1 Un des prenriers et des plus grands poetes de 1' Orient, fo nennt ifjn ber
in ber altflafftfdjen Cüeratur toofjlbetnanberte franjöftfdje Hfabemiter ©aftonSotf«
fier (Les Origines de la polsic chrötienne. Revue des Deux Mondes, 8e Per.
X [1875], 102).
* ©runblegenb für bie fürifdje ßiteratur ift /. S. Ässemani, Bibliotheca Orien-
talis Cleraentino -Vaticana , recensens Codices .syriacos, arabicos etc., de iussu et
munificentia Clementis XL 8 tomi in 4 voll. Romae 1719—1728 (nad) 20. 5ßrigl)t
one of those works which may be justly styled xeifi-fjktov ig det) ; bann W. Wright,
Catalogue of the Syriac Manuscripte in the British Museum. London 1871—1872.
— »efte Ueberftdjt Don 2B. SEBrtgbt, drittel Syriac Literature in Encyclopaedia
Britannica XXII (London 1887) , 824 ff. , feporot gebrurft unb ergäbt unter bem
200
3toettei fduä). 9)ierteS Äopitet.
bie bann fpöter nad) ihm benannt n>urbcn 1. GbrillonaS erhob ftlagegefängc
über ben Einfall ber £mnnen, bie 395 Morien bermüfteten , ähnlich wie
<5pljräm juöor bei ben perfifdjen Snoafionen feine Stimme ju ©ort erhoben
hatte 2. 2öer nur fubjectioe Träumereien für Spoefte hält, wirb folgen 3«*;
gebieten freiließ wenig ©ejehmad abgewinnen. Um biefelbe 3*it (gegen %n;
fang bes 5. !3ahrl)unbertS) beginnt übrigens auch eine t>iftorr)d&e Literatur,
welche natürlich juerfl baS erfte ^>elbenjeitalter ber (briftlichen ©efdjichte, bie
Reiben unb Triumphe ber ^Dlartorer, ju ihrem ©egenftanbe nahm.
ßfje ftd> aber bie förifche Äirche böflig bon ben ferneren ©flögen er«
holen fonnte, welche ihr bie heibnifebe Gfjriftenberfolgung, bie gnoftifeben, aria*
nifeben unb manichüifchen Secten unb bie Einfälle ber ^erfer jugefügt
Ratten, follte ftc bon smei neuen £>ärefien, jener beä 9ieftorius unb jener
beS (SutocheS, naheju töbilich getroffen werben. $ro{* beS GntfcheibeS ber
Äirchenberfammlungen bon (SpfjefuS (431) unb ßfjalcebon (451) fiel ber
größere Zty'ti ber SBebölferung, oon ehrgeizigen unb frreitfüchtigen ©ecteru
Häuptern mißleitet, gu ber einen ober anbern biefer Striefen ab unb blieb für
immer bon ber einen, wahren Äirdje Gfirifri getrennt. $ie barauS ent--
fprie&enbe religiöfe Verwirrung prägte fid» auch ber Literatur auf, obgleich
biefelbe in ber £>auptfacbe religiös blieb unb — ben trennenben ©runb=
irrtbum abgeregnet — bie anbern Ueberlieferungen beS cbriftlichen Wltcrtljuml
f aft unberänbert bewahrte, fo bafe fpäter j. 93. ber monopfrojitifche 3afob bon
<5arug (©erügh) lange für einen ortbobojen Schriftfteller gehalten werben
fonnte, bie bäretifeben Scbriftfteller fortfuhren, nt^t nur ben $1. gphräm, fon=
bem auch bie grofjen gried&ifdtjen tfirebenbäter, wie WtbanafiuS, VaftliuS u. a.,
als i^re ßcfjrer ju betrauten unb $u berefnm
Vorfämpfer beS alten ©laubenS waren StabbüläS (ober 9labbüiä), ber
6obn eines ^cibnifc&en ©öfceupriefters, nad) feiner $efehrung ein mufterhafter
Wönd), oon 411 bis 435 $ifa>f bon Gbeffa, unb 3faaf, bon ben ©orern ber
©rojje jubenannt, 9lbt eines ßlofterS *u Antiochien. ($r ftarb balb nach
bem Grbbeben, baS 459 ledere gtabt jerftörte, alfo etwa 460. Von Äab=
büläS haben fk& nur wenige Schriften erhalten3; 3faa! bagegen, ber in
Sitel: A short History of Syriac Literature. London 1894: eine gute lleberfidjt
aud) bei WefHc, ©ürifdje ©ramntatif. 2. Stufl. »erlin 1888; G. Bickell, Con-
spectus rei Syroruin literariae. Monast. 1871.
« G. Cardahi, Liber Thesauri de arte poetica Syrorum (Romae 1875)
p. 25—27. Biekell, Conspectus p. 21. 2holbofer, »ibliotb. ber Äird)enoäter
XU, 68. W. Wright, Catalogue IL, 673.
* Overbeck, S. Ephrem Syri etc. Opera selocta p. 162. — Wenig, Schola
Syriaca p. 160 — 162. — Bickell, Conspectus p. 46. — 5£fjölb°fer ß. o. 0.
XU, 67 unb XL1V. — W. Wright, Catalogue II, 670.
» 9*ur einige ^rebigten unb Ruinen, bei Overbeck 1. c. p. 210 sqq. 245 sqq.
862 sqq., ftberf. üon 93 i d c 1 1 bei Z h o t b o f e r , SSibliotb. S. 102-104. Ibid. 1 1, 651.
Söeiterev SJcdouf unb (Sulturbebeutung bet fttrifdjen ßtteratur. 201
feiner 3ugenb 9tom befugte, mar ein faft ebenfo fruchtbarer Schriftfteller
al§ ber hl- (Sphräm. @r fd)rieb an bie 200 metrifche ^omilien, jat)l=
reiche $nmnen unb 3Ä*9*bichte *. ©ebichte über bie im 3ahre 404 in 9tom
gehaltenen ftefifpiele unb über bie (Sinnahme Stoma burch Alaricb (410)
erinnern an feinen Aufenthalt im Abenblanbe. $a$ ein Papagei, ber
in ben Straften Don Antiochien "Ipj o 0:6; rief, ihn Deranlajjte, ein
religiöfeä ©ebicfct Don 2137 Herfen ab$ufaffen, baä mag für ben mobernen
Menblänber mobl einen geroiffen naioen, fomifcben $etgefchmatf baben, ift
aber in fich ebenfomenig lächerlich alä fein langer Sufegefang (bon 1929
Staffen) ober baä erfcbütterube Söu&Ieben be$ bl- Simeon beä (Styliten
(gefi. 459), ju bcffcn Säule fich nicht blofc Sßriefter unb Mönche, fonbern
auch bie Mächtigen ber 6rbe, ungejählte Stoltefcbaren , felbft bie milben
Stämme ber Söüfte berbeibrängten , um in ^eiliger Üieue, bemegt unb
gebeffert Don bannen ju gehen2. (SS ift eine 3eit, bie man nicht nach
bem engen SRapftabe moberner Aufflärung beurteilen barf. 3n bem trüben
Sedengeroirr unb in bem allgemeinen SittenDerfall Derförperten biefe heiligen
Süfcer jenes Streben nach oben unb jenen erhabenen £eben§ernft, ber
allein Rettung bringen tonnte; unb totö fte betenb unb buibenb lehrten,
baä fpiegelt fich in ben Dielbefpöttelten £>ömnen unb Siebern ber forifchen
SÖiönche.
Nachfolger be§ S9ifd)of* Mabbiiiä* mürbe 435 jener 3baä (fprifc^
3r>ibt)ä ober £ubhä), ber burch feinen 33rief an ben ^erfer Ataris («Diäri)
befannt ift 3. Gr hatte in feinen jungen Sahren an ber perfifa>n Schule
bon Gbeffa mitgeholfen, bie Sterte be§ ^heobor Don SJcopfueftia ins Snri|*che
ju überfefcen. $eSbal6 beä fteftoriantemu* angeflagt, Don ben Srmoben ju
Zt)xu% unb Beirut freigefproeben, Don ber 9iäuberfnnobe ju Spt)efu^ Derurtheilt,
bann burch baä Goncil Don (Sbalcebon mieber in fein Amt eingelegt, leitete
er bie Äircfie Don gbeffa noch 457. 2*on feinen «öcabrafeben ift nicht*
erhalten; aber feine S3etr)cUiguiig an ben Derroideltften theologijcben Etepiu
tionen bemeift, baß er üollftänbig auf ber £öhe ber bamaligen gried)ifchen
Iheologie ftanb, bie nidjt nur eine tüchtige bialettifchc Schulung, jonbern
1 Assemani, Bibl. Orient I, 214 — 234 (Söerjeidjnife berf.). — Cardahi, Liber
Thesauri p. 21—25. — Overbeck p. 879—381. Zingerie, Monumenta Syriaca I,
13-20, unb Chrestom. Syr. I, 299 sq. 387 sq. 2übinger Ouartalfär. LH (1870),
92—114. — G. Bickell, S. Isaaci Antiotheni, Doctoris Syrornm, Opera onmia.
Giessen. I. 1873; II. 1877.
* P. Delahaye S. J., Revue des questions bist. LV11 (1895), 52 s. — 3"r ©f*
ftbi<fite ber Säulenfieber (©timraen aus 2Jtatta*!ßaad) XLVIII [1895], 844—346).
— midekc, Sketches from Easteru History. London 1892.
' Crr bilbete eine« ber brei Äopitel in bem fogen. S)rcifopitelftreit. $ er gern
röther, flir<Öengefö. I (3. Slufl. ftreiburg t. «Br. 1884), 494 ff.
202
3»eite« »ud). »ierte« Äapttel.
auch eine ausgebreitete ßenntniß ber ^eiligen Sänften unb ber bisherigen
patriftifeben Literatur öorauSfe^te K
£aS Unglüd ber ortentolifd^en #ircr/e beftanb feineSroegS barin, baß
if)re führenben Männer mit fubtiljter Schärfe, unermüdlichem (Sifer unb großer
©elef)rfamfeit bie ©cfjeimniffe ber Offenbarung unterfuchten, fonbern barin,
baß ftc fich babei Don unroürbigem Strebertum, ^rgcij, Streitfucbt unb
irbifeben 9lüdficbten leiten ließen, bie fircbltcbe Autorität oeraebteten unb lieber
fich öon ber gottgefefcten Einheit losreißen wollten, als auf tr)re unhaltbaren
Sonbermeinungen ju öerjicbten. hätten biefc t)äretifdt)en Äampfhäfme nicht
unaufhörlich ben firchlichen ^rieben gehört, fo hörte bie Geologie ber
Citeratur unb ber Sßoefte nicht nur nicht gefchabet, fonbern ihrer gntmid*
lung, roie bei anbern SBölfern, ben fruebtbarften 93oben unb bie fdjönften
Eingebungen bargeboten 2.
Söie bie Ueberfefcung öon (Sufebius' Äirchengefchichte unb anberer be*
beutenben patriftifeben Söcrte fchon oor bie 3eit ber Trennung fällt , fo
auch bie frür)eften Ueberfefcungen ariftotelifcher ©erfe8. $aS Sntereffe für
bie griednfehen $äter unb beren Schriften brängte oon felbjt auch auf bie
Eefanntfchaft mit ber altern griednfeben Literatur, an ber biefe fich in
3lthen unb anbertoärts gefault hatten. Unter ben furchtbaren SEBirren, mit
welchen bie monopr)r)fitiftt)c Jöemegung feit bem (Soncil öon ßhalcebon ben
ganzen Orient in flammen fefcte unb toelcbe roieberholt bie geroaltfame
^ajroifchenfunft ber aifer notlug machten, warb jebodt) bie friebliche 2Beiter=
entmidlung ber Schule öon ßbeffa ööllig gefnidt. 91efiorianer unb 9)iono=
pfrofiten mißbrauchten ihr religiöfeS wie profanes 2Bijfen nur im Dienfte
ihrer roiberfpänftigen Streitlu|l Äaifer 3eno fah fich 489 genötigt, bie
Schule öon @beffa ju fdjließen unb ihre häretifchen Sebrer auSeinanber
ju jagen. Sarfaumä, ber £auptführer ber Weftortaner, mußte fchon öorher
1 ©ine #anbfd)rift bom 3<>l)re 411 (Cod. 12150 Add. ßrit. Mus.) enthält bie
RecognitioneB befi b,l. «lernen«, bie {Reben be« Situ« Don JBoftra gegen bie 2Jtani«
djfier , bie Theophania befi (fufebtu* unb bed ledern ©efd)id)te bet ÜHarttjrer öon
^alafhna. eine §anbfd)rift oon 462 (in 6t. Petersburg) umfa&t bie forifdje lieber«
fefcung ber Äird)engefdjid)te be* eufebiuö, ioah,rfd)etnliä) fd)on ju beffen ßebjetten
angefertigt.
• etwas ungerecht erfdjeint bea^alb 91 öl bete t JBorumrf: w2Bte fottte freiliö)
eine nur oon ©eiftlidjen unb 9Jlönd)en gepflegte $oefte in einer burdj ttjeologifdje
Streitigfeiten traurigfter %ü leibenfd)aftltdj erregten SEßelt «in frifdje« Öe&en aeigen ?"
(3eitfd)rift ber Seutfdjen 9Jtorgenlänb. ©efeflfd). XXXI, 160.) — ftidjt bie Geologie,
jonbern bie §ärefte fjat bie Cntwicflung be« förifö)en <8etfte«leben« in fo öer&ängnife«
öoHer SDBeife geftört.
1 33aS 3eugnife be« ebeb-Oefu (Abhd-ishA) bei »fferaani (Bibl. Orient. III,
1, 85) fpridjt beutlid) genug gegen SBrigfit« flJteimtng, erft baS etubium ber $äre«
tifer tjätie ju jenem be8 Slriftotele* unb anberer grtedjifdjen ^bilofopljen angeregt.
Wright, A short History of Syriac Literatnre (London 1894) p. 64.
©eiteret Verlauf unb (Eulturbebeutuna ber fnriföen Siteratur. 203
bon (Sbeffa fliegen unb liefe fich in bcm perfifchen WifibiS nieber, wo er
oon 486 bis 496 als Sifchof waltete. Um i^n fammelten fich anbere
#äupter biefer ©ecte, unter ihnen tt>a^rf4»einlid> ftarfai (Warfe*) , Wäri
ber Werfet, ^ajibäb^ unb Slra, bie f amtlich als ©chriftftefler ermähnt
»erben. SlcaciuS, ÄatholifoS ju Seleucia, mtffi, SMfdjof öon Cäfööm, unb
anbere Weftorianer verbreiteten bie ©chriften beS 9?eftoriuS unb beS $b,eobor
öon Wopfueftia weiter nach ^erfien hinein, wo fte bei ben faffanibifchen
#errfchern meift in ©unft ftanben ober wenigftenS in ^rieben gelaffen"
würben K ©egen Gnbe beS 5. Sahrbunberts war bie «ERe^rja^I ber Triften
in Werften fteflorianer ; ihr ^atriard) refibirte in ©eleucia=mefiphon. Söon
Kerpen aus brangen fie roeiter nach 3nbien unb über Gentralafien bis na*
Gfnna bor2.
35er Äeigenfü^rer ber Wonophofitcn toar ein anberer Söarfaumä, ein
bei feinen Anhängern fpäter als ^eiliger bereiter Wönch, ber bie klebte
öon ©grien auf ber 9täuberft>nobe öon GphefuS oertrat, auf bem Goncil
oon Gbalcebon berurtfjeiit tourbe unb 458 ftarb. Cbmofy feine $>ärefie ges
toanbte unb angefefjene Vertreter fanb unb rafd) jur perrfajaft im weftlichen
©orien gelangte, gerietb, fie boch in bie 6nge, als Änifer Suftin I. befchlofc,
ben $ecreten bon (5b,alcebon Dcachbrud ju beschaffen, unb 519 bierunbfünfjig
Sifchöfe bon ü)ren ©ifren oerjagen lie$. @rft unter bem ©ctmfce ber Äaiferin
2h«obora, ber berüchtigten locbter beS „33drenfül)rers\ lebte bie ©ecte neu
auf unb fanb an 3afob SBurbe'änä einen ebenfo fc&lauen als fanaiifchen
Sßerbreiter. Wadjbem er bon 527 bis 542 in ftonftantinopel getoeilt, würbe
er auf betreiben ^aritljS ibn Sabalalj, beS Slraberfürften oon ^affän, jum
93tfajof oon Softra gemeint, burchmanberte ganj ©orien unb Wefopotamien,
ertoirfte bie Ernennung feines SBruberS ©ergiuS jum Patriarchen fomie bie
(Sinfefcung unb Söeifje zahlreicher anberer SMfajöfe unb breitete fo bie r)oI6
etlofchene Äefcerei wieber im ganjen Orient aus. 3h" Anhänger würben
fürber nach ihm Satobiten genannt, ©ie waren fer)r zahlreich am mittlem
Tigris, wo ihr Patriarch unb ber ihm junächft ftehenbe Wapljrian in bem
ßlofier War Watthäi hei Woful ober in iagrit (lafrit) refibirte. Stuch
bie 3a!obiten würben oon ben ^erferfönigen meift hufoooH behanbelt unb
oerbreiteten ftch bon Werften aus gleichfalls bis nach 3nbien. (Sine ähn=
liehe $ulbung warb ben Safobiten -wie ben Weftorianem naccj bem Unter=
gang beS ©affanibenreidjeS bon feiten ber meiften Ähalifen ju tt)eilr fo bafe
eine Wenge ihrer Wieberlaffungen auch oaS Ähalifat bon SBagbab überbauerte
unb ihre Citeratur fiaj bis ins 12. 3af>rh«nbert meiterfpinnen fonnte. £aupfe
1 W. Wright, Short History p. 58—61.
* 2>ie »ifd)of*fi&e, Älöfier unb ©djulen ber Sbrer in ben »erföiebenen fiänbern
unb beten literarifäje SBebeutung in ben einjetnen 3eitabfä)nitten eingefcnber ju be«
hanbeln, ijt Jn« ntt^t mögltd).
204
3n>eite* »udj. Sterte* Äapttel.
fifce biefer Citeratttr waren bie ßlöfter unb bifdjöflid)en föefibenjen ber beiben
Secten, iljre £auptDertreter Wönty unb Öeifllidje.
Rimberte Don £>anbfdjriften finb aus biefen fprifc^en Älöftern in bie
Staticana, in baS 93ritifd)e Wufeum unb onbcrc 9Mbliott)efen gelangt. SBrigljt
fü^rt in feinem 91bri& ber förifdjen Literatur gegen 200 berfd)iebene Sd)rift=
fiellcr auf1. $od> ift ber Gfjarafter biefer Literatur ein fef)r eintöniger.
28eitauS bie größte Waffe ber 2Berte ift religiösen unb tl)eologifd)en SnfjaltS :
S3ibeln unb ©ibelerflärungen , bogtnatifaje Slbljanblungen unb tljeologifdje
©treitfdjriften, liturgifa> 33ü<$er, £omüien, flöfterlidje »orfd&riften unb 6*
Höningen berfelben, geiftlidje SRaljnreben unb Iractate in ^rofa unb Herfen,
enblid) liturgifa> Öefänge unb Cieber. So naf>e biefe Sd>riften in Dielen
fünften bie Cef)« ber einen, mafjren $ird)e berühren unb fo ftarfe SBeweife
fie audj für Diele altfirdilidje Snftitutionen bieten, ift il)r innerer SBertl)
burd) bie beigemifd&ten 3rrtl)ümer bod) fef)r f>erabgeminbert , ber Iiterarifdje
SBertl) bura)fdmittlid) nid)t fef>r f)od), ber poetifdje ©ef)alt ber tnetrifajen
Seiftungen meiftens ein geringer. (?S lofynt fid) barum faum, bei ben einzelnen
ßrfdjeinungen 311 Derweilen. Sennod) wäre es ungeredjt, über alle ofme
weiteres ben Stab $u breiten, wie es @id)l)orn, Berber u. a. getrau Ijaben.
Obwohl Don ber tird)li<fcen Einheit getrennt, Ijaben biefe ^riefter,
93ifd)öfe unb 2)fönd)e bod) 3abrf)unberte lang bie Erinnerung an baS 6^riften=
tyum mitten unter ^erfern, Arabern unb Süden lebenbig erhalten unb in
bie entlegenften Regionen AfienS getragen. Sie faben bei ifjrem Austritt
aus ber ßirc&e bie ^eiligen SMldjer, einen 2tjeil ber älteften d)riftlid)en Siteratur
unb Ueberlieferung, bie 2?eref)rung ber ^eiligen, bie fieben Sacramente unb
Diele Zeremonien, bie Söorftellung einer fird>lid)en Crganifation, bie SSertlj--
f#ä&ung ber eDangelifdjen 9tätl)e, baS OrbenSleben unb Diele anbere 9tefte
d)riftlid)er S3ilbung mit ftd) genommen unb tfjeilweife bewahrt. $er Einfluß
ben fic baburd) auf bie Gioilifation ber fie umgebenben Völler ausgeübt, ift bis
je£t noa? wenig unterfuajt unb gewürbigt toorben. SSiele fjöfjere 91nfd>auungen
unb Anregungen mögen aber ifmen 3U bauten fein. So langatfmrig uns ifjre .
gereimten ^rebigtett unb £wmnen audj erfdjeinen mögen, fie finb bod) immer
nod) ber WuSbrurf eines djriftlidjen 33emufttfeinS gegenüber bem bumpfen
Fatalismus beS 3Slam unb ben pl)antaftifdjen 9Wärd)en ber ^erfer.
S9ei mannen biefer Jpnmnenbid>ter Hingen nod) beutlidj bie Mccorbe
Weiter, bie einft @pf)räm angefangen, befonberS in ber erften ßeit nadj ber
Trennung. So bei Safob Don Sarug, ber, wenig in bie religiöfen fiämpfe
Derftridt, ein ftilleS 9Jiönd)S= unb ©ele^rtenleben geführt ju Ijaben fc^eint
1 3>er größte 2t)eU ber forifd)en §anbfdjriften be« »ririföen SDhifeum« flammt
au« bem Älofter <£cetc (©#it), Sancta Maria Deipara, im 9latrontf>ale (3öobi el»
SRatrun) in Unterägt)ptcu. SJgl. W. Wright, Catalogue. III. Preface.
SBeiterer Verlauf unb Sulturbebeutung ber farifdjen Citcratur.
205
unb 521 als SSifdjof üon Stotmin, ber £>auptftabt Don earug, ftarb. $on
feinen 760 metrifdjen £omilien ftnb gegen 300 erhalten, $ie Sieber r bie
Don ü)m in ba§ ft>rifd>e 33rebier übergegangen finb, weifen ifjn als einen
f)o^6egobten Reifer aus1. 2Ran öcrgleidje j. 58. bie folgenbe „ßlage einer
gefallenen Seele":
2Ber gibt mit uneber
Sie frönen Sterben,
28omit idj prangte,
ffJ)' idj gefänbigt ?
Söenn ®ott aud) gnäbig,
Set 9ClIexbarmer,
2Hid) uneber aufnimmt,
2öer tann bie Sdjön^ett,
Sie idj uerlorcn,
Suröcf mir fteüen?
üHein fdjöneä Söefen,
Ja* Ijerrlid) (traute
©leid) tjellem Sage,
Saä bann öerftnftert
ffrlofd), mer mad)t es
Sdjön joieber flimmern?
SÖemi burd) Erbarmen
Äudj rein idj »erbe
93on meinen Sdjulben,
28er Ijebt und) uneber
9luf jene f>öl)e,
2er tdt) entfunfen?
Sief ergreifenb muß uns fein „fiieb um ^rieben für bie Siiraje" an=
mutzen, wenn mir an bie furdjtbare bamalige 3erriffenr>eit ber orientalifdjen
Äträ)e benfen:
8olm, ber Dom Sobe auferftanben,
©döjet aus beä 3rttfjuma Sanben
Sie Ätrdje fein, 0 lafj in ifjr
Stets beinen f>etl'gen ^rieben teofaen,
Sdjüfc if>r ©efd)led)t in allen 3onen
Sürths Jtreuj bei ßidjteS für unb für!
O Sfriebe, ber bereint jum Ortiebcn
Sie ^rimtnlifd)en unb bie fjientebcu
«od) »eilen, gib ben ^rieben i&nen!
8afe ir)re Ainber ftd^er teoluten,
@cfd)ü|et unter allen 3onen
Surd)S Arcus be* Ötdjte* für unb für!
1 %I. Martin, Un eveque-poete au 5# et au 6* siecles. Revue des science«
eccleeiast 4» Sene III (1876), 309 s. 385 s.
206
3weitefi SJudj. 93ierte« flabitel.
$ie rechtgläubigen eurer fpäterer 3eit fjaben 3afob als einen ber
Sfjrigen bereit, unb noch Bffemani hat feine ftechtgläubigteit eingefienb ju
bertr)eibigen gefuebt. 9luS feinen feitber aufgefunbenen Briefen an bie 9Röncbe
bon War SBaffuS unb an $aul bon Gbeffa folgt inbeS, wenn beren 6cb>
beit üöüig f eftfre^t , ba& er als Wonopbbftt gelebt hat unb auch geftorben
ift. 3n feinem herrlichen Sroftfcbreiben an bie himjaritifeben Triften öon
flebfebrän tritt bie monophhfttifcbe Sluffaffung !aum ju Sage, fonbern bor=
wiegen* bie innigfte Siebe jum (Srlöfer, mit beffen SMfpiel er hauptfächlich
bie fchmer befolgten Triften in Arabien ju tröften fucht. Gr mar, mie aus
jenen anbern Briefen heroorget)t, in bem Söahne befangen, ba| bie Cebre
beS GoneilS bon Ghalcebon bie Einheit in Ghrifto serftöre, etwas ftrembes
in Ghriftu* hineinlege unb fo bie göttliche Etajefiät Gbrifti herabminbere.
Ob er babei guten ©laubenS gemefen fein !onnte, ift, bei bem bamaligen
religiöfen 2Öirrmarr, ferner ju fagen1.
Safob oon Sarug hat uns auch eine ber früheften unb merfroürbigften
SUejanberbicbtungen binterlaffen 2. Sie beginnt unb fcblie&t mit einem
fchmungboßen ©ebet. 3n ber (Stählung felbft wirb ber macebonifche Er-
oberer als „gläubiger tfönig" gefchilbert unb als feine ^auptthat bie 6r=
richtung jenes Stores aufgefaßt, melcheS Hgög (®ög) unb 9Häg6g bon ben
cbriftlicben Sßölfern abmehrt unb erft am jüngften Sage geöffnet merben roirb,
menn jene furchtbaren Horben über bie SBelt hereinbrechen unb bie 9Kenfch=
heit ausrotten follen.
« Astemani, Bibl. Orient. I, 283 sq. — Acta Sanct. Bolland. Oct, XII,
824—831 ; 927—929. — Abbeloos, De Vita et Script« S. Iacobi Batnarum Sarugii
in Mesop. Ep1. Lovan. 1867. — Bickeli , Conspectua p. 25. — Stjalbofer,
SBibl. LVIII. — 3ingerle, groben fortfetjer 5Poefte aus 3taIob öon ©arug (3eitfd)rift
ber $eutfd)en SJtorgenlänb. ©efettfä). XII, 117; XIII, 44; XIV, 679; XV, 629; XVIII,
751; XX, 511). — 9t. Schröter, ©ebid)t be« 3atob bon ©arug über ben ^alaft,
ben ber «boftel Shomaa in 3nbten baute (ebb. XXV, 321; XXVIII, 584J. —
Martin, Lettre» de Jacques de Saroug aux moines de Couvent de Mar Bassua
et ä Paul d'Edesse (ebb. XXX, 217—275). — Hnbere ©ebriften brt^atob öon
©arug finb: Oratio de Habibo, Guria et Sbammona martyribus de Edessa
(Cureton, Ancient documente p. 86); De curru Ezecliielis (in Zingerle-ifoeMnger,
Monumenta Syriaca) ; Encomium S. Symeonis Stylitae (Acta Martyrum ed.
St. E. Assemani II [Romae 1748], 230).
• 35er fürifdje Sert herausgegeben öon Knös, Chrestom. Syriaca p. 66—107. —
E. W. Budge, Alexander the Great and Gog and Magog in ber 3'itfönft für
Hfforiologie VI, 357 ff. ßngl. lleberf. öon bem f., The History of Alexander the
Great (Cambridge 1889) p. 163—200. SJeutfcbe Ueberfefrung öon 8. SB e ber,
$e« aitär Daqüb ©ebiefct über ben gläubigen «önig Hlejanber (»erlin 1852), unb
öon P. tyiui 3i"8erle' ®ln oWcÄ forifö** Äleranberlieb (herausgegeben öon
3. 3ingerle. »rünn 1882). — ©ine $robe in SEÖ o f f f , (Slafflter aller 3eiten
IVB, 480. 481.
äBetterer Verlauf unb Gulturbebeutuiiß btx fgrifdfjen Sitetotur. 207
Sllejanber fammelt alle Sürßen unb Heerführer feines Meiches um fich
unb erflärt Urnen, er wolle aussen unb bie berfajiebenen Cänber ber
2öelt feb>n, befonberS aber baS 2onb ber 3?injierniß. 3uevft bewältigt er
SJcacebonien, baS fic^ in betoaffnetem Sufftanb wiber ilm ergebt, unb fajlägt
bann [einen ©ifr in ber £autotftabt $Cgt)ptenS auf. ©eine £cerführer
machen ihm nun ©chmierigfeiten wegen beS weitem SBegeS unb erflären es
für unmöglich, über bie „ftinfenbe ©ce" gu fommen; ober er bleibt bei
feinem (Sntfcbjufe, läßt ©djiffe auSrüjien unb bemannt fie mit feinem £>eer,
1300 <Dtann bon ben Wmöräöe unb 12000 Söerfleuten, bie ihmSürnaq1,
ber ßönig öon Wegnpten, gefanbt. 9?adh biermonatlidjer Steife lanbet er
in 3nbien unb marfdjirt bann norbmärtS. 9ta<f)bem er ben ^rieben pro:
elamirt, erfahrnen 300 ©reife bor ihm unb begrüßen ilm als Äönig. (5r
fragt fie nun nach bem Sanbe ber Sinflerniß. ©ie entmicfeln ihm, wie
ferner eS fei, bafun ju gelangen. 35a er inbeS feft bleibt, besprechen fte,
mitgeben ju wollen. Stuf bie ftrage eines ber Gilten, was er benn eigentlich
beabftchtige, gcfteht er, er fuche bie Duelle beS fiebenS. ©ic erteilen tym
nun einen boppelten SHatb, : erftlich f äugenbe ßfelinnen mitzunehmen unb bie
Kütten baheim ju laffen, um burcb, bie liiere, falls er fidj berirrte, ben
9lücfmeg wieber ju finben — unb jweitenS feinen #och einen gefaljenen
ftifch mitnehmen ju laffen: ber müffe bann in jebem Strom ober Duell
gemafdhen werben; in ber Duelle beS SebenS würbe er bon felbft wieber
üum Seben fommen.
SBeibeS gefdneht. 3n einer Duelle wirb ber $\\$ wirlliaj lebenbig
unb entfchlüpft bem $odj. Slleranber will nun in ber Duelle baben, aber
eS wirb ihm oermehrt. 6r jie^t weiter unb gelangt &u bem 9teich beS
Stübarlifi, wo bie Hölter ©6g unb Sttägög wohnen, ©obalb ber flönig
bon SlleranberS 5tnfunft l)ört , bietet er 62 anbere Könige auf. ÜBor ber
©djlacht erfcheint 9Uer.anber ein ßngel unb oerljeißt ib,m fiebern Sieg.
SBirfliaj erfämpft er mit ben ©einen einen glänjenben Triumph, Sübarltfi
wirb gefangen. 5Heyanber baut barauf ein ehernes 2b>r. um bie ©og
unb 9Ragog für immer bon ber bewohnten Gsrbe auSaufcfcliejjen. 3n fedjS
Monaten ift baS große ÜEßert boüenbet unb wirb mit einem ^freubenmab,!
gefeiert. Abermals erfcheint 5lleranber ein (Engel im Traume, erteilt ihm
9lnorbnungen , wie er ben gefangenen ßönig behanbeln unb beffen Sänber
bertheilen foQe, unb fdjilbert ihm fobann bie Uebel, welche im 7000. Safcre
über bie Söelt hereinbrechen follen, wenn baS %fyot geöffnet wirb. Sllejanber
felbft propr)e^eit nun, wie Daniel, ben Seituntergang unb baS furchtbare
SBeb^e, ba§ bie 9Henfchheit ergreifen wirb, wenn ©og unb Wagog loS-
ftürmen unb bie ganje 9Belt überfchwemmen. $)iefe ©chilberung ift bon
1 S»et «Parifer 2ejt fat ©driq.
JOS
3roeited SBud). SBicrteö flapttel.
großer poetifcher ßraft, aüerbingS mit 3u&i*hung ber gewaltigen biblifchen
SReminifcenj\en, aber felbftänbig gruppirt unb burchgeführt.
9öenn ftcfj bafl erfüllt, bann totrb menfdjenleer bic grbe trauern
Unb in Srfimmern ähirg unb £>orf unb ber größten ©töbte Sttaucrn.
9lur äerftreut toirb ba unb bort nod) ein 9teft Don 9Henfd)en (eben,
Unb bann wirb bei* Slntidjrift ald <äüf)txr]^n fid) ergeben.
Turd) bied Ütjor wirb ber SRebetl, toirb ber ßügner tämpfenb bringen
Unb, toie eö üerbeifeen toarb, ftcgcetCr) (£f)rtfti SReidj bejnnngen;
Unb e« fdjtcDpt fein 2eufetStro&, 9kcbtbämonen, böfe ©eifter,
2tUea, n>a* nod) lebt unb webt, fmlbigenb Dor ihren SReifter.
Stöfmenb feufot bie €rbe auf: ,#err, Erbarmen! Rettung fenbe!
$enn id) fd)madjte iobedtounb — unb bie flrafte gefcn au Gnbe."
Sic Wcftorianer bereiten als ihren £auptbichter ben bereits ermähnten
Warfes (Warfai), ber etwa um 490 ober etwas fpäter aus (Sbeffa bertrieben
mürbe, feine &hrthätigfeit bann in WftbiS fortfefcte unb am Anfange beä
folgenben 3ahrfmnbertS bafelbft ftarb. Sie 9Wonopht)fiten nannten ihn ben
„WuSfä&igen", feine (StfaubenSgenoffen „bic £>arfe beS ^eiligen ©eifteS".
Äußer ßrflärungen 511 mehreren %ty\\m ber Söibel, bie Gbeb:3efu ermähnt,
fall er eine Wrt Don „©eiftlichem 3afjr" ^interlaffen haben, b. % eine Sanum
hing bon religiöfen Sichtungen auf alle Sage beS SaljreS, bie bei ben
Weftorianern %u großer SBolfSthttmlidjfeit gelangten, Don benen aber bis je|t,
unb jroar erft fürjlich, nur 25 wieber aufgefunben »orben ftnb1. 9teun
baoon ftnb baburch bemerf enSmerth , baß fie einen Änfafr ju bramatifdjer
5jßoefte enthalten. Ser Sichter leitet nämlich ben religiöfen «Stoff erft epifch
ober l^rifdr) ein (in einem fürjern „^Jl&rnrc" genannt) unb entwidelt
it)n bann weiter in eigentlichem Dialoge (Süghithä genannt) äwifdjen groei,
brei bis ju Dter Sßerfonen. So 6er)anbelt er baS (deheimniß ber S3erfün=
bigung in einem Sialog jmifchen SJcaria unb bem (Sngel, baS ber (Spiphanie
in einem folgen jmifchen 9Jiaria unb ben heiligen brei ÄÖmgen. 3>n anbern
2ßed)fel(icbem ftnb bie rebenben ^erfonen ftain unb 9lbel, ©hriftuS unb
Johannes ber Käufer, (^^rtftuS unb bie ^f)artfaeT< ^(jiariuS unb GbrtfluS,
ein torannifcher Äönig unb bic Don ihm Derfolgten ^cartprer, ber Cherub
unb ber gute Schacher. 3>n einem treten außer Johannes bem Säufer unb
jperobeS auch baS 9?oIt unb bie Kirche auf. Sie Ausführung ift breit unb
(eibet an t)äufi^ert Sieberholungen, roie faft alle fprifche ^ßoefic ; aber bie
Stoffe pnb Durchweg wirtlich poetifch, DolfSthämlich aufgefaßt, unb ber
Sialog ift frifch, lebenbig infeenirt.
1 Gbuarb Sadjau, (Eine 2enjone Don Btarfed. 9Ut« unb neuforifd).
Stfcung*üerid)te ber lönigt. $reu&. «tabemie ber 2ßiffenfd). (Berlin 1896) S. 194 ff.
$er SluSbrutf „Üenjone" ift ^ier aber nid)t in bem engern Sinne ju nehmen, ben
er in ber ^oefie ber ÜroubabourS fyat, fonbern (ebiglid) im Sinne eine« bialogifdjen
©ebidjte«. — Sgl. 2f. 3f e I b m a n n , Stjrifdjc 2Bed)feIIieber Don 9tarfe«. Seipjig 1896.
Weiterer »erlauf unb gulturbebeutung ber fhrtfdjen ßiteratur. 209
3n bem $ialog „$er (Sf>etub unb ber Sdtfcfjer" bcftc^t bic Einleitung
aus 7 Strophen, ber eigcntliaje SSetffelgefang au§ 22 6rrop$en unb ebenfo=
Dielen (Segenjrropfjen. £ie Einleitung berietet baS (Sebet be§ Sdjäc&erä am
Äreuje unb tote ber ©efreujigte baSfel&e fjulbboll aufnimmt, bem Reuigen
baä ^orobieS &erfprid)t, u)m ba§ flreuj als ^arabiefe«fd)lüffel unb fein
2Bort als öeglaubigungäfc&reiben mitgibt unb ifm fo entläßt. $odj ber
Efjerub mit bem ftlammenfdjroerte bemalt baö $ljor unb Ijält ben neuen
Slntflmmling auf.
6b,erub. Sprid), 2Jlann, mai leitet beinen Stritt biertjer?
SBai nnttft bu b,ier? unb toai ift bein JBegebr?
SOBai ift ei, toai ^ier^er bein Streben tuanbte?
20er ift ei, ber an biefen Ort bid) fanbte?
Sd)äd)er. ©ern miß td) fügen, toai bu ^aft begehrt;
Srum bor mict) an, unb tjotte ein bein Sd)toert.
ein SH&uber toar td), bod) mir ift »ergeben ;
Sein $err fd)idt raid), bamit id) i)icr fott leben.
6^ er üb. ©in SRauber btft bu — fo geftebt bein 28ort.
9tid)t laßt ftct) rauben biefer ^eil'ge Ort;
Sin blanfer Speer eertb,eibigt fein ©ebege.
Srum gebe, 9Jtann, bu bift auf falfd)em SBege.
®d)äd)er. SOßobl toar td) {Räuber — bod) id) bin befebrt,
3tad) feinem Staube mebt mein Jperj begehrt.
Sen Gd)(üffel Sbeni t)ab' id) mir erbeten,
Um frei burd) feine Sfyore einzutreten,
ßfjerub. Siefrft bu nidjt meine« Sdjtoertei ftlammenglutb,
Sem anüertraut bei ßebenibaumei #ut?
9lbam ift fä)ulbbetou&t oor ibm entflogen —
Unb bu jagft nictjt Dor feiner Glinge Proben?
Sd)äd)er. Sai 3"d)en beinei §errn fürjr" id) mit mir.
Stumpf toirb bein Sdjtoert oor feiner Stegeijier.
@i toenbct ab ben Urtbetfifprud), ben b«rten,
Unb fübrt ttbam jurücf jum SBonnegartcn.
Kljerub. @i thronen biet in ftiHer &errUä)reit
Ser @nget Solaren, d)ortoeii ringi gereibt.
Su jjäblft fie nid)t, bie Sielen Millionen;
2u tannft — ein Sunber — nidjt mit ibnen »ofjnen.
Sd)äd)er. Ser (fugel Sd)ar, unb toenn aud) obne 3afjl,
SBirb ebrfurd)tiöott mid) grüßen adjumal,
Sd)aut fU bai Äreuj, bai id) jum ©ruß fott reid)en,
Sei ©otteifofutei eto'gcs Siegeijetdjcu l.
Rreuj entf Reibet benn aud) enblttfj ben $)iSput am $arabiefcS=
tfjor, unb ber Gtyerub preift bcrcint mit bem feiigen Sdjäc&er ba» Merbarmen
be* getreusten Grföjer§.
1 (Stroai freier uberfefct naä) ber tobrtlidjcn Ucbertragung oon 6 b. Sad)au
a. a. C. S. 204—208.
Saumgartntr, »»tltliteratur. I. 14
210
3tt>eite$ 5Bud>. Sterte* Äapitel.
6inc merfmürbige (SrfüVinung be§ folgenben SabrbunbertS ift ber
fogen. „Eraberbifdjof" ©eorg, ber, etwa um 640 geboren, 686 jum SBifdtjof
orbinirt, 724 jtorb. Gr wirb „Söifdwf ber »ölfer" genannt, b. er
pafiorirte ate 9)iiffion§bifcbof bie nomabifaVn ©tämme, melay ben norb=
öftlidjen 9tanb ber Wrabifdjen Söüfte beroobnten, än)if(feen #ira unb 9tnt<ir
unb f Ablieft bon C)tüeD bi§ na« 'BtdMi (ßüfa), bie Sanmfciten, Seiten unb
9lföliten. Zxofy be§ mit einer folgen Stellung öerbunbenen SöanbertebenS
fanb er 3«t . M m^ Dcn berfduebenfien ©tubien ju befdjäftigen. ©eine
©ebidjte („lieber ba3 ©alböT, „lieber bie ©acramente" u. f. n>.) t)abeit
wenig poetifajen 933ertl) ; bod) au§ feinen übrigen SBerfen ergibt fia), bafc
er „nidjt blojj auf ber §ölje ber 2öiffenf$aft feiner 3«* ftonb unb fomit
bie gelehrte SMtbung ber fürifdjen ©cifilid&teit feiner 3"* in ebenfo bieU
feitiger unb djarafteriftifdjer 2Beife repräfentirt , fonbern bafc er auch burö)
feine Umfidn" unb feinen ©dmrffinn, burdj fein treffenbeä Urteil unb feinen
freien 53lirf unter ber grofjen $Renge ber forifeben ÖeleJjrten weit Ijerborragt
unb ben befien Sefjrern ber tfirdje ©nrien*, ja ber «rifflidjen #ira> jener
3eit überhaupt an bie ©eite ju ftellen ift" *. Gr war fefyr mofjl bewanbert
in ber ^eiligen ©d)rift, in ben griedjifaVn #ird)enDätem , in ben frühem
ortf)obo£en unb monopfmfitifaVn ßiraVnfdjriftfteüern , befaß ausgebreitete
matljematifebe unb aftronomifdje Äemrtniffe unb überfe&te nnfebnlidje Steile
bon ben ©Triften be§ 9lriftotele§.
2öäf)renb ba§ öcrftümmelte Gfiriftentfjum ber 9?eftorianer unb Wono-
p&öfiten unter ben Werfern unb fpäter ben Arabern wenig SebenS= unb
jieljungSfraft bewährte, ift bie literarifdje &bfttigfeit iftrer ©eteljrten biefen
JBötfern unb burd) fte fpäter wieber bem 9(benblanbe ju gute getommen.
9?ad) ber gewaltfamen 9luflöfung ber ©djule bon (5beffa (489) fanben ftdj
biete 9Jtitglieber berfelben mieber in 9tifibi§ jufammen, anbere jogen naä)
©onbifdjäpür, einer ©tabt jmifa^en ©djufter unb Sijful in #l)üfiftän, weldje
©d)äpür I. burdji römifdje (Befangene r)atte erbauen laffen unb in meldjer
fiaj unter ben fpätern ©affaniben eine angefefjene ^odjfdmle entwidelte2.
$)urd) biefe ©dmlen mürben bie fleißigen UeberfetutngSarbeiten ber forifdjen
9ftönd)e ben Werfern oermittelt unb brang ein Sbeil ber grieajifdjen Öilbung
ju ben 33ölfern beS 3>»lam.
3)ie gelehrten Stiftungen ber ©tyrer fmb nod) nidjt in üjrem ganzen
Ilmfange erforfebt. ©ie fajeinen fid) jebod), mit 9tu3fd>luf$ ber altgriedjifd)en
1 95. Riffel, ©eorgä bed Sttabctbi^ofd ©ebiäjte unb »riefe (Seidig 1891)
3. xvm. 2> et f., 6in »rief ©eorg«, 5Bifd)of$ ber 3lrober, an ben «Premier
3efu8. 1883. ~ Lagarde, Anal. Syr. p. 108—134. — Wright, The Homilies of
Aphraates p. 19—37. — Hoff mann f De hermeneuticis apud Sjtos Aristoteleis
p. 148-151.
» 3ufti, ©efä^id)te beö alten Kerpen« (Söerlin 1879) S. 184. 211 ff.
aöeiterct ©erlauf unb ©ulturbebeutung ber forifdjen fiiteratur. 211
^3oefte, 58erebfamteit unb ®efd)id)tfd)reibung, auf ptjilofophifttje, matf)ematifd)e
unb naturmi|fenfchaftliche ©tubien befcfcränft ju haben. $er Weftorianer
SßrobuS (^röblja) übexfe^te unb commenttrte bic $üa>r beS WrifioteleS
TTspi kpfjtyvsias unb anbete Sfjeile beS OrganonS ». 35er jafobitifäje ^riefter
unb 9Irjt ©ergiuS bon 3cäfain2, ber 535 als Unterbänbler in firmen
©rreitigfeiten nadj 9Intioä)ien unb ftom tarn, ben gkpft Wgapet nad)
ßonfrantinopel begleitete unb 536 bafelbft ftarb, überfefcte nia)t nur $ahl=
reidje ©Triften beS BriftoteleS, fonbern auä) mehrere ©d&riften beS ©alenuS,
bie Sfagoge beS ^orphgriuS, bie Ars grammatica beS $ionöfiuS %f)xax,
unb fdjrieb felbft mehrere t>r)ilofop^tfc^e Sractate. ©eine Ueberfefcung ber
^tjofit beS 9lrijtoteleS roirb öon iftbffel als „ein 5Jleifterroerf ber lieber^
fefcunaSiunft" bewidmet 8.
^ßaul ber ^erfer, ebenfalls ein Gommentator beS WriftoteleS , gelangte
am £ofe beS ©d)at) ÄtjoSru I. 9tnöf(fcirDän 311 fiofjer ©unjt, bulbigte aber
mehr beut profanen Riffen als ber Geologie unb fam fogar in ben 9tuf,
bie Religion 3oroafterS angenommen *u haben. £es SlraberbifdmfS ©eorg
unb feiner ausgebenden (Belefjrfamfeit b>ben wir jdmn gebaut. $er jato--
bitifa> S3ifa?of ©eberu* ©eböfht trieb ebenfalls ariftotelifd>e ^hilofophie,
Slftronomie unb ©eographie. Der ÄatholifoS £enän=ifbö erflärte um 686
bie Analytica beS WriftoteleS , unb ber neftorianifche 2)tön^> $>abib bon
$etf> labbern fchrieb eine Wbhanblung über „$ie Örenjen ber Älimate unb
ßänber unb über bie Söeranberungen Don Sag unb 9taü)t\ @in anberer
ÄatbofifoS, mät Slbha IL, 741 ju biefer Bürbe erhoben, lieferte einen boU--
ftänbigen Kommentar ju ber Sialeftit beS SlriftoteieS 4 ; ber Weftorianer ©eorg
33ar $6fhtaf!)ö bon Gtonbifchäpür rourbe fieibarjt beS Äbalifen 911 Eianjur
(754—775) ju 99agbab, nadjbem eS ihm gelungen mar, ben mädjtigen
£>errfcf)er bon einem ÜWagenleiben $u befreien, gegen meldjeS beffen arabifdjc
5lerjte feine öilfe mußten. 9Cuf ben SQBunfdr) beS ^ Kalifen mußte er hierauf
mebicinifdie Söerte ber ©rieben aua) ins Srabtftfce überfein, unb es bt=
gann nun nicht nur ein mächtiger Ginflufj ber fbrifdjen Triften auf bie
Kalifen unb it)re arabifa>perfifä> föeleljrtenroelt, fonbern auch, jene Pflege
ber griechifdjen 2öiffenfd)aft , roeldje bie Araber jeitmeilig 311 .^auptträgern
beS SlriftoteliSmuS unb beS ^feubo^riftoteliSmuS mad^en follte. ©abriel,
ein ßnfcl biefcS ©eorg, marb ^ofarjt unb Vertrauter be» Dielgefeierten
ßt)alifen ^)arün al 9iaf(bib. 6in anberer ©t)rer aus ©onbifajäpür, ^ub^annd
ibn 2Käfamcib,i, lehrte Mebicin ju Vagbab, mobei er 2krfua> mit SBioifection
* Wright, Short History p. 64.
* Ibid. p. 88—93.
» 58. 9t ») f f e I , Ueber b«n tejtf ritifäen Söert^ ber fl)rii^en Ueberfetfungen grie*
«if^et «laffifer I (1880), 4; II (1881), 10.
* Wright, Short History p. 122. 137—139. 156—159. 181-184. 187. 188.
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212
3»eite* JBudj. ©terte* Äapitel.
aufteilte, unb mürbe bann Seibarjt beS Äf>alifen 9(1 Stfa'amün nnb feiner 9*ad>
folger ÜHo'tafim unb 9Bätf)if K Unter 3u$annä flubirte §onain ibn 3§'d>äf,
ein Gfjrift aus £)ira, ber fid) inbes mit iljm überwarf unb einige 3«t nad)
©riedienlanb ging, um fiaj mit ber griednfdjen Spraye unb Öiteratur ba=
felbft genauer befannt ju madjen. 3to<$ feiner 9türffef)r Seibarjt be* Kalifen
511 SJlutamaftil geworben, berfapte er nidjt nur Ueberfefcungen dorn ©riea^is
fa>n unmittelbar ins Slrabifdje unb felbftänbige mebicinifdje SBerfe, fonbern
mibmete ftö) audj eingeljenber Arbeit über fnrifdje (SJrammatif unb 2erifo=
grapse2.
Sei allem ftormenreidjtfjum mar baS 9trabifdje bamalS nod) nid»t
tec&nifd) für p&ilofopt>if#e Speculationen nnb naturmijfenfojaftlia^e Unter»
fudfrungen fjerangebilbct, waljrenb baS Smifc&e fc&on bur# bie tljeologifc&en
unb plulofopfnfaVn Arbeiten mehrerer 3al)rf)unberte baju gefault unb ge=
mobelt roorben war. Sie bie mofjammebanifd&en Sa^riftfteller anerfennen,
mar eä Jponain ibn Ss'ajäf, ber burcf> feine grünbliaje Äenntnijj ber brei
Spraken juerft bie großen Sdjmierigfeiten überwanb unb bie ifmt jugäng=
liefen Söerte beä ©alenuS wie aud) einige be* SlriftoteleS in ein gutes
2lrabifd& überfe|te. <&o t)at er bie ©runblage jener auägebelmten miffen*
fdjaftlidjen Literatur gefd&affen, weldje bie Araber bann felbftänbig auf biefem
©ebiete entfalteten. 2öftf)renb ber ganjen SBlüÜjejeit ber ©d)ulc bon 33agbab
(im 9. unb 10. 3a$r$unbert) blieben e§ inbes fünfte ©elefrte, wela^e jene
©runblagen nod) meljr erweiterten unb bie Araber mit ben rcidjften
Teilungen über gried)ifd)e ^ilofopf|te , Watljematii unb Mrjneilunbe ber=
faf)en. ©emöljnlidj überfefcten fie bie gried&ifdjen 2Berfe juerft in§ ©nrifaV
unb oon biefem bann in§ Slrabifdje; bod> ftnb, wie eS fdjeint, iljre forifdjen
Ueberfetjungen faft au§naf)in§Io§ Derloren3.
Mittelbar banft inbeS aud) ba§ Slbenblanb bie ßenntnifl be* Wriftoteleä,
b. f). bie ©runblage ber mittcIalterliaVn ^ljilofopf)ie unb 9laturmiffenfd)aft,
bem immenfen Sleifce unb ber ftanbfjaften Arbeit ber <Sörer.
1 31. ^filier, ©er 3*lam im «morgen« unb Mbenblnnbe I (»erltn 1885), 511.
8 Wright I. c. p. 211 f.
3 ©ingeljenbereö hierüber bieten : 30 ü ft e n f e 1 b , ©efdjidjte ber arabifdjen Sterjte
unb Waturforfdjer. ©öttingen 1840; Flügel, Dissertatio de Arabicia scriptorum
Graecorum interpretibus. Misenae 1841 ; Wenrich, De auetorum Graecoruni ver-
sionibus et commentariis. Lipsiae 1842 ; Rman, De philosophia peripatetica apnd
Syros (Parisiis 1852) sect. 8, p. 51 ; 9JL 6 1 e i n f d) n e i b e r , ?U.ftarabi («Ip^ara»
biufl) beö arabifdjen ^r)ilofot)^en ßcben unb 3d)riften (Mämoires de l'acad. imp. de
St. Pttersbourg. Toni. XIII. Nr. 4). Seipjig 1869; 81. 351 ü Her, Jl5ie griedjüfcben
tpi)iIofopr)eit in ber arabifd)en Ueberlieferung. §aüe 1873; IL SDlers, groben ber
ft|rif(6.en Ueberfe^ung mx ©alenuS* 6ä)rift über bie einfachen Heilmittel (3eitfd)rift
ber 2)eutfd)en SKorgenlonb. ©efeHfd). XXXIX, 287-305). 9K. Steinfdjneiber,
Xk arabiföen Ucberfe^ungen aus bem ©riedjifdjen. ßeipjig 1889.
Weiterer »erlauf unb ©utturbebeutung ber fartfäen Siteratur. 213
2luffaflenb ift r bafr fidj bei bem fonft regen geiftigen SBerfeljr fo gut
ttrie nidjtä bort ber altflaf jtfdjen Silbung ber ©rieben in ©mien eingebürgert
r)at. 3)a SofiliuS unb bie anbern griedjifd)en Äirc&enoäter , bie Don ben
Syrern biet gelefen mürben, bie griednfdjen Älaffifer burd)auS nidjt ab=
leljnenb beljanbelten, maren religiöfe ober aScetifdje ©rünbe hierbei foum im
Spiel, fonbern bie SBerfdjiebenljeit beS 33olf sgeifieS , ber Spraye, beS ©e=
frfnnadfs unb ber gefamten früt)ern Qsnttoirflung. $er leiste, fpielenbe ©inn,
baS feine ©djöntjeitögefübj, bie tfyeatralifdt)e Hnmutlj, bie ben ©rieben an=
geboren, fehlte ben Syrern faft böflig. dagegen neigten fic jur ©pi|finbig=
feit , ju übertriebener $efchaulia)teit unb Grübelei, ju feierlichem religiöfen
ßrnfie. $ie SUeranberfage , bie in brei fprifdjen Bearbeitungen borliegt1,
ift bei ifjnen ju einem religiöfen Stoff geroorben, ber macebonifc&e gröberer
SU einem (fc;rifHid>en tfönig, ja jum apofatcjptifd&en ^ropljeten. 9luü) bie
^r^Iungen über Sulinn ben Abtrünnigen 3 Reiben biefen religiöfen 3ug.
2Ba£ bon inbifet/er grjäfjlungSliteratur nach, Serien gebrungen, mie
„Staiüatf) me $amnagr)" 8 unb „©inbbän ober bie fieben toeifen SReifter" *,
fdjetnt aus bem Sßebletoi überfefct unb t)at alfo ben 9Beg über ^erfien ge=
nominen, roatjrfa>inlicb, erft, als biete ©orer p<&, in ^erfien niebergelaffen
bitten. SBerfuc&e eigener gr$äb,lungSfonft treten erft in ber legten 3eit auf.
dagegen beftyen bie ©ijrer eine anfeljnlidje 3afil roertbbofler gefc^icOtli^er
©Triften, unter benen bie 6t)ronif bon Gbeffa, bie ©efcbiajte beS Sofwnn
bon (SpbefuS, bie Äirdjengefdnd&te beS 3adbaria§ 9ifjetor u. a. fcrborragen,
befonberS aber bie in brei feilen 2öelt= unb tfircbengefa)ia)te umfaffenbe
Gt)ronif8 beS ©regor 9lbu'I^arabfap, genannt SarbebräuS.
1 Sufjer ber fdjon ermähnten beä ^atob Don ©arüg eine auäfubrlid)ere Söe«
arbeitung bes ^)fcubo--Jlalliftf)ene3 unb eine fürjere ^Bearbeitung, n>eld)c nur #ap. 37
bU 39 bei ^Pfeubo'Aaltiftbentf auöffibrt, aber mit Dielen 3utf)aten, befonberä mit
einer intereffanten @ä)ilberung ber Hunnen (Hünaye). Budge, The History of Ale-
xander the Great. Cambridge 1889.
2 Veröffentlicht öon fcoffraann, Outiano« ber »btrfinnige. Seiben 1880;
Hu*jug Don Dtölbefe in ber 3eüf<fcrift ber 3)eutf^en SJtorgenlänb. ©efellfö.
XXVIU, 263—292; DgU ebb. XXXV, 703 ff.
5 Heitere Raffung (aud bem 5. Sabrljunbert) Deröffenttidjt Don 58 i cf e II
ßetpaifl 1876; fbötere Raffung (8. 3abrb>nbert) nad) arabifttjer Vorlage berau*«
gegeben Don ft eith'Sralconer 1885 unb Sörtgbt 1884.
« §erauagegeben Don2friebria^a9dtb,gen Öetpjig 1879 (föüfö unb beuifdrj).
Vgl. 3ettförift ber 2>eutfä)en SÖtorgenlänb. ©efettfd). XXX1IJ, 513 ff.
* 5)iefe (£t)ronif, eine §auptquette Sffemaml, ift eine* ber toidjtigften SSßerfe
für profan» unb Äirdjengefd)tdjte be« Orient«. 35er erfte £b,etl (SBeltd&ronif) b«au«»
gegeben Don P. I. Brun« et G. W. Kirsch, Abulfaragii Chronicon Syriacum.
Lipsiae 1789; arabifd) Don P. Salhani S. J., Hiatoire des dynaaties d'Abu'l-Farag.
Beyrouth 1890. 3)er jtoeite unb britte £beil (Äirdjendjromt) I)erau«gegeben Don Lamy
et Abbeloos, Chronicon ecclesiasticuui. 3 voll. Lovanii 1872. 1874. 1877. 9leue,
214
Smitti JBudj. SHerte* flapitel.
Söarljebräuä (33ar 'GbhräDä, geb. 1226, gefi. 1286) fteln" als ber
lefcte unb größte in ber langen fteit/e bcr jafobitifa)cn ©cbriftfteller ©mienS.
@r mar, rote ber 9iame fagt, ber ©olm eine« Suben, nnb jwar eines
jübifdjen NrjteS, ber fid) aber bereits betn Gbriftentrjum jugemanbt fatte.
Sein Saufname mar 3obann, als SMfdjof nannte er ftd) ©reger. 9lbu'l=
ftarabfd) ifl fein arabifdjer ©einame. (Sr lernte frü> ©riedjifd) wie 51rabifd),
ftubtrte Geologie, ^ß!t)iü>fopr)ic unb SRebicin jugleia), marb mit 20 3a|)ren
fdjon junt 33ifdmf gemeüjt unb erlangte 1264 bie Söürbe eines Wapljriän,
bie nädjfie nad) bem ^atriardmte. S£)urdr) feine ©efdjicflicbfeit als 9lrjt
geroann er baS Vertrauen beS SRongolenfürften £)ulagu unb erroarD Don
ilmt ©djonung für bie Ü)m untergebenen (S^riften. Cbroobl beftänbig bon
fircbJidjen ©orgen nnb ©efebäften in 91nfprud) genommen, fanb ber geniale
2)iann nod) al§ ^ol^iftor faft alle Söiffenfdjaften jugleid) ju treiben
unb über bie berfdjiebenften ©egenftänbe roertfrootte ©djriften ju oerf äffen;
(Sreget, biblifdjer lertfritifer, 3)ogmatiter, Sßolemifer, Ganonift, ariftotelifdjer
^bilofopb, SRebiciner, Slftronom, üRatljematifer , ©eogranf), piftorifer —
unb fogar SBelletrift unb $)id)ter in einer Sßerfon unb jmar mit faft gleicher
©ewanbtbeit in jmei ©bradjen, fnrifd) unb arabifd). 9ln SBielfeitigteit beS
Kiffens überragt er entfdjieben ben ^erfer 2lbicenna; baS 3^ uns
ermüblidjen Xbätigteit ging babjn, feine ÖanbSIeute mit ben (Srgebniffen
nwfjammebanifdjer ©elefirfamfeit befannt ju mad)en, anbererfeits aber bie
fbrifdje ©brac&e unb Siteratur, bie unter ber £>errfd)aft ber Araber unb ^erfer
fd)on lange am ©inten mar, triebet neu ju beleben. Ueber bie bnbofrati}d)c
Union in (SljriftuS fbridjt er ftd) mitunter in nabeju fatholifdjer 2öeifc aus \
febr fdböne Xuägabe »on P. Bedjan, Gregorii Barhebraei Chronicon Syriacum.
Paris. 1890.
1 %'\t au*gebebnte Siteratur über JBarfjebrauä fier>c in äBefeer unb STOelte'«
Äircbenlerilon (2. tlufl.) Sirtitel „©atbebräu*", unb bei Wright, Short History
p. 265—281. — F. Ntre, L'Armenie chretienne (Loavain 1886) p. 888—400. —
ßine trefflidje Sbaratteriftit bei Nöldeke, Sketches p. 286 — 256. — lieber bie poe«
tiföen Seifrungen bti SBarhebräuä bemertt 9lölbele (1. c. p. 255) : Barhebraeus wrote
metrical piecea also. He has certainly none of the gifte of the heaven-born
poet. These compositdons have neither fancy nor passion. He writea thera
with his understanding , partly after the pattern of older Syrians, partly on
Arabian and Pcrsian models. The didactic wordiness of the Syrian poetry is
often also apparent. But the skill and elegancc, with which he handles the
unpromising materials of the ecclesiastical language, is worth of recognition, and
he shows spirit and taste, espocially in the short epigrammatic poems. He is
further entitled to the credit of being almost entirely free from the verbal con-
ceits which were so greatly affected in the poetry of that time. Uenerally
bpeaking , he can fairly be put on a level with the average Arabic poets of his
age and certainly above most of the Syriac. Altogether he was onc of the most
eminent men of his church and nation.
©eiteret »erlauf unb Sulturbebeutung ber forifäen ßiteratur. • 215
$ie 9leftorianer t)abm% in biefer legten ^eriobe feinen Sd>riftfieller
aufeuroeifen , ber ihm an ftütle unb 2Rannigfaltigfeit beS SBiffenS, ©eift
unb Sdjarffinn gleidtfftme. 2)aS „SBienenbudj" (Sletbäbhä bf)e Df}ebörin)ä) 1
beS Shdemön Don ftbjlat, ein unbeholfener SJerjua), tbeologifcfae unb b,ipornd)e
llcberlieferungen $u berbinben, tann fto) mit ber genauen unb berläfuidjcn
ÄiraVnfronit beS SBarhebräuS nic^t meffen. dagegen traten unter ben
$eftorianern um bieje Qeit noch mehrere geiftlicfoe SMdjter auf, bie große
i*olfSthümlid)feit erlangten: ©eorg 2Barbä bon 9lrbela (um 1224); ÜÄafüb
(um 1242—1258); äfjamiS bar Äarbäbe, ein jüngerer 3eitgenoffe beS
33arb,ebräuS; ©abriel Äb,amjd (bie „£euf abrede", um 1281); Johann bon
Moful (jmija^en 1245 unb 1280).
SJerhängnifeboll warb biefen Richtern baS öeftreben, im Snrifihen bie
Äünfiliajfeit unb Reinheit ber arabifd&en unb perftfdjen $iajter nachzuahmen ;
fie berfielen babei ins «Wanierirte, ©efuebte unb ©ejmungene, unb ba fie
auch bon ber alten Siebhaberei für Sllrofticha unb anbere Spielereien nicht
laffen tonnten, berirrten fie fid) immer mef)r bon ben ^3faben beS einfach
Schönen2.
tiefem £oS entging auch nic^t ber bebeutenbfte unter ihnen, <£beb
3fefu (ofrforifch '«bgfeift? ), Sifchof bon Sbiggär unb SöetbVSlrbäöe, bon
1291—1318 Metropolit bon IRifibiS unb Armenien, an «Bielfeitigfett beS
2BiffenS nur bem 23arb>bräus nachflebenb. Seine (jum Ztyil berlorenen)
SBerfe umf äffen bas gefamte Gebiet ber Ideologie, baju ein „23u<h über
bie ©eheimniffe ber griechifchen ^b,ilofopb,en"# „3n>ölf Sieben über bie ge=
famten SBiffenfchaften", eine Schrift über ben ©rief beS StriftoteleS an
Mlejranber über bie große unft (bie Elchemie) unb eine überaus »ert^bolte
Bibliographie ber fbrifdjen Öttcratur, welche Slffemani unb allen fpätern
Sorfcbern auf biefem ©ebiet als ©runblage biente8.
9lu<h als Siebter wirb (Sbeb 3efu bon ben Sorem fehr hofgehalten4.
3n feinem ^auptroerfe „$as ^arabieS bon <£ben" fteüte er ftch jeboaj eine
Aufgabe, ber er nicht gemachten mar. 511S ernfter, tiefreligiöfer Geologe
begriff er nicht, wie feine 3eitgeno|fen an ben fchalfbaften , leichtfüßigen
33erSfpielereien beS #ariri fo biel gefallen höben tonnten. Gr fat) in ihnen
nur „einen mit SBilbern gefchmürften Siehftatt unb ein übertünchte* ©rab",
' The Book of the Bee. The Syriac text with translation edited from the
Abs. by E. A. Wallis Budge. Oxford 1886.
8 JBgL E. A. Wallis Budge, The life of Rabban Hörmüzd and the foundation
of hia monastery at AI-Kosh. A metrical diacourae by Wable, surnamed Sergius
of Ädhörbaljan. Berlin 1894.
* Ärtifel „(Jbebjefu" in 28 e e r unb SB e 1 1 e ' i Äinfienleritoii. 2. Stuft. —
Wright 1. c. p. 285-289.
• Gabr. Cardahi, Paradaisa dha Edhen seu Paradisus Eden. Beryti 1889.
— H. Gismondi, Ebed Jesu Sobensis carmina aelecta. Beryti 1888.
216
3n>eite« Sud). öierteS Äapitel.
glaubte fie burdj eine religiöfe $id)tung berbrftngen ju tönnen unb fteflte
barum IjerauSforbernb ben 50 ÜJiaiamen feine 50 ^arabiefeSgefänge gegen=
über. 9ln emftetn (Behalt felu*t e$ nun biegen ntdjt, tooljl aber an jener
bunten roeltlid>en Sebenbigteit , an jenem fbrubelnben ÜBifc unb ©eifi unb
jener ftaunenSroerttjen ©Jjradjgemanbtljeit, bur# weifte ber arabifdje ?Dcatamen=
bitter ben Sefer *u feffeln »ei»1.
Stuft al* religi5feS ©ebiftt befi£t eS niftt jenen tjofjen 3auber ber
©ftönf)eit, ben faft um biefelbe 3eit, faum ein ober jtoei Safoefmte fpäter,
$ante feinem „$arabie§" berlief>en Ijat. @3 ift ju roeitffttoeifig, ju matt,
äu berfünftelt unb bielfaft ju brofaifft, um ate ÖanjeS begeifternb ju Wirten ;
boft Hingt in mannen Wottoen, SBenbungen, 9lu§brütfen fo biet bibliffte
^oefte burft, bafc eS bebenflift fein bürfte, über basfelbe einfaft ben ©tab
ju breften. <co ganj buft= unb farblos ift c3 boft md»tf wenn er bon
bem SßarabiefeSgarten ftngt:
€>üf$ ift fein ©erud),
gieyenb bie Ofarbc,
93oU ber 5«ttbe;
Sieblid) bie »lumen,
€u& bie ftruftte,
3a, üoa ber <Süfte!
©tiafdfloetgenb labt eö
gilt bie 3Jienfd)en,
©equält burd) Seiben:
„Äommt, rubt bei mir auö
9Jon ben SJrangfalen
S)er 3>firftig!eit!
„Sagert eud) in meinem ©ebiet
Unter ben Säumen,
9luf Sitten,
Unb nef)mt öon meinen 3rrü(b>ti
©peife, bie paffenb ift
$ür jeglidje* Kiter.
w2Mb,let mein 2ßafier
Unb trinlt lebenbigea,
S5a« ben %ob bertreibt!
1 „Stnftatt bti etnlabenben Ramend ?ßarabieä oerbtent bad SÖerf oielmefjr ben
Site! einer öben £eibe mit einigen buft« unb farblosen SBIumen." So P. fyiui
fingerte, Ueber ba« foriffte SBud) be* ^arabiefeS öon 6bebjefu (3eitfd)rift ber
3>eutfd)en SJtorgenl&nb. ©efeflfd). XXIX, 497; ögl. ebb. 496-555). „S>er <Malt
ift burd)toeg erbauliä) ober bod) ernftb>ft oaränetifd), mand)mal rein bogmatifd) unb
nid)t feiten gerabeju langtoeilig." 9tölbete (3cttfd)rift ber 3)eutfd)en «Otorgenlftnb.
©efeOfd). XLin, 675).
Weiterer »erlauf unb Gulturbebeutung ber fortföen ßiteratur.
217
JBeraufdjt mit meiner fiieb' eud&,
3?ie Dergeffen mad)t äffe Selben
2öie ber 6oh,n ber Siebe.
„Söobjton, jte^t ben 2>uft ein
5>e4 Sebenfcgerudjed
2)er teilten Suft,
Sie tt>et)t tn meinem «ßiinbe,
9Jtit bem $auä)e Don 9taudb>ert
Sii&er ßrquidung!" 1
^ebenfalls berbient ber modere $id)ter teinen ©pott, ber fidj mit
folgen ^arobiefeSbitbern ju tröffen fud)te, toä^renb ©orien burd) bie bar;
barifdje Jperrfdjaft ber Simone unb ber 2Jcamelutenju(tane bon 9legtopten
UnfäglidjeS ju leiben hatte, ber feine &mbe£fprad)e Don ben eigenen 8anb§=
leuten beratet unb berfdjmäljt fof> unb mof)I aud) ben böfligen 3nfommen=
brudj ber legten SRefte cbrifttidjer SMIbung befürchtete. ($3 maren 3eiten,
roo einem jeben Jpumor unb Spoefie bergeljen modjten.
$ro$ aller Söirren ift inbefc bie tt>(U)re firdjlidje ßefjre in ©orten nid)t
böflig untergegangen, ber Sobgefang, ben ßp^räm etnft angeftimmt, nidjt
ganj berftummt. Woä) aus bem 13. ober 14. Safjrtjunbert if* ein meßittfd)er
#mnnus erholten, in meldjem ein frommer ©änger alfo ^ur f>immete=
fönigin ruft2:
Sern mar iä) Don @ott burdj meine Trebel, unb i$ manble in ber 3rre oljne
5Pfob ; aber, o Jungfrau, bu reine unb gebenebeite, bring miä) iljm nar)e Don neuem
bunb, bein ©ebet, bamit ia) befenne unb preife bie ©röfje beiner ©nabe, bu, bie
geboren f»aft für unfer ©efötedjt , o reine Jungfrau, SBraut bti Stents , ben ©otjn,
baö «©ort Bon jtoeifac&er Statur , it)n , ber getragen unb aitigelöföt b>t buta} bie
Äraft feiner ©otttjeit bie SÜnben unb Sf|orb,eiten ber Söeltj unb belegen loben
alle mir ©läubigen mit Sobpretfungen bidj, bu Steine!
Sauter §errli(b,feit ift bein, bu Äöntgötodjter, Don innen ; 2>aDib Dertünbete Don
bir. SDenn ben $>errn be« 9W I)aft bu getragen in beinern ßeibe, bu Steine, it)n, ben
alle «Propheten $u fet)en begehrten ; unb beimegen lobt man biet) äffe Seit, bu 9tut)m
ber ©eelen unfer aller!
3)ie lieblichen %$ore ber Stoße öffne Dor mir, unb mad) ju Sdjanben bei mir
unb menbe ab Don meinem Stnttife ben Jperbeibrincjer alte! £affen$mertt)en ; unb ge=
rettet toiff icb, preifen beinen 6obn unb ©Ott unfer alter, ßr fei gelobt!
ßrlofd) aud) bereits im Anfang beS 14. 3af)rt)unbert§ bie eigentliche
foriidje Literatur, fo erhielt fid) bod) ber «rauaj unb bie gertigfeit, ftriföe
Stafe ju madjen, bei ben ©ebitbeten bi§ auf unfere Sage.
' Bingert« a. a. O. 6. 536. 537.
* 2r. »Ötbgen, (Ein meltitifäer fctomnuS an bie Jungfrau «Maria (3ett«
febrift ber 3>eutfa)en SHorgenlänb. ©efeltfd). XXXIII [1879], 666-671).
»ogle
218 Zweite« ©ud>. SBietted Äapitel.
3um iBeften be» niebrigen IBolfeS, ber ftxaütn unb Äinber, roeldjen bic
alte Sprad)e nid)t geläufig mar, begannen bom 17. ^aljrljunbert an mehrere
©eiftliaje, meift nad) altfnrifd)en SBorbilbern in ber (neuaramäifc&en) S8olt§=
fpradje, bem fogen. ^Uiaji^ialeft, ju bieten; fo ber ^riefter ^Srael aus
Mtöfä. *>« priefter Saufip $fd)embänt aus ieltef, ber Sifajof 3of)annän
Don 2}täroäna, fämtliä) fteftorianer, aber au* #att>olifen wie $6mä Sinte
fc^ari aus Xelfef u. a. 1 £iefe $olf8bid)tungen umfaffen giemli* ben gangen
SRafmicn ber früfjern geiftli*en poefie, Sujjgefänge , Sieber über bie öier
legten $inge, über Sd)öpfung, Sünbenfall unb Seiben grifft, SHarienlieber
u. f. ro. ein größeres ©ebi*t oon 606 Strophen befytnbelt ben gefamten
$eÜSplan, ein fleineres oon 88 Strophen bie ftinbfcit 3efu, befonberS bie
ftludn" na* Stegnpten, na* ben roeitberbreiteten Segenben. 6in fatI)oltf*eS
Soblieb auf baS CrbenSleben üerljerili*t niajt blofe bie alten einfiebler
$a*omiuS unb SlrfeninS, fonbern au* bie Ijeiligen CrbenSftifter beS WtteU
alters JöernarbuS, SominicuS unb ö*anciScuS. 2lu* bialogif*c 2öe*fel=
lieber würben tfjeilS neu berfafct, tf)eilS na* altern Vorlagen bearbeitet:
„$er Streit ber 9Jtonate", mel*er ber f*önfte [ei, ber „Streit gn>if*en
bem ütolbe unb bem 2öeigen", bie geifili*en ©efprä*e jtt)if*en „Teufel
unb Sünberin", „Petrus unb Simon üRaguS", „bem Gfjerub unb bem
guten S*ä*er", „Waria Wagbalena unb bem ifir als ©ärtner erf*etnenben
Sluferftanbenen".
3n bem „Streite gnrif*en bem ©olbe unb bem Beigen" ermibert ber
©eigen auf bie ftolgcn Prahlereien bes ©olbeS mit folgenben tiefpoetif*en
Strophen2:
Söenn jid) im 3atjre«lauf ber Brüning naf>t,
©ertraut man mid) bem »obengrunb al« Saat;
35er Sauer trftnft mid), um bie Saat ju Pflegen,
$er Gimmel fättigt fie burd) mtlben Wegen.
So liege id) im (Erbengrunb oerftedt,
5Bi« mid) bie Sonne unb ber «Hegen werft,
3>em ftinbe gleid) im jungen 3Jlutterfd)ofie,
2>od) wie ein ÜDlann erflreoenb fünft'ge Sofc.
SBeginnt ber SJtonb auf« neue feinen Sauf,
So fprofet ber junge fttim bom SBoben auf,
Unb toie ber Sanbmann inne rotrb be« Wegeng,
erfreut er fid), erfreu' id) mid) be« Segen«.
1 ßbuarb Sad)au, lieber bie ipoefie in ber 3Jolt«ft>rad)e ber Jleftorianer.
Sifrung«berid)te ber fönigl. ^reufe. Äfaberaie ber SÖiffenfd). ({Berlin 1896) S. 179
bis 198. — üflart 8ibjbar«fi, ©efd)id)ten unb ßieber au« ben neuaramäifd)en
fcanbfdjriften ber fönigl. »ibliot^et *u fflerlin. Sffieimar 1896.
1 Ueberf. »on Äug. 2Bünfd)e, 3>ie ^flatijenfabet in ber orientaltfdjen unb
flafftfctjen ßiteratur. Hagem. 3«tung. 3«ünd)en 1897. »eil. 59.
Weiterer SBerlauf unb ©ulturbebeutung ber forifdjen ßiteratur. 219
Salb bede td) ba« braune »dertanb
Unb fleibe mtd) in grunenbe« ©ewanb;
©leid) einer SBraut im frifdjen Äranj ber SÖltyrte
Steh' id), ein Stlb ber Sfreube unb ber fflßfirbe.
Unb toieber get)t ber ÜDlonb ben SEßect)fefgaiiQ,
3)a fte^e ttb in $almen, ftötoer unb lang;
Sie tragen auf bem Raupte öofle Hehren,
Um ßobn bem 8rlei& be« ßanbmann* ju getoähren.
2Bobl jurfen Slifee au* ber SEÖolfeix Sdjofe,
2)er Sonner grollt, befi Sturme« 9Jtad)t brid)t lo«;
Socfi banft ber SWenftb auch biefi ©efchent bem Spenber,
Sein Siegen ttanft, ernährt, erquidt bie ßanber.
Xa6 ftorn ift reif, bie 3*ü ber ©rnte nat)t;
2a$ SOolf ber ©dritter rüftet fich 31« 2Jtahb.
Sie 3ietjn hinau« unb fingen ihre SEBeife,
cid) felbfl $ur ßuft unb ©ott bem §errn jum !Prei|e.
2)ie blanfe Senfe pfeift burd>« Hehrenfelb,
Sie §alme fallen nieber, frudjtge fdjtoellt ;
SDtan r)cbt fte toieber, binbet fte in ©arben
Unb füf»rt fle in bie Steuer, golbigfarben.
ÜRun ift be« Mdermanne« SDlühe neu:
€r brifdjt bat ftorn unb trennt eä bon ber Spreu;
3m Speiser wirb bie ebte Orrud)t geborgen,
Um für ben SCBinter Speife ju nerforgen.
3um ©ottedtempel trägt ber ^rieficr Schar
©in 9ntf)eü bin unb bringt ba« Opfer bar,
Unb bei bem Alang ber 3™bet unb ber Seter
Segeben fie banfbare ©rntefeier.
3tn flöftlicbfeit bin ich ber $erle gleidj,
35en Äderbauer math' td) froh unb reid),
Unb »0 t<6 feble, mangelt allerwegen
3n Stabt unb ßanb ber befte ©otteafegen.
£o<b, 100 id) toeile, jieb' id), fdjnöbeä ©olb,
Eid; nach unb nehme bich in meinen Solb;
Unb toanbre idj, fo bin id) noct) fein Stünblein,
So folgft bu mir, toie feinem $errn ba« $unblein.
Unfel'ge« ©olb, bemfitbtge bein §aupt!
So merthooll bifl bu nicht, tote bu geglaubt;
2>u baft geprahlt, unb beine äöorte waren
»or allen SDtenfcben thörithte« ©ebaren.
»ogle
220
3n>eite$ JBudj. Trimm ftapxttl
SBertoanbelt if/rone id) im ©Ottenau«,
3n »robifleftalt tbeilt (S^rtfti ßeib man au*.
3$ bin bte tmtyigfte öon allen ©aben,
2>ie 9nenfd)entetb unb Sttenfäenfeele laben.
. $aS Sieb ftammt aus bct Wadjbarfdfcaft öon 9Woful unb beS einfügen
«Rintbe. Unb fo ifi benn audj im alten 3weifrrömelanb baS ©c^imnijj
ni(ftt unbefangen geblieben, baS Galberon in feinem Wuto La humildad
coronada de las plantas fo finnig öerljerrlidfot !jat.
fünfte* Kapitel.
3>tc ßoptif<Qe ^tterattu.
9iod)bem 911eranbrien unter ben erften Sßtolemäern 311m 9)tittelpunft
beS griedjifajen ©eifleSlebenS unb jur bebeutenbften $oü)fdjule ber 2Belt
geworben, mürbe bie altägtyptifdK Kultur unb Spraye nadb, unb narfj aus
ben tyerrfdjenben greifen SlegöptenS Derbrängt; bagegen lebte fie im SBolfe
weiter, bis baS Gljrifientfjum auftrat unb Wlejanbrien ebenfalls in üer=
f)ältnij$mäjjig furjer Qe\t ju einem feiner $auptft$e geftaltete. Sludj bte
SJerfünbung beS @f)riftenti)umS fanb in gried&ifdjer (Spraye ftatt; bie ©e=
lehrten ber d)riftlidjen Schule öon 911ejanbrien, ^antänuS, (Siemens, OrigineS
maren in griednfaVr 3MIbung ^erangef^ult unb fdjrieben griednfd); unb fo
gehört bie erfte ä^riftlidbe Literatur SlegoptenS ju bem (Gebiete ber djriftlicfc
Ijellenifdjen , nid)t ju jenem bes Orients. $as ©riedjifa> warb feit bem
Anfang ber römifd)en Äaiferjeit audb, bte Dorljerrfdjenbe 5BerfeljrSfprad(>e ber
ägttptifd&en <8täbte unb offtetefle Spraye für amtliche Urlunben, fo bajj
mutljmajjlid), menigftenS in Unterägopten, auaj baS Sanböolf einige ßenntnifc
baöon erwarb, WidjtSbeftoweniger lebte bei ber Sanbbeöölferung bie alte
ägöptifdje ©prad&e fort, öeränberte ftdb, aber erfjeblidb, (etwa wie 5. 33. baS ur=
fprünglidje Satein in ben üon iljm weiter abgezweigten romanifdjen ©pradjen)
unb gelangt 5U einer genauem unb feftern gorm. 3(n bie Stelle ber
bemotifd)en «Sd&rift, wie fie fidj aus ber l)ieratifd)en heraus entwidelt Ijatte,
trat bie gried)ifd)e, bie aber um fed)S 3etdjen öermeljrt werben mufete, um
bie ägoptif#en Caute sch, f, ch, h, dsch (bf#anbfd)a) unb tsch (fdjima)
auSbrücfen §u fönnen. $ie fo umgeftaltete Spradje unb Sdjrift würbe erjt
Diel fpäter bie toptifdje genannt, nad> bem arabifajen Gobt, ber unrichtigen
SluSfpradje öon gibt, was „Slegbpter" bebeutet K 2>ie tlare, fräftige ©djrift
'P. SCtljanaftuS St i r d) e r 8. J. b«t ba« Jöerbienft, bie europäifd)e JEßiffen«
ft&aft juerft auf bie (Frforfdjung biefer ©prad&e gelentt ju baben. Prodromus
3)ie foptifdje fiiteratur.
221
nimmt firf> — auf ben $apnri ober $ergamentcobice§ — ebenfogut aus mit
bie griednfd)e llncialfc^rtft.
$ie llmgeftoltung Don Sprühe unb Schrift fdjeint ftd) im 1. unb
2. 3af)djunbfrt n. Gfjr. boü>gen ju ljaben. ©egen (Snbe beä 8. Saljr-
fyunbcrts beginnt bann eine foptifdje Literatur, unb jmar, roie bei ben
©nrern unb Armeniern, mit ber Ueberfe^ung biblif$er ©djriften, roeidie
naefo unb no4 ju einer ©efamiüberfefcung führte, unb gmar in ben brei
£auptbialeften, bem tf>ebanifd&en (faf)ibifd)en) in Oberftgopten, bem mempl)i=
tifäen (boljetriföen) in llnterägnpten unb bem bafömuriftfcen (unterfaljU
bifdjen) in 61 tfaijum; e§ finb bon berfelben jebo* nur Srudjpde er=
galten1, tiefem Anfang entfpredjenb ift bie foptifdje Siterotur faft auös
nafonSloä txxdfW unb religiös3, flaturgemäfc faliejjt fie fia? an bie
griednfdje Sßatriftif an, au§ ber «riefe unb £omiIien be$ fjt. <Ht§anafiu&,
GurilluS, (Spipfyaniuä, bie Canones Apostolorum unb mehrere Goncifienacten
aegyptiacus. Romac 1636. — Lingua aegyptiaca restituta. Opas tripartitum.
Ibid. 1648 — 44. ((Enthält bie furjen arabifdjen ©rammatifen bed Satnmaitübi unb
bti 3bn ftätib Catfar mit lateinifdjer UeberfejjUtng nad) einem SDtanufcript Don
1315, ba* SPierro be la Salle 1613 in fta'xxo ertoarb, ebenfo bie „ßeitern" [SDßort=
liflen] be« Sammaitübi unb beö 3bn Slffül.) Sgl. Ütt. ©. Säjroarfce, 2)aä alte
«egöpten (ßeips. 1843) unb ber f., ftoptifdje ©rammatif, nad) beS »erfafferö Sob
f)erau*geg. Don Dr. §. Steint f)al. JBerün 1850. Sie ftopten felbft nennen ifjre
Sptadje ACni N .\HM1 aast v yr^i.
1 3n ttntcrößuptif^cm (mempljirtfdjem ober boljetrifdjem) SHateft finb fycrauä*
gegeben: 3>er $ e n t a t e u cf> Don $>aD. äßilfinö (Londini 1731), 31. prallet
($arid 1854), be Sagarbe (ßeipjig 1867) ; ba8 SBud) $ob Don §. 2attam (ßonbon
1846); bie ^falnten Oon SR. Sutt (tRom 1744), ß. ^beler (Berohni 1837),
2ft. @. Scb>arfce (Lipsiao 1843), be Skigarbe (1873); bie grofeen $ropt>eten
oon §. Sartam (Oxonii 1852); kantet Don ©. SöarbeUi (Pisis 1849); bie f (einem
^ropljeten Don 2attam (Oxonii 1836), Guatremere (Paris 1810); ba* 9leue
Üeftament Don 2)aD. SDßillind (Oxonii 1716); bie Dier gDangelien Don
Sattam unb See (ßonbon 1829), 9R. ©. ©djwar&e (Lipsiae 1846-1847), fc. Sattam
(ßonbon 1847); Stpoftelgef d)id)te unb 31 p oft elbriefe Don ÜBöttid)er (Halae
1852); ba« Sud) JBarud) Don »fa>i (Romae 1870). — ßiturgi fdje Sd)rif=
ten ber flopten (in unteragtjptifdjem 2ert) oeröffentltdjte fd)on 9t. Juli: Sa*
ÜKtffale (JRom 1736), Diurnum Alexandriuum (ebb. 1750), Pontificalo seu Eucho-
logium (ebb. 1761-1762), Rituale (ebb. 1768), Theotokia (Officium de B. Vir-
gine; ebb. 1764). - 3n tberägQfttifdjtm (fatjibifdjcm) Sialelt ftnb nur &rag.
mente ber 93ibel Dorb^anben: S)erjeid)niB berfelben bei G. Zoeya, Catalogus cod.
coptic. p. 172—220; JBeraetdjnifi ber publicirten SBrudjftßde bei S. Stern, fiop«
tifdje ©rammatit (ßeipjig 1880) €>. 443. 444.
* %ai grunblegenbe SBßcrf über biefelbe ift: G. Zoegu, Catalogus codicum
copticorum manuscriptorum, qui in Museo Borgiano Velitris asservantur. Romae
1810. fol. — E. Revilloiit, Papyrus coptes. Paria 1876. — Ciasca, I papiri copti del
Museo Borgiano. Roma 1881. — Fr. Rosai, Papiri coptici di Torino. Torino 1886. —
E. Amflineau, Notice des Mss. Coptes de la bibl. nation. Paris 1895.
222
3n>eite« »ud). Ofünfte« flapitel.
erhalten ftnb1. $er beliebtefie ber Äircbenbäter mar bei ben Zopten ber
f)l. 3of)anne* GljrpfoftomuS. Vertreten ftnb aufeer ber Citurgt! faft nur Släcefe
unb £agiograp$te 2. Wurf) Begppten ebrte feine 9)tartprer unb befonberS
[eine vBlön*c, beren Sugenbleben einen WtbanaftuS unb BugufrinuS be=
getjierte, unb beren Seifpiel unb Organtfatton jur Örunbloge be* orieru
talifc&en unb occibentalifdjen OrbenSleben« geworben tft. $iefe £eiligen=
biograpfren roetfen jebodj tneift auf griedjifdje Originalbertdjte jurüd, bie
bon t)öf)er gebilbeten ^rieftern unb SRöndjen abgefafet unb bann für bie be§
©riednfajen unfunbigen SRöndje in bie SonbeSfpradje tiberfefct »urben.
Sfjren gfänjenbften eigenen Siebner fanben bie Zopten an bem mono=
pfjpfitifdjen ^rdnmanbriten 5lbba ©inuthjoS (Sdjmtbi), bem „Äulwte beS
Herges Sltrepe" 8, ber an jroet allgemeinen doncilien, bem bon Äonftanttnopel
(381) unb bem bon Gptyefuä (431) * tfjeilnafyn unb etwa um 450 im
SUter öon 118 Sauren ftarb. @r genoft in Cberägppten Ijoljer Stae&rung
unb eine* SInfefjcnS, ba§ felbfi bem ftaifer unb ben Barbaren imponirte.
Seine ^rebigten unb Warnungen ftnb bon jünbenber Öeibenfdjaftlidjfeit.
iöon ben 9lpofrpph>n finb in foptifdjer ©pradje bis jef^t befonnt ba*
@üangelium be* fu\ 9iifobemu3, ber 93riefn>ea)fel ßljrifü mit Wbgar (ber fjier
a(* abeffinifdjer ßönig erfa>tnt), bie ©efdjidjte be» fjl. Sofeplj, ein (5oan=
gelium <Dtariä, eine Sfikiä&eit 3efu £(jrifii unb bie bieten beä bX ^etruS4.
2öie Sprien macb aud) Wegppten frülj ein 2;ummelplajj ber berfdjiebenften
ßefcereien. hieben (hjeugniffen redjtgläubiger Literatur finben fid) be*(jalb
1 H. Tattam, The Apostolical Constitution or Canons. London 1848. —
E. Revillout, Apocryplies coptes du Nouveau Testament. Paris 1876. — Id.,
Le concile de Nicee d'apres les textes coptes. Paris 1880.
* Ant. Georgi, Fragin. copt. ex actis S. Coluthi. Romae 1781. — De
miraculis S. Coluthi. Ibid. 1793. — E. Dulaurier, Fragments des revelations
apocryplies do Saint-Barthclemy et de l'histoire des communautes religieuses
fondees par Saint Pakhöme Paris 1835. — Hyremat , Les actes des martyrs
de l'Egypte. Paris 1886. — E. Ameli neau, Monuments pour servir ä l'histoire de
l'Egypte chretienne au FVe et V* siecle. Histoire de Saint Pakhöme et de ses
communautes , documents coptes et arabes inädits, public et traduits. Annnles
du Musee Guimet XVII (Paris 1889) ; Les Moines Egyptiens. Paris 1889 ; Les
Actes des Martyrs de l'Eglise Copte. Paris 1890; Histoire da patriarche Isaac.
Paris 1890.
3 9ltf)ribiö in ber Sbebaiö, gegenüber bem burd) neue «pappruifufibe berühmt
geworbenen Sltfjmim.
* S)ie ©eid)id)te Stofepljä beä 3immermann*- bem Äoptifdjen überfefct Pon
Dr. ß. ©tern (Seitfdjr. für totffenjdj. Rheologie XXVI [1883], 267—294). -«-
Carl Schmidt, FAaryiXtov xarä Mapiafi; loyia VjjooÖ Xpttrroü ; llpä*tq llerpoo
(bie betben erften gnoftifdj) in einem lopttfdjen ^apptn« bed ägtjptifdjen 3)tufeum«
in »erltn. Si^ung*ber. ber t. preufe. «tob. b. 2öiffenfd)afte» (»erlin 1896) €. 839
biä 847.
$ie foDttfäe öiteratuv. 223
aua? fdnsmatifa> unb ljäretifc&e Sdjriften K SaS feltfamfte 2Bert f)äretifa>n
3n^altS ift bie Pistis Sophia, eine fiarf mit griedfrifd)en 2Borten bürdete
foptifa> ^Bearbeitung beS gnoftifc&en Srjftem* SBalentinians. Sa* ©anäe ift
in bialogifc&er gönn angelegt. Ser SPerfaffer fingirt, 6$rijtaÄ Ijabe na<fc
feiner Huferftefmng nod) elf Safjre bamit $ugebrad)t, bie jünger näljer in
feine „GWjeimlefjre" einjuroei^en , fei bamit erft bis jum 24. „SRbfterium"
gefommen unb faljre nun fort, bie midjtigften GntfjüHungen mitjuttjeilen,
bie natürlid» lauter gnoftifdie 5ßr)antafien finb/ Sabei läßt er fid) balb bon
TOaria ober einem ber Mpoftel unb jünger ober einer ber frommen grauen
ausfragen, antwortet bann unb ftetlt ober erwartet weitere fragen. $n
biefe »eben werben ganje Jahnen beS biblifc&en ^falmenbua^eä eingefdmdjtett
unb gnofrifd) erflärt ober angemanbt 2. Sie großen ©runblefjren werben in
ber barodfien 2öeife entfteUt unb mit Ueberreften r>eibnif(&er Styogonie unb
Äosmogonie burd>einanber gewürfelt, bie erhabenen 3*orjtellungen unb 91uS=
brüde ber ^eiligen Sdjriften mit ben abenteuerlidtften frrafcengeftalten bermirft.
6§ ift poetifdje ^f)antafie mit im Spiele; aber ber Siebter nimmt bie
wirren sptyantasmagorien feine* bumbfeu drittens für ßrnfi unb berfünbet
fie feierlid) als Offenbarung, mit jener erbrürfenben Gintönigfeit , weld>e
bie ägbptift&en Sobtenliturgien berjerrfc&t. Unmittelbare Slnflänge an bie
ägnptifdjen SJlnfterien ftnb unberfennbar, wie 5. SB. in ber folgenben £ö0en=
befajreibung :
Unb $taria fut)r fort unb fprad) ju ^iefu : „Wein £err, an welkem
Ort ift bie äufeere ginfternift? ober weldje Pä&e ber Strafe finb in if)r
bortyanben?" @§ antwortete aber 3efuS unb iptati) 311 9)taria: „Sie
äußere ginfternijj ift ber große Sraaje, beffen Sajweif in feinem Wunbe
fterft, er ift aufeerfKilb ber ganzen Söelt unb umgibt bie ganje 2Selt. (5s
ftnb biele Stätten beS ©eridjteS in berfelben; benn er enthält jwölf fjarte
5ßlä§e ber Strafe. @S ift ein 5torfter)er in jeber Cammer; es ift bas
^ngefic^t ber SBorfterjer berfa^ieben untereinanber. Ser erfte 91rdjon (3$or=
freier) aber, ber in ber erfteii Cammer (ra/iety) ift, r>at bie ©eftalt eines
ÄrofobilS, beffen Sdjwanj in feinem 9iadjen fterft. 9füer groft gefjt f>erbor
aus bem Staaken beS Sradjen, unb aller Staub unb alle ßälte unb alle
ifranfljeiten , bie berf anebenen. Seinen autl)entifa>n tarnen Reißen fie in
feinem Jheis ßudjtljonin. Unb ber 9(rd)on, ber in ber ^weiten Cammer
ift, l)at bie ©eftalt einer ßafce bon feiner autyentiföen ©eftalt; ben Reißen
fie in feinem ftreifc Gljaradjar."
1 Sari €>ä)mibt, ©nofiifdje Sdjriftcn in foptifdjer ©pradje aus bem Codex
Brucianus (lejte unb Unterfud)ungen öon *>. ©ebf>arbt unb §arnad. SBb. VIII);
befonberä über bat S3ud) 3feü. — E. Amelineau, Essai sor Ic gnosticisme Egyptien.
Annales du Musee Guimet. XIV (1880).
2 *Bgf. Fr. Munter, Odae gnosticae Salomoni tributae. Havniae 1812.
»ogle
224
cfacitea *iid&. fünftes tfapitet.
$er brittc 9lr#on, SlSdwrodj, l)at bic ©eftalt eines £mnbes, ber öierte,
21d)ro#ar, bie einer Solange, ber fünfte, *Dtardmr, bie eines f<&mar$cn
Stiers, ber feiste, 2am#amor, bie eine« (SberS, ber fiebente, Öudjar, bie
eines JEBibberS, ber ad)te, Caradjor, bie eines ©eierS, ber neunte, 91ra>oa),
bie eines ©afilislen, ber jefmte, 3armarod>, Ijat mehrere Wrd&onten unter
jt$ unb (jat barum fiebert Sradjenföpfe. 3n ber elften unb zwölften
Pommer f>errfa>n ebenfalls je fteben 9lrd)onten, bie einen mit Äa|enföpfen,
bie anbern mit $mnbstöpfen ; 'ber oberfte ber elften ßammer Reifet 9tl)od)ar,
berjenige ber $roölften (Jljremaor. 2lUe biefe tarnen aber be&eid)nen nur
einen unb benfelben Cualort. 9Benn bie Sünber fierben, öerfd»*ingt fie
ber grofje $rad)e unb fterft bann ben Sajroanj ins SRaul, baß fie nidjt
mef)r Ijinausfönnen l.
6S finben ftd) t)ier Diele jener Ökftalten nrieber, mit melden bas ,,33ud)
9(m=$uat" unb baS ,,33ud) ber 2>re" bie ägpptifd&e Unterwelt auS=
geftattet2.
Mefmlidjen CH)aratterS ift baS „SBuaj ber ©nofis", ein anbereS gno=
ÜüdjeS 2öerf, baS bie Slufnaljme in bie Secte betreibt, nebft ben Qaubn=
formein, bura) meldje ber ©noftifer, nad) Ueberroinbung aller 3*inbe, bur$
bie öerfd&iebenen 3ttrifä*nroelten in feinen Gimmel, baS spieroma, ge*
langen foü3.
$ie fabbaliftifcljen Spielereien mit $ud)f!aben unb Qatym, bie f$on
SrenäuS4 an ben ©noftifern gerügt, finben fidj aud? in einem Diel fpätern
foptifdjen SGßerfc roieber, baS ben Sütel füfjrt: „$ie <Dtyfterien ©otteS in
ben Söudtftaben beS 9Upf>abetS, n>eld>e leiner unter ben alten ^tyilofopljen
offenbaren tonnte" 5.
5ßon foptifdjer Sßoefie ift beinahe nid)tS oorljanben, baS Söenige noä)
aus feljr fpäter 3*it, im oberägbptifdjen 2)ialeft ein einziges religiöfeS $ebi$t,
„$aS $riabon"6, aus Unterägtjpten nur eine Wnjaljl oon tfirdjenliebern7,
bie fid) roeber burd) !Reur)eit ber ?luffaffung, nodj Sdjönfjeit ber 8rorm auS=
jeidmen, aber boaj immer 3cu9n*B geben, bafe bie ^nmnenpoefie ber tfirc&e
aud) im Sanbe ber Sßnramiben, unter ferneren Reiben unb Verfolgungen,
1 Pistis .Sophia. Opus Gnosticnm ete. Descr. et latiue vertit M. G. Schtcartze.
Edidit /. H. Vfiermann (Berolini 1851) p. 200 sqq.
* 3t. 2Öi ebenmann, Sie {Religion ber alten «eg^pter (SDtftnfter i. 20. 1896)
6. 47 ff.
s E. Revillout, Comptes rendus de l'Acad. des Inbt-r. 1872 p. 350.
* Irenaem, Adv. Haer. II, 24 {Migne, Patr. gr. VII, 787 sq.).
» E. Revillout I. c. p. 312 »s.
8 groben Daraus bei 8. Stern, iloptifc^e ©rammatif 6. 440; nndj 3«><Öa
3. 642.
7 groben aufi ber Xfjeotofia (Officium de B. Virgim-) ebb. B. 439.
Sie ät^iomfäc ßiieiahtr,
225
ifjren Siberfjafl gefunben fjat. $enn fdjon 558 trennte ft* bie Wefoaty
ber Zopten unter bem $atriar<t)en SimotfjeoS SliluroS bon ber fir$licf)en
ein&eit, unb im Safjre 641 fiel Hegopten ben Arabern jur Seute. $ie
foprifäje ©praa> nuube 705 aus betn officteflen 33ertef)r, bann jufeljenbs
au* au§ bem öffentlichen fieben berbrängt1, bis fic als EolfSfpraaje im
17. 3o^unbert erlof<f) unb nur no* gotteSbienftli<t)<? @prad>e ber wenig
äofjlreiaVn Safobiten unb «DWfiten blieb. 2(uS bem 16. Safjrfiunbert fltlb
inbe« no* gute mempljttif(f>e #anbf Triften borf>anben, unb ber tfopte
»apf>ael %utt, ber im 3af>re 1724 na* Äom fam, am Kollegium ber
tßropaganba ftubirte unb buraj feine Ausgaben ber berfajicbenen liturgiftfcen
SBüajer befannt ift, lehrte in berfajiebenen Älöftem «egoptenS bie foptifa>
©praa>.
£ed)ate$ tfapttd.
Jpie ättyiopifQt Literatur.
3Mel Qlefjnlic&eS mit ber foptifd)en Literatur t)at bie ätljiopifdje2. 3tua)
fic tritt erft mit bem Gfyriftentbum ins Seben, entroidelt fi* in tir*lidj
religiöser £>infid)t ju fajöner 33lütlje, roirb bann bur* Trennung bon ber
allgemeinen ÜEBeltfirdje burdtfreujt unb immer meljr berfümmert, bom ^Slam
ööllig jurürfgebrängt unb erfjält fid) nur in färglidjen Ueberreften bis auf
bie ©egenroart.
Unter bem tarnen $etf)iopien berftanben bie Gilten befanntli* alles Sanb
fübli* bon Megnpten bis anS @nbe ber ©elt. S3ei Horner finb bie ?let§iopier
1 Ueberfefcungen einiger foptifdjen Urfunben (©djenfungen an Älöfter) gibt
ß. ©tern, $ie ßiteratur ber Äototen. 3>a8 «ualanb LI (1878), 844—849. 873-877.
* L. Goldschmidt, Bibliotheca Aethiopica. ÜBoQftänbigeü SSerjeicbnift u. f. to.
flmtlidjer ätt)iopifd)en SJratftoerfe. ßeipjtg 1893. — Oius. Fumagulli, Bibliografia
Etiopica. Catalogo descrittivo e ragiouato degli scritti pabblicati dalla invenzione
della ßtampa fino a tutto il 1891 intorno alla Etiopica o regioni limitrofe.
Milanö 1893. — $er erfte, ber einen ätljiopifäen 2ert in (Europa öeröffenilidue,
mar ber Äölner 3 o ^ a n n Rolfen (Paaltcrium Aethiopice. fol. Coloniae 1518. —
3)er eigentliche SJegrünber ber neuern öt^iopif^en tjforfdjung ift 3ob ßubotf
(ßeutbolf), geb. ju ßrfurt 1624, geft. ju Ortantfurt a. 2R. 1704, burd) feine Historia
aethiopica (2 vol. fftontfurt a. 9Jt. 1681) ne&ft Commentarius (baf. 1691) unb
Appendix (1693), Grammatica amliaricae linguae (169«), Lexicon amharico-latinum
(1698), Lexicon aethiopicum (1699). $ec bwüorragenbfte neuere «enner ber ötljiopi-
fd)en ©pradje unb ßiteratur roar 2lug. 5>iUraann (geb. 1828, geft. 1894), £erau*-
geber ber Biblia Veteris Test, aethiopica (ßeipj. 1853—1872), jaf|lrei(r)er anbtrer
atyioptfdjer SEBerfe, eine« Lexicon ling. aeth. (ßetpj. 1865) u. f. ro.
ÜJaumaartnir, aStttlittratur. L 15
226
bie „äufeerften ber 9)lenfd)en" am OfeanoSftrom , bet bic @rbe umgrenjt.
$efiob berfefcte fic nad) Sibben, §erobot jutn 2r)eil nad) Snbien, jum Zty'il
nad) 9lfri!a. DJteroe, baS 9teid) ber (entern, erfdjeint fd)on als cibilifirter,
fyanbeltrcibenbcr Staat. 2öeber Meroe, nod) 9iapata, no<& anbere 9teid)e
ber $ufd)iten unb Gljamiien, bie einft an baS obere Megnpten grenzten,
Ijaben -inbeS literarifdje Denfmäler tynterlaffen unb liegen fomit aujjerljalb
unfereS StafjmenS.
3u literarifdjer 33ebeutung gelangte biefeS Süblanb, baS heutige 9lbef=
finien, erft burd) femitifdje Stämme, £)tmjar ober #omeriten genannt, toeld)e
bon Arabien, b. I). junädjft bon fernen ljer eimoanberten. tyt £>auptfi$
warb ligre' mit ber ÄönigSftabt ttrum1; oon Ijier aus breiteten fie fid)
über ganj Wbeffinien aus, baS als mädjtiges 9ieid) jeittoeilig oon 9tubien
bis ins innere bon Arabien, bon ÜJieffa bis SWebina reid)te. ^te Ginrooljner
felbft nannten it)rc Spraye öefäna ©e'ej, „bie Spraye ber 9luSgeroanberten,
ber freien", fpäter erft infolge fremben (SinfluffeS £efäna Stjöpjä. 3?om
12. 3afjrfwnbert an mürbe fie bon bem jüngem amljarifd)en Dialeft als
£>offpradjc berbrängt unb lebte nur als Äird)enfprad)e weiter. Die eigen=
artige Schrift, aus ber f)imjaritifd)en enttoidelt, fjat 26 23ud)ftaben ; fie läuft
im $egenfa$ ju ben anbern femitifdjen Sd)riften bon linfs nad) red)ts unb
roirb burd) angehängte 3Socaljeid)en 311 einer Silbenfä)rift.
3toei eble Jünglinge, §rumentiuS unb SlebefiuS, roaren eSf bic, nad)
bem 33erid)t beS 9tufimtS, juerft ben Samen beS Grjriftentljums in baS
ferne füblid)e Sanb trugen2. Sie begleiteten (Hl 6) ben „^f>ilofopl)en"
WeropiuS oon 2nruS auf einer roiffenid)aftlid)en llnterfudjungSreife, mürben
oon ben $lüftenbetoof)nern beS Motten Meeres gefangen genommen unb als
Sflaben bem ßönig oon 2tetf)iopien überliefert, ber fte lieb getoann unb
ben einen ju feinem Sdjreiber, ben anbern ju feinem 9flunbf Renten mad)te.
9Jad) feinein lobe gelangte ^rumentius als (Srjietjer beS Äronprinjen jutn
größten Ginflup unb grünbete eine Heine (tyriftengemeinbe. 9llS ber ^rinj
ftönig geworben, ging SlebefiuS nad) SöruS, SrumentiuS nad) 5Ilej anbrien ;
ber erftc fet>rt als ^riefter, ber jtoeite als 2Mfd)of nad) Wetlnopien jurüd,
oon 9ltf»annfiuS felbft jum 93ifd)of gemeint (jtoifdjen 840 unb 346). Der
flönig liefe fid) taufen. Die ftönigSftabt Wjiim roarb Si& beS Metropoliten
(Slbuna) unb baS übrige Äeid) in fed)S SiStfjümer geteilt. 9tufinu3 traf
ben SlebefiuS felbft 371 bei einem $efud) in Sllejanbrien unb erfuhr bon
1 81. 3) ill mann, Sie Anfänge be4 apnutifdjen Sieidje«. JBerlin 1879. —
3> e r f. , 3ur ©efd)td)te b<* ajumitif^en Steide« im 4. hii 6. 3al)rf)unbert. SBetlin 1880.
8 Rufinm, Hist. eccl. 1, 9 (Migne , Patr. lat. XXV, 478 sqq.). — Athana-
ftiu«, Apol. ad Constantium n. 81 (Migne, Patr. gr. XXV, 631 &q.); Vita S. Äthan,
(ibid. p. LXXV). — L. Ducliesne, Lea missions chretionnes au sud de l empire
romain. M^langes d arch«*ologie et d'histoire. XVI (Rorae 1896), 79—122.
Sie atfaopifdje ßiteratur.
227
iljm bic 9lad&rid)ten über ba§ erfie Slufblüfjen be§ <51)riflentfmm§ in bem
füblidjen afrifanifäVn Sfcrglanb.
3n biefe 3ctt faflen unameifelljaft bie erften Anfänge ber ätf)iopifd)en
Literatur. Obwohl Jlaifer Gonftantiu* 356 ben ßönig 2U$ana aufforbern
liefe, Wrianer &u werben, blieb berfelbe bem SJefennrnip beS fn\ HtfjanafmS
treu. 3m folgenben 3afrf>unbert unterfingen bie cfcriftlidKn Slbefftnier bie
Triften in fernen gegen ben Snrannen $unaan, unb nad& bem 3eugmjs
beS Äoämaä SnbifopleufleS flQ& CS in 9letf)topien Hirzen, Söifc^öfc unb
9Wöna>. <5$on unter ftrumentiuS, öon ben Wbeffiniern Slbbä ©alämä
genannt, tourbe baS 9teue lejtament überfefct, bann folgten natr; unb nadj
bie Ueberfe&ung ber anbern fjeiligcn Stöger1 unb begebener SBerfe ber
^eiligen Sßäter unb enblia) felbftänbige religiöf e, befonberä liturgifc&e Triften 2.
Sie erften linguiftifa^en 58erfiiä>, grammatifdje uub lerrtograpfnfd)e
ßrflärungen, fttjloffen fid) an bie 53ibel an. $iefe (Srtlärungen fjiefcen fct)r
treffenb Saväsev, b. fy. „Leitern", burd) meldje man in ben ©inn ber
©orte tyneinfteigt8. Unter ben Ingeln mürbe befonber§ ber fjl. Wfyael
1 2)er Cttoteudj, b. b,. ber ^Jentateud) nebft ben 2Bü$ern Sofua, Stifter
unb 9luifj, unb bie Sud) er ber Äönige, Ijerauögegeben öon 3t ug. 3) i II mann
(Lipsiae 1858. 1871), anbere einjelne 5Büd)er öon Zf>. $eträu8, ©. S^r. »Ort«
Iin, 3. ®. 9Hffet, «ßotfen, (JafteUi, ßubolf, Staubadjer, 91. »obe,
Sb- «Pet I ^Jlatt. 6. ©olbfdjmibt a. a. O. 6. 7—11. - 9lad) ätb>pijd)er
JöolfSüberlieferung rührte bie lleberfefcung be8 SJeucn 2eftament8 öon 3rrumenttu6
felbfl her, nad) 91. SJillmann tarn fic jtoifdjen bem 4. unb 6. 3af)rf)unbcrt ju ftanbe.
Sintoeubungen ©ilbemeifterä bagegen toiberlegt C. R. Gregory, Nov. Test. Graece
(rec. Tischendorf) III (ßcipj. 1894), 897. — 93gl. C. Conti Rossini, Sulla versione
e sulla revisione delle sacre scritture in etiopico (in Seitfdjr. für 9lfftjriotogie X
[1895J, 286 ff.) unb ß. £>ad8piU, 3>ie atbioptfd)e göangeltenuberfebung (S>af.
XI [1897], 117 ff.).
* „$ad @lauben8befenntnifj beö 3nfob SJarabäuS" (berauägeg. öon £. £>. 6 o r*
nill, 3eitförift ber Seutfdjen Etorgenlänb. ©efellfd). XXX, 417^66). — K2)a8
®(auben8be!enntnifj be8 ätrjioptft^cn flönig« (Slaubiud" (berau&geg. öon ßubolf*
SBandleben [Londini 1661 J, unb in feinem Commentarius p. 287—241). —
„§erma ^aftor" (at^topifd) unb lateinifd) öon 91. b'9tbbabie [Lipsiae 1860].—
Canones Apostolorum (fjerauägeg. öon SB. [Lipsiae 1871], überfc$t öon
G. H. Schodde, Journal of the Bibl. Liter. 1885 p. 61—72). — Constitutiones
Apostolorum (berau8geg. unb überfefct öon Zt). *(J c 1 1 «platt [ßonbon 1884]). —
„ßiturgie jum Sauffeft" (IjerauSgeg. öon 6. ü. 9Irnb.arb [0)lund)en 1886]. €r»
gänjungen in ber 3eitfdjrift ber S>eutfdjen 9)lorgenIänb. ©efeUfdj. XL1, 403-414). —
„ßiturgie über bie $oftie" (Ludolf, Commentarius p. 340 sqq.). — „^>ai Saufbud)"
(GerauSgeg. unb überje^t öon (g. 2rumöp [ÜJtundjen 1878]). — Kaleudariuin
(Ludolf, Commentarius p. 889—427). — „fcornUien" (eine 2Bei^nod}t«prebigt,
6,erau8geg. öon 21). getrau 8 [Lugd. Batav. 1660]; mehrere anbere «prebigten öon
A. DiUmann, Clirestom. Aeth. p. 77—105).
9 §. ö. 6walb, lieber eine 3toeite Sammlung öon ät^iopifdjen fcanbfdjriften.
3eitfd)rtft ber ^eutfdien «Dlorgenlanb. ©efettfd). I, 41.
15*
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^weites Öudfj. BtWei flapitcl.
(jodjöereljrt, unter ben ^eiligen ber SJlartprer ©eorgioS, bon ben gried|ifä>n
«Bätern bie f)fl. SBafiliuä, ßprifluS Don Hleranbrien unb 9ltl)anafiu3 , öon
morgenlänbifaVn fiebern Wärt (Spfjräm (ber fjl. $pb>äm) üon «RifiBtS unb
ber in Cberägnpten f)od)angefef)ene Mbt (Mbba) Sinobä ober SinutyioS.
$ie JBerefjrung biefer altern ^eiligen pflanjte ftfl) «u* in bie fpätcre 3eit
fort, unb fo ijl no# in Dielen Sremplaren eine £eiligenlegenbe (Flos
Sanctorum) in jtoei grofcen ftoliobänben aus bem 13. 3ab>b>nbert bor=
fcanben, mit bem Sitel SSnSksar („Smtararion"), meldt)e bie „^eiligen ©e=
föUfyen ber (Sngel, 5propb>ten, ©cremten unb SMutjeugen, fotoie ber ^eiligen
geriefter unb <5infieblermön<&e" nadj ben 13 «Wonoten beS foötifä>ätyiopU
fa>n ÄalenberS aufführt K $ie gefä)i$tlta)e ©runblage ift mit oielen Segenben
umiooben. 3um Sduujj toirb jebem biefer, balb fürjern, balb längern
Heiligenleben ein bi^terifeber ©rufe (Saläm) ober einige 2*erfe jum ßobe bei
betreffenben ^eiligen hinzugefügt ; oft ftefjen oueb foldie ©ebi#te für fi$
aüein. Siefe ©ebid)te finben fiö) aud) in einer eigenen Sammlung bereinigt,
welche ben Sitel füljrt: Egzia-bgchär nag&a ((Sott b>rrfd)e!); ber Warne
beS $idjter§ mar fajon bem Sammler niä)t mebr befannt ; er fagt nur im
Anfang, irgenb ein ^riefter Ijabe biefeS 2öerf gefammelt, „als üjn ber
^eilige ©eift erroetfte, bie ©efd)icf)ten berer ju befd^reiben, toela> burd) ü)re
#eiligfeit ©ott gefielen".
2Bic bei ben anbern a)riftlid>en Siteraturen beS CrientS fajlie&t fid>
bie religiöfe ^oefte ber Slbefftnier an bie Bibel an. 6§ ftnb no* #anb=
fünften ba, roeld&e nebft bem „5Bud?e ber ^pfalmen" bie üerfdn'ebenen Gantica
ber beiben Xeftamente (Cantic. Moysis, Annae, Ezechiae, Habacuc, trium
puerorum, baS $Ragnificat, ba§ Canticum Simeonis) unb baS #ofjelieb
©alomonä umfaffen, alfo bie fc&önfte Sammlung biblifc&er ^ßoefie2. S5ie
tyier gefajöpften Beübungen unb SSorftellungen bilben bann ben 9Infa$ ju
eigenen, meljr felbftänbigen Sobgefängen, mie in ber folgenben $orologie ju
ber „2öei8l>eit ber Seifen" :
1 Cf. W. Wright , Catalogue of the Ethiopic Manuscripte in the British
Museum. London 1877. $erfelbe enthält eine febr au«füljrlicf)e Schreibung ber
93ibliott>ef Don SKagbola (350 #anbfd)rtftcn). Sgl. 3eitförtft ber $eutfd)en 3Rorgcn*
länb. (SefeUfd). XXIV, 599-610.
« Rfttopel, »eife nadj «beffinien II ({Jrantfurt a. ffll. 1840), 404. 405. -
Ludolf (Psalterium Davidis aethiopice etc. [Francof. 1701] p. 2) bewerft bör«
über: Inter omnes Libros Sacros, quos Ecclesia veneratur, Aothiopes Christiani
nulluni magis amant quam Psalterium. Dlud iuvenes atque adulti, nobiles atque
plebeii quotidie legunt et tamquam breviarium orationum suanun aestimant.
«u$ für bie neuere 3eit befNüigt bie« A. d'Abbadie (Catel. raisonnö de manuscripts
ethiopiens appartenant ä A. d'Abbadie [Paris 1859] p. 114): Les livres de
psaumes sont si conununs en Ethiopie que le vulgaire appelle tont livre un
Dawit. Cf. B. Dom, De Psalterio Aethiopico (Lips. 1825) p. 10.
3)t« athiopifö« ßiteratur.
229
SBrei« fei bir, o §err, am Anfang jebe« 2age« unb bcr 9läd)te!
$rei« fei bir, o §err, bei ber Slufeinanberfolge Don SBinter unb Sommer!
$rei« fei bir, o §err, jur 3«i* be$ 3frft^Iingd unb be« §erbfte«!
$reU fei bir, o §err, nad) ber 3flhl °tte8 Unfid)t&aren;
2)er Gimmel Dertünbigt befiänbig ben Preis beineS uranfängtidjen ©ein«
Metrum unb 9ieim ftnb fehr lofc unb unboüfommen , bic £>auptfad)e
bcr poetifcben $orm ift ber Strophenbau. Die liturgischen £>tomnen ftnb
übrigen^ bis jefct roeber gefammelt, noch bureb Ueberfefcung »eitern Greifen
jugängltcb gemalt; fie honen noch eines competetrten Beurteilers, ber fte
im 3ufammenhang mit ber liturgtfehen ^ßoefte ber Äopten unb ©nrer be=
hanbelte2. SBenn man bebenft. rote lange 3e^ Mc grtedufche unb römifebe
#mnnif ju ihrer boflen GntroicHung beburfte, roirb man bie ber 5lbefftnier
nicht gleich oon bornherein berroerfen fonnen. $ie Don 9trnl)arb mitgethetlten
©ebete bei ber SBafferroeihe fterjen an Schönheit freilich roeit hinter ben
römifeben jurürf3.
Much bei ben 9Iethtopiern erfüllte fieb bie Sßerheijjung beS 3Jtagntftcat :
„Siehe, eS werben mich feiig pretfen afle ©efcblecbter!" Qstn jroar nicht in
Herfen, aber in fajroungtjafter btdr)tcri[dr)er ^profa oerfafeteS SBerf (roahrfcbetn=
Iid) auS bem 15. Safyrfjunbert) fü^rt aujjer bem fürjern £itel Organona
Marjäm noch bie breitere ^luffc^rift : „Orgel beS ÖobpreifeS, @itr)er beS
^[alters unb $arfe beS ©efangeS, roelcbe ber Zeitigen, gefegneten unb reinen
Jungfrau SJcaria 3ungfraufcb,aft preift, tf)re ©röfee berfünbet, tljren Flamen
erhebt, ihre ^eiltgfeit lobfingt unb ihre £)errfcbaft feiert." 4 (Sine fleinere
Sammlung eigentlicher Sieber befingt bie Himmelfahrt 3ftariä (bieüeicbt
baSfelbe, baS öubolf als Felsata Märjam („Eingang 9)lariä") fannte5. Sn
einer anbern finben ftcb, faft biefelben ©rüfce an 2Raria roieber. 3n $ab>
reichen $anbfcbriften verbreitet ift eine Sammlung, roelche für jeben %a%
ber üßoehe Sobgefönge auf 9)carta enthält, unter bem £itel WSddasö
Marjam. (Sin 2h«tl berfelben beginnt mit bem SomttagSHebe, ber anbeie
mit bem 9)contagSliebe 6.
1 €. 2 r u m p p , Semerlungen jum Sapiens Sapientiura. 3eitfd)rift ber
$eutfd)en 9Jtorgenlänb. ©efettfd). XXXIV, 240.
2 (vtoalb (a. a. D. I, 36) nennt fie , Sierfrtö erte * ; Hauten (Hrtifel „Äethto«
pifd> 6prad)e unb Öüeratur* in aöefrer unb 3&elte'ä Äirdjenlerjfon I [2. «ufl.]# Wi)
glaubt fie att „toerthoott" bejeidjnen ju bürfen.
»ÄarlöonHrnharb, 3)ie SBaffertoeihe nad) bem SRitu« ber atfjiopifcben
ftird)e. 3eitfd)rift ber £eutfd)en 9RorgenIÖnb. ©efettfd). XLI, 303—814.
4 Ludolf, Hist Aeth. 8, 4, 47. — Sorn, Bulletin ber Petersburger Sita-
bemie Dom 26. 9Jrarj unb 28. Oct. 1837; I, 8. — Cmalb, 3eitfd)rift ber 2>eutfd)en
Sffbrgenldnb. ©efeUfd). I, 89.
• fttoalb a. a. ß. I, 38.
« herausgegeben unb überfefjt oon Ä. 8f r i e 3 , SQWbbäfe 9Rdrjdm, ein ät&>pifd}er
Sobgefang an 3)laria. (Onaugural-^iffertation a. b. Unioerfitöt Upfala). Seipjig 1892.
230
3iocite* $u(&. Sed)«teS «apitet.
£er Anfang beS Sam3tag:£nmnuS lautet bem Sinne nad), jum Steile
raörtlid) alfo:
3)id) ftrafjlenb Steine, $eifge, bid) preift fein ßob genug,
Sie einfl auf iljren £>änben ben $errn bei SebenS trug.
@ä freun fid) alle Sßefen, bemunbernb beine 3iet»
öfteu bid), bu ©nabenootle, freu bid), (Sott ift mit bir!
5lßit preifen bid), bu f>*bre Jungfrau öott §errlid)feit,
SGßir grüben mit bem (£nget, mit ©abriet, bid) tj«ut'.
$urd) bcineS SdjofteS Segen erlangten Stellung loir,
Srat ©oll uns toieber nabe. — Orreu bid), ©Ott ift mit bir!
3ur 9)raut fjat bid) ertoren ber ©eift, ber alles fdjafft,
<B f>at bid) übermaltet beS 9(Kerf)5d)ften Jfraft:
2>er eto'ge ©ofui beS SJaterS erfd)ien auf (frben ^ter
Unb nafym t>on uns bie Sünbe. — 3freu bid), ©ott ift mit bir!
D 9teiS aus $at>ibS Stamme, bie uns ben &errn gebar,
3>aS SBSort, baS eingeborne, baS ftetS beim Söater toar,
Söon ©migteit »erborgen, ber Söelt oerfyüllt aud) rjier
3n ber ©eftalt beS flned)teö,! - freu bid), ©ott ift mit bir!
(Sin jmeiter, fd)ön'rer Gimmel ragft bu Dor uns empor:
3)ie Sonne beS ©eredjten, fte get)t aus bir fieröor;
O reinfte ©ottefimulter, in unöerlefcter 3»«
©ebarfi bu ben Jöer^eife'nen : freu bid), ©ott ift mit bir!
$a§ ütljiopifd>c 9lntipljonar (ÜMoöafeet) weift aujjet bem 2ert aud)
begleitenbe mufifalifcfye Zeichnungen auf, raeldje bie SRelobie enthalten.
9Kan rourbe barauf erft bei Napoleons ägw>tifdjem Selbjug aufmerffam,
unb bie ättjiopifdjen ^riefter, bie man barüber befragte, raupten nur bürftigen
9(uff$lu$ ju geben. Sie fttljiopifdje Öegenbe bejeidjnet als ßrfinber btefer
tirajlidjen 9Jlufif ben $1. Säreb, ber, aus Samän gebürtig, im 6. ober
7. 3ial)r$unbert am £ofe be§ Königs Äaleb gelebt tyaben fofl 1. Sie
3«djen, SBudjftaben unb Silben raeifen nicht auf fremben (Sinflufj f|in, fon=
bern fmb rein ät^iopijdd. iölutljmajjlia) rühren be&ljalb biefe 2JteIobien aus
ber erften 93lütljejeit ber d)rifMid)en Äiraje f>er, raäljrenb roelctjer auch bie
übrigen fpäter Derloren gegangenen fünfte $u einem geraiffen Wuffctyraung
gelangten.
1 9tad) anberer Eingabe erft unter beffen ©ofjn: ,©äbra SRäflgal, in beffen
Sagen 3areb baS ©efangbud) »erfaßte, baS Segua genannt wirb." 2) i Ilmann,
3ur @efd)id)te be« Hbefftnifd)eu Reid)e*. 3eitfd)rift ber 3>eutfd)en SRorgenlanb.
©efettfd). VII, 348. 358. «mba Siöon I. ©dbra aiUsral regierte nad? SBBrigbt
»on 1314-1344. Cf. W. Wright, Catalogue p. vn (Preface) unb p. 114 f.
unier Deggwa.
Sie dthtopifthe Sitetatur.
231
»tblifche unb anbere 9lpofrnph?n finb fcüh üon 91cgb|)ten h« nach
5Cbcffinien gebrungen unb ^oben 511m l^eil öießeic^t rrft ^ier bie feltfame
unb abenteuerliche @eftalt erlangt, tuelc^e fie bermalen beftyen. $ie be=
beutenbften finb: „S)aS SBud» #enocb", „$a§ (ebriftliche) WbamSbuch",
„Die Himmelfahrt beS 3faiaS", „$aS £eraemeron" (baS mit bem erften
$heile beS 2lbam§bucheS jitfammenfäUt) , „$aS 3SubiIäenbu<^'' ober „$ie
flehte ©enefiS" K
Sin biefelben reiht ftch baS fogen. „SBriefbuch" ober „Sömärbuay,
baS, junächfi au« bem Wrabifcben überfc^t, mabrfcbeinlicb auf eine grteebifebe
ltrfchrift jurürfgeht. 3m erften Äapitel be&felben wirb er^lt, wie an einem
©onntag im 1050. Sa^re Stleranbers (b. ®r.)a ein bon GhriftoS felbft
gefebriebener »rief auf ben f)l. 9ltf)anaftuS herabgefallen fei, mäfjrenb er in
ber tfirdje ber heiligen Sfyoftel $*t*uS ""b Paulus betete. 3m jmeiten
Äajritel beginnt bann ber »rief, ber ganj feböne ebriftliche Ermahnungen
jur gfeier beS Sonntags, beS Mittwochs unb beS ftttitatf, fomie sunt 6m=
pfange ber heiligen (Sucbariftie enthält8.
2ag baS afrifanifebe SUpenlanb au(h ju meit oon ben ^eerfha&en ab,
auf melden bie Öegenben= unb (Sagenwelt beS Crtents bis ju ben entlegenen
3nfeln bes HbenblanbeS roanberte, fo finb boeb manage ©eftalten berfelben
bis in baS ferne 9lbeffinien gelangt. $ie fteben ^eiligen Schläfer, beren
fteft in «beffinten am 20. Januar gefeiert mürbe, fanben nicht nur 9luf=
nähme in bie allgemeine #eiligenlegenbe , fonbern mürben noch in eigenen
fleinern unb grö&ern Öebidjten oerherrlicht. Ein folcheS lautet:
Ofriebe, ihr Sieben, mit eud) fei!
Jireifjunbert fiebrig 3aljre unb stoei
Sdjlummerten fie, ba toasten fie auf;
Sie fpradjen: 3>eciu8 in fdjneCem ßauf
§at und betriegt; ber Sdjlummer bei 9tad)t
Umfängt un8 feit geftern, beut' finb mir ermadjt ! 4
£er geiftliche SRoinan „SBarlaam unb 3ofaM)(ir liegt nicht bloji in
einer ©efamtbearbeitung bom 3ahre 1553 bor6, eine ßinjelepifobe baraus,
1 Siehe oben 6. 161 ff.
1 S)iefe Hngabe be8 S&ud)e« fiimmt md)t, bo ber hl. Sltbanofui« im 8. 3abr*
fjunbert Kleranbcrt lebte.
s 3r. $rötoriu$, $a£ ätbtoptfö)e SBtiefbud). Setpjig 1869. — SJgl. Sloalb,
3eitfd)rift ber <&eutfd)en SDlorgenlünb. (Sefellfd). I, 16—23; 6. Srumpp, Ueber
ba« »riefbuä). «bb. XXXIV, 282-239.
* J. Guidi, Teati orientali inediti sopra i aette dormienti di Efeso. Roma
1885. - ©olbfdjmibt, Bibliothcca Aeth. 6. 50. 51.
.* 3tu8jüge ba&on bei H. Zotenberg, Memoire sar les textes et sur lea Ver-
sion» Orientale« du Livre de Barlaam et Josaphat (Paris 1886) p. 158—166.
232
3»ette* »udj. Sedjöte« Äapitel.
bie ©efäjicbJe beä Ebba 3obanni, ift in einem eigenen 2ejt borbanben1.
„3>aS Buä? ber metfen ^bilofopfcen" , eine ebtu<&fammlung , bie aus bem
Sorifä)en unb ©riedjifcben ftammt unb unter anberem auä) ©priufce bon äjrift:
lieben Äirdjenbätern unb TOartbrem enthält, würbe t>on einem Bifcgof SHidmel
aus bem 2lrabif<hen überfe^t 2. «Biel älter (oieüeicbt fajon au* bem 5. 3afo8
bunbert) bürfte bie Bearbeitung beö ^boftologu* fein, ben »06I föon ber
bl. ^uftinuÄ ÜKartor gefannt bat, aus bem böd&ft mahrftbeinlicb bereits
Clemens bon Eleranbrien unb CrigeneS gefcfcöbft baben unb bejfen Hb=
fajfung etwa in ben Anfang be§ 2. 3abrbunbert§ n. Gbx fallen möajte».
Mt übrigen 8agenJjelben Derbunlelte auefa in Ebeffinien bie gelben*
geftalt bes großen 2Jtacebonier§, ber Slleranbrien gegrünbet unb ber in ber
ölteften Raffung ber Stlejonberfage al§ Sobn bef ögppttfcr>en ftönigS unb
3aubererä *Reftanebu§ II. erfdjeint. Bis jefct finb niäjt toeniger als fedj*
berfebiebene äthiojrifcbe Bearbeitungen biefer ©age betannt geworben4. 25ie
erfte berfelben fdbliefjt ftdb äiemliä) enge an ben griec&if<ben ^feubosÄaflißbeneS
an, bod) liegen amifdjen ben beiben Soffungen eine fbrifdje unb arabifefce
Ueberfefcung. ftürjere Xarftellungen finben ftd) in ben ©efdjidtfSroerfen be*
fttäRafin, be3 %b\\ Sfjaler unb be3 Suben 3ofej>b ben^Öorion, ein Beriet
über WleranberS 2 ob in einer anonttmen £>anbf(fcrift. 2öaä bie ätt)iopi )d)e
Bearbeitung be£ ^jeubo-Äallift^eneS Ijaubtfäcbliä) bon ber foriföen unter:
Reibet, ift bie boQjtänbige Umgeftaltung 9UeranberS $u einem #riftliä)en
gelben, ber fid) nicht nur jum Glauben an einen ©ott, fonbern an eine
göttlidje Dlatur in brei ^erfonen befennt, mätjrenb SlriftoteleS ganje Berfe
röörtliefc aus ben ^pfalmen unb aubern Stellen ber Bibel citirt. $ie felt=
fame unb feffelnbe ©agenbiäjtung ift baburd) bölltg in ein djrifilicbeS BoIfS=
bud) umgemonbelt , ba§ lebhaft an bie mittelalterlichen 9lleranberbtcb,tungen
erinnert6. 2öie mächtig aber cbriftliaje Enfchauungen ba§ ©eifteSleben
1 Reni Bas*et , Vie d'Abba Johanni. Bulletin de correspondance Africaine
(Alger 1884) p. 443-453.
* SBrudjftücfe bei A. Dillmann, Chrestoniathia p. 40 sqq., unb bei C (£ 0 r«
niU, 2>a« Sud) ber toeifen ^^ilofopben, nad) bem SUtbiopifdjen unterfudrt.
ßeipiiQ 1875.
» fr Rommel, Sie äthiopifefie Ueberfefaung be8 <P&nfiologu*. ßeipstg 1877.
— 2f. ßaudjert, ©efd)id)te beä ^^fiologu« (Strasburg 1889) 6. 79. 80.
4 E. A. Wallis Budge, The Life and Exploita of Alexander the Great frora
a series of Ethiopic texte. 1. The Ethiopic text, the Introduction efcc. II. The
English Translation. London 1896. Str. 59 (ber 250 gebrutften <S|emplare), beffen
äöenütung id) ^errn »ubgc felbft unb P. 6trafemaier üerbanfe. — 9}gl. 9t öl bete,
»eitrage jur ©efdjidjte be* SHesonberromon». 3)enffd)rift ber t. Htab. ber ©iffen»
fdjaft in SÖien. ^h,ilof..l)ift. fllaffe. »b. XXXVIII. SEBien 1890.— Dr. «u«felb,
3ur Äritit be* gried)ifd)en «lesanberromand. ÄarWrube 1894.
» Bndge 1. c. II. 1-353.
S5ie m*>PWt ßiteratut.
233
2lbeffimen§ burdjbrangen , bezeugt eine »eitere, umf angreife SBearbeitung
be* 2Ueranberroman3 einem förmlichen a§cetifch=poetifchen (Srbauungsbuch 1.
5Der ftolje Sieger bon Slrbela mirb fner gerobeju als ein SBorbilb ber (SnU
fjdltjamleit , tfeufchheit unb jeglicher anbern Sugenb ^ingeftedt. 91He feine
*>lbenthaten beginnen unb enben mit (Bebet. $er ©eift be§ Merhöcbften
offenbart fid) ibm unb erwählt ihn 511 einem feiner Propheten. Stacbbem
er baS „8anb ber ^infkniife" unb baS „Sanb ber Sebenbigen" befugt,
reift er £ur See, auf einem mit Ubiern bekannten Schiff in bie „Stabt
ber Seligen", bie mit ben 3ö9en 91pofalnpfe bef abrieben ift. 2)ann
mirb er in eine ©üjte entrafft, mo er mit fymoä) unb ßliaS jufammentrifft
unb fiaj oon ibnen ihr Sehen befa)ret6en läfrt.
9iach langen aScetifdjen 3ro^9elPrü^en jmifchen 9lleranber unb bem
„Reifte" folgt eine ber rounberlicbften ftictionen, bie mobl nur in einem bon
ber ffieltfirche abgetrennten SBinfel ber ßrbe mögltd) mar. Slleranber grämt
fiä) barüber, bafe fein Sater ^Mjilipp fich felbft erträntte, weil ihm ba*
5lftrolabium anfilnbigte, bafe ber Schöpfer felbft getreujigt, burchbohrt unb
getöbtet tuerben foüte. $«r ©eift tröftet ibn aber bamit, bafc ^?§üipp um
©otte§ willen geftorben unb beS^alb ein ÜJlarttjrer fei, unb gibt Umt felbft
ein Wittel, um baä herannahen feiner SobeSftunbe 5U erfennen. darauf
bertheilt SUeranber alle*, ma» er f>at, an bie Sirmen, mirb gleich Samuel,
eiia§ unb GlifäuS ein (Sinfiebler unb lebt in ftätem Saften unb ©ebet.
<B folgen (in üier Äapiteln) feine geiftlichen Ermahn ungSreben an grauen,
Jungfrauen, eitern, ©erheiratete, dürften, Statthalter, Äönige unb an baS
gefamte djrifrliche Soll. 6r toirb, mit Berufung auf ba§ 3mW Wo*,
als eigentlicher Sßorlftufer ehrifii gefchilbert, ber bem Grlöfer felbft bie $fabe
ebnen foO*. Gnblicb mahnt ihn ber „©eift", bafe fein Gnbe naht. 6r
fajreibt einen riu)renben SJrief an feine Mutier Olmnpiaä unb betoeifr bann
feinem greunbe ftomfät, ber an ber Wuferfiehung zweifelt, biefe (Blauben^
Wahrheit mit Berufung auf bie befannte Stelle beä fechte! unb fcbtlbert
ausführlich bie 9luferfiehung ber lobten am jungten Sage.
SllejanberS lefcte SBorte finb: „O mein #err, mein £ort unb bie
Stätte meiner SBohnung, nimm auf meine Seele im ^rieben!" (Sine
Stimme, roie Stornier, erfcholl unb fprach: ,,©efj ein im ^rieben in bas
Himmelreich !"
Srofc allen feltfamen SBeiroerfe jeigt fich in ben jmei großem 33c=
arbeitungen beä SUeranberromanS ein mirflicher poetifcher ©eift, ber unter
günftigern SBerbftltniffen eine chrijtliche (Spif hätte entmicfeln tonnen.
®ie nicht fehr erbauliche ©efchidjte „SecunbuS ber Scbroeigfame", bie
in griechifcher, lateinifcher, ft>rifdt>er unb ara6ifcher Sprache erhalten ift, hat
1 »ubge nennt [te The Christian Romance, I, p. iv, xlix— mv ; II, 437—558.
234
3»eiteS SBud). ©edjäteS Äabitel.
im 91eibiobifd)cn bie üoüftänbigfte Bearbeitung gefunben1. SEerfmürbig
genug ift e3, baß fognr armenifdje Sagen über ben Äönig Verbat, bie
ßrftnbung ber armenifdjen ScbriftjeiaVn unb bie Ueberfefcung ber SBibel
ins Wrmenifdje in bem entlegenen 9(befftnttn bearbeitet warben finb; ber
$önig Reifet fjicr Icrtag unb ber Warne beS ÜHeftrop ift in XfjabbäuS
oermanbelt2. 9Beniger auffällig ift, bafi in bem in 9lbefftnien fet)r ans
gefe^enen 93udje „&önig§rul)m" (Kebra-Nagast) , bas bie üßerljerrlidjung
be§ einljeimifdjen ßönigtljumS jum Vorwurf l)at, bie $5bnaflie auf ben
weifen Äönig Solomon unb bie Königin bon Saba jurüdgefütyrt wirb8.
$a fdjon eine talmubifd^e Sage einen Soljn ber beiben 511m ftönig bon
SBabnlon machte, lag e§ nafje, biefen 9?ul)m auf ba§ ÄönigSfjauS Don 9lrum
511 übertragen4.
SBann unb wie bie Srctpmer ber *Dionopf)bftten in 91befftnien ein=
Drangen, barüber fa^mebt nodj großes Tuntel, bo$ ift faum ju jweifeln,
baß fia) bie Trennung oon ber UniDerfalfirdje bereits im 6. ^aljrfjunbert
DoHjogen fwt. Wadjbem bie Araber 641 9tegnpten an fidj geriffen Ratten,
gelang e§ ben jafobitifd&cn ^atriardjen 51t Süejanbrien nid)t nur, bie red)t=
gläubigen Welfiten ju unterbrüefen, ionbern audj bie ätr)toptf^e Äirdje unter
if)re ©otmäfcigfeit 511 jmingen5. £ie Slbeffinier burften fidj fürber feinen
91buna me^r wählen, fonbern erhielten ifm bon 91leranbrien au§; 00m
13. Saljrfmnbert an tourbe ifmen außer bem Wbuna auä) fein weiterer
i8ifd)of meljr gemährt. So mürbe bie d)riftli$e Gioilijatton unterbrochen,
ef>e fie fid) oöllig t)attc entmideln tonnen. $a§ religiöfe Seben fanf.
2?olf unb @leruä fielen aflmö^liüjer 5Berrof)ung anfjeim. Sie cbrtfllid^en
Erinnerungen mifd)ten fi<ö mit fjcibnifd>en, jübifü)en unb mof>ammebanifdjen
©ebräudjen, bie ajriftliaV Celjre mit abergläubifdjen Fabeleien. Sin bie
Stelle beS frühem d>riftlia>grieaWen GinflujfeS auf bie Citcratur trat jefct
ber arabifcfcmofjammebaniidje. $ie ftrudjt maren allerlei matljematifaV,
mebicinifaV unb aftrologifäV Schriften, aud) 3auberbüdjer, juribifdje 9lb=
f)anblungen unb weitläufige GJjronifen, bie mit ber Urzeit begannen unb
1 3. Sad)mann, $aä ßeben unb bie Sentenzen beä *pf>itofoplj«n SecunbuS,
ßcipjig 1887; lateinifdje Ueberfefeung mit ätbiobifdjem Sejt (Berolini 1887); 3>ie
^bilofobhie be« Ißeobtybagoreer« ©ecunbu*. ©erlin 1888.
* »eröffentlidbt unb überfefrt Don 3. »ad) mann als «nfjang 3U: 2>te «philo*
fop^ic be« fteop^thagoreer« Secunbu*. »erlin 1888.
3 F. Praetorius, Fabula de regina Sabaea apud Aethiopes. Halis 1870.
4 93gl. ©. 9töfd), 3>ie ftönigin t»on Sabö als ßdntgin ©ilote. 3ahrbü(fier
für ptoteft. Sheol. VI (1880), 524 ff. — 2». ©rünbaum, Steue ffleiträge lux
femitifdjen ©ogenfunbc (ß*ä>n 1888) S. 189 ff. 211 ff.
4 Sie ätf)iopifd)en Überlieferungen barüber fie^e bei SJltinjenberger (Söill«
manu), «beffinien (Orreiburg i. S3r. 1892) S. 61 ff. Sgl. (Sarb. Pergenroth, er,
?lrtitel „Slbefrmien" in SBefcer unb 2Öeite'8 ftirc^enlerjton (2. 31ufl.) I, 65.
Sie äthioptfdje ßiteratur.
235
fpäter bis auf bic jemeilige iüugfie 3*ü fortgefejjt tourbcn l. %m meiften
getrieben mürbe in bec 3"* ö0" 1300 — 1600 2. 3$on ba ab fdjmolj bie
Literatur ra|ö) jufammen unb fonntc in ifjrcm Qsrlöfdjen nid)t burdj abenb=
länbifdje 3Kiffion8Derfuä^e aufgehalten werben, meiere feit betn 16. 3aljr=
fjunbert oft erneuert, immer mieber burcfolreujt unb ocreitelt mürben 3. $od)
mürbe burd) biefelbcn ba§ 3ntereffe eurohäifdjer ©elefyrter für jene ältere
Literatur unb beren ©tubium roefentlidj geförbert. 3n ba§ ©praajgebiet
unb in ben Söortfdmfc ber alten Uaffifdjen ©pradje, bie nur nodj als
ßird)enfprad)e fortlebt, tyaben jiö) bte neuern $)ialefte $igre\ £igrtna unb
Mmharifa) geseilt, teuere 3;igrifiafj>riü)roörter4, bon einem SJtifftonur ge=
fammelt, jeugen oon einem gemiffen fjauSbadenen $olteljumor , bod) faum
oon höherer Silbung.
1 „Sie ©^tontf be« Sotjanne«*, »ifdjof* oon 9lifiu in «eggten, erft
1601 au* bftn «rabifd)en überfe^t, bietet mandbe 3luff<btüffe übet ba« 5. bis 7. 3ahr-
fjunbert (berau«geg. Oon H. Zotenberg, Chronique de Jean, fiv. de Nikiou. Paris
1883. 23gl. Oon bemf. La Chronique de Jean etc. Paris 1879). — „Sie
(£f)ronifbe«Äönig8 9)Una«'\ ber oon 1559—1563 regierte (fierau«geg. oon
F. M. Estete* Pereira, Historia de Minas etc. Lisboa 1888). - „6hroni!
be« flönig« 3lmbo 6ion (,6ftule 3»>n*V (1314—1344); bernuigeg. oon
J. Perruchon, Histoire des gnerres d'Amda Syon. Paris 1890. 93gl. 91. 2)ÜI«
mann, Sie Jtrieg«tbaten be« Jlönig« 9tmba €>ion. Sifcung«berid)t ber I. preufj.
&tab. ber SBtffenfdj. SBerlin 1884, unb Est. Pereira, Victorias de Amda Sion.
Lisboa 1892). — „Seben be« Äöntg« Satibala" au« beut 12. 3abrbunbert
(berau«geg. Oon J. Perruchon, Vie de Lalibala. Paris 1892). — „ßhronit be«
Äönig« ©ufenüo«*, oon 1604—1632 (berau«geg. oon Est. Pereira. Lisboa
1892). — „©efdjicbte be« 3ara $acob" (Äonftantiu«) oon 1434—1468,
„unb be« JBaeba SRariam" oon 1468—1478 (beraudgeg. Oon J. Perruchon,
Lea Chroniques de Zar'a Ja'eqob et de Ba'eda Marijam. Paris 1893). —
„«eibiopifdje 6^roni!' oon Hbam bi« in bie erfte Wülfte be« 18. 3ahr.
fjunbert« (beraufigeg. Oon Reni Bastei, Stüdes sur l'histoire d'ßthiopie. Paris
1882). — „Hetbtopifdje Ä ö n i g « 1 i ft e n" (berau«geg. Oon H. StUmann,
3«ifdjrift ber $eutfd)en 9Jtorgenlanb. ©efeHfd). VII, 850 ff.). — „9Hdjtf djnur
be« Regenten" (Fetha Nagast), canoniftbe« unb cioile« SRedjt in 51 Äbfdjnittcn
(baoon b«wu*geg. 9tbfd)nitt 44 Oon F. A. Arnold, Fetha Nagast, i. e. Canon
Regum caput XLIV (de regibus). Halis Sax. 1841 ; «bfdjnitt 24 unb 25 Oon
/. Bachmann, Corpus Iuris Abessinorum. Pars I. lus Connubii. Berolini 1890).
9 Sie älteften Jj>anbfd)riften Rammen erft au« beut 14. ^abrbunbert. S5gl. bie
oerf(l|iebenen ftaialoge ätbtopifdjer $anbfd)riften oon SiUmann, b'Slbbabie, SCßrigtjt,
Sotenoerg u. f. to.
» Manoel cTAlmei/da S. J., Historia Geral da Ethiopia a alta, e do que nella
obraram os Padres da Companhia de Jesus. Coimbra 1660.
* Orr an) $rdtoriu«, Jrigifia « ©pridnoörter. 3"tfd)rift ber Seutfdjen
3Rorgenlanb. ©efellfd). XXXVH, 443-450 ; XXXVIII, 481-485; XXXtX, 822-326.
236
3weite« »u$. Siebente* Äctpitel.
<2ie6ente8 Äapitel.
3>ie armetüfdje ^Heratttr.
2öie bie ft)rifc^e ©pradje, fo ift audj btc armenifdje erft in djrijtlidjer
3«t Siteraturfpradje gemorben. Dodj Ijat fie lange juoor beftanben unb
einen reiben <Sä)afc alter (Sagen unb Siebet umfajjt. Denn Sanb unb 95oH
finb mit ben ältejten Ueberlieferungen ber 9Henfä)f|eit t>erfloä)ten *.
$a§ Sanb gleidjt einer geroaltigen ©ergfeftung, bie fidj bon ben Ebenen
9Refopotamien§ bis an ba* ©ajroarje unb ba§ Äafpifdje *Dteer balnnerftredt
unb über bie mit fdmeegefröntem Raupte ber ©rofje Wrarat al§ £>od)marte
emporragt. Dort raftete, nad) bern biblifd)en 33erid)te, RoafjS 9lrd)e Don
ber langen fdjredlidjen t^a^rt ; bon ba au§ l)at fid) bie @rbe aufs neue
bebölfert unb t)aben fid) Sem, ^apljet unb 6fjam in iljre Sänber geseilt.
„Ungefähr im «Dtittelpunlte ber brei ßrbi&eile ber Gilten 9Belt gelegen, in
einem ber glüdltdjften #immel8ftrid)e ber Grbe, menn aud) megen ber ljol)en
Sage ü6er bem 9Heere§fpiegel biefeS 5$ortf)eil§ nur in befd)ränftem 9Jlafee
geniejjenb, mar Armenien afljeit eine £>eerjrrajje ber Stationen, ber 33e=
gegnungSpunft Guropaä unb 5tfien» ; e§ bilbete in allem bie Rad)f)ut beä
erften, bie üBorbut be$ jmetten. 60 bortbeiÜMft btefe Sage in 53ejug auf
£anbel unb (Sibilifation mar, fo mar fte nidjtsbeftomeniger aud) eine Urs
fad)e beftänbiger Unglüd*fülte unb Snbafionen." 2 2Bie fid) bie älteften
Religionen unb ßibilifationen fjier begegneten, fo Ijaben faft alle fricg=
fü^renben SJölfer ber 3Uten SBelt biefe* Sanb auf ijjren 6roberung§$ügen
Oerbeert, Wffbrer, 23am)lonier, 5Keber, ^erfer, SRacebonier, Römer, Sßartber,
bann Araber, Sataren, Mongolen unb Surfen. Rur in berljältnifmiäptg
furjen 3mifd)enräumen Ijaben etn^eimifdje dürften, fjüufig burd) innere
3mtjtigfeiten geftört, e§ felbjtänbig regiert; tneijfens fdjmadjtete e$ unter
bem 3od)e ber angrenjenben ©ro&ftaaten; fymte ^aben fid) Rujfen, Surfen
unb Werfer in ben Sefty beäfelben geteilt, mäljrenb eine ÜJtenge bon
Armeniern auamanberten unb ftd) meit über Efien unb (Suropa f)in $er=
ftreuten. $od) l)at baS »olf in all biefen Drangfafen einen SSolfSgeiji Don
feltener 3äl)igfeit entmidelt, in Armenien felbft mie in ber meltmeiten $ia=
fpora feine Religion, 6prad)e unb Eigenart beroaljrt unb im 9lnfd)lujs an
1 35ie älteften fuftorifdjen Dladjridjten finben fid) in ben Slnnalen bet afinrifdjen
ftönige unb in ben einfaeimifdjen armeuifdjen Äeilföriften aus SUan unb Umgebung.
« P. Leonce Alishan, Tableau succinet de lhistoire et de la litterature
Armenienne. Venise, St Lazare, 1883. — SJgl. James Creagh, Armenians, Koords
and Türks. London 1880. „The Vicissitudea of Annenia" p. 1—28.
3>ie armentfd)e Stteratur. 237
feine alten Erinnerungen audj feine Siteratur wieber ju neuer 33lüttje auf=
leben laffen1.
$ie ältefien Ueberlieferungen ber Armenier finben fi$ in ber ,,©efcbid)te
«SrofcarmenienS", bie ben Konten beS EiofeS Äf>orenaji (oon ßljorene) trägt.
$a$ erfte unb jmeite ©udb, biefeS merfmürbigen SöerfeS beftef)t aus einer
Sagengefajiöjte, bie ganj aus ben älteften Ueberlieferungen unb Siebern beS
ißolfes geftföpft ijtr wie baS perftfaV ÄönigSbud), baS gfirbuft jur ©runb=
läge feine* großen nationalen §j>o3 biente. einige ber Saflaben unb
£elbenlieber finb noa? in iljrer urfprtinglidjen metrifd)en $orm erfennbar,
anbere finb frei in ^ßrofa umgearbeitet unb erweitert. Cb fte aber ein ju*
fammenljängenbeS (SpoS gebilbet Ijaben, ift ungewiß2.
Armenien Oetfjt in biefen Stammfagen ^aTaftan, baS $olf £ain), fein
©tammbater £aig. SBon 53abnton 50g er aus unb wanberte norbmärtS in
bie 23crge am ©übranbe beS EteereS 9(gljtamar, b. t). beS SBan=©eeS. 6r
unterwarf bie . wenigen Seute , bie ba wofjnten , unb grtinbete ein eigenes
fleines föeidj. ©n feiner *RadbJommen blieb l)ier; fein (Snfel unb
9tad)folger Ärmenag aber 50g weiter in norböftlic&er 9iicbtung unb baute
im Sljate be» 5IrajeS bie ©tabt SlrmaDir, bie fürber Äefibenj ber Könige
blieb, $f)eüs am WrajeS, tffeilS an feinen 9iebenflüffen erfterjen bann bie
©täbte CSrmanbajdiat, Sagaran, (Srwanbafert, 9lrtafd)at unb SQßalarfdjapat,
baS heutige (Stfdjmiabjin.
1 Msgr. Placido Sukias Somal, Quadro della Storia letteraria di Armenia.
Venezia 1829. — ftorl 3f t i e b r. 91 e u m a n n , SBerfudj einer ©efd)id)te ber atracui«
fd)en Siteratur, na* ben 2Bcr!en ber aHedjitariften frei bearbeitet, ßetojig 1836. —
Victor Langlois, Collection des Historiens Anciens et Modernes de l'Arm^nie.
2 vols. Paris 1867. — Victor Langlois, Notice sar le Convent Armenien de l'tle
8. Lazare ä Venise. Venise 1869 (p. 35 — 78 ttbrifi ber armenifdjen @efd)iä)te unb
Literatur). — L\l. Dulaurier, Expose* des progres rteents et de l'6tat actuel des
etudes arm<Sniennes en France. Paris 1867. — 0. Dtcight, Catalogue of all
works known to exist in tho Armenian language. Journ. of the Americ. Orient.
Soc. 1853 vol. III. — Patkanian, Catalogue de la litterature armemenne. M£-
langes Asiatiqnes IV. St. P^tersb. 1860. ~ b. ^imjjel, Siruten. C&radje, ©djrift
unb ßtteratur, in Jffiefrer unb SEßelteä Äirdjenlenfon (2. Hüft.) I, 1344— 1353. —
Leiter, 2Jle«roö unb feine ©dnile bei 3. 9iiriä)l, ße&rbuä) ber ^atrologie 1885
III, 215—262. — F. Mve, l'Armenie chretienne et sa litterature. Louvain 1886.
— Äarelin, @efd)id)te ber armenifdjen ßiteratur (armenifd)). 2. »ufl. »enebig
1886.
' J. B. Emin, Wepk knujn Hajastani (©eiri)irfjtltä)e Sieber ber alten Armenier
[altaruienifd)]). SJloäfau 1850. tRefeTat barüber Don Ed. Dulaurier, Journal Asia-
tique 1852 p. 1—58. — td. Dulaurier, Lea Chants populaires de l'Armenie.
Revue des Deux mondes 1852, X, 218—249. — Setter, $ie nationalen ©e-
fange ber alten Armenier. Sfieol- Cuartalidjr. (Bübingen 1894) LXXVI, 48—76. —
V. Langlois, Collection des Historiens Anciens et Modernes de l'Armenie I
(Paris 1867), 9 ss.
»ogle
238
3»eitefi JBuö). Siebente« ßapitel.
$aS neue 9iei(h flößt im ©üben an baS bebtet bon Wnibe, unb fo
berflid)t fid) feine Sage ganj natürlich mit ber affnrif<hen oon 9linuS unb
©emiramis. ©dmmiram (fo h^fs* fte ouf armenifch) berliebt ftdj fterblid)
in 91ra, ben #önig oon Armenien, unb wirbt um beffen #anb. £a er
fid) aber weigert, fid) bon feiner bisherigen treuen ©attin ju trennen, über=
äieljt fie Armenien mit ßrieg unb überwältigt it>n in bem nad) ihm be=
nannten 2;t)alc ^trarat. ©ie nimmt fich feinen $ob nidu" fonberlid) 311
£cr$en; aber Armenien, beffen £>errin fte nun geworben, gefällt if)X. „@S
bezauberte fte bie Schönheit ber Canbfdjaft, bie Feinheit ber Suft, bie ßlar=
heit ber Cttellen, ber «nblirf ber majeflätifchen ftlüjfe, bie ihre SBogen mit
fünftem 9taufd>en burch bie $häler unb blumigen ebenen mäljen." Sie
baute am 93an=See eine Stabt, Schamiramafert genannt, für ihren Sommer
aufentbdt unb ließ ^aläfte bafelbft errieten, bie mit jenen bon Tabalon
wetteiferten an $rad>t. $ie Könige bleiben nun einige 3eit SBafallen ber
21ffbrer, bis «Baruir ber ftiefenfohn (Sgaiorti) im Wnfchlufc an bie Weber
baS %oä) SarbanapalS briajt. (Siner feiner Wadjfolger, Sigran, öerbünbet
fidj bann mit bem ^erfer GoruS, um SlftnageS ju frühen, natrjbem biefer
if)tn ^eimtürfifa^erweife felbft nachgefteflt hatte.
$önig $igran ift ein SieblingShelb ber armenifdjen Sage, ben ein
ganjer #ranj poetifcher (Stählungen berherrlidjt ju haben fdjeint. @r wirb
alfo gefdnlbert: „tiefer Sigran, blonben £>aarmuchfeS , mit gräulichen
Spifcen an ben paaren, bon (Srwanb ftammenb, rotten ©eftdjts unb
bienenäugig , fyodjgemadbfen unb mit breiten Schultern, mit ftarlen Seinen
unb wohlgeformten lüften, mäfjig in Speife unb iranf unb in ber ftreube
gefegt." Sßon einem ber 3felbf)erren beS ebenfalls feljr beliebten flönigS
2l*alarfchafS bagegen fagt baS Sieb : „£en Wann, ben ungefcbjaajten, hod)=
geworfenen, Ungeheuern, ftumpfnafigen, tiefäugigen, grimmig blidenben, aus
bem ©efchlechte s}kSfham8, aus bem Stamme $aifafs, 2offn- mit tarnen
genannt, ben man wegen feiner übergroßen |)äfslid)feit ^Ingeleat) hieß, riefen*
haft an ©eftalt unb an Straft, ilm fefcte Äönig SBalarfdja! jum Statthalter
über ben SBeften." 2)aS tönt ganj h0,,terifa}' ©n älteres, noch h^°nifaj=
mpthologifdjes Sieb fd)ilbert bie ©eburt beS Söafwgn, beS armenifdjen
£erafleS, folgenbermafcen :
„68 gebar ber Gimmel unb bte 6rbe,
Sä gebar aud) baä purpurne SJleer,
2)te ©eburt au$ bem 3Jleere brachte ju Sage ba* blutrotb> <5d)Ufroljrr
25urd) beö JRoljreä Sä)aft lam Slaud) fyxaui,
SJurdj be« 9tof|re8 6ä)aft !am Ofeuer tjerau«,
Unb au* bem fteuer ein Änäbletn fprang,
35aS Srlammen^aare trug,
Ctnen ^euerbart trug eö,
Unb feine Sleuglein waren Sonnen."
Sie armenifdje ßtterotur.
239
$iefe Berfe würben noch, wie SJiofe» bon ft^orene erjagt, $u feiner
3eit mit mufifalifcher Begleitung gefungen. „2)tan feierte gleichermaßen
bie $elbentfjaten be» Söahagn, feine Siege über bie Drachen, feine 9lben=
teuer nicht minber wunberbar al» jene be» £>erafle». 2)tan fagte, er fei
unter bie Gtötter berfefet worben, unb im Sonbe ber Sberier (bem heutigen
Georgien) errichtete man eine Statue, bor ber man Opfer barbrachte."
511» bie Stätte, wo er biefe Sieber gefammelt, nennt 3)cofe» ben Öau
©oltfm, ben öftlichfien S3ejirf ber ^robinj 2Ba»purafan, berühmt burch feinen
SBeinbau unb bie &röhlichfeit feiner Einwohner. @» gab bort eine eigene
3unft ber Sänger, welche bie alten £>elbenfänge unter bem Stalle ber
Gmnbeln unb mit begleitenbem Sana gum beften gaben.
Die fiieberfragmente, bie SJtofeS mitteilt, finb nicht zahlreich genug,
um ein cingeljenbe» Urteil barüber fällen ju tonnen; aber ba» gange
Sagenbuch, wie er e» jufammengeftellt , ift ein überaus anjiehenbe» Dent=
mal altarmenifcber ^oefie unb übertrifft, wenn auch nid)t an 9teid)tfuim
unb poetifchem 3QUber, bod) au Hilter ba» perfifche ttöntgsbudj. Denn bic
früfjeften Sagen reichen in bie Urjeit hinein, bie fpäteften berühren einen
ber 5llanenfriege, welche erfi 72 unb 135 n. Gfjr. ftatujatten.
Ob unb in welcher Schrift bie alten Sagen niebergefchrieben mürben,
barüber fehlen Nachrichten. Die Sprache, inbogermanifchen Urfprung» unb
bem iranifchen Stamme zugehörig , f^at fich , tro£ be» ftarfen Berfehr»
mit ben benachbarten ^krfern, Sorem unb griechifchen 9tfiaten, feljr felb=
ftänbig ju reicher ftormenfülle entmidelt. 3hre eigene Schrift aber erhielten
bie Armenier erft im 5. 3af)rf)unbert n. @fn\ burch ben $1. 9)ie»rop, ber
babei nach armenifchen Angaben ein ältere» Alphabet bon 22 Bucbftaben ber=
toanbte, ba» er bon einem Snrer Flamen» Daniel erhielt, unb ba» er bann
mit £ilfe be» in griechifcher Kalligraphie erfahrenen ©infiebler» 9tuphanu»
berboUftänbigte. (5» fdjliefjt fich thatfächlich meber an ba» perfifche (^ehletoi),
noch an ba» fprifche Alphabet an, fonbern an ba» griechifche; ebenfo ba»
berroanbte albanefifche , b. h- iberifche ober georgifd)e (nicht ba»jenige ber
Stlbanier in (Spiro»), ba» ebenfall» 9)fe»rop erfunben hoben foll1.
Da» ^r)riftentt)uin brang fchon wäljrenb be» 1. ^ahrhunbert» in 2öeft=
armenien ein, rourbe aber gemaltfam unterbrüeft, als e» eben im Begriffe
ftanb, fich weiter oftwärt» ju berbreiten2. 5Jiit um fo wunberbarerer
1 §ubfä)mann, lieber ?luöfpracf)e unb Uuifdjreibiutß beö 5lft«9lrmeiii=
fd)en. 3eitfd)rift ber $eutfd)en SDtorfienlänb. ©efcllfö). XXX, 53—73. — SB. ©arbt»
Raufen, liebet ben grictrjtfdjen Utfprung ber armenifdjen Sd^vift. <£bb. XXX, 74
bid 80. — 9t.fi q r a m i a n j, ©inunb3tt>anaifl 33ud)ftaben eineö öerloreneu Sllpfjabett.
ebb. XL, 315-319.
' 3)er erfte §auptftfo beä GJjriftentrjuma nmrbe 3tfdjtifd)at in Zaxon (im 3üb=
toeften), bad biä babm ber £auptfiV beä £eibentbumg ßeroefen; erft fpäter 309 ber
240
3»eite* »ud). Siebente* Äapitet.
SchneHigfeit *oÜ>g fich bie ^Belehrung, als es im Anfang beS 4.
bunbertS bem tn\ Tregor bem (Srleuchter (©rigor Cufamoritfch) gelang, bcn
Äönig Verbat für baS §oangelium ju gewinnen, ©regor fefbft, ein ©pröfc
ling beS arfafibifaVparthifchen tfönigSfroufeS, in Gäfarea getauft unb fpäter
jum «ifchof gewetzt, nach feinem mühebollen unb reichgefegneten «pofiolat
um baS %ät)x 332 geftorben, mirb öon ben Armeniern nicht nur als ihr
erfter ©laubenSbote unb Patriarch öereljrt, fonbern auch als ber erfte u>er
djrifttichen ©chriftjieller betrautet; boch ift es unjidjer, ob bie ihm jus
gefchriebenen 23 ^omilien mlrflich öon ihm ^errü^ren. 3ener „Mgatljs
angeloS" aber, ber feine Biographie foroie baS flJcartorium ©regorS unb
ber fjl. Jungfrau 9chtoftnte auf ©efeqj bes Königs Verbat gefchrieben friben
mifl, gehört erft bem folgenben Safjrfjunbert an unb hat gefchidjtlich ju=
berläffige $hatfachen mit offenbar legenbentmften SfaSfdjmücfungen bermoben l.
2US ©rünber ber djrifilichen Literatur Armeniens ifl erft ber bereits ermähnte
<DceSrop ju betrauten (auch Wafchtofc ober SHafchthofc), ber Solm beS 2öar*
ban, ber erft im $ienfte beS Patriarchen WerfeS, barauf in jenem beS
Königs SBeramfchapuh ftanb, bann aber (um 395) jeitmeilig als Csinfiebler
lebte unb in ber Sanbfdjaft Gtoltljn unb bem benachbarten (Grenzgebiet baS
ßoangelium »erfünbigte. 9cad)bem er (um 406) baS armenifdje 9Ilpt)abet
feftgefejjt, trat er mit bem bamaligen Patriarchen ober ÄatholifoS 3faaf
(<3at)a(, fpäter ber ©rofje genannt) in SBerbinbung, um eine chrijtlicfte
Literatur ins fieben 511 rufen. $>aS erfte, maS in Angriff genommen mürbe,
mar natürlich eine Ueberfefcung ber öibcl, unb jmor juerft nach bem fori*
fchen Xejt ber pefchittfjo.
Schüler SReSropS mürben bann nach SUejanbrien gefanbt, anbere nach
Sbeffa, Althen unb Äonftanttnopel. ßtroa um 410 gelangte bie erfte $Mbel*
überfefcung jur SBoflenbung, fte mürbe bann nach ber (Septuaginta unb nach
bem griechifchen %e%t beS 9ceuen SefiamenteS Oerbeffert unb um 432 enbs
giltig abgefchloffen. £anb in $anb bamit ging auch bie §feßfteßung ber
armenifchen Liturgie. $iefe faft gleichzeitige ©eftaltung ber (Sprache, ber
Literatur unb ber ßtturgie mar nicht nur für baS religiöfe Sehen Armeniens
oon meittragenbfter SBebeuhmg, fonbern auch eine nationale $hat im fchönften
Aatf)oltfo$ nad) ber alten jtöntgöftabt ä8alarfd)apat , bem heutigen dEtfdjnüabain
(„Xtx (Singeborne flieg h«*nieber*). §. ©el<jer, 2>te Slnfänge ber ?lrmenifd)en
flirdje. JBerid)te ber fgl. fad)ftfd)en ©efettfd). ber SBßiffenfd). $ifi.-pfi,U. Äl. (ßeipjtg
1895) 6. 109-174.
» V. Lanylois, Collection 1 (Paris 1867), 97 s. - ö. ©utfdjmib, Kgatb.
angelo*. Seitfd)rtft ber 2>eutfd)en 9ttorgenlänb. ®ef«Hfdj. XXXI, 1—60. — Thumaian,
Ag«t hangelos et la doctrine de l'Eglise Arm«5nienne au 5* stecle. Lausanne 1879.
— ö. fcimpel, Hrtifel „©regor ber Crleudjter" im fftrd)cn«8epton V (2. HufL),
1155—1160.
Aie nrmfntia)e XMieratnr.
241
©inne. „$oß fid^ bie Armenier unter ollen ©türmen, benen fett bem
5. Sahrhunbert Sßorberafien , befonberS Armenien, auSgefefct mar, als ein
felbflänbigeS chriftlicheS Sßoit erhalten f>aben, ift Dorjüglicb biefem ber eigen=
tt)ümlichen ©praaje beS SSolfeS angepaßten Alphabete, moburch eine ein=
heimifche Literatur unb eine felbftänbige geiftige S3ilbung ber Nation möglich
gern ad) t mürbe, jujufchreiben." 1
$>aS große 2Bert ber 93ibelüberfefcung regte alSbalb ju meiterer litera=
rifajen Sljätigleit an. $)er 9iame „Interpret" warb jum ßtjtentitel, unb
in allen feilen beS SanbeS erjtanben ©Ovulen, an welchen aufftrebenbe
Talente fieb am ©tubium griechifdjer Siteratur &u mirfungSöofler Pflege
einer eigenen fjeranbilbeten. 3tn ben unmittelbaren ©chülern ©ahalS unb
3Re$rop§ loben bie armenifdjen Äritifer, baß fie fomohl bei ber Ueberfe^ung
ber ^eiligen ©cfjriften als auch in it)ren liturgifchen Siebern (auf bie ©onn=
tage, auf bie fteftjetten Don Oftern unb Sßfingften) ba§ armenifebe Sbiom
in Dotier Steinzeit, frei Don griednfehem Ginfluß, ju erhalten mußten. 3)ie
„jmeiten Interpreten", meift im 9lu8lanbe meiter ^erangcfajult, überzahlten
bie „erften" noch burdj ihren Itterarifdjen Stuhm; it)re 3«* Qilt als baS
eigentliche golbene 3cuVottcc öc* armenifdjen fiiteratur.
(?in fo rafdjer Sluffajmung aus bem 3ul*anDe ber ^Barbarei auf bie
ipöfje ber bamaligen chriftlidjen SBilbung märe unmöglich gemefen, menn
nicht eine ganje ©char hochbegabter ^Könner fortgefahren hätte, bie bereits
oorffanbenen 33ilbungSfchätje ber ©riechen nach Armenien ju berpflanjen.
Manche biefer Ueberfefmngen — bie (Sljtonif beS ©ufebtuS 2, bie ©riefe beS
hl. 3gnatiu§, SBibelerflärungen unb Sieben beS ffl. (Spfnüm3, ©chriften beS
SlriftoteleS, SßorphoriuS, tyfyilo — finb in neuerer 3e** toieber herausgegeben
morben; zahlreiche anbere liegen noch ^anbfdyriftlidt) bor, befonberS Don
grtechifchen Äirchenbätern ; Dorhanbene Fragmente beuten an, baß auch Jpomer
unb bie griechifchen fragiler ben Armeniern nicht unbefannt geblieben finb,
aber Diele ihrer Ueberfejjungen merben in ben ©türmen ber 3e*t äu ©runbe
gegangen fein4. £och bei folchen Vorarbeiten blieb man nicht ftet)en. 3n
1 (5. 3r. 5Rcumann, JBerfud) einet @efcf)iä)te ber amentfdjen ßiteratur (ßeipjig
1836) S. 35. — Sal. SGBelte, 3trt. „gneflrob" im Ätrcb>nlejifon. 2. Xuft.
* §eraufigegeben öon Singe lo 901 ai unb ^o^. 3of)rafe. 9Jiatlanb 1818.
* 9iur in biefer armenifd)en Ueberfefcung ifi ber tmd)tige Kommentar befi
1)1. St)f)räm ju 2otian8 3>iateffaron ermatten (<&b. SJlöftnger 1876) unb bie €r*
tlärung bet paulinifdjen ^Briefe (eine Ueberfetjung berauSgegeben au Söenebig 1893).
4 II paratt meine, qu'ils tradnisirent Homere, car la bibliotheque imperiale
de Paris possede un vocabulaire pour servir a l'intelligence du texte do l'lliade.
On connalt aussi im fragment malheureusement tres court de la trag^die des
Peliades d'Euripide, qui est perdue en grec (MoYse de Khorene, Rhötoriqne
[Venise 1843J p. 883 s.). On sait encore que les Armeniens avaient traduit
les comedies de Menandre, notamment les 'Eiztrpir.ovrti , inentionnöes dans les
»ottmaortntr, «BdUUetotur. I. 2. Hufl. 16
242 3n«üe* »u<b- Siebente« Äapttel.
gjntf erftanb ber aufblüljenben &'ir$e ein fdjarfer, fraftöoller Apologet, ber
fte gegen bie Srrtbümer beS alten £eflaS unb 3ran, gegen ©nofticiSmuS
unb abergläubifdje Wftrologie jugleidj Dertljeibigte. SlifaV fdnlberte als 9tugen=
jeuge in feiner ,,©efd)id)te SöarbanS" emft unb ergaben, aber jugleid) mit
bramatifdjer Sebenbigfeit , boü glüfjenber 93egeifierung für ©lauben unb
$eimat, bie gewaltigen kämpfe, bie fein 2tolf wiber bie perfifdje Uebermadjt
in ben 3aljren 449 — 451 beftanb. SajaruS bon $b,arp jeidjnetc in traft=
boflen 3ügen bie ©efd)id}te Armeniens bon 338 bis 485, ftauftus bon Styjana
ungefähr biefelbe ^eriobe (344—392), ßoriun baS Seben WeSropS unb
feine Söerbienfte um 2anb unb Sßolt. TOanbafuni wetteiferte mit ben griedb>
fdjen Homileten in eigenartiger, gebanfenboüer Söerebfamfeit.
$er gefeiertfte Siebling beS SöolfeS mürbe inbeS feiner biefer ältern
SHafftfer, fonbern ber bereits ermähnte Sdjriftftefler, melden bie armenifd>e
Ueberlieferung, menigfienS bom 9. 3ab>l)unbert an, als 9JiofeS bon flljorene
(eigentlid) Gljoren) bejeia^net, unb weldjer aufjer feiner ©efdjidjte Armeniens
auä) eine allgemeine ©eograpljie unb ein Cefjrbudb, ber fltyetortf Ijinterlaffen
Ijat1. Seine ©efd)i(f)te ift in brei Söüdjer geseilt. $as erfte umfaßt bie
alte Sagengefd)id)te bis jur ©rünbung beS arfacibifaVn ÄönigSljaufeS, baS
jweite bie ©efdj)idjte biefeS Kaufes bis jum Sobe ©regorS beS (SrleucbterS
unb beS Königs 2erbat, baS britte enblidb, bie weitem ©dndfale Armeniens
bis 5um Sturje ber ?lrfaciben=5)r)naftie. (Sin bierteS 33ucb, baS bie ©e=
fducfyte bis auf $aifer $eno weiterführte unb nod> im Mittelalter betannt
war, ift bleute nia^t meljr Dorfjanben.
$>er SSerfaffer felbft bejeia^net fidf) als einen <Sä}tiler ber beiben 3k=
grtinber ber armenifdjen Siteratur, SafjafS beS ©rofjen unb beS 1)1. 9WeSrop.
$tefe fd)irften if>n, wie er erjäljlt, 431 nadj WIeranbrien, um fieb, burtb
baS ©tubium beS ©ricdnfdjen gum Ueberfefcen griednfd)er Sajriften ins
Wrmenifdje p befähigen.
Prolegomenes aux Categories d'Aristote de David le philosophe. V. Langlois,
Collection des Historiens. Discours preliminaire p. xxv. — !£ie ©tette be« SRofe«
von flljorene übet bie ^eliaben be« (guripibc« überfefet »ort 9ieumann, SJerfud)
6. 51, unb Don Langloi*, Collect. I, 897b. Sögt. 00311 Slbolf Baumgartner.
Ueber ba« Sud) „Sie ßfcric" (3ettfd)rift ber $eutfä)en SWorgenlftnb. ©efellfd). XL,
459). — (Sine Ueberfefoung be« $feubO"ÄaQiftb,ene« , bie oöQig mit ber ftjrifdjen
übereinftimmt . flammt nad) Slnfidjt ber 9Jleä)ttariften au« bem 5. ^abrtnmbert unb
n>trb oon iljnen bem 9ftofe« oon «Rfjoretif jugefdjrieben, fte gehört aber wie ?ßfeubo«
3ttofe« felbft roofil unjtoeifelbaft einer fpätern 3eit an. — Budge, The History of
Alexander tlie Great (Cambridge 1889) p. ltii. — 3. 2>afd)ian, Untcrfud)ung
über be* ^feubo-ÄaUift^cne« Sllesanberbiograpbie (neu^armenifd)). äöien 1882.
1 lieber bie ^bentitöt befi SJerfafferÄ ber brei Sd)riften ogl. IIb. JBaum»
gartner, lieber ba« SBud) „Sie 6f)rie" (3eitfa)rift ber Seutftben 9)torgenlänb.
©efeafdl. XL, 457-515).
»ogle
S)ie armemfdje ßüeratur.
243
@r befugte unterwegs ©bcffa unb bie fjeiligen Stätten beS ©ebbten
ßanbeS. Menbung fetner Stubien in ber ägbptifdben &aubtftabt
moflte er naefe ©riea>nlanb reifen, warb ober burd) mibrige SHMnbe jur
See nadj Italien berfdjlagen unb tarn fo nad> 9tom. 58on ba ging er nad)
Althen unb ©Djans. Wad) Armenien jurürfgefe^rt , fonb er feine beiben
Setjrer nid)t mehr am Sehen. 3n feiner ©efdndjte fd&ilbert er fic^ als be=
retts alt unb franf unb bo(b. immer nod) mit Ueberfe&en bef^äftigt.
Spätere armenifaje Ueberfieferungen melben, er fei ein «Reffe 9)leSropS
geroefen, üon flaifer 9Harcian öffentlid) belobt, bon bem flatbolifoS ©iut
jum 33ifdt>of üon Sagratoanb gemeint »orben, fjabe bas Hilter bon 120 Sauren
erreidjt unb fei im 9lpofteKIofter ju <Dtufd) bei Saron begraben1.
51üc biefe Angaben mürben bon ben Armeniern felbfi gläubig auf=
genommen unb bis f>erab in bie fteujeit feftgefwlten , ben ©ajriften beS
SRofeS ein gerabeju canonifd>S SInfeljen beigemeffen 2. ftadj neuern $or=
fd)ungen f)at nun aflerbingS wahjfaVinlid) einer ber berbienftboflen 3nter=
Preten ber ältem 3eit ben tarnen WofeS bon Äfwrene getragen ; ber. 93er=
faffer ber unter feinem tarnen fo bielgefeierten SBerfe aber ift ni#t er,
fonbern ein 9tt)etor aus biet fpäterer 3eit (nad) b. ©utfc&mib aus ben Sauren
634—642), ber fict> jene» Samens bebiente, um fiaj gröfccreS Slnfefcn ju
beriefen 8.
Gbenfotoenig wie £erobot unb SibiuS Ijat eS biefer fpraajgemanbte
Armenier barauf abgefeljen, feinem 33oIf eine actenmftfjig, peinlidj genaue,
fritifa) unanfedjtbare £>iftorie ju bieten. 2öo feine $)arfteflung aus bem
Sfeidj ber Sage in bas ber ©efdjicbje übergebt, wirb fie fet)r bürftig unb
ftimmt nid)t mit ben grieajifdjen unb römiföen 93erid)ten überein; audj too
fie aber im 2lnf#lufj an SlgatljangeloS , SajaruS, ftauftuS unb anbete
Sajriftftefler reia^baftiger mirb, bleibt fie ungenau unb un^uberläffig unb
jieljt, »ifllürlicb bidjtenb unb pbantafirenb , böflig frembe Ibatfadjen unb
Ueberlieferungen in ben Stammen ber armenifajen ©efdjidjte hinein4«. 2lus
ber 93ertyerrli#ung , bie er unter ben 9lbelSgefdjled)tern beS SanbeS ben
©agratuniben ju tfjeü werben läfet, fyat man bie SBermutfjung abgeleitet, er
Jjabe mit feiner Stfrift nur bie fünftige £errfdmft biefeS #aufeS borbereiten
1 3ufammen8eftctlt üon Langlois, Collection des Historiena de l'Armenie
II, 47 aa.
3 Sukias Somal, Quadro della Storia letteraria di Armenia p. 24 ag.
• 31. 1>. ©utfdjmib, Slrtitel Moses of Khoren in ber Encyclopaedia Bri-
tannica. 9* ed. London 1883. fileine Sdjriften III (Seibatg 1892), 382— 888.
* Ä. Carrtere, MoTae de Khoren et les genealogiea patriarcales. Paris 1891.
— Nonvelles aourcea de Mofee de Khoren. Vienne 1898. Supplement. Vienne
1894. — La legende d'Abgar dana Ihistoire d'Armenie de Molse de Khoren.
Paria 1895.
16*
244
3h>eiie* »ud). Siebente* ftopitel.
wollen. £at fein 2ßer! fonad) audb, nic&t bcn 2Bertl> einer auoerläffigen
©efcfyajtSquelle, als toeIa> eS bis &erab in bie fteujeit in Ijo^em Sinken
flanb, fo bürfte es bod> bieHeicfct unbillig fein, ben 9Serf affer nunmehr als
einen öerroegenen ©efdtfdjtSfälfaVr, ©etrüger unb ©djroinbler ju branbmarfen.
©anj fa>int bie Sfanaljme benn bo# nitft unmöglich ber ^od)gebi(bete 2Kann,
poetifa^ beranlagt, ein gtänjenber 9tf>etor unb glnljenber ftreunb feiner #eimat,
ljabe als #elb feines SÖßerfeS Armenien felbft im tÄuge gehabt unb 6age,
Segenbe unb ©efdfciüjte mein* mit ber SBegeifterung eines 3>id)terS als mit
ber froftigen Ueberlegung eines 21nnaliften betrachtet. 2fn 3nf>alt unb ©tim=
mung erfefcte fein Söerf einigermaßen ein großes «RationalepoS, in meinem
ber ©eift ber Soweit füljn unb t)elbenf>aft, f$ön unb begeifternb ftd) fpiegelt.
$arfteflung unb ©prad)e Ijaben auf baS SBolf ber Armenier einen unroiber*
jteljliajen 3auber ausgeübt. 6S $at fid) unb feinen ©eift in bem 8ua>
»iebergefunben unb ben 9J*ofeS öon ifyorene barum geliebt unb gefeiert
nrie feinen jmeiten.
33on fjinreifjenbem poetifajen ©airoung ift bie tflagc, roomit SJiofeS öon
#b>rene, nad&bem er ben ©turj ber Wrfaciben gefajilbert, fein 2Berf befd)liejjt.
„3d) traure um bid), ßaitb Armenien; id) traute um biet), ßanb, baä bu alle
ßänber be« Horben* übertriffft! Senn geraubt ftnb fte bir, bein ßönig unb betn
§oberpriefter, ber »eratber unb ber ßebrer ber 2Bei*brit! Ser triebe ift geflört,
bie Unorbnung bat SBurjel gefdjlagen, ber mabre ©Iaube ift erfdjütiert, bie Äefcerei
bat burd) Unroiffenbeit $alt gewonnen.
w3d) traure um bid), ftirdje Armenien j! Ser t)errlidbe ©lanj beined heilig«
tbumS tfat ftd) umbuntelt; benn bu bift beineS trefflidjen Birten unb feiner ©enoffen
beraubt. 3«b fet)e beine getftlidje #erbc ntd)t mebr wetben auf ben grünen Söiefen
am Strome be8 ^rieben*; id) febe beine §erbe nid)t mebr öerfammelt in ber fcürbe
unb geaen bie SEßölfe gefd)irmt, fonbern fie ift jerftreut in Söfiften unb Hbgrfinben.
„C €Ienb! C jammerttotter 3uft°nb! SDÖte foH id) meinen 6d)nterj ertragen?
roie meinen ©eift unb meine 3ung* beberrfdjen unb einige SBorte ftnben für meine
3Jäter, für bai Seben unb bie 6orgen, bie fie mir geroibmet? Senn fie baben mir
ba« Seben gegeben, fte baben mid) mit ibrer Sebre gcnäbrt, fte baben mid) auferjogen
obne anberc ßebrer. Unb al« fie fidjer auf meine Dlücffebr red)neten, um ftd) am
!Keict)tl)ura meinet SÖiffenS unb an ber gtücflidjen ©ntmieflung meiner Stnlagen 3U
freuen, als id) felbft in größter Site öon fdx^an^ herbeieilte unb fidjer boffte, ben
SBrautreigen 31t fübten , bod))eit(id)e Sieber ju fingen , ba fietje ! anflatt all biefe*
3ubet« Pebe id) am ©rabe, feufjenb, trouernb unb »einenb. 3d) tarn nidjt einmal
mebr früb genug, um fie 3u feben, ibnen bie Sugen ju fdjliefecn, ibre legten SCßorte
ju bernebmen unb ibren ©egen )u empfangen. . .
„2>ie Sebrer finb unmiffenb unb anma^enb; fie treiben 6d)ad)er mit ber (Stftt,
fte finb nidjt t>on ©ott berufen, nidjt Dorn ©eift getrieben, fonbern um ©elb erroäblt,
geijig, neibifd), bie ©anftmutb r»erad)tenb, an ber ©ott fein äßoblgefaKen bat; fie
toerben SDßöIfe, bie ibre eigene §erbe äerreißen. S)ie SDlöndje finb fdjeinbeilig, ftolj
unb eitel, geben auf &f)xtn mebr alä auf ©ott. Sie ©eiftlidjen finb bodjfabrenb,
abfpredjerifd), leere Sdjtoäfeer, Orautenjer, Ofeinbe ber 9Biffenfd)aft unb befi UnterridjtS
ber ©elebrten; ©elbgefa^äfte unb hoffen gelten ibnen mebr. Sic Sdjüler fümmern
Sie armenifdje Siteratur.
245
fid) nidjt barum, ettoa* ju lernen, toollen lehren, beöor fte ettoa* gelernt fjaben, unb
fielen fldt> als ©otteigeleljrte auf. Sa* JBolI tft ftolj, fredj, übermütig, träge,
boshaft, miffet^äterifd) unb fliegt bie ©eiftlidjfeit. Sie Arieger ftnb rot), bra&Urifa),
ber Söaffen überbrüfftg, faul, fttienlo«, unmäßig, blünberungdfüdjtig, toetteifernb mit
ben ©tra&enräubern. Sie Sürßen ftnb abtrünnig, ©enoffen ber Siebe, geijtg, gierig,
Räuber unb SBertoüfter, fittenlo*, ©flabenfeeten. Sie SRidjter finb parteüfd), fölid),
trügerifdj, gierig narf) ©efdjenfen, ungerecht, feig im Urtbeil unb Iüftern nad) 3<>n{.
Äur3, jebe* @effif|l ber Siebe unb ber ©d)am ift au* unferer 2ftüte genügen.
.30a« toirb bie ©träfe für bie* altes fein , al* bog ©ort un§ im ©tid)e lägt
unb bie SRatur ber demente fid) beränberi? Ser ftrübling toirb troden fein, ber
©ommer regnertfd), ber §erbft eifig falt, ber SBBinter ftreng, frttrmifä) unb lang.
Sie SOßinbe toerben batb jura ©djneefiurm antoa$fen, balb töbtlid) gl üben be £>ifoe
bringen ; bie SSßolfen toerben glutljfdjtoer fidj auftürmen unb bieten $agel entfenben ;
ber Wegen mirb aur Unjeit fommen unb teinen 91ufeen fd&affen; bie Suft toirb in
(Ei* unb SRetf ftarren; bie SÖaffer toerben frudjtlo* anfdjtoeEen unb bie $ifee un«
erträglid) toerben. Sie Crbe toirb teine Öfrüdjte meljr tragen unb bie Spiere fidj
ntdjt mebr Detmeljren. 6* toirb CErbftö&e unb Grbbeben geben, unb um alle Uebel
Doli ju mad)en, toirb Äufru^r tyvxfätn überall, toie es gcfdjrieben ftebt: ,Unb ben
©ottlofen foU fein triebe fein!' ßf. 57, 21.)
„Sie Jtönige toerben graufame, flurfnuürbige ^rannen fein, fte toerben mag*
lofe, erbrücfenbe Saften auferlegen unb unerträglidje SJefeble erlaffen; bie SBorgefefetcn
toerben ofnte ©orge um ba* 8ted)t unb jebe* STMtleib* bar fein. Sie Sfreunbe toerben
fid) Oerratfjen feigen, bie Sfeinbe triumbbiren. Ser ©laube toirb um ben $rei* btefe?!
nichtigen Seben* oertauft toerben. 3a^Hofe Stäubet toerben oon allen ©eiten bnbei>
ftrömen. Sie häufet toerben jerftört toerben, ba* ©igentbum geflogen, ftetten
toerben ben 2Mdjtigen au tb>U, ber flerler ben ©beln, ba* ©jil ben freien, ba*
©lenb ber gro&en 3Jtaffe. Sie ©täbte toerben erobert toerben, bie Rettungen gefdjleift,
bie frieden ausgeraubt, bie §äufer oerbrannt. ©nbltd) toirb lange $unger*notb,
Ijereinbredjen , ©euä)en unb ber Job in jegliäjer ©eftalt. Ser ©ottesbienfl toirb
banieberliegen unb bie $ölle fid) oor unfern Sfüfeen öffnen.
„Sönftu*, unfer ©ott, möge un* »or all bicfem Unfjeil betoabjen unb biejenigen
fdjirmen, bie if)n in ber SBafjrbeit anbeten! $rei* fei iljm bargebradjt oon un*
allen, feinen Kreaturen! Slrnen." 1
SJleljr als einmal Ijat fia? tiefes furdjtbare 3ufunftSbiIb an ben 9tr=
meniern erfüllt. Sie Ijaben es ni$t für eine blojje rljetorifa> «Stilübung
gehalten, wenn fiaj auß ber föjulgemiijie 9tI)etot babei nic&t berläugnet.
25te gelehrte Schulung $at in SRofeS baS toafjre, tiefe ©efüffl ebenfotoenig
berbrängt, als fein fdjttmng^aft lörtfdjet SluSbrudt bie fonft metyr cpifdjc,
PorifaV Wartung.
tiefer 3ug jum ^ifajen ift für bie Armenier ajarafteriftif^. $o<&
fte genoffen nia^t jene beljaglia> Äu^e, in melier bie ftünfie, befonberS bie
^ßoefie, ftd) hätten freubig entnjirfeln fönnen. 63 traten feine eigentlichen
(Spifer unter ümen auf ; bagegen führten biete begabte Männer bie Gfjromt
ber Seiben unb Äämpfe toeiter, toela^e baS S)ott ju befielen r)ottef als erft bie
1 8. Söud), Äap. 68. Waä) Langloit, CoUpct. U, 178 83.
240
Sumte« SBudj. Siebente« Äapttel.
Ucbermadjt ber 8affaniben, bann jene ber Araber, Tataren unb Mongolen
feine Selbftänbigfeit jertrat. £a§ Mnbenfen an bie glorreiche Vergangen:
fjeit gab ifym 9Rutf), au*jul)arren in btefen 3"*en Sdjnierjcö unb ber
Trauer; e§ f>iclt bie in ber weiten 2)iafpora 3er^rcu^n niit °em £ctmat:
lanbe am 9trarat jujaminen. ÜBie faum bei einem anbern SSolfe ift bie
©efd>id)te in ben 3?orbergrunb ber Citeratur getreten. %\t meiften unb
öorjüglidjften Sc&rijtftefler aud) ber ^olgcjeit ftnb ^iftortfer.
3 e n o b ® l a f unb ^ofjanneä ber 9K o m i f o n i e r , @ef$t$te Don % aron.
— Sebeoö, ©efdjidjte Armeniens (befonber« ber Ariege mit §erat(iu« unb ben
Slrabern, 590—660). — ©tjeoonb (ßeontiu*), ©efdjidjte ber arabifä)en Eroberungen
in »rmenien (oon 661—788). — 3 o b a n n e ö VI. ft a t f) o l i f o « , Allgemeine ©e.
fd)id)te oon ber ©ünbflutb, bin 925. — %b,omai Slrtsruni, ©efdjidjte ber dürften
ber £rt«runier (jugleidj allgemeine ©efdjiäjte) bi« 986, fpäter bi« 1226 fortgefefet. —
9K e £ r o p ber^riefter, ©efdjtcbte Werfe«' be« ©rofeeu, unb @efd)id)te ber Armenier
unb ©eorgier. — SDtofe« flalantatuenfid, ©ef^idjte ber Albanier (im Äau«
lafu«). — Stephan »foltt, Gbjonif bi« 1004. — Briftato« bon ßafti-
toert, @efd)id)le oon 989—1071. — SRatthco* ber «ßrtefier, ßeben be« 3o«
banne« ©brOfoftomu«. — 9)latth,eo* oon Urrba, ©efdjidjte Oon 952—1186,
fortgefefct Oon ©regor bem trieft er bi« 1162. — 3JHd)ael ber ©brer,
Söeltdjronif bi« 1198, fortgefefct bi« 1250 (Ueberfefeung au« bem ©örifdjen). —
SBarban ber ©rofce oon JBarbferberb , 2öeltd)rontf bi« jum 3at)re 1267. —
ftirato« oon ©aubaa!, ©efd)id)te Oon 300—1267. — *Dtalalfjia ber 9)cönd),
3>ie 3üge ber Sataren oon 1228—1272. — Söafjram, genannt Stabuni, ©eiäjicfjte
ber Stubeniben (in SBerfen), bi« 1280 retd)enb. — ©teptjanu« ©iunenfi«, ber
Orbelier, ©efdjidjte ber ^robinj ©tuniff). — Sembat, ©efdjidjte ber fyit oon 952
bi« 1244. — 2f>omaS Oon SNetfoph, ©efdjidjte 2imur«. — »ratbel oon
Xabrt«, »agemeine ©efdjidjte oon 1602—1662'.
2>iefe ©efdjidjtSroerfe aber, roenn auaj fct)r Derfc&ieben an toiffenföaft:
lidjer unb formeller ^Bedeutung, reiben fid) nidjt nur ju einem lebenSöoflen
C^cfamtbilb ber armenifd)en Nation, fonbern fte enthalten audj für diele
Venoben, mie 5. 33. jene ber Saffaniben, 9tad)rid)ten t>on Ijöcbftem 2Bertfy
unb Bereinigen fid) ju einer n>ar)rr)aft „goldenen Äette", roetdje bie ©e=
fdjidjtc beä Etorgenlanbe» mit jener be§ 2lbenblanbe§ derbinbet2.
' 33on nidjt geringem ^ntereffe für bie ältere ftirdjengejdjidjte ftnb bie arme«
nifdjen OJiartöreraeten, herausgegeben oon F. C. Conybeare, The Apology and Acts
of Apollonius and other Monuments of early Christianity. London 1894. (6nt*
tjdlt bie flRartyreracten ber btt. ^tjofa« oon ©inope, ^oloeuft, ©ugenia, ßobratu«,
Zbeobor oon C>erattea, 2b,elelau«, f>i^iboujji, ftattiflratu«, 3)emetriu«.)
2 Depuw le commencement du IV* siocle, jusqu'a nos jours ces monu-
menta se continuent par une succession non interrompue , v^ritable chaine d'or
qui rattache le monde ancien ä celui de nos jours. A. de Wickert ny , Une
Bibliotheque historique Armenienne. Revue des Deux Mondes XVI (1858),
491 sä. Cf. F. Nh-e, L'Armdnie chr&ienne et sa litterature (Louvain 1886)
p. 287—382. Serfelbe beruft fid) auf ba« 3eugnife be« fet)r juoerläffigen 5orfd)cr«
$ie armem fdjc ßiteratur.
247
£ie Sdjitffale Armenien» f elbft fteflen eine anbere $ette, eine $ette oon
Öciben bar, wie fie in biefem Umfange nur über wenige Völler Ijereingebrodjeu
finb, unb e§ wof)l erflärlid) machen, bajj Diele 3roc»9e ber Literatur faum
ober nur fet)r fümmerlidj gepflegt werben tonnten, ec&on nadr) ben (Sin=
brüdjen ber Selbfajufen, meldje in (Srjerum allein lOOOOO (Sinmotjner
niebermad)ten , begannen jene 99taffenau§wanberungen , weldje bie Armenier
über bie ganje 2Mt Derftreuten. «Sie erneuerten fid) nad) bem (linfaü ber
Mongolen unb in nod) größerem 9)tafjftab, als gegen (Snbe beS 16. 3af)r=
f)unbert§ erft bie Werfer, bann bie dürfen baS fdjon na^eju erfc&öbfte 2anb
oötlig Dermüfteten. $ie ruffifc&en Eroberungen feit 1828 bebeuteten eine
ßrlöfung ober bodj wenigftenä eine überaus günftige 2öenbung für baS SBolf,
beffen £08 fidt) in bielen Stüden äf)nlid) jenem ber Stuben geftaltet Ijatte.
SöaS biefeS £o§ nod) mefentlid) Derfdjlimmerte, mar bie feit 491 (auf
ber Sttnobe üon 2öatarfd)apat) angebahnte, im Saufe be§ 6. unb 7. $al)r=
hunbertä enbgiltig Donogene Trennung Don ber allgemeinen ajriftlicben 2öelt=
firdje. $amit fdjloB fidt) nid)t blofe bie firdjlidje 2Biffenfd)aft, fonbern aud)
baä allgemeine ®eifte£le6en Don bem fegen§Dotten Ginfluji beS SIbenblanbeS
ab unb erftarrte jufef)enbä in bem engen unb engherzigen greife einer fleinen
Wationalfirdje. pr bie ©efamtwelt Ijaben be$f)alb bie GanoneS, $ccrete,
Siturgien, bie Geologie, ßanjelberebfamfeit unb ^mnnif ber fd)iamatifd)en
Armenier nur ein fefjr untergcorbneteS Sntereffe, mäljrenb bie f leine ©djar
ber roieber mit ber ßirdfce bereinigten erft nad) Jangen $rangfalen im ftanbe
mar, eine felbftänbige Literatur in§ Seben ju rufen.
fyofyn 9tnfel)en§ geniest inbeS fomofn* bei ben unirten als ben nidjtunirten
Armeniern ba§ alte liturgifa> £mnnenbua}, ba3 Wie auch bie einzelnen
£pmnen Sdjaratan genannt wirb1. Söom 5. 3af)rfumbert an fyabm bie
9t. ^attaman, jufolge meinem bie Armenier burä)roeg niel mafabafttger finb edi
bie meinen @efd)id)£ frf>reibcr bti Orient«: L'eUement fabuleux n'a point d'aeces
chez eux, a l'exception des miraclos operes par la foi on les saints. Quelque
vif que soit lear attacheraent ä leur patrio, ä leur nationale, a leurs usages,
les ecrivains armeniens n'hösitent pas ä accaser leurs national«, et ä rendre
justice aux etrangera, qnand ceux-ci, dana leur opinion, le möritent ; ils ne taisent
pas les malheurs ni les dtffauts de leurs compatriotes , et , en meme tetnps, ils
n'amoindrissent pas la gloire d'autrui , pourvu toutefois que les sonrees aux-
qaelles ils ont puiae n'aient pas ete altertfes avant eux. R. Patkanian, Essai
sur la dynastie des Sassanides, trad. du Russe par Evar. Prudhomme. Paris
1866. (Extrait du Journ. Asiat, p. 6. 7.) 3ftit Stüdfidjt auf bie einzelnen arme»
nifdjen ©efdjtdjt fahret ber bürfte bie fortgefefete Ärbeit ber mobernen Äritif biefe*
günftige @efantfurtf)eU inbeS bod) etwas mobifkiren.
1 §erauögegeben mit ©ommentar (armenifd)) üon P. ©abriel 21 ü e*
b i 1 1) i a n. JBenebig , @. Saj3aro , 1814. — Sateinifdje Ueberfefoung ber 9Jtarien=
^mnen : Landes et hymni ad SS. Mariae Virginia honorem ex Armenorum
Breviario excerpta. Venetiis 1857. — Sluffifdje Ueberfe^ung beS ©(barafan üon
248
3toette* ©ud). Siebente« ftapitel.
angefef>enften Patriarchen unb ©djriftftefler baran gearbeitet, fd&on ©abaf
(3faaf) ber ©rojje, SJfeSrop, SKofeö üon Ä^orene, fpäter 9lerfe3 öon #laj,
genannt ©dmorljali, 9Zerfc§ bon fiampron unb Söarban ber ©rofee. ©einen
9(6fdt>(u^ erhielt es erft im 14. ^a^unbert. (SS bezeugt bie innige geifiige
ÜBertbanbtfcbaft, in roeldjer baS religiöfe Seben ber Armenier troty ber Xrennung
nocb immer mit ber 3Kutterfird)e ftanb. 3n ben £)timnen auf bie ^eiligen
Stpojiel ^etruS unb ^aulus finbet, burdj eine glücflicbe Snconfequenj, fogar
ber (Glaube an ben ^rimat feinen poetifajen ftuftbruct1.
,#err, ber bu über bie anbem Äpoftel beiner ffißafjl ben feiigen herruft jum
Orfirften beä ©laubenö, jum Sfunbament ber Jhrdje ernannt faft;
,3>u, ber bu burd) erhabene »erufung bai ©efäfj ber 3lu«ertDäl)lung jum
3lpoftotat berufen b,aft, um bie Reiben burd) bie Aenntnifi be6 unawMprecfilidjen ©c«
b,eimmffe« ber SWenfdjmerbung ju ben Segnungen bed feilet ju berufen;
„3)u, ber bu beine Äird)e burd) biefe ju>ei 6rtoäl)Uen, bie ©rleud)ter ber SBÖelt,
gefeftigt l>aft : um ih,rer Orürbttte mitten, o ebriftu«, erbarme bid) unfer!"
^rofobie ober Metrum im engern Sinne beftyen biefe Damnen nictjt.
©ie befteljen nur aus freiem rfjotljmifdjen ©Hebern, bie fid) ju einer ^Crt
©tropfe bereinigen. Die Dreiteilung wiegt babei bor, wie aud> in ber
©trop^enja^t ber einjetnen Steile eines längern £>ömnu§. Die %otm ift
augenfdjeinlidj ben biblifdjen Sßfalmen unb (Santica nacbgebilbet, toelcbe, in§
9lrmenifaje überfefct, juerft beim ©otteSbienfte gefungen mürben. 9Jlufif=
jeicben für bie SJlelobie finbcn ficb fajon in alten ^anbfcbriften , e3 finb
ifjrer 24. Dal tägliche Officium ääb.lt ad)t berfcbiebene ^falmentöne2.
ftür jebeS fteftofficium enthält ber ©djaratan geraöfjnlicb adt)t flcinere
£mnnen, meiere für bie ad)t 2ag$eiten be§ 3Jrebierä beftimmt finb. Un-
mittelbar nacbeinanber gejieflt, mögen biefe ^pmnen megen mannigfacher
ÜMeberljolung berfclben ©ebanfen eintönig ober gar tautologifd) erfd&einen;
aber auf bie berfdnebenen StageSjeiten bertbeilt, bilben fie getoöljnlicb ein
niebt nur fer)r roeir)et)O0eä , fonbem aud) (ünftlerifcbeS ©anje. lieber iljre
33e$ief)ung jur biblifctyen Sßoefie maeüj ein Orientalin bcS borigen 3aljr=
bunbertö folgenbe beacbtenStoertlje 93emerfung: „9Jcan mufj ben 5lu§brud
Sßoefie fyn in bemfelben ©inne nehmen, in toelcbem i&n bie magren Äenner
3. IB. 6min. 9Ro*fau 1879. — <Rngeb>nbe[ Äbljanblung über bie armenifdje
fämnit mit Dielen groben bei F. Mce, L'Armenie chnttenne et sa litterature
(Louvain 1886) p. 46—247.
1 3)ie officietten Äird)enbÜd)er ber Armenier enthalten mand)e 3eugniffe für
ben Primat. 3uf<"nmengefteUi finb fie Don bem Statiner Clem. Galanus, Con-
ciüationis ecclesiae Armenae cum Romana ex ipsis Armenorum Patrum et Docto-
rum testimoniiä. Pars II (Romae 1661), p. 227 sq. Sgl. SJtdell im „Äattjolif"'
1871 I, 578; Martin, Revue des questions hist. XUI, 30—32.
* Stöbere Angaben nebft öier aKufilbeilagen bei Leiermann, lieber bie
SRufi! ber Armenier (3eitfc^rift ber Seutfd)en 3Jlorgenlünb. ©efettfd). V, 365—872).
Sie armenifd)e Literatur.
249
nehmen, wenn eS fich um bie Sßfalmen unb ©efänge bei Hebräer bonbelt;
ber ^eilige Sänger überlädt fich ba, frei bon ber ©(laberet beS SBerS-
mafieS, ber Eingebung beS göttlichen ©eifleg. ©erabe hieraus entfpriejjen
bie (Schönheiten unferer heiligen 99ücher: erhobene 3been, eble, lebhafte unb
jtinbenbe WuSbrücfe, gefcbmacfbolle Umstellungen, eine glüctliche ftreifjeit in
ber Reihenfolge ber Söorte, funftoofle 9teticcn$en, tühne Metaphern, geift=
reiche Slnfpielungen , anmuthige unb natürliche, aber treffenbc ©egenfitye,
ein gebrängter, lebensvoller @til — furj, maS nur eine wahrhaft göttliche
SBerebfamfeit im felben ^CugenBücf eingibt unb hervorbringt an erhabenen,
rührenben Silbern, fo geeignet, ben ©eift ju feffeln, bie ^erjen anziehen,
ju ergreifen, mit bem mächtigsten 3auber hinjureijjen. . . 3)aS mar an=
näbemb ber (Sljarafter ber heiligen ^ßoefte ber Armenier im 5. unb 6. 3ar)r=
hunbert. 2)ie gelehrten Männer biefer Nation, in ber Schule bon Althen
erjogen, roaren jtoeifellos nicht unbetannt mit ber Äunft unb Einmuth ber
griechischen ^poefte. Allein ba fic in ben t»on ©ott infpirirten 53üchecn ooü=
enbete dufter einer ganj göttlichen spoefte bor fich h°^en, hi(^en fl*
nicht für jtoedfoienlich , fich ben 3auber ber profanen spoefie ju erborgen,
um bie unauSfprechlichen ©ebeimniffe ber ©ottheit fomie bie ftaunensmertben
Bunber ju befingen, melche fie in ben ^eiligen wirft. Um ihren ©efängen
Serth ju verleihen, erachteten fie eS nicht für nÖtt)ig, fich 51t Sflaben eines
SBerSmafceS ju machen, welche« oft nur baju bient, um unter bem ©dreier
eines tjannonifchen SÖortfaHeS bie Schwäche eines Richters gu bergen, beffen
ungleicher frlug fich nicht immer jum Erhabenen ju erfchmingen oermag."1
1 On doit prendre ici le terme de poesie dans le meme scns que les vrais
connaiaseurs le prennent quand il s'agit des Paaumes et des cantjquea dea
Hobreux; c'est lä que le poete sacre libre de l'esclavage de la mesure ae livre
a l'esprit divin qui l'inspire. De lä naiaaent les charmes de nos Livres saints:
idäes elevees, expreasions nobles, vivea et pleines de feu, trauspositions elegantes,
heureux desordre dans l'arrangement des termes, röticences placees avec art,
metaphores hardies, allusions ing^nieuses, antitheaes gracieuae8 et naturelles,
mais frappantes, style concis et anime: en un mot tout ce qu'une «Sloquence
vraiment divine inspire et enfante au meme instant d'images sublimes, tou-
cbantes, si capables d'attacher l'esprit, d'attirer, d'attendrir, d'enlever les coeurs
par les attraita les plus puissants. . . Tel fut ä proportion le caractere de la
poesie sacree dea Armeniens dans le cinquieme et sixieme siecles. Les savants
hommes de cette nation, Cleves dans l'ecole d'Athenes, n'ignoraient pas aans
doute 1'art et les grftces de la poesie grecque. Mais pendant qu'ils avaient dans
les livres inspires de Dien des modeles acheves d'une poesie toute divine, ils
ne jugerent pas ä propos d'emprunter les charmes de la poesie profane pour
chanter les mysteres ineffables de la divinitö, aussi bien que lea prodiges ad-
mirables qu'elle opere dans les saints. Iis ne crurent pas qu'il füt necessaire,
pour donner du merite ä leurs cantiqnes, de se rendre esclaves d une mesure
qui n'est souvent employee qu'ä couvrir, sous le voile d'une cadence harmonieuse,
250
3tt>eiteö Sud). Siebentes flapitel.
2öa* bcn Sdjaratan nodj in anberer 2öetfc intereffant mad)t, ift ber
llmftanb, baß bic berüfjmteften ^atriardjen, Sifapöfe unb SJartabebä1
(Xoctoren) ber altern 3cit baran beteiligt finb:
£er Äatholifo* ^aai I. ber ®rope (390-440); ÜRcSrop (468);
ber flat&olifoä 3of)ann I. ber 9Jiantagunier (485); 9)iofcS Don ftiprene
(493); SlnaniaS Don Gf)irag (553); ber ftatljolifoä ßomibas (629); ber
ttatyoIKoft 3|*öat UI. (681); ber ftatyolitoft Mann IV. Cbjne^t, audj
„ber $f)ilofopfr genannt (718); Stephanie, (Srjbifdjof Don Siunien (772);
©regorio* SRagiftroä (1058); ber ßattjoUtoS WerfeS IV. Don filaj, genannt
Sdmorljali (1116); Werfe* Don i'ampron, (Srjbifajof Don $arfuä (1200);
ber flatbolifo§ Öregorioä IV., genannt „ber 3unge" ; ber $tftoriter SBarban
ber ®rof?e (1248); ber SBartabeb Safob Don Älaj (1300); ber Eartabeb
3o(jann 331uj (1300).
$er £aiiptfd)riftfteüer bc§ 12. 3ahrfmnbert3 ift «RerfcS IV., Don 1166
bi* 1173 ßatljolifoä Don Armenien, nadj feinem Sluf enthalt in bem faft
uneinnehmbaren SRömerfajloH (9ium=ftlai) SUajefci genannt, wegen ber Sdjön=
fyeit ber Spraye auch Scf)norl)ali, b. ty. ber „Slnmutfuge". $ie Hauptmaffe
feiner Sdjriften ift in ^rofa abgefaßt : ©riefe, Hirtenbriefe, Homilien, tl)eo=
(ogifdje unb aScetifcfce $lbfjanblungen 8. 9?erüf)mt fmb feine „©ebete" für
bie 24 Stunben bei 2ag<£ unb ber 9tad)t, Don ben SJcedjitariften in
mehreren polyglotten Ausgaben Deröffentlidjt, barunter eine in 24 Spraken 3.
£er ©efdndjtfdjreiber ÄirafoS Don ©anfcat (um 1272) ift Doli ber 93er
rounberung für bie neuen Officien, mit melden WerfeS baS SBreoier be=
reicherte, baruntcr ein feb,r fdjöneä für SRariö Himmelfahrt unb für St. ^cter
unb ^aul. Gr fdjlojs fidj fyex ben bereits gegebenen formen an. @igen=
artiger ift er in feinen anbern ©ebid&ten, in welken er, nach bem Vorgang
be$ ÖregorioS SRagifiroS, bie Silben^ählung unb bie 9leimtünfle ber Araber
nachzuahmen fudjte. 9Weiften§ menbet er $erfe Don 8 Silben an, mitunter
Don 6 bis 12, feiten Don 14 ober 15 Silben.
Seine @fjriftiabe „SefuS Uorti" ober „(S-rjählenbe Plegie nach ben r)ciügen
Schriften" (Oghperkhouthiun Vibasanagan 'i darhite serpotz) umfaßt
la faiblesse du poete, dont le vol inegal ne peut pas toujoura atteindre jusqu'au
sublime, de VilUfroy , Memoire» (de Trevoux) pour l'histoire des sciences et
des beaux-arta. Aout 1735, p. 1551 s. Ueberfefrungen ber Cantica 1563—1584.
1 SEBirb aud) „SEÖaibapet" ober „SJarbapet- gefdjrieben. 5£ie ungletdje Sdjreib«
txteife rüb,rt öon ber 5öerfd)tebenf)eit ber alten unb neuen &uäfprad)e Ijer ; bie mediae
ftnb ju tenues getoorben unb uxngetefjrt, p, k, t ju b, g, d; baber finbet ftd) SBarban
unb Söartan, 3Jie*rop unb SKeÄtob u. f. xo.
* fcerauägegeben öon I. Cappdletti, Sancti Nereis Claionsis Armenorum
Catholici Opera. Venetiis 1833.
* Preces S. Niereis Claiensis etc. viginti quatuor Unguis editae. Vo-
netiia 1823.
$ie armenifdje ßiterotur.
251
in brei 93üd)ern 3828 ac&tfilbige $erfe, bie fämtlid) auf bic Silbe in reimen.
Irofc biefer erbrüdenben Monotonie fanb biefe $id)tung um UjreS religiöfcn
ÖefmlteS, btd)terifd>eti Sd)tr»unge§ unb monier Stirnseiten roillen bei ben
Armeniern ^o^e Söerounberung ; ebenfo ein Öef>rgebid)t „Ueber ben ©lauben"
(1630 ad)tfilbige SJerfe), eine Plegie über „$aä fjeilige Äreu$" (600 SBerfe)
unb eine 9lnjal)l fleiner „Etajimen" (Khradkh), „ßieber" (Daghkh) unb
„Parabeln" (Arhagkh). (Sine 9leimd)ronif oon 1600 adjtfilbigen Herfen,
bie fämtlid) in eal ober ial enbigen, er5äljlt (roie ber Xitel jagt) „in
Ijomerifc&er 23eife bic ©efd)id)te be§ Stammes £ai'ff) unb be§ $önigS=
gefriedetes ber ^Irfaciben".
33on nid)t geringem gef$id)tlid)en ^ntereffe ift fein Jllagelieb über bte
ßinnafmte GbeffaS burcfc ben 6mir Gmab^ebbin 3enfi im Mre 1144, ober
wie ber boHe Xitel lautet: „2öort ber ßlage, auf r)omerif<^e Söcifc gebiajtet,
über bie einnähme be* großen ßbeffa im Saljre 593 ber armenifaVn 3eit=
retfcnung am 23. $ecember, in ber britten Stunbe eines Sonntags." 1 6S
jdf)lt 2090 ac&tfilbige Serfe, in ad>t $üd>er geseilt. 3n gorm einer
^rofoflopöie läfct «RerfeS bie <Btabt Gbcffa tr)re ßeiben fd&ilbern unb erft bic
Stäbte Serufalem, 9iom, Äonftantinopel , 9lntiod)ia, bann baä bcnnd)barte
Armenien um Spilfe anrufen. 9Jad) 9tom ertönt ber 9htf:
„9tom, o 9)iuttev bu ber Stäbte,
£efvre unb öerefjrungäroürb'gc,
2f)ron be$ groß«» Slpoftelfürften,
3>u untoonbelbare ftirdje,
8luf fttpt)ai, ben 3rel$, gegrAnbet,
$ie, ber Jpööe unbejminglid),
ßoi'en tonn befl Rimmels Siegel!
Uepp'ger SSeinberg, toeitDerjroeigter,
Siefgewurjelt, tyaüü ^flanjung,
Unb betraut mit feinem JBIute,
»lii&enb mie ein jweite« 6ben . . .
§ord) Don fem auf meine Stimme
Unb nimm th>il an meinem Seufjen!"
Tiefer Klageruf ift nid)t ttngefjört befallt. Äein Geringerer als ber
Ijl. SBernfiarb ljat ilm aufgenommen unb bie SBölfer (SuropaS $um jtociten
Äreujauge gefajart.
Wacf>bem fi<$ @beffa an bie spatriardjalftäbte Serufalem, 9tom, Jlonftam
tinopel unb «ttntioa^ien (39ud) 1), bann an baS benad)barte ©rofcWrmenien (2)
getoanbt, feitet e§ über ftdj felbft unb fiüllt fid) in§ ©eroanb ber Xraucr (3),
ergebt fid) in klagen über bie ©eroalttfjaten ber Sarbaren, in beren #änbe
1 Ueberfefrt Don Joh. Zohrab, Plegie sur la prise dEdessc par les Musul-
Paris 1828.
252 3to<ttrt »udj. Siebente« «apitel.
eS jur ©träfe feiner Sünben gefallen (4), befdjreibt baS unerbittliche 93or=
bringen beS 5*itrt>c» bi* sunt Sturm (5), fdjilbert ben f$rafl ber (yitabelle
unb baS $inmorben ber SJefafcung (6), ruft ©otteS 9tacb,e auf bie uns
menfdjlidje ©raufamfett ber Sieger ljerab (7) unb berfttnbet enblicb, ben
Ueberlebenben bie SRüdfeljr ber ftranfen, meiere ftegreid^ bis ins #er$ bon
l^r)oraffaTi borbringen werben (8)1.
2Hag aud) bie füljne, poetifdje Sßerfonification ju weit ausgefponnen
fein, fo entbehrt boeb, bie $i<f|tung nidjt tr)reä poetifdjen Steides, wenn man
ft$ in bie bamalige ^eitlage t)irteinderfe^t unb ber orientalifdjen Neigung
ju breiter, oratorifaVr Ausführung fted&nung trägt. SangloiS nennt ben
berebten Patriarchen einen „armenifchen fttmlon"2.
%uä) an einem „Lafontaine" foüte eS ben Armeniern nicht fehlen,
üßarban ber ©rojje, ber außer feiner eigenen Spraye ©riedfcjifch, £ebräifch,
^ßerftfdj unb 2atarifd) tonnte, hinterließ neben feiner bis 1267 reidjenben
Söclichronif auch ein Otabelbuch, baS üon ben Armeniern feljr gefehlt roirb.
(5s beftyt manage eigenartige 3u9e* $er 2on ift ba unb bort ftreng
aScetifch, boch bormiegenb gemütlich altbäterlich, (Srjählung mie 9lnn>enbung
nicht eben fdtjarf unb fpi|, aber fur$ unb treffenb8. 6S finb übrigens
noch anbere ^abelfammlungen borljanben, barunter eine bon SJcechitar @ofch
(aus bem 12. 3ab,rb,unbert) unb baS fogen. „grudjsbucb/ *.
Unter ben furchtbaren SchidfalSfdilägen, melche bom 14. 3ab,rhunbert
an fianb unb 93oIf trafen, fan! bie armenifche Literatur beftänbig; im
16. 3abjb,unbert fdnen ihr böfliger Starfafl besegelt ju fein. Mein bie
treue Mnhanglichleit ber Emigranten bewahrte fte bor bem HuSflerben.
Schon 1565 mürbe eine armenifche $rucferei in SBenebig gegrünbet, 1584
eine foldje in 9com. 9leue $rucfereien erftanben im Saufe beS folgenben
Sa^r^unbertS ju Lemberg (1616), 9Hailanb (1624), ^artS (1633), Sulgha
ober 2f<f>ongb,ü, einer SBorflabt bon 3spab,an (1640), Liborno (1640),
Slmfierbam (1660), SKarfeüle (1673), Äonfiantinopel (1677), Leipjig
(1680), $abua (1690). $te berühmtere biefer Erucfereien mar bie tyU
1 2JUd)aub, ber ftd) bie (Elegie Don bem Armenier 6d)ahan ßirbieb über*
]t^m Hefe (Bibliotheque des Croisades. III* Partie. Chroniques grecques et
armemennes [Paris 1829] p. 499 — 504), meint: L'id£e de faire parier la ville
d'tidesse a sans doute quelqae chose de poätique, raais cette fiction se prolonge
trop longtemps, et la monotonie qu'elle repand sur le poeme n'est rachetee ni
par l'eclat des i mag es ni par l'originalitä du style.
* Peu d'auteurs ont plus ecrit que Nerses Schnorhali et nul n'a mieox
ecrit que lui.
8 groben barau* bei Hb. SÖoiff, Älafftfer IV", 498—502.
4 #erau«gegeben Don €dtan («mfterbam 1668) unb Don bem »arbapet
3eremta* (etfdbmiabjin 1698). »gl. 9t b. »a um gart n er a. a. €. (3eitfd)rift
ber Seutfdjen SJtorgeniänb. ©efeöfd). XL, 462. 46S Hnm.).
3>ie armem fd)e ßiteratur.
253
länbifcbe su Hmfterbam. 3m Saufe beS 17. Sahrlmnberts fonntc mieber
eine Schule in Ktfcbmiabjin eröffnet werben, 1655 eine folebe in Semberg1.
Ungleich mistiger aber warb für Armenien bie Errichtung beS Kollegiums
ber Sßropaganba in 9tom (1623) unb bie SBieberauf nähme früherer UntonS*
oerfuaje burdj bie köpfte Urban VIII., Hierüber VII. unb Snnocenj XI.
Wehere Patriarchen famen biefen Bemühungen bereitwillig entgegen, unb
jeitmeilig wirfte fogar ein italienifcber $ominif aner , $aul gtromalli, an
ber fllofterfchule ju Ktfcbmiabain. SBurbe auch ber erfolg bureb bie
Treibereien ber fogen. nationalen ©eiftlicben unb ßaien ftarf burebfreujt, fo
trat Armenien babureb boeb toieber aus feiner jahrhunbertelangen 3folirung
heraus unb in lebenSDollen Kontact mit bem !atf)oIifct>en «benblanbe. Unter
bem Kinflufe ber franjöftfchen Sefuitenmifftonen trat ber iunge Elecbitar Don
Sebafte jur Äiraje jurüd unb grünbete jene fegenSDolle Kongregation, »eiche
bie altarmenifche Literatur burch treffliche fteubruefe Dom ©rabe aufertoeefte,
auf ihrer ©runblage eine jugleich echt nationale unb echt firchliche ©Übung
anbahnte unb eine biefer SWbung entfprechenbe Siteratur ins Seben rief2.
$ie öbe, früher nur Don EuSfäfcigen bewohnte 3nfel ©an Saäjaro ju
SSenebig, wo 3Jtecbitar im %af)te 1717 ben erften Sifc feiner Kongregation
errichtete, ift bie Söiege unb ber BuSgangSpunft ber neuern armenifchen
Literatur. ^>tcr war es, wo ber Don SBeltfcbmerj umhergepeitfehte Sorb
33pron ben wohlthuenben £aucb eines religiöfen ©otteSfriebenS Derfoftete,
als bas 2Berf biefer SBiebererwedung feinen erften blühenben «uffebwung
nahm. (Seit ©rünbung ber $ruderei Don San ßajsoro 1788 ftnb Don
ben Scbä&en ber ältern armenifchen Literatur allein 800 28erfe in armeni=
fcher Sprache, 200 in Derfchiebenen neuem Sprachen neu gebrudt worben;
über bie jahlreichen neuern Söerte fteht uns noch feine Statiftif ju ©ebote.
«uS ber «uchbruderei ber SHecbitariften, bie 1776—1810 in Trieft befianb,
1811 nach 2öien überftebelte , ftnb 500 armenifche unb türfif<f>e 2öer!e
(lefctere in armenifchem Erlief) hervorgegangen. 3a, bie Kongregation be=
gnügte fidj nicht mehr mit ber ftörberung fce§ tfatholieiSmuS unter ben
Armeniern, fonbern grünbete ben „herein jur Verbreitung guter Bücher"
in $eutfd)lanb unb Oefterreid}, ber als BereinSgabe über eine Million
folcher Bücher in Umlauf fefcte.
$ap bie *Dted)itari|tcn bei ber Söieberbelebung ber armenifchen ßiteratur
in erfter Cinie ben religiöfen Bebürfniffen Rechnung trugen, Derfteht ftcb Don
felbft. 3m Khriftenthum wurjeltc ja bic frühere Bilbung beS BolfeS fowie
feine jähe, helbenhafte 2öiberfianbSfraft gegen alle feine Bebränger. $o<h
1 Langloi«, Notice etc. p. 84. — 51 eu mann a. o. 0. S. 233.
* Äalemliar Congr. Mech., 2lrt. „üttedjitfjar" in SOBefoer unb Jffielte'i
ftirajcnlejiton (2. Hufl.) VIII, 1122. Hnaabe ber einfdjlägigen Siteratur 1136. 1137.
254 3to<üei Stacfc. Siebente« Äo^itef.
fte f^ränften fia? feineStoegS auf bieten ÄreiS ein. Sttiafael Sfcfamtfcfaan
fajjte bie ©ejdndjte Armeniens in einem grojjen ©efamtroert jufammen.
ÖucaS 3nbfd»bjd)ean berfajjte eine 9Utertf>umStunbe bon bleibenbem Söertl)
unb eine armenifaV ©eograpljie, bie Stitter für feine Grbhmbe bie mefenfc
tieften Sienfte leiftete. $er (Seneralabt ©tepfan tföber Stfonfc lunterliej*
nic^t blofe größere tfaologifaV , fonbern aud) geograpljifdje SZÖerfe. Sein
Wacbfolger ©ufiaS ©omalian fat bie erfte ©fijse einer armenifdjen £iteratur=
ijc)d)id)te entworfen.
tttbebifion machte fiefc als ©rammatifer berbient, Sfafaffdfaf als Serü*
grapl), $ormuä als Ueberfefcer unb $id)ter, SlimaforoSfi unb Mfcfan als
£iftorifer unb ^^Uolog bon großer ßrubitton, 3ofaab als auSgejeiajneter
ßenner unb 2ertfritifer ber ältern Siteratur.
P. 2eo ^Mlif^an , in g^erum geboren, überfe&te eine Sammlung öon
5ßolfsliebern in* (Sngltfcfa, bie bom 19. 3af)rfmnbert bis ins 13. 3a$r=
fanbert aurüdreiefan , nad) £anbfd)riften ber Öibliotfaf bon San Ca^aro.
Sie enthalten oiel WnfprecfanbeS , machen aber nicht gerabe ben (Sinbrud
großer 9Hannigfaltigfeit. ©eine eigenen Sichtungen füüen fünf ©änbe unb
entfalten formgemanbte Ueberfefcungen aus mobernen ©prägen, 33ruchjlüde
au» Enrons „Ghüb £arolb" unb ©chillerS „Sieb bon ber ©lode". ©a^ifler
mar einer feiner SieblingSbichter. „Wber", ruft er in ber Erinnerung an
baS ©ajiaerjubiläum bon 1859 aus, „roaS fmb mir Armenier, krümmer
eines im 3nterejfe ber SageSpolitif bergeffenen unb berfcbollenen SolfeS unb
CanbeS, um uns mit biejem unget)euern Seutfdjlanb bergletdjen ju Wimen?
Snbeffen, mar Armenien nicht auch einmal ein fet)r grojjeS 2anb unb ber=
faltnt^mäBig ftärfer bebölfert als Xeutfajlanb?"
P. ßare^ün enblicb lieferte bie bejte bisher Dorfanbene 2iteraturgefd)ichte,
bie 1865, in jmeiter Auflage 1886 erfajien; unb noch ^eute ift ju ©an
Öajjaro ber alte Eifer unb gleifj für bie Skrwertfmng unb Ehrung beS
alten ^etmifdpen 33ilbungSfcfa&eS nicht erlogen.
3n ben legten 3ahrje$nten mürbe ber literarijehe Ginflujj ber 0Hechita=
riften fef)r burch roeltlicbe ©chriftjtefler unb eine mehr moberne Dichtung
jurüdgebrängt, bie hauptfächlich aus föufftfä>9lrmenten farflammt unb ihren
©tü&puntt in bem bormiegenben politifcfan Ginflujj 9tufeIanbS fat1. ©o
erhielt ber päbagogifche ©djriftfteller Stbomian (1806 in Sriman geboren)
feine Biefang in $orpat unb feljrte bann als ©cfalinfpector in feine
£eimat jurüd. $er ßiteratur^iftorifer 3t. ^kittanian bilbete fich ebenfalls
in $orpat faran unb veröffentlichte feine gebiegene ^Bibliographie Armeniens
1 31 b gar 3oaniffiant) (Apkar Hovhannisian) , 3fonenifd)e Stbltotfyef.
ÖeUJjig 1886 ff. — Ed. Dulaurier, La Societe Armenienne au XIX* aiecle (Revue
des Deux Mondes VI [1854], 209-265).
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Sie armem fd)e Literatur.
in ruffifc^er (Sprache. $aä erfte armeniiche Theater erftanb 1858 in ßou-
fiantinopel, ebenbafe!6ft 1862 bie erfte armenifdhe Oper, mährenb in Tifliä
unb Sranafaufafien überhaupt mehr ba§ Suftfpiel blühte. Gin ^rauerfpiel
„Slrfchag II." bon Äobeneä tfalba gelangte in mehreren ©täbten be§ Oriente
jur Aufführung. @ä ift begeiftert patriotifd) gehalten, fpanncnb angelegt,
obwohl ohne SiebeSberwidlung, fraftbofl in ^arafteriftif unb Durchführung1.
m Sufifpielbidjter erfreut fich ©abriet ©unbufianj großer Beliebtheit2.
«Reben bem $rama werben je&t auch Lobelie unb Äoman gepflegt, befonberÄ
aber ba$ 3eitung3mefen.
$ie erfte armenifd>e 3eitung erfdhien 1794 ju 93tabra§, jroötfmal
jährlich, unter bem Titel Azdarar; fie ging inbeS fdjon 1796 ein, um
erft 1846 als £atbmonatäfchrift mieber aufgeben. (Satcutta unb 93ombato
Ratten fajon im erften Sahwhnt biefes 3ahrf)unbertä armenifaV Starter, oon
melden inbeä fein Gremplar mehr aufzutreiben ift. 6in beffereä Schirffal
hatte „$er Patriot", ber 1845—1852 ,^u ßatcutta erfdjien. £>interinbien
befatf öon 1849—1853 eine poIiti|'^nteranfa)=retigiöfe ^albmonatäfchrift
„$er ©itbungSfreunb" (The Philomath), ber in Singapore b>rau§fam8.
Stuf europäifchem 33oben begannen bie Armenier it)re publiciftifche
Thätigfeit im 3af>re 1800 ju beliebig. Weben heute noch erfcheinenben
Tageblättern geben bie SRednrariftcn feit 1843 bie SKonatäfdjrift „5öa^
mamep" („$er ^olofnftor") ^nau%. 9lud> in SBien berfuchten bie 9Jiechi=
tariften eine periobifdje Literatur ju fchaffen. ®en erften Anlauf nahmen
fie 1819, „$ie (Suropa" beflanb bon 1847-1863.
ßonftantinopel befiel ebenfalls armenifche 3eitungen. 3)ie bebeutenbften
ftnb bie „9Rafi§", gegrünbet 1852 unb täglich erfcheinenb feit 1879, unb
„£er Bote", entftanben 1855. Bon 1832—1893 würben in flonftantinopel
etwa 20 3eitungen gegrünbet, aber wenige frifteten ihr $afein über fünf
3ab,re. Aufierbem gibt eä armenifche 3eitungen in Smtyrna feit 1839, in
Tifli* feit 1846, in TOoäfau feit 1858, in $ori§ feit 1855. Unb fo f>at baä
begabte Boll, beffen ©tammfagen ju 9iinu§ unb Semiramte hinaufreichen,
be|fen erfte fiiteraturblütr/e ftch fchon bor ber Sßölferwanberung entfaltete, fid)
noch einen ^tajj im SÖertfampf ber neuern Soumaliftif erobert. SBon ben
neuem tflafjifern ftnb bie bebeutenbften SBerfe in§ Armenifche überfefct.
1 Stoben bei 9t b. SSolff, Alaf fiter IV", 503—506.
s „3)te ruinirte Familie." Suftfpiel in btei Jlufjfigen, bei 21b gar 3oanif>
ftant), Armemfdje Söibliot^cf. Ccipjig 1886. Söanb VII.
8 ©regor 2B. Aa lernt iar, @efdjid)te be$ armeiiifdjeti Oournalismuä. 2Öien
(37te$itariflen) 1893.
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256
3ttteitcö SBucf). %<t)tei -Rapttcl.
tt^te* Ä a p i t e I.
|>te georgt f<Qe Literatur.
ü&ielfad) oerfnüpft mit ben Sdjidfalen Armeniens finb jene be§ am
grenjenben laufaftfdjen ^6erien§, beS heutigen ©eorgienö (Don ben Eingeborenen
Sa=fartou£lo , oon ben SRuffen ©ruften genannt), ju welchem aufcer ben
eigentlidjen ©eorgiern nod) bie 3RingreIier, bie 3meretf)ier unb ©urier,
bie ßobulejier unb 9tbfd>aren unb nodj anbere Heinere JBölferfdjaften ge=
Ijören 1. $ie georgifdje Spraye bübet mit bem if/r bermanbten *Dlingrelifd>en,
Saftfdjen unb Suanetifä>n eine eigene, ijolirt fieljenbe Qfamilie ber fübs
faufafifdjen Spraken2. ÜKit bem Strmcnifd^en ift ftc nidjt bertuanbt, rooljl
aber folt 5Re§rop, ber Urheber beä armenifdjen 9IIpl)abet§, ben Sberern iljre
eigene, ber armeniftfcen ätjnlidje 8d)rift gegeben tjaben3.
$a§ 9teidj ©eorgien erftredte fid) jur 3*** fcmc* työdtften 33tütlje,
jnrifdien bem ©übabljang beS ©rofeen ÄaufafuS unb bem armenifefcn #odV
lanb, oon SLrapejunt bis an bie Ufer bei Äafpifdjen SJleereS unb umfaßte
baju nod) @r$erum, ÄarS unb anbere Steile beS nörblidjen Armeniens big
an ben ^Ärorat. 2)ie großartige SBergroelt, beren ©ipfel fyod) über bie
ftottlid)fien Häupter ber 9llpen emporragen, mit U)ren ftoljen kirnen unb
1 <S\ C. Malan, A short History of the Georgien Church, translated from
the Rnssian of P. Joselian. London 1866. — 33afrab}£, @efd)id)te ©eorgieitö
(I. Sßon ben ölteften Seiten bi* «nbc beg 10. 3a^rb.unbertfi). [©eorgifd).] 2ifli3
1889. — ÄaSbef, Sämttidbe SBerfe, 4 »be. (33efd)reibung be* SebenS ber JBerg«
betoolmer.) [©eorgifdj.] 5£ifli^ 1891—1892. — Brosset, Elements de la langue
georgienne. Paria 1837. — Brottset, Histoire et litterature de la Georgie. Avec
un Catalogue (raisonn^) des livres g^orgiens tant imprimes que manuscrita,
anciens et modernes (212 articles). St. Pötersbourg 1838. — Liste des travaux de
M. Brotset, Melanges Asiatiques tires du Bulletin de l'Acad. des sciences. IX.
St. Pötersbourg 1888. — Hit er, Heber georgianifdje ßiteratur. SBien 1798. —
H. Seift, ©eorgien. SRatur, ©Uten unb JBetoofiner. ßeipaig 1885. — 51. Seift,
©eorgifäe 3>iä)ter oerbeutfdjt. Setpjig 1887.
2 JBroffet (Grammaire georgienne. Paris 1837) unb 33opp (Äaulafifdje
©lieber beS inboeuropäifdjen Sprad)ftammeS. 33erlin 1847) red)nen fie ju ben ari«
fa)cn Spraken, «War «Dlüllcr ju ben turanifd)en; Ulaprotfj, Or- SMUer,
Spiegel unb 3agat?Ui (Examen de la litterature relative a la grammaire
georgienne. St Petersbourg 1873) Joeifen tr)r eine ifolirte Stellung an, ebenfo
JHofen (Sprache ber Sa^en. fiemgo 1844. — lieber bod Suanifdje unb 5tbd)aftfd)e.
23erlin 1845). — 91. ö. ßrefert, %'\t Sprad&en beS faufafiftfjen Stamme«. SJlit
einem «ortoort Don Dr. 3fr. SJtüller. SBJien 1894.
8 33. Söelte, ©orten« ßeben«befd)reibung be* $1. SWeSrop (Bübingen 1841)
S. 28 ff. — 9t. Äaramians, ßinunbjtoanjig löudjftaben eine« nerlorenen ?llpha»
bet«. (3eitfd)rift ber Seutfajcn DJtorgenlänb. ©efettfd;. XL, 315—319).
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2>ie georgifd>e Siteratur.
257
pfeifen, iljren <£d)lud)ten unb SBafferfäflen , i^ren Ijcrrlicfyen Sßälbern unb
SBeibegrünben ; baS romantifdje (Semirr ber fleinern $f>älcr unb bie frud)t=
baren otromlanbfdjaften ber gröfiern, bon beren 9Jtai§= unb Äorafelbcrn
fid) 5)faulbeer|>flanjungen unb foftlidje ÜBßeinberge ju ben Mügeln unb 33or=
bergen beS #aufafu§ empordienen ; baS auSgebe^nte ^artenlonb um bie
burd) ^elfenjinnen meift fdjon natürlich befestigten <2täbte, ßlöfter unb
Surgen; ber bunte 9teid)tfjum ber ^ßflanjen: unb 21jicrtt>elt, bie Äraft,
Sd>önf)eit unb Sabferfeit ber (Sinrooljner — aü bas ift nidjt nur bon
fremben Sieifenben reijenb gefdjilbert, fonbern aud) bon einl)eimifd)en £id>tem
begeiftert befungen toorben. (Beorgicn ift ifjnen ba§ f djönfte aller ßänber:
2öo unbetoölft bet §imme( immer
3m früf)(ing8tjeitern ©lanje fadjt,
2öo golbrein frrafylt ber Sonne Stimmer
Unb purpurrote beä Aufgangs tyxaty.
3öo in ber Wädjte ajtärcbenbuntel
$ie golbne ©aat ber Sterne giftet,
2Bo fdjön bc$ SWonbeä ©lanjgefunfel
2urd)$ fttttc Meid) ber SÖälber jicf)t.
SÖo burd) ber Jöäume 8}lflibentoipfel
So milbe Slbenbtoinbe toefni,
Jlöo fdmeebeberfte »ergeSgipfel
3m Sletfterrnum bc« #immetd flcr)n.
äöo toilb, ber SÖalber ffleieb, oertoüftenb,
2er Söafferfall com 93crge brauft,
2ßo auf uralten Sfelfeu niftenb
$ct ctoig freie Slbler t)auft.
So über SSJolten Ijingeftiegen
Xex Säger fübn ben Steinbod jagt,
2Öo jtoifdjen greifen Sdjludjten Hegen,
3n beren ©runb e« nimmer tagt.
SEÖo in ben tjerrlid) grünen Jljalcn
$eU blifct ber öädje Silbcrflutf),
2ßo üppig alle Ortureit firafjlen
2tn buft'ger SBlumen Storbcnglutf).
3Jor 3f«ub' bie Jperjcn Ofuntcn fangen
Seim 9lnbli<f foldjer £>errlidjf eit ;
3)ie SUtgen möchten etoig bangen
3tn all ber Sd>önb,eit toeit unb breit.
0, gibt'S voof)l auf ber €rbc Seiten
9lod) irgenbroo ein jroeited ßanb,
2>ad mit ©eorgien bürftc ftreiteu
Sttit feiner Fluren *Pradjtgetoanb ?
«aumgartitfr» 2Dtltlütratur. I. 2. «ufl. 17
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258 3»ette« »ucft. »(bte* «opitel.
©ein ätolt ift tüf>u unb fatnöfeUrege
Unb bat ein ebled, offne* ^crj,
3)q« trofo ber jä)tocrften Sdudfalfifcbläge
91od) ftart unb ftanbhaft ift toie 613.
3a, tapfer ift fein Jöolt geblieben
Unb fangeäluftig, toie e* war,
Unb gaftfrei audj unb treu im Sieben
Unb treu ber fceimat immerbar1.
9lad) aitgeorgifd)en Segenben fiel ba* Sanb bei ber Teilung beS (5rb=
freifeS burdj bie Wpoftel ber aflerfeligften Jungfrau ju, beren »ereljrung
bafelbfl allzeit in 33Iütf)e ftanb; ber ^eilige Slpoftel 9(nbrea§ prebigte bann
ba§ Gbungelium bon 2rapejunt b,er burd) Ü)iingre(ien unb Slbc&aften; bod)
mürbe biefe erfte ©aat burdj ben faibntfdjen Jtönig Slbertyi mieber 5erftört.
391eibenben Eingang foll bem dn-iftlidjen ©lauben erft bie f)l. 9Hna (9hno
ober 9tonna) aus Äappabocien berfdjafft fyaoen, roeldje, al* (befangene nad)
„Sberien" geftfcleppt, um 318 ben Älönig Wirian „auä bem ©efd)lec&t be#
6^o§roe§" befehle unb taufte2. Ter le&tern fel)r poetifd) ausgefdnnüdten
2egenbe liegt ^Deifelloö ein gefd)id)tlid)er Äero ju ftrunbe.
tfönig SBadjtang I. ©urgaslan (446—491*) bellte feine Jperrfcftaft über
SJcingreüen , Cffetien unb 9lbd)üfien aus, liefe Söifd^öfc unb fiebjer au*
Snjanj fommen, erridjtete mit £>ilfe beä Patriarchen ©ennabioS bon #on=
fianrinopel ein eigenes Matriarchat für S&erien in feiner «pauptftabt ^DH^f^et^a
(ÜJ^ct), baute bafelbft eine ftatftebrale unb grünbete 12 93i§tptner in
^art^li, 12 in ftatyetf), 9 in SomH)eth, unb 2 in Smeretf). Unter $önig
P'haräman (541 bi§ 555) manberten bon Sorten ^er breijelm fromme
Männer ein, meiere bie «etefjrung be* i'anbes bollenbeten unb fpäter als
^eilige bereit mürben. 3>odj blieb bie gcorgifdjc Äirdje nicht nur in roeiterem
Sinne „autofepfjal", b. t). unter ihrem eigenen &aÜ)olifoä unabhängig bon
ben Patriarchaten bon Antiochien unb ftonftantinopel, fonbern entmicfelte fich
auch böllig getrennt bon ber fatholifchen tfirdje unb if>rem Oj-inheitepuntt
in 9tom.
Schon bie perferfönige SBarane* unb ^ejbegerb, befonber* aber Slobab
(488—531) bebrängten bie (griffen Georgien* mit fernerer »erfolgung,
bermochten aber ben Ölauben nicht 511 unterbrürfen. „Sie finb ^t)rifren",
1 (Srcgor Crbeliani (geb. 1801, geft. 1883), iiberf. Don «rtljur Seift,
©eorgifd> «Siebter (Seidig 1887) S. 4. 5.
* Socrate* I, 20. — Sozomenus 11, 7. — T/ieodoret. 1, 23. — Bufinus X, 10.
— Moses Choren. 11, 83. — Theophanes, Chronograpliia a. m. 5816 (Mignc, P.
Gr. CV1II , 108). Jöei 5ftofe4 fon ÄJjorene unb im 9lrineniid)en SDienologium
(29. ßct.) mirb bic Zeitige „6t. 9}unia" genannt. Cf. iS'. Kille*, Kalendaiium
Manual« utriusque Ecclesiae 11 (Oeniponti 1881), 581. 582.
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$ie georgifdje ßtterotur.
bezeugt ^rofop1 Don ihnen, „unb Don allen uns befannten 5)tenfcben ben
Sajjungen biefeS (Glaubens am treueften ergeben, obfehon ftc Don alter 3e<t her
unter ben Röntgen Don ^ierfien flehen." 2>er 9)ianicbcuSmuS fanb unter ifmen
wenig Anhang. 911S ber le|te ber Omajaben, German II. 9tbul Äajim (741),
noch als Statthalter in Georgien einbrach, ftarben Diele @(jriften ben 9Warter=
tob, barunter bie Sßrinjen 2)aöib unb ßonftantin. $ann befam baS Sanb
Diel burch (xinfäfle ber ft^ajaren ju leiben. 53ergeblid) fudjte ßaifer Mauritius
bie (iintüobner für bie Setjre beS (SurpdjeS 51t gewinnen, ber JlatfioliloS $örion
•hielt an ben Sefdjlüffen beS froncils Don @halcebon feft unb fdjeint fogar mit
^ßapft Tregor bein (großen in 93er!e^r geftanben $u haben 2 ; bodj fam (Georgien
nie $11 einem Dollen 3(nfd)lufi an bie Öefamtfirdje.
5$om Qsnbe beS 6. Sa^unberts bis 787 f)errfd)te bie ÄonigSfamilie
ber (Storamiben, bann gelangte ber georgifche ber SBagratuniben,
eines urfprünglicb armenifdjen ©efchlecbteS , auf ben 2^ron. Süiefe Könige
gerieten Don 1048 an burd) bie 9laub$üge ber Selbfchufen in fernere
SBebrängnifl; fie behaupteten ftch inbeS. 5)aDib III. gelang es 1123, fie
n>ieber Döüig $u Dertreiben unb gegenüber berfdjiebenen 9feuerungSberfuchen
bie alte tirdjlitbe Crbnung roieberberjuflellen. 6r unterftüfcte auch bie $löfter
auf bem Jßerge 5lthoS, auf bem Sinai unb auf ßopern unb marb fpäter
felbft Don feinem 5?olfe als -^eiliger bereit. 5)ie günftige iiage beS tfanbeS
hob fid) noch unter feinen Nachfolgern, befonberS unter GJeorg III. unb
beffen iodjter 2hflmQt (1184 — 1212), unter Ctfcorg IVr. unb ber Königin
Äufubana (1219 — 1239). 3Me eigentliche ©lanjjeit (BeorgienS bilbet bie
Regierung ber Königin 2l)amar, unter welcher baS 9teich Don irapejunt
bis jum &ajpifd)en 9fleere reichte unb anfet)nliche ZtyWt Don Armenien in
fid) fcblofr. Sie berewigte fid) aber nicht nur burch friegerifebe Xhaten,
fonbern auch burch prächtige bauten, tirchliche Stiftungen, Hebung ber
SBilbung unb Literatur, $ie SBerfuche ber ^Jäpfte £onoriuS III. unb (Hre=
gor IX., Die Königin Üiufubana jum Slnfdjlufl an bie (irchliche Einheit ju
bewegen, blieben erfolglos; boch unterftü&ten bie (Georgier im eigenen $nter=
effe bie Kreuzfahrer wieberholt, wenn auch nur mit wenig Erfolg. Schreck
lichcr als je würbe (Georgien bann feit 1222 Don ben Mongolen Derfjeert,
befonberS 1393 burch 3:iimtr. sHlS es fich wieber ju erholen begann, theilte
©eorg VII. 1424 bas Weich unter feine brei Söhne unb fdjtuädjtc es
baburch fo, baß cS bei ben Muffen Sdjutj unb £)ilfe fudjen mufste unb
fchließli* (1802) ooüftänbig 9tu jjlanb einverleibt würbe.
1 Procopim, De hello Pereico 1, 12. (Ed. Dindorf. üonnae 1833) 1, 57.
* ©rief bes 1)1. ©tegor befl ©rofeen on ben Äatfiolitoö ft^riott. Gregorii I.
Papa? Rogbtruni epistolnrum. (Ed. L. "M. Hartmann) Monumenta Germaniae.
Berolini 1895. Epist. Tom. II, Pars II, p. 324—327. — Quien, Oriena Chri-
stianns (Parisiia 1740) I, 1337.
17*
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260 3»eite* ©ud). 3ld)teÄ Äapitel.
SNodjtcn aud) bie JBergfetten beä ÄaufafuS ben Georgiern $um $f)eil
als natürlicher Sajufcmall bienen, fo ift e§ boc^ gemitf merfmürbig genug
unb jeugt oon ber Ueberlegenljeit unb Äraft c&riftlicber 3Mlbung, bajj bog
öerljältniBmäjng fleine £anb roeber ber 9Jtad>t ber Werfer unb Araber nodb,
jener ber lürfen unb Mongolen erlegen ift, fonbern fid) mitten unter all
ben fd)rerflid)ften SBedjfelfäUen feine alte Sprache bemafjrt unb feine eigene
Literatur geidjaffen r)nt. $ie erfte (Srunblage ber Literatur bilbete audj
fner mieber bie Ueberfefcung ber SMbel unb jmar aus bem (BriedjifaVn ber
©eptuaginta unb bes neuteframentlidjen UrtejteS 1. 2)ie Anfänge gefyen.
unjmeirelfyaft auf 5)2eSrop surüd; mann unb Don mein bie Ueberfejjung
bollenbet mürbe, ift nidfrt betannt. ftröljäeitig mürben Serfe bes 1)1. 9ltfja=
naftuS, bes fjl. ©regor bon 9ta$ian$, beS $1. SoljanneS Gfjrtofofiomu» aus
bem ©riec&ifdjen übertragen. $ie Geologie erfnelt baS £auptmerf beS
1)1. SoljanneS £ama§cenuS jur Örunblage, baS flöfterlidje Öeben bie Söerte
beS fyl. SafiliuS unb 3>ofanneS Glimacus, fämtlid) in alten georgifdjen
Ueberfejuingen Dorfyanben. Ueberaus reid) ift bie alte Erbauungsliteratur
an Meten unb Seben ber ^eiligen, 9)iartdrer, ©efenner unb Jungfrauen,
bei benen es, neben legenbenfjaftem Slusfd&mutfc, an gefdjidjtlidjem ©runb
unb mirflid) frönen 3ügen nid)t fef)lt. $aran reiben fid) umfangreiaje
SftartDrologien unb Snnararien (Sammlungen öon ßeben ber ^eiligen),
Streitfajriften miber Juben unb 9Wol)ammebaner , ^rebigten unb ^3rebigt=
fammlungen, größere 2Bcrfe über $ird>en= unb SjJrof angefordete , aud) bie
leperii meift bon fiarf religiöfem Gepräge. $ie ©Triften über ©rammatif,
SRebicin, 3}2atr)ematif , ©eograplnc unb anberc Äealien gehören meift ber
neuern 3«* ein unb fteljen bereits unter ruffifdjein Einfluß2.
£ie ^eiligen ber gcorgifaVn Sonayarien finb nacl> 53roffet großenteils
au» griednfajen ÜJtenologien fjerübergenommen ; als urfprüngliaj georgifc&e
Segenbe bejeic^net er ben „SBeridjt über bie ^eiligen unb unbeweglichen 9)iar=
tnrer Xamitlj unb ßoftantine", beren ^eft auf ben 31. Cctober angefefct
ift. Serfelbe lautet alfo:
3)tefe unbefieglid)eu SJlartörer waren Oeorgier oon ©eburt, Oon ben ©renjen
9lbd)afien$, aui ber Umgegenb oon 2lrgwetb,; oon oäterüd)er wie mütterlicher Sehe
Sljnaurö (b. f). ebcllcutc); tapfere Ärtcger, unbeftrgtier) auf bem Sd)lad)tfelbe , gern
gefefjcn unb f>od)berüt)mt wegen ifjrer rut)mreirf)en ihaten.
1 Sic würbe fpäter nad) ber ftawifdjen Ucberfefcung reoibirt unb oon bem
^rinjen 3Cßafufct f>erauSgegeben (*Dto«fau 1743). iögl. eia^fjorn, Httgemeine
*Bibliotfjet ber bibl. ßiteratur I, 153 ff.
* SB r o f f et (Catalogue des livres gtoigiens etc. Actes de l'Acad. de
St. Petersbourg 1838 p. 119—178) gibt eine ßifte oon 212 Hummern, bie jwar
nur einen 2t)eil ber georgifdjen Literatur umfaßt, anfa^Iießenb an eine frühere ßifte
(in feinen Element« de la laugue georgienne p. vi — xx) , bie aber bod) einen
ßinblid in ben Gfjarafter unb bie SJlamtigfaltigfeit berfelben gewät)^-
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$ie georgifdje ßtteratur.
261
Ofürroabr, ber ^eilige unb unbefteglidje SJlartörer $atottf> toar bem äußern
Stnfeben nad) alfo : Don Äörper Dollfommen unb Iraftoott, toeber ju groß nod) $u
Hein, doU ber Einmuth, unb audgeftattet mit atten guten ©aben unb mit Sanftmut!),
ßr toar femer ft^ön Don ftntlife , mit bunfeln ttugen unb braunem ÜBart , fetter
©cfidjtöfarbe unb Ieid)t gebogener 9lafe. ÄraftDoll mar er unb Doli beS ©tauben«,
mit reinen ©Uten gejiert, unb ungefäfjr 38 3af>re alt.
9lud> St. «oflantine toar fd)Ön Don ©eftalt. mit bunfcl rötbüdjen Jlugen,
braunem, glänjenbem unb fraufem #aar; fräftig in feinen Sieben unb befjenb in
ber Unttoort, rein unb red)tfdjaffen in feinem Setragen, gegürtet mit Selbftbeberrfdmng
unb 3Jläfeigfctt ; ettoa 17 3afjre alt; eifrig im Soften unb niemals bem 3orn fid) über«
laffenb gegen biejenigen, mit melden er ju tbun t)atte. Setben mar üble 91ad)rcbe,
ßügen unb ©djtoören böllig fremb ; beibe toaren ein SBorbitb be* «eben« für Dlöndje,
bie in ber (Sinöbe lebten; beibe waren ftetö bereit, hungrige unb 9tothleibenbe ju
fpeifen, beibe 2freunbe ber 28aifen. Äurj, ftc toaren Dollfommen in aflen Sugenben.
3b,r SDtartertob fanb ftatt, al« ba« Sdnoert ber Werfer audgefanbt warb toiber
und, um unfer Soll ju erproben; al«, um und für unfere Sünben unb Ungeredjttg»
leiten ju ftrafen, SJlurroan Slbu'l Jlajim ber 2aube («Dturman Cru) bah,erfam, ber
Sd)tt>efterfof)n be« abfdjeulidjen Setrfiger« «Wohammeb, ber ba« ganje ßanb ber
Saracenen irreführte, unb burd) fein Iügnertfd)e* SEßort triumpbirte. 5)iefer harter*
tob batte alfo ftatt im 3af)re ber SBelt 6228, unb im 777ften nad) unfere« ©rlöfer«
Äreujigung.
311$ biefer gottlofe 3Raun bie ©enbung erhalten b,atte, unfer ßanb fotoie aud)
anbere i'änber \u Derbeeren, fammelten fidj ettoa 1830 SHann unter 9lnfüf)rung ber
bü. Satoitb unb (Softantine, meldje alle ermabnten, <£briftum nidjt ju Derläugnen.
©egen »benb fiel bie Sorfiut eineä perftfd)en #eere* Don 9000 ©lann über fie her;
bie beiße 2d)ladjt bauerte bii 3um #ahnenfd)rei : ba toaren 1280 Diana unter bem
Schroertc ber Werfer gefallen. 35ie übrigen flogen oor ber Uebermadjt, tourben aber
oon neuem angegriffen unb al« Cpfer 6^^rifti bingefd)(ad)tet , toährenb einige toenige
fid) in ben Söälbern bargen. Satoitf) unb Goftanrine tourben in3toifd)en gefangen
genommen unb Dor ben Scannen gebradjt, Dor »welchem fie mutf)ig C^vi^um be«
fannten. deshalb tourben fie oon ftarfen ©(bergen gcfchlagen — benn fte fpradjen
offen Don ber munberbaren 3Kad)t (Shrifti — , unb juleßt tourben ffe üerurtheilt, in
bem Orluffc 9iiou erträntt 31t tocrben, toeil fie genmgt, bie Oforberungen unb Ser»
fpredjungen it>rer Verfolger ju mißachten.
$iefe rjeiligcn SMnner nahmen biefe« Urtheil mit ftreubett auf; ftc baten
bann, man möd)te fie nad) ihrem Sobe begraben, unb fie beteten ju Sott, ed möchten
biejenigen, bie fie berührten unb bie ihren 9tamen anriefen, oon ifjrcn Äranfbeiten
gebeilt toerben. 2>anad) faben einige fromme Dlänner ein götttidjed Öid)t über ibnen
erftrablen. Sie polten if>re Seiber unb begruben fie im (&f)ox ber ftirdje 3ur 6rbe.
Utbmini betfet bie Stätte, unb äablreidje äöunbcr toerben bafelbft gcmirlt, 3ur 6f)re
©otteö unb feiner ^eiligen. Slmen1.
' »roffet tbeilt biefe (£rjäl)lung al« Stilprobe am Sd)luffe fetner ©corgifdjen
©rammatif (^ariö 1887) mit. Sügl. Jo*elian (Malan), A short History of the
Georgiftn Church p. 88— 85. Sobenftebt, ber bie ßrjäblmtg (®ef. Sdjriften III,
34 — 36) nad) Sroffet überfe^t, Derfud)t ben ßinbruef burd) Serbrebung einer ©teile
unb eine überaus bäßltdje ?lnmetfung ,ju 3erftören, bie bei Dielen ©cbtdjtcn feine«
«iebling« f>afi^ mobibegrünbet märe, f)icr aber burd) ben ganzen 6ontert ßügen ge»
ftraft wirb.
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262
3u)eiteö Sud). 9ld)ted Kapitel.
$ie ältefte ^oefie ber Georgier ift rird)lia>religiöfen Cfjarafter*. Siele
iljrer „^eiligen £efjrer" fjaben fromme £mmnen unb lieber gebietet, bie
fpäter in Derfdjiebenen Sammlungen Dereinigt mürben. (Sinen bofiftänbigen
liturgijdjen Canon berfelben Deranftaltete Röntg $aoib III., „ber 2Öieber=
ljerfteller", ber 1089 juni Zf)xo\i gelangte, ©ebid)te beä 1)1. ®regor bon
9ca$ian$ mürben öon bem „Ueberfe&er" $etre, einem föniglidjen ^rinjen,
in 100 fünfteiligen, jambifd)cn Stanjen übertragen. Soane ^etritji feierte
in reimlofen Jamben, mit ftefdjmad unb of)ne 2Seitfdnoeifigteit , bie Der=
fc&iebenen ^eiligen bes georgifdjen Ralenberä. 2ll§ fct>r fdjön bejeiajnet
Jörop bas ©ud) Samofceuli („£er Sedfoiger", fo genannt, meil es 63
Strophen umfajjt), ein begeifterteS 2obgebid)t auf bie aflerfeligfte Jungfrau,
baä in fünftltdjem Aufbau mit ben 9)tariengebid)ten ber Sslänber ju mett=
eifern fa>int. ßönig ^etmuraj I. bejang in fd)liä)ten, frönen Herfen ben
2ob feiner Butter, ber Königin Jietljaman, bie unter Scfcaf) Slbbaä I.
naä) Sluffaffung ber Georgier als Sliartorin für ben ©tauben ftarb ©on
meniger ©efajmarf jeugen bie „^oerifdjen töeben" (Tsqobil Sitcouabo) beS
Äat^oItfo§ Wntoni I., bie etma 4000 jmölfftlbige 93erfe in fünfjeiligen
©tropfen umfaffen unb außer bem ^eiligen Äreu$, ber feligften Jungfrau
unb ben nationalen ^eiligen aud) bie Könige, Königinnen unb alle 53e=
rüljmtfjeiten Don Georgien oer&errlidjen , mit Slnmenbung öon Mrojiid&en
unb anbern Äünftefeien.
3Me profane ^oefte entmidelte fid) erft in fpäterer 3"* l*nb gelangte
ju öoller 5Blütt)c unter ber glorreidjen Königin Xljamar, ber Jooster fteorgalll.
3b* erfter SHinifter unb Sdm&meifter Sd)otta Äuftameli, ein nid)t nur mit
orientalif4)er, fonbern aud» mit abenblänbifä)cr ©Übung oertrauter SNann, mar
jugleidb iljr £ofbid)ter. (Sr fofl als Jüngling feine 9lu8bilbüng $um Xtyxl
in Sltfjen erhalten f)aben. Wegen Gnbc feine« Sebent mürbe er mit großen
Summen 0elbe§ nad) Senifalem gefanbt, um bie bortige geovgifd)e Atrcr>e
umbauen ju laffen. Gr ftarb, mäljrenb er biefen Auftrag ausrichtete, unb
mürbe in ber ^eiligen Stobt begraben. Sein ©ebidjt „2öepct)iB=Xtaoffani"
(„£er 9Jlann mit bem ^ant^erfell"), ein romantifd)eS ßpo£, umfaßt 1589
oierjeilige Strophen , bon melden jebe burd) einen oiermal gleic&mäfjig
mieberfebrenben , breifilbigen (battttlifcgen) (Snbreim gcbtinbcn mirb. £a*
ift jebod) nid)t ber urfprünglicbe Umfang; einzelne Strophen mürben Don
ben ^rinjen SaDib unb Ifjeimuraj fnneingepf ufd)t , unter ©eorg XII.
Doflenbä etma 1500 Sßerfe Don Wanutidja 2ji^i[d)mili bajugefügt. £er
Xitelljelb ber $id)tung ift ber inbifdje Rönigsfolm laricl, ber eigentliche
^>auptr)efb aber ber gcorgi|d)e 9iitter Wutanbil, beffen 5fi}affentr)aten unb
Abenteuer in epifdjer ©reite gefdjilbert merben. Xaoib 2fdnibinoTf, ein neuerer
Herausgeber bei $cbid)teä unb einer ber grünblidjften Renner ber georgifdjen
Literatur, urtlieilt barüber: „Sdjon ber Umftanb, bau JRuftameliS ©ebidjt
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Die georgifcfje ßiteratur.
263
ein Dolt*t$flmü($c3 geworben, fprüfjt für feinen t>o^en poetifchen SÜkrtf). Aber
mit ben Schöpfungen eine« £omer, Virgil, Saffo unb anbent iinfterblichen
^i^tungen bulbet e3 (eine Sergleicfmng. Siele Stellen erinnern an bic
heilige ^oefie ber Hebräer, an £omer unb anbere Dichter be3 flaffifchen
MertfmmS, roährenb ber Stil burchweg orientalifch unb befonber* ben
(Stählungen Don ,$aufcnb unb eine Stacht' berroanbt ift — biefelbc Ueber=
treibung im ^athetifchen, biefelben höperbolifchen «uSbrürfe." '
Die &anblung beS 9toman$ ift nach Arabien oerlegt2. Der greife
tfönig töofteman ift be* Äegierenä mübe unb legt burch feierliche 2hron=
entfagung fein Scepter in bie #anbe feiner Tochter Sinatina nieber.
Der Äönig hotte eine einige Sodjtcr,
(Sin »ilb ber Sonne felbft im SRorgenlanbe.
frerj, Seele unb Jöerftanb entrife fte allen,
Sit jemals fie geflaut öon $lngefid>t.
Unter ber glänjenben Witterfchaft, roeldje ben $>of beS tfönig* Stojieman
gierte, mar e§ befonberS ber jugenbliche Slitter 2lutanbil, ber früh bem 3auber
linatinaS erlag unb fich bemfelben nicht mehr ju entringen permochte, ob=
fchon feine Siebe faft hoffnungslos erfchien.
€in 9titterfoi)n toax 9(utanbil, ber erfte
3!cr ftüfjrer in bem ftecr bc* tapfern Äöniaä.
Sein fajlanter lEßucb* beftegte bie treffe,
Unb bell unb fd)ön mar feiner klugen ©laitj.
Cb jung oud), glich boeb feiner Seele Stärle
2er ebeln ßfeftigfeü beS diamanten.
Ter fdjönen ftöiiigctocbtcr Öeuerblicfe
(fntjunbeten gar balb fein junges Jperj
Unb fälligen äöunben i^m, bie nimmer feilen.
föar lange rjielt er Qeimlid} feine Ctebe,
Unb in ber Trennung oon ber lauern fdjmanb
Sie SRofenvöttje feiner frifeben ü&kngen.
2otr) als ba« üoi it>n mieber ju ifjr füljrtc,
Trong balb bcö #erjen$ ®Iutf) ifjm in« ©efid)t,
Unb mieber öffnete ficf> feine 2ßunbe.
So quält geheime Viebe junge iperjen.
ünatina ift nicht ganj fo romantifd). Sei ihrer frühen 2hrc,nDf^f'0un9
benft fie nicht baran, ihr £erj ju r»erf Renten , fonbern nur burch reiche
Spenben ihr ganjeS Soll -\u beglüefen.
1 Brosset, Catalogue 1. c. 169 ss. — 23 o b e n ft e b t , laufenb unb ein 2ag
im Crient. ©efammelte Schriften III (Berlin 1865), 31—36.
* S. Rtustaiceli, Wepxis-t" qaosani. Ozurgeti 1892. — Tradnit par Achas
Borin. Tiflis 1885. — «nr^e GrjaTattcriftif ber £iö)tuug bei «. Seift, Georgien
S. 97-102. — SB r o f f c t transuterin ben Ittel „aikpcbife.Xtaoffani".
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2ß4
3»cite« f&ndf. mm «abitel.
jenem Sag Derttjetlte fie bie ©djäfoe,
Sie fie Don früher Äinbb>it an gebammelt.
2Bie 2Jeute na<b, ber ©d>la$t ergriff bai Söolt
Sic itjm fo retdt)tid^ 3uertt)eitten ©aben.
Sie einen nahmen flotj gejäumte Stoffe,
Sie anbem perlen, ©otb unb (Ebelfteine.
So fegt ber Söinb ben trocfnen ©ebne« tyintoeg,
2Üie fie ber ©#äfce Saft beifeite Rafften,
«ein einiger ging beim mit leerer §anb.
S)aS einige, mal ben ftönig grämt, ift bie 5öeforgmfi, es möd)te in
feinem ganzen fReid^e fein 9titter fein, ber tytn felbft an 5Rutf> unb Üapfets
feit glidje unb fäf)ig märe, ber ^rinjefftn mie bes 9feid>e§ 93efdjüfcer 51t
fein. Um ifm beruhigen, fdjlägt tf)m 9lutanbil eine grofje Sogt) bor,
mit ber 3»fage, tym bon feiner SSaffentüdjttgfeit unb Äüljnljeit eine botU
giltige Sßrobe ju liefern. $)er Äönig nimmt ben 3$orfd)lag an. S)ie 3agb
ftnbet ftott unb mirb in ber $i$tung glänjenb gefefylbert.
6a)eu, in gebrängten gerben, fliegt ba« 2öilb,
©efjefot Don einer bieten ©djar Don Sreibern;
SeS ganjen SBatbed Xrjterr>oft fcr}eint 3U flietm:
3n langen Säfcen fbringen t)ier bie 9let}e,
Sort tobt ber fdjlanfen §irfdje ©djar Dorüber;
SBor 2öutf> mirft fitfj ber €ber ins ©cbrange
Unb bidjte SRubel anberen ©etbierö.
Sie 3äger bringen Dor. SQßeldj prächtig SBilb!
Sfftit ^Pfetl unb Sogen borten fte ber SBeute;
Söom §uffd)lag ifjrer Stoffe bebt bie 6rbe,
Unb SBolfen bieten ©taube« ficigen auf;
Sic Pfeile fdjtoirr'n, unb balb bebecfen ßatfjen
SDergoff'nen SHuM ben aufgeroftblten »oben ».
9futanbil bemäljrt fi(f) als tapfern, maffengeroaltigen Söger. 9lbcr bie
3agb füfyrt eine neue SHerroitflung gerbet. 3>m 2Salb roirb ein Jüngling
gefunben, ber, in ein Tigerfell gefüllt, tläglid) meint. S)er Äönig fdntft
feine Liener, um ü)n über ben @runb feiner Trauer ausjuforfdjen ; allein
ber Jüngling fliegt unb entfdnuinbet in bem enblofen 2)irfid)t. darüber
gerät!) $önig tRofteroan in nod) großem ftummer als je jubor. Die ^rtn=
jefftn linatina bietet alles auf, il)n $a befa)ftrid)tigen ; jule&t berfbriajt fie
bemjenigen 9titter ifjre Jpanb, bem es gelänge, ben gefyeimnijjboflen 3>üng=
ling mit bem Tigerfell aufyufpüren. ftutanbü, fd)on längft bon Siebe 311
Sinatina erfüllt, bietet fidj ju bem Unternehmen an unb jiefjt nun auf
Abenteuer aus, genau mie bie fafyrenben bitter beS abenblänbtfü)en Littel*
alters, ©eine Söanberungen , ßrlebniffe unb £elbentfjaten , in melden baS
1 Ueberfe&t Don üeift a. 0. C.
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S)ie georgtjdje Literatur.
265
ganje bamalige £wf= unb ©tabtleben Georgiens ju reichfter ©chilberung
gelangen, bilben ben weitem Stern ber Sichtung. 9iad) brei fahren gelingt
e§ ihm, ben Jüngling, einen inbifc^en ^rinjen, aufjufinben nnb feiner &t-
liebten ben ernten 9luffchluf} ju bringen. Siefe reicht Wutanbil nunmehr
freubeöoll iljre £>anb, unb herrliche ftreubenfefte feiern bie glücfliche Söfung.
5)iögen auch bie mitunter naiben Abenteuer, gelegentlich mit einiger
orientalifcher Ueberfchwänglidjfeit erjählt, bem mobernen ©efchmacf weniger
besagen : bie gonje Sichtung ift grofc unb ernft gebadjt unb hat ein bebeut=
fame» unb echt nationale« ©epräge. Bormiegenb ift auch bie Sarftellung
einfach unb natürlich, oie ©prache fo reich unb fchön, baß fte noch einem
ber neuern Sichter, ftfafi Sfereteli, ben 2öunfch abgewinnt:
SRuftaroeliS Saute mag erf «hallen
Unb bie alle toetfen auf boin Schlummer,
Sie toie ©(hatten burä) bag Seben matten
Unb erfdjlafft jtbon finb Dorn langen flummer!
(5benfalte am £wfe ber ruhmreichen Königin Shömor lebten bie dichter
Wbbul ÜJieffia ©dmmtel unb Sfdmfhruhabfe. Ser erftere, jeitweilig ihr
5ttinifter unb ©ecretär, ftarb alö SJtonch im Älofter ©elath; ber anbere,
ebenfall« ihr ©ecretär, ftarb al« einer ihrer angefehenften Höflinge. Beibe
oerherrlichten ihre hochberbiente ©önnerin in gröjjern ßobgebicfyen , Welche
fich burch poetifche Sluffaffung wie feine, höfifcfc Pflege ber #orm au«=
zeichnen unb bei hoch unb niebrig Beifall fanben1.
Sa§ Such Slrtfchite, b. h- f>« cbroniftifche* Sammclmerf beS Königs
tHttfcftil III., gehört fchon einer fpätern 3eit an ; allein eS ermähnt 14 Sichter
unb Sichtungen, Don benen fonft feine ßunbe oorliegt unb bie wohl meift
in bie glän^enbe 3eit ber Königin 2h<"nör foH*n bürften. Sarunter be=
finben fich baS SSBteramiani, b. h- eine georgifche Bearbeitung be« altperfi=
fchen (urfpcünglich in tytfyttoi abgefaßten) Vornan« 2Bi3 unb 9tamin, unb
ba§ JRoftomiani, roahrfcheinlich eine Bearbeitung ber perfifchen Üiuftemfage.
3n bem SBaramiani finben mir ben perfifchen Äönig Bahrain @ur mieber,
in bem Omaiani bie Königin £oma'i be* 'SdjAhnäme. @§ ift wof)l fein
3weifel, bajj ba§ perfifche ßönigäbuch be« fftrbufi nad) (Georgien gebrungen
ift unb einzelne Steile bleiben -\u felbftänbigen @pen umgeftaltet mürben 2.
Söährenb ber furchtbaren £eimfuchungen 'Georgiens burch bie 9)con=
golen rourbe naturgemäß auch bie literorifche ßntmicflung be$ CanbeS für
lange unterbrochen. 6anj erlofch fie nicht, ebenfomenig al* bie firdjliche
Crganifation, obwohl mehrere Könige in ber ^olge jum ^lam übertraten
1 Brottset 1. c. p. 170.
8 91adj bem Äatalog btr 58ibliotl)et bc$ ^Jrinjcn ÜjitnfdjttHli flammt bad 28is=
ramiani au<J ber 3«t ber ßönigtn Sfmmar. Iiro*set \. «.-. j>. 161. Sößl. Journal
Asiatiqne. Aoftt 1834, p. 149.
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266
3weite* »ucf». Hebte« Äapitel.
unb iljren d)riftlid)en Untertanen jajmere läge bereiteten. £aS Söiebcr^
erfte&en bes nationalen Gebens nnb ber nationalen Literatur erfolgte erft
im Anfang be§ 18. 3afjrf)unbertS unter bem ßönig 2öad)Ü>ang VI. SBiclc
ber altern Siteraturmerfe , religiöfe roie profane, mürben iefct gebrudt, unb
an tynen ermaö)te neues 2eben unb streben.
ein feltfameS ^robuet biefer Uebergangsjeit ift bas „©uramiani".
„$aS ^üDibiani' ober ,®uramiani\ b. \). bie ©ebidtffammlung beS Sabib
©urami^aajmili, fteüt ein großes Potpourri bon 7000 bis 8000 Herfen
bar, worin ber Xtajter aü feine ^been unb Äenntniffe oereinigt rjat. «Dton
trifft ba pf>ilofopt)ifd)c $iscuffionen, moralifa>e Sentenzen, ©ebete, 9)lftfticis--
muS, Öei^iajte bes Mert&umS nad) ber ©tbel, jeitgenöififae greignijfe,
bie Grlebniffe be§ $ia)ter§ ; fröf)lid)e Sieber, fromme £>mnnen, Verfe in allen
in (Georgien gebräuajliajen Versmaßen unb dufter oon aüen 6d>roierigfeiten
ber Verfification; Wrofrid&a , Ȋtftfcl, Bortfpiele, alpfwbetifdjc SBerfc unb
Xoppclreime, furj, eine (Sncnflopäbie, bie fo jiemliü) ben ganzen Vilbung§=
ftanb eines SanbeS Dergegenmärtigt , too ein Gbelmann bieieS 9Mafe bon
äenntniffen befaß." 1 VefonberS intereffant fmb feine erklungen über
bie politijoKu unb triegerifaVn (Sreigniffe feiner 3eit, in bic er felbft oer=
nricfelt rourbe. (*r folgte bem ßönig in bie Verbannung nad> Wftradwn,
mürbe naefc bejfen lobe $um ruffifajen ihiegSbtenft gejroungen, in ber Sd)lad)t
bei tfüftrin (1758) gefangen unb naa) «Diagbeburg gebraut, erlangte aber
feine frreifyeit lieber unb ftarb erft am Anfang bes 19. ^arjrljunberts als
üöjäljriger ©reis in .QleimÄußlanb.
Seit ber (iinoerleibung Georgiens in bas ruiftfdjc 9<eia) fyxt natürlich
ruffifaV «praa)e unb Literatur einen mächtigen Einfluß auf bas ©eiftc*=
leben beS Voltes gewonnen; boa) tann man benfelben feinen einfeitigen
nennen. 2iMe früher perftfa> Sidnungen, 5. 58. Suffuf unb Suleitya (^ofep^
unb 3ilidjan) unb Eilariani, Ueberfefrer fanben, fo mürben jefct öomers
3liabe, StacineS &>f)igenie, eorneiBes (Sinna, Voltaires SlgatfwfleS unb
anbere abenblänbifaje Serie ins ©eorgifaV übertragen2. SÖie in SRußlanb,
fanb auef; im tfaufafus 2orb Vnron Diele Verounberer. Unter feinem 6in=
fI"B Men bie bret bebeutenbften neuem Suriter: Weranber Sfajamtfdmroabfe,
Varatafdjroili unb Griftarai. £od) aud) bie alten nationalen Erinnerungen
finb feinesmegS ertofdien: fie rjaben an tMfati Xfercteli iljren begeifterten
Sänger gefunben*. ©eorg Eriftarot unb Watt Iferetcli Ijaben aud> mit=
1 Brom* 1. c. p. 106.
2 Brostet 1. c. p. 172. 173 ; anbete Ucbcrfcfeuna.cn aus bem ^erfifdjen unb au*
curopätfdjcn epracfjcn p. 168. 169.
3 groben biefer unb anberer 3)id)ter (©regor Crbcliani, ftlios 2fd)att>tfd>att)abfe
SBacbtang Crbeliani, JRapliacl griftatoi, Äarifafcbtüili , SH. ©urieli, Stöl. 9)tifclabfe)
bei 91. Seift, (Seorgifcbe Siebter, fici^ig 1887.
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$te georgifö> ßtteratur. 267
geroirtt, ein georgifa>ä Idealer ju begrünben, unb jtoar nidjt bloß im 9ln=
fdbjuß an auälänbifaV $ramatif, fonbern mit SBertoenbung einbcimifif)er
©toffe. £en (*barattcrftüden ber (Benannten unb ben ßuftfpielen 91. 3aga=
reüte fielen bic biftorifaVn Romane 9ttfrf)eulte: „Königin 2f)amar" unb
„Königin Wmifa", at§ ^Infä^e einer mobernen töomanliteratur gegenüber.
%m reidtfen unb formboflenbetften bot fid) bis je&t bic Sprif geftattet,
toobei Ijimoieber bie ßiebeSlnrit am flörf ften oertreten ift. tülan trifft lorifaje
©ebiebte faft in jeber 3eitungönummer. 3u größern epiftt^en Seiftungen ift
bie 9leu$eit nod) niajt gelangt. SHetjr melandjolifd) als fpffnungäfrol)
$eid)net Tregor Crbeliani (geb. 1801, geft. 1883, ber Spröfeling einer
altgeorgifdjen ^ürftenfamilie unb jeitmeiiig 5Mce=@ouüerneur oon £ran§=
fautafien) bie Erinnerungen, strebungen unb 2fuäfid)ten ber georgifajen
Siteratur in bem <Bebid)te „9?or bem 33ilbe ber Königin Ifiamar im Softer
SBetfanien bei 2iflfe" 1 :
2Kit einem unauöfpred)licb ^eil'gc» Säjaucr
Sd)au' id) bein 29ilb an, cble ßönigin,
Unb bemutfjSüDÖ id) miä) bor bir oerncige;
Senn ef)rfurd)t flößt mit ein bein f)d)rer ®»"n.
3<b freue midj, baß ict) bein 2littlifc fd)aue,
Unb möchte nimmermehr Don bannen gcfin;
3Jcnn f)\tt id) bie (Erniebrigung öergeffc,
3n ber id) beut ©eorgien mufe fcf>n.
äkrtoelft ift längft bein blüljenb retdjer ©arten,
Seitbem erlogen beiner ©röfee Stratjl.
3ö, feine Sdjöufjeit ftratjft nidjt mefjr mie früher,
Unb anfgcbrildt t)at ttjm bic Seit ifjr Mal.
9Döic eine« frönen Sraum«, ber und eTquidte,
2Bie einer Sonne, bie längft unterging,
©ebenfett mir mit Sfreube beiner 3"ten,
3lu benen frof) baä £crj ber Stfjnen t)ing.
Sin fdnoadjer ©reiö, ber ferner gebeugt üom Hilter,
Stef)' »ieber td), o Äönigin, bor bir,
Unb flef)' bid) an um Segen für ©eorgien:
(Erbitt bei ©ott itjm ©nabe für unb für!
0 fegne cd, bamit fid) feine Söbne
Ermannen nnb, Bon SBMffen aufgeflärt,
6id) »ieber <Dia$t unb ebeln 9tubm ertoerben
Unb banad) ftreben, maä bc* Streben« mertb.
• Ueberfcfruug oon 3t. tfeifl a. a. 0. ©. 26.
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26S
3»t»citc« »udj. Neunte« ßapitel.
O möd)te neu ftd^ unfer ©etft beleben,
Sie Söradje Shifiatoeliö neu gebeilm,
Unb unfrc fteimatüebe 2rrüä)te bringen,
3>er alte SRufjm nicbt bleiben bloßer Schein !
£odj ad), o Königin, bie bu gen Gimmel
Sic Sölirfe ridjteft, bu erfennfi toofjl faum
On mir SBerlaff'nen einen <£of>n ©eorgienö.
Unb unfer @lenb ift bir toie ein 2raum.
©oll benn für alle 3^iten baö fdjon toelten,
9öa« einmal feinen SBlütfjenglanj Derlor?
6oU ba«, loa* fiel, unaufgeridbtet bleiben
Unb nie erlangen feinen frühem Oflor ?
C 2öelt ber Unbill unb ber ero'gen ßüge,
2>u in ben Ürug uerfunfne£ 3<"nmertf)al !
Hein ©lau3 fann bleibenb je in bir befielen,
Unb alles 6blc fommt in bir jura ftall.
»lieb nidjt« meljr übrig t>on (Georgiens ©röfje
911« bie 9httnen, bie itfj l)cutc fei)'?
SJtieb nid)t$ com 9luf)m, ber einft burfl) 9lften ftraf)lie,
»lieb feine S&atcnfrudjt ? £> toelje! wehj
Neuntes Kapitel.
3>er 'gafmitb mtb bie tteuQefträtfd)e 3>t<Qtuttg.
2öäf)renb baä &l)riftentr;um fid) in menig 3af)raetmten über baä ganje
SRömerreid) fjin verbreitete , brad) über bie 3uben ba* furdjtbarfte <straf=
geridjt herein, baä je ein 23oll getroffen. §ie mürben nid)t bernicf)tet ; aber
if>r Tempel unb it)re ^eilige ©tabt würben jerftört, fie felbft als tfremb=
linge jerftreut unter alle Lotionen. 2öte fie ben berfyeifcenen ^tfeffiaä ber=
worfen, fo mürben fie bon ü)m oerroorfen unb in bie gan-\e Söelt berfbrengt,
um mibermiüig 3*"flni{i abzulegen für ben bleuen $unb, bon bem fie fid)
ausgef hoffen unb ber nun als ßrbfdmft an bie Reiben überging. 3b,re
Literatur berlor bon ba ab ifyren erhabenen Vorrang, ben fie bor ber 2ite=
ratur aller anbern SBölfer befeffen. $ie göttliche Snfpiration mid) bon bem
93otfe, baä feinen bertjeißenen Erlöfer mifcfannt unb gefreujigt tjatte. $ie
natürliajen ©aben, bie e§ befaß, tonnten unter bem jtätigen ifofe ber 2?er=
folgung nid)t mefjr ju glänjenber Entfaltung gelangen. ätfie ein enterbtes
9lbel*gefd)led)t ^rte es bon feinen alten Erinnerungen unb fitste fid) an
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3>er Xolmub unb bie ncu^ctnaii^e $id)tung.
209
irbtfc^em ©eroinn für bie ibcalcn ©üter $u entfchäbigen , bie es berfcherzt
blatte, föne ftrengere Stiftung erftarrte im 91nfchlufj an ein ®efe£, baS
burch ben ©efefigeber felbft feine (Siltigfeit berloren hatte; eine lajere 9iia>
tung buhlte, rote ehebem ihre Später um bie ®unft heibmfcher ©ötter, je|t
um bie irbifdhen Vortheile materieller Kultur. 55ie neuhebräifchc Literatur
beroegte fich borroiegenb auf bem ©ebiete ber erfiern Stiftung ; boch gab e$
feit SlrifiobuloS unb tyfyilo immer ^oa^begabte Suben, meiere frember Spraye,
2öiffenfchaft unb ffunfi mehr hulbigten als ihren eigenen Ueberlieferungcn,
unb £eibenthum unb ^ubentb,um aussöhnen fugten unb gelegentlich beibe
$u gemeinfamem Kampfe gegen bie alte 9ted)tgläubigteit unb fpäter auch
gegen baS (Shriftenthum ins ^elb führten.
Ueber bie Anfänge jener Schriftgelehrfamfeit , au» beren JfreiS ber
fjeftigfte 2öiberftanb gegen ($hriftuS h«borging unb bie ber fpätem ^ebräis
fajen Literatur ihr (Gepräge gab, ftnb feine bößig Haren Sluffchlüffe bor:
hanben. ^ilo fpridjt bon „taufenb ungefchriebenen (Gebräuchen unb 3a:
jungen" 1, ^rlabiuS ^ofepfjuS Don „zahlreichen Sajwngen, meiere bie s$)a=
rifäer bem Volte aus ber Ueberlieferung ber Später auferlegten unb meiere
nui)t in bem mofaifchen ©efefce aufgezeichnet roaren" 2, meldte Deshalb bon
ben Sabbucäcrn hart angefochten mürben.
SBahrfcheinlich reicht bie (SntmicHung einer fchulgemäfcen Schrifterflä=
rung mie bie allgemeine Einführung bon Sönagogen in bie 3eit beS ßjils
Zurüdt, roo bie Verbannten, ihres ehrmürbigen 9tationalheiligthumS beraubt,
barauf angemiefen maren, religiöfen Unterricht unb ©otteSbtenft, fo gut eS
ging, im häuslichen greife unb bann allmählich in geräumigen Verfamm=
lungSorten toeiter ju pflegen. So bilbeten fich als @rfa$ für bie 2empel=
[chule ©efe^eSfchulen an jenen Orten, roo bie Verbannten in größerer 3af|l
Zufammenlebten, mie in 9ieharbea unb ^ümbabitha. 9tach alter Sage fod
eine Sbnagoge in 9cef)arbea fchon burch 3ojafim, ßönig bon 3uba, um
600 b. ©hr- gegrünbet roorben fein, ($SbraS feine Vilbung an ber ebenfo
alten Sönagoge ju $ujal erhalten höben. 9cact) ber Stücflehr beS Volles
unter (SSbraS unb 9lehemiaS fcheinen zahlreiche ^uben in Vabblonien jurücf=
geblieben jU fein, bie babblonifchen Schulen ein t)or)e§ 9(nfef)en behalten
ju hoben3.
1 Sei Etisebius, Praep. Evung. VIII, 7, d. * Antiqu. XIII, 10, 6.
* Dr. 3uliuö 3f u r ft , gultur* unb 8iteraturaefd)id)te ber 3ubeu in Stftcn
(ßeipjiö, «uaclmann, 1849) 1, 2. <£r föreibt ben babülontic&en 3uben ben #auj>t-
antfjeil an ber äBeiterenttoidlung. ber {jebräifd&en ßiterotur ju : „Sabulonien mar bad
Saotfelb für bie meiften ©attungen ber jiibi|cr)cn ßiteratur; bort maren bie ©eiftcS«
(eime für Söeiterbilbung ber ipaggaba unb Jpafadja, ber nomocanomfdjeu Scfjre unb
ber ©agenfdjöbfung ; bort entftanb bie religtöfe *Poefic unb bie ©nomtt, bort bie
SReligionäpfnlofopfne w»»b bie SDUbraföanabilbuug ; überhaupt ttnirben bort juerft jene
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270
Smitti »ue$. Neunte« «optici.
3n Serufalem erneuerte fid) nad) bem 2Bieberaufbau be$ Tempels bie
alte tyeotratifa> ginfjeit be4 ©otte&bienfte* , be« ©efefce* unb ber Öefpre.
„$a oerfammelte fid) baö gan^e SBolt roie ein Wann auf bem ^pla$e,
melier Dor bem SBaffertlwre ift, unb fie fagten ju @Sbra3, bem Sdjreiber,
bafc er f)erbeif)ole ba§ iöud) be§ ©efefces 9Rofe*\ meld)e§ ber £err für 3*rael
gegeben ^atte. Sofort braute (Bora*, ber ^rieftet , ba* ©efe| bor bie
üterfammlung ber Wänner unb grauen unb alier, meiere es berfteljen fonn=
ten, am erften läge beS fiebenten IRonätS. Unb er las barauä laut auf
bem pa£e, ber oor bem SBaffertyore mar, oom borgen bte 3um Mittage,
angefi^ts ber Wänner unb grauen unb berer, bie es oerftanben; unb bie
Of)ren bes ganzen Golfes maren gerietet auf bai 99udj. (SsbraS aber, ber
Sdjreiber , ftanb auf einer fjöljernen Stufe , bie er jum 9tebenl)alten ge=
fertigt t>atte. . . . Unb GsbraS eröffnete ba* Sud) oor bem ganzen Söolfe,
benn er ragte empor über baö ganje 93olt. . . . Unb fie lajen au§ bem
Jöudje be* ©efefce* ©otteS beutlid) unb laut jum ^erftänbniffe; unb fie ber=
ftanben, alö e* getefen murbc. fpradjen aber 9icf)emia§ (bas ift 9ltf>er=
fott)a) unb (**bra§, ber ^riefter unb Schreiber, unb bie £ebiten al* 9luä=
leger junt ganzen 3tolte: $er lag ift geheiligt bem £errn, unferem ©orte;
trauert nidjt unb meinet nidjt. $)a* ganje $olf nämlid) meinte, als eS
oernafrn bie ©orte beS ©efefces." 1
<Hcrmlia)e* mirb oon Weldas berietet2. 2>er religiofe Cifer, ber fta)
bei ber 2Bieberf)crfteüung be* lempel* entfaltet fjatte, t>erraud)te inbe* balb.
^riefler unb leiten felbft berfünbigten fid) an ber #eiligteit beö Sempete.
$ie religiöfe ßinfjeit, bie in Tempel unb ©efefc iljren mädjtigften Wuabrud
gefunben, loderte fid) mieber. 2öie in Sabblonien, jo entftanben aud) in
^aläftina allüberall Stmagogen, fo bap j*ur $eit ©^rifti jebe* ©täbtdjen
feine eigene befaft. ^erufolem foll fogar ^ur $eit ber 3erftÖrung gegen
500 Sbnagogen gelobt fi,aben, jebe &inb§mannfd)aft ber jmolf Stämme
it)re eigene 3. ^n ben Spnngogen felbft aber matten fid) bie tiefgreifenbften
religiöfen unb politijtt)en s-ßarteigegenfö^e geltenb, beren ertreme ©runb=
ridjtungen fid) in ben Secten ber ©abbueäer unb ^riffler berförperten.
3ene, l>auptfctd)lid) burä) bie SBornefmten be§ Öanbeö, bie eigentliche *Mrifto=
Iratie, oertreten, neigten beftänbig jur ÜBerjauneljung mit bem ^eibentlmm
unb ju böUigem Unglauben l)in; biefe, bor*ug§roei)e auä ben ^riejtern,
Sonnen Dorgoscidjnet, jene ©cletfe fft^irt, in beneit bic jftbi^c ßitcratur ft»ätcr ein»
tjerging. $ie gilben in €pütti<n , in Sttafigtcb , in Italien um 900 maren nur bie
(£rben bca jflbi^cn ©eiftes unb bw SEBiffcnö in $Jabt)lon, fie tonren bic Epigonen
atltx ber Stnbicn, bic feit füft einem Sobjtcnifenb l>l)r ^nen nn ben Ufern be*
Gnpl)rat ftt^ entmitfelt imb ^rrmtfigebilbtt."
« 2 ^6br. 8, 2 2 ^ebr. 18, 1.
s 3- 5nrft, Cnltur« unb ßiteralurgefdjicbte ber 3"ben in Nfien I, 30 ff.
$tr 2olraub unb bic neiUjebraifche 3)t<f>tung.
271
Geölten unb ©cbriftgelefnten fidj bilbenb, maßen ben fogen. „väterlichen
Ürabitionen", b. h- ihrer roillfürlid)en ©djulüberlieferung, biefelbe Söidjtigfeit
bei mie bem bon ©ott gegebenen ©efefce. $enen etfc^ien <5fn:iftua als Stören*
frieb t^rcr irbifcfjen ©elüftc, biejen als SBiberf acher it)re* ^errfa^|üdjtigen
2Biffen§ftoljes unb ihrer fcheinbeiligen ftormelnbergötterung. Won beiben
mißleitet, berfannte baS Sflolf feinen ÜJceffiaö, als er unter ihm ersten.
Die Suben felbft unterbleiben in ber (Sntmicflung ihrer rabbinifdjen
©efefceSliteratur brei Venoben: 1. jene ber ©opt)erim (ypafi/taTslg) ober
©cbriftgelehrten , 2. jene ber &annajim unb 3. jene ber Wmorajim („ber
©precber"). Die Dauer berfelben läßt fid) nicht fd)arf bestimmen, ba fie lang=
fam ineinanber übergingen; bod) enbigte jene ber ©opfjerim gegen (£nbe be»
1. SahttmnbertS n. Chr., jene ber $annajim mit Anfang beS 3. ^a^r=
hunberts, jene ber Winorajim gegen (5nbe beS 5. SahrfwnbertS.
Die ©opherim fd^loffen fid) anfänglich noch an bie urfprünglidje ^tuf=
gäbe be§ ^riefter= unb VebitenthumS an, bas SBolf mit bem ^nt)alt ber
heiligen ^ lieber befannt ju machen unb inSbcfonbere bie Behren unb ©afcungen
ber 'Xfyoxa einschärfen, ©ie erflärten aud) jroeifelhafte Stellen be* Wertes
unb berbefferten benfelben, mo er burd) bie Wbfdjreiber gelitten, berfat)en
ifm mit Varianten unb Slanbgloffen unb arbeiteten burd) berfdjiebene 3ci^en
ber Arbeit ber 9)tnforethen bor. ©ebon burd) roillfürliche Deutung, ftarre
grormaliftif unb politifcbe Ausbeutung miauen fie inbe§ bielfad) bon bem
eigentlichen ©eifte bes ©efefceS unb beffen religiöfem Qtoedt ab. ßf)arafte=
riftifd) ift es, baft fie baS ganje fd)riftlid)e ©efetj genau auf (U3 itor=
fd)riften, 248 ©ebote unb 365 Verbote bezifferten. DaS genügte ilmen
jebod) lange nicht, ©ie erflärten fid) im Söcfi^e eines jroeiten, münbltch über-
lieferten ©efetjes, baS bon 9)tofe§ tyt burd) bie dichter, Könige, Propheten,
bie Ausfprücbe beS großen ©pnebriums unb ber angefehcnflen ©efefceSlehrer
unberfälfebt 511 if)nen gelangt fei, unb baS, mie baS gefdniebene ©efe£, alle
Sßerhältniffe ber 9Renfd)en umfpannt. ©ie maßen bemfelben ebenfo autori=
tatioe, binbenbe Äraft bei, als bem fehriftfieben ©efefc, ja noch pl)erc, unb
betrachteten fid) als feine unfehlbaren Crgane unb ßrflärer. $n biefem
©inne entfdjieben fie in taufenb großen unb Keinen ^ra^en oe- religiöfen,
politifeben, liturgifdjen , häuslichen ÖebenS, unb burd) biefe (Sntfcbeibungen
regierten fie in baS gefamte 3$oltSleben hinein.
Gin einzelner foId)er autoritatioer ©efejjeSentfdjeib , ber fid) auf bie
i'eljre ber älteften unb angefehenften ©djulhäupter ftüftte unb bom ©pnebrium
gebilligt mar, mürbe ftalncba genannt; eine jroar angefehene, aber nicht
bon ber ältefkn Xrabition gefügte Anficht 3?araitf)a (außerhalb ber ©d)ule) ;
ein freier ^cfjrbortrag, ber fid) nur auf ^ßribatautorität beS 2el;rer» ftüfyte,
$>aggabat). @ine ©ammlung autoritatiber ©eje£e»entjd)eibungcn (ober £>ala=
choth) r)iep eine 9)fifd)na ; ein ertlärenber ^ractat ju einem 2bcil ber heiligen
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272
3roeite« 5Bud&. Neunte« «at>ite(.
Sdjriften wie 511 einer 3Rif$na ljief? ein 9Jtibrafd). ©ei ber Qafyi bet i'eljrer
unb ber minntiöfen "Muffaffung beS ©efefceS mua)S bie 3Ö^ ber fraladjotf)
unb 9Jtibrafd)im in» Unabfefybare J.
Die 5annajim flellten fid) nun bie Aufgabe, in biefeS (Semirre oon
(?ntfd)eibungen unb ßrtlärungen einige Crbnung $u bringen, unb legten
beSfjalb erft Heinere, bann größere umfaffenbe Sammlungen an. 9(uS ben=
felben ermud)* gegen (?nbe beS 2. 3afjrl)unbert« n. ßljr. burdj ÜRabbi 3e=
fjuba £>atfabofdj jene große 9Jiifd)na, weld)e al§ 9)cifd)na xut isoffv ben
tfern ber bisherigen t>alad)ifd)en (Sntfdjeibungen , ben Canon beS angeblid)
münbüd) überlieferten ©ejefceS barfteflt. 2US 9lnf)ang baran reifte fuft bie
Üofepljta (audj große 9Jujd)na genannt), meldte in 58 iractaten tljeilS
»eitere 3»fäj^ S"* Wifdjna, tljeilS eine ßrflärung ber buntein Stellen ber=
felben enthält.
9lud) bamit waren aber bie angebudjen ©efefceSüberlicferungen nod)
nid)t erfdjöpft, nod) weniger if)re Deutung unb (Srflärung. 2öte bie 2an=
najim neben iljren Sammlungen felbft wieber neue Gntfdjcibungen unb
Deutungen lieferten, füllten fidj bie Slmorajim oerpflidjtet, ben ganzen weit=
fdnajtigen Stoff oon neuem bura^uarbeiten , ben richtigen Sinn ber ein=
jetnen £alad)otf) ju ermitteln, ifjren Urfprung nadjjuweifen unb bie oor=
fjanbenen 2öiberfprüa> auSjugIeid)en, bann aber aud) aus ber Wifäna eine
SJtenge neuer @ntfd)eibungen abzuleiten unb fic in öer^widter Gafuifhf auf
bas praftiidje öeben anjuwenben. Tiefe weitem Disputationen unb <Snt*
fd)eibungen floffen in jwei neuen, umf angreifen Sammlungen jufammen: ber
Ijierofotamitanifayn ©emara, meldje nur ju fünf #auptabfdmitten (Seder)
ber 9)ii|dma Wadjträge lieferte, unb ber babolonifdjen ©emara, melt&e
bie gefamte 9)(i|d)na berbollftänbigte unb aflein &u mafigebenber Autorität
gelangte. Das 2Öort „©einara" bebeutet 53oflcnbung. Die (*ntfd)eibungen
ber ©emara erlangten iebod) ntd>t baSfelbe 9lnief)en wie jene ber SJlifdma, unb
erhielten nur Geltung, wenn tyiten fein Spruc& ber <ötifd)na entgegenftanb.
Die Vtijtina mit ber ^iero|"oIt)mitanifa)en ©emara jufammen bilbet
ben fjicrofolomitanifd) en lalmub ; bie 9Jiifd)na mit ber babrjlonifdjen ©emara
bereint bilbet ben babploniic^en £almub ober ben Salmub fd)le3>tljin, b. f>.
icneö iSedjts-- unb fteligionSbua), baS bei ben in ber 2öelt ^erfreuten 3uben
' 9fäf)ereö Über bie einzelnen talmubifttfdjen ÄunftauSbrücfc bei <£. ÜJl. fintier,
Talmud ßabli. SabQfoniföer Salinub. Iractat »eraeboth, (»erltn 1842), Ein-
leitung in ben Salmub S. 1 ff. öorrebe beä tRabbi «Dlofcbeb, , Sohnes bea {Rabbi
SJlaimon (Ülaimonibes) 5. 4 ff., ftauptregeln ber <Dlijd)tia S. 12, Faustregeln ber
©etnara £. 13 ff., v\nb,alt unb JBcurtbeilung ber $>aggabaf) £. 24. — Sgl. ?tugufl
2Öünfd)e, 1er babnfontfcfic lalmub in feinen f)aggabtfdjen JBeftanbtbeilcn (Setp)tg
1886—1889) I, 3. vi ff. — 91. $r. (Sfrörer, laß 3af)rfjunbert bed ^etleö
{@cfa)i^te bcö llvcbrifteni^nnö 1. Stuttgart 1838) S. 173.
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$et lalmub unb bie neuh«btäifd)e Eichtling.
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thatfächlid) an bic Stelle beS alten mofaifchcn ©efefceS trat unb es tf)eil=
roetfe aus Ueberjeugung unb geben berbrängte.
3nnerhal6 ber ©cfe^eSfdmlen blieb allerbingS bie ^eilige Schrift bie
entfcheibenbe Autorität, aber natürlich nach bem Sinne unb Hnfeftn beS
jeweiligen (SrflärerS; nach aufcen jebodj, b. h- ben Öaien gegenüber, ftanb
baS 2öort beS ÄabbinerS höh« als bie Schrift. „Sie 9tabbinen ober
Schriftgelehrten gehören in eine Äangflaffe mit ben Patriarchen # mit bem
©efefcgeber, mit ben gSro^eten ; ihre StuSfprüche ftehen fogar über bem ge=
iajriebenen 2Öorte, ia bie tüchtigften unter ihnen finb gefreiter unb ge=
lehrter als ©ott felbft. " * So wirb j. (5öaba We^ia S. 86 a) er^lt,
es fei im Gimmel ein gelehrter Streit über boS üiedt)t ber WuSfäfcigen ent--
ftanben ; ©att habe in bem betreffenben Ofaü auf Feinheit erfanni, fämtliche
(Sngel aber gegen Um auf Unreinheit; ba f)ätten fidt> beibe 2f>cile barauf
Dereinigt, ben 9tabbi Rabba, Sohn beS 9to<hman, als competentefien Seichter
in ben ftimmel fommen s" loffc«- Sobesengel mußte ihn holen, Gr
entfdneb ju fünften ©otteS, mas biefen nid^t wenig freute. SBunberbare
Stimmen bertünbigten auf @rben bas i'ob 9labbaS, unb fein ©rab warb
ein tounberthätiger 2öalIfaf)rtäort.
Stanacb, tft es nicht ju Dermunbern, wenn bie ©efe&eSlerjrer ©ott felbft
als «Rabbi fajilbern, ber bie ©ebetsriemen trägt2, im ©efefec jiubirt unb
bie beworbenen Sdmlfinber unterrichtet3.
„33on ben jroölf Stunben, roelche ber Sag hX ftfcel ©ott in ben brei
erjten hin unb ftubirt im ©efefc. 3n ben nächften breien ftfcet er unb re=
gieret bie Söelt. S5a er aber ftefjet, baß bie ganje Seit fajulbig ift, Der=
läfct er ben %t)ton beS ©erithts unb fefct fich auf ben Stuhl ber ©nabc.
3n ben nächften brei Stunben fi&et er unb fpeift bie ganje 2öelt. 3n ben
brei übrigen fpielt er mit bem SeDiathan, toie gefchrieben fteht ($f. 104, 26):
,£u haft ben 2e0iatb,an gemacht, bamit bu mit ihm fcherjen tönneft/ ÜÄabbi
Slcha ber ©aliläer hat gefagt: Seit bas £aus beS £eiligthumS jcrftört tft,
fcherjt ber hochgelobte ©ott nicht mehr. Unb rooher toiffett mir, bajj er
nicht mehr fpielt? $aher, weil gefchrieben ftehet (3f. 22, 12): ,$arum
mirb ber Jperr 3ebaoth ju ber 3eit rufen laffen, bafe man meine unb flage,
fein £aupt fchere unb Sactlcinmanb anziehe.' 2öaS thut nun ©Ott feit
jenem Sage (ber 3erftörung) im legten Viertel be§ SageS? 6r fifcet unb
unterrichtet bie (beworbenen) Schulfnaben, tote gefchrieben ftefjet (3f. 28, 9) :
Mtn foü er lehren bie (Srtenntnifj, men foü er hören laffen feine ^rebigt ?
2)ie Entwöhnten Don ber SJtilch, bie fo Don ben Prüften abgethan finb.'"
1 31. 3fr. ©frörer, 2)ad 3aMunbert befi §eile« S. 149. 3>ie 3iad)tt)«ifc
au$ bem Jalmub ©. 140 ff.
• Sractat SBeradjot (Talm. Babli) ©. 6a. — ©fror er 3. 279.
» Hooba Sora (Talm. Babli) 5. 3b. — ©fröret ©. 278 ff.
Saumflartntr, 9QBtltHtero»ur. I. 2. «uft. IS
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3weitcs SJudj. Neuntes ftapitel.
Sparen Don Äabbinem Ijaben im Verlauf Don mehreren Safjrfmnberten
t&eilS jur ®eftaltung beS Salmub mitgeroirtt, tljeils ben barin gegebeneu
Stoff nodj weiter au§Qcfta!tet A.
91n if>rer Sm> fte^t Siabbi £>illel ber SBabölonier ober ber Hlte
(haz-z&qen). %i$ Sprofc einer oerarmten Familie $aDibS Stamme
in Sabnlonien geboren, fam er etroa um 50 D. <&fyc. nad> Serufalem, »ib*
mete fidj f)ier bem ÖefefceSjhibium, rourbe $orftyenber beS SrmebriumS mit
bem Sitel «Rafi (ftürft) unb jtarb als fold&er um bas 3af>r 10 n. Gfn\
G&aratteriftifdj für iljn unb für bie tclmubif** SDeiStjeit überhaupt ifl fein
gntfdjeib über bie 3?rage, ob man ein @i, baS bie £enne am Sabbat ge=
legt, au* am Sabbat effen bürfe. 2Öenn es eine sunt Eierlegen beftimmte
£>enne mar, bann mar bie ftrage jum Doraus Derneint, meil baS 6i bann
f*led)tmeg als ^robuet fnedjtlidjer Arbeit galt. 2lber au* menn bie #enne
baS (§i zufällig legte, ja menn fie f*on jum Sd)la*ten, ni*t $um §ier=
legen benimmt mar, erflärt ber fonft als liberal unb milbe geltenbe Äabbi
£illel, bafj man baS 6i am Sabbat ober an einem gleidjmertyigen ^fttag
ni*t nur ni*t effen, fonbern nidjt einmal berühren bürfe. Sein bagegen
als frrengerer unb conferoatiöer Geologe oerfd&rieener ©egenfüftler, »abbi
S*ammai, mar ber entgegengefefcten Hnfidjt. 6in ganjer Sractat beS
Salmub aber erhielt Don biefer (SontroDerfe ben Sütel w93ejfa" (6i), unb
eine rnmmlifdje Stimme entfajieb: „$ie Söorte beiber, SdwmmaiS unb
&illel8, finb Söorte beS lebenbigen Rottes ; aber man folge ber Scfculc
£tüels."2 £UM foll bie bereits riefig angef*moflenen ©efefceSentf Reibungen
unb fogen. Ueberlieferungen in fe*S 9Jiif*naorbnungen gebraut unb im
herein mit ftabbi Sdjammai ein 23ud> über bie <Dca*abäer (Megillath
Beth Chaschmonaim) Innterlaffen Ijaben, ba§ aber jefct Oerloren tft. <£r
marb 5patriara) einer flafifamilie, bie bis 415 n. Ityr. eine Stüfce ber ©e=
fcfceSautorität unb ber talmubifc&en ©elefrfamleit in Sßaläfrina blieb8.
911S nod) bebeutenber galt Dielen ber Stabbi Watfjan ber JBabötonier,
aus 2Jie|"*ne, als Surifi f)od)gefeiert. Gr lebte in ber erften £älfte beS
2. 3af)rfmnbertS n. <£f)r. 5ßon ifmt ift eine eigene SJtifdjna Dorljanben, bie
1 Hin SUeraeidmiß ber beröorragenbfien in ber (Einleitung aura italmub bei
Dinner, Talmud Babli 8. 10 ff., unb bei Strarf, 9lrt. „aalraub* in ^erjogä
5Realenct)Hopäbte XVIII (2. »nfl., Ceipjig 1888), 345—353. — SR. »raun*
f *weiger, $ie Öefjrer ber 9fttfä)na. ffranff. a. 351. 1890. — 28. SJadjer, Sie
9lgaba ber 2annaiten. 2 33be. 6trofebur9 1884. 1890; Sie «gabt ber palaftinen*
fifäen «raoröer I, baf. 1892.
* Sractat Srubim 5Bab. S. 13b. — ©frörer a. a. C. S. 172. 173. Sticht«-
beftotoeniger fc^t ©eiger (35o8 ^ubentbum unb feine ©ef^idjte I [2. 91uf(. SBrefilau
1865], 117) tiefen ^>iUeI neben, ja über Gljriftu«, »oäbrenb itin Dtenan (Vie de
Jesus [Paris 1863J p. 35) ab) Öehjer fö^rifti bejeitbnet.
» ©efd)Ied)t«tofcl berfriben bei ©fror er a. a. D. <B. 182 «nm.
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$er Salmub unb bie neu^ebratfc^e SJit^tunß.
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feinen dornen trögt, bann ein mathematifcheS Söerf (bie 49 9Ribbotfj) unb
ein ^oggabifddeS 2Berf Massechet Aboth de-Habbi Nathan in $oxm
bon 9Jtifchna§, mit allerlei Sagen unb Schriftauslegungen bunt burch=
floaten. 9113 eine britte (Säule ber talmubifchen SBiffenfchaft mirb tyibox*
gehoben 9tab6i 6^ija ben 9166a 6en SiUa, gemölmlich einfa^in ßfjuja
„ber ©ro$e" genannt, (gleich ben jmei borigen au§ S5a6blon ftammenb unb
bafel6ft erjogen, mirfte er jeitle6en§ bafelbfl atö iannait unb 9lmoräer.
6r betfafete eine eigene 9)tifdmaorbnung , ein Sofephta, b. f). 3u^|e unb
Nachträge jur ÜJJifdma, unb eine Sammlung bon Skraita, b. h- Sehrfä&en,
bie mit ber 9J2ijcfma nicht in Herbinbung flehen.
9tach ber 3er^örung 3>«ufalem£ 1 erhielten fia) tooljl noch ©efe£e§=
jaulen ju ^amnia, (Säfarea, Snbba, 9iifi6i3, Liberia* , Sepphorte, Ufita
unb an anbern Orten ; boch führten fie eine mehr ober meniger fümmerliche
(Jytftenj. Um fo mef)r blühten bie ra66inifchen Stubien mieber in 33a6ti=
lonien empor. (5§ bilbeten fid) eigentliche ^ochfdjulen (SBet Ulfana = 2el)r=
hauä, 23et SRibrafd), 5Bet ha 2öaab, 3efd)i6a ober auf aramäifdj 9)ceti6ta,
Seber ober aramäifch Sibra genannt). 3ul größten SBebeutung gelangte 219
6t§ 243 biejenige 511 Sora unter bem 9ta66i 9tab (eigentlich 9166a 9lrefa),
melier, auf ©runblage ber fajon borljanbenen Üttifdjna, ber 6a6olonifchen
Xalmubbilbung eine felbftänbigere Stidjtung ga6 unb außer einer eigenen
Wifchna bie mistigen 2öerfe Sifra („baS Söucb,") unb Sifre („bie Süajer")
»erfaßte. 2)ic £>odjfchule braute e§ unter ihm 6iS auf 1200 Stubenten
unb mürbe erft 473 gefd&loffen. $er leitenbe 9)knn an ber altern #oaV
fdjule Ütefjarbea mar 9Kar Samuel ben 9166a Im £f oljen ^orc^inai, meldjer,
ebenfalte früher in ^aläftina, um 188 nach 3te6rjlon jurüctler)rte unb fi($
hier biel mit 9lffronomie unb ffalenbermefen 6efchäftigte. 33ei bem ^ßerferfönig
Schapür I. (ber 240 ben Ztycon 6eftieg), ftanb ber greife 9ta66i burch fein
Unterhaltungstalent in hoher $unft unb mar feiuerfeitS fe^r nadjfichtig gegen
bie ^erfer, betrachtete fogar bie Magier nicht als ©öfcenbiener unb ftanb mit
bem 9lftrologen 9l61at in freunblichem 5Berfeb,r. 33on ben Seinigen erhielt er
bie Spijmamen ber „9ltier" (9lrjöf) unb St&äbür *Dlalfa. SJon 258 — 357
hatte ÜReljarbea feinen bebeutenbern Lehrer mehr; bagegen blühte bie erft um 250
eröffnete ^>ochfd)ule ju "^ümbabitha noch über ein Sahrtjunbert (bis 474)
meiter. £>ier lehrte juerft ein Schüler *Diar Samuels, ^ehuba ben 3«heSfel,
ber Scharffinnige ju6enannt, bann £)ona ben ßhija (bon 292 au;, 9iübba
6en Wadunani (297), Sofepb, 6en Gfnja (329), 9t66aji (322—337).
C6mohl baS 9lramäifche fchon bor Ghrijti 3fit allgemein fjerrfchenbe
SBollSfprache gemorben mar, manbten bie Öehrer bcS Oiefe&eS bem eigent=
• 3. grürft, gultur* unb eiteroturgef^i^te ber 3»<ben I, 80 ff. — »gl.
©frörer 0. a. O. 6. 180 ff. 185 ff.
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3toette« Sudj. Meutitei Äapttel.
liehen ipebräifch angelegentliche Sorgfalt ju. Auch nach ber 3erftörung
3erufalem§ mürbe ba§ Cernen be§felben eifrig eingeprägt. „Wie bie ©raut
mit 24 (SJefdjmeiben gegiert, ebenfo mujs jeber ($ebilbete bie genaue Äunbe
ber 24 fjeiligen Schriften ^aben, unb nichts barf in biefem Schriftfdjmucfe
fehlen, tt>enn bie Snnagoge nicht berunjiert werben fofl." 1 Srotjbem mifchten
fich bereits roährenb beS 1. 3>ahrhunbert§ n. §hr. öiele aramäifche Elemente
in bie SEßerfe ber Schriftgelehrten, unb fpäter nahm biefe Annäherung an
bie 3?olfäfprachc immer mehr übert)anb. (linen principieflen Vertreter fanb
biefelbe an bem SRabbi Abbaji, meldjer, felbft in ben untern 93olf§freifen
erlogen, bie Abgefchloffenljeit ber (Mehrten nicht gerne faf), fonbern auch in
haladjifchen fragen immer auf 53erürfftd)tigung beS praftifdjen 9$olfeleben§
brang. SÖßie er mit Vorliebe baä Aramäifche pflegte unb fogar leicht üer=
ftänbliche ^ebrötfc^e Söörter aramäifch überftfjte, fo jog er auch in feinen
iractaten überall bie oolfSthümlichen Sbeen unb Anfchauungen tyzan, fpicftc
feine Abfwnblungen mit 9?oIt§fprüchen , gab ©efunbheitSborfchriften , fmn=
pathetifch^mebicinifche Anmeifungen, Altroeiberfprüche unb magifche 30UDets
mittelchen. 9?ad) feiner Anficht umgeben jahllofe Jeufei unb £eufeld)en ben
3)ienfd)en unb erfüllen bie ganje Atmofphäre; er ift aber um 93efchmörung§=
mittel nicht berlegen unb erzählt oflen (?rnfte§, mie er felbft bie <&eifter=
fönigin Agrat bat 9flachlat überrounben.
Au* bem bunten Material, ba* fich feit bem %il theilS in münblicher
Ueberlieferung, tfjeils in zahlreichen Aufzeichnungen ber Sannaim unb Amoraim
aufgefpeichert, mürben burch fpätere (belehrte im Caufe beS 4. unb 5. $ahr=
hunberto allmählich jene jroei großen Sammlungen r)ergcftellt , melche unter
bem Flamen beS paläftinenftfchen (ober t)ierofoIt)mitanifd)en) unb beS 93abo=
lonifchen lalmub ben Örunbfforf unb bie Ouinteffenj beS rabbinifchen
ÄMffenS barftellen. $er erftere ift ber ältere, ber jroeite aber ber bebeutenb
umfangreichere unb mirb beähfllh »on ben ^uben „bie ©emäffer, benen fein
(Snbe" (majim scheen lahem söph) ober „ba§ 3Jieer be£ $olmub" (Jam
hatalmud) genannt. Ate 9tebacteurc be$ babnlonifchen werben bie 9tabbi§
Afcha unb Abina genannt, als Sammler beS hkrofolbmitanifchen bezeichnet
bie Sage ben ^ochanan bar 9Japd)a, Sohn be§ iRabbi Sefwba £>affabofch ;
boch ift barübcr fein fict)ere§ 3euQnifc oorhanben. £er Unterichieb im Um»
fang — ber hterofolomitanifche bilbet nur etma ein fünftel be» babnlonifchen —
rührt baher, baß ber leitete $u allen fech§ Orbnungen ber SOtifdjna eine
Femara (b. h- einen Kommentar) gibt, ber erftere aber nur ju ben erften
oier Orbmingen. 3m allgemeinen t)crrfd)te unter ben Sehrern ju ^txu-
falem mehr Einheit, ba fie ein gemeinfameS gciftlich=meltliche3 Oberhaupt,
ben tßafi (tfürft), fyatien, mährenb in Tabalon , unter bem fogen. Raupte
1 Schir Rnbba c. 41.
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$cr lalmub unb bie neu^cbräiiAe Sitdjtung.
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ber Gtefangenfchaft (Kesch Galütha), biel Disput unb 3ant ^crrfd^te, be=
fonberä über ßatenberf ragen.
$en eigentlichen ©runbftod beiber Salmube biloet bie ÜHifchna, ein an
bie mofaifche ©efejjgebung fich anleljnenbe» Corpus iuris, welche* ba* ge*
jainte religiöfe, politifche unb pribate Sieben umfafjt. Sie ift in fec^S Orb=
nungen (Seder) unb jebe berfelben toieber in eine Slnjahl Sraetate (Massechet
= (ikroebe) geseilt.
L ©eber ©eraim tmnbelt 93 on ben Sämereien unb bet JBebauung bed ßanbrt
in elf 2ractaten: 1. Sierachoth,, JBon l'obfprüdjen unb ©ebeien; 2. $ea, $on bem
(hbftürf ober bem flderttnnfel ; 3. !£emai, Söon ben jroeifelbaften 3rrfi<$tcn; 4. ftilajim,
93on ben ungefefoltdjen SBermtfcfjungen; 5. ©cbcbiitlj, !8om jiebcnteu Oaljr ; 6. 2ljeru=
mott), 93on ber ?Priefterf>ebe ; 7. 2Rafferotb , 5Bon ben SeoitenjeJmtcn ; 8. Waaffer
©ä)eui, 93om feiten 3^nten; 9. Gtmlla, SJon ber §ebe ober com 91nbrud)e am
Seigc; 10. Crla, »on ber SBorfcaut ber »äurae; 11. »itfurim, 93on ben örftlingen.
II. Seber 3»o*b. JBon ben Seiertagen. 23ebanbelt in jtoölf Iractaten folgenbe* :
1. Sdmbbatb, (Sabbat); 2. (Frubin (fabbatlidje JBerbinbungen) ; 3. ^Jefad) (Dfterfeier);
4. SBcfTa (^ffiertagc) ; 5. ©fjagiga (Ofeftfeier unb Cpfcr); 6. ÜJtoeb (Simon (£>alb=
feiertage); 7. Wofd) §afd)ana (9leue$ 3abj); 8. 3oma (SBcrfölutungdtag) ; 9. ©uffa
(fiaubbjtttenfefi) ; 10. 2f>aanttf) (haften unb Äafteiungen) ; 11. ©djefoltn ($>albfefcl-
fteuer); 12. «Dtegilla (Kefeu ber 6ftb,erroUe).
III- ©eber «Rafdum. SBon ben 3Betbcrn. 3n fteben Sradaten.
IV. ©eber Tefilin. 93om Sdmbenerfafc unb (iigentbumfiredjt. 3cf)t\ Sractate.
V. ©eber Äobafdjim. SBon ben £>etltgtt)ümeru. ©lf 2ractate.
VI. ©eber SSofmrott). SBon ben Reinigungen. Stoöff 2ractate.
2lMr b,nben in bicfen Uc6crft^riften junächft nur ba» Sfelett ctne^
9ted)tabuche3 bor unä, roeldjeä geiftlicheä unb roettliche» ülecht, alfo alle nur
benfbaren $ed)t§bejiehungen in fich bereinigt. 2Bäre ber Stoff be*halb auch
nur rein juribifd) behnnbelt, fo hätte es mit einer £iteraturgefd)ichte nur
fcr)r wenig ju fchaffen; aflein bie Ütabbincr roaren nicht blojs <5vf lärer unb
(Kommentatoren be§ gefdjriebencn ©efe£e§, 3Jed)töIc^rcr , sJtonbeftenf ammler,
Gafuiften, fonbern sugleich auch 2)toraliften im meiteften Sinne, ^rebtger,
Grempelfammler , Wnefbotenjäger , Jabelfrämer, ftabuliften in unbegrenztem
Umfang, unb fo ift au* ihrem üflechtsbuch bie buntefte Srflärung&literatur
hcrt>orgcn)ach|en , in welcher Sibelfunbc unb ^urtepruben^ [ich in munber^
lichfter 2i3cife mit allem nur erbenf liehen 2Biffen*= unb ©ejprächsftoff oer=
fruftet haben, ^n biejem meitem Sinn ift ber Xalmub jugleich ber Spiegel
be§ gefamten ©eifteöleben§ unb ber gesamten literarijehen ^ilbung >.
Heber ben religiö^fittlichen Öcift unb 2Bertr) be^ 2almub hnt Ghriftu«,
bie emige 2öei§hcit, [elbft gerichtet. Xenn ber Öeift, ber ben ialmub be=
herrfcht, ift mefentlich berfelbe engherzige unb fdjeinhciligc ©eift bes s^^ari=
fäi*imi*. ben 6()riftu4 nie ^aupthinbernif? feiner Senbung berurtheilte, ber
1 »gl. ^. 9Dt. ^oft, ©efchithte be« ^ubentimma unb fetner Sccten II (&i|>jtg
1858), 202 ff. 243 ff. 250 ff.
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3toeiteä ä9utf). Neunte* Äapitel.
benn auch beut (?rlöfcr am gehaffigffen entgegentrat, ilm anä ftreuj fchlug
unb feine Sluferftchung burch bie unöerfchämtefie 2üge entmerthen Der*
fuajte. (SS mar ber (Seift ftarren gormeßcamS unb äußerer Legalität , bie
fiel) um ben eigentlichen Sinn bc* ®efe$e§ unb bie Hbficht beä ©efcfcgebcrö
nicht fümmerte. einen ®efcbmacf baoon erhält man in ben unabfehbaren
SBeftimmungen , meiere j. ber Sractat Schabhath über bie Sabbatfeier
aufftellt, roährcnb ber folgenbe Iractat (Srubin bie fpifcfinbigften unb boeb
mieber plumpften Tüttelchen an bie .panb gibt, um an ber Strenge ber
Sabbatfeier öorbeijufommen. Cfinc Butter barf it)r Äinblein am Babbat
roof)l führen, aber nicht tragen 1 ; einen %m=6aarej aber barf man felbft an
einem 23erföfmungätag, ber auf einen Sabbat fällt, burd)bof)ren 2.
2luch in litcrarifdjer §infi<ht ift bie $alacha, ber ftrict gefefclicbe Ztyü
beS ialmub, feine befriebigenbe tfrfcheinung. Religion, ßultuä, Staat unb
Ofamilie, melcbc in ber Ztjoxa als ein roafjrfjaft granbiofer 53au ber (Befefc
gebung oor un§ fielen, öerlicren fitr> hier in ein unabfehbareä ^enelopc=
geroebe cregetif d)4urifiif t^er Tüfteleien, bie fich oft felbft roieber aufgeben
unb in benen eine ftlutt) Don illeinigfeiten aüe groften (SJrunbjüge unb ben
©eift ber Crganifation felbft erftieft. „Sicherlich", fo meint ein neuerer
jübifajer Talmuberf lärer , „mar öielcS nur Schulfajmng unb hatte für ba$
öffentliche Sehen feine 93ebeutung."
2)iehr in bie eigentliche Literatur hinüber fpielt bie &aggaba (chalbäifch
Wgaba), b. h- „$a$ 9icbenhcrgefagte" ober jene Ztyik beä Talmub, bie
nicht unmittelbar auf bie gefefcliche 2eben*regelung, fonbern auf allgemeine
Belehrung unb Erbauung gerichtet finb unb fich beäl)alb mehr an bie ^ro=
Phetcn unb £agiographen afö an bic Zt)ova anlehnen. 30ian fann eine
religiöfe, eine weltliche unb eine hfll&religiöä=halbmcltliche &n99alui unter=
fcheiben. £ie religiöfe befchäftigt fich ^aiiptfädtjitc^ mit ©ott unb ber öeifter=
weit, fucht ®otte§ gigenfdjaften, Birten unb ©alten bem «Dtenfchen näher
jn bringen unb ift babei reich an fdjönen 9tad)flängen ber Söibel. Mein
baä mililich ©eoffenbarte genügte biefen ®efe|eSlehrern nicht. Unter bem
ßinflup orientalischen ($ieifterglauben§ unb Phantaftifcher ®nofiS bauten fie
fich neue (Sngel au*, liefen ©ott mit ben Ingeln bie feltfamften (Sefpräche
halten unb trugen in bic ©eiftcrroelt bie ab§trufeften Träumereien hinein.
2a ihnen bic mirtlichc SBebeutung ber biblifchen Tnpif ööllig abhanben ger
* Sthabbatl) 18.
s 3ßefad)tm 49. ein Sm-haare^ ift, toer „baS Schema nicht abenb« unb
morgend Tagt", toer „feine ©ebetriemen trägt", toer „feine Sfranfen (Zizzith) am
Äleibe trägt", toer „feinen tDtefufa (3cf)or>af) »3^tel) an ber 2f)üre hat", toer
„Sohlte bat unb fie niöjt im ©efefoc ftubiren läßt", lieber bie unnad)fid)tlid)e Strenge
gegen biefe ,,«auen" unb „Ungläubigen" »gl. ©fröret, 3af>rhunbert bes feiles
S. 188-191.
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$er Salmub unb bte neu$ebräiföe S)tä)tung. 279
fommen roar, beuteten fic fidj bie grojjartigften 3$orbilber in ber erfras
baganteften 2Beife jutedjt unb mifd)ten bte erhobenen 3e'<bcn un° ^Btö»cr
mit bem fonberbarften abergläubifaVn Söaljn. Quid) bie mdtli(ibe £aggaba
werben bann aUe focialen 93erl)ältnijfe bei ©lenfdjen, bte ältere 930118=
gefdjidjte unb lleberlieferung , Tierwelt unb ^flanjenmelt , SRetafle unb
(SefJime in ben Stammen ber SBetraajtung gebogen unb mit gefugten aflegori=
firenben Deutungen ber)anbelt. Sie nur bölbgeijtficbe £>agaaba cnblid? cr=
gebt fid) rattjenb, tröftenb, belefjrenb, jdjerjenb, trouernb über alle (Sretgniffe
unb 33e$iel)ungen be* 9tlltag$lebenä , meift mit einem genrijfen erbaulichen
9lnf)auä), oft aud) bortoiegenb roeltlicr), balb fpielerifdj balb pebantifa)1.
Sie $?orm ber £aggaba ift eine fein* mannigfaltige. 33a(b gehaltet fic
fid) ju längern ober fürjern iMjröorträgen , balb ju (Srjäljlungen , pöbeln,
Parabeln unb Allegorien, balb |u turjen 5 ittenf prüdjen unb Älugljetteregeln.
")l\d)t nur maä bie Rabbiner in iljren Stmagogen prebigten, jonbern audj
roa» fie bei ©aftereien unb ^eftgelagen , bei SBefdjneibung*: unb Jpodj$eit8=
f(bmäufen, am $ranfenbett unb bei Seerbigungen , im ^rioatt»erfet)r unb
auf öffentlichen ^3lä£en jum heften gaben, mürbe in buntem 9Dnfd)mafd) in
ber tfraggaba uifammengcpfropft. Sdjon bie IBerquidung all ber böllig
oerfdnebenen Elemente bezeichnet eine ttefgreifenbe ©efdmiadSberroirrung unb
einen Wiebergang ber geiftigen SBilbung überhaupt. Sie Söirfung roar eine
um fo ungünftigere , als bie Ijaggabifdjen Vorträge Ijauptfädjlid) auf bie
1 „On ber Sbat unterfd)etbet ftdj bie §aggaba Don ber tfaladja junädjft barin,
bog fte anaictjenbcr nnb intereffanter ift ; jebenfattä erftrerft fid) ba$ ^ntereffe , bai
fie bietet, über einen gröfcern flretS — fte ift unioerfaltftifdjer. Äöäbrenb bie £aladja
fid) nur auf bem engbegren.^ten 3fe(be bed ©efefyeä betoegt unb forttoätjtrnb mit beffeu
Umzäunung (mrV a-s) befdjäftigt tft, entfenbet bie $aggaba iljrc lianenfwften ®e«
bilbe weit au* über biefe engen ©renken; fie überfbriugt ben engen 3aun exdufiöer
Nationalität, unb toie bei ÜJtärdjen* luftige ©eftatten bon Canb ju 2anb, oon 3Heer
^u ÜJleer flattern, fo h^aben audj einzelne Elemente ber ^aggaba ju fremben Stationen
itjren SBeg gefunben, mie fte tfjrerfeits meljr ejrottfdje Elemente in fid) aufgenommen
aii bte ftreitg abgefd)loffene Jg>alaa>a. . . . Grjäfjlungen unb SDunberfagen , finnige
©prücbe unb bWerbolifdje Parabeln, lluge Sebenäregeln unb träumerifd) bämmernbe
9)lärö)en, bie graue SJorjeit unb bie lebenbige ©egentoart, ©eftalten be* SHorgen«
unb bed 9lbcnb(anbeö — alles fpielt ineinanber, oernmnbelt fid) ineiuanber; ber
Iraum wirb \ut SBirf lidjfeit , bic 2Öirflid)feit junt 2raum. Sbettfo toirb bie bib>
lifdje ^oefte mit ber djalbüifdjen 3)id)ttunft Oermebt, toeld) le^terc meniger f^mbolifd)
al« oielme^r fjtjperbolifd), meniger intenfto alö numerifd) aecumulatio ift, unb toeniger
burd) innere grljabentjeit aU oielmebr burd) geometrtfdje *Progrcffion unb fonft
andere Stmenfionen imponirt — für n>cld)c accumulirenbe Sidjtnn^imttung benn
aud) bad aramätfd)e 3biom mit feinen flangoollcn äöörtern, mit feinem oocalifd>en
ttüXüi unb feinen majeftätifd) nad)raufä)enben SBortenbungen baö paffenbfte ©eioanb
bilbet." 9Jt. ©rünbaum, ^Beiträge jur oergleid)enbeu Wotbologie aud ber ftaggaba
(3eitfd)rift ber Seutfdjen ÜKorgenlänb. ©efeaftfj. XXXI, 184. 185).
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280
3»eite« »ud). SlcuntN AapUcl.
ftraueu unb Ungeteilten, aljo auf bie breiten ^d)ic^tett beS Volte* beredmct
waren unb in ber Sfjat bi* fyerab in* borige 3at>tf>unbert bie eigentliche
SüolfSliteratut ber ^uben geblieben finb K 91u3 \i)x ift bormiegenb al§ blofre
Sieprobuction bie jübifa>beutfd)e ÜBofteliteratur fjerborgegangen , bie ifn*
s4MIitum ljauptfäd)lid) unter ben grauen fudjte unb fid) oft fdjon auf
bem Xitelblatt ben „grauen unb *Dfeibliay empfahl; ebenfo bie jübifaV
fpanijdje Volteüteratur, in bent fogen. Sabino ober (Sfbanol abgefaßt, b. 1).
in tjebräifcfcer <Sd)rift, aber in fpanifdjer 6prad)e, mit bielen beralteten
fpanifajen üöortcn unb fpanifirten £>ebrai§men. $iefe Siteratur ftanb bann
roieber in 93ejief)ung $u jener ber fpanifdjen *DloriSfen. ©n gemeinfanter
3ug biefer Literaturen ift, bajj fie bie efyrnnirbigen Ueberlieferungen beS Otiten
Seftamentä mit ben abenteuerlichen fabeln be§ gefamten 3Horgenlanbe3
mengen. (Solomon unb 3üeranber ber ©rofse, £enoä) unb 9)iof)ammeb, per=
fifd)e 99iära>n unb gnoftifdje (Sngel&anetboten figuriren ba nebeneinanber.
2>er $almub f>at reäjt eigentlich ben ftoran borbereitet, unb bei ber un=
gefjeuem Verbreitung ber Suben im Orient unb Cccibent baä 9Ute 2efta=
ment feiner urfprünglic&en SBürbe unb 2Üeil)e enifleibet unb auf ba#felbe
9libeau mit bem pfjantaftifajen ober abergläubifd)en £yabeIftoff ber Ijeibnifd&en
Orientalen fyerabgefefct 2. 2iurä} ü)n finb 21bam, Setb, $enod), 9toe, 9tbra=
f>am, i'ot, Sfaof, 3afob, ^ofepl) f ÜWofe*, ©aul, $abib, befonber* aber
' „3)te ^aflflabifdjcn Vorträge waren, wie oben bemerft würbe, bolt*tt)ümlid};
fie waren junädjft für Sfrauen unb Ungelebjte — nad) mobemer Stuabrudsweife für
baö gro&e ^ublilum beftimmt unb tourben unuidjft am <&abbat unb an 3rcfttagen
gehalten, ©ie fyattm aud) etwaä 3refttäg(id)ed ; fie waren ertjcüemb unb unterfjaltenb,
woju ba» in iljnen borwaltenbe teigige Clement, bie Säortfpiele, bie ©pridjwörter,
bie frappirenbe JBerbinbung weit auseinanber liegenber 3>inge biet beürug. ©ie botten
aber nod) einen t)öf)ern 3tt>etf : fie foUten in einer
nod) ©djlimmri befürd)ten mufcte, Iroft unb (Erhebung gewähren unb ba* ®oti»
tiertrauen ftärfen burd) ben Jpinmei» auf ©ottee Siebe *u ^ärael unb ju ben frommen
ÜJiännem insbefonbere , wie fid) biefe in ben biblifdjen (ürjäblungen unb in ber
fpötern SEÖunberfage (?) funbgibt. . .* 9Ji. ©rünbaum, 9teue Seiträge jur femt*
tifdjen Sagenfunbe (ßeiben, öria, 1888) ©. 240.
* SBegegnen mir in btefem aud) mandjen fd)önen unb finnigen Parabeln, 6r-
jäblungen unb 9)lärd)en, bie jeben 8r«u«b ber fogen. „ftolf Sore" erfreuen werben,
fo erftiefen biefelbeu bod) oielfad) in einem milben 9{anfengemirr öon Iäd)erlid)en
unb (dppifd)en 3ügen , uon groteölen Grübeleien, tiou unfaubern, miberlid)en unb
abcrglöubifdjen ÜÜQt)nt>orfteüungen , meld)en nid)t ber öeniu« ber $oefie , fonbern
jener brr llnlauterfeit }u ©eoatter geftanben. 5Bgl. bie treffenben Sufammenftettungen
bei 3- «. etfcnm enger, entbedte« ^»bentbum. 1742. 11. Sbl. V. Äap.: 3öa4
bie 3uben öon bem «Parabies fd)reiben unb lehren (II, 295—322); VI. Äap.: SSßa«
bie Stuben t»on ber Rollen lehren (II, 322—369); VII. Aap.: 2Sa« bie ^uben öon
ben guten @ngelcn lebren (II, 370 — 407); VIII. ßap. : SBa* bic 3uben tum ben
böfen Engden ober 2euffelen lebren (II, 408 —468). JBefonbers bie äufjcrft fd)mu^ige
Samonologie bot unter ollen SJÖIfern fd)mereä Unbeil angeridjtet.
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$er Xolraub unb bie neu$ebräi)tf»e 2>i($tung.
281
Wönig Solomon nid)t nur bei ben 3uben, fonbem auch, bei ben Sßölfern,
unter benen fic lebten, ben Stirem, Verfem unb Arabern ju bloften Sagen=
geftalten Ijerabgefunfen 1. 9Rofeä felbft, ber Öefefcgeber ber Üf»ra, ift biefem
£ofe nidjt entgangen, nrie man aus ber folgenben Üalmubfteöe erfeben fann.
^iefelbe fjat anfänglich, einen gen>i{fen boetifa^en Anflug, aber fie läuft in
bloße Spielerei unb Aberglauben aus, üerbrebt ben eljrnmrbigen $falmen=
tert unb ruft u)n jum 3fU8nift an für ein reines ^ontaftegebilbe.
jRaum tjatte *Dtofeö feinen 5uf$ auf bic fcimmetöfdjtDefle gefegt , als ein ©c»
räufa), ein Tumult, ein au&ergeroöbnlidjeö ©etöfe fein CFrfeh>inen unter ben einigen
$tmmeläbetoob,nern begrüßte.
fcerr! $err! riefen bie 6ngel beftfirjt, ein Sob.n be* äBeibe*, ein ßebenber
unter unö! äüeldje Äntmb,ett! 2öcld)e Entheiligung!
2iefer Sohn beö Söeibeö, fpratb ber £>err, ift getommen, um l)ier baö ©efefc
\u empfangen unb efl auf bie CFrbe 311 bringen.
2>aS beilige ©efefo auf bie ßrbe? riefen bie ewigen §immelöbetDohner , nod)
tiefer erregt. 3)er f oftbare Sdjafc, ber in beinern ©eifte bor ber Sdjöpfung mar,
ber feit 3ahjtaufenben beine Siebe unb SBonne ift, bie« ©efefe follte einem JBefen
bon &leif<§ unb JBlut anbertraut »erben? 0, bemahrc bieä £id)t, bie« 3utuel bem
Gimmel!
Unb ©ott toanbte fid) 3« 3Hofe$ ""b fprad) : 9)tofeS, antworte bu felbft beinen
SBiberfadjern.
3<fj färbte, 0 ©ott, entgegnete <Dlofeö, bafe biefe greuergeifter midj ju 3lfä)e
berbrennen.
So lege beine 9ted)te auf meinen unftcrblidjen 2h,ron, unb fprid; fonber 3urd)t !
Unb ber ßwige tiefe einen Strahl feiner etoigen ©lorie SOlofe** £aupt umgfönjrn,
unb biefer fprad) alfo beruhigt:
3n bem ©efefce, toeldjeä bu, 0 fterr, mir DcrtjetBen baft, ift ci Derboten, ©öfcen
anjubeteu; feib ir)r, oSngel, etwa ©ofyenanbeter ? $a$ ©efefc befiehlt bie «Sabbat»
ruhe; arbeitet ihr? bebürft it>r ber Stühe? <ft gebeut: ©h" SBater unb Etutter;
enget, habt ihr eitern? @« berbeut au tobten, ju fteh>n, bie ©he ju brechen; gibt
ei benn in bem Jpimmel ßeibcnfdjaften, SJegterben unb unlautere Süfte?
SBci biefen Korten beruhigten flc^ bie t)imm(ifä)en £eerfd)aren, fie riefen itjm
SBeifall ju, unb äße wetteiferten, bem Sohne bei SBcibeä eine ©abe barjureieben.
3ulefet mad)te ihm aueb, ber Zobeftngel ein ©efd)enl, nämlich bie ©abe, burd) ben
3)uft bti heiligen SÖeihvautb* bie peftüenjialifdjen ©tnflüffe ju berftbeudjen , toetdje
Das Söolt tobten lönnen.
Stuf biefe JBegebenhdt fpiett ber ^falmenfänger an, toenn er, Don ÜJlofes
fpredjenb, fagt: „$u bift gen Gimmel aufgeftiegen unb baft bort reidje Sdjätye ge=
fammelt, unb bift mit toftbaren ©abeu für bie SRenfdjen belaben jurücfgefefirt'' £.
9ln ein paar üereinjelten Stellen bcS Jalmub roirb einer fie^rc cr=
toab,nt, roeldje nur einzelnen ganj beöorjugten Wenfa>n mitgeteilt »erben
1 ©rünbaum a. a. O. 6. 54—199, unb Don bem f. „3" Ouffuf unb 8u«
leio^a" (3eitfä^rift ber 2^eutf(ben 9)torgenlänb. ©efeüiai. XLIM, 1—29).
* Sractat <&d)abbat\) fol. 89. Ueberfefet natb, iL Srhieab, I.e Talmond de Je-
rusalem. 2 vols. Paris 1890.
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282
Zweites 2*ud). 'Jicunteä Jß'atntcl.
btirfe. £icfelbe toirb üon ben (Srtlärern allgemein als metapi)i)fiid)e Specu=
lation aufgefaßt unb fiabbala (Ueberlieferung) benannt1. Q\t älteften fc^rift-
liefen (5rjeugniffc biefer prtoilegirten ®eheimnriffenfchaft finb: baS Sud)
3ejiraij (Son ber Schöpfung) unb baS Such Sofjar (be§ (Slangs). Seibe
tauten erft im Mittelalter auf, fcheinen jeboch auf ältere Quellen jurüd=
zugehen. TaS evftcrc , anr)ebenb mit einer Wuf&ähtung ber 32 SBSege ber
SeiSheit, cntroicfelt au» biefen 3°hlen eine ^ 0011 foStnologifchem Söelts
fnftan, bem bie Sbee einer pantfjeiftifajen Emanation ju ®runbe Hegt, baS
aber fcbliejjlich auf bie abenteuerliche Spielerei mit 3flhkn hinausläuft.
9iocf) Diel bunter unb traufer ift baS jroeite, baS fich erft fcheinbar als
Kommentar jum ^entateuch ausgibt, bann aber 9titualiftif unb (Saiuiftü
mit ben fcltfamften Speculationen öermengt, bie, ähnlich roie im Suche
Sejirah, unter ben tounberlicbften Wormeln unb 3öhlfpielcreien bie grojjen
2Belträtrjfel bebanbeln, aber nicht nur ben Urfprung ber 2öelt, fonbern ©ort,
SJienfcf) unb SBelt in ihrem roecbfelfeitigen Serhältnifc. 9ludj t)ier liegt roieber
eine pantljeifrifche 5lnfd)auung ju (^Jrunbe; baS 9M>fohite ftrahlt fid) in ben
jcljn Sephirotl) aus, bie als Jpauptfategorien alles ©ein, Söerben unb SBirfen
umf äffen. 9Jlit ber Sorftellung biefer ftoljen, alle Offenbarung überftrahlenben
(fteheirnfpeculatton ift fdjon im ialmub auch biejenige geheimer 3öuberfraft
Oerbunben. So berietet bie (Bemara jum 2 ractat Sanljebrin : fo oft Stabbi
(Sf)anina unb WaWi Cfcbaia im Suche 3ejiraf> ftubirten, jauberten fie eine
brcijäljrige £ul) herbor unb forgten fo für ir)reit Lebensunterhalt. ^antr)ciS=
mitS, 3^r)eofopr)ie unb @harlatancrie reichten fich alfo, roie fpäter noch oft
genug, brüberlich bie £>anb. 9fa baS Such „Son ber Sdjöpfung" unb an
baS „Such beS @lanjeS", bon bem eS eine tleinere unb eine größere $luS=
gäbe gab, reihte fich eine ganje Schar ähnlicher Schriften, mie baS Such
„Glaube unb Hoffnung", baS „Ifyox beS SichtS", baS „Such ber 2Banbe=
rungen ber Seelen", ber „Lebensbaum", baS „ftönigsthor, baS „£)immelS=
tljor" unb anbere. Cbrool)! biefe abenteuerliche Sljeofophie unb ^^tlofof>r)tc
bereinjeltc Suben ber ajriftlichen ^ßhilofophie unb bem Ghriftenthuin felbft
näher brachte, mar fie im ganjen boch meit mehr eine Schule ber $rei=
geifterei unb beS Aberglaubens, ein Clement ber 3erfetjung, baS gerabe in
ben gebilbeten Streifen bie legten 9?eftc bc* mofaijchen ©IaubenS untergrub,
ohne etroaS Seifere* an bejfen Stelle ju fefceu.
SaSfelbc Solf, baS ber TOenfchheit in WofeS ben glänjenbften Öe=
fd)id)tfchreiber ihrer älteften Ueberlieferung gegeben, baS aus ber 3eit ber
dichter, ber Könige unb felbft beS @rils unb ber Mochabäer fo meifter=
hafte, gebiegene, lebeusooHe totalen befaf,, hotte nach ber Sertoerfung beS
WeffiaS feine ®efchid)tfchreibimg mehr. MeS, toaS es mujjte, ftoppelte eS
1 3m Sractot d^a^a, fotoofjl Sttififina als ©etmua.
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3>er Zalmub unb bie neuhebniitö« SJidjtung.
283
in feine ialmube hinein, unb fa[t nur burd) fte finb uns bie dornen feiner
ftühter unb (Belehrten erhalten. @rft bom 9. 3[af>rhunbert an tauten wieber
Sänften auf, bie einen fnftorifdjen ©fjorafter fyabm, aber auch biefe Rängen
mieber mit ben 2almuben unb ÜRibrafcben jufammen1.
9Jiit ber s$oefie ftanb eS nicht beffer. (Sin paar ^o^^unberte der;
gingen nach ber 3uf^nimenftenung ber jroet Üalmube, ehe ftdr) au» ben
barin gefammelten ©ebetsformularen eine religiöfe $mnnif, ber fogen. SjMjjut,
entmidelte. 5)ie ganje ^oefie biefer 3k°U4cn8e^ öcpönb barin, Sitaneien
unb JRefponforien alphabetifd) gu orbnen, wobei fid) noch aramäifche $rofcu
ftürfe unter bie fjebräifdien SegenSfprüche üerirrten. ®ie Anregung $um
Sßiftut fcheinen bie religiöfen £ömnen ber Stirer, Zopten unb (kriechen ge=
geben ju ^aben; bie Schmierigfeit aber tag barin, ju einem poetifdjen
Schwung ju gelangen, ohne babei bon ber ort^obojen Genauigkeit ber
Üalmub= unb 9Hibrafcherflärungen abzuweichen2. 911$ erfter bebeutenber
Weifter auf biefem Gebiete gilt @leajar ben #alir, ber 93erfaffcr bon mehr
al» 200 pijjutifchen (Sompofitionen, bie man nach ihm talirifdt) nannte unb
bie für bie golgejeit majjgebenb blieben. (£r fdjloft fid) im ganjen feljr
eng an ben talmubifctjen £ejt an, fomoljl ber ^>alacha als ber ftaggaba,
folgte bisweilen faft wörtlich einer einigen ^efifta, ftellte aber auch mit*
unter berfchiebene £>oggabaS über benfetben Stoff $ufammen unb nahm
babei eher oorhanbene SBiberfprüche mit auf, als in einer Streitfrage felb=
ftänbig ju entfeheiben. Sein Sprachreichthum unb feine ®emanbtheit, neue
Söorte unb äüenbungen ju bilben, ohne babei bem ältern Sprachcharattet
untreu ju werben, fanben hohes £ob; in ben liturgifchen 5ori,,en» er
pflegte, Jleroba, Schibata unb £wfchana, würbe er als muftergiltigeS 3$or=
bilb betrachtet. Seine (Sompofitionen erftreefen fich jeboeb, nur über bie
höhern Ofcicrtagc beS jübifchen fteftf reifes 3.
1 So bai Seber Clam (um 805), bie gaonäifcfjc Gljronif, ba$ Seber ber %aU
mubiften (884), Säjeriraci Senbf<f>reiben (988), Samuel ftaleuiö Gtnlettung jur
©emara (um 1050), Slbrafjam $>alebiä ÜBudj ber Uebcrlteferurtgen (1161), UJtatmo*
nibe«' Einleitung (1177), bai 2almubiftenler.tlon (1200), bie Einleitung be* 2Jle«
nad)em ÜWeiri (um 1280) u. f. to.
8 §. $ u n j , LHteraturgefdjiäjte ber ftnagogalen «poefie. ßeipjig, ©erfcbcl, 1865.
91a<fjtrag Berlin, 6oIm, 1867. — ©eftetner, Mafteach ha-Pijutim. $nbe| ju
3 u n j , ßiteraturgefcfrcf)te. Skrlin 1889. — 9)t. Steinfdjneiber, 3übifc^c
Siteratur (©rfdj unb ©ruber. 2. Sed. XXVII). Ceipjig 1850. — ^. Gaffel, ßef)r=
bud) ber i&btftr)en ©efdjidjte unb ßtteratur. ßeipjig 1879. — Äarpele«, @efd)id)te
ber jübifdben Literatur, ©erlin 1886. — i>. frürft, $er Orient. 12. JBbe. Setpjig
1840—1853. — 3) er f., Bibliotheca ludaica. 3 »be. 1849—1868. — J© int er
unb SEBünfdje, Sie jubtfdje ßiteratur feit Slbfdjluß bed 6anon. 2rier 1891. —
3. 9tt. 3 oft, ©cfd)id)te be« 3ubentb,um8 k. 3 SBbe. «eipjig 1857—1859. — ©rä^,
®efd)id)te ber ^luben. 11 »be. ßeip^ig 1853—1875; 3. 9lufl. 1879 ff.
» 3 oft, ©ef(fttd)te bed 3fubentbumd 11, 271 ff.
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284
3toeite« JBuö). Neunte« Äapttel.
Schon bor ftalirs 3eit entmicfelte fich neben bem ^ijjiit auch bie Selidm,
eine leistete Art ber religiöfen finrif, in ber fich nach unb nach Strophen^
bau unb JKeim, enblicb au* ein regelmäßiges SHetrom einbürgerten, Der in
Söorttiauberei, Tüftelei unb ^formelfram gebrilHe CHeift ber Rabbiner erfanb
balb eine ganje QHenge oerfdnebener gönnen : Selicha mit ftroplnfchen SJerfen
gleiten Anfangs, mit burchgehenbem 9teim; reimlofe Ateba, breijeilige
:iocheba, Ghatanu, pismon u. f. to.; fpäter bann ftrophifche Kerfe mit
gleichartigem 9lu§gang, petieba mit ftatigem Seim, Selicha, bereu Strophe
mit bem gleiten 2i3ort anfängt unb fchlie&t, oierjeilige gereimte lo'chadja,
(£^atanu mit Seilen 5U je brei ©orten, 2amü> unb i^ora=2;ea)inna,
pismon (urfprüitglich „9iefrain") mit gereimten Strophenoerfen , metrifche
SJatafcha u. f. to. Die meiften biefer formen ftnb freilief) feine felbftänbige
(Srfinbung, fonbern benjenigen anberer Völler nachgebilbet, unter benen bie
Rubelt motten , ber Araber, «panier, granjofen unb Italiener, Sobalb
fie fich behaglicher im Abenblanb eingeniftet hatten, traten Dichter in klaffe
auf. $on 1050—1140 merben im beutfehen ^einlanb allein 14 Selicha:
Dichter namhaft gemalt, 10 in Italien, 9 in frranfreich, 4 in anbern
romanifchen 2änbcrn, 8 offne Angabe bes Aufenthalts, Die berühmteren
finb: 93iofe ben Gsra, 1070 311 ©ranaba geboren, ein 58ufc unb Srauer:
bitter, ber nie fcherjt unb lächelt unb bon bem über 220 Öebidjte oor=
hanben finb; 3efm*>a ipalebi aus fc'afiilien, balb noch 1140 geftorben,
allgemein als ber h«borragenbfte aller neut)ebräifchen Dichter anerfannt;
Abraham ben 9Jteir ben ßsra, ber in ftranfreich, Gnglanb unb Italien
wirfte unb bietete unb 1107 *u 9iom ftarb.
Dichter unb pinlofoph zugleich mar Abicebron (mit oollem tarnen Salos
mon ben 3efwba ibn ©abirol), 1020 $u Gorbooa ober Malaga geboren,
aber in Saragoffa h«angebilbet, megen polemifcher Angriffe 1045 aus biefer
Stabt bertrieben. Settbem roanberte er unftät in Spanien herum unb ftarb
1070 in Valencia. Sein $auptroerf „Weier P-hajim" (Ouell bes Sehens),
arabifch gefchrieben, erft fpäter ins £>ebräifche überfefct, ift philofophifch unb
ätoar ftart bon ncuplatonifchen (Sinflüffen beljerrfcht. Die barin enttoicfelte
(Smanationslehre trug nicht menig baju bei, bem Pantheismus im mittel=
alterlichen Europa bic ^fabe ju ebnen. Sie fpiegelt fich auch in feinem ®e=
bichte „Die flrone bes tfönigthums" (Keter Malkuth) roieber, in melchem er
mit hoher formeller Schönheit öott als „Guelle bes Sehen*" befingt. 3roei
anbere Schriften finb ethifchen Inhalts: littun mibbot ha=<Refefch (Anleitung
pr Reinigung ber Seeleneigenfchaften) unb 9)fibcbar ha^enijjim (#oraUen=
ausmahl). $on feinen C^ebichten mürben biele in bie Siturgie aufgenommen K
1 Geiger, Salomo Oabttol unb feine Siebtungen. *Seipjta. 1867. — Stößel,
€a(omon ben «abirot ol* ^ilofapf) k. Xtipm 1881. — 9lud}üge au* bem „SRetör
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£er Salmitb unb bie neubebrotfdje 2>iä)tuna,.
285
3eb,uba ben Samuel Jpaleöi1, ober tute bie Araber il)n nennen, $lbul
$affan ibn £allämi, mürbe um 1085, furj bor bem erften Jlheujjug, 511
Solebo geboren. (Sr ftefjt inmitten eines glänjenben ÄreifeS, mie if)n baS
jubifdje SBolf feit ben Sagen beS Otiten 33unbe$ nimmer gefeljen. Äur$ öor
iljm lebten ber $iajter unb ^f)ilo)opb, 3bn tftabirol, ber Sdjrif tertiärer
Scafdji unb ber ©efefceSfunbige 91Ifaft ; ju 3eitgntoffen fatt* et °en Xidjter
3)loje§ ben (Ssra unb ben 2(ftronomen Wbrafyam ben @&ra; balb nad>
iljm aber trat ber große Sdjriftfenner SRaimonibeS auf unb ber beliebte
SSolföbidjter Gljarift (3(la)arifi). @s mar baS nidjt zufällig. $ie ^uben
Ijatten fta) unter ben SJlauren in Spanien eine Stellung errungen mie
bis babjn bei (einem anbern SBolf. Sie genoffen bolle f^^ei^ett ; fie maren
in Raubet unb Öemerbe, Politikern (Sinfluffc unb mtffenfc&aftlidjer $fjätig=
feit obenauf. 3n bem großen &f jmifdjen ^albmonb unb #reu$
tonnten fic be3b,alb aud) ein gemidnigeS SBort in bie Söagfdjale legen.
2lud) bie ($f)riften mußten mit ü)nen rennen, als 1085 Xolebo in bie
£>änbe 5UfonS' VI. gefallen mar, unb biefer liefe fid) Don Sßapft ©regor VII.
bie 9iüge gefallen, baß unter feiner Regierung Suben über Triften ®e=
malt ausübten, obmoljl lolebo nadb, ber (Sinnatmie jugleicb, Äöntg8= unb
^rimarialfifc mürbe.
Seine erfte @rjief>ung erhielt Sefjuba ju Solebo. *Rad) Samuel ibn
9lbbas l)atte ber bamalige jübifdje Stubiengang folgenben Verlauf: erft
l)ebräifd)e ©rammatif unb Sfyorafhibium bis $um 13. 3af)re; barauf
inbtfdje 9lritb,metif , Wftronomie unb Webicin, grtednfdje 9Jlatb,ematif, ®eo=
metrie unb Algebra, enblia) mit 15 3al)ren Mmub unb etmaS ^oefie.
$>en eigentliajen 9tl)ntfmius Ratten bie neufjebräifdien $id)ter bon ben Arabern
Gtjajim" bei Münk, Melanges de philosophie juive et arabe. Paris 1857. —
Dr. H. Behrend , The Influence of Judaism on Ancient, Mediaeval and Modern
Philosophy, in Papers read before tlio Jews' College Literary Society during
the Session 1886/87. London 1887. — 3. ©uttmonn, SJie *Pf)ifofoüfne beä
Solomon $bn ©obtrol. ©ötttnaen 1889. — Clem. Bäumker, Avencebrolis (Ibn
Gebirol) Kons vitae ex arabico in latinura translatos ab lohanne Hi»pano et
Dominico Gundissalino. üttiinfter 1892—1895. — Uebcr ben DerhängntßDoUen gin«
flufj biefer ^fulofoplue auf jene be« Slbenblanbeä ogl. Menendez Pelayo, Historia de
los Heterodoxos Espanoles (Madrid 1880) p. 375 — 414.
1 Joffe ph Jacobs, Jehuda Halevi, Poet and Pilgrim, in Papers read before
the JeW College Literary Society etc. Reprinted from the Jewish Chronicle.
London 1887. — Dr. 35oötb Ä auf mann, Sebubo fcaletoi. Jöerfud) einer
eftorotteriftit. Sreälau 1877. — Dr. 91. Suljbadj, $id)terHona,e qua Spanien*
belfern Soften, ftratrffurt a. SR. 1878. — Dr. Wirf) a et ©adj*. Sie reügiöfe
^oefte ber $uben in Spanten. ÜBerlin 1845. — Luzzato, rr.'.rr ra PT-n=, Virgo
filia Jehndae. ^rofl 1840. — fiämbf, Miä)tanbaluftfdjc fßoefte anbaluftfdjer
35idjtet II, xvit ff. — 3. 9)1 an bei fern, ^»ebTötfa^e ©ebidjte. ßeipjtfl 1889.
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286
3tt>eittf »u$. Neunte* Äapitel.
herübergenommen, unb fo grünbete ficb benn bie s4$oetif auf arabifdje dufter.
Um 1100 ging ^e^uba nach Sucana bei ©ranaba, melcbes bamals einen
bebeutenben Äreis bon ©elefjrten Dereinigte unb 51t einem «Dlittelpunft ber
Xalmubftubien geworben mar1. <5r fonb hier oiele greunbe, barunter
*Dtofes ben @§ra, ber ihm bis $u feinem lobe 1139 treu gemogen blieb,
gemann ßuft an ber ^oefte unb Derfafete aujjer 43 ^ocbjeitsgebichten mit
SMbelfteflen auch eine Slnjahl £iebeägebichte unb Stäthfel unb enbliä) etwa
300 religiöfe (Bebicbte.
„Selmba £aleoi", fo urteilt 3. Jacobs, „mar ber gröjjte neuhebrätfche
Dichter; aber bie neuhebräifcbe ^oefie befafi leine mirtlicbe ®rö&e unb fonnte
fie nicht beftyen. Sie mar mefentlicb. eine Don ber Vergangenheit über=
fdmttete 9leminifcenjliteratur unb bilbet fo genau ein 9(nalogon &u ber
neulateinifcfcen ^oefie beö Mittelalters. Der jübifche Dieter hatte ^ier bie
^falmen Dor ficb, Dom rein literartfc&en ©tanbpuntt auS betrachtet bie grofc
artigfte religiöfe Storif ber 2öeltliteratur. (Sr fonnte unmöglich hoffen, inner=
halb ihres Stahmen» mit ihnen ju rioalifiren ; gleich unmöglich mar es ihm,
biefen 9iahmen ju oerlaffen. Saher fmb bie Sßijjutim Doli Don befonnten
ober meniger befannten Gitaten, fo bafj ein guter Ztyii baoon eigentlich in
Öänfefüfjcben gebrurft merben müfjte. Daher beftanb ber ^ßunft, in meinem
ber Laitan O-Piftutberfaffer) bie gröjjte ©efchicflicbteit geigen tonnte, barin,
einen 33ibelDer* aus feinem mähren <5inn heranzureifen."
Pinen anbern Uebelftanb ber neuhebräifchen Dichtung bilbet bie 5ln=
menbung bee töeimeä , ben bie jübifchen Dichter ben arabifchen ablernten.
9hm ha* ober ba* £ebrftifcbe bei meitem nicht ben SBorU unb gormen=
reichthum bes Arabifchen. 6tma brei Viertel ber hebräifchen 9teimc beruhen
auf ben ßnbungen t, D% ■» unb m, mas eine unenbliche ßinförmigfeit
heroorruft, befonber* bei ©ebichten, in roelchen, nach arabifchen duftem,
berfelbe 9teim burch alle Qnkn burchgeführt roirb2. Diefer gingfang ift
für ben 9lbenblänber auf bic Dauer foft unauöftehlich ; bei einzelnen ©e=
bichten tritt er nicht fo ftarf tyxbox.
' 3. Jacobs t>ergleid>t bic baraalige ttage ber Suben in Spanien mit ber»
jentgen, n>eld)e fte $eute in OefterreiäyUngarn genießen. The cnlturo of Islam wa»
in some respects superior to that of Christendom, and especially in the tole-
rauce accorded to the Jews — that harometer of civilization (!). And there were
special reasons why Üie Jews of Spain enjoyed an exceptional share of tole-
ration, not alone from the Moore, but even from the Cliriatians of the Country.
For they held a position there somewliat analogous to that wbich they now
hold in the dual Empire of Auätro-Hungary. L. c. p. 93.
* SWit 23ejug auf einen fpätern Dichter fagt SRenan (Histoire litteraire de
la France XXVII [Paris 1877], 716): Comment s'attendre ä trouver dans une
poe^ie quelqne elegance , qnelque purete , qaand l'autear s'est impose^ d'emre
denx cent dix lignos finissant toutes par la rime -n (ri).
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$er 2almub unb bie neu^ebräifdje 3>td)tung.
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3u bem Söeften , tuaä 3e(mba gebietet, gefrören im$tueifelf)aft feine
„^ilgerüeber" unb anbere ©tücfe, in melden fid) feine SeljnfucbJ nadj bem
irbifdjen wie nad> bem f)immlifd)en ^erufalem in ebenfo frommet als poe-
tifdjer Sßeife an$fl>rid)t.
Sebnfnrfji nad) 3erufalera. (3b,aael.)
•O Stobt ber 2öelt bu, fd)ön in Ijolbem prangen !
91u« fernem Söeften fiel) nad) bir mid) bongen.
6$ mögt ber Hiebe Strom, benf id) ber 93or3ett,
5>e$ oben Sempel*, beffcn *»rad)t »ergangen.
O l)ätt' idt) Slbler* 3lug, 3U bir entflog' id),
99i$ betnen Staub id) nett' mit feudjten Söangen ;
2Jttd) jtebt'd 3U bir, ob aud) betn ftönig fort,
Cb aud), roo SJalfam troff, jefet niften Schlangen.
C tonnt' td) füffen betnen Staub, bie Sdjolie,
SDie £onig füfe bem Itebenben Verlangen l.
3m Cften roettt mein ^erj, id) felbft an äöeften« 9tanb.
JßJie fott mid) freun, moran id) fonft roofjl fiuft empfanb?
Söie mein ©elübbe löfert, menn in (jrboms ipaft
3ion — id) fetbft in be8 UraberS 3od) gebannt?
Xöie gilt fctfpanien« ©ut mir nidjtd, mie mir fo b>dj,
$en Staub ju fd)aun ber Stätte, loo ber Tempel ftanb!*
flu« ben «pUßerfiebera.
3ur Söafferwüfte toarb bie Söett »ott Sünbcn!
$rum lann bag Sluge üXrodnifi nirgend ftnben.
Hein SDtenfd), fein 2bier, fein SBogel ift 3U flauen.
Oft alle* fort unb rufjt in Sdnoeigcnd ©rünben ?
3u fefjen Serg unb Sfjal, wie mär' id) fror) !
JBJie toollt* id) Suft an graufer Steppe ftnben!
$d) fpä^ umtjer, ob ntdjtä oorüberaiefjt ;
9tid)t3 aufeer Sd)iff, ©ewölf unb *Dteere$grünbe,
3)em ftrotobit, baö au« ber Sicfe raufd)t,
3>afj grau auffd)äumt bie 5lutfj, jrrtt»ftf)U in Sdjlilnbe.
©leid) einer Setttc, bie er ftd^ errungen,
ßä&t 9Jteere$grunb ben Atel bem 9tug' entfdnoinben.
<Si ftürmt ba8 SJteer — e« jaud)3t bie Seele, öalb
SWirb ftc in ©otteß b>il'gem 9taum ftd) ftnben.
Söte tft, 0 Söeft, fo bnftig mir bein 2Sef)en!
Huf beuten Sdrtoingen Warb' unb Slloecn !
Sit fjaudjft au« nmq'gen Äammern, nid)t oon bort,
S80 2Öinb unb Sturmcä Sßüttjen fiauft, befl jöf>cn.
• m. Sad,« a. a. O. S. 291. 8 6bb. S. 292.
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3»eite* ®ud>. 9*eunte* Äapitet.
ÜJlit SBogelflug trägft bu jur Heimat mid),
Xxum mir fo füß tote SRttrrljenbünbelä ättetjcn.
2üie feb.net fidj nad) bir bie Sajar, bie gern
Slitf letztem fitcl burdjfurdjt bie Srtutb, ber Seen !
C faß e* ntdjt — ba« ©ajiff, o trog e« fort,
20enn finft ber 2ag, wenn neu er toill erftefjen!
Sie Sicfe glätte, tfjetlc fonft ba« 9Reer,
llnb ruf) erft bort am Qitl, bei fjeil'gen §öf)en;
Uub ftf)ilt ber Cft, ber auf bie ftluttjen »uf)ft,
Saß fjodjgetfjürmt ftd) ifjre Söogen blfifjen,
2öa8 fann idj tfjun — ber Elemente SHat>?
Salb bält'S mid) feft, bafb läßt e* frei mid) gef)<n,
$od) meiner SBünfdje tieffter ftefjt bei ©ott,
Ter »ergeöfjöfj'n unb Söinbe liefe erflehm ! '
Siefe Sieber tjaben etwa» tief (Ergreif enbe*, wenn man bebenft, bajj fie
in jene 3cü fallen, roo ©ottfrieb bon iBouiüon ba» Äreuj fiegreie^ auf ben
dauern bon 3erufalem aufgepflanzt Ijatte unb bie 3Mide ber abenblänbifafyn
C?f)rtflen^cit boH $reube unb Hoffnung nadj bem Gelobten ßanbe gerietet
waren. @s war bie gtänjcnbjte $>ulbigung, bie bem Sluferftanbenen feit
ben lagen $onftantin§ unb #clcna* ju tljeil geworben. 9lber aud) ba§
oermoa^te bie SMnbe ni#t ,ju lüften, bie ba§ 9luge beö unglüdlidjen £ebräer=
oolteä umnadjtete. Sie oerjefjrten ftd) in unfruchtbarer Ser)nfudr)t nad> bem
SReffiag, ber längft erfdjienen unb beffen 9?ame fdjon feit einem 3>af)rtaufenb
bie Seltgefdndite befjerrfd)te. ©0 roefjmtitfjig un§ be»r)a(6 ^eljubos Sefjn=
fud)t berührt, fönnen mir boaj begreifen, bafj feine Sieber bei gläubigen
^uben einen tiefen 2öiber^aü finben mußten unb baß fte aus ifmen Sroft
unb Erbauung fdjöpften2.
3eljr überfdjroänglid) unb tfjeilmeife gefdjmarfloS ijt aber baS 2ob, baä
itmt balb nad) feinem 2obe Gljarift, ber angefeljenfte £id)ter ber nädjfien
3eit, gemibmet fjat:
1 9)1. Sadj* a. a. 0. 5. 294 ff.
2 2>cr gelehrte ftabbi 2lbo ab Immanuel djaraficrifirt ifjn in feiner Nomologia
(p. 280) folgenbermaßen : Todos sus versos son en alaban^a del Senor bendito:
tenemos muchos en nuestras oracioncs de Ros-Hasanä y de Kipur, que mueven
vi alma ü grandisima devoeiön : y en particular la kedusä de la Hamida "■'lcsn
de )a manana, en que va glosaudo aquellos tres versos de David en el psalmo 103
que dicen : Benedezid al Senor, aus Angeles etc. Va este divino poeta coligando
el mundo supreino angelico con el Celeste y con el elemento inferior : y obligando
a todos ä loar y glorificar ä su Omnipotente Criador, con artificio maravilloso.
En suina son todos sus versoe Uenos de alta dotrina, de suavisünos coneeptos
y do rarisima excelencia. JÖgl. 9)1. 3adjö a. a. 0. 6. 333. — 3lu übertriebener
Sobfeligfeit leibet bie Gtjarafteriftit , bie Eaoib jl auf mann a. a. 0. 5. 10 ff.
oon 3cf)iiba!> ^oefie gibt.
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$er Salmub unb bie neutyebräifd&c 2>idjtung.
280
$a* Sieb, ba« ber ßebit 3ef>uba gefungen,
3ft al« ?Pradjtbiabem um ber ©emeinbe #aupt gefd&Iungen,
2118 ^erlenftfjnur fjält efi ifjren §ali umfdjlungen.
• <£r, bed ©angeätempelö ©äul' unb ©djaft,
SEÖetlenb in ben fallen ber UDiffenfdjaft,
3)er ©etoaltige, ber ßieberfpeerfdrtmnger,
2>er bie Kiefen be« ©efange« fjingefiredt, iör Sieger unb Sejhnnger — •
©eine Sieber neunten ben SSeifen ben 2>id>termutf);
ftafl fdjtoinben bor ifmen Slfapb,« unb Oebutunö Äraft unb ©luil),
Unb ber Aoradjiten @efang
SJäudEjt ju lang.
<£r brong in ber 3)id}tung ©peidjer unb plünberte bie 23orrittb,e,
Unb entführte bie fjerrlidjften ©erfttlje;
6r ging funau* unb fdjlofe baä 2b,orf ba& feiner eS nad) t$m betrate.
Unb benen, bie folgen ben ©puren feines ©angeä,
3u erfernen bie flunft feine« ©efange«,
9lidr>t feine« ©iege«toagen« ©taub ju erreichen, gelang e«.
We ©ängcr führen im Sftunbe fein Söort
Unb füffen feiner Srftfee Ort;
$enn in ber ffinftlidjen {Rebe SDßcrte
3eigt ftd) feiner ©pradje Äraft unb ©tärfe.
2Rit feinem ©ebet reifet er bie Oerjen b,in, fie übertoinbenb,
3n feinen ßiebeSltebern, milb tote £b,au unb tote feurige Äoljlen jünbenb,
Unb in feinen Älagetönen
ßäfet er ftrömen bie SOßoIfe ber Spänen,
Unb in ben ©riefen unb ©Triften, bie er berfafet,
3ft alle «Poejk cingefafet '.
Gfyarifi, ober mit feinem ooflen tarnen 3etjuba ben Solomon 9lld)arifi,
mar ein öielgereifter Utann : er mar nid)t blofc in ftranfreid), Spanien unb
Italien ljerumgetommen , fonbern audj in Mfrifa, ^ßatäftina, Snrten unb
s#erfien. Seine Sljätigfeit fällt in ba§ (Snbe be£ 12. 3atn*ljunbert§ 2. @r
bejeia^net ftd) felbft al» (Epigonen, befa^ aber eine grofje Spradtfertigfeit
unb eine aufjerorbentlidje ©eroanbtfjeit , ben Xoppelfinn bon 5Mbel= unb
lahnubftellen gu pifanten Sßenbungen au§äunu$en, ift gelegentud) reöjt berb
unb rooljl aud) friool. — $er 9Jtitte be3 12. 3a^rb,unbert§ gehört Sabara
(Sofepb, ben TOcir ibn Sabara) an, gu Barcelona geboren unb ein Sdjüler
Sofept) $ima)te. Sein £>auptmerf ift ba§ 93ud) ber „Spielereien" (Scha'-
aschu'im8), morin er an eine Söanberung mit einem £ämon bie launigften
ßrjä^lungen unb Sdjroänfc !nüpft unb bie £f)ierfabel mit oielem ©lürf
beljanbelt. $ic 2enbenj fdjeint eine SBertfyeibigung be§ 2öeibe3 ju fein.
$er ^arbel, ber, Don einem frud)§ betört, ben 9Jatfj feiner ftrau ber=
1 3)1. 6ad)8 a. o. O. S. 287. 288.
8 31. Sit (jb ad), £id)tcrf länge aus ©panten« beffern lagen ©. 122 ff. 127 ff.
s Jperau8gegeben bon 3. SBril. <Pari« 1866.
»ouniflartntr. SEOeltCitcratur. I. 2. Huff. 19
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290
3«t>eiteä S8ud>. Neunte« Aapitel.
fdjmäfjt, geljt elenbiglid) 511 ftrunbe, toäbrenö ber 1£ämon burd) eine gute
^rau gebejfert roirb.
2)er fyödjfte 2tolj bcr jübifd)en Xidjter toax , ir)re CyJcbid)te in bie
Siturgie ber Spnagogc aufgenommen ju fcfyen. £as rief in ber erften
ipälfte bes 9Jtittelalter3 einen fct)r lebhaften Wetteifer toad). 5>ie Liturgie
tonnte aber felbftoerftänblid) nirfit in£ Unbegrenzte meiter roacfyfen, nod) bie
Öefänge abfd)ütteln, bie einmal burd) langen (M>raud> geheiligt unb all-
gemein ooltetbümlidb, geworben raaren. ÜJtan muBte ju einem 5lbfd)luji
fommen. ^erfetbe erfolgte in ben franjöfifdjcn Stäbten etroa um 1300,
in Xeutfdjlanb unb ^olen um 1400, in ber ^rooence, Italien unb bem
(Gebiete oon 3?t)jan$ um 152<i.
3n ben jroei testen 3af)rf)unberten be» Wittelalter* traten übrigen*
roentge Siebter oon einiger 93ebeutung auf. 3« Spanien brang pbilo=
fopl)ifd)e 9tefIerion unb Speculation in ben £ird)cngefang ein, in ber tyxo--
Dence unb in Katatonien fan! bie Slunftfertigfeit jur fpielenben ftünftelei
Oöud)ftaben:v$atafd)a) t)erab 1, in £eutfd)lanb oerfiel fogar bie ftenntmjs bcr
Spradje. „£ie gottesbienftlidje Xicfotung mürbe roeniger oon beroorragen:
ben Autoritäten als oon SBorbctern aulgeübt, bie mitunter ben Irobaborel
unb Sänfelfängern jiemlid) äfmüdj toaren. " 2 Wit bem Gnbe be» 1 3. 3aljr=
qunberts begannen faft in gan;$ Europa bie periobifd) loiebertehrenben Ver-
folgungen unb Austreibungen. Samit üerfiegte bie £uft am Xidjten ober
maa^te fid? bödmen* nod) in tflagclicbern 2uft.
Söie ftabbi Öipmann öetlcr in Stxaiau berietet, haben nodj mehrere
anbere Rabbiner beä 16. unb 17. ^aljrfmnbert* ^ilmon, 2elid>a* unb
tflagelieber geschrieben , bod) meift megen 3eud)en unb itinberfranfheiten,
toegen Sürre ober ^euersbrünften, toegen Kriegen unb lobe^fällen.
Von ber Witte be* 18. bi* jur Witte be* 19. 3af)rhunbert* merben
noa) etma 100 fnnagogalc Sänger namhaft gemalt, oon melden 12 £eutfa>
lanb angehören, 40 Italien, bie übrigen ^olcn, Völnnen unb anbern oft=
europäifaVn Säubern \ 5ür bie Weltliteratur ift biefe ^oefie, toie bie neiu
fjebräifdje überhaupt, faft bebeutungälo* geblieben.
' $tc ju Sfranfrcirf» gehörigen Sinter l>at Wen an fe^r iorgfältig jufammen«
Oeftcat (Histoire litt*-raire de la France XXVII [Paris 1877], 701—734); bie
Grntc ift jebod) eine fcftv bürftige. Xtn Oofcph Gjöbi j. 58. will ©rätj (©efdjidjte
ber ^uben VII, 97. 98) gar mcf)t einmal für einen Sidjter, fonbern bödjftend für
einen Weimer gelten raffen ; nun Abraham Söeberfi (b. f). oon SJejterö) faßt tHenan
felbft: Abraham rebute le leeteur par deterneis jeux de niota, d'oü l'idee est
absento. I£ie übrigen haben nod) weniger 311 bebeuten.
2 3»",i, t'iteraturge?d)id)te ber fonagogalen ^oefie 3. 496.
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drittes ^nri).
Die Literatur ber Araber.
19*
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(Srftcä ÄapiteL
iUtarutiifdjes 3>tc$ferfeßen.
$ie Eloaltafät.
||adji annäfjernber Sd&ä£ung toirb baS Strabifdje nodj bon etwa
25 Millionen als UmgangSfpracbe gefprocfyen ; als bic rcligiöfe Spraye beS
SsIämS aber befjerrfdjt ober beeinflußt es baS ÖeifteSteben oon meljr als
200 ÜMionen 9Henfd)en. Gin drittel beS neuperfifc&en 2öortfdm&eS befielt
aus arabifdien Söorten; äljnlid) ifi es mit bem Sürfifdjen unb $inbuftäm ;
aud> auf bie Spraye ber 2Jtalaoen fyat jene beS ßoranS fiarfen Ginfluß au8=
geübt. £>ammer=5]ßurgftall füljrt in feinem großen 2öerfe über bie Literatur
ber Araber bis jur Witte beS 11. 3a^unbertS über 5200 $idjter, 2ef>rer
unb Sdjriftftetter auf, mobei er ein paar Gumbert Uebcrfefcer nidjt einmal
mitrechnete. $aS ©djrifttfjum ber Araber ift feit jener 3*"" beftänbig
gemadjfen, in Siegtypten, Sicilien unb «Spanien in anfefjnlidjer 3frua)tbar!eitf
unb es muß auf ben erften 33lirf einem jeben als eine ber entfdjeibenben
©roßmäa)te auf bem ©ebiete ber Weltliteratur erfdjeinen. Sief>t man inbeS
nityer ju, fo finbet man, baß bie Straber in toeit Ijöfjerem Üflaßc als irgenb
ein anbereS (Srobereröolf fid) aus bem 33iIbungSfä)a& ber oon iljnen unter=
joa^ten Sßölter bereichert Ijaben unb baß ber SRimbuS ber gemaltigen 3al)lm
if)rer ©cfyriftftefler unb Söerfe bei genauerer SBürbigung fet)r jufammen=
fd)tniljt. Sntereffant ift es ebenbesljalb, ju unterfudjen, toaS fte felbft mit
fid) gebraut, als fte aus itjrem bisherigen ®unfel Ijerüortraten , bie #err=
fdwft beS Orients an fid) riffen unb ber 2öelt urplötzlich eine neue 9ieltgion
Oerfünbeten. £aä mar fef>r fpät. ffreitag ben 16. 3uli 622 flofj «öcoljammeb
üor ben Wadrfteflungen ber Äoraifcfyten aus 9Mfa nad) 3atl)rtb ober 9He=
bina, unb erft oon biefer gluckt jäp ber SSläm feine Saljre1.
1 A. P. Gauguin de Perceval, Essai sur THistoire des Arabes avant l'Is-
lamisme etc. 3 vols. Paris 1847. — ö. §ommer»^ura,ftan, ßiteratutgefd)td)te
ber «tobet. Ä »be. 2öien 1850-1854. — %. %tf. ^ortmonn, 2>te Gellfttohjenbeti
tßtejaben am atobiföen poettfd^en Gimmel (Uebetf. bet ÜERo'attafät nodj bet englifdjen
oon 3one8, ßonbon 1782). «Dtünfter 1801. — Dr. <pt)t lipp SDolff, SDhiaHotat,
bie fteben $teisa,ebi$te bet «tobet. Kottweil 1857. — 8. »bei, 3)ie fieben 9Jlu'aaafät,
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294
Sritteö SBudj. 6rfte$ Äapitef.
Tic Araber roareu bamal* fein neue* $olt; fic gehörten fc^on feit
mehr als anberthalb ^ofjrtaufenb ber ©efebiebte an. Tie nörblicben Stämme
ber gewaltigen £>albinfel (rocfdje etwa fünfmal fo groß ift al§ ba* neue
Teutfdje 9teid)) führen ihre Slbfunft auf 3§inaelf ben Sofm $agar§, jurüd,
bie füblidjen auf Loftan, ben Sohn £ebers. ^n ber ^eiligen Schrift finben
fic fid) oon Abrahams 3eit an häufig ermähnt. 2öa^rfa)einlid) ift ba*
füblicbc Arabien ju bem Canbe ^unt ju rennen, nach meinem bie ägt)ptifcbe
Königin £>ätfd)epfet (£>atafu), Schroefter unb Nachfolgerin Shotbme» II.
(etroa um 1GOO b. Ufa.), Sutten auSfanbte, um bon bort foftbarc £Mäer
unb Ibierfelle, $olb, 2öeihraud) unb föftliche Spejercien $u begehen. W\t
bem öon ber ftatur reich an«geftatteten Semen blieben bie Wegopter aud) fpäter
in ftanbeteoerfebr. Slnfehnliche Irümmer geben bort noch I)eutc tfunbe, bap
bie 9lcicr)e ber Sabäer, 5)iinäer unb ^irnjariten fajon in borchriftlicher 3eit
51t jiemlich. h°her Kultur gelangt maren.
^m Horben ber £>albinfel tarnen bie unftät umhermanbernben 3?ebuinem
ftämmc ber Steide nach mit ben tfulturoölfcrn ber alten Belt in Berührung,
mit ben SBabnloniern unb Wffnrern, Gebern, ^erfern, (Brieden unb 9Jcace=
boniern. Mlcranbcr ber ©rofje plante einen 3ug nach, ber £>albtnjel, an bem
ihn jeboch fein früher £ob öerhinberte. Ten Römern gelang e£ erft fpät
unb nur für furje 3eit, einen fleinen Xljeil beö nörblichen Arabien* ihrem
Scepter ju unterwerfen. £a§ roeftrömifchc 9teich ging bereite feinem $kr=
faß entgegen, al* ftdj in Snrien unb üflefopotamien bie fleinen arabifchen
9teid)c ber ©^affäniben unb ber Sadjmiben oon £>ira bilbeten unb ben
Söirrroarr oermchren Ralfen, ben ber 2öettfampf $n>ifcben Römern unb
Werfern in biefen bielumftrittenen Legionen ^eroorrief.
Tie grofje Etaffe ber Araber leiftetc jebod) auch bamal§ allen @ultur=
einflüffen ber benachbarten 3?ölfer beharrlichen Söiberftanb. ©ie lebten nach
3>yt , coUftanbigeö äßörterüerjeidjntfe , brutfe^er unb arabifdjer Kommentar. SBerltn
1891. — %. \). Äremer, Sulturgefdudjte beS Orient* unter ben ßbalifen. II. SBb.
SBien 1877. — 3r. Hütfert, £amäfa ober bie älteften arabifd)en SBoltölieber. 2 SBbe.
Stuttgart 1846; Hmrilfaiö, ber Siebter unb Äönig. Stuttgart 1843; Sieben SBücber
morgenlanbifcher Sagen unb ©efdjic&ten. Stuttgart 1887. — Ahlwardt, The Diwans
of the six ancient Arabic Poete Ennabigha, Antara, Tharafa, Zuheir, Alqama and
Immulqais etc. London 1870. — Muallakät: The seven poems etc. Arab. and
Engl, by F. E. Johnson. London 1894. — Shorbecfe, 3)ie SRufabbalijät.
1. fceft. Seipaig 1885. — 91. 9t öl bete, SBciträge jur «cuntniß ber ^Joefie ber alten
Araber, frannoDer 1863. — E. Will Lane, Arabian Society in the Middle Ages.
London 1883. — 3. 2ße II häufen, Stilen unb Vorarbeiten. SBerlin 1887 (3. §eft:
ftefte arabifdjen JpeibentbumÄ). — 31. SDiüller, %tx Oölant im 9Jlorgen« unb Ubenb*
lanb. SBerlin 1885. — % SB. SDßenig S. J., 3ur ollgemeinen ©^arafteriftif ber
arabifdjen ^oefie. 3nn*brud 1870 (baf. S. 42 — 44 bie ältere ßiteratur über. bie
2JloaUafät Deraeidjnet). — L. Clmkho S. J., Les poetes arabes chretiens. Poete«
anteislaraiques (Etudea religieusea etc. XLIV [Paris 1888], 592—611).
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9Utara6tf<f)cS $id)ter(eben.
altpatriarcbalifcher SiVifc Don bem Ertrag ihrer gerben, burchsogen als 9?o:
maben, in 3Men roofmenb, bie ärmlichen ©erglänber, welche bie großen
SBüften trennten, nnb befämpften fich gegenfettig in eroig neuen Stammet
fetjben. Aus biefem bunfcln unb unbebeutenben , roenn auch in [einer Art
naturroüchügen unb genügfamen Dafein rief fie erft 9flof>ammeb am Anfang
beS 7. ^ahrhunberts auf bie Söeltbürme, als baS roeftrömifche föeich längft
oerfchrounben roar, baS oftrömifche fepon in allen ftugen roanfte, ein neue*
(Suropa fich erft aus ben gärenben ÜÖogen ber SBöIferroanbcrung ^erauS 511
geftalten begann. 3m Sturmeslauf bewältigten fid» bie Araber, um baS
Söanner ihres Propheten gcfcfmrt, $orberafienS unb Worbaf ritaS , brangen
bis nach Spanien hinüber unb errichteten auf ben Krümmern ber alten
SSklt if>r mächtiges unb glänjenbeS Kalifat, Wadjbem fie unter ber fana=
tif d>en Anregung ir/reS ßoränS bann genug oerheert unb jerftört, t>crfud)ten
fie auch aufzubauen. ßs erwachte baS Skbürfnifl, gleich ben unterjochten
Golfern 2Biffenfchaft , Siteratur unb tfunft $u befifcen. 9Jlan fammelte bie
alten (#ebichte, bie einft, münblid) oorgetragen, bie beliebtefte Unterhaltung
bei ihren 3ufammenfünften geroefen roaren unb bie einsige literarische (Srb--
fchaft ber eigenen Hoheit ausmachten, jener 3eit, bie Wohammeb felbft
oerächttich „bie 3eit ber Unroiffenheit ober Barbarei " (Dfdbäf)ilijia) ge=
nannt hatte.
$on biefen Dichtungen ftammen bie meiften aus bem Sahrfmnbcrt, baS
bem öffentlichen Auftreten 9)cohammebS Oorherging, bem fechsten n. Chr.;
fo bie berühmteften unter ihnen, bie fieben fogen. Woallafät (9JcuaQafät),
b. h- „Die Aufgehängten" (©ebichte), nach alter Ueberlieferung ber Araber
fo benannt, roeil fie bei allgemeinem öffentlichen SBettftreit ben Sieg baoon=
getragen unb in ©olbbuchftaben auf Seibe geftieft an bem 9cationalheilig=
thum , ber 8aaba , aufgehängt roorben fein follen l. (Sine größere Anzahl
üon Stücfen bieten bie Diroäne ber fechS Dichter 9<äbigha, 5(n=
tara, Sarafa, 3ut)ejr, Alfama unb 3mru ul = $ejs, oon roelchen
Pier ju ben Dichtern ber 9)coallafat gehören. 9coch zahlreichere ©ebichte ber
alten 3"t fammelte ber Dichter Abu Seminom (Der jroifchen 807 unb 845
erft in Snrien, bann in Aegppten unb ^Dioful lebte) in feiner Anthologie:
ber großen £amäfa („Sapferfeit"), 5« welcher AI 93ut>tun (geft. 897)
unter bemfelben $itel ein Seitenftütf lieferte. (Sine anbere Sammlung
„Wufabbalijät" Dereinigt bie Dichter ber fmbfeiliten. Die merfroür=
bigften biographifchen Auffchlüffe über bie alten Dichter aber enthält „baS
Euch ber ©cfänge" (Äitäb al Aghäni), Derfapt oon Abiul^arabfeh
1 $n neuerer 3cit ift biefe (FrUärung bes Söorteö in 3^eifel gebogen Joorben.
$te Sadje bleibt fid) aber jiemlic^ gleich. 3)ie fieben ^rei«gebid)te gelten bei ben
Arabern alö #öf>epuntt ihrer älteften <Poefte.
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296
dritte« SBuc§. Grfte* flapiiel.
al=3fefa$ani aus 3raf (geb. 897, geft. 967), worin ^unbert ausgewählte
(£efänge berfammelt finb, nebfl Angaben über beten muftfalifebe Begleitung,
©enealogie unb Sdndfale it)rer Berfaffer, Sdulberung ber 3eit unb <Se=
legent)eit, unter welcher fie bieteten 1.
2öie bie SRoallafat, fo würben audj bie übrigen biefer öoriSlamifcben
Dichtungen bon ihren SBerf affern anfänglich nicht niebergefdjrieben , fonbern
bei ben Stammesöerfammlungen ober im traulichen §amilientrei|"e borgetragen
unb oererbten fid) bann burd) münblicbe TOtbeilung innerhalb einer Familie
ober auch eines ganjen Stamme». 6rft unter ben ftljalifen begann man fic
ju fammeln unb aufschreiben. Die Solfaüberlieferung hat noch bie tarnen
ber Sammler bewahrt, meldte juerft bei ben berfdjiebenen SBanberftämmen
umfjerreifien, um ben alten ßieberjdjafc ber 3u^f* Su bewahren. Die be=
rüfnnteften finb Mbü Cbeiba unb 61 sMmai. S3ei bemfelben ©ebidjte fanben
fid) bei begebenen Stämmen, toie natürlich, mancherlei Slbmeicbungen unb
SBarianten, ba es fid) oft fogar um berfdnebene Dialefte ^anbelte.
Damit mar ben Sammlern eine grofje ftreibrit be§ 6ntfd)eibs in bie
£anb gegeben, unb fic matten baoon reichlichen ©ebraud), auf Soften bei
eigentlichen urfprünglicben Wertes. Das führte bereits im 9. 3al)rf)unbert
unter ben Arabern felbft 3toeifel über bie 6d)theit jener Sammlungen berbei.
9lbb el 9Jtofib itSfinbi, ein cbrifHidjer belehrter am £>ofe bes berühmten
Ähalifen £ärün ar 9lafd)tb, fpradj fid) barüber (in einem Briefe an ben
9M)ammebaner 5tbb=allab al=£>äfdnmi) febr mafwoll unb oernünftig aus.
Seiner Anficht naü) ift bie boriälamifcbe ^oefie im großen unb ganzen für
authentifd) ju balten; bas gilt befonberS oon ben fieben ÜJloallafät, bem
„Samiat" bes Sdjanfaw, ber Sobtenflage bes Oufj unb oielen anbern
Stüden, welche ein fo beutlicbe» (Gepräge ber Originalität an fieb tragen,
bajj ein Plagiat unmöglich gewefen märe ; ebenfo üon ben Sct)lacbtgefängen
bes 3bn Sarraq, bes 61 ÜJtotyalljil unb oielen anbern Äampfesliebern,
melcbe bureb allgemeine Boltethümlicbfeit eine genügenbe Sürgfdmft ibrer
Sattheit bieten. 2Ref)r ober weniger jmeifelhaft unb berbäcbtig finb bagegen
faft alle Stüde geringem 9tange§ unb weniger allgemeiner Sebeutung. Much
bie berüljmteften Dichtungen finb jebod) nicht frei öon tleinern Beränbes
rungen unb 6infd)iebfeln , welche inbeS bis ju einem gewiffen ©rabe fich
ertennen laffen. Das ift bie Anficht 61 ftinbiä, bie auch oon gelehrten
Arabern ber 9leu$eit getheilt wirb. 6ine eigentlich tritifche Sichtung ift
bis jefct allerbings weber oon arabifchen noch europäifäjen belehrten oor*
genommen worben. Irofc aller Unfic^erl;eit über einzelne Stüde unb Stellen
1 3>ie erfte uollftänbige 9lu*Qabe erfd)ien in 20 SBänben »ulaq, beenbigt
1867 (1285 ber £ebföra); 91. »rünnoto üeroffcntlic^te boju eüten Supplement,
bonb (Setben 1888). Sludge gibt Salhani, Choix de narrations tirees du Kit&b
el Aghanl. 2 vols. Beyrouth 1888.
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Bltarabiftbeä 2)idjterleben.
297
läfjt fidb, inbcS bie Söerfdjiebenfyeit ber altern SBebuinenpoefie bon bet fpätern
|)ofpoefie unter bem ßfialifat nidjt alläufdjtoer erfennen unb in if>ren ©runb=
jügen beftimmen.
©efjr djarafteriftifd) ift bor allem, baß fid) unter biefen 5al)lreid)en
©ebid)ten fein gröfcereä (Spo§ finbet, ja nia^t einmal ein fleinereS böüig ab=
gerunbete£ epifdjeä ©ebidjt, aud) fein Anfajj ju bramatifdjer ^ßoefie in
fleinern Dialogen, ©cenen ober 2Bed)felgeföngen, nrie man fte fonft bei ber=
fduebenen nid>t gerabe feljr ^odb cibüifirten SBölfem trifft, feine ©ötterftömnen
ober retigiöfen Sieber, aud) nid)t eine eigentlidj abgerunbete f)öl)ere Styrif
überhaupt, fonbern nur eine ausgeprägt perfönlidje ©elegenb^eitsbiajtung, in
meiere ineift epifdje unb Iprifdje Elemente fid) mifdjen. Am meiften bürftc
fie fid) tbofjl ber ©falbenpoefie ber alten 2öifinger nähern; bod) ift biefe
fd>on meift funfiboüer unb ibealer. ©eiben aber ift baä gemein, baß fie
borjüglid) bon $ampf unb Abenteuern leben unb bafj ber £elb unb $id)ter
meift poetifdjer ift al* fein ©ebid&t.
$er enge ©efidjtsfreis , auf ben fia? bie ^3oefie ber alten Araber be=
fdjränft, erflärt fid) fefjr natürlich au§ ber im ©runbe niebrigen Gulturftufc,
auf ber fie ftanben. 2ßa§ bie ©eele beä OTenfajen am meiften ergebt, allen
feinen $äl)igfeiten ben meiteften unb er^abenften Spielraum gibt, ift eben
bie Religion, unb bamit mar e§ bei ben alten Arabern übel beftellt. ©ob,!
Ratten bie 3uben unb ba§ 3ubentf)um feit unborbentlidjen 3«i^n Eingang
bei Ujnen gefunben. Aua) d)riftliä)e (Sinflüffc brangen früfj in ben ©üben
unb in ben Horben ber £albinfel ein. 3Beitau§ ber gröjjere 2b,eil beä
93olfeä fyatte inbe« längft bie Storfteflung beS einen, magren ©otte* berloren
unb fmlbigte ber Vielgötterei1. $ie ^auptform ber lefctern fdjeint erft
©onnen= unb ®eftimcultu§ gemefen &u fein. 3m Saufe ber 3"* tourben
inbeS all bie glänjenben £immel§erfd>einungen meljr unb meljr perfonificirt
unb ftetS abergläubifajer bereit. Audj ©enien unb £>eroen, ©äume unb
©teine mürben jum ©egenftanbe büftern SBafjnglaubenä. $ebe Familie, jeber
©tamm, jeber Ort erhielt naa) unb nad) feinen eigenen ©djufcgeift, unb
um bie ßaaba (Äa'ba), ben ^eiligen ©tein in 9Mfa, berfammelten fid) bie
360 ©öfcenbilber ber berfd)iebenen ©tämme. einige meinten, bafj mit biefem
fieben alles für ben 9Jlenfdjen ein @nbe b,abe, anbere glaubten an ein jen=
fettiges Seben unb eine Auferftelmng ; bodj mifa^ten fieb, in biefen ©lauben
2BaIjnoorftellungen berfdjiebener Art : bie ©eele be* SBerftorbenen umflattere in
©eftalt einer (Sule ben bon iljr berlaffenen Sei6 ; bie lobten bebürften eine*
9teittf)iere§ , meälwlb man für fie ein ßamel in bie Söüfte trieb unb bort
1 ©rttft Cf tan ber, Stubien über bie t>ori$lanttfd)e Religion ber Araber
(3eUf<fjrift bet 3>eutfä)en SJlorgenlänb. ©efettfd). VII, 463—505). — Uebet ben Sonnen»
unb SRonbcult ber ^imjortten »fll- 0on bem f.: 3ur r>tmiarif^en Altertb,um«!unbc
(ebb. XIX, 242. 261 ff.).
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298
^ritted Sud). 6rfte8 Äapitel.
öcrfjungern ItcB- Sie glaubten an jahllofe böfe Geifter, bie Sfdn'nnen, an
Grafel unb 3auberei l. %n i)ot)tm Grabe roaren fie bem Spiel unb bem
Srunf ergeben. Sie 9Jtuftf ftanb nod) auf niebriger Stufe unb rourbe Don
Sflaöinnen geübt, bereu bie Keinen fid) $af}lreicbe tieften. 5Jielmeiberei
war unbefchräntt geftattet. Sie 2Sittme ging mit ber übrigen £>abe eines
Sterftorbenen an beffen Grben über, unb fo fanben f)äufige (Sfjen jipifc^cn
Scbroiegerföhnen unb Scbmiegermüttem ftatt. JBon noch größerer 9tot}eit
unb Graufamfeit jeugt bie Sitte, Stäbchen gleich nach ber Geburt ober
fpäter Icbenbig ju begraben, fei eS au* Langel an Subfiften^mitteln , fei
eS, um fie einem fpätern unglüeflichen SebenSlofe ju entziehen.
£ichtfeiten in bem nicht eben günftigen Sittengemälbc bilben ber rittcr=
liebe 9Huth, baS ^o^e Ehrgefühl, bie ftreigebigfeit, bie Gaflfreunblidjfeit, bie
Genügfamfeit unb männliche 91uSbauer ber fraftooüen friegerifchen Stämme.
Ser Umfang ihres SJBiffenS mar ein fefjr bürftiger. Sen t)ö(^ften Stolj
festen fie in il)re 9lbfunft: ein jeber mufete beSljalb über bie Genealogie
unb bie £elbentf)aten feines Stammes mohl unterrichtet fein. 33ci Wacht
maren bie Sterne ihre güln-er, unb einige ftenntnifs beS Sternhimmels mar
barum jebem oon nöthen. Grofcen Söertf) legten fie auf bie Gefc£e, bie
Feinheit unb gülle ihrer Spraye, unb auf bie ftertigfeit, fid) auch in ge=
bunbener 9rebe mit Weim unb Metrum fd)ön unb gefällig ausbrürfen $u
tonnen. Gin gemiffer Sdjmung unb eine natürliche Serebfamfeit lag in
i^rem SBefen. ftür bie febönen unb erhabenen ßrfcheinungen ber Watur
hatten fie einen empfänglichen Sinn. ?ln ihrem fdjlichten £>irtenleben , an
ftamilie unb Stamm, an ihren gerben unb SKeittfneren hingen fie mit finb=
lieber, felbfaufriebener ^nnigfeit. Seit Hauptinhalt ihres SebenS bildeten
jebod) Abenteuer unb Äampf, ihre gehben, Äaubpge, Söaffenthaten, nä<ht=
liehe SMftenritte unb Ueberfälle, Worb, $obtfd)lag, blutige 9iad)e, bann
Sieg unb Triumph, 3e^9elagc unb mollüftigeS treiben. 91n ihren 2ager=
Plänen raftenb, befangen fie bann bie Sapferfeit ber Gefallenen, ben £elben=
muth ber Sieger, bie £mrtigfeit ihrer 3:^iere , bie überftanbenen Gefahren,
ben alten 9tol}m ihres Stammes, bie eigenen Liebesabenteuer, Schimpf unb
Schmach ihrer §einbe 2. $n ben erften jman^ig Sagen beS Monats Sf}ü--U
fa'ba mürbe jährlich ein grofcer Sfiarft gehalten ju Cfäj, ^mifchen Sai'f unb
sJiafbla, brei tlcine Sagreifen Don 9Jterfa, an einem palmenreichen Crte.
Sa trafen fid) bie Männer ber üerfchiebenen Stämme, mic bie ^Slänber in
Sbingüellir. Sa mürben nicht nur Ääufe unb Verläufe abgefchloffen,
Streithänbcl beglichen, Gefchäfte abgemacht, ba traten auch bie Sichter ber
1 Sludj itjreu 2)icf)tern maften fic in älterer 3fit bie ftunft beS „SBefprecbenS" bei.
3JqI. 3. ©olbjtljer, Jßetnerfungen jur alleftcn ©efdjidjte ber orabifdjen ^oefte
(Actes du X» Congrea Intern, des Orientalistes. Leide 1896. Scction III, p. 3 — 5).
8 D. Ä rem er, Gulturgefd)icf)tc II, 349.
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aitarobifdie« $iä)ter(eben.
299
Derfcfn'ebenen Stämme öffentlich auf unb öerljerrlidjteu ben Dtufym unb bic
©rofrthaten ihre» Stammes , Dorab bie eigenen 1. £enn menn auch jeber
bieten burfte, bem baS gegeben mar, unb eine ftattliche 3a^ °on ^itf)s
terinnen genannt mirb, fo roaren bie ftauptbichter bod) auch jugleicb bie
Dorjüglicbflen Äampfhäfme unb Reiben ihrer Stämme unb befangen ganj
unbebenflid) fia) felbft , als baS SÜMchtigfte, maS es in ihren klugen für
bie gan^e 2ÖeIt gab.
1. Smru ut = $ej§.
£er gefeieetfte biefer friegerifcfjen Farben ift 3mru uUÜe'ß2, nid>t ein
gemöfmücher Bebuinc, fonbern ein StammeSfürft , ein ßönig. @r mürbe
um baS Safjr 500 geboren unb ftarb etma um 540, mar alfo ein 3eit=
genoffe beS fu\ Benebift, biefer fegcnSDotlen Bannerträgers ber chriftlichen
(Sultur. Sein ©rofcoater £>arith befjerrfchte mehrere ber mäcbtigften Stämme
TOtelarabienS, befonberS bie tfinba unb SJia'abb, fämpfte roieberholt gegen
bie arabifeben Könige in Snrieu unb EJefopotamien unb ermarb fieb für
einige $c'\t toahrfcheinlicb bie tone Don £nra (etma um 518), marb aber
mit £>ilfe ber Werfer roieber aus bem 33eft£e berfelben Derbrängt. §äntfß
ältefter Sohn §obfchr, ber unter ifmt ben Stamm ber S3enu^l(jab in Webfdjb
(3)tittelarabien) regierte, jog fid) burch feine sparte ben £>aji berfelben $u
unb marb Don ihnen (um 525) getöbtet. Bor feinem iobe hatte £>obfd)r noch
3eit gehabt, ein leftament ju machen, in melchem er bem tapferften feiner
Söhne afle feine £abe unb baS Stecht beS ftönigthumS über bie Slinba unb
<Wa'abb Dermale, unb ihm ben Hainen feines SflörberS nannte, natürlich
mit ber Obliegenheit ber Blutrache. Sterbeub übergab er biefeS Seftament
einem 9Jtann Dom Stamme ber Benu=3bfd)l, Samens 3Imir ber einäugige,
unb fagte ifjm: „Suche meinen Sofm Mäfi auf (baS mar ber ältefte);
menn er meint unb trauert, fo oerlafe ihn unb befuge ber 9teu> nach meine
übrigen Söfme bis auf 3mru ul=ÄejS. ©ib meine SBaffen, meine ^ferbe,
mein Sübergefchirr unb mein leftament bemjenigen unter i(men, ber fein
3eidjen beS Schmerzes gibt.
äpobfdjr hatte fid) gegen 3mru ukfteis als ftrenger Bater gezeigt. Wach
einem Bericht jürnte et bemfelbcn, meil er fid) Don früher Sugenb auf ganj
bem Berfemachen ergeben hatte, maS bem Boter gegen bie fürftliche 2öürbc
$u Derftofeen fdjicii ; nach einem anbern Bericht hätte 3mru uUßejS in aus=
1 Causam 1. c. I, 296. 297.
2 3n ber 2ranöicription ber arabifdjen (Eigennamen f)errfdjt umnberbare Dtannig-
fattigfeit. Jpammei^urgftall fd)rcibt: Iniriolkais, 9iüdert: Amrilkais, *Rf). Sßolff:
Amrulkais, %. SJHUIer: Imruulkais, 0. flremer: Imra'alkai.s, (Sanffin: Imrouleays,
ß. 6f)eitf)o: AmroG oul qays.
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300
dritte* JBud). Srfttf «a&itel.
geladenen ©ebbten bie ($hre bes 23aterS felbft berieft. ©enug, C>obf(^r ber=
jagte ilm öon feinem Slngeftcht, unb ber ^rtnj trieb fich nun mit einem Irupp
leichtfertiger unb üerjrocifelter ©efeflen bei öerfdnebenen ©tämmen umher. Ski
irgenb einer Gifterne ober einem günftigen Sagbgrunbc fchlugen fte it)r Öager
auf, jagten ben lag über, tranfen unb fpielten bann beS SlbenbS unb liefen
fich öon ben ©tlaüinnen borfingen. 2Bar bie Gifterne erfchöpft, fo $ogen
fie ab unb festen ihr tolles ßeben an einem anbern Sßlafce fort.
3mru ul=&ejs befanb fid) $u Sammun, in ber fianbfehaft Semen, als ihn
ber S3ote feines fterbenben SBaterS erreichte. Senn Wäfi unb bie anbern ©öljne
hatten beim Empfang ber lobeSbotfchaft fämtlich bie tieffte Irouer an ben
Sag gelegt. $mru u!4lejs aber fajj eben mit einem greunbe beim Uöein unb
2Bürfeifpiel. „Sein Stater #obfcf>r ift ermorbet," fagte ber SBote. 3mru ul=$ejs
antwortete nicht. 911S aber fein Spielgenoff e, ber eben am Surfe mar,
innehielt, fagte er ganj troefen: „Wun, ooran! ©piele!" 2US bie Partie
bann ju ßnbe gefpielt mar, fügte er bei: „3ch mochte bir ba§ ©piel nicht
berberben." Sann nahm er bie 93otfdmft unb ben legten SDßiflen feines
SaterS entgegen unb erfunbigte fich nach oflen einzelnen Umftänben feiner
©rmorbung. Sarauf fagte er: „EIS ich ßinb mar, Ijat mein 3$ater mich
fortgejagt; jefct, mo ich Wann gemorben, legt er mir bie Pflicht auf, fein
SJlut ju rächen. £eute leine Nüchternheit, aber auch morgen lein SRaufch;
heute ber Sßein, morgen bie ©efchäftc." Siefe SBorte finb fpäter §um
©prichmort gemorben. 3mru uUÄejS tränt ftch nun einen gehörigen ftaufcb, ;
nachbem er aber mieber nüchtern gemorben, fchmur er feierlich, fein ftleifd)
ju effen, feinen UÖein ju trinfen, fich mit feinem SBohlgeruche ju falben,
fein 2öeib 5U berühren unb fich fein £aupt nicht ju mafchen, bis er baS
S3Iut feines SßaterS an ben 93enu=9l<?ab gerächt, ihrer h«nbert getöbtet unb
anbern hunbert baS Stirnhaar abgefroren.
2US bie 93enu=9l<;ab bon feiner Slbficht hörten, fehieften fte bie gbelften
ihres ©tammeS ju ihm unb boten ihm jur ©ühne baS Ceben eines be=
liebigen ihrer Häuptlinge an, ben er bezeichnen foDte, ober als 2oSfaufS=
fumme fämtliche Äamele ihres ©tammeS; allein er mieS beibe 93orfd)läge
ftolj öon fich: „Sie Araber miffen, bafe £obfchr nicht einen feineSgleichen
gehabt hat, beffen lob ben feinigen aufwiegen fönnte, unb ich würbe mtih
entehren, menn ich Kamele als SßreiS feines EluteS annähme."
Wit einem anfehnlichen #eer aus ben ©tämmen ber SBcfr unb laghlib
$og er gegen bie 93enu=9lc;ab ju frelbe. Siefe flüchteten ju ben Senu=
tfinäna, jogen aber plöfclich meiter, als fie oernahmen, bafj 3mru uttfejS fie
aufgefpürt. ©ein nächtlicher Ueberfaß mifiglücfte beShalb. Nachbem er unter
bem 9tuf: „Stäche bem Köllig ! föaehe bem gelben!" auf bie %eltt «n*
gebrungen mar, trat ihm eine alte grau entgegen unb fagte: „ftürft! Uns
tann bie föaehe nicht gelten ; mir finb Hinber ber flinäna. Sie bu fuchfi, fmb
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SUtarabiföe« SHdjterleben.
301
geftern Abenb entflogen." %mxu ul=$ejs ritt bcn f^Iüc^tigen nach, erreichte fie
um 3Rittag an einem ^Brunnen unb richtete ein grofjeS Slutbab unter ihnen
an, bis enblid) bie 9kd)t bie Äämpfenben trennte. S)ie 39enu=A<?ab festen
alSbalb ihre flucht fort in ber Stiftung nadt) 3räf, um fidt) unter ben
8d)u| *DcunbhirS, beS ÄönigS Don fQixa, ju [teilen, ^mru ul=#ei8 toollte
ihnen fog(cidt) nadjifefcen; Doch feine Krieger roeigerten fidj, iljm $u folgen.
„68 ift genug," fagten fie, „bu bift gerächt. " — „ftein, bei ©ott!" fdjric
er, „ich ^obe mich meber an ber Familie ÄafjtlS gerächt noch an ben anbern
Söhnen A9ab8." — „Ofreiliä)," erroiberten fie. „UebrigenS folgen mir
bir nicht mehr; bu bift ein UnglüdSmenfch!"
3$on feinen bisherigen ©enoffen berlaffen, manbte er fid) nun 5U ben
Asb-©chonua an ber ©renje Don £>ibfchäj unb 3emen, unb bon ihnen
jurüdgemiefen an einen fjimjaritifd>en dürften in fernen felbft, ber mit u)m
Dermanbt mar unb ihm 500 ERann üerfbradj. SDiefer ftarb aber, beüor er
feine 3uf°9c cinlöfcn fonnte, unb fein Nachfolger fdjob bie Derfprodjene
£ilfe Oon einer tjrift ju einer anbern hinaus, bis ir)n enblidj 3mru ul=$ejs
mit feinen Sitten ermübete unb mit fcharfen ©pottDerfen ftachelte. 3)em
Keinen £eer fchloffen fich noch jahlreidje Abenteurer an unb einige ©olb=
trappen oon ben ©tämmen ber SWa'abb. Auf bem 9Rarfch befugte 3mru
uk&eiS ju Sebala ein DieloerehrteS ©öfcenbilb, 3)^u4 Ä^oloffa, um bei ilmt
baS ßoS über ben Ausgang feines Unternehmens ju befragen. Sßon ben
brei SoSpfeilen „£fm eS", „Safe eS", „2Barte 311" jog er breimal ben ^Pfeil
mit ber Mahnung „Cafe es!" $)a fafjte er alle brei Pfeile, jerbrad) fie,
fdjleuberte fie bem (Stögen ins ©eficht unb rief: „(Srbärmlicher ! SEBenn bein
SJater getbbtet morben märe, mürbeft bu nicht berbieten, ir)n $u rächen!"
©ein 3U9 nahm aber ein übles (Snbe. $ie SBenu=A<?ab erhielten
Serftürfung burd) $Runbhir III., #önig Don £>ira, ben ^ßerferfönig dtfjoSro
AnofdnrtDän (GljoSroes) unb Don bem Stamm ber SBenu SBcfr SBdil. AIS
bie jroei £>eere an ben ©renjen Don $rä! jufammentraf en , entminen bie
Araber aus Semen unb bie ©olbtruppen ber 9J!a'abb beim erften ©tofj.
3mru ul=$ejs far) ftdr) baburd) felbft jur ^lud)t gejroungcn unb fuchte ©dmfc
bei £ärith, bem Häuptling eines 3n>eigeS beS ©tammeS ber Üemim. $5er
$Önig Don £ira bebror)te jebocb biefen mit $rieg, menn er feinen ©d)ü$=
ling nicht alsbalb auslieferte, unb Smru ufc&ejS entging nur mit 9coth ber
ihm broljenben Auslieferung; boch gelang eS ihm, nicht nur feine Sßerfon,
fonbern auch bie ihm gebliebenen SBaffen unb ßoftbarfeiten in Sicherheit
ju bringen. AIS baS SöerthooÜftc galten feine fünf SBaffenrüftungen, lauter
Grbftütfe, welche Don bem ©tammherrn Atil ei 5)corär burch Diele ©efdjledjter
auf biefen feinen Dcachfommen gelangt toaren.
3n biefer 9coth flüchtete %mxu ukßejS ju Amr, einem ©ohne beS Königs
Don ^)tra unb ber £)inb, welche eine ©chmefter feines SBaterS ^obfchr mar.
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M)-2
£ ritte« 8u<$. Grfled Äapttel.
@r befang ihn in fd)meicbelhaften Herfen unb erinnerte ihn an ihre 93er=
roanbtfchaft. 9lmr nahm ihn auch in feinen Sd)ufc. £ocb £önig 2)cunbhir
erfuhr balb baüon, unb ^mru ul=flej§ mußte roieber weiter fliegen. 9ci<ht
beffer ging e3 ihm bei Sabe, ber öon Däterftc^er Seite fein 93ruber mar,
beffen 9Rutter aber noch öor feiner ©eburt öon bem Sater öerftofien morben.
Grft in Webfcbb (Wittelarabien) beim Stamm ber Semulaij fanb ber
öon WunbfnrS Spähern umhergehefcte ftürft nach abermaliger großer ©efahr
etroa» längere 3"flucbt, ö>ie fcheint, etliche Saljre. 6r heiratete menigftenS
f)icr eine Softer bicfe4 Stammes, Umm Tfchonbab. 5lucb mit biefer ^eirat
t)attc er aber fein ©lüd. Gineö Iage§ befugte ilm ber Siebter Slltama.
Sie gerieten in Streit, weil jeber öon irrnen behauptete, ber beffere dichter
ju fein. 9llfama fällig bie $rau bc* #önigö jur Scbiebäric&terin Oor, unb
fie öerfaßten nun beibe ein ©ebiebt mit bemfelben ©runbreim, jeber auf fein
^ferb. 2tmru ul=ftcj* fagte öon bem feinigen:
„3toä ÜBetn (bed Üieitcrö) , bafi ti brütft, entflammt feinen Cifer; bie Veitfcfjc
beflügelt feinen ßauf; nodj angeeifert burd) bie Stimme, fprengt eö bafjin rote ein
SBalmfuiniger, ben $ald roett nad) oorn reefenb."
Mltama bagegen fang öon feinem 9tojj:
„Xen fiopf auf ben 3num beugenb, ber eä jurfleftjätt, fliegt H baf)in mit ber
SdjneUigfeit einer Slntitoöe, beren ^tonten im raffen Sauf Dom €cf)roci&e triefen."
Umm Xfdbonbab erflärte ba* ©ebiebt beä Wfama für baä beffere, unb
al* ihr ©atte um ben ©runb fragte, fagte fie: „9Ufama# Stenner ift beffer
al§ ber beinige; bu fpornft bein ^ferb mit Stimme, Jöein unb v#eitfcbe an,
tDftbjenb ba3 be3 Wbü Cbciba (Vorname be§ 9l!fama) bloß jurüdgchalten
311 roerben braucht. " 9luf biefe* Inn öerftiej? 3mru ul=£ej3 feine ©attin,
unb 2Ufama fjeiratete fie alsbalb.
(Sine neue Sermidlung entftanb babureb, baß 9lmir, ber Sohn be$
Efchomain, ein öon feinem Stamme 5ßerftojjener, fich ber 2od)ter be* 3mru
ul=£ejä, feiner Waffen unb Kamele bemächtigen wollte. 3mru ul=Äcj8 flüchtete
be^ölb öor ib,m 51t 9lbiHianbal--£äritha. $aburcb entftanb innerer £>aber
im Stamme ber Stow^iaij, unb ber unglücffelige Flüchtling tonnte aud)
hier nicht länger bleiben.
Sein nachfter SJefcfcüfcer toar ein iübifcher prft Samuel, Sohn beS
Nbia, ber auf bem fefteu Schlöffe 61 Slblat bei Mma wohnte, tiefer
nahm ihn glänjenb auf, wie* ihm ben prächtigften Saal feine* Schlofft
an, feiner locbter £>inb aber ein tyttli<b& 3elt. £er unftäte dichter xÄönig
befchlofj nun, gegen ben önig öon £>ira, ber fich perfifcher ©unft erfreute,
Unterftüfcung bei ben Wörnern m fuchen. Unter bem Schule feine« Detters
x\ajib ließ er feine lodjtec, feine fünf Lüftungen unb wa£ er fonft noch
befaß, bei bem o»ben Samuel jurürf unb begab fich felbft nach Äonftan=
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9l(tarabifd)e$ 2id)terleben.
303
tinopel $u #aifer ^uftinian (um 535). $>a§ oerbürgen 23erid)te be* ^ro=
fopiuÄ unb ftonnofuä, bei melden bet Warne aber abgefürjt ate „ftate"
(£aifuä) erfcfceint1. Wad) 9ionnofu§ warb er Dom tfaifer ef)renboü unb
freunblid) aufgenommen unb mit ber Skrroaltung ^aläftinaä betraut. Wad)
ben arabifdjen SJericbtcn oerliebte fid) ber id>on in feiner Suflenb roeiber=
füditige Häuptling in eine bttjantinifdje ^rinjefftn, ber „Äaifar" aber gab
ifjm ein £)cer, um feinen frühem 5amüienbefi& äurüdjuerobern, unb fo jog
3mru uU&efi an ber 8pi$e eines £eere§ nad) Arabien jurüd. Untcrbeffen
fanb fid) jebodj ein Araber oom Stamme ber ©enu^tyab, bem Smru ul=Sfejs
einen trüber gelobtet, in Äonftantinopel ein, fdnlbcrte ir)n bem ßaifer al»
einen 2Öüftting, ber if>n felbft burd> feine CiebeSfjänbel mit einer ^rinjeffin
entehrt t)attc unb fid) beffen in Äften rühmte, darauf foD ber ßaifer
ein oergiftete* ^raa^tgemanb an 3mru uI=ÄejS gefaubt tjaben unb biefer
baran untertoegs geftorben fein. Xiefer Söejie^ung ber £ercule§= unb 9teffu*:
fage auf ben ungiürfiia>n dürften liegt matjrfcfceintia) bie ityatfac&e ju
©runbe, baß er unterroeg* an einer ungeroöfjnlic&en Jftrantyeit ftarb. 9J?an
nannte tr>n $fnM Äorul) (ben „Wann mit ben ©efdnnüren"), häufiger
aber ei^Jiatifcebrbfjiüü (ben „umf>erirrenben ftönig"). 6r foU (um 540)
in Wncora OHngora) geftorben fein. Äurj bor feinem lobe faf) er bafclbft
am ftujje bes SJergeS Wffib baä CvJrab einer fremben gürftin unb madjte
barauf bie 3krfe:
£ 9lad)barin > rafdj nafjt bie Stunbe, ba (omme id), um bid) 311 febn,
Unb tnerbe bleiben tjter ju £>aufe, folang ber SBerg Slffib wirb ftcr)n.
C 9tad)barin! roir beibe famen ali Sfrembe in bieä ferne ßanb;
$od) in ber fterne reiben frrembe fid) gletd) JBertoanbten ir>re $>anb.
3n bem Ceben biefeä feltfamen 33ebuinenfürften märe augenfdjeinlid)
Stoff genug ju einer Cbftffee oortmnben gemefen. 5)?an erlebt eine grau=
fame (£nttäufd)ung , roenn man nun ju feiner SÜoallafa2 greift, n>cld)e
als baS fcr)önfte feiner ©ebid)te gefeiert wirb unb als befteS dufter ber
ftaffibe (Caffibaf)), b. t). ber bei ben 53ebuinen beliebteften Wrt längerer
©ebid)te, gilt, 3>bn Sliitaiba d)arattcrifirt biefe eigenartige £ia)tung3form
folgcnbermapen :
1 0 >)s Kaiai/g ourog fiwjz tii; ftv rou <pus.apyixo>j xai dia^spi'ivrwq äya>%-;
rd -o/.ifitu, -wv 6i rt>4 Xetnyato'' q'jyyt.>ot> xrsivai slg yftu sye-tysn , 9t 3z
Ipyioi xarrärams dvbpüxw» itrriv. Procopiux (ex rec. Gu. Dindorfii. Bonnae
1833) \, 106.
5 ^eraudgeg. öon öette fße»)ben 1748); Inieinifd) öon ^engftenbern
(Jöonn 1823). — Jößl. 6. 3r r c n f e t , ?ln=5)iab^aö' Gommentor jur Dht'aflaqa beo
Omruul'CaiS. fyatte 1876. — £etn ^imän bevaudgeg. tnm *JJlnc Surf in bc
©Innc ($au8 1837). HbHonrbt (Divans of tho six ancient Arabic Vwts.
London 1870) u. a.
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304
dritte« JBucfj. ßrfte* Äojjitel.
„2Bie id) üon einem ©eteljrten gehört fyabe, begann bet JBerfafter öon Caffiben
fie mit ber <?rtoäf)nung ber berlaffenen SBotmörter, ber vergangenen 3*i* unb bet
Spuren früherer Scrootmer , f lagte bann , meinte unb rebete bie Jpäufer an , bat ben
©enoffen, ftifle ju ftet)cn, um barin 23eranlaffung ju finben, über bie »on bort weg»
gemanberien Semofjner ju fbredjen, ba bie 3eK&etoot)ner f"h im Snfiebeln unb
ftortmanbern oon ben JBemolmern fefler <ßläfre unterziehen, tnbem fte ben Söeibe-
Plänen nachgingen, fid) Don einem Söafferblafc jum anbern begaben unb bie ©teile
auffüllen, wo Siegen gefallen mar. $ann fnüfcfte er (ber 3)id)ter) baran ben
erotifdfjen Xr)cil, beitagte ba* ßiebcöteib, ben tiefen €>d)merj über bie Trennung unb
bie fteftigteit feine« ©efüljlS, um baburd) bie §erjen ju geminnen, bie Sölide auf
fid) ju jiehen unb Slufmerffamfeit ju ermeden, ba baö ßiebeSleib ben ©emüifiern
nahe geljt unb bie §erjen ergreift. . . Söenn er nun fid)er mar, bafe man auf ifyi
artete unb it)m jutjörte, lieg er barauf eine Stnbeutung beffen folgen, ma* man
it>m fdjulbig fei; benn er reifte in feinem ©ebidjte fort, tlagte über 2Rübigfeii,
2&ad)en, 9iad)treifen unb bie Abmagerung feine« männlichen ober toeiblicrjen JReit«
ttjiere*. 9tad)bem er fo mußte, bafc er bem, ju meinem er fprad), bie ^Berechtigung
feiner Hoffnung unb 6rmartung Don ifjm al« jtoingenb bargetegt, unb er ihm bie
au*geftanbenen 3JlübfaIe ber fReife gefdjübert trotte, fing er ba* Soblieb an, reigte
jenen baburd) 3ur £rtennt(id)feit unb trieb ihn jur Sfreigebigfeit an, inbem er ihn
über alle feineögleid)en erhob unb gegen itjn ben SBertlj alle« ©ro&en herabfefete." 1
9ftan tonnte alfo bic ßaffibe ungefähr a(§ SiebeSelegie eines fahrenben
Stifters befiniren, bie fchliefjlid) in ein SobeSgebicht unb 33ettetgebicfet auS=
läuft. $aS ift ba§ SBefen jahtfofer ßaffiben ber fpätem 3eit. 33et ben
OToallafät ift biefer finanzielle Gfwrafter beS feiten unb eigentlichen fyaupU
theilS noch nicht Dorhanbcn. 2ln Stelle beS bettlerifchen SobeS eines dürften
ober ©rofeen ftef)t hier junächft baS Sob beS Richters ober feines Stammes
ober ber eben borljanbene befiimmte ©elegenheitSftoff. 93ei breien ber WloaU
lafät ift cS eine ^riebcnsoerinittlung. 3mru ul=$ejS aber bleibt in feinem
ganzen ©ebidjte bei feinem eigenen Sobe ftef>en, unb ber arabifdje @runb=
ton jieht fieb bis ju (Snbe burch. 2öenn Öoethe mit bem „einstigen
3oneS" baS ©ebidjt „weich, froh, glänjenb, jierlich, mannigfaltig unb an=
muthig" ftnbet, fo ftnb fchon bic formellen SSorjüge beS ©ebichteS bamit fehr
übertrieben ; mit Sejug auf ben Inhalt ift biefeS Sob aber ganj berfebmenbet.
2öenn nun DoHenbs Jammer2 meint: „$er ©eift brennenber Siebe, welcher
bie ©ebiebte biefeS größten arabifeben, oorislamifcben Richters burchglüht,
ift ber beS £of)en Siebes", fo Hingt baS faft mie Öäfterung, ba biefe
brennenbe Siebe nur bie aflerrohefte Sinnenluft bebeutet, baS ©ebidjt, einige
fchöne Maturbilber abgerechnet, eigentlich feine höhern unb bebeutenben @e=
banfen enthält. @s ftel)t t)kx nicht ber tragifche Slönig bor uns, ber,
um feinen Sßater $u rächen, unftät oon Sanb ju Sanb irrt, fonbern ein
1 % f>. 31 ö 1 b e I e , Seiträge aur flenntnifj ber ^Joeftc ber alten Araber (C">an«
nooer 1863) ©. 18.
1 ßiteraturgcföjichte ber «raber I, 292. 295.
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9Utarabifd&e$ 2iid)terleben.
305
unbänbiger 2öilbling, bcr aus SobeSnotfj unb GtefaGr jum rofjen &enu|
fttirmt unb nad) furjer SBofluji roiebcr in flampf unb Abenteuer. 9(udj
feine Staturbilber finb feineSroegS fein, fonbern in urfräftiger $ractur, mit
bem $cgentnauf gewidmet.
3roifd)en JDbfjeib unb 3)ärcbfdj in* 3r*rne binflufpäbn,
Sag id) mit ben ©enoffen, ben Stegen anjufelnt,
SBon bem ber ©trieb; aur Wedjten auf ßatan feine Srlutfj,
3ur Öinten über ^abbbol unb glfitär entlub.
SJa roäljte bei Äoteifa ba$ äöaffer Sd)aum unb Sdjlamm
Unb warf auf« Stntlifc nieber ber b^o^en ©idje Stamm.
€d fuf)r öon ibm ein Scbauer bin über Sllfannan
Unb trieb be« SBerge* ©emfen bernieber auf ben ^lan.
3n 2cimä aber lieg er nidjt einen SPalmenftöaft
Unb tein ©ebäube, ba« nid)t oon Steinen bauerbaft.
3)a fab id), mie im (Suffe Xabir, bcr JBerg, baftanb:
Sin greifer Srürft, genudelt tuö fireiftge ©eroanb.
9)tobfd)eimtr$ Orflf*u3acfen, umtoorten x>om ©efträud)
$e* ©iegbad)«, fa^n bem SRocfen an einer Ännlet gletdj.
2. Xarafa.
9Jod) mef)r als 3mru uUÄejS trägt larafa baS ©epräge eines Ton
3uanS ber SÜMifte. (*r mürbe niajt alt, 20 ober ljö#enS 26 Saljre. ©d)on
als Äinb jeigte er aber groge Anlagen jum SBerfemaaVn. 911s er einmal
mit ben ©einen auf einer SBanberung bei einer Gifterne raftete, ftetttc er
9ie$e, um Serben ju fangen. $od) feine fam. (Srft als man auffag, um
roeiter ju reiten, [teilte fid) ein ganzer Sämann ein. $a madjte ber Änabe
bie folgenben Serfe:
§e bu 8erd)e bort in ben ©ebegen,
Sfrei ift ber Raum bir, ßter magft bu legen,
3mitfd)ern unb ftörner ptefen meinetwegen!
Sfort ging ber Säger, fturdjt barfft bu nidjt begen,
2>ic Sprenfel bob er ab, fei frob be*n>egen;
35od) gib nur ad)t, einft wirb er bid) erlegen!1
Söäljrenb er ein anbermal mit s3UterSgenoffen fpielte, trug ein Siebter
bor jaljlreidjem Wubitorium ein (ftebidjt öor, roeldjeS ein Daniel befdjrieb.
9liemanb beamtete, bajj babei baS Ütcittfner in ber einen Strophe als 9)caS=
culinum, in ber anberu als Oremimnum borfam. $er lebhafte tlcine SBurfdje
merfte es gleid) unb fdjric in bie erftaunte SSerfammlung feinem: „6d)au!
fdwu! $aS Äamel ift ju einer Alamelin geworben." £cr Xic^tcr rief i^n
$u fia) unb t)iefe ifjn feine 3»»9C Ijeroorftrerfen. Sarafa geljord)te. Sie
1 9tücfert, Jpamäfa I, 843.
SBoumaattner, aßcltlittratur. I. 2. «uTt. 20
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306 dritte* Sud), ßrfteö «apitel.
3unge war Don f* wärmer ftarbe, unb ber ärgerliche Ticfyer jagte : „$a$
ift eine 3unge, bie biefem tfinbe Unglücf bringen wirb!"
Unb fo mar e§. ^rüfj üerwaift unb beälmib in Ungebunbenrjeit auf=
gewadjfen, ergab fiaj £arafa fdwn in jungen Sauren bem Srunfe, bein
«Spiele, ber 2Bolluft unb allen fajledjten Seibenfdmften , fo bajj feine 25er=
wanbten nid)tä bon iljm mtffen wollten, wäfcrenb er, übermütig auf feine
SßerSfunft, in ben lag hinein lebte, ©ein älterer SBruber TOabab tabelte
ilm einft, bafj er feine Äamele frei laufen liefe unb bie 3«* mit 9?erfe=
machen bertänbelte. „SBarum gibft bu nid)t auf bie Kamele adjt?" fagte
er. „<Dceinft bu, beine 93erfe »erben fie bir jurüdbringen , wenn man fie
bir fliegt?" — „©ewife," antwortete Sarafa, wid) »erbe fie fünftig nod>
weniger bewadjen, bamit bu ftebjt, bafj meine $erfe fie mir jurütfbringen
tönnen." 9ticb,tig mürben bie Kamele geflogen, iarafa manbte ficb, an
einen Detter ftamenä ÜJiälit um &ilfe. To* biefer mies ü)n fjart bon
ficf>. $a oerfafete larafa feine SHoallala, worin er mehrere 91nfpielungen
auf 9)tältf§ £>ärte maöjte, aber aud) Slmr, ben <Sofm eineä reiben Cannes
Samens *Wortf)ab, begeiftert lobte. Tiefer füllte ftaj fo gef ajmeiajelt , bafj
er atebalb feine fieben ©öfpte jufammenrief unb fie aufforberte, jeber bem
Tidjter jelm Äamele ju geben. 9lud) brei 6nlel beä ©efeierten wollten ft$
für baä ü)m geinte Öob banfbar beweifen, unb fo l)atte Sarafa wieber
fcunbert Kamele, meljr als jubor.
3n feiner SJcoallafa fprid)t er bie SebemannSmoral biefer freien 2öüften=
fölme ganj unoerfroren au§:
O bu, ber bu bie Äampfluft, ben 3rrofifinn rüßft an mit,
Ste&t mir benu ju Herleiten Unfterbliä)feit bei bir ?
2) od) bift bu nid)t im ftanbe, ben lob $u galten fem,
Xann lafe mid), elj' id) fterbe, tfjun, mai id) tbue gern.
Unb menn nid)t mären brei 2)inge bem eblen ÜJtann jur Srreub',
9)lad)t' id) mir nid)« brau* toafjrlid), menn id) müfot' fterben Ijeut'.
2)a« ©rfl' ift, bafe id) Soblern juöoraulommen toeife
2)urd) einen »ed)er »eine«, gemtfdjt mit 23ßaffer tjetfe.
33a3 Smeit' ift, bafj SBebrängtcn id) eil' jur §ilfe bafj
Stuf einem sterbe bäumenb, rotlb mie ber SEßoff ©abafl.
$>a8 Sritt' ift, bafe, menn'8 nebelt unb Diebel aud) gefällt,
3ld) mir mit einer @d)önen bie 3*»* öerlürs' im 3«It,
Seren öufe« unb Hrmbänber am »aumeaftamm Ofdjar
3u Rängen fd)einen, ober am Söunberbaume gar.
©in ©bler ftittet feinen Surft, toeü er Sage jät>lt,
ÜOtorgen, menn tobt mir, mirb man feb,n, men ber Xob nod) quält.
3d) fel)e, bafe ber Kargen unb ©ütergier'gen ©rab
3P tote boö ©rab be« groben, ber nidjt fd)ont feine ^ab'.
S)u fief)ft jmei ßrbenbügel, auf i^nen Steine f)art
SJtit anberen ©efteinen, im »oben feft, gepaart
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«Itarabiföe* 2>id)terleben.
307
3dj Te^c, bafe hinraffet bie Gbelften ber %ob,
Unb bafc er audj ben ©eij'gen mit ©uttöerluft bebroht.
3<h fef)e, bafc baä fieben ein ©d)afo, ber jebe 9ladjt
Abnimmt, unb toaä bie Sage abnehmen, baS jerfracEjt.
Sei beinern fieben! fiefye, ber @d)leidjer aUbefannt
3ft tt)ie ein ©trief, be$ €nbe liegt in be« Birten #anb
5Wad> biegen £eben£grunbfäfcen waren bie burch bal ^reiSgebicht er*
morbenen hunbert ßamele balb mieber burchgebradjt, unb Sarafa faß abermal
auf bem Srorfenen. TO feinem mütterlichen Ob>im $fdwrir, befannter unter
bem Didjtemamen ?Kotelammte, jog er an ben $of Don £nra, roo Damals
5lmr regierte, berfelbe, ber jeitmeilig bem umherirrenben 3mm ul=£ejs
Sdnrm gemährt b,atte. 9lmr nahm fte fehr mohlroollenb auf unb machte
fie ju (Befellfdjaftern feines ©ruber* ßabüS, welker il)m einft in ber 9tegie=
rung folgen foflte. tiefer mar ein 6chmelger unb Schlemmer mie bie
beiben dichter, b,atte jeboch feine fultanifdjen Saunen, quälte fte mit $arforce=
jagben unb b^ielt bann tagelange Sdjmelgerei , ohne fie beiju^en. $)a§
erbofte fie, unb 2arafa »erfaßte auf ßabüS ein bittere* ©chmähgebiä)t,
baS gelegentlich; bem Äönig 51mr $u Chren fam. 2U§ er fich boüenbS
herausnahm, an ber $afel beS ÄönigS felbft beffen Sodjter beleibigenbe
Anträge ju machen, befchlofe 91mr, fich ber jmei ^arafiten ju entlebigen.
@r fnüpfte bei einem Don ihnen geäußerten 2Bunfche an, ihren Detter Wbüs
Äarib (genannt 61 *Dcufabir) mieberjufehen, ber als (Statthalter unter per=
ftfeher ^>o^eit baS Äüftenlanb £ebfchar ober ©ahratn regierte. 3U biefem
entließ er fie mit angeblichen ÖmpfehlungSfchreiben , meiere aber in 28irf=
lichfeit i^re foforrige Einrichtung Derfügten. $od), mie föüdert finnig eS
auSbriicft, bie jtoei dichter
Äonnten füredgen unb fingen tooljl
Sdjöne Sieber unb Sieben,
Sdjöne ßieber unb Sieben, bie
3efet Don tfjnen nodf) bleiben;
Hber lefen tonnten fte niä)t,
SEÖebcr lefen nodj fd&reiben.
SJiotelammis mar tlug genug, feinen ©rief untermegS ju öffnen
unb fidj Don einem mefopotamifchen (Sh"fien lefen §u laffen, morauf
er ben ©rief in einen ftluß warf ""b feinen Neffen aufforberte, baS=
felbe ju thun. Sarafa berabfäumte eS, in feinem treuherzigen 2eid>tfinn,
biefem flugen 9tath ju folgen, gab feinen ©rief ab unb mürbe, gemäß
ber Verfügung beS ÄönigS, lebenbig begraben, etma um baS Safjr 563
ober 564.
' 2öolff, SttuaUafat 6. 25 ff. 456-468.
20*
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308
dritte* »ud). €rfte* Äapitel.
3. OärtH).
jparitfj, ber Sobn bes ^iflijc, gehörte bem Stamme ber $enu=$cfr
au. Seine Etoaüafa rourbc beranlafjt burrf) einen Streit btefcs Stammes
mit jenem ber lagtyltb. 9?ad) einem üieräigiäfjrigen Kriege (bem fogen.
Äriege ber 33affü§), ber burd) $fufd)erei bei einem ©ettrennen Deranlafet
mürbe unb bann ungejätjlte TOenfdjcnleben üerfd)lang, waren bie jroei Stimme
übereingefommen , beiberfeitS eine Wnjafjl junger tampffäbiger TOnner aß
®eifeln an ben &of beS ßönigS bon &ira ju fenben. Unter bem Äönig
2tmr, Sofm «Dtunbln'rä III., gefdjal) es nun (um 562), bafc bie Öeifeln
ber Sagljlibiten auf )*ein ©efjeijj in bie ©erge ber SBenu=2aij jogen unb
niajt me^r jurüdfamen, fonbern in ber SSüfte berf$mad)teten. Cb fic fiaj
Don fetbft »erirrt ober ob fie abftdjtlicb irregeführt morben, roeifc man nid) t ;
genug, ber Stamm ber $agf)lib ma#te ifjrc alten StammeSfcinbe, bie 53enu=
5öefr , bafür oerantmortlicb , berlangtc bon Urnen 93tutgelb unb forberte fie,
als fic fid) beffen meigerten, bor ben Sönig ju öira als Sü>ieb§rid)ter.
93or feinem Sbjone brof)te ber alte, unfelige 3roift aufs neue emporjulobern ;
bie SBortfüfjrer ber beiben Stämme marfen fid) bie tjerauSforbernbften Örob=
Reiten an ben ßopf. Vornan, ber Äebner ber 33enu=$efr, bcleibigte fogar
ben ftönig, ber fieb }u ben lagljlib hinneigte, tiefer jürnte fef)r unb ftanb
auf bem fünfte, Vornan bindeten ju laffen, als £äritl) im tarnen ber
SBemuSefr jum Söorte griff unb aus bem Stegreif baS ©ebi(bt beclamirte,
baS fpäter unter bie Üttoaflafat aufgenommen mürbe.
l*S beginnt nad) ber brcgebradjten Sdjablone mit met)inütf)igen ($r=
innerungen an eine frühere Oicliebte (bie biet ^Sma heißt), mit bem üb=
lid)en Selbfttroft unb mit ber 3kfd)rcibung feines ßameleS. !ßon 5BerS 15
an gebt ber $id>ter bann ju bem obfebmebenben Streitfall über unb ber=
tf)eibigt feinen Stamm nad) befiten Gräften, unter fd)meid)cll)after £ulbigung
für «mr ben &inb, ben föniglidjen Sd)iebSri(bter.
^äritb, fprad) mit folgern fteuer, bafe bie Spifcc beS 33ogenS, auf ben
er fid) ftüfcte, in ben £anbbaücn einbrang. &3eil er am Wusfafc litt, bette
. man eine lopete jmifd)en ifjm unb bem ßönig gefteüt. tiefer mar aber
bon feiner ©erebfamleit fo entjürft, bajj er bie lapete megnetjmeu unb itjn
jcbliefilicb an feiner Seite fifeen liefe.
4. 9(mr ibn ftuItQum.
5)er Spredjer ber Sagljlib bei biefer ©elegcnfyeit mar 21mr ibn Äul=
tfjum1, ein gemaltiger Werfe, beffen Butter Saila fc^on in ber Sage eine
1 Amrui ben Koltlium Taglebitao Meallakam etc. edidit, in lat. transtulit etc.
L. Kosegarten. Jenao 1820.
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SUtarabifäeS 2>iä)ttrlebeii. 309
Stolle fpielt. Sie f)ätte nach bcm barbarifchen ^Brauch ber Araber gletd^
nach ihrer ©eburt lebenbig begraben toerben foflen. $er Stoter ^atte fchon
ben 93efef)l baju gegeben ; bod) bic Butter £)inb liefi baS Slinb burch einen
Sflaben berbergen, unb eine rounberbare Stimme begütigte ben Sitoter, in=
bem fie ihm Derfproc^ , bafj baS &inb einft bie Butter eines aufterorbenfc
Iicr)en gelben tüerben foflte.
9Jad> bem Berichte beS 9lSmai beantwortete %mx ibn Äultfjum bie
Hiebe ^)ürit^§ ebenfalls mit einem ©ebiajt, nnb jroar mit ber iljm 3U=
getriebenen 9)toaü*afa. 35er tjodjfafyrenbe Zon, ben er anfing, oerlefcte
aber ben Äönig, unb biefer entfdjieb, bajj bie 33enu:5öefr ben 2agf)libiten
fein 33lutgelb 311 entrichten brausten, unb gab ben erftern ihre (Beifein
heraus. $0$ lieft er benfelben erft baS Stirnhaar faseren unb gab baS=
felbe ^>äritr), 311m 3c^cn» ^aft ^m tyrc ^Befreiung banlten.
9lmr ibn Äulthum beginnt feine 9Roaüafa bamit, baft er $)inb, bie
SJtutter beS SiönigS, aufforbert, ben guten 23ein bon (Snberun im Ä reife
herum ju frebenjen. Sann fommt er auf ben obligaten 2lbfcr)ieb öon
feiner (Beliebten, bie mit fefyr mafftbem OtenltSmuS befchrieben roirb. ßnblidh
(Herl 23 ff.) rebet er ben ftönig Slbü £)inb an unb rühmt if)m in f)ofy
mütfngem, anmafjenbem Ion bie ÜUorjüge, £>elbentb,aten unb ben friegerifchen
©eift felbft ber Leiber feines Stammes.
9luf biefeS £ob waren bie Saghlibiten fo ftolj, baf; baS ©ebid)t baS
allgemeine ßieblingSlieb beS Stammes mürbe, baS jeber ausmenbig roufjte.
9luf ben Äönig Don £>ira machte es aber jetyt mie fpäter fo menig ßüu
brurf, bajj er eines SageS feinen Söflingen bie ftrage borlegte, ob es roofjl
einen Araber gäbe, beffen Wutter fid) weigerte, feiner Butter bei 2ifch ju
bienen. 9US fte fagten, ein folajer märe 9lmr ibn Äultfmm, lub ber ßönig
ib,n nebft feiner Butter ju fieb, ein. Sic tarnen mit großem ©efolge bon
Äriegern unb grauen. 3>er $önig lub ben Häuptling ju fid) in ein
prächtiges RtÜ, beffen Butter Saila 311 feiner Butter £>inb in ein fleinereS
3elt, fyaxt baneben. 3n beiben Qtlten 9*n9 anfangs ganj höflich, ber
(Stilette gemäB ju. 911» aber beim 9iadf)tifch bie #önigin=9Diutter £)inb bon
£aila berlangte, baß fie ihr eine Sdjüffel reichen foflte, antwortete biefe:
„3öer etmaS nötljig hat, ber foll aufftehen unb fid) felbft bebienen." Sa
£>inb ihre 3umu*hun9 6efer)lSt)aberi[db mieberholte, fchrie Caila laut auf:
„O Sdjmacb,! 0 Schanbe! herbei, Staghlib!" Raum hörte baS ihr Sohn,
ba riß er baS Schwert beS &önig§, bie einzige 3£affe im 3^ bon ber
2öanb tyxab unb fpaltete bamit bem #önig ben Äopf. 9luf feinen 9tuf
ftürjten fid) bann feine Seute auf baS 3e^» plünberten es, raubten bie
^Bferbc beS ÄönigS unb entflohen mit ihrer 53eute nad) ihrer ^eimat.
Sie 9?ad)fommen beS Königs maren 311 fchroaa^, um ben 5)iorb ju
räd)en. 9(mr ibn Äulthum aber lieferte noch biele anbere £>elbenthaten unb
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310
dritte* Sudj. Grfte* Äapitel.
SBerfe unb fod 150 Saljre alt geroorben fein. Seim £erannaf>en bcS $obeS
oerfammelte er feine Söfme um fid) unb fprad) alfo ju Urnen:
,,3d) fjabe länger gelebt als irgenb einer meiner 21önen; id) gefje jefct
£U iljnen ; empfanget roeifen 9fatf) aus meiner Srfafjrung. So oft id) einen
mit 9ted)t ober Unredjt gefabelt, traf mid) gleidjer 2abel mit 9ted)t ober
Unredjt. 2öer angreift, mirb wteber angegriffen, ©eleibiget barum feinen;
baS ift baS flügfte. Seib toofjlrooOenb unb ebelmütljig gegen eure ffreunbe
unb 9?ad)barn; baS ift baS Littel, Wartung ju geminnen. Sulbet nid)t,
bafj man einen ^remben beleibige ; e i n SWann wiegt oft % aufenbe auf. @S
ift beffer, eine ^orberung abjutoeifen als ju öerfpred)en unb nidjt ju galten.
Söenn einer ju eud) fpridjt, fo höret aufmertfam ; roenn iljr fprec^ct, fo feib
lurj; lange Sieben finb nie frei oon $fjorf}eit. $er tapferfte ftrieger ift
berjenige, ber nidjt mübe wirb, feinen Angriff ju erneuem, unb ber fd)önfte
$ob ift'S, im Kampfe ju fterben. 9ld)tet nid)t beS 9)tenfd)en, ber im Qotn
alle 9tütfftd)t üergifjt, nod) beffen, ber auf freunblidje 5J?afjnung eud) feine
©enugtljuung gibt. (SS gibt nichtige 2ttenfd)en, oon benen nidjts ju hoffen
unb nidjts ju fürd)ten ift ; gebt eud) feine 9Hüf)e, fie ju geroinnen. CSnbiidi
ne&mt feine SBeiber aus eurem Stamm ; bergleidjen @^en ftiften oft ^einbs
fdjaft unter ben ^öntilien."
5. Sebib.
3?on ßebtb, bem Soljn beS 9tebia, finb feine Äampfgefdjidjten erhalten,
bagegen mandje Wnefboten, bie ibn als $id)ter feiern, (5r fjielt 3»nru ul=#ejS
für ben erften, Sarafa für ben jroeiten, fid) felbft aber für ben brittgröfrten
$id)ter \ (5r lebte gegen 90 3abre in ber 3eit ber Barbarei, ging mit einer
®efanbtfd)aft beS Stammes Äelb ju Elo&ammeb, nabm beffen Setyre an unb
begleitete tyn auf feiner f^ludjt nad) SRebina. (£r überlebte ben ^ßropfieten unb
liefe fid) unter beffen 9tad)folger Cmar in #ufa nieber unb foll ba im Hilter
Don 145 ^aljren geftorben fein. 6s merben 9tofe angeführt, bie er in feinem
120. unb in feinem 140. 3af)re gebidjtet baben foH. 9tad) anberem 3Jerid)t
foll er nad) feiner 5Befel)rung nur nod) einen $erS gebietet fjaben:
2Wah, fei Sanf, baß er ben 2ob nirf>t eh'r mit fanbte,
m* bis aefdjmüdt id) mar mit beS 3«länt* ©emanbe.
9tfof)ammeb fonnte felbft nid)t regelrcd)t bieten unb mar ber ^oefie
überhaupt burd)auS ab>lb. 911S djaraftcriftifd), toenn aud) nid^t biftorifd),
1 ©eine ajloaüafa fjerauägeg. öon 6ilö. be Saci) (3lnf)ang ju ChIUa et
Dimna. Paris 1816) unb ei per (»reälau 1828). — Sein 3)itoän toutbe erft
jftngft entbeeft unb tteraudfieg. öon 3üfuf 2ijö ab^bin al = G()altbi (2Öien 1880);
31 nt. Jg»uber (ßetben 1887); 6. SB r o cf et mann , Sie @ebid)te beS ßebib. ßeiben
1892. — üöfll. Sloane, The poet Lebid, his life, time and fragmentary writings.
Leips. 1877. — ü. «rem er, Weber bie ©ebiebte be« Bebib. SOSien 1881.
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3Utatabnri)C3 $td)terleben.
311
mag bed^alb ein ©efd)id)td)en gelten, roonad) Omar einft burd) Wugaira,
ben Statthalter öon #ufa, ben in Äufa lebenben $id)tern ifjre nad) iljrer
Seterjrung jum Ssläm berfajjten ©ebid)te abforbern liejj. $er $id)ter Mglab
lieferte bie feinen alSbalb ein. Cebib aber fajrieb bie sroeite Sure bes
Äoränä ab unb übergab ftc bem (Statthalter mit ben Söorten: „2)aS r)at
mir ©ott gegeben, bafc es mir bie ©teile ber $oefie erfefce." $er ftyalif
fe^tc barauf EglabS 99efolbung Don 2500 Denaren auf 2000 herab, üer=
mehrte aber bie be§ Sebib öon 2000 auf 2500. $od) befam aud) Slglab
mit 9iüdfid)t auf jeinen guten 2öiUen, ben er burd) rafd)e (Sinreid)ung feiner
33erfe an ben $ag gelegt, bie abgezogene Summe »ieber.
SebibS SRoaUafa ijt ruhiger als bie übrigen. !Rad) elegifd)er £lage
über feine untreue ©eliebte 9toroara befdjlietit er, eine neue ju fud)en, unb
fo fommt er barauf, fein Hornel ju befdjreiben, auf bem er bie flieife
madjen miß. 6r oergleid)t es mit einer 2öolfe, einer flüchtigen ßfelin,
einer roilben ßuh, roaS einige fd)öne 9iaturfd)ilberungen oeranlajjt. $ann
oerfünbet er felbftberouBt fein eigene* Sob unb baS feines Stammes, burd)=
aus nid)t nüd)tern, fonbem redjt mann, menn aud) gegen 6nbe etmaS
fcntentiös.
6. 3"hcjr.
3u^ejr, ber Sol)n beS 91bü Solma, gehörte bem Stamme ber SRoaeina,
einem Seitenftamm ber ©enu^emim, an. Sermanbt mit ben 9)iurra bon
Sljobiän, Derljerrtid)te er mehrere TOglieber biefer Familie. Seine erfte
grau hie» UmnuHufa; ba it>rc ßinber in frühem Wter jtarben, entjmeite
er fid) mit ifjr unb oerftiefc fie, um eine jmeite tye einzugehen ; bod) füllte
er barüber fpäter ernftlid)e 3teue. Um 627, faft ijunbert 3ahre alt, traf er
nod) mit Sftoljammeb jufammen. 2US biefer ihn fal>, fagte er: „Mal)!
bemale mid) oor bem Teufel, ber biejen Wlmfäm infpirirt!" Darauf
toll 3«h«F feinen einigen SJerS mer)r gemalt haben.
Seine 2HoaHafa üerfolgt ben 3roed, bie jroei Stämme ber 2ibS unb
ber Dobian miteinanber aussöhnen, roeId)e nad) bereits oierjigiahriger
öFe^be beinahe im Segriffe jianben, bie angefnüpften ftriebenSunterhanblungen
mieber abzubrechen unb abermals ju ben Staffen ju greifen, ftad) bem
üblichen, ber grau gemibmeten gingang menbet er fid) in fraftüoUer Spraye
an $ärith ben Stuf unb &arem ben Senän, bie jmei Männer aus bem
©efd)led)te ©aitt) ben Etorra Oon £h°biän, meldje bem Stamm 91bS gegen=
über bie Slutfüfme übernommen Rotten, inbem fie fid) erboten, jebem biejeS
Stammes, ber einen lobten ju räd)en fmtte, bie 9iad)c burd) eine Slnjahl
oon Kamelen abzulaufen.
»tim £au8, um mcld^S mallen mit betenbem ©eräufö
35te 9Jtänner, bie e8 bauten, t>on SEföorljam unb ßoraifö,
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312
dritte« S3ud&. ßrfte* ftopitel.
Sd)toör id)'*, bafe iljr erfunbeu feib als bie ^rürftcn 3toei,
Ginfudjes unb Jöerfdjlung'nes ju orbncn, mas es fei.
SJon ©aitb ben SDlorra matten jmei eble 2Mnner gut
$as junfdjcn Stammoermanbten fo lang ocrgoff'ne SBlut.
$urd) tili) finb 9lbs unb 3){>obiatt nun ausgef&bnt geblieben,
3)ie mit ber Salbe 9)tanfd)ame einanber aufgerieben.
3t)r fpradjet: äöemt ermirfen mir lönnen bin ben ^rrieben
3>urdj ©ut unb gute 9Borte, fo ift und fceil belieben.
$tix babt ibn loofjt unb glücflid) ju folgern 3»l gelcnft,
2Bo niemanb ift bcleibigt unb niemanb ift getränft.
©rbabne auf ben Sftrflen aJla'abbs! ©Ott leitet eudj,
Uöer feinen Sdjafc ber 6bre aum Opfer bringt, mirb reid).
£>te SBunben fyaben taufenb ftamele f)til gemacht,
SBon Scannern, bie ben Ärieg nid^t oeridjulbet, bargebradjt,
3a, bargebradjt öom SJolfc ju JBolI als SBlutfdntlbjoll,
$a fte beo SBlutö öergoffen fclbft feinen Sd&röpffopf Doli.
3)a mürben rcid) bie Seute Don eurem grbbeftfc
9ln jäbrigen ftamelen, an beren ßbr ein Sd)Ii&.
Sie, bie ber IBlutburft lange getoeibet, unb jur Ölutb
Jpinabgeftiegcn, meiere Don SGßaffcn fd)äumt unb lölut
3>ort fpenbeten einanber fte bes Jöerberbens 2ranf,
Unb fudjten bann bae Ofutter, ba* übel mad)t unb front.
$odj eure Sanken ttiabltcn ntdjt 311 bes Orreöeld 3iel
3>en 58en 9tuf)ei(, nod) jenen, ber auf üftutballem fiel.
Sie mürben nidjt im flampfe 00m Glitte 9iaufals rotb,
2) ie Uncrfdjrocfuen, ober 0011 23en üUubaffcms Üob.
9lun fei)' id) gleidjtoobl ieben Don eud) 511m SJlutablauf
$en Hern ber fterbe treiben ben $>ügell)ang hinauf,
3ur Sicblung eine« Stammes, ben feine fteinbe fdjeun,
3) er mebvbaft in ber 9tadjt ift, mo ibm ©ef obren bräun;
9ln bem baö Qid ber 9iaä)e lein ©rollenber errcidjt,
9liis befielt Sdjufo fein tJreüler mirb ausgeliefert leid)t.
D ebler Stamm, an meinem fid) Sbambljams Sobn £>uffein
Berging, als ben Verträgen er ftd) entjog allein;
£>cr in bes Sufens galten ben ©rimm »erborgen trug,
3bn bütenb, bufe ju früb er baraus betoor nid)t fdjlug.
6r bad)tc: Grft toollbrtng' tcb mein 2öerf unb fd)trme bann
9)lid) oor bem Örcinbc btnter bem $cer üon 9to& unb Wann.
Sa mad)t er feinen Einfall, nid)t fdjeuenb 3C^ an 3*1*.
Seit <piafc, wo il?r JRaftlager bic ©eiermutter l)dlt,
2)en y\a\$, mo ftd) ber Söme bebnt, ber in 2öaffeu ftarrt,
33er mäbnige, bem niemals bie Älau' befdjnitten marb;
S?cr fubnc- ^ft» beteibigt, JBeleibigung gefdjminb
Sücrgilt unb, unbeleibigt, JBeleib'gung felbft beginnt.
C bring ben SBunbsgenoffen oou mir bic ÜBotfdjaft nur,
Unb aud) bem Süolf oon 3?bübinn: ffiergeßt nid)t euern Sdjmur!
Jüerberget nid)t oor ©Ott, loa* ibr fjegt in eurer ©ruft,
2Jerbeimlid)cnb! 2ßas ©Ott ibr oerbergt, ift ibm bemüht;
Sei es nun aufgel)oben unb in bas 2Jud) geftellt
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I
Sltiarabifdje* 3>«b>rteben. 313
3um lag bcr SRedjnung, ober bie Strafe gleid) gefaßt.
35er Ärieg ift, tote gefoftct U)r babct fein ©erid)t,
Gin nid)t vom §örenfagen mutbmaf$Iid)er Söerid)t.
3a, mo ibr tt)n ertoedet, crtocdt ttjr eine Sd)anb',
Unb too ibr auf ifyn ftöret, ift aufgeftört ein JBranb.
2?as Sßefj toirb eud) jermalmen, fdjtver toie ein ÜJMbtftetn rubt,
3weimal im 3abj toirb'« b>den unb werfen 3toilling«brut.
60 toirb eud) flnaben ^ecfen, bie einft eud) mad)en flbbnen,
2Öie Slbmer Sab, unb toirb fte gro&fäugen unb enttoöhjien.
61 wirb eud) Segen tragen, be&gleidjen ^xqU i$cib
91ie eintrug feinen Stauern an Steffeln unb an ©elb.
od) bin ber 8ebcn«mübfal getoorben fatt; unb toer
©elebt f>at adjtjig 3«b>, 0 glaub mir, fatt toirb ber.
3* toeife, toa* ba ift bleute unb loa« ba geftern war;
SEÖaö aber morgen fein toirb, ift mir nidjt offenbar.
3$ fab ba« blinbe Sä)irffal umtaften nadj bem ^rang:
Söen'8 greift, ber ftirbt, unb toen e« verfeblt, ber altert lang.
Söer fid) nicr)t in bie Seute vielfältig fd)iden !ann,
$en toirb ein §uf b^ier treten unb betfeen bort ein 3ab>.
2öer feine 6bre tvabret mit $ulb, ber rvarjret fie;
Unb tver nidjt Säbel fdjeuet, entgebt bem Säbel nie.
2öer ©tite« bat ju fpenben unb farg es Vorenthält,
$en fd)ilt man, unb entbebrlid) mad)t er fid) felbft ber Söelt.
2Öer SDJort rjält, meibet JRüge; unb 10er 31a ftilten ^flidjt
Sid) mit bem ^erjen toenbet, Tommt ins ©ebränge nid)t.
ittorm Stricte be$ ©efdjtde« toer flief)t, ben toirb es fafnt,
Unb legt er an ben Gimmel Stridlcitern felber an.
2od) toer bie Jpulb bintuenbet, too fie nidjt angeivanbt,
$em toirb ba« fiob 311 Säbel unb 9teu' toirb ibm befannt.
9ßcr trofct bem ftumbfen ©nbe ber 8an3e, bem gebeut
mit Sd)red bat fd)arfe Cb're, tooran bie Spifce braut.
$)od) toer nid)t feinen Brunnen mit Staffen febftfeen rann,
Steifet felbft ilni ein; unb ben, ber nidjt angreift, greift man an.
SEßcr in bie Srterabe toanbert, verliert ben JJreunb ju £>au«;
Unb toer fid) nid)t auajcidjnet, ben 3eid)net niemanb omö.
3Öer alle* fid) läßt bieten, toa« immer man ibm beut,
Unb leiner Sd)mad) fid) toeigert, ber tjat'd julefct bereut.
3öa8 immer ift im 9)lenfd)en von augebomer 2(rt,
£b er'« verborgen r^alte, bod) bot f,aVä offenbart.
Jpat irgenb bir gefallen ein ÜJlann, folang er fdnoeigt ;
Sobalb er rebet, fällt er im Söertb bir ober fieigt.
35e* 9»enfd)en 3ung' ift b,alb er, unb balb ift er fein SDtutb;
$a* übrige an ibm ein ©ebilb au* &leifd) unb SBlut.
3>er Xborbeü eine« ©reifen folgt feine 2Bei«beit nadj;
2 od) toenn ein J^fiiigling tfjöret, fo tverb' er toctf bernad).
3/u bateft unb man gab bir, batft ivieber unb man gab
Sir toieber, bitte toeiter, unb enblid) fä)lägt man'« ab1.
1 9t ftdert, Jpamdfa It 147—151.
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dritte« SBu<$. «rfte« ßapitcl.
7. Wntara.
£ie abenteuerliche ©eftalt unter biejen aitarabifa)cn Barben ift nä*ft
3mru ufcÄejS entfeftteben flntara, ber Solm beS Schebbäb Pom Stamme
9lbS unb einer abeffinifchen Stlapin Kamen« 3ebibe. Gr hatte ben Seinamen
„Wntara mit ber öafenfdjarte" unb mar einer ber #auptf)elben in bem
„tfrieg um bas ^ferb $äf)iS", melcher Pierjig Sahre long jmifdjen ben
jmei Stämmen ber 2Ibs unb ^^obiän müthete. Gin anberer Beiname,
„ber 9tabc", bejog fich auf feine fchmarje ftarbe unb feine 9lbfunft oon
einer Siegerin. Wad) bem beftehenben Brauch mar er als Sof>n einer Sflabin
ebenfalls Sflaoe unb hütete als fötaler bie Äamele feines BaterS. Kalbern
er mieberholt groben feiner Alraft unb Sapferfett gegeben, ging er feinen
Bater um bie ftreifjeit an. tiefer roieS ilm unmilltg ab. Sticht lange
banach, bon geinben umjingelt, faf) ficf> Schebbäb genötigt, feinen Sflaben=
folm um £)ilfe anzurufen. „©reif an, Wntara!" rief er. — „(Sin Sflaoe",
ermibertc Slntara, „ift nicht jum ßampfe gemalt, er fann höchftenS Äamele
Hielten !" — „©reif an, $ntara!" mieberholte ber Bater, „bu bift nicht mehr
Sflabe, bu bift frei." Äaum hatte Mntara biefe 3ufta)ernng, fo führte er
fich auf bie freinbe, befreite feinen Bater aus bem ©ebränge unb jagte ben
tfrinben aüe ir)re Beute ab. Bon ba an mar er überall mit babei unb
zeichnete fich als ßrieger mie als dichter aus. £ie flogen Araber tonnten
aber feine Mbfunft niept oergeffen. Stadlern er einmal ben Stammeshäuptling
ÄaiS unb oiele feiner StammeSgenoffen Pom fichern Berberben fretgefämpft,
fagte tfaiS: „2Öir banten unfere $>aut bem Sohn ber Siegerin." 211S Slntara
baS hörte, machte er ein längeres ©ebiebt gegen ßais, marin er fagte:
JBon 9lb« flamm* tä) jur fcälfte unb führe reine« Blut,
$ie anbere $älfte aber fäjirmt meine« ©äjtoerte« £>ut.
SÖenn Steffen ftoljer Cnfel unb Tanten jittemb ftefm
Unb jagenb ftä) ankarren, barf id) mid) raffen fefjn!
&}ie bie Sage melbet, freite er um 9tbla, bie lochter feine« oäterlichen
CfmiS SWälif, unb hatte, nachbem er biefem unb feinem Sofme 9lmr grofee
Xienfte geleiftet, bie 3ufogc jur &eirat erhalten. £od& beibe betrachteten
bie Berfd?mägerung mit bem Sofjne einer Sflaoin als eine Sä)mach unb
festen beSfjalb als Bebingung ein fef)r gefährliches Unternehmen, in melchem
nach ihrer Berechnung Hntara unmöglich mit bem Seben babonfommen
tonnte. 311s Slntara jebod) über olle Gefahren triumphirte unb 2Rälif
feinen Bormanb mehr hotte, machte er fich mit feiner ganjen ftamilie auf
unb babon unb liefe fich fern bon feinem Stamme nieber. Slntara liefe fid)
inbeS in feiner Ciebe ju 91bla nicht irre machen. 9US berfchiebeneS Unheil
über bie %i)x\$m hereinbrach, eilte er als SRetter ^erbei unb gemann enblich
burch feinen Gbclmuü) bie $anb ber erfehnten Braut.
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Sie altarabiftfje $iä)tt«tQ unb ba* Ctyriftentftum. 315
3n bem langen Kampfe feinet Stammes miber bie $)b,obiän jcid^nete
er fidj roieberfyolt aus. 3n bem Kampfe ju 2)f)u=l=9Dtoraiiib töbtete ei
$(jambf>am, einen ber tapfcrficn 3Wurra=#rteger; am $age bei ftoruf befreite
er baS ftarf bcbrotyte Sager. 6r überlebte ben ganzen Ärieg unb ftarb erft
furje 3*it bor 9Jtof)ammebS Auftreten (etma um 615). Heber bie 9(rt feines
2obeS gefyen bie 9ladjrtdjten auSeinanber. 9Wofjammeb fofl bon ifnn gejagt
Ijaben: „(SS ift mir noä) nie ein Araber fo gefdjilbert morben, bajj id) Suft
befommen f)ätte, ifjn ju feljen, aufier $ntara."
tiefer WuSfprud) Ijat mof)l mit beigetragen, bafe Slntara bon ad ben
gelben ber alten 3fit ber bolfStf)timIid)fle gemorben unb geblieben ift. 3Die
bieten Abenteuer, bie er um 9lblaS mitten beftanb, mie bie $elbentfjaten, bie
er für feinen Stamm berridjtete, lebten in Sieb unb Sage fort unb würben
in ber O^lge immer roeiter auSgefponnen. 6in fpäterer Sd)riftfteller fammelte
all biefe (#efdnd)ten, berbanb fie mit einer SRenge bon 3ügcn aus ber 3*it=
gefdndjte, bie er aus alten Sdjriftftellern mie 91Sina'i unb vHbü Cbeiba
fdjöpfte, fpann bie gegebenen (Sinjelfyeiten metter aus unb fdmf fo einen
^iftorifrt)en Stoman bon gemaltigem Umfange. 3>n ^olioauSgabe fütft ber=
felbe 10 93änbe, in Cctab 36 SBänbe. £aS 2Berf gibt ein überaus treues
33ilb bon bem Seben ber alten 93ebuinen, beren Sitten im Saufe ber Qt\l
fiaj taum beränbert t)aben, bon itjrer ©aftfreunbfa^aft, i^rer furdjtbaren 9Had)=
fudjt, iljren SicbeSljänbeln, iljrer ^reigebigfeit, tyren Staubjügen, if)rer Siebe
jur ^3oefie. ÜRefn* als irgenb etroaS anbereS jeigt biefer 9toman, meldfrer
pra$tooUe Stoff ju großem epifdjen SBerten bei ben Arabern borljanben
gemefen märe, roenn nidjt barbarifdje 9taufluft unb fpöter ber Fanatismus
beS SSlämS alle ^ö^ere Silbung für ^abjfjunberte jurütfgebrftngt Ijätte.
Zweite« tfapitet.
5>ie attaxabifät 5>i^fung unb ba* &tyx\ftmt§nm.
$ie Woallafät bejeidjnen rooljl ungefähr ben ßljarafter ber altarabifdjeu
^oefie überhaupt unb ben £>öfjepun!t, melden fie bor SWoljammeb erreiajte,
bilben aber nur einen jiemlicb, fleinen 93rud)tljeil ber $ebid)te, roeldje menig=
ftenS in fpäterer Raffung unb 9tieberfd)rift fid) aus jenen lagen bis auf
unfere 3*it erhalten Ijaben. Senn mir beSljalb ben boriSlamifdjen 58ilbung*=
ftanb ber Araber niajt einfeitig beurteilen roollen, müffen mir ben Sölicf
aud) nod) auf einige anbere $)idjter riä)ten, meiere neben jenen ber si)foallafät
gropeS ftnfefyen erlangt fjaben, fomie auf bie Sammlungen, in melden
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316 Sritie* »udj. SweitcÄ Äajütel.
Stüde tum mehreren Rimbert $)id)tern Dereinigt finb, enblid) auf bie feit?
famen Ueberlieferungen, meldje bie (Sjiftena altd)rifllid)er ^ic^ter, wenn nidjt
mit <3id>erl)eit, bod) mit großer 9öaf)tf#emlid)feit Derbürgen.
1. *Räbigl)a, ber $>ofpoet Don £ira.
9Us ber bebeutenbfte £id)ter neben 3mru uU&t'ß galt bei ben Arabern
felbfl nid)t einer ber fed)3 anbern Woallafätbic&ter, fonbern 9läbigfm £^o--
bjäni, b. f). oom Stamme Dobian1. @r lebte etma bon 535 bis jum
(Snbe be* 6. ^a^rfjunberts unb ftanb in tjotjer ©unfi bei bret aufeinanber
folgenben Königen Don £ira, bei 9)iunbl)ir III., SJiunbfnr IV. unb bei
befjcn Sofm Vornan V. 2lbü $abü§. @r mürbe für feine 33erfe fo reidjlidj
bon iOnen befdjentt, baß er bei Safel nur mcf)r golbene unb filberne Öefäjje
gebraudjte. 2£ir (jaben feine eingeljenbe Sd)ilberuug be§ ^>ofeS Don £ira;
bie 8tabt lag inbe* nur etma Weilen füblid) Don bem einftigen Stabnlon,
am Gubljratftrom unb ftanb mit bem glänaenben ßaiferljofe bon ^erfien mie
mit bem oftrömifdjen 9teid)e in regem 3krfeln\ 63 mar bie 3eit, mo ber
bauluftige flaifer ^uftinian aurf) Stjrien mit ben berrlid)ften ©auten ge=
f^miidt battc2. 6* ift taum ein Smeiiel, bafe ber poetifaje Sofm ber Söüfte
in $tra md&t nur mit ber ftäbtifajen unb ^öfifd^en Gultur jener 3«* in
$erül)rung trat, fonbern aud) mit d)riftlid)en Sbeen unb 5Berfjältniffen. @in
Araber ftamenS 9lbi, ber be$ s£erfifd)en mie be§ 9trabifd>en tunbig mar,
mürbe megen feiner ftenntniffe Don bem ^erferfönig eim^ro Wnofd)irroan
al» Sdjreiber in feinen Xienft genommen unb unter feinem 9iad)foIger all
(ftefanbter nad) 5ty$anj gefdjidt; fpäter trat er in ben £ienft beö tfönigS
Vornan V. Don £ira, ber unter feinem dinflup baä Gfnriftentfmm annahm.
Ebi gelangte bei ifjm $u r>öd)fter ©unft unb crtnelt fogar bie £anb feiner
Üodjter £>inb, meld)e er $um erftenmal faf>, als fte in ber ßirdje Don Lumina
}ur Kommunion ging. 911* 9Ibi fpäter beim Äönig in Ungnabe fiel unb
Derrötfierif^ermeife umgebracht mürbe, ging fie in ein ßlofter, baS Don biefer
3eit an £eir ftinb, b. f). «Iofier ber #tnb, t)ießs. (Sine nod) buraj einen
arabifa)en edjrififteller erhaltene Snfdjrift bejeidmet fie al& Stifterin ber
1 91. So ein, 35ie 2>mjänc ber $td)ter 9täbia.f)a, 'llxxoa, $ätim, 'SlUama unb
^arajbaf (3eitfd)rift ber Scutfamt «morgenlanb. ©cfcDfdj. XXXI, 667—715).
* lYocojni CaenKiritmtift De aedifieiis Du. Iustiniuni lib. V (ed. Dindorf.
bonuac 1838. III. 309 sq.). — Sdjon uor $uftinian I. mar bai nörbtidje Sutten
Tctd) an «irdjen. Sit 3at)l bet flird>n, »eldje »om 4. biä 6. ^abr^unbert amifc^en
9Ueppo, Wpamca unb 9lntiod)icn gebaut »uurben, foü fiä) allein fd)on auf 300 be«
laufen fjaben. Sict>e P. 5K. ^ullien S. .1.. 3llttt)viittid)e Ruinen 9]orbfürien«.
Sie Iatt)oltfd)cn 3)lifftonen 1?94, 3h. 2, S. 35.
9 Cansshi de Perceral , Esmii sur l'Histoire des Arahes avant l'Islamisme
II (Paris 1847), 139—151.
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Sie altarabifdje Sid)tung unb baä (Shnftentbum. 317
ßirche1. 3roei onberc ßlöfter, eines bei $ira, ein anbereS bei bem nicht
roeit entlegenen Seleucia, ba$ fdjon am (§nbe be£ 4. 3«^unbert§ einen
Söifdjof ^atte, ermähnt 3Iffemnni2.
Näbiglja $f)objäni befajj in ^öt^ftem ©rabe bic ©unft unb ba§ S8cr=
trauen be» ßönigS Vornan, rourbe üon ihm $ur 2afel gebogen unb mar
bei all feinen Vergnügungen mit babei. $a§ üerleitete ifjn ju allju großer
Vertraulichteit gegenüber ber Äönigin SJtotebfcharraba , welche er einmal in
ihrem ©emache überragte unb bann in einem galanten, fiöfifd)en ©ebichte
befang. (Sin Nebenbuhler hinterbrachte e$ bem Äönig, unb ber dichter
fonnte nur bureb fchleunige frlucbt ftdh ber Strafe entgehen. (£r ging
feineäroegS in bie SÖüfte $urücf, fonbern an ben £>of ber ©haffäniben in
Sorten, roo ihn ftönig 9lmr IV., £ärithä Sohn, freunblich aufnahm. 6r
Derblieb auch noch einige 3eit bei bejfen Nachfolger. $a es aber hier nidtjt
fo reiche ©efchenfe unb fein fo flotte* ßeben gab, feinte er fidj an ben £of
oon £ira jurürf unb magte e§ enblich, felbft bahin ju gehen unb eine %u%-
föhnung ju besuchen. S)a er hörte, bafc ber $önig erfranft fei, oerfajjtc
er ein ©ebicht, ba§, nach bem üblichen elegischen ©ingang, ba3 2ob Nomän*
in Döllen Jonen fang unb ihn ju ebler Verleihung ju bemegen fuchtc.
3toei Araber Don ber Familie ftejära, benen er ftdh, angefdjloffen , gingen
oorauS, um bie Verföhnung einzuleiten. Sie trafen ben dürften bereits
toieberhergeftellt unb liepen ihm burch eine Sängerin ba* ©ebicht Näbigha*
Dortragen 3 :
Sem §irfd)e gleich eilt mein ftamel, ju 9tomäu mid) ju tragen,
Sem Honig, ben id) nah unb fern feb/ über alle ragen.
Unb mirfen, roie ber ftöntg wirft, fei)' id) Don allen feinen,
Unb auszunehmen rofi&t' id) Don ben SOlenfdjen aud) nid)t einen,
9llä Solomon, ben einzigen, ba ©ott ju iljm gerebet:
@tel) for bei* Sdjöpfung, bog bu fte befebirmeft unbcfct)bet!
Unb unterroirf bie Sfd)inncn bii! ^d) aber tpitC gesotten
Senfelben, Sabmor aufjubaun mit Säulen unb mit platten.
SBer nun gefjord)t, bem mögeft bu »ergelten nad) ©ebtibjen,
SBie fein ©eljorfam e$ oerbient, unb ifcn jum 5Red)te fügten;
2Bcr aber trofct, am Srofce follft bie ©träfe bu ooHftrerfen,
Sic ab öom tjreöel mafjnt, unb nie mit Sroljung fotlft bu fd)recfen,
911$ ebenbürt'ger ©egner nur, unb benen bu nnttft rauben
Sen äJorfprung auf ber Sabn, teo hin jum 3"! bie Kenner fd)nauben.
Urteile, nrie gcitrtr)etlt bat ba* 9Jtäbd)en bort im ©aue,
2Ud fic bie Sauben fliegen far> hin ju beä 58ad)eö Sfjaue.
1 8. «Müller, Ser Warn im Morgen* unb Slbcnblanb I (»erlin 1885), 20.
* Bibl. Orient, tom. III, pars 2, p. 598. 3 Caiuuin 1. c. II, 508 es.
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318 dritte* SBud). 3»oeite* ftapttel.
Bit rief: £ bafj ber ganje SIug öon Sauben f»ier fia) füge
3u meiner 2aub\ unb obenbrein bie $ätfte, bafe mir'8 g'nüge!
Jpin burdj bie JBergfdtfudjt flogen fie ; unb, fte Derfolgenb, blinfte
Sin ttug' IrüftaHMar, ba* fid) nidjt ber JBlöbt>eit roegen fdjminfte.
Unb aU ber tjlug gejätet warb, ba fanben, wie fie 3äl)lte,
©id) neununbneunjig, leine war barüber, feine fehlte.
$a mar ba* Xaubenljunbert öott burdj if)re Saub' erfdjienen,
Unb nidjt berredjnet batte fie ftd) in ber an ihnen.
2: odj bu, beim ßeben beffen, bem idj meiste unoerbroffen
Sie aöaöfatprt! unb bei bem, toai bort ben Cpferftein begoffen!
Seim <Ed)ufe, in beffen ©idjerbett gefdjirmte 93öget gaften,
2öo ÜJlcff ad Aaramanen jtoifdjen ®Ü unb ©a'ab raften!
Jgvab' idj getban, »a8 mir oon bir oerbiente 3«>rn ju bringen,
©o müffe nie mefjr biefe $anb bie $eitfd>e fönnen fdnoingen!
So müffe ©ott mit einem Seib midj ftrofen, bran fid) toeibe
$a8 Huge berer, bie mid) bir oerleumbeten au* bleibe!
Sic« fag' id), midj ju reinigen oon bem, toa* mid) befdjmifcet,
9)om ©ifte, beffen ©Prüfungen mir tjfifc auf* $*T3 geförifcet.
£>alt ein! bein Seben fei erlauft um aller *Dlenfdjen ßeben,
Um afle«, toa* Don §erben mir unb ©öbnen wirb gegeben!
v>d; bin berietet, bafj 91 bü itabüä mid) liefe bebräuen;
Unb wer oerliert bie Raffung nid)t beim »rüllen eine« Seuen?
3>en ßobprei* bring' id) bar, ob mir bein ©inn jur #ulb fid) lente.
»efd)irrae ©ottefi ©nabe bid)! 3dj fudje nidjt ©efdjenfe.
3dj fudje nur CFntfdjulbigung ; unb wirft bu fte oerfagen,
So mu& mid) in bie weite Söelt unftateä 3rren tragen ! «
9U§ ber ftönig biefeä ©ebidbl bernommen, rief er aus: „öei ®ott!
5)iefe 3krfe fittb Don ÜJäbiglja!" $a traten bie jroet Araber aus Sfyära
gerbet, baten um bie Segnabiguna, beS $ia)ters unb erhielten fie. Vornan
verlangte alsbalb ifm 5U fefjen. 6r fam, unb ber Äönig Iub ifm ein,
mit ifjm ?ut teinfen. 9läbiglja benufcte bie Gelegenheit, üjm einige feiner
neuem (Mebidjte borjutragen. $a trieben bie Birten bes ftönigs eben eine
£>erbe bon fmnbert f^roarjen Kamelen bon ber SBeibe fyeim. 2)a§ mar eine
Seltenheit bon f)of)em 2Bertfje. 9lujjer Vornan 9lbü=#abü* befaß !aum ein
Araber eine ftamelfterbe bon biefer ftaxbe . ^n feiner ^reube aber fagte er :
„3$ater CntämaS! £iefe Kamele finb bein, mit iljren Birten, 3*1*™ unb
1 SR üdfert, fcamäfa I, 210— 211. — SBgl. ein ©ebtd)t SRabigba« (aui ©ac^*
&tjreftomatl)ie II, 143), überf. oon ^tf). Söotf f (3eitfa^rift ber Seutfdien SJtorgenlänb.
©efeUfd). XIII, 701-704).
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2)ie altarabifdje Stiftung unb bod ßfjrtftcntfuim.
319
£unben!" Unb üon ba ob ftörte fürber nichts mehr baS gute 6inüernehmeu
SWifcben ßönig unb Sichter.
Wabigha fcheint ftd) um baS G^riftent^um nicht gefümmert 511 fuiben,
fonbern #eibe unb JBebuine geblieben ju fein. WlS folcher 50g er gelegentlich
nach Sathrib (SWebina) unb auf ben Warft üon Cfoj unb trug ba feine
©ebiebte üor. 6r üerwanbte grofje Sorgfalt auf SluSbrud unb SReim unb
mürbe gerabe beähalb fe^r bewunbert. Soch hatte er auch feine fajwachen
Stunben, unb fo gefdjab, es, bajj ihn bei einem poerifchen Vortrag in ^at^rib
feinhörige ftreunbe auf fehleren Neimen ertappten. $a fte if>n nicht ins
Slngeficht tabeln »outen, liefen fte eine Sängerin fommen, welche fein ©e-
biajt wieberholen unb babei bie mangelhaften Keime recht ftarf betonen
mujjte. Seftt merfte et ben ^efjler felbft, üerbefferte bie Strophe unb fagte
in ber rufmtrebigen Sßeife feines 5ßoIfe§: „9HS ich nach ^aüjrib fam, maren
meine 9Jerfe nicht fehlerfrei ; als id) fortjog, mar ich ber erfte ber dichter."
Stuf bem 9Jlorfte j\u Cfäj mürbe für ihn ein befonberes 3e!t bon Ceber
errichtet. 9Jcefjrere Sichter fanben fich ba bei ihm ein unb trugen ihm ihre
Söerfe jur Begutachtung Oor. Sa trafen fich eines lageS 61 9tfd)a (TOaimun,
Sohn beS #aiS), £affän, Sohn beS Ztyittt, mehrere anbere unb bie Dichterin
61 (Shanfa (eigentlich lomäbfjir). Sie leitete trug eines ber Älagelieber oor,
toelche fte auf ben lob ihre* SruberS Sacbr ücrfafct hatte. SaS lautete:
3a Saä)r, unfer Jport tuar et unb unfer 2rcd»ter,
Unb @aä)r in ber 9totf) beö SBinter« unfer gebläßter;
Unb 6ad)r allcrwegS ein führet un$, ein treuer,
Sit« roie auf JBerg.edf)aupt ein angejünbet Breuer «.
Siefe SJerfe entjüdten 9fabigt)a bermafjen, bofj er aufrief: „SiJenn ich
nicht eben »biuSJeffir (6t Slfcha) gehört hätte, fo müßte ich Jagen, bafe bu
jebermann an Anlage für bie ^oefte übertriff ft ; jum roenigften mujj ich
fagen, bafc bu unter ben grauen nicht beinesgleichen ^aft." — „Wudj nicht
unter ben Männern!" ermiberte bie Dichterin. SaS moüte fich &affän aber
nicht gefallen laffen; er wollte ein befferer dichter fein als 61 Ghanfä unb
alö ^cäbigha felbft. 6r trug beSb,alb alsbalb eine üon ihm üerfafete Äaffibe
üor. Mein 9cäbigha ging bamit ftreng ins ©ericht, geigte ihm an üer=
fchiebenen Herfen, mie er es hätte beffer machen lönnen, unb brachte ihn
enblich burch einige üon feinen eigenen Herfen üöUig $um Schweigen. „Sohn
meines SBruberS!" fagte er ju ihm, „bu toärefr nicht fähig, foldjc 2?erfe §u
machen mie biefe ba!"2
Siefe Mnefbote ift infofern intereffant, als fie uns jeigt, worein biefe
Sichter ihre £auptfunft legten, pr bie glänjenbfte SteUe feiner ©ebichte
hielt $>offän biejenige, wo er fagte:
1 Würfet t a. a. €. II, 320. 2 Cmmin 1. c. II, 513.
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320
Ixittti ©ud>. 3roeite« Äafcitel.
„Söir baben £ilbergefd)irre , bie fc&on Dom Morgen an auf nnferer gafHidjen
2afel glänjen; bei ber 9ütdret)r öom Äampfe tröpfeln unfere €d}tocrter r>om ©lute
unferer 3einbe."
%ibigl)aS Ärüif lautete folgenbermafcen :
„3nbem bu ben Plural dschafanAt anmenbeft, gibf! bu tetne große 3bee öon
ber 3ab,l eurer ®cfd)irre; bu mußteft bie Sonn dschifan gebraue&en, ba« eine
bebeutenbere 3«^ anbeutet. £u fagft, baß eure ©efdjirre oom Sttorgen an glänzen,
biddhuha: bn fjätteft biet) Diel Iröftiger auägcbrürft, wenn bu gefügt r)ätieflr baß fic
toäbjenb ber 3fi"f*erni% glänzen, biddudBcha; benn Dorjüglid) ben Sieifenben, meiere
im i'aufe ber 9tad)t antommen, ift eö fd)ön, eine üorbereitete SBtafjljcit anjubieten.
3>u fügft b,inju. baß bei ber «ücttetjr Dom ßampfe eure Sanierter öon »tut tröpfeln,
jaktorna; t>ätteft bu gefagt, baß ba* S3lut baöon träuft, jadachrina, fo mürbe biefer
auöbrucf bie Söorftcllung öon einem Diel großem SJlutbabe unter cuern Ofeinben
ertoeden."
Vorauf e* biefen berittenen £id)tern alfo tjauptjädjlitf) auf am, mar
aufjer beut JHeim btc plaftifc&e unb malerifdje Jhaft beä SHuSbrutfS, moju
ifjnen bie Sormenfüüe if)rer Spradjc reiche ^lusroa^l bot, nidjt aber bie
ctgentliaje Sdjöntyeit unb .parmonie ber dorm unb nod) weniger ber geiftige
©e&alt. Sie waren burdfcauä SRealifteu unb ftaturaliften, unb mir bürfen
unö niajt wunbem, wenn einer ber[elben, $oreib ibn Glfimma, fdwn bar=
über in (Sntgütfen geriet^, baß er eine* 2age5 bie eben erwähnte $id)terin
Gfcanfä oon ungefähr erblirfte, wie fic if)re räubigen Gamete mit ^ed^pflaftern
ärjtliaVfjauamütterlid) befjanbeüe K
2. $er SB ü ft e n f ä n ö e r Sc&anfara.
3n 91äbig(m unb bieten anbern ^iajtern erfc^cint ba§ 33ebuinentfmm
fd)on nidjt mef)r in feiner naiben Ur|*prtinglid)feit. Sie trieben ftdj ntc^t
bloß bei ben berfd)iebenen Stämmen unb am Warfte oon Ctäj Ijerum,
fonbern aud) an ben fteinen |)öfen in Sorien unb Wefopotamien, unb ber=
werteten ib,re 3kr§tunft unb SMbenteurerci alö Littel, um $u 9tuf)m unb
©clb $u fommen. Sic erfreuten bereits ate Vorläufer jener .ftofpoetcn,
metaje mit cnblofen Alaffibcn an ber Sdjafrtammer ber jtyalifen podjten unb
in &ünt"tlid)feit mitetnanber wetteifetnb ben reichten 2oljn 511 erfingen ftd)
beftrebten, SBicl merfwürbiger finb ebenbe3fjalb ein paar $id)ter, beren
tfeben ftd) ganj im Innern Arabien» abfpinnt unb bon benen faft feine
ßunbe erhalten ift, in beren ©ebidjten aber baS wilbc treiben ber friege*
rifdjen Stämme fid) biet urmüdjfiger fpiegelt. 3t)ren loptis ftellt am beften
bie .ftaffibc beö Sd)anfora bar, bon bem man nid)t einmal weiß, ob er
ein 3fitgenoffe ber ^oaüafätbidjter war ober nod) in frühere 3ei* jutfirf*
reicht, ^ic garnibollenbung feines (^ebid)te§ mad)t baö erftere ma^rfa>tns
' JRücfert a. a. C. II, 321.
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Sie altarabifdje Sid)tung unb baä (Xf)riftent(nim. 32 1
lieber. (Sr &ef>err|d)t Spradie, 9leim unb 2lu§brurf fo gut roic bie anbern;
06er btirrf) 33Iuttf)aten f)üt er jidj mit allen Stämmen Derfeinbet, ift er, roie
bie öogelfreien utilegumenn ber alten Normannen, pm 33etoof)ner ber
eigentlichen 2Öüfie, jum (Senoffen ber milben 2t)iere geworben unb 6ebrof)t
aus ftetS mett)felnben SSerfteden bie in georbnetem Stamme§berbanb lebenben
5lrabcr, if)re 3elte unb gerben.
31>r Söfjne meiner SJlutter, laßt nun traben eure Sfnere!
Senn fdjeiben will icf> nun Don eudj ju anberem JReDiere.
9luf (frben ftebt bem (fbeln nodj ein $ort Dor Ävänfung offen,
Sin 3uflu(fusort, too er Don Jpafc unb 9leib nid)t wirb betroffen.
©cfellen ftnb' idj außer eurf): ben ^ßantber mit ber 9Räf)ne,
Sen 9Bolf, ben abgehärteten, bie ftruppige £>öäne;
Sie 5reunbe, bie ein anvertraut ©ebeimniB nid)t oerratb>n,
Unb ib,ren 3frcunb nidjt geben preiö für feine 5reDeltf)aten.
3ebtoeber ift ein mutiger ; nur, too eS berjufallen
Sluf tfcinbeäDortrab gilt, bin id) ber mutfngfte Don allen;
Sodj nidjt, too man bie £>ünbe ftrerft, SDtunboorratf) ju empfangen,
©in td) ber fdjnellfte, fdjncller ift best gierigften ©erlangen.
Sieä, toeil id) unumtounben toill mid) über fte erbeben;
Senn ber oerbient ben \)öi)ften SRang, toer ifjn weiß ju erftreben.
(Sntbebrlidj aber mad)en mir foldj einen, ben Derbinben
9lid)t ©uttbat fann, tu beffen Stäb,' ©erlaß nidjt ift ju flnben,
Sie brei ©efäljrten, bie id) t)ab': ein Jg)erjc tüfjn Dertoogen,
(Ein blanteö, rooblgefdjliffne« Scfjtoert, ein langer, brauner Sogen,
(£in Ilingenber, glattfdjaftiger, foltb' einer, ben ©epränge
©on ftnaufen unb oon Srobbeln fdjmüdt, famt feinem ©3efjrgef|änge,
2er, too Don ibm ber ^Pfeil entfliegt, auffeufct toie bie betrübte
Älagmutter, bie um Sotjneö Sob Söebruf unb Srfjmerjlaut übte.
©in aber audj fein feiger £>irt, ber Surft ungerne leibet,
2ßenn er ba8 Sief) auä Unbebaut inä Söafferlofe toeibet,
Der oon bem 2rupp ber SWütter bann ber flälber JRubel fdjeibet,
iföeil if)nen feine ©ier baä unbetocbrtc guter neibet.
©in aud) fein blöber Suder, ber ftetä t>ocft bei feiner grauen,
Unb alle«, toa« er Dortjat, ir>c eröffnet im Vertrauen;
Unb bin fein fdjeu furd)tfamer Strauß, in beffen »ruft ju toallen
gin 5lug Don Spaden gleid)fam fdjeint, ju fteigen unb ju faaen;
«ein jabmer §au*freunb, ber gelernt ju fofen unb 511 flirapern,
»m «benb unb am 3Rorgen falbt fein #aar unb färbt bie ©Hmpern;
flein foldjer iffitdjt, be« ©uteS aufgewogen wirb oom Sdjledjtcn,
©etoidelt in« ©eroanb, too bu ibn fdbredft, unb fdjtoad) 3um ftedjten;
»aumftartner, ©eülittrotut. I. 2. Muff. 21
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322 dritte* SSud). 3»eited Äapitel.
Jötn leiner, bem im $unfeln bangt, toenn er in irrem Äitte
3)e« ungeftüinen Zfyicxi gelangt ju öber SEßüften Witte.
SBÖo ba ber fyarte SBoben ift berüfjrt Don meinen £ufen,
2>a mtrb barauä ein funtelnbe$ ©eftieb hervorgerufen.
3)en langen junger b^alt' id) bin. bte baß td) it)n ertöbte,
3dj fdjlage mir irjn au« bem Sinn unb benfc nidjt ber 9lötbe.
2)en Staub ber 6rbe led' td) eb'r, alä ba& id) ei erlebe,
$)a& über mid) ein Stöger fidt) in feinem Stolj erbebe.
Unb too id) nid)t ber UngebiUjr auö ipocbfinn mar' entronnen,
2Bo flöffe reifer aI3 bei mir Don Speif unb Sranf ber JBronnen?
5)od) meine r^erbe Seele toitt bei mir nidjt nUjig bleiben
3m 3>rud ber Sdjmad), obn' alfobalb bon bannen midj 31t treiben.
Xa fdjnur' id) ein baö fd)mäd)tige, mein leeret Singemeibe,
3öie ein gefdjidter Spinner brebt unb jmimt bie Sdjnur ber Seibc;
Unb fomm' am 3Jlorgen bann berbor nadj einem fargeu *ERat)Ie,
2lld tuie ein falber, fyx^xtx Söolf umrennt bon Sbal ju 2bale,
3>er nüä)tern ift am ÜDlorgen unb bem Söinb entgegen fdjnaubet,
Sid; in ber S3erge Sd)(ud)ten fturjt unb fudjet, nmö er raubet.
Unb toenn bie SBeute ibm entging, mo er fie t)att' erwartet,
So ruft er, ba antworten ibm @efel(en gteidjgeartet,
Sdjmalbaudjige, grauföpfige, bon fdparfer ©ier gerüttelt,
SDßie Pfeile anjufefjn, bie in ber §anb ein Spieler rüttelt;
(Sin Srfnoarm alö mie ein 2Bienenfd)toarm, bem SOßeifel jugefcüet,
$en einjufangen auf ber $öb' ein 3"bler Stöcf' auffteUet.
Sie reiften it)re ftadjen auf, unb ir>re Äiefer gäbnen,
35em Älaff gefpattner Älöfoe gleidj, mit grimmgefletfdjten 3äbnen.
S)er Stire t)eultr fie beulen in bie 9tunbe, an^ufdjauen,
9118 toie auf einem $ügel ftebt ein ßbor bon fttagefrauen.
6r bämpft ben Saut, fie bämpfen ibn; fie fdjeinen ibm, er ibnen
3um Sroft in 9totb, jum SDlufter in SJebürftigfeit ju bieuen.
€r Kagt, fie Ilagen mit; er fdjroeigt unb rubt, fie rubn unb fcbmeigen;
Unb ja, wo nitbt baä ßlagen t)ilft, ift'« beffer, Ofaffung aeigen.
2>ann ter)rt er um, fie tetjren um unb eilen nadj ben Jöergen,
Unb fudjen mit gefaxtem üJiutb ir>r grimme« öeib ju bergen.
<5d)anfara ift aber fjmtptfädiltd) ftolj auf feine Sdjnetligfeit als Käufer.
3>n ben folgenben Herfen behauptet er, e3 fogar einem ©djtoarm bon $atu£
(SBafferDögeln) juborjutb.un, meiere jutn 2Öafer fliegen.
Selbft Äran'dje toerben nur ben 5Heft bon mir JU trinfen friegen,
2>ie naapts mit lautem ftlügelflang 3ur 3Dbrgentränf ausfliegen.
Sie bitten (Sil', unb 6il' batt' idj; bodj mar it)r flattern fdjmädjlid) ;
$d), ata iljr ftlfigclmanu geidjürjt, flog ifmen bor gemädjlitf).
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3>ie altarabifd)e $id)tung unb bat gfjriftentijum. 32B
Unb öon ber 2ränfe febrt' id) fdjon, ali fte ft* mit ben «opfcn
2>rauf ftürsten unb ftd) tankten brcin mit hälfen unb mit Äröpfen.
3>ann um ben SRanb b«r mar $u felm unb ringsum ibr ©ebränge,
2öu ber ÄabPlen 9ieifetrupp mit bec flamele Wenge.
Ununterbrodxn fdjludten fie unb flogen enblidj weiter,
2Bie Por Cbäba mit bem Sag aufbriet ein Raufen Weiter.
mt großem 6elbfigefüf)I jeidmet Stfanfara feine Wagcrfeit :
f&ttV idj mid) auf ben »oben f>üt, fo r&b«t feine Slawen
Sin ftuden, an bem fpröb' b>roor bie 2Sirbelbeine ftedjen,
Unb eine Schulter ofme Sfleifd), mit ßnodjen, anaufeben
2öie dürfet, bie ein Spieler toarf, bie bor tym aufregt fielen.
Gin f)öf)ereä, tbealeä 3iel beä tfampfeS jetQt fidj aud) im folgenben
nidjt; e§ tyrid)t nur eine unbegrenzte 28ilbb,eit unb ein barbarifdjer Zxo%,
ber fid) bor fetner flaturfraft beugt unb bie erlittene Unbill an allem rädjt,
roaä ftcf> tym in ben 2Beg ftetlt.
5ffiie mandje fdjaur'ge 9lad)t, roo ipfeil unb Sogen, mer fie füfjrte,
3erbraö) unb, fid) ju märmen bran, ein ffeu'r mit ifmen fdjurte,
2) urd) 9tegenfturm unb Sfinfterniß 30g id) auf ferne Streden,
Unb mir ©efäbrten toaren 2froft unb junger, ©rimin unb Sdjreden!
3u SBittmen mad)t' id) SÖeiber ba unb Äinber bort ju Sttaifen,
Unb lehrte, mie id) ging, inbeS bie 9Jad)t fortfuhr 3U freifen.
ftrern in ©omaifja fa% id) fd)on, ba madjten, ali ti tagte,
3»ei Sladjbarn auf, ber eine toarb gefragt, ber anbre fragte.
©ebettet Ijaben unfre #unb' beut in ber 9tadjt, toir fprad)en:
3fft e* ein SZÖolf, ber einbrad), finb'fi Juanen, bie einbrachen?
$>od) einen Alaff nur traten fie unb fd)toiegen. Söar'ä ein 9tcif>er,
ein aufgefajeud)ter, fpradjen mir, ein aufgefdjcud)ter ©eier?
35od) toenn e$ mar ein S)fd)inn, mar er ein fdjneöer Madjtburdjfabrer,
Unb toenn er aber mar ein ÜJlenfd) — 0 nein, ein 9Jtenfdj nid)t mar er!
Unb mandjem fommerglübnben Sag mit be«6gefd)moIanen kämpfen,
SSo ftd) auf bem burdjglüljten Sanb bie Solange manb mit Krämpfen,
§ielt id) entgegen »ruft unb Stirn, bie ftutte nid)t noa) floppe
93efd)irmte, fonbern uberbing geftreiften 3eug3 ein ßappe,
Unb ein ©elod, ein ftotternbeö, menn brein bie Söinbc bliefen,
ÜJtit 3ottetn oon ber Seite b«, bie fid) nidjt lammen lie&en,
3) er Salbung unb ber Säuberung entoöfjnt feit langen Sagen,
5Dlit «ruften, unentmafd)enen, bie ba ein 3abr lang lagen.
Unb mandje fafjle Sfelfenflur, glatt toie ber Sdjtlber 5Rüden,
91uf beren Kürten nie ben Sritt ein Sreter burfte brnden,
3)urd)fut)r idj oon bem einen f)«t bii.m bem anbern 6nbe,
©ebrauebenb b>* ben gfufe 311m Stebn, 311m 9lutftf)en bort bie §änbe;
21*
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324
2>ritte$ ÜBud). 3n>ette< Äapitel.
Sa fprangen, roo empor id) flieg, be« Sergej* berbe 3"fl«t»
3m meinen »liefe, 3ungfrauen gletd), um bie ©etottnber fliegen,
$te ntid) umlauten abenblid), mid) halttnb für 'nen alten,
©perrbein'gen ©emSbocf, fd)toergeh,örnt, aufflimmenb ob ben ©palten
3. £ie $amäfa.
Dichter öon biefem Silage fyai man fidj toofyl nicht jahlreich $u
benteu. 5lu»brüdlich genannt wirb eigentlich nur noch einer: %a' abbata
Scharr an. Ueberaus $af)lreich roaren bagegen biejenigen, bie, bei ihrem
Stamme lebenb, tljeite beffen 2öaffentf)aten theil» bie eigenen SebenSereigniffc
in Sßerfen berherrlichten. Die £amäfa be» 9lbü=3:emmäm führt bie
tarnen Don etma 500 folgen Dichtern unb 30 Mieterinnen auf mit etroa»
ü6er 800 meift fleinern ©ebidjten. (Sin guter babon gehört fcb,on
einer fpätern 3e'1 o.n ober mag in fpäterer 3"* oeränbert roorben fein.
Der ©runbftod inbe» rührt unjroeifcl^nft au» ber bormohammebanifchen 3cit
t)er. Die Sammlung ift in jetjn ©ruppen geteilt. Die crfte umfaßt $ampfe»=
lieber (Otüdert nennt fie „£>elbenlteber"); ber arabifc^e Xitel „$amäfa" be=
beutet „2apf erfeit" unb ift, obroor)! nur Untertitel ber erften ©ruppe, auf
bie ganje Sammlung übergegangen. 6» finb barunter Stüde bon padcnber
#raft unb Seibenfehaft, bod) bie meiften mehr fpruchartige Slpofrropcjen al»
eigentliche lieber; balb jünbenbe 9Iufforberungen jum Äampfe, Anregungen
jum ÜJhithe, £crau§forberungen be» ©egner», balb fede» Selbftlob, 2ob
ber eigenen Staffen unb Sleittljiere, be» eigenen Stamme» unb feiner gelben,
balb ffijjenhafte 3eid)nun9 eine» Kampfe», eine» Siege», einer Stieberlage.
3n eine (Stählung ber concreten SÖerfyältniffe berfloajten, aus benen fie
herborgegangen, bürften bie meiften fid> recht roirfungsooll unb ganj poetifdh
ausnehmen; bod) gletchfam au» bem Gonteyt ber lebenbigen Ueberlieferung
herau»geriffen unb maffenmeije aneinanber gereift, muffen fie nothroenbig
einen eintönigen ßinbrud machen 2. 9ciemanb roirb barum fo leicht bie ganje
Jpamdfa burchlefeu, ben nicht ein nrijfenfchaftlicher 3^ baju beranlajjt.
Denn toa» bon biejen &fe»liebern, ba» gilt fo ziemlich auch bon ben
übrigen ©ruppen ber Sammlung. Die „Sobtenf lagen" (II.), bei welchen
bie Dichterinnen am fiärfjien bertreten finb, machen mit ben „Äampfe»=
• «ütfert a. a. C. I, 181 ff. — Sögt- bie Uebcrfefcung beß berühmten ©e«
bi«trt öon Gb. 9teuf$ (3eitfd)rift ber 23eutfd)en SJtorgenlänb. ©efeUftb. VII, 97-100),
welche fid) genauer an ben textua reeeptus fjält unb ben urfräftigen Son beä Original«
fteücnttteife nod) beffer löicbergibt.
* lieber bie arabifd)c SDietrif ügl. ©. JEÖ. 3fr et) tag, 3>arfteUung ber arabifd)eu
JBeröfunft. Sonn 1880. — 9)1. $>artinann, lieber bie Muwas§ah genannte Slrt
ber ©tropt)engebid>te bei ben Arabern (Actes du X' Congres Intern, des Orien-
talisten. Leide 1896. Section III, p, 47—67).
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i
Sie altarabtföe 3>i$tung unb ba* 6bjriftentf)um. 325
liebern" beinahe allem fdjon faft bie ^älfte ber (Sammlung aus. W\t bcr
ähnliehen Situation feljren ^ier natürlich, auch überall ähnliche ©ebanfen,
SBenbungen unb 3lu»brücfe roieber. %m meiften tritt bie 93efchränr%it be§
geiftigen £>orijonteS in ben „Sprüchen ber feinen Sitte" (III.) ljerbor, einem
fehr magern Spruchbuch, meinem baS ^räbicat „fein" eigentlich !aum recht
angemeffen ift. $enn mit ber lyein^ctt mie mit ber Sitte ijt cS nicht meit
her. Sie näd#e ©ruppe (IV.) bilben 136 „CiebeSlteber" ber berfc^iebenften
Stimmung, manage ganj jart unb artig, anbere berb realiftifch unb gcrabcju
obfcön. 9Bie bie „Sobtenf lagen", erinnern auch fie baran, bajj auf ben
grauen ber 33ebuinen bamalS noch nicht baS Sflabenjoch unb bie <5nt=
mürbigung laftete, meiere 5)cofjammeb über fie bedrängte; bodj meljt in
mannen fchon jener üppige SenfualiSmuS, ber gerabe ein fo trauriges 2oS
über fie herauf befcrjmor. Weujjerft berb unb juroeilen gerabeju jotig gemein
finb bie „Scbmählicber" (V.), meldte balb Einzelne, balb ganje Stämme
treffen; cbenio bie „SBeioerfchmälningen" (X.), ein feltfameS ©egenftücf ju
ben SicbeSgebichten. <Bemütr)Iid)ere, patriardjalifdje 2öne f dalagen bie ,,©aft=
unb ßhrenlieber" (VI.) an. 3icntlidt) mager unb unbebeutenb finb bie brei
übrigen ©nippen: „SBcfdjreibungen" (VII.), „SBanberlieber" (VHI) unb
„Scherte" (IX.). 3J?an barf übrigens biefe ©ruppirung nicht als eine
ftreng technifche ober nriffenfehaftliche nehmen. Sie r)at nur ben Sinn,
einige Uebcrficht ju gewähren. Stoffe tote ©eljanblungSroeife ber einzelnen
(Gruppen fpiclen bielfach ineinanber über. 3n baS ßampflieb rate in bie
Üobtenflage mifcht fieb, gelegentlich Schimpf auf ben 3*i"b; baS SiebeSlicb
fteljt oft unter bem 3c'^cn DcS broljenben Kampfes ; friegerifdjeS 2ob unb
friegerifche Erinnerung burchflingen bie ®aft= unb (Hjrenlieber , unb felbft
im Sdjerj macht fich roilbe Scaufluft geltenb. Ser SBebuine b^at nicht bie
Stühe, irgenb ein Zfyma behaglich unb b^armonifcb, auszuführen. 3n einigen
fdjlagenben WuSbrücfen unb 33ilbern macht er feiner Stimmung Cuft, fpringt
allenfalls unbermittelt auf ein paar anbere über unb fdjliejjt mit einem
$nalleffect, roo eigentlich bas ©ebidjt erft fchön ju toerben üerfpräche. 3n
ben SDRoaQafät finb nur bie berfchiebenen Elemente jufammengetpürfelt, toelche
fich in ben fleinern Stürfen ber £)amäfa berfireut finben; bon ben etwa
500 Stürfen, toelche bie ,$amäfa beS 911 33uf)turi umfafet, fteht ein be=
trächtlicher Ity'il fchon in ber beS 216Ü 2emmäm, unb bie übrigen $ebtchte
fehen ben anbern junt SBermechfeln ähnlich.
4. £er litcrarifche Söerth ber 33ebuinenpoef ie.
2Öer einmal ernftlich barüber nachgefonnen, roaS eigentlid) ^ßoefte unb
roaS poetijch ift, ben tann es taum befremben, bafj bie Urtheile über biefe
ältefte arabifche ^oefie, auch bei ben genaueren Zennern berfelben, fehr
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326
dritte« ®ud). 3&eite* Äapttel.
ftorf au&einanber gehen, ^ammer^urgftafl, ^^Iroarbt unb ?l. o. Wremer
fpredjen baoon mit h<>her Begeiferung. $er leitete fiefjt in ihr ben Au§:
brutf einer reiben, überfchäumenben Sugenbfraft. Üiüdert in feiner bereits
1828 getriebenen „Grmuthigung jur Ueberfefcung ber $amäfa" fpridjt fich
bebeutenb nüchterner au§:
2>ie ^oefte t)at f)ier ein bürft'ge* ßeben,
93ei burft'gen gerben int entbrannten ©anb,
Sfftit SBlüthenfdjmucf unb 6d)attenbuft umgeben,
SDtit 9lbenbt(rau gelöfdjt ben SRittagäbranb,
93erfd)önt, oerföb,nt ein leibenfcbaftlid) Streben
$ura>S §od)gefül)l öon ©prad}« unb ©tammöerbanb,
Unb in bat ®d)lad)tgraun Jt'iebe felbft getooben,
2He f)ier aud) ift, mie überall, öon oben
Am häufigfien begegnet man inbeä bem Urteil be» 6nglänber§ 3one$,
ber fchon 1782 bie SHoaflafät Verausgab, unb nach beffen Auäfprücbeit
©oetr>c einige Semerfungen über altarabifc^e ^oefie ben Woten ju feinem
2öefi=öftlichen SiDan einoerleibte. 93on ben «Dtoaüaiat Reifet es ba: „Sie
beuten auf eine roanbernbe, hinreiche, friegerifche Nation, burcb ben
©echfelftreit mehrerer ©tämme innerlich beunruhigt. $argefteüt finb : feficftc
Anhängtichfeit an Stammgenoffen , ($f)tbegierbe, Sapferfcit, unberföhnbare
Wachelujt, gemilbert burcb Siebeötrauer, 2Bob,ltf)ätigteit, Aufopferung, fämt=
lieh grenjenlo§. Xiefe Dichtungen geben un§ einen hinlänglichen begriff
uon ber fyotyn Silbung beä Stammes ber tforaifchiten, aus welchem 9)co=
hammeb felbft entfprang, ihnen aber eine büftere 9tetigion$hüfle überwarf
unb jebe Au§fia)t auf einen ftortfehritt ju Derf>üüen mujjte."2
Einige anberroeitig fchon befannte 3üge be§ arabifchen 6f)arafterä fmD
hier richtig angegeben; aber bie SßorfteUung Don „ber hohen SMtbung beä
Stamme* ber Äoraifduten" ift eine Dollfianbig irrige unb Durchaus prüfungä=
loS Don einer SJtenge ©chriftftefler nadjgefchrieben morben. Am fchroffften
unb fräftigften hat fich in feiner SGßeife gJaul be ßagarbe bagegen auä=
gefprochen8.
„SBenn man jefct", fagt er, „nid)t feiten bei anerfannten ftennern ber alt-
arabifeben ^oefie einer f>otyn ©djätnutg be8 äfihetifdjen Berthe« berfeiben begegnet,
fo fann id) ba« nur barauä erflären, baß bie 6d)U)ierigfeit , jener ^oefte §err ju
»erben, fo groß ift, bafe man umDittffirlid) ben auf baö ©tubiuin oerroanbten Setrag
an 3cit unb Araft alfl aud) für ba8 äfthetifdje ©eniefeen nid)t öergeubet anfehen ju
bürfen fich überrebet. SJtir fdjeint eö eine üble Empfehlung für eine ^Poefte, toenn
man, mie $>err 2lbjtt>arbt bai ju thun felbft einmal genötigt gemefen ift, einen
^bierarjt m 6ommentirung tfirer ©ebidjte b,erf>eijusief>en fidt> bemüfcigt finbet. S35ic
Sammlung öon Slbjectiuen $u öerfebiebenen fcaupttoörtern , meld)e man alfl ben
1 Stütfert a. a. O. I, Prolog. s ©oetbe* SEßerfe (^empcl) IV, 282.
3 Paul de Layarde, Syinmicta I (Göttingen 1877), 60 sq.
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Sie altarafciföe Sidjtung unb ba« ßlpriftentbum. 327
Hern arabifcf>er Sichtung anfeljen barf, lieft fid), lote mir fdjeint, ntd^t anbert ali
ein botanifcbe* §anbbu# ober ein 30oIogtfcbe* ßompenbium be* alten ©abläge«. . .
3n bex 2f>at »erläuft ein orabifd)e« ©ebidjt richtigen 33aue« meifl fo, baß naa)
einein Gingange, ber in ber Slrt unferer 9lcte ber freimütigen ©eriebtäbarteit feftfteüt,
mann unb mo ber Sinter feinen ©d)afe baö lefcte ÜDcal gefeljen b,at, auf irgenb ein
Zfttt fibergegangen mirb, ba$ ber <Poet reitet ober oon »eitern fiefjt, bafj ba« 3n«
oentar ber !öollfommeni)eiten biefe« Sbiereö aufgenommen mirb unb gelegentlich am
€nbe nodj gar bie hot)le §anb erfdbetnt ober auf beu »eutel f(ingemiefen toirb, ber
mofft im ftanbe märe, ein Honorar ju faffen. SSÖenn einmal oom 9Jlenfdj>cn bie Siebe
ift, fo gehört biefer fid)er ber unter beu Strabern meitoerbretteten ^familie Stobomont
au, ober er ift ein ©dtjmufefinf , ber, felbft toenn er föniglictjen ©tamme£ ift ober
im oertrauteften Jöertebr mit dürften ftel)t, ftä) über gefd)lecbtlicb> Singe in einer
Söeife äu&ert, mie fie in ©uropa Oiefleia^t in einer SRatrofenfneiOe Sonbon«, aber in
gebitbeten Äreifen nirgenb«, fidjer nidt)t aioifdben SDtann unb 3frau ober 3freunb unb
Orreunb, oollenbö bei Startern , meldte an ber Spifce ib^reö Söolfcö flehen motten, gar
nicr)t juläifiq erfdjetnen toärbe: unb mir ftnb mit Slmru«ul»ßaiß unb ÜRäbigfja auf
bem §öbepuntt ber nationaI°arabifcben ©ntmicflung, nid)t in einem petronifdjen 3cit«
alter. 9)tan lefe nur in §errn 3lblmarbt* SBudje ©. 220 unten unb ben ©<!t)lufi oon
beö (mie auÄbrficniä) gerühmt mirb) feufeben Stäbighat« fiebentem ©ebiaU Sie »e-
fct)reibung ber $interoiertel arabifd>er fiamele lä&t mieb lalt, ©teilen mie bie an«
geführte SRäbtgbatfi erregen mir ©fei. 9hir feiten fommt ber SJtenfifj 311m 93orfcb>in,
mie in bei Slmru*ul«Äata Herfen auf ben 2ob feines SöaterS; aud> ber SWantel beä
Propheten ober SBeifen, ben bie Siebter gelegentlich mit ©efebjet anzulegen unb in
ben majeftätifd)ften galten 3U tragen miffen, oerbftUt tneift nur Übel ben moralifctjen
Ärüppel, ber barunter fteeft. Sllle im tiefften ©innc menfd&Iiä)en $ntercffen ftnb
biefen Seuten unb ibretn ^ublifum fremb, mooon ftcb, jeber Überzügen mirb, ber ben
SSevfuä) matten mill, bie religiöfen unb ethifeben »nfdbauungen ber «raber au« biefen
©ebidjten tennen ju lernen."
2öenn aua) etwas berb unb braftiftfc gefaßt , ift bod) biefe§ Urteil
in ben meiften fünften jutreffenb. Saßlid) fttmmt bamit ungefähr baS=
jenige 2BeHf)aufen§ übercin, ber fidb, über bie altarabifa>n $>i#ter folgcnber*
mafeen äujjert1:
„ÜEBein, 3agb, ©piel unb Siebe, oom 3$lam gröBtentf)cilä berpönt, treten überall
in ben alten Siebern als bie eigentlichen ©üter beä SebenS b^roor. (Einbegreifen
muß man aber unter ©piel auch bie äöette unb namentlich bie ftreube an ber föcbe,
am treffenben Sürtbrucf, an ber Senten3, an ©pott unb aSife, an ben €r3üljlungen
über bie ©rlebniffe be« ©tammes unb feiner gelben — eine Sfrcube, bie für ben
©eift ber arabifd>en ©efettfdiaft fo bejeiebnenb unb für bie ©ntftebung ber Siteratur
fo mistig ift. Sic beibett größten Siebter DJlar'alqaiö (^[mru ul'Uejd) unb 2arafa
Icnnen nicbtfi ^>öbereS al« bie JBefriebigung ir)rer Suft unb fpred)cn bat mit großer
Sreiftigfeit aud, ali müßte efi fo fein (3JcrIa. 86, 1 ff. ; Sarafa 4, 56 ff.). 3nbeffen
barf man banaa) nietjt bie Araber im allgemeinen beurtt)eilen. ©ic treiben e* toll
in ber 3ugenb, merben bann aber ehrbare Seute im gefegten Älter (?). $f)T oberfter
©runbfa^ ift niebt ber, 3U tt)un unb 3U laffen, mas [\e gelüftet. 31uftanb unb $öflia>
1 3. SOßellbaufen, ©fijjen unb Vorarbeiten. 3. ^eft: 9lefte arabifdjen
^eibentb,um* (JBerlin 1887) ©. 192 ff.
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328
dritte* 33ud). Stoeite* ffopitel.
fett gegen baö SÖeib, 3»rüdbaltung Don öerführerifdjen fünften, namentlid) gegen
bie Klientin unb gegen bie 9lad)baTi\tau, gilt aud) bei ibnen für ^Ridjt. ,3d) folge
ber lüfternen Seele niäjt ibrer SBegter', rübmt Hntara bon fid^ (2, 20). $er lefcie
On^alt ber *ölorat ift in ber ganjen 28elt (!), bafe man ftä) aufopfern foll für bie
anbern. 23ei ben Arabern ift bafi Softer tfcigbeit unb ®eij, bie lugenb darangäbe
Hon @ut unb Slut' für bie ©einen, ©in fcblecbter Wann, ber erft nadj ben ©rünben
^ fragt, nadj ben merita causae, toenn er öon ben Settern 3U fctlfe gerufen toirb. (rr
mu& ihnen beiftehen, ob fte nun reibt ober unreal haben ; er mujj bie Sadje führen,
öon ber er abgeraten, bie Saften tragen, bie anbere ihm auflegen. ?3d> bin ein
Wann Dom (©efchledjt) ©bujjajja; toenn ©bu^ajja berrüdt ift, bin td) mitoerrüdt,
unb wenn ©hujjajja bad SRidjtige thut, thue aud) ich baö SUchtige.' Obenan ftebt
unter allen Pflichten bie Pflicht ber 33lutradje. $ie §eiligleit be« iöluted gebt über
alle« anbere ^eilige, brängt j. 93. bie Religion ooatommen in ben Jpintergrunb. 35aö
©efdbtedjt ift ba« realiftrte ^beal, bie ©ötter uerblaffen baneben.
„Cd ift unrichtig, fid) bie alten Araber unfromm »or.utftclleu, unb ganj unb gar
Dertebrt, einen großen Unterfdhieb in biefer £>tnfid)t jioifdjen Jöebuinen unb Stäbtem
ju machen. 9lber afletbinaS ging bte Orrömmigteit im allgemeinen nicht fehr tief, fie
mirfte nicht energifcb auf 2)en!en unb 2hun ber ©injelnen ein unb hatte gar feine
Uuritanifdje ober pietiftijdje «ber. 2er GultuS batte einen beitern Gbararter. Mii
bem ©öfoenbienft ift es* au$, Scberj unb Spiel ift nitht mel)r erlaubt, benn bie Sieligion
ift jefct ernft gemorben', bei&t eä in bem 2lbfd)ieb«lieb an SUabb. Sem fylam gegen»
über erfducn baS ganje §eibenthum aU Spa&."
9lud) biefe 9lu*füf)rungen bebeuten nid)t Diel anbereS, al§ bafe ben
Arabern eine f>öl)ere, ibealc Sluffaffung bes Seben«, Religion unb 9Roral,
faft gan^lid) abging unb bafc ebenbeSljalb aud) ifjre ^oefie feinen työljern
Wuffdjröung nafnn. $amit ift aber feineSroegä au&gefd)loffen, ba& fid) barin
bod) mandbe gute natürliche @igenfd)nften Riegeln, tt)ie 91 nf)ftn gltd) fett an
Familie unb Stamm, fülmer 9)cutf>, STapferfcit , ftreigebigfeit unb ©aft=
f reunbfd)aft , unb bafc eben biefe 3üge mitunter einen Ieben*frifd)en unb
fraftöoflen Muäbrud finben1.
9lud) in äftf)etifd)er &infid)t ift bie alte $oefie ber Araber nid)t ob,ne
einigen 9tei$. 9lu§ ben 9tlter&fd)tt)äd)en ber Ueberbilbung unb llcber=
berfeinerung , tueldjer mefyr ober weniger alle Literaturen an^eimjufaüen
pflegen, natt^bem fie ben §öljepuntt il>rer flaffifdjen 5Bollenbung erreicht
^aben, für)rt fie un* gcmifferma)jen in bie nod) roffen, aber jugenbfrifdjen
3uftänbe eines primitiben £irten=, 9Jomaben= unb ^riegerleben§ jurüd.
9Wand)e 3üge erinnern an bie ^erbenreidjen ^atriardien be§ Gilten 3:efta=
menteä, an bie blutigen Kampfe Israels mit ben Äleinfönigen an ben
(^renjen be§ ©ebbten LanbcÄ. £ie reiben Silber, Tropen, Allegorien ber-
ratb;en ein reidje* DJaturgefüb,! , il)r lebhafter 2öed)fel, i^re furje, abrupte
©eftaltung, it)ve bem Abenblänber frembartige Äüljnljeit eine tiefe, überr
1 SÖirflid) ergreifenb finb \. 53. bie Üobtenflagen ber 3)id()tcrin 61 Ghanfä auf
itjren Jßater Slmr unb tfjrc betben 33rübcr Saebr unb ÜJtuatwia. Le Divan d'al
Khansa, ediW par le P. L. Cheikho. Bevrouth 1888.
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35ie attorabiföe 3>iä)tung unb ba8 ©fjrifientfam.
329
mallenbe, heftige Seibenfdjaft. 3U ru*MQ planmäßigem ßunftfdwtfen finb
biefe Stegreifbid)ter nid)t gelangt, ober bie Anlage baju berrätf) fidj boaj in
treffenben Sprüchen, (&egenfä$en unb SBortfpielen *. 2)ie Araber be§fyalb aber
fe^r fyod) $u fteflen, Verbietet fdjon bet llmftanb, baß fie reidje ©elegent>eit
fjöfjerer Silbung in ftoljem 23arbarentro$ bon fid) toiefen.
5. (Sljtijilidje ginflüffe.
G§ ijt jebenfafls auffaOenb , baß fid) biefe ^oefte nuftt bor bem
fang be* 6. 3af)rf)unbert§ jeigt „ baß fie fid) am tümmerlid)flen bei ben
unoermifdjten Stämmen be§ innern 9lrabien3 entmirfelte, reicher bagegen bei
benjenigen, weiße am meiften mit ben großen ßaramanenfiraßen in 5$er--
binbung ftanben, am reichten a6er im Sübcn unb Horben, in ben 9ieid)en
bon Semen unb $ira, Wo bie Araber in lebenbige unb ftätige 93erül)rung
mit jübifdjer unb d)riftlid)er (htltur traten. $ie Sdjrift ber Araber felbft
weift auf ftorifdjen Einfluß Ijin. 3f)re (Srfinbung wirb jwei Männern bom
Stamme 2aij jugefajrieben : bem ÜKorämir, Sofm be§ 9ttarn>a, unb bem
miam, Sofm be§ Sebra. 9florämir lebte in 2Inbär Qräf). Eon ba foll
bie bon ifjm erfunbene Sd)rift (Xfd)a§m) burd) ben &oroifd)iten £>arb, Soljn
beä Cmmejja, (um 560) $u feinem Stamme nodj TOcffa gebraut worben
fein. Gine anbere Ueberlieferung fdjreibt bie Einführung berfelben in 9JJeffa
bem $ifd)r, Sofm beä Slbbelmelif, ju (um 580) 2. flurje jambifaje $crfe
(9iebfd)ea ober föabfdw) f feinen längft bor biefer 3eit in ©ebraudj gemefen
ju fein. Wer bie erftc ©efialtung größerer ©ebid)te (ßaffiben unb ©fjajal*)
wirb bon ber arobifdjen Ueberlieferung ebenfalte in bie erfte Hälfte bc§
6. ^a^r^unberts berlcgt unb bon einigen bem %nvcu ufcÄejS, bon anbern bem
9)tof)elf)ü, bem mäd)tigen Häuptlinge ber 2agf)libiten, jugef trieben 8. Sinb
ba§ aud) bloße Sagen unb in ifjren (Sinjeujeiten unjuberläffig , fo weifen
fie bod) mit jiemlidjer Sßafn-fdjeinlidjfeit barauf Ijin, baß erft bie lebhaftere
33erüb,rung mit ber fnrifd)=gried)ifd)en Kultur eine regere poetifaV ifjätigfeit
unter ben Arabern gewerft r)ot, baß fie aber nad) ed)ter 33arbarenweife fid)
mit ftadmfmtung beä äußern 33ilbung§flitter£ begnügten, wirflidjer geiffiger
©ilbung fid) faft gän$lid) berftfcloffen.
lieber ba§ erfte Einbringen be§ Gfjriftentfmmä in Arabien f)errfd)t
leiber nod) großem Tuntel. 3mar befanben fid) Araber bereit» unter bcn=
jenigen, weldje am erften ^fingftfeft ju ^emfalem ber tprebigt be§ WpoftelS
Sßetru§ lanfd)ten. Softra in ber römifdjen ^robinj Arabien f)atte im 3. 3af)r--
fjunbert einen 5öifd)of, unb ein $efef)l§f)ober in bem an bie 2Büfte ftoßenben
1 3. ». SßcniQ S. J., 3ur affgemeinen efaratteriftif ber arobifdjcn «Poefte
(3nn6brucf 1870) @. 19. 23. 27.
2 Camsin 1. c. I, 292—294. 1 Ibid. II, 280 es.
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330
dritte* JBud). 3»eite« Jtapitel.
©renjlanb roanbte ftd) an Origeneä um llntermeifung in bet c^rtftlic^en
Religion 1. Unter EonftantiuS brang ber 9lriantemu§ in ba& ljimjaritifd)e
9teid) in Sübarabien ein; brei ßird)en rourben errietet, unb ber Äönig
felbft ließ fid* taufen ; balb barauf roanbten fid) t$ürft unb Solf bem fatlu)=
lifdjen ©lauben $u. £aä Einbringen djriftlidjer ©laubenSboten in baö
innere ber £albinfel föeint an ber Söilbljeit unb ftrengen 9Iu§fdb,liefjlidjteit
ber 33cbuinenftämme gefdjeitert ju fein. <£od) famen Diele ber um^erirrenben
9tomaben mit djriftlidjen Einfieblern in 58erüljrung unb erhielten Don 3C'*
ju Qtit immer roieber einige $enntnifi beS El)riftentl)um§. Einen geroaltigen
Einbrud madjte auf bie Araber ber ffl. «Simeon ber Stnlite, ber erft auf
einer einfamen £>öb,e, bann breifjig 3at>re lang (429 — 459) Don feiner Säule
bei 91ntiodnen fyerab ben ju if>m pilgernben SBölfern ba§ 2öort beS £>eile3
Derfünbete. Söir r)aben barüber bas airäbrüdlidje 3cugnip be3 $l)eoboret 2 :
„$ie ^Smaeliten ftrömten fmufemoeife Ijerbei, $u jmei^unbert unb breU
fyunbert unb mitunter it)rer taufenb, fd)rooren bem Däterlidjen 3rrroal)n mit
lauter Stimme ab3, zertrümmerten bie ©öfccn, roelaje fie bisher Derefyrt,
Dor jener erhabenen 2eud)te, entfagten ben Crgien ber 33enuS 4, beren ©ö£en=
cult fie juoor ergeben geroefen, ließen fidj in bie ^eiligen ©erjeimniffe ein=
meinen, nahmen ba§ ©efefc an, baS tynen ber 9Jtunb bes ^eiligen Der=
fünbigte, unb Derjidjteten auf ba§ iyit\]<S) ber milbcn Efel unb ftamele.
3ia) fjabe fie felbfi gefefjen unb gehört, toie fie ben ©öfcenbienft ifyrer SBäter
aufgaben unb bie £ef>re beS EoangeliumS annahmen. Einmal geriet!) id)
babei in größte ©efafir. $cnn ba jener iljnen befohlen, ju mir ju gefjen
unb Don mir ben priefterliajcn Segen ju empfangen, unb iljnen baoon bie
reid>lid)fte i$xüö)t Derfyiefi, ba fielen fie in barbartfdjem ©ebränge über mid)
Ijer, bie einen Don Dorne, bie anbern Don fnnten, anbere sogen mid) Don
ber Seite Ijer, bie ferner Stef>enben fletterten auf bie 9iäl)ern, ftrerften it)rc
31rme au§, jupften mid) am 33art unb jerriffen mir bie Äleiber. Sie rjätten
mid) in iljrem ungeftümen drängen tobtgebrüdt, roenn er nid)t feine Stimme
erhoben unb fie auSeinanber gefd)eudjt Ijätte. Solare $rüd)te trug bie Don
ben frioolen Spöttern Derlad)te Säule, fo Diel 2td)t göttlidjer Erfenntnijj
crgof) fidj Don ifjr in bie ^erjen ber Barbaren. 3d) weiß audj nod) eine
anbere ©efdjiajte Don biefen Seilten: Ein Stamm bat ben ^eiligen ÜJtann,
* Eusebius, Hist. eccl. VI , 19. 33. Sq e r fl e n r ö t f> e r , Airä)enßrföi$te
I (3. Stufl.), 154. 334. 335.
* B. Theodoreti Religiös» Historia. SymooncH {Miyne, Patr. gr. LXXXII,
1475 sq.).
3 VerxaTjÄirai os xard <mtn/iopiag d<fu»o6nv*oi , rhazomot xard rafoüv xat
rptaxumot, ton J'öre xat %ü.tot, dpvoöi>Tat fikv njv izarptuav i^a~drrtv [uro. Joffi.
4 rolq ryg W^potiirr^ vpjrtotg arToTaTrüftsfot. 6id finb hierunter bic ßieblingö-
Qöttiniicn ber Araber, Cjjä unb ßät, ju Dcrftcfjen.
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3>ie altarabiföe $td)tuitg unb bai Sf|riftentf)»m.
331
[einem Häuptling ©ebet unb Segen jujuroenben ; ein anberer Stamm aber,
ber anmeienb mar, rooflte baS nid)t b;aben unb verlangte, bafc feinem
Häuptling, niajt bem anbern, ber Segen gef penbet merbe : jener fei fefjr un=
geregt, ber irrige aber frei Don jener Ungeredjtigteit. 9lad> langem bar-
barifajen Streit fielen fie enblid) übereinanber her. 3$ ermahnte fie mit
Dielen Söorten, baDon abjulaffen: benn ber ^eilige !Dlann fönne bem einen
mie bem anbern feinen Segen erteilen. $)enn bie einen fagten, ber anbere
bürfe ben Segen nid)t 6e!ommen, unb bie ©egner moflten ihren SBiberpart
um benfelben bringen. 55a brofjte ihnen Simeon Don oben fyerab, nannte
fic £unbe unb legte nidjt ohne ÜJlüt)e ben Streit bei. 2)aS ermähne idj,
um ju feigen, mie Iebenbig ib,r (Glaube mar. $enn fie hätten nidjt fo toll
gegeneinanber geroütfjet, menn fie nidjt bem Segen beS ^eiligen bie gröjjte
Kraft jugefdjrieben Ratten, ferner mar \ä) audj einmal 3cu9e cmc§ (jropen
2öunberS. (5s tarn einer (ebenfalls ein Stammeshäuptling ber Saracenen)
unb bat ben ^eiligen, er mödjte bod) einem 9Jtanne Reifen, bem unterwegs
ein Sdjlagflufe bie ©lieber gelähmt hätte. 2Bie er fagte, mar berfelbe bei
Kaflinifon, einem großen Sdjloffe, ertranft. 9?adjbem biefer mitten (Dor
bie Säule) getragen morben, befahl iljm ber ^eilige, bem ©öfcenbienft feiner
Wer ju entfagen. 9US er bieS miliig getfjan unb gefjorfam baS ib,m
befohlene Dofljogen, fragte Simeon tt)n, ob er an ben S3ater unb an feinen
eingeborenen Sofjn unb an ben ^eiligen ©eifl glaube. Unb als er feinen
©lauben befannt, fagte er ihm: ,3m ©lauben an biefe tarnen, ftehe auf!4
Unb nadjbem er aufgeftanben, befahl er ihm, ben Häuptling bis ju feinem
$ette ju tragen, tiefer mar ein Wann Don ungemöljnliajer Körpergröße.
(Sr b^ob ib^n aber fofort auf unb trug ihn h'nroeg, unb bie Slnmefenben
lobten ©ort mit lauter Stimme."
Vornan I., König Don $ira, Derbot jucrft aus politifchen ©rünben bie
Wallfahrten ju Simeon, nahm aber fpäter felbft baS Ghnftenthum an K Ob
Wunbhir III. Gljrift mar unb blieb, ift unfidjer 2 ; Vornan V. befannte fid) jum
fathofifdjen ©lauben ; beS leperii Stochter £inb grünbete fogar, mie bereits er=
roähnt, ein Klofter, in baS fie fiaj mährenb ihrer legten Lebensjahre jurüdjog.
Sei ben faft beftänbigen Kämpfen jmifdjen 9tömern unb Werfern, in melaje
aud) bie jmei norbarabifa^en Stynaftien ber £ad)miben unb ©haffäniben Der=
roidelt maren, tonnte inbeS eine ruhige Ausbreitung beS GhriftenthumS fi<f>
nid)t Dolljiehen 3. dagegen fa^eint eS fid) in ber fübarabifdjen 2anbfd>aft 9leb=
fd)rän blüt)enb entroidelt ju haben, bis ein 3ube, $hU:^onjäS, bie ^errfdmft
bafelbft an fict) riß unb in ben fahren 522 unb 523 bie Gfjriften blutig
1 De SS. Aretha et Rnma. Act. SS. (Bolland.). Parisiis 1869. October X, 685.
8 3gn. © u i b i , 3Jlunbf)tr III. unb bie betben ntonopf)öfttifä)en Stfööfe (Seit«
förift ber Seutföm «Dloroenlänb. ©efellfä. XXXV, 142-H6).
» Acta SS. 1. c. p. 687.
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332
dritte« JBudj. 3»cite8 Äalritcl.
»erfolgte. Sie bieten btefer 5)?artt>rer, an bereit Spifce ihr Sifchof 9lrett)a*
(^>äritf>) ftanb, finb in griechifeber Spraye erholten unb ftnben 33eftätigung
bureb berfdjiebene anbere grieebifche unb ätr)iopi)d>e Sänften1. $efonber§
ftanbhaft jeigten ficf> bie d)riftüd>ert ^wen, beren in bem ät^iopifeben
Bericht auf 227 angegeben wirb. Ser 33ifcf»of, ein Öreiä bon 75 Sauren,
rourbe enthauptet, nachbem ber jübifebe Sbrann alle« aufgeboten hatte, ihn
jum Abfall ju bewegen. Sie übrigen Triften bezeichneten fich mit feinem
33Iute bie Wugen in gorm be§ ftreujeä unb erlitten bann mutf>ig biefelbe
SobeSart. mar ein cbriftlicheS SBcib in jener Stabt, roetcbeS einen
Sof>n hatte, ber fünf Sah™ alt mar. llnb fie fam mit ihrem Sohne unb
fah, wie bie ^eiligen fich mit bem SÖIute bes hl- Oiru* (O^rit^) bezeichneten.
Sa nahm aud) fie bon jenem SMute unb bezeichnete fich unb ihren Sohn
bamit. Unb fie fprach mit lauter Stimme: ,Wöge ber £err ben jübif(hen
ßönig ertränfen, mie er ben Pharao unb fein ganje* £eer ertränft hat!'
Sofort ergriffen bie Solbaten fie unb führten fie bor ben $önig. tiefer
befahl, für fie eine ©rubc in ber Grbe *u machen unb $euer (in berfetben)
anjujünben unb ba& 9Beib fjinein^uroerfen. Unb fie thaten, mie er be=
fohlen. . . 91l§ ber Änabe fal) , mie fie feine Wutter in« £e uer marfen,
meinte er bitterlich unb fdjrtc : ,2afc mich 51t meiner Butter gehen!' Unb
er mollte fich bon ihnen lo§reipen. nun ber ßönig ihn zurücfhielt.
mürbe ber $nabc zornig unb bift in ben ftufe beS ßönigö. Sa übergab
ihn ber Stönig einem feiner Beamten unb fprach zu ihm: ,6rjiehe biefen
Änaben unb untermeife ihn in ber Religion ber Suben.' darauf nahm
ihn jener Beamte unb übergab ihn einem feiner Siener, bamit er ihn nach
feiner 2öofmung führe. Söährenb nun biefer ben ftnaben roegführte, traf
er auf bem ©ege einen anbern Siener (feinet £>crrn); unb er fing an,
bon bem Ännbcn zu erzählen, mie fich berfelbe bem ftönig roiberfefct unb
in ben ftufc bes Äönigä gebiffen Ijabe. Unb mährenb fie fich in folcher
SBeife unterhielten, rip fich ber tfnabe bon ihnen to§ unb ftürjte fich in
ba§ fteuer, in melchem ftch feine Butter befanb." So mürbe auet) er ein
Eiartbrcr mit feiner Butter. Sehnliche Stanbhaftigfcit zeigte eine Butter
mit ihrem noch unmünbigen ßinbe. 511« bie Beamten biefen $elbemnutb
fahen, brangen fic in ben ftönig, bie noch übrigen (5t)riften zu berfchonen 2.
9lnbere (^riften flohen unb fuchten £)ilfe in Wetlnopien, in 9tleyanbrien
unb Äonftantinopel. Unter Sazmifcbenfunft beä #aifer§ Suftinian fanbte
ber äthiopifchc tfönig Gle*baan ein Speer gegen Shu=Woroä$. Siefer mürbe
1 ibid. p. 691—762.
* Sßinanb Sr c 1 1 , Sie Gfuriftenuer folgung in Sübarabien unb btc bimjarifdV
ätf>iolufcbcn Aricge nad) abeffintfdjer Uebcrlieferung (3eitfd)rift ber £eutföen ÜDlorgen*
Iänb. ©efellfcb. [1881] XXXV, 62 ff.). Sögt. 3- 0- Sttorbtmann, Sic b,imjarifd)-
ätt)iopifd)cn Artege no$ einmal (ebb. XXXV. 693 ff ).
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I
$ie altnrabifdjc Siduung unb baä Gljrifientfjum. 333
befiegt unb geftürjt. $aS Gfiriftentljum erfjob fid) in 9iebfd)rän 31t neuer
$lütlje unb erfreute fid> eines etwa 75 3af)re long anbauernben griebenS *.
Sei *Dcol)amtnebs Auftreten roaren bie Triften nodj fo jafjlreidj unb mädjtig,
bajj ber $robb>t eS für poütifd)er unb flüger fjielt, ifjnen gegen bebeutenbe
©elbabgaben Dorläufig nod) freie WuSübung ir)rer 9teligion ju gewähren,
als fic fofort 31t belämpfen.
6. 2>er 2lraberbif d)of Äufc.
@S ift bie 5$ermutfjung geäußert roorben, bajj Sntru ul=$ejs, ber
9Jloallafabid)ter, Gfjrift gcroorben fei. Sie ftü£t fidj ouf bie 9iaa)rid)t beS
9?onnofuS, baß Suflinion I. ifjm bie ^räfcdur bon ^paläftina übertragen
fyabe, roas faum benfbar, roenn omru uUßejs (ßai'foS) nid)t Gt)rift geroefen
roäre. Sein gan3eS Vorleben madjt baS allerbingS wenig mat)rfdr)etnlid>.
2Öeit mertroürbiger , roenn aud) mefjr legenbarifdjen als gefajidjtlidjen Gl)a=
rafterS, ftnb bie arabifdjen 9?ndbrid)ten über eilten d)rift(id)en 33ifd)of fifujj
(Cufe) bon ^ebfdjrän, roe(d)er ber lleberlieferuug jufolge am 6nbe beS
6. Safjrfjunberts gelebt fjabcn foll, bcn s])iof)atnmeb felbft in jungen Sauren
(etroa jroifdjen 585 unb 590) fennen lernte unb roegen feiner 33erebfani=
feit unb ^oefte berounbcrte, unb beffen Anbeuten roof)l ebenbeSfjalb in ber=
fd)iebenen arabifdjen SSerfen erhalten blieb2. fltatürlid) ift er f)ier bom
mofjammebanifdjen Stanbpunft aufgefaßt unb bargeftellt; bod) ift tro£ beS
ftiliftifdjen Jöeiroerfs ber arabifdjen ßraäfjler fein ßfjarafter als ber eines
er)rfurd)tgebietenben djriftliaVn ^rieftergreifeS beutlid) ju erfennen. Sie
fdnlbcro ir)u in Dreifacher Stiftung b,in: als einen ^eiligen, rounbertfyätigen
drinfiebler in ber 3öüfte, ber uns an ben 1)1. Paulus, ben 1)1. Antonius unb
1 Protopic (ed. Dindorf) I, IOC. 107. Stufeer ben gtnmofjnern bon 9leb-
fdjrän waren nad) $ammer>^}urgftall (Citeraturgefd). ber Araber I, 523 ff.)
aud) bie Stämme ber 18enu-;Iag(jlib, ber 5)enu«3jäb unb ber 5Benu=9Hmr CEfjriflert.
SBgl. ebb. I, 577—680 bi« frfjon Don JBoiffonabe (Anecd. graeca V, 76—116)
niitgetfjetltcn ©efefee beö JBifdjofd ©regentiuä tton Sapbaran (3>f)afar) , ber njab,c=
febeinlid) nod) unter 3ufttnian I. »ifdjof ttmrbe unb bii etwa 570 lebte. Acta SS.
1. c X, 713. 714. Sie 6d)tf)eU biefer ©efefee wirb inbeä mit 9led)t bejroeifelt.
©iebe 9lirfd)l, ^atrologie III, 348. — Sgl. 51. 0. ©utfdjmib, JBcmcrtungen
2abari$ ©afanibengefdjidjtc. Äleine Sdjriften Iii, 162—164.
3 Caunsin 1. c. I, 159. — Acta SS. 1. c. X, 720 2. Deiude extremo seculo
soxto novimus Negranae floruisse episcopuni Cos«, iilium Saida, quem mahumetani
poötam et oratorem celebrem fuisse scribunt, cuius Mahumetes in iuventute, id
est circa annum 585 aut 590, miratus est eloquentiam. — L. Cheikho S. J. (ein
geborener Slraber, <Profeffor an ber UniDerfUät ju SJetrut), Les poete» Arabes
ebretienö. Etudes religieuses etc. XLIV (Paris 1888), 592—611, abgebrueft in
Relations d'Orient (Bruxellcs, Janvier 1892) p. 21—89. — Jpergenrötfjer,
Äird>engefd)id)te I (3. »ufl.), 743 : gab aud) fdjon arabifd)e ©cfänge unb ©ebidbte
mit monot^etftifeften unb djriftlidjcn 3been." Sögl. ebb. I, 334 ff.
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334
SDrttte* SBud). 3weite8 flapitel.
bie anbern Leiter ber Gebote gemafmt; bann al§ gemaltigen 9tebner, bcr
bic orabifd)en Stammeshäuptlinge auf bem SJiarfte ju Ota* mit ber Wadjt
[eines SöorteS Anreißt, unb enblia) als SMfawf, beffen 2ef>re unb SBeifpiel bie
Triften bon ftebfdjrän für geraume 3eit befähigten, bem emporfommenben
S§lam ju trotten.
Stuf if)n roirb junäd)ft eine Stelle be§ &itäb al Slgfjäni belogen, wo
e§ Reifet1:
(Siner ber Otiten $at gefagt: „3d| irrte einft unu>r auf bem ©ebirge
©im'an, an einem glüfjenb f)eifcen Sage. $a fal) i$ jmifaVn jwei ©räbern
ein #au§ beS ©ebeteä unb baneben einen ©rei*. ,2Ba§ finb baö für jwei
©räber?' fragte Gr antwortete: finb bic ©räber meiner jwei
53rüber; idj lebe an biefen ©räbern; id) werbe f>ier weilen, bis auaj id)
entfdjlummere.4 (?r weinte unb bann fang er:
,6tef)t auf, tfjr Vielgeliebten! 3)enn ju lang
28äf)rt euer ©djlummer mir, fo bumpf unb bang.
©ef)t tljr mid) nid)t auf biefen »ergeäf)öf>'n
Jöei eud) allein unb oljne öfreunbe ftcfjn?
91 n eurem ©rabe tjolt' id) treue ÜBad)t,
»id einen ©rufe mir bringt bie lange 9iad)t.
3ötc 2Bein ber ©d)en! beim ÜDtabI ben ©ftften fdjenft,
§at Sfleifd) unb Änodjcn eud) ber £ob getranft.
»om »ruber barf ber »ruber nimmer meidjen;
Srum b,arr' id) auö bei euern beiben Seidjen,
Unb fpenb' eud) reinen SBein an eurem ©rabe,
SBenn nid)t ben Sippen, eurem ©taub jur Sabe.
3d) ruf eud). ©predjt ein SBJort nur, einen Saut
9ld), feine Slntmort tuirb mir anvertraut!
60 h,at bcr lange Sdjlaf betäubt ba« Cbr.
3br Vielgeliebten! fagt, ma« fjabt ibj bor?
3d) tyab's gefagt: mein $erj nid)t mebr gefunbet;
2) er $feil, ber eud) traf, b^t aud) mid) uertounbet.
3d) bin eud) naf|! O möd)t' auf feinen 6d)mingen
3) er Sob eud) meinen Sebenäobem bringen!
O tönnte ©eele man für Seele geben:
3Jlein Seben mürb' erlaufen euer Seben.4" 2
1 Vol. XIV. »gl. Cheikho 1. c. XLIV, 600. „Sie alten grjäfjlungen im
ftitab al»91gf)äni baben burd) bic münbliä)e unb fd)riftlid)e Ueberlteferung im ganjot
unb großen meber ben ed)ten Son nod) bic ed)te ©pradje nerloren ; unb fo unljiflortfd)
bie einjelnen ®efd)td)ten oft ftnb, fo gibt bie ©efamt^eit bod) ein gute«, frtilid)
ibealifirte« SBilb altarabifdjen Söefena." 9t ö I b e 1 e (3eitfd)rift ber $eutfd)en 9ttorgen.
Iönb. ©cfeüfd). XLIX, 711).
s £a3 ©d)ema be# arabifd)cn »erdmafee« (Tawil, 9teim in 3)') ift: Fa'ülon
mnfa'ylon fa'ülon mnfa'ilon (bis).
~
$abci gebt berfelbe Sieim burd) alle 3cilcn, maS im 2)eutfd)cn faum nadjjuabmen ift.
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2>ie altarabifd)e Stiftung unb ba* 6f)riftentf>utn.
335
£erfelbe 3"9 finbet fia) in einem anbern 2Berfe mieber, in bcn Wo=
fjäbarät ul abrät1, worin aber bie ©eftalt beS arabifajen SBifdwfS bereite
metjr burd) 3ufä^e unb Sagen einer fpätem 3«* untbunfelt ift. @S werben
uns hieraus außer bem Sßropljeten Woljammeb brei ^Jerfonen Dorgefityrt,
bie fid) über $uß ergeben: 511 3ärüb, 51bü 39efr unb ein 5lnfar („33unbeS=
genoffe" aus Webina), beffen Warne nicr)t genannt wirb. 511 Särüb, baS
£>aupt einer ©efanbtfdmft beS 5lbb=ul=&aiS, reitet gen Satljrib mit jwanjig
©enoffen, bie auf iljren fräftigen Kamelen aufragen gleid) ^almbäumen.
SBor ber SRofdjee beS Sßropf)eten fteigt er ab unb leiftet ifmi mit ben «einen
ben @ib auf ben Ssläm. 5WäfjS ©efanbter (triebe unb £eil fei if)m !) U-
glürfwünfa^t 511 Särüb unb fragt Um: „3ft einer unter eud), ber ben Äufj,
ben Soljn beS Sä'ibat, gefannt ^at?" — „2öir aDY', fagt 511 3arüb,
„fjaben il)n gefannt; id) bin fleißig feinem Untertid)t in ber 9tebefunft ge=
folgt unb fenne feine ganje ©efdjid)te. Gr war ein großer Wann unter
ben Arabern, bon eblem Stamm, oon feltenem 2öiffen, etjrmürbig weiß.
6r Ijatte Safyrfjunberte burd)lebt unb Simeon, baS £aupt ber 2öeifjen,
gefannt. Äufj wohnte nidjt unter einem $adje, er fpannte fein 3?** auf;
er lebte in ber SIBüfte unter ben milben gieren, bie ifnn ger)orc^ten. @r
faftete na<$ bem ©ebraud) ber (Sinfiebler unb naa^ ber 51norbnung beS
GljrifiuS Sfä (3efuS). (Sr friftete fein Ceben nur bamit, baß er bisweilen
ein Straußenei auSfdjlürfte. Wan fucfyte Untcrrid)t bei ifmt in ber SBüfte;
er mar ber erfte, ber bie Araber Sieben galten lehrte bon ber £ölje eines
Fugels Ijerab, geftüfct auf ifjren &irtenftotf ober iljr Sd>mert."
511 3ärüb füljrt bann eine $robe feiner 9tebe an; ebenfo 5lbü 33e!r.
$ann ergebt fidt> ber 5lnfar. @r ift Ijod) geworfen, unb fein gewaltiger
tfopf beljerrfc&t bie 23erfammlung wie eine Sergfpijje bie umgebenben Sel§=
fd)lud)ten. (Sr fe$t feinen Durban jured)t, ftreidjt bie langen £>aare über
bie Sd)läfe unb fpridjt 311m ^ropfyeten: „C £err ber ©efanbten 5Wäf)S,
5luSerwäl)lter beS |>errn ber SBelten! 3d) weiß öon Äuß eine wunberbarc
©efanajte." — „ttebe", fagte Woftammeb (triebe fei mit tym unb &eil!).
darauf fäl>rt ber 5lnfar fort:
«3ur 3ei* °cr Unwiffenfieit gefd)af) eS, baß eines meiner Samele enk
lief; id) nalmt einige meiner (meiblidjen) ftamele r)urtig wie bie Sjdjinnen
(böfen ©eifter) unb Oerfolgte eS. $ie 9tad)t überrafd)te mid) in einer
fürdjterlidjen Sd)lud)t ; tdj fud)te Sufl110^ m cmer Wie, üon ber id> nid)t
wußte, ob bort nid)t ber Zob auf mid) lauerte; ia^ ^atte feine Hoffnung
als mein ©aiwert. 3d) braajte ba Stunben ^u, weniger mit Sdjlaf als
mit Umfdwii nad) ben Sternen. %a plö&lid) liefe mia^ eine Stimme biefe
5ßerfe* ^Ören :
» Cheikho \. c. XLIX, 601.
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336
Stitte* »ua). 3»eitt* Äapitel.
,0 bu, ber bu ixrfi burdj bie finftrc 9tad)t,
IBJiffc, ein ^ropljet ift in #aram ertoaajt,
21 uS £>äfd)im$ Stamm unb eblcm 23lut,
Sern Stamm fo treu unb {jodjgemutfj.'
,,3d) fjielt meinen 2ltb>m an, aber id) fjörte nichts metyr, nidjt ben
leifeften *Dienfd)entritt, nidjt baS 9iafd)eln eines SurnuS. $m borgen traf
id) mein Harnet mitten unter ben raffen tfamelftuten ; id) faßte eS beim
£>alfter, liefe es nieberfnien, fefcte mid) auf feinen 9tüden. @S fdmaubte ein
menig, bann rannte es pfeilfdmefl babon. @S trug mid) big 3U einem
Herfen bemalbeten SanbeS. Ta falj id) einen ©reis mit langen, fd)nee=
meinen paaren, gelernt an einen ^almeitbaum, ber mit einem Stabe $ua>
ftaben im Sanbe jog ; bor it)m mar ein ©ebetsljaus jroiftfien jroei ©räbem ;
baneben riefelte eine Duelle. Unb jiefje, jmei ungeheure Söroen näherten
ftd) bem ©reife, lerften feine Kleiber unb liebfoften tyn mie treue £>unbe.
Ter eine uon ben beiben ging auf bic Duelle $u; ber anbere moflte bor
ifjm trtnfen unb ftiejj ifm; aber ber ©reis fajlug ben feiten Söroen mit
feinem Stabe: ,^öge bie Öötoin, beine Butter, an beinern ©rabc brüllen!
Unfluger, lafj beinen SÖruber trinfen!' 5US bie Dörnen tyren Turft geföfc&t,
gingen fte bon bannen, unb id) näherte mid). 3dj grüßte ben ©reis, unb
er grüßte midj ; iaj erfanntc bie Stimme, bie in ber 9?ad)t ju mir gefprodjen.
3d) ftanb bor flujj, bem Sofme Sä'ibatS. ,2öaS finb baS für ©raber?4
fragte id); er antwortete: ,Tie meiner 58rüber4, unb 2f>ränen perlten in
feinen klugen. Tann neigte er fia) über bie ©raber unb fang."
(£s folgen nun bie bereits mitgeteilten 23erfe, nur mit geringen 86=
änberungen.
TaS ©efd)id)td)en mitfamt ben SSerfen finbet fid) ebenfalls in beut
tfitäb al Satyäi'r beS 9lbü &afan al 3fd)büi (beS SeoillanerS) 1 ; bod) fügt
biefer fpanifd)e (Sljroniii eine ganje 4*>erbe bon Sömen f)in$u unb weiß aud)
bie Serfe mitzuteilen, bie flufe mit feinem Stabe in ben Sanb fdjreibt:
Serflumme, Sobeifjerotb, unb IjÖr auf 31t f^reden!
Sie Sc^luimnernben »irb einft bc8 ßeben« §erolb werfen.
Sic fielen auf, jablloä mie Jpagelfajloffen :
Sie einen nadi, bic anbern glanjumfloffen.
9Kof)ammeb fprad) ju 3arüb : „Tu ^nft gut gefproaVn bon ßup, bem
Sofme beS Saibat. 9Jlir ift, id) fef)e ir)n noefc mitten in ber SBerfamtm
lung bon Ctäj, Ijod) auf einem braunen Äamel, roie er bie Wenge in ge^
mähten SBorten anrebet; bod) id) fjabe feine 9?ebe nic^t behalten; roer
fann fie mir roieberfjolen ?" Ta fprang "Mii SBcfr Don feinem Pafc auf unb
rief: „Tie SRebe beS ftujs ift mir noefc fo gegenmärtig mie am Sag? ber
» Cheikho 1. c. XLIX, 603.
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!
£ie altarabifdje Xiä)tung unb baS ßtjrifientfjum. 337
*
SBerfammltmg ; er ftorad>: ,0 ifjr Wenfdjcn, berftefjet unb begreifet! Sffier
lebt, ber ftirbt; wer ftirbt , ber ift borüber; ma§ fein mufe, wirb fein:
finfttre Wadjt unb fternenfjeller §tmmel, ftürmenbc 2öogen unb leudjtenbe
©terne, $ered)tigfeit unb Ungered&tigfeit, ©peife unb Jranf, tfleibung unb
Sieitjeug. SBaS feb> idj? $ie Wenfd&en getjen unb fommen nidjt mieber!
(Befällt tynen iljr Säger, bafe fte ftd) nid&t wieber ergeben, ober finb fie
berfaffen. unb Ijaben niemanb, ber fte werft?' Unb bann fang er:
,3um ©d)aufpiel toerben, bie im ßauf ber 3«it
lind um 3af)rt)intberte borauögcgangen :
Sie jogen f)in, fte tarnen nid)t jurücf,
3)e« Xobefi Srdntylafr IjAIt fie noä) umfangen.
SJtetn ganje* SBoll jie&t unauffialtfam nadj —
3ö) fefj* fte att*, bie ©rofeen tnie bie Äleinen.
§<f) foradj bei mir: 6$ ift bed SBtcibcnS nidjt.
Söoljin fte 3tetm, id) ^ietje mit ben SJieinen.'"
fpecififd) Gfjrtfilid>e unb ßatfjoiifd)e, was bie ^rebigt be* greifen
SifdjofS enthielt, wufete Slbü Sehr, ber fpätere ßfjalif, natürlich nid&t meljr.
%ü<S) über baS eigentliche bif#öflia> Söirfen beS £u& b.aben bie arabifaxn
8d)rift|}eaer niajt§ aufbewahrt. «Rur auä ber ^eftigfeit, mit welker bie
e^riften bon Webförän beim Auftreten Woljammebä für tyren ©tauben
eintraten, Iftfct ftdj annehmen, bafe tfufe ein au8ge*eid)neter Oberljirt ge=
wefen fein mufj. ©eine Serebfamfeit aber ift bei ben Arabern bi§ ljerab
auf bie ©egenwart fpri^mbrtlid) geblieben. 2öenn fte einen 9tebner rcd}t
loben wollen, fagen fte: „$u bift berebter al§ Äufi, ber ©ob,n beS ©ä'ibat."
$a* <Sf)riftentl)um ift alfo nidjt blop fa>n jwei Safcluinberte bor
Wofjammeb 51t ben Sebuinen beS nörblidjen Arabiens gebrungen, fcunberte,
ia Saufenbe bon tynen würben fdjon burdb ©imeon ben ©tyliten betefjrt,
bie bliu>nbett ßb,riftengemeinben bon $cbfdjrän überwanben am Anfang
beS 6. 3abjf)ttnbcrtS pegreid) bie blutigfte Verfolgung; bon ber Witte beS
3afjrfmnbert§ an fjerrfebte ber fatljolifdjc ©laube aud) am £ofe bon &tra;
btc f)erborragenbften $id)ter ber Tlraber tarnen mit Triften ^ufammen.
Warf) alter, wenn aud) fagenfyafter Ueberlieferung, Nörten Woljammeb felbft
unb 2lbü S3efr, ber erfte ber Kalifen, auf bem Warft bon Clan bie fielen
be§ Gf>riftentb,um3 bur* einen d>riftlid>en SBifc&of ifjrcS «olfe§ berftinbigen,
beffen jünbenbe Serebfamfeit alle mit ft# rin. 2öie ift e§ gefommen, bafj
trofcbem bie begabteren Araber biefer 3eit, ifjrc gelben unb $icf}tcr, Reiben
geblieben finb unb bie legten au§ tb,nen fid> bem 33lam jttwanbten?
Völlig befriebigenb Wirb ftc^ biefe ^rage woljl nie beantworten laffen.
^odö weifen bie arabtf(b,en Ueberlieferungen beutlia^ genug barauf b,in, baü
^abfua^t, Stolj unb ©innlia^feit, wie bei anbern Völtern, ba§ £aubt=
b,inberniB ber Vefebrung bilbeten.
»auntflttttnet, aBelttitmtur. I. 2. Hn|I. 22
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338 Srüte* 3)ud). 3w«k* «apttel.
7. Ter faljtenbe ©änger 61 Slfaja.
üßon 61 3tfd)ä, ÜWaimun, Sohn be3 $aiö, mirb au$brücflic& berietet,
bafe er häufig mit ben ^^riftcn in Webfdjran berfehrte, bafj er bie 58or--
nehmen biefer ©tabt ofliä^rlid) befuc&te, Sobgebidjte auf fic berfajjte unb
fuh ihren 2Bein fehmeefen liefe, bafi er au* mit ben 99ifd)öfen bon «Rebfchrän
Unterhaltungen pflegte unb bie 3been, bie er barauö fööpfte, bann wieber
in feinen ©ebiajten bermerthete. 3n $ira laufte er oft ©ein bei einem
chriftlichen Araber Samens 3bäb unb unterhielt fich mit ihm auch über
religiöfe fragen. Unter ben Arabern gab es bamal* berfchiebene Stnftchteu
über baö menfehliche £anbeln. Tie Gabariten läugneten ben freien SBiflen ;
bie 9Jlorbfa)iten fugten biefe Öeljre etmaä $u milbem ; bie Gabariten bagegen
traten entfajieben für bie menfdjlichc Freiheit ein. Tiefen fchlofe ftch 61
9lfd)ä an, unter bem 6influjj jenes chriftlichen SBefannten unb ftreunbe*.
Ter «hapfobe (föämi), ber ihn auf feinen SÖanbersügen begleitete, feine
SJerfe recüiren unb oerbreiten mufete, mar ein Ghnft, Sahja ibn SJcattfw
(Sodann Üttatthiaäfohn) K
Ter Tiajter, ber inbeS alljährlich bie ^albinfel in allen Wartungen
burchjog, gönnte fidt) nie bie 3eit, ber religiöfen fra^t emftlich niUjer ju
treten, ©eine Abgötter maren SBeiber, 2Bein, 2ob unb föeichtfmm. Ter
£auptjmecf feiner fteten SBanberungcn mar, fich ©efchenfe ju erfingen. ÜDian
berglich ihn be^alb mit einem »auboogel, ber auf alle Sögel 3>ogb macht,
bon ber Nachtigall bte jutn Kranich- ©eine Cobgebichte, CiebeSlieber unb
©chmähberfe mürben burch bie ganje #albinfel hm gefungen. 6r hiejs ba=
bon im «Bottemunbe nur ber „Gmnbelfchläger ber Araber". 6r lief? e§
ruhig gefchehen, bajj ein armer Araber fein lefcteS Äamel fchlachtete, um
üjn gaftlich ju bemirten, belobte aber bann auf bem ÜJtartte ju Ofäj ben
Slbel unb 6belmuth be§ armen SRanneS bergeftalt, baf* bie acht Töchter
beSfelben, megen Langels an SluSfleuer ganj hoffnungslos , in ein paar
©tunben fämtlich einen 53räutigam Rotten.
33alb nach bem erften Auftreten «DlohammebS berfaftte 61 Hfchä ein
Üobgebicht auf ihn unb jog ihm entgegen, um fich ihm borjufteflen. ÜReffa
mar bamalä noch nicht in feiner ©emalt, unb amifchen feinen Anhängern
unb ber ihm fetnbfeligen Partei ber h«bnif<hen ßoraifchiten mar (628)
eben ein Söaffenfhflftanb gefchloffen morben. Tie ®egner beS Propheten
fürchteten nicht ohne ©runb, ber beitritt eine* fo boifethümlichen Trichter*
mie 61 ttföä möchte 3JcohammebS «nfefjen bebeutenb berfförten. ©ie hinten
ihn beöhalb untermegS auf unb fudjten ihn' bon feinem Vorhaben ab=
jubringen.
• Caumn 1. c. II, 395-403.
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Ster Äorän ali ßileraturbciitmal.
339
„6r wirb bir gcmiffc Singe oerbietcn, bic bu fe^r liebft", jagten fie.
„Unb weiße?"
„3um »eifpiel bic Unjudfrt", fagte «bu ©ofiän, ber pf>rer bet
«loljammeb feutbliaVn gartet.
„Sie l>at miß berlajfen , nißt iß fie. Ba§ foll er mir berbieten?"
„%<A Spiel."
„SBieüeißt gibt'* bafür Grfafc. Söeiter!"
9luß baö ©erbot be* Söußer* fürßtete er nißt. $enn er l)otte nie
gemußert noß geliehen, frür ben berpönten 2öein glaubte er fiß allenfalls
burß Söajfer bon ber Sifterne 61 SRüjraä entfßäbigen ju fönnen. 3ulefct
traf Slbü Loftan aber boß feine fßwaße Stelle. 6r bot if)m ^unbert hantele
an, roenn er naß #aufe gefym unb ein 3aljr bort bleiben tootlte. darauf
ging 61 «fßä mit fjfreuben ein. 53ei SWanfüraf) ftür^te er inbeS mit feinem
9t«ttf>ier unb ftarb infolge be§ ©turjeS im folgejtben 3af)re (629).
$ür fieute, bie it>rc religiöfen unb politifßen «nftßten für eine #amcl=
t^erbe ju oerfoufen bereit jtanben, waren bie ftorberungen be3 6f>riftentfmm3
ju l)oß. ©erabe folßen Seuten aber lief ba& üöolf naß unb fiel fo ber
bemalt be* fßmärmerifßen ^rannen anfjeim, ber für einige Seit faft aller
arabifßen gtoefte ben daraus maßen foffte.
drittes! & a p 1 1 c l.
i*r <$0!ä!t ate ^tferaturbenftmaf.
Wit Oßoljammeb cnbigt ber erftc 3eitraum ber arabifßen Siteratur.
®er ftbfßlujj war inbeS fein plöfclißer. SJlanße angefeilte Sißter ber
ältem 3eit, tote 61 «fßä unb 3u$ejr, erlebten noß ba§ Auftreten be*
<ßropf)eten. $er greife SHoallafabißter Sebib foH erft unter bem Älroltfen
«bü 33etr geftorben fein. 9)ian nannte biefe S)ißter bie „Söeiblcbigen"
(5Koc^abremün) , meil fie jugleiß bem 3eitaltcr ber „Unmiffenljett" unb
jenem beS „3§läm" angehörten. ©ie bewegten ftß jeboß nodt) bormiegenb
in ben 3lnfßauungen unb formen ber frühem 3eit. 6rft in TOo^amntcb
erfnelt ber SBolfSgeift ber Araber eine »oefentliß neue 9iißtung, bie jwar
wenig poettfße ftrußtbarfeit bewährte, aber um fo gewaltfamer aüe§ um=
möbelte, maä in ben tfrete iljrer Hnsidjung geriet!). 53i§ auf ifm bietete
jeber, toaS er wollte; öon ifmt an aber burfte nißtä metyr gebietet unb
gefßricben werben, wa§ nicr>t toenigfiettä einen furjen Spruß beä #orän
an ber Stirne trug, unb felbft bie üertoegenften ftreigeifter bermoßten fiß
nißt üöflig feinem 9floßtgebot 511 entringen.
22*
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3-10
dritte« »tiö). 3>ritte« «opitel.
1. Wofjammebä crj!e* Auftreten.
<Dlol)ammeb§ geben fieljt in feltfamem ©egenfa£ ju jenem ber alt=
arabifc&en Siebter, beren (S&arafter mir an ber £anb ber Ueberlteferung 311
seidjnen berfu^t Ijaben. (Sr ift fein toller Sraufefopf wie 2arafa, fein
romantiföer Abenteurer wie 3mru ul=ßej§ ober ber £albneger Antara, lein
lieberlid)er ^>ofpoct roie Siäbiglja, fein fa^renber Sänger roie $1 Afdjä,
audj fein bieberer, efjrwürbiger ftriebenSftifter wie ber alte 3ul)eir. Unter
ben Dielen fjunbert ^oeten, bie Dom Anfang be» 6. 3a$rl)unbertä biä weit
über feinen 2ob fnnaus lebten, wirb fein Marne ntdjt genannt- ®* txritt
roeber an bem SKarlte Don Ofaj auf, nod> an ben Meinen $öfen in Sorten
unb SHefopotamien : fei e3, ba& er für bie allgemein beliebte ßunft beS
SJerfemacbenö feine Anlage in ft<& Derfpürte, fei eä, bafc er fie berfdjmäffte
ober unter ben gebrütften 5ßerl)ältniffen fetner Sugenb nidjt rittujje unb Suft
fanb, fid) barin ju üben. $enn e$ mar eine Ijorte, freublofe 3ugenb K
Seinen SBater Abb AUäfj Derlor er fdwn, beDor er felbft (etroa um
569 bis 571) baS Siebt Der SBelt crblicfte. <Hur fecf)S 3a^re lang 50g
iljn feine Butter Amina auf ; bann ftarb aud) fie. 3mei 3«b« forgte ber
©ro^Doter Abb el «Diottnlib für ben Söaifcnfnaben : ba warb ifmt aud)
biefer eniriffen, unb ein Cfjm, Abu %a[\b, übernahm nun bie weitere @r=
jieb^ung. SDfobammeb empfanb biefe Scbitffatefcfyäge tief, bod) Derlor er
ben Wutfj nic&t. 6r gefleht ba» im Äoran felbft unb fajrcibt e* einer
Ijöbem 9)iacbt ju, bajj ber Herwflifte immer wieber ein Unterfommen fanb,
ber ©ebürftige reief) warb unb ber Verirrte auf ben reajten 9Beg fam. <£*
ift inbeä fein 3weifel, bafc er bie Singe nia^t feijr lorifa) nat)m, fonberu
auf feinen §>anbelärcifen nad) Sorten unb fernen mit (£elb wie mit ben
äjer^ältniffeu rennen lernte, mt 25 ^a&ren trug er fein »ebenfen, bie
Dierjigjälirige 2Bittwe CMjabibfdm 31t heiraten, bie ilm au§ einem unbemittelten
Streber ju einem mofjlf)abcnben $anbelämonn maajte. 'Man fann fid)
taum ein oollftänbigere* ©egenftücf ju bem leid)tfinnigen larafa benfen
alä biefen wofilbereäjnenben Kaufmann <Dior)ammeb. Solange <£f)nbtbfd)a
lebte, f)ielt er fid) folib. Gr war ferwn in ben ^ierjigen, ÜBater Don jwei
Söhnen unb Dier löajtern, ein tabellofeS ftamiüenf)aupt , als ber $lan
einer neuen SReligion§grünbung , in fdjmärmcrifd)e§ Xunfel getauft, fid)
feiner bemüßigte. 2öaö inbeS Don feinen älteften fogen. Cffenbarungen
erhalten ift, tragt niajt fo feljr ben Stempel bogmatifdjer alä focialer
1 5ür sJläf>ered müffen luir auf hie »toßra^ien 3)lol)arameb8 von 0 b u
Jp i f f)önt (^eratiögegefren üort 3DÖ u ft c it f elb 1858— 18€0, überfefct üon äüeil 1864),
oon äöeil (1843), SÖ. ^noing (1850, bcutfd) 1850), 2». ÜJluir (1858—1861),
Sprenget (1861— 1865), Stölbefc (1868), $elaportc (1874), flref)l(1884)
oeriDctfcn.
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S£er Äorän ali ßitcroturbcnfmal.
341
6d&märmerei i. Er ift mefyr Socialift als 9)h)flitcr. $ie Ausbeutung ber
ärmern Jflaffen burd) bte reidjcn Äaufleute in DJieffa fyat [einen 2öibcr=
fprucf) ^eröorgerufen : ein SBiberfprudj, ber f aft auf eigene tyerbe Erfahrungen
fdjfiefjen läfit. 3ürocnb tttybi er feine «Stimme gegen bie Duftler unb
Seutefdjinber, beren ®ott ber Common ift, bie nur barem benfen, iljr §ab
unb ©ut ju mehren , gegen bie fiügner , Betrüger unb SBudjerer , bie fein
4>erj für ben Armen fjaben, bie ben SBaifen bebrängen unb bem dürftigen
bie bringenbfte ipilfe berfagen. 2Bon biefen fjeifdft er JöefeJjrung, biefen
brotjt er mit bem rafdj nafyenben $obe unb mit allen €>$redniffen ber
£>öfle. $a§ finb ifym bie cigentlidjen Gtöfcenbiener 8.
2)er ftotbfdjrei beS £>ilfIofen gegen feinen übermäßigen Söebränger,
ber Appell be§ bon Ungere$tigteit Sebrängten an eine auSgleidbenbe @e=
red>tigfeit im ^enfeits, ber Kampfruf ber Enterbten gegen ben alles ber=
jeljrenben, afle§ auffaugenben 9fei#tl)um $at an fiä) etroaS spoetifdje*. Er
rüttelt an bem profaifajen ©elbfad; er fe^t bie Seibenfdjaften in (Störung
unb jieljt fjäljere Erinnerungen unb 3been in ben Sntereffenftreit beS 3rbt=
fdjen hinein. $0$ gerabe fünftlerifd) frudjtbar pflegt biefe Art Ieiben=
fdjaftlidjer Erregung nidjt ju fein. <Bie jielt $11 feljr aufä ^praftifdt)e. Aud)
bei 2Rof)ammeb mar eS fo.
Unter ben ^orroürfen, mit melden ifjn bie Seiten $u SWefta ab=
miefen, erfdjeint jmar aud) ber, er fei ein 3Md)ter. $>amit mar aber ni$t
fünftlerifdje ^Begabung gemeint, fonbern Iebiglid), bafc er bie Träumereien feine§
Zorans erbietet Ijobe, bafe feine angeblidjen Offenbarungen blofie Ammen=
mära)en feien. @ie nannten tr)n im felben Atfyemjug au$ einen 2öaf>rfager,
einen 3ouberer, einen Sefeffenen unb fpäter einen ©dmnnbler unb Betrüger 8.
Söiemeit feinen SJifionen unb Crafelfprüdjen frantyafte ©d)tt)ärmerei ju
(Brunbe lag, roiebiel ©a^minbel unb SBetrug, üermodjten fdwn feine fdwrf=
blirfenben 3citöenoffen un^ ©«wer nidjt 511 bemeffen. Er mar iljnen ein
Stät^fel unb mufjte bur$ bie gefugte $unlelf)eit , Abgeriffenljeit unb 8elt=
1 2öir ^aben bafür bat 3euÖ°i6 bei £ariri: „3dj bezeuge, ba& ÜJtofjammeb
ift fein mertfjer »oi» — in bie SDÖeÜ gefanbt toie ba* 3Rorgenrotf) , — um bie
Srinftermfi burefc ba« Siäjt ju fä)eud)en — unb ben armen ju Reifen gegen
bie 9t e i fl) e n. — 6r mar (©Ott fei iljm gnäbig !) ben dürftigen mitb — unb ber
Unterbrficlten ©dfoilb; — er bot bie ©uter ber JBegfiterten befteuert — unb ber 9Jotf>
ber 9totf)leibenben gefteuert." {Rudert, §ariri II (2. 9lufl.), 30. 81. — 5ügl.
© r i m m e , SRofjammeb [S)arfteUungen aus bem ©ebiet ber ni^t^riftli^en
9teIigion*gef4iö)te VII] (fünfter i. SDÖ. 1892) I, 14 ff.; II, 189 ff.
« Äorän, ©ure 104. 100. 96. 107. 102. 92. 91. 89. 83, jufammengefteat bei
©rimme a. 0. D. I, 18-23.
3 „Sie fagen: $er Äorän enthält nur eine t>ertoorrene IDtenge Träumereien;
ma^rlid^, er (9Jtobammeb) bot ib*t erbid)tet; benn er ift ja ein $t$ter." Koran,
Sure 21. — S5e8felben JOortourf« ermähnt er ©urc 52.
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342
dritte* »ud>. XxiUH *\cip\tc\.
famfett feiner Wuafprüdjc ben fotgenben Generationen nod) immer rätfffefc
Softer werben, £er lichte $nntt in bem öerworrenen Öerebe ift nur bie
Betonung eines einigen Rottes, beffen £afein aber mie ba&jenige einer
#öüe blofe autoritatio behauptet, nid)t rationell bewiefen wirb. 9U$ aber
bie SMtaner berlangten, er fofle ifmen bnrd) 3Bunber$eiä)en feine görUtäje
Senbung oerbürgen, wie* er fte mit ber wohjfeilen 3Jerfid)erung ab, fie
mürben aud> 2öunberjeid)en nid)t glauben1, ©eine perfönlidje Begabung
unb Silbung imponirte itjnen burd)auS nid)t. Sie älteften Äoränftüde
maren nid)t baju angetan. „Denn biefe fteljen tyrer 9lu*bru<f«weife nadj
feinem 3»*% Der altarabifdjen Literatur näfjer al§ ben Sprühen ber 2Bafjr=
fager unb ftegenmadjer." 2 SJlofmmmebS ^rebigten unb Vorträge felbft
mögen beutlidjer unb berftänblidjer gewefen fein; bod) fanb er bei ben
9teid)en unb Borne&men feinen Entlang bamit. Sie fügten nid)t wenig
Suft, Um bafür &u fteinigen. 9iur ber Sdjufc, ben SWotjammeb bei feiner
ftamilie, ben £öfd)imiben, fanb, Ijieft fie baoon ab.
2. Gntftefjen beS 3§läm.
2öar 3)?o|mmmeb boit öornfyerein fein £id)ter3, ja faum ein ßnifmftaji,
oiclmeljr ein bered)nenber ^ßrofaifer, fo führte Km ber OTifcerfolg feiner Sad)e
immer meljr auf bie ^fabe nüd)terner spolitit. £a fid) feinem ÖtotteSbunbe
(51l)bs9Iüäf)) meift nur ärmere £eute aus bem Stamme fioraifdj anfdjtojfen,
unb er befürdjten mußte, baß bie Heine Sdjar leidet gemaltfam getrennt
werben fönnte, fanbte er biejenigen feiner 9lnljänger, weld)e nidjt $u feiner
Familie gehörten, nadj 5lbefftnicru bann bie ÜJief faner bie ganje
Familie §äfd)im bürgerlid) richteten unb fie auf ein eigenes Stabtquartier
jurüdbrängten , baä bisherige £aupt berfelben, %bü 2äi\b, ftarb, oiele
£afd)tmiben fid) bon *Diotjammcb loäfagten, biefer umfonft in ber Stabt
laif Wnljänger ju werben fudjte, ja mit Sd)impf unb Öemalt auä ber
Stabt oeejagt würbe, gab er öorläufig iebe Hoffnung auf 9)teffa auf, be*
reitete langfam unb mit ttügfter Borfidjt eine Ueberfiebclung nad) 3atfjrib
(SRebina) oor, wo er für feine glätte günftigern Boben $u finben hoffte,
lieft feine 9tnfjänger bat/in jiefjen unb flüchtete bann felbft mit ben 3«5
oerläffigften feiner (betreuen. 3n Sfltyrib, baä 3eitweütg fdwn böflig jübifd)
gewefen, lebten nod) immer ja^lreidje 3uben ; bie arabifdjen Familien maren
burd) ftamüienfef)ben entjweit. ftanb Ijier 9)?of)ammeb feine jweite
religiö3=politifd)e 9Jiad)t gegenüber. W\i fd)lauer ^olitif wufjte er auö bem
SBirrwarr ber fid) befeinbenben Strömungen Wufcen ju jiefien, feinen Hn=
1 ftorän, Sure 26. 27. ! Stimme o. a. 0. I, 82.
» CFt lä&t ba» (@ute 36) ©ott felbft fagen: „2öit faben itm (ben 9Rol)ammeb)
nidjt gelehrt bie Hunft ju bieten, aurf) ixtmt fie fi^ ni^t für it)n.-
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Xcr Äorän als ßitavaturbcnfmal All
tjang ju oerftärfen unb ju einer 9Had)t gelangen ju laffen, ber fd)liefefid)
(eine anbete gartet meljr getoaä)fen mar1. 2)ann bernücfeite er feine 3u=
fludjtsfiabt in fterjbe mit TMla unb erhärte enblid) ber it)m nnbanfbarcn
Skterftabt ben 9iaä)e(rieg, inbem er feine freitDiflige ftüicfyt ats boshafte
23ergetoaltigung ber SNeffaner batfteüte.
Sotoenig Sftoljammeb ein Siebter mar, fo roenig mar er audj pjilo=
\opf) ober ^ogmatifer. ($r trat ebrnfotoenig mit einem fertigen, Haren,
burd)baä)teu unb logifdj burä)gearbeiteten Softem bor bie SBelt, mie etma
ipätcr l'utfyer. (£r mar ber Wann ber Jljat, ber Agitation. Seine Seljrc
enttoicfelte ftdj bon Jag ju Jag, je nad) ben Umftänben.
^a bie *yjeftcmcr }\d) nid)t güilidj) ju ber ?lnnenfteuer (3atät) öcr=
fielen wollten, bie er bon tynen forberte, brofyte er ifwen im allgemeinen
mit bem 3Beltgerid)t ; als fie Ujm nidjt glauben tooEtten, liefe er in buuleln
Srorjunaen baS SBeltgeridjt ftfoon ganj in bie 9iätje rüden; atS fie and)
beffen Rotteten, fing er an, ir)nen mit ber ftadje ©otteS fd)on Ijienieben gu
broljen. 35a bieS ebenfotoenig fruchtete, breite er baS Statt unb fing nun
an, bon ber Söarmrjerjigfett unb £angmutl) ©otteS ju prebigen, toeldje bie
langft berbiente 3wd)tigung nod) auffdjöbe. 2Bäl)renb er früher fjauptfäd)lid)
2Bof)ltf}ätigteit geforbert l)atte, toanbte er fid) nunmehr oorjugSroeife an feine
9fnr)änger, um bon ifjnen unbebingten ©tauben an feine 2Borte ju forbern.
3n ben ©ertragen, toe(d)e er in ber Sd)(ud)t (9lfabä) bei 9Jcerfa mit
feinen neuen 3u$ügtem aus 3atljrib fcfylofe, forberte er als Jpauptbebingungen,
bafe fie neben 9Wäfy (einen anbern ©ott (wben, nid)t ftefjlen, nidjt er)e=
bred)en, (eine Äinber tobten, nid)t berteumben unb ifjm als ©efanbten ©otteS
(SHaful ^Iflar)) nid)t jutuiberljanbeln follten; er aber berfprad) iljnen bafär
baS ^ßarabieS.
3n 3ötrnib fdjeint ÜHor)ammeb baS Subennjum genauer (ennen ap
lernt 511 rjaben, aud) einiges bom @t)riftentf)um. ©r berichtigte im #orän
mefnrereS, toaS er bis bafn'n nid)t redjt berftanben. £auptfädjlid) unter
jttbifd)em (Sinflufe regelte er jefet feine Sajjungen über baS ©ebet, baS
Raffen, bie Speifenoerbote. 3m Anfang, als er fttt) nod) gleid)fam als
£ilfefud)enber füllte, liefe er fogar bie 3uben, ©giften unb Säbier als
„©läubige" gelten, wenn fie an ©ott unb an ben iüngfien Jag glaubten
unb ©uteS träten ; fobalb er fid) aber ftar( genug füllte, (ünbigte er beiben
ben #rieg an unb erging fid) befonberS gegen bie 3uben in ben feinb*
fcligften 9leufeerungen. 3m jtoeiten 3at)re ber glud)t beränberte er bie
Stiftung beim ©ebet, bie fogen. ßibla. Statt in ber SRid)tung ndd^ 3eru=
falem foUte ftirber in ber 9lid)tung na<f> ber J?aba, nad) bem fd^marjen
(Stein in 3We(ta, gebetet werben. $a foKte ©ott ben 93unb mit 9lbra^am
» «. OMller, 2er 3<lam im Wox*tn- unb Hbertblanb 1 (»erlin 1885), 95 ff.
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344
Stütefi »Ii*, dritte« Äopitd.
(Sbrafjim) gefdjloffen faben. $ie neue Religion würbe nun jur 9leligion
StbraljamS erhoben, Slbrafwm felbft foüte ben fünftigen ^rop^eten ber
Vlraber anaetünbiat haben.
Smmer Deutlicher treten oon ba ob <$&rgeiä unb 2BilHür, 9t aa>, t'ug
unb irug als bie £>auptmotoren im Öcben be* ^ropljeten Ijeroor. Sfaen
gefeilt fid> eine fajranfenlofe ©innlic&feit bei. Gfjabibföa, bie erfte §rau,
bie Sob^äterin unb bie erfte ©laubige", fiarb brei ^re oor ber $luajt,
als bie ©aaje EfofjammebS ju SJcetta faft am Der^meifeltflen jtanb. 9Ro=
Ijammeb Ijatte fie mit einer 9iebenfrau oerfcfyont. ©obalb fie aber bie
Sluge'n gefdnoffen, naljm ber $weiunbfünfeigjü$rige 9Jiann m$t blofe eine
neue grau, fonbem oerlobte fid& aua) gleidfeeitig mit 2fifdw, bem fieben=
jährigen £öa)ter(fcen feines SrcunbeS Slbü 93etr. ©leid) naa) bem 6injug
in Saü)rib (622) rourbe bie ^oefoeit gehalten, buraj flufnalmte ber ^olo*
gamie in bie neue Religion iebe meitere Slnnäljerung an bas Gljriftenthum
unmöglich gemalt.
*Rur etroaS meljr als ein 3a*>r oerging, als «öcofwmmeb fdwn, nad)
einigen «einen glücfliajen 9taub§ügen, in ber Scbjad>t bei 93ebr (Anfang
624) feinen erften großem Erfolg über feine Söiberfacfcer in Wetfa gewann.
(Sine ftieberlage, bie er im folgenben 3a^re am Söerge Cdwb bei «Diebina
erlitt, oermochte feine «Dlachtfteüung nicht meb,r ju erfdjüttern. %tp\te bunfc
politijche ©cbacbaügc tljeils burd) ©etoalt brach er oollftänbig bie 9Kaajt
ber 3uben in flttebina, Oertrieb einen ZtyU berfelben unb oertljeilte beren
iöefifc an feine länger unb liefs enblidf» ben föefl ber Suben (fea>sl>unbert)
graufam r)inf^ta(t)ten. 3m ^rühialjre 628 bemächtigte er ficf> ber Subem
ftabt (Slwibar, nörblid) oon 9)tebina. 3m folgenben Saf>re (erjt fieben
3af)re nach feiner flucht) jog er an ber ©pifce oon 2000 «ÖtoSlim als
Pilger in 2)leffa ein, unb nachbem barauf ber Ärieg ftd> mieber erneuert
hatte, jroang er im Januar 630 bie ©tobt jur Kapitulation unb führte
bafelbft nun ein unumfdjränfteS 9tegiment, bis ifm (7. 3uni 632) ber
$ob traf.
3. Wo^ammebS geinbf eligteit gegen bie $i#ter.
3n biefen ftriegSläuften , beren £auptereigniffe fieb nur feiten oon
9taub$ügen in allenfalls etmaS größerem Stil unterf Rieben, motten, wie
in früherer 3eit, ftampfeSlieber, Sobtentlagen unb Scbimpfoerfe ertönen;
bo$ eine höhere ßntroicflung tonnte bie Sßoefie unmöglich gewinnen. SJon
was am meiften noch bie 9tebe ift, ftnb ©pottgebiajte ober ©pottöerfe, mit
welchen bie „Ungläubigen" ju 9)iefta unb 9)lebina bie angeblichen Cfien=
barungen unb baS treiben 5D?o^ammebS oerfolgten. 6r mar nidjt 5)ia?ter
unb balicr nid)t im ftanbe, berartige Angriffe mit ber gleiten SBaffe 5urürf=
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Xer Würau ol<$ ~iteratuvbeiifmal
345
juja^len. (St tyilf ftd) sunädjft, inbem er am ©<$luf$ einer ©ure bie
Sinter im allgemeinen oerurtfyeiüe:
„©oll id) eudj berfunben, mit mem bie Teufel (jerabfteigen? ®ie
fteigen fyerab mit jebem Lügner unb ©ünber. 3)aS (Setyörte geben fie
wieber; bie meiften aber finb Lügner. Unb biefen Verirrten folgen bie
$id)ter. ©teljft bu nidjt, n>ie fie in jebem %i)ai umschwärmen? 3f)re
föcben ftimmen nid)t mit i^ren §anblungen überein. 9tur bie machen eine
sÄusna^me, welaje glauben unb ted)tfd?affen ^ anbei n unb oft an iljren
£errn benten unb fid) felbft dertyeibigen , toenn fie ungeredjterweife an=
gegriffen »erben. 2he ^reoler aber follen e3 nicbt erfahren, wotyn man
fie oerftotjen wirb." 1
2U8 bas nid)t Ijalf, griff er gu fdjärfern Mitteln. (Sin 3ube Dom
Stamme ber Stabir, 9tamenS Ää'ab ibn 2lfd)raf, Ijatte fid) nad) ber ©djladjt
Don $3ebr in fajarfen Satiren über tyn ergangen. SllS berfelbc bann £>änbel
mit feinen SJefannten betam unb 311 feinem ©tamme nad) SDtebina jurüd=
teerte, gab 3Hol)amineb fetner Umgebung mieberJjolt gu oerftetyen, er mödjte
gerne oon biefem 3ftenfä)en befreit fein, ©eine 3tnbeutungen fielen nid)t
auf unfruchtbaren 93oben. §ünf Männer Dom ©tamme ber 9li§, früher
ÖunbeSgenoffen ber 3 üben , oerf d)moren fid) , ben Sdfterer ^u tobten , unb
ba er fid) bor iljnen in ad)t nafrni, lorftc ü)n fein eigener 9)iÜd)bruber,
3lbu 9iäila, ju einem einfamen Spaziergang, töbtete ü)n unb brachte feinen
&opf bem ^ropfyeten , ber barüber Ijod) erfreut mar. 2)ie 3uben, bie fid)
barüber behalten, wieö er mit ber SJroljung ab, fo mürbe eS fünftig allen
geljen, meld)e bie 2Jio*üm beleibigten. Söalb barauf mürbe ein anberer
jübifa)er ©pötter, ©uneina, erfd)lagen2.
9iur mit fnapper 9iotf> entging ber 2)id)ter Raffern ibn £fjäbit einem
cu)nlid)en 2o§. 2Jtof)ainmeb Ijattc angefangen, aud) auf feinen ©treifjügen
eines ober mehrere feiner Söeiber mit fid) ju führen, beren 3a^ fid) mit
jebem 3af>re mehrte, ©o Ijatte er 626 auf einem ©treifjuge gegen ben
©tamm ber ©atafän bie nod) blutjunge (erft üierje^n jährige) 5lifd)a bei
fid), feine SieblingSfrau. Sei ber £)eimfet)r mürbe nun am legten Sage
unerwartet früfj baä $t\ä)m $um 5lufbrud) gegeben. Wfdja t)atte fid) eben
bon ber ßaramane entfernt, um ein 9Wufa)elljal§banb ju fud)en, ba§ fic
Derloren f>atte. 9Jian glaubte fie in ber gefdjloffenen ©änfte, in ber fic
auf iljrem Äamel ju reifen pflegte, unb ber $ug fc^c ni ©emegung.
©o blieb 31ifd)a jurüd. 3um n0^) c*n 9tad)$ügler, ber jugenb=
lid)e ©afman ibn & Wo'attal, unb braute fie auf feinem Hornel mit nad)
3Jlebina, mo bie Äaramane in$mifd)en feierlid) eingejogen mar. 35iefe 5ßcr=
1 ftorän, ©ute 26.
9 «. SOlftUer o. a. £5. 1, 120 ff. — ©timme a. a. O. 6. 94.
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346
dritte* mud). Xxitm ftoöitel.
fpätung erregte allgemeine^ ftuffehen unb großen Sfanbal. $Ran fagte
91ifd)a ba§ Sdjlimmfte nadj. Sie fiel bei 3Ror)ammeb in ööllige Ungnabe
unb würbe ihrem SBater 5tbü SBcfx jurüdcic^ebcn. (5ä fragte fid) nur nod),
ob öoflftänbige ©Reibung auägefprodjen werben foflte, ober ob allenfalls
ihre Unfdhulb burd) 3cu9en erhärtet werben fönnte. 2Rond)e jagten für,
anberc aber aud) gegen fte au§, unter ben le|tern aud) ber Xid>ter $atfun.
9Jtohammeb, ber fer)r an Slijaja fjing, glaubte fidj fdjUeKlid), wie in
fjunbert anbern fällen, am beften mit einet neuen Offenbarung aus ber
s-ßatj$e ju jiehen. Mäh felbft „offenbarte" ü)m alfo, bafi 9Gfdja unfajulbig
fei, ban ehrenrührige Behauptungen über oerheiratete grauen mit hunbert
(^ei^elhieben beftraft werben foKten, wenn biefelben nid)t burd) Biet 9üigen=
jeugen erhärtet werben tonnten, baf, fürber alle grauen beS Propheten in
ihren Käufern bleiben füllten, unb bafc bie grauen ber Gläubigen überhaupt
fia) in (Seg^enwart öon ^remben üerfdjleiern müßten. 5tuf biefc Offenbarung
hin erhielten alle, meld)e gegen 9fifd)a 3^ugniß abgelegt hatten, bie fumbert
©eiBelfnebe, barunter aud) ber erwähnte 3)id)ter $affän.
@§ hatte fidj bamals jicmlid) oiel Unjufriebenheit gegen 9Kohammeb
aufgefpeidjert. @in Xtyil ber „91nfar" (b. h- feiner Parteigänger in SJlebina)
murrte über $ebor$ugung ber fogen. „©tohtöfdjirün", b. h- berjenigen, bie
mit Wohammeb aus ÜKeffa gefommen, unb ärgerte fidj befonbcrS über bie
Segünftigung, weldje er ben SHeu belehrten aus ötbfdjäj unb 9tebfd)b ju theil
werben ließ, bie fidj in großer 3ahl m 3Rebina anfiebelten. (5r behanbelte
fic ganj wie feine ältefien (Benoffen. SSiele ber Sftifjöergnügten oerfammelten
fid) jeben Wadjmittag bei £>affän unb taufdjten gegenfeitig ihre ftlagen aus *.
£a trug £affän einmal ba» folgenbe <&ebid)t oor:
SRufjmlofcr $öbel mef)rt fid) f)ier unb prunft in nudjt'gem 2one,
3nbe$ ©eracljtuna. toirb ju ttjeil Ofnrojäs cblem Sotjne.
Sie laffen bumpfeä $rofjung*tt)ort fdjon tüibcr mic^ erbröfnten,
«16 h)ätc td) ein freuet 2Bid)t, qöhj flrafloä ju t>erljöf)nen.
Sodj toer in meine $>änbe fällt, hurb mid) alB ßöroen fpüren;
6g hrirb bie ÜJluttet balb um if>n ben fllagercigcn füf>ren.
3dj treffe meinen ©egner gut unb roerb' if)n fo erfdjlaßen,
3>afj feiner räd)en foll fein ©lut nod) Sübngelb mit fid) tragen.
<£cr Ccean, menn feine frlutf), Dom Worbfturm toilb getrieben,
6r läfet am fiarren Selfenranb in ©ifdjt unb Staub jerftieben,
3ft nid)t fo grimmig, als roenn id), al« meiner €f)re Detter,
ÜJlid) ftürje jürnenb auf ben ^cinb gleid) einem §<»8cl*r»ettcr.
1 Aitäb al 91gh,äni I, 250. 251. — Caussin de Percetal, Essai sur
l'Histoiro tlosi Arabes avant rislamismc III (Paris 1847), 170 s. — ö. Rümmer«
?uraflall, 2iteraturgefd)id)te ber 31raber (Sttien 1850—1854) I, 406—413.
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£ct üoxan ali Ötteratmbcnfinal.
347
$>5rt es, i$i SDtanner t»on ftcraijtf) ! ^d) Jncrb' mein ©<$toert nic^t foarcn,
»ii if>r ni$t für bie äßa$rf>ett lafet bcn alten Sntfyim faxten,
3©tä if>r ber ßjja nidjt entfoat unb Sät unb iljren (Steinen,
Unb mit und ebrt ben magren ©ort, ben Steigen unb einen!
9119 5Rotjammeb bon biefem (&ebid)te r)örte, jünite er fefjr, fomor)l meil
£affän bic Uneinigfeit im Säger ber 9flo§lim idnirte, al» meil er ficf>
felbft einigermaßen bie tRolfc be§ $ropf)etcn anmajste. „2Ber bon eua)",
jagte er ju feiner Umgebung, „mirb cnblidj bicfen Meuterer jum ©HIU
fdjmeigen bringen?" — ,,3d)!" fagte . Safmän , ber megcn 91ifd)a arg inö
©erebe gefommen unb bon £>affän al§ H)r Siebfmbcr bespottet roorben mar.
2ll§ £affän mit feinen §reunben ba§ näcbjk $)kl mieber berfammclt mar,
brang er mit gejütftem Säbel auf fie ein. 8ie ftoben fdjleunigft au§=
einanber. 9?ur $affän gelang e§ nidjt, raftf) genug ju fliegen. Safmän
fteb auf lfm ein unb rief: „Wimm bicfen Säbelfjieb; id) antmorte auf
Spottberfe nidjt mit Herfen."
Safmän mürbe bon £affan§ grcunben cntmaffnct unb feftgenommen,
muffte aber balb mieber freigegeben merben. $!er febmeröermunbete §affän
liefe fitf) bor 2Rof)ammeb tragen, ber if)n aber nid)t einmal eine§ 3?lirfe§
mürbigte. ?(udr) bei einem jmeiten SBerfudr) mar er nidjt glüdflidjer. £a§
brttte Wal fagte er fleljentlid) 511 SRofjammeb : „CFrinnerft bu biet), ©efanbter
®otte§, ber Scrfe, bie id) an ben Sofjn 3ibära§ gerietet ljabe:
®u tyafl auf 2Jlot>ammeb gebäufet Spott unb £o&n,
3d) ttjn Oertfjetbtgt — ©Ott oerbürgt mir ßofjn.
3<b fefcte meinen «Ruöm, ben meiner Sbnen ein,
2)em SÄuljme SDto&ammeb* ein ©rfjilb ju fein
©en Seute, mie bu bift unb um bie beuten?"
$a§ berföfjnte enbltdj ben ^ropljeten. (Sr naljm £affän mieber in
©naben auf, fdjenfte ifjm als SdjmerjenSgelb für ben erhaltenen Säbelhieb
ein ©runbftüd unb fpäter nod) eine foptifdje Sflabin, Sdjirin, bie Sd)roefter
feiner eigenen Stlabin SJlärjam, einer Gljrijiin. £>affän fucfjte nun aud) bie
Anflogen gutjumad)en, bie er gegen Vlifdja auägcftreut, unb befang iljre
über jeben SSerbaajt erhabene $eufa}f)cit. 9113 ber fclbft fcfjr corpulente
^ia^ter fie aber aud) nod) be§r)alb belobte, bafc fie nid)t bie trägen grauen
eigene Gorpulenj fmbe, unterbrad) fie iljn fdjcrjenb unb fagte if)m: „£u
bift jebenfaflä fett genug!" Unb bamit naljm fie bann feine übrige £>ul=
bigung entgegen.
4. 2>ie $id)ter in Wob;ammebä $ienften.
Weljnlicb, erging e§ bem $id)ter Ää'ab, bem Solme beS 9)ioaflatas
bidjterS 3ufö?f ber nod) ganj in ben ^bcen ber alten Ijeibntfdjen 3^it
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348
dritte* »ud). dritte« flopitel.
lebte unb fid) nidjt 511 bem neuen (Glauben belehren rooflte. $H$ fein
Stoiber ©ob|(^etr ÜWofyammeb bei beffen ^rludjt nad) 9Webina folgte, fpottetc
er fogar barüber unb fudjte ifjn babon abzubringen:
SJeftellet an 39obfd)eir ben ©rufe au$ meutern ÜJlunbe:
Söoljin, ad), lie&eft bu bon anberen bid) führen!
3u Öeuten, wo bu wirft ben SJater unb bie SJlutter
9iid)t ftnben, unb toirfl bort aud) feinen »ruber fpüren;
2Bo »bü Se!r bid) mit Ueberlief'rung tränlet,
Unb ÜJtaraun frfilj unb fpäi bid) lehret bie Gebühren.
3?er regten ßeitung Söeg berfeljlft bu, jenem folgenb.
£ lann mein ©ort, JBobfdjetr, 0 tann eö bid) nidjt rühren ? 1
ftür biefe* (Hebtet tourbe er bon «Moljammeb für bogelfrei erflärt.
$>a§ nalmi er fid) onfänglid) nid>t feljr ju §erjen. 9ta$bem aber *öio=
IjammebS 9Had)t mit jebem 3<»ljre junaljm unb fdmn me^r al* ein aüju
!üt)ner £id)ter unb Spötter bon bem 3)lorbfitar)I eine* fanatifirten SJtoälim
gefallen mar, füllte er fid) uia)t meljr fid>er. 93er!lcibct fc&IUb, er ftdj int
neunten %cif)xe ber #ibfdjra nad) 9ttebina unb Drängte fid) in ber SRofdjce,
mo SRoljammcb mit ben Seinen berfammelt mar, bis ju üjm felbji bor
unb fragte Um, ob er roof)l ßä'ab in ©naben aufnehmen moflte, roenn er
reuig unb als ©laubiger ju iljm fönte. $113 ber $)3rop&et ba& bejahte, gab
ber Sidner ficr) p erfennen, unb Üfloljammeb fd)üfcte iljn gegen einen 2lnfar,
ber, über bie Sift empört, ü)n tobten mollte. tfä'ab trug nun eine lange
äff ibe bor, bie jroar gan$ im (Beijh* ber alten, bortelamifdjen $td)ter ge=
galten ift, aber SMmmmeb unb feine ^oljabfdjiriin begeiftert feierte:
83om ©ottgefanbten Imt bie ürotyung mid) betroffen,
£od) Sdjonung ift beim ©ottgefanbten rooljl ju fjoffen.
#alt ein! fo leite bid) ©r, beffen $>ulb gefenbet
2>ir fjat ben «orän, ber ©ebot unb SRaftnung fpenbet.
#alt ein unb ftraf mid) um Serfeumberrebe nid)t!
$enn td) bin ob,ne 6d)ulb, toai aud) bie Webe fprid)t.
28of)I b,ab' id) fold)e* bjer ju f)Ören unb ju fefot,
$af$, möd)t' ein ©lefant an meiner Stelle ftefjn,
6r mnfcte gittern, luenn it)m nidjt nmrb* unüermeilt
3Jom ©ottgefanbten ©nab' in ©otte* $ulb erteilt. . .
©in Sdjtucrt ift ber ©efanbt', ein uns jjum 2id)t gefd)icfteä,
»on ©otte^ ©d)toertent ein geflößte«, ein gejüdteä,
93et Sftännern Don ftoraifd), n>o einer fprad) im 2ljal
Söon ÜJleHa : ©laubige ! Wun tuanbert auß jumol «.
» «üdert, §amäfa I, 152-157. « 6bb. 6. 154. 155.
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2>ec Äorön als Siterahiibcnfmal.
9US ßä'ab ju biefer Stelle gelangte, jog SRofwmmeb ben grünen
antel Don feinen Sdjultern unb roarf ifjn bem Dieter ju, roeSljalb bie
vfaffibe fpäter „baS 9)tantelgebid)t" genannt mürbe. Dem Diäjter galt biefeS
(Gefdjenf fo fioa*}, bafj er es bem ßfjalifen ÜWoäroija nid>t für lOOOO DirljemS
^ergeben moflte. Gsrft nadj feinem 2obe öerfanften es bie (Srben bem $f)alifen
um 20 000 XirljemS. 9113 eine ber f oftbarften Reliquien rourbe ber ÜJlantel
bann im Sdja^e beS &f)alifen ju DamaStuS, fpäter in SBagbab aufberoafjrt,
bis bie Stabt (im 3ar)re 1258) oon ben Tataren eingeäfdjert mürbe. Cb
ber „SWantel beS Sßropljeten", ber fjeute notf> im Sßalafte beS Sultans gu
Äonjtantinopel aufberoafjrt roirb, berfelbe ift, baS ift fein: fraglid).
Unter ben Diätem oon 9)ietfa, roeldje TOoljammeb mit iljrem Spott
oerfolgten, werben ()auptfä$U<4 brei genannt: 9tbba(Iäfj ibn Qibäxa, 91mr
ibn (SI 91s unb %bü Sofjän, Soljn beS £>dritr). Sei es, bajj er biefen
nufit mit bemalt beifommen tonnte ober eS für politifdjer Ijielt, feine @e=
malt gegen ftc anjumenben: genug, SRoljammeb 50g eS üor, fie ebenfalls
mit Herfen befümpfen ju laffen, unb berief ju biefem Qtoedt brei Dieter
$u für), ben bereits ermähnten £affdn, bann 9lbballär), ben Soljn beS Storodn,
unb Stäb, ben Soljn ^JtälifS1.
Jpaffän mar über biefe unermartete C£l)re aujjcrorbcntlidj erfreut, flrerfte
feine 3un9e f° rocü heraus, als er tonnte, unb jagte bann: W@S gibt
fein Seber, baS id) nidn" mit biefer S93affe burcfyboljre. Sie ift tur$; aber
idj mürbe fie nid)t gegen eine 3un9e oertaufajen, bic oon Sana nadj
JBoSra reidjte."
„9lber mie millft bu es anfangen," fragte 9)tof)ammeb, „bie $oraifdjiten
anzugreifen, o^ne nti$ mitjutreffen, ba id> ja 3U ifjrem Stamme gefjöre?" —
„3cf> merbe bid)", fagte &affdn, „aus ifjnen fycrauS$ief;cn, mie man ein fyaax
auS bem 2eig r)erauSjief)t." Da lärfjeltc 5Nol)ammeb unb jagte: „Öut, gel;
ju 9lbü 33etr unb lap bir oon ifjm 91uffd)lüffc über bie (Genealogie unb
(&efd)itf>te ber einjelnen foraifdjitifdjen Familien geben, bann jiele gut auf
bie O^cinbe beS 3släm, unb ber @ngel (Gabriel möge bir beiftefjen."
9?adj ben 9Inroeifungen 91bü tBetrS ocrfapte £affdn nun bie beijjenbften
Satiren, in roeldjen bie (Srjre ber grauen nid)t gefront rourbe, unb roelcfoe
bie tforaifajiten aufs tieffte beleibigten. Ädb ibn 9)tälif maajte es ebenfo.
Dagegen oer$tdjtete 51bbaüdl) auf bie perfönlidje Satire, fonbern ftellte in
ernfterer (Sntrüftung ben (Götjenbienft ber SReftaner unb tr)re Jßerfolgungen
gegen 2Jtof|ammeb an ben Oranger. Seine ißorroürfe matten bamals roenig
(Sinbrud ; fpätcr aber, als aud) bie 9flcf tancr jidj jum ^Släm befeljrt Ratten,
mar eS ifjnen unangenehmer, an bic Satiren 9lbballäf)S erinnert ju roerben,
als an jene bes .paffdn unb beä Üdb.
1 Cawain 1. c. IU, 34—36.
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$rittrt 3)u<h. dritte* Kapitel.
ES fcheint nic^t, bafc SRohammeb irgenb melden »erfuch gemocht hat,
bie frühere ^oefie ober bie Erinnerung baran auszurotten. Obwohl fie im
allgemeinen einen heibnifdVmatcrialifhfd)en (Srunbjuig fya&tt, brachte fie bodi
bie Ueberrefte beS alten ÖöfrenbienfteS fautn gum Auäbrud. Der Schlachten:
rühm unb bie $efoenerinnerungen ber einzelnen Stämme, bie fich in ihnen
oerlörperten, traten Don felbft jurüd hinter bie neuen, immer gutartigeren
kämpfe, in welche SHohammeb erft Wetta unb Satljrib, bann bie benaa>
borten itMiiteuftämme, enbltc^ ganj Arabien öon fernen bis ©Prien hin
Perwicfelte. Denn fötale 2ruppenmaffen wie er Ijatte noch lein Häuptling
iufammengebradjt. S3on ber Eigenart feines Softes mich er felbft laum ab.
Er mar burd) unb burd) Araber, Snbem er bie Perfchiebenen Stamme
einem nationalen (Stoßen Pereinigte, lieft er ben einzelnen ©liebern grojie
Spannweite, uniformirte fte nur religiös, nicht eigentlich bolitifch, unb liefe
bem ungezügelten Sebuinenwefen feine Polle, unruhige $emeglichfeit. Cime
bafc er inbeS bie alte Sebuinenpoefie befämpft hätte, trat fie bo<h jurürf
gegen bie religiöfen Sbeen, bie er in feinem ßorän Perfünbigte.
5. Citerarif eher E^aralter beS Zorans.
Der 3*lam, b. h- bie „Ergebung", tpic Etohammeb feine fie^re nannte,
mürbe nid)t junächft gefchriebrn, fonbern geprebigt. Die erften angeblichen
Offenbarungen trug 9Jtol>omnieb feiner $rau E^abibfcha unb ein§elnen
ftreunben oertraulich Por; bann erttürte er fie in «einem tfränjthen unb
enblich in gröfjern Serfammlungen. Schon einzelne folche Offenbarung^
bruchftüde nannte er „äorän" (Cur'än), b. h- „feierliche »eätation* ober
„Sertünbigung". Er gab ihnen junächfl bie gform furjer Anrufungen,
©ebete, Sehren, Steuerungen, Strafe unb Drohworte, meift Pon Auah
felbft an feinen Propheten gerichtet, abgeriffen, buntel unb geheimnifjpoll
Sie finb nicht in ben bereits auSgebilbeten UterSmafjen abgefaßt, fonbern
in einer Art poetifdjer ober rhetorifcher $rofa mit Enbreim, fo bafe fie fich
in ihrer fpntchartigen Raffung leicht bem (Skbtidjtnifj einprägten1. So
gingen fie oon 9ttunb &u 9)iunb unb mürben, bei ber Ehrfurcht, mit
welcher bie erften Gläubigen fie aufnahmen, mit großer Sreue unb ©e=
mtffenhaftigfeit bewahrt. 9113 inbeS fowohl bie 3ahi als ber Umfang biefer
Offenbarungen wuchs, mochte fich bie Dlotljwenbigfeit geltenb machen, bie
ältem fchriftlich feftjuftellen unb bie neuern ganj ober theilweife nieber--
jufchreiben. Das gefebof) aber nicht planmäßig unter eigener Öeitung 9Jio=
hammebS, ionbern ebenfo gelegentlich unb bruchftücfweife, wie bie 2el)re bes
' STicfc SReimprofa, „©abfä)'" flenuimt, tourbc fdjon »orf>er t»on ben f>ttb«
ntfdjcn 2öat)rfagcrn in iljren Sprüchen ongetoanbt.
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Xcx ftonm als Cttcraturbcnf mal.
351
Sßropheten felbft fid) entmidelte 9Ü3 er ftorb, mar nur ein Sfjeil feiner
Stuäfprüdje in fdjrtftlkljer tfaffung borhanben; babei mar bie €>d)rift no#
eine fe^r unboütommene , ^«roglttb^ifdb räthfeü)aft, nur bem oöflig (Stn=
getueihten berftfinblic^. 2öeitauä bie größere SRaffc ber ße^ren lebte nur im
©fbädjtniffe ber eifrigen ÜÄoölrm fori, ba$ atlerbtngö in häufiger öffentlicher
5öieber^oIung berfelben fichrftfide eine mächtige Stufce unb jugleicb eine ge=
toiffe CSonrrofle gefunben hotte, ©nem ber wenigen 5Reffaner, melcbe fdjreiben
tonnten, bktirte 9Äo^ammeb manche feiner Offenbarungen ; berfelbe fiel jeboeb
Dorn 38läm ab, meil er beim ©icttrtn bemerft ^atte, bafc e§ ber Prophet
nidjt genau nahm unb fleinere 9tbänberungen gar nicht bemerke, unb marb
erft fpäter »ieber 9Jto3lim, mot)l bon ber üupern SÄacbt ber SJerhältnrffe ge=
jmungen, gegen bie ftcb ein unabhängiger $enter taum behaupten tonnte.
$a diele ber beften ftenner ber Set}» 9Jtohammcb§ fchon baVb nach
feinem 2obe, in ben kämpfen gegen ben „fölfehen Propheten" SWoffeilima
(632 unb 683) fielen, tarn Omar noch unter bem Kalifate 2lbü S3etr§
auf ben ©ebanten, fämtlicbe Offenbarungen be§ Propheten in einem ©udje
bereinigen ju Iaffen. $aö gefebah mit bieler Sorgfalt bureb <5eib ibn
$h«bit, einen frühern ^ribatfebreiber 9Hot)ammeb3. $ie Sammlung biente
injmifajen nur ben £ Kalifen. 9113 inbeS 20 Safn* fpäter fchon ftart bom
einanber abmetebenbe Raffungen ber fieljrc ju Sage traten, liefe ber Ä&alif
Cthmän (653) mit 3u$iehung ber glaubmürbigften lebenben 3^ugen unb
ber berläfelidbften bisherigen Aufzeichnungen eine autijentiftfce Weberfdjrift
anfertigen, roelcbe tünftig allein als echt unb suberläffig ©eltung %abm
foüte. Mt abmeiebenben Gjemplare follten bemühtet, alle neuen nach ber
gegebenen 9torm angefertigt werben. S)a3 ift ber Äoran, roie er tyuk
borliegt unb mie er bie Örunblage ber gefamten mohammebanifeben ©otteä=
gelehrtheit bilbet.
$ie einzelnen Stüde mürben babei meber ber gefdr)idr)tiic3r>en Abfolge
nach noch unter irgenb einem bogmatifeben (Beficbtäpunfte mettjobifcb ge=
1 ©o roirb bie entftebung be* Äorän* Don ben meiften {Biographen unb §iftorif ern
aufgefaßt (ögl. W. Muir, Life of Mahomet I [2« editionj, 557 f.). 6i hat fid)
inbeä auch fdjon eine abmetdjenbe 3luffaffung geltenb gemaebt, jufolge meld&er STOoljam»
meb fi(h fetner Slnlctfjen bei 3ubentfjum nnb (£f)riftent^unt Kar betonet mar, biefelben
abftd^itlicr) fälfdfjtc unb forgfältig in feinem Sinne umarbeitete, bie moblburdjbadjten
unb planmäßig angelegten Suren felbft nieber Jdjrieb , aber nur bruäjfrütfnmfe mit«
tbeüte, um feinem Söerte ben Sdjein einer roirfltdjen Offenbarung ju ftd)ern, There
w a unity of thought, a direetness and aimplicity of purpose, a peculiar and
laboured style, a uniformity of diction, conpled with a ceiiain deficiency of
imaginative power, which indicate that the aijats (signs or verses) of the Koran
are the produet of a Single mind etc. J. M. Rodtcell, El-Korän (2* edition. Lon-
don 1876). Preface p. xvi f. — Th. P. Hughes, A Dictionary of Ialftrn (2d edition.
London 1896) p. 515-517.
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352
dritte« 93udj. drittes Äopitel.
orbnet, fonbern ganj auf ©eratfjemoljl nad) bem belieben ber Sammler
aneinanbergereif)t. Tie ftlteften unb fürjcflen ber 114 Suren ftnb an ben
S#lufc geflellt, bie langatmigen ber fpätern 3eit an ben Anfang1. So
ift bie Sammlung ju einem 93ud>e geworben, ba§, jeber einheitlichen
©ruppirung entratljenb, unauffjörlid) biefelben ober afmlia> Wormeln nrieber:
f)o!enb, roeber eine flarc Ueberfic&t ber mofjammebanifdjen Seljrc gibt, nodj
bem Cefer irgenbroelajen äftr>ctifc^cn ©ennfj bereiten fann. $in paar Ab--
fc^nitte mögen bureb ifjre Weu&eit unb Seltfamfeit feffeln, bann aber »irb
bic Sefung eintönig, ermübenb unb unausftefjlid) langweilig. <5§ gilt ba§
nidfct bloft bon ber Ueberfefcung, fonbern nad) bem Urteil ber berlft&lidjflen
Kenner aud> bon bem Urteyt, roenn aud) b>r bie Äraft unb Eigenart ber
Spraye ben Übeln (Sinbrurf ein menig milbert.
„2Ba§ Stil unb fünftliaV SBirfung betrifft," fagt 9iölbefe, „fuib bie
berfdn'ebenen Steile beS ßoräns bon fef>r ungleichem 2Bcrtt). (Sin unbor:
eingenommener unb fritifeber Scfcr roirb fe^r wenige Stellen finben, roelcbe
feinen äftl)etifd&en ftorberungen oöHig entfpredjcn. Aber er wirb öfter, bc=
fonberS in ben altem Stücfen, frappirt merben bon einer milben 2eiben=
fd>aftfid>feit unb einer fräftigen, menn aud) niebt reichen ^tyantafie. $c=
Schreibungen beS Rimmels unb ber £öQe unb Anspielungen auf ÖtottcS
SÖalten in ber ftatur geigen nidjt feiten einen geroiffen ©rab poetifd>er
Anlage. Ter größere 3;ijeil be§ ßoränS ift entfdjieben profaifefc, biele*
mirflid) fteif ausgeführt. . . Etoljammeb ift nad) feiner Stiftung Inn ein
ÜHeifter beö Stilen. Tiefe Anfidjt roirb jeber Europäer unterfebreiben , ber
ba§ 33udj mit unparteiiftöem (Seifte unb mit einiger tfenntnife ber Sprac&e
burcbjieft, ganj abgefeljen bon ber ermübenben Birfung ber enblofen 2Bieber=
fjolungen." 2
S33ie Wölbefc meiter bemerft, mürbe ein fold)e§ Urteil in ben £f)rcn
gläubiger 9flotyammebaner gleidt) ber frebefljaftefien Säuerung unb <5tottIofig=
feit flingen. Sic bereden «Dtorjammeb nid)t bloji als infpirirten ^ropljeten,
fonbern aud) als baS unerreichte ^orbilb ber Spraye unb beS Stile*.
TaS f)at aber feinen guten ©runb. 2öic ben Ticfctern, bie über 9flor)amm'cb
$u fpotten roagten, ber $opf nid)t mef)r ficr)er auf bem Warfen fafj, fo aud)
bem tfritifer, ber fid) unterftanben tjätte, an ber unbergleid)lid|en Sdjönfjeit
beS floränS ju jroeifeln, unb falls ftc $roeifeltcn, fo traten fte {ebenfalls
gut, fid) biefeu 3meifel nid)t anmerfen $u laffen.
1 Sabeflarifdje Ucbcrft^t ber jefeigen Reihenfolge ber Suren nebft Angabe ber
mutfnnn&Hdjen gefdjid)tUd)en nad) 35fd>elal eb»3Jtn, 3- 3H- 9iobroetf unb SEÖ. ÜDtuir bei
Th. V. Hughes, Notos nn Muhummedanism (3a odition. London 1894) p. 43 — 46. —
^ufammcnfictfung ber abgefdjafften Äoränöeric (Mnnsftkh) ibid. p. 40.
* Th. 2!Meke, The Koran. Encycl. Britannioa. 9. edit. XVI, 597 ff., unb
Skotohcs from Eastorn Historj- (transl. by .T. S. Black, London 1892) p. 35.
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3>er Äorän als üiteraturbenfmal. 353
3Jon ben beutfdjen ftorfäern tjat fjaujrtfädbfid) 9lölbcfe 1 großen ^leifc
unb ©d)arfftun aufgenmnbt, bic berfdjiebenen 93eftanbtt)eile beö ÄoränS
nadj tfjrer 9lbfaffung§jeit ju unterfd&eiben unb ju gruppiren. gftir bie
ric^ttge 9luffaffung bed ÄoränS unb für ÜRoljammebS ®efd>t$te ijt baS
notfirlicfr Don burdjgreifenber SBtdjtigteit. ®ie äjtt)ettfd)e ©eite be§ 2öerfe§
jebodj fonnte aud) burdt) folc^e ©rupptrung nichts gewinnen, ©ie toetft
nur beutlidj einen fortfdjreitenben Wiebergang auf, oon einem geroiffen
poetifdj=rljetorifd>en ©djroung in ben erfien furjen ©uren ju ben fdjon
roeitft&meifigern ßrjäfilungen unb Ausführungen ber jweiten meffantfdjen
^ßeriobe; in ber britten metfonifc^en ^ertobe mürbe aüe§ nod) Breiter
unb gefc^tDä^iger , unb in ÜJtebina enblid) treten 9ledb,t§= unb ©itten=
borfdjriften in ben 3$orbergrunb, unb bie ftorm gef>t immer met)r in reim=
lofe ^ßrofa über2.
Sie poetifdjen ©djroädjen be§ Äoränä f>at fd&on ©oetlje äiemlidj
gut burdtfcfjnut , um aber fein mef!=öfilid)e3 ^arabieö ju retten, fidj
fd)lieB(id) barüber roieber ^inroegjutäufdjen gefugt. Wadjbem er nu§ ber
jroeiten ©ure furj bie Guintcffenj be§ 3§Iäm§ (ftflety = <£Hau6en ; ©ebet,
Almofen unb unbebingte Unterroerfung unter ben s-ßropf)eten) dt)arafterifirt,
fogt er:
„Unb fo ttueberbolt fid) ber Äorän Sure für Sure, ©lauben unb Unglauben
teilen ftdt) in Obere« unb Unteres; Gimmel unb £>ölle finb ben Jöefennern unb
Cäugnern jugebaebt. 9iäfjere Seftimmung be« (gebotenen unb Verbotenen, fabeltjafte
©cfd)id)tdjen jnbifdjer unb c^rtftlicr>er Religion (sie!), Stmplificationen atter Art,
grenjenlofe Sautologten unb äDieberbolungen bilben ben Äörper biefe« ^eiligen SBudje«,
ba« un«, fo oft mir audj baran geben, immer oon neuem anmibert, bann aber an«
jiebt, in grftaunen fcfct unb am 6nbe Verehrung abnötbigt." s
» ©efajicbte be« Oorän« (©öttingen 1860) S. 52-174. eine banad) sufammen«
geftellte überfiduiidie Tabelle ber oerfdjiebenen Suren in d)ronologifd)er Reihenfolge
gibt 9t. 9JlülIer im «rt. „Äorän" 6rfd) unb ©ruber, 2. Sect. XXXIX, 43. —
9lö(befc felbft glaubte fpäter, g(eict) Sprenger, in ber ©Reibung ber einzelnen Äorän»
frftefe ju weit gegangen ju fein; für bie ^auptf&cr)ttcr)en Momente ber ^norbnung
jebod) fpredjen gemidjtige ©rfinbe.
« Sgl. bie treffenben JBemerfungen be« Serttograpben Dr. Steingafe bei
Th. P. Hughes, A Dictionary of Islam p. 526. 527; ebenfo biejenigen oon
St. L. VooUj Introdnction to Laues Selections fi'om the Kurän, ibid. p. 524. 525.
* ©oetfye« SBerfe (^empel) IV, 247. — SUel weiter ging o. Jammer»
$urgftaU (Sfunbgruben be« Orient» II, 25): „3>er Äorän ifi niä)t nur be*
3«läm« ©efe&bud) , fonbern aud) aJluftertoerf arabifd)er 2)id)tfunfl. 91ur ber böd)fte
Sauber ber Sprache tonnte ba« Bort be« So^ne« ftbballae ftempeln als ©otte«
28 ort. £tn ben äßerfen bed ©eniuä fptegelt fieb bie ©ottljeit be« ©eniu« ab.
liefen ©intjaud) unb ?luöf)aud) ber ©ottbeit beteten bie Araber fdjon oor ÜKo-
bammeb in ibren grofeen 2>idjtern an." — SJgl. beSf. fiiteraturgefd)id)tc ber Araber
I, XL u. 3CLT.
aoumgottntr, ©tltlütratur. I. 2. Hufl. 23
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dritte* »ud). dritte« Äaoitel.
3u folget Slnjieljung, ju folgern (Srflaunen unb oor allem ju 3Jer=
efjrung liegt fadjlidj für einen Triften fein ©runb öor1.
Giner ätmliäjen, fid) roiberfprecbenben Wuffaffung begegnen wir jebod>
auä) bei Scharf, „ftreilid)," fügt er, „ber ©ebanfeninfyolt biefeö 9ieIigion3=
budje§ ober Dielmetjr biefer Sammlung lörifdjer ßrgüffe, roeldje bie ©runb=
läge beS ©laubenS für einen fo großen ü£f>eil beä menfd)lid)en (&efdjlea)te§
mürbe, tft bürftig; meld) ein ^Ibftanb Don ber OFüQe ebenfo tiefer mie mit
finblidjet ßinfadj^eit auSgefprodjener Sbeen in ben ^eiligen Sutern unferer
Religion!"2
Unb bennod» gerätfj ©djad über ben Äorän in Begeiferung:
„Aber neue blenbenbe 9}orftettungen waren bjer erfdjloffen, bie in JBerbtnbung
mit ber glänjenben 9ib,etorif unb bem leibenfd)aftlid)en Sd)wung beö Vortrag« Seift
unb Obj be« Arabers beraufdjten. $>atte bie $oefie bifttjer an ber €rbe gehaftet,
War fie an ba« treiben unb bie Effecte be« Slugenblid« gebannt gewefen, fo ri&
9Jtob>mmeb bie Sdjranfe bon SRaum unb 3e»t ein unb jetgte broben bie fieben
Gimmel mit ber SBonne ber Seligen, brunten bie tobernbe $ölle, bereit, bie Un-
gläubigen in itjren ^flammenpfut)l t)tnabjufdjlingen. Söie ein Unwetter grollt Hllät)«
28ort, burd) feinen ^ßropfycten oerfünbet, über ber jttternben Grbe, Sebenbige unb
Üobte mit ben Sdjreden be« jüngften ©eridjte« bebroljenb. ©r fdjmört bei ber
funtelnben Sonne unb bei ber finftern 9tad)t, bei bem fd)äumenben Söaffer unb bei
ben Sternen, wie fie auf * unb nieberfteigen : ber furdjtbare lag natjt l>eran ; ba wirb
bie 6rbe erfdjüttert unb bie jertrümmcrten öerge jerfliegen in Staub; bie SJteere
geben in flammen auf, bie Gimmel werben jufammengeroKt unb bie Sd)tdfal6büd)er
entfaltet. JBor Gntfefoen erbleichen bie $aare ber Äinber; bie Srdfen fpalten fid) oor
$tngft ; in atfyemlofer §aft eilen bie 2Jtenfd)en, ftd) ju befehlen, folange e« nod) 3*it ;
bcnn, brid)t ber furdjtbare Xag an, fo tönt bei *Pofaunenfd)aU , oor bem felbft bie
enget beben, ber Sd)reden«ruf : Wetjmet unb binbet bie ©ottlofen mit ftebjig CUen
langen Äetten unb werfet fte tnnab in ben fcöUenraud) , ber in brei t)immeu)ol)en
Säulen auffteigt unb fte bod) ntd)t befd)atten tann, nod) ib,nen Reifen wiber baß
fengenbe ^feuer. JEßie §eufd)redenfd)märme fteigen bie Seelen au« iljren ©räbern unb
werben in bie gälutenbe Siefe gefd)(eubert ; unb Sttäb, ruft ber €>öOe $u: 9tun, bift
bu gefüllt ? Unb bie $öde antwortet : Stein ! fyaft bu nod) mefjr 9tud)lofe, bie id) Oer«
fd)lingen tarnt? — «ber niä)t afle« ift Sdjrerfen an jenem 2age. $en ©laubigen
wirb bie a*erf>eifeung «füllt ; ju überfd)wänglid)er äöonne geb>n fte in ba« ^arabie«,
wo go!bburd)wirfte ^elfter fid) ttmen auf grünenben Watten jutn Stfce bieten. Hn
riefelnben Duellen lagern fte bort unter btd)ten Skmancnbäumen unb bornenlofen
£otu« unb füllen weber Sfroft nod) $tfec. Ueber itmen wallen fütjte Sd)atten, unb
öfrüd)te fenlen fid) oon ben 3^eiöcn J« if)n«n nieber. 3m golbgefttdten Äleib au«
* inwiefern ber ftorän für bie 3citgenoffen be« „<Propb>ten" eine gewiffe Än--
jieh^ungÄfraft beft^en modjte, fjaben fd)on Sale (Prcliminary Discourse 3U feiner
englifd)en Äoränüberfe^ung 1734), Dalmer (Introduction to tho Qur'fin. Oxford
1886) unb anbere au&tnanbergefefet. Th. P. Hughes, A Dictionary of IslAm
p. 523. 524.
1 Slb. Sfriebr. ©raf 0. Sd) ad, ^oefte unb Äunft ber Slraber in Spanien
unb Sicilien I (Stuttgart 1877), 24. 25.
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I
I
I
I
£>er Äorän a(* Siteraturbentmal. 355
grüner ©eibe finb fie mit filbernen «rmbänbern gefd&müdt; unfterblidje Jünglinge
bieten if>nen in IrbftaUenem »ecb>r perlenben 2öetn , ber ben ©eift ni#t trübt , unb
liebliche Jungfrauen mit großen fdjtoarjen Slugen finb ihj ßofni."
$)iefe (Sefamtfdnlberung tönnte man einigermaßen poetifdj nennen.
9lbef im ganzen Äoran gibt eä feine foldje ©lanjfleüe, inte fie bec
poetifc&e Graf au& toerfdjiebenen Suren be3 #orän$ jufammengefiellt unb
burdj gefdndte iJiebaction nodj üerbeffert unb öerfüjönert fjat. Set 9)lo=
fjammeb finb nid)t nur bie berfdnebenen £auptftellen 1 getrennt, weniger
IraftboU jugefpi&t, bureb, mattere 3ufä^e abgefdjroädjt , fie teuren aud) faft
mit benfelben SBorten immer unb immer wieber unb fdjwimmen wie ber=
einleite Scudjtfugeln auf einer unabsehbaren Offutr) einförmiger $rofa baljer.
Solange nid>t $)olcb, unb ©djwert jeben SBiberfprud) mit brutaler
bemalt niebergeworfen Ratten, mad)te ber ßorän auü) auf bie 3e't9eno|fen
beä ^ßropljeten burd>au$ nidjt jenen fnnreifeenben @inbrud, Don beut in
neuern fiiteraturgefdjidjten ju lefen tft; er fafj fieb öielmefjr genötljigt, felbft
in ber platteten Seife bafür fteclame ju madjen* unb rtajtete auaj bamit
mieber fo gut wie nid)t§ au§:
„ÜEBollten fidj aud) bie ÜDlenfdjen unb ©eifler jufammentbun , um ein Sud),
bem Aorän gleid), tjerootjubringen, fo mürben fie bennod) tein ät)n(td)e$ jufammen«
bringen, unb menn fie aud) nodj fo fefjr fidj untereinanber bebUfltd) mären. 2Bir
fmben ben SRenfdjen in biefem Aorän alle möglichen »emeife in ©leirfjniffen unb
SBilbern aufgehellt; bie meifteu aber meigern fieft , au« Ungläubigfeit, ihn an«
juneljmen.- *
Süöeit entfernt, öon ber Sd)önf)eit unb 6rljabenf)eit be* #orän$ b>=
geriffen ju werben, berlangten fie öon SJiobammeb, bajj er fid) burd) 3eidjen
unb Söunber alä ^ropljeten ausmeifen follte, unb ba er biefe» nid)t tonnte,
fo blieb ifmt nidjt* übrig, als fie borläufig mit ber £ölle ju bebroljen, unb
alö er mäßiger geworben, fie mit fiift unb ©eroalt unter ba* 3od) feines
neuen (ÖcfefceS ju jmingen.
6. l'Drifcbe« unb gpifdje* im ftorän.
2Benben mir und mebr bem einzelnen ju, fo treffen roir int ganzen
ßorän fein abgerunbete* Stüd, baä man ein 2ieb, einen $>pmnu$ ober
etwa einen ^ßfalm nennen tonnte. (H muß baä um fo tnetjr auffallen, als
Arabien bamal« ooü bon ^uben roar, gange Stäbte roie 3Rebtna unb Gfyaibar
»on ifnten beoölfert waren, Woljammeb fd>on auf feinen Reifen unb in
1 florän, Bure 89. 91. 92. 84. 86. 82. 81. 77. 69. 56. 55. 54.
* Cbb. Sure 17; bgl. 6ure 11. „©ringet einmal nur jetjn Suren, öon eud)
erbietet, unb rufet baju, aufoer ©ort, men itjr moüt jum SBetftanb an, fo ttjr mafji;-
^aftig feib.-
23*
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356
drittes ©11*. dritte* flapitel.
9Jlelfa, noch mehr aber in Webina fort unb fort in Berührung mit ihnen
tarn, unb e3 faum glaublich ift, baß er nie etwa* oon ben ^eiligen ©c=
fangen unb ^rophejeiungen ber Hebräer erfahren fyabtn foüte. Mein was
er gelegentlich ba unb bort babon §ören mochte, ocrftanb er nur ^alb unb
gab ftch nicht bie Wütje, e§ tiefer ju burchbringen. $$on ben "erhabenen,
wunberöollen Cobpreifungen unb StimmungSbilbem ber ^falmenbicbter blieb
in ifmt nur ba§ ftereonjpe 2ob eine* einzigen Rottes unb einiger Attribute
haften, beren tieferes 2Befen er nicht burcbbrang, unb bie er beäfjatb bei
jeber (Gelegenheit in ben eintönigften Wormeln mieberholte, !aum je in bem
fanften, ruhigen 2one eines bemütf>igen ©ebet», fonbern ftürmifdj, aufgeregt,
befe^isfjaberifdc), unter Setheuerungen unb Schwüren, ftets antämpfenb gegen
eine feinbliche Söelt , bie if>m nicht glauben miß, unb bie et nun mit
Scbrednifj unb ©emalt unter fein *Diad)tgebot ju beugen fuä)t. 2Jtan braucht
meber bie ^falmen noch baS Such 3ob ober bie Propheten jum Vergleich
r)erbeigu§ie^en, um ju füllen, baß 5Wohammeb§ 9luffaffung eigentlich meber
großartig noa) erhaben ift. (Sr fann nicht beten, ohne 511 fchimpfen unb
ju fluchen. ($r f)&\t e^ Mne Jchn Minuten in frommer Betrachtung beS
Ewigen au§, ohne bie ßuft ju öerfpüren, einem Ungläubigen ben fiopf
ab$ufchlagen ober ihn fopfüber in bie Jpöfle ju merfen. Sie bie religiöfe
Wnbacbt, fo fehlt auch bie fünftlerifche Stimmung, bie erforberlich ift, bal
©efühlte ganj unb h^nnonifch jum 9luSbrurf ju bringen.
2öie Wohammeb nicht £erj genug fyatit, um ein £ürifer ju werben,
fo befaß er auch nicht ©eift genug, um ein guter Sprucbbicbter ju fein.
Sprucbroetehett mar bei allen üßölfern beS CrientS beliebt; auch bie ^oefie
ber alten Araber entriett) ihrer nicht. Wohammeb gibt fieb ficherlich Wühc,
bann unb mann einen fräftigen 5)en!fprucb in feine Offenbarungen 51t
mifchen. 9lber e§ ift ihm fchlccht gelungen. 93<an wirb aus bem ganjeu
Äorän l)öchften§ ein fehr mageres Spruchbüchlein jufaminenbringen.
9Jocb übler ift e§ mit ben epifchen ober hiftorifchen ^^eilen be§ RoränS
befteflt. 9Jcohammeb mar flug unb berechnenb genug, um einjufefjen, baß
eine Religion, meldje in feiner VolfSüberlieferung wurzelte, in ber Suft
fchmeben müfjte unb fich nie bauernbe VolfStbümlicbfeit erwerben tonnte.
9(13 er barum ba§ .$eibentf)um aufgab, in welchem er erlogen worben war,
bewahrte er boch feine Verehrung gu bem älteften Voltöheiligthum ber ^cib=
ntfehen Araber. Much bei feiner freiwilligen flucht behielt er 9Mfa im
Wuge; er wollte bie unbantbare Stabt süchtigen unb in ihr als $ropf)et
henfehen. 9hir für (urje 3«t ließ er feine Anhänger in ber Dichtung nach
^erufalem beten, bann erhob er bie ßa'ba, ben fdjmarjen Stein in 9Jteffa,
früher ber Wittelpunft be§ arabifchen ©öfcenthumS, jum bleibenben WüUU
punft feine» geiftlich^riegerifchen 9teicbe§. $a er aber Suben, ©hriften unb
.Reiben in bemfelben Oerfdjmel^en wollte, bie hfibnifche Vergangenheit ihm
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3)cr Aoron qU ßiterarurbcnfmal
357
feine paffenbe Ueberlieferung bot, fetzte er bie ßafba mit ber jübtfd)=d)riftlidjen
Ueberliefernng in Söerbinbung : fic foDte fürber ben tylafy bezeichnen, »o, ber
Soge nach, ©ott einft bem bei Suben unb Gtjriften angelesenen Patriarchen
Slbrabam erfdjienen. Damit nahm er bie ganje ©tammeälinie ber SßatrU
archen, bon Slbam bis Abraham unb bon Abraham bis Sofeph, SJcofeS,
bie Könige unb $ropt)eten bis herab auf ben SfleffiaS in fein ©öftem auf
unb ftellte fidj felbft als ben grölen unb abfchliejjenben ©otteSgefanbten an
baS (Snbe ber glorreichen 3teü)e *. Snbem er aber bie großen ^unbamentaU
bogmen ber heiligen Dreifaltigfeit unb ber SRenfchroecbung läugnete, rijj er
bie ganje HeilSötonomie ber djriftlicben öeljre auSeinanber. Die ße^re Don
©otteS Dafein, Einheit, 2üeiSl)eit, ©erechtigfeit, Öarm^erjigfeit nüfcte er nur
baju aus, feine eigenen roilltürlichen Sa&ungen ju begrünben. lob unb
©eriebt, £ölle unb Gimmel fteüte er in grefl=materialiftifd)er Färbung bar,
um bie ©emütljer ju erfchüttern unb ju geminnen. Den ^eiligen (Seift
machte er $u einem (Sngel, CEfniftuS ju einem bloßen Propheten unb ben
(Stengel ©abriet jum 3roifcbenträger jnrifchen ©ott unb ftch. Den Sitten*
cober ber jebn ©ebote, ©ebet unb Saften nahm er febeinbar unoeränbert
aus bem Sitten S9unbe herüber; aber er Vergiftete sugleicb bie ganje Floxal
bureb bie blinbe Untermerf ung , bie er für ftch in Wnfprucb nahm, bureb
bie Verrichtung ber Gshe unb bureb bie fanatifebe gorberung bes ftäten
SteltgionSfriegeS.
Ueberblirft man bie ungeheuerliche ftälfcbung unb Verbreitung ber beiben
Seftamente, »eiche in «ötohammebs Softem öorliegt, fo fann man es für=
mahe unfern biebern ebriftlicben Vorfahren nicht berbenten, wenn fie 2)io=
hammeb einfach für einen Sügenpropheten gehalten fyabtn, feine Religion
aber für ein unter bämonifchem §influ& entftanbeneS ßerrbilb ber mähren
Religion. Die ftälfebung beS Hauptinhalts mar übrigens nicht möglich,
ohne bie gerichtlichen Ueberlieferungen auch im einzelnen anjutaften.
2öohI taum anberroärts jeigt ftch bie lügenhafte ftrioolität unb bie
herrfchfüchtige Berechnung ÜWohammebS, aber auch fein Langel an ^oefie
unb tfunftgefühl, beutlicher als in ben Anleihen, roelche er Don ben ge=
fchichtlichen Ueberlieferungen ber jmei $eftamente gemacht hat. Ueber bie
^älfte bes fforänS ift ba hergeholt, ober alles entftellt, üerbref>t, mit ben
Fabeleien üermifcht, mit roelcben bie talmubifche £)aggaba &*n heiligen $ejt
> „©eine fief/re ift in thjen £aur>tjügen eine Sortentmtcflung be8 3ubenth>m«,
aber öeretnfaä)t unb bergröbert." St). 91 öl bete, 2)er 3$läm. Steutfcfie JRunb»
fd)au XXXIII (Söerlin), 379. — lieber bie ber jubifdjen Ueberlieferung entnommenen
©eftanbt beeile beö floränd f. (feiger, Söaö Ijai 2Jlot)ammeb aus bem 3ubcntljum
aufgenommen? (Sonn 1833), unb §. Jpir fd) f elb, Oübiföe (Elemente im Äorän
(©erlin 1878); über bie dbriftliaVn (Elemente barin ogl. @erof, ßfinftologie be«
ftorän* (Hamburg 1839), unb Saijou*, Jesus-Christ dapres Maliomet (Leipsic 1880).
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358
dritte* SBu4 dritte* Äapttel.
umrooben hotte1. ^JJcit bcr inhaltlichen f^ölfd^ung haben bann bie munber=
bar fcfyönen (Srjäblungen ber ©ibel, bie bei ben cbriftlicben SBölfern jtets
eine unerfcböpflicbe Cuefle ber ^ßoefie geblieben finb, auch ihren poetifdjen
flteij unb if>re formelle Schönheit berloren.
„2Bir bflben bereits bemertt," jagt 9cölbete bon ben längern, ber
^eiligen Schrift naebgebübeten (Stählungen beS ßoränS, „mie gemaltfam
unb abrupt fie finb, wo fie fieb. bureb epifebe SRuljc auszeichnen follten.
Unoermifsbare ^Jcittelglieber fomof)l im 9lu§brud mie in ber ^Reihenfolge ber
2f)atfacben finb oft ausgelaffen, fo baft eS für uns mitunter oiel leidster
ift, biefe ©efdjidjten ju oerfte^en, als jene, melcbe fie juerft oernahmen, »eil
mir bie meiften aus oiel befferer Cuefle fennen. £a$u gefeilt fieb ein guter
Ityü überflüffigefc ®erebe, unb mir finben nie ein rufng ftäteS ©oranfebreiten
ber (Srjaljliing. Wlan berglcicbe unter biefen ©efidjtspuntten ,eine ber febönfien
(Stählungen4, bie (ftefdncbte SofepbS (XII) unb ir)re augenfälligen Unjienu
liebfeiten, mit ber Grilling in ber (SenefiS, fo h^rlich aufgefaßt unb tro$
einiger tieinen Unebenheiten fo f)mrlid& ausgeführt." 2
$it ($rjählung im Äoran beginnt folgenbermajien :
„$ieS finb bie 3e^cn ocS beutlicben 33ucbeS, baS mir beS^alb in
arabifeber Sprache geoffenbart (man t)at fid) ©ott als Spreebenben ju
benten), bamit es euch berftänblicb fei. 2öir mollen bir, bureb Offenbarung
biefer Sure be£ Zorans, eine ber fdjönften ©efdncbten erzählen, auf meiere
bu früher nicht aufmertfam getoefen. 9US 3ofeph ju feinem SSater fagte:
O mein SSater! ich fah *n meinem Irnum elf Sterne unb bie Sonne unb
ben *Dconb fich oor mir büden, ba fagte 3afob: O mein Sohn! erjähle
nicht beine Üraumerfcbeinung beinen 93rübcrn ; benn fonft möchten fie SRänfe
gegen bich fchmieben; benn ber Satan ift ein offener ^feinb be§ *Dcenfd)cn.
3ufolge beineS SraumeS mirb ber £err bich auSermäljlen unb bich febren
bie £eutung8funft buntler SluSfprücbe, unb feine tönabe über bir unb über
bem ©efdjfecbte 3iafobS malten lajfen, fomie er fie gegen beine Voreltern
Abraham unb Sfaat fyat malten Iaffen; benn bein £>err ift aflmiffenb unb
allmeife. SBkbrlicb, in ber ©efchichte beS Sofepb. unb feiner 53tüber finb
für Sorfchenbe 3eid)en göttlicher ©orfefjung. 2)iefe fagten untereinanber :
llnfer 33ater liebt ben 3ofeph unb feinen ©ruber mehr als uns, unb mir
finb boch größer an 9Injahl. SBahrlicb, unfer ©ater begeht ba ein offen=
bareS Unrecht. Xöbtct ben Sofept) ober bringt ihn in ein frembeS Sanb,
unb baS 51ngeficht eures SBaterS mirb bann freunblich gegen euch fein, unb
ihr fönnt glürfliche 5Jcenfchen merben. %a fagte einer oon ihnen: ©ringet
1 TO. ©rünbaum, 9teue Seiträge 3ur femitifdjen Sagenfunbe (Ce>)ben 1888)
S. 48—200.
* Sketches from Eastern History p. 34. 35.
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2)er Äotön ali ßtterutuvbentmal.
ben 3ofep$ nidjt um; merfet iljn bielmetyr in bie liefe eines 33runnenS,
unb irgenb SBorbeireifenbe mögen üm bann, wenn iljr biefeS tfjut, ljerauS=
Siefen. Sie' fagten einft %\i tyrem 93oter: SDBorum miflft bu uns ben 3ofeplj
nid)t anbertrauen? 2Öir meinen eS ja gut mit ilmi; barum fd^icfe üjn
morgen mit uns, bafj er ftd> beluftige unb fpiele, unb mir motten über üjn
matten. 3o!ob ermiberte: <£s betrübt mid), baß iljr ifm mit eud^ nehmen
»oflt ; aud) fürdjte i$, es fönnte ilm ein SBolf jerreißen, ba ifjr ntc^t auf=
merlfam auf ü)n fein mottet. Sie aber fagten: 2Bie fofl if>n ein 2Bolf
treffen, ba mir ja fo grofc an Wn^aty finb? ober mir müßten bann juerft
boS Seben einbüßen. 9US fie ifm nun mit fid) genommen Ratten unb ein=
ftimmig maren, if)n in bie Siefe eines SBrunnenS ju merfen, ba offenbarten
mir ir)m : $u roirjt ifjnen einft biefe £>anblung borgten, obgleid) fie es
jefct nidjt afmen (ober bid) niäjt als Sofepl) erfennen). Unb beS HbenbS
tarnen fie fjeim jum 3Jatcr unb meinten unb fagten: O JBater! mir liefen
um bie SÖette jufammen unb ließen ben 3ofep$ bei unfern ©erätyen gurürf,
unb ba Ijat Um ein SBolf jerriffen ; bocr) bu mirft uns nidjt glauben mollen,
obgleidfc mir nur bie aQ3ar>rr>eit fagen; unb fie jcigten feinen 9tod, mit
frembem Blute befledt. $a fagte Safob : tyx Iwbt biefleiajt bieS alles felbft
erbaut; mafjrliif), große Öebulb mufj id& faben, unb ©otteS ©eifianb mufc
iä) anrufen, um bas ertragen $u lönnen, maS il)r berietet. Unb eS famen
Sleifenbe borbei, bie jemanben jum Brunnen fd)irften, um SBaffer ju fdjöpfen,
unb als biefer feinen ßimer fprabgelaffen I)atte, ba rief er auS: 2öeld) ein
(fclüd! ljier ift ein Jüngling. Unb fie berljeimlidjten Ujn, um Um als 2Bare
oerfaufen ju tonnen; aber ©ott fannte if>r 2fmn. Unb fie berfauften üm
um geringen $reis, für einige 2)radjmen; benn fie fälligen feinen Söertf)
nitfct fyoä) an. $er Hegbpter, ber ifm laufte, fagte ju feinem 2öeibe: 33e=
f)anble Um auf ehrbare Söeife, oieü*eid)t fann er uns einmal nüfclid) merben,
ober nehmen mir it)n einft an SoljneS ©tatt an. Unb fo befhmmten mir
baS Sanb Megopten bem Sofept) jum SlufentfjaltSorte, um tyn ju lehren bie
$eutungSfunft bunfler SluSfprtiaV; benn ©ott befifct bie 2Rad)t, feine %b--
fiajten auszuführen; boaj bie meiften 9Renfd>n miffen baS nid^t. ®a er
nun ins reifere ?Uter fam, ba begabten mir ilm mit 2BeiSf)eit unb (5r=
fenntniß, mie mir 9tea)tfd)affene $u belofjnen Pflegen." 1
SDaS mag genügen, um oon ber (Sr^lungsmeife 9)lol)ammebs eine
Sßorfteüung ju geben. 2öie er felbft biefe Sure als eine ber fdtfnften be=
äeidfmete, fo ift fie bei ben SJiofyimmebanern eine ber beliebteften geblieben,
ftür jeben, bem aber bie biblifd>e ßrjä^lung gegenmärtig ift, fpringen bie
^efjler feiner Wusfüfnaing bon felbft in bie klugen. $ie treffenbften con=
creten 3üge finb roeggelaffen, 9iebenfftd)lid)eS ift breitgefd^lagen, bie fd)lidjte.
1 florän, Sure 12.
360
3>rittee JBud). SJritte« ftapitel.
natürlidje Sflotibirung abgefd)U)äd>t ober bermäffert, ber $aben bcr &anb=
lung miebertjolt unterbrochen, um gemaltfam an ben angeblichen Offen=
barungSdjarafter ju erinnern. 93on Anfang an fteht überall jrotfdhen 3«l*"
unb ©ä&en ber Sßroptjet h«au§, ber ben ßeuten feinen 9mär>©lauben ge=
maltfam eintrichtern miü.
3m meitern Verlauf ber ftefdncbte tritt auch feine 2üfiernt)ett fet)r
Deutlich ^erbor, inbem er, einer Fabelei be$ ialmubS folgenb, bie SJerfucbung
3ofept)§ in miberlicbfter SBeifc weiter auSfpinnt, fo bafc es unmöglich ift,
nät)er barauf einzugehen, ©erabe baburcb aber mürbe bie ©efcbicbte am
öol!st^ümIicr)ftcn in ber ganjen mohammebanifchen 3M. 3nbem er $uti=
PbarS SBeib ausführlich burcb 3ofeph8 ©ö)önt)eit entfajulbigte , 50g er bie
ganje 6rjät)Iung ins Romanhafte hinüber, unb fie mürbe fcbliefclicb böllig
jum 9toman. $ie Slegbptierin erhielt ben Warnen ©uleitya unb mürbe
nach langer Söermicflung 3ofept)S ©attin ; Sofeph unb ©uleif t)a aber maren
bas britte jener berühmten SiebeSpaare, bas bie mohammebanifchen Dieter
nicht mübe mürben, ju beftngen. 3m ^erftfa>n allein gibt es noch 18 33e^
arbeitungen bon „3uffuf unb ©uleitya" 1, unb felbft ber mefböftlicbe ©oettje
bat noch im 19. 3abrt)unbert bie bon Sflotjammeb angefangene 9iote in
beutfcben Herfen meitergefungen 2.
2)ie meitern ©cbicffale 3ofepf>S, feine Xraumbeutung , feine Befreiung
unb 6rt)ebung, feine 2öieberbereinigung mit ben ÜBrübern unb mit bem
SBatet ftnb fel>r matt unb breitfpurig ausgeführt3. 9ioaj faber finb bie
©teilen über 2lbam, Woe, Abraham, Sot unb bie übrigen »Itoäter. lieber
tfönig ©alomon, in meinem bie fpätern ÄhaÜfen bielfacb it)c föniglicbeS
Sorbilb erblidten, gibt 9flof)am.meb bie lächerlicbfien TOrcben beS XalmubS
jutn befiten.
„9luä) 2)aDib unb Solomon Rotten mir mit ftenntniffcn auägertiftet, unb fle
fagten: ßob unb ^rei« fei ©ott, bcr uns öor fo öielen feiner gläubigen 2>iener
beoorjugt b,ot! Unb Solomon mar 3)abib« 6rbe, fo bafe er fagen tonnte: 3b*
5Dlenfd)en, ei tourbe un« gelehrt bie Sprache ber SBdgel, unb er bat un« mit allem
auegerüftet. 35ae ift bodj tootjl ein offenbarer Sorjug. 3t un tourbe einft Don Salo»
mon fein §ecr Derfammelt, ba« au« ©eiftern , 2Jlenfd)cn unb Sögeln beflanb. 3ebe
9lbtf>eilung rourbe befonber« geführt, bi« bafe fif tarnen in ba« S^al ber Äraeifen.
35a fagte eine Slmeife: Q ibr Umeifen! gebt in eure Sßobnung, bamit eud> nidjt
Solomon unb fein §eer, ohne e« geroabr ju »erben, mit ben Sü&en jertrete. ©alo-
»^ermann 6tf>e, Srtrbaufie ?)üfuf unb 3alilbd (»erid)t be« VII. Orient.«
<£ongr. in »Bieit, 9Bten 1889. Semit. Sect. S. 38).
» ©oetbc« 2ö«te (^empel) IV, 48. 122 209.
3 „Sie natürliche Äraft bcr @efd^id)te ift überall gebrochen, bie h)id)tigften
Momente unbetont oorbeigelaffeu ober oertoorren angebeutet, unb bafür altertet läppifdje
3uthat beigebratbt." 3friebr. Stüdert, 2)te Jöertoanblungen be« Gbü Seib öon
Serug I (Stuttgart, 6otta, 1826), 325.
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35er ftorän ali ßiteroturbctitntol.
361
raon ladete freubig über biefe it)re SBorte unb faßte: £> fterr! rege mid) an jur
2>anlbarfeit für beine @nabe, mit tDeldjer bu mich unb meine (Eltern begnabigt t>aft,
bamit ich thue, maö recht unb bir toohlgefällig ift, unb bu mich bvingeft in beiuer
SBarmherjigleit ju beinen redjtföaffenen Wienern. %ii er einft bie Sögel befid)tigtc,
ba fagte er: SBßie fommt e«, bafe ich ben Söiebebopf (§ubf>ub) nicht fet)c ? 3ft er
bielleicht abroefenb? 3öahrlid), td) will itm ferner beftrafen ober ihn gar töbten, H
fei benn, er fomme mit einer annehmbaren Cfntfdjulbigung ju mir. €r fäumte aber
nicht lange, um fid) oor Solomon ju fteüen, unb fagte: 3$ habe ein ßanb gefeben,
melcheä bu noch gefeben t>aft. 3<h fomme ju bir au« Saba mit fidjern 9laa>
richten. 3<h fonb bort eine ftrau, bie regiert unb bie alle« beftfot (um* einem dürften
julommt) unb bie auch einen fierrticftcn Ürjron t)at. 3«h fanb aber, bafj fic unb ihr
SBolf au&er ©Ott auch bie Sonne anbeten. 3)er Satan f)at ihnen ihr 2lnrn bereitet
unb fte abtoenbig gemacht bom SEÖege ber Söahrheit." 1
Der frubhub roirb nun sur Königin Don Saba ge|chicit mit einem
©rief , ber bie Unterroerfung unter Solomon »erlangt. 3b,re 9iätb,c finb
ratljlo* Sie fchüft ©efchente, bie aber Solomon nicht annimmt. (Sin
böfer ©etil macht fieb, anfjeifchig, ib,m ben 2b,ron ber Königin im 9tu t;erbei=
jubringen. (Sin Sd)riftgelef)rter aber bringt ba§ noeb, fineller 51t ftanbe.
Die Königin tommt nun. Sie erfennt iljren %ljxon roieber, obwohl man
ihn unlenntlidj gemacht t)at. Darauf roirb fic in ben Saal geloben. „Da
fie Ujn nun erblicfte, glaubte fie nid)t anberS, al§ baft fic bureb, ein tiefe*
SBaffer roaten müßte, unb entblößte ihre ftüpe. Solomon fpracb, ju iljr:
Du irreft bief); bie* Öemacb, ift mit ©la* getäfelt. Die Königin aber öer=
fe£te herauf : Wein $err, ich h«be bisher tuiber mieb, felbft geljanbelt ; nun
übcrlaffc ich mich, mit bem Solomon, gonjlid) ©ott, bem £errn ber 2öelten."
Die ganje (Srjäljlung ift mehr läppifd) ol* märchenhaft.
Ueber bie ©eburt be§ f)l. 3of)anne* be§ Säufers, bie Wnfünbigung
ber 2Jtenfdhtoerbung unb bie Geburt (vfjrifli ermähnt Wohammeb ßinjeU
breiten, meiere eS fet>r ma^rfchetnlicb, machen, bafe er ben Anfang bei 2ucaS=
ßbangeliumS gefannt Imt2. 2lber alle* ift jerfc&t, berbreljt, in untoürbigfter
SBeife entftcUt unb GljriftuS tro£ aller munberbaren Eajroifdjentunft 311 einem
bloßen Vorläufer WohammebS Ijerabgetoürbigt.
7. £iterarifd>c ßinmirfung be* #orän*.
Ztofy ber abgöttifchen 93ereb,rung, meiere ber Worein bei ben redjt=
gläubigen 5JcoSlim fanb , gelangte berfelbe boch eigentlich nie ju un=
befdnränfter f>errf<jhaft über bie arabifche s^oefie. fltod) au* bem erften 3ab,r=
hunbert nach ber .fnbfdjra roirb t>on bem Dichter ^arojbaf erjäf)lt, er Iwbe
fich, als er einen SJorübergefjenben einen 3?er* au* ber WoaUafa be* Cebtb
' Äoran, Sure 27: „2>ie ?lmeife."
8 Sure 3: „$ie Sfamilie SlmränS." Sure 19: „9)laria."
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dritte* SBud). dritte« flapitel.
l)erfagen ^örte, mebergeroorfen imb mit bcr ©time ben Stoben berührt, ttrie
man eä beim ©ebete ju tfmn pflegte. 9tl§ man if>n um bie Urfadje be=
fragte, fagte er: „tyx forbert, bafe man bei gemiffen Äoränfteflen nieber=
fallen füll; id) fenne 33erfe, benen biefelbe @t)re gebührt."1 $er eigentlichen
£id)trunft erfajlofc ber ftorän feine neuen ^fabe. $>ie $id)ter fnelten fid)
barum an bie formen, meldje bie altarabifd>e £id)tfunft gefdmffen. SBie
bie alten Höüftenreden berfafeten fte 9tabfa)aj=5Berfe, <$a$al§ unb langatmige
tfaffiben. £ic ganje $er§te#nif entroidelte fid) auf biefer ©runblage weiter,
unb eö bilbete fid) bie 9lnfid)t l)eran, bafe bie alten £id)ter, oorab jene ber
Wtoallafät, nid)t nur SBorbilber ber £i#tfunft, fonbern gar niajt ju über=
treffen feien. Sobolb fid) beStyalb nad) ben erften Eroberungen unb Partei*
tämpfen baä 9ieid) ber Kalifen etroaä befeftigt Ijatte unb eine ruhigere
Pflege ber ßunft möglid) gemorben, fing man an, bie alten £idjter ju
fammeln unb ju erflären, bie berftreuten 9iad)rid)ten über il)r Seben auf=
Sitjeidjnen unb in i^rem Stubium Anregung unb Söetterbilbung ber gtoefie
ju fudjen. 3f)re Spraye galt für muftergiltig, unb ba fid) im ©prad)en=
mtfdbmafdj ber orientalifdjen Stäbte bie urfprünglidje 9ieinfjeit nid)t erhalten
Ijatte, fingen bie Xic&ter an, bie Stämme ber SBüfte ju befugen unb bei
ifmen bie ed)te, alte Spradje unb Nuäfpraaje ju lernen, W\t bein alten
tfieberfa^ jog aud& ein guter Sfjeil be§ altfaibnifdien 2eid)tfinne8 , ber
berben Äealiftif unb ber lüfternen Ueppigfeit in bie Literatur ein unb mifd)te
fid) in feltfamcr Söeife mit ben Ijeudjlerifd) frommen Sprtidjen bes ftoränS.
©erabe unter ben $idjtern mad)te fid) fd)on frfifj eine leichtere Muffaffung
be» tforänä geltenb, unb nad) unb nad) fmlbigten Diele ganj unbebenflid)
ber meiteftgefjenben Sreigeifteret. 3roei ber angefet/enften £id)ter fpäterer
3eit, SKotanabbi (geft. 354 $>., 965 n. 6f)r.) unb Wbuf ala, genannt Bk'arrt
(363—449 973—1057 n. Gfjr.), beibe al§ Jreigeifter berannt, unter=
fingen fid) fogar, bem angeblich geoffenbarten #orän einen felbftberfajjten
gegenübcrjufteüeu , legerer mit ber nid>t unbeutli(f>en 2lbfid)t, «Öiofjammeb
ju perfif liren 2.
So wenig ber ßoran baju angetan mar, bie ^oefie nad) ber formellen
Seite f)in $u förbern, einen fo tiefen (Sinflufj übte er jebod) burd) feinen
1 „(Fincr bet IjerDorragenbften $id)ter jener 3tit ifl Srarajbaf. $cr ©runbjug
ber alten urrofidjftgen ^Jocfie r>errfd^t bei iljm in toofliommener altertfjümlidjer Watur«
frifd)e Dor. 3n gehobener, aber burd)au« bottat&ümlidjer , lebenöüoUer Sprache gibt
er ben altüberlieferten Sbeen ben fc&önften ?ln#brud. . . Selten ftnb bie Stellen, wo
fid) ein Entlang Don mobammebamfäer SJcltanfdjauung ftnbet." 3tlfr. o. Urem er,
6ulturgefd)id)te beä Orient« II (ilöien 1876 77), 367.
' ». Jpammer'^Purgftall, 9Rotenabbt, ber größte arabifd)c 2>id)ter (9Bien
1824) S. xlviii. — 3. ©olbjiber, 9l6ü«l.'»la al»3na'arri aU 3freiben!er. Seit«
fd)rtft ber 3)eutfa>en aKorgenlänb. ©efeUfd). XXIX, 639. 640.
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$er Roxan ali Stteraturbenftnal.
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$ef)alt unb ©eift auf bie gefamte weitere (?ntmicflung bet arabifd)en Literatur
aus. (Sr rifc biefclbe ein für allemal Don ben SebenSqueflen d)riftlid)er
23ilbung los unb lieft bie menigen 3been, meldte er barauS gefd)öpft, in
bem QtormeltDefen eines unabänberlid)en ©efetjeSföftemS erfiarren, baS in
afle menfd)Iid)en SBerljöltniffe aufs gemaltfamfte eingriff. 35ie t$freu)eit mar
barauS Derbannt. Ueber aflent menfd)lid)en Kenten, SÖollen, Streben mattete
bie eherne 3Jlad)t einer Söorfyerbeftimmung , auf meldte ber 2Renfd)enmiüc
nid)t ben leifeften (Sinflufc ausüben fonnte. Das ©ebetSleben mar nid)t ber
9lnbad)t beS dingelnen überlaffen, fonbern lag für 2ag mit militärifd)er
©trenge regulirt: fünfmal beS £ageS mufete fid) ber 9JloSlim gen 2Mta
menben unb bie if>m borgefdjriebenen ©ebete beTrid)ten. Unb fo mürbe bie
ganje ^Religion beSpotifd) geftaltet. 5>er Sßropljet marf fid) auf religiöfem
mie auf politifd)em ©ebiete jum unbefd)ränften £errfd)er auf, beSgleid)en
feine 9tad)foIger. ÄriegSmefen, ©teuermefen, ©erid)tsmefen , atfeS glieberte
fid) ftramm unb feft in biefeme religiöSspolitifd)e 5Hafd)ine ein. korporative
mie inbtoibuefle f^rei^cit oerfümmerte. 55er 5)ru<f ber 9totljmenbigfeit Iaftete
auf allem mie ein 33leigemid)t.
$>ie munberbare ©djönfjeit, Harmonie, SJerflärung, meld)e bie Seljre
bon ber 3Jtenfd)roerbung über alles menfd)lid)e ßeben unb ©treben ber
(Sinjclnen mic ber ©efamtljeit ergiefjt, mar für ben Üflofwmmebaner für
immer bernid)tet. $ie 2Jlenfd)fjeit mar teine ©otteSfamilie mefyr, fdjon burd)
bie SBanbe beS 331uteS bereint, burd) ben @rlöfcr in roeit ljöf)ercr Söei^c
berbunben, fonbern ein in jmei Heerlager gefd)iebeneS ©d)lad)tfelb : boS eine
um baS 33anner Maf|S unb feines ^ropljeten gefd)art, befrimmt, fid) mit
bem ©djmert bie gan$e (Srbe ju untermerfen unb fid) einfit emig in einem
mollüftigen ^arabiefc gütlid) ju tfwn; baS anbere befrimmt, Ijienieben be=
(ömpft unb oemid)tet ju merben, um im ^enfeits in emigem $öü*enfeuer
ju braten. ©ott offenbarte fid) nid)t burd) einen (Srlöfer, ber fein £eben
für bie ©einen 511m Opfer bringt, fonbern burd) einen ^ßropljeten, ber, baS
©djmert in ber f^faufi, ©tabt um ©tabt, ©tamm um ©tamm in blutigem
Kampfe unterjod)t unb a0e fnnmorbet, bie iljm miberftreben. Me 6in=
rid)tungen 9Jiot)ammebS , bie ganje Organifation feines geiftlid)=roeltlid)en
9teid)eS hielte bafn'n, biefen friegerifd)=fanatifd)en ©eift ju erhalten, feine
Slnfyönger nid)t nur bon 3uben, Reiben unb (£i)riften für immer ju trennen,
jonbem fie jum WuSrottungSfampfe miber bie Ungläubigen ju nötigen.
3ene 2öelt bon ©d)önfjeit, roeld)e ben menfd)geroorbenen ©otteSfofyn
umgibt, feine ^eiligen, feine ©acramente unb ©nabenermeife , bie #ird)e
unb ü)re munberbare ©efd)id)tc, Ü)r dultuS, iljre flunft, bie unermejjlid)en
X^aten ir)rer 33arml)erjigfeit — all baS ift t)ier böllig entfd)munben. WIS
einziger fid)tbarer 9)iittelpunft ber Religion fter)t ber unförmliche fdjmarje
Älofc ber Ra'ba bor uns, ein Dentftein altarabifd)en £>eibentfmmS , nur
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dritte* &udj. dritte« ftapttel.
burch pöbelet wiüfürlid) mit bem tarnen Abrahams öerbunben. 6ä muffen
fallen gebaut »erben, um bie tilget aufzunehmen, — £aüen, wo bie
„(Gläubigen" ju bem unfichtbaren (Sott beten tonnen; aber außer ber
Äaba gibt es {eine ftajtbare Verlörperung ber ^Religion, fein Cpfer, fein
Sacrament, teine religiöje Äunft. Me bilblidjen 2)ar|teflungen, alle Statuen
unb ©emälbe ftnb aus ben ©ebetsljäufern ausgefchloffen, tein (Sefang belebt
it)re fallen. 3>er einzige 9teft bon Liturgie befreit in Verbeugungen unb
^roflrationen, bie ben 5RoSlim beftänbig an bie 9lbhängigfeit erinnern fallen,
in bet er ju 9lüäh unb feinem Propheten fieljt. Gine religiöfe ^oefie, wie
fie unter ben chrifilichen Vollem bes 9)?orgen= unb 5lbenblanbeS erblühte,
mar unter einem folgen Safteme unmöglich. 2)ie religiöfe Sprit tonnte
nur ein Nachhall oon Äoränöerfen fein, bis enblich ö*eigeifierei baS 3oaj
brach unb frembe 3been in bie mohammebanifche 3Be(t einführte.
9tid)t weniger gemaltfam griff 9)iohammeb in baS OJebiet ber profanen
^oefie ein. 3nbem er Spiele, poetifche Vorträge unb tfjeatralifche Vor=
fteOungen berpönte, oerbannte er bie höchfte unb bebeutfamfie (Gattung ber
v^oefte — bie bramatifdje — ganj aus bem ßreife feiner ©laubigen. VieU
leidet ^at biefer Vann auch baS (SpoS mitbetroffen; menigftenS ift eS fetjr
auffaflenb, bafj es bie Araber ju teiner großem epifchen Dichtung gebraut
haben, ba eS ihnen boch Weber an Stoff noch an poetifcher Anlage baju
gebrach. @ine große Schwierigteit bilbete allerbingS fchon ber ooüfiänbige
Vruch mit ber ^eibnifc^en Vergangenheit, bie ftrenge 9lbfonberung bon allen
fremben Ginflüffen unb bie Vefchlagnaljme aller Gräfte für bie Sache bes
3slämS. W\t bem Verbot aller feinem gefelligen Vergnügungen wie 21jeater,
SJhiftf unb Spiel hängt wahrfcheinlich auch baS auffällige Verbot beS SBeineS
jufammen1. 5Rohammeb bejwedte babei ein doppeltes: erftlich feine ©löu=
bigen fo fchroff wie möglich bon ben Ghriften abjufonbern, unb zweitens
baS ganje Öeben ber (Steinen fo ungeteilt wie möglich ber gemeinfamen
Sache beS 3§lämS unterjuorbnen. Vichts fotite fie erfchlaffen, nichts jer=
ftreuen, nichts bom ©otteSfriege abgehen. Schon in ben grauen unb
Äinbern, b. h- in einem geregelten, frieblidjen Familienleben, fah er eine
gefährliche Verfügung, bie ben SJtann oon feinen ^auptjielen abjulenten
brohte; bem £anbel wie bem 9lcterbau war er ungünftig geftnnt. „$ie
(Sngel befuchen tein £aus, an bem ein ^flug liegt", foll er nach bem Ve:
' 3m Äorän felbft (Sure 5) ift ba* »erbot be« äBeine* mit bem be* Spiele«
Sufammengefteat : „O ifjr ©laubigen! toafjrlid), ber 2Sein, ba« Spiel, Silber unb
Sofltoerfen finb öcrabfdjeuungäroürbtg unb ein SGBerf bti Satan«; burdj SÖein unb
Spiel Hüft ber Satan nur Sretnbfdjaft unb £>af{ unter eudj ftiften unb eud> Dom
beuten an ©ott unb »on ber iöerrtdjtung be$ ©ebetefi abbringen." lieber ben innern
3ufatnmenb>ng biefer Verbote unb tfyrcn bem ßljrifientljum feinbfeligen Qtotd ogl.
^algraoe, Steife in «rabien I (ßeipjig 1867), 325—880.
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2)er Äoräit als Siieratuibenfmal.
ritzte feiner SieblingSfrau 2Tifd)a gejagt fjaben. (Sr trug barum fein 58e=
benfen, bie (5(je unb bas Emilien leben ju jerftören, unb feine Kämpfer
nadj fidj felbft beurtljeilenb, ilmen als (Srfafc für alle f)ör/ere gefeüige ftreube
unb als SiegeSpreiS jugleid) bie rolje Söoflufi gu bieten.
2luf ^ßoefie unb Literatur mufste baS alles tljeils öergiftenb tljeils
läfjmenb unb ertöbtenb roirfcn. 3n ben erften ÜJlenfdjenaltern nadj *D?o=
bammebS Stöbe nafjm benn audj baS ©eifieSleben beS 3$lämS einen fer)r
profaifdjen Verlauf. Die begabteften SHänner bemühten ftd), bem SBorbilbe
beS ^ßropfjeten naajjueifem als ftörberer beS neuen ©efefceS, als Äenner
unb @rflärer beS Zorans, als SReajtSfunbige , ^olitifer unb föebner. 3n
ben 33orbergrunb trat bie richtige Cefung unb Auslegung beS ßoranS, beS
erflen gröjjern arabifdjen Sd)riftmerfeS , bem balb bie Sünna $ur Seite
trat, eine Sammlung öon Ueberlieferungen über Öeljre unb Seben beS tyxo=
Preten, niä)t weniger bibattifd) unb fabelreid) als ber florän felbft. 3m
91nfa)lujs an bie jroei 5Büd>er roua^erte eine umfangreia^e tljeologifdje unb
grammatifd^e Literatur Ijeroor, beren £öf)epunft bie fogen. Pier 3mäme be=
jeiajnen, bie Jlird)enDäter beS WofjammebaniSmuS. 2öenn man in biefer
3eit ju ben öoriSlämifd)en Didjtern griff, fo mar eS rjauptfädjlidj nur, um
fie für bie Auslegung beS ßoränS ju Statte jju sieben, nadj bem Statte
beS 2ibü 9lbbaS, eines ber beften flenner ber alten Ueberlieferungen, roeldjer
fagte: „2öenn ifjr mid) über bie Seltfamteiten beS ßoranS fragt, fo ratfjc
idj eudj: nefjmet bie Didjtfunft ju £>ilfe. Die alten (&ebid)te ftnb bie Ur=
funben ber Araber." 9?ad) ber Sünna aber foüte 9Jtol)ammeb felbft gefagt
baben: „Sekret eure flinber bie Dicbtfunft. Denn fie fdjliefjt ben SBerftanb
auf unb maä)t bie iapferfeit erblidj." Da bie ^auptfüljrer beS 3>slämS
meift milbe, friegerifdje ^aubegen maren, fo mufcte tfjnen ber %on jufagen,
ber bie alte ^oefie beljerrfdjte, unb manage aus ifmen bieteten in bemfelben
Stile $ampfeslieber, ^erauSforberungen, Sd)impflieber unb Sprühe. Dodj
liegt nid)ts bor, maS irgcnbroie bie WoaKafat erreichte. @S geigen ftd»
roeber neue ^D*m™ nod) $been; alles fjftlt |t<±> auf ben bereits früher
jiemlid) ausgetretenen Jöabnen.
?US nad) langen, faft ununterbrochenen kämpfen ber ^ßoefie mieber
etroaS meljr Öuft unb JRaum marb, oerlor fie aud) bas nod), mas fie früher
befeffen, it)rc rofje, aber immerhin frifdje 9catürlid)feit. %n ir)rc Stelle tritt
immer mein: 9lbfid)tlid)feit , fünftlidje 9Jiadje. Der an ficr) fftrglicbe Stoff
rourbe in ber alten flafftbenform immer breiter unb umftänbliajer auS=
gefponnen, bas kleine unb Unbebeutenbe gefcbmadloS fjeroorgeboben , ber
fd)on früher öorfyanbenen Neigung ju uifnnrebiger Selbftbefpicgelung nod)
majjlofer gefjulbigt.
58ettelf)aftigtett unb £ieberlid)teit roerben fjerborftecbenbe ßfjarafterjüge
ber Didjter. Söäfjrenb noa^ unter bem St^alifen Cmar ein i'ieb auf bie
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366
dritte* ähid). «icrte* Äa^itet.
tRebcn mit Ginferferung beftraft mürbe, tauchen jefct auSgelaffene Söeinlieber
auf. $)ie $pauptftgnatur bei Dichtung aber bilbet fürber jene üppige, ge*
meine Sföolluft, bie baS £>aremSleben großgezogen, unb neben if>r feile 8ob=
Rubelet auf bie Großen unb Wächtigen. Keine, teufte Winne ^at ber
Ssläm nie gefannt, unb fo tD&I&t fid) benn unter einer 3)ede ber &ierlichften
Slumen unb ftlosfeln nur ein trüber Strom unreiner £eibenf<haft bof)in.
£er Warne %Mfß felbft mirb jum müfien ßriegSgefchrei , unb ber aus=
gefuchtefle ^ßrunf unb Flitter öermag bie Sbeenarmut nicht su »erfüllen,
auf welche Wohammeb feine ©laubigen t)erabgebrad)t.
Sterte« tfapitel.
JlraMf4' 3>i<Qtmta unb 39tflTeitf<Qciff im 3Uu$e
ber ^Qaftfett.
%m 8. 3uni 632 ftarb Wohammeb $u Webina. 3n>eiunbämanjig
Sahre fpäter tynfäte fein jweiter Nachfolger, ber Ä^alif Omar, bereits
über ^aläftina, pönicten, Sörien, Wegtaten unb ^erfien. Unter Othmän
eroberte ber Ssläm bann ben größten Zfyai oon 9iorbafrifa. Um 700
unterwarf ber Statthalter Wüfä bie noch übrigen Streden beS nörblichen
SlfrifaS, fein ftelbljerr iärif, nach ber Schlacht öon 3erej be la ftrontera
(711), Spanien bis an bie ^orenäen, unb bet fütme ^lan, oon SBejitcn
her bis nach ßonftantinopel borjubringen , fcheiterte nur an bem tapfern
Söiberftanbe unb bem SBaffenglüde ßarl Wartelte. 9lu<h fo beherrfdjten
bie Nachfolger beS Propheten, ^t)aUfen genannt, bie hoffte geiftlicbe unb
weltliche Wacht in ftch oercinigenb, jefct eines ber größten Söeltreicbe, bie
bis baljin bcftanben. Eon ben ^nrenäen erftredte es fi<*> über Worbafriia,
^egopten, Arabien unb Werften bis tief nach Wittelafien unb ^nbien tymin,
naheju fo meit wie bie &riegS$üge Stleranbers beS ©roßen. $ur<h biefe
Eroberungen trat auch bie arabifche Spraye unb Literatur aus bem engen
Greife ber abenteuemben SBebuinenftämme unb ber tleinen ftürftenhöfe oon
(Sj^affän unb £>ira h'no^ a«f t>ic fl™ße Sühne ber SBclt unb festen ber
taufenbjährigen ©Übung beS Orients unb OccibentS augleicb ben 9tang ftreitig
machen ju moflen. Ueber fünf Sahrfmnberte beherrfchte fic mit bem 3släm
unb bem ßhalifot zugleich baS meite Sänbergebiet. ^n Spanien behauptete
fie fich noch ei» paar Sahrfmnberte länger, bis $ur Serbrängung ber Wauren
aus ©ranaba im Söhre 1492. $iefe umfangreichfte ^eriobe arabifcher
Dichtung moflen mir in einigen &auptjügen ju djarafterifiren üerfuchen.
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Hrabifäe 2>id)tung unb Sßtffenfdjaft im Weid> ber Äfjalifen.
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©ie Hefte ftdj jmar leidjt nadj geograpljifdjen ober djronologifdjen ©efid)t~-
punften in Heinere 9Ibfd)nitte teilen l, bod) wäre biefe Teilung eine blofc
äujjerlia>, ba ficb ber mefentlidje Gfjarafter ber arabifd>en ^oefie in biefer
langen 3«t f° Sientlidj treu geblieben i[t unb nur bie unroefentlidben
©djmantungen eines langfamen ftiebergangeS aufouroeifen fyat, feine neuen,
baljnbredjenben ßrfcbeinungen, feine tiefgreifenben Ummäljungen, feine 3eiten
fcbimmernben ©lanjeS.
1. ßntmidlung ber arabifdjen (Fultur unter ben ßljalifen.
Einen großen Wntljeil an ben raffen jtriumpfjen beS ^SlämS Ijatte
unjWeifelfjQft bie Sdjmädje unb 3crruttung ber Cänber, über meldje Die
Araber mit ber 3$ollgemalt einer nod) jugenblidjen Nation fid) t)erftürjten,
ber religiöfe ^onatiSmuä, ber bie 2lnf)änger beS 3siämS burdjglübte, bie
perfönlidje ^apferfeit unb ber friegerifdje ©eift it)rcr unbedingten Deiters
fcbaren. $)od) 9Jioljammeb mar nid)t blofj Sdjroftrmer unb Slrieger ge=
roefen, fonbern aud) Kaufmann, ein oortrefflidjer Sledmer, ein finanjtücbtigcr
SBirtfdmfter, ein fluger unb rüdftcbtSlofer Crganifator. 9lud) biefe Talente
fjatten [eine 9iad)folger geerbt, unb mie fie mit rüdfidjtslofer Strenge alles
nieberroarfen unb jerftörten, roaS ifyre 2eb,re ju bebroljen fd)ien, fo brängten
fie allen untermorfenen Sfönbern alSbalb if>r moI)lbered)neteS , militärifdjeS
Sinanjfuftem auf- waren ed)te ^rofaifer unb 9iealifien. $Öer im
Kampfe fiel, bem blühte baS ^arabieS mit feinen |)uriS; mer aber fiegte,
beffen mar ber Erbe 93efi$ unb Öenujj, unb fpäter baS SßarabieS ba5u,
baS ficb ber SRoSlim als ®ipfelpunft aller finnlicben Söolluft baebte.
33ei ben erflen Eroberungen jeigte fid) übrigens ber Söarbar nod) in
feiner ganjen 2öilbt)eit unb ©raufamfeit. ßireben mürben gefajänbet, Tempel
jerftört, SSibliotfjefen oerbrannt, ©Über unb Statuen jertrüinmert, bie EioilU
fation ber unterjochten Sölfer erbarmungslos niebergetreten. Selbft in bie
3»al)rtaufenbe alten förabfammern ber ^oramiben brangen bie beutegierigen
23ebuinen ein, nidn" um ju forfd)en, fonbern um ju rauben. 3a^°fe
Hrümmer in Snrien, $Refopotamien unb ^erfien bezeugen noeb f>eute, tuie
fie gekauft, £ie cbriftlicbe ßunft unb ©eftttung, bie Don Oftrom aus bis
an ben Eupljrat fortgefd>ritten, mürbe obne biel ^eberlefen-^ Uon il)nen jer=
ftampft. Erft als fie na# mefjr als breiHigjäbrigem ^MünberungSjuge bie
1 $ammer>$urfifiaUfi Sitevaturgefajidjte ber Araber (5 58be. 4°. 2öien
1850—1854) ift feit 40 Starren ba« einzige umfaffenbe 3ßert über bic ßiteratur ber
2lraber geblieben. Jöiele fjaben feine „Unjuüerläfftgfeit'' getabelt; niemanb bat jebod)
etwa« Jöeffereä an feine Stelle gefejjt. lieber ben ©efamtdjaratter ber arabtfa^en ^oefie
gefräbrt ti tro^ feiner llnöDltfominenbeiten immerhin einige Orientirnng. &ic ©rup=
pirung ift rein d)ronotogifd) : 93b. I. SBon 500—660; II. 661—749; III. 749—846;
IV. 846-1041 ; V. 1041—1258.
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dritte* SBud). SBiertcd «opitel.
materiellen 9lmtefmtltd)feüen ^öfierer Kultur etwas fdhcij&en gelernt Ratten
unb ber Ätjalif ÜWoärotja aus ben 2öüften 51rabienS in baS bem 9Jctttel=
meer benachbarte 35amaSfuS gebogen mar, lebten jte fiaj allmählich in bie
äußere (FiDilifation ber Sörer unb (kriechen hinein, manbelten bie brjjantinis
fchen Airajen in TOofcheen um, bauten fich ^aläfte unb ftatteten fie mit
aller nur möglichen ^radjt aus. 2luch in ihrer naioen ^raajtliebe jcigt
fidt) roieber Dielfach ber Barbar, Sh« Jhmft ift nicht auf ben MuSbrucf
grofecr Sbeen gerietet, fonbern auf ©lanj, Schimmer unb 9lugenfi$el.
55ie erfte Schriftart, melche fie ftd? mit £ilfe beS furifdjen (Sftranghelo
jurecht richteten, bie fufifche, ift fteif, fjart, mie mit bem $)egenfnauf ge=
mobelt. £och 6alb bilbete fich aus ihr baS anmutige v)ieSchi unb Sa'lü
heraus, mit leicht gefchmungenen 3u9en» k»e c§ ermöglichten, baS Sdjön=
fdjrciben felbft ju einem ßroeig *>et ßleinfunft ju gcftalten. $ie jierltchen
33uchflaben unb bie fie umraljmenben Sdmörfel unb hänfen Dereinigten ficb
ju noch feinern SlrabeSfen, in benen Sterne unb ©lumen mit ben bunteften
geometrifchen ftiguren "nb ^3fIanjenformen fpielenb unb gaufelnb jum farben=
harmonischen ©anjen jufammenmuchfen. @olb= unb Silberfchmucf, Kleiber
unb Seppiche mürben in ftaunenöroerther Wannigfaltigfeit mit biefer fpielenben
Crnamentif überfät. Sic mürbe ber Samuel beS £aufeS nach innen unb
au&en. Xa ©Uber unb Statuen oerboten waren, tourben bie 5lrabeSfcn
auch bie £)aupt$ier ber üttofeheen unb ^aläfte. Uton if>rer bunten 3farben=
Pracht umfpielt fprach ber florän in golbener Schrift bon 2^ürmen unb
dornen herab, Don ben Teppichen ber £aremS, Don bem ^uroelenfdjmurf
ber Sängerinnen unb Don ben ©offen ber fchlachtgeroolmten Leiter unb
dürften, $umpf unb eintönig mieberljolte bie $ormenfüfle beS auSgefuchtcften
Cujus immer unb immer mieber biefelbe 3bee, bie ber SRuejjin fünfmal im
Sage Don bem OHinaret fjerab oerlünbetc: „©rofe ift Mäh unb TOohammeb
fein $ropf>et!"
STucb bie Söiffenfdmft ber 2ßiffenfchaften mar für bie Araber urfprüng=
lia^ ber tforän unb bie baran fieb fnüpfenbe Ideologie, 3h" £ouptfi£e
maren erft bie ^ropljetenftäbte 9Mtna unb SJceffa, fpäter Äüfa, etmaS
füblich Don bem alten JöabDlon, unb 53a<;ra ober ©affora, 636 als 5efhing
gegrünbet, unfern bem ^erfifchen 9J?eerbufen, bonn 2)amaSfuS als Sifc ber
il^alifen. £a ber ganje 3*läm auf ber Autorität beä Propheten ruhte,
fam junächft alles barauf an, ben Sejt beS ÄoränS unb bie fich baran
lef>nenbe Ueberlieferung feftjitftellen. Wachbem biefeS burch bie Äorän=
ausgaben CmarS unb Otr/mänS foroie burd? bie Sünna geleiftet mar, er=
hoben fid) a6cr über Sinn, ©ebeutung unb praftifche Iragmeite beS ÄoränS
jaljllofe fragen, unb fo entftanb eine meitläufigc ejegetifche Äoränliteratur.
®er 3miefpalt ber Secten rief balb auch eine bogmatifefce *Öel>anblung ber
im Äornn enthaltenen 2cf)re hcrDor; aus ben fortlaufenben ftorancommentaren
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I
Slrabifdje Stiftung unb 3Biffettfcf>aft im 9tei$e ber Jtfjülifen.
369
gellten bie ^uriften bic praftifdjen SSorfdjriftcn in fbfiematifdjen 9ted)t§büd)ern
unb 9ted)t»tradaten jufammen, unb aus bem Stubium be§ ÄoräntejrteS felbft
entmtdelte ftd) ein grammatifdjes unb pf)ilologifd)e$ Stubium ber Spradje.
$5a jebem einzelnen 3"9 Hn Seben be§ ^roptyeten btc größte Sebeutung
beigemeffen mürbe, fo würbe feine 39iograp^ic äufammengefteflt unb fpäter
bura) eine 9Kenge ßinjeljeugniffe erweitert unb ergänzt. Seine ©enoffen
fowie bie erften $f)alifen würben jum Sfjeil ebenfalls als fjeilige Sftänner
oereb,rt; bie Sd)iiten fdjenften Ali, bem ©emaljl ber ^ratime, faft ebenfo
große SSereljrung tote 5Hof)ammeb fclbft. So mud)S, ebenfalls im An=
fdjluß an ben &orän, eine In'ftorifdje Literatur Ijeran, bie junäd^fi bon
mef|r religionSgefdjid)tlidjem (Sfjarafter war, bann aber immer weitere Äreife
30g unb fdjliejjliä) bie berfdnebenften gefd)id)tlid)en Specialitäten wie bie afl=
gemeine ©efdjidjte felbft umfaßte.
SBet bem engen SbeenfretS beS ftoränS Ratten freilicr) alle biefe 2öiffenS=
jweige in nid)t allju langer 3C^ erftarren unb berfümmern muffen, anbere
SBiffenSjjmeige faum 311 einer gcbetylidjen (Sntmidlung gelangen fönnen.
AHein fo gut es aud) ben Arabern gelang, nad) 5Rof)ammebS Softem bie
unterworfenen Hölter 31t reajtlofen ober f)öd)ften& gebulbeten Heloten ju er=
niebrigen, fo wenig bermod&ten fte ftdf) böllig gegen ben geiftigen Einfluß
berfelben abjufperren. W\t brutalem SiegeSgeftiljl moajten fie $erfer, Stjrer,
©rieben als Sflaben in ifjre $icnfie jieljen, bie geiftige Ueberlegenljeit einer
taufenbjäljrigen ©Übung mußte fid) auf bie 2)auer geltenb madjen. Sdjon
bie erften Omajiaben traten in Sorien weniger geljäffig gegen bie (griffen
auf. Angefeljene ©Triften würben an iljrem £ofe gebulbet unb erhielten
bebeutenbe SSerWaltungSpoften, fo unter bcm Ätyalifen Abb ul=9Mit Sergius,
ber SJater beS fjl. 3of)anneS bon 3)amaSfuS, unter feinem Wadjfolger biefer
felbft, ber in t^orm eines ©efprädjeS jwifüjen einem @f>riften unb einem
Saracenen eine Apologie beS ßfjriftentfmmS gegen ben Ssläm berfafcte1.
28af)rfd)einlidj auf (fcriftlidjen (SinfTufe finb bie Secten ber <Diorbfd)iten unb
Gabariten jurtirfjufü^ren, weldpe ber mol)ammebanifd)en ^räbeftination gegen=
über eine milberc Seljre über ©nabe unb greib>it bertfjeibigten. $n 93a<?ra
trat eine immer freisinnigere Auffaffung beS Zorans auf, bereit Anhänger
Sltotafiliten genannt würben. Unter bem $rud, ben bie Altgläubigen feitcnS
ber Cmaijaben ju leiben Ratten, unb anbererfetts unter ber Anregung beS
forifa^en WöndjtfjumS entmirfelten fid) bie Sküberfdjafteu ber SüfiS, perfifd)
£erroifä> (Darwish) genannt, wcld)c erft ber Altgläubigfeit eine mt)ftifdje
Stiftung gaben, balb aber fid) in böllig freigeiftige unb pantf)eifHfd)e
1 JuäsSts EapaTcijvoij xai Xpitntavoö. Migne, Pfttr. gr. XCIV, 1586—1598. —
SBgl. 9JI. Sdjreitier, 3"* Gefönte ber ?Polemi! jtoifdjen 3uben unb SDtufjam«
mebanem (3«tförift bet S)eutf*m ©lorflenlänb. ©eicafö. XLII, 591—675).
SBoumflattner, IBelütttTatur. 1. 2. «uff. 24
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370 dritte« JBudj. Vierte« Jlabitel.
©tömärmereien berloren. Sie Gin^eit bc§ urfprünglidjen 9flobammebaniä=
muS erhielt einen ©tofe um ben anbern.
$a* bebeutungSboIlfte (SreigniÄ jebo<b für baä meitere ÖeifteSleben bet
iSlamitifc&en Völler mar bie Uebcrftebelung be§ Ä&alifatS bon $ama§fu§
nneb bem neugegrünbeten SBagbab, unter bem ©efdjledjte ber 9fbbäfiben,
melaje 750 bie Cmatfaben berbrängten. %m Mre 762 liefe ber #b>life
9lbü Dfdwfar, genannt 911 SRanfür, ben Örunb ju biefer Stobt legen unb
nannte fie „©tabt beS feiles", ©ie lag am regten Ufer be§ Tigris,
gegenüber ben Ruinen beS perfifdjen Ätefipbon unb niajt fc^r entfernt bon
ben Prummern beS alten SBabolon. ßin fduffbarer Äanol berbanb fie mit
bem füblid) gelegenen SBacjra unb mit bem 9fleere. Söarb fie aud) nidjt
^ einer folgen 9tiefenfejhtng , mie es baS alte $abel gemefen, fo geftaltcte
fic ftdj bod) gu bein belebteren Maxtit ber bamaligen Seit. 3>nbten, Gljina,
Arabien, 91frifa, 9legöpten, ^erfien taufd)ten fyer ifjre Sßrobucte auS; alle
^robinjen beS ÄfjalifenreidjeS trafen bi« in öffentlichem unb pribatem $er=
teljr jufammen. Sie öeböllerung ber ©tabt mutb§ bis auf jroei 2)cillionen
Seelen. Sie jöbrlicben 6intünfte be§ <3taotäfcbafre$ mürben, nad) 9tb$ug
aüer Soften ber ^robincialbermaltung, unter 911 SWanfür auf 400 Millionen
Stroms gefd&ityt \ Mt gSracbt unb $>errlia)feit be$ Worgenlanbeä fonnte
fieb beäljalb an biefem Äaifert>ofc entfalten, ben bie Sage fpäter wie einen
9Jcärd>entraum ausgemalt bat. 28aS aber bem fa^immernben Silbe bie
tone auffegt, ift# ba& 911 Stfanfür (754—775) unb feine näcbften 9*aa>
folger, befonberS ^)ärun 911 ftafdjib (786—809) unb 911 ÜKa'mün (813
bis 833), fieb als freigebigfte Öfönner unb ftörberer ber ßunfi, ber SBiffem
febaft unb ber Literatur ermiefen.
2)iefeS ^atronat mürbe inbes mebr bon materieüspraltifcben als ibealen
C^efid)t5punften geleitet2. ©djon 911 9Ranfür unb ^parün berfdjafften ftdj
djriftltdje Seibärjte aus Werften, roelaV mit ben ©Triften beS ®alenuS unb
£ippofrateS bertraut maren, unb Uefjen folebe grieebifebe ©driften über
vir^nettunoe au* ipriicycn ueoerjeuungen ins viuun)a)e übertragen, vjia mint
ging bann einen ©ajritt weiter, inbem er audj baS ©tubium ber 9Katt)e=
1 31. t>. R reiner, 6uIturQefd)tcbic I, 265—270. Unter $ärün 211 3lofd>ib
betrugen bie jäbrlicben Steuererträflntffc 580 812 000 3Jtr^cm. — Sögt, »on bem f.,
Heber ba8 Siubget ber Cinnabmen unter ber IRegierunQ be8 ^ärfin Sil fRafibtb (SBeridjt
brt VII. Internat. Orient.'ßongreffed. SBten 1889. ©enttt. @ectton. ®. 8 — 18).
* 9lud& btn berübmteften ber Äboltfen haftet ber ©ornmrf ber aOßiÜfür, ber
X^rannei unb ber ©raufamfeit an. 23on bem glänjenbften berjelben, ^ärün %l
Siaftb'ib, fagt Srlügel (®efd)i*te ber Araber [Öeipjig 1864] ©. 193): „Stuf ber anbern
©ette ftanb feiner Sicbcnöttmrbigfett ©raufamfeit unb <>ärte, feiner ^freigebigleit
Habgier, bie ftdb am beutlid)ften burd) 93crmögen8einätebungen bebeutenber SJlänner
unb gewaltsame ßrprefjung funbgab, feiner 2frömmiglcit Söerlejfung ber religiöfen
Horfdjriften, feiner gepriefenen 9ted)tlid)tett 9SÖortbruö) unb Ungered)tig!eit gegenüber.*
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Slrabtfdje $id)tung unb ffiMffenföaft im Steide ber flbatifen.
371
matif, bcr Hftronomie , bcr 9iaturn>iffenf haften überhaupt unb ber ^fjilo*
fopf)ie in Anregung braute unb grofmtütfjig förberte. (5r grünbete ju
biefem 3roetf «DaS 0°«^ bfr Söifftnföaft" in 33agbab, b. I). eine 9lfabemie
pr Pflege icner SSMffenföafien , mit SBibliotyef unb ©ternroarte üerbunben,
liefe weitere griecfyifdje ©cbriftfteller , befonber* aucf> 9lriftoteleä , au3 beut
©Driften ins $rabifd)e überfein unb roarb fo jum TObegrünber jener
reiben roiffen|cf|aftlicf)en Literatur, toeldje bie maüjematifdjen, aftronomifd&en,
naturtüi|fen|d)aftlicf>en , mcbicinifdjen , jum %f)t\\ auch bie pljtlofophiiayn
«ftenntniffe ber ©rieben bent Wbenblanb erholten foflte, nadjbem ber Qvoxcs
fpalt ätoifdjen Dfrrom unb Söeftrom unb bie SBölterroanberung für mehrere
Sfafjrljunberte bie nbenblftnbifd)en 3$ölfer Don ben Quellen grted)ifdr)cr 95iU
bung Hjeittneife abgefdjnitten. Tenn auf bem meiten llimoeg über ©Drien,
Werften, 9tfefopotamien, 9corbafrifa unb ©panien ift ein guter Sljeil gried)i=
fd)er $$i(ofop$ie unb Gmibition, öerme^rt mit ben tJrorjdjungScrgebniffen
arabifdjer ©eleljrten, $ur Äenntnifc ber mittelalterlichen ©cfyolaftifer gelangt.
6ine ähnliche 9loHe mie bie großen Ä^alifen Don 33agbab fjaben audj
Diele 3nf)aber be§ fpanifäVn Ä^alifatS in (SorboDa für bie Söiffenfcbaft
gefpielt. 9tudj fte förberten bie ©tubien, befonberS jene ber ejacten 2öiffen=
fd)aften, mit betüunbemSmertfjer ^reigebigfeit unb erhoben bie f>of)e ©cfyule
$u GorboDa $u roeltgefd)iä)tlid)er SBebeutung. ©ie bauten entfajieben anberS
al§ bie näcbften ^odjfolger *Dtof>ammeba. Unter bem Jtfwlifen 9Hs$afam II.
(961—976) fofl bie 33ibIiotljef Don GorboDa an 400000 ©änbe au§ all
ben Derfa^iebenen Cänbern be$ 38lätnft befeffen fjoben.
2. Tie roiffenfcbaf Hieben Stiftungen ber Araber.
Tie 3aljl ber tf>eologifa>n ©cfcriftfteiler aflein ift föon Segion. $aS
weite ©ebiet umfajjt ben ftorän felbft unb bejfen ßrflärung (Seffir), bann
bie Wugfprücbe unb Ueberlieferungen be§ Propheten (£abttf)) unb baS SRelU
gionSgefefc (ftiff))» bie barauö abgeleitete Togmatif, Dorab bie ortfjobore auf
©runblage bei fogen. ofdjacitifdjen ©oftemä, enblidj bie fielen ber Der=
fdjiebenen föeligionäparteien unb ©ecten. (Sine treffliche Ueberftc&t über bie
„9teiigion§parteien unb $hilo|op!)enia)ulen'' gibt ba§ «afftfd)e 2öerf beS
m ©dmljraftäm (geft. 1153)1; e§ jeiajnet ein hödjft merftoürbigeS Äapitel
in ber Cböffee religiöfer Errungen unb $f>antafiegebilbe, Errungen, bie
1 AI Schahrastdni, Kit&b al milal wa el nihal. ©efdjirifrte bcr reltgiöfen unb
tfjUofoplnfäen ©ecten. 2 vols. Bulaq 1845 (H. 1263); berauageg. oon Cureton.
2 vols. London 1842—1846; beutfrfj toon 21). $aarbrfic!er. 2 23be. fcafle 1850
biä 1851. 35a$ 2Bcrf bejei^net bie geringe fteuntnift unb ba8 nod) bärftigere ®er«
ftönbniö, bo« bie gele^rteften SOtobammebaner Dom Qubenthum roie oom 6b"ftcn«
tbum befafeen.
24*
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372
2>ritte! SBud). Vierte! Äapttel.
Icibcr fjeutc noch einen beträchtlichen Ztyli ber %Renf<h^eit umnähten unb
bie, ohne bie gfürforge ber ^äpfie, Dieüeicht bie ganje GwUifatioit beS Grifts
liehen Mittelalters bemichtet hätten.
Unter ben efrabifchen ^Bt)iIofot>t)en ftnb 5»ei «Ramen, Stbicenna unb
9foerrhoeS, jebem (Sebilbeten betannt. ^ie liegen ber 3«ü »witer aus=
einonber a(S fieibnij unb #egel. $er erftere (geb. 980) ftarb 1037, ber
anbere (geb. 1126) ftarb 1198. $er erftere, mit [einem arabifdjen Hainen
3bn ©ina, mar eigentlich ein ^erfer unb ijt nie über bie ©renjen Kerpens
hinausgefommen, fchöpfte feine SMlbung oorjugSroeife aus ben Schriften beS
WriftoteleS unb anberer ©riechen, mie fie längft buich förifche (belehrte unb
Ueberfefcer ben ^erfern jugänglich gemacht morben, unb erfüllte bei all
feinem ^orfcherfleijj bie äußern Pflichten eines gläubigen WoSlim1. $er
jmeite bagegen, mit feinem Dollen Warnen Mbul 2Bolib Mohammeb 3bu
Wchmeb 3bn SJcohammeb 3bn 9tofd)b, mar als richtiger Araber in @orbotia
geboren, (jatte fchon mehr als jroei ^ahrhunberte arabifcher <Sbeculation üor
fich, maltete als Oberrichter nicht blojj in tforbooa, fonbern auch i" ÜRaroffo
unb roarb um feiner aufgetlärten Anflehten mitten jeitmeilig aller feiner
Remter entfefct unb feines Vermögens beraubt2. 3n ihren fcfjilofophifchttt
Wnfdjauungen hoben bie jroei bieleS ©emeinfame, aber StoerrhoeS geht burch
feine beiftifa>naturaliftifche unb beSljalb auch irreligiöse unb rationaliftifche
SBeltauffaffung meit über bie theils aus SliiBberftänbniB beS SlriftoteleS,
theilS aus neoblatonifchen Ginflüffen h«ftammenben Srrthümer beS Wbicenna
hinaus. £ochangefehen maren neben biefen jmei $l}Uofoi>fjen Äinbi, ber
fchon ju 9Jca'münS 3eit ^t)ifofop^ie unb Waturroiffenfchaften in jahlreirfm;
1 Sein mebicinifdje! ftauptwerf ift ber KAnfin fi'l Tibb, ber nod) beute in
mandjen ©egenben be! Orient! al! unübertroffene Quelle ber mebicinifd)en aßtffen»
fd)aft gilt (gebr. in 9tom 1593 unb in neuerer 3«ü i» 93ulaq 1294 wieberholt in!
ßatetnifdje überfefct, am befteu Don Plempim. Lovanii 1658). Sein pljitofopfjtidje!
4pauptloert ift ba! SchifA, ba! üon ben redjtgläubtgen ü)to*ltm tuet betampft mürbe.
— 9luffäfce über feine icligiöfen unb pfjilofophifdjen Behren uon 3f. 9)1 ehren int
Museon 188*2 s. (Sine ttoüftänbige Sarftettung feine! tt)iffenfd)oftliä)en 2Öirfen!
nebft SMograpfjie ift nod) nid)t Dortjanben.
* Sein mebicinifd}e! £>aupttoerf Kullijät (Univcrealia) würbe unter bem Oer»
ftümmelten Sitel Colliget öfter in! ßatcmifdje überfejjt (Venetiis 1482. 1514).
Seine Antwort fd)rift gegen 9U ©fjajjäli! Dostructio philosophorum mit bem 2itel
Dcstruction«\s Destnutionum Würbe cbenfaK! frfif) überfefct unb gebrueft (Venetiis
1497. 1529). Seine „$f)ilofopf)tc unb Sfjcologie" ift fjerauSgeg. Don 3. SftüUer
(«Htündjcn 1858, in beutfeber Ueberfefcung Don bcmfelben ebb. 1875). — Seine dorn»
mentare jur ^oetit be! Slriftotele! publicirtc ftaufto Safinio (^ifa 1872), bie«
jenigen jur Üiljetorit berfelbe (5'orenj 1878). 33gl. Renan, Averroes et rAverrotsme.
Paris 1852. 1860. — Fausto Lasinio, Studii sopra A. Firenze 1875. — SBerner,
2er Äberroiimu! in ber d)riftlid)=peripatctifd)en *Pft)rir)ologie be! fpäteru ÜRittel alter!,
©ieu 1881.
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Brabifcbc $id)tuiia unb äBtfjenfc&aft im 9ietd)e ber ftfjalifen. 373
Schriften encöllopäbifcb, bearbeitete, 9(1 ^äxabi (geft. 960), $bn SBäbfdja
unb 3bn Sufeil (geft. 1190), ber Celjrer beS 9lüerrt)oeS.
$er Warne Algebra erinnert baran, bafc uns biefer 3nm9 ber 5Ratlje=
matit burdj bie Araber Vermittelt worben i|t, als beffett £muptbertreter
SWoljammeb ibn 9)tüfä, genannt ßf)omdriämi (um 820), unb Omar 911
tffjajiümi (um 1079) fjerborragen. 9lu# unfer gütiges ßafjlenftoftem unb
ber 9luSbrud 3iffer felbft ift junäd^ft ben Arabern entlehnt. Sie t)aben
niäjt blojj Diele matljematifdje Söerfe ber ©rieben überfefct, fonbern audj
felbft manche Operationen in bie Algebra unb ©eometrie eingeführt, bie
fpt)ärif<he Trigonometrie erweitert unb überhaupt bie Seiftungen ber ©rieben
unb Snber weiter entmidelt. darauf grtinbete fid> bann aua) eine eifrige
Pflege ber 9lftronomie, befonberS an ben (Sternwarten Don Sagbab, Warnas*
fuS unb ßairo, bie füjon fett bem 9. 3at>r^unbert errietet würben. 9Ufers
gani (9llfraganuS) bearbeitete ben sptolemftuS, 9llbatani beobachtete baS
ftortrüden ber 9lpfibenlinie ber (Srbbahn, 9lbulmafa öerfafjte einen neuen
9llmageft, 911 SBeruni unb 3bn 911 ^aitham enblich bereicherten bie 9lftronomie
mit Dielen wichtigen llnterfuchungen.
2Bie ber $t)ilofopf) 511 ßinbi (um 800), fo bekämet auch ber grojje
9tftronom 911 SBeruni (9lbü tRai^ün) 1 bie ftaunenSmerthe »ielfeitigleit , ju
welcher jwar nicht bie arabifche ©efamtbilbung , mofjl aber einjelne f)eröor=
ragenbe Männer gelangt ftnb. 9lls holjer Beamter beS dürften Don Rfytoa
fiel er 1017 in bie ©ewalt bes Sultans 3J?at)müb Don ©hajna unb würbe als
Gefangener nach 9lfghaniftan gebraut, wo er bie übrige 3eit feines SebenS
wiffenfehaftlichen Stubien wibmete. Weben feinem aftronomiföjen SBerf, bem
„9Wanün 911 SHafübi" unb einer „atjronologie orientalifcher Völler", ber=
fajjte er ein SBert über ba§ bamalige Snbien, baS bie ausgebreitet ften
Aenntniffe in ben oerfdnebenften SSMffenfchaften DorauSfefct. Eiittelft arabifdjer
Ueberfefcungen fannte er ^lato, 91riftoteleS , ^rodttS, 3olj. ©rammaticuS,
s-Porpl)öriu§, 9lmmoniu§, 9tratuS, ©alenuS, ^tolemftuS, ^feubo^alliftt)eneS
unb Stüde ber Äirchengef deichte beS ßufebiuS; aus perfifchen Cuellen wufete
er auch einiges über baS Subentlmm, 6b,riftenthum unb ben 2JtanichäiSmuS ;
unmittelbar aus bem SanSfrit fannte er bie pfjilofopt)ifa>n SBerfe beS ßapila
unb ^atanjali, bie Styagaoabgttä , bie wichtigften ißuränaS, eine «Ölenge
inbifcher Söerfe über 91ftronomie unb 9ljrroIogie, Pönologie , ©eograplne,
9Jtebicin, ©rammatif, auch jafjlreiche bubblnftifaje Schriften. Gr war mit
bem Watjäbljärata unb StämoDana belannt unb djaratterifirt bie inbifche
Kultur jener 3eit nad) ben mannigfaltigfien Seiten. 2>od) jeidjnet fid) in
1 Edtc. C. Sachau, Alberuni's India. London 1838. Vol. I. Prcfacc. p. vm
to xlvh. — $erf., 9llbcruni'ö ei)ronologie orientalifd)er Sölfer. Setpjifl 1878,
englifd) ßonbon 1879.
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374
Sutiefl iöu<$. Vierte« Äapüel.
biefer ungeficuern ©iffensfülle nicht ber Söeitblict eines ibealiflifchen Softe
matiters, fonbern nur ber encoflopäbifche gorfcfterfleiß eines realifrifcben
Beobachters unb Sammlers.
$ie SSaüfahrt jur £aba, beren $jK<4t Ne entfernteren Betr-olmer
beS Ungeheuern ft^altfenreictjeS jur Keife nach Arabien jroang; bie ganj
9(fien, «Rorbafrifa unb Sübeuropa umfpannenben #anbel5öerbinbungen ;
amtliche Erhebungen über bie oerfchiebenen $robin$en; ©efanbtfcbaften,
5orf<hungS= unb Stubienreifen begünftigten baS 3uftanbefommen einer fehr
auSgebeljnten geograp^ifd^en Literatur, nrie fte faum ein anbereS gleichseitiges
Boll befafi. 3u ben ältern ©eographen gehören ber Obcrpoftmeifter 3bn
Gt)orbübbeh (in ber jmeiten §älfte bes 9. 3afjrfjunbertS), bann fcamabäni,
S( 3sta<hri, 3bn #aufal, W 9Hu!abbafi, 3bn ^abhlän, 511 3afübt unb ber
bereits genannte Sil Berüni. $ie berühmteren ber fpätern 3eit fmb 3brijt
(um 1154), gfeSimaftti (flef*. 1326) unb Omar 3bn «USBarbi (geji.
1446). $a5 umfaffenbfle geograpfjifche 2Bcrt fchrieb Stbulfeba (geb. 1273
ju SamasfuS), ein Surft Dom Stamm ber Ejubiben, ber an mehreren
Kriegen miber bie ßreujfahrer unb Mongolen theilnahm. Es führt ben
litcl „Satttrim al bolban". ©eograpljifche Wörterbücher berfafcten 9tbü
Cbeib flfeBefri unb Säfüt auS #äma. $ie roerthboUften »eifebefajreibungen
lieferten 3bn Efctmbair (um 1290) unb 3bn Batuta (geft. 1377).
Sie SRebicin ber «raber fchliefjt fich an biejenige ber ©riechen. befonberS
bes ©alenus, an, beren erfte Vermittler cbriflliche Slerjte roaren. Tonern
ibn SS'chät (geft. 873) bezeichnet ben Slbfchlufj ber erften , grunblegenben
Tißeriobe. 3n ber golgejeit mürbe baS Stubium ber Slrjneifunbe meift mit
jenem ber übrigen <Haturroiffenfchaften unb ber ^ß^ilofo^tc oerbunben. tyxt
$auptt>ertrcter maren Stoicenna, HbuWtajtm, 9ftü Befr m »äji (9lt>as<S,
b. h- öuS »ai bei Teheran, geft. 932), Wi 3bn 3fa, 3bn Wäfatoeihi,
3bn SBotlan unb 3bn *( flefis. Sie Biographien ber berühmteften flerjte
fammelte 3bn m Ufeibi'a.
Sie Botanif fanb ihren §auptöert reter an 3bn SlkBaitljär (1248),
bie Mineralogie an 9U=2:eifäfcbi, bie 3oologie an Hkff a$urini ; bo(h jeichnet
fich baS „$hietlebcn" beS ledern mehr burch Schönheit ber Sarfteflung
als burch eigentliche miffenfehaftliche Beobachtung aus. Sie Begehungen
ber STr)ierc 511 Sage unb BoltSaberglauben behanbelt baS „öeben ber Ihtere"
Don Samiri.
Einen großen töeicbthum entfalteten bie Araber auf bem Selbe ber
(SJefcbichte. 3« oen bebeutenbften ©efehichtfehreibem jählen 9fU£abari (geft.
921), $amfa Sll^ftfaham (gegen Enbe beS 10. 3ahrh«nbertS), 3&n 3RiS=
fameilji (geft. 1030), ber fdjon als Geograph genannte «bulfebä, 3&n 911=
M)ix (geft. 1230), Mu'l Wahäfin (geft. 1469) unb borab 3bn Ähalbün
(1332—1406), an Pragmatiker «uffaffung ber ©efebichte alte übrigen
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Brabifäe Xicfctung unb äßiffenföaft im tteid&e ber ßbalifen. 375
überragenb. $od) mefjt nur ber ^Slärn im ganzen unb großen, aud) bie
einzelnen $Dnaftien feiner $perrf{ber, bie Cmajjaben, bie Stbbäfiben, bie
Äfyalifen WorbafritaS , bie Wlmofyaben, ipaffiben, Slbbdbiben in Spanien;
bann einzelne Öänber wie SRaroffo, Spanien, Sicilien, Wegopten; bann
einzelne ©tobte tote SReffa, SBagbab unb SamaSfuS; einzelne ^erioben wie
bie Äreu^üge unb bie f^elbjüge ber ©elbfcbufen fanben iljre eigenen jpiftorifer.
Reiben audb Diele berfelben an Seidngläubigfeit , 2öunberfud&t unb Vorliebe
jum Slnetbotenljaften unb ftnb fie aueb im allgemeinen frarf Don ben Sbeen
be* 3släm betyerrfebt ober Don fpeeieflen 2anbe3= unb 3eitintereffen beeinflußt,
fo bieten fie bod) immerhin für bie eigentliche ©efd>tcbte, ßulturgefcbtcbtc unb
2iteraturgefd)i#te eine anfetmlidje gülle Derbürgter unb bebeutenber sJiad>=
rieten. SSon (jöcbftem Söertl) für bie Gulturgefdjicbte MegDptenS ift 5. SB.
bas „©bitat" beS «MJcaM}t (1441) unb ©ujutis (geft. 1505) „£uSn
9H=SWu^äbb,ara", eine ausgiebige CueÜe ber £tteraturgefdn<bte baS biblio--
grapfjifcbe 2öert „Äitäb al#fjrifT , bann bie @efd>icbte beS KUWaltan (1631),
bie biograpfnfeben Söerfe beS 3bn #abfd)ar, beS 9U.9toiüatt>tS (geft. 1277),
beS 3bn c^Qfliiän (geft. 1282) unb feine« ftortfefcerö Äutubi (1362); enblicb
baS bibliograpbifebe Serifon beS #äbfcbt Äbdfa (geb. 1606, geft. 1658),
bas bie litel Don mefjr als 15 000 arabifeben, perftfdjen unb türfifajen
Sdjriften nebft biograpfjifdjen Angaben über Deren Serfaffer enthält.
$aum meniger reict) als bie gefcbicbtüaje ift bie pfulologifttV Siteratur,
roeldje fomobl ©rammatifen unb Serita als fnftematifebe Arbeiten Don engerem
Umfang in fi<b begreift. Wucb fner befunbet fttb neben immenfem ftleifc ein
febarfer, fecirenber ©eift, neben einer faft aleranbrinifd)en ftrbettstljeilung
ins (Siitjelne ein 3Jerftätibnip für bösere unb allgemeine ÖeficbtSpunfte,
neben meebanifeber 3ufammen$änfung Don detail eine prattifdje Verarbeitung
jum ©anjen.
Gin oberflftdtficber Slid auf biefe umfangreiche rotffenfcbaftlidje Siteratur
fjat etroaS SerüdenbeS. 2öer baS 3iel aller 2Biffenfcbaft in eine mögliäjft
große Mn&äufung Don ftealtoiffen unb in eine freigeifüge, naturaliftifcbe
^fnlofopfjie fefct, ber mag ftcb, sroifcben ber mofjammebanifeben unb ber
cbriftlicben »Übung beS Mittelalters eine für lefctere §iemli(b ungünftige
parallele gehalten1. 53ei ernfterer gefebiebtlicber 33etraä)tung Derfdnoinbet
'- 3)ie entfcbiebene Seoorjugung beö 2fsläm gegenüber bem AatbottcidmuS bei
3Jhnelalter$ finbet fidb ftbon fehr braflifcb bei ©ottfrieb Don Qetber au*»
gebrüdt: „$ie Äenntmffe, bie ba* abenblänbiföe ehriftentbum hatte, toGten au«,
gefpenbet unb in Stufc »erttmnbelt. Seine Popularität toar eine elenbe ffiöortliturgie ;
bie böfe patriftifdje SRbetorif toar in JUöftero, flirren unb ©emeinen ein jauberifd)er
5eelenbe*potiSmuä geworben, ben ber geirzine §aufe mit ©eiftel unb Strid, ja büfeenb
mit bem ^>eu im SÖlunbe auf Änicen oerebrte. SEOiffcnfd^aftert unb Äfinfle maren
bafiin ; benn unter ben ©ebeinen ber SKarttjrcr, bem ©eläut ber ©lotfen unb Orgeln,
bem $ampf bei aöeibrautbs unb ber ^egfeuergebete tootjneti feine 9Jtu?en. 3)ie
I
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376
dritte« 99u$. Söiert«« «apitel.
titbc* biefer t>crfüf)rerifd)e £a?ein. SettauS bie meiften Triften be*ief>en
fi<& lebigltd) auf bcn Äorän, beffen (Srtlärung, $ertyeibigung unb Wn=
roenbung auf bic berfduebenfien £ reife be§ Seben*, auf bie oerfdu' ebenen
aus bem 3§läm ljeröorgegangenen Äefcereien, auf baö Öeben unb baä 8ob
ber funnittfd)en unb fdjiitifa^en „^eiligen", auf ben ßamäf ber ©ecten
unter ftäj unb gegen Gljriftenttjum unb $eibent$um: für ben eigentlichen
gortfdjritt menfdjlidjen 2Biffen§ unb leerer ©efittung finb baö atte metjr
ober meniger taube ftüffe. 2öa3 bie Araber an roirtüd) bebeutenben 6r=
rungenfajaften ber ^fjilofopljie, ber *Raturn>ijfenfd)aften, ber Slftronomie unb
2Ratf)ematif befifeen, rufyt auf ber alten ©runblage ber griec&ifdjen SBübung,
mela> tynen burd) (Srieajen, Sprer unb ^erfer unb jroar fyauptfädjUd) burd)
Triften bermittelt toorben ift1. Obtootjl fiaj iljre 2lftronomie niajt Don ber
Slftrologie, bie 3<>ofogie ™& bon ber $f)ierfabel unb bie *Dtebicin nidjt
uon abergläubifdjcr Cuadfalberei frcijut)altcn roufeten, fo Ijaben fie bod> all
jene 2Biffen3$n>eige , tljeiltt)eife burd) bebeutenbe Seiftungen, oorangebradjt.
3Jjre geograbtjifdjen 2Berfe unb jutn Xtjeil aud) iljre auSgebeljnte ®efdnd>te=
Iiteratur finb t)eute noct; oon SBertl) ; bod) leibet ein großer Ztyil ber ledern
an allen Qfe^Iern einer tenbenjibS gefärbten £>oftjiftoriograpt)ie2. 2>ie baljn=
bred)enbe Anregung jur Pflege biefer SBiftenSjroeige &aben bie Araber ebem
fall* nidfot fid) felbft gegeben, fonbern bon ben Werfern erhalten3.
#ierard)ie Ijatte mit iljrcn SMi^en baä freie Seilten erftidt, mit intern Ood> jebe ebtere
SBetriebfamteit gelahmt. . . 2Ufo blieb bem tucftlid^en i^eil ((Europas) m$tä übrig
als er felbft ober bie einzige jüblidje Station, bei meldet eine neue ©proffe ber 9luf=
H5rung blühte, bie 3JtoI)ammebaner." 3been jur ^fnlofopfne ber ©efcbtd&te.
Berbers 28er!e (Tempel) XII, 151. — Sle^nlia) §. Söuttte: „äöte armfelig
mufj und bagegen baö gleichzeitige SdjriftUjuni be* d)rtftlia>n Slbenblanbe« erfdjeinen !
SOÖie gro|j ift boa) bie üljorfjeit ber Söeifen, bie fort unb fort oerfiebern, bafj ber
3öläm ber fjo^em Slusbtlbung ber SBölfct im Söege fteljc ! So manche (ginbilbung jer-
rinnt. &er ftoran unb bie Sünna enthalten, maä ben ©oangelien
unb ben apoftolif eben »riefen mangelt, baä ßob ber S8i f fenfajaft
unb bie Empfehlung be* ßanbbaue*" (3eitf<brift ber 35eutfd)en SDcorgen«
Ictnb. ©efeUfd). IX, 137). — „S)a& bamalige ^riftentffum", erflärt3Jt. ßarrier e (2>te
Äunft im 3ufammenl)ang ber ßulturentmicllung III [fieipjig 1880], 1. Slbtblg., 209),
„mar in irjeologifebe Spifoftnbtgleiten, in ©ectenlwB, 2)lenfdjenanbciung, JBilberbienft
unb 3teliquienöeret>rung entartet"; ber 3telüm batte beiljalb na$ tbm „ein gutes
8lea)t unb toirb eS behaupten, bi« baä Gtnriftentljum ber »ernunft bur(bgebilbet unb
burebgebrungen ift". S)cr ^>släm märe alfo nadj ber tlnfct)auung biefer beutfeben
^roteftanten autb b^ute nod) unbebingt bem ftatf)oUci8muö oor^uaieben. €tmai Oer«
nünftigern, boeb noeb feinestoeg* oöüig riebtigen 3lnfd)auungen begegnen mir bei
ß. o. Kante, JuMtgejtbicbte VIII (Öeipjig 1887), 7 ff. 17 ff.
1 ß. 0. «ante, Söettgefcbitbte VIII (ßeipjig 1887), 20.
s St. anüüer, $er ^älam im afftorgen- unb «benblanb II (Serlin 1887), 533.
8 3n einer am 4. 91oöember 1895 oor ber Ungarifd)en 9ttabemie au Jöuba»
peft gehaltenen 9tebe »ieß ber belannte Crientalift 3- ©olbgirjer na<b, „bafe
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Arabifdje 3>td)tung unb 3Biffenfd)aft im Steide ber Äfjaltfen. 377
©ie eigene complicirte, formenreidje Spraye unb beten raffinirte 2luS=
bilbung burtfc bie <5d>riftfteller mie burdj bie ©rammatif machte ben Arabern
jo Diel ju Raffen, bajj nur DerfuHtnifmiäfeig wenige aus iljnen ftd) in bie
©prad)e unb S3ilbung anberer SBölfer Inneinlebten. S3om 4. Sa^unbert ber
#ibfc&ra an befd)ränfte fid) bie trabitionelle <5d)ulgelefyrfamfeit auf ©rammatt!,
9if>etorif, etwas Cogif unb Etetapfjuftf , abftrufe Geologie unb cafuifrifaje
9ted)tsn>ijfenid&aft \ 3n bie flapc&e öiteratur unb in bie r)armonifdje ©eifteS=
bilbung ber ©rieben ift feiner ber Araber eigentlich eingebrungen. 3bn
&l>albün, ber geleljrtefte £iftorifer ber Araber, roufjte Don £omer nidjts, als
bajj SlriftoteleS Ujn ermähne, unb StoerrljoeS, rooty ber größte ber arabifc&en
^ljilofopljen , führte in feiner freien ^Bearbeitung ber 2lriftotelifa>n $oetit
ftatt ber bort genannten griedjifdjen Sic&ter bie Stüter ber 9Jioaflafät an,
befinirte bie Xragöbie als bie „ßunfi ju loben", bie tfomöbic als bie
„Äunft ju tabeln" unb erflärte barouflnn bie fdnneidjlerifajen Sobgebicfcte
feiner &mb§leute als Sragöbien, i^re ©pottgebid&te als tfomöbien2. Gbenfo
unmiffenb blieben bie Araber jur 3eit tyrer glänjenbften Entfaltung in
SBejug auf bie Spraye, Literatur unb (Sefdncfcte ber Börner; %l 93efri
j. 53., einer u)rer tüc^tigften Öeograptyen, Inelt eine $u ßartljago gefunbene
römifdje ober punifaV 3»)"amft für eine fymiüritifdje unb ben £annibal für
einen Äönig Don Slfrifa3. 9codf> fcfaoffer fdjloffen ft^ bie Araber gegen bie
bad abbaftbifd)e Äfjalifat nid)t8 anbere« war als eine Ucbcrtragung beö tb,eofratifd>en
ftömgUHimä ber unterworfenen Werfer auf baö Staatelebcn ber ©roterer, in gerabera
@egenfafy ju ben originellen ^nftitutionen beä erften 3aljrb,unbert$ bH Ssläm. An
ber Sötcge biefeS neuen Jffyalifatä erblühten aud) bie Anfange ber arabifdjen Silbung.
2>ie erften, burd) belehrte Werfer angepflanzten Äeime ber arabifdjen @efd)iä)tfd)reibung
fmb eine Uebertragung ber im faffanibifd)en 9teid)e eifrig gepflegten ftönigagefd)id)ten.
So ftnb bie Anfänge ber gcfd)id)tlid)en Literatur ber Araber nur bcr Spradje nad)
arabifd}- (SBetlage jur Allgemeinen 3*itung 9h. 259, 9. 9toöember 1895).
1 if&abfd)i fltmlfa gibt Stötten Don 15 000 muälimifd)en JEöerten. Sammelte
man bie Jöeridjte, bie man tjic unb ba ^erftreut finbet ober bie Untcrfudjung orien«
taltfdjer §anbfd)rtftenfammlungen bietet, fo liefoc fid) biefe 3<*f)l auf bad doppelte
bringen. Siety man aber bie perftfd)en unb türtifd>en, toie aud) bie arabifdjen, ioeldje
in ber t>orfd)olaftifd)en ?ßeriobe — b. 1). in ben erften brei ^atyrfmnbcrtcn bcr 3rlud)t —
Ucrfa&t morben ftnb, ab, fo fdjmtljt bie 3ar)l arabifdjer 58üd)cr auf wenige Saufenbe
jufammen. Unter bief en, nurb man finben, ftnb viel m c b r ali brei Siertet
fd)oIaftifd)en 3nt)alte£, unb man barf behaupten, bafj ba8 gefamte arabifdje Sdjrift«
tljum ber §auptfad)e nad) fd)olaftifd) ift." Sprenger, $>ie Sd)ulfäd)er unb bie
6d}oIaftil ber 9)tu4lime (3eitfd)rift bcr 3)cutfd)en aJlorgenlänb. ©efetlfd). XXXII, 2 ff.).
AU bie S9Iütt>e biefer Sd)olaftif aber b«jeitr)net Sumdben: the inost abstm.se
qaestions of Grnmmar, Logic, Rhetoric, Law, Metaphy.sics and abstract Theology.
2)af. 6. 16.
* Rena», Averroßs et l'AverroIsme (Paris 1852) p. 36.
* Sd)arf, *Poefte unb Äunft ber Araber in Spanien unb Sicilien I (2. Aufl.,
Stuttgart 1877), 100.
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dritte« Shid). $Herted Aapttel.
^rijtli^e Silbung ber parriftifajen 3cit wie beS Mittelalters ob. 9tur ganj
öeremjelte ©elefyrte, mie ber 9lftronom 911 SBerüni , ber umfaffenbe Weimer
ber tnbifdjen ^fjilofopf}ie, Religion unb ©Übung, legen aud) einige btirftige
33e!anntfd>aft mit ben Örunblefjren beS GfjriftentlnimS an ben Sag. Hutfc
9(1 SBcrüm mar übrigens $u feljr <Öiof>ammebaner, um fid) mit ben fittliä>n
ftorberungen ber ftreujcSlefn* ju befreunben, unb ju o6erf!öd>lid> , um ft«
richtig Don ber ÜKoral ber inbifd)en ©raljmanen ju unterfdjeiben.
„3n biefer 93ejielmng", fagt er1, „gleidjen bie Sitten unb ©ebräudje
ber &inbu jenen ber Stiften ; benn fie ftnb mie jene ber lefctem auf ©runb=
fftfce ber Sugenb unb ber (Sntfyaltung bon allem 93öfen gegrünbet, mie j. 33.
unter feinen Umflänben irgenb jemanb ju tobten, bem, ber bir ben SRod
ausgesogen, auü) baS #emb ju geben, ifun, ber bid) auf bie 2öange ge=
Idingen, bie anbere 2öange ebenfalls barjubieten, beinen f^einb ju fegnen
unb für ir)n ju beten. 53ei meinem ßeben, baS ift eine eble ^ilofopf>ie;
aber bie Etenfdjen auf biefer Söelt ftnb nitft afle ^fjilofopf>en ! ©iele Don
it)nen ftnb unmiffenb unb irrenb, bie man nur mit ©tfcmert unb ©eifcel
auf bem regten SSeg galten fann. Unb fürmaf>r, feit Äonftantin ber Sieg=
reiche (Sfnift mürbe, Iwt man immer ©djmert unb Öeifcel angemanbt ; benn
otyne fte märe eS unmöglich ju regieren."
©djroert unb ©eifcel, im djriftlid>cn Staat nur Attribute ber ftrafenben
©eredjtigfeit , maren bei ben mo^ammebanifdjen Arabern jugleid) aud) bie
Signatur ber ^olitif unb ber Religion2. Sie finb Deshalb, trofc beS
jeitroeiligen fdjimmemben 9iealmiffenS , ju gutem ifjeil Barbaren geblieben
unb ljaben in iljren 9lad)folgern, ben dürfen unb anbern afiatifd)en Söllern,
nur Barbaren ober £albbarbaren herangezogen, ebenfo losgetrennt Don ben
mertljbollften @rrangenfd&aften altflafftfd)er 33ilbung mie Don ben 2ebenS=
quellen ber d)riflliä)en GibÜifation.
3. Uebergang ber 93ebuincnpoejie jur f)ofpoefie.
$ür bie fitteratur im engern Sinn, b. f). bie eigentliche poetifdje
Literatur, mar biefe Trennung Don ben fdjroerroiegenbften folgen. £ie
arabifdje Siteratur geftaltete fid) ju einem (harten Doli feltfamer SBIumen
unb 3'crgemäqfe, jmiftben benen ba unb bort auä) ein fünftli$ jugeftufcteS
töebüfd) feine 3roeige ljerauSfrreden mag; bodj feine reid)blül)enbe ©aum=
gruppe entfaltet ben Dollen 3o»ber ber Vegetation, fein gemaltiger 9tiefen=
bäum l)at mit altersgrauem Stamme unb jugenbfrifajer Jhone ben 2öeä)fel
1 Mberunfs India. Ed. Edw. C. Sachau II (London 1888), 161; Dal. II,
151 ; I, 94.
* 2. ö. 9t ante, 2Beltgefd)ic$ie V (1884), 101-103.
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Slrobifdje 3>id)tuno. unb SBiffenfdjaft im Steide ber ß^oltfcn. 379
ber 3al)rf)unberte überteuert. Sie Grober lmben meber ein $rama nod)
ein 6po3. 3um erften fehlte tynen ber tiefere fünftlerifa> Sinn, $um
jmeitenbie möt&ologift&e unb fceroiföe Sage; ber unbefdjmbUd) langmetlige
Äorän unterbrürfte DoHenbS jebe Regung, bie fi<b naa) ber einen roie ber
anbern töid)tung tyätte entmideln fönnen. 9?ur bie rub,mrebige öänfelfängerci,
»el<be einft am OTarfte üon Cfäj getrieben toorben, rettete fidb hinüber in
ba§ ßettalter ber ^^oltfen unb gestaltete fid) fytt allmäblid) jur obligaten
unb immer fünftlicbem £ofpoefie.
SBon ben 5218 $ia)tern unb Sdjriftfteüern , bie ^ammer^urgftaU
bis ungefähr in bie TOittc be§ 11. 3af)rljunbertS oerjeidmet fycii, fallen
etma 4000 in bie 3eit ber Äljalifen, unb bie 3a&l ifl unjroeifelb,aft nod)
ju niebrig angefefct, ba bie jaljlreidjen Ueberfefcer unb manc&e nur nebenber
ermähnten Sd)riftfteHer nidjt einmal mitgejä^lt finb. 2öenn je, fo gilt aber
tner ber Sprud): Non numerantur, sed ponderantur. @8 ift ferner,
unter biefer SRaffe Don SJerfemadjern au# nur ein paar Sidjter fjerauä=
jufifeben, toeldje einigermaßen baS bidjterifd)e Mittelmaß überragen.
3n ber erfien Qtit naö) °c§ ^Pfopljeten Üob begnügten ftdj Diele, mie
eljebem bie $änbel unb diferfüdjteleien itjrer Stämme in 93erfe ju bringen.
9lnbere fteflten ü)re 2Dort= unb 9?eimfunft in ben $>ienft ber religiöfen Secten
unb Parteien unb überfdjütteten fid) mit Satiren, Sd)inäbgebid)ten unb
Spottliebern aller Wrt, urmücbfig unb berb genug, aber natürlidj nur Don
Dorüberge^enbem Sntereffe. SBieber anbere betrieben baS ^td^trn als etn=
trflglicbeS f)anbtt>erf im $)ienfte ber SBorneljmen unb *Diäd)tigen, toeldje tljeilö
aus (Jitelfett tljeils aus £afdjen na(& 33olfSgunft Diel auf Sobgebidjte gaben
unb fie be£l)atb reidflieb, bejahten.
§ür ein prä<$tige§ ßobgebtdjt auf bie Cmnjiaben fanb fogar ber forifdje
(Sljrift 61 Wdjtal ^o^e ©unft am £ofe Don $amaSfu§ K Qaf)\m$ maren an
ben $öfen ju 5)ama§lu8 unb fpöter 33agbab neben ben $)id)tem aueb bie
Ülecitatoren (SRäroia), Sänger, Sängerinnen unb Sängerinnen Dertreten unb
mürben nidbt minber reidjlicb bejaht. 33on bem (>5ebäd)tni^ ber üfecitatoren
mirb gerabeju SÖunberbareS berietet. So foU £ammab Dor bem ßfjalifen
911 2öaltb auf einen Sty 2900 Äaffiben aus ber ^elbenjcit ^ergefagt unb
bafür eine (Sabe Don 100 000 Sirljema erhalten Ijaben. 3>ajj fic^ tro&
biefer fabrifmäfjigen ÜJtaffenprobuction unb ir)rer Üingenben Anregung bod)
aueb, ba unb bort mirfMajes poetifajeS Talent jetgte, ift nid>t ju läugnen.
So finb 5. 9. bie Siebter 21fdjä £)ambän unb ÜBabbäb toirflid) poetifebe
9iaturen. ßtonj ergreifenb ift baS Heine Sieb ber 5)ieifuna, ber (Semat/lin
1 Encomiura Omayadaram. Arab. et lat. ed. Jf. Th. Houtsma. Lugd. Batav.
1878. — Le Diwftn d'al-Ahial. Texte arabe publie poiir la premiere fois par lo
pere A. Salhani S. J. Beyrouth 1891—1892.
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380
Srttted $ud). SHerte* ftapitel.
be* Raufen Sfloämtja, bic fic& aus bcm ^alafte bon Eamasfu? jurüd in
bie m\k feinte:
£a« bärae Äleib, in bem id) glütfltd) mar,
3ft lieber mir ali tjter ein «»rad)ttalar.
3m SSüftenjelt, burd) baö bie Jfflinbe faufen,
*Ülöd)t' id), ftatt l)ier im f)ot>en Sdjloffe, Raufen.
Gin toilb Äamel Don ungeftümem Schritt
Oft lieber mir ald fanften 9Ptaultf)ier$ Zritt;
Ser #unb, ber bort bem ©aft entgegenbellt,
9JMr lieber al« bie «Paule, bie b>r 9«llt.
Gin $>irt tum meinem ©tamme gilt mir mef>r
2Uö all bie üpp'gen ftreunbe um midj Ijer ».
3old)c 9tad)flänge ber alten ^Joefie, bic gar feinen mcfentlitfi neuen 3llg
bieten, finb nid)t feiten 2. $er bebeutenbfte Repräsentant berfelben if! ^ara^baf.
Seine £iebesgebid)tc, 3>agb= unb Steif eabenteuer, ^rauerlieber, 2ob=, 3pott=
unb Irutjgebidjte finb ganj im Stile ber TOoaUatät, boll ftol^em Selbftlob
unb StammeiberouBtfein , boll bieberet 2reue gegen ben ©aftfreunb unb
trojjigem ftaffe gegen ben fteinb. Gr ftarb 110 (728) 8.
4. 3bn ^jä*. — Wbii ftomäs. — ^1 b u 1 ««täljtja. —
3bn 9Ku'tnjj.
9iur bie SJerbinbung mit ben Stämmen ber 2öüfte Inelt inbes biefen
alten trufeigen Otittergeifi nod) aufregt. SM bem üppigen £ofe ber ftfwlifen
bermei(r>lid>te ©eift unb Öefinnung immer mer)r, unb aud) bie Sßoefie mürbe
bon ber ruoUüftigen, irreligiöfen Stidluft angeftedt, bie bog I)öfifd>e &enufc
leben beljerrfdjte. 2)er SReigenfiUjrer biefer neuen ^oefie ift 2Boti 3bn s}ljä»,
ber fdjon in ber legten 3eit ber Cmajjaben bietete, bei ben crflen ^tbbäftbcn
aber gute Wufnatnne fanb. 9)lan trifft bei ü)m no*> bann unb mann einen
3ug magren, innigen GJefiu)!*, aber biefe* bipa^en ^oefie ertrinft in einem
^ful)l auägelaffener Stfjerjc, unfeufdjci hoffen, 3oten unb Gemeinheiten.
Sn religiöfer $inft$t ööUig gleicfcgiitig, fuflte unb fanb er feine Eerüljmt--
tyeit im Sajmufc jener furchtbaren Sittenlofigfeit , bie ftcfc folgeri^tig au»
9)ior;cimmeb3 £ef)re unb Söeifpiel entmideln mufete.
%tyn an Xalent meit überlegen, aber noä) fcrjamlofcr mar fein 9taa>
folger 9lbu 9tomä*4, ber gefeiertfie Siajter am $>ofe ber ^^alifen $ärün
» £ d) a d a. a. C. I, 37 nad> Abulfeda I, 398. » 6bb. I, 38-43.
3 3prüd)e Don il)m bei Freytag, Proverbia Arabum. — (Ein Jßobgebidjt im
Nouveau Juurn. Asiat. XIII , 545 (beraufigeg. bon (Sauffin be ^erceoal). SBgl.
Jammer a. a. C. 11, 260. — Ä rem er, (£ulturgefd)iä)te II, 367. — Le Divan
de Förezdac publie par Boucher. Paris 1870—1876.
4 Pommer a. a. C. III, 579-621.
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Hrabiföe $td)tuna. unb SBiffenf^aft im 9leiä}e bcr ftfialifen. 381
Ml 9taf$ib, Mmm unb 5J?a'mun, fo angefeljcn, bafc er e§ wagen burfte,
öffentlich über ben 5§ldm ju flotten, fo fcr)ant(o§, bafj er bic fdjänblichfien
Softer mit allem Aufgebote feiner Äunft berherrlichte. „Wbii Stowet» über=
trifft £>eine weit an GnniSmuS, er fommt ujm aber faft gleich in bem
3auber ber Sprache, bem 9feicf)tljuin echt poetifdjer ©efüfjtöanflänge , geift=
boller SBenbungen , im überftrömenben 2öi£e unb übertrifft ü)n in poetifdj =
genialer SSerlumptljeit." 1 Wm gemeinflen finb natürlich, feine Siebet unb
Spottgebichte fomie feine Scherte unb Schwante (mudschün). Eigenartig
finb feine 3agbgebtd)te, in benen er e3 auf ^ierbefc^retbung ablegt. Seine
Seinlieber galten fich in engem #rei», trugen aber boch baju bei, biefe im
fdjroffen 2Biberfprud) $um Äorän ftchcnbe £ichtung*art, bie bereit» bor ihm
beftanb, noch öolfättjümlidjer ju machen. Sobgcbichte hat er natürlich auch
üerfafjt. Wadjbcm er in müfter 2tu3fchweifung geijtig unb leiblich abgekauft,
wanbte er ftch jiim Sdjlufj noch ber ^Bigotterie ju, berfaßte fogen. 3uhbijjüt
ober „SBeltentfagungSgebichte", berherrlichte fogar ben ortljoboren tfataltemuS
in feiner ftrengften unb berjmeifeltften ftoxm:
9ltd)t« fann bcr ÜUtenfdfj,
9lu§er roaS Slttäb, befahl:
Scr ÜDtenfä) fattn nidjts toäfjlett;
Wäf> aUein hat bic 2öaf)l.
Söäfjrenb %bii 9towä§ in feiner ennifdjen ^Dcobepocfie bic grünblich
berlotterte £>ofgefcüfchoft bon Söagbab wiber jpiegelt , bichtete fein waderer
3eitgenoffe 9lbul 'tttähija mehr für ben gemeinen 9ftann. (Sr mar in #üfa
geboren unb lebte bon einem (leinen £)anbel mit Töpferwaren ernft unb
befchaulich. 9?on feinen Herfen fagte er felbft: „$ic fwwute 91rt gefällt
nicht ben hohen Sperren, ben $edamatoren fotoic ben nad) feltenen SBortcn
lüfternen Sprachgelehrten ; c§ finbet btefc 91rt Öebichte nur Entlang bei ben
ftreunben be§ befchaulichen £eben«, ben Irabitionägelehrten , ben fünften
unb ben Rommen fomie bei bem gemeinen $olf ; benn biefen gefällt am
beften, was fte berftehen."2 9cad) bem Tobe be3 ^r)alifcn .jpäbt woHte er
fein leichteres ©ebicht mehr machen. Umfonft berfuchte ihn §ärim 911 9Hafd)ib
burch ^Diißhanblung unb Äerfcr ba$u 511 zwingen. (Sr gelobte barauf, ein
3ab,r in (Bebet unb 53u^e anzubringen, unb machte in biefer ganzen 3e**
fein 9)ctnnelieb auper einem auf feine ftum. „(?r oertritt, um fo 511 fagen,
bic (Bewtffen§fttmmc be§ 33olf&geifte§, ber moralifchen (Jntrüftung ber untern
klaffen gegen bic majjlofe Unfittlichfeit ber hohem Stänbe. 9lber aud) feine
SCßeltanfchauung ift weit entfernt bon ber altarabifchen ; benn ber o^lain mit
feiner pefftmiftifchen ©eltauffaffung ^at ftch fchon wie ein giftiger 9Jleltf)aii
1 Ärcmer, ßulturgcfdjiaitc II, 369- S72.
» Kitäb al Aghdnl III, 161.
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382
dritte* »udj. »iertrt Jtabitel.
auf feinen Öeift gelagert. Gr blidt hoffnungslos ins Seben unb biefleidjt noch
hoffnungsloser in bie 3utunft, obgleich er eS gu fagen nicht magt."1 Die
3eit feine* SobeS ift unficber: 211 £. (826) ober ein paar 3ahre fpäter.
Sein Streben brong nicht burd>. Die meiften Dichter folgten mehr bem
Seifpiel beS 9lbü 9con>äS, unb baS leichtfertige ®enre bereit bie Cberhanb.
$ür ein einziges Sobgebidn" erhielt 9JioSlim 3bn 28alib2, ein h<mbroerfS=
mäßiger ÖelegenheitSpoet , 100000—200000 5)ir^cmS. 3n biefen Sob=
gebicbten nat)m bie berjtoidtefte tfünftelei immer mehr tiberhanb unb berbrängte
jeben gefunben, natürlichen ©efchmad. Die Spra abgelehrten in Äüfa, 53a<;ra
unb Sagbab Ralfen auch babei, inbem fie gerabe baS ©efucbte, Dunfle, Un=
berftänbliche ober Schroerberftänblidje am meiften lobten, Selbft bie berbienft=
bollen Sammler ber beiben £ainafa, 9lbü lemmäm unb 61 ©uhturi, finb
biefer Serirrung trofc ihrer Vertrautheit mit ber ältern ^oefie nicht entgangen.
Sehr ftarf prägt fich ber ©egenfafc jroifchen ber altarabifchen Sebuinen*
poefie unb biefer neuern f>ofpoefie in ben ©ebichten beS ^ringen 3bn Ecutajj
aus, beffen Sater 911 SRu'tafo öon 866—869 als Ähalif regierte. Statt
Söüften, ßinöben, Straußen, Antilopen, Ramelen unb oerlaffenen 3eltlagem
treffen mir hier bie ftaljeften SJcarmorhallen, ftrofcenb bon OJoIb unb Silber,
Seibe unb Saminet, buntgemirtten leppichen unb funfelnbem Schmud,
Scharen bon «Haben, Dienern, Sängern unb Sängerinnen unb eine noch
elegantere ©efellfchaft, beten bornehmeS 9iichtSthun fchon mit glänjenben
SJcorgenfeftcn beginnt. Später nahm 3bn ÜKu'tajj auch einen Inlauf, feinen
Setter 911 Wtadib, ber 81)2 ben tyxon ber Ähalifen beftieg unb bis 902
innehatte, in einem epifchen Öebichte *u berherrlichen. DaSfelbe roeifl ge=
lungene epifche Stellen auf ; boch fyat ber religiöS^fanatifche StyriSmuS unb
bie hergebrachte ©emohnheit beS SobgebichteS auch In« roieber eine rein
epifche ©eftaltung unb Sollenbung beS Öanjen berhinbert 8. %m Iebenbigften
unb anfehaulichfien wirb 3bn Sflu'ta^, roenn er ans Schimpfen tommt, nrie
in ben leibenfthaftlichen Serien gegen ben geftürjten 2Befir 3Smail Sulbtil,
melcher ben Ähalifen SJcutuaffaq mit oerrätherifchen Umtrieben bebroht ^atte ;
@in grimmeö tRaubtfuer mar ber ÜDtann, baS über Anod)en brüllt,
Sin Cfen, ber ftetfi mein: bcrfdjlingt, je reifer man iljn füllt.
3>en 8djuurrbart trug er lang unb fpifc unb formierte f^marj iljn ein:
2>er uaffe Sittich eine« Stoor« fonnt' nimmer f^toäracr fein.
» ftremer a. a. O. II, 376 ff. - groben au« Slbul 'Wdija ebb. II, 374 ff.
unb bei Jammer a. a. C. III, 675—699. — Poesie» d'Abu-VAtfihijah publikes
par le P. L. Cheikho S. J. Bcyrouth 1886. 1888.
* §nmmer a. a. O. III, 643 ff.
s Garl ßang, SJtu'tadib aii ?Prinj unb SRegent, ein tyiftorifdjeS $5>elbengebtd)t
üon 3bn et Snu'tajj (3ettförift ber SEeutföen ÜJlorgcnlänb. ©efellfdj. XL, 563—611;
XLI, 232-279).
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Strabifdje Sidjtung unb Söiffenfdjaft im 9tet$e ber Jtfjaüfen. 383
JEöenn et fein 3rüfjmabl ^at Dolibraäjt, getoäffert feinen 2Öein,
Spielt fröfjlid) er fein lamburin unb fi^crjt öor grofc unb Hein,
Unb läfet in reifem ^Jradjtgemanb Staat unb ©efdjäfte rurjn
Unb fdjroafet ein tolle* ^eibenjeug, ftatt SlüfelidjeS 31t tinin.
2tan Ijoljen fingen plappert er, tum ^latoö ?ßf>ilofopf)ie,
Unb eine Äefrerrotte preift ergeben fein ®enie.
93 on ©lüdS» unb Unglfld«tagen bann, Subftanj, ajcgriffliri&leit,
93on ©rbenldnge, #imrael3ftridj, bon beiber Sfflcfebarfeit,
2Bie Diele Stäbre Sljina jä^It, roie toicle bie Üürfei,
Unb toai ba* äußere Sccibenä beim Äörpertoerben fei,
2öa8 bie 9tatur ber Sternenzelt, bie Sonftellation,
9BaS Styertrei« unb toai Somtenftanb, roa* mi^tiget baoon,
Ob Sta^am ober Sumäma. — So fäjtoafeen fie brauf loS.
Sßenn aber einer beten »in, gleiä) Reifet ber rigoros !
ÜRoä) fdjlimmer, toenn er lange lieft! $>ann ift eti abgetljan
3Kit 2luferfteljung, 2ßunbetmaö)t, 2)ogmatif unb ßorän.
60 trieb'« ber 9Jarr, bis it»n ber 5pfeil be« XobeS nmgebrad^t.
2öeiB nidjt, lag ed an feinem &leifö, Iag'ö an ber Sterne 9Kaä)t '.
5. SJiotanabbi. — 91 b ü ftiräj. — 9Hafarri.
Der berüljmteften einer bon ben bieten £ofpoeten mar SRotanabbi, in
feinem unruhigen Seben an 3mm ut=#ej§ erinnernb2. ßüfa geboren,
empfanb er frülj 2uft an ber ^ßoefie unb 30g als faljrenber 9)ttnflrel umfjer.
3uerft fd)le#t be$afu*t, fanb er enblicb. einen freigebigen ©önner an Saif=ub=
baulafj, bem Raupte ber £>ambäniben in 5Ueppo. 6r befang bie £elben=
traten biefeS friegerifd)cn ©efdjledjteS in Dielen Ijoifttönenben Cobliebern,
meinte bann aber in Wegbpten mit feinen Steinten nod) beffere föefdjäfte ya
madjen. Da ifjm ba§ nidn" glütfte, bcrfolgte er ben ägtjptifdjen SGßefir mit
giftigen ©pottberfen unb fiebelte nad) Söagbab über. 9lud> fjier blühte itjm
aber nid)t ber gemünfdjte (Srfolg, unb fo gebaute er nad? <2d)ira$ $u
roanbern unb &ofpoet ber JBujiben 51t merben. ßr marb aber unterwegs
bon Söebuinen ausgeraubt unb ermorbet im ^afjre ber $ibfdf)ra 354
(965 n. (Sfjr.). feljlt bei il)m nid)t an roirflidj fdjonen ©ebanfen unb
Silbern, fyod)poetifd)en ©djilberungen unb finnigen ©prüfen. <5r mar ein
richtiger Dieter; bodj bie 2Rad)e um be§ Heben ©elbeS miflen berbarb bie
meiften feiner Seiftungen. <Sa>n ber arabifö^e ßritifer ^l^a'älibi8 fjat
iljn folgenbermajjen fet)r richtig tajict:
1 »er« 136-149.
3 Seine Söerfe IjerauSgeg. öon i$v. 2>ietcrici: Mutauabbii Carmina cum
comment. Wahidii. Berolini 1861; fiberfefet bon 3- Jammer. SBien 1824.
* Sfr. 3)ieterici, anutanabbi unb Scifubbaula, aui ber ebelperle beö
2faälibi (fieipjig, SBogel, 1847) S. 53. - »gl. Zi>. Stoib et ei Urteil in ber
3eitfa)rift ber 3?eutfd)en UWorgenlönb. ©efeUfa). Xin, 305. 306.
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»ritte« ÜBud). »ierte* Äapttel.
„3u feinen fyfyem gehört, bafc et auf glänjenbc 9tebcgliebcr tau6e
SBorte folgen läfct, wobureb er in feinen ®cbicf}ten gerabeju häufige! Au!=
einanberfallen unb Langel an Uebcreinfiimmung , $i!harmonie ber 9*ebe=
t^eile unb Söiberftreit ber Stofe bewirft. 2öie häufig berfäflt er in biefe
2Beife, fehrt ju biefer fdjlecbten ©ewoljnheit jurüd unb bringt feltene Scbön=
Reiten mit fchlechtem Abfall jufammen ! ©ährenb er ben föftlichften Scbmud
fchmiebet, bie fchönfhm ^erlenfchnüre aufreiht, bie reijenbften buntfarbigen
Stoffe jufammenmebt unb in einem föofengarten einherftoljirt : fiehe! ba
wirft er plö&licb einen ober jroei Eerfe ba^wifchen, bie ba! Aeujjerfte leiften
in weithergeholten Sttetapfjern, oerftrirften 28orten unb üerwidelten ©cbanfen,
ober in gewaltiger Affectatton , ober in gefugtem liefftnn, ober im 9lu!=
fdjweifen ju Uebertreibung unb Unbenf6arfeit, ober in ungcwählter unb ge=
meiner ober, burdj Anwenbung bon ungewöhnlichen Jöörtcm, in pebantifcher
unb wilbfrember Aulbrudiweife. So berwifebt er jene Schönheiten, trübt
ihren (Blang unb läßt auf ihre Süfjigfeit . eine wiberliche Sitterfeit folgen.
Saburdj ha* «r Sur 3Mfchcibe für bie Pfeile ber Gabler gemalt unb
ben 2an$enfticben fcharfer firitifer blofjgeftellt. SBohl mag man bie ©orte
bei Sichter! auf ihn anwenben:
©ine S3raut tift bu öon blenbenber 6d)önt)eit,
2lbcr täglich befommft bu bic follcitbc Sucht."
6ine biel fmnpathifchcre , ritterlichere (Beftalt ift Abu $iräj #ambäni,
ber in Aleppo mit 9ftotanabbi äufammenlcbte, ein Detter feines ©önner!
Saif=ub=baulah *. 6r begleitete ben dürften auf feinen töriegläügen , oer=
trat gelegentlich feine ©teile all S3cfe^I§r>aber in ben kämpfen wiber bie
JBtojantiner unb fiel wieberholt in griechifche ©efangenfehaft. 25a! erftc
9Kal brachten ihn bie ©riechen nach Cr)arft)ann am (Suphrat; er entfam
ihnen aber, inbem er 51t $ferb bon ber ftcftunglmaucr herab in ben
Strom fprengte. Sa! zweite Wal mürbe er gefangen genommen, all
er bie ftefhtng Wanbig (<D?abüg ober £>ierapoIi!) oertheibigte. (Sr mürbe
bielmal nach $onftantinopel geführt, aber gegen anbere (Befangene au!=
gelöft. Wach bem Sobe feine! Detter! wollte er fieb felbfl ber ^errfebaft
bemächtigen, unterlog aber unb fiel im Kampfe, 357 (967). 3n ihm
lebt unb webt ber ritterliche ©eifl ber altarabifcheu gelben; feine Schlad^
feenen ftnb aul bem Sebcn fclbft gefchöpft; feine Sprache ift fräftig, ebel,
nicht fünftlidj affectirt. IM wahren Gefühle! finb bic ftebichte, mit benen
er bon tfonftantinopel au! bie Seinigen 311 tröffen fuchte, wie 5. 23. ba!
folgenbe an feine Butter:
» ». ®Dotäf, %bü gfträö, ein arabifeber Sichter unb #eü>. ÜJKt Sadltbi'S
SluStoatjl aus feiner «Poefie. ßeiben 1895.
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Strabifdje Sidjtung unb 2Biffenfd)aft im Stctdje ber «Kalifen. 885
flßtx'i nidjt megen ber ÜÄutier in SHanbig, ber alten,
SDlid) toürbe bie Orurdjt öor bem Sobe jurüd nit^t holten.
Unb idj mürbe, n>a8 bu ^etfc^eft, burdj ßöfegelb mid) ju befrein,
SJtit ftoljem Sinn abmetfenb entgegnen: „D nein!"
$0$ fann idt) e« nidjt, unb i£b tbue, wa$ fie immer nur toollte,
Unb felbft toenn e£ mit Sdunadj mtd) bebeden Jollte.
Unb tcb fefce e* alä $flid)t an, bie id) igr fdjulbe,
3u forgeu, baß burd) bed tfriegeä 2Bilbt)eit fie nidjt bulbe.
3u SLTtanbig, ba fifct fte, bie Sitte, in Slngft unb Sangen,
Söoll Trauer um midj ift bie 2lermfte Don Aummer umfangen.
Sldj, menn beü Sdjidfald lüden, bie Sdjreden ber 91adjt
Sid) abmenben ließen burtö ber 2Jtenfrf>en 2ötllen*macbt,
3)ann toürbe fia>erlia) niemals tum beS Unglüdfl §armc
S)ie Stätte faeimgefudjt »erben, mo fie motjnt, bie Slrme!
3)odj ©otted allmächtige Fügung, fein bebreS SBalten
Jüeberrfdjen bie SDtenfdjtjett unb laffen ftdb nidjt aufhalten.
Unb ber $ulbermuti)r ber toädjft für jeben um fo mefir,
8llö ba* 9)lißgefdjid itjn beimfua^t unermartet unb ferner.
314, baß bod> bie SDÖolfen nad) SDtanbig flügen
Unb fort unb fort meine ©rüße ju ibr hinübertrügen !
Ofrömmigfeit unb etf)te ©rgebung in ©ottes SBefeble
Sinb vereint in bem guten fterjen bicfer ebeln Seele.
0 Sttütterlein, bir ruf idj 3u: Söerlier nidjt ben flJiutt),
©ott bat gebeime ©naben, bie »erteilt er gut!
Söie mancbe Sdjreden fdjon bat er bon unä abgelcnft,
SBie mandje bittre «Prüfung und gcfcbenft!
3) tum barre aus, o SHurter, in gebulbigem Sinn,
3>enn bicfer 9tatb ift in 9totb ber befte ©etoinn
Soldje klänge tiefen, eblern ®efüf)l* finb feiten jurifdjen bem leidb>
fertigen Stngfang ber &arem§btd)ter , ben mof)Ibeäaf>Iten Sobfjubeleien unb
ben oerfdjrobenen ßunftfrüden ber gelehrten ^oeten. Sic mürben nod)
feüener, al§ in bem aunefnnenben Sectengemirr ber @(au6e an ben #orän
unb bie Segetfternng für öenfelben bei Dielen ertofd), rationalifiifd)c unb
mäterialifrifdjc Strömungen ftd) gerabe ber fär)igftcn unb geleljrteften £öpfe
bemäd)ttgten. (Sin Sinter btefer SRidjtung mar "Jlbul 9Uä2, nad) feinem
©eburtäort, ber tleinen norbfürifdjen ©tobt 9Jla' arm, aud) yjlcf arri genannt,
ober bon bem fübarabifdjen «Stamm Sanud), bem feine ftamilic angehörte,
1 Äremer a. a. 0. II, 883. 384. Hnbcre groben ebb. S. 385.
* Rieu, De Abul Alae vita et carminibus c«mmenUitio. Bonnae 1843. —
ft r e m e r , ©in ftreibenfer beö &lam (3eitfd)rift ber • 35eutfd)en SWorgenlänb.
©cfellfa). XXIX, 304-312); *Mt>tlofopr)iftf>e ©ebid)te beö 2lbü4='2tla aJla'arrt (ebb.
XXX, 40-52; XXXI, 471-483); ©ulturgcfdudjte II, 387—395. — 3. ©olbjiber,
yLbii'W&la al=3)la'arri ali JJreibenfer (3eitf(brift ber 3)eutfd)en aJlorgenlänb. ©efcllfdj.
XXIX, 639. 640). — Sein Sftfcän berau«geg. Don 6b. 3) t IIa ni (Setrut 1884),
feine Lnzümtjat vol. L öon Agit Ef-Zend. Cairo 1891.
Saumgarlncr. SStUütrratur. I. 2. «ufl. 25
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386 3>ritteS ®u$. »ierte« Äapitet.
audj $anud)i. (Sr ftubirte erft in WIeppo, bann in ©agbab, la§ unb com=
mentirtc bie $idjter 9lbu Semmam, 61 $3ocfctori unb Üttotanabbi, roarb in
Sagbab mit Dielen ©ehrten befreunbet, befonberä bem 2lbb 911 8aläm au§
99a<?ra, bem 93orftanb einer bet großen 5Mbliott)efen, befam 3tt>«fel <*n ben
angeblichen Offenbarungen be$ Sßropt)eten unb fdiloft fiel) ben freifinnigen
SHotaftliten an. Sßon ben Wernas als ßefcer unb Ungläubiger Derfolgt, Don
anbern 0eret)rt unb Derttjeibigt, trug er feine 9lnfid)ten offen ate Se^rbit^ter
Dor. 9tud) ben ^ßropt)eten griff er ganj unerfcbrocfen an:
Stuf einen (Statteömann bat ba$ JBolf feine Hoffnung gebaut,
5>er ba leiten fotf, toenn bie HRenge ratf)Io« um ben Detter fdjaut.
eitler 2Baf)n ift'«; benn bie Vernunft allein ift ber götttiä> ßeiter,
35er am SDlorgen unb Hbenb eud) führet al* erfahrener !Pfabborf(f)reiter.
$>en Flamen be$ Propheten nennt er ein einzige» Wal, ot)ne jeben eljrenben
33eifafc, unb Derurttjeilt bie (£t)te, bie iljm unb feinem ftrab ermiefen mürbe.
$a§ märe fo fdjlimm nicht gemefen ; aber er läugnete auch bie 9luferftet)ung :
2)er 2ob ift ein langer Sdjlaf, ber nid)t enbet;
35er Sä)laf ein lurjer 2ob, ber aber wieber fiä) roenbet.
$ie natürliche ftolge mar eine ganj trübe, peffimiftifche SBeltanfchauung,
bie ba§ Seben felbfi al§ baä größte Unglürf betrachtete. Gr heiratete nicht
unb beftimmte ftch bie ©rabfchrift:
3>a8 bat mein JBater an mir öerfünbigt,
Qdj aber öerfunbigte midj an ntemanben.
6. $ie $Rafamenbichter .£>amabani unb £>arirt.
Wit Wa'am, melcher, 363 (973) geboren, 449 (1057/1058) ftarb,
fchliefct fo siemlta) bie »eifje ber berühmten arabifchen Siebter. $er mirt:
fdwftlidje unb politifebe Serfall beS #t)a!ifenreid>8 jog aueb ben literarifajen
nach ftch. ftoch in feine 3eit fällt inbeä baä Wuftommen einer neuen
$ia)tung§art , ber fogen. Galanten (TOatämdt = SBerfammlungcn). 2ll§
(Srfinber ober menigftenS erfter Vertreter berfelben mirb 3lbulfabt)l 3l^meb
$>amabäni genannt, in ber ©tabt £amaban (bem alten Sfbatana) im
nörblichen ^erfien geboren. 3n ben Don if}m erhaltenen groben erfcheint
als Äem ber Salome noch nicht Diel anbereä ate eine etmaS poetifcb au§--
gefponnene ^netbote mit gelegentlicher ßinftreuung Don ilteimen, bod) fafi in
ungebunbener töebe. Solcher 9lnefboten aber mürben mehrere aneinanber
geregt, bie fämtlich einen £>auptfjelben Imben unb Don einem ©rjär)Icr
aufgetifcht werben. £er ganjc 9lnefbotenlran$ f^B bann Wafame. $er
ftame beS 6rsä()ler§ bei £>amabäni ift 3fa 53en £ef<ham, fein $ett> 5lbul
getr) S^tenbcri. Gine feiner ÜJiafamen lautet folgenbermafjen :
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9trabtfd)e $id)tung unb 2Btffenfd)aft im 9letd)e ber «^atifen.
387
3fa SBen §efd)am erjagte alfo ba« folgenbe Abenteuer: 3d) befanb mid) 3«
Sagbab, toobin id) mit ber Don ÜHetfa aurüdgefebrten Äaratoane gefommen toar,
unb id) fpajierte am Ufer bcS Sigrid, tote e« toobl ein 2rupp öon Slcifenben mad)t,
ber jum %ufbru$ bereit ift, ber Steide nad) muflernb, toa« ba Schöne« 3U fehlen toar.
3d) fam an einen Ort, roo ein Äret« Don Tiengen ftanb, bie fid) gegenfettig brücftcn
unb bte §&lfe redten, um beffer ju feljen, unb aus DoKem §alfe ladeten. 5)ie 9leu*
gier trieb mid), ei ju matten toie fte, unb nadjbem id) in bie 9<ialje gefommen, tonnte
id) bie Stimme eine« SDlannei boren, aber ibjt felbft nid)t feben toegen ber Dielen
fieute unb ber fid) brängenben ÜJlenge. 25er, ben td) r>örte r toar ein ©aufler, ber
Slffen jeigte: er liefe fte tanjen unb gab fo ben 3ufd)auern ju lad)en. 2>a gab id)
mid) an« Springen toie ein $unb, ber ein fmlfibanb trögt, unb an« Soranbrängen
toie ein 3Renfd), ber Derletyrt läuft, Dom «Rüden be« einen auf ben Saud) be« anbern
fdjrettenb, bt« id) mid) enblidb nad) Dieler 3Jlüb,e auf ben Sorten jtoeter ber 3ufd)auer
nieberliefc, bie mir al« ßiffen bUnten. 5>te ©prünge, bie id) auf einem Sein gemacht,
batten mid) aufcer %tf)tm gebrad)t unb faft erftidt, unb id) toar bermafcen im ©e*
bränge, baf$ id)'« laum aushalten lonnte. Sit« ber ©auller mit ben Jtunftftüden fetner
Slffen ju 6nbe toar, 30g fid) bie SRettge jurtid ; mid) aber ergriff ein mäd)rige« Ser«
langen, ba« @eftä)t biefe« 2Ranne« ju fd)auen. Slber loa« fab, id)? 6« toar Slbul
Sfetl) 3«fenberi. „Äannfl bu btd)\ fagte id), wbi« ju fold)er ©emeinbeit erniebrtgen?"
€r anttoortete mir mit folgenben Serfen:
„3d) bin nid)t fd)ulb; be« 6d)idfal« 9)cad)t!
Älag an ben SQßedjfel Don Sag unb 9tad)t.
$urd) Starrheit toarb, toa« id) toünfdjte, erfüat,
3d) felbft in fdjimmernbe $rad)t gebullt." 1
3)ie ^oefte ift bier, rote man fietjt, Don ben £)öb,en ber Winaret» unb
aud ben glänjenben fallen ber ßhattfen bereits- in§ Affentheater be» 3ahr=
marftS herntebergefttegen unb perftfürt in fröt)Iid>cr Ironie bie furchtbar
ernfte, ocrjrDeifelte ^räbefttnation&lehre be§ 3äläm. SöojU trauern unb flogen,
roenn alleä in ber SBelt quer unb fdjief gefjt unb bie ßltigften an ber 9Iuf=
erftebung jmeifeln? Sludj mit tanjenben Affen tann man bienieben fein
©lud madjen ! Galgenhumor unb $efftmi8muft maren bon jct)er 3miUingfe
ftnber. Sie [teilten ftcf) auch gemeinfam ein, als bte alte Äbalifenf>errlid)feit
ihrem (Snbe entgegenging, unb man amüfirte fid) in SSagbab an folgen
Äinbereien, al* ftdt> Icingft ^erften, 9torbafrifa unb Spanien uon bem einft
fo großartigen 9teid)e abgelöft Ratten.
(Sin bofleS 3ab,rfmnbert gelten fia) bie ^Ratamen beä «^amabani in ber
®unft beS ^ubütum§. I)a erfa^ien ?lbü 9JtoI>ammeb 711 fiafim 53en ?lli,
genannt £arirt, unb öerliet) ber fdjon bem Sßerfaü entftammenben Äunft=
form ifjre boltftänbige übcrfünftelte ^ntmidlung. (5r mar 446 (1055) in .
» Silvestre de Sacy , Chrestomathie Arabe III (Paris 1827), 246. 247. —
3fr. Ulüdert, 3)te ÜJtalamen be« fyatxxi (1. Slufl.) I, 170 — 172. — grfte tritifdje
%u«gabe: Stfances de BädTuz Zaman al Hamadäm. Avec un commentaire par
le Cheikh Mohammad 1 Abdo. Beyrouth 1889.
25*
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388
2>ritte* »ud). Jüierteö Kapitel.
Sa<;ra geboren unb ftarb bafelbft 515 (1121), alfo 22 3aljre nad) ber
Eroberung 2tcrufalcm§ burd) ©ottfrieb bon Souillon.
2U3 (Srjätjler nennt fid) £ariri $aritt) Sen ^emmant. ^ein £elb ober
ift %bn Setb Don Serug, ein (Srjbagabunb, ßöntg unb £aupt einer ganjen
Sagabunbenfamilie, ber fid) balb für einen ©pröfjling ber Sajfaniben au$=
gibt, balb für einen @rben ber Könige bon (Bfjaffän, ber ben ^ropljeten
wie ben ^oeten, ben (Smir wie ben $afir fpielen weifj, — als gewiegter
paragrapljenfunbiger 5ted)t3ienner ebenfo gewanbt auftritt wie als f>erum=
jiefyenber ^mprobifator, al» üffianberprebiger, als Sdjulmeifter, als 2öunber=
boctor, al§ lahmer ober blinber Bettler, als fdjeinfyeiliger 9Wu(f er # als oer=
lotterter Summler, als £wd)aeitSbermittler , als 9tid)ter in (Sljefadjen, als
Settlerfönig. 3n feinem Seftament erflärt er, bafc bie bier £auptftänbe
ber mcnfa)Iid)en (Öefellfajaft , Staufleute (Krieger), ^aufteilte, Sdjnaufleute
(Sauern) unb Saufleute (©emerbetreibenbe) , aüefamt nid)t§ taugen, bajj
fia) bon aflen ber Settier unb Sagabunb am beften fteljt, beffen 2lbel
er mit boshafter Ironie auf baS perftfaje £önigSgefd)lea)t ber ©affaniben
3urürffür)rt :
Jöon biefett aßen fanb icfi fein erfprießücbeä , — - unberbrief}li(fieä , nufcniefj»
licfies, — fein genüglidjeS unb bergnüglicfieS , — Überott füglicfieS, niemals trüg«
lid)e$, — aU baö fcanbmerf, ba« Sofan gegrünbet — unb junftmäfjig gerünbet, —
feine Orbnung ber 2Belt oerfünbet, — unb feine gerftreuten ©lieber gu einem Ceib
berbünbet, — aU eine ©enoffenfdjaft freier, ftanbgleic&er, — unter fid) oerbanbreiefier
§anbreid)er, — Sanbftreiefier unb &anbfd)leid)er. — 3d) fiöbe fie lennen gelernt nad)
ifiren StanbeSaricn — unb mid) ausgezeichnet unter ifiren Stanbartcn, — unb fjabe
gefunben, ba& biefe* baä £>anbtoerf ift, baS überall gefit, — bie Wühle, bie nie ftitte
ftc^t, — ber JBrunnen, toeldjer nie Oerfiegt, — ber fcanbel, ber nie banieberlicgt, —
ber in allen «Rötfiten fliegenbc ßeudjttourm, — ber Don jebem Orte fiefitbare ßeuefit»
tfiurm, — bie 3fadcl ber Seitung, bie leuchtet bem 33linben, — baS panier, ju bem
fid) bie ßafimen finben. — Sfyxt SBerbinbung ift bie toeiteftc, — unb ifir Stamm
ber ausgebreitete, — überall gaftenb — unb nirgenbs raflenb, — balb nah balb
fern, — fte roanbeln in ben ßüften loic ber Stern — unb haben auf Srbcn feinen
#errn. — Sie fürefiten nid)t ben Sultan, — bod) nefimen fie feine §ulb an ; — fie
fürchten niefit ber ^Beamten Sonncr unb SBlifc, — benn fte fiaben feinen Sifc, — unb
feinen SBefifo als ifiren 2öib. — Sie finb es, bie nirgenbs ju $aufe finb, — weil
fie überall beim Scfimaufc finb, — fie, bie, ofine ein ßörnlein ju ftreucn, — fid) be«
täglichen ÄrobeS erfreuen, — mie bie JBögel, bie in ber frrüfie fiungrig aufftefien —
unb obenb« fatt in bie äßipfel hinaufgehen
^eber Sd)elmenftreid) bc» 51bu Seib bilbet für fia) ein ein^eitlia^eS,
wo^I abgerunbetcS ^abinetftürf, baS feine fleine Serwidhmg, ^ointe unb
Cöfung für fia? b,at. $ie in ben brolligften Änittelberfen baljtngeleitenbe
etjä^lung erreid>t babei iljren ©ipfelpunft immer in einer Situation, bie
' SRücfert, Sie Sertoanblungen beS 3lbu Seib ober bie QJlafamen beS
$axm II (2. ?lufl., Stuttgart 1837), 224. 225.
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9lrabifd)e $iä)tmtg unb SEDtffenfc^aft im Wetdje ber Ä^alifen. 389
fid) als Inrifcher Stanbpunft ju einem fleinen, oööig funftgereebten ©ebichte
eignet, unb meift läuft auch bte Söfung in einige toohlgeglättete SBerfe ober
ein f leine* ©ebid>t ou3. 3n biefen ßebichten, halb ernft halb fajalfhaft,
jeigt fid) £arirt als ootlenbeter TOeificr ber ftorm, ber roohl fclbff im ftanbe
geroefen märe, einen reifem Simon gti liefern al§ bie meiften feiner 93or=
gänger. Sie Söfung befiehl natürlich immer in einer Anagnorifte , inbem
#arith S3en £emmam tro£ ber unerroartetften neuen 58erfleibung unb 9tolle
fchliefeltd) feinen proteuäartigen Abu Seib mieber erfennt. Sa3 märe an
fteh etroa» einförmig; allein bie berfdnebenen Stollen finb fo mannigfaltig
unb fo feffelnb eigenartig burchgef ührt , bafe jene (Stntönigfeit böflig über=
munben wirb: man fann ftd) beä (SinbrudeS nicht erwehren, #orirt hätte
ein ßomöbienfehreiber erften töangeS werben tonnen, menn ber 381dm ein
Sweater gebulbet hätte. Senn in ber ßunft fomifcher GljarafterifM unb
SSermitflung mie in 2Bi£ unb ©ortfpiel entmicfelt er eine püe unb ®e=
roanbtheit, bte an AriftophaneS unb ©^alefpeare erinnern. Tod) crfdjöpft
fich fein Talent im kleinen unb einzelnen. 3U cint>eitUdt)en $tan
ift er nidu* gelangt; nur in äußerer Agglomeration ohne gemeinfamen
graben unb Uebergang fcr/liefjt fid) ein Abenteuer an baS anbere unb oer=
binben fiel) bie fünfzig Schelmenftreiche 311 einer Art Don Spifcbubenroman,
ber aber bod) einer gemiffen einheitlichen 9Sirfung nicht ermangelt. (Sine
ganj unermartete &ataftrophe Hegt barin, bap ber übermüthige (schminblcr,
ber in oier Su&enb Sfcrfleibungen bie ganje 28ett genarrt unb alle 33er=
hältniffe ber iälamitifeben ©efellfchaft oerfpottet hat, 511 gutem 6nbe al* alter
©ünber im Angefleht beä 2obe3 unb beö jüngften Sage* noch in fuh geht
unb fich befer)rt.
»lief um nad) einem Söeggeleit,
Söttcf auf ben 2ob, er fteljt nidjt meit;
$ein Ort mirb fein brei 6tten breit
3e$ SBloften, Redten, SBaren.
D f>au8, baS eng bcljaufenbe,
Verberg', unheimlich graufenbe,
©infetjr, ju meld)er laufenbe
©inanber nachgefahren !
9tid)t ift ju furd)ten, baft bein Stjor
äöirb fprengen Söetfer ober 2bor,
9lidjt foer bie Settlermüfe' auf« «Ohjr
©efefet, nodj wer Tiaren.
$enn ba8 ©efilb, baS fdjeibenbe,
38 0 3frcD«lnbc unb Seibenbe,
©eroeibete unb SBeibenbe
©id) bor bem 9tid)ter fd)aren:
3)a mirb ber ?Prei« fromm J&benber,
9tad) feinem Slntlife Strebenber
Sid) glänjenb offenbaren.
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890
dritte« SJud). Sterte* ftapitel.
$a Wirb bet eisige SBerluft
31U berer, bie gefolgt ber fiuft
Unb ftd) öerfenft in Sünbenrouft,
Slud) furchtbar ftefm im Akren.
C bu, auf bcn fte^t mein SBertrau'n,
Um meine ©dmlb empfinb' idj ©rau'n,
2öie idj mit Steu* mu& rüdwärt« föaun
9tad) ben öerlomen 3ah,ren.
C nimm bidj an beS Anedjt* im $>arm,
Unb fetner Itjränen bidj erbarm,
€rbarmung$reiä)er ! idj bin arm,
O lafc rnid^ erfahren
So enbigt ba» luftige SdjaHsbudj gan$ erbaulich ; aber bec Skfjluft
roiH $um (Bangen boaj niajt redjt paffen2. Cb ber $id>ter ftcb, julejjt mit
[einem ©etrjijfen ober nur mit ben frömmern ^Rechtgläubigen abfinben wollte,
ift jebenfalte unfidjer. dagegen gibt er un» in feinem Vorwort feljr beutlid)
bie literarifaje Abfidjt lunb, an ben brofligen Abenteuern Abu <Seib3 feine
Vertrautheit mit altarabifa^er Spradje unb Literatur wie mit allen 3roeigen
ber ©elaljrtljeit, feine 2öelt= unb SHenfüjenfenntnifj, feine genaue 93eobad)tung
beä 33oIteleben§, feinen 2öi$ unb £umor, feine üielfeitige 53ilbung unb fein •
poetifdjeä lalent in fd)immernbem 2öort= unb 9teim=3reuermert aufbüken $u
Iaffen. 6t er^lt, wie ein £ö§erer, beffen 2öiuf ilnn Vefeljl fei, ein folajeä
SBert öon iljm gemünfdjt, wie er fid) erft aus Sc&eu bor ber Äritil bagegen
gefträubt, fdtfiefjlicb, aber feinem ©önner nad)gegeben f>abe:
$a ftanb idj, ju feiner §ulbigung, — ab öon meiner Gntfdnilbigung, — unb
jum ftarten ©efdjäfte — bot idj auf meine ftfnoadjen Äräfte, — entmerf enb , nadj
meiner Duettabern 6pröbigleit — unb meiner einpaßten SHöbigfeit, — nadj meine«
geiftigen Vermögens; SJefdjränftfjett — unb meiner öon Sorgen ©efränttbeit, — einige
unb öierjig SMafamen, geroebt au« ßrnft unb ©djerj, — gegoffen au* ©olb unb
anberem 6rj, — gebietet au* bünnen ftäben unb bidjten, — gefdjidjtet au« bunten
unb lodern ©efdjidjten, — Doli mannigfaltiger 6retgniffe — unb unuergleidjlidjer
©leidmiffe; — öerfe^en mit Snföielungen unb SBeifpielen, — bie überaß t>erbei«
fpieten, — unb gefdjmüdt mit ©pielmörtern unb 2BortfpieIen, — bie in einem fort
fpiclen; — befefct mit bcn (Sbelfteinen be* 9lu*brude, — geftidt mit ben perlen beS
©ebanfenaudfdjmudö , — bereichert mit JRätljfeln unb ©pridjtoörtern , — Stebefpifeen
unb Stidjtoörtern, — SdfriftfteUen unb ©emeinpläfcen — unb befonbern ©pradj«
fd)äfeen, — abmcdjfelnb mit muntern 2tu*brücr}en — unb feierlichen Sluafprüdjen, —
mit hoffen ber 2Jertrauliä)lcit — unb ©loffen ber €rbauliä)teit , — mit Uötjjreben,
toeldje ladjen , — unb Strafreben , bie meinen madjen. — Sltt bafi t)ab' idj auf bie
^erfon beS 3lbu Seib öon Serug gebietet — unb ee burd) bcn SJtunb be* §aritlj
1 »Udert, $ariri 11 (2. «ufl.), 246.
8 9t üdert, bem man nu$t leidjt ^rüberie nad)fagen wirb, faf> ftd) genötigt,
eine ganje aRafame „aU ju unanftänbig" toegjulaffen; öereinjelte Smeibeutigteiten
glaubte er „bem ©of)ne ber Sööfte ju gut Ratten" ju müffen. SJorrebe 6. x.
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Strabiföe Dichtung unb 2Biffenfd)aft im fteidje bcr Ahalifen. 39 1
Seit Seminom Don ©a^ra berietet ; — unb f>abe mid) unterzogen att biefer 9JHUje, —
nur baß baxaui bem Cefer l'uft unb »elefjrung erblühe, — unb baß e« bem §örer
biene jur Weiterung — unb $u fetner flenntnife <gru>eiterung.
3n biefen SSorten ift bcr literarifche Gharafter bcr SDtatamen mit ib>en
£icht= unb Schattenfeiten jiemlich beutlic^ unb erfdjöpfenb gefennjeichnet. Wuä
bem Such fpricht eine früUe öon ©eiji unb 2öi|, ein föftlicher §umor, eine
echt poetifd)e 5lber ; boch ber roi&elnbe 33erftanb läßt ba§ tiefere ©efühl nur
fetten ju Söorte tommen ; bie fpielerifche SjMjantafie hü>f t in unauft)altfamem
£anj über bie ernftem unb tiefern ©ebanfen tjinroeg; bie borode 2Bort=
tünftelei eine« pln'lologifchen 9laritätenfammler3 burchfreujt ben frifchen öoUS=
thümltchen £umor. „$er Sluäbrud £aririö ift überfunftlich , boller 2öort=
fpiele unb Wnfpielungen, übertrieben, abenteuerlich ausfehmeifenb, !urg alles,
mag man ba, roo er unberoupt ift unb ftch felber für bie reine Schönheit
hält, f alfchen ober öerberbten ©efthmad nennen fann." 1 ©erabe baä aber
gefiel ben Arabern. 3n ber feltenen 9lu*brudsfülle be* SöerfeS fanben fie
bie eigentliche Sprache ber Söüftenbebuinen mit ihren eigenartigen SBenbungen,
Sprichwörtern unb feinen SÖortfchatttrungen toieber. 9tädjft bem Äorän
gelangte best>olb faum ein anbereä ©erf 511 fo Ijofjem Wnfehen bei ben
Richtern, ©efehichtfehreibern , ©rammatifern unb ßejifographen. $a§ um=
faffenbe SSiffcn unb ba8 bielfeitige Talent, baä 3bn #haUitän an &ariri
berounbert, mirb niemanb in 9lbrebe fteflen 2. dennoch bebeutet fein 2Bert
ein tiefes Sinten be* ©efchmadeS unb beä ©eifteslebenä überhaupt. $enn
ein noch fo Wigger ©algenfmmor unb eine noch fo reiche rcalifrifaje 2Bort=
unb frormenfülle bermag ben ibealen ©ehalt ber Sßoefte nie unb nimmer
ju erfefcen.
7. 2)ie arabifche Dichtung in Spanien.
Seit ber ©rünbung bc§ Ä^alifatS öon Gorboba (756) maren auch bie
Araber in Spanien ftarf an ber (Sntroidlung arabifcher ©iffenfehaft unb
Literatur beteiligt. Xen Stitrj ber Wbbäfibenljerrfdjaft ju Sagbab (1258)
überlebte ba§ maurifche 9teich öon ©ranaba noch um faft jroei unb ein
b,albe§ Saljrjjunbert. x\t großartige OTofajee ju Gorboöa unb ber ptyan=
tafttfehe 58au ber 91lf>ambra foroie anbere Ueberreftc fürftlichcr $radjt unb bie
herrliche füblidje öanbfchaft baju fyabtn ber maurifchen ^oefie in Spanien
eine 9lrt bon theatralifchem öintcrgrunb unb Sdjauplafc erhalten, ber allein
fchon romanhaft poetifdj wirft unb biclfach baS äfthetifche Xtrtfjeit bekochen
hat. 91ucf) in biefem Sanbe, mo chriftliche 58ilbung nach furjer Jrift bie
glänjenbfte geiftliche unb meltliche SBühnentunft h«&or$aubern follte, bie jidt>
1 SR Udert a. a. O. Sorrebe 6. xiv.
» F. F. Arbnthnot, Arabic Authors (London 1890) p. 88.
I
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392
Stritte« $11$. Vierte« Äapitel.
fett bcn 3eiten ber ©rieben entfaltet fjat, bertjinberte ber 3*fäm 3>rama tote
6poS jugleid). Wud) fjier roaren bie Schüler beS ^ropfjeten auf Sibattit
nnb Sprit" beföränft.
„$rad)tDofle Aktion, ©lanj unb ftttyntjeit ber Silber jeia^net im
allgemeinen bie Inrifdjen (frgüffe ber fpanifcMrabifd>en ®tä)ter aus. S>od)
tfl bies aud) bie ßltppe, an ber fte leidet Reitern. Statt bem ©ebanfen
SluSbrud ju leiten unb ba* J^erj reben -ju laffen, tiberfdjtitten fte uns nur
ju oft mit einem Scfnoaü glänjenber 3Borte nnb fdnmmernber SBiföet. HlS
märe es ntd)t genug, ju rühren, gefjen fte barauf aus, aud) ju blenben,
unb ir)rc 3Serfe gleiten bann in bem bunten, glifcernben frarbenfpiel tyrer
Wetapfjcrn einem fteuermerf, baS, im $unfeln auffteigenb unb toteber ber:
fdjminbenb, bie Sinne jmar momentan burd) feine *ßrad)t entjüdt, aber feine
bauerbaften <?inbrüde aurüdläfjt. $ie Suajt, $u gefallen unb berühmte
9iebenbuf)ler in ber Äunft ju übertreffen, r>at auf biefe 9lrt oiele ifjrer @otm
pofitionen oerborben; it)t erfolg ift bafjer gemöfjnlid) ba am größten, mo fte
if)n am toenigften fudjen unb ifn* 6Ijrgei$ nidjt ins Spiel fommt, fonbern bie
brängenbe tteroalt be* Slugenblids fie ein ma^reS OJefüfu* in ungefünftelten
SBorten auSfprecf)en läftfV' 1
$>ie Srinflieber biefer EtoSlim f)aben übrigens einen fonberbaren 53ei=
gefdmtad: fte erinnern immer baran, bap if>r Glaube an bie ©üte beS
föebenfafteS ftärfer mar als ber an Sllläf) unb feinen $rop$eten. $ie SiebeS:
lieber finb jum 'ifjeil anftänbiger, als man öon *Dcof)ammebanern ermartet ;
bod> meijj man nie, an bie toieüielte fte gerichtet finb, unb man mufe fajon
jiemlia) genügfam fein, um bie emig toieberfef)renben Sterne ber klugen,
^erlenfajnüre, ©ajellenröudjs, ftajellenaugen, SSoümonbe, Karaffen u. f. to.
311 bemunbern, bie Jasmine für „3äfme im SJhtnbe bes Sages" anjufe^en,
ben Orion für einen „Stab", an bem bie 9?ad)t ljeranfa)leid)t , unb bie
„fdbmarjen Settern" eines SiebeSbriefeS für „fdGroarje Slugenfternc". SMele
biefer Sieber atljmen aud) beutlid) bie Stidluft bes £>arems. Die Soblieber
ober tfajftben waren meift auf baS obligate SJorbilb ber Slioaflatat jured)t=
gebrea*)felt unb brauten bie Erinnerungen ber Söitfte aufs miberfpredjenbfte
in btc üppigen unb fonnigen ©efilbe WnbalufienS hinein; aud) baS Spott=
1 o. ©djatf , ^oejte unb Jtunft ber Araber in Spanien unb ©irilien I (2. Hufl.,
Stuttgart, ©otta, 1877), 105. 106. - 5Bon ben meiften Sutern finb ^ier blofe bie
Flamen unb öereinjclte fflrjere groben mitgeteilt, ©ine eingefjenbere Gtjaralteriftif
erhalten nut tt>ciiige, toie : 31 1 * 2JI o t a tn i b , ber $iä)terlönig uon Scoilla (geft. 1095) ;
3bn 3ci&un, berühmt alö SiebeSbidjter (1003— 1071), unb beffen ftettgenoffe, bet
fafjrenbe ©anger 3bn 91m mar; 3b n fiabbun, $ur Seit be* Gib Statthalter
non aJturoiebro; 3bn ul ©^atib, feit 1348 5Dtinifter be« Äöntg« öon ©ranaba,
unb einige anbere. 5&r 9lät»ere« über bie arabifd)en S)i$ter 6icilien$ fei ebenfatt«
auf biefed SDßert Oermiefen.
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Mrabifdje $id)tung unb 2ßiffenfä)aft im SRetdje bet «Kalifen. 393
lieb richtete fidb nad) alten, oft berben duftem unb po^te wenig in bie
jierftdjen SBroberiegemölbe ber Wlljambra. 9lm tneiften Sdjönfyeit bes ($e=
banfens unb Sdmmng bes Öefübls finben fid> nodj in ben <5d)lad)t= unb
Äriegsliebern ber Touren foroie in ben ftlagegefängen , in meldjen fie ben
aflmäf}hdjen Untergang if)rer £errlid)feit in Spanien betrauerten. tiefes
9laturgefübl , ernfte geidjicbtlicbc Erinnerungen mifdjen fid) ba in bie über=
mältigenbe (Smpfinbung irbtfdjer 93ergänglid)feit. $odj für einen rebliaVn
Triften, ber bie toirflid&e ©efdjidjte ber Araber unb S3erber in Spanien
genauer fennt, ift es nab>ju unmöglid), Don biefen Plegien toirffam gerührt
§u merben:
SEßie um bas entfernte Siebten fitebenbc Doli @ef>nfudjt toeinen,
9lffo toefyeflagt ber 34täm um fein ßeib unb ba§ ber ©einen,
ßlagt um toai er cinft befeffen, um bie tleder, nun Dom fdmöben
©laubenSfeinb gefd)anbet, um bie gelber, toeldje nun oeröben.
Unfere aJtoftfjeen — 0 toem foUt' eS Spänen nidjt eniloden? —
6inb ju flirdjen umgetoanbelt, Äreuje fietjt man brin unb ©laden.
Selbft aus unfern flanjeln, ob bon £0(3 aud), ftrömen Styranenquetfen,
6eufjer über nnfer Unglüd fdjftflen au« ben Settabellen *.
9lud) ein bernünftiger Ungläubiger !ann es !aum bebauern, bafi biefc
arabtfd)e Snrit nad) anbertljalb 3al)rl)unberten bon ben SÖerten eines 6er=
bantes, Sope unb Galberon »erbrängt mar.
„ftun t)aben bie Araber", fo urteilt einer ber gebiegenften Kenner
ib,rer &efd)idjte unb Literatur2, „tro& eines bei uns eingebürgerten $or=
urt^eils fc^r wenig ßinbilbungsfraft. Sie fyaben rafdjeres, lodjenberes 331ut
als mir, fie fwben milbere £eibenfdmften, aber }u gleidjer 3cit finb fie ba*
am menigflen erfinbungsreidje $olf unter ben Gollern ber Erbe. 2öenn
man fid) baoon überzeugen will, brauet man nur ifjre Religion unb tljre
Literatur fennen ju lernen. @f>c fie ben %Uam annahmen, Ratten fie if)re
©ötter, meld&e Jpimmelsförper borftellten; jebod) befajjen fie niemals eine
Etymologie wie bie Snber, ©rieben unb Sfanbinabier. 5ßon ber Religion,
weldje Eiolwmmcb prebigte, jenem einfachen Monotheismus, mit weldjem
einige bem 3ubentfmm unb bem alten £>eibentb,um entlehnte Einrichtungen
unb ©ebräudje oerbunben mürben, läpt fid) nic^t läugnen, bajt fie unter
allen pofitiben Religionen bie einfadjfte ift unb am meiften aller Etyfterien
bar; biejenigen, welche bas Uebernatiirlicbe fobiel als möglich ausfajlie^en
unb öom ©ottesbienft alle äußern 3eid)en unb bie plaftifcben fünfte fern=
' ö. 6 dj ad a. a. O. I, 199.
* 91. Süojt), ©efd)iä)te ber SJlauren in Spanien bis jur (Eroberung Slnba*
lufienä burd) bie SUmorabiben (711— 1110). 4 Sbe. 3>eutf«^e ?lu8gabc mit Original*
beitragen be« Jüerfaffer« I (£*ib3ig, ©runom, 1874), 8—10. — Ueber ben SDÖert^ Don
Sojt« Urtf)eif »gl. «.Füller, S)er 3ölam I, 433.
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394
drittes SBud). SKerteä Äapitel.
galten wollen, mürben fte bie öernünftigjte unb geläutertfic nennen. %n bet
Siteratur finben wir bei ifnten biefelbe grfinbungSlofigfeit, biefelbe ©or=
liebe für baS 9teale unb ^ofitiüe. 2lnbere SBölfer faben £>elbengebiajte
Ijerborgebradjt, in benen baS Uebernatürlia>e eine gto&e Kode fpielt. $ie
arabifaV Literatur Ijat gar feine #elbengebiajte ; fie beftfct nid)t einmal er*
jä^Ienbe Öebiajte ; burd&meg Ipcifc^ unb befdjreibenb, ^at biefe ^oefie niemals
etmaS anbereS beljanbelt als bie poetifd>e Seite ber UÜirllidrfeit. $ie ara:
bifajen 35i$ter befdjreiben, maS fie feljen unb empfinben; aber fie erfinben
nitfts, unb fottten fie ftays einfallen Iaften, es einmal $u trmn, fo mürben
iljre SanbSlcute fie gan$ einfad) als Lügner befjanbeln, anfrort es ifjnen
$anf ju miffen. £er Sluffdjmung jum Unenbliajen, jum ^bealen ift ifmen
unbefannt, unb baS, maS fajon feit ben entlegenen 3eiten in iljren 9lugen
am meiften galt, ift Öenauigleit unb (£legan$ beS Wu&brurfS unb bie tedmififce
Seite ber $ia)tfunft K 3n ifjrer Literatur ift bie Grfinbung fo feiten, bafc
mir, menn uns ein pf)antaftifa>S ®ebid)t ober eine pfjantaftifaV (Srjä^lung
auffällt, öon bornf>crein, o^nc uns ju irren, behaupten fönnen, bafc ein
foldjeS gkobuet niajt arabifdjen Ursprungs, bielme&r eine Ueberfefcung fei.
So }. 33. finb alle fteengefd)id)ten in ,$aufenb unb eine 9ladjt\ biefe an=
mutagen Srjeugniffe einer frifdjen unb lad&enben GinbilbungSfraft , roela^e
unfere Sugenbjeit beglüeften, perfifajen ober inbifdjen UrfprungS. £ie einzigen
roirtlitr) arabifdjen (Srjäljlungen in btefee großen Sammlung finb bie Sitten=
gemälbe, bie bem roirfltc&en Seben entnommenen 9lnefboten. ^(udt) als bie
Araber fidt> in ifjren meiten, mit ber Stfcärfe beS Säbels eroberten ^roöinjen
niebergelaffen Rotten unb nun anfangen fonnten, fict) mit mijfenfa^aftliajen
fingen 3U befc&üftigen, t)aben fie benfclben Langel an fd)öpferifdjer ßraft
offenbart. Sie l)aben bie SBcrfe ber Gilten überfeht unb erflärt; fie Ijabm
gemiffe Specialitäten burd) flcifetfle , genaue unb ins einzelne gefjenbe 53e=
merfungen bereichert, jeboaj erfunben fyaben fie nidjts, man üerbanft iljnen
(eine einzige grofce unb frud)ttragenbe 3bee."
$on ber Ungeheuern Wenge arabifc&er $id)ter l)at fid) benn audj —
etma £>artri ausgenommen — feiner im Wbenblanbe eingebürgert ; blofc ein
3meig ber arabifdjen Siteratur r)at im 2Öeften allgemeinere Wufnaljme ge=
funben : jene TOrdjenerääljlungen, melaje bie Araber felbft größtenteils bon
ben Werfern unb 3nbern überfommen tjaben unb meldje man faum als
etgentlidjeS ©runbeigentfjum ber Äljalifenjeit betrauten fann.
1 Cktussin de Percnol, Essai sur l'Histoire des Ar&hes avant l'lslamisme II
(Paris 1847), 345. 509 ss. 513.
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2>ie arabtfdje (hjättütnaoitteratur.
395
fünftes Kapitel.
$te araßtfrfie £qaftfmi0$ftferafitr.
Sowenig eS 9Jlof>ammeb gelang, ben töenujj beS SöeineS bei feinen
Mnfjängem gänjlid) $u unterbrüden, ebenfomenig bermodjten feine SRatmungen
fie gegen bie poetifdje 2}iärd)enmelt beS übrigen Orients absperren, bie be=
fonberS Don ^ßerfien tyer nacb, bem 2Hitteuneere borbrang. Scfcon bie SBebuinen
ber Sßüfte Ratten neben if>ren Äriegsanefbotcn unb #elbenerinnerungen aud)
ib> SiebeS= unb ©efpenftergef#id|ten. eine $abelfammlung, bie bei itmen
in Umlauf war unb Don ber no$ 41 Stüde belannt finb, würbe Don iljnen
in bie ältefte 3eit jurürfoerlegt unb einem gewiffen i'ofman, einer offenbar
mntfufdjen ^erfönlic&feit, augefa^rieben K Sic finb meber feljr reichhaltig noa)
fef>r gefallen, bezeugen aber immerhin, bap 9Wof)ammeb l)tcr mit feinem
profaifd&en Fanatismus eine allgemein menfd)lidje Neigung befämpfte. Söcit
meb,r aber als bie Araber waren bie übrigen Orientalen, meu$e fie fidj in
rafdjem SiegeSjuge unterwarfen, bem poetifefoen gabuliren ergeben. 9Kit
bem bunten Sölferftrom, ber fid> unter bem Scepter ber & (jalifen Dereinigte,
breitete fidj beSfjalb auc& ber alte Sagenftrom beS Orients, ftetS anmaaMenb,
in bem weiten JReidj beS 3§lämS aus unb fluttete mit ben fiegreidnm Scfjarcn
ber Eroberer bem fernen Söeften ju. 3lltägöptifd)e unb griednfdje 6rs
jä^Iungen, altbabDlonifcb> Sagen, im Salmub weitergefponnen , inbifdje
3aubergefd)id)ten unb perftferje 5eenmÖra)en floffen ba jufammen unb ber=
einigten ftdb, mit bem farbenreiaVn 9tnefbotenfdja& , ber fid) nad) unb nacb,
an ben Sifcen ber Kalifen, bcfonberS in bem prac&tDollen iBagbab unb ber
bamit Derbunbenen 2öeltf>anbelSftabt 53a<;ra Oöaffora), auffpeiajerte 2.
Obwohl bie arabifefcen ©ele^rten am Stanbpunft 2Jiof>ammebS officiefl
fcftljielten unb bie leiste UnterfjaltungSliteratur mit borneb>er SSeradnung
Don oben b>rab bejubelten, jä^It boeb, ber ^i^rift (tfitäb aH$if>rift), bie
grope arabifefce 53ibIiograpt)ie au* bem ßnbe beS 10. 3ab,rf)unbertS (387 ber
£ibfd)ra, 987 n. 6f)r.), etwa brittyalbljunbert berartige Unterf)altungS=
1 fcerauägeg. Don 2h>m. dipen (Setben 1615. 1636), 3rtet)tag (SBonn 1823),
»obiger (§atte 1830), Stüter (3>re*ben 1831. 1839), 31. ß&erbonneau (?ari8 1846),
3. 2)erenbourg (Söerlin unb Sonbon 1850). Sgl. Reni Bautet, Lokman, herbere
avec quatre glossaires etc. Paris 1890.
4 „3f>ren Urfprung naf)m bie Literatur ber romanhaften ©efäjidjten am #ofe
ber Omajjaben in $amaötu3. Unter ben Slbbaftben aber mad)te ftc^ bei ber toob>
b>benben ftäbttfd)en JBebölferung in 35ama8fu* unb Stoffora ber @ef$macf für foldje
ltterarifcf»e Äoft fet>r fühlbar. . . 3n SJaffora ift mot)l ber Urfyning ber @efdn$ie
©inbbäbä beS Seefahrers 3u fud)en." ßremer, €ulturgef<f)id)te beS Orient« II,
477. 478.
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396
drittes »w$. grftitfte* Äopitet.
fdjriften, (Sr^lungen, 9Wärd)enbüd)er u. f. tu., barunter md)t roeniger alä
138 oerfajiebene Siebeägefd)id)ten, auf, mit bcm beutliaVn Sermerf, bafe man
biefen ganzen Siteratur^toeig rjorftüglid) Don ben ^erfern, 3nbern unb hörnern
überfommen1. 9lur einige wenige berfelben finb inbeä Diäter im %benb=
lanbe allgemeiner befannt geworben.
flo# unter bem erften Wbbafiben %bul 9tbba§ unb bem gewaltigen
,Qr)alifcn 511 Sttanfür, faum 130 3af>re nad) 9M)ammebä £ob, überfefcte
ber ^erfer föujbel), narf) feiner $efef)rung 511m 3$läm 3bn aUÜKolaffa ge=
nannt, nidjt nur ba§ altperfifdie ßönigäbud) (ßl)obäi=näme) unb anbere
äfytlia> ©Triften inö 9lrabifd)e, jonbem aud) baS berühmte ftaheh unb
<5rsäf)lungSbud) , ba* ber Sage gemän flf)o§ru ^nöftfirwän (530—578)
bur* ben 9(r$t iBarjoi («Bar^üje) fid) au§ Snbicn befd)afft fjatte, ba3 inbifa>
^antfdjatantra. 33Me im $erftfd)en unb 8örifd>en mürbe e§ aud) im 9lra=
bifd)en „#alila tua £imna" genannt ober bie „fabeln beä Sibpai (^ibpai
ober s£ilpai)" 2. 9Wit if)tn $og ber eigentlia> ftrunbftod inbifdjer Gr$äf)luug*=
fünft in ba§ eben im 93au begriffene SBagbab ein. $ie pracfjtliebenben
Kalifen, weldje bie ßrbfd)aft ber ^erferfönige angetreten, oerfdnnätjtcn
1 SBon biefem mcrftDÜrbtgeu ^crjetäjniB gibt Jammer »^ßurgft alt (ßtteratur*
gefdjidjtc ber Grober III, 849 ff. Sinnt.) folgenben Stuajug: I. Sttel ber SBüdjer,
tt)c[d)c uritJrünglicir) Don fßerfern Derfafet toorben, um burö) bie barin enthaltenen
6t3äf)Iungen itjre Äönige abenb« ju unterhalten (10 Sümmern, barunter: 1. $a3
©uö) Wuftem* unb 3«fenbiarö; 2. 5>a* Sud) bon »af>ram Sä)ü; 3. S)a« Sud)
6f)ürtar u. f. »».). — II. Sitel ber inbifc^en SBüdjer, toeld&e Wlärdjen, 9Jlonbfdjein=
fagen unb <£r3ät)lungen enthalten (15 Hummern, barunter: Äalüal) tt>a 2/imnat)). —
III. 2itel ber JSüdjer ber @ried)en unb ifjrer ©efd)id)ten (9 Sümmern). — IV. 2itel
ber 23üdjcr ber babntonifd>n Könige unb anbere (7 Wummern). — V. Stiel ber
liebenben $aare au* ber 3eit Dor bem 3$lam unb müfjrenb beweiben, beren ftunbe
in befonbern 23üd)ern befdjrieben toorben (40 Sümmern). — VI. Eitel Dön anbem,
minber berühmten ßtebenben, über beren fiiebe Söerle Derfafct toorben (28 Sümmern).
— VII. Stiel ber Siebedgefdjidjtcn (jarter?) Öiebdjen ($>abäibot Wlotcfartfät) (12 Wum«
mern). — VIII. £itel bon liebenben paaren, beren Sagen in ben 3ttonbf$einmärd)cn
Dorfommen (89 Wummern). — IX. Sitel ber 2Ber!e, toeldjc con ben »iebfdjaften ber
Wtenfdjen mit ben $fd)innen fanbeln (16 Wummern). — X. 2ttel Don JBerfen über
bie SWeereamunber (4 Wummern). — XI. 2itel Don *Dtärd)enmerfen , bie nur bem
Warnen nacb betannt, ot)ne baft man meb,r baDon *oei& (26 Wummern). — XII. Sagen
Don gelben (Satt)tt)ältn) unb ifjren Söerfaffern (19 Wummern). — XIII. Warnen
Don Wadjtäfftgen (Wtogaffiltn) unb ifjren Seltfamfeiten (9 Wummern). — XIV. Sitel
perfifajer, iubifd)cr, gried)ifd)er unb arabiföer fotabifä)er JBüd)er (13 Wummern, bar-
unter: 2. 2>a$ SJud) ber ©runbfeftc ber 9Jegierbc; 4. 3)a8 5Buö) SWartä'*, bed
©ried)en, über bie aphrobififa^en Sagen; 12. 2)aä SBuö) ber Spiele ffleifatä unb
$>ofein beö Sutfjt [be* Lotterbuben]; 13. 2)ad JBud) ber geliebten S(laDinnen).
* ^erauSgeg. Don Silo, be Sacij (^ariö 1816), 91. Wotjer (Journal Asiatiquc.
Paris 1848—1849), beutfo} DonSBolff (Stuttgart 1889), englifd) Don «natdjbuü
(Ojforb 1819), arabifa) (SBeirut 1888).
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$ie arabifdje <grjäf)luna8lUeratur.
397
biefe literarifdje Surjtoeil nidjt. $)ie Wnfieblung jaf)lreid)er Werfer unb ber
rege Seeberfeljr mit 3nbien führte bem balb bolfstfyümlidjen Siteraturjmeig
neue Stoffe ju, unb profefftonelle 6rj(U)ler fügten ju ben ölten ©efdnc&ten
neue unb noö) feltfamere Wären.
1. $aufenb unb eine ^aa^t.
3um Dollen WuSbrurf gelangte ober ber bei ben Arabern jufammcn=
gefirömte Sagenf^afc beS Orients erft in bem berühmten, t)eutc in ber
ganjen Seit oerbreiteten 9öerf „9llf Ceilaf) tr»a SeUal) b. 1). „Saufenb unb
eine Wacbt". SaSfelbe ttrirb fajon Don bem ©efc&i<j&tfcf)reiber 9ll=9)tafübi,
ber fein Jpauptmerf im 3af)re ber £ibfa)ra 332 (943/4 n. Gfn\) erfahrnen
liefe, folgenberma&en ermähnt:
„Unb in ber Hjat meinen biele mit ben ©efd&iajten ber Araber roof)l=
bertrautc Banner, bajj bie obgenannten erklungen unb anberc &leinig=
feiten Don Sönnern jufammengefloajten roorben finb, reelle fidb burc& <5r=
$äf)lung berfelben ben Königen ju empfehlen fuajten unb roelaje bie Qunft
i^rcr 3eitgenoffen fanben, inbem fie felbe auSmcnbtg lernten unb recitirten.
<Bo beföaffen ift bie 9lrt Don Büajern, bie burdj Ueberfefcung Don ben Werfern
(Sfärafta^) # ben Snbern (£inbioaf)) unb ben ©räcorömern (ftüminal}) ju
uns gelangt finb ; mir t)aben baS Urteil ftfon ermähnt, baS über Schriften
foldjer ftatur $u fäflen ift. derart ift baS S3ua^f betitelt ^ajar Slffäna^
ober bie .Saufenb s)Mrd>en', roaS im 9lrabifd)en SHjuräfaf) (Facetiae) be=
beutet ; eS ift allgemein betannt unter bem Hainen beS ,58ud>eS ber £aufenb
unb eine ftadfrt' (flitäb 9llf Weilar) ma mal)). (SS ift bie Gkfftufye eines
tfönigS unb feines SejierS, ber Sodjter eines 9HinifterS unb einer jungen
Sflabin ($fa)ärii)afO , bie ©ffirjab (tfömenünb) unb £inär$äb (Eenarfinb)
fjeijjen. Serart ift auef) bie ftefd)ia)te Don ft^a*) unb SimäS, bie (?in=
gefjenbereS über ben ßöntg unb bie Ü^iere Don £inb Qnbien) enthalt:
baS Sudj beS <?ll--einbbub> unb anbere älmlidjen ©eprägeS." »
$aS merftoürbige 58ucfc mar alfo bereits am Anfang beS 10. 3aln:=
ImnbertS unter feinem je&igen Sitel borfwnben; bie ©efdiidjtc 6inbbabS
beS Seefahrers gehörte aber nod) nid)t baju ; es mürbe als eine Bearbeitung
beS perfifdjen SßerfeS ^ajar *Mffäncr> angefefjen, Don ben ernflen 9)ioSlim
jmar beräd)tlid) bejubelt, aber bod) als £öntgS= unb StoHsbudb gelefen.
tiefes ^öcbft intereffante 3eugntB mirb burd) Dasjenige beS ftitäb oUftifjrift
berftärtt, baS über ben perfifa)cn Urfprung ber arabifdjen (SrsäfylungSliteratur
nod) baS ftolgenbe mitteilt :
1 Hammer- Purg.itall, Sur Torigine Persane des Mille et une Nuite (Journal
Asiatique X, 253. 3" serie V1TI, 171). — Burton, Arabian Nights (Household
Ed.). London 1886. VI, 213.
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398
S)ritte* Sud), gfünfte« Äapitel.
„Grfier 5Ibfcfenitt ber ®efdndjte ber nad)tlid>en ftabulifien unb ber (St=
$är)ter pfjantaftifdjer Abenteuer unb Flamen ber 33üd)er, bie Don folgen
fingen Ijanbeln. 5Jlob,ammeb ibn 3fr)äf fügt: 55ie erften, bie ?ßljantafte=
i]cid|tdbten abfajsten unb S8üd>er barauS matten unb biefe 93üdjer ben
SMbliotljefen ^utüicfen unb fold)e bcflellten, in meldjen bie Grjäfjlung Dernunft=
lofen Spieren in ben 5Jhtnb gelegt mürbe, waren bie alten Werfer (unb bie
Könige ber erften $Dnaftie). 3)ie aff)fanifd)en Äönige ber britten 3)önaftie
hängten anbete baran, unb fie »urben Dermeljrt unb erweitert in ben Sagen
ber ©ajfaniben (beS Dierten unb legten ÄönigSljaufeS). $ie Araber über^
festen fie audj ins 9lrabifa)e, unb bie 6prad}funbigen unb Verebten ver-
feinerten unb Derfdjönerten fie unb fdjrieben anbere, bie ifjnen glidjen. $aS
erfte Söerf biefer 9lrt war betitelt ,£aS Söutb, ber £ajär Wffän', baS be=
beutet 9Uf #f)uräfafj, beffen ^nljalt ber folgenbe war. Giner iljrer Könige
t)atte bie Wemofmljeit, wenn er eine ftrau heiratete, fie am nädjften Sage
5U tobten. Wumneljr heiratete er ein gräulein aus ben Södjtern ber Könige,
©f>ür)rä$äb gef;eh?en, bie mit Skrftanb unb SBiffen U%abt mar, unb fie fam
auf ben Einfall, iljm pr)antaftifdje ©eidu^ten 311 erjäljlen; unb überbieS
pflegte fie bie $efdnd)te gegen ßnbe ber 9iad)t mit etwas 31t Derbinben,
mos ben ßönig bemegen tönnte, fie am Cebcn ju laffen unb fie ju bitten,
bie ©efd)id)te in ber näcbften 9iad)t ju 6nbe ju bringen, bis fo taufenb
91ädjte Dorüber maren. Unterbeffen weilte er mit iljr, bis fie iljm ein #inb
fdienfte; bann tfjeilte fie ifjm bie £ift mit, beren fie fidj gegen ifm bebient
fyarte; er bewunberte fie beSWegen, gewann fie lieb unb liefe, fie am Seben.
$er &önig (jatte aueb, eine ftal}ramäne$ (Slmme unb §ofmeifterin), ^inarjab
ge^eifeen, meldje bie grau babei unterftüfcte. 6s wirb aud) gefagt, baS
93ud) fei für £uimäi, bie Softer beS ©afnnan, (ober bon if>r) oerfapt
unb es wären barin nott) anbere Okgenftänbe enthalten. Woljammeb ibn
Z\W fügt bei: Unb bie SSofufyit ift, bei Mär, Qnfr)aüaf)) , ber erfte,
ber fid) am 91nf)ören fold&er 9iad)tgefd)id)ten erluftigte, war 9Il=3Sfenber
(ber Don 9)tacebonien), unb er fyatte eine 9lnjab,l Seute, wcldje ifjm ^tyantafie=
gefaxten erjft^Ien unb tyn 511m Saasen reiben mußten; er beabfiebtigte
babei aber nia)t nur, fid) 311 erweitern, fonbern aud) Dorfidjtiger unb
madjfamer gu werben. 9Jadj it)m benu^ten bie Könige in gleicher 9lrt baS
Surf) betitelt ^ajär Slffän4. (SS enthält taufenb ftädbte, aber weniger
als ijweitjunbert Wadftgefdudjten ; benn eine einzelne ftefdud)te nafmt oft
mehrere 9täd)te in Wnfprucfc. 3d) Imbe es mehrmals Dollftänbig gefeljen,
unb es ift, in 2Öat)rt)cit , ein fd)led)teS 9Sud) Don froftigen (erbärmlidjen)
Oiefc&idjten." 1
1 Bmion 1. c VI, 215. 216. — ® ufl. Sßei I , Saufeub unb eine 9iaä)t.
3. Stbbrucf ber 3. Sluft. 4 S3bc. Stuttgart 1889. 1, 6. in— vm.
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3>te arabifdje (Eraä^lungtftteratur. 399
2Bie au* ber rechtgläubige 2?tbliograpt? übet baS „froftige" unb f*le*te
58u* bie 9tajc rümpfen mochte, eS gefiel ni*t blofe ben „Königen" unb
&f)altfen, fonbern au* anbern Seuten. @S blieb im Umlauf, unb ber
j^reiä ber barin enthaltenen <&ef*i*ten mehrte fi*. 6in weiteres 3eu9"ife
beS 3bn Sa'ib öon ©ranaba (geb. 1218) geljt auf ein älteres beS %U
ßurtäbi öon Gorboba prüd, ber um bie Witte beS 12. 3aljrl)unbert& lebte,
unb finbet ftc^ bei ben ®ef*i*tf*reibem 5»=!Dia!lari unb 2ll=Watri$i (geft.
1444) mieber. (§8 bebeutet fobiel, bafc baS 93u* üom 12. bis 15. 3aljr=
Rimbert öon SBagbab bis na* Hegnpten unb öon ba bis nad) ©übfpanien be=
fannt mar. $>enn es wirb barin ergäbt, über 2tl=2lamir, ben VII. ^faiimiben=
Äfalifen öon Slegbpten (ber 1101—1129 regierte), feien 2iebe8gef*i*ten
in Umlauf gefommen, bie ben „Saufenb unb eine 9ta*t" unb älmli*en
geglichen hätten.
2Benn ber frülje Urfprung beS 3öerfeS ni*tabeftomeniger in 3meifel
gebogen morben ifi1, fo liegt bieS ljauptfä*li* baran, bafc Spraye, $ar=
jtettung unb ßolorit, mie fie Ijeute borliegen, erjt einer fpätern %t\i, etwa
bem 15. ober 16. 3<»)riH«tbert, entfpre*en. Sie Stöfung ift roofjl barin ju
t neben, bafe ba§ $u* eine mef)rfa*e, jum toenigften eine $roeifa*e Bearbeitung
gefunben f)at.
„3n unfern »Saufenb unb eine 9?a*t4 finbet man foroof>l bie Spra*c
als bie Goftüme, Sitten unb Öocalitäten HegoptenS, jur 3eit ber fpätern
«Dtomelufenfultane, in ben meiften ßrjä^lungen treu gejei*net, felbft ba,
mo anbere Sänber beS OftenS als ©*aupla$ ber £anbtung gemäht werben.
Sowenig alfo au* mef)r geleugnet werben tann, bafi bie alten perfif*en
Saufenb Wärajen ben fpätern ,2aufenb unb eine 9ia*t' als Wujier gebient
fjaben, fo fteljt bo* au* feft, bafi btefc mit wenigen 9luSnafmien als eine
arabif*e S*öpfung felbft in ben Wärmen angefeJjen werben fönnen, bereu
Stoff aus bem ^erfif*en ober 3nbif*en geliehen mürbe, fiebere finb gröfeten=
tljeils baran lei*t 51t erfennen, bafc übernatürli*e (Sreigniffe eine Hauptrolle
barin fpielen, mäljrenb in ben arabif*en £i*tungen balb baS romantif*e
balb baS fomif*e Clement üorl)errf*t unb bur*meg ein frif*er Junior
bem Öemälbe einen unmiberftef>Ii*en 9teij öerleifjt. 9luf eine fpätere 6om=
pofition beutet ganj befonberS au* ber moberne, an baS $ulgär--9lrabif*c
ftreifenbe Sialeft, in meinem fie gef*ricben finb unb in ben fie unmögli*
in älterer 3eit übertragen werben tonnten. Siefen Sialeft finben mir au*
in ben »r*en, bie ma[)rf*einli* ältent UrfprungS finb. . . $aS Söa^r.
f*einli*fte bürfte alfo fein, bafr im 15. 3al)rf)unbert ein Wegnpter na* altem
1 ?lm ftf>ärfften öon Silr. de Sacy , Memoire sur l'origine du Rectieil des
Contes intitule Les Mille et uue Nuits (borgetragen Oor ber fonigf. Stfabemic am
81. 3uli 1829), extrait des tomes IX et X des Memoire» de l'Instit. Roy. Acad.
des Inscriptions et Beiles Lettres. Paris 1883.
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dritte« Sud). 3ünfteö Jtapitel.
93orbilbc ßrjäfjlungcn für ,$aufenb unb eine 9cadjt' tfjeilä erbicbtete tbeilS
und) münblidjen Sagen ober früljern fdjriftliajen Wufjeidmungen bearbeitete,
baji er über entroeber fein 2öerf nidjt öoüenbete ober bajj ein XtyW beäfelben
öerloren ging, fo bafe baä fteijlenbe oou anbern bis in8 16. Saljrfmnbert
hinein burdj neue @rjäf}Iungen ergänzt mürbe." 1
$on ben jmölf bte breije^n bis je|t unterfudjten $>anbfdjriften jtimmen
feine jmei böllig überein, unb jmar befdjränft fidt> bie ißerfdnebenljeit nidjt
auf Heinere ftiliftifße Momente, fonbern erftreeft fidj aueb meift auf ben
Snbalt felbfh .frier fehlen biefe, bort jene (Srjäljlungen ; für biefelben finb
balb ganj anbere, Heinere Stücfe, balb längere 9tomane eingeflößten. $ie
Äatjmenerääfjlung , meldje ben fo bunten Snfjalt umfdjlieBt, if± bei allen
biefelbe; bie unoerfennbar perftfdjen Tanten berfelben, wie ba§ 3^9"^
be£ ^i^tift, weifen barauf t)in, bafj fie mirflidj einer perfifeben Vorlage, ben
„STaufenb TOrdjen" entnommen ift. $ie jmölf großem Stüde, meiere ftd)
in allen ^anbfebriften gemeinfam toieberfinben unb etma ein fünftel be§
©efamtfioffeS ausmalen, bürfen mofjl als älterer ftrunbftorf betrautet merben,
jumal aueb ber 3nf>alt tl)eilmeife perfifeben Slnfdjauungen , tljeilmeife einer
altem 3eit entfpridjt; fie mögen febon im 10. ^aljrljunbert borljanben gc=
roefen fein, mäfjrenb bie „ftafjrten SinbbäbS be* SeefafjrerS" auf ein nod>
böseres Hilter ljinmeifen2. Ob bie ganjc Sammlung fdjon im 13. 3al)r=
ljunbert mefentlicb iljre fe&ige ©eftalt erhalten r)atr wie ÜBurton 3 meint, ober
erft im 15. ^abrljunbert, mie Söeil glaubt, ba$ tonnen erft weitere Unter=
fudjungen entf Reiben; einige ©efdndjten mie „tanar al 3<mi<m ber 3»cite"
unb „SRa'aruf ber Sdjufter" ftammen erft au§ bem IG. Safjrfjunbert.
Hergleidjen mir bie arabifdjen Wärmen mit äljnlidjen, roeldje ba§
perfifdje gpoä gleidjfam als 9lrabe$fen um bie erhabenen ©eftalten feiner
gelben gefdjlungen bat, fo fpringt allerbingS in bie klugen, baß ber arabifdje
©eift Ijinter ber bidjterifdjen Öeftaltnngärraft be* perfifdjen meit jurürf=
> SBeil a. a. D. I, S. vi.
2 2>iefe atoölf ©tammerjäblungen finb : 1. Sie ©efdjidjte be« Kaufmanns mit
bem (Seifte (mit brei 9tebenersäfjlungen) ; 2. Sie ©efdjidjte beä Sifdjerfi mit bem
(Seifte (mit wer 9t ebener jäfjlungcn) ; 3. Sie ©efdjidjte ber brei ßalenber unb ÄönigS*
föfjnc unb ber fünf grauen oon JBogbab; 4. Sie ©efdjidjte ber brei Slepfel unb ber
3erftürftcn $rau; 5. 3)ie ©efdjidjte 9hircbbin StttS unb feined SofjueS 93ebr ßbbin
fcafan ; 6. Sie ©efdjidjte be* SucTIigen (mit elf 9lebenerjäb/lungen) ; 7. Sie ©efdjidjte
9iurebbinö unb ber fdjönen <ßerferin; 8. Sic ©efdjidjte ©fjanemä unb ber ©eliebten
befi aJc^errfdjcrS ber ©laubigen (mit jmei ^ebenerjä^Iungen) ; 9. Sie ©efdjidjte 9lli8
beö Sofjne« JBaforä unb ber Sdjemö Unnabar (mit ,^ioei ^ebenerjätilungen) ; 10. Sie
©efdjidjte be<$ ^rinjen Äamr Sffaman (Äamar al»Saman) unb ber ^rinjefftn 33ebur ;
11. 3?ie ©efdjidjte oom 3öuberbferb; 12. 3>ic ©efdjidjte uom $riii3en 58ebr Don ^erfien
unb ber ^rinjeffin ©iaufjare Don Samonbal.
s L. c. VI, 224-235.
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Sic arabifd)e (£rjäf)lung$literatur.
401
geblieben ift, inbem er fich nicht 511m eigentlichen (SpoS ju erzwingen Der=
mochte, unb ähnlich wie in ber bilbenben Äunft bie fpielenbe ArabeSte
)ux £>auptfache machte. 3iffatt wir inbeS bie altern inbifdjen (Srjählungen,
3. 33. baS ^antfchatantra, junt Vergleiche heran, fo wirb uns bie $arftellung
ber Araber entfdneben natürlicher unb barum auch poetischer erfcheinen.
3>nn mäf)reitb baS eigentlich epifche, erjät)Ienbe Clement bei ben Snbern
Don ber umrahmenben ^ibottif nur ju oft erbrücft unb für ben Abenblänber
gerabeju ungenießbar wirb (wie baS fajon im S^ar)äBr)drata ber t£aü* ift),
hat cS fich bei ben Arabern gänjlich oon ber philofophifchen Schulmeifterei
befreit ober bietet ben nufcreictjen Sehrgehalt höchftenS im fünftlerifchen ©es
manbe ber Grjählung felbft. $er Araber erzählt nicht, um hocherhabene
©cheimmffe unb 9ted)tSfä$e einjupaufen; er erzählt, um $u erjäf)Ien, ni
unterhalten, 511 ergoßen. Unb baS Derfteljt er meifterlich.
23aS ben 9teij beS Söunberbaren aber nicht wenig erhöht, ift ber Um=
ftanb, bafj es in ben „dächten" balb in munberlichflem ©egenfafc mit ber
"profa beS Alltagslebens sufammenftö&t, balb fich aufs feltfamfte mit berfelben
üerbinbet unb jufainmenflie&t , wie in ShafefpeareS „SommernachtStrüum"
ober „Sturm". 2)aS Alltäglichfte wirb fo in baS 3roielicht beS Härchens
gerücft, unb bie gan^e ^fjantafiewelt beS SfcärcbenS fteigt mit ihren ÜBunber=
wcfen auf biefe Grbc hctnieber, um burch th" realiftifche Scbilberung felbft
bem 3roe>ffer glaubhaft 31t werben.
AIS einheitliches, böllig abgerunbeteS ßunftwerf läfjt fich, "ach bem
Öcfagten, baS gefeierte UnterhaltungSbucf) nicht betrachten. ($S bietet jeboct)
nicht bloß ein überaus fprechenbcS 33ilb islamitifcbcr Kultur, es ift un$meifel=
haft auch in fünftlerifcber |)inftd)t ben bebeutfamften , anjiehenbftcn 5ßolfS=
biiehem aller Qcxten beiju^hlen. SÖährenb ber $orän bie mohammebanifchc
S&elt jeichnet, wie 5)cohammeb felbft fie haben wollte, jeidjnen bie „2aufenb
unb eine ÜRacbt" fie, wie fie fich wirflich im weiten deiche ber Äljalifen
geftaltete, feboch Dcrfchönert unb oertlärt im Spiegel ber ^oefie, als tt)cil=
weife (Srbin ber oon ihr unterjochten Golfer, umftrahlt Don ber fchimmernben
bracht beS Sc halifats. Auper bem $orän ift beShalb tein anbereS 2öert ber
Araber im Abeublanbc mehr betannt geworben %-a es trotj feines mohom=
1 3n 6uropa rourbeu bie „2aufcnb unb eine stacht" erft burd) ben Ofranjofen
9tnton©aUanb betannt, ber bie Gefeitesten in ben ftaffeeljäufern au Äonftantinopel
üortragen hörte, fie überfefcte unb (^ariö 1704—1717) in 12 Säuben baauögab.
Cbtt>ot)l feine Ueberfejjung nur ein Viertel bed ganjen 2Ücrte$ umfaßte, oielfad) Oer«
ftümmelt, fragmentarifä) unb oft parapbraftifcf) unb UHlItürüd) war. gab fie bod)
ben Äern unb (Seift bei (öanjen in an^iefjenbcr 5<*ffung wieber. Bit würbe 1710
biö 1730 burrf» Salanbcr ins* STeutfdjc, 1712—1715 in« (fngüfdje überlebt unb blieb
bii tjerab in bie ueuefte 3cit (Srunbtugc jatjlrcidjer Aufgaben unb 23earbcitungen
in ben üerfd)iebenfteu neuern epraeften. eine genauere, aber etroaß fjöljerne beutt'cbc
SSamußartiur, OÖtMUtratur. 1. 2. «ufl. 26
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402 dritte« JBudj. SJrünfte* ftapitel.
mebanifchen (Gepräges bod) fein 9teligtonSbu<h mar, fonbern öorjugsweife
als 2Ber! ber p)antafie erfchien, blieb eS nicht wie ber Äorän auf ge=
lehrte greife befcfcränit, fonbern fonnte als UnterhaltungSfchrift bei allen
chriftlichen Böllern 6uropaS Aufnahme finben K
Söerfucfcen wir uns bon bem 3auber Stechenfchaft ju geben, ben es
bureb fo üiele Sahrhunberte auf bie Hölter beS 9ttorgen= wie beS Bbenb*
lanbeS ausgeübt (>at, fo liegt berfelbe offenbar $u gutem Ztyil in ben
bunten ©agenftoffen unb in ber reijenben, phantaftetwUen SBunberwelt, bie
es aus Snbien unb Werften, £>ellaS, Wegnpten unb Tabalon überfommen.
Me biefe Stoffe hat fia? aber ber arabifa> (Beift wirtlich afftmilirt. Gr
hat fie aus ihrem polntheiftifchen , heibnififten Stammboben herausgehoben
unb in eine monotbeiftifche Sphäre berpflanjt, welche ber chriftlichen 9ln=
fchauungSwetfe bebeutenb näher fteljt. lieber ben unabfehbaren Sparen guter
unb bofer ©eifter wie über ber fieberen «Ratur unb ben ©efefaiden ber
50lenfö)heit waltet Mäh, ber eine unb einzige Öott, jwar nach ©efefcen
eines unheimlichen Fatalismus, aber immerhin bo<h als Merbarmer auf--
gefafet unb gepriefen. lochte ber abergläubif^e Crientate babei biefe tteifter=
unb SBunbcrmelt als eine wirtlich befteljenbe auffaffen, für ben Slbenblänber
warb fie $um feffelnben Spiel ber ^ntaHe.
tiefes Gtaufelfpiel ber ^antafte bebnt feinen 3auber bann auch auf bie
(Stählungen aus, bie erft in ben ÄubmeStagen ber fth^üfen entftanben finb
unb fidj um bie Sßerfon beS £ärün al ftafchib 511m ßranje Dereinigen. @S
ift nicht ber hinterliftige, blutbürftige Sorann ber wirtlichen Gefliehte, ber
uns hi« bor klugen tritt, fonbern ein gemütlicher SJoltSfönig, ähnlich bem
perfifchen Sahram ©ur, ber eS liebt, in tt)eatralifcher 23erfleibung ju feinem
Uebcrfefrung lieferte erft ÜUaj §abid)t (15 SBbe. »reslau 1824. 1825) nach ber
§anbfdjrift oon 2untä, eine franjöftfdje 3. »on ^ammer»^urgftolt, roieber ins
25eutfcr)e überfe^t öon 6. 3t« f nt i" 8 (Stuttgart, (Sotta, 1823) unb aus biefem
ind ftranjöftfcbe aurudüberfefct bon ©. 6. Xributien (^aris 1828). SEBeit über«
holt tourben biefe Heber fe feungen burd) biejenge öon Dr. ©uftao SGBeil (8 ®be.
Stuttgart 1838—1842. 3. «ufl. in 4 »anben. Stuttgart 1872. dritter ttbbrucf
baf. 1889). (Eine jiemliä) tnidtürltd) getürjte engtifebe lleberfetoung lieferte @btr>.
Cane (3 Sibe. Sonbon 1839. 1859. 1883), bie oottftänbigften unb genaueren 3 0 b n
*P atiue (9 JBbe. Sonbon 1882— 1884) unb 9Ucbarb S9ur ton (16 »be. ©enareä
1885—1888). 93on lebterer Ueberfefcung, toetibe aueb bie fdjlitnmften Stetten arabi«
ftfter Obfcönität »iebergibt, hat ßabr, Surton eine gereinigte »u*gabe Deranftattet
unter bem 2itel : Lady BurtotCa Edition of her Husband's Arabian Nights, trans-
lated literally from the Arabic, prepared for Household Reading by Justin
Hunüftj ATCarth;/. London 1886. 6 vols. Sie entfprid)t atten h)iffenfd)aftUa^en
Sorberungen unb oerbient Don atten neuern Ausgaben bie meifte @mpfebtung.
1 lieber (Xharatter unb ^n^alt »gl. De Goeje, De arabische Nachtverteilingen
(De Gids. Sept. 1886). - Bmton 1. c. VI, 257-312. — Äug. Müller, 3)ie
9ttär(ben ber 3aufenb unb (Finen «ad)t (SJentfaje 9tunbfd)au. SBerlin. LH, 77—96).
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$te arabifäe er3äf>hmg«Uteraiur.
33oIf Ijerabjufteigen, feine Setben unb greuben $u teilen, gelegentli* etwas
©ere*tigfeit auszuüben, befonberS aber fidf> bon ben Sorgen beS Regiments
wifcig $u erholen, ftreili* ift ber jugenbli*e, muntere ^erferfönig eine biel
natoere, bolfStf)ümli*ere unb poetif*ere gigur als ber ftart an 9Man*olie
leibenbe #ärün ober Earon. $o* befifct biefer immerhin eine gemiffc
patriar*alif*e ©utmütlngfeit ; er benlt no* ni*t baran, feinen treuen 93e=
gleiter unb Sßejier $f*a'far unb baS ganje &auS ber Sarmefiben aus*
jurotten. hieben bem berühmten „33el)errf*er ber ©läubigen", ber bur*
bie „$aufenb unb eine Wa*t" jum $npus beS Kalifats geworben ift,
erf*einen aber au* anbere Kalifen, Sultane unb ffönige, mit ifjren balb
fw*meifen, balb pfiffig berf*lagenen unb fyinterliftigen 95ejieren, mit Sparen
bon fjoffnungSboflen ^rinjen unb berliebten ^rinjefftnnen unb bem jafjllofen
S*warm eines orientalif*en $offtaate», Sflaben, Sflabinnen unb (Sunu*en,
^Beamten unb 2eibma*en, Stätten, 3aljlmeiftern, Sängern unb 2uftigma*ern.
3ln Hoflieferanten barf es au* ni*t fehlen. $ie £>änbler mit Juwelen,
foftbaren Srocaten, S*mud unb ^arfümerien Ijaben biel 5U tfjun. Wber
aus ben mit ben rei*ften 2eppi*en begangenen 5pruntgemä*ern füt)rt uns
bie (Srjä^ung au* in baS bunte ©ewirr ber Stäbte IjinauS, in bie Suben
ber Ärämer unb in bie Söertftätten ber $anbmerfer, ju ©ebatter S*ufter
unb S*neiber, Dörfer unb S*lä*ter, S*mieb unb Färber. 3" ben
toinfligen ©trafen f*lägt ft* bie ^olijei mit S*winbtern unb 2)iebS=
geftnbel aller Strt ljerum, mc*renb banfrotte ßaufleute unter bie Saftträger
unb 33ettler geraten. 3n bie Abenteuer am 9)ieereSftranb ift häufig ber
arme gif*« mit SBetb unb 2;ö*tem berflo*ten, inbeS bon ben £afenftäbtcn
rei*befra*tete S*iffe ju ben fernften 9)teeren jiefjen, unterneljmenbe #änbler
alles wagen unb gewinnen.
3n biefen bunten Silbern maltet ni*t bloß eine unerf*öpfli*e 3Kannig=
faltigfeit, frrif*e, Seben, 91nf*auli*feit , bie Färbung beS Unmittelbaren,
fonbern au* ein unbermüftli*er , gefunber £umor. $a ift ber ftaulpelj,
ber bon fi* ge|tef)t: „3* mar fo tröge, bafe, menn i* in ber tyei&en
3>al)reS5eit irgenbmo fjerumlag unb bie Sonne mi* traf, i* mir ni*t bie
9Jtüf)e nafmi, mi* in ben S*atten $u legen." $a ift ber Sarbier, ber
in einem 3uge fteben lange ©ef*i*ten ba^erersä^lt unb bann no* be=
Rauptet, f*meigfam gu fein. $a ift ber Sudlige, ber, bei einem S*neiber
ju $if*e gelaben, f*einbar an einer ©rate erftieft, unb nun bringt ber
S*neiber bie bermeintli*e 2ei*e in baS £auS eines jübif*en 9lr$teS, biefer
ftellt fic an ber flauer eines £ofeS auf, ber bem £ü*enmei|ter beS Sultans
gehört ; ba rennt ein Gfjrift fie um, unb ba biefer nun als 9)törber gefaßt
wirb, wollen alle bier ben Worb begangen f)aben, unb f*lieBli* fommt
ber Sucflige no* gar wieber jum Seben. 9ln fol*en brolligen 3"9e"> Reitern
S*elmereien, Serme*Slungen unb Strei*en ift UeberfluB. flu* wo ber
26*
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404
Srittcä 55udj. ftünftes Aopitel.
©egenftanb fctbft nicht fomifcb ift, trägt oielfad) ber SluSbrud ober ber
Xialog eine föftlicbe ^umoriftifc^e Färbung.
3mifchen biefe luftigen ©enrebifoer lagern fich SiebeSnooellen Poll bcS
rührenbften Truftes. $a8 nie auSgefungene Sieb tönt ba in Imnbert oer=
fchiebenen Slccorben unb ergebt fich ntc^t feiten ju Itjrtfc^cr , rfjotfnnifdjcr
ftorm, einfacher unb natürlicher, als es in ber eigentlichen flunfillnrif ber
$all ift. Mit ben Romanen ber unglüdlich Siebenben oerbinben fieb balb
bie fpannenbften 3ntriguen, balb bie munberfamfien Abenteuer ju Sanb unb
SBaffer, balb Stampf unb Ärteg mit ausgeprägt ritterlichem, romantifebem
(Sharafter. 9lud) baS chriftlicbe Mittelalter hat baju feine Beiträge geliefert.
9iur bie Sefung beS $ud)eS felbft fann ben Ginbrud miebergeben, ben
ber ftete Befiel öon (Srnft unb Scberj, Trauer unb £uunor, Sicht unb
Tuntel h«oonuft.
91 IS ©anjeS, in ihrer Pollen unb Pollftänbigen ©eftalt betrachtet, bilben
biefe (Stählungen ein bramatifcbeS Öemälbe orientalifchen SebenS, wie eS
taum ein anbereS Scbriftbentmal barbietet. 3ft ber ibeale ©ehalt auch
ebenfo bürftig wie ber SSläm felbft, fo fehlt es boch nicht ganj an ber
Vorstellung einer gemiffen auSglcicbenben ©eredjtigfeit , welche bie 2ugcnb
triumphiren, baS Safter unterliegen läfjt unb einer gewiffen weifen &üf>nmg,
welche mitunter bie gärten beS Fatalismus milbert. Soweit fich auch bitten
unb Sittenfchilberung mitunter Pon ben formen beS Waturgefefce* oetirren
mögen, fo bleibt boch immer ein anfelmlicher ©runbftocf ho^mlofer 3üge
unb guter natürlicher Gigenfcbaften, welche baS bunte Panorama freunMich
erhellen. Wahrhaft bejaubernb aber wirft bie Sebenbigf eit , Slnfchaulichteit
unb Mannigfaltigfeit ber ineinanber oerflochtenen ©efehichten.
„Sic bilben eine 5phnnta3magorie, in welcher (Stengel unb (Sngel, leufel
unb ©efpenfter, ftiftgeifter, fteuergeifier , SBaffergeifter gan^ natürlid) mit
ben Menfcben biefer (Srbe jufammentreffen, wo fliegenbe ^ferbe unb rebenbc
Jifchc jur Pollen Söirf liefert gelangen, wo ber Atönig unb ber ftürft mit
tfifeber unb Bettler, Seeungeheuern unb Kannibalen umgeht, ber Stabfc
bürger mit beut SBebuinen äufammenftöfrt, Eunuch unb bitter fich begegnen,
ber tfabi fich mit bem Xieb oerträgt, bie frommen unb deinen mit bem
Kuppler unb ber 3wifchenträgerin auf berfelben SJant fi$en, wo ber beruf S=
mäßige föeligionSbiencr , ber Äorüngelcfjrte unb ber ftrengfte Moralift fich
bem boshaften 3auberer, bem Spötter unb einem perlotterten Siebter ber
9lusfchweifung wie %b\\ ÜiowäS jugcfellt, wo ber Höfling mit bem $auer
feberjt unb ber Strafen ferner bie Pornehmftc Same jur $rau erhält. Unb
bic (iljaraftere ftnb Pollenbet unb belebt mit wenigen Strichen, fo frifch unb
ficher wie ber Üilanj ber Sonnenftrahlen. Sa» Seif ift ein ftaleiboffop,
in bem alles jum ©emälbc fich geftaltet: flolje s£aläfte unb Sanbbäufer,
graucnerwedenbe unterirbifche Böhlen unb tobbrol)enbe Kälber; (Särten,
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35ie arabtfäe erjäblunQäliteratur.
fdjöner al» jene ber £)efperiben ; Wette, bic mit raufajenben S&ogen an
bezauberte Serge fdjlagen ; Xfjäler be$ 3;obe3fd)atten§, Suftcetfen unb galjrten
in ben liefen be£ Cceanä, Sttwfo'npf» Sd)lad)t unb ^Belagerung, Verlobung
unb £)odtöeit3feier. etiler ©lang unb aller Sdjmufc, alle ©djönljett unb
alle ©emeinljeit, ber $auber unb bie ©roteStyeit, bie ÜJJagie unb bie Trauer,
bie Xapferfeit unb bie (Srbärmlidtfeit beS morgenlänbifd>en 2eben3 finb fyier
beifammen; bie Silber ber brei grojjen orabifaVn fieibenf^aften , Siebe,
Krieg unb Abenteuer, berechtigten ba§ SBert ju bem Xitel : ,33lut, 9Jiofdm§
unb £>a|d)i)ay. Unb noä) meb,r! $)a$ ©enie be$ ßrjä^IerS belebt bie trodenen
©ebeine ber ©efdndjte, unb inbem er bie tfiction mit bem 2fyatfäd)licr;en
berbinbet, roedt er bie Vergangenheit bom ©rabe auf: bie Kalifen unb
ba* Kljalifat lehren na# Sagbab unb Kairo jurüd, roäljrenb Slämobäuä
freunblidj ba§ flache $ad) oon jebem £aufe entfernt unb uns erlaubt, unfere
neugierigen Slide in baä ganje innere $u rieten. $aä ift diefleidbj bie befte
Kraftprobe, gnblicb, eröffnet fid) bie Silbergalerie mit einer 9teif>e jauber=
tjaftcr unb padenber Abenteuer unb jeigt al8 Sa^lufi eine ibt)öifa> Scene
eb,elia?en ©lüde* in fallen, bie borbem nur Boüuft unb Slut atmeten." 1
So bebeutungäboll e* nun in culturge[#id)tlid)er £)infid)t fein mag,
baß neben ben Öia^tfeiten aud) ber „Sa^mufe", bie „©emeinfjeit" unb bie
„@rbärinlid)feit be$ morgenlänbifa^en £eben§" in bem SBerfe ju Xage treten,
fo fefc fd)äbigt in äftffetifcfoer unb fittlia>r £infid)t biefe Seigabe ben 2Bertb,
be* ©anjen als eine* poetifdjen Solfcbud)§. W\t 9led)t öergleiajt P. 51. Sal=
oani S. J., ber eine ber beften neuern Eu&gnben be§ arabifdfcen Sejteö
bcranftaltet r)at, baSfelbe be#t>aI6 „mit einem großen Strome, ber fid) in
taufenb Kanäle tfjeilt ; aber einige biefer Kanäle mäljen fdtfammige 2Bogen
baf)in; man mufe fie auffüllen, menn man bie ganje Söaffcrmaffe rein be=
magren null" 2. Son biefem Sdjlamme gereinigt, ber berl)öltnijwiäflig einen
jiemlid) geringen ftaum einnimmt, finb bie „laufenb unb eine 9iad)t" ein nur
feiten erreiajtes unb übertreffend Weiftertoerf ber erjätyenben $rofa, baä in
SBeltanfa^auung, 2on unb Färbung aflerbingS aud) bann moljammebanifd)
bleibt unb fiaj niajt p ben fittlidjen Sbealen beä (^riftentlmmä erfc&roingt.
2. $er 91 ntar*9toman.
©ätjrenb faft jebeä Kinb in Europa einige ©efd)id)ten au* „üaufenb
unb eine 9Jnd)t" fennt, ifi ein anbereö umfangreidjeS Untertyaltung§bud)
« Bioion 1. c. VI. 297. 298.
1 Les Mille et nne Nuite. Public par le P. A. Salhani S. .1. 5 vols.
Beyrouth 1883—1890. Preface. — Sreffenb toirb ^icrju bemertt: Grftce ä l'elditetir.
ces quelques taches qui deparaient le chef-d'oeuvre n'existent plus ; et desormais
le Ii vre pourra prendre dans les bibliotheques de faniille )a place qui lui revient.
Hai (äfet ftd) t>on mctjrereit neuem lleberfe^ungen letber ni^t fagen.
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406 dritte« »ud). Orttnfte* Äapitel.
ber Araber, ber fogcn. „9intar:9loman", taum über bic Greife orientaliftif*er
#a*miffenf*aft f)inauSgcbrungen unb fjat felbfi in biefen oertyiltnifunäjjig
no* menig 93ea*tung gefunben. %m ftiljrift wirb er ni*t ermähnt, unb
man fmt hieraus gef*Ioffen, baß er einer fpätern 3eit, bem 6. 3af>rljunbert
na* ber £ibf*ra , angehört K (Stüde barauä mürben inbeS oon 9Rebbä&
(öffentlichen @rjäbjern) in ben ßaffeeffäufern beS Oriente mie in ben 3elten
ber 2Öüfte oorgetragen. 2öie einige Äfoffen biefer SRfmpfoben na* anbern
Romanen benannt mürben (3aibijc^, £ilalijef>, 3aririief), lefctere na* bem
Sultan 21$ 3ät>ir Seibar), fo gab es eine eigene Äloffe ber 2Jntarije$, bie
fi* oorjügli* mit ber Seclamation biefe^ ÄomanS befaßten2. Sprenger
unb SÖefcftein Nörten fol*e ju $amaStu38; na* £>amiIton ifi baS Söerf
bei ben SBebuinen ber 5h)üfte ni*t roeniger beliebt als in ben Stäbten
Weppo, $amaShiS, ßairo unb SBagbab*. Gauffm meift feine Verbreitung
in Sorien na*5; ftreSnel traf fogar in $f*ibba einen Wntarfänger 6. 910=
gemein mirb oon ben 3rorf*ungSreifenben bejeugt, bafe bie Araber no*
immer mit f)ö*ftem (Sntjüden biefen Vorträgen unb Siebern Iauf*en 7.
lieber ben Herfaffer finb rocitf*i*tige Unterfu*ungen angefteüt morben, bie
inbeS no* 511 feinem befriebigenben ftefuUat geführt fmben8.
$er 9toman, ber in ftolio=HuSgabe 10 Sänbe, in CctaO 32 5?änbe
füllt, erjäbjt baS ßeben beS 9)toaflafdt=$i*ter8 unb äriegerS «ntara Dom
Stamme 9(bS in breitefter 9fuSfüf)rli*feit ». $en ftaben ber Vermidtung
bilben &um £f)eil feine Siebe ju 9lbIo, ber f*önen 2o*ter feines üäteru*en
Cf>eims mixt, jum 2f>eil bie kämpfe, in bie er um ifjretmfflen unb fpäter
bur* bie Äriege feines Stammes fjineingeriffen mirb. $aS ©anje jerfäHt
in brei jpanptt^eile , oon mel*en ber erfte mit ber glüdli*en #o*jeit mit
»bla f*Iiefct; ber jmeite f*ilbert bann bie meitern Sfjaten beS fafrenben
Sängers, bis ifmt bie 6^re 511 tljeil mirb, fein ^reiSgebi*t an ber Äa'ba
aufgehängt $u fefan; bcr britte umfafet bie fpätern 2öanberungen , fliaufe
jüge, Kriege unb ben Job beS ritterlichen $i*terS, bem als luftige Sßerfon
mie eine Wrt Son*o 5ßanfa fein S*ilb!nappe S*ejbüb $ur Seite geljt.
Xie ungeheure »reite unb 2Beitf*meifigfeitf mit ber bieS aDeS erjä^t mirb,
1 Jammer, \Mteraturgefd)id)te ber Slraber III, 351 ff.
2 Latte, Manners of Egypt II, 114 — 116. 126.
5 Sprenger, ßeben Stto&ammeb* III, ®. ccxlviii. — 2ttefeflein, $er
mxU in 2amo«tu« (3eitfdn:ift ber Seutfdjen 3Jtorgenlänb. ©efeüfdj. XI, 493).
4 Hamilton, Preface (ju feiner Ueberfefcung) p. xv.
s Journal Asiatique XII (1833), 98.
c Ibid. V (1838), 508.
7 Serggrecn, Steifen in Suropa unb bem SRorgenlanbe II, 83.
9 Dr. einrieb, 2b,orbecfe, Slntaraf), beö oomlamifdien 2>id)terS, Ceben
(fccibelbcrg 1868) 5. 31 ff.
s 5. oben h. 314. 815.
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3)ie arabtfdjc Cfrjäfdungäliteratur.
407
hat bie (Europäer mohl am meiften abgefcbrerft, baS 2öerf bei fid) ein=
jubürgem *.
$0511 fommt, baß bcr Vornan in feiner friegerifchen fterbheit unb @in=
tönigfeit roeber bie bunte WbroechSlung noch bie fcbimmernbc tfarbenpraeht,
ben fröhlichen Junior unb bie fc^meic^lerifdbe SBeidjhfit ber „Jaufenb unb
eine 9?acht" befifct. „$ic (Stählungen ber ,2aufenb unb eine Ülndn' finb bie
Unterhaltung ber Söeibcr. 9(ntar ift ein 33ucb für bie Wänner ; man finbet
ba eine Schule ber $$erebfamteit, ber Seelengröfce, beS (SbelmutheS unb ber
^olitif." So läßt Harbin be (Sorbonne einen Araber fagen2. 53ei aflen
feinen Mngeln f>at ber Vornan bod) etmaS bon ber $raft unb ^Bebeutung
eines QrpoS an fid). „@r ift bie nationale unb barum authentifche $)ar=
fleüung jenes 9?ebuinenleben§ , ba* fid) burd) alle 3>ahrhunberte fo gleid)
bleibt unb unferem Serftänbnip* tro£ fo öieler trefflichen unb flüffigen
Säuberungen fo fd)roer ift. Seine Äenntnife ift ein notfuoenbiger Sd)lüffel
jum Herftänbnifc ber alten arabifchen Sßoefie. Sirat Wntar ift aber baS
beftc bittet, $u biefer Äenntnijj ju tommen, bie gleicl) gut angeroenbet roer*
ben fann auf bie ©ebuinenpoefie ber jüngften 3«* h»* °ie icnc* frühem
Safyrbunberte , in welchem berjenige bietete unb {tritt, beffen Hainen ber
Vornan trägt, Mntaraf)."8 ,,3d) mar einmal erjählt SOße^ftein , „um
mir ein gerühmtes $ferb ju taufen, in einem Öager ber 93eni Siba, unb
hatte, um ihnen Vergnügen ju machen, einen Sfhapfoben ber Sirat Wntar
mitgenommen, mit bem ich bamate gerabc biefeS SReifterftüd epifcher ^oefie
ber Araber las. (Segen Wbenb lagerte fich bie Weberlaffung beim 3elte beS
Sd)ed), um ben fremben 9(ntari ju hören, unb ich fragte ben Sd)ed),
meld)e (Spifobe er roünfche. 9iafch antwortete er: ben Äampf ^ntarS
mit bem römifd)cu (oftrömifchen) ftaifer unb feinen $ug nach $onftan=
tinopel."*
1 Seit erften Sf)cil bat ber gngtänber Hamilton überfefet (Antar, a Bedoueen
Romance. 4 vols. London 1820). SEBertboofle SBrudjftüde öon Ueberfefcungen gibt
bnä Journal Aaiatiquc : La mort d' Antar (Canssin. 1833. XII, 109—123). Le
sabre d'Antar {Cardin de Cordonne. 1834. XIII, 259 a.). La mort de Zuhair
(Catwtin. 1834. XIV, 317 «.). Djeida et Khalid {Cardin. 1837. IV, 49). Desaar
{Cardin, ibid. p. 566). Antar au Verse {Dugat. 1848. XII, 483. 849; XIII, 876;
XIV, 514). Le roi No'man (Dugat. 1853. I, 5). 6ine neue Ueberfefcung begann
Warfe! $eöic («Pari* 1878). 9Jetd)f)altige Sludge gab fdjon Jammer«
^htrgftall in ben SSiener „3at)rbfid)ern ber Literatur" VI (1819), 229 ff. — $ie
fcauDtebifoben Dereinigt Dr. C. A. Hoimboe, Antar. Arabernes Bayard. Christiania
1881. — «rabifdie Xertau*gaben erfdjienen in Beirut (10 »be* 1282 fc.) unb in
Äairo (32 »De. 1286 Jp.).
1 Journal Asiatique XIII (1884), 256.
s 2f)orbccfe a. a. C. S. 32.
* 2öefcftetn, $cr Warft in Samasfu« (3eitfd)rift bcr $eutid)en Wargen*
länb. CSefeUfd). XI, 493).
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408
Sritre« »ud>. Srünfte* Äapitel.
9Wag einen 5?ebuinen bie Erinnerung mit Skgeifterung erfüllen, baf;
einer ber 3einen einfhnalen gen flonftantinopel gebogen fei, fo bleibt e§ für
ben Europäer bod) immerhin fdjmer, fid) für einen breifcigbänbigen ÜRoman
$u erwärmen, beffen &auptfd>aup!a& bie 2Büfte ift, in bem e$ fid) eroig mir
um biefelben 3*ltwanberungen Don Cafe ju Cafe, biefelben Stamme^ljänbel,
biefelbcn pünberung^üge, biefelben kämpfe um ^a^rung, Hufttn unb *rei=
r)eit banbelt.
Einen nicpt Diel weitem föefidjtsfreis eröffnen anbere 58olt§erjäb,lungen
unb Romane, meiere gleich, bem 91ntar=9toman b'xi tjerab auf bie fteujeit Don
Styapfoben Dorgetragen ober jum Stebäb (b. fj. jur £aute) gefungen würben,
nunmein* im Crient auch. Dielfad) IitlwgraDbirt unb gebrueft werben; fo bie
tfiffat al 3ir (Beirut 1866). bie 3irat Seif ibn bbj 3a^an (17 Xljeile. 5?ulaq
1294 £>.), bie Erjärjlung ber SJenu ftiläl (Beirut 1880—1883), bie ®e=
fehjehte m* nl=©t)ül (rtairo 1302 #.). E* ift inbe* Don benfelben noa
nidjts überfefct1.
3. fcufeinä Sob unb 9Hu$tär§ SRaaH
ÜMe in ber altnorbifdjen £aga, berührt fid) aud) in ber Erjäl)tung*=
literatur ber Araber ber hiftorifdje Dtoman fo ntihe mit ber mirfltdjen @e-
fdjid)te, bofc bie ©renken oft fd>wer ?\u jie^en ftnb unb bafi reid) au&gefc&mürfte
Erzählungen mit ftar! poetifdjem $eifafc Das Wnfefjen gefd)id)tlia>r Jöeridjte
erworben haben. Eine fold)e ift bie Öefdjidjte Don „Jpufein* Sob unb
•JJludjtars töaaV', melcbe bem älteften arabifeben Öefd)id)tfd>retber Wbii
9Jttd)naf jugefdjrieben wirb unb Deren Anfang aud) auf beffen glaubwürbigem
93erid)te rufyen mag, wäljrenb bie übrigen Drei Viertel fo Diel Unglaublidje*
enthalten, baft fic ali romanhafte Erweiterungen älterer 3*erid)te gelten
muffen2.
1 lieber anbete SJiomaue Dgl. Perron, Salf al-Tij&u. Ulaive des Couroune«
(Parin 1862) p. vi. lieber einen berfelben, ben et Delhemeh obet Zät el-
Hemmeh nennt, fagt er: La compositiou de Delhemeh. »orte de roman historique
dans rallure , ou ä peu pres de ceux de Walter »Scott , est surtout un roman
de cape et d'epee, plein d'interet; car il donne les recits de guerres extra-
ordinaires contre les chretiens ou infideles du Bas-Empire ä l'epoque de Haroün
el-Kachid, les recit» dexcursion» ou d'incursious . les table» des intrigues de la
cour du capricieux et ombrageux Kalife, les peintures vives et animees des moetirs»
et des idees de ce siecle, les episodes de nombre d'hommes dont les hauts faita,
ou les malices, ou les l'ourberies varient ä tont moment cette vaate galerie.
Delhemeh est la grande figure du livre; c'est une sainte guerriere.
* 3f. JlÖüftenfelb, 2er 2ob be* #ufetn ben 9Ui unb bie 9ta*e. Gin
ftftsrifdbcr Siomun auö bem '&rabtfd)en. Sifoung»bert<$te ber Aonifll. (>>efellf<6. ber
2öiffenfd). uom ö. «iiflitft 1882 unb 6. Januar 1**3. SBerltn.
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2)ic arabifdje ©rjäblungöüteratur.
409
3)er £>elb bcr ©rjählung ift £)ufein, bcr <5ofm imb ber tfätime,
ber ^ieblingStochter be§ Propheten. 9tadj bem $obe 5Koäwiob,&, beS erften
.R^oHfcn au& bem ©efchled)te bcr Cmaftaben, roeigert er fich, beffen Sot)n
imb !Rad)foIger 3a*ib ju fmlbigen. Sie Seilten in $üfa ergeben fich $u
feinen ©unften unb rufen if}n al§ rechtmäßigen (?rben beS ^^alifat§ in
ihre <3tabt. @S gelingt jebodj 3ajü), bie Sdjilberhebung ju beroftltigen,
eb,e ber bertrauenSfeltge .§ufein bon 5Mfa nach $üfa gelangt. 9tu§ 9cüd=
ficht auf ben Propheten fucht Sajib ihn ju fronen unb üerfieb,t feinen
ftelbljerrn mit entfprechenben befehlen. Mein in feinem ritterlichen Sinn
Derroirft gufein olle Gompromiffe, bie il)m angeboten Werben. W\i nur
150 93cann toirb er bei ßerbelä bon einer Uebermacht bon 5000 ein=
gefchloffen unb ftirbt mit feinen Settern unb ftreunben ben £>elbentob. 33on
ben Schiiten rourbe er bon ba ab aU 9Jiartt>rer unb ^eiliger bereljrt unb
mit fanatifch glübenber 33egeifterung gefeiert.
3n bie unheimliche Ölutb, biefer SBegeifterung ift bie Stählung ge=
taucht, bie fich langfam unb umftftnblich , mit beftänbiger Einführung an=
fefjnlidjer Öeroährämänner, roie toirfliche @efd)ichte entroitfelt, fich bann aber
ju immer teibenfdmftlidjerem ^athoS ergebt unb mit bielen eingeteilten
Herfen ba§ tragifche Sdjidfal be§ ebenfo frommen unb ritterlichen als uns
glüdlidjen unb berlaffenen $roPhetenfof>ne§ aufs ergreifenbfte ouämalt.
©b^rafterseidmung , Stimmung, Kolorit finb unberfennbar aus bem fieben
felbft gegriffen. $ie ritterlichen mie bie barbarifchen 3üge beS S9ebuincn=
t()um3. ber büftere oatalismul be§ 3slam§ roic ber blutige #anati§mu3
feiner 53efenner finb mit braftifchcr ßraft gefchilbert. %f)tm £>öhepuntt er=
reicht bie bluttriefenbe, grauenhafte Xarftellung in ^ufeinl Sobe.
9cad)bem er fchmer bermunbet fchon brei Stunben am 93oben liegt,
fprengen bier^ig Männer herbei, um feinen $opf ju holen ; bodj ber erfte unb
ber jroeite roeichen fcheu bor feinem SMitf jurüd, roeil feine klugen fo gans
benen be$ (Bottgefanbtcn glichen, (Srft ber ruchlofe Schimr ben £ful=
2)fchaufchan roagt bie uerbrecherifche Zfyat:
,6r fließ bom ^ferbe ab, näherte firf) $ufein, fe^te fid) rittling« auf feine
©ruft unb Ifßte il)tn ba« Sdjtoert an bie Äeffle; ba öffnete er feine ?lugen, blidte
ifjn an unb fprad) : SBefje bir ! 2Öer bift bu ? 3)u bifl t)o$ fjinaufgeftiegen. — Äennft
bu mid) niö)t ? — Stein ! — 3ä) bin ©d)imr ben 3lbut»5)fä}aufd)an el«2)l)ibabi. —
Unb tennft bu mid) nia)t ? — C ja , bu bift Rufern ben %l\ ben Slbu Xälib ; betn
(§ro^Dater ip 3}lot)ümmeb , bcr ©ottgefanbte , beine DJhitter 3fdtime, bie ^>ef)re, unb
betn ©ruber $afan. 5I0cnn bu weifet , bafo bieS mein 5Rang unb meine 9lb!unft
ift, warum itnflft bu miß) tobten? — 3d> r>offe bafür non bem Äfjalifen 3asib ben
ajluäwija bie 93elofmunß ju betommen. — SBebe bir! 5Sa3 ift bir lieber, bie ©e«
lo^nunß üon ^ajib ober bie Vermittlung meine« ©roBöaterS, be« ©ottgefanbten ? —
6in Äreu3er SBelobnung ift mir lieber al« bein JDater, bein ©roßDater, bein SBruber
unb beine SDlutter. — 3Seb,e bir! SBcnn e« unabänberlidj ift, bafe bu mich tobten
roiUji, fo gib mir nod) einen Irunf 9öaffer« üu taufen. — «ebütc ! »ei ©Ott! bu
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410 Xriltcö ©ud). fünfte* Kapitel.
foflft fein UBaffcr foften, fonbern ben 2 ob, einen ©iffen nad) bem anbern, ein ©tüd
nad) bem anbern. — 3d) bitte bid) um ©otteä mitten, roiflft bu nidji bein ©cfirfjt
entlüden, bamit id) bid) anfeben tonn? — €r nab,m feine ©inbe ab, unb ftct/e, er
mar au&fäfeig, t)atte nur ein Sluge, eine edjnauje mie ein $unb unb einen 6d)nurrbart
mie ein ©djmein. 3)a fprad) fcufeiu: 3d) befenne, baß fein ©ott ift außer 9l0af),
unb baß mein ©roßbater SKobammeb ber ©efanbte ©otte* ift ; mein ©roßbater, ber
©ottgefanbte, batte red)t, al$ er eines läge« ju meinem ©ater fagte: deinen Soljn
§ufein mirb ein 2ftann tobten, ber einem $unbe unb 6d)meine gleicht, aufljäfcig ift
unb au* bem SRunbe ricä)t. — 6d)tmr ernnberte : C $ufein, bu bergleid)ft mid) mit
§unben unb Sdjmeinen ! ©ei ©ott ! bid) fott (ein anberer tobten als id). 3*&* breite
er ib,n um auf« @eftd>t unb fing an, if>m bie ?lbern am ^alfe burd)jufd)neiben,
mobei er fprad):
3d) töbte bid) beute unb toeiß felbft
ganj genau (ei ift fein 3mang ju bem ©etenntniß),
baß bein ©ater ber befte SHenfd) unter ber Sonne mar,
ber befte, ber bie borgefdjrtebenen unb aud) bie freimütigen ©ebräudje beobachtete.
3d) töbte bid) bleute unb merbe e* bereuen
unb merbe banad) in ber §öße gebraten werben.
3ebcämal, menn er ib,m eine Slber burd)fd)nitt , rief Jpuiein: Cb, ©roßbater!
ob, 2lbut«Ääfim! ob, 2)ioI)ammeb! ob, ©ater! ot) 91IÜ ob, $afan! ob, Orätime! ob, Surft!
• ob, bie mentge fcilfe! $ann fd)nitt ibm ber ©erfludjte ben Hopf ab, ftedte ib,n auf
eine b,ob,e ©tange unb rief: ©ott ift groß! unb bie ©olbaten mieberb,olten breimal:
©ott ift grofe! $ie (Erbe erbebte unter ib,nen, Oft unb SBeft berfinfterten ftd), bie
*Dienfd)en erfaßte Orurd)t unb 3^tem, bom Gimmel fielen fiebert tropfen ©tut, maä
nur an biefem Sage gefdjab, unb an bem Üage, an meld)em 3ob,anncS, ber Sotm beÄ
3ad)arias, getöbtet mürbe, unb eine Stimme rief bom Gimmel : ©etöbtet ift, bei ©ott !
ber Smam, Soh,n bes 3nuim, getöbtet ift fcufein ben Ali. 2iefl geftfab, am SRontag,
ben 10. ÜJlufwrram (10. Oetober 680)." 1
tiefer gräßlichen $opfabfd)neiberei entfprid)t ber jweite Xty'il, „bie
9tad)e", bie 9)iud)tär an ben ^Jtörbern beä Rufern unb ifjren Anhängern ju
Äüfa öolljieöt. Doflftänbigften ©egenfajj jur roirflicr)en Öeid)id)te fd)Uefet
ber Vornan mit ber 58erfid)erung : „*Dhid)tär blieb in ftüfa, biä er ftarb,
unb ©ott liefe ed nadjbem nid)t $u, bafe für bie Cmajjaben eine t^aljne
wieber erhoben tDurbe. ©ott, ber gelobt unb gepriefen fei, weife e§ am
beften." 2 £er ßfjalif %a$b toirb auf einer oagb wunberbarerweife in
. bie §ÖI(e entrüdt. lieber feine Wnljänger fiegt 9Jhtd)tär8 ^felb^err ^brafjim.
3ur 9taä)e für $ufein$ 2ob roerben jefmtaufenb $öpfe unb adjtjigtaufenb
Cljren unb Wafen abgefd)nitten, bie ^aupträbeßfüfyrer in ber fdbauerlidj^en
2öeife ju 2obe gepeinigt. Heber bie je^ntoufenb Äöpfe Iäfet 5Rucb,tar 2ep=
ptd)e breiten, „unb aüe festen fid) oben barauf; eä würben $ifd)e ge=
brad)t unb Speifen aufgetragen, unb fie afeen unb tranfen über iljnen unb
würben geseilt bon ber t^urdjt bor ben fteinben ©ottrö, feines ©efanbten
unb feiner Familie" 8.
1 3t. a. O. ®. 96. 97. » ©bb. c. 213. * (Sbb. S. 201.
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flnfäfce ju einer d)rifHid)«arabif<hen fiiteratur.
411
2öie bolfstfnimlich gerabe foldjc (Srjft^lungcn bot ben 9Jcob,ammebanern
blieben, $eigt ber Umftanb, baji bie mitgeteilten Stellen aus einer £mnb=
fctjrift bom 3aljre ber £)ibfchta 998 (1590 n. ß^r.) flammen, anbere
£anbfd>riften in berfdnebenen SBibltotljefen (Europas borhanben finb, bic
®efcb,ichte, in neuer Bearbeitung in $airo gebrucft, mieberholte Auflagen
erlebte, noch eine im 3ab,re 1881. S3et ben ©dniten gilt i^r Hauptinhalt
gerabesu als religiöfe ßegenbe. 2>aS „*Dcartbrium" £>ufein§ unb feiner
©efährten famt ber greulichen ^Rad^e roirb als religiöfeS ££efi gefeiert. 25ie
Sügenhaftigfeit, ber Fanatismus unb bie barbarifdje, blutbürflige ©raufam=
feit, roeldje biefe (Stählungen befeelen, roerftn ein büfiereS Sicht auf bie
üppig=finnliche iperrlichfeit ber „Xaufenb unb eine Wacht" unb auf bie oft
öerfummelte Kultur ber Araber, tuefche bie 2Be(t erleuchtet haben foll, roäljrenb
baS mittelalterliche Europa in tieffter Wacht befangen mar.
3fi ein enbgiltigeS Urt^etl über biefen ganzen $tot\Q ber arabija^en
Literatur übrigens freute auch noch nicht möglich 1, fo Iäfjt bie ®efd)tcb,te beS
SslämS anberroärts taum einen S^eifel, bafj mcitere tfatfchungcn jene büjtem
6harafter$üge nicht üerroifchen fönnen.
3cd)öte8 tapitd.
Jlnfäie ju einet ^rtfUtdj-ataßififlen ^itttainx.
Obwohl tDcohammeb ben göttlichen Stifter beS GfunftfnthumS neben
fidj fefbft unb $RofeS als einen ber größten Präger mirfliajer Offenbarung,
als einen erhabenen Propheten gelten ließ, war unb blieb boch ber innere
®egenfa£ jroifchen ^Släm unb 6b,riftentb,um ju tief, als bafe er fidj nicht
rafch unb bleibenb jur unberföfmlichen grbfeinbfctjaft hätte ausbilben muffen.
Wur Sectirer unb Slpoftaten aus ben beiben Magern fonnten fidh, mit ^reis=
gebung ber michtigften ©runbleljren 2, auf bem gemeinfamen 93oben eines
1 „6o tuirb nod) geraume un& ühU Arbeit erforbern, biä man biefeS fo
anjief)enbe @ebiet ebenfo fta>r ttnrb überbltden fönnen, tuie bteä für baS gefdjidjt-
liehe unb geograpljifäe ©ebiet fdjon ber OroU tft." £ rem er, ©ulturgefdjidjte beS
Orient* II, 479.
* A decir verdad, Avevroes, como casi todos los ftlösofos de su raza, habia
»ido muy mal creyentc, que profesaba absoluta indiferencia, aunque no odio,
respecto del islamismo. En su opiniön , el filösofo podia aventurarso cuanto
quiaiera, siempre que en lo externo reapetara el culto establecido. Marcell.
Mmendez-Pelayo , Historia de los Hcterodoxoa espanoles I (Madrid 1880), 385.
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412
2 ritte« äudj. Sedjate* ftaöitel.
Dogen Deismus ober eine» mpftifc^en ^antljeiSmuS jufammenfinben. 3tt5Mc&en
Öalbmonb unb ftreu)', jmifchen Äorän unb Eoangelium in beren urfprüng:
lichem Sinn mar eine Vermittlung nicht möglich. Sie hoben fich bcShalb
üon bem läge ber .ftibfehra bis auf bie (Gegenwart unauSgefefct betämpft,
unb bie cbriftlictje Eiüilifation ift nur ba ,^ur üoüen Entfaltung gelangt, wo
es il)r glüefte, unter ber glorreichen Sürjrerfchaft ber ^äpfte, ben türannifeben
Despotismus ber mohaminebanifcben 9teicbe nieberjuwerfen unb ben Woltern
ihre Freiheit ju erhalten.
Von bem eigentlichen #crn ebriftlicber SMlbung unb Literatur ift barum
nur wenig unb biefeS nur brucbftücfweife ju ben bem %%läm unterworfenen
Völfern gelangt, unb bie Slnfäfce einer cbriftlich=arabifchen Literatur, welche
ftd) trofc aller innern unb äußern Scbwierigfeiten bilbeten, tonnten fid) nie
ju einer eigentlichen 33lütr/e entwickeln; wob,! aber gestaltete fid) bie üon
freibenferifajen Arabern unb ^uben oerarbeitete griednfehe ^^ilofop^ie nebft
ber Äabbala unb Wftermrjftif ber gilben im maurifchen Spanien ju einer
wahren 53rutftätte irriger unb fetjerifeber 31nfcbauungen, welcbc baS chriftlicbe
Europa bis $um Ausbruch ber ©laubenStrennung beunruhigten i.
Eine altarabifche 33ibelüberfefcung , bie in bie 3ca" 9)lohammebs ober
feinet nächften Nachfolger hinaufreichte , gibt e» nicht. 3n ben üon bem
3släm eroberten Säubern lebten faft überall bie oorhanbenen SanbeSfpradjen
weiter. Die ?>uben lafen bie Schrift in ihren 2argumim, bie <5t)riften hatten
ihre fnrifdjen, foptifchen, ätljiopifcben , armenifchen Ueberfefcungen. Wicht
unwahrfcbeinlich ift eS, baß ber Stabbi Sa'abjah, nach feinem Aufenthalt
in 5Q)ium „als^ajjiimt", als Vorfteher ber Schule üon Sora „ha=©aon"
genannt (geb. 892, geft. 942) baS ganje Alte Seftament ins Mrabifcbe
überfc^te. SSorhanben finb üon biefer Ueberfefcung ber ^entateuch, baS
^>ot)e Sieb, ber Prophet ^foiaS unb noch anbere Sucher2. Die übrigen
heiligen Schriften würben theilS üon 3»ben, theilS üon Ehriften, bie einen
nach bem fjfbräifchen ©runbtert unb ber ^efchittha, bie anbern nach ber
Septuaginta, bie Eüangelien nach bem ©riedjifcben übertragen. Die Eüans
gelien würben juerft 1591 in 9tom gebrueft, bann folgte 1616 baS üon
bem .fwllänber ErpenitiS h*rfluSgegebene 9tette Sefiament (nach einem 2ert,
ben ein toptifcher Vifchof um 1271 üon einem altern Eremplar copirte),
enblich erfchien 1671 in brei tfoliobänben bie erfte üollftänbige arabifche
SMbel auf Anorbnung unb unter i'eitung ber ^3ropaganba in SHom. Eine
neue Ueberfefcung ber gefamten Vibel ücröffentlicbten feitbem, ebenfalls mit
1 Ibid. I. 393 sq.
* ©ine neue Ausgabe feiner Söerfe begonnen Don J. Ihrenboury, Oeuvres com-
pletes de Saadia ben Josef al-Fayyoüml. Paris 1896. — Sücitere fiiteraturangaben
bei Böberg, Artitel „Saabia" im Äir^eulejiton X (2. Aufl.). 1425-1428.
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Shiffifce ju einer (f)riftIi^«oratrif(f)cn ßüeratur. 413
V
Billigung beS Hpoftoliidien Stuhle*, bie ^cfuiten ber Uniberfität 511 Beirut
1876—1880.
2Sa3 fonft au* bem Sdwfce ber lirdjlicfcajriftlidien Literatur in bie
arabif^e übergegangen, ift leiber noa> nie, nitfct einmal bibiiograpfnfd), ju=
fammengejteflt roorben1. ©an$ unbebeutenb (ann eä nid)t fein, ba ba*
Slrabifcfie nid)t nur an ber ^ropaganba in 9tom, fonbem aud) in ben
'Öiaromtenflöftern be* Libanon forglifhe Pflege fanb unb au3 biefem £ reife
fogar eine 9teubelebung ber arabifd)en ^oefte Verborgenen tonnte, roäljrcnb
biefelbe fett bem Untergang be§ Ä&alifat* in fämtlicfjen Sänbern beS %mm%
fonft böflig banieberlag.
„$er maronitifaje 2Röna) (Gabriel ftarfuit (geb. 1670), 1725—1732
ate @r$bifd)of (Patron) oon Slleppo ÖermänöS $arf>ät genannt, ift un=
ftreitig unter ben Orientalen (Stiften bie glänjenbfte literarifd&c (SrfdKinung
um bie Süenbe beä 17. unb 18. 3af>rf|unbcrt§ unb r)at bura) ferne $abl=
reiben, gefaltooüen Schriften (etwa 30) eine 2frt 9tenaiftance ber d)riftlia>
arabifa?en Literatur herbeigeführt. Seine ©ebicf)te2 bieten bie mannigfaltigftc
2lbtt>ed)älung, wobei ba* Sieligiofe roeitauä borljerrfcht : mir haben Cben unb
ÖDmneu bor allem an (Jhriftus, an Flavia, an bie Slpoftel unb Jpeiltgen,
aäcetifaVbibartiiaje unb paränetifaVmoratifa)e Sieber, Sujsgefänge, Üobliebcr
auf Sebenbe unb SSerftorbene, lorifche ßrgüffe über perfönltd)e (Srlebniffc unb
jeitgenöffifaie greigniffe, befdjrcibenbe Öcbidjte 5. über SamaätuS unb
3iom. ^at^ät jeigt fidb, in allen Ulrten ber ^oefie als Reiftet ber arabiftben
Spraye unb als Siebter oon ©ottcö Önaben, ben ber bi$terifd)e Sdnoung
aud) bei fdjeinbar unpoetifdjen Vorwürfen unb im 3">onfl occ ^letra uni)
9teime nie ganj oerläjjt: er ift ber crjriftlieh = arabifche Sinter par ex-
cellence."3 3ft feine ^oefte auch nicht gauj frei oon icnem fünftlichen
ÜJlanje, ber fich bei SÜtotanabbi unb aubern Richtern ber Ä^alifen^eit geltenb
mac&t, fo oergifct unb oergibt man bod) leicht biefc Uebcrfömänglidjfciten
be* orientaltfa^en töeifteä über ber ungetünftelten ÜÜärme unb S3egeifterung,
bie feine (Sebichte befeclt. £aä gilt aud> oon feinem 9Jceiftcrftüde , bem
1 2>er fran jöftft^e 3ffuit Üpicrrc Gr to «tage, ber 1740 als 9)lifftoiiar in
SUeppo ftarb, überfefote allein 82 größere unb Heinere religiöse Sd)riften inä 9lrabif<f)e,
barunter bie grerettien beS bl. Ignatius, bie „Gtprtftlicfic SUoafommenbeit" uon
3üfonö Wobriguej, bie ^falmenerflarung SBeuarminö, einen 9lu«jug aud ben £ontro=
üerfen bc* Wartin SBecanus u. f. tu. iügl. Sommenoyel, Bibliographie III, 1039
bis 1044.
2 Diwan de Msgr. Gemüt non Fnrhaf , Archevtqu© Maronite d'Alep (1670
ii 1732). Nouvelle edition collationnee sur plusicurs niunusciit.s et enrichie
d'un commentaire philologique par .S'«iV el-Khoury el-CI>art«uni. Beyrouth lsi)4.
3 Bo ein beutfdjcr Crientalift bei 3avncte, Üiierartfaicö (icntvalblutt 1^95
5p. 1447.
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414
dritte« SBuf . £ed)ötc* flapitel.
„ttbanon4?iebe" (oI=Öobnämjiat) r beffen überreifer fünflleriff er Sfmud
öon ber innigsten ©otteSliebe burf glü^t ifl — ein matjrer $of gefang auf bic
©üte be* Mlierfjöf ften K
Ser auSgejeif nete <Sr$biffof fmt ftf übrigen* nift nur um bie
poetiffe, fonbern auf um bie tljeologiffe unb grammatiffe Öiterotur ber=
bient gemaf t.
Sein Sreunb unb Sfüler WqoläuS Saig, ©riefe bon Abfunft,
ebenfalls Wönf , aber bom Orben be* bj. SBafiliu*, neigte meljr 5um
Sibafiiff en, beft&t aber bof einen ef t poetiff en ©eifi unb reifen 3Mlber=
ffmud2. AI* feine beflen Stüde gelten biejenigen, in melfen er ba*
guief iffe Sf i*ma befämpft unb ben römiffen ^rimat begeistert ber=
fjerrlift. 5ton meifterljafter bogmatiffer ^räeifion ift feine Obe auf bic
aüer^eiligfte Sreifaltigfeit. 3mei ©ebif tc feine* Simon* finb 3»fgr. $ai$&t
geroibmet. Sa* eine ift eine ban!bare $ulbigung be* Sfüler* an feinen
Öef>rer, ba§ anbere eine Plegie auf ben lob be* bifföflifen Sänger*
unb Birten.
Ser britte im S3unb mar «ÖWirbif akflafü), ein Armenier bon ©e=
burt unb Stitu*, mit bem maromtiffen (Srjbiffof unb bem griefiffen
"Dtönf e burf biefclbe &ebe $ur fatljoliff en (Sinfait unb jur arabiffen
^oefie oereint.
Sie Ueberlieferungen biefer Sifterff ule bon Aleppo plansten ftf in
ben ÜWaronitenflöftern ber Antonianer unb Safilianer bis fcerab auf bie
©egenmart fort, unb nof in neuerer 3«t fat ri« ff lifter 9Haroniten=
priefter fornofn* einen eigenen Simon al* auf einen Kommentar ju ben
Siftungen be* Grjbiffof* ftarljät berfafet, bie fif fwnbff riftlif in ber
^arifer fRationalbibliot&et befinben3. Näffif al^äsibffi, ein Gfrift au*
Beirut, ff rieb eine Rritif ju Sacp* $arm=Au*gabe unb berfufte ftf
felbft mit @(üd in ber Wafamenbif tung. Gin anberer (Sljrift in Beirut,
$etru* al=93iftäni, lieferte aujjer einem guten Söörterbuf unb berff iebenen
Seb^büf ern auf ein arabiffe* GonberfationSlertfon (Säi'rat aUma'ärif).
6inen lebenbigen SRittelpunft jur Pflege ber arabiff en Siteratur bilbet
^eute bic bon ber ©efeüff oft 3efu gegrünbete unb geleitete St. 3ofep&§--
Uniberfität $u Beirut, au* beren Srurferet neben ber ermähnten Bibel=
ausgäbe in ben legten 3>at)rjet)nten 3al)r für 3al)r ffön au*geftottete
Weubrude ber fjerborragenbften arabiff en 2Berfe, jatjlreife Seljrmittel für
1 L. Cheikho, Les pootes arabes ebrötiens etc. (fitudes religieuses etc. XLIV
[Paris 1883], 597. 598).
2 Le Diwan du eure Nicolas, superieur g«5n<Sral des religienx grecs Basiiiens
de St, Jean de Choueür (t 1756). 8°. 320 pages. 6' ed. Beyrouth 1890.
9 Fonds arabe n. 323. — L. Cheikho 1. c. p. 598.
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Slnfüfec ju einer d)riftlid)«arabtfd)en ßiteratur. 415
bie berfduebenfien SöiffenSjroeige unb gebiegene religiöfe ©Triften $ert»or=
gegangen finb K
2Benn ft<& w<b in ßonftantinopel, ßairo, Sklaq, Wlejanbrien, SluniS
unb Algier eine lebhaftere 5|kef$tl>ätigfett entmiefeit t,at, fo ifi baS meljr
auSroärtiger Anregung als bem innem 2rieb ber mof>ammebanifd)en SBe--
oölferung sujuf abreiben. $as 3ntereffe, baS bie europäifaV 28iffenf#aft ben
altern Derlen sollte , beranlafcte jum etubium unb fteubrutf berfelben.
$er roacfcfenbe SBerfeljr mit ben Europäern trieb baju an, beren nriffenfc&aft--
lta> Literatur, Sournaliflif unb SBeUetriftif bureb, Ueberfefcungen jugänglid)
ju machen unb in freierer, aÜmftljUcf) felbftänbiger Söeife nad)jual)men. <2o
ftnb u. a. bie tfomöbien 9)toltereS unb SuIeS 5*erneS „töeife um bie
erbe in aa^tjig Sagen" ins ^rabifdje überfefct. 2US ber bebeutenbjie ara=
btfaV Philologe unb ^ournoiift gilt ber oom Gfaiftentfmm $um SSläm
abgefallene ©nrer Stymeb ^äris, ber 1887 in Äonftantinopel ftarb — ein
neues 3eugnijj bafür, bafe ber 3äläm aus fiefc immer feljr unfrud&tbar
geblieben ift unb im ©runbe bon ben Abfällen anberer Hölter unb Gulturen
gelebt $at.
3m ganzen bietet bie moljammebanifaV 2Belt no$ freute baSfelbe troft=
lofe ©cfcaufptel, wie es fd&on bor mef)r als adjt Saf^unberten ber §rei=
benler %bü:V%la SRaarri gewidmet f>at:
B3d) fefje bie SDienfdjen liegen im ftaber unb Streite:
SKo tajUiten unb SJtorgiten, Sporen auf jeber Seite.
$te Könige benlen auf etnd nur: fd)lemmen unb effen,
2?ie Statthalter tümtnert nur einö: Steuern erpreffen.
3f)red ©ebieterä $itl ift: bed *ftad)barn (Sau
3u plünbern ober ju t>erfüf>ren beffen Sfrau!
Gin Srunle, ber fiel in« 2f)al, b>t, ftie befannt,
Sdjon oft bie ganje Söalbung niebergebrannt.
©ibfd in ber SBett eine Stätte nod) gemeint bem 9ted)te?
28of)lan, fo fudj' fie mit ber Sampe im $unlel ber Städter«
SBon bem Sitzte beS Gf>rijientljumS aber Ijaben ftd) bie fortgefdjrittenften
9Jtof>ammebaner ebenfo fdjroff unb trofcig abgeronnbt wie ber peffhniftifdje
^fn'lofopl) Wa'arri:
„5)1 ad» t mid) nidjt ju eurer 3feinbfd)aft 3*el:
SJenn füroafjr 6f>riftu3 unb 9Jloljainmeb gelten mir gleidjoiel.
1 Cataloguc general de riraprimerie catholique. Beyrouth 1890 (umfafjt
452 Stummem).
2 Ueberjefct oon ftremer (3eitfa)rift ber Seutfdjen 2)torgenlänb. ©efcUfd).
XXX, 472—475).
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Tritte« 99u<fj. Se^Stc« Äopitel.
9iüfct ber aJtorgenfäein etroa bcm 9ta<f)tburef)tt>aQer,
Dber ift bie 5inftcrnt& bad gemeinsame SoS aller?
Sinb ftc attc blinb, fann teiner ben äöeg erfpäfnt?
Sott id), ber »linbe, allein ba« SRidbtige fetjn ?
ttin Öetb, ber burd)ö £ebcu befttmmt ift, immer leiben,
Ter fjat reifjt, bie mobernben ©ebeine ju beneiben.
Tie Ältngen lommen in ber *Scz)eibe enblüfc jur Haft,
Tod) ber Sfl&eibe entriffen, trifft fie ber Arbeit Saft.
S(d) gebt mir butx) einen Seib, ber nidjt füf)U bie tytin,
Ter empfmbungalod bleibt toie ein Stein!
Sobalb fidj einmal ber (Seift mit bem Äörper uerbunben,
Äann feiner ber SBetben oom Sied)ttnim roieber gefunben!
lÖift bu, o ©eift, ein §aud), nun beim, fo öerroefje!
23ift eine (Hamme: nun benn, o Stamme, üergetje!"
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I
»icrtcs Surf).
ßit £iterotnr btr JJtrftr.
Baumgartner, ©tltliteratur. I. 2. Äufl.
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©rftcä ^opitct.
5a$ £vefla unb bte TgeWevi-^iUxatux.
jOie arabtfc^e Literatur toeift faft auf ©abritt unb %t\tt auf bie fttime
unb Anregungen t)in, meldte fie bei perftfdjen banft, bie mit bem <Sa)afc
einer mefjr als taufenbjäbrigen Gulturüberlieferung ben r)alb barbarifdjen
53ebuinen= unb ftriegerljorben SftofjammebS entgegentrat. Öeiber fonnte fidj
biefer fegen§reia> (Sinflufc erft geltenb macben, nadjbem ber 3§lam in feinem
erften Anfturm fd>on bie ©täbte unb fianbfdjaften $erfien§ öerroüftet, it)rc
^euertempel unb $önig§paläfte jerftört, ityre religiöfe unb profane Literatur
grofcentrjeiU burd) ben &orän berbrängt tyatte. 35aä weite Safellanb jrotfd^en
bem Xigrte unb bem 3nbu3, bem |)inbufufaj unb bem ^ßerfifdjen ©olf um=
faftte inbe3 neben feineu SBüften unb <£teppen aucb glüdlidje, gefegnete
Öanbftriaje, bie fiel) fd)on t»on frühem Rataftropfyen immer mieber ju neuem
£eben erholt Ratten. $)a3 mar aud) je&t ber ftall, unb bie Hölter inbo=
germanifeben Stammet, roeldje fie bewohnten, befajjen eine jär)e SebenStraft,
bie jmar ba§ übermäßige 3>od> ber 9)lof)ammebaner nidjt met)r ab$ufcbüttcln
Dermocbte, aber afl ujrem ^fanatiSmuS jum %xo§ bie eigene <Sprad>e unb
Ueberlief erung , ben eigenen 23oIf§geifi, im füllen aurf) roobl ben Glauben
ber Später ftanbljaft feftlnelt unb bemaljrte. 3)ie neue Literatur, welche
nadt) ber Eroberung emporblüljte , bebiente fidt) jmar ber Sdjriftjeicrjen ber
Araber unb fügte fid) in Anfangt unb Sd)lujjformeIn ber S3üd?er unb in
managen religiöfen Aeufcerungen ir)rer ^orberungen unb ©emoljnfjeiten ; allein
ber 0»3eift biefer Literatur blieb im ganjen unb großen bem alten 3*an
treu. 3te fpiegelt eine ben Arabern frembe 9BeIt. <Sie ruf)t auf ben An=
fdjauungen, Sbeen unb Sagen ber alten ^erfer. 3Bar e§ and) nid)t mög=
lieb, bie alte 3?olfsreIigion unb 58olf§literatur mieber au§ ben Krümmern
$u erroeefen, fo ift bie letztere boeb tfycilroeife in neuem ©emanbe frifdt) auf=
gelebt, bie erftere menigftenS noeb in einigen Ueberreften erhalten.
1. Alt--^erfien unb feine Snfcbriftcn.
Öefcbid)tüd) erfebeinen bie Werfer juevft unter bem Warnen ^afua in
ben Amtnlen be« affntifeben Königs 3nlmanaffar II. (860— 825 ü. (Hjx.),
ber im Sabre 830 einen ^felb^iic^ gegen fic initernabm, in ber ßegenb bc*
27*
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«ierted 8ud). Crfte* Kapitel.
heutigen UrumiaIj=©eeS. $ie Webtet mofmten bamals nod) metter nadj
Often unb famen erfi fpäter mit ben Wfforiern in ©erüfjrung. Später
finben mir bie Werfer im 9teiO)e Slnjan (©ufa?), bem ©tamtnlanbe beS
£önigäa,efa?ledjtS ber 2lä)ämeniben. $ie babtjlonifa> (Sultur unb mit ü)r
bie babüJonifd)e Äeilfd&rift feinen fie Don ben (Slamitern, beren Gebiet Tic
eroberten, ober unmittelbar Don ben SBabttloniern nadj ber einnähme StaboIonS
(538 0. (Sfjr.) angenommen ju ljaben. Sie älteften $enfmäler iljrer ©pradje
unb ©ärift ftnb bie 3nfd>rtften beS GgruS ju <Diurgr/äb unb biejenigen,
bie Marius an ber jteil abfallenben ftelsroanb tum Se^ijiün in mein* als
ljunbert 3Reter ^)öl)e eingraben liejj. $iefelben oerratfyen öon bem 93or=
c/anbenfein beS Stbefta ebenfomenig eine ©pur als bie Angabe #erobotS,
bajj bie perfifdjen Etagier bei ifjren Opfern bie $ljeogome fangen. 2Sebcr
£erobot, nodj Xenopljon, nodj ßtefiaS, bie ft# länger in Werften aufbetten,
berieten etmaS oon 3°«>afier ober oon beffen Religion, unb „man muß
gegen aüe ©aljrfdjeinliäjfett angeben, menn man bie Religion 3oroaftcrS
öor baS 7. ober 8. Dorc&rtftHdje Sabjljunbert batiren miß" K ©djon bap
GnruS ober Marius biefe Religion befannt ljaben foHen, iji nid)t me^r als
eine nodj unberoiefene £>npotfjefe, gegen bie gemiajtige ©rünbe fpredjen 2.
3n ben SSorbergrunb ber mtrflidjen 5öeltgefdr)idt>tc traten bie Werfer
erft bur# (SoruS ober $uruS (558—529 o. Cüjr.), ben erften grojjen
£errfd)er aus bem $aufe ber Wajämeniben, ben Ueberminber bebten* unb
SJabölonS, ben SBegrünber ber perfifd&en 2öeltmonard)ie , rocl^e baS (Srbe
ber affnrifa>babnlomfdjen antreten follte. 3f)m marb bie 6ljre $u tljeil,
als Befreier beS iSraelitifajen 93olfeS, als Söieberfjerftefler SerufalemS oon
ben ^ropljeten beS Sitten 93unbeS feierlich angefünbigt $u werben.
$IS Jeremias über ben %att SerufalemS trauerte, warb if>m in er=
rjabener SSifion ber gall beS ftoljen SBabüJon gezeigt: „©ielje, id> ermede
unb bringe herauf über 93abnlon eine ©ajar großer Golfer aus bem Sanbe
beS Horbens, unb fie maffnen ftd) miber felbeS unb oon bort aus »irb
es erobert; ifjr ^pf eil , mie ber eines morbtuftigen gelben, fef/rt nie leer
jurüd 3. . . . föicfjtet ein panier auf in bem Sanbe, ffojjet in bie Drommete
unter ben Sßölfern, meidet miber fte Nationen, rufet miber felbe bie Könige
oon Wrarat, äRenni unb 9lStene$, entbietet miber felbe Xapljfar, führet Stoffe
herbei gleid& borftigen ^eufajreden. SBei^et mtber felbe Hölter, bie ftöntge
1 C. de Harlez, La Bible et l'Avesta. Revue Bibliquo Internationale V
(Paris 1896), 161—172.
1 L. C. Camrtelli, La philosophie religieuse du Mazd&snie sous les Sassa-
nides. Louvain 1884. Introdnction p. v. — Sgl. ffr. Spiegel, Söergleidjenbe
©ratnmatif ber alteranifdjcn Sprad)cn (ßctpjig 1882) ©. 6. 7. — C. de Harles,
Introduction ä l'^tude de l'Avesta (Paris 1881) p. ccxi— ccxn.
8 3er. 50, 9.
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2)a* Äöefta unb bie $ebleöi«8iteratur.
421
SÄebienS, beffen gelb^erm unb beffen Bögte unb baS ganje 2anb feiner
Botmäfjigfeit. ... $)a Ioffen bic gelben BabolonS ab üom Streite, fi^en
in ben Burgen, aufge^rt ift ifjre Äraft, unb fic »erben gleiä) SBeibern;
angejünbet werben ir)re Befyaufungen, jerbroäVn iljre Stiegel. Säufer fommt
bem Säufer entgegen, Bote bem Boten entgegen, um $u melben bem Könige
Don Babbion, baji genommen fei feine ©tobt bon einem (Snbe pm anbem,
bafc bie gurten befefct unb baS SumpfgraS mit geuer ausgebrannt worben
unb bie ÄriegSleute in Berwirrung feien." 1
(Benau mie es ber ^3ropljet Diele 3afjrjefjnte jubor geflaut, fo gefdjah,
ed. 9iadjbem ßoruS ben ßönig 9iabonibuS in offener fjelbfdtfacfjt geflogen,
belagerte er iljn in Babbion, ber gemaltigften Kiefenfeftung bon Elften. 3)ie
Belagerung festen faft hoffnungslos, benn bie Stabt mar für 3>ab,re lang
mit Borratb, berfefjen, burö) ben (Supljrat unb bie mäd&tigften BefefrtgungS*
werfe geberft. GöruS leitete inbeS burd& eine Üanalanlage ben gfofe bon
feinem natürlidjen Bette ab, fo bafc fein £eer burd) baS ausgebrannte
Sumpfgras an bie 2Bäüe bringen fonnte. 911s aDe Borbereitungen getroffen,
Itefc er ben legten $amm burdjftedjen unb bie längft umzingelte Stabt bon
ber gluBfeite b,er ftürmen, mä^renb bie Babtolonier, in falfa> <Sicr)err)eit
eingewiegt, bei §eftgelagen fd>welgten.
23ie Jeremias ben Sturj Babylons, fo fünbete SfaiaS ben SBeltberuf
beS GnruS als propb>tif#eS Borbilb ber (Srlöfung in er^abenfter Sßeife jum
borauS an:
„So fpridjt ber £>err ju meinem ©efalbten, (StoruS, beffen fRedyte idj
erfaßt Imlte, baf$ iO) niebermerfe bor feinem 9lntli$e Böller, unb juwenbe
ben 9tüden ber Könige, unb bor ib,m Üf>üren öffne, unb Stjore fidj> nidjt
fdjltefcen. 3d> werbe bor bir tyergeljen unb bie £ol)en ber (Srbe bemütljigen,
eherne Pforten jerfprengen unb eiferne Stiegel jerbredjen. Unb \<h gebe bir
berfterfte Säjäjje unb ßleinobien ber Berborgenf)eit , bamit bu wiffeft, bafj
idj ber £err bin, ber id) bieb, rufe bei beinern tarnen, 3SraelS (Sott ; wegen
meines Änea^teS 3oJob unb ^Srael, meines ßrwäb^Iten, ba rief id) bidj bei
beinern tarnen, idj maä}U bid(j jum ©leidjbilbe, unb bu fannteft miaj nidjt.
3ct) bin ber £crr unb feiner fonft; aufjer mir ift fein ©ort; i# gürtete
bidt) , unb bu tannteft mia) nidjt; bafi fie wiffen, bie bom Aufgang ber
Sonne unb bie bom *Riebergange , bafi feiner ift aufjer mir; — id) ber
$err unb feiner fonft, ber bilbet 2id)t unb fdjafft ^rnfternifc, ber ^rieben
madjt unb Unheil fajaffet; idj, ber £err, tfjue alles biefeS." 2
Xaran fnüpft ftd> bann baS fefmenbe ftktyn nad> einem (Srlöfer, ber
nid)t bloß baS Bolf ©otteS aus feiner ©ef angenfdjaf t , fonbern bie ganje
5Jtenfd)f)eit bon ben Banben ber Sünbe erretten fofl:
1 3«. 51, 27-32. » 3f. 45, 1—7.
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422
Viertes ähid). €rftc* Äapiiel.
„Stauet, Gimmel! aus ber £>öl)e, unb holten! regnet ben Öeredum ;
auftaue fia) bie (£rbe unb laffe erblühen ben £>eilanb, unb ©eredjtigleit
entfproffc sumal; id), ber $>err, icfo fcfcaffe üjn." 1
60 ^el)t Gnrus, ber ©rofefönig ber ^erfer, ungleid) erhabener ba als
afle bie mntfjifaVn #enf(&er bes Slbefla, bie alten 9iiff)iS ber Snber, ja als
bie mächtigen v}M)araonen bon 9Reinpl)is unb Sieben unb bie friegerifd&en
Äönige bon Wnibe unb ©abölon. 6r fjat feine Wiffton glänjenb erfüUt.
<5r fjat ba* ausermitylte Holt ©otteS an feinen 53ebrängern gerächt, es aus
fetner Tangen £ned)tfd)aft erlöft unb eS wieber in feine Heimat jieljen laffen,
um ben Tempel bon Serufalem neu aufzubauen unb ben GultuS beS einen
wahren ©orte* feierlich bor allen Gollern ju erneuern.
3n»eil)unbert Safere ^crrfdt)t nun bas ©cfcfeleaV ber 2ldjämeniben ü&er
baS gefamte meftliaje 9tfien bis an ben #inbutuftf unb an bie Ufer bes
3nbuS. ÄambnfeS (tfambubfc&ija), ber ©ofjn bes Gnrus, Def)nt bas fteia)
noa) über Sorus, Güpem unb Slegbpten aus. 9US „3flefut'=9ta, ©ofm ber
©onne, Äembat'et" erfdjeint er auf ben ägpptifaVn tfönigSlifien als erfter
ber XXVII. Smiaftie. 3fmt folgt Marius £nftaspis als Slnt'eriutföa, Serres
als Gljföaiarfoa, «rtarwje» als Strtaajfoaföa, Marius Wotlms als «nt'eriulf^a.
Marius #bftaSpis unterwirft oon neuem ba* aufrü&rerifdje Söabölon unb
ermeitert bie öerrfdmft uaa) Europa Inn, über 2t)racien unb ÜJlacebonien.
$er ungeheure ftolojj reifte jefct bom inbifa^en $enbf#ab bis tief
in bie «alfaninfel hinein, oon ben Ufern beS Äafpifdjen 9)ieereS bis an bie
dufeerften ©eftabc beS ftotljen «DieereS unb beS Snbifdjen OceanS. ^olitifd)
mie militärifd) mar baS 9teitf> träftig organifirt. ßntfpreajenb ben fedjS
Wften ©eiftem am 2f>rone SUjura 5Kajba§ ftanben bem ©rofctömg bie
feajs anbern ©tammesfürfien ber $erfer $ur «Seite. 9US Leiter unb 33ogen=
fdm&en waren bie Werfer bie furdjtbarfte unb gemanbtefte Wrmee ber 2öelt.
En iljrer ©pi|e fämpften meift bie ©rofefönige felbft. Sie reiche ©iegeS=
beute manbten fte an iljre rieftgen ^aläfte 51t ©ufa, ßfbatana, ^erfepolis,
»0 eine einljeimifdje $unft bie glänjenbfte $rad)t entfaltete unb äugleid) an
ben erjeugniffen ber affprifcfcbabölonifdjen Silbnerei fidfo weiter entmideltc.
«n bie ^eläwttnbe bon ©efnftün liefe Marius in Äeilfajrift baS 33erjeid)niB
feiner Sauber unb bie 9teu> feiner ©rojjtfwten einmeißeln:
fpricfct Marius ber tfönig: $urd> bie SHac&t Nuramajbas bin
itfl ßönig; Sluramasba übergab mir baS Äetaj.
„@S fpriajt Marius ber ilönig: SJiefeS finb bie ^robinjen, bie mir
untertänig mürben; burcit) bie 9Kad)t 91uramajbas mürbe ia^ i^r #önig:
Werften, ©uftana, 58a6ölon, ^Ifförien, Arabien, ?legi)pten, bie am ^Dieere,
^parba (bie ©parttaten im erften 3Jurf> ber ^adjabäer), ^onien, ^Jebien,
1 3f. 45, 8.
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2aä Slöcfta unb bie «Pcbteni.ßiteratur.
423
Armenien, (Sappabocien, s}krtljien, $rangiana, 91ria (£>erat), GljoareSmia,
iöaftrien, 3ogbiana, ©anbara, bie ^ataS (Sfptfjen), bic Sattagpben (Il)ata=
guS), Stradjofien unb Wala (Etefrän), im ganjen 23 Sänber1.
fpridjt Marius ber Äönig: $iefe§ finb bic Sänber, meldje mir
untertänig mürben ; bureb, bie ®nabc 9lurama5baS mürben fie meine SDiener,
ftc brauten mir Iribut; maä ifjnen bon mir befohlen marb, bei $ag unb
bei 9iad)t, baö mürbe bollfmjrt."
9ln ein paar Meinen SRepublifen jebod), ben tleinjlen ©emeinmefen ber
bamaligen 28elt, brad) fidj bie (Sroberungsluft beS gemaltigen 9?icfenreidt)c^.
9)taratf)on (490), bie Ifjermopblen, ^Irtemifium unb oalamiä (480), ^latää
unb 9)töfale (479) be$eidmen bie glorreidjen 6tätten, an melden r)ellentfc^er
Orreüjeitsfinn, SßaterlanbSliebe unb lapferteit bie ftolje Uebermadjt bcö per=
fifdjen ffieltreidjeS brad}. 91nbertljalb ^atjrljunberte fpäter lagen griedjifdje
§reiljeit unb SMlbung bem ftoljen 5Jtacebonier ju ^ü&en, ber nun felbft als
Gröberer aussog, baS perftfe^e SBeltreid) zertrümmerte, fein eigenes neues
&teltreid) nad) Horben, Often unb Süben meit über beffen ©renken f>in
ermeiterte unb bann mitten in feinem Siegeslauf in bemfelben 33abblon
ftarb, mo @bruS einft bie Sperrfdjaft ber Werfer begrünbet blatte.
23aS bas alte Werften an Literatur befeffen b,aben mag, cnt3ier)t fieb,
näherer JBeftimmung, ba im Saufe ber bieten friegerifttVn tfataftropljen alle
literarifdjen Denfmäler untergegangen finb, mit 'tanafnne ber berühmten
3nfd)riften bon $ef)iftün, ^ßerfepolis, 9taqfdM=9iujtam unb einiger anbercr,
meldje, meift bon neufufifdjer unb neubabölonifd)er, einigemal aud) ägi)ptifd)er
Ueberfejjung begleitet, $ur (Sntjifferung ber babolonifd)en mie ber altpcrfifdjen
>ieilfa)rift geführt fjaben unb für bie ©efdjic&te bon unfdjä&barer Sistig:
teit finb, aber ber 2iteraturgefdnd)te nur einige Irüminer ber einfad)ften
^rofa bieten2. 911* eigentlichen 9luSgangSpuntt ber perfifajen Literatur ift
man besljalb gemolmt, bas „Slbcfta" ju betrauten.
1 13. Thßtiy. Darayavus. khsAyathiya. inift. dahyAva. tyA, raanfl. patiyAisa.
vasn
14. A. AuraniazdAha. adamsAm. khsAyathiya. Aham. Parca. Uvaja. BA-
birus. A
15. tharA. Arabäya. M'udrAya. tyaiy. darayhyä. (,'parda. Yaunä. Mäda.
Arm'ina. Kata
16. pat'uka. Parthava. Zaraka. Haraiva. Uvarazin'ia. BAkhtris. Qug'uda.
GnüdAra. (,'a-
17. ka. Thatag'us. Harauvatis. Maka. fraharvam. dahyäva.
5r. Spiegel, 2)ie nltperfifflf>en Äcüinfcfiriften im ©runbterte mit Uebcrfefeung,
©rammatit unb ©loffar (Seipjtg 1862) S. 4. 5.
* 3>ie fämtlicben 3nf(bnften fyerauägegeben Don : 5t a to l i n f o n (Journal of the
Roy. Asiat. Society [1846 — 1847J vol. X and XI); 2f). »enfeti (ßeipjig 1847);
3. Dppert (Journal Asiatique. Paria 1851. 4* serie, vol. XVII— XIX); 3fr.
Spiegel (Ccipiig 1862. 2. 3lufl. 1881); 6. Äoffotoicj (Petropoli 1872);
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424
Sherteö 23ud). Gifte*) ilapttel.
2. Die aoefHfd>e Religion unb Sage.
5)a3 „Sfoejia" ober, mie man es früher nannte, „3enbat>efta", toelaV*
Slnquetil Duperron erft um bie Glitte beS 18. 3abrljunbert8 aus Snbien
naä) Suropa bradjte, umfafet nidjt bie fämtliajen Sfteligion§büdjer ber alten
Werfer, fonbern nur einen Xbeil berfelben, nadj ben Angaben ber Sßarft 348
bon ben 815 Äapiteln, in melaje bie urfprüngliäjen 21 93üo>r („WoMä")
geseilt maren. Der Warne „Sfoefla" bekämet baS „®efefe", ba§ SBort „3enb"
ben ba£ ®efefc erläuternben „Kommentar". Der Warne „Qen\>" mürbe audj
auf bie 'Spraye übertragen, in meldjer baS „Woeßa" getrieben ift unb meldte
|id& Don jener ber acfyämenibtfdjen ^elsinfc^rtften nur bialeftlfä) unterfajetbet ;
er fjat fidj in biefer Bebeutung bis tjeute behauptet, obrooljl Opert u. a. ibn
bur# bie SBcjeidmung „altbaftrifdje <Spraay oerbrängen rooflten. Der Warne
„2foefia=^praaV würbe ftd> an feiner ©teile infofern empfehlen, als fonft
fein SBerf in biefer Spraye mebr borfjanben ift1.
Die nod) erhaltenen 33rud)flüde beä 9lbefta gruppiren ftd) in tiier £aupt=
tb>ile, üon melden bie erften brei bie große öffentliche Siturgie (SBenbibab
6. Colinen (»ofton 1892); 2öeifebad) unb »ang (»fforiolog. »ibl. X.
fieipjig 1893). — »gl. 5- «>. Söeifebtti Sie altperftfd)en 3nfd)riften (©runbrtfe
ber iranifd)en ^bilologie II, 54—74).
1 Aufgaben beS 2ejrte« Pott: 3- CHbaufen. Hamburg 1829. — .V. E.
Burnouf. Paris 1829—1843. — »rodbau». Seipaig 1850. — Sa f fett.
SBonn 1852. — 91. 8. aöeftergaar b. Äopenbagen 1852— 1854. — 3fr. Spiegel.
Sßien, I. 1853; U. 1858. — St. 8- ©elbner. Stuttgart, I. 1886; II. 1889;
III. 1895. — Idalji Darabji. Bombay. A. Y. 1200. — Frdmji Aspandi&rß.
1842. 1843. — Tehmuras Dinshutc Anklesaria (nad) Sßeftergaarb). Bombay 1888.
Itebcrf jungen Don: 3fr. Spiegel, ßetpjig 1852 — 1863, banad) englifd)
Pon A. Bleek. Hcrtford 1864. — C. de Harlez. Liege 1875—1877. 2« <§dit.
Paris 1881. — James DarmesteUr (in ben Sacrod Books of the East IV. XXIII).
Oxford 1880. 1883. — L. H. Mills (Sacred Books of the East XXXI). Oxford
1877. — James Dannesteter (franjöftfd) in ben Annales du Musee Guimet XXI.
XXII. XXIV). Paris 1892—1893.
(SoUtiaentare unb (Hnlritungeit: Anquetil du Perron, Zend-Avesta. Paris
1771. — 3 oh. Sfr. Äleuler, 3<«b»3ltefta. SRtga 1776— 1788, unb Senba»Stoefia
int «leinen. {Riga 1789. — 3f. S. G cf arb, Ormujb'8 lebenbe* SBort an 3oroafler.
©reifäoalb 1789. — M. Hang, Essays on the sacred language, writings and
religion of the Parsees. Bombay 1862. 9lcu bearbeitet Pon SBeft. Sonbon 1878.
3. Slufl. 1884. — II'. D. Whitney, The Avesta. Oriental aud Linguistic Studies
(New York 1874) p. 149 — 197. — A. Hovelacque, L' Avesta, Zoroastre et le Maz-
d^isme. Paris 1880. — James Darmesteter, Etudes Iraniennes. Paris 1883. —
3fr. Spiegel, Crantfcbc Wtertbutnalunbe. ßeipjig 1871— 1878. — 951. Wunder,
©eföidjte be« SÜtertfium« IV. 5. »ufl. ßetpjig 1880. — Ä. ©clbner, «rtifel
Zendavesta in ber Encyclopaedia Britannica. — St. 3f. ©elbner, StPeftalttteratur
in 50. © e i g e r unb 6. A u b n , ©runbrifc ber trantftben Philologie II (Strasburg
1896), 1- 53. ~ C. de Harlez, La Biblo et 1' Avesta (Revue biblique. Paris 1896,
1" Avril, p! 161-172).
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®<xi 9l©efla unb bte «Pefiletn-Siterotur.
425
©abe) junt WuSbrud bringen. „SBenbibab" ift eine Öeiehe^fammlung, melaje
$auptfä$lidj £äuterungS= unb ReinigungSborfd&riften enthält; „3)a<;na" ift
eine Sammlung liturgifajer (lebete unb £bmnen, bon »eichen bie lefctern,
bie „©ätf>a", in fünf ©nippen geseilt, bon Dielen für bie älteften SBeftonbs
tljeile beS 9Ibefta gehalten werben; „SBiSpereb" bilbet eine (Srgänjung junt
erfien Steile beS „9)a<?na". „Äljorba Stbefta" (baS {leine 9lt>efia) enbliaj
ift ein 9luS§ng aus bem übrigen, für bte ^ribatanbadfot benimmt.
Cbmofyl bie 6pra$e beS Slbejla Ijeute fo jiemlid> erfc&Ioffen ift, geljen
bie ftorfcfjer bod) in ber @rflärung feinet SnljaltS, befonberS ober in 33e=
jug auf Ort unb 3*ü feiner Slbfaffung meit auSeinanber. 3m allgemeinen
mtrb zugegeben, bafe bie berfdnebenen 2fjeüe be&felben aus oerjdjiebener 3*ü
unb bon berfdjiebenen ÜBerfaffern Ijerrüljren mögen. Allein mäljrenb bie
einen ben Urfprung ber 2(beftalef)re in SBaftrien, am Oberlauf beS OntS
fu$en, berlegen bie anbern tljn naaj HWebien, füblidj bom Äafpifdjen ÜJleere ;
mäf)renb bie einen ifjn bis anbertfyalb ober gar brittljalb $af)rtaufenbe bor
Gt)riftuä Ijinaufrüden , fejjen iljn bie anbern erft biel fpäter an; in bem
toeifen 3ara^uf^a (bem 3oroaftcr °er ©rieben) , roeldjer im 3lbefta felbft
als Präger ber bon ©ott erteilten Offenbarung erfdfeint, feljen bie einen
nur eine mtjtbifcfie ^ßerfönlidjfeit, anbere eine roirllid&e, gefdna^tlidje ^ßerfon,
unb ^mar entroeber ben n>it!ltcr)en Urheber unb erfien fieljrer ber 3tbefia=
Sieligion, ober nur einen fpätern Reformator, ber bte altere Ueberlieferung nad>
mannigfad)er SBerbunfelung auf iljre urfprüngliaje Reinheit jurüdgefüfyrt Ijabe.
9111 biefe fragen ftnb nodj 51t feiner entfdjeibenben Cöfung gelangt, fonbern
f)aben fidj burd) Rebenfragen unb iptypotfjefen eljer nod) mef>r bermidelt.
Ofme un§ tiefer in baS Sabbrintl) biefer benoidelten fragen ffineinju:
wagen, ftnb mir bod> $u ber Wnnafjme beredjtigt, bafj mir in bem nod) er=
fyaltenen %tii beS 2toefta feineSmegS baS ältefte $enfmal iranifdjer ©pradje,
Religion unb Sage bor uns ljaben. Rad) ber perfifdjen Ueberlieferung
felbft, mie fte im „hinfort" unb „91rbä=i=3$ircif" oorliegt, mürben bei bem
Einfall 9llejanberS b. ©r. unb roäf>renb ber barauf folgenben grtednfdjen
£errfdjaft bie ^eiligen 5Büd)er jum 21)eil bernid)tet, junt 21)eil jerfheut, fo
bafe es unter bem Mrfaciben SBolgcfeS (bielleidjt bem I., bem 3eügenoffen
ReroS) große Sttülje foftete, bie Ueberrefte berfelben jufammenjubringen. $er
erfte ber ©affanibenfönige , 5trbafr)ir ppafän (226—240), liefe biefelben
burd) ben Cberpriefter Sanfar ftcfjten unb ergänzen, ©dwpur I. (240 — 271)
meitere Radjträge unb ^rgänjungen fammeln, ©d)äpur II. (310—379)
enblid) baS ©anje burefo ftbarpäb nod) einmal prüfen unb bann als feften
Ganon ber majbaifdjeu Religion berfünben1.
1 bte äufeerfien ©renjen beS 3f'tTaumd, innerhalb totldfti bie gntioicflungö«
ge^t^te be« Sltoefta fiel, toürbc fid) banaä) 560 t>. 6^r. unb 379 n. 6^r. ergeben.
%d)ömeniben«, «tfoeiben- unb Saffambenjeit b,abeit t»ermutf)ltd) gfet^efi 91nrcd)t auf
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Wmtti 58ud). Grftea «apitel.
$te ©pradje be£ SlPefta berührt fid) nabe mit ber älteften ftoxm bcS
Sattsfrit, tüte ftc in bett inbifdjen 5kben erholten ift. 9lud) bie religiöfcn
Wnfdjauungcn, Sitte itnb Kultur roeifen Piele 33erübrung4punfte auf unb be=
grünben bie Slnnalmte, baß bie Girier in ^ran ttnb in 9Jorbinbien öon gemeins
famen Stammten in £>od)afien ausgegangen unb urfprünglid) ein unb
betreibe 3?olf finb. $od) nalmt bie gefamte Gulturenttoidlung, befonberä bie
religiöfe, bei beiben einen feljr oerfdnebenen Verlauf. SÖäbrenb in 3nbicn ber
SrafmtaniämuS bie .^>crrfcf>aft über ba» ganje nationale £eben an fid) riß unb
ben urfprünglid) tbatfräftigen SSolfSgeift in einem unabfebbaren Refc Pott
rituellen Wormeln, pbilofopfiifdjen Speculationen, mptfjologifdfen unb mtyfrifdjen
Irftumcreien gefangen nabm unb lähmte, blieben bie panier porb,errfd)enb
ein rittcrliaV'ä Jfriegeroolf, Poll Unruhe, 33eroeglid)feit, füfmem Unternehmung^
geift unb toilber 2f}atfraft. SSJo^I r)etfc^ten aud) iljre ^ßriefter — bie "Jftobebö
be$ $önig$bua)e§ — jafjlreicbe Anrufungen, Reinigungen, Cpfer unb Cpfcr=
gebraute. Xodj nahmen biefc Riten nid)t ba» ganje Seben in 3?efcblag,
nod) weniger ergab fid) ba§ 93olf, toie jenes ber 3nW, einer a§cetifd)en
ober p^ilofopr)tfcr)en 93efcbaulid)feit. $ie Religion felbft, foroeit fte fid) an:
näfyernb aus ben ocrfd)iebcnartigen 3*rud)ftüden be§ 9toefta beftimmen läßt,
erfdjeint einfacher uttb geller, unb roeift auf eine urfprünglid) monotfyeifrifcbe
Färbung b»t. Martina, ber lichte Jpimmetefyerr , tft fner nidjt burdj einen
betrunfenen Snbra ober gar burdj ein ganjeS ^antbcon oieltöpfiger, tmnbert=
armiger ©ötterfrafcen oerbrängt. $ie Wuffaffung ber ©ottbeit ift eine oor=
miegenb geiftige, fpiritualiftifdjc geblieben1.
baö SBud). ttber ein fidjereä Kriterium, btefe Venoben innerhalb bes Äwfta ju
jdjeiben , feb,U annod). 3» ber Ärfacibenjeit war bid 511 einem SOologeje* nad) ber
Srabition bie einheit bed Ganonö oerloren gegangen, maS nid)t auSfdjlieBt, baß in
biefer Diele unferer 2er.te erft entftanben finb refp. nad) Dorhanbcncn Lüftern neu
gemobelt tourben, mäfjrenb in berfclben 3^it Don bem Sitten meleä ber SJergeffenbeit
anheimfiel." 21. (Selbner, Sttüejtalitteratur ((Srunbrtfj ber iranifd)en ^r)tlotogte
11, 37). — Somit ftimmt im mefenttidjen aud) (S. be $arte& (Introduction
p. cxciv) überein: „On a donc tout lieu de croire que la majeure partie de
l'A vesta a ete compose pendant les cinq derniers siöcles de l ere ancienne.' —
Sie roeitcrgcljenbe 9lnfid)t Sarmeftcterö (Le Zend-Avcsta III [Paris 1892—1893]
p. ui ss. lxxxv), bie @atha8 unb anbere 2f)eile beS ?lttefta feien erft im erften
d)rifttid)en Oabjhunbert unter bem ßinfluß beä ©noftictämuö entftanben, wirb h»«-'
burdj nidjt auöße^djloffen.
1 3fr. Spiegel, granifdjc Slltert^umSfunbe. 3 ©be. Öeipjig 1871— 1878. —
3)1. 2)unrfer, ©efd)id)te beö 2ütertf)um$. 58b. IV. 5. 5?luft. ßetpjig 1880. —
Zoroaster and Christ. Correspondence between a catholic layinan and the R. R.
Leo Meurin*S. J., R. C. Bishop of Bombay. Bombay (o^nc Saturn). — 9JI. Sieuter.
Sic Warfen unb i^re ©djriften. Stuttgart 1893. — Sie Ilarftc unb grunbliibfte
Ueberfidjt ber müjbeifdjeu ^Religion jur 3^it iljrer ©lüttje unter ben Saffaniben gibt
baä |d)on ertoäfmte 3öerf öon ß. il. Gafartclli (La philosophie religieuse du
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Slöefta unb bie <Pef)Icöi«ßiteratur.
427
2tyura ^ajba, „ber roeife £err" , ber ^oppetgänfler be§ Debilen
SBaruna, fteljt Ijod) über allen anbern (Göttern ba, olles in fid) öereinigenb,
rooö bie anbern beftyen, alfo im 23eftjje ber Ijödjfien Sottfommenfjeit , ber
Äeinfte, ber ^ciligfte, ber Sdjöpfer ber förperlid)en 2öelt, ber Crbner bc*
SöeltaU», ber ju 39efragenbe, b. f). ber Ijödjfte ©efe^geber, ber f>öd)fte
^ßriefter, ber bie kämpfe ber gelben burd) fein Opfer füfmt, ber ^nbcflriff
unb bie $üüe ^ göttlidjen 2öefen§. 2ln feinem $f)ronc meüen, bon ifjm
gefdmffen, bie fcdjS 9lmeff)a=£penta , b. fj. „bie unfterblidjen ^eiligen", bic
fed&3 fyödjften ©eifter, roeldje einerfeitö als ebenfooiele ^ßerfonificationeu
gött!ia)er Attribute erfdjeinen, anbererfeits al« üoöfhrccfenbc 5Kädr)te, an roclcfje
9U)ura *Dta$ba bie oerfdjiebenen ©ejirfe ber 2Öeltregierung bertfjeilt. 9ln fie
reiben ftdj unjäfjlige Sparen anberer ©eifter, bie ^ajataS unb ^flöaffyi»
(bie ©elfter ber frommen unb Steinen), toeldje in Ijierardjifdjer 9I6ftufung
bie ganje 2Belt erfüllen unb unauffjörlidj, jeber in feinem Greife, für ifyren
Ijödjften ©eifierfönig tljätig fmb. $)iefe SSirffamfeit aber ift feit bem SBelten=
anfang ein ununterbrod)ener Äampf. 3)enn bem Sidjtreidj 9ll)ura 9ftajba»
fteljt in ber üon iljm gefdmffenen Sßelt ein itym unauff)brlid) entgegemoirfenbe*
sStt\ä) be3 Sojen, ber ^infterni^ f gegenüber, ©ein ftürft unb $üljrer
9lngrö ÜJtainmi, ber 33öfe§finnenbe , ber ©eift beä 58erberben§. 6r ift ur=
fprünglid) nidjt als gleidjmädjtigc» 2öefcn gebaut, fonbern nur al§ negatioe*
^ßrineip ber Störung, be3 £obe§, be§ 33öfen, ba» auf ©abritt unb Sritt
ba§ ©ute oorau£fe£t unb nun ju öerniajten ftrebt. %n bie Sänber, bie
9Umra SRajba ober Ormu5b fd)ön unb parabiefifrf) wonneooll erfa^affen,
bringt fein ÜÖMberfadjer, ber böfe $lngrd 5ltainmt ober Wfjriman, ben arftifdjen
f^roft ober bie ^ieberglutt) be§ ©üben«, 9iaubtfjiere unb Ungeziefer, $ranf=
fjeit unb CSlenb, Seiben unb 2ob. 3n bie reinen vJJtenfd>en, mela^c ber
2id)tgott mit allen Sorjügen unb Sugenben au§geftattet, pflanzt ber ©eift
ber ftinfternifc Süge, Unglauben, $rägl)eit unb 9lu§fd)tDeifung,
Sünben unb Safter jeglidjer 9lrt.
$>en fedjs l)öd>ften ©eiflern, ben 2lmeffja=£penta , roeldje ben Stroit
9lljura 5Jta$baä umgeben, ftefjen am Sfyrone 9lngro 5Raint)u8 fed)8 ($rj=
bämonen gegenüber, roeldje in ganj äfjnlidjer Söeife einzelne ^auptriajtungcn
be§ Sööfen $um 9lu§brutf bringen unb al» oberfte ßronbeamte gleidjfam
baS 9lei4 ber f^infterni^ unb be3 ööfen unter fidb tljeilen. Unter i^nen
flehen in üielfadjer 5tbftufung ja^Uofe anbere Dämonen, bie 5)aema§ (ober
%\xo%), bie $rud)ö, bic ^ßairifa, bie 2)fa)a^i unb bic $atu.
Mazd^isme sous les Sassanides. Louvain 1884). Sitte SJarftettungcn , »oclcfjc bic
fogon. Slcltgion 3ot°oftoä über biefe 3*»t jurücfoctfolflen , rufjen auf unfic^crn unb
fd)tt)antenben J^npot^efen. — -Sie 3luffaffung eineö niobernen ^arfi entrtticfclt Meh<<r-
jibhai Palanji Madan, Tho Fravashis. To be read before the 8th Intern. Oriental.
Congress. Bombay 1889.
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428
SBierte* SBud). «rftco ßapitet.
$ie guten ©eifter motten, um SHjura SÄajba gereift r im 2id)te beS
OftenS, im SSoflglanj beS reinen Rimmels. Sfönen gehören ßidjt unb SSaffer,
CueDen unb ^üiffe, bte frudfotbare Srbe unb bie guten ^flanjen, Säume,
Werfer, 28eiben, gute ^taljrung, bie guten b. f). nitylic&en Spiere, bie SBfigel,
bie in ben $öfyen niften unb in reiner Suft leben, befonberS ber treue £mnb
unb ber ben Üag öerfünbenbe £>afjn, bann aber bor allem bie reine 3Jtenfd)cn=
roelt, Steinzeit, SBaljrfjeit, baS Seben in biefer unb in ber anbern 2öelt.
3)ie böfen ©eifter moljnen im büftern 9le6elreid) beS Horbens, in 2Büften
unb Ceben, in 93egräbnifcpläfcen unb Üobtenftätten, in allen finftem Sötern,
in bie fein Sid)t beS Rimmels fnneinfdjjeint. 3(jnen gehören Tuntel unb
ilälte, ^ürre unb Unfrud&tbarfeit, dornen unb ©iftfräuter, äße fdjäblidjen
unb abftofjenben Jfnere, nrie bie Staubigere, ©anlangen, Gibedjfen unb
©forpione, Statten unb 9Jtäufe, Ameifen unb *Dtüden, f^rlör)c unb Säufc,
bann junger unb S5urft, ©djmufc unb SErägljeit, Süge unb ©ünbe, #ranf=
Ijeit unb 2ob.
^auptjiel ber Steligion ift, ftdr) ber böfen ©eifter unb ir)reS SinfluffeS
$u ermeljren, gefunb, rein, heilig burd)S Seben ju roanbeln unb nadj bem
2obe glüdliä) über bie ©rüde Sfäjinbat jum ©arotman, b. I). „bem 2Bor=
trefflidt)ften" , bem Ijödjften ber öier Gimmel, $u gelangen. S5a8 erljetidjt
$aJjIrei$e ©ebete unb Anrufungen, Steinigungen unb ©üljnungen, priüate
unb öffentlia> Cpfer. AIS eines ber älteften unb geroöfmlid&ften Opfer
erfdjeint baS £aoma-Opfer, motjl urfprüngli# ibentifdj mit bem mbifdjen
©oma=Opfer. kleben Aljura 2Jtajba mürbe befonberS SJtitfjra üere&rt unb
bie roafjrfajeinlid) aus ber femitif$en Stadjbarfdjaft Ijerübergelommene ©5ttin
Anäl)ita. SBäfjrenb bei ben ^nbern ber GultuS beS $euex$ naa) unb nad)
gegen anbere ©ötterculte jurütftrat, entmidelte fidj berfelbe bei ben Werfern
immer ftärfer unb eigenartiger. 35ie £>auptftätten tfjrer ©otteSbereljrung
ftnb bie Ofeuertempel, in roeldjen bie Zeitige flamme nie erlösen barf.
Wit bem £aoma=Dpfer Rängen bie älteften Sagen beS Aüefia $u=
fammen, bie fpäter oon ben ^erfern als Urgefdjidjte ber Etenf^ljett auf=
gefaxt mürben, urfprüngltd) aber ältere ©öttermütljen ber Arier gemefen ju
fein fajeinen. ©er erfte, ber ben ©aft ber ^aoma^ßflanae auSbrüdte, ift
?)hna, ber £err ber Sßölter, ber $önig eines golbenen, Dötlig parabiefifdjen
Zeitalters, ber aber feines ©lüdeS berluftig ger)t, roeil er lügnerifd>e Siebe
$u lieben begann, ©er jtüeitc £aoma=$reffer ift Atybba, beffen ©oljn
Zfjraetaöna bie furajtbare ©anlange A$i ©aljäfa, b. Ij. „bie beijjenbe
Sdjlange", erlegt, ©er britte ^aoma^reffer ift S^rita, Don beffen smei
Söhnen ber eine, ÄerefäQpa, ebenfalls einen fdjretfliaVn ©radjen, ^ubara,
crfd)lägt, ben Kiefen ©anbareoa übermtnbet unb ^>ita<?pa, ben Etörber feines
SöruberS, fiegreid) an feinen UÜagen fpannt. 3n ben Fragmenten erfdjeint
bann noaj als ©oljn beS Ifjraetaöna Airnu unb als beffen (Snfel 3JtanuS=
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<Za$ «ocflo unb bic $Pefjlem»ßiteratut.
429
tfdnt&ra. Siefeä ältcfte ßönigägefajleajt fafct ba§ ^töefta unter bcm tarnen
ber Sßarabfjäta jufammcn, b. f). berjenigen, benen juerft bie ÜJtadjt oer=
liefen mar.
Später mürbe biefeS ältcfte $önig3gefdjled}t ber Sage ba§ ber pfä>
bobter genannt, $ima mürbe ju ®f$emfä)ib, £f)raetadna ju Seribün, ^lu"
Sab/Cifa ju 3°0Qf» #erefä<?pa $u ©erfdjaSp, SWanuStfdjttljra ju <0lmutf$eijr.
Stuf ba§ ©efdjlecfct ber Sßarabtyäta folgt im Slöefta eine jmeite 9ieu>
bon Königen, meldje alle ben Vornamen $at»a trogen, ber fpäter in $ai
(ober #ei) berfürjt marb: juerft tfaoa Aabota (fpäter #ai Äobab), bann
Äaba U<ja (fpäter Äai tfa'uS), beffen Soljn ßaba Qja&arfljäna (fpäter
Sijamufd)) gemaltfamen SobeS ftirbt. 2)er Soljn be§ le&tern, beffen Sd)ön=
Ijeit au§brüdlidj Ijerborgeljoben roirb, Ijetfjt ßaba £)U9raba (#ai Ät)o§ru),
ber mannhafte Sßereiniger ber arifajen ©ebiete ju einem Steide; er f>at gegen
ben berberblidjen §raiif)ro(?^an (3tfrafiab), ben Suranicr (tura ober tuirja),
ju fämpfen, ben er fd^liefclidj überroinbet; iljn felbft traf Weber .Qranüjeit
nod) lob.
3Me ^errfa^aft get)t naä) ir)m mieber auf einen Spröfeling ber frühem
Sonaftie über, Slurbata^pa (Soljraäp), einen (Snfel be§ ÜJlanu§tfd)itb,ra unb
einen Sofm beS 9Gaotara (9iuber); oon ^luroata^pa an beffen Sot)n $aoa
33ifr)tä9pa (®ufd)ta§p), unter meinem 3Q*fltWr<* Ottbufd&t) auftritt, ber
baS neue ©efefc, ba§ ®efe£ 9tf)ura 9Kajba§, berftinbet.
Sljeilroeife ftimmt ber 9Jtptl)o§ beä 9)ima, be§ älteften biefer 21befta=
Könige, mit bemjenigen beS 9)ama ber bebifd^en SJlnt^ologie überein, mit
meldjer aud) Sfyraetaäna unb #erefä<;pa innig berbunben finb, inbem iljre
©eburt al§ Solm für ein Soma=Opfer erfdjeint, mäljrenb $aba 93iff>tä9pa
burd) feinen tarnen jroar an Marius £ofta§pi§ erinnert, aber im 9foefta
felbft ein ebenfalls burd)au§ mbt^ifdjeS ©epräge trägt, fo bajj bie bajbjifddem
liegenbe (Genealogie ber ^3ifdt)babicr unb $aoaniben nirgenbs ben feften
©runb unb 35oben mirflidjer ©efd)idH"e berührt. Sie in ben ßrjäljlungen
ber 9Jtab,äbljürata unb Äamchjana r)aben fid) eigentliche ©öttermtotljen unb
locale £>elbenfagen ju einem Knäuel berfdj hingen , ben ju entwirren mof)l
nie ber gorfdjung gelingen mirb , ber aber ber ^oefie ben günftigfhm 9$or=
rourf bot unb bon it)r audj retci>lidt) benufct roarb.
8. Sie abeftifdje £>nmnif.
3n literarifdjer unb befonberS in poetifc&er £)infia)t fann ber 2öcrtr)
be§ 9foefta nidjt fonberlia) ljocf) angefa^lagen werben. Sie Liturgien, mela^e
einen großen Sfjeil beSfelben auSmadjen, tragen nia^t ben Stempel einer
urtt)üd)figen religiöfen Sßoltepoefie. Sie finb in erbrücfenber (Sintönigfeit
nad) einer unb berfelben Sdjablone abgefaßt.
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430
»ierteö SBud). Grfte* ftapitel.
Sie red)t gefprodjenen SDorte preifen wir.
Sen ^eiligen £raofd)a preifen wir, bie gute SReinfjeit greifen wir, ben Slatrjo-
<;agf)a preifen toir.
Sen ftegretdjen trieben preifen wir.
Sie Unerfdjrorfenen, bie nid^t 311 Scf>anben »erben, preifen wir.
Sie 3rrawafd&tS ber Steinen preifen toir.
Sie SBrüde 2fd)inwat preifen toir.
SaS ©aro'umänem, bie äöobnung Stfjura SDtajbaä, preifen wir.
Sen beften Ort ber Sieinen, ben leudjtenben, ganj gldnjcnben, preifen toir.
SaS befte ©elangen jum ^arabiefe preifen wir.
Sie 9trflät preifen toir.
Sie gute Ausbreitung ber 2BeIt, baä gute 38ad)Stf)utn ber USBelt, ben 9lu\$e\\
ber 28elt, ba« gute maabaja<;nifä)e ©efe$,
ben 9kfä)nu*rafifta preifen wir, ben üttitb,ra, ber große Söetben benfet,
preifen wir.
Sie freunblidje !ßärenbi preifen wir, bie rei<f> ift an freunblidjen ©ebonfen,
Korten unb §anblungen, toeldje bie Äörper letdjt madjt.
Sie männtidie Starte preifen wir, weläje bie 9ttänner bebenft, Sölänner unb
<menfd)en bebenft, bie föneller ift als baS Starte
60 gefjt e3, nid)t etwa 5tt)onjig= ober breipigmal, nein l)unbert= unb
aber fyunbertmal meiter, immer ba« eintönige yazamaidö — „preifen mir"
ober „berefiren mir". 9lber nidn" nur ber Dtefrain bleibt betfelbe, audj ba§
oeränberlidje Clement ber Anrufung ift oft nodj tautologifd) unb rein pro=
faifdj, oljne einen neuen ©ebanfen, ob,nc ein fdjöne§, treffenbe§ Silb, oljne
einen f c&mungfwften , jünbenben Stusbrud. Söalb merben ade ©ötter unb
©eifter in enblofer SReit)e mit it)ren ftereotnpen Sitein abgeleiert, balb alle
(Sigenfdjaften unb Spitljeta eines einjelnen aufgellt, balb biefe Sobeä:
erljebungen nod) in unerfd)öpfltd)er 953eitf<f)meiftgfett mieberlmlt, balb Xitel
unb Öobfprüdje eines einjelnen audj nod) ben anbern ©eiftern jugeeignet,
als ob man fürchtete, ben einen 51t beleibigen, menn if)tn niajt gerabe fo
biel 6f)re ju tljeil mürbe mie ben übrigen. „$iefe GJebetSformeln füllen
einen beträcr)tlid)en 2f)eil beS ganzen Slbefta aus unb fjaben baSfelbe nid>t
mit Unredjt in ben Verruf eines Icbernen, infipiben 93ud)eS gebraut."2
9tod) meit fdjlimmer ift eS mit ben rituefl=juriftifd)en SÖorfdjriften beS
Senbibab, namentlid) mit jenen, roeldje fidj auf gefe&lidje Steinigung, 2?er:
unreinigung unb bafjin be^üglia^e Strafen bejiefyen. 3)iefelben, oft an
ftd) fd)on berfdjroben genug, merben nod) ungenießbarer baburd), bajj fte
nidjt in einfadjer, bünbiger ftedjtsfpradje cobificirt finb, fonbent in bialogifcfc
fatedjctifdjer gorm oorgetragen merben, als tünftlidjc Öefprädje jmifdjen
Slfwra ÜRa$ba unb 3ara*f>uf*r<1-
Sd)üpfer ! S5iie werben bic 9)liinner rein, 0 retner ?l^uramajba, wcldjc bei einem
auögetrocfneten Ceia>iiQm geftanben finb, ber ftbon über ein §a1)v tobt ift?
1 iUfpercb VI II (Ueberfe^ung Don Spiegel).
* 91. Gelbner, Slueftolittcratur (SrunbriB II, 23).
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Sa« Aoefta unb bie ^e^tcui.ßiteratur.
431
Sarauf entgegnete Aljuramajba: Sie ftnb rein, o reinet 3ötat^uftra!
Senn nic$t hängt ftd) bo8 Srocfene an ba« Srodene. Stürbe ftdj ba« Srocfene
an baö Srocfene fangen,
fo mürbe in furjem meine ganje, mit Äörper begabte Söelt, toenig mit SRein*
beit ftcf) befteunbenb, fjart an Seele unb fünblidj an Ceib fein toegen ber 3Jienge ber
ßeidmame, bie auf biefet Grbe geftotben ftnb.
Sdjöpfer! JEßann toerben bie 9Mnner rein, o reiner Atyuramajba, bie jum fieid/nain
eines tobten &unbe& ober ÜDtenfdjen getommen fmb?
Sarauf entgegnete Aluiramajba: Sie ftnb rein, o retner 3<»rotf)uftra,
auf folgenbe Art:
EÖettn biefer Seiä^nam bereit« benagt toorben tft öon fleifcfjfreffenben §unben
ober oon fletfdjfreffenben Sögeln,
bann mögen fte itjren Seib reinigen mit Äu^Urin unb Sößaffer, fo ftnb fic rein.
SBenn aber biefer Ceidjnam noä) nid&t benagt morben ift öon fletfd&freffenben
Jputtben unb Sögeln,
bann follen jum erftenmal biefe Anhänger ÜJiajbaö auf biefer 6rbe brei
8öa?er graben;
bann follen fie ibren ßeib reinigen mit ftu^Urin, nidjt mit SCÖaffer.
Sie follen bie Jpunbe herbetbringen ; ba* ^inauöjutragenbe, noä) nid)t §inau«<
getragene fott man hinaufbringen oon ben frühem.
Sa« alle« ift ein sweite« ÜJlal ju toieberljolen.
Sann follen jum brittenmal biefe Anfänger SJlajba« auf biefer 6rbe brei
V'odjer graben, brei Stritte oon ben früljern.
Sann möge er feinen ßeib reinigen mit SEBaffer, nidjt mit Urin.
Sie $änbe follen fie tljra juerft toafdjen.
SCßenn iQm bie $önbe nidjt gctoaföjen ftnb, fo Oerunrcinigt er feinen gat^en
Jlörper.
SCßenn ifjm bie ftäube breimal gemafajen fmb, bann, mit getoaf dienen ipänbeit,
benefee man tfun feinen fiopf Oon oorne.
Sdjöpfer! SEÖenu ba« gute SSaffer oorne an feinen Cberfopf fommt,
mofnn ftfirjt bann biefe Sruä)ä 9tac;uS?
Sarauf entgegnete Aljuramajba: 3tt»ifä>en bie Augenbrauen biefe« Wanne«
ftfirjt biefe Srucfj« 9ta<;u«.
Sd)öpfer! Söenn ba« gute Söaffer 3h>ifä)en bie Augenbrauen biefe« 3)tanne«
fommt,
monjn fturjt bann biefe Srud)« sJla<;u8?
Sarauf entgegnete Aljuramajba: Auf feinen §interfopf ftürjt biefe Srud)« Stabil«.
Sdjöpfer! SEÖenn baö gute Süaffer an ben £>interfoöf fommt,
mofnn ftürjt bann biefe Srud)S 9k\u« ?
Sarauf entgegnete Aljurainajba : Auf feine 2Öangen ftürjt biefe Srurf)« 9ta?u«.
Sdjöpfer! Sttenn baö gute SBaffer an feine 2öangen fommt . . . »
So wirb ba§ Cetdjengefpenfi, bie £rud)», immer genau mit benfelben
fragen, Slntroorten unb ilMeberljolungen biä in bie 3c^en ()tnaD öevfolgt,
öon roo fte enblid) in ©eftalt einer fliege fd)reienb in bie Stegionen be*
Horbens baoonfliegt.
1 »eftbibab VIII. ftargarb (llcbcricfcuttg oon Spiegel).
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432
UJicrted 33u<h. ßrfteö flapitcl.
3n ebenfo eingefjenber Seife wirb 9ltmra SJiajba um 9teinigung3oor=
fünften für ben gaü gebeten, wo eine £ünbin Sunge geworfen in einem
ftamelftaQ ober einem ^ferbeftaU ober einem ßufjftafl ober einem Scbafftall
ober auf einer Sftauer ober in einem Äefler ober auf einer SBiefe. pr
jebe einzelne biefer Certltcbfeiten wirb biefelbe 8?rage oon %t)uxa Mcajba
feierlich erneuert unb erteilt berfelbe bem 3a™tfntfrra genau biefelbe feierliche
Antwort. Srojj ber bramatifa>bialogifa>n 0?orm ift e§ febmer, wenn nicht
unmöglich, in biefen rituellen 93orfd)riften auch nur etwas oon ^Joefte ju
entbeefen.
$iefe gformalifltl mit it)ren enblofen Slufoählungen , abergläubifeben
Sbeen unb gefcbmacflofen Schablonen erftreeft fich auch in bie ?)afbtS hinein,
befonberS in bie fleinern berfelben. dagegen taucht in ben gröjiem wirflieb
etwas ^oefie auf. Sie finb nicht in blojjer rhetorifcher ^rofa abgefaßt,
fonbern in eigentlichem Metrum, b. 1). burebweg in achtfilbigeu Herfen, welche
bann unb mann bon jmölffilbigen unterbrochen werben, £aju gefeüt fich
ein frrophifdjer Aufbau, wenn auch nicht ein fehr ffrenger unb regelmäßiger,
mit Einleitung unb ßebrftrophc. tiefer Aufbau aber entfpriebt einer einiger:
maßen fünftlerifchen ©lieberung beS Stoffes, inbem ba§ an einen ber Dielen
©ötter ober guten ©eifter gerichtete Soblieb in biete Heinere ©rupfen, tt/eilS
moftifa>epifcben Inhalts, thctlS Sobfprücbe ober Bittgebete geseilt ift, welche
bann ber toiebertehrenbe Refrain jum ©anjen oerbinbet.
So serfetnt j. 33. ber SIfhMDaföt (9<# 17), gerichtet an «fei, bie
©örtin beS irbifchen Segens, befonberS beS ÄinberfegenS , in sehn %t)tik,
oor beren jebem bie Slnfangsftrophe miebertehrt:
2) te gute 2lft)i Oerehren toir,
3>ic ftrafjlenbe, b,eb,re, fdjöngeftaltige,
$te fjoäjaupreifenbe, bie braufenben SQßagenS baherfährt,
3) te tnödjtige SGßohlfaljrtfpenberin,
Sie h«^unbige, bie reiche Stadjfommenfchaft Derlei^'.
£cr I. STheil zeichnet nur fehr furj bie $ofieit unb ^flacht ber ©öttin,
welche als Tochter 2lhu™^ö3baS unb Schwefter ber 91mefha^penta alle
nur erbentlichen #eilfräfte befi&t. 3m II. ZtyW oerbreitert fich bie Sfi&e
bann jum ausführlichen hnntnifchen ©emälbe. 3?on 9lff)i, ber ©uten, erhält
ber Cpfertranf beS £aoma feine Jfraft ; oon ihr flammt 9tuhm, SBohlfahrt,
häusliches ©lücf, jeglicher Segen.
Wach biefer Sdulberung wenbet fich ber £omnuS bem altperfifchen
Bothos su unb bringt beffen #auptgeftalten mit ber ©öttin in SSerbinbung.
1 Ueberfefcung oon 6 r) r. JBartfjoIomä, Beiträge jur ßenntnifc befi 2lt>efra II.
$er 2tfh>.3aff)t (3t. 17). Scitfd^rift ber $eutfdt)en SJtorgenlänb. ©efcHfch- XXXVI
(1882), 560—585. — 9lu<h überfefct oon %. ©elbner, $rei ?)aff»t au« bem
3enbat)efta. Stuttgart 1884.
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$a$ Hüefta unb bie ^Pef)fe»i-ßiterotur. 433
9ln ber 8pi$e berfelben crfdjeint, abroeid)enb Don bcr fpätern Üfeilje ber
Stfiäljnäme, ftatt be3 erfien Äöntgä ©ajumürifj (JfaiumorS) ber Sßropljet
Spitama 3a^ot^nf ^tra :
$er erfte SJtenfd), bet
Xad 9lfb> 5Baf)if()ta prteä
Unb ben Ähuramajba öerefirte
Unb bie ?lmeff>a <;*penta x>eref»rtc ;
99ei beffen ©eburt unb fterantoacfjfen
SÖaffer unb fträuter ()ert>orbradjen,
»ei beffen ©eburt unb #erantoadjfen
2Öaffer unb ^tknjen ftd) mehrten;
Sei beffen ©eburt unb #erantoa($fen
«Dattonlief «ngrö.SJhiinöu
SBon ber toegfamen CSrbe,
33 on ber runben, toeitf|in grenjenben.
Reiter #cro* unb $erel)rer ber (Boitin erfäeint bann im III. Iljeil
£aoföoanf)a ^urabfjata (ber §uföeng be§ Äönig§6w&e§), als britter ?)ima--
i^aiia (ber ^frf>einfcf>ib be§ ÄönigSbucH).
Sie prieö ?)ima, ber Qerbenreidje Surf»,
. t?luf ber $öf)e $>ufatrtoa.
„Stefe ©nabe getoäbrc mir,
©ute, fjefjre Slfti,
2)afj id) ftutter unb gerben binjufüf)«
3u ben ©efdjöpfen be$ 2Rajba,
id) Unfterbhdjteit bringe
Xcu ©efdjöpfen beä SJlajba;
Unb ba& id) fortföaffe
SBeibeä, junger unb 35urft,
58on ben ©eid)öpfen be* ÜJlajbo;
Unb baß id) fortfdjaffe
SBeibe*, SUter unb lob,
33on ben ©efdjopfen bei HJlajba.
Eicbitd) buftet bri §auö,
3n beffen $?auä bie guie Mffji
$cn fegenbringenben Suß fefot,
$ic glutf)f*traf)(enbe, ju bouernbem SCufentljalt.
föcid) ift es an Spetfen, lieblich buftet e«,
Unb barinnen ift ein teppidjbetleibeter $in>an,
Unb anbere löftlid)e SHnge
SöofKgeffigt fielen ifjrc Käufer ba,
©efegnet mit töinbern,
Wit reifem SUorratf), ben Sftmen Unterfiü&ung gettährenb
»aum8artnerf ÜDclKtUrotur. I. 2. Muff. 28
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434 Vierte« Stach- <£rfte$ Aapitel.
Oh" $iroan$ ftnb
Schott beflcibet, fdjön gefchmücft,
Aunftuoll gefertigt, mit Teppichen t>erfef)en
Unb mit golbbefchlagenen &üfeen
Unb ihre Jpauöfrauen
Sitycn auf biefen Situan«,
2i}eldje teppichbcfleibet bufteben;
9)lit {Ringen unb Spangen finb fte gefchmücft
Unb mit C brengehängen gepufot
Unb mit ©olb= unb Sbelfteingefcbmeibe.
3Dre {Hoffe ftnb
$mrtig, luftig wiehern fie,
Sie fdurren fid) an ben bes äöinte« gewärtigen
SBagen unb jieben ihn leitet babin.
Unb ben fie fahren, ift ein riefiger Arieger,
Neffen {Hoffe finb hurtig, ftarf fein üöagen,
Spifoig feine fianje unb lang;
SÖeitbin trifft er mit bem fliegenben ^feil,
Unb hinten bura^botjvt er ben $einb,
Unb Dorne fdjlägt er ben SBöfcn nieber.
3 b" Kamele finb
^>oct)t)öcferig ; nutlig
Grbeben fie ficfi Dom 9Jobcn — - — —
Silber unb ©olb wirb ihnen
On bie 3d)afefummci jugefübrt
9lu« ben Wacbbarlänbcrn,
©eroänbcr unb tfttxl'xdft ©ciuebc.
Unb bafj ich fortfd)affe
23cibe6, ftifee unb Aalte,
5Bun ben ©cfdjöpfen beä SDcajba,
laufenb hinter binburay (IV. Ifjeil.)
£er gcroaltige ftampf tferibuns mit bem böfen $oi)ät, ber im #önig§=
budj ganjc lange ©ejange füllt, erfct)eint tjier (V) in folgenber furjer
Raffung, mit $e$ug auf Wfti:
Sie pric« ber Sohn bc* athroiDimifcben !puufc<j,
2e« #elbenbaufe«, Ibraetaona,
3n bem Dieredigen Startna:
„Siefe ©nabe oerleitjc mir,
©ute, l)et)re Slfbi,
2af$ ich Sieger werbe
lieber ben brachen 3>abafa — — — ,
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Sa* «öefta unb bie *PehtcDi»8iteratur. 435
Ser brei Slawen, btei Äöpfe hat,
Secfa Itugen unb taufenb ©inne,
lieber ben übermächtigen, teuftifchen llnholb,
Sen ollen SEßefcn c-erberblidjen ©ottlofcn ;
lieber ben mächtigften llnholb, ben
Slngrö 9)lainhu gefdmffen bat
©egen bie betörperte SEBcU,
3um «erberben ber ffiefen beö 3lfha,
Unb bafo ich ihm feine Stauen entführe,
Seine ©$äfee unb feine Woffe,
SBJelche oon flörper bie fünften finb jur 3ud)t
Unb bie tüchtigften in ber ganjen SÜelt."
6ä umlief, ei umfehritt ihn
Sie gute, h*h" 9lff)i;
6$ erhielt bieje ©abe ber 3ofjn beä äthroihanijchen ^aufeö,
Seö #elben{mufe«. 3;hraetaona.
$er £mmnu§ überspringt nun eine ganje 9tcihe Don (Sagenfönigen
unb geljt oon ^hraetnona (fteribün) fog(eid) (VI unb VII) 31t ^uärabat)
(bem fpcUern 5? et $h°*l'u) über, bem Sochterfofm unb 9täd)er be* graujam
ermorbeten (^nabarfhina (Stiaroufd)) on bem Xuranier #ranhra§t)an (9lfra=
fiab). 5ßon ben folgenben Königen mirb nur noch (VIII unb IX) 3?iff)ta3pa
(©ufdjtaSp) genannt, melier bie ©öttin um bie 5Befef)rung feiner ©emahlin
,putaofa ,511m majbanantfchen (Glauben unb um Sieg tüiber mehrere turanifaV
Seufeteanbeter anfleht, uon betten einer, 9(rebff)ata<;pa (WrbfhaSp), aud) im
#önig§6ud) ermähnt ift.
$ie einzelnen $önig*mt)then finb übrigen* in bem £tmtnuä bttrdjauS
nicht ausführlicher behanbelt, fonbern nur faum angebeutet, unb bedieren
fehr baburdj, baß fte ungefähr in beni'elben formen auf biefeibe ©öttin be=
jogen tuerben, mit ber unoeränberten Sfchrfirophe:
Ob ihrer bracht unb föerrttchieit
28iU ich fie ehren mit lautem Sieb,
Uöill ich fie eh«n mit wohlgemcihtem Sieb,
Sie gute Hfijt, unb mit Cpferfpenben.
Sie gute ?lfhi wehren mir.
Ashim vanhuliim yazamaide.
3n äf)nlid)er 5öeife ift bie alte $önig§fage auch in s3)afht 5, 9 unb
15 berroenbet, b. h- nur mit Söejug auf bie dtötter ober 0eifter, benen
biefe Jpomnen bienen, unb nur in fpärlichen 3uften- dagegen finben fid)
in s$afht 19 alle nichtigen 3»9^ V einem Öefamtbilbe ber älteften 3ageu=
bpnaftie oereint, ba§ einigermaßen epifdjen ßharafter erhält.
2S*
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436
SHerte* ©u#. €rfte« Äaptiel.
4. Tie s$ef)tet>i:giteratur unter ben Saffaniben.
$ür fech* ^a{)rf)unberte traten bie ^erfer nach Wutonber* lobe auf
bem Schauplafce ber SBeltgefdjichte in eine fehr untergeorbnete Stellung jurürf.
Sie waren nur mehr eine* ber bieten Hölter, um welche fich bie Erben beä
maeebonifchen Eroberers janften, menn fie auch unter ihren partfufchen
Königen, aus bem £>aufe ber Wrfaciben, ber EroberungSlufi ber 9tömer tüchtig
$u fdmffen matten. %xo§ aller fremben Einflüffe, bie freunblich unb feinblich
auf fic einbrangen, bewahrten fie inbe* ihre nationale Eigenart, ihr Volf§=
bewufctfein, bie alte Sprache, Religion, Sitte, bie Erinnerung an bie große
Vergangenheit, bie Sagen unb Überlieferungen ber Vorzeit. 9ll§ baS freie
fteüa* längft in ber politifchen SRafchine beS Ungeheuern Scöiuerreiche* auf=
gegangen mar unb nur mehr bin;ch bie Schate alter SMlbung feine Eroberer
6eeinfluffen tonnte, als baS töömerreid) felbft burch innern 3miefpalt ju
Wanten begann, erhob fich boä Öanb be§ Etoru* unb Marius noch einmal
ju felbftänbiger SBebeutfamtett , fo bafc e§ mit ben Eäfaren oon »om unb
Vojanj um bie £>errfchaft VorberafienS in bie Sdjranfen treten tonnte.
gefchah unter bem Scepter ber Saffaniben, welche bon 226—651 über
v£crfien regierten, diesmal mürbe ben Seriem ieboch nicht mehr bie glor*
reiche probibentiefle Aufgabe $u theil, baS Holt Etotte* aus langer ßned)t=
fchaft ju befreien unb bie Anbetung beS mahren ÖotteS auf Erben f)tx=
uiftellen. 3Sof)l fiel im Äampfe miber fie ber lefcte Eäiar, ber e§ oerfuchte,
ba* fiegreiche Efjriftenthum ui jerftören unb bie übermunbenen ©ötter bon
\>eüa§ unb iRom noch einmal in ihre Sperrfchaft mieber einjufefcen, ber
ungiürffelige Julian. 2öof)l entfaltete ba§ (5^riftentr)um an ber ©ren^e
^erfienS, in Wegopten, ^aläftina, Snrien, äleinafien, fich nach ber brei=
hunbertjährigen ^artorer^eit jur glän^enbften SMüthe, brang mit ooHer
Sugenbfraft auch i" ba§ fter$ bon ^erfien ein unb gewann felbft Kn=
hänger am £ofe feiner Könige. 9(ud) einige ber .perrfcher felbf! berhielten
fich gegen bie Ehriffen memgftenS zeitweilig bulbfam unb gerecht. So ftanb
3e,begerb I. (897—417) mit tfaifer Sheobofiuä auf gutem ftufc, oerfehrte
freunblid) mit beffen ©efanbten, bem mefopotamifchen SBifdwf Warutha*,
unb gönnte bem Ehrifienthum unbefdjrrmtte %xtit)e\i. Xocr) mürbe er gerabe
be*halb oon ben ^erfern ber „SBöfe" genannt unb bon ben Wobebä
fchließlich jur Verfolgung ber Ehriften gebrangt. SBeitaus bie meiften ber
Saffaniben ftanben jeboch unter bem Einfluß ber perfifchen ^ßriefterfchaft
ober maren felbft Eiferer für bie alte Wationalreligion , bie unter ihnen
einen neuen Wuffchmung nahm.
Sprache unb Schrift hatten fich im Saufe ber ^ahrijunberte ftarf ber:
änbert. Sa* urfprnnglich rein inbogermanifche SUtperfifche hotte fid) mit
aramäifchen i femitifchen) Veftanbtf)eilen burdmfct, welche aber bie ^lerion
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$a* Sloefta unb bie «pe^leöi.Siteratur.
437
ber altern «praaje erhielten *, unb fo bilbete fieb, ba§ fogen. ^efjlebi ober bie
mittelperfifdje Spradje2. 9ludj in bie Religion brangen frembartige Elemente
ein; fte bermoä)ten inbeS ben roefentlidben (Sljarafter berfelben nid>t 511 Der:
brängen nodj ju Deränbern. ©djon unter ben Wrfaciben mürbe bas 3lbefta
in bo§ ^ehlebi überfejjt, unter ben ©affaniben aber ber ÜJiajbetemuS jur
eigentlichen Staatsreligion erhoben. 3m $Jnfdjlufj an ba& Slüefta bilbete
fidb, eine religiöfe Öiteratur, meld&e ben 3roed faN*» °ie Cc^te berfelben
theil* ju erflären, tf)eilä meiter $u eniroitfeln. SBon biefen Triften finb
nod) mehrere erhalten. $)ie umfaffenbfte berfelben ift ber „hinfort" 3,
eine eingeljenbe $arftellung ber gefamten joroaftrifa^en Religion. 55er
,,$Bunbeb,efd)" 4 h>bt mit ber 2öeltfd)öpfung an, ermeitert fid) bann ju einer
aitsfüfjrlidjen 2Belt= unb Waturbefd&retbung unb ffijjirt enbltaj bie ber=
gangenen unb fommenben ©ajirffale ^ranS, alle§ im Ötdjte beä $oroafrrifd)en
2>uali*mu§ unb ®eifter=($Hauben». $aä $ud) „9ftainttösis#fjarb" 5 enthält
meitläufige Antworten beS „©eifte» ber Söetetyeit" auf 62 tf>eil3 bog=
matifdje , tfjeitö rituelle ^9^"- „2lrtiiu58iräf " 6 entwirft eine
p^antafhfct)e Scbilberung be3 Rimmels unb ber ^öfle, nacb einer UMfton,
meldte bem geregten SBiräf mittelft nartotifdber Betäubung ju tljeil gemorben.
„Söafnnan ?)afbt"7 gibt ein propfyetifcheä Söilb bon bem tünftigen Sofe beS
iranifdjen 5Bolfe§ unb feiner Üteligion — eine 9lrt joroattrifebe Wpotalüpfe.
„Sbänaft ld=ft) inaft" 8 ift ein $iemlid) umfangreidbeS Gollectaneum über bie
üerfrfjiebenften rituellen unb religiöfen ^ao.*"- „1)6fb>i ^rbano"9 erjaljlt,
1 $ic Jücränberungen beö 2lltperfifd)en jur Hoeftafprache , jum ^el>lct>i unb
enblid) jum 9?euperfifcf»en finb uicfyt gröfjer als bie Umbilbung bed ©otifdjeu 3um
SUtrjodjbeutidjen , *DtttteI tjorfjbeutfdjen unb 9ieuhod)b*utfd)en. ÜJlit ber ?(ufnabme ber
femttifdjen 3cnbfdjrift würben aud) ganje Söörter unb Süortformen aui bem Semitifdjen
(Äramäifdjen) herübergenommen unb bereu Sluäfpradje burdj bie angehängte perftfdje
Gnbung angebeutet. Bo würbe j. J8. abi (Söater) abi-tar gefebrieben, mit ber ©nbung
Don pitar (bem perftfc&en 2öort für SBüter), um anjubeuten, bafe baä ©anje als pitar
ju lefen fei. ?lcf>nlict> fd)reiben wir „k." unb lefen eö „unb fo weiter", ober „fi"
für „©ulben". Söenn biefe partfjtfdje (mittelperfifcbe) Spraye, mit SJermetbung biefer
9tebu6fd)rift , mit ben etnfadjen löudjftaben pljonetifd) gefajrieben wirb, wirb fte oft
aiidj einfad) pärsi genannt.
» E. W. West, Pablavi Literatur«? (©runbriß ber irantfajen % Biologie II,
75-129).
s herausgegeben mit Iranöliteratton, ©ujaratbi unb englifajer Ueberfefeuug oon
I'whotan, The Dinkard. 7 vols. Bombay 1874—1891.
4 Heber fefcung uon AnquetU Duperron (Paris 1771); 2Bi nbifdjmann,
3oroaftrifdje Stubien (Berlin 1868); Oufti (8<ip3ig 1868).
5 Ueberfefeung oon E. W. West, Sacred Book« of the East XXIV. Oxford 1885.
• Ueberfefcung Uon Adrien Barthflemy. Paris 1887.
7 Ueberfefeung Don E. W. West, Sacred Book» of the East V. Oxford 1880.
8 Ueberfefeung üon E. W. Wes% ebb. p. 237—406.
• Ueberfe^ung uon Adrien BarthUennj. Paria 18S9.
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438
»ierteä $u$. 6rfie* flapitel.
wie ber 3°uberfr s2ttf)t "i e'nc 3tabt (am unb alle umbrachte, bic feine
fragen nidjt beantworten fonnten, wie benn ber geredete v3)öfljt oor iljm er=
fdüen, il)m 33 fragen beantwortete unb barauf brei an ifjn ridn'ete, roie
ber 3^uberer fie nid)t löfen tonnte unb nun öon SJöfljt umgebradjt rourbe.
Xer boetifdje 23>ertr) all biefer Sd)riften ift ein fe^r geringer ; bagegen bieten
fie reiben Stoff jur Äenntnifc ber aoeftiföjen Religion, jum $f)eil audj ber
iranifo^en Sage.
hieben bem *Dla$beiSmuS entftanben jabjreicrje Sccten, unter roela^en jene
beS TOni ober *Diänäi ($HaneS) wegen iljrer Verbreitung in* 9lbenblanb bie
berüljmtefie geroorben ift, mäfjrenb fie in Sßerfien felbft ifjrem Urheber baS
Seben (oftete unb fjarte Verfolgung erlitt, ©erabe biefeS Sectenmefen brängte
$u genauerer ^ortnulirung ber 2ef)re, unb in ben 9leIigionSbüd)ern felbft
würbe ber ^JtajbeiSmu* als bie einzig ridjtige {Religion Ijeroorgeljoben , alle
übrigen Religionen, befonberS bie jübifdje (Köshi yihud), bie djriftliaV
als biejenige beS SRömerreicrjeS (Arum) ober beS *EReffia8 (Mashih) unb
bie beS 5RaneS (Mänäi), oerurtljeilt unb bie Veftrafung tljrer Vefenner
geforbert.
©riednfdje Vilbung, meldje fid) längft in mehreren feilen Vorbei
afienS, jumal in Serien, eingebürgert fjatte, brang injmifdien aud) nadj
^erfien K VefonberS tljat fic& ÄljoSru 91nuf$irwän (531—578) barauf ju
gute, ein Vefd)ü$er ber Sötffenfdiaften $u fein. (£r nafjm ©eleljrte aus
Sörien unb ben benachbarten Öänbern bei fid> auf, befahl, WriftoteleS unb
^lato ins ^eljleöi ju überfein, unb wohnte felbft bf)iIofobljif<r)en $i8bu=
tationen bei. Sogar £omer foß ins ^efjleöi überfe^t worben fein; am
meiften aber intereffirten fid) bie Werfer für bie matf)ematifd)en, aftronomifdjen
unb geogra|)f)ifd)en SBerfe ber ©rieben, öon meld) (entern befonberS bie beS
^toIemäuS fie gu eigenen Arbeiten auf biefem Gebiete anregten, meldje
fpäter ben Arabern als Vorlage unb Anregung bienten. Ueberfyaupt ift bie
gried)ifdje Vilbung nad)f>er meift burdj Vermittlung forifdjer unb berfifdjer
Ueberfe$ungen ju ben Arabern gelangt. Unter ÄfpSru 91nufd)irwän würbe
aud& burd) feinen ßeibarjt Varjüje ber inbifdje ^ürftenfpiegel ^antfdjatantra
(Palliar) unb $)imnar)), baS beliebtefte gabelbud) beS Orients unb eine
Spauptaueüe ber abenblänbifdjen 6rjä^lungSliteratur, aus bem SanSfrit ins
^Pet)Icöi übertragen.
£ajj bie Werfer injmifdjen if)re eigenen Sagen nid)t oergaßcn, berbürgen
bie 9Rittljeilungen, weld>e ber armenifdje ©efd)id)tfd)reiber SRofeS oon JRljorenc
(im 7. 3af)rf|.) barüber gibt. (£r be^anbelt fie $war mit fid)tlid)er Ver=
acrjtung ; aber was er über 3ofyäf unb duftem er$är)lt, beweift $ur ©enüge,
1 33gl. Ed. Sarhau , Contributiona to the knowledge of Parsee Literature
(Journal of the Roy. Asiat. Societ. New Series IV [1869], 229-260).
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$aa Sluefia unb bic «PetjUm-eiteratur.
439
baß bie fpäter umlaufenben öelbcttfagen ifmt fdjon befannt roaren. %m
folgenben 3of)rlnmbert gab ßfyoäru 9fnuf<^irtoän 9?efel)l, biefe Sagen ju
fammeln. Tod) tft über baS (?rgebnif; nicht» roeitereS befannt. 3ejbegerb III.,
ber le|te ber Saffaniben (632 — 651), erneuerte biefe Wnorbnung, unb jmar
mit gutem Erfolg.
51m retnften unb jäheften Ratten fid> bie Ueberlieferungen Wlt^erften»
bei ben fogen. $if)qän», b. t). ben ©rofegrunbbeftfcern ober Maronen ber
$rot»in$en, erhalten, bie fern Don ben ÄararoanenftraBen unb SBeriefjretntttel:
Fünften in patriardwlifdjer (Stnfadjljeit lebten. Üinen folgen $tyqän Warnen»
$anifd)tt>er beauftragte 3>fJbegerb, bie öon ^b,o§ru angelegten Sammlungen
ju prüfen unb ju ergänzen. 9cad> ^firbäfid SBeridjt fanben fidj unbodftänbige
Wufjeidjnungen barauS , bie natürlich Dielfacr) boneinanber abmühen , in
allen ^ßrooinjen. £antfü)roer lieft barum au» jeber $robin$ einen alten
Sflobeb (^ßrtefter unb Sdjriftgeleljrtett) fommen, ber bie Ueberlieferungen
feiner s$roütnj mitbringen mußte. 3n manchen Stüden ftimmten fie überein,
in anbern ergänzten fie fid). $lu» allen jufammen mürbe ba» erfte perfifdjc
ßönigsbud) „ßhubäinäme" jufammengejteflt, nur eine ÜJcaterialienfammlung,
fein eigentlich, burdjgearbettete» SGßerf.
5. Untergang be» 8affantbenreid)e» unb ber
^ef)letn = 2iteratu r.
£iefe Arbeit mar faum oollenbet, al» Werften $um ^meitenmal au»
ber iWcit)e ber farrfchenben Nationen Sitten» berfchroanb. 3m felben ^atyre,
in meinem 3^begerb III. ben ifjron 6eftieg, ftarb $u SWefta ber furchtbare
Schmärmer unb $anatifer, ber für 3ab,rf»unberte bic meiften Hölter SlftenS
unb Slfrifa» bem tnrannifd>en *Dtad)tge6ot feiner fatalifhid&ett 2el)re unter=
merfen, fie bon ber 2eben§quelle be» Gljrifitentfjum» abfdmeiben unb biefe»
felbjt in ben Steigen be* Wbenblanbe» bebrof)en follte. $enn feine auf
3d)merte»fd>netbe geftellte £efjre ftarb nid)t mit ib,m. ^ejjt erft begann fie
ihren Siegeslauf burd) bie Söelt be» Cften» unb be§ SBeften». Schon im
Saf>r 637 eroberte ber arabifche §elbb,err Saab bie prachtoofle $auptftabt
Ätefipt)on. 3n ber Schlacht oon Wehäroenb (642) uerlor 3ejbegerb HI.
%fyron unb 9teich; roie ein get)efcte» 2Bilb floh er bann bon ^roüinj ju
^rot»in,v bis itjn bei 9Herro 651 ein 5Wüüer auä Jpabgier ermorbete, nachbem
ber Ä^alife Omar, fein 33efteger, fchon fiebert 3ab,re juoor ebenfall» burd)
$Reudjelmorb fein (?nbc gefunben hatte. Wit $euer unb Sdjmert mürben
ie|t bie Werfer im 3©läm untermiefen, ihre alten ßultu»ftätten entweiht
unb jerftört, bie treuen 3?efenner ber alten 2ef)re graufatn hingefchlachtet.
9?ur in entlegenen ©egenben unb unmegfamen (Gebirgen fanb ba» ©eiefc
5lr)ura OTasba» noch eine fixere 3"ftoaW*ätte , roo mit ber Uebung be»
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440
Vierte* 2Juc$. <frfle* Äapitel.
geuercuttuS aud) bie Äenntnijj ber WDefta* unb ^efjtebUSpracfce weiterlebte
unb nod) bis ins 10. 3afjrl>unbert hinein neue 3d)riften in ^et)lebi=Sprad)c
berfaßt mürben, wä&renb bie frühere ^e^Ieoi^iteratur größtenteils unter=
ging. 6ine größere <3d)ar bon öefennern ber altperfifdjen !Rationalreligion
rettete fid) burd) 5l"d)t nad) Labien unb &at bort, bon 9)iot)ammebam£=
muS, $ral)maniSmuS unb £>inbuiSmuS umbrängt, bis Ijeute an berfelben
feftgef>alten, bie ^eiligen S3üd)er jum $t)eil bemalt, 3um Sfjeil fid) toieber
aus Sßerfien befc^afft unb bie ftenntniß ber jmei alten 6prad)en menigftenS
nid)t ganj aussterben laffen, wenn au* eine SBeiterentmirflung berfelben
nid)t fiattfanb.
SBeit jä^er ermiefen fid) in Werften felbft bie alten nationalen unb
poetifd)en Ueberlieferungen. 9?ocr> ju SNolwmmeb felbft follen bie alten
SSaUaben Dom Kampfe föuftems mit ^Sfenbiar gebrungen fein unb it/u
beranlaßt fmben, baS Grälen bon $elbenfabeln im ßorän jti berbieten1.
Mein baS mar ebenfo bergeblid) als baS SBerbot beS SöeintrinlenS. 9fid)t
einmal bie Araber gelten fid) in biefem $untt an ben 2Bortlaut beS ©e=
fefces, bie unterjochten Hölter nod) weniger.
3mifd)en ben Arabern unb Werfern entfpann fid) ein af)nlid)eS ©cr=
tyältniß mie einft jwifd)en ben Römern unb Hellenen, ^ene brauten ben
Uebermunbenen eine religiöfe unb friegerifd>politifd)e Crganifation , burd)
meldte fie als fanatifdje (5roberermad)t allen benachbarten Nationen, ja
ber ganjen 3öelt furdjtbar mürben; biefe brauten ben fiegrcid)en (söfjuen
ber Söüfte ben unermefclid) reiben £d)afc orientalifdjer, gried)ifd)er , jum
Styeil fogar d)riftlid)er SMlbung, burd) meldje fie aus roljen ^ferbe= unb
£amelfned)ten fid) erft *u cibilifirten etäbtebemoljnern , ©elebrten unb
Gulturmenfd)en erhoben. 2lber eben biefe 9?ilbung legte einen ßeim ber
3erfefcung in bie Söelt beS ^SlämS, ber barauf nid)t angelegt unb ein=
gerietet mar. 9Bo immer bie 33übung weiter um fid) griff, erhoben
fid) 3meifel an bein um>erfälfd)ten Söorte beS ^ropfjeten , aus bem
3weifel würfen (Beeten empor, aus biefen 9teligionSparteien , bie fid)
balb grünblid) faßten unb auf Seben unb 2ob befeinbeten. 9)iod)ten
fid) bie wiberftreitenben Elemente jum Äampfe miber Triften unb Reiben
mieber bereinigen, fo bömpfte baS feßt;afte Seben ber ©täbte, SujuS unb
2öeid)lid)feit bie alte «UMlb^eit unb bezweifelte mifa&eit ber einftigen
2Büfienbewot)ner. %n wiberftrebenben Snterejfen brad) fid) bie 6iru>it
beS Kalifats, unb wie 2Beüe auf 2Beüe folgten fid) neue Ginbrüd)e
barbarifd)er SBölferftämme aus Elften, befonberS ber Surfen, beren milbem
friegerifd)en Sinn bie Ieid)tfaßlid)e 2ef)re WoljammebS ooüfommen ent=
fprad) unb bie fein Banner bon neuem erhoben, aber nur um 51t ber=
' Aoran, Sure 31, ©. 6.
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2>ie Anfänge neuperfifdjer SHdjtung unb ürirbuft. 441
rauften , $11 jerftdrcn , 51t rauben , ju hcrrfd)en unb am ©enujfe if)reS
StaubeS gleich ihren Vorgängern, ofme raahre Kultur, 51t erfchlaffen unb
51t oerraeichlichen.
3 c i t c tfapitd.
3>te Jlttfättge tmtperflfcfjfT ^icQtuttg unb ^fttbüfi.
$)ie neuperfifche Spraye unb Öiteratur beherrscht bei weitem fein fo
umfangreiche* ©ebiet wie bie arabifdje. Von ben etroa neun 9Wiflionen Gin*
raohnern beS heutigen Werften* fpredjen Diele furbifa) (einen Dom perfifcben
abroeichenben eranijchen $ialeft), anbere türfifch, armenifch, arabifd) unb
neufmri'dj (raic 5. 93. am Urumia=3ee in flurbiflän) als UmgangSfprache ;
als Schriftsprache f>inroieber ift baS Sßerftfche nid)t bloft über ganj Surfeftan
hin Perbreitet, fonbern auch über 9(fgt)anifton , SBelubfchiftan unb einen be:
tröstlichen 2:heil Pon ^nbten.
9(n Stelle ihrer altern aus bem ^önicija^en abgeleiteten 3en°fd)rift
nahmen bie Werfer nach ber mohammebanifchen Eroberung biejenige ber
Araber an, bie fich in brei ^auptformen entmidelte, bem 2aüf für arabtfdje
unb gelehrte SBerfe, bem jicrlichern Weftalif für gefchichtlidje unb poetifche
33üd)er unb bem Sdnfefte, ber „gebrochenen" Schrift mit feljr oerfchlungenen
3ügen. WuS bem ÜDortjchafc ber Araber ging nach unb nach fo Diel in
baS 9(euperft)d)e über, bafc bie arabischen (demente l)eute mehr als ein
drittel beS ©efamtpocabular* ausmachen, $iefe 9)cifdmng mar jeboch ju
Perfchiebenen 3e'ten eim )cfa berfchiebene. #irbtifi, ber dichter beS großen
9cationalepoS , machte fieb Pon bem arabifchen ßinfluß faft oöflig frei, unb
anbere h^Porragenbe dichter folgten menigftenS annöhernb biefem 93eifpiel,
mährenb bie alltägliche UmgangSfprache [ich ber fremben Söeftanbtheilc nicht
311 entlebigen Permochte.
£ie Öei'amtentroidlung ber Literatur läßt fich (mit 3"8^unbelegung Pon
^ammers^urgftaüS ßintheüung) in fieben j£>auptepochen gliebern:
I. ßrfte Anfänge unb (Besaitung beS 9?ationalepoS. ^auptbichter :
9iübagi unb tfirbüi'i (800 — 1106). ®ie Sprache in Pollfter
Feinheit.
IT. ^eroifche unb romantifche ßpit, panegpriftifdje ^ofbichtung. 91ns
Pari unb Mjämi (1106—1203).
III. Wpftiich^etbifche Snrif unb $ibaftit. ^fdt>eläl=ub=bin Ütiuni unb
3a?bi (1203—1300).
IV. 5ölütf)e beS fufifchen WinneiangS. £jfi$ (1300—1400).
V. ^achblitthe. $er lejjte Jülaffiter : S)fcb.imi (1400 — 1500).
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442
Viertes Shtdfj. Aapitel.
VI. Siterarifche 9tenaiffance in Snbien. ©efehichtfehreibung unb (SpU
ftolographie (1500—1600).
VII. Webergang unb ^erfatt (1600 bi§ $ur ßegenroart).
©anj ^aari'a^arf (äffen (ich inbe§ biefe Gruppen nicht unterfcheiben.
©croiffe Örunbformen bilben ftch fc^on in ber frü^eften 3eit au§ unb roerben
Don ben fpätern Richtern roeniger roeiterentroiefelt al§ gteichfam roieberholt
unb öariirt; nur treten biefe ober jene in beftimmten Gpodjen flärfer in
ben Storbergrunb K
1. Anfänge neuperfifcher Sichtung.
Xic amtliche Spraye be£ s^erferreia?cä unter ben 8affaniben mar
ba§ s^et)IeDi (pahlavi b. I). partfnich ober perfifcf)), als Scrjriftfpradje auch
£>ujroarefch genannt; es würbe mit ber alten 3e"bfchrift gefchrieben. 3"i
heften, roo fid) Werften mit ben oerfdnebenen femitifchen Golfern berührte,
rourbe e§ auch allgemeine Umgangsfprache. 3m Cften bagegen rjielt fidj
bie Umgang*fprache freier oon aramäifchen @inflüffen unb beroahrte bcärjalb
mehr ben ßt)arafter be§ altperfifdjen 3biom3, roenn auch mit mannigfachen
33eränberungen. $ie ß Kalifen f djlugen ben Sifc if)rer §errfdjaft im 2£eften
auf. £>ier marb SBagbab, „bie Stobt beö $eile§", für geraume 3«* ber
Wittelpunft ber telamitifcrjen 2Belt ; neben SJcetfa unb Webina mürben Äüfa,
33a$ra unb $ama&fuä bie £>ochfchulen ihrer 3;t)eologie, itjrer ©elebrfamfeit
unb Literatur. 3n ben roeftlichen ^rooinjen beS ehemaligen ^ßerferrcic^e^
gelangte ba* Wrabifd&e best)alb nicht bloH a(§ religiöfe unb amtliche 3?erfehr»=
fprache jur ^errfchaft, fonbern auch aß £>auptfprache ber Literatur unb
beS Umgang*. Selbft menig probuetio, eigneten fich bie Araber um fo
1 Eigentliche Miteraturgefcbicbten tjaben bie Werfer nid)t, bagegen eine DJenge
non fogen. Üabbfivc (Dentfcbriftcn), b. b- Sammlungen toon Did)terbiograpbien mit
Auszügen auö beren Sßerfen. Die älteften allgemeinen ftnb Don Stuft (Anfang beö
13. ^abrbunberte) unb Daulatfdjäb (1487), baS neuefte oon SHiflä fitilif^dn (1877). —
S5on allgemeinen Schriften über perftfdbe ßiteratur finb bie roicbtigflen : ».Jammer«
^urgftall, ©efdntbte ber fdjönen ftebetünfle ^erfien* (bauptfädjlicb nadj Daulat*
ichäti). 2Öien 1818. — ©. 5 lüget, Htttfel „^erfifdje ßiteratur" in ®rf(b unb
©ruber. 1842. — de Sacy, Notes et Extraits. IV. Paris. — Ouxeley, Biographical
Notices on Persian Poets. London 1846. — Barbier de Meynard, La poesie en
Perse. Paris 1^77. — H. Elhe", Slrtifel Modern Persian Literature in ber Encyclop.
Britannica. 9,h ed. 1885; 35 e r f . f Die f)öftfc^e unb romantifebe ^oefte ber Werfer.
Hamburg 1887; Der f., Die mtiftif^e, bibaftifdje unb lörifebe ^oefte u. f. tr>. ber
Werfer. Daf. 1888; Der f., 9teuperftfd)c ßiteratur, im ©runbriß ber iranifeben $Wo«
logie II (Strafeburg 1896), 212 ff. — 7. Pizzi, Manuale di Letteratura Persiana.
Milano 1887; Der f., Storia della Poesia Persiana. 2 voll. Torino 1894. —
F. F. Arbuthnot, Persian Portrait«. London 1887. — E. A. Heed, Persian
Literature ancient and modern. Chicago 1893.
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Xie Anfänge neuperfiftfcer Sidjtung unb fttrbüfi. 443
mehr auß bem ^eritfchen, Snrifchen unb (Üriec^if(f>en an. frätte fich bie
arabifche Wacht nicht in öerhältniBmäßig fitrjcr 3eit fo fluf ungeheure
Sänberftrerfen jerfplittert, Dom Cruß unb 3nbuß biß an bie Heilquellen unb
nach (Gibraltar unb über bie ^pprenäen Ijinauä, fo märe eß bietleicht um
bie perfifche Ctterotur für immer gefcheljen gemefen.
Allein in ben Cftprobinjen befchränfte fich baß Wrabifche auf ben
religiöfen Unterricht im #orän, ber nicht in frembe Sprachen überfefct werben
burtte, unb jeitroeitig auf ben amtlichen SBerfcbr. $aß ^et)Iebi aber ober
roeiter öftlich ein noch reineres ^erftfd) blieb bie Umgangßfprache ber $erfer
unter fid), unb mit ber ältern Spraye erhielten ftdj auch bie großen Sagen
unb (Erinnerungen ber Vergangenheit. 3>n biefen öftlidjen ^probinjen be=
hielten aud) bie alten ©rofegrunbbefi^er ihren (Sinfluß. $a bie Araber nicht
jahlreich genug roaren, mußten fie auß Dornehmen ^erfern Statthalter unb
Beamte mahlen. $iefe gemannen in ben nächften ^ahrhunberten an Wacht,
je mehr fid) bie ißlamitifdje 2Belt außbehnte, ihre politifche Einheit jerfplitterte.
Änum ^meifjunbert ^afjrc nach Errichtung beß ÄhalifatS unb nur ^roölf
3>af)re nach ber bon 3age unb ^Joefie ummobenen ©lan^eit beß £>ürüu 911=
9tafd)ib (786—809) machte ber Werfer Sahir unter bem #h<*lifen Wa'mun
(821) fchon ben Verfud), bie öftlidtjen "^robinjen bon bem .Vthalifenreiche Ioß=
jureißen. Unter feinen Söhnen unb 9cad)fommen loderte fid) baß Abhängig:
feitßoerhältniß immer mehr. Von 851 an begann baß ©efchledjt ber Saffa=
riben bon Sebfcheftan (Seiftön) auß bie öerrfdjaft über baß öftliche ^Jerfien
an fich $u reißen; ihm folgte, unter beftänbigen ftaubfriegen, bon 887 an,
bae ©efchlecht ber Samaniben, baß, bon ben 58ujiben unb Sijariben be=
tampft, biß an baß @nbe beß folgenben SatyrhunbertB einen großen
bon fernen an fid) brachte unb regierte. 9tlß Heerführer in ihrem $)ienft
roud)ß bann baß türtifcbe $efd}led)t tyxan, baß ihnen Sanb unb £>errfd)aft
entreißen follte. Um 977 rourbe ber ilürfe Sebuttegin £>err bon Öhojna
(®hn*ni)» begann mit ben triegerifchen 91fghanen=Stämmen ber ®ör unb
^ufchtu feine Äaub^ügc nach SSeften unb Horben unb benufcte bie Schmäche
beß Samaniben Scudj HI., um fich roeithin burch ^erftcn biß nach Sranßs
oranien )u fchaffen ju machen. Sein Sohn Wabmüb fchüttelte bann auch bie
nur mehr bem Warnen nach beftehenbe Cberljerrlichfeit ber Samaniben böflig ab
unb faßte ben großen pan, an ber Spifce feiner unbeweglichen SReiterfcharen
auch 3nbien ber jperrfdjaft beß ^ßlämß ju untermerfen. ^aft bcftänbig im
Kriege, eroberte er in unaufhaltsamem Stegeßlauf (bon 994 — 1030) mirtlid)
faft alle i'änber , melche einft bie Saffaniben beherrfdjt r)ntten . unb baju
einen großen beß nörblichen 3nbienß. %uf einem feiner Äaubjüge
(1023) brang er über ©malior unb $alinbfd)ür biß in bie 9iäf)e beß
heutigen Mahabäb, auf einem anbern (1025) plünberte er ben reichen
iempel Sümanät auf ber ^albinfel ©u$erät.
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444
»icrte« SBud). 3*»eited Äapitel.
Kütten im SBirrmarr biefer ununterbrochenen barbariidjen 9taubs unb
(5roberung§jüge entroidelte fidj langfam eine neue Qspodbe ber perjtf$en Spraye
unb Literatur, ©dmn nll £ärün 91U9tafd)tb 809 feinen älteften 8ot)n
5Ma'mün nach 9Jlerto fanbte, mürbe berfelbe bon einem ber (Sinroohner,
SIbbäS, mit einem perfifdjen ©ebidjte begrübt, bem erften neuperfifdjen
©ebid)t, ba« nod) erhalten ift unb ba§ alfo fchliefet:
„SJor mir l)at in biefer Söetfe feiner je \o\d) Sieb gelungen,
$a nod) fem Don foldjer ©angart fidj bie ^erfeijunge tjält;
Storum fang id) juft bie$ ßieb bir, ba& bod) enblid) (Blanj unb Stimmer
$urd> ben ßobpreU beiner Roheit aud) auf biefe ©pradje fällt."
91n ben £öfen ber ooffariben unb €>amaniben rourbe perfifd) gefprodtjen.
Smmer jahlreidjer tauchten perfifd^e Schriftfteller unb dichter auf. $a bie
in ^eljleöi gefchriebenen Söerfe bem 93olfe nicht mehr berfiänblidj waren,
mürben fie in ein reinere» ^erfifcb — bas fogen. 9teuperfifcb — überfefct,
unb bie Pflege beäfelben nahm ftet» einen regern 5tuffcbmung.
Sa'füb ^bn Saitt), ber ©affär (Kupferfcbmieb) genannt, ber fieb Pom
Kohlenbrenner, $)icb unb Keffelflicfer jum Steitergeneral unb fajlieBlid) $um
nahezu unabhängigen dürften bon Sei'ftän unb ©rünber be§ <E>affariben=
häufe» emporgearbeitet fjatte (851 — 879), mar ein rauher, ungebilbeter
£aubegen. (Sr mag roohl ©efaüen an ben alten 93olf»fagen gefunben haben,
meldte «Ruftem , ben öorjeitlidben gelben bon SeYflän , berherrlidjten ; menn
ihm aber befonbere Herbienfte um bie Sammlung ber alten Ueberlieferungen
jugefebrieben merben, fo fdjeint ba§ auf 33ermecb»lung ju beruhen.
3u bebeutenberem Sluffdjmung gelangte bie perfifebe Literatur unter
ber £>errfcbaft ber Samaniben, befonber» unter ÜRaSr IL (914 — 943), ber
als ftinb auf ben Zfyxon fam unb mit jmanjig fahren fa^on Krieg führte.
„GJrofje dichter blühten auf," fo er^ä^lt %uji, ber ältefte Citeraturr)iftorifer
Werften», „breiteten ben Teppich aller trefflichen Künfte au» unb gaben ber
SBelt ber ^3oefte eine fefte ftorm." Söähtenb bie bt^t)erigen Joelen fitr>
mit furjen Siebe»liebern, Sinnfprücben unb ©elegenheit»berfen begnügt hotten,
mürben jefct allmählich ofle bie berfduebenen $id)tung3arten gepflegt, melcbe
man bei ben Arabern tennen lernte unb bie fürber nicht nur bie feften
©runbformen ber perfifeben Literatur blieben, fonbern aud) in bie übrigen
mohammebanifdjen Literaturen, mie bie türfifdje, afgbanifebe, Innboftanifcbe,
übergingen: bie ßaffibe (Oagibat)), mie bei ben Arabern ein längered
paneghtifdjeö , fatirifebe», elegifcbe» ober bibaftifebe» ©ebiebt; bie Oit'e
(Söruchfrürf) , bon ber Kaffibe nur buret) Söegfall be» 9teime» im erfiten
£>albber8 oerf(hieben ; baS © h Q S 0 1 (Lieb) mit ben Unterarten be» religiöfen
Siebe», be» irinf liebe» unb be» Liebe»liebe» , bie fpäter nidjt feiten in=
einanber floffen; baS Wethnemi (vDiathnaoi) in boppelt gereimten Herfen,
für ba» ^eroifd)e unb romantifche 6po8 fomie für größere £et)rgebi(hte.
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2>ie Anfänge neuperftffer Stiftung unb Orirbüft. 445
(Sigentttf perftffer (?rfinbung ift nur ba§ töubai, ba§ ©inngebift in
jtDölfftlbigen 9?ierjeilern. Sei bcn übrigen formen rourbe auf ba§ 3*er§=
maj$ Don ben Arabern entlehnt1.
5(u8 ber ©far ber $ifter, toelfe, tnetft be$ $(rabiffen funbig, fif
nif t mit 5Berfuf en in biefer ©praf e begnügten, fonbern iljre eigene ©praf e
unb Literatur ju boller ©elbfiänbigfeit b,eronbiJbeten, ragt föübagi fjeroor,
um 872 geboren unb naf 952 geftorben, ber erfie grofee Älaffifer in neu:
perftffer ©praf e, ber feinen §errff er in begeiferten ftaffiben berb>rriif te
unb auf beffen Befehl ba& inbiff e ^abelbuf Äalilafj unb $imnaij aus bem
^efjlebi in neuperfiff e Serfe überfefete. ©eine Snrif unb $ibaftif ift mit
ber arabiff en £ofpoefie berroanbt, tute fie fif in ber ©lan^eit beS ÄtyalifateS
ju SBagbab entroidelt fjatte, ift aber reifer unb friffer unb meift in finita
reifem 2öort= unb ftormenfpiel, überreifer SBilberfüDe, fünftlifen @egen=
fäfcen unb rotzigen Reflexionen ffon bie meiften 3U9C ÖUf> toelfe bie
fpätere perfiff e Styrif f arafterifiren. Stuf in religiöfer £infift entringt
er fif ben fronen Steffeln be§ Zorans unb ff lögt 9lccorbe an, bie mie ein
leifeS ^rälubium ber fpätern moftiffen £iftung erflingen2.
9(n ber reifen «ibliotfjef beä ©amaniben Wüf III. (977 -997), bie
f ren Urfprung Ijauptfftf lif f riftlifen ©eletjrten unb Slerjten au» ©grien
banfte, fhtbirte jeitroeilig 91bü 9Ui 3 bn ©inä , im Wbenbtanbe früt) als 9foicenna
befannt, 983 in S&ofljara geboren, 1037 geftorben, ber größte ^olbfnftor
unb 9lriffotelifer beS Orients, ©eine pbilofopfnff en, naturtoiffenff aftlifen
unb mebiciniffen Söerte, barunter fein „Äanim", ber für äaljrfiunberte
bie ÜKebicin beljerrffte, finb aflerbingS in arabiff er ©prafe abgefaßt;
feiner 9ibfiammung naf gehört er inbeS ^erfien an. ©eine tfebfjaftigfeit unb
2eif ttebigfeit, feine au$ff toeifenbe Seibenff aft für $Bein unb „Öiebe", beren
folgen tr)n bor ber 3*** mS ®rQb braften, Derratt)en ben eften ^erfer.
2)er roeite ®eftft§frei§ aber, roelfen feine ©tubien umfpannten, bejeifnet
bie b>fje ©ilbungSftufe , unter beren ßinflufe bie perfiff e ßiteratur fif oon
fet)r beff eibenen %nfft|en in faum einem Safrrljunbert jur glänjenbften
$oHenbung iljreS 9iationaIepo£ enttoidelte. $afc 9foicenna fif auf t)ierfür
interef firte, bezeugen eine 9fa$ar)l perfiff er ©ebif te, bie er felbft berf apt (jat 3.
1 <£li)i, ©runbriß II, 219.
9 6 1 f) < , Sdübagi ber ©amanibcnbidjter (©öttinger 9tad) rid) ten 1873 S. 663
bid 742); 3) er f. , Sh'tbagi'ä Jöorlftufer unb 3«tßcnoffen (5)totgcnlänbifdjc ^forffungen.
Seidig 1875); S)er|. , «ttifel „SRiibagi" in ber Encyclop. Britennica. 9,h ed. —
J. Darntesteter, Lea originea de la poesie pereane. Paris 1887 (nad) dtb.e)- —
C. J. Pickering, A Persian Chanter (National Review. London. May 1890); 35 er f.,
The Beginnings of Peraian Literatur« (Ibid. July 1890, gleidjfanä nad) CFtfje).
* Jp. 6tM, 31t»icenna als perftfd)er ßDrifer (©öttinger 9tof richten 1875
S. 555 — 567). — $anadj C. J. Pickering, Persian poerry of Avicenna (National
Review. London. January 1890).
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446
Vierte* »ud). 3ioette* ftapitel.
$>en mät^tigfien, wenn auch noch nicht unmittelbar erfolgreichen 91nftoß
erhielt bie aufblühenbe Literatur bereits etwas früher, inbem 9lbü SRanfur,
Sofm beS Wbbiu'r 9ia^iit, £>crr Don iüs, burch oier in ber alten Volte=
religion unb Sage beroanberte Männer bie in s#ehteüi abgefaßten Stüde
bes „tfönigsbuch*" oon neuem fammeln unb in neuperftfä> $rofa über=
je^en ließ. Unter bem Samaniben Stach III. unternahm e3 bann ber
jugenbliche Siebter 2>aqiqi, biefe profaifche Ueberfefcung in neuperfifche 93erfc
umzuarbeiten. 3)aqiqi mar nicht Ü)(ot)ammebaner , fonbern als Werfer oon
altem ©abläge noch Öeber ober Feueranbeter, unb begann feine Arbeit mit ber
Gpifobe beS ßönigä ©ufchtasp unb bem Auftreten 3oroafterS. @r harte erft
etroa taufenb bis jroeitaufenb SBerfc üollenbet, als ein junger türfifcher Sflaoe,
ben er fich eben getauft, it)n meuchlings ermorbete. 60 blieb baS Söerf
wieber liegen, unb ber jahrtauf enbalte Sagenfchafc SranS fotlte erft gehoben
»erben, als mit ben Samaniben auch bie lefcte perfüaje $miaftie gefallen
mar unb ber Surfe Wabmüb über Werften herrfchte.
2. Sultan ÜJtahmüb t»on Wr^a^na unb feine Safelrunbe.
Wafmtüb oon $hajna entfpriebt bem echten löpuS beS orientalifchen
Eroberers, roie er längft in Cmar unb ben erfteu friegerifeben «Qtjalifen
oorgebilbet mar unb roie er fich fpäter unter ben berfduebenften Warnen
roieberfinbet : ein tapferer £aubegen unb getoanbter t$elb(jetr, 00U unerfätt=
lieber £>errfa> unb i'änbergier, ftoI$, rüdficbtsloS , graufam, aber auch ges
febidter unb bcrfcblagener Diplomat, ber günftige (Gelegenheiten abjuroarten
ober anbetteln, im rechten Slugenblid loSjufcblagen unb feine ©egner §u
überrumpeln oerfteht, unermüblich in neuen Unternehmungen, unglaublich
rafd) in feinen tfriegSjügen , nur im Vorübergehen Sieg unb Veute ge*
nießenb, um gleich wieber neuen 3uwad)S an Wacht, Vefty unb 9cubm ju
erftreiten. 3" bem ftreng abfolutifrifchen Säbelregiment, baS eine folaje
Wuffaffung beS Gebens erheifchte, paßte ihm bie freiere Sehre ber Schiiten
nicht, toie fie fich fonft in fernen allgemein berbreitet fiatte; er fehrte
jur ftrcngften mohammebanifchen Äechtgläubigfeit , jur Sünna, juriid unb
bulbcte teinc ßetycr, toeber in ber 9lrmee noch am £wfe. 3)och befaß er
felbft eine gemiffe literarifche Vilbung unb ^atte praftifd)en Vlid genug,
um bie Vortheile ju toürbigen, bie ein literarifche! SJiäcenatenÜjum mit fich
bringt. 2Bie ben Ät)alifeit oon Söagbab bet>agte e* ihm, oon hungrigen
Richtern befungen unb über alle dürften ber SBelt erhoben ju werben, unb
er fargte nicht mit ©liiift unb Cohn, jumal jeber neue ^cfojug wieber neue
Veitte brachte. Wag aud) bie Wachridjt, er habe oierhunbert dichter an feinem
.$ofe gehalten, eine Uebertrcibung fein, eine beträdjtltche 91njahl waren ihrer
ficher. (W)ajna roarb }ii einer Wrt poctifcher Wabemte ober Wufenljof, unb
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447
roenn ber Sultan jroifdjen feinen Dielen &rieg»jügen bafelbft ausruhte, liebte
er e», bie 91benbe im Greife feiner Sajöngeifter jujubringen, bon melden
et einen, 'Umjuri1, jum $idjtertönig ernannt fmben foU. 6r fall fidj aud)
felbft al» u)r 3llnf*Öcnoffc *m ^tc^ten Derfudjt fjaben; bod) finb bie fedj»
©l)afelen, bie unter feinem Tanten gefyen, nid)t näf)er beglaubigt.
5(1» if>r £>auptgefd>äft betradjtete e§ natürlidj biefe poetifa^e !£afelrunbc,
iljren mädjtigen £>errn unb Weifter ju Derfjerrlidjen. 'Un^urt aus SBald),
ber $)id)terfönig , fyat ifm benn aud) in jafjllofen ftaffiben befungen, bie
aber ben fyofycn Sd)roung 9iübagi» nidjt erreichen, fonberu oft mit gefugten
Äünfteleien ober flauen, profaifajen SBenbungen behaftet finb. 58on 9l»bfd)abi
an» 5!)2eriD ift roenig erhalten, baruntcr ein ßoblieb auf bie Eroberung ber
^eiligen ©ötterftabt Sümanät in Snbien (im ^a^re 1025). ftarruffyi, ber
roegen feiner Öeroanbtfjeit mit bem cirabifdjen ipofbidjter Wotanabbi Der=
glidjen roirb, begrüßte ben Sultan feierlid) bei feiner ÜRürfteljr au» ^nbien
unb befd)rieb feine (Barten, Hillen unb Sdjlöffer in Dielen, aud) cultur^
f)iftorifd) intereffanten ©cbidjten. s}lud) SDMnütfdjifjri, ber erft fpäter an ben
^)of (am, roirb mit 9)lotanabbi Dergltdjen unb roeift roirflid) Wnflänge an
bie ältere arabifdje Corif auf. 5lfabi, ber 2el)rer unb i'anb»mann ^irbüii»
au» iü», jeidmete fidt) baburd) aus, bajj er eine ^trt Don Üen^onen (2öett=
iampfgebid)ten) aufbraßte, roie „Gimmel unb @rbe", „l'anje unb SÖogen",
„'ÜJtufelmann unb ^arfc" , „Araber unb Werfet", bie Diel (Seift, Sd)lag=
fertigteit, Sprays unb 5°r,N9clDanbtl)ett üerratljen2.
2öic sDkf)müb au*> politifajen (Srünbcn bie Sünna ber 2ef)re ber
Sd)iiten Dorjog, fo fdjeint er anbererfeit» ber Sprache unb ben nationalen
Ueberlieferungen ber Werfer nid)t gerabe abfjolb geroefen $u fein. Sein
©ro^Dejier ^abljl 3bn Wfymeb fd)affte ba» tabifd)e fogar al§ amtlidje SBer=
fefjräfpradje ab unb erfe^te e» burd) ba» üieuperfifdjc, eine Serfügung, bie
freilid) fdjon Don feinem 9(mtänad)folger roieber jurürfgenommen rourbe.
Spätere iBerid)te gefielen fid) inbe§ barin, bie Safelrunbe be» friegerifdjen
Sultan» unb fein TOcenatenttjum möglid)ft poetifd) auszumalen. $anad)
geigte 9Jtarmiüb felbft ba» gröjste 3ntereffe für bie altperftfaV Sage unb
$efd)id)te unb gab Sefeljl, eine neue Sammlung berfelben anzulegen, roeldje
jene ber Saffaniben unb Samaniben übertreffen follte. 9lu» allen ^ro=
Dinjen ließ er 9lufjeid)nungen unb münblid)e 5Jeridt)te barüber Ijerbeifdiaffen
unb na^m überaus fjulbDoll jeben ^Beitrag auf. 5lu» Seiftän erhielt er
einen lljeil be» Se'ir al 9JloIuf, b. f). ber arabifdjen Ueberfetjung be» in
1 So föreiben g t V unb 9t ö l b e f c ; bei 9Jt o l) l , § am in c r ■ u r q ft a II
u. a. l)etßt er „Änffäri" ober „ülnfari".
» Ueberfe^t ift öon biefen 35id)tern nur ber 3)hoän bc« ÜJlinfitfd^i^rt Don
31. be 99iberftetii«fta)imiräfi, Menoutchohri, texte. tr»duction etc. Paris
1886, unb cinjelne groben üon Jpntnnter^urflftnll.
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Vierte« 2Jud). 3tteiteä Äapitel.
WeDi niebergefcbriebenen ÄönigSbucbeS, melcbe 3bn:al=<Dtofaffa im 8. 3aljr=
hunbert (2. ber £>ibfchra) berfaßt hotte.
5113 genügenbeS Material Dorlwnben fein fchien, Deranfialtete et
einen förmlichen Settberoerb, inbem er ben ^eroorragenbften Richtern feines
£ofeS einzelne Stüde au« bem ßönigSbuch anwies, um fte in neuperftfdje
SBerfe ju bringen. 333er Don ihnen bie befte Bearbeitung lieferte, follte baS
ganje Söerf übernehmen, deiner ber 23ielgefeierten braute inbeS etwas 33e=
friebigenbeS ju ftanbe, unb als ber Sultan enblich Uncuri brängte, baS
gan$e 2öerf *u übernehmen, gelangte bie große Aufgabe an einen dichter,
ber erft fürjlich oon einer entlegenen ^robinj tyx nach ©lja$na gefommen
unb bem £>ofe bisher oölltg unbefannt mar.
3. Bfirbüf t.
9lbü='l Äafim SRanfür, fpätec ftirbüfi, eigentlid) $irbaufi, b. h- ber
„^arabiefifebe" , genannt, mürbe 311 Scbäbnb bei IitS in ber s£rooin$
^horaffan geboren1, $ein Scbriftfteüer gibt fein (Geburtsjahr an; nach
feinem (Bebicbt mufj baSfelbe aber jjroifdjen 920 unb 924 faüen. Sein SJater
ftammte aus einer alten $)ihqanSfamilie , bie aber heruntergefommen
unb nur mehr ein fleineS ©runbftüd befaß, an einem ftanal, ber Don bem
an %ü% Dorbeiftrömenben ^lu^ abgeleitet mar unb nicht feiten, bei ^oebronffer,
baS ©runbftürf befchäbigte. Wn biefem $anal faß ber f leine ^irbüfi oft unb
träumte ben Dorüberjiehenben SGßeflen nach, unb betrübte fidj fehr, wenn baS
Sßaffer bie nur aus ^afchinen beftehenbe (Sinbämmung wegriß unb fo ben
©ärten Schaben that. ($r münfehte balb groß ju fein, um einmal einen orbcnt=
liehen Steinbamm ju bauen. %tt 33ater ließ bem talentDoUen Knaben guten
Unterricht ju theil werben : er lernte außer bem 9?euperfifd)en auch ^ebleoi
unb Wrabifcf), lefctereS fo Doflfommen, baß er auch in biefer Sprache bichten
tonnte. Sonft roiffen mir Don feiner 3ugenb nichts, als baß er fich fchon
Dor bem achtunbjmaniigften 3al)re öert)etratet haben mufj ; benn fein einjiger
1 2öit folgen ^iet ben 9tad)rtd)ten, tt>eld)e 9)1 o l) l (Le Livre des Rois. Orolio-
auägabe I, p. xix— xliv; £ctat>au$gabe I, p. xn— lii) unb Cufeletj (Biographical
Notices p. 54—99) aud perfiden Cuellen gefdjöpft f»abcn. Sic f>auptfäd)lid)ften ber
Icfotern ftnb jroei peififd)e Sorreben jum Sdjaljnflme, Pon tveldjen bie längere auf Sc«
fef)l ©äifongfjurä, beS GnfelS 2imurä, (1425 — 1426) gefd)rieben nnirbe. Sinb fte audj
nid)t jutierläfftg , fonbern poettfd) aufgepufet , fo jeigen fte uns bod) ben S)id)ter im
8id)te bet nationalen Ueberlieferung. ®ine ftrenge, nüdjterne flritif betfelben gibt
9t öl bete, 3)a8 iranifdte Wationatepoa (©runbrifc ber iranifd)en «Philologie
II [©tra&burg 1896], 151 ff.). Gr ftüfet fid) babei auf ben älteften ^rofa=SBerid)t bcö
Slrübt, ber 1 1 IC — 1117, alfo ctroa ein ^aljrfjunbert nad) Sirbüfiö Hob, 2ü$ befudjte
unb bie bortige Cocaltrabition ttiicberjugebcn fd)eint, aber aud) loicber fcfjr Unroaf)Tfd)ein*
lidjeä erjagt. 3>er 18erid)t ift Deröffentlid)t l>on £>. dtfjc (3citfdjrift ber 2eutfd)en
Worgcnlänb. ©efcüfd). XLVIII [1894], S9-94).
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3>ic Anfänge neuperfifcf>er 3>tdjtunQ unb Srirbüfi. 449
Soljn ftarb im Silier Don iicbenunbbreiüig ^Q^rcn, als er felbft fünfunbs
fechjig Söhre jäh^lte.
@ar feb,r Hebte er bie spoeftc; Doch genügte ib,m baS geiffteiche
bonfen: unb Otormenfbiel nid^t, melches unter ben Damaligen Richtern in
ber 9Jtobe mar. 2öaS ü)n roeit mehr an§og, waren bie großen epifdjen
Erinnerungen ber Sorjeit. 9lls er Don bem oor^ettigen 2obe beS 5)agiqt
hörte, ba ergriff ihn, »nie er felbft erzählte, bie £uft, beffen Nachfolger ju
»erben. 9tad)bem er ftcti lange Dergeblidj um eine Wbfdjrift beS alten #önigS=
bucheS umgefefien, roie eS ber SHhqän £anifchmer in ^3cr)IcDi=^rofa nteber*
gefchrieben ^atte r oerfc^affte ifnn enblid) fein ^reunb 9Jcohammeb Safd^fl^ari
eine folche. $on ihm unb bem Scheiff) 5Jlob,ammeb $cafä)üf in 2üS er=
müßigt, begann er, im Hilter oon fechSunbbreifjig Sauren, baS meitläuftge
SBert in neuperfifchen Herfen ju bearbeiten, nicht bon Dorne an in chrono:
logifcher Reihenfolge, fonbem mit freier SluSmahl nach feinem (Befallen. @ir
begann mit bem Kampfe ^eribuns gegen unö öa§ te&*c Stüd, baS
er mutbmafjlich in %iß aufführte, mar bie romantifche ©efdndjte beS
Sijamufd).
3meiunbjroanjig ^at>rc arbeitete er unoerbroffen an bem gemaltigen
SBerfe, erft ganj geheim unb in aller Stille; burch öfreunbe gelangte inbeS
Älunbe babon in. bie Ceffcntlichfeit, unb Diele begehrten feine SSerfe ju b,ören.
3)aS 2ob berfelben brang 511 ben Clären 9lbü ÜJlanfürS, beS Statthalters
ber ^rooinj, melier bie bis balnn aufgeführten Stüde |u höten Derlangte,
grofceS (Gefallen baran fanb unb ben dichter fortan fo reichlich unterftüfcte,
bafj er olme jebe Sorge fid) ganj ber §ortfe£ung mibmen tonnte. So mürbe
er adjtunbfünfjig Saint alt, als itm eine günftige Fügung an ben £of
beS neuen £errfd)erS Don Werften, beS Sultans 3Jcatmiüb in (&fya$na, brachte.
lieber ben förunb feiner Steife baf)in tarnen Derfdnebene lleberlieferungen
in Umlauf. *Rad) ber einen mürbe feine Familie Don bem neuen Statt:
halter in lüs faxt bebrütft. Sultan 9Jcahmüb aber ftanb im Stufe großer
©erechtigfeitsliebe, unb fo entfchlofc fich ^irbüfi, felbft an beffen £>of ju gehen
unb fid) ÜRecfot 51t berfdjaffen, inbem er feinen ©ruber 9)iaffüb mit ber Sorge
für ben greifen üßater betraute, @r tarn gerabe in ©ho&na an, als ÜWahmüb
feinen fieben ^ofbiajtern je ein Stüd ber altperftfchen AönigSgef deichte jum
SBettbemerb in Arbeit gegeben r)atte.
9tach einem anbern Bericht mar ber 9tuf feines Samens fdmn Dörfer
nach ©ha^na gebrungen, unb ber neue Statthalter Don 2uS, 91rSlän jlr)än,
erhielt Befehl, ihn an baS tönigliche Jpoflager $u fenben. $)er SJtchterfürft
'Umjuri fürchtete inbeS Don bem neuen Stern Derbunfclt ju merben unb
Derfchmor fich mit bem Sßejier 93abic=ub=bin, ihn Dom Jpofe fernzuhalten.
UnterroegS mürbe ^irbüft in £)erät Don einem Söoten gemahnt, nicht meiter
ju reifen, ba ber Sultan feiner bereits Dergeffen habe unb er bcsljalb nicht
»anmgattner, ÄDcItltttratur. I. 2. «uft. 29
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fßiexM SBu<$. 3wettrt Aapitel.
auf günftige Aufnahme $u rennen Gaben würbe, girbüfi wartete jcbo^> in
£erät ju. 'Un<;uri überwarf fid> mit bem 5>ejier, unb ber ledere lub girbüfi
öon neuem ein unb entberfte iljm sugleid) bie frühere ^ntrigue. Wnbere
Slnefboten malen weiter aus, wie ftirbüfi, in ©tjajna angefommen, bon
ben übrigen $id)tern fefjr mifigünftig aufgenommen unb nadj Sttöglidjtett
äurürfgebrängt, enbliä) baju gelangte, feine Talente oor SWaljmüb ju jeigen
unb beffen ®unft *u gewinnen.
9tu3 ben groben, welche ftirbüfi au§ feinen bidljerigen $iä)tungen gab,
erfannte 9Jlaf|müb balb feine aufeerorbentlidje Begabung für baS geplante
cpifdje SBerf, an bem bie übrigen Xid&ter beö ÄönigSfwfeä fid> bis bafnn
umfonft oerfud>t Ijatten. 6r lieft ünn Ufyaib alle bafür gefammelten 9Rate=
riaüen jur Verfügung fteflen unb gab ifym eine prad}tooöe 38ol)nung, meldje
unmittelbar an ben &önig*palaft felbft ftiefe unb burd» eine Sljüre mit
bem töniglidben ^riöatgarten in Serbinbung ftanb. 2ln bie Söänbe feines
<SJemaä>8 liefe er Silber ber alten gelben unb Könige, Sdtfadjten unb
Sagbfcenen au* ber alten ÄönigSgefdndjte malen, mit Söaffenrüfiungen aller
9lrt, ^ferben unb $romebaren, ligern unb Elefanten, ©egen Störung
burä) 3?rembe warb ber Siebter forgfftltig gefefcüfct; nur ^baj, ber ©ünft=
ling SWalnnübS, unb ein Sflabe Ratten freien 3utritt ju feinem ©erna^e.
$ic £i<fctung würbe frürfmeife bei f)ofe öorgetragen, mit Wuftf unb mimifdjer
Begleitung, wie bie $erfer eS liebten, ©lafjmüb fajmärmte in ber erften
3eit in leibenfdjaftlidjer SJemuuberung unb erflärte, nod) fein Sinter l)abc
bie alten Sagen fo ju neuem fieben erwerft wie ^tbüft ; er erfülle alle feine
3u$örer mit bem £elbengeift ber alten Seiten. (*r befahl feinem Sd>afc=
meifter #afan Waimanbi, bem $ia)ter für je taufenb ©oppetoerfe taufenb
(Bolbftüde au^u^a^Ien; ^irbüfi war tnbeS nic^t Ijöfifdj genug, um baS
©Iüdf gleicb beim S#opf *u faffen, fonbern wollte erft nadj Stollenbung beS
ganzen SÖBcrfeS bejaljlt fein. Gr felbft fdjmelgte in JBegeifterung über ben
türtiföen Eroberer, bei bem er fo fretmblidje 9lufnafmte gefunben, unb fang
feurig fein Sob, ni$t nur in ber Einleitung 51t bem ganzen Sßerfe, fonbern
faft bei jebem neuen Slbfdmitt wieber. 9We heften öerblafeten ba gegen
ben einigen SBafmuib, in welkem tr)re ftröjie, ir)r £elbenmutlj, ifcre Siege
fidj erneuerten.
$er erfte Sonnenglanj ber fürftlia)en £ulb bauerte inbeS nid)t aflju
lange, ftirbüfi fanb Weiber unb fteinbe. $er Sdwfcmeifter #afan *Dtai=
manbi felbft fcblofc fid> benfelben an, unb ber $id)ter würbe na<& unb na$
bermafeen bernaajläffigt, bajj er fiaj nneb, fiebenjäfcigem 9tufentyalt an bem
üppigen £ofe 511 ber ftlage berechtigt füllte: „So ljabe iaj fünfunbfec&jig
Saljre in «rmut, 9lo«j unb Üttüfje Eingelebt." Gr erhielt 00m &ofe nidjt fo
öiel, ban er bamit anftänbig r>ätte ausfommen tonnen, ^rioatleute, wie 9Ui
ber SDilemitc unb öufein, ber Sofm be* Alalib, oerforgten ilm mit Wahrung,
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2>ie Hnfftnge neuperfifdjer Sidjtung unb Sftrbüft.
451
Äleibung unb fo biel ©elb, baß er ficb ungeftört ber tjortfe^ung feinet
SöerfeS wibmen tonnte. 21ucb biefe ÖefdVnfe waren jebodj feinen Weibern
fdjon ju biel. $a einer feiner Öönner, ^ufein, Sd)iit war, Wagten fie
u)n ebenfalls an, baß er fein ortljobojer WoSlün fei, unb nötigten ü)n
ju ber ßirHärung: ,,3d) bin ber Stlaoe ber fjamiüe beS $ropf|eten; idj
oereljre ben Staub an ben t^üßen 2lliS; id) menbe midj nid)t an anbere:
fo lautet meine SRcbe." 9(uä) fein poetifäjeS Talent würbe befrittelt, feine
bisherigen Stiftungen Ijerabgefejjt. Sä^merälidjer als ade bie Angriffe traf
ben alternben $)id)ter ber unerwartete 2ob feines einzigen SoljneS, ber im
Sllter bon ftebenunbbreijsig 3af)ren ftarb. 3n einer ßpifobe feiner großen
2)id)tung rebete er ü)n ungefähr alfo an:
„©o lang ftnb mir ben gleiten 2Seg gegangen,
Jüiarum bift bu fo plöfclid) mir enteilt,
£aft einen anbern Steifeplan umfangen,
S)er bu mein Seiben tröftenb ftetä geteilt? —
2)u tjaft toobl itingre ftreunbe angetroffen —
Od) barf bid) nimmer 311 erreichen fjoffen?
60 früf), ad)! faum mit biefer Süelt befannt,
§at fidj ber 3&ngling bon ifjr abgeroanbt
Unb ließ mid) fuer in meinem 9Jti&gefd)id,
9Jtit blut'gem fcerjen, ttjränenbotlem »tief.
3nä ßanb bea Sidjtö ift er oorauägegangen,
S)en alten 33ater bort etnft ju empfangen.
Unb bin id) einfam audj feit Dielen 3ab,ren,
Jöerlaffen Iängft oon metner Sfreunbe Senaten,
S)u fdjoueft t)arrenbr fefjnenb auf mid) nieber,
O lieber @obn! — balb fetten wir unö nrieber!"
Obwohl tief gebeugt, arbeitete ber maefere ©reis bod) unermüblidj an
feinem riefigen üöerfe weiter, ßr ftanb bem adjjigften 2la^re nabe, als er
e8 enblid) jum $6fdjluß braute. @S umfaßte nun bie ganje Sage unb
©efd)iä)te SütperfienS bis jum $obe beS legten ber Safjaniben, nad) feiner
eigenen Angabe in 60000 Soppelberfen, alfo 120000 Herfen, an Umfang
faft aditmal fo grofe als bie SliaS.
211S e^rltc^er 9Jtann, ber feine Aufgabe gelöft, burfte ^trbüfi erwarten,
baß ber im Ueberfluß fdjmelgenbe 9Jtaljmüb baS gegebene 3krfpred)en erfüllen
unb ifmt bie 60000 Öolbftüde ju tljeil werben laffen würbe. Mein bie rofige
tJrürftenlaune, in welcher ber Sultan baS 93erfpred)en gegeben, war Iängft ent=
fdjmunben. 5)ie Sntriguen ber Höflinge borten ifyre Söirfung geujan. Statt
60000 (Solbftücfe ließ ber Selbftf)errfa>r bem Siebter 60000 Silberftüde
anweifen. $od) ^irbiift war fein £wffd)ronje, ber fo mit fidj fpielen ließ.
($r blatte nidjt umfonft fein ganje* £eben lang ben üiitterfinn unb bie £>clbcn=
große ber Sorjeit ftubirt. Slud) er befaß Sclbftgef üt)l , üflutl) unb cbeln
29*
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452
IBterteä IBudj. 3weited Äapitcl.
Srofc. Gr mar eben au£ bem ©abc geftiegen, als itnn bie jämmerlidje
SaVnfung jufam. Gr bejann fid> nid)t lange. Gin drittel ber Summe
mie§ er bem $abemcifter ju, ein drittel bem JBoten, ber tym bie Sifcenfung
angefünbigt Ijatte, baö lefcte drittel gab er für ein ®la§ ftuqti, eine 9lrt
33ier, bem nädjften Scfienfroirt unb lieft bem Sultan fagen, ba& er fein
grofceä 2Bcrf nid)t für <$elb feil f>abe. £em Despoten mar fo etwas un=
erhört. 6r tobte bor 20utf> über folaV $red)t)eit unb gab 93efe$l, girbüfi
bon einem Elefanten jerftampfen gu Iaffen. gelang jebod) feinem ftüirft*
ling ^oaj, ber ftirbüfi fe&r juget^an mar, bie fofortige 2luSfüf>rung be&
5BefeI)lö &u berf)inbern unb 2)tat>müb ju beruhigen. Mein ^irbüfi Ijatte
fürber feine ftufje meljr in ©fjajna unb fann nur meljr barauf, unbemerft
ju entfommen. 9ta<f)bem er eine bittere Satirc auf ben treulofen Abrannen
abgefaßt unb biefelbe in fixere £änbe niebergelegt fmtte, berfleibete er fid>
als Sernnfdb, unb enttarn glücftid) au» ber U)tn berljafct geworbenen 6tabt.
$ie Satire ift eine ber fraftigften Scctionen, bie je einem übermütigen
0*emaltf>errfcf)er bon einem roendofen $idjter erteilt morben finb.
„Sdjab, 5Dlaf)tnüb! Söeltcrob'rcr, «iegedftern !
©djeuft bu midj nidjt, fo fdjeue ®ott ben §errn!
aOßeil bir 3U 3fu&en liegt bie ganje <?rbe,
3fragft bu: Jffioju bie «läge, bie Sefdjtoerbe?
2Bei&t bu benn nidjt, id) ffifjr' ein gute* ©djmert,
Unb bu fdjiltft gottlob mid) unb ftnnbetfjört !
$u nennft ein ©djaf midj; bod) id) bin ein 8eu,
Unb ruf bidj in bie ©djranfen, frant unb frei.
SKon raunt bir ju, ba& idj, Doli fdjledjter Seljre,
3um ©djein nur SRobammeb unb 9Ui etjre:
3d) bin i^r ftnedjt, treu biä 3um jüngften Sage,
Cb man ben Äopf mir aud) Dom Stumpfe fdjlage —
3db merb' fie liebenb meine SJietfter fci&en,
Sieg' aud) ber Äönig mid) in Stüde reiften;
3d) toerb' berefyrenb ftets bie 3b,ren grüben,
3r)r Soblieb fingen treu ju ?Uifl prüften.
9Hd)td 6d)lcd)tered fid) t)ier auf @rben regt,
Site einer, ber nid)t Sieb' 311 91U b,egt!
€in Elefant fott mid) 3U S3rei 3ermalnten,
Srotjft bu, baß blutig meine ©lieber qualmen:
3dj fürdjte nidjt, mein £eri fdjlägt rub,ig nod),
3d) liebe <Dlof)ammeb unb »Ii bod)!
SSaS fbridjt er, ber bie »otfdmft unä gebrad)t,
Und Säumig unb Verbot bat funb gemacht?
,3d) bin bic Stabt ber t^ebren ©oUeÄtuortc,
Unb 3lli ift ber 3Bar)rr)eit beil'ge Pforte.'
3>a& ift, id) fag' e$ laut unb fonber SOÖanfen,
$er SD&afjrfprucb. be« ^robb,eten, fein ©ebanfen;
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$ie Slnfange neuperfifdjer 2>id>tung unb Qrirbüfi.
3$ W it)n flar. 3ft 2öei*beit bir unb ©inn,
©o fielt bid) auf bic ©eitc beibcr t)in.
Wabt Unheil bann, tooblan, e* treffe midj —
3n biefem ©tauben leb' unb flerbe id).
SBir gilt mein 2Bort, unb bu fottft oerftetjen,
Unb nimmer toerb' t^t) meine «Rebe breben.
Sßenn SJtaljmüb fidj öon biefem <pfabe fefjrt,
3ft fein älerftanb lein flörndjen ©erfte mertb,.
Unb iveit im ;>nfeitä ©ott mirb auf beu Sharon
(Erbeben SJtobammeb unb feinen ©otm,
2öerb' fyunbert Äön'ge, SRabmüb, einft bir gleid)
3d) fdjüfcen in be$ Rimmels lidjtem 9leid),
2Bofern mein ÜBort mir $fanb unb 3e«8n»& ßibt,
Safe id) 2Ui mit Sflobammeb geliebt.
Solang bie SÖelt ftcljt, wirb fie ftön'gc fdjauen,
Unb ftöu'ge toerben meinen 28orten trauen:
SBon 2ü8 Ofitbüfi mar ben deinen fjolb,
Srfjrieb biefe £id)tung nid)t in SRabmübä Solb;
3m Kamen 2Jlotmmmeb8 unb %üi nur
SReibt' id) ber 2öeiäbeit SBBort jur iperlenfdjnnr.
2US fein Sfirbüft mar auf biefer äöelt,
Äonnt' fie tyn faufen nid)t für all ttjr ©elb.
$u f)aft mein S9ud) nid)t orbentlid) erroogen;
SJerleumber, ©d)ineid)Ier b,aben biet) betrogen.
$odj »er autfj immer I)at gefd)miil)t mein 2)id)ten,
$er Gimmel über uns, er roirb it)ti rieten!
$er Jtön'ge 9hib,m bab' id) fo treu befungen,
3n jahrelangem Sienft um Xanf gerungen,
Unb ba als ©reis ben Sldjtjig ju id) toante,
S)a fdjeitert mir ber Hoffnung lefcte plante.
3n atoeimal fedjjigtaufenb fdjönen Seilen
©ang id) Don ©d)tad>tgemübl, non ©dbtoertern, «Pfeilen,
Jöon mäd)t'gen 3>egen, Heulen unb ©efdjoffen,
SJon §elm unb $anjer, reid)gefd)mucften Staffen,
93on 3ftecr unb 2anb, öon SEBüften gtutb>erbrannten,
93on ßeu unb SDßolf, Don ligern, (Slefanten,
5öon Xrad)en, flrotobilen, 3a"&e«i»
Unb oon ber £itt>e grimmem IRadjefdjrei.
34 fang ber tütmen Werfen eble« Zxadfttn,
$ie ÄamöfeSlömen im ©eroirr ber ©d)lad)ten,
$er $errfd)er £>errlid)fett im ©lau) ber Ärone,
2uS, Selm unb Slfrafiab auf ibrem Sf/tone,
Unb Ädnig flei llobab unb fteribun,
Unb 3ol)öt fäfjiQ nur jum SiöfeStbun,
©erfdjaöb unb ©ant, ben ©ofjn beä Weriman,
Sin jeber fiegretdj fteti alä ^cbletoau,
ipufdjeng unb XabmuraS, ben 35irobefrieger,
3Kinutfdjcf}r unb 3fd)emfcbib, ben SÖeltbcfieger,
454
Vierte* Sud). 3rociteö Kapitel.
Unb flei Äarou« unb flei fltjoSru, bic biebern, *
Unb SRuftem mit ben eifenftarfen ©Hebern,
©uberj mit feinen adjtjtg tapfern Söfmen,
Sie füfjn im ^relb beä 9lingfpieU Siege frönen,
SotjraSp, ben Stpeljbar 3*m> ©ufdjtaäp,
Unb, fonnengleid) im Stentenfrana, 2>föama«p.
Slud) Sarab fang id), ©afjntan, «leranber,
Sie 2Öeltbeb,crrfd)er aüe nadjeinanber,
Sen ftönig 2lrbefd)ir, ben boä)geinutt}en,
2d)at)pur, 23af)ram unb 9tufd)irtoan, ben ®nten.
Sie Reiben ad, tote einft im ßauf ber 3*i*en'
ÜJlit ftoljem Jpaupt burd) meine Stdjtung breiten.
Sie »oaren langfi bem ©rabe übergeben,
Sa rief mein ßieb fte auf ju neuem ßeben.
C König! 3Jud) bein Warne mu&te fterben:
SRein Sang nur mirb ber 37 ad)n?elt tfjn öererben.
Senn roenn ipaläfte aud) unb <Vönig8b,atten,
Storn Sturm gcpeitfd)t, in Sd)utt unb Srümmer fallen,
SOBaS id) gebaut, toirb fein Crfan Mrtoefttt,
SCßirb nad) 3abjf)unberten nod) glorreid) ftet>n,
Unb weiter getjt mein Sieb fon §anb ju $anb,
Unb jeber lieft'S, bem »Hab, gab Jöerftanb.
3n Wotf) lebt' id), (Sntbefjrung, 9Mb/ unb $ein
Sin fünfunbbreifcig 3a*)r' — bie Sd)ulb war bein!
Senn frohes ©lud fianb burd) bein 2öort mir offen:
S3om fcerrn ber SEÖelt, road fonnt' id) nid)t erhoffen?
Sa f)at ber t$einb fid) an bein Cfjr gefd)lid)en
(9luf etoig fei ifun ©lud unb ^»eil entroid)cn!)
Unb b>t Dergiftet, road id) fprad) unb tfjat,
SOlid) angefdjroärit burd) fd)änblid)en Söerratlj.
fcätt'fl al« geredeter 3lid)ter bu gerietet,
Su rjättefi nie geglaubt, toae er erbidjtet;
Su lannteft mid), fa^ft, nüe id) mit ©ebulb
Ser SBeli bt^ai)Ue bed Talente* Sä)u(b.
Surd) meines ßiebe« füge 3auberma$t
Straijlt neu bie äßelt in $arabiefe«prad)t,
Söaö feinem Std)ter ift oor mir gelungen;
Senn feiner bat fo lebenaooH gefungen.
Sie bau f teu enbloä Sßcrfe ofme 3al)l;
SEÖcr fpridjt t>on iljnen bleute att3umal?
Sod) breiig Oafjre rut)te nid)t mein Streben,
ÜBifl «Perfien fam im ßieb ju neuem ßeben.
Unb f)ätt' nid)t ©eij beö flönig« §er3 oerjetjrt,
3lm ßömgätbjone ftänb' id) b»*g*eb,rt.
Sod) meil er felbft nidjt mar jum Stroit geboren,
flennt er nietjt ^ürftenfitte, auäertoren.
2Öär' fein grjeuger ftöuig nur gemefen,
6r rjätt' ein Siabem aud) mir erlefen.
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3)ie Anfänge neuperfifd)er $id)tuug unb 2rirbüfi.
455
C>ätt* eine tjürftin ibn jur 5Bclt gebraut,
aJlit ©olb unb Silber »är' id) rei<b bebaut.
2)od) »eil bie Seinen allen 3lbeU blofe,
©egreift ei nidjt, toai ebel ift unb grofj:
35er Sbelmutb 2)labmüb6, beä großen £id)tä,
3fl nur ein 9lidjt* — unb »eniger als 9iid)t$!
9lad) treuem Qrletfe Don langen breiftig ^a^ren
#offt' reiben öobn jum 3)anf id) ju erfahren,
©on 9iotb unb Gorgen frei, gemad) ju leben,
©or Sfürften ftolj mein freie« #aupt ju b^eben.
$a öffnet feinen Shefenfdjafc er mir
Unb $af)lt mid) auä mit einem ©lafe ©ier!
S)er 9teid)tbum einer ©Seit »arb ibm ju tf)eil:
3für ein ©lad ©ier bin biefem §errn id) feil!
3d) tranf e« untertoeg« — tooljl »ar e« wenig,
$o<b immer mebr »ertb al3 ein foldjer flönig,
S5er nid)t ©efefe, nid)t 2reu', nid)t ©lauben begt,
$em ftd^ lein flönigäfinn im §erjen regt.
Cin Sflaoenfobn fann nimmer fürftlid) benlen,
9Jlag man bem ©ater aud) bie Jtrone fdjenten.
Unmfirb'ge preifen, boffenb fie oereljren,
Reifet: eine Gelange fid) am ©ufen näbren.
©flan3 einen bittern ©aum in €benfi ©arten,
grmübe ntd)t, mit $onig fein ju »arten,
SJlit ^JarabiefeSftrömen ibn ju »äffem,
$ie bittre 3rrud)t — bu toirft fie ntd)t Derbeffern.
Söie »enig Slmbra füg bein ftleib burd)baud)t,
©on »enig Rot)U »irb e3 fd)»arj beraubt.
9tur ©öfeü quillt auä einem bbfen CueU,
Unb ÜWadbt bleibt 9iad)t unb lann nid)t »erben tylL.
Unreingebor'ne meibe brum mit Orleife:
Äein ©kffer »äfd)t bie fcaui bt* Sieger* weiß,
Unb £>offnung fid) trübem ©ronn berfdjreiben
Reifet: ftdb mit Staub ein franfe« Sluge reiben.
§ätt' »abrem «Rul)m ber ftönig nad)getrad)tet,
2)er SBeiabeit ©orte bdtt' er nid)t beradjtet,
35er ©orjeit ©raud), ber alten fcerrfeber Sitten,
28ie id) fie fd)ilberte, nid)t überfdbritten.
Cr f)ätte nidjt mein hoffen unb mein ©eten,
Wein ganzes £eben«»ert fo fd)nöb jertreten.
3>rum fdjrieb id) biefe mädjt'gen ©erfe nieber,
$aft beff'rem SRatb ber Honig laufdje »ieber,
2>a& fünftig er ber 9Äad)t be« Sorte« benfe
Unb nimmer »ieber einen $id)ter tränte,
2>er Wabnung folgenb, bie ein ©reU ibm gibt,
ä&eun feinen eignen 9tubm er »irtlid) liebt.
$enn »ebrloä ift ber ärmfte SDidjter nid)t,
Sein Spott oerfolgt bid) biö jum SMtgeridjt ;
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456
SBierteö »ud>. 3roeite* Äapitet.
3n SlfdK trauernb, nod) am tüngften 2age
3?or 9(Ual)$ ihron erneut' i$ ineine Ülage:
,$err, Ia§ ifjn einig in ber §ötle brennen,
5Dlir eto'ge $>immeUtt>omie juerfennen !'* 1
^irbuii übergab bie Satire einem 5«unbe, ber fie bem Schah SRahmüb
Stuanjig 2age nach [einer Wbreifc in bie $änbe fielen foüte. $a§ gefchab,.
£>och luaflte ber 3orn be§ Sultan§ auf, aß er ftirbüfiä ftlucht ber=
na^m; nod) mehr ergrimmte ber ©etoaltige, alä er bie $erfe las. (5r lief*
ftirbüfi atebalb nachfcfien ; allein ber Flüchtling ^atte fdjon einen 511 bebeuten=
ben SBorfprung gewonnen. $od) febroebte er in großer ©efaljr; benn nach
feiner Dichtung t)\n gab e§ irgenb einen Jperrfchcr, ber ifm gegen ben
3om SJtahmüb* ^ätte ficherftellen fönnen. Cbtuohl ber dichter an Dielen
Crten b>rjlia> lb,eilnal)ine fanb, roagte i^m bodj niemanb blcibcnb 3»fl"*t
ju geroäfjren. lieber fein unftäteä ©anberleben gehen bie Berichte au8=
einanber. ©aln-fcheinlich manbte er fich juerft nach SWajenberan, ber fdjmalen
#üftenprobin$ am ttafpifcfjen 9Jteer, welche in ben alten £>elbenfagen eine
grojje Stolle fpielt. ßabuS, ber gürft öon £fchurbfd)än (Hyrcania), nab,m
Um freunblich auf, Deranlante ibn jebod) au& politischem Bebenfen, balb mieber
meitequjiehen. So roanberte ber greife Dichter nacb, SBagbab, ber einft fo be=
rühmten Äf>alifen= unb SHufcnftabt, wo irjn niemanb fanntc. (Sin mitleibiger
Kaufmann gemährte ilmi llnterfunft unb empfahl ilm bem Sejicr. 6in
arabifcheS ©ebicht, baä er auf benfelben machte, gewann it)m beffen ©unft
in folebem (Srabe, bafc er in feine eigene Süofmung aufgenommen unb bem
Kalifen Wiabir^illat) oorgcftcKt mürbe, $cr £f)alife empfing itjn mit SöohU
wollen, unb ein ?obgebid)t Don etwa taufeub Beit* (Doppclöerfen) Derfchaffte
bem b,artbebrängten Flüchtling neue ©unft. 9hir fanb eä ber Ä6.alife alä
£aupt beS 3§läm tabelnSWertf), bafc ber Sichter früher bie in Gföfcenbienft
Derfunfcncn ftönige unb gelben ber alten Feueranbeter öerberrltcht f;abe, unb
münfajte, bafe feine ^oefie fünftig mehr bem ©eift unb ben Sbeen beä 3släm
entfpräche. So mahlte fid) ftirbüfi benn alä neuen Stoff bie im ßorän felbft
enthaltene Gkfchichte bon $üfuf unb 3alif^ä r welche bamalö fdjon in ber
ganjen telamitifchen 2Bett — gemäfe ben 2öorten beS ßoränS felbft — als
bie fd>önfte aller $efd)id)ten galt unb fpäter noch öon Dielen Dichtern be=
^anbelt rourbe. Seine Bearbeitung (bic ettua 9000 Soppctoerfc jiujlt, alfo
ungefähr fo umfangreich mie bie Sliaä) ift neben berjenigen 9tyämte moöl
bie boflenbetfte epifa>e /yaffung, bic ber urfprüngliaj biblifaje Stoff in ^erften
gefunben r)at. %n reia)ftem 3Rafjc entfaltet ber fchtDergcprüfte Öreiö auch
hier noch feine poctifche ÖeftaUung3frait; allein tiefe SBchmuth ergreift uns,
1 Sie Ueberfcfouna, folgt bem Xcyte 3)iot)U. SJte C>anbfchriften ftnb fonft
fetjr t»erfö)ieben ; in einigen fyat ba« ©ebid)t nur 30 95erfe, in anbem 100 ober
101, eine fommt bt« ju 100 Herfen.
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Sie Anfänge neuperfiföer Et^tung unb SJirbüfi. 457
menn er, feinem tragifchen SebenSloS erlicgenb, in bem fchmer$lichen Prolog
fein grojjeS £elbengebicht — unb mit ihm fein ganjcS Seben als Zfyottyit
berurtfjeilt unb feine ganje Vergangenheit glcidjfam felbfi jerftört.
®urd) baS neue 2öerf gelangte ftirbüft mit Stecht $u neuem 9iuhm.
SDoch trat er bamit aus bem ihn fä)ü$enben $)unfel b,erauä. 9)cahmüb er=
fuljr jefct bon feinem Aufenthalt unb berlangte feine Auslieferung. 3)er
Ätyalife h^tte nicht ben Wutf), ihn ju befänden, bod) auch, nicht bic 0*ißs
heit, ihn auszuliefern. S)er einige AuSmeg mar, ben dichter roieber un=
ftdjtbar merben ju laffen. Abermals mujjte ber unglürflidje XichtergreiS
berfappt, fchutjflehenb bon einem Sanb jutn anbern fliehen. 6r jog jucrfr
nach Ahmaj, ber ^oiiptftabt bon Sräf Abfchemi, bann nach ftuhiftän, »uo ber
Statthalter 9laSr 2af ihn in feierndem Aufzug empfangen liejj ; er mahnte
ihn aber bobon ab, nod) irgenb etroaS gegen $Rahmüb ju fdjretben. Als
ber dichter bas berfprach unb ihm fogar aüc SSerfe ablieferte, bic er nod)
miber ben ßönig gefä)rieben, trat 9iaSr 2af entfchieben bei *Diahmüb für
ihn ein, unb es gelang ihm roirflidj, ben ©roll unb 3orn beS £errfch=
gemaltigen $u überminben. Aud) anbere ftreunbe beS Richters mirften ju
feinen Öunften. £)affan ^aimanbi, fein größter ©egner, fiel in llngnabe
unb mürbe jum 3lobe berurtheilt. $er greife dichter ging jebod) nicht
nacf) ©hn$na jurüd, fonbem mollte feine legten Öe&enStage in feiner 9?ater=
ftabt £üs bcrbringen. AIS armer Flüchtling langte ber größte dichter beS
CrientS, ber 9iuhm ber ©hosnabibcnjeit, mieber in feiner SBaterftabt an unb
ftarb hier balb als ©reis bon breiunbadjtjig Sahren. 9cach einer ber bieten
Anefboten, mit melchen bie Sage fein ßeben umfponnen, begegnete ihm, als
er, ben Einwohnern unbefannt gemorben, burch bie ©trafen fthritt, ein
ßinb, baS ben fchlimmften SßerS aus feiner furchtbaren Satire auf 5)cahmüb
bor fich h(r fang. 2)a ftiefj er einen ©d)rei aus unb fiel ohnmächtig nieber.
33alb barauf trat ber Job ein. Als man ihn ju ©rabe trug, traf am
entgegengefe^ten ©tabttljore eben bie Äaramane aus ©h<tyna ein, bie ihm
gum 3e^c" üoder Sßerföhnung unb Anerlennung bie einft besprochenen
60 000 ©olbftüde bringen foüte. ©eine Üöermanbten follen bie ©umme,
ganj nach feinem frühern Sunfdje, barauf bermanbt l)abtn, ben Äanal an
feinem 93atert)aufe mit einem ©teinbamm ju berfehen unb eine $araman=
ferei in ber ©tabt ju bauen. (Sin fleiner Kuppelbau bezeichnete noch im
Anfang biefeS 3Q^h«nbertS baS ©rab beS Richters jmifchen ben Xrümmem
feiner längft berfallenen ^eimatftabt1.
1 ©o mandje ßinjclljeiten ber Jätern perftfdjen Ueberlieferung auäj burdj 9töl»
bete« Unterfuäjungen beseitigt ober in 3»ctfel gerufen »oerben, fo bleibt bie eigentüdje
§auptfaä>, baS tragifdje So* be« größten perftfd&en $idjter«, bo<$ unerfrfjüttert. 6r
f)<xt bafät, ba& er in feinem ftationalcpoö ben turfifdjen Sultan ajlahmüb Derlen»
Uchte, ben fdjnöbeften Unbant geernter, würbe i>ernad§löffigt, laum unterftüfet, rottete
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458
Vierte* SBud). 3toeite« ÄapiteL
4. Das Scbähname.
Das fcfjönftc Denfmal, ba§ t5irt>üf i ^interlaffcn, ift fein großes Äönig3=
buch, ba$ Scbähname. DaSfelbe ift freilief) fein (SpoS, ba§ ber Definition
be§ ?lriftotele§ unb ben gewöhnlichen ftunftüberlieferungen ber abenblänbifcben
Hölter entfpriebt. Öleid) alten föcichSnnnalen ift e§ nach Königen grupptrt,
mit genauer Angabe, wie lang ein ieber regiert habe. (B ift in bem cin=
förmigen Metrum ÜDlutafärib
u u u u —
gefdjrieben: jeber 93erä reimt fidj in männlichem 9leim mit bem folgenben,
unb fo fdjeint ba§ SBerf auf ben erften, oberflächlichen 93lirf weiter nichts
al* eine ungeheure ^cimcr)ronif 511 fein, meiere febon burd) ihren Umfang,
bie Einfachheit unb ßintönigfeit be» 3$er3inafje§ unb bie ^retnbartigfett ber
tarnen ben Mbenblänber abjuftofsen geeignet ift. Dringt man inbeS etwas
tiefer ein, fo gemährt man balb, bafj girbuii bie Aufgabe beS Dichters bon
jener eines profaifajen ^roniften gar wohl ju unterfcheiben wußte unb baß
er bie erftere in wahrhaft großartiger Söcife erfüllt hat. Die lange #önig§=
Ufte geftaltet fich 511 einem engoerfchtungenen ©ewebe oon brei großen Sagen=
treifen, bon welchen ber erfte bie eigentliche alte ^elbenfage bon 3ran, ber
jweite bie griednfcfcorientalifcbe DariuS^lleranberfage, ber britte bie Sägern
gefliehte ber Saffaniben umfpannt, welche alle brei, als Mete eines gewaltigen
SJöIferbramaS, ineinanber greifen unb beren eigentlicher $elb baS alte ^erften
felbfi ift. 2Öir begegnen wohl zahlreichen gefchichtlichen 3il9cn» aDcr *cmcr
eigentlichen ©efchichte. Die uns befannteften ©efialten, @nruS, ÄambofeS,
DariuS £>t)fta«pis, SeryeS, fehlen gänjlid); anbere uns mohlbefannte, wie
Mlejanber unb bie berühmteften ber Saffaniben, finb burch ben orientalifchen
©eift in ^r)aI6mt)tr)tfc^e Sagenhelben oermanbelt. Der perftfehe SBolfSgeift
felbft h«t feine alte ©efdncbte in ben SBirren ber ^ahrhunberte ju pracht=
ooflen £>elbenfagen untgefchaffen unb mit bem 3^uber ber ^ßoefie umwoben.
Die einzelnen %ty\k finb nicht mofaifartig aneinanber gereiht, fonbern lebenbig
miteinanber bereinigt, bon einem Öeifte, einer Seele beherrfd)t. 3n
ber 33olfSpf>antafie berbanben fid) bie berfchiebenen £errfd)ergefcblechter
einem einzigen, au» ber älteften Sage emporgewachfenen Stamm, um ben
alle übrigen £>elbenüberlieferungen fid) lebenSboll emporranften. DiefeS 2öerf
feinem fchtoergclränften #erjen enblid) in ber gewaltigen Satire Suft, mufete §of
unb Canb fliehen unb ftarb, fern tum bem @lanjc beö @f>aanaoibenhofe* in bem
etnfamen 2üö, feiner fccimatftabt. 2ßie Strub! erzählt, föenlte ber Sultan ber
Softer beä $id)terä nad) beffen 2obe 60 000 2)trhem$; biefe nahm aber bie @abe
nicht für fid) an, fonbern übem>ie$ fie an bie Stabt jur Errichtung einer Verberge
unb einet* 3Jrunnen8.
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$ie Mnfönge neuperftfd^er 3)td)tung unb ftirbüfi. 459
bei jaljrijunbertelang fd^affenben SBolfSüberlieferung bat burcb, ben $idjter
^irbüft bann feinen Dollen fünftlerifdjen $lu§brud erhalten K
2BaS bie tjomerifdjen (Sebicbte für bte gried)ifdje Literatur, ba§ tourbe
ba£ (Sdjäfjnäme beätyalb für bie perfide, baS eroig junge, unübertroffene
^tationalgebic&t , ber Snfafopunft einer ausgebreiteten cnflifd)en 5)icf)tung,
baS unerfajöpfliaV SorratljSbauä ber fpäiern 6pit, ein ftets lebenbiger Cued
ber Anregung audj für bie lorifd&e unb bibaftifdje Sßoefie, ber mädjtiQe
2BurjcIflr>(f ber eigentlich nationalen perftfaVn Literatur.
3n türfifc^e 58erfe rourbe e$ oon Satar Wli (Sffenbi um baS 3af)r
1511 überfefct, in türtifdje ^ßrofa Oon 5Ret)bi um 1621; einen arabijrfjcn
^rofa=9lu§jug Oeranftaltete ifaroamsQjbbin aus ^Sfa^an um 1710.
3n ba8 Stbenblanb brang bie große perfijd)e $id)tung erft am (Snbe
beS üorigen ^afjrljunberts. $erfelbe englifa^e Cberriäjter Sir SBifliam
Rottes, melier Suropa mit ber (^afuntalä ÄälibäfaS befannt machte, feilte
aud) bie erften 9lusjüge unb groben aus ^irbufi mit. $m Auftrag ber
Cftinbifdjen Gompagnie begann SumSben in ßalcutta 1811 eine gebrudte
Ausgabe, roeldje inbed ntajt über ben erften SBanb tnnauSlam; erft 1829
ooflenbete lumer Eiacan, ebenfalls in ßalcutta, eine foldje in oier Sänben.
1 lieber bie #anbfd)rif teil »gl. 91 ö l b e f e (©runbrifc ber iranifdjen ^Philo-
logie II, 195—206). — ©ebrucfte Ausgaben Don Lumsden, The Shah namu.
Vol. I (fl. Örolto). Calcutta 1811 (blieb unDoÜenbet). — Turner Macan, The Shah
nameh. 4 vols. 4°. Calcutta 1829. — Julius Mohl, Le Livre des Rois. 7 vols. fol.
Paris 1838 — 1878 (ber lefcte Sanb Don Sarbier bc SDteljnarb). — Vidiere,
Firdusii Liber Kegum. 3 tomi. 8°. Lugduni Hatavorum 1877—1884 (fortgefefct
oon ßanbauer, aber nod) wioollcnbet).
lleberfefeungcn: SoUftanbige in franjöfifdjer Srofa oon 3uliu« 3Jtot)l
in feiner grofeen perfiden ?lu«gabe, bann feparat t)erau«geg. oon Sarbier
be 2tteDnarb. 7 vols. 8°. Paris 1877—1878. Sottftänbigc in italienifdjen
Serfen Oon 3talo *p i 3 3 i ; II Libro dei Rei. 8 volumi. Torino 1886—1888. —
UnDollenbete in beutfcben Serfen Oon 3fr. SRücfert, Oirbofi'ö ßömgfibucb. »118
beffen 91adjla& t)erau«geg. oon 6. %. Sa Oer. 3 Sbe. Serlin 1890—1895 (reidtjt
bi« Äönig @ufd)ta«p incl.). — CFnglifdjer ?profa-3lit*auQ au« bera (Sanken mit groben
in Serfen (naä) bem oertürjten türfiftben Sd)ät)näme be8 Saoafful Set)) oon
J. Atkinnon, The Shah Nämeh. London 1832. — Seutfrfjer 5Jhrofa=9lu«jug Oon
3ofeph, 0. ©örre«, 2>a« fcelbenbuch oon Sxan. 2 Sbe. Serlin 1820. —
Slufctoabl größerer ©teilen in beutfdjen Serfen oonÄb. ftr. ü.Sdj ad", $a« gelben-
bud) oon 3ran, metrifd) überfefet. Serlin 1851; epifdje Sichtungen au« bem Ser»
fifdjen. $af. 1853. Seibe SJerfc oeretnt unb oermehrt al« „$elbenfagen Oon girbuft-.
$af. 1865.
$tbt)nnblungen über ba« ©djatjnäme. 2)a« Umfaffenbfte unb ©ebtegenfte
00m trtttfä)'pt)ilologtfa)en Stanbpunlt au« bietet 9lölbefe, Sa« iranifd>e National*
epo« (©runbrife ber iranifdjen 5ßt)iloIogie II, 130—211); Dagegen gemähren bte Sin«
leitungen Don3Jtot)l, ©örre« unb 0. Sd)arf einen tiefem ßinblirf in ben eigent-
lieben poetifet)en S3ertt) ber großen Sid)tung. ^ijji (1' Epopea persiana. Firenze
1888) bot ba« Serbienft, ^rirbüfi aud) in Italien befannt gemad)t ju fjaben.
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460
JBierte* SBud). Smitti Äapttel.
2öie es ^riebrid) Don Stiegel war, ber baS ÜJlahabhärata unb baS
JRämäbana guerft in 5!eutfcblanb einführte, fo mar eS äofepb, Don (Borrel,
melcher ben erften Schritt that, bas Schähnäme in Seutfdjlanb einzubürgern,
inbem er in $n>ei S3änben einen Slbrifc ber gemaltigen Dichtung lieferte, ber
ftdt) fteüenmeife einer Ueberfefcung nähert, ftellenmeife ben 3nr)alt nur im
Auszug miebergibt, noch feilte ober baS befte Hilfsmittel bietet, einen ßinbltd
in baS Öanje ju geminnen. 9)lot)l fogt Don feinem 2£crfe: „Sä ift ein feljr
genauer Auszug aus ^irbüft unb bis fyeute bie einzige Arbeit, roelche eine
richtige 3bee Don bem 253erfe gi6t. 9)tan mag unjmeifel^aft ben Sbeen,
roelche ber SBerf affer in feinem Vorwort entroicfelt, feine 3uftimmung Der=
fagen unb einzelnes an feiner Ueberfe^ung tritifiren; aber man muß nn=
erfennen, bajj bie Auszüge mit einem feinen Sinn für epifche ^Joefie ge=
macht finb."
ÖörreS mar es hauptfächlicb um ben fagengefdnchtlichen Inhalt bes
GpoS zu tfjun. 9iur Don bem erften Xljeile gab er Deshalb eingeljenbere
SluSjüge, in fein* poetifeber Sprache, in einem ber mittelalterlichen dpit
nachgebilbeten Seutfch, bodj in $rofa, or)ne einen Skrfuch, Steint unb
9Dtetrum nadjjubilben. $as mar ber Sßunft, an meinem ber fprachgeroanbte
unb bidjterifch bt^abte Oiraf 3lboIf fyriebricr) Don Scbad einfette. 6r
brängte ÖörrcS' 2Berf in einen Diel türjern 9lbrip juiaminen, mahlte bann
aus bem erften %t)t\l ber Sichtung, ber eigentlichen „^elbenfage", eine 5Reit)e
ber fchönften Stellen aus unb überfeine fie, jmar nicht in bem fdjmierigen
Ferrum beS Originals, aber bod) in prächtigen, gereimten 33erS$eilen, bie
ungefähr ber Sänge beS perfifdjen 5ßerfeS entsprechen. Seine Ueberfejumg
gibt einigermaßen bie funftooüe ftoxm ber perfifajen Dichtung mieber, aber
ben naiDen, altoäterlicben 2on ber (Srjäljlung t)at ©örrcs beffer getroffen.
@in britter Seutfcher, Julius 9Hofjl, machte enblich baS Stubium beS
perfifchen SlönigSbucheS ju feiner eigentlichen Lebensaufgabe, inbem er, mit
franjöfifd)cr StaatSunterftütmng , eine forgfältige rritifebe Ausgabe beS per=
fifchen SejteS nebft fran^öfifcher Ueberfefcung ^erftelltc, roelche, in prachtooHer
WuSftattung, in fechs groliobänben 1838 bis 1868 ju s$ariS erfchien. Sen
abfchlicjjenben 33anb, an roeldjem ihn nach faft Diesjähriger Arbeit ber
2ob überrafchte, Dcröffentlichte fein Schüler Sarbier be vDtennarb.
Sen bebeutfamjtcn ßritifer fanb 9)Johl an bem ausgezeichneten dichter
unb Crientaliften ^riebrich 9türfert, ber fich aber nid)t begnügte, zu 3ftor)lS
Ausgabe unb Ueberfefcung 33erbefferungS0orfchläge ju machen 1, fonbent
felbft ipanb anlegte, um burch eine mahrhaft poetifche Ueberfe^ung baS
herrliche Senfmal beS Orients bem beutfehen 33oIfe näher z» bringen.
1 3fr. SRürfert, »cmerfimge» 311 9ttof)Iä 9lu*gabe be« 3firbüfi (3eitfä)rift ber
£eutf<hen 2Jlorgenlänb. Gejellfö. VIII, 239-329; X, 127-282).
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$te §etbenfage Don 3ran im Sdjnfjtwme. 4ßi
%xo% feiner auBerorbentlidjen 8prad)fenntniB »nb (£prad)gewanbtljeit ljat
er nur etwa bie Hälfte beS SöerfeS in einem erften Entwurf bewältigt,
unb berfelbe ift bis oor wenigen 3afjren ungebrudt geblieben unb jefct erft
cnblia^ oeröffentlid)t.
(£ine grofce ©djwierigfcit für eine @efamtüberfe$ung lag borin, bajj
foum eine £>anbfdjrift beS ©ebidjts ber anbern oöflig entfpridbt. ftaft jeber
Wbfdjreiber füllte fid) bemüfjigt, @infd)altungen unb WuSlaffungen öor=
junelmien.
(StwaS feltfam ift eS immerhin, bafj in ©eutfc&lanb , wo fo biel oon
„2öeltliteratur" gefprodjen wirb, ein unbebeutenber 9tad)flang ber fpüteften
perfifdjen'Sorif, wie 33obenftebtS „2)iirjQ=Sö)affp" ift, cS in fünfzig ^ofycm ju
mein* als 430 Auflagen bringen fonnte, mäfjrenb ©örreS' prad)tDofle ©a^rift
über baS „«^clbenbud) oon Siran" feit fünfunbfiebenjig 3ab,ren nie neu auf=
gelegt worben ift, ©diads „£>elbenfagen" feit 1851 nur bret Auflagen erlebt
fyaben, bas fa^önfte epifdje 2öcrl beS Orients aber nod) niemals ganz ins
$eutfd)e überfefct worben ift. £>ätte ftirbüft in furzen SBerSdjen fid) über bie
„Pfaffen" luftig gemalt unb „SBein unb Sßeibec" empfohlen, fo Ijütte wof)l
aua) ib,m ein gtinftigereS 2oS geblüht.
dritte« Äapttcl.
|>te ^efbenfttge von $tait im Srf>al)name.
$)er umfangreidjfte unb jugleia) poefieboüfte beS perftfajen $önigS=
bud>eS ift unzweifelhaft ber erfte, welcher bie alte £)elbenfage bon $ran be=
fjanbelt unb weit über bie £)älfte, nad) anberer Abgrenzung faft jwei ©ritte!
ber gefamten ©idjtung umfafjt. TOit ben 2agen ber Urzeit fjebt ber ©änger
an unb fdjilbert unS in großen, titanifdjen 3u8cn biß erf*c (£ntmidlung
menfd)lid)er ©efittung bis jur $öf)e einer golbenen, parabiefifdjen Qeit, bann
ben jäfyen fyaü ber 9Jienfd$eit burdf) Stolz unb ÜBermcffenfjett unb enbliO)
ben ftets ftdj fortfpinnenben #ampf zwifajen gut unb böfe, ber in bem
ÜÖeltlrieg gwifcden 3ran unb Üuran feinen 9luSbrurf ftnbct. ©ewaltige
©ajladjtenbilber unb Äampffcencn erinnern an bie ^IiaS, feltfame 2Banber=
fahrten unb ©treifjüge an bie Cbpffee, urmüdjfige .^elbengeftalten an baS
ftibelungenlieb , föittertfjum unb Stittetabenteuer an bie Ijöfifdjen (5pen beS
Mittelalters, pf)antaftifd)er 9)tärdjenjauber an „Saufenb unb eine 9tadjt".
£>ap unb Siebe, 2uft unb 2eib, <3d)erz unb (Srnft begegnen fid) in buntem
2öed)fel; bod) waltet über bem ©anjen ein tiefer, religiöfer Qsrnft oor,
ba unb bort oon Wnflängen an bie Uroffenbarung , bann wieber oon
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402
äHerted »ud). 3>ritte« flopitcl.
ÜBorftettungen be3 Sfoefka, borfyerrfdKnb inbcä oon bem 9)ionoÜjei8mu3 be»
#orän§ getragen, ber bie ^Dtc^tung tooftl hod) über bie ed)t f)eibnifd)en fabeln
ber 3nbet emporhebt, aber bodj oon ber ^beentoelt beS (£f)riftentl)um3 nocb,
weit entfernt bleibt unb auf bie großen {Rätsel beä Ü)Jenftt)enleben8 feine
Antwort meijj afö ftumme Ergebung in ba* allgemeine ßo§ ber 3$ergäng=
Uajfeit unb in ba§ unerforfcttficbe <Sdt)icf[al.
(Sine SDid)tung bon folgern Umfang in einen irgenbroie erfdjöpfenben
Slbriß ju bröngen, ift natürlid) unmögltd). (5ine§ läßt fid) aber bodj bielleity
auef) auf engerem 9taum erregen, eine lurje Ueberftdjt nämlid), roelaje
einerfeits ben ganzen Verlauf be& OtpoS mit feinem Ungeheuern ©eftalten=
reidjtfyum möglidjft beutliaj füjjirt, anbererfeits aber aud) ba§ SBedjältniß
unb ben 3ufaromenf)ang btr einzelnen %ty\U einigermaßen 5ur 9lnfd)auung
bringt, fo baß fid) jeber oljne große 9Jtü(je eine ungefähre SSorfteÖung oon
bem ©anjen madjen tann. 2Bir müffen babei notrjroenbig ber Okuppirung
ber $id)tung felbft folgen, roelaV ajronifartig na<$ ber mottnfdjen $önig8=
reil)e georbnet ift unb be3l)alb etwas profaifd) ausfielt, aber e$ in 2Birl=
Hajfeit am meiften erleidjtert, ftd) in bem weiten Sa6r>rintr) jurea^tjufinben.
I. Äaiumors (GJajumartlj) 1 Ijieß nad) bem Seridjte beS ©ifjqänä ber
erfte, ber fid) auf ßrben bie Jfrone auffegte unb ein 9feid) grünbete. 3tlS
1 3n ber ©djretbung ber Sigennamen folgen mir bem 2ejct unb ber Srang«
feription üDlo&U, mit roeldjer aud) ©djaef unb 9tÜ clert faft immer überein«
ftimmen. SJiefelbe fd)lie&t fid) 3ö>ar an bie tür!ifeb>perfifd)e 9luöfprad)e on unb ift
barum pfjilologifd) toeniger genau unb rid)tig. 2fland)e Warnen toie Sferibun u. f. m.
baben ftd) inbeS in biefer Raffung fd)on im 2)eutfd)en eingebürgert, unb eS mürbe
nur JBertoirrung ftiften, menn man biefelben abdnbern wollte. 3)er SBoHflänbigteit
halber laffen h)ir inbeä bier bie toidjtigften tarnen aud) in ber genauem 2rand«
feription, meldte auf ber inbifr^-perft feiert 2luöfprad)e fugt (nad) Stölbele, ©runb»
rife II, 130 ff.) folgen.
Äönigänaraen: ©aüömartl), $ofd)ang (aoeftifd) §auff)ianga), 2)fd)amfd)et)b
(altperfifd) ?)ima, inbifd) ?)ama), 9libal)ä (2)at)äf, arabifirt SJahhäl), 3rirebl)ün
(aoeftifd) 2t)raetaöna , inbifd) Sraitana), 93lanötfd)it)r , 9töbl)ar (aOefHfd) 9taötara),
JtarfdjäSp (aoeftifd) fterefaäpa) , Kai JQobäbf) , ßai Ääöd (Itaöa Ufan ober Ufaban,
inbifd) Uftjana«), Äai (£f)oörau (aoeftifd) flaoi §uöraoab), ßol)rä£p, @ufd)tääp (aoeftifd)
SBifbtaÄpa).
§elbennamen: fläöe (ber ©djmteb), ©alm. Zur, firabfd), ©am, 3äl (aud)
3)cftän genannt), Stuftam, %i>$ (aoeftifd) 2ufa), ©öbt)arj, @eo (JDeo) , ©urgin,
»abräm, ©ubräb, afräfinäb, ©iöäüufd) (aoeftifd) Sjäoarf^a), 3«fanbi^är, »^an,
5ßirän, ßaren.
Sfrauennamen: 9löbt)äbe, 3Jtanejl)t- — 2)« 33ogeI ©imurgb^, bie Äub ^urmä^c.
Ortsnamen: iürün, 9Käaanbaran( §äraaüarän, ©iftan (2)rangiana), 3äbul
(3trQä)of«en), Äangi bif)tfd)t, ftangbtj, ©ipanb ic. — 6ingct)enbereS bei 2b,. 9tölbe!e,
^erfifdje Stubicn II. ©i^ungöbcrid)te ber föntgl. Slfabemie ber Söiffenfd). SDßien
1892. »b. 126. ~ ©pieget, «oefta unb ©d)at)näme (3eitfd)rift ber ^eutfdjen
DJlorgenlänb. ©efeüfd). XLV, 187 ff.).
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$tc ^elbenfage üon 3ran im gd)äljttäme.
463
bie ©onne ins 3e^cn b& SÖibberS trat , erljob er fid) ftraljlenb unb be^
gann feine ^>ctrfd^aft. 3n ben 93ergen thronte er, mit ^orbelfetl umfleibet,
ber erfte, ber eine Reibung trug. Söilbe unb jarnne ilfnere ljulbigten ifjm
el)rfurd)t§üolI. <5in ©ofm war iljm, ©iamef, tugenbreiefy uub fd)ön rote ber
SBoter felbft. Unb jo f>errfd)te ber ©d)af) glüeflid) 30 Raffte. $od) 9lljri=
man, ber arge Leiber, gönnte ifmt fein ©lud nid)t. (£r fammclte ein
£eer miber Ujn. ©iamef trat iljm mutlwoll entgegen; bod) otyne ^anjer,
blojj t>on Sluerfellen umfüllt, öermod)te er bem 93öfen nidjt 511 miberfteljen ;
er fiel im Kampfe, unb ein ganjeS 3afu" trauerte bie SBelt um ifjn. ($r
Ijinterliejj aber einen ©ol)n, £mfd>eng, ber bie ^ßeri unb bie Wenfajen unb
bie Spiere sunt föaajefrieg fammelte, ben fajroarjen $>im überwanb unb if)in
baä &aupt abging.
II. $ufd>eng beftieg nun ben Sfjron. @r lehrte bie *Dtenfd)en bie
Bearbeitung beS Gr^eS, bie ©djmiebefunft, bie 5Bemäjferung ber 3fluren,
ben Öanbbau, 93a<ferei unb Äod>tunft. 3m $ampf mit einem $ra<J)en fdjlug
er mit feinem Staate fjfcuer au§ einem ©teine, befdjenfte bie ^Dienfdjcn mit
biefer föftlid&ften afler ®aben unb fejjte 311 @f)ren biefer ßntberfung baä $efl
©ebel) ein.
HE. SaljmuraS, fein oerftänbiger ©ofm, fe^te fein grofceS 2öerf fort.
Gr fcfjor bie Söibber unb ©dmfe, fpann it)rc SBofle unb webte barauS
Kleiber unb Seppicbe. Q?r jäfunte bie wilben Spiere, fing unb richtete Sögel
ab unb jüdjtete £mf)ncr unb anbere nüfolid)e Sfnere. £urdj hiebet unb
Saften gewann er fjolje 9ftcint)ett unb folc&e 3flubermad)t, bafj er bem 5lt)rU
man unb ben übrigen böfen ©eiftern furdjtbar mürbe. Umfonft oerfdfworcn
fidt) biefe roiber ifm. 3uwi ^Drittel Don ifmen bannte er mit gewaltigem
3auber; ben übrigen trotte er, mit ber furchtbaren $eule in ber £)anb, ba3
<&ef)eimnijj ber ©c&rift ab, unb jmar nid)t blojj in einer ©prad&e, fonbern
gtiednfd), arabifd), perfifaj, fogbifd), tfdjinifd), ^leoi, £inbi, 9Hi3rt unb
S3erberi, an bie 30 ©pradjen.
IV. 2)fd)emf d)ib, fein ©ofjn, r>errfd)tc gleich ifjm als $ürft unb
5priefter glorreidj über bie *Dlenfd)en= unb Ifnermelt. 50 3af)re oerwanbte
er auf ÜBerOollfommnung ber Söaffen unb tt)ter 3ier: fyerrlidje feinte febuf
er, 5ßan$er unb £arnifd)e, 2öaffenröde unb Stojjgefdnrre. Abermals 50 ^afjre
mibmete er bem ©dmturfe beS ^riebenä: er lehrte föftlidje ^radjtgemänber
aus ^lac^S, ©eibe unb 93iberf)aaren Perfertigen ; er lefjrte ba3 3^irnen unb
©amen, erfanb ben Söebflufjl mit Qettel unb (Sinfdjlag, üefj grobe unb feine
fieinwanb weben. SBieber 50 Safjre oerwanbte er barauf, ba» Solf in
Pier ©tänbe ju gliebern : ^riefter, Krieger, dauern, ^panbwerfer. 50 3al)re
Perlegte ftd) ber ©cfyal) bann auf» Sauen. Xk Tiwe, welche er $u feinen
©flaoen gemalt, mußten ?e^m bereiten, Alalt unb 3'e9cI brennen unb
genau naa} bem s«Ric^tfd)eit mauern. ©0 erhoben fid) bnlb iöäber, i^ünne
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464
Sterte« »udj. dritte« Äopitel.
unb ftoljc Sd)löffer. 3tus> bot ©ebirgen holte man ^uioelen unb (Sbcfc
mctaüe ^erbor, Silber unb ©olb, £)uacintfjen unb Stubinen. 3n Reiten1
unb ©arten fammelte man föftltdjc Spejcreien unb Heilpflanzen , SBalfam,
Kämpfer unb DJtofdmä, 911oe, SImbra unb 9tofen, unb ber ©chah erfchlojj bie
rounberbarcn £>eilfräfte ber ^ßflanjen. ÜEÖieber 50 ^af>re meiste ftdj ber
Schaf) ber Schiffahrt unb fufjr gu Schiff Don Sanb ju 2anb. $)ann liefi
er fich Don ben 55ito3 einen pradjtooflcn 2^ron errieten, ber h°d> in ben
£>immel ragte. 5)ie ganje 2i3elt fcharte fid) fwfoigenb um ihn unb feierte
bei ©ejang unb 2öein jubelnb ben Wcujahrstag. £enn in 300 3af>ren
mar niemanb auf ber 2öelt geftorben ; bie $)itoä, bie böfen ©eifter, ftanben
Döflig übemmnben im $ienfte beS Königs unb (eifteten ftrolmarbeit jum
2öohle ber 9)fenfd)en. ©efittung unb ©tüd ber 9Renfd)I>eit Ratten ihren
©ipfelpunft erreicht unb mit innen ber 9tuhm beS Schahs. 35a erfaßte Um
ber Schmtnbel beS Stolpe»; er fchrieb fich felbft alles $u unb Derlangte
Don ben Sölfern, bafc fic ihn als 2Belt)d)öpfer anbeten folltcn. 3«fct mich
©ottes ©lan* Don ihm. $ie Seit roarb Doli beS Aufruhrs. $ie ©öltet
fenften erft ftumm unb Derlegcn ihr $aupt, bann flogen fic ihn, unb fein
(£bler blieb an feinem £)ofe.
(Sine fo fchbne 3ci^nuDg beS golbenen 3c^a^CI§' siigleid^ als fort=
fchreitenbe ßntroidlung ber 2ttenfchhcit Don rohen Anfängen bis jur höchfien
©efittung gebaut, liegt uns bei feinem anbern ber alten SSölfer bor. Sie
bilbet eine prachtbolle Einleitung $u bem fürber nimmer enbenben 2öelt=
fampf jtüifchen gut unb böfe, ber fich in ber übrigen 9üefenbid)tung ent=
nudelt. £er ©runbgebanfe entfpricht in bo^em 9flaf$e ber Offenbarung.
Stolj, SelbftDergötterung , Ueberljebung über ©ott hoben bas urfprüngliäje
©lürf ber *D^enfd)t)eit oernichtet unb jenen ftäten Äampf herbeigeführt, in
roeldjem bnS ©röfcte unb Schönfte, baS SBerounbernSroerthefte unb ßieb=
reijenbfte, alles Stbifdje unb rein ©cenfdjliche bem ©efefce ber 3}ergänglia>
feit jur S3eute fällt. 9cur baS ©öttliche bauert ungeftört fort in umoanbek
barem Sichte.
3n ber 21rabifd)en 2Öüfte bereitet fich baS Unheil bor, baS jur Strafe
für $fd)emfa)ib§ freDentlichen Stolj 3ran unb bie SBelt treffen foö. $>a
lebt ein maderer 9teiterfürft, 5ftarbaS mit tarnen, retdj, fromm unb gütig,
^odj ehrgeizig unb lieblos mar 3ot}ät, fcm Solm, auch ^eimerasp genannt,
ber 9Jcann mit ben 10 000 'ijßferben. $enn fo Diele golbgejäumre %tyi\u
(21raber=) ^ferbe fyaitt er, §mei drittel baDon ^etS gefattelt, nia^t §ur
®d)laa^t, fonbern bloß jum ^runfe. 3tn i^n manbte fia) $bliä 1 in ©cftalt
1 ftirbüfi 0e6raud)t ^ier unb gelegentlich audj fpoter ben mohommebanifd)en
5tamen „3b Iis* für ben böfen ©eift ftatt beä oltperfifdjen „Stngr ö'ÜJlain^u"
ober „9tf)r im an", ©eioöhnli^er brauet er aber bie Warnen „» fj*i»"ttn* ober
„2>iU)\
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Sie ^elbenfage oon fran im St&äljndrae.
einc4 guten, roof)lmeinenben Cannes, fdjmetajelte fid) in fein Vertrauen
ein, oerfpradj if)in fjorje 2ÖeiSf)eit, nafmt iljm ein eibliape» SBerfpredjen ber
$erfcfjroiegenfjeit ab unb rietfj it)m bann, feinen 93ater umzubringen, um fid)
felbft ber £>enfdjaft 5U bemädjtigen. £er £iro (2eufet) oerlangt nur bie
(Sinroilligung ; für bte 2?ofljiermng forgt er felbft. 9luf einem ©artemoeg,
auf bem ber fromme ftürft jeben ÜJtorgen nodj im £unfel 511m Öebete geljt,
gräbt er if)tn eine Fallgrube, bie er ntd)t gewahrt unb in ber er elenbiglitt;
jerjdjellt. 3o^( befteigt hierauf ben Ürjron unb erhält bie 23erftd)erung,
Aibnig über bie ganje ©elt ju werben. ^6Ii^ nimmt nun eine anbere (Öe=
jtalt an, bie eines gefälligen jungen Lieners, unb melbet fidj bei 3°^
al» &od). Üflan t)atte bi» bafnn nur ^flanjennaljrung genoffen. 9lrjriman=
3bliS erfanb aber bte mannigfaltigsten ^(eifögerufcte , fütterte feinen £)errn
mit ßiern, 33lut unb ^Icifa), mit ben feinften Öederbijfen unb ben fd)tnads
f)afteften SBrüfjen. 9IIS ber überglürfliaje ^abifefjar) berlangte, er folle fidj
für all feine Sßerbienfte einen 2ofm roünfcfjen, begehrte er nid)tS al» bie
(SJunft, tf;n au ben Sd)ultern füffen $u bürfen. 9flit ^touben gemährte iljm
baS ber &<fyat). £od) taum r)atte ber 2/iro ifjn gefügt, ba oerfdjroanb er,
unb au» jeber Sdjulter be» dürften toucfjS eine Solange Ijeroor. 3ter=
rounbert unb entfefct fcfmttt 30*)0' Sdjlangen julefct weg. %btx fic
muffen toieber. $ein 9(rjt mußte 9tatl) roiber fic, unb SbliS, ber jefct in
©eftalt eine« 91rjteS abermal» $u if)m trat, fa)lug als Nüttel oor, bie beiben
Schlangen mit SRenfcfjenlurn ju ernähren.
Unterbeffcn aber fyatte fiaj ganj ^ran in nrilbem 9(ufruf)r gegen 5Dfd)em=
jdnb erhoben. 2>aS £)eer ber ^lufftänbifajen 50g in» ßanb ber Araber unb
rief 3ot)ät, ben $raefjenfönig , §um Sajaf) au», £fd)emfdnb rourbe au»
feinem Sanbe oerbrängt unb oerbarg fid) 100 ^cujre. £odj enblid) fiel er
am dnneftfajen 9)ieere (am üfdnnsINeere) in 3°^^ «pänbe unb rourbe
(ebenbig entjroeigefägt.
V. 3°^^ ift nun «perrferjer oon ^ran, ein unerträglicher inrann.
$ie 2Bei»f>eit ift oeradjtet, bie Ür)orr)eit obenauf; bie 2ugenb berfd)mäl)t,
bie 3flUDerci in f)ol)en (Srjrcn; ba» Stecht in Affeln, ba» Unrecht frei.
Scben 2ag müffen ben groet Schlangen jtoei Männer geopfert merben, bis
jroei eble TOnncr, ^rmail unb ©trmail, fielt) oertappt als ßödje melben
unb roenigftenS einem täglid) baS Seben retten; bie (Geretteten müffen aber
in bie 33erge fliegen unb bilben bort baS 33oIf ber Äurben. 2öic 3°^f
bie jungen Scanner jum §rafj für feine Schlangen raubt, fo bie 2öd)tcr
für feinen Jparem, allen Sitten unb Söräudjen ljörmenb. 3m 2raum roirb
er tnbe» bura) baS furd)tbare ©eftetjt eines ©egnerS crfdjredt, ber U)it fetbft
überminbet unb gefeffelt bis jum Serge ^emamenb fdjleppt. Söa^renb bie
9JJobebS für it)r Seben gittern, roagt roenigftenS einer, iljm ben Sraum
ju beuten, i^m feinen fünfttgen 3turj ju Ocrfüubigen unb i£)m ben tarnen
«aumflattntt. aJtltliteratuT. 1. 2. «u(l. oO
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466
Söierte« »u<$. dritte« Äapitel.
bei 9täd)er* au» £fd)emfd)ib3 Smufe, fteribun, ju nennen. Unb ein ^eribun
roirb geboren, ein Botin Wbtinä, ein Enfel Jpumajun*, ein ©rofrenfel £fd)em=
fd)ib§. Wbtin fällt jtoar in 3»f)ät^ ®eroalt, aber ber flugen Butter ^iranef
gelingt e* , ben Neugeborenen 511 retten. $)ie &ub s}>urmajef) fäugt ba§
Änäblein brei 3al)re, üon einem brauen dauern behütet; als 30§äf üjm
auf bie Spur fommt, flüd)tct bie Butter weiter gen Jpinboftan, $um
58erge ^Ibur^. $a roädjft fteribun $um £>elbenjüngltng fyeran unb erfährt
oon ber Butter feine 9tbftammung, ba* traurige 2o3 be§ 33ater§ unb bas
eigene. Gr fdjroört beut 9)iörber feine* $ater3 9iad)c, ob aud) bie Butter
fein Ungeftüm 311 bämpfen fud)t.
3oJjäf Ijat injroifdjen feine 9ful)e inefjr; er gittert beim ©ebanfen an
#eribun. heiraten $toifd)en 9)tenid)en unb Dämonen follen fein £>eer ^af)U
reifer madjen. Gr erpreßt fid) oon feinen Untertanen ein belobenbe* 3eu9=
nift feiner 2Öaf)rneit unb ©eredrtigfeit. Me* ift ifjm 511 2BiÜcn. $a fteüt
fid) am tfönigsfjof ein mutiger Kläger ein: ber eljrlidje 6d)inieb Äaioef).
Sßerjtociflung brängt ifjn. ^enn oon feinen Sonnen rourben fd)on fed)}elm
bem unerfättlidjen Sdblangenpaare be$ Snrannen geopfert, unb je£t wirb
iljm ber fiebjeljntc, ber le|ite, aboerlangt, ftüfnt forbert er ben 2d)af> bafür
jur SRedjenfdjaft unb ergreift bie £mlbigung4fd)rift , roeldjc bie Örofien bc3
Steides eben gejeidjnet rjatten, jerreiftf fte unb ftürjt fort, oljne ban ifjn
femanb ju faffen roagt. £enn ber 3d)a() ift ftarr oor Ueberrafdmng, wie
burd) ein ÜÖunber unfähig 511 einem Gntfdjeib. töatoef) aber ift unterbeffen
auf ben 9Jiarftpla£ geeilt, bat fein Sduirjfell an einen Sanjenfdjaft ge=
bunben unb unter biefem feltfamen Banner bes Wufrufyr* alle 'SDtifjoergnügten
um fidj gefa^art. Sein Söeifpiel fyatte ifmen 9Rutf) gemalt. 9lu» Stabt
unb $orf eilen ifjm £eute 51t, unb mit einem ftet* amoad)fenben Jpcer langt
er bei 5er'0im ö"-
25a* Sdjurjfeü be* Sdjmiebc* $aroelj roirb nun jum 9teid)»banner
erhoben unb tfatojani Sireffd) (53anner be* Äamelj) genannt. ^ribun läßt
c§ mit 33rocat umfäuinen, mit Öolb, Silber unb Juwelen fd)inüden. 3)ar=
auf läßt er fidf) eine cberne Äeule fdjmieben, in einem 3tierf)aupt enbigenb *,
jur Erinnerung an bie &ufj s4knnajef), bie ifm geiäugt unb bie 3"l)äf um
fcinehoiüen erfd)lagcn. Ein Seroid) (Engel) erfdjeint ifjm unb tfjeilt t^nt
rounberbare ßcnntniH mit. %n ber Spifcc ber Wufftänbifdjen , beren $atyt
ftetä toädjfi, bringt ^wbun über ben ftlufi Wrtoenb (2igrte) bis 511 ber
heiligen 3tabt Öangi :£ifd)l)oft)t, bem Si^e be§ Ünrannen, erobert beffen
Stabt unb "palaft unb febt fia^ feine .Qrone auf. $emt 3f^af ift eben in
1 ftcuoefyä S^urjfeU blieb aud) fürber 9tei(^dpanicr unb tourbe nebft ber Stier*
teule SfcribunS unter ben 9tcidj«fletnobien ^erfienö auf beroabjt , bis bie le^tern in
bet Sd)la<fjt »on Äabefia (635) in bie §änbe ber Araber fielen.
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$ie ^elbenfage Don 3ran im ©^Aljnämc.
467
^inboftan. 5£ob,l 3ief)t er nun mit einem mäajtigen Speere r)erbei, bringt bi*
51t feinem ^alafte bor unb frürjt fid) mit gejüdtcr Söaffe auf fteribun.
tiefer fdjlägt ifjn mit bem erften Streike nieber unb f)o\t febon jum jrociten,
töbtlidjen au§, bo erfd)eint ber Serofa) unb gebietet (Sinbalr. 9(uf feinen
Vefef)! feffelt gferibun ben Qofytt, fdr>fcppt i&n ju bem SBerge $emntr»enb unb
fd)tniebet it)n bort an bie Reifen einer fajauerlidjen £>öb,le.
VI. {yeribun. Subelnb begrübt fteribun* Dlutter iljren Soljn al*
Seftenfyerrfdjer. W\t il)m fet)rt 9tcd>t, Sugenb unb Gilüd nad> Sran juntd.
lieber Wmol 50g er nadj $emmifd)ef) unb fdhjug ba feinen Xfjron auf. Gr
nafym bie etnft üon geraubten Södjter $fä)emfdf)ibä, Sdjefninaj unb
^rneroas, ju grauen. Sie fünften tym brei Söfme, melöje er aber erft
benannte, al« fie fo alt waren, bap er ifjren (Hjarafter unb il)rc Sapferfeit
prüfen .tonnte, inbem er fi$ in einen feuerfpeienben 2>rad)en berroanbelte
unb ib,nen erfdjredenb entgegentrat. $>er erfte ftob, unb inurbe bofyer (Selm
genannt; ber jroeite ftürjte tollfufjn bem Sradjen entgegen unb erhielt ben
tarnen lur ; ber britte barrte rur/ig ben Angriff ab unb befam ben Warnen
Srebfrf). Unterbeffen batte ber Sater aber fdjon einen Vertrauten auf bie
Vrautfdjau für fie au*gefanbt, unb fie erhielten bie brei 2öd)ter be* Äönig«
bon fernen 511 5™«*"- darauf bertfjeilte gfrribun bie SSelt unter fie: Selm
erhielt »um ($ried)enlanb) unb (vfiatoer (Arabien unb 9lfrifa); 2ur er=
bielt iuran unb 2id)in, b. b- ganj 9torb= unb Oftafien (Surfeftan unb
Gbina); 3rebfd) enblid) erhielt baä in ber Witte gelegene $ran, ba§ be=
oorjugte ^Jerferreid) mit feinen auäerlefenen gelben.
3n biefer 9ieid>«tr)eilung be* guten $önig« 5"'bun wurzelt ber ft'ampf,
ber ben weitem ^nfjalt ber $id)tung bilbet. $erfelbe ifi mor)f eine 8ort=
fetjung be* bi^erigen Kampfe» jmifdjen Ormujb unb Wljriman, 2id)t unb
^infternip, gut unb böfe ; aber er geftaltet fidj nunmehr aud) jum gemaltigen
Waffenfampf be$ ol£ £id)rreid) gebauten 3ran gegen ba« nädftliaje 9teid)
bon 2uran, <^u bem gemöfmfid) ber ganje Horben unb Often fielet unb ba$
aud) bie europäifdje unb afrifanifa> Söeftmelt (9tum unb Gbamer) 3" Ver*
bünbeten $äf)lt.
3>ic beiben altern Vrüber, Selm unb Sur, beneiben ben jungem
trüber, baf; ifjm bei ber Reifung ba§ Sd)önfte unb Vefte zugefallen . $n
freebffer Söcife bedangen fie t»on fteribun feine Wbfefcung. tiefer ift tief
empört barüber unb roiinfd)t, baj* ^rebfd) fie mit bewaffneter 9Jtad)t
bemütbige unb jur Vernunft bringe, $odj ^rebfeb, ein arglofer, ebler
£>elbenjiingling, gleid) bem Siegfrieb be§ Wibelungenliebes, weigert fiaj
beffen unb will lieber ob,ne ,^eer unb 2öeb,r 51t ben Vrübern ge^en, um fid)
in Siebe unb ©üte mit ib,nen ju berftönbigen. Allein fein Gbelmutfj rei^t
nur it)rcn teuftifdjen §afj. Sie empfangen iljn fdjeinbar freunblia^, morben
i^n bann meud)lerifdb unb fdiiden bie gefa^änbete Seid)e bem Vater. 3n
30*
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468
Sterte« »ud). dritte« Äapitel.
j^mcrjli^cr lobtenflagc ruft biefer bcn &tod) be* Rimmels auf bic (£nt=
orteten Ijernieber. Tie futc^tbare Slutfdmlb Selm* unb 2urS bernk&tet
abermai« baS ungetrübte GHüd, bas 3ran unb bic SBelt für turje 3ett
unter ^eribun genoffen. @ine 331utfd)ulb ruft ber anbern, unb nur in furjen
3roifd)enräumen listet fid) bas trübe 2oS, baä Stolj , «Reib unb #aß in
biefc 2Selt gebracht.
ftür einen 9täd)er bc* ermorbeten 3«bfd) ift geforgt. (Sr f>interläßt
jmar bloß eine Iocr)ter, bie erft na* feinem lobe bas Sic&t ber 9Belt er*
blirft. Tod) nadjbem fic jur blüt)enben Jungfrau ern>ad)fen unb bann mit
^efdjeng Dermalst ift, fc&entt fic biefem einen ©oljn, Ehnutfc&eljr, .in meutern
Jeribun ben geliebten ^rebfd) roieberfinbet. @r mäajft jum ljerrlid)ften
dürften f>eran, unb fteribun läßt if>m bon ben Örojjen SranS ljulbigen.
Ter %t)xon oon %xan gelangt oon neuem ju folgern ©lanje, baß ben jroei
iBrubermörbern Setin unb Sur $u bangen beginnt unb baß fie ftd) burd>
Unterwerfung unb reifes Süfmegelb Don it)rer Sdjulb lo^ufaufen oerfudjen.
Tod) ftertbun läßt fi<& auf nichts ein; er fenbet 2J(inutfd)e$r jum äampf
toiber Seim unb Sur, unb bicfer überminbet nid)t bloß ben mit beiben
berbünbeten Statu, ben Sofm 3^!*, fonbern aud> bie &eere TurS unb
Belm*, erfdjlägt beibe in perfönliaVm Äampfe unb fajidt iljre Äöpfe an
fteribun. ©o ift ber traurigen yflity ber SBlutradje genügt ; aber ber greife
fteribun überlebt ben ©dmierj nidjt, ben ifmt ber Untergang feiner bret
©öfme bereitet l)at. (Sr ftirbt nad) fünff)unbertjä$riger Regierung unb roirb
oon $unutfd)ef)r feierlich beftattet.
VII. $iinutfd)cf)r. iöiä bar)tn ift bie £>elbenfage fo aiemlid) mon=
ardjifd). Tie Könige fterjen im SBorbergrunb ; fie finb sugleidj bie £üter
ber religiöfen Ueberlieferung, ben böfen 3°^t abgerechnet, unb bie größten
gelben ber 2üelt. ^n tfaroef), bem ©c&mieb, ift ber Sage bann ein bemo=
tratifd)er, ed)t bolf*tl)ümlid)er 3ug beigemifdjt, melden man im Orient taum
crmartet unb melier ba§ Äonigtlmm geribun* als ein ed)t nationales 3Jolt*=
fönigt^um crfd)einen läßt. TO Sliinutfdfeln- beginnt fid> nun ein ebenfalls
fdjon borfwnbene* Clement, ba* ritterlia^xfeubale, ju cnttoideln, ba$ in
Siuftem, bem gefeiertsten Solteljelben, ben größten Sr)eil ber perfifdjen #elben=
fage beljerrfd)! unb fic bem germanifdjen $>elbentr)um beS 9hbelungenliebe3
unb ber mittc(r)oct>beutfcr>en (?pit fo nafje bringt. TO tym tritt aud) baä
romantifdic l>lement ber Siebe ftärfer in bic Tidjtung ein unb gemährt
einige Unterbredjung in bem oorroiegenb friegerifdKpifdjen Serlauf.
Tie Sage tritt babei aüerbingö ntd)t böllig aus bem ßönig$fywfe ber
HMfd)babicr heraus; benn aud) Ütuftem, mit beffen 6infüf)rung fie fid) ein=
läßlieber befd)äftigt al» mit einem ber frühem Könige, ftammt bura^ feinen
"Jllji^errn 92eriman bon ^enbun ab, bo* oon einer Seitenlinie, nia^t bon
einem ber bret 2öl)ne, an bic er einft bie 2Öelt^errid)aft Dertt>ciit. ©am,
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2>ie £>elbenfage tum 3ran im ©diäljnäme.
469
ber ©oljn 9leriman», muft lange auf einen 9tacbfommen märten. ihm
enbücb ein ßnäblein geboren wirb, ift baäfelbe jmar bilbfebön, ftarf unb
gefunb, aber e§ bot böüig greife öaare. $er SBater febämt ftc^ beffen fo
febr, bafe er mit bem ©cböpfer habert unb e3 auf bem $erge 9lfbur$ in
öber tyclfcneinfamfeit au§fejjen läjit. 2fber ber Gimmel toaste über bem
oerlaffenen 2öürmcben. Sin 2Bunberbogel , ber weife ©imurgh, niftete in
ber 9läf)e, gemährte ben kleinen, ber an feinen gingereben fog, unb brachte
ihn afe ©peife feinen eigenen jungen in§ 9left. $ocb biefe erbarmten
ftd) fein, unb ber ((eine 3 a I marb mit ben jungen 9hefenoögeIn aufgewogen.
Statt *Dtilcb tranf er SMut unb wuchs fo jum gemaltigen, cöpreffenfcbfanfen
Jüngling auf.
3m Traume ermahnt unb fein fjerjtofeä Verhalten bereuenb, jietjt
©am au$, um ben preisgegebenen ©ohn ju jueben. Q?r finbet ihn im ®e=
birge, unb mit rübrenbem $an(e berabfeyiebet ficf> 3al Don ©imurgfj, feiner
munberfamen 9lmme. ©am aber ift überglüefueb über feinen ©obn 3al.
Jöon Jtopf )u Sfufe nun befd^aut er ben <Sofnt,
Unb atteä fear toürbig für Ärone unb 2^ron:
Sin Sömennacfen, ein ©onnengeftdjt,
Sin €>elbenf)erj unb ein Sinn öon ©eioidjt,
2>ie SBimpern ft^worj unb bie Stoßen ®Iutt),
$ie Sippen Äoratten, bie Stangen wie »tut,
Äein 2refjler unb fein ©ebredjen toar
3u finben an ihm alä ba$ toeifec $aar.
5öofl SÖaterftolj übergibt ifjm ©am bie £>errfcbaft über fein ^wrftent^um.
3al lernt alles, mal nur einen Äitter gieren fann ; oofl (Sntjüden faben ir)n
SBeiber unb Männer, unb fein 9tuf ging aus in bie ganje 2öelt.
(Berabe biefer 9hif oermtcfelt jebodj 3<rt in einen febr fritifchen Vornan.
($r tommt an ben £>of be& TOicjrab, ©cbah oon ßabul. Huf blo^e* {töten«
fagen oerliebt ftd) beffen fd>öne lochtet fflubabeb. in itm. tyxt 9Jlägbe
bringen itjt genauere Stotfchaft unb fäbetn feinen SBefucb ein. <5t wirft
feine gangfdjnur §u ben 3'mum ihre« SßalafiteS unb ftettert baran $u ihr
empor, ©o befuä)t er fie unb febwört ibr ewige ireue. $)ocb if)r Sßater
unb be*^alb auch fie ift oom ©tamme QofyaH. ®* ift Der oollftänbige
Stomeo unb 3utie=9toman ber perfifeben ©age. 911$ SWihrab bureb feine
Öemablin ©inbotbt üon bem SBerbältnifc ^ört, ergrimmt er fo, bafe er
Stubabeb. tobten roiü. 9hir mit 9Jlübe hält ihn ©inbofbt babon ab. Wber
auch bei ben Sraniern ftöfet bie gefährliche Wifcbebe auf Siebenten. $er
©cbah Winutftbebr, ju bem Äunbe baoon gelangt, fürchtet , ber ©tamm
3obä! möchte neue ©proffen treiben, ßr entbietet ben alten ©am $u fich
unb forbert ihn auf, Wihrab mit feinem ©djfop in Äabul ju oernichten.
3)och 3«! bW feinem Sßater entgegen unb oertbeibigt Wihrab unb bie
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470
Eierte* »ud). dritte« Äapttel.
Seinen fo gut, bap Sam uon feinem Auftrag abfielt. 3al gef)t nun felbft
an ben #of 9Hinutf$rty$ , (oft bie 9tätf)fel, welche bie ÜttobebS ifnn auf:
geben1, jeigt in ftampffpieleu feine lapferteit unb $eroanbtf)eit unb gewinnt
ben Sdjalj ooHftänbig für fid). 3^1 wirb als ooüberedjtigter (Srbe feines
SßaterS anerfannt, feine £oa>jeit mit Siubabel) genehmigt. 9lud) 9Wif)rab
beruhigt fid) jefct; ber alte Sam ift überglürflid) , unb alles löft fid) in
2öof)lgefallen auf.
2er ganje Äoman ift bei aller (Sinfaajfceit fefjr fpannenb erjäfjlt, ftclletu
roeife in ergreifenbem ^atljoS. (Sr ift ungefudjt unb ungefünftelt au« ber
Sage felbft Ijerborgegangen ; benn bie ganje Jöerroid Jung ru&t auf ber alten
geinbfdjaft jroifaVn bem £>aufe 2fd)emfd)ibS unb 3or)tÜÄ, jroifa^en ^ran unb
feinen ©egnem. SBalb wirb töubabel) Butter eines ßinbe*, rote nod) feine*
bageroefen; nur eine fteber Simurg&S, beS SöunberoogelS , erhält fie am
i*eben. Sie, eine fpäte ßnfelin SoftH, fdjenft ber 2öelt ben geroaltigften
aller Sieden, ber baS feinblidje ©efdjledjt ber iuranier unb aller Gfcgner
3ranS befriegen fofl. 2aS ift 3tuftem ober leimten, b. fj. ber „Steden;
leib". 3^" Bimmen reiben faum aus, if>n ju fäugen, unb roie er ent=
roöfmt ift, ifet er an ftleifdj unb SBrob fo oiel roie fünf Männer. 2er alte
Sam felbft mad)t ftc& nod) auf Reifen, um baS SÖunberfinb ju flauen
unb ju grüben, ftaum ben Änobenfdju^en entroadtfen, erlegt duftem ben
roeifjen Elefanten, ben fonft ntemanb anjugreifen roagte, unb erobert mit
2ift, ßüfmfcit unb Sapferfeit baS Sdjlofl auf bem Serge Sipenb. «IS
barum ber Sajalj 9)ünutfd)ef)r ans Sterben fommt, empfiehlt er feinem 9tod)=
folger Sam, 3al unb duftem als bie beften Stüfcen feines Grones.
VIII. Diemb er, ber Solm unb fladtfolger 9Hinutfd)ef>rS , f dalägt bie
Ermahnungen feines 2toterS anfänglich in ben Söinb unb regiert fcrslitfj
fd)led)t; bann fommt er inbeS &ur »efinnung, läfet Sam $u fid) fommen
unb buraj it>n baS Äeid) roteber ins GJeleife bringen. Mein 3or,äfS <&e=
fd)led>t ift mittlerweile in Suran ju neuer 3Kaö)t gelangt. 9tlS Weng,
ber Jürft bon Xuran, ben lob Winutf^rs bernommen, rüftet er ein
großes £>eer, um feinen So&n Wfraftab in 3ran einbrechen ju laffen. 3um
Unglüd ftirbt nun aud) ber greife Sam, unb HfrafiabS Uebermutlj tenrit
feine Sajranfen mef>r. 2er ©dml) Aerober &ieljt iljm jroar mit einem £eer
oon hunbertbier$igtaufenb Stiftern entgegen; aber nad) brei Sdjladjten fällt
er felbft in «frafiabs Jpänbe, ber ir)n graufam föpft. 2ie übrigen ge=
fangenen tränier läfct Slgriratlj, ber »ruber ^IpföHabö, bei günfhger ®elegen=
f}eit entfommen, roofür i(m ber entrüftete 9(frafiab mitten burdjfpaut.
1 6« flnb bie 9i6tf)fel, n>elrf)e 6d)iHet, nadj ben oon bem Gnglänber ©Lampion
(1788) raitflet^eiUen »rudrftfiden beä €d)üfoiame, in feiner „Suronbor \o meifJetltd)
öertoett^ete.
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$ie £>elt>enfage pon $ran im Sd&äffnäme. 471
IX. 3«^, ein ©reis Don achtzig Sah««, wirb mm juim Schah aus=
gerufen unb regiert fünf 3ah«. Xic tränier unb 1 monier fe^en ihren
Kampf fort; boch eine £>ungcrSnoth erfdjöpft beibc, unb fie fchlicßen einen
faulen ^rieben.
X. WerfchaSp. 2(uch biefer Schaf), ber Sohn 3en>S, regiert nicht
lange, unb nach feinem lobe tritt eine wirre, t>erren!ofe 3f't f<u. Stfrafiab,
burch ben an Wgriratt) begangenen Srubermorb feinem eigenen Sater ber-
fjafct geworben, tann nicht nad) luran jurüd; er fe$t be^alb abermals
über ben $fchifron (CjuS) unb fällt in ^ran ein. $ie Sage ber tränier
ift je£t eine bezweifelte. Kein Schal) hält bic dürften unb ©rojjen beS
9ieicheS jufammen. £er alte Sam ift tobt; ber tühne 3nl> ber Wflüng
beS Simurgh, ift mm müben ©reis geworben. £ie einzige Hoffnung 3ranS
ru^t je|t auf Ütuftem, feinem Sofjne. 3fl* *f* V°at noch unfdjlüffig: JRuftem
febeint ihm noch ju jung, mehr ju jugenblichem Spiel unb Lebensgenuß
geartet als jur entfcheibcnbften Wolle im großen Sölferfampf. SRuftem will
jebod) nichts bon jugenblichem Schlaraffenleben mehr wiffen; ^oa^gemut^
erinnert er an feine erften £>elbenthaten , bie Uebcrminbung beS weißen
Elefanten unb bic Ueberrumpelung beS ScblofffS auf bem Serge Sipenb.
Unb fo willigt Sam benn ein, ihn %i\ §elbe jiefyen ju laffen. $IIS flinfeS,
füfmeS üieiteroolf finb bie ^erfer 'bei ben Propheten beö Gilten 2eftamentS
befd)ricben. @s ift besfjalb ein echt perfifetjer 3l,g, DflB SRuftemS ^ferbes
maf)l ausführlich erzählt wirb. Wlle ^ferbe^erben au» 3aDUliftan unb biele
aus Kabuliftan werben juf ammengetrieben. (Sine riefige Stute mit ihrem
gemaltigen füllen erregt StuftemS Slufmerffamfeit. £aS füllen ift baS
fjerrlid)fte It)icr; aber niemanb nod) gelang eS, baSfelbe ju bemeiftem.
SRuftem roirft iljm aber füfm bie ^angfdmur über, fdjlägt bic Stute, bie
ihm entgegenrennt, mit einem ^auftfa^lag gu Soben unb bemächtigt fieb beS
prächtigen iungen 21)iere», baS diatfeh Reifet — ■ „ber Slu)"-
(Sin nicht weniger cfyarafteriftifdjer 3U9 oer pfrfifchen SRittcrfchaft als
ihre männliche iapferfeit ift ihre Selbftlofigfeit unb ritterliche Xrcue gegen
baS angeftammte Königshaus. Keiner ber gewaltigen ^ehlemans ober £eer=
füt)rcr bentt baran, bie ©irren im Weiche ba^u auSjunujjen, um fich jum
£mu*meier ober gar felbft -mm König auswerfen. Solange nod) ein
Sproffe beS alten KönigSgefd)lecf>teS lebt, ift fein ber $tyron — unb feines
anbern. §ür ihn fchlagen bie tapfern 9leden @ut, iölut unb Leben in bte
Schanje.
Sobalb bcShalb duftem fein 9toB tyat, jieht 3Ö* ^)eereSmacht
wiber ?(fraftab unb fenbet feinen tühnen £)elbenfofm jum Serge Liburs, wo
Kci Kobab, noch ein Sprößling aus bem ^taufe XfchemfchibS unb {yeribunS,
bis bahin oerborgen lebt, um ihn juin ^>eere ^u fyokn unb ihm 2hron unb
SReicb ju übertragen, duftem finbet ihn wirtlich auf bem Serge, ohne fich
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472 Wertes JButf. dritte« Äapitel.
«
Don Derlodenbem ©cnup aufholten $u laffen, ^ulbigt ihm imb bringt tlm
glüeflieb jum $eerc, nachbem er it)n untertoegS fiegreich nriber dürfen unb
bösartige $)itoS Dertfjeibigt.
XI. #ei Äobab. 3ran hat nun toieber einen Schaf). W\t ihm
beginnt bie üiet^e jener ^errfcher, bie ben Flamen Äei führen (bie ftejaniben
ober Äajoniben), bie ober im ©ebiä)te nicht als ein eigentlich neue« £>errfcher:
hauS erfcheinen. Sobalb baS £>eer it)m geljulbigt, jietjt er tuiber Slfraftab
31t ^elbe. ^tfraftab Derachtet ben 9tuftem um feiner 3ugenblichfeit millen;
boch fltuflem hebt u)n aus bem Sattel, unb nur fchneÜe flucht rettet bem
gefchlagenen lurnnier baS Seben. 3e$t fommt baS ganje $eer ber Üuranier
ins SBanfen unb roirb bon ben iranifchen gelben über ben $f$if)un jurücf=
getrieben. 9lfraftab fliegt p feinem 33ater, unb biefer fdjueftt mit $ci
Äobflb ^rieben. #ei ßobab febjägt barauf feinen Sifc ju 3ftaifjt (^ßerfepoliS)
in SßarS auf, roo fich ber Schaty beS Meiches befinbet, befucht bann alle
Xty'xit feines . Meiches , baut Diele fjerrfidje Stäbte unb Dörfer unb ftirbt
enblich nach einer glänjenben Regierung Don 100 Sauren. 28on feinen Dier
Söhnen folgt if)tn ber ältefte, &ei ßa'uS.
XII. Äei Äa'uS. 9flit biefem Äönig gelangt bie Sage in ein breiteres
Strombett. SBäfjrenb ben bisherigen Königen jufammen 5306 35oppeloerfe
geftibmet ftnb, fommen auf Äei Äa'uS allein 7452 unb auf feinen 9iadj=
folger $ei #ho5ru fogar 12 298. (SS beginnt bamit jeboch teineStoegS ein
neuer, etwa anberS gearteter ib^eil ber Dichtung. $er 9tame ber £errf<her
ift auch ^ier, toie früher, bloß baS einheitliche 93anb, baS bie bunte f^üQe
beS SagenftoffS junt ftranje roinbet unb in fdjöne, leidjtfafifiche ©ruppen
theilt. $>od) erft unter biefen jmei Königen fommt ber ftambf jroifchen
$ran unb 2uran unb in ihm Wuftem, ber gröftte ber iranifchen gelben,
jur glänjenbfien Entfaltung, unb ber Stoff häufte fich bermafjen, bafe bie
Sagenbilbung ihn in einzelne untergeorbnete ©ruppen fchieb. Sias (5poS
felbft geht babei ungeftört unb Dödig einheitlich feinen ruhigen ©ang weiter,
inbem fich baS Sicht ziemlich gleichmäßig auf ben beDorjugten gelben 9tufietn
unb bie beiben Könige, bie glänjenbften Serförperungen beS iranifchen
SßolfSthumS, Dertheilt.
1. 25er 3"9 bes $tt\ Äa'uS gegen 5)cajenberan. $m Sonnen=
fchein beS ©lücfeS aufgemachten , roirb $fei Äa'uS früh übermütig unb
fcbäfct fich felbft höher als alle $errfcher ber SSorjeit, Don 2)fchemfchib
bis Hei $obab. 3)aS mer!t fich ber ©eift ber ^infternifi, um ihn in
©eftalt eines fahrenben Spielmannes $u äffen. SBie ber Schah eines
SEageS mit feinen ©rof;en fröhlich beim Grünte fi^t, erfcheint er unb fingt
Don bem 3aubcr'önD 5Jiajenberan , bem üppigen Änftenftrich am Sübufer
beS Äafpifchen WeereS, ber noch heutc ^m ber fchönften ©egenben
^erftenS gilt.
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Sie §elbenfage Don Oran im ©cbäbnäme.
473
©rün ftnb bie ?luen, bie Suft ift linb,
«Riebt falt no* »arm. ftet« Srühlingtotnb,
3n ©arten fingt bie 9ta#tigaü\
2)a« Sie!) g:t>t auf ber ©erge 3BaU.
Wicht ruht e$ auö Don Sprung unb 2anj,
Surcbä ganje 3at»r if! Suft unb ©lanj.
2öie SRofen erquicfenb Seele unb Sinn,
Sylie&en füfcbuftenb bie Sache batjin.
September, Cctober. Secember unb SDlärj
Siebft bu bort 2ulpen aüerroürtä.
Unb öttjett fdjimmert ber Ufer Smaragb
Unb fdjttieben bie galten in fröhlicher 3fagb.
Unb allenthalben ift Sdjmucf bereit,
©olb, Samt unb Seibe unb Äoftbarfeit.
2a bienen bir 3«n bimmlifcb Ijolb,
©efdjmücft mit Ärone unb ©ürtel öon ©olb.
9J>er nicftt in biefem ßanbe gereift,
SEÖeife nicht, hurt fieben unb SFreube beifet.
$er junge Schaf) i>t rafd> entjd)ioffen. Gr miU fid) fofort mit £)eereS=
madjt biefeS herrliche l'anb erobern. Umfonfi Rütteln alle bie ©rofeen
[eines $ofe§ it/r $aupt : 2u§ unb ©uberj unb Äefchroab unb ©im. Äfjarrab,
©urgin unb SBaJjram. $enn «Diajenberan ift böflig im Söcfi^c ber $iroe,
unb feiner ber frühem Äönige f)at e§ gewagt, feinen #uß bafnn 51t fefcen
unb mit ben Teufeln anjubinben. Vergeblich laffen bie ©ro&en Don 3ran
ben greifen 3al tyerbeitommen ; öergeblia) bietet biefer alle feine ßlugljett
unb 53erebfamfeit auf, um ben jungen Äönig bon bem gefährlichen SBagnife
abzubringen. £ei ßa'uS roill feinen Hillen haben unb jief>t nad) 9)tajenberan
in faiferliä^er bracht unb in frohem SugenbübermuU). MeS gef)t gut bis
jum Serge SlSbrus. $a bricht blöfclich bie §ererei unb 3auberei los.
Itnburc&bringliaje Diacfy umgibt ba* §eer. @S regnet Steine. <5in Irjeü
beS £>eere3 fliegt nad) §tan jurürf.
?1U nach ber *Racbt eS begann 311 tagen,
2Bar ber Schah mit SBUubtjett gefchtagen;
3wei ^Drittel beä #eere« waren blinb,
2>ie ßbeln maren ihm bö*gefinnt,
2>a* §eer gefangen, ber Schafe geraubt,
2ao junge ©lücf bti Schaff entlaubt.
&ei £a'u* märe berloren, trenn es niefat gelänge, noch 33otfd)aft nach
Sran an $a\ unb Äuftem $u fenben. 3fll ift fdjon über 100 3>af)re alt;
er tann nicht felber rammen ; bodh er fdneft duftem aus unb ratlj if>m, ben
fürjern, aber gefährlichem 2öeg einjufchtagen. töuftem nimmt für immer
9lbfd)ieb bon fßater 3°t uno Butter ÜRubabef), ftürjt fid) bann aber auf
feinem töoffe 9taffd) mit frötylicfcritterlicbem 9Wutbe in bie ihm brotyenben
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474
Vierte« »ud). Untied Äapitel.
Abenteuer. $ie $id)tung faßt fte unter bem dornen „ftuftrmft fieben
Mafien" jufammen. $enn jeben Sag, wenn er raffen roill, broljt ifmt eine
neue Öefabr. ©ei ber erften 9taft tft e§ ein Ööroe, ben aber, »äbrenb er
fdjläft, fein marferes ^Jfcrb mit bem £mf erfdjlagt. darauf ift er in ©efaljr,
in glü&enbbeifeer 2Öüfte oor Xurft ju öerfd)tnad)ten, ftnbet aber glüdlid) eine
Cuelle unb rettet ficf>. $ei ber jmeiten 9laft bot er mit einem feuer=
fpeienben $raa>n ju fämpfen, bei ber brttten mit einer 3<*uberin, bei ber
Merten mit jener fdjauerlidjen ftinfhrniB, ber bie anbern tränier erlagen,
bei ber fünften mit bem $im 9lulab, bei ber feisten mit bem $iro 9lrfcbeng,
bei ber fiebenten cnblid) mit bem Xiro Sipenb, bem er feinen £olcb mitten
burd)* £erj ftöflt. 3ebe§ biefer Abenteuer bilbet eine prächtige SMabe, bie
fidj ben febönften 9titterballaben be» Mittelalter* Dergleichen läßt; fie finb
aber nidjt brucbftüdroeifc, fonbern offenbar als Öanje» gebietet unb fütjren
ben £>auptftoff jum erroünfcbtcn 2cbluH. $er gemaltige 9tuftem befreit nidjt
nur ben febroergeprüften Scbab au* feiner peinlichen Sage, fonbern über=
roinbet aud) ben Äönig oon Wajenberan unb *ief)t bann glorreich unb reich
befdjenft mit ftei $a'u* nad) fraufe.
2. Der 3ug bes ftei fta'u? nach Öerberiftan unb anbere
©ef dachten, ftei Äa'us ift inbes üon feiner ^ugenblicbfeit noch nicht
oöflig geeilt. Wnftatt ben Ärieg gegen bie Araber, roelcbc ifm bebroben,
ftramm unb folgerichtig fortzuführen, oerliebt er fieb in bie fdjöne Subabeb,
bie locbter be§ ftönig* üon fmmaroeran, unb gewinnt fte jur ©attin.
Srofc ihrer SSarnung nimmt er bann eine ßinlabung ihres Katers an unb
mirb babei mit feinen fämtlicben gelben oerrät^erifdjerroeife überrumpelt unb
gefangen genommen. Abermals ift 3ran ofmc 5d)al), abermale ntufe »uftem
ju #ilfe fommen. @r überroinbet ben ffönig oon £amaroeran unb bie
Äönige tum SJlisr unb SBerberiftan unb erfämpft fo feinem eigenen fterrfdber
Sehen unb ^rei^eit. Slaum ift aber Üti ßa'uö roieber in feine Sanbe ein=
gejogen unb r>at fich mit 9ium (©riecbenlanb) unb luran (Cftaften) t»er=
glichen unb fo bie Crbnung in ber ganjen 2Belt ^ergefteüt, ba plagt ilm
3blis, ber leufel, jum brittenmal. (£r raunt ilmt ins Cht, fieb aud) noch
bie ^errfdwft über ben Gimmel unb bie ©ternenmelt ju beschaffen. So
läßt ber Schal) benn oier ftarfe, junge ftbler füttern, feffelt fie bann an
einen Königsthron, befeftigt an ben oier @den bes Jerone« Sanjenfcbäfte
mit frifebem gleifcb unb t>erfud)t fo, mit biefer Mblertutfcbe in ben Gimmel
$u fahren. Gr tommt jiemlid) fyoä). 2)od) enblicb werben bie Ubier mübc
unb ftnfen mit bem König jämmerlid) in einen SBalb bei Mmol nieber.
Xa finben i^n feine ^alabine »uftem, Zui unb ®iro. 3"»" @Iäcf bat er
roeber baö Öenid no(b fonft etroaS gebrodien. Allein er belommt jefct berbe
©abreiten ju bören unb tljut ernftlicbe ®ufee in Öebet, haften unb mo^l=
tätigen Spenbcn. 3einc 2ebr= unb 2öanberial)re finb bamit erfüllt; aber
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2>ie $elbenfao,e tum ^xan im Sdjäfjnäme.
475
für Puffern, ber bieber in unüberroinblid)em (SHanjc ftraf>lte, beginnt je|t
jnm erfienmaf ein tragifd)e* 2o*.
3. ®efd)id)te be» 3 of)r ab. 9uif einer 3agb in Semengan ber=
liert duftem fein fonft bon ifjm uiu,ertrennftd)ea ^ferb ÜRatfdj, ben SMijj,
unb ift genötigt, bei bem Äönig bafelbft Unterfunft $u fudjen. $er 9Juf
feiner Ifjaten 06er f;at lefimimeh, , be* ftönigS einige* Äinb, mit fold&er
Sefmfudit nad) ifjm erfüllt, baß fie ifm auffudjt unb um feine ßiebe roitbt.
(Sr cfjelid)t fie, aber nur, um fie atebafb roieber $u berlaffen, nad)bem fein
s$fcrb glüdltd) roieber gefunben ift. @r läßt üjr einen Cnnr jurüd: roenn
fie eine lodjter erhält, foU fie ifjr ba* Äleinob in* #aargeffed)t fterfen,
menn aber einen Sofm, ifjm basfefbe um ben 9frm binben. @3 ift ein
Sofjn, riefig, ftort, be* Katers (Sbenbilb. Sofjrab roirb er genannt, meil
er immer (ad)t. £em üßater gleich roäfift audj er ftd> ein au&erfefene* ^ferb
bom Stamme be* Staffd), unb fobalb er grojj genug, roifl er nad) 3>ran,
um feinen tßater jtt fefjen. Wfrafiab r)ört babon unb gibt ifjm ein Jpeer
mit jroei feiner beften gelben, Jpuman unb Sarman, mit geheimem 53cfcf>(,
ben Sofjn in Aampf mit bem ^ater ju berroideln, aber ib,n nid)t mit bem
Ükter befannt merben ju (offen, bamit entroeber ber 3?ater burd) ben Sofm
falle, ober ber lob bc* SofmeS bem 3?ater töbtlidjen ßummer bringe. 3n
tüb,nem Ungeftüm bringt Sofjrab borau, erobert im Sturm ba» roeifee &d)io%
boö feftefte Vollmert an 3ran* Örenje, unb berbreitet Sdjrerfen oor fidb, Ijer.
JRuftem roirb jur Qtbroetn: aufgeboten, nimmt bie 3ad)e aber nidjt emft;
benn er fürdjtet feinen ber luranier ; feinen eigenen Sofm aber fjäft er nodj
für ju jung, um ifm in bem neuen ©egner ju erbliden, ber 3ran bebrängt.
$ei Äla'u* ergrimmt über fein Säumen bermafjen, baß er a(* ed>t orien=
talifd)er £e§bot Sluftem mit bem lobe brofjt. Allein er ift ba an ben
Unrealen gefommen:
$od) 9tufiem foberte in 3orne*giutlj
Unb lief 311m ©djaf): „JBejäfyme beine SShttf)!
$ein $anbcln unb bein 2f)un ift olpte SRutjm,
Unb nic^t üerbient (»oft bu bein ftönigtffum!
$em Surfen Sofjrab mit bem ©afgen brofje!
Ofjn fd)mäf>e, roiber itm tum 3ngrimm lof)e !
Sßor meineä 9ioffe* $ufcn aber liegt
SHum, Sftifer unb SJlajenberan befugt;
2fd)in, <8agfer unb $amaroeran belunben,
28ic meine Pfeile unb mein Scbroert Dermunben:
Unb bu, ber nur burtb mief) bu Äöntg bift,
Jfflie fommt eä, baß bein 3om fieb fo öergiBt?"
1)ann fa^Iägt er %u$, ber ifm bom Ifyrone roegreipen roifl, mit einem
tjaufilfa^lag ju $oben unb fajfeubert bem launenhaften unb tnrannifd;eit
Äbnig bie 2Boite 511:
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476
JBierte* ?öu<$. $ritted Äapitel.
„Jlöenn id) ergrimme, mufe ber ®djaf) erblaffen!
2öer ift benn Züi, mt(f> bei ber §anb ju faffen?
®ott ift ei, bei mir Äraft unb ÜDladjt Derltet),
Unb feinem Sdjaf) ber ÜÖelt oerbanf idj fie!
9talfd) ift ber Hönigdft^, auf bem idj throne,
33ie 28elt mein Änedjt, ber Staljlljelm meine Arone;
9Mit meinem 8rme biet' iä) Äön'gen Srufc;
Stein Schwert burdjflammt gleich einem SBlifr bie 9lad)t
Unb mäf)t bie Häupter auf bem ^relb ber Sd)lad)t;
Äein ©flaüe bin idj, frei roarb idj geboren,
Utur @ott, fonfl feinem f)ab' idj SJienft Qefdjtooren."
35er perfifche SlchiUe* ift bem griechifchen in feinem ftelbenjorne böflig
ebenbürtig; bodj bie Söerroidlung roirb entfdjieben pathetifdjer unb tragifdjer.
63 gelingt ben anbem Heerführern, ben ßönig ju beruhigen unb mit bem
tief bedeuten duftem mieber auSjuföhnen; aber biefer fefct jefct feine ganje
Äraft unb Seibenfchaftlichfeit ein, um fich im ffampf roiber ©ofjrab bon
neuem aß ©tüfce be§ Jerone« unb beS SanbeS bon 3ran ju bemäfjren.
6r fchleicht fich bei Wacht ofme Söaffen in Sohraba Sager, um ben jungen,
üielgerühmten gelben felbft ju feiert, unb fchmettert, in ©efahr, erfannt $u
werben, ben 3*nbe 9tejm nieber, ben Sehmimeh ihrem ©ohne ju befonberem
©djujje mitgegeben. Cl)ne ©ob,rab erfannt ju haben, aber bot! SBemunberung
für feine ^ßerfönlichteit, fcr)rt SRuftem &u ben ^raniern jurürf. Sob,rab läßt
fich am anbem Xage bon ferne bie iranifchen ftüfyTtx zeigen; allein gerabe
über feinen Söater mirb er bon ftebfchir graufam getäufdjt. ©o greift er
ütuftem an. Gr bermuthet, baß ber ®egner Äuftem fein fönnte; er fragt
Um, aflein duftem gibt ftdj für einen gewöhnlichen ftrieger au*, ©ie gehen
aufeinanber los. ©oljrab ^ält im erften Kampfe duftem bie ©tange, in
einem jroeiten bringt er ihn, ben bisher unübertoinblichen , fogar ju ^afl,
fo baß fich biefer nur mit einer ßift noch &u retten roeife. Me3 brängt
barauf, baß ftch beibe gegenfeitig erfennen; bodj äußern ift berblenbet bon
©tolj unb Seibenfehaft, unb fo fommt e§ jum britten, entfcheibenben ftampf,
unb erft nacbbem 9tuftem ©ohrab fein ©chtoert in bic 33ruft geftoßen, ertennt
er in bem Sterbenben feinen eigenen ©olm. tiefgebeugt lehrt 9tuftem nach
3abuliftan jurüd; Sehmimeh ftirbt bor @ram.
$ie gan^e Grjählung ift tnnreißenb fdjön unb auch für ftd) allein fdjon
feffetnb genug; allein fte ift burajauS feine bloße (Spifobe. 6rft im 3U:
fammenljang beö @poö erhält fie ihre boüe 33ebeutung, gibt ber ßharafterifiif
Äuftem§ bie pacfenbften 3uft< «no führt ben großen SSölferfampf in er=
greifenb^er SBeife roeiter.
4. $ie ©efchichte beS Sijamufch ift mie jene beS Sohrab einer
ber fchönften Slheile ber Dichtung, ©ie möchft aflerbingS noch äufctfliger
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$ie §«lbenfage oon 3ran im ®($df)ndme.
477
als biefe aus bem ^>auptfioff fyerauS, ift jebocfc im (Sljaratter bes ftct Äa'uS
gut begrünbet, genügenb mit Äußern oetbunben unb fpöter aufs innigfte
mit ber $auptljanblung Derfnüpft. 3roei °er itanifdjen gelben, (&iro unb
©über}, treffen im Salbe ein Don feinem S3oter oerftofeeneS ^Dcäbcben Don
rounberbarer Sd)önt)eit. Sie geraten in Streit um feinen 93efi|j unb roenben
fia) fcfyiejitid) an ben ßönig, ber, tur$ unb gut, bie beiben reiaj befdjenft
unb baS 9Jtäba>n ftä) felbft antraut. Sie fäjenft if)tn einen Ijerrlidjen
Änaben, Sijamufd), ber jum IjoffnungSDollften ^ronerben ^etanroäajfi.
Um iljn jum Doflenbeten gelben tyeranjufdmlen , fenbet ifjn ber Sdwl) ju
duftem nad) 3abulifian. 2öie er auä biefer £>elbenfduile aurüdfefyrt, in
allen fünften ber 9iitterfd)aft rooljl unterrichtet, fd)ön oon 3tntli$, ©eftalt
unb SBudjS, fyat er eine fernere ^Jrobe ber 5tugenb ju beftefjen. Subabefj,
bie erfte ^rau feines SßaterS, wirb Don ber fyeftigflen Seibenf$aft für iljn
erfaßt unb bietet atleS auf, um tyn ju Derfütjren. ©leid) bem ägoptifefoen
3ofepl) leiftet er jebodj ber SBerfudjerin f)elbenmütf)igfien Söiberftanb; gleich
iljm mirb er nun Don bem leibenfajaftlidjen 2öeibe ber Sdjulb angefragt,
ju ber fie ifm r)atte Derfüfjren motten. 9tlS SdmlbberoeiS Derfd)afft tieft
Subabef) bureft eine 3^u^m neugeborne, eben getöbtete Jiinber. 8tti
Äa'uS feftroantt. Um fidj Sicfterf>eit 311 Derfcftaffen, läfct er Sijaroufcft bie
Feuerprobe befielen, aus ber er glängenb {jeroorgeftt. $er Sdjaf/ roiü bie
SBerleumberin tobten; boeft Sijamufcft felbft, ber feftroergefräntte, erroirft il)r
©nabe unb 93erjeilmng.
@S fefteint, als ob ber ebelmütftige $rinj buret) feine £erjenSgüte auet)
über ben (Srbfeinb Don 3ran, über 2uran, friebüc^ triumpfjiren foüe. 2)a
ber Scftaf) iljn als ^elbfjerrn toiber bie iuranier entfenbet, wirb Äönig
^(frafiob bureft einen feftreefftaften Iraum baDon abgemahnt, ben Ärieg roeiter=
jufüftren, unb ftellt beSljalb günftige ftriebenSbebingungen. Obrooftl nun
Subabef) am £>ofe jur ^ortfe^ung beS Kampfes ftefct unb ftei Äa'uS iftr
Folge leiftet, läjjt fieft Sijatüufcft nieftt baju beroegen, an bem F*inbe einen
SÖortbrucft ju begeben. 2)a fein SSater barüber grollt, jicftt er }u Wfrafiab
unb gewinnt beffen 3>ejier ^ßiran in fo ftoftem 2)tajje, bafc biefer iftm feine
ioeftter :Dfd)erireft jur ftiau gibt. 91fraftab felbft geroinnt ifm lieb unb
fcftentt iftm bie ^)anb feiner älteften ioa^ter ^ereiigtA unb eine ganje ^JroDinj,
bie bis anS 9Weer Don Xfa^tn reicht. Sijamufd) baut jroei prächtige Stäbte :
©angbij unb Sijaroufajgirb. Dfa^erire^ fa)enft i^m balb einen ^offnungSs
Dollen 5ßrin$en, ber F^ub genannt roirb. ©anj Juran, roie einft ganj
^ran, ift feines ÖobeS Doli. 2)er alte Slaffenftreit jroifdjen %xan unb 2uran
fä^eint burä^ i^n für immer ausgeglitten. Allein eben bie £>ulb, bie Sija=
roufd) bei ^Ifrafiab unb ben 2uraniern geniest, ermeeft i^m 9leib unb £at>.
(SJerfimej, ber ©ruber bes 9lfrafiab, melden Sijaroufa^ bei öffentlichen Äampfs
fpielen überflügelte, lann ifmt baS nia^t Dergeffen. 6r ruljt unb raftet nid)tr
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478 »ierte« dritte* Äapttel.
bis er burd) bedeumberifd)e Sieben Wfrafiab $um l*erbad)t, enblid) grimmer
(Siferfudjt unb £aft miber ifm gereijt. Wiraftab jieljt gegen ben niajtä
Wrges aljnenben Sijawufd) 511 #elbe. tiefer fud^t auf berrätrjerifdjes 3l,:
reben be* töerfiwej nad) 3ran ,}u entfliegen, wirb aber von ben ^uraniertt
auf ber Sludjt aufgehalten. (£r fann nod), burd) einen iraum gewarnt,
fein ieftament madjen unb bon ^rerengi», feiner (Gattin , Wbfdjieb neunten.
$ann fällt er aber in Wfraftabs £>änbe unb wirb burd) ben elenben ©erroi
meudjlerifd) ermorbet. Wus feinem SMute fpriefct eine SMume, bie ein flbbilb
feine* (Seftdjtes jeigt.
Wfraftab weift, bafi iyerengis guter Hoffnung ifl. 9Iud) auf bas nod)
ungebornc ßinb erftredt fid) feine ^u^bt, Juran möchte burd) basfelbe in
bie £>änbc bon 3>ran gelangen. Gr gibt bestjalb 3kfel)l, aud) Verengte,
feine einft heißgeliebte lod)ter, fnnjumorben. £od) ift er niajt ganj fo
blinb in feiner 3Butb, wie ber jübifdje Aerobe«. 9luf 3ureDen fe»nc* Steuert
pran fefct er Verengte wieber in Freiheit , ftellt fie aber unter ^iirans
9ufji$t unb inad)t biefen für alle* berantwortlid). 9tn '-piran unb fetner
©emarjlin finbet bie berlaffene ^erengis bie grofwtütfngflen 5?cfd&ü|cr. 9(1*
itjr ein fdjöner .Qnabe, #ei Äfwsru, geboren wirb, unb f bäter, als berfelbe
ljeranmäd)ft , ermaßen $war in Wfrafiab wieber fdjwarje ©ebanfen; allein
$iran weifj bas £eben bes Äinbes ju retten, inbem er es erft £>irten jur
($r$ief)ung übergibt, fpftter, ba es bie fd)önften ©eiftesgaben berrätr), an
9lfrafiabs £>°f bringt unb biefen baburd) täufd)t, baß er ben Knaben fid»
als obioten fteUen läflt. So fjält ifjn Wfrafiab nid)t mer)r für gefärjrlid)
nnb läpt itjn rufjig nad) Sijawnfdjgirb jurüdtebren.
5. $ic Jpeimljolung #ei ftfjosuts nad) §x<\n. #ür ben
Sd)af) ftei fta'us unb ba§ Öanb $ran ift bie ßrmorbung bes Sijawufd}
ein furd)tbarer Sdjlag. Me froren Hoffnungen ber 3"funft ^önüt
jerftört. @ine neue, fdjredlidje SMutfdjuIb laftet auf Suran, eine neue ber=
fjängniflbolle %*lid)t ber 3Mutrad)e laftet auf 3ran. $er Sd)afj ift fdjon
nlt, fein einziger Soljn baf)ingefd)laa)tet, fein (Snfel mit ber 9)httter nod)
in tfeinbesljanb, unb ebenfo ein ^weiter (Snfel, ftintb, ber Soljn bes Sija=
wind) bon Tfdjerirelj. ^ic 5?lutraa^e fann nia^t boü>gen werben, obne ba*
i'eben ber tljencrften ^erroanbten auf* Spiel 511 fefcen. ^as l)at ©ubabe^
mit iljren tQriegsb,e^ereien bcrfa^ulbet. Sie t)at (Sijamufa^ nad) Suran ge=
trieben unb ben ^rieben ber beiben Golfer bereitelt. ©egen fie richtet fic^
5ttnäd)ft duftem* $ou\, ba er aufgeboten Wirb, al* 9täaVr gegen 2uran
511 3ier)en. Sie tobtet er ^uerft; fein Sijaroufd) fleb,t je^t meb,r fitr ir)r
l'eben. 'Sann jie^t er über ben Oru«, fa^lägt unb tobtet Surfte, ben
bermegenen Soljn Slfrafinbs, ber il)m entgegengejogen , überwältigt audj
^tfraftab felbft, welker an ber Spijje neuer 2 nippen ben £ob feines @obne§
rädjen will. 9iuftem jwingt ilm ju fcb,lenniger tftudjt unb berb^eert Suran
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3)ie §elbenfage öon ^xan im ®d&äf>näme.
479
mit ©djwert unb Getier. *ßon beiben «Seiten fd}teit ftets neues $lut um
9tad>e. 9Jur faft wie burd) ein SBunber bleiben i$'\x\\t> unb Äei #ljosru
bei ber Erbitterung ber iuranier nod) erhalten, %m iraume roirb ber alte
£elb ©uberj burd) ben Engel ©erofü) ermahnt, ben Sßrin^en aus Suran
jurüdaufwlen, unb beauftragt feinen raffen unb gemanbten ©ofyn ©im mit
biefer fdjmierigen unb gefaljrbotlen ©enbung. ©ieben 3al)re jiebt duftem
oerwüftenb burd) bie meiten ©aue bon $uran, atme inbeS $lfraftabs 9)iad)t
oöflig bredjen ju fönnen; fteben 3af)re irrt ber Huge ©im in einfamen
93ergeSwilbniffen umljer, bis er enblid) $ei ßfjoSru an einer freunblidjen
Cuefle trifft unb an einem SJhittermal als ben Erben beS ßajanibentfjrones
erfennt. #ei tffjoSru füfjrt ©im nad) ©ijamufebgirb , bemädjtigt fid) bort
beS trefflidjen ^3ferbes Seitab, baS einft ©ijamufcb getragen, unb ergreift
bann mit feiner ÜJtutter fJerengtS untcr ^{V0^ ^tung bie $lud)t naö) 3>ran.
Es tft meit babjn. $)er 2Öeg füljrt burd) fdjredlidje Söüften unb $elS=
gebirge, über gemaltige ©tröme. Abenteuer reibt fid) barum an Abenteuer.
$)a$u merben fie beftftnbig berfolgt, erft Don Äelbab unb Weftitjan, bann Don
s#iran, ber für $ei $f)oSru 99ürgfdmft geleiftet. Unter unjftbligen ©efabren
gelangen fie enblid) über ben Sfdjilmn unb bann meiter in bie $önigSftabt,
mo fie Dom alten ©djalj Stti Sfa'uS mit Subel aufgenommen merben.
£od) r)ier entfielen neue SUermidlungen. ©d)on ift ftei ÄljoSru nad)
3ftafl)r geführt, um bort als fünftiger ©djalj gefrönt ju merben unb bie
feierlidje £>ulbigung ber ©rofcen ju empfangen: ba meigert fid) ^uS, ifm
anjuerfennen, weil er mütterlidjerfeits üon Juran ftamme ; er oerlangt ftm-
burj, einen anbern ©ol)n beS #et Sla'uS, yun föerrfdbet. 9luS bem ©treite
broljt Sürgerfrieg ju merben, ba legt $ei Äa'uS bie Entfdjeibung in bie
fiegreidje 2Saffentüd)tigfeit ber jmei Xfjronbemerber. 2öer Don beiben bie
fteftung Wrbebil beS bämonifdjen 3<*ubererS Saljman erobert, ber foU 8d)atj
fein. 2us fefct für fteriburj oergeblid) alle feine ftraft ein; $ei fllwSru
bagegen erftürmt bie ieufelsburg mit leistet 9Rüf)e, unb fo befteigt er, ber
©oljn beS ©ijamufd), ben Jljron oon ^ran.
XIII. Äei # Ij o S r u , ex ossibus ultor. 9)tit il)m beginnt ber
umfangreidjfte beS perfifdjen Epos. 3)enn ifjm wirb bie Aufgabe,
baS SJlut feines Saters ©ijamufd) an feinem mütterlid)en ©rofeDater Wfrafiab
KU rüdjen; bie $lutrad)e aber geftaltet fid) ju einem riefigen SBölferfrieg, in
melden niä)t nur 3ran unb Suran, fonbern alle Nationen ber Söelt f)ineins
geriffen werben, unb in weldjem bie 5)läd)te beS öidjts all SöunbeSgenoffen
^ranS mit ben 9)(ädjten ber l^tnfiemip als ben 33efd)ü|ern 5TuranS balb
burd) nattirliajen ©a^u^, balb bura} munberbare 35ajwif(benfunft auf üob
unb Seben ringen, ßiepen fia) fdjon bie bisherigen romantifdben unb !riege=
rifeben Abenteuer faum anbeutungSmeifc in eine furje ©H^e überfid)tlidb
oereinigen, fo mirb bas je^t noa^ roeit fa^wieriger, wo bie wunberbar reia>
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480
Vierte* Such- dritte« Jtapitel.
£>elbenbichtung halb in heroifchen Äampffdnlbcrungen ber ^liaS gleicht, balb
in 91benteuerlid)feit mit ben romantifchen (Spcn beS Mittelalter^ metteifert,
balb enblich in riefigen Schlachtgemälben alle uns gewohnten Schranfen
überfd>reitet unb jum eigentlichen Setttampf roirb, ofme inbeä babei bet
Mafclofigteit ber tnbtfd)en Dichtungen anheimjufallen. Das geroaltige Kampfs
fd>aufpie( , beffen Schauplajj Dom Mittelmeer bis hinüber nach @hinfl un°
bon ben Steppen am töafpifchen Meer bt» nach Snbien reicht, borjugSroeife
aber boch im öftlichen ^erften unb £rochaiien (ich üotl$ieht, ift bon ber Sage
felbft in fiebeu ^auptacte gegtiebert.
1. Der erfte 3«g roiber 5t frafi ab. sJiachbem #ei Ähosru bie
£>ulbigung ber &rofjen bes deiche* entgegengenommen unb bie berfdjiebenen
Cänber felbft bereift tyat, berpflichtet er (ich burch feierlichen Schrour an Äei
Äa'u», feinen üßater Siiaroufch an Hjrafiab ju röchen. @r hält eine gro&=
artige iruppenfehau unb bertheilt au bie ^e^lemand glänjenbe (^efchente.
üRuftem roirb nach ^nbien gefanbt, um bie bortigen *Rorbprobin$en aus ber
©eroalt luranS roieber in Diejenige ^ran§ jurücf jubringen. Den Cber=
befer)! über bas fyttx, baS nach Suran felbft Riehen foü, erhält ber alte
lu§, ein tüchtiger ÜRecfe, aber heftig unb eigenmächtig. 9ioch roeilt bei ben
luraniern ^irub, ber anberc Sohn bei Sijaroufch, mit feiner Mutter Djche=
rirel) , auf bem ^clfenfchloj? bon Äelat. Um ihn nicht $u gef ährben , t)at
ber Schah bem Heerführer iu» au»brüdiich befohlen, ben Üöeg nicht über
Äelat unb Dfchehrem $u nehmen, fonbern einen Meinen llmroeg burch bie
2üüfte $u machen, ©egen biefen Befehl marfchirt 2u» auf #elat lo§, unb
nun geflieht bas Unbermeibliche. j$irub oertheibigt baS ^Ifenfajlojj mit
£>elbenmuth gegen baö $cer frined eigenen ©ruber*. Qsr befiegt unb tobtet
jroei ber beften gelben, föibnij unb 3era*p, ftid^t bem geroanbten ®iro ba§
"ißferb unter bem Seibe nieber, mujj fich jeboch oor 3Mfchen in ba§ Schloß
jurücfjiehen. Sei einem abermaligen Ausfall wirb ber tapfere Jüngling
oon ber Uebermacht ber tränier roieber in bie 33urg jurüdget rieben, bieämal
fchroer Derrounbet, unb ftirbt unter bem Älagegefchrci ber Stinigen. Seine
Mutter gibt fid) ben 2 ob. 91uch bie (Srojjen Don 3ran trauern um ben
fo früh gefnieften ^elbenjüngling. 2uS befommt fchroerc ©orroürfe ju työten,
hat roenig ©lüd unb roirb Don JÜei £l)osru jurüd berufen. Die gramer
haben unter fehreeflichem SchneefaU unb bann roieber unter plötzlichem 2fjau=
»Detter 5U leiben. (Sin nächtlicher Ueberfall ^MranS bringt fie in äufeerfte
(Gefahr, unb tro$ aller Xapferfeit erleiben fie fchroere Ütieberlagen.
2. ©efa)id)te beä ftamuS Don Äafchan. & ei $h°äni ift furchtbar
ergrimmt über ben Ungefiorfam beS XuS, bem fein eigener ©ruber jum
Cpfer gefallen. (£r fühlt nicht roenig fiuft, 2u§ unb alle feine Unterfelb=
herren an taufenb (Balgen auftnüpfen ju laffen. 91uf bie Fürbitte Siufiemä
Derjeif)t er ihm jeboch unb fehieft Zu* mit feinem $peer jur ftortfejjung beä
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I
$ie §elbenfage Don %xan im 6<häf>nänte. 481
Krieges nach iuran jurürf. ^iran erroartet fie fdjon, unb Afraftab fchjdt
ib,m ein neues $eer ut £nlfe. 2Bof)l galten fich bie tränier tapfer; $us
felbft tobtet ben fampfeSmuthigen dürfen Erfd)eng unb b^ält fogar bent
furchtbaren £mman ftanb. Mein bie 2uranter menben nun 3auoerei on,
unb bie Sage ber tränier wirb eine ftetS bebrängtere. Sie jiehen fid) unter
ferneren SBcrluften auf ben 53erg £emaroen $urüd, »erben aber t)ier bom
Jeinb umzingelt unb bollftänbig blodirt. C^in nächtlicher Ausfall bringt
if>nen mof)l etroaS Erleichterung unb Söeute, bermag fie aber nicht frei=
jutämpfen. llnterbeffen sieht, bon Ulfraftab gefanbt, ein ungeheures &eer
ötm Sunbesgenoffen rjeran unter bem gewaltigen ÄamuS bon &afd>an unb
unter bem Ätjatan oon iichin, ÜBölfermaffen, tt)ie fie jubor noch fein Ärteg
gefchaut. $n ftoljem SiegeSberoufjtfein muftert ßamus bie Leihen ber tränier,
deiner ihrer gelben bermag etroaS roiber ihn auszurichten. 3r)rc Sage mirb
immer oerjroeifelter. Enblid) naht bon 3ran ein Entfach?«» an feiner Spifce
ber unbeftegliche 9iuftem. ES ift bie höchfte Qeit. 9ioth, Ermattung, erftes
Aufleuchten ber Hoffnung — finb mit r)inreiBfnber Spannung befchrieben.
fteriburj eilt bem .löeer oorauS, ber bor feinem Aufbruche noch ^erengis,
bie SäMttme beS Sifamufch, utr Öattin erhalten. Schon fein Erscheinen
belebt mieber ben erlofchcnen Dfuth ber bcrjmeifelteu tränier. AIS boflenbs
9tuftem fommt, ba athmen fie mieber freier auf. £ie Speere nehmen Sd)lacht=
ftellung, ber $ampf beginnt, töuftem fchtept ben ffoljen Effdjebus nieber.
^iran fangt an, bjc Anfunft SRuftemS 511 merfen unb bor ihm ju bangen.
ftamuS aber forbert ihn übermüthig heraus unb tobtet in rafdjem Anfhirm
feinen Schilbfnappen Alma. Xa aber fdjiefet 9tuftem auf ihn felbft loS,
reißt ihn mit ber ftangfehnur bom 9tojj, fnebelt ihn unb trägt ihn unter
feinem Arm ins Sager ber tränier.
3. £er $ampf vJtuftemS mit bem Ähafan bon Ifchin. $as
ganje Schlachtgemälbe gruppirt fich je$t um SRuftem. $mmer gigantischer
tritt er herbor. Xer ^ha'an *cnn* $n not*) m un0 me*nt leichten ßaufs
bie 9tieberlage beS &amuS rächen ut fönnen. Allein Schenfil, ber fid)
DertrauenSfclig bormagt, mirb bon ftuftem im 9cu niebergeftredt. $ro£
aller Uebermacht ber 2uranier unb ihrer Sßerbünbeten mirb ber ßfyalan
nun nachbentlich. Er fenbet erft £mmau als llnterhänbler ju Utuftem ab,
bann s$iran, ben Cberfelbljerrn bon Üuran. Es ift eine ergreifenbe Seene,
wo ber greife ^Ttran, einft ber 33efd)ü£er beS Sijamufd) unb ber Detter
beS #ei ÄhoSru, fich bor föuftem beugt unb um ^rieben fleht. $och duftem
6eflel)t auf ber alten ^otberung : 5ptran foü (9erfime$ unb alle 33etheiligten
am 2Worbe beS Sijaroufch ausliefern unb felbft ju ifei ÄfwSru fommen.
darauf faim s-|3iran nicht eingehen, benn er ift fdjlieftlich ^uranter; Ehre
unb Pflicht fetten it)n an Afrafiab. ^n beiben $eeten mirb noch cinmnl
v«Rath gehalten. Xann fommt es jum Entfcheibungsfampf ; JRuftem nimmt
SÖaumgartner, aßeUtittratur. I. 2. «ufl. 31
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482
Viertes Sud). SritttÄ Hapttcl.
ben ftfafan Don Sfdun gefangen unb fchlägt bas $eer ber Suranier böflicj
in bie 3Flud)t. Ungeheure $eute fällt in feine £änbe. «Mfrafiab Derliert
ben 9Ruth ju weiterem SÖiberftanbe unb sieht fi<h fc^eu bor bem weiter
oorbringenben 9iuftem jurüd, ber barauf innehält unb ju Äei ähofru
oeimieiin.
4. $er ttampf ftuftems mit bem $iw Sttroan. $er große
iRachefrieg ifl burd> Slfraftabs flucht noch teineswegs beenbigt; boch wirb
bie breitfpurige ftampffchilberung borläufig wieber burch ein Stüd orienta=
lifcher 3auberei unb eine romantifche Siebesgefchichte unterbrochen.
2)er r)eimgefe^tte Sfuftem finbet feinen &errfcher ßei Ä^o*ru fyati be*
brängt burch ben bösartigen $ämon 2Kwan, ber in ©eftalt eine« Söalb-
efels bie ^ferbewiefen nnfia>r macht unb ben fc^önften Streitroffen bie
ff nochen bricht. Uiuftem reitet mit ber ftangfdmur gegen ihn aus ; bo<h ber
Wrge entroifc^t ihm unb pa&i ftuftem, mäljrenb biefer an einer Cuefle
fd&läft, trägt u> i)od» in bie Süfte unb läßt ihm bann bie SÖahl, ob er
auf bie 33ergc ober ins 9Keer geworfen werben wolle. SRuftem wählt ba*
i>anb; ba wirft ihn ber $iw jeboch gerabe ins 9fleer. Slüein SRuftem tjat
noch 3eit# über ben 2Beflen bas Schwert p jie^en; mit ber einen Jpanb
hält er bie Seeungeheuer bon fich ab, mit ber anbern fchwimmt er ans
Ufei;, finbet glüdlich fein ^ferb 9ia!fa) wieber, trifft unerwartet ben £im
an einer Cuefle unb fchlägt ihn tobt. <$in Stüd Cboffee mifcht ftdr> ba in
bie perftfehe 3»a*, unb ber perfifche Achilles ftrahlt gleich #erafles als
(Sieger über Dämonen unb Ungeheuer. 6s wirb ihm nun aber auch noch
bie Aufgabe ju ttjeil, gleich ben mittelalterlichen Gittern unglüdlich Siebenbe
ju befreien unb $u retten.
5. $ie ©efchichte bon »ifchen unb SKenifcheh. Armenier
fommen gum $abifd>af>, flagenb, baß @ber ihre Sßälber berheerten. Vifchen,
ein noch jugenblidjer £elb, ber fich in ben legten tfriegsjügen ausgezeichnet,
unb ©urgin melben fich &ur Verfolgung ber Gber. ©urgin, ein benäü)e=
rifcher Schürfe, läßt 93ifchen mitten in ber größten 3agbgefal>r im Stich,
unb ba 33ifchen nichtsbefioweniger bie (Sber bemeiftert, fucht er ihn burch
ein romantifches Abenteuer ju oemichten. 3n ber 9?ör)c ift ein ^err(id»c^
Cuftfchloß, wo bie fchöne 9Kenifcheh, Slfrafiabs Tochter, ^auft. 93ifa>n geht
in bie ihm gefteflte ftalle. «aib raubt ihm bie Siebe allen SBerftanb. §r
befucht Wenifcheh, unb biefe glaubt auch, nicht mehr ohne ihn leben ju
tönnen. Sie läfet ihn, währenb er fchlummert, in ihren ^alaft entführen,
wo er einige 3eit minnetrunten mit ihr lebt. $och er wirb balb bon bem
haßerfüllten (Berfiwej entbedt, bor vÄfraftab gefchleppt unb in einen fchauer=
liehen ^clfenfcrter eingefberrt. 3)er berrätherifche Öurgin fehrt unterbeffen
nach ^ran jurüd unb Derbreitet allerlei Sügen über S3ifchen; man traut
ihm jeboch nicht, unb ©im bringt ihn bor ben Schal), ßei Ähosru nimmt
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$ie §elbenfage oou 3ran im ©d&äljiiiime.
483
^fc^etnfc^tbö üä)eltenbecber jur £)anb, b. h- einen ßrbftallbecber, ber bie ganje
2öelt fpiegelt, unb entbecft barin baS fchretfücbe Verliefe, in melcbem 53i^en
fchmacbtet. ftuftem macht jtch nun auf, ihn fucben, trifft mit 9Henif<heb
Mammen, befreit 33ifcb,en aus feinem fd)auerli$en Surgberliejj , ftürmt beu
Zoloft beS Slfraftab unb fefjrt, Don neuem SiegeSglanje umftrahlt, $u #ei
Ä^oSru jurüd. 35er Vornan ift eine ber poefteboOften (Spifoben ber ganzen
Dichtung.
6. 5)er ftampf ber groölf Steden. Mfrafiab fier)t ficb nun jur
SBieberaufnahme beS ßampfe* genötigt, ©egen baS £eer, baS er auffteflt,
wirb ber greife Öuberj gefanbt. $ie Dichtung gehaltet fich roieber $um
SdjlacbtenepoS im grofan Stile : auf berfcbiebentlicbe Unterbanblungen folgen
brettfpurige Üruppenauffteflungen, #erauSforberungen, Schlachten unb @injel=
lämpfe. ^ür ben profaifdjen Europäer beS 19. Safjrljunbertä fpinnen fic
fid) %u roeit aus. heimliche SWotibe unb Situationen, 53efajreibungen unb
Sieben roieberholen ftcb. f£ür bie fampfluftigen Werfer beS SUtertlMmS unb
Mittelalters muß baS ein unerfchöpflicbeS Lieblingsthema gewefen fein. (5S
fehlt auch burchauS nicht an neuen Elementen unb tiefem tragifchen *Dcotiben,
welche, mit bem @ange ber £>anblung innig berbunben, biefelbe lebenSbolI
weiterführen. 9tuftem ift bieSmal ntd^t mit babei; an feiner Stelle treten
bei ben Spaniern ©uber$, Öitb, SBifcben unb f^eribur^ in ben üßorbers
grunb, bei ben iuraniern erft $uman, ben 33ifcben im ^anjer beS Sija:
nmfcb überroinbet unb töbtet, bann ^iran, ber, mit beiben fampfenben
Parteien berroanbt, ben tragifchen grlucb beS ganzen ÄriegeS am tiefften
empfinbet. Abermals fucbt er einen 5«eben herbeizuführen, abermals roirb
er bon ben ^raniern abgemiefen unb fieljt fich, genötigt, Slfraftab um
SBerflärfung ju bitten. 25a ein #ampf $mifd^en ©iro unb ^iran un=
entfdjieben bleibt, fo fommen bie beiben Heerführer ©uberj unb ^ßiran
überein, feine allgemeine Schlacht mer)r ju fragen, fonbern bon jeber
Seite elf gelben auszuwählen unb ben (Sntfdjeib bon bieten elf Qw\=
f ämpfeu abhängig ju machen , benen bie Sage erft fpäter noch einen zwölften
Zugezählt $u ^ben fcbeint. 9Jlan ermartet, bafe wenigjienS einer ober ber
anbere ber gelben bon ^uran feinem Gegner bie Stange halte ; aber wenn
auch mit berfcfnebenen Söaffen unb in immer neuer tfampfeSart, werben
fie alle bon ben Sraniem niebergemacbt. (Snblich meffen fich bie jmei
Oberfeltyerren , ber greife ©uberz unb ber greife Sßiran. ©uberj will
beS Starwunbeten fronen, bocb ^Jiran nimmt leinen ^arbon an ; er fämpft
bis jum äujjerften, bis ©uberj mit einem Sßfeil fein $erz burchbohrt.
$)ann berocint ber greife ^clbt)err an ^MranS Ceiaje Si|amufcb unb bie
eigenen ftebjig Söhne, bie ihm ber fdjredlicbe Ärieg geraubt. 5)er Schah
Äei ÄhoSru aber läßt ^iran unb ben gefallenen gelben ber Suranier ein
prachtboOeS ^enfmal errichten.
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»ierfe* 99ud). drittes Äapitel.
7. $er große Krieg bes $ei &bo*ru gegen 9(frafiab. $ie
58lutrod)e für Siiatoufd) ift inbc* nod) ntcftt erfüllt, unb fo fpinnt fid) ber
gewaltige Äampf nodj weiter ; ober an bie Spifcc ber beiben £>cere treten
nunmehr ftatt ber bisherigen ^elbtjerren bie jmei Könige felbft, Kei Äfjoäru
unb Wfrafiab, beibe umgeben Don ben ©roßen ifjrer ütteiebe unb t»on ber
£elbenfd)ar, bic if)nen bas blutige ©alten bes Krieges nod) übrig gelaffen.
$as Sd)lad)tenbilb erweitert fid) besr/alb wieber unb gelangt $ur grofc
artigsten Entfaltung. Gin paar Kriegsberichte in Briefform, bie Kei #f)osra
an ben nod) lebenben Kei Ka'us rietet, tönen freilid) faft ein roenig wie
eine Kriegsgefd)id)tc in Herfen; aber fic ftefjen bod) an iljrem guten ^latf
unb ermangeln nidjt edjt poetifd)er unb tragifdjer WotiDe. 3n ber Gr:
Adelung iebod) folgt fid) Schlag auf Schlag in fpannenber Gntmidlung.
Wfrafiab greift an, wirb aber fdjon beim erften 3ufflmmcnftoB $urüd=
gefdjlagen ; Kei Kfjosru belegt unb tobtet feinen Sofm 3d)ibef) unb jmingt
il)n abermals $ur ^ludjt. 2öäfjrenb Mfrafiab über Sofljara nad) ©angbij
fliefjt, fe|t Kei Kljosru über ben $id)ifwn unb jmingt $tfrafiab ju einer
neuen 8d)lad)t. tiefer wenbet fid) nun an ben ^fagl)fur oon 2fd)in unb
ruft bie 9?ölfer bes CftenS ju feiner £nlfe auf; allein efje er Unterftüfmng
erhält, greift ifjn Kei Kljosru in feiner ftauptfeftung an, erobert ©angbi$
unb läßt Slfrafiab nidjts übrig, als weiterjufliefyen. Wfrafiab öereinigt bie
krümmer feine» gefd)lagenen £>eeres mit ben Iruppenmoffen, welche it)m ber
$agf)fur oon 3:fd)in 511 öilfe führt; allein bas ©lüd ift oon il)m gewichen.
@in nächtlicher Ueberfall auf bie tränier enbigt mit einer jämmerlichen
Weberlage ber Emanier, Gs bebarf taum mehr einer marnenben ©efanbt=
fchaft oon Kei Kljoaru, unb ber mächtige ^ürft bes Cftene läßt ben ge=
fdjlagenen 91frafiab im 3tid). 5?er einjige, ber nod) für ilm einzutreten
wagt, ber König oon 9Wefran, befahlt biefen 3?erfud) mit feinem Cebcn.
Unb jetjt l)at Wfrafiab feine «tü$e mehr, ©au? luran muß fidj ben ^raniem
beugen. 911« Sieger $ief)t Kei Kljosru in ©angbij unb Sijamufehgirb ein
unb tritt fobanu bic 9turftef)r nad) 3tan an, roofnn er fchon unermeßliche
Kriegsbeute öorau*gefd)irft. *Rur burd) bämonifche 3<lllt>erfüiifte gelingt e*
Wfrafiab nod), fid) 51t oerfteden. (mm, ein Sprößling t$eribuns, entberft
tf)ii in einer £>öl)le unb bemächtigt \\<f) feiner, ftod) einmal entfommt er.
Allein .viei Äb.o*ru nimmt feine 3l,f^u<^>t 5um ®coet, unb fein Orle^en roirb nid)t
i^u 3d)anben. ^n t)öd)ft felt)"amer ÜBeife fällt ber (*r$freoler, ber 9tnftifter
alle* Unljetls, fließt bod) in feine .pänbe, unb im 3Mute be§ ^Ifrafiab unb
be» (Scrfirpe^ räa^t Kei ftlio*ni enblid) ba§ fduilblofe 331ut be* Siiatoufcb.
oetit erft ftirbt ber alte 3d)at) Äei Äa'uö, ber ein ft fo übermütig in
ba* 3(ll,^)cr^lnD ^ia^enberan eingebrodjen unb bann mit ben ftMern flen
•Gimmel fliegen wollte. Xurcö Wuftern* riefige ^clbenfraft ift er $roar aus
allen ^ötl)cn üegreid) hervorgegangen ; allein bie fd)önften Iräume unb .poff=
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nungen feiner 3ugenb f>at aüe längft ber 2ob gefnidt. ;>n ber 93lütl)e
unb Sdjönfjeit ber ^ugenb marb fein So&n Sijamufd) bat)tngerafft , unb
ift fein $lut audj jefct gerätst, fo r)ai bie furchtbare Pflicht ber 9tad)e boc^
ganj vUan unb Zuran mit Strömen Don 3Mut überflutet unb ganje ©e=
fdjlecbter ber tapferften Reiben bem ebeln #önig»fproffen nadj in* ©rab ge=
riffen. (Sr felbft ift jefct über ljunbertfünf&ig 3at)re alt, fein £>aar weife,
fein Oiürfen tief gebeugt, unb ruöig fd>aut er feinem ßnbe entgegen. Unb
fo ftirbt er. ©an$ 3ran trauert um it)n. 9)lon fefct feine einbalfamirte
Ceid>e, mit einer Ärone gefdjmüdt unb in bie toftbarften ©emänber gefüllt,
auf einem Gslfenbeintljron in bie ©ruft, über bie ein riefige» $entmal
emporragt. 3)a ru&t er au» Don Aampf unb Stacbe. —
&ei #t)o»ru ftetjt jefct im Sonnenglanje ber 9Wad)t unb be» Sluljme» ;
alle feine fjrctnbc , Don einem (Snbe ber ($rbe bi» jum anbern, finb über=
rounben; ade feine SBünfdie finb erfüllt. $a» ©ute Ijat triumpt)irt, unb
bie 2öelt brauet nidjt meb,r Dor bem Sööfen ju gittern. Unb bod>, mitten
in biefem ©lüd mirb ber Sd)al) Don tiefer irauer unb Ucberbruß erfafet.
Gr fürajtet bie £eibenfcbaften in feiner eigenen 9ruji, bie Neigung jum
SJöien , bie er burd) feine Wutter Don 9lfrafiab ererbt ; er fürchtet , ©ott
untreu ju werben unb fid) mit Den 9)iädjten ber t^inftemiB ein^ulaffen, mie
3of)äI unb $)fcbemfdnb, toic Xux unb Selm, toie 8« Äa'uä unb 9(frafiab.
3ugleid} überwältigt iljn ber ©ebanfe an bie 9tälje be» iobe», an bie
iUerganglicbfeit alle» Srbifdjen, an ba* einzig SMeibenbe: bie £>ulb ©otte»
luenieben unb bie Seligfeit im ^ienfeit». Qsr läßt bie Pforten feinet £>ofe§
fd>ließen, $ieb,t ficb Don allem 3>ertel)re jurüd, nimmt ein £äuterung»bab, tleibet
fid) in ein roeiße» ©eroanb unb mibmet fid) eine ganje 2öod)e lang au»=
fajließtid) bem ©ebete unb frommer 58efd)auung. £a» begreifen bie alten
ttjatfräftigen Sieden Don 3ran nidjt. Sie berfammeln ficb alle im ^alafte
unb Derlangen ©ef)ör, $u» unb ©über}, ©im unb ©urgin, 3Mfd)en unb
fteljfjam. Sie betlagen ficb, über be» ftönig» Verhalten unb begehren Muf=
fcbluß über ba» ©ebeimniß, ba» babjnter ftedt. ßei fiba»ru Derfcbiebt bie
Antwort unb mibmet ficb abermals eine Söodje bem ©ebete. Söiebcr er=
fdjeinen bie ^et)leroane Dor ifmi, toieber entlaßt er fte gütig, bocb ofme ent=
fcfceibenbe Antwort. So lebte er fünf Söodjen in ©ebet unb ^efcbauung,
ba erfcbeint iljm Serofdt), ber Grngel, unb Derfünbet Mpn, baß fein ©ebet
erhört fei, baß er ba(b au» biefer 2öelt fcfceiben merbe unb be*b,alb feine
legten Wnorbnungen treffen foße.
Unterbeffen finb, Don ben anbern ^ebletoanen aufgef orbert , aud) 3<*l
unb duftem, bie citteften unb gemaltigften ber iranifcben gelben, au» 3übu-
liftan am Atönig»bofe eingetroffen, tief trauerub über bie unfjeimlicbe Vage
be» töonig» unb be» SReicbe». 3al füt)rt bie»mal im tarnen ber übrigen
©roßen ba» 2Bort unb begebrt Dom Scbat) 9luffd)lufe über fein feltfame»
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486
Sterte« SBud). dritte« Kapitel.
CHnfieblerlcben unb bic $crnad>Iäffigung aflcr Äeic&Sgefdjäfte. ftuljig unb
flar eröffnet .Qei flfjoSru bie ©rünbe, bie ilm baju bewogen, unb ben
33efd>eib, ber iljm Don oben über feinen nennen Eingang geworben. £a
brauft 3fll ™ roilbem Umnutlj auf wie über etwas Unerhörtes, er »ergibt
alle (SjjTfurgt oor ber fönigltc^en tötojefität, fd)mät)t bie Slbfunft beS Königs,
feine Vorgänger, fein Verhalten im ftriege unb feinen jefcigen (fntfajlufi.
$er 3cr>at) aber »ediert ni$t einen Mugenblitf feine tRur)e unb Raffung,
fonbern wiberlegt !Iar unb fdjlagenb bie Vorwürfe beS ungefftimen Steden.
$aS bricht beffen SQÖiberftanb. (5r unb bie übrigen fefjen ifjr Unredfot ein
unb flehen um tBerjeifjung. #ei ftf)oSru fefct barauf einen großen fRci<3t>ö=
unb 58olfStag feft, auf freiem fylbt, unb fdjlägt feinen iljron flum lefctenmal
in ooller ÄönigSljerrlidjfeit inmitten ber jatyllofen 3e^e auf- ^a m<J^ er
am aalten $age feierüd) fein politifd>eä Üeftament. ©uber$ wirb mit ber
Sertfjeilung feiner ©d)ä$e unb mit ber Dorläuftgen SBermaltung beS SReidfeS
betraut; SRuftem erhält auf bie Sitte 3°I$ 3fl^u^f*«n» Äabul, $umbar,
9Rai unb 3»nbien unb anbere Cänber. ©im wirb über Äum unb ^Sfat)on
gefegt; $uS wirb mit bem $itel Sipeljbar aud) für fünftige Qextcn baS
9teid)Sbanner übergeben; jum 9tad)folger im Äönigtljum aber beruft $ei
ÄljoSru jum Staunen aller ben SofjraSp, an ben feiner gebaut, nimmt fid)
bie Ärone Dom £>aupt unb fe&t fie ifjm auf. ÜBäljrenb bie anbem un=
mißig murren, brauft Qa\ laut auf unb weigert fid), als #önig einen armen
5Henfdjcn anjuerfennen, ber nur mit einem ^Pferb nad) 3ran gefommen fei.
$a ifm ftei #f|oSru jebod) belehrt, bafc SoljraSp Don £>ufdjeng abftamme
unb üon ©ort felbft jum #önig beflimmt fei, unterwirft er fid) unb bie
übrigen tränier mit iljm.
darauf nimmt ber Sdwf) 9lbfd)ieb Don feinen Dier grauen unb übers
gibt fie unb bie ganje trauernbe Familie bem 3aju^c ßoljraSpS, ber ifnn
treue ^rürforge für fie gelobt. Unb nun jieljt Äei ÄljoSru inS ©ebirge,
Derabfdjiebet 2of)raSp, inbem er iljm nod) einmal alle ^flidjten eines guten
ÄönigS ans £>erj legt. *Rur Don feinen alten spefjlemanen unb 2öaffen=
gefaxten läßt er fid) weiter begleiten.
Ungerufen jieljen iljm jebod) beS folgenben iageS an bie ljunberttaufenb
tränier naaj, Männer unb grauen, tlagenb unb meinenb unb alles aufs
bietenb, um it)n jur 9tüdtef)r ju Dermögen. @r bleibt aber unerfdnitterlicb
bei feinem (Sntfdjlufi unb forbert baS 3$olf auf, in bie Stabt jurüdjufefjren.
So reipt fid) benn enblid) bie StolfSmaffe Don if/m loS; aud> 3a^ duftem
unb ©uberj fagen iljm iljr lefftes 2ebewol)l unb fteigen ben SBerg Ijernieber.
$od| ÜuS, ©iw, fteriburj, Sifdjen unb ber tapfere ©ufiefjem wollen fu$ um
feinen Sßreis Don ifjm trennen, ßinen ganzen lag unb tief in bie Stacht
folgen fie iljm burd)S ©ebirge, bis fie erfdjöpft an einer Cuefle nieberfinfen.
$a erquiden fie fid) unb plaubern nod) einmal traulidj Don ifjren früfjern
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i
$ie fcelbenfage öon 3ran im ßdjdljnäme.
487
^elbentljaten. Witten in ber Wad)t aber ergebt fid) ber Sdwh, bobet £aupt
unb Seib in ber CueÜe, roirft ftd) t>or Öott nieber unb nimmt bann auf
immer Wbfd)ieb öon feinen ^reunben, fie mahnenb, bap fie ihn beS folgenben
Borgens nitht fudjen, fonbern ruhig nadj £aufe ß*$*n foflten.
traurig fdhlummern bie ^ebjeroane roieber ein. 911$ bie Sonne am
folgenben borgen ftd) über ben Spifcen ber Serge ergebt, finben fte ihren
#önig nid>t mehr. Söergeblid) fud>en fie ihn ben ganjen lag unb treffen
fid) abenb§ roieber an ber Duette. $er Stoben ift warm, ber £>tmmel fjeiter.
Zto$ ber erhaltenen 2öarnung bleiben fte auf ben Sßorfdjlag beS ^eriburj
bei ber Quelle, um ba ju übernadjten, unb unterhalten fid) bom Sobe unb
bon ben törofjtljaten beä entfdjrounbenen £>errfä>r$. $a ergebt fid) plöfclid)
ein Sturm unb fyüUt ba§ ganje ©ebirg in bunflc Sölten ein. Schnee
fällt, immer bitter unb bidjter. $ie fünf madern Wieden fudjen ftd) $u
ihrem Sd)u& eine £ö(jle nt graben ; allem fie »erben böHig eingefdmeit unb
erftarren bor flälte.
$rei 2age bergeljen, unb man erwartet bie gelben unten in ber ($6ene
noch immer bergebenS. 91m bierten madjt ftd) duftem mit Qai, ©über*
unb anbern Gittern auf, um fie ju fudjen. Sieben $age forfdjen fte um=
fonft unb feljren rochtlagenb h*»m- $«nn fdjiden fie Arbeiter, meldte bic
fünf Seichen enblich finben, ausgraben unb ju ben S^rigen bringen. Ellies
trauert um bie fünf gelben unb um ben ßönig, ber »ie eine (Sppreffe in
einem harten blühte. $od) berbreitetc fid) ber (Glaube, baß er (ebenb in
ben Gimmel eingegangen, unb £oljra*p befleißt nun ben lipon.
* * *
So fdjliefct ber erfte Xtyii beS großen perftfdjen @po3. 3max finb
3al, Puffern unb $uber$ noch am Ceben unb berbinben ben bis^erigeii
Sagenfreiä mit jenem ber folgenben ^ßeriobe. 91ffein bie eigentliche ©lan£=
jeit beä älteften £)elbenthum$ ift mit #ei £fp3ru unb mit feinen fünf un=
jertrennlichen , bis in ben %ob treuen (Gefährten ju ©rabe getragen. 3>er
Schluß ift ein pradjtooller , tief ergreifenber. 6r erinnert an ben 9tu$jug
ber spanbiuSöfjne in SWahäbharata unb an ftämaS 91u§jug in ftämänana.
$ie fchriflen $iffonanjen ber langen, blutigen Äachefrieae Hingen enblich
in frieblidje, berföljnenbe Wccorbe au§; noifchen ben Krümmern jerftörter
Hoffnung unb bernid)teter ttönigsfyerrlichfeit öffnet ftd) bie 2(u*fid)t auf ein
eroig bauembeä Seben im ^enfeitS, unb ein Strahl ber Herflärung umleuchtet
oon bort bie für immer untergegangene £elbenroelt.
$afe bie Dichtung nicht bie planmäßige, gefdjloffene (Sinheit ber
beftjjt, brausen mir nidjt ju roieberholen. 2öeber Lüftern noch einer ber
ftönige bilbet einen feften, auSfdjliefeltchen Wittelpunft , noch roeniger eine
einzelne tyat ober Unternehmung biefer gelben, dennoch finb bie einzelnen
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öierte* 95u<$. öierte« Jtapüel.
Steile ber Sage nicht bloß glieberartig al* Woentiuren aneinanber geregt,
fonbern organifcb, pfncbologifcb berbunben. 9Wan mag fic mit ben Hingen
eine* mächtigen Söaumftammeä Dergleichen, bie ftd) in ftätem 28acb*thum
immer weiter umeinanber gliebem unb enblich ben SönlbeSriefen bilben, ber
mit ber fcfmttenreid>en gülle feiner ßrone alle* überragt. 5)ian mag fie
auch mit ben gefebiebtlicben iragöbien Shatefpeareä oergleichen, meiere, einzeln
für ftd) ein bebeutfanie* ttunftwert bilbenb, fieb ju einem tragifdjen ©anjen
jufammenfchließen , ba$ noeb biel tiefer wirft unb einigermaßen bie Sragif
ber 2Beltgefd)icbte felbft gum WuSbrud bringt. £od) ift ba* $neinanber=
greifen im Scbätmäme weit fiärter, unmittelbarer unb tebenbiger. £>aß unb
i'iebe, #lud) unb Segen, SMutfdmlb unb SMutracbe bererben fid) bon ©efd)lccbt
*u Öefdjlecbt, fo baß fich in jebem ber intothifchen Könige nidjt bloß ba*
zeitweilige ©efdjid bei Söolfe* berförpert, fonbern ba* tragifche So* ber
ganzen bi$h«igen Sonafrie. Grft ftei Rfam burebbriebt bie bis bafjin
unzerreißbare ftette, inbem er in bem größten aller ftämpfe alle früher
aufgehäufte Schulb fühnt, unb im ©egenfafc $u bem himmelftürmenben &ei
ßa'us in bemüthiger Unterwerfung unter bie Gottheit auf aUe Singe biefer
SÖelt beliebtet unb nur mehr ben Söeftfc be4 Gmigen anftrebt.
Vierte« Kapitel.
3>le JWeiattbcTfage im $<Qa9ttäme.
$iö zur Gntrüdung beö «ei J>h°*ni hält fich bie altperfifcbe £>elben=
bichtung auf afiatifebem Stoben, wenn e§ auch f<bn>er hält, ben angegebenen
Schauplafc im einzelnen genauer zu beftimmen, unb wenn e* [ich auch al4
oöllig unmöglich ^erauSgeftcat hat» bie einzelnen tfönige ber Sichtung auf
bie befannten gefchichtlichen £etrfcber au* bem Öefd)lecbte ber flebämeniben,
bie iräger ber erften perfifeben ©ettmonarebie, ju beziehen. Grft im fetten
Xheil ber Sichtung begegnet und ein £>elb, ber fid) in feinem Warnen unb
in einzelnen ßüg'en bev Sage unzweifelhaft auch in ber (Sefchichte mieber=
finbet. (£* ift ber gewaltige <ücacebonier, welcher an ber Spifce feiner «einen
hettenifchen Scharen ba* perftfebe Weltreich nieberwarf, bi* in* £er$ bon
TOtelafien unb über ben 3nbu$ öorbrang, bann felbft „Barbar" warb
unb mitten in feinem Siegesläufe zu Söabnlon ftarb, — bon welchem bic
5öibel fo fchön fagt: „Unb fülle fchwieg bie 6rbe bor feinem Wngeficbte"
unb: „hierauf aber warb er aufs Säger geworfen, unb er ertannte, baß
er fterbe", — Slleranber ober, wie ihn bie Werfer nennen, Säfenber,
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Tie SUeranberfage im 6<$<ifinäme.
489
ber groftartigfte Eroberer ber alten 2öclt, ber feine Erinnerung benn aud)
in ber Sage unb ©efdjidjic beS Orients . rote in jener beS CccibentS mit
unauSlöfdblidjen 3ügen eingegraben fyat. ©egen [eine ^elbjüge oerblaffen
jene ber größten afft>rifd>en, babt)lonifd)en unb ägnptifdjen Eroberer. ,Qlein=
aften unb Verfielt Ijabcn über jmet 3afyrtaufenbe lang baS 2lnbenfen an
itm bewahrt; bie europätfdjen Hölter bes Mittelalter* befangen ifjn ebenfo
begeiftert wie Äari ben ©rofcen; (Fäfar unb Napoleon I. faljen ju iljm als
tyrem Söorbilbe auf. 9Bie ein glünjenbeS Slieteor überftrat)He er aÜeS, was
bor ifmi bagemejen, fo bafc bie größten ^Jerferfonige ßpruS, ÄambpfeS unb
S)ariuS £)öftafpis im Strom ber • perfifa>n Sagen fpurloS untergingen, ber
griedjif^e 2Ueranber aber als perfifd&er Sagenljelb weiterlebt bis auf ben
heutigen Sag.
£>ätte 2Ueranber an IjeUenifdjer Sitte feftgeljalten , fo märe bicS wofjl
nie gefc&e&en; bie Werfer Ratten in iljm einen fremben Öewaltljaber erblidt
unb bie eigene Ctrniebrigung unter fein 3od) allenfalls murrenb ober ftifl=
fa^metgenb ertragen, bod) i&n nimmer in Sieb unb Sage Pert}errli$t. ^nbem
^llejanber aber, nad) ber Unterwerfung beS Marius, Pöllig als orientalifdjer
©rojjtonig auftrat, Sitte unb $runi ber ^erferfönige annahm, fid) felbft
als (Hbtterfotm auffpielte unb bie anfänglid) miberftrebenben Hellenen jur
Wnerfennung beS ibnen üerlmfjten 2i*ed)felS jwang, gewöhnten ftd) bie unter;
morfenen Werfer, ifm als einen ber übrigen ju betrauten, fie fügten ifm
olme Siebenten unb Äüdbalt ber SReibe it)rer eigenen Könige ein unb fonnten
fid> felbft in ben Straelen beS SRufmieS, ber itm umgab, ^n ^Slenber,
fo matten fie fid) uor. Ratten fie felbft bie UBelt befiegt, unb fo begnügten
fie fid) benn aud) feineSwegS, bie gried)ifa>oorberaftatifd)e 9Ueranberfage in
perfifaVnationalem Sinne umjubidbten, bie Sagenbtlbung griff fogar auf
bie frühere 3fi* *urüd unb fnüpfte neue Reiben an, um 3ran unb feine
Könige mit 9t um, b. I). mit ©riecfrenlanb, unb mit ber europäifdjen Seit
beS SBefienS 311 oerbinben. ßin 9(nfa$ mar fd)on barin geboten, bafj Jlönig
fjeribun feinem Soljne Selm jene Cänber beS SSÖeftenS jugetljeilt t/atte. 3n
bem langen ftampf smifdjen 3ran unb iuran ift Pon biefen Öänbern wenig
me^r bie SRebe. 3efct, nadfbem bie 3Mutrad>e an Wfraftab Ponogen unb
Jftei $t>oSru in ben Gimmel entrüdt ift, tritt 9tum plöfclid) in ben ^orber^
grunb ber Sage, al* Stabt ftugleid) unb als.9ieid), beffen bödjfter Jperr
ber ftaifar fjeijjt unb beffen ÜRac&t in SUorberafien mit jener Pon 3ran
ftufammenftöfet. £as bp^antinifaje 9ieid), „9ieu4Rom", wie es ben Werfern
fpäter unter ben Saffaniben gegenüberftanb, würbe offenbar burd) bie Sage
über bie 3eü SUeranberS jurüdüerfe^t , ber gan-\e Äampf ber ^erferfönige
mit Örieajenlanb in oölligcm Sttüidnoeigen begraben, um Wleranber bann
gu einem perfifajen ^rinjen 311 macben, ber buraj ielrfame 33erumftänbungen
eine ßaifarStodjter aus 9tum jur Wutter l)at. 3'oiid)en ber erften %tx-.
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Vierte« Jöud). SMertt* «apitel.
fnüpfung ^ranS mit 9Jum unb bem Auftreten WleyanberS fpinnt fid) bie
ältere Jpclbenfagc nodj geraume 3"t »fiter, fo baß baS frrembartige 9*=
»iffermaßen mit bem 6inbeimifd)en berfdjmiljt unb 3>Sfenber ganj natürlid),
ofme unerwarteten ober unbcrmittelten Sprung, in bic grofee OramilientragölHc
ber ^erferfönige fidj einreibt. 2Bir motten nun ben jmeiten Xljeil ber
£id)tung äljnlid) roie ben erften ju ffi^iren oerfudjen.
XIV.1 ColjraSp, ber bon Äei ÄfjoSru eingelegte töönig, baut fid)
eine neue töönigsftabt 5?alfr) , unfern beS Sfötyun, weit nad) bem innern
9tficn f)in gelegen, unb errietet bort einen großen ^uertempel , ©erjin ge=
nannt. dr l)at jroei Söfme, ©ufd)taSp unb $tx\x, fjerrlidje junge gelben,
bie Qiexbc feines fteereS. Xod) ÖufdjtaSp ift fefjr fjod)fafjrenb unb efjrgei^ig
unb begehrt bei einem fteftmafjl öffentlid), jum *Ölitregenten erhoben ju
»erben. 25a £ol)ra»p ifmi baS abf^lägt, fliegt er bom ^>ofe in ber 9tidjtung
nadj #inboftan, »irb jroar bon feinem SBruber 3c"r no(& eingeholt unb
glädlid) jurüdgebraajt, entflicht aber ein jroeites Wal, unb jwar jefct »eft=
roärts nadj Äum. @in Steuereinne&mer 9iamenS $eifdjui (jilft iljm überS
SReer unb in bie Jpauptftabt , roo ber Aaifar £)of f)ält, eine große Stabt
bon brei ^arafangen Umfang. (Sine gan^e 2Bodjc int er ba umljer , um
fid) eine Mitteilung $u berfdjaffen. 3uerft melbet er fid) als Sdjreiber,
aber man merft iljm gleicf) an, baß er beffer jum Krieger taugen würbe.
£ann berfud)t er e$ bei einem (Gärtner, aber er ift biefem Diel ju borneljm
unb töniglidj. 9hm will er Kameltreiber roerben, allein aud) ba finbet er
feine Herroenbung. <$r gebt ju einem ©d>mieb, ber if)n roenigftenS ju einer
^Jrobe julaßt; bodj mie er beim erften Streif ben 9lmboß in Stüde fa^lägt,
»irb er mit «Spott unb Stäben entlaffen. traurig jiefjt er nun aus ber
6tabt. (Sin ßanbebelmann erbarmt fid) feiner im nädjften $orf unb gemährt
iljm einige 3fi* ©aftfreunbfcfiaft.
$er ftaifar aber t)atte brei Xödjter, in ber ganzen 28elt berühmt burd)
if)re Sd)önf)eit unb lugenb. $a gefdjaf) es, baß bie ältere, &itabun, einen
iranm fjatie : fie ialj fidj bon einer unabfef)baren $Raffe ^enfdjen umgeben
— ba trat ein ^rembling bor fie f)in forgenoollen ®eftd)teS, aber öon
fönigltdjer ^»or)cit unb ed)önf)eit; fie reichte Ujm einen buftenben 8lumen=
ftrauß, unb er erroiberte bie &abe mit einem ebenfo frönen Strauße.
9luf biefen Xraum t)in ließ ber Äaifar alle SBorneljmen feines fteidjeS
oerfammeln jur Otattenroaljl , unb tfitabun erfd)ien mit einem ftofenjtrauß
in ben .pönben ; aber feiner tum allen gefiel il)r. Vorauf entbot ber Äaifar
aua^ ben 5lbel jroeiter Crbnung unb bie reifem Bürger $ur öiattenmo^l.
Um ben nod) immer trauernben (9ufd)tasp ju jerftreuen, riet^ i^m fein
©aftljerr, ju ber Söerfammlung ju geljen. (?r tr)at es — unb fie^e ba,
1 3)ie fortlaufenbe in ber ÄÖntQfirei^e Ui &<t)ät)i\äme.
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$ie SUeranberfage im €^ö(jnainc. 491
Äitabun crfennt in ilmt ben Jüngling ihre* 2raumeS, reid)t ihm ben 9tofcn=
ftraufc unb roäfjlt tfm $u ihrem ©atten.
£>a ber üaifar auf 3urcoen feinet 9)iinifterS bie (Sattenroahl jroar
genehmigt, aber feine Xodjter enterbt, will ©ufdjtaSp ebelmütfng auf ihre
£>anb berichten; allein fte ift noch ebelmütbiger als er: fie roill freirotüig
mit ihm feine 21rmut tljeilen, oerfauft eines ihrer Suroelen, unb fo ^at baS
junge Ehepaar oorfäufig $u leben. ©ufdhtaSp »erlegt ftdt) auf bie ^agb
unb gewinnt fo Diel Seute, bafi er jroei drittel baoon an feinen ©aftfreunb
£)eifcbui unb bie Vornehmen beS 3)orfeS abgeben fann.
9hm roirbt ein Vornehmer WamenS SWirin um bie $roeite locbter beS
ttaifars. $)iefe roirb ihm jugefagt, roenn er ben 2Öolf im SBalbe Qfaftfun
erlege. Mein 9Wirin ift roeber ein £>etb nod) ein 3äger. Unter 3ufa9c
oölliger £eimltd)feit übernimmt ©ufcbtaSp baS Söagnife für ihn, erlegt ben
3öolf unb berfajafft Wirin bie £anb ber #aifarStod)ter. ©anj in ähnlidjer
Söetfe überroinbet er ben brachen auf bem SJerge Setila unb gewinnt
baburth für einen anbern Bewerber, ^ren, bie britte "loajter beS &aifarS,
behält fid) inbeS oon beiben Ungeheuern 3<*hnc jurüd, bie er ilmen auS=
gebro$en. $luf #itabunS SBunfd) nimmt er bann oerfleibet unb unertannt
an ßampffpiefen tljeil, bie ber Äaifar auögef abrieben, jeidmet fid) Dor allen
aus, gibt fid) als (HcmabJ ftitabunS unb Sefteger ber beiben Ungeheuer ju
erfennen unb roirb nun bom ßaifar unter bem tarnen O^ra^hS00 m
61)ren unb ^Kedjte eines faiferlidjen (SibamS etngefefit. $urd) it)n erholt
ftd) alsbalb baS gefunlene Mnfcbcn beS Steides. $er ftatfar roagt roieber,
oon ben roiberborftigen M^ajaren Tribut ju oerlangen, unb ba bereu ftürft
3ltaS fid) beffen roeigert, befriegt ihn ©ufcbtaSp fiegreid) unb tobtet ihn im
ftampfe. ^ftidr) oon ^ran felbft wirb nun Tribut geforbert. £ohraSp ift
barüber feljr oenounbert unb erfährt burd) Malus, ben ©efanbten oon 9tum,
baft bie fdjärfere Tonart am Äaifar^ofe oon einem frremben herrühre, ber
in allem bem ^rinjen 3^tr gleite, bie furd)tbarften Ungeheuer erlegt unb
beS ÄaifarS lodjtcr jur (Gemahlin erhalten ljabe. 3er'r wirb herauf nad)
iRum gefanbt unb meigert unter ftriegSbrofning ben geforberten Tribut.
2)a begibt ftd) (Sufd)taSp mit ü)tn ju bem .£>eere ber Sranier, wirb alsbalb
erfannt unb auf ben bereit gehaltenen (Slfenbeinthron gefegt. $>er ßaifar
entläßt iljn nebft &itabun im ^rieben, £obraSp bantt ju feinen ©unften
ab unb übergibt ihm bie Regierung. So ftnb Äum unb ^ran oerfa^mägert,
unb berfelbe ÄönigS^elb gehört burö) feine 3ugenbabenteuer beiben Steigen an.
XV. ©ufajtaSp. W\i biefem Äönig hotte $aaiqt, ber Vorgänger
^irbüfiS, feine öerftfieirte ^Bearbeitung beS Ähuoomtinie begonnen unb etroa
taufenb Doppeloerfe ooflenbet. 91nftatt biefelben neu ju bearbeiten, rüdte
fte ^irbüfi unoeränbert in fein ftönigSbud) ein, um, roie er fagt, bem fiefer
felbft tlar 511 maajen, roie fef>r feine ^oefie gegen biejenige SaqiaiS abftea^e.
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492
(53 mag auch ein anbercr Örunb mitgemirft traben, ©leid) nach ber i^rom
befteigung ©ufdjtasp* tritt nämlich 3erbuf<ht (30r0Qf*er) auf, uno °a $ö<h<h
als Feueranbeter (Öeber) befannt war, tonnte ^irbüfi, ohne bie (SmpfinbtiaV
feit ber ftrenggläubigen <Dto*ltm alljufehr ju reiben, fein ^rophetentfntm
eljrenboü in ber Dichtung unterbringen. Sttiel Kaum wirb ihm allerbing*
im SBerhältnift $u ben anbern gelben nicht $u thetl, unb bon ber joroafirrifchen
Dteligion bietet bie Stiftung ^ier nur einige flüchtige Umriffe.
3*rbufcht erfcheint ganj unbermittelt am &ofe beS Schah. Der Dichter
bergleicht ihn mit einem f)errlid)en $aum mit möchtigen SBur^etn unb jabfe
Iofen 3meigen; feine 3ro«gc f"10 gute SÄathfchläge, feine ftrucht tft 6r-
fenntnifj. (Sr ^at Wlniman getöbtet. Gr tritt jum Könige b,in mit ben
Sorten: „S<h bin ber Prophet, ich bin ber Führer juÖott!" Dann trägt
er ein Seden mit lobernbem $euer Ijerbei unb fpricht: „Das höbe ich auä
bem ^arabiefe mitgebracht, unb eS fpricht ber £err : ,9mnm an ben Glauben,
betraute biefen Gimmel unb biefe 6rbe, bie ich gefchaffen ohne fiehm unb
SÖaffer. Sieh, wie ich ftc gemacht. ©ebenfe, wer folche Dinge fdjaffen
tonnte aufeer mir, bei* ich ber £>err bin. 9öenn bu erfennft, bafc ich ftc
gefchaffen, fo mußt bu mich Schöpfer nennen. Wimm an bon meinem
SBoten feinen guten ©tauben, lerne bon ihm feinen 2Beg unb feinen GtotteS:
bienft ; thue, wafc er bir fagt ; erwähle bie SBetetjeit unb berachte bie 2öelt.
Serne ben wahren ÖotteSbienft unb bie wahre Religion; benn baä ßönio
thum ift nichts Werth ohne ben ©tauben.'"
©ufchtasp unb fein 33ruber 3crir, wie ber alte 6dmh Sohtaäp, ber fich
nach ©atfh jurücf gebogen, alle Surften unb ©rofeen, Steifen unb Mächtigen
be§ Meiches gürten fich nun mit bem ftofchti, bem öcilicim ©ürtel, unb
nehmen baS „neue'' ©efet> an. Der Öö|wibtenft berfchwinbet , ber Breuer:
bienft entwicfelt fich überall. 9lte SSahrjeichen ber Umwanbtung pflanzt
©ufchtaSp bor bem ^feuertempel ju ßifchmer eine I>err(td)e ßbpreffe, bem
^arabiefe felbft entfproffen, bie halb hoch sunt Gimmel ragt, unb umgibt
fie mit einem prachtboUen ^alaft, in beffen gotbener &atte alle Silber unb
©roßthaten ber frühem Könige $u fchauen ftnb. Dann ruft er ade Hölter
auf, ju ber heiligen Gtjpreffe bon Äifchmer ju pilgern, 3*rDufcht anzuhören
unb feine 2ci)xt anzunehmen.
Die Völler beS Cften* wollen jeboch nichts bon ber neuen Religion
wiffen. WrbfdmSp, ber frerrfcher über fiafajan, Slfchin unb Surfeftan,
berlangt bon (MufchtaSp gerabeju, baß er fich bon bem Betrüger 3tfbufcbt
abwenben, feine Öehrc aufgeben unb jum ©efefc ber alten Könige bon 3 ran
jnrüdfehren fofic; wenn nicht, bebror)t er ihn mit törieg. So entfpinnt fich
ein neuer ftampf, bieSmal ein SReltgionMrieg , jmifchen 3ron unb 2uran;
benn Slrbi'chasp ift ein (Snfcl be§ 91frafiab. ©eibe Könige $iehcn mit ihrer
ganzen Streitmacht au*. Sie treffen fich am Dfchihun (Cpu§). ©ufebtaap
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X\t SHepmberfaße im ©d)äfmäme.
493
gerätfj fjier ins Amanten; benn $fd>ama*p, ber f)öd)fte ber ÜRobeb, fagt
ifmt borauö, bafe bcr $ampf feinen 93ruber $mT, feine Söljnc unb Diele
ber beften gelben tfinroegraffen werbe. @r ergibt fid) inbeS fdjliefjiid) in
baS Unabroenbbare unb täjjt fein £eer toiber bie Üuranier ju ftelbe rüden.
3tnei 2Bod>en bauert ber mörbcrifdje Äampf ; e$ fällt bie Stütze ber iranifd&en
Stttterfdjaft , es fallen bie i>önig$föl)ne Hrbefajir, Crmu^b, Sdn'baSp unb
Slibjor, bann ©erami, ber Sof>n beö CberpriefterS $fd>ama3p, unb enbtiaj
ber 8tpef)beb 3er^/ DCt trüber beS Königs. $)a§ 9reid>Sbanner felbft fällt
in bie £änbe ber geinbe. 2118 Äetter in ber 9totlj erfd)eint bieSmat
f cnbiar, ein Sotjn beö ©ufdjtaSp, ber jraeite Sieblingä^elb ber altperftfa>n
Sage, 3f)tn gefeilt ftd& ?Reftur ju, 3*™* Sofm, um ba§ SBlut feines
93oterä ju räa)en. ÜHit unn>iberftet)lid)er ^apferfeit fämpfen fie fid) burd)
bie längft triumpfnrenben 3?einbe ju ©ibireffd), ber 3^* getöbtet unb jetrt"
praljlenb baS ftaroefjbanner fdjmingt. ^Sfenbiar entreißt ifjm baS in ©ift
getaufte Sdjroert unb burd)bof>rt ifm bamit, nimmt iljm ben 2öaffenfd)mud
3frirS, ben er an fidj geriffen, unb bringt baS SReidjSbanncr fieggetrönt ju
ben ^raniern jurüd. darauf tfmt er mit 9ceftur unb 9tufd}=Hber ben
Sdnuur, nid>t oom ßampf §u laffen, bis fie aud) WrbfdjaSp getöbtet. Huf
bie iuranier einfprengenb , richten fie ein folajeS 5Mutbab unter ifjneu an,
bafj HrbfdjaSp bie ^tudyt ergreift, bie TOnner bon ifdjin aber bie Staffen
ftreefen. 3§fenbiar fdjentt ifjnen baS &ben, unb ©ufa)taSp tel)rt mit ben
3raniern nad) SBalfl) jurürf.
5m Hugenblide ber größten sJtotf) f)at ©ufdjtaSp feierlid) berfprod)en,
9teid) unb 2^ron feinem tapfern <Sofm 3»öfenbiar ju übergeben ; aüein nad}
erlangtem Sieg benft er niajt mefyr baran, fonbem ernennt ifm bloft jum
Cberfefoberrn mit bem Huftrag, bie Religion beS 3cnbaoefta in 9tum,
£)inbuftan unb allen übrigen Säubern geroaltfam einjufü^ren. Ssfenbiar
bringt baS in furjer '$t\t ju ftanbe. Hfle Könige ber (Srbe nehmen ben
^euerbienft beS 3crolW on- S^fcnbiar bittet barauf um weitere Sefefye;
aüein burd> bie SBerleumbungen eines 9leiberS, ©urejm, aufgereiht, traut
i(jm ber Vater nid)t mefn*, fonbern läßt iljn nun ju ft$ entbieten, um ifm
unter bem ©erbaut geplanten #odwerratf>§ in Ueffeln §u werfen, ^n bem
feften Sd)Ioffe ©unbeban wirb ber tapfere Jüngling, ber Detter unb bie
Hoffnung bes Steides, $nnfdjen Dier Pfeilern an fura^tbare Letten ange=
fcr)miebet. W\t i^m roeidjt jeboa^ baS ©lud üon 3ran. ©ufa^taSp mufe
feine Giferfua^t aufs fajmerfte büßen.
So meit reidjen bie taufenb ^oppelöcrfe bei Saqiqi. iyirbiifi fpria^t
fid) feljr abfällig über ba3 poetifa^e latent feines Vorgängers aus, anerfennt
aber bod) fein ^ot)e§ ©erbienft, i^m felbft ben SBeg gebabnt ju baben, flagt
über Vernadjläffigung öon feiten feines ©önnerS ^ia^müb unb füfyrt bann
bie bon ^aqiqi unooüenbet gelaffene (^rjä^lung weiter.
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494 93ierte« »u$. «Herte* Äopttel.
$ie Utadjriajt Don ber (Sinterferung Sefenbiar» ift aud) nad) $urcm
gebrungen. ^U^balö tuäajft 9(rbf$a$p ber gefunfene 9Wutt) nrieber. 6t
entfenbet feinen Sobn Äebrem, um in 3tan einzufallen, atte$ ju berljeeren
unb, roenn möglich, ben gefangenen 3§fenbiar hü tobten. Cime auf Söibet:
ftanb $u ftoflen, bringen bie *Xutanier toirtlid) bis 33alflj bor. Umfonft
maffnet ftd) ber greife ftönig Öoljraap mit ber friebliajen 33ebölferung jur
Wbroefyt. Sie roetben nadj turpem ftampf überrounben unb niebergemad)t,
baä 3cnoQbefta Derbrannt, 3er&uf$t un° bie 80 geuerpriefter am ^eiligen
$euer getöbtet, baö ^euer auSgelöfdjt, 8of>ra§p3 Xödjter ipomai unb SBefc
9lferib a(d Stlabinnen in bie ÖJefangenfa^aft fortgefdjleppt. 9lur ber Gattin'
$uf$ta$p§ gelingt e$, als lütte berfleibet, nad) Sei'ftan ju entfliegen, roo fid)
ber Sdjaf) mit all feinen @rojjen unb ftriegäfüfyrern aufhält. na$bem
ba* Sdjredlidje gefd&eljen, rafft fid) ($ufd)taäp auf unb jieljt ben luraniern
entgegen, mitb aber gefd)lagen unb mit feinem ganzen ^>eere in bie ftlwbt
gejagt. 9tur mit 9lngft unb 9lotl) fcfylägt er fidj mit feinen Großen in ein
Gebirge burd), baö bie Xuranier nicfot fennen. Abermals rufjt bie einzige
Hoffnung auf bem je£t idjroergefränrten, nod) immer eingeterterten 2$fenbiar.
9Jur auf bie einbringlia> 3Ratmung be£ $>fd)amafcp cntjdjüefct ftd) ber Sduil),
ifm ju befreien unb an bie Spi£e feine* jerfprengten £eere$ $u ftetten.
$f4)ama$p fjolt ifm au* feinem ©urgberlieft ; tapfer fdtfagen fte fid) burdj
bie fiegreid>en ^feinbe bi$ $u bem Söerge burd). SSor bem fjerrfd)füd)tigen,
graufamen Sätet ftefyt ber miftljanbelte Sofyn, o^ne jeben ©ebanfen an
9tadje, nur Don bem (Sljrgety befeelt, ben Söiflen be* 93ater3 ju erfüllen,
ben ertragenen Sruber $erbifd>roerb ju rächen unb 3tan bon ben ftoljen
Prangern ju befreien.
W\t Säfenbiar (e^rt baö ©lud ju ben Sraniern junid. 9frbfd>a3p
mirb bange, er läßt bie gewonnene SBeute auf Gamete laben unb tritt ben
föürfjug an. ßiner ber Seinen, Äergfar, berfpri$t 3§fenbiar ju tobten;
allein feine Söaffe prallt an bes gelben ^anjer ab, unb biefer padt iljn
mit feinet ftangfdjnur. 5>w Lanier ridjten unter ben flie^enben dürfen
ein furd)tbare3 Slutbab an, iljr Säger unb alle SiegeSbeute fällt in tljre
£)änbe. 9lnftatt bem fyerrlidjen Sof)ne jefit SXljron unb SReid) $u übertragen,
mie er in ber Wotfj Derfproajen, jie^t ©ufajtaSp als Äönig jurürf gen JBalfb
unb beauftragt 3§fenbiar, feine gefangenen Süjmeftern aus ber ftanb ber
luranier ju befreien unb 2lrbfd)aäp böüig ju öernifl)ten.
^ie Sage mieber^ott fto^ ^ier. Ungefähr biefetben fteben Abenteuer —
mieber haften genannt — , burc^ roeldje duftem fia^ jur ^Befreiung beS 9tei
fta'uö botbeteitet, mup jc£t aua^ ^sfenbiat befte^en: et überminbet $tpei
2BöIfe, bann einen Ööroen unb eine Öömin, einen $)rad)en, einen SSÖunbers
böget (Simurgt)), eine 3flU^cr»n # f^lögt fieb brei iage tang bura^ eine
SiMifte buraj mitten im fa)redlic&ften Sdmeegeftöbet unb fü^rt feine ßeute
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3üe SUetanberfaße im Sc^ü^nämt.
495
enblid) burrf) einen tiefen, rei^enben Strom bt* in bie 9ial)e beS cbernen
©^loffeö, roo feine ©d>rocftern gefangen fi£en. $ie an fid) äfmlid)en 9lben=
teuer finb inbeS fct>r fd>ön bariirt, fo baß jeber fic mit Sntereffc lefen mag.
$er befangene Äergfar, ber als gü^rer bient, fpielt aber bem gelben fo
biel läfrige unb boshafte ©cfcabernade, bap ber £elb feiner mübe wirb unb
iljm bas £>aupt abfcrjlägt, fobatb er rooljlbeljalten an fein 3<*l gefommen.
«18 Kaufmann bcrtleibet, bringt er 160 feiner tapferften ©enoffen mit einer
ßararoane in bas „eherne ©d)lop", überfällt bie fa^laftrunfenen luranier
naä) einem ärefhnabX tobtet ifjren ÄÖnig 9lrbfd)aSp trofc ber Imnberttaufenb
ßrieger, mit benen er fia) umgeben, unb fdjlägt fid) $u bem nac&getommenen
iranifdjen &eere bur#, bas bie 9Jtad)t ber Suranier bann böllig bernidjtet.
©eine jroei ©ajmeftern, bon benen bie eine f>omaü jugleitfi feine ©emaljlin,
werben glüdlid) befreit unb üjrem Vater ©ufdjtasp aurüdgebradjt.
$eber foHte nun meinen, na# fo biet ©ofmeStreue toürbe ©ufd)ta*p
fein oft nrieberfwlteS ÄontgStoort enblid) galten unb ^sfenbiar bie 3ügel
ber Ütegierung übergeben. Allein „eS ift jüjj ju r/errf(fjen". ftufc&taSp tonn
ftd> oon feinem Scepter nid)t trennen, unb um ben läftigen Ifyronberoerbcr
loS ju roerben, trägt er iljm biesmal eine Ifjat auf, faft bie unauStoeicblid) fein
Verberben nacb ficü, jietjen mufc. Gr entfenbet Ssfenbiar nad) 3abuliftan,
unter bem Vorroanbe, ber greife ftuftem, bie einftige ©tüfce fo bteler Könige,
erfülle feine Vafallenpflidjt nidfot meb,r ; er folle ilm gefeffelt an ben £>of bes
Königs bringen.
hiermit beginnt bie geroattigfte unb ergreifenbfte Gpifobe bes gefamten
©d^lmarne, bie fid> in erfdjütternbem ^atf>oS rootjl mit ben fünften ©teilen
ber %l\a%, ber germanifc&en unb romanifdjen @pif meffen fann. St)re VolU
gemalt erhält fic aber erft im 3"fömmenb,ang mit allem Vorausgegangenen,
(irft menn man bie ganje Saufbarm ber betben iranif^en gelben SRuftem
unb ^öfenbiar an ber $anb ber $td)tung gemiffermapen mitgelebt unb fie
beibe gleid) liebgewonnen Ijat, ben gigantifdjen duftem, auf bem ber ganje
fltutmteSglanj ber Vergangenheit fi# bereint, unb ben iugenbfa^önen 3*fenbiar,
auf bem bie ganje 3ufunft beS Steides ruft, fürjlt man bie boüe Söuajt
ber Iragit, bie in bem Auftrag beS föniglidjen Vaters ruf)t. 3m 91ugen=
blid, mo 3ran roieber bie ganje %ü[le frühem ©tegeSglüdS $urüdgeroonnen,
gibt ©ufd)tasps berblenbete ^>crrfd)fudr>t alle* roieber preis, inbem er bie
jtoei größten gelben einanber gegenüberfteUt unb ilmen nur bie SBorjl lä$t,
entmeber fid) gegenfeitig ju zermalmen ober tyre 9titterel)re in ben ©taub
ju treten. 2öie fta? bie $äben biefer 2Uternatibe langfam 511 einem immer
engern unb töbtlidjen iRefce jufammensiel)en, läfet fid) in einem turnen 9tuSjug
nid)t befa^reiben. "$as perfifaje Wationalgefütjl , bas bie ©age geftaltet,
ffräubt fid) gleiajfam, einen ber beiben fjerrlict/ften gelben preiszugeben. 3n
ben feffclnbften 2Bed)feIgefpräa^en fitzen fie bem Verf)ängnm 511 entrinnen
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SHerte* SBud). Vierte* Äapitcl.
unb Derftriden fid) Dabei immer tiefer unb unentrinnbarer in fein 9?efc. Tie
Grjahlung roirb in biefen Sieben fteflenroeife uim Trama oon ftnrci&enbcr
Sebenbigfeit. Um feinen 5preiS will 3*fenbiar etroas oon bem Auftrag
abweichen, ben fein $ater ihm geftettt. Um feinen ^reis will ber greife
Äuftem fich feffeln unb als befangenen entehren taffen. Stile SBerfuche eines
Ausweges fcheitern. @S muß $um Aampfe fommen. 3wei W\tf<n ^n
gegeneinanber , ein töreis unb ein Jüngling: jener mit hunbertjfthriger
tfriegserfahrung, biefer mit Dotier 3«a,enbfraft, jener burrf> perfönlicbe Iapfer=
feit unbeftegt, biefer buref) wunberbaren 3auber nur an einer Stelle Der=
wunbbar, jener nur Don bem Öebanfen an feine iKitteretjre, biefer nur Don
ber ^orberung feiner Siitterpflicbt erfüllt. @S ift, als ob 3ran in ihnen
fief) Derboppelte unb in unlösbarem 2Biberftreit gegen fid) felbft rafte.
Ta* Unerhörte, ba» Unfaßbare gefdjief)t. Ter unüberwinblicbe SRuftem,
ber ganje JDeere ber luranier gleich Scbaiberben jerfprengt, bie 9Kad)t
Wfrafiabs gebrochen, fiegreid) bie ganje $elbenmelt ^ranö überlebt, roanft
nun erftenmal. Hon ^SfenbiarS Pfeilen jerfleifd)t, fintt er tobeSmatt Don
feinem treuen ^iferb. 9tur eine Sift (nad) unfern Gegriffen eigentlich eine
l'ügc) hält ben JobeSftreid) auf, ber ifm bebroht. 9lud) in biefer troftlofen
Sage bewährt er ftch nod) fo trufcig unb Ijelbenfjaft , baß ^Sfenbiar ilm
anftaunt. W\t Pfeilen gefpidt, watet er noch burch einen Strom ans anbere
Ufer unb feljrt ju ben Seinigen jurüd. (Öanj gleichartig mar ber $nmpf
auch "id)t; benn ^öfenbiar mar oon oomf)erein gegen feine Staffen gefeit,
unb bie einzige oerwunbbare Stelle fannte töuftem nicht. Tas tuirb in ber
nächften 9iad)t nun ausgeglichen. Turd) 3auDcr roir0 oer Simurgfj ^er6ei=
gerufen unb heilt duftem unb fein ^pferb ftaffd) Don allen ihren Söunben;
er Derlnlft Stuftem ju bem Sdjidfalspfeil , bem ^Sfenbiar nicht entrinnen
fann, unb gibt ihm beffen einige Dermunbba're Stelle an: bie klugen,
freilich mahnt ihn ber Simurgh juoor Don roeiterem Kampfe ab; benn
Unheil werbe benjenigen treffen, ber ^sfenbiar tobte; er fönne nimmer
glüdlich merben ^ienieben. Mein duftem gilt fein £>elbenruhm mehr als
®lüd unb Seben, unb fo ftellt er fid) beS anbern $ageS roieber jum $ampf.
@d)t ritterlich bietet er inbeö ^Sfenbiar noch einmal bie £>anb jum ^rieben,
bittet unb befd)Würt ihn, nicht weiter ju tämpfen, unb erbietet fich nochmals,
freiwillig <iutn Äönig ju fommen; nur Ueffeln tragen will er um feinen
s}?reis. @rft als 3*fenbiar alle feine SBorfchläge unerbittlich Don fich weift,
greift er ju bem DerhängnijjDollen ^feil, legt an unb trifft ^Sfenbiar mitten
in» Wuge. Ter junge .'pelb finft Dom ^ßferbe, reifet fich ben ^feil aus ber
SBunbe unb lebt nod) lange genug, um Don feineu Sehnen 5(bfd)ieb 31t
nehmen unb fein Jeftament ^u machen. (>r betheuert, bafc er nicht über=
legener Sapferteit, fonbern nur boshafter Sift jum Cpfer gefallen. Siuftem
gefleht, baß er aus oei^weifeltcr sJtul)me5liebe jur 2ift gegriffen unb fid)
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3)ie Sllejanbcrfage im Scbäbnome.
41*7
nun etoige 3d)anbe baburd) bereitet. $as rüt>rt ^sfenbiar, unb er ruft
ben greifen Jhieger ju ftdj, oerfiebert ir)n feiner 5Id)tung unb beftätigt biefelbe
baburd), baß er tyn $um SBoflfrreder feine* legten SSMflenS mad)t. ^b,m
ubergibt er feinen Sofm 39ab,man. SRuftem fott ©aterftelle an ifmt bertreten,
ifjn jum ouferjiefjen unb itm auf ben 2n,ron bon 3ran fefcen, wie
es £fd)amaSb borf)ergefagt. So ftfeeibet ^Sfenbiar bon Xuftem als §teimb.
„®ufd)taSp r)at midj getöbtet", finb feine legten SEÖorte, eine jerf^metternbe
2?otfd)aft für ben f)errfd)füdjtigen Sdjaf), ber feinem Gfjrgeij bas £>eU feinet
9feidjeS unb feines £aufe» geopfert.
iHufiem erfüllt treulid), toaS er bem fterbenben Ssfenbiar gelobt; er
jiefjt ©afnnan in allen fünften ebler Xittcrjdjaft jum ooüenbeten Jg>errf(^cr
b,eran unb fenbet ü)n bann feinem (ftroßbater Öufd)taSp $urüd. Vorauf
bricht ober baS ©erljängniß aud) über tt)rt herein, unb jroar bon einer Seite,
bon ber er es am roenigften bermutljet. Sein ftalbbruber Sdjegfyab, ber
nm \">ofe bon #abul roeilt, füfjlt fid) burd) einen Keinen Tribut beleibigt,
ben SRuftem nadj altem ©ertrage bon bem Sdjan, bon ftabul bertangt. 9luf
bie nieberträd)tigfte 2Beife lorft er nun feinen ©ruber ins ©erberben. @r
berabrebet fid) mit bem Sdjafj bon ftabul, bafs bieler if)n bei einem öffent=
Iidr>en ^eftmaf)! befdnmpfen foll ; barauf jief)t Sd)egf)ab 511 föuftem, um ilm
als ©ertbeibiger feiner (Sfjre fyerbei^ufplen. Unterbeffen aber läßt ber Sdjab,
bon Äabut auf bem 2$ege, ben duftem 511 mad)en fjat, große ^anggruben
ausgraben, unten bid)t mit Seffern unb Sd)tt>ertern berfefjen, oben mit
3trautf)tt>erf beberft. Ter et)rlicr>e duftem eilt auf baS Aufgebot feines
©ruber* alSbalb fyerbei, oljne etroas 9lrgeS ju almen, unb toirb nun am
(£nbc feiner .£elbenlaufbab,n toie ein toilbeS 2b,ier in eine ^anggrube gelocft
unb oerenbet ba erbärmlid), nur baß er nod) oor feinem lobe bem ©er=
rätfjer Sd)egfjab einen ^jßfeil burd) bie ©ruft jagt. (Sine efjrenbolle Xobten=
ftage unb ein nod) großartigeres ©egräbniß milbert ein roenig ben faft
abftoßenben (Sinbrud biefeS jammeroollen (5nbeS. 3m 3ufantmenb,ang rot*
bem lobe ^KubiarS getoinnt baSfefbe inbes eine erfd)ütternbe , trngifdje
@rf)abenljeit. 9Jlit Äußern geljen bie legten krümmer ber alten frelbenjeit,
mit ^Sfenbiar U)re legten Hoffnungen ju $rabe. töein ^frembling bermodjte
bie .Ipelbengröße ^ranS ju überroinben; aBein in unfeliger ©etf)örung t)at
feine ftiefenfraft -panb an fid) felbft gelegt, unb fein größter £>elb berblutet
an bem {^tuc^e, ben er burdj ben iriumpf) über feinen einzigen ebenbürtigen
Nebenbuhler fid) jugejogen. @inen berföfmenben Sd)Iuß fjat toeber bie Sage
nod) ber $id)ter gefunben; nad) bem 3cnDQb^ ^ bem Äorön
mußte alle» fo fommen. TaS Sd)idfal jermalmt alle menfd)lid)c Wröf;e
unb $>errlid)feit ; !eine liebeboüe ©orfebung febmebt barüber unb erleua^tct
baS <5t)ao§ bc» ©erben», Bingens unb ©ergeben* mit planen ber Siebe
unb 93armljerugteit.
SBaumaarlntr, aßeltlitfrotur. I. 2. Äufl. 32
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Söierte« 9Ju<$. SÖierlc« Äapitel.
DtidjtSbeftorocniger gehört ber £ob ^SfenbiarS unb 9luftemS 511 beut
©rofcartigften unb @rljabenften , roaS bie epifdje ^oefte gefdmffen, roie bet
2ob beS £)ettor unb ^ßatrofloS ober jener SiegfriebS unb £agenS. $ie
jugenbfrijdje ÖcftaltungSfraft ber älteften Sagenbilbung fdjeint fieb bier er=
fd)öpfi 5U fyaben, aber feineSroegS baS SBalten unb SBeben ber ÜBolfSpljantafie
überhaupt, f^ür fte ift nod) fein Abfd)lufj ba ; iljr ipelb ift nidjt biefer ober
jener $rieger, fonbern 3?olf unb 9teiä) Don ^tan felbft, Derförpert in ber
langen 9ieü)e ber folgenben Äönige, unb roenn aud) feiner Don Ujnen duftem
unb 3iSfcnbiar ju überftrafjlen Dermag , fpinnt fidj in ifmen ber alte
ßampf fort unb fpiegelt fidj in wunberfamen Abenteuern baS Seben beS
93olfeS weiter.
!Mad)bem 3>Sfenbiar unb tRuftem ins ©rab gefunfen , füfjlt ftönig
®ujd)taSp lleberbrujj an ber £>errfd)aft, bie er bisfjer fo eiferfüd)tig bc=
Rauptet unb ber er bas Seben beS eigenen Sohnes geopfert t)at. ($r bers
jid)tet auf ben %f)xon unb ftirbt alSbalb bana$.
XVI. SBaljman, ber <5ofjn ^SfenbiarS, folgt il)m in ber Steuerung.
Xicjer betrachtet es als feine Hauptaufgabe, bas 231ut feines SBaterS ju
räcben. 2)a 9luftein felbft Saterftelle an iljm Dertreten unb itjn jum £>err=
feber erlogen, fyat bie ^3hitrad)e bieSmal einen nod) meljr barbartfdjen SBci=
gefdjmad als in frühem 3^9cn Dcr ©göc- Sergeblid) erinnert ber greife
3al, ber nod) immer lebt, an bie längft geleiftete ©enugtffuung unb unter=
wirft fidy bem neuen jungen Sdjab, in rüd fjaltSlofefter Eingebung ; Satyrn an
jieljt nad) 3aDl,^t*an unD roütljet erbarmungslos gegen 9tuftemS Familie,
^cramurj, ber ©oljn StuftemS, leiftet ifjrn tapfem SBMberftanb , fällt aber
fdjtieBüd) in feine Jpänbc unb roirb an einem Saum errängt. 9cur auf
löerroenben feines SöruberS SBefdmten begnabigt 33aljman ben greifen 3a*»
ber als ber lejjte ber alten .frelbenjcit fein naljeju auSgeftorbeneS ©efdfrledjt
betrauert. 33atjman t)at einen Soljn, <2afan, ben er aber enterbt unb Der
beSljalb Don ipof entfliegt ; unbefannt unb in Armut lebt nun fein Stamm
roeiter, um einft in fpätcrer Qeit ben $b,ron ber Äajaniben ju bejieigen.
3ur unmittelbaren Nadbfolgerin ernennt 99al)man feine Üodjter $omai*, bie
et im legten 3a^re feiner Regierung nodj jur ©attin nimmt, mit (5rb=
beredjitigung für if)ren fünftigen Soljn, bcjfen ©eburt er nidjt metyr erlebt.
XVII. £ 0 m a i ift bie erfte unb einjige fticm, roeld)e ben alten 33)ron
ber $ajaniben befteigt. Sie roirb nidjt als eine romantifa^e (Semiramis
gefdjilbert , fonbern als eine tüchtige £>errfdjerin , Derftänbig unb flug , frti=
gebig gegen bie Armen, uneigennügig gegen bie 9teidjen, geredet gegen afle.
3)ocb bie Sitji am ^enfd^en unterbrüdt in i^r jebeS jartere ©efüfjl. 2öie fte
Butter eines tfnaben roirb, ^ält fie bie ©eburt beSfclben geheim unb fud)t
fidj beS unroiüfommencn Nebenbuhler» ju entlebigen. ©ie läfet baS Änäblein,
in Samt unb Scibe eingeroidelt, in ein jierlidjes Ääftajen legen unb fo ben
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1
$ie Süeranberfaae im ©(fcähnäme. 499
Sogen bc* (Suphrat anbertrauen. Einige ßoftbarfeiten bon föntglirf>em
Söcrt^ r Darunter einen rotten (Sbelfrein, gibt fie ünn mit. $)as ßäftchen
wirb fern ber £)auptfiabt ans Ufer gefpült. (Sin armer SBäfdjer finbet eS
unb bringt es feiner ftrau. Sie erbarmen fiaj beS lieblichen &inbe* unb
jiefjen es wie i^r eigenes auf. $ie reichen ßoftbarfeiten , bie ber Wann
berfauft, gewähren ihnen überflüffige SRittel. $)aS #inb wächft junt b^err=
liehen, biefoerfprechenben Änaben auf. Aber SÖäfaje Hopfen wiü er nicht,
ßr entläuft, unb wie ihn ber Pflegebater wieber finbet, fpielt er mit pfeil
unb Sogen. $)ie Pflegeeltern laffen it)n nun feinem SBunfdje gemäß in
allen ÜBMjfenfdjaften unb ritterlichen fünften unterrichten . @in Sieg ber
9tumiS 1 über bie perfer macht neue Aushebungen nötfng. $arab, fo fjeifct
ber Änabe, finbet fich bei ber Sruppenfchau ein unb wirb bon bem Ober:
befehlSr)aber Stefehnemab bem Speere eingereiht. $ie Königin felbft fieljt ir)n
bei biefer Gelegenheit unb ^at baS Gefühl, baß es ihr Sohn fei. ^odt)
fommt es §u feiner Annäherung. SDarab jjieht in ben Ärieg, fajlägt bie
SlumiS beim erften 3ufammenfto^, berrichtet bie größten £>elbenthaten, brängt
ben Qfeinb über bie Grenzen jurürf unb zwingt ben Äaifar jum ?yricbenS=
fd)luffe. Schon bor feinem Abfdjieb f)at er feiner Pflegemutter, mit bem
Schwert in ber Jpanb, ba§ Gehcimniß feiner Auffinbung abgetrotzt. Unter:
Wegs bei einem Sturm berfünben ihn munberbare Stimmen bem ©efchlS=
haber tJtefchnewab als ßönigsfohn. Auf ber 9tücffehr au» bem Kriege läf^t
biefer bie Pflegeeltern fommen, forfcht fie aus unb erftattet barauf Bericht
an bie Königin. $aS rothe 3uwel ift noch ba als fixeres GrfennungS:
^eichen unb wirb bem SBriefe beigegeben, tiefbewegt erfennt cS £omai unb
gewinnt bie bolle Gewißheit, bafj ber heimtehrenbe Sieger ihr eigener Sohn
ift. Sie fäumt nun nicht länger, ihn anjuerfennen. tfaubig umarmt fie
ihn, unb ber ftegreidje (Sinjug roirb jum ÄrönungSfefte. 3)ie Pflegeeltern
»erben reichlich befchenft unb feieren bann ju ihrem Gefdjäftc surüd. 2)ie
ganjc Gefliehte ijt überaus gemüthlich, fteHenrocife mit £mmor erzählt unb ge=
währt nach ben borausgegangenen ^amilientragöbien einen behaglichen (Wut)c=
punft. 2Ber würbe inbeS in £omai bie Großmutter, in $)arab ben 9?ater
AleranberS beS Groden bermuthen? So ift es aber. 3n heitcrew Spiele
über ben griechifchen 5reit)eitSfampf bahingleitenb , ift bie Sage l)icr fchon
beim Untergang beS altperftfchen Meiches angelangt.
XVIII. 3)arab. $ajj biefe Sagen ihre jefcige Raffung wohl erft
fpät in ber Saffanibenjeit erhalten fyaben, bafür fprechen nicht blofe bie
kämpfe gegen 9tum im allgemeinen, fonbern auch bie feltfamften Ana=
d)roniSmen. $n feinen kämpfen mtber töum 3. 58. töbtet $arab außer
Bielen anbern gelben auch „bierjig Sifchöfe" unb erobert ein „&reu$",
1 5>. h- B9iömet\ toomit aber bie „©rieben" unb „ÜJkcebonier" gemeint ftnt>.
32*
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500
»terte* SBurf). 93ierte4 Äapitel.
wäfyrenb in 9him als ßaifar nod) t^cilcfu* 4, b. f). ^ßrjilippus ber 2Hact:
bonier, regiert2. ?luf ben Ifyron erhoben, mibmet ficb. Tarab juerft fricb=
liajen Aufgaben: er baut bie 3tabt Tarabgirb unb Derftet)t fic burdj grofce
$ analbauten mit SBajfer. Unterbeffen aber fällt ein .fteer Don fjunbert:
taufenb arabifäjen Gittern unter bem ^>eerfüt)rcr Sajoaib in Verfielt ein.
Tarab jiefjt iljnen mit einein jaljllofen £>eere entgegen, befiegt fic in bicr*
tägiger Sa^Iad)t unb menbet ftd) bann gegen f^eilefue, ben jtonig bon 9tum,
ber ifnn bie berühmten gelben bon 91mmuriel) entgegenfteüt. 5lud> bieje
werben in viertägiger Sdjlaa^t befiegt. Um niä)t gän^lid? bernidjtet ju
werben, fenbet fteilefus bon ber Stabt Wmmuriel) aus ®efanbte mit reiben
<^efdt)enfcn unb ftriebensborfdjlägen. Ter Sdjal) fjört, bajj ber fiaifar eine
munbcrfd)öne Softer Samens 9laf)ib fjabe, unb bewirbt fid) um iljre £anb.
Ter Äaifar nimmt ben 58orfd)Iag an unb bewilligt $uglei$ einen iäf>rlid)en
Xribut bon jcfmtaufenb (Sicrn aus gefd)mol$encm ©olbe (jebes ju bierjig
SRitytal (&cmid>t) unb eine <8penbe bon reiben Juwelen. (Sin „SBifdwf"
bringt bie Äaifarstocfyter in bas perfifd&c i'ager mit einem (Befolge bon feäjjig
auserlefenen ^Brautjungfern unb liefert ben Tribut an ben 3d)a£meifter ab.
groben Hiut^cä jief)t ber Sdjat) jefct nad) ^ran jurürf. 9tadjbem ber £)onig=
monat borüber, bemertt er jebod), ba$ bie griedinidjc ^rinjeffin feinen an=
genehmen Sltljem Ijabe, unb obwohl e§ ben 5lcrjten gelingt, fic mittelft einer
^■Pflanje, „bie in ÜtumüSpradje ^sfenber fyeifjt", baoon ju befreien, bc=
tommt er eine unüberminbliaje Abneigung gegen fic unb fdjitft fie an ben
£>of it)re§ Katers ^eilefus jurüd. Ta geneft fie eine» wunberfdjönen
Änäbleins, baS Ssfenber genannt wirb, weil burd) bie ^ffanje ^sfenber
bie 5Jlutter bon bem Übeln 91tf)em befreit worben war. Cbmoljl £d>af}
Tarab fein 93ater war, würbe beffen bod) nidjt gebaut, weil man fid) ber
33erftofjung !Rat)ib^ fdjämte unb nie babou bie Siebe war. Ter fileine
würbe als s^rinj bes Äaifarfjaufes erjogen unb oon ^cilef ju feinem
sJiad)foIger beftimmt. Ter Sdjaf) Tarab aber nalmt eine anbere ^rau unb
fefcte beren Sofrn Tara ju feinem 9tad)fofger ein. 2Bie 3?fenber bcr mace=
bonifdje 51leranber , fo ift Tara unbcrfennbar ber perfifdje Tarius (Sobo=
mannus; allein bie perfifdje Sage t)at aus tynen iörüber gemaajt, Söljne
bes 8d)af) Tarab. ^Stcnber rann nun moljlgemun) feinen ©ruber befiegen
unb berbrängen; all fein 9tuf)m fällt auf Sran suriirf.
XIX. Tara, Sofm bes Tarab, beginnt feine Regierung mit grofjem
$lan$c, empfängt Tribut bon Snbien, 9hnn unb 2fd)in unb bon allen
Woltern naf) unb fern, baut eine neue Stabt 3*™ufd) im 2anbe Wfnoaj
1 Wlotfl Iranefcribirt ben tarnen, offenbar md) falfd&er «djreibuitö (qäf
ftatt fA), „örc'ilefufl", ©örreö richtiger „Orcilcfuö".
- Scr #au})t?aif)e nad) folßt bie 2ia)tung Don f)ier an bem fogen. $feubj*
ÜaUiftl)enea.
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Site Äleranberfage im Sdjäfjnämc.
501
(ftfjufiftän) unb fpenbet retdjlid) ®etb unb ©aben nad) allen Seiten. 3n 9him
aber ftirbt Äönig fteilefuä, unb ^äfenber befteigt ben Sharon. 5>er roeifefte
9Äann ju 9ium mar in jenen Jagen ber berühmte Slriftatalte (Wriftätältö =
Slriftotele») ; ber trat mutfng bor ben tfönig Inn unb fprad) $u itmt :
„C flönig! treibft bu ed wie bisset,
So bauen bein 9tubm nidjt lange mefn\
Qi f)errfdjten tior bir biel ftönige fdjon,
3)odj (einem ift geblieben ber Sfjron.
Unb fagft bu: £ier bin id), braudj' leinen ju fjören,
©o loirft bu bomit beine Seele betb&ren;
3um größten 2f>oren auf R$ bläf)t,
2öer allen 9tatf) ber Söeifen toerfömäf|t.
$enu Staub finb mir unb werben ju Staub,
Ser ßeib roirb r)iIftod itjm jum «Raub.
2öenn gut bu bift, bann wtnlet btr
Gin ftättge* @(üd unb »ufjme*jter ;
3öenn böfe, fo ift nur Unzeit bein,
Unb nimmer fdjlummerft bu frtebltf^ ein.
3üurd) Xugenb nur werben bie ftönige groß:
ftein @lücf weilt je in be$ ßafterS Sdjoß."
3»fenber läßt fid> biefe ^Kafjnung niajt berbrieften, Ijätt Mriftatalte
fjod), fü^rt ib,n mit fieb, bei fjeft unb ftampf, im Rieben unb im Ärtege,
b,ört auf feinen 9tatb, unb läßt itjn ju fetner Seite auf bem 5Lfjrone ftfcen.
$ll§ $ara burdj einen ©efanbten ben frühem Tribut begehrt, läßt
3§fenber if>m fagen: „Wit bem Tribut ift'S au»; ba§ £nu)n, ba§ bie
golbenen 6ter gelegt, ift tobt." darauf ruft er fein Jpeer jufammen unb
erflärt itjm für} unb gut, baä Sdndfal muffe feinen Sauf tjaben, er muffe
bie 2öelt erobern, ©uteS nrie 5}öfeä erfahren, barum foflten fie ju ftelbe
Steden unb auf alle 9htf>e beraten. Unb fo jieljt er au§ mit feinem Banner,
auf bem eine rotfcblaue (Sule ftfct.
3uerft menbet er fid) gen W\%t (Storien, ftegbpten unb Arabien) unb
überroinbet bie Hölter oon tERi^r in einer a^ttägigen Sö)fad)t. Ungeheure
Söeute, }aljllofe (befangene fallen in feine Jpanb. 3)ann marfdjirt er miber
Sran unb fteüt feine Iruppen am Gupljrat auf, bem perfifefoen Säger gegen=
über, nur jroei ^arafangen babon entfernt. Seine 9tätb,e beraten be*
langen unb breiten Ijin unb t)er, roaä jejjt ju tfmn. Sr aber erflärt: „frier
fann nur eines belfen. 3d) gefje als ©efanbter ju $ara; bann roerbe id)
hinter alle feine geheimen ^ßläne fommen." So legt er feine föniglidje
%xaä)t ab unb fleibet fid) in biejenige eines borneljmen ©efanbten unb be-
gibt fidb. mit jeb,n Leitern, bie ber perftfd)en Spraye mädjtig finb, in ba3
f einbüße Säger. (?r finbet fct)r eljrenboüe Wufnaljme unb erflärt 2)ara,
3«fenber$ Mbfidjt fei burd)auS nidjt, ifm ju befriegen ober länger in 3tan
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502
Söierttf »u#. »ierte* «apüel.
ju Derweilen, fonbern blofi einen fleinen Spaziergang um bie 2öelt ju
matfcen unb aüeS näljer fennen 311 lernen. SSofle er ifmt aber nic&t freien
Surdjjug geftatten, fo fdjeue er ben ßampf nidjt. SllleS berounbert ben
fmfcu 2Sud)S, bie 2öürbe, 38eiSf)eit unb Serebfamfeit beS ©efanbten. Sara
felbft glaubt an ifmt 3"ge ber 21efmlidjfeit mit ben flajaniben »a^rjune^men
unb fommt auf ben ©ebanfen, er fönnte Ssfenber feI6ft fein. Siefer rebet
fid) ieboap gan* treffenb fjcrauS unb befdjmidjtigt ben SkrbaaU GS roirb
nun ein fjerrlidjeS Wlafy gegeben, bann ein Irinfgelage mit ©efang, 9Rufit
unb Janj. ^stenber tljut tapfer 5Befd)cib unb ftedt jeben Söedjer ein, ben
er geleert. Sem Wunbfdjenf fommt baS fonberbar bor, unb er roagt eine
Semerfung. ^sfenber fagt, baS fei bei tytn ju £aufe 3?raud); menn es
aber in ^xan anbers fei, motte er bie SBedjer jurüdgeben. Sem Sd>af)
Sara gefällt baS fo, bajj er bem ©efanbten einen prftajtigen 33e4)er über=
reiben läpt, ganj gefüllt mit ben föftlidjften Juwelen. 3n biefem 5Iugen=
blirf fommen bie Männer fjerbei, bie früher als ©efanbte in 3tum geroefen.
Sie erfennen 3*fenber alsbalb unb fagen es leife bem Äönig. 3*fenber
f)at baS aber gleich gemertt, tritt an bie Ceffnung beS flönigSjelteS, fdjroingt
ftdj mit feinen Gittern 311 Sterbe unb gelangt unter bem Sd)u£e ber ein=
bred)enben Sämmerung mitten burd) baS pcrfifdje 2ager glüdlid) $u ben
Seinen. 2:riumpf)irenb jeigt er ben ü)m bon Sara gefa^entten SBeajer.
SaraS iruppen finb lange nid)t fo ^ar)lreicr> unb gefäfjrlidj, afS man gefagt.
Ssfenber fünbigt fd)on für ben borgen eine ©d)lacf)t an.
Gs folgt eine fur^e, mie gemöfytlid) etmaS orientaltfc^ übertriebene
Sd)lad)tbcfd)reibung. Sieben läge mirb gefämpft, am adjten wirb Sara
über ben (?upf)rat jurürfgebrängt , unb ein großer Xfjeil beS $eereS finbet
feinen lob in beffen Beden, ungefähr WonatSfrift &at Sara ein
neues £>cer beifammen ; allein SSfenber folgt ifmt auf bem ftufe "no f<^lögt
ifm in einer feiten Sd)lad)t, bie nidjt einge&enber gefdjilbert mirb. Sarauf
jiefjt fid) Sara über Sfd)ef)rem, bie Stätte ber Sdm&fammer, nad) ^fta!^r
(<JkrfepoliS) jurüd unb ruft nod> einmal in ergreifenben Söorten fein $olt
jum SÖiberftaub gegen ben eingebrungenen Qfrembling jufammen. Sein
faimerjboUer SRuf finbet taufenbfadjen 2Biberf)all. SaS ganje Sol! rafft
fid) auf, unb baS unjäfjlbare £eer SsfenberS ftefjt einem ebenfo gewaltigen
perfifajen gegenüber. Mein baS Ölüd ifk Sara nidjt geneigt. %wb in
biefer brüten Sdjladjt mirb er gefd)lagen unb mufc nad) Äerman fliegen,
mo fid) bie Irümmer feines £>eereS, etma nod) ein Srittel ber frühem
Xruppenmadjt , um ifm fammeln. Seine fiage ift jefct hoffnungslos ge*
morben. (Sr bittet um ^rieben, unb Ssfenber nimmt benfelben an mit bem
»eripred)en, it)n jeitiebenS über ^ran ^errfa^en ju laffen. 3m legten 9tugen=
blid aber bringt es Sara niajt über ftd) , mie ein Uebermunbener öor
^sfenber ju erfdjeinen; er ruft ben tfönig Qfür (^ßoroS) bon Snbien ju
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2)ie SUcranbcrfage im 6djä()näme. 503
$ilfe unb will nodj einmal ben tfampf erneuern. Sod) fobalb 3*fenber
baoon f)ört, jief)t er alSbalb mit feinem Jpeerc bon ^fta!r)r gerbet unb ber=
nietet bie bereits entmutigten Werfer, cfje fie $iife finben fönnen. Sara
fliegt mit breifjunbert Leitern. 3roei bon üjnen, ber OTobeb ^afiar unb
ber Sd)afcmeifter Sfdjanufipar , brängen ftdj näljer an ben ßönig f)eran,
unb ber teuere erbotet ifjn im Tuntel ber einbredjenben 9tod)t. Sann
eilen fic ju 3*fenber, bon bem fie für üjre berrätfjertfc&e SBluttljat reiben
2of)n hoffen. Sod) ber ftegreic^e Äönig empfängt fie fatt unb forbert fie
auf, ujn ju bem gefallenen Sdjaf) JU führen.
(53 folgt nun eine überaus fd)öne, bramatifdj ergreifenbe Scene. Sara
ift noa) am 2eben, toenn aud) bom JBIutoerluft ganj erfd)öpft. 33lt£fdmefl
fteigt 3ö!enber bom ^ferbe unb legt baS £aupt be* Sdjtoeroernmnbeten
auf feinen Sdjofj, löft iljm #amifd) unb £elm, füllt ba§ ©tut unb tröftet
ifm mit innigfler £l)eilnafyne unter Ijeifjen greinen. £ier ift ftirbüfi
roieber in feinem Clement. Gr entfaltet mit einfachen Mitteln biefefbc
pat$etifd)e Äraft mie beim lobe SsfenbiarS. Sie Situation ift äfjnlid),
aber nod) jartcr unb f)inreifjenber burdjgefüljrt. Sara banlt in innigen
2ßorten ; aber er fitylt ben $ob in feinen ©liebern unb lefjnt bie xfyn raieber
jugefagte Rrone ab. 6r maf)nt ben ritterlidjen Sieger, fidj nid)t 51t über=
j}eben. (Sr weift ifm auf feine eigene einftige ©röpe Inn, unb roie er nun
aller Sdjäfce beraubt, um Iljron unb Dteidj gebraut, bon Sßerrätfjern f4}nbbe
f)ingefd)laditet, oon allen berlaffen fei — meld) ein SMlb ber Sßergänglidtfeit !
„«Keine Hoffnung", fo fd)lie$t er, „ruljt nur auf ©ott, ber für aüe feine
©efdjöpfe forgt."
3*tenber ift fo ergriffen, bafc ber Sterbcnbe felbft ifm tröften unb be=
ruhigen mufl, um ifjm feine legten ©ünfd>e unb SBillcnSbeftimmungen auf=
tragen ju fönnen. 6r forbert ifjn auf, ben &erm, ben Söeltenfcfcöpfer, ju
fürchten, ber Gimmel unb @rbe unb bie 3«* gemad)t Ijat, ber ba8 Starte
unb baä Sd)toad)e gef Raffen. Sann übergibt er in Säfenberö Cbljut feine
ganje Samilie unb bittet it)n, feine lodfter 9tufd)enef (9Jo£ane) jur 3?rau 511
nehmen. 5tuf fie fefct er bie Hoffnung feine* Stammes : fie wirb iljm einen
Sofm fefanfen, in bem SsfenbiarS ftame, 3f^ufd)tS ©laube unb ber 9tul)tn
ber Äajaniben neu aufleben mirb.
Sstenber fd)lägt in bie ifjm bargebotene 9tccr)te unb gelobt bem ftcrben=
ben Äönig feierlich, feine legten 23ünfd)e ju erfüllen. Unb Sara $iel)t
3stenberö £anb an feine Sippen unb fpridjt: ,,©ott fei beine 3uflucr|t !
3<f) überlaffe bir ben $f>ron unb !et>rc jurüd 511m Staube; id) übergebe
meine Seele ©ott, bem Mfjeiligen."
hierauf ftirbt Sara, unb 3sfenber et)rt feine 2eia> mit tönigliajcr
^rad)t. Sie beiben Wörber werben an Räumen aufgetnüpft, ben ftopf
nad) unten, unb oon ben Kriegern elenbiglicfc mit Steinen tobtgemorfen.
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Sütertea »u<$. Sterte« Äapitel.
Sicfe geredete Strafe geroinnt ^efenber Die £>erjen ber Lanier, unb alle
unterroerfen fich freubig feinem Scepter.
XX. ^mtenber, ber Drumi, b. f). MIeranber ber ©roße, tritt nun
alm boflgütiger Werfer in bie Steide ber Könige Don 3ran ein, unb bie ©age
bemächtigt fich feiner weitem ßroberungmjüge nur, um it)n ju einem Sagen*
helben umjugeftalten, ber böllig ben altern Königen unb gelben gleicht, nur
bap feine ^\ii(S)t ber 23Iutrad)c mehr auf itrni laftet, feine flriegSjüge nicht
mehr 2uran gelten, fonbern bie ganje befannte Welt umfaffen. Sie er*
fchütternbe Sragit be* alten Staffenfampfem fällt Deshalb hier roeg, unb fetbft
bam friegerifche Clement überhaupt weicht jurücf gegen eine Äette p^antafhft^er
Abenteuer, in melden ba* 2öunberbare unb Seltfame immer mehr bas rein
Üflenfchliche unb Natürliche öerbrängt. Huch r)ier bewährt inbem ber dichter
feine unerfchöpflich reiche SarfteÜungmgabc. Sie frembartige ffielt, in bie
er uns führt, icheint fich ganj natürlich an bam $ora umgegangene anju=
gliebern, unb in bieten 3ügcn Hingen ältere Erinnerungen ber Dichtung
mieber, fei es, bafe bie SSolfsfagc fich bam allem fchon fo zurechtgelegt ober
ber Sichter fetbft erft bie griednfehen uub talmubifchen Ueberlieferungen ber
altern perfifchen Sage angepaßt hat.
93or aaein erfüllt ^«fenber aufm treuefte, was er bem fterbenben Sara
gelobt, ftachbem er Sara* Öattin Silarai gleich nach feinem Xobe liebe*
Doli getröftet unb in feinen Sdwfr genommen, begehrt er üon ihr in einem
neuen Briefe bie £anb ihrer iochter 9iuf djene! ; er fchreibt auch an Äufchenet
felbft unb fenbet ihr mit bem Jöotcn zugleich bie toftbarften SJrautgefchenfe.
Sie iörautmerbung roirb fel>r banfbar aufgenommen, unb Smfenber läßt nun
feine eigene Butter Wafnb bon flmmurieh foinmen, um für bie flumfteuer
ber SBraut unb bas Sörautfeft felbft ju forgen. 3n aüer Serfchmenbung
orientalifcher bracht sieht 9tufchenet in ^ft^atr>r ein, unb ^mfenber nimmt
fic auf roie eine feiner raürbige Königin.
Stach ber £>och$eit aber beginnt alsbalb ber bunte Steigen ber feit*
famen Abenteuer, mit welchen ber Crient bie Äriegsjüge bem macebonifchen
Eroberers umgeben h«t. 9tur fieben läge gönnt er feiner fleubcrmählten
9cufchenef; bann ruftet er fich 3ur ftafytt gen ^nbien, bon wo Sara in
feinem Unglücf alljufpät £ilre erhofft hatte. Ser erftc, auf ben er hier
flößt, ift tfeib, ber Äönig bon ftanubich. Siefer roirb inbe* rechtzeitig
burd) $er)n feltfamc Sraumgefichte gewarnt, welche ihm ber weife 9Jtihran
beutet. Sam merfroürbigfte biefer Wefichte ift bam bierte:
„darauf ^aft bu ein Üucfi gefetjen , baä öicr Männer reinen ©etfted ergriffen
hatten; baö feine Jud) jerrijj nid)t unter itjrer ?lnftrenguug , uub bie 9)länner et*
mübeten nicht, weiter ju 3ief»en. Söiffe. biefe« lud» ift bie Religion, unb bie »ier
9Jlänner »ollen feine Jpüter fein. 2>ie erfte (biefer Religionen) ift jene ber $ihqän3,
ber Feueranbeter, roeldje nur idjnmgenb ben »arfom (ben heiligen 3tt>eig) in bie
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$te SUeranberfage im Sdjäljnäme.
505
$anb nehmen; bie jioeite tfi ber ©taube be« Wo\ti, welken man ben jübifdjen nennt
unb welket gebietet, nur ©Ott allein ju preifen; bie britte ift ber reine ©laube ber
$uni$ (3onier»©ried)en) , loeldjer bie @ered)tigleit in ba$ $era ber Könige öerje&t;
bie inerte ift ber tjeilige ©laube ber Straber, melier baä £aufct oerftänbiger 9Jlenfd)en
Dom Staube ergebt, ©ie fämpfen, bie einen gegen bie anbern, unb werben ber Sieligion
batber einanber feinb fein; aber fpäter »irb ein ruhmreicher flftann au* ber SSüfle
ber lanjenbejoetjrten JRitter lommen, ein ^eiliger unb gutgearteter 9Jlann, weldjer ben
$ienft ©otte« na$ atten oier Seiten Derbreiten wirb."
3n ben weitern Serlauf ber SJiajtung fptelt übrigens n>eber biefer
2raum nod) bie meifien anbern fnnein, fonbern nur ber 9tatb, bes weifen
3HÜjran : es fei jejjt bie @pod)e 3sfenbers angebrochen ; er fei ein grofjer,
unbefieglidjer ^ann. Äeib folle ifjn beslmlb ntd)t befämpfen, fonbern ifm
bie oier SBunberbinge feljen laffen, bie er befifce : feine 2bd)ter, feinen Sßeifen,
feinen Strjt unb feinen 3auöerl*d)er. 35enn ^Sfenber fei ein wißbegieriger
9)tann unb werbe bann rufjig feines SGBegeS jiefyen. $eib folgt biefem
guten 9tatb,. 3*fenber fenbet nun weife Männer nad) Äanubfd), unb biefe
Ijolen iljm bie Dier SBeltwunber r)erbci. $)ie iodjter Äe'ibs ift fo fdjön,
baft S^fenber fte fid) antraut ; ben 28etfen unb ben 9lrjt prüft er mit allerlei
fragen, unb ber 3öu&er^c^cr/ flu* bem ?r mit feinen (großen trinft, wirb
Wirflid) nid)t leer burd) eine magnetifdje ßraft, bie ftets neues SBaffer an
fid) jiefjt. ^eSljalb beläftt ^sfenber ben töeib in feiner föniglid)en SÖürbe
unb jiefjt in §reunbf(^aft au feinem £anbe borüber.
91nbers gef)t es bem &önig t$i\x (bem ^Joros ber gried)ifdjen ©efdijidjts
fd)reiber), ben $ara ju £>ilfe gerufen, tiefer trojjt bem Eroberer füfm, ba
berfelbe feine Unterwerfung fjeifd)t, unb fteflt ifjm ein gewaltiges £>eer ent=
gegen, befonbers furd)tbar burd) bie bieten gut abgeridjteten $riegselcfanten.
3s!enber befommt aud) <Sd)wierigfeit mit feinen eigenen Seuten, bie aufs
äufterfte erfdjöpft finb unb fid) weigern, burd) pfablofe Sinöben unb $e=
birge weiter bem fidjern Jßerberben entgegenzugehen. 5)od) Ssfcnber läfct
fid) baburd) nic^t üon feinem SSorfajj abbringen. (Sr erflärt ben fampfs
inüben 3tumis, fie follten nur nad) £)Qufe gefjen; er werbe ben 3ug mit
ben ^raniern allein fortfejjen. Um ftd» aber ber Glefantengefafjr 511 er=
wehren, lä$t ber Äönig alle Sa^miebe unb Sdjloffer aus töum, ÜERisr unb
#ars jufammenfommen , breitaufenb an ber 3°^- $fef* fdjmieben über
taufenb ^ßfcrbe= unb Üieiterfiguren aus ßifen, bie fid) auf Stöbern bewegen
unb Don innen mittelft 9tapf)tl)a bis jur (&lüf)f)itie Ijeijen laffen. <5o jieljt
Sstenber bem Äönig üon ^nbien entgegen, breißigtaufenb ÜKann im 3?orber=
treffen, bierjigtaufenb 9tumis in ber ^Dtitte unb bierjigtaufenb ?eute aus
5)MSr in ber 9Jad)tjut. 5öeim 3ufamntenfioB ber Speere läßt er bie eifernen
ft ricgSmafdjinen öorrüden unb bas Wapljtlja anjünben. Xie Äriegselefanten
Derfengen fid) bie 9rüffel an ben glüljenben Gittern unb ^ferben, werben
wütb^nb unb bringen bas ^)eer ber ^nber in äuperfte Verwirrung. Ssfenber
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506
»terteä Sud), SBierteä Äapitel.
fällt über bie wanfenbe unb $erriffene Stnic t)«r , fdjlägt felbft bem &Önig
ba* £mupt ab unb erringt ben glän^enbften Sieg.
9iad>bem er Sarourg }um tribittpflidjtigcn $önig an Stelle ftürä ehu
gefegt , locnbet fid) ber Gröberer roieber weftwärte, um 33eit=el4>öram , bie
2Öofmung $*mael$, b. I). bie Äa'ba, 511 befugen, lieber ftabefta %ief>t er
nad) Xföeljrcm uttb unterwirft fid) alle» ba$mifd)en liegenbe 2anb. .frier
be')u6)t U)n 9ta3r, ber Sofjn be§ $atib, ber £errfd)cr bon SRetfa, unb flagt
il)m, baf; er bon bem Stamme be» $f)oja fyaxt bebrängt werbe, ^ötenber
nimmt fid) feiner an, erobert £>ebfd)ü} unb fernen unb pilgert bann ju
§ufj ju bem „^eiligen Jpaufe", Don ben iubelnben Söbnen Ssmaete umringt.
$011 Xfdjibba auö fäljrt ^etenber mit einer flotte über baS SRotlje
Weer naa) W\*x (Ijier Megnpten). ftettyun, ber ißönig, empfängt if)n frieblid)
mit feinem ganzen &cer, unb i^sfenber fyült ein Satyr lang bei ifjm 9taft.
Ueber ba§ angrcnjenbe Sanb 5lnbalu3 1 fjerrfdjt eine Königin WamenS
Äeibafel)2, in ber fid) 3u9f ber Königin bon Saba mit folgen ber
Semiramte bereinen, ^»fenber Verlangt Don ih,r Iribut, unb ba fie ben*
felben Derroeigert , rüdt er mit feinem £>eere auf u)r SReiö) loä. 3n einer
(§rcn$ftabt fällt iftr eben ncubermäl)Iter Sofjn tfeiberufd) mit feiner ©attin
in feine £>änbe. £a* benufct er, um mieber einmal einen ^ncognitofireid) $u
mad)eu. @r läfit feinen ^ejier SMtljefun als AUnig fleiben unb burd) itjn
ba£ junge prin$lid)e vJ*aar jum lobe oerurtfjeilen ; er felbft aber, alö 3kjier
gefleibet, legt Fürbitte für bie jungen Seutdjen ein unb rettet fie bom iobe.
So gewinnt er Vertrauen unb £iebe beö Ät eiber nid)3, ber ifjn auf feine
2?itte alä (Sefanbten osfenber* burd) bie gewaltigen ^dbloger unb fteftungen
bi» ju feiner Wuttcr fnbrt. 2£ie etnft Dor £ara, fpielt er feine Öefanbtetu
rolle ganj üortrcfflidj ; allein bie fluge .siönigin fyit fid) wäbrenb feine* 9luf=
entljalteö in 5Dii»r ein Porträt Don il)m Derfdwfft unb erfennt ibn beSfjalb
auf ben erften 3Mitf. Sie läßt il)n aber ruljig feine .^omöbie weiter fpiclen;
1 W\t „Slnbalud" ift f)icr \vot\l bai fpanütfje Slnbalufien gemeint; benn ber
Sage narfj fottte ftfjon IJJabudjobonofor unb nad> if)m 9Ueranbcr nad) Spanien gejogen
fein. Sodj fd)eint ber 2id)ter Spanien unmittelbar neben 9legnptcn an ber notb*
afritantfdjen Aftfte ju fudjeu.
9 So transferibiren 9Jlof)l unb ©örrcä ben tarnen. Sie Schreibung rütjrt
toahjfdjcinlidj auä falfdjer ^ßunftirung unb bafjer üßeridjieibung beö Ramend „ßanbäte"
f)er. »ei ^feubo=ftaUift^eneä fjcifjt bao Canb nich,t ,,91nbalud', fonbern „ftufc^*
(9letf)iopicn), bie Äönigin „Äanbäfe".
' Sei ©örrea f>ei%t biefer Sot)n ber Hönigin „Äcnbvuä", ber anbtre „Sinu*",
ber Jüejier JUefanbevs nia)t „SBitljefun". jonbeni „9litfun". 2)iefe Gonfufion in bet
Scfircibung ber Warnen rührt bab,er, baß in ben perfxfdjen Jpanbi'djriften feb,v oft alle
SBocale (aufecr ben langen) unb bie biafritifdjen fünfte fehlen, bie toefentüd) nött)ig
finb, um oiele ber toidjtigfien Gonfonanten ju unterfdjeiben. — Cb „Aeiberufdj*
auf „Äanbarufh/ (9l(ed*)(anbuuid, „Ifjeinufdj" öielleidjt auf „9Hnu&" jurücfgcfübrt
werben tonnte, mögen bie Spradjfunbigeu entfdjeiben.
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Sie Stleyanberfage im €$äf)näme.
507
erfi als er jiemlicf) barfd) tfjre Unterwerfung oerlangt, cntlaröt fie ifm, unb
ba er nun, waffenlos*, rote er ift, gewaltig bramarbaftrt, lieft fie ifmt ganj
freunbfdjaftlidj ben Jejt, tabelt feine 8elbfiüberr)ebung, empfiehlt irjrn größere
2öeiSt;eit, Älugfjeit unb $efd)eibenl)eit unb warnt il)n inSbefonbere öor ir)rem
Soljne Hjeinufdb, öor bem jebod) bas ^ncognito bes Königs bewahrt bleibt.
^Sfenber fd)lie$t barauf mit ber Königin ein für beibe etyrenoolIeS unb
aünfrigeS Söünbnifi unb nimmt jEljeinufd), ber ü)n noeb immer für ben ÜBe^ier
tyilt, mit in baS perfifdje 2ager, mo ber ^rinj ^Sfenber felbft gu tobten be=
abfia)tigt. (Srft inmitten feiner Örofjen gibt ber #önig fidj il)m ju ertenneu
unb entläßt tr)n nad) Ijeilfamer 6rnüd)terung. 9lua) foldje Heinere Abenteuer
toeifs ^irbüfi feljr artig unb anmutfug aufyupujjen , fo bafj fie fpannenb
roirfen. Die Demütigung bes ftoljen Eroberer» jeidmet er mit fidjtlidjem
Öeljagen unb mit gewohntem (Srnft, oljne bafj bas £ef>rr/afte baran fid) aufs
bringlia? bemertbar mad)t. Die 3age felbft aber fd>meift öon nun an nodj
regellofer unb jiellofer, in edjt orientalifdjer ^fjantafHf, bon einem (Snbe ber
2Belt gum anbern. Dem 9lbenblänber mirb ba etwas ju ütel jugemutJjet;
allein ben 3eitgenoffen ^irbüfiS mochte baS alles feincSmegS fo unglaublid)
erfdjeinen, ba 5Jtal»nub oon (Stfjajna in ÜÖirflidjteit balb baS jufammeiu
gefd)tnoIjene Mbalifenreid) am @upf)rat bebroljte, balb am ^nbu§ nad) SBeute
jagte, balb fiegreid) an ben Ufern beS DjruS unb 3>ü£artcS ftanb, balb
(vföttertempel am fernen ©angeS plünberte, ein magrer Ucberall unb WirgenbS,
unb immerbar Dom ßriegsgliirf begünftigt.
80 treffen mir benn aud) 3*tenber abermals in ^ubien mieber, mo
er bieSmal bie iöraljmanen fricblict) um iljre SßkiSljeit befragt, unb ba er
iljnen alle feine ©djäjje unb ©naben jur Verfügung fteflt, bie Diel be=
beutenbe Antwort erhält: „^djliefse uns bod) baS Iljor bes ©retfenalters
unb beS !XobeS!"
Sßon Snbien werben mir an baS SBeftmcer Derfefct, mo ^Sfenber unb
feine üiapfem mit £>ee= unb Sanbungeljeuem aller 5lrt ju fdmffen betommen,
nad) bem Sanbe Jpabefd), mo Millionen nadter Ucegcr, fof)lrabenfd)war$ unb
fraftoofl gebaut, iljnen entgegenftürmen unb nur ber rjöljern 2Baffentüd)tigs
feit unb $ür)nfjeit ber Werfer erliegen, nadj einem SBunberlanbe , mo bie
baumlangen (Stnroofmer breljbare Süße fyaben unb 3»fenber felbft einen furd)t=
baren Dramen erlegt, in bie Wmajonenftabt f)erum, beren ftreitbare 53e=
toor)nerinnen üm bom Kampfe abmahnen, bamit es nid)t r)et^e r Stoiber
fei oon SBeibem übermunben morben, bie u)m aber freunblidj ir)re %fyoxe
öffnen, als er, mcber oon einem r)erbeigejauberten <5djneefturm nod) öon
einem glüf>enben fteuerminb abgefdjredt, nur als wißbegieriger ©aft bie felt=
fame Stabt befugt.
^mrner bidjter Raufen fta^ bie abenteuerlia^ften pöbeln, tljeilS grieebifdjen
Sagenbüa^ern tt)eiX» ben (5rjäl)lungen bes 2almub entnommen unb mit ben
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508
SBierte« SBud). SBierte« ftapiiet.
9lnfpielungen beä ßorän gemifcbt: bas Seltfamfte weiß ber Siebter mit
neuem poetiferjem 3auocr $u umfletben, imb burch äße* flingt ber ernffe,
feierliche ©ebanfe, baß auch bie größte trbifebe Wacht i^re ©renje hat unb
bem allgemeinen (ftefejje ber 5$ergänglichteit unterliegt, baß nur ®ott au3
ftch grofe unb unjterblich ift, baß nur wahre 2Bei*b«t, nicht äußere Wacht
ben Wenfchen ihm näher bringt unb llnfterblichfeit Derleiht. Solches unb
ähnliche^ Dernimmt ber 58elterobercr , ber 3">eigehörnte C^h" 'Ifarnain) ber
arabifdjen Sage, an ber öebensquetle ^hibhr (@h»Kt), i" welcher bie Sonne
untergeht, bann Don ben Üßögeln, beren Sprache ihm erfchloffen wirb, unb
ernfter unb brohenber Don bem ßngel ^S^rafil 1, ber ihm auf ber Spi£e eines
SBerges erscheint. „SflaDe beiner Seibenfehaften!" ruft er ihm ju, „gib bir
nicht fo biet Wülje; benn eine* Üages mirb ein mächtiger Schrei an bein
Ohr gellen ! ^ßlage bich nicht fo Diel um Ihron unb Scbajj ! Stüfte bich jur
9lbreife unb quäle bich nicr^t weiter."
$odj Ssfcnber fennt feine tHur>e. Irauernb fteigt er Dom $erge
herab, um weiter bie SBelt ^u burchfehmeifen. ®egen bie milben Hölter,
bie ^abfehubfeh unb Wabfdjubfdj ($og unb Wagog), bie im Horben fein
Steich bebräuen, errichtet er unbejwtngbare eiferne Wauern ; bann befucht er
ben ^alaft, ber aus einem einigen iopas befteht unb in bem ein lobter
wolmt, Dernimmt bie feltfame ftunbe eines rebenben SBaumes, fdjleicbt fieb
Derfleibet noch einmal an bem jpofe Don 2fchin ein, wo er aber etwas uns
fanft entlarot mirb, fämpft abermals in Snbien unb fernen unb führt feine
Struppen enblich gen Söäbil Oöabplon), um ba 51t fterben.
9lls er ftch bem 'Xobe nahe fühlt, ermacht noch einmal bie Wnhänglich-
feit an bas heimatliche 9tum; er DerfäHt auf ben graufamen ©ebanfen,
alle Wbfommlinge beS Kaufes ber ftajaniben ]u einem ftefte 511 Derfammeln
unb fie hinfchlachten 511 (äffen , bamit niemanb übrig bliebe, ber je mieber
ftrieg gegen 9fum führen fönnte. (5r befdjließt inbeS, Dor ber Ausführung
noch ben 9tath bes meifen Wriftatalis einjuljolen. 3n einein fehr fehönen
Briefe räth i^m ber große ^ßr)i(ofopl) Don biefem orientalifchen fterrfeber*
ftreich ab, empfiehlt th»n bagegen, alle ©roßen unb Heerführer bes Meiches
fommen ju laffen unb fein 9teich fo unter fie $u Dertheilen, baß bie Starte
bes einen biejenige beS anbern im OMeicbgemicht ^alte. So raerbe bie Wacht
ber ftajamben jum Schilbe für 9tum merben. 3n biefem Sinne macht
Ssfenber bann fein 2eftament unb ftirbt. Wan will ihn in bem SBalbe
Don Ähurm begraben, aber eine munberbare Stimme ertlärt: „$er ^lati
SsfenberS ift 311 ^sfenberielj (Süeranbria)." So wirb bie £eidje benn nach
Ssfenberieh gebrad)t unb bort beftattet. lieber fmn°erttaufenb Wenfchen
1 ftame brö CFrjengelS, ber am jüngften -lag bie ©eridjtäpofaune blafen fcü.
3m ftorän felbft fommt ber 9tamc nierjt oor. Sügl. 2öaf)f, Äorän 6. 274.
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1
$ie ©agengef<fnd)te ber ©affaniben im ©djäfmäme.
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trauern ba um ifm, aud) ber greife ^(rtfiatalis unb bie SCÖeifen oon 9fum,
ebenfo 9ialnb, feine SHutter, unb feine ®emal)lin SRufdjenef. 3ln ba3
illagelieb ber Ürauernben fnüpft ber 3Mdj>ter feine eigenen elegtfd>en Söorte.
9lud) er füf)It fid) alt unb tief enttrtufdjt über bie Hoffnungen unb @r=
Wartungen beS irbifdjen SebenS. Sa*)mer$üd) ergebt er feine SUage jum
Gimmel, ber ifm aber an ©ott berroeift:
„ftrag ifjn um ben 3öeg, ber Sag unb 9iad)t,
Xex mtd) unb Sonne unb 9Jtonb gemalt,
Xtn einigen, allen offenbor.
$er immer fein nrirb unb immer mar,
£er alle« ©efdfeaffene rief fieröor,
Unb roer ti läugnet, ber ift ein 2f)or.
3$ bin fein fineebj nur, itjm unterteil,
Unb roanble bie mir gejeidjnete 39a fjn.
3u ©ott biet) menbe, er ift bein £>ort,
3fm flefje um §ilfc mit frommem äßort.
$er Gimmel fennt feinen anbern fcerrn,
Webt ©onne, nid)t !Wonb, ntdrt Snorgenftern."
3cf)on bie naibe 2öeife, in roeldjer ftirbüfi ben geroaltigften Eroberer unb
ben größten Genfer beä flaffifdjen Wltertfmm* in feiner $id)tung befjanbelt,
roeift auf ben ungefjeuern Wbftanb f)in, ber bie geifttge ©Übung ber ©rieben
üon jener ber Werfer trennt. £ie örjä^tung ift inbeä ntd)t nur in tljren
einjelnen Sailen poetifd) ausgeführt unb abgerunbet, fonbern aud) mit
berounbernSroerttjer #unft in ben flialjmcn bes großem (Spog ffineingerooben,
fo bafj ber ^elbenruljm bei 3§fcnbiar fdjon bie Anfänge feinet Örojsenlete
3*fenber umglänjt, ber Söeltruf ^Uejanber» ergaben unb jugleia) tief elcgifd)
auf bie gefamte alte £elbenfage bon 3ran $urüdftrat)lt. *D(ef>rere perfifdje
$id)ter, befonberS 9ft$ämi, traben fpäter bie Slleranberfagc au§ biefem grofc
artigen Sagenfranje tjerauögeriffen unb für fid) nod) feiner ausgcftaüct;
allein bie einfädle eptfaje ©röjjc bea ^irbüfi t)at feiner bon iljnen erreicht.
5 ü n f t c d Kapitel.
Tic £aöettg<fdjtd)fe ber §affau\bm im £i$ä0ttamc.
slim mentgften $ead)tung fjat bon ben brei Jpaupttfyeiten bes Sdjäfmäme
bi» je£t ber britte gefunben, roelaVr bie <Sagengefdjid)tc ^JerftenS bom 2obe
Wlejanber* be§ ©roflen bis jum Untergange beä perfifdjen 3*eidje* unter
^cjbegerb III. mciterfütjrt unb fomit in feinen fed^efjntaufenb Xoppeloerfen
(faft jroeimal beut Umfang ber 3liaä entfpredjenb) nod) einen 3^^a"m üon
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510
Jöierteö Shidj. fünfte* Ka^itcL
865 lohten umfpannt. ©eber Scbad noch Mdext finb in ihren liebet:
fefcungen fo weit gebieten. %ucb bie WuSjüge bon ©örre* fchrumpfen Ijier
immer mehr Rammen, unb man wirb faft notljroenbig $u ber Sßorftellung
gebrängt, bie unabfehbare Waffe be« Stoffe« ^abe enblich ben alternben
Siebter Döllig erbrüdt, ber ®eift ber poefie fei bon ihm gewichen unb ber
ftiefenftrom feiner Sichtung laufe traurig im Sanbe au§, wie ber ftol&e fttym
in ben Sünen bei flatwijf. Euch ein oberflächlicher ©lief in baS Öebicht
ift geeignet, biefe 93orftellung $u befiärfen. 2ln bie Sifte ber jwanjig Sagen-,
fönige Don ßaiumor* bi§ auf ^Sfenber reiben ftcb f)ier noch breiig anbere
Könige, bon welchen aber ben meiften nur ein ganj furjer flbfehnitt gewibmet
ift, mit ähnlicher, faft ftereottoper «ehanblung, als wäre es ftirbüft nur
barum ju thun gemefen, bie gegebene ßönigälifte mit einigen hergebrachten
ßobfprücben fchematifd) auSjufüüen. 5Rur fieben biefer #errfcber wirb ein
anfelmlicberer 3iaum gegönnt ; aber ba ftef>t ber fritifebe unb realiftifaV .
Wbenblänber be* 19. 3af)rl)imbert* bor einer Grfcheinung, bie ihm na^eju
ungenießbar unb abgefdmiadt oorfommen mufe: bie perftfebe SSolfSbicbtung
hat nämlich biefe fieben ftönige, bie fich mittelft ^nfchriften, Mnjen unb
©efchicht§urfunben actenmäßig berfolgen laffen, $um Öegeuftanb beS naibften
Spiele« gemacht unb ju botlftänbigen Sagenfönigen umgeftaltet, wie bie
noch uncibilifirten ©ermanen bie Äönige Dietrich unb ftother, 2ear unb
Macbeth unb bie altnorbifchen Potentaten, bie Sajo ©rammaticuS in feiner
ßhronif uerfammelt h«t. 2öer inbeä noch 93olf3geift unb SSolfäfage ju fcbäfcen
weife, ber wirb ficher nicht ohne Vergnügen bem perftfehen Horner auch hier
laufchen, wie er, im 9lnfchlufc an bie pehlebi=33ücber be« treuherzigen Sibqän,
uns gemüthlich meiter fabulirt, wa4 feit 3§fenber£ £ob ftch in Sßerften ^
getragen, bi§ enblich ber Araber fam unb mit bem fchneibigen Schwerte bes
Propheten ben $aben ber alten perftfehen Ueberlieferung für immer abfehmtt l.
girbnfi berftebt e§ aber nicht nur als gemütlicher ßrjähler, bie 5&ben
ber Sage behaglich meiter^ufpinnen unb miteinanber ju bertnüpfen, er ^at
1 $ie SUtfgeftaltung ber Sage unb Dichtung mit ber njirHidjen ©eföicbte ju
Dergleichen, mürbe au mett führen. Steidje« 9Jtaterial bietet % tj. 91 ö I b e t e , ©efcbidjte
ber Werfet unb Araber 3ur 3«t ber Safaniben. 9lu« ber arabifdjen Ghronif be* SEabari
überfefet ic. ßetjben, 6. 3- SBritt, 1879. 6tne Duelle, au* ber (Jirbüfi unmittelbar
gefäjbpft $u baben fdjeint, bat 9t ö 1 b e f e aufgefunben : ©efdjidjte be« Jlrtadjän: i $ä<
pafän, au* bem ^cfjletoi überfe^t. ©öttingen 1879. 3)te Schrift ift mdjt nrirfliebe
©efebichte, fonbern ein fnfiorifcher ffloman, ber in manchem Don ben arabifchen
^Bearbeitungen ber Saffanibengeffl)iö)te abmetd&t unb fpätere tteberlieferungen f)üt}u«
gefd)molaen hat. SJic Orabet felbft, bie ben eigentlichen Äern ber Srjählung bilbet,
ftimmt in fo Dielen Stüden mit bem überein, maS ßtefioö über ftprofi berichtet, bafe
^ier eine national«perfifd)e Sage Don bem ©rünber bed altperfifdjen 9teiched auf ben*
jenigen beS neuterrifchen übertragen ju fein fdjetnt. 91 lfr. t>. ©utfthmib, Äleine
Stiften III (Ceipjiß 1892), 183. 134.
I
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$ie Sagengefdjiihte ber ©affambcn im ©ernenne.
511
auch tief in baS 9Henfchenher$ geblitft unb weife, bei aller Einfachheit ber
ftorm unb beS poetifdjen SdmtudeS, boeb bie berfd)iebenften G^arafterc,
£>anblungen, Stimmungen in reijenbfler 9)tannigfalttgfeit ju entmitfeln unb
lebensooU ju berbinben unb bie £yülle ber Einzelheiten, um einen £aupt=
gelben gruppirt, 311m großen 9)taffenbilbe ju geftalten, ba$ halb burch bie
Stammesüberlieferung ber Könige, balb burch ben immer wieber auftaudjenben
ftampf jmifchen $ran unb Suran ober jenen jwifchen $ran unb 9t um,
balb burch ganj concretc ^Beziehungen , balb burch ben unberföhnlidjen
ftampf jmi[a)en Crmujb unb ^l^riman in ben ÄreiS ber altern $>elbenfage
gerürft wirb unb mit ihr jum mirf liehen ipelbengebicbt im großen Stile
öerfc^miljt. SEÖir müffen uns begnügen, turj bie £>ouptf)elben ju dt>arnfteri=
fiten , um welche ftd^ bie Jpanblung lagert wie ein gewaltiges Öebirge um
einige menige berfdueben gestaltete Spieen, bon benen baS ©anje feine
Eigenartigfeit erhält.
1. 9lrbefd)ir Söabefan.
$lls ^irbüfi fein 5lleyanber=2ieb oollenbet hätte, fügte es fidj, baß ber
Sultan 5Jlahmüb ben ebeln Einfall b,atte, feinem ÜBolfe bie Steuern für
ein 3at)r P erlaffen. SDafür preift ilm ber Siebter in einigen begeiftertcu
Herfen, bespricht fid) fd)on bie SÖieberfeljr ber 3citen beS guten ÄonigS
ÄeSra Dcufchirman unb fährt bann in feiner Erjählung fort.
2Bie ber weife 2)ihqäri bon S5fehabfch berietet, gehörte ber Elfenbeins
thron nach ^»fenber niemanb 311. dürften aus bem £aufe Slrefch, tapfere,
leichtlebige, unruhige Seute, riffen in allen Söinteln ber Erbe Stüde bon
^robinjen an fidj unb traten, was fie wollten. 9)ian nannte fie Stammes-
lönige — !DcuIüt=i=3lr)ctDäl"f. 3meifmnbert 3ab,re ging es fo.' ES gab
eigentlich feinen $önig. SDoch mar ütub,e auf Erben. So gefchab, es nad)
^sfenberS ^tan, baß 9tums ©lüd ja nicht in ©efaljr fäme.
fytrbüfi nennt neun biefer Äleinfürften. ÜBon bem erften: 9lfd)f, aus
ftei $obabS Stamm, f)ieB ir)re 35r>naftie bte ber 2t f emanier, 911S legten
nennt er 9lrbeman ben ©roßen. ^erfelbe befaß SchiraS unb ^sfahan; bie
£>ertfchaft über 3ftb,aff)r (^erfepolis) berlieh er SBabef, beffen 5?ogen ben
Schlangen SchmerjenSgefchtei entlodte. 9lber nicht bon biefer Seite follte
neues Sfytii für 3ran fommen, fonbern bon einem Sohne $araS (nad)
früherer Angabe : SöahmanS), ber nach ^nbien gebogen mar unb Safan ober
Saffan hieß. $er 9lame erbte fid) burch fünf (Generationen bom SJater
auf ben Sohn. Sie lebten, obwohl Äönigsföhne, als arme Birten unb
Kameltreiber, unb fo hatte ftcb, auch ber lefcte biefer Safan ober Saffaniben
bem Statthalter 53abe! als öirte berbingt. Es mar aber bie Stunbe geg-
lommen, wo baS anfeheinenb erftorbenc 9tciS wieber in boüem KönigSglanje
aufblühen follte. 93abef würbe baS im iraume gezeigt : er fah feinen Birten
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Eierte« 33ud). fünfte* Äapitei.
Safan hod> auf einem Elefanten, baS Schmert in ber £anb, unb alle Uhu
roefenben neigten ifjr ftaubt Dor ihm. Gr fäumte nicht, ihm feine lodjter
■>u Dermalen, £er Dicloerfpredjenbe ßnabe, ber aus biefer @he herging,
mürbe Don ben OTobebS Irbcfchir $abefan genannt unb jeidmete fid> halb
fo aus, bafj Wrbeman ber ©roße an feinen ftof berief. $as GHürf
bauerte aber nicht lange, ^fuf ber 3ag> befam Slrbefcbir Streit mit einem
ber foniglichen ^rinjen wegen eines SöalbefelS, ben beibe juerft getroffen
$u ^aben behaupteten. 9lrbefdnr erhielt natürlich Unrecht, mürbe bom #ofe
oermiefen unb Dom Spielgenoffen beS ^rinjen $um ^ferbeauffehcr begrabtrt.
Sein Örofjoater fdjidte ihm feboch jehntaufenb ©olbjttide, unb fo lebte er benn
bei 2öein unb ©cfang fröhlich in SauS unb SBrauS. ©ulnar, eine SieblingS*
fflaoin beS Königs, Derliebte fieb in ben bilbfdjönen Jüngling unb ließ fid)
in ein Ertliches Serhältnifc ju ihm ein. $urcb fte erfuhr er eines 2ageS,
bafe 5lrbeman fid> bon ben Wobebs fein £)eroffob hatte ftellen laffen unb
bafj biefe crflart hätten, einer feiner Liener mürbe ilmt näcbftenS entlaufen
unb ein mächtiger £err unb König ber 2öelt merben. Wuf biefe ßntberfung
r>in fliegen Slrbefchtr unb ©ulnar gleich in ber nächften 9lad)t, mit ftlcinobien
rooljl berfehen, auf ben beften ^ferben beS Königs, ber ihre fylu^t erft am
folgenbeu borgen merft uub ihnen nun alsbalb mit feinen Leitern nachl'efct.
iobmübe mollen bie Flüchtlinge an einem JBrunnen raften, aber fte merben
oon jmet jungen Seuten rechtzeitig gemarnt unb eilen mettcr, ein mtlber
33od hinter ihnen brein, ein für Mrbcman ungünfrigeS 3eidicn. 2öic ber
König abenbs cnblict) eine Stabt erreicht, finb bie jmei fdjon längft borüber,
unb bie meifen 2)iobebs ratzen ihm, in bie Stabt jurüdjurehren. Irbefchir
aber gelangt glüdlidt) an einen See, fc|t über unb fammelt in ber Mf)t
oon 3ftf)aff)r alsbalb alle Anhänger beS injmtfapen geworbenen 93abcf um
ftaj. MeS $u(btgt ihm mie einem König; auch lebaf, ber Kletnherrfcher
oon $f<bebrein, fchliefct fid) ihm an unb mirb, nadjbem er ftch feiner 3u=
berläffigfeit üerft^ert, jum Oberfelb^errn feiner Irupben ernannt. 3n fur$cm
Kriege fchlägt ^trbefc^ir erft JÖafmian, ben Solm 2lrbemanS, aufs $aubt,
bann biefen felbft unb heiratet auf Sebats 9tath beffen loajter. $ann
baut er bie Stabt Kbarreh^rbefdnr , grünbet barin einen geuertempel,
erneuert bie ftefte TOifjrigan unb Sebeh unb führt einen glän^enben ftelbjug
roiber bic Kurben. 2>ie romantifche frlucht unb Dtitterfahrt beS Wrbefchir,
burch melaje baS alte Königshaus in feinen Wadtfornmen, ben Saffaniben,
mieber auf ben ih™n gelangt, ift fehr lebhaft unb boetifd) crjählt. 6S
folgt nun, mie früher bei 3al unb «uftein, mieber ein Stüd 2öunber=
romantif unb Wär(henboefie , baS gan$ in bie alte Sagen jeit suritdoerfc^t.
^as ift bie ©efd)i(hte Dom 2Burmc beS .v>cftmnb (beS Cannes mit ben fieben
Söhnen). Sic fpielt ju Äubfiftaran am $erfifc&en Weerbufen unb ift eine
überaus anmuthige Spinnftubcngefchi(htc.
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3n Äubfdmran lebte ein SRann, ber mar jroar arm, aber fröljliajen
(Bemütr)^. 6r Ijatte feinen tarnen £>eftroab baoon, baß er fieben Söljne
befafc. 9ludj eine iodjtcr ()atte er. ein fef)r braoeS ÜJiäba^cn, aber er gab
nidjts auf fie. £ie Seoölferung bcr Stabt mar jaljlreid), bod) burdjmeg
arm unb für ifjren ÖebenSunterljalt auf ujre ^anbarbeit angeroiefen. 33e=
fonberS Diele arme *Dläbd)en mußten fid) mit Spinnen iljr Srob öerbienen.
^n ber ^Rär)c ber Stabt mar ein Serg. 2:af)in gingen fie jufammen, jebe
mit ber iljr jugemogenen Saumroolle unb mit einem Spinnrorfen aus ^appeU
fjolj. 9lm Stabttfjor Derfammelten fie fid) unb brauten iljr TOtageffen
mit, bie eine mie bie anbere, um feine $eit ju Derlieren ; am tttbenb teerten
fie ju ben ^fingen jurüd mit bem gefponnenen Öam.
ßines SageS, als bie SJtäbdjen fo bei iljrem Spinnrorfen ü)r befajetbeneS
3Dtal)l einnahmen, biß bie 2od)ter #eftroabs in einen ^tpfcf, ber Dom Saum
gefallen mar unb ben fie unterwegs aufgelefen Ijatte. 3n ber 5Ritte fanb
fiö) ein 2ßurm. Sie naf)m ilm IjerauS unb ftedte ifjn an iljren 9toden.
9ÜS bie TObdjen ir)r 9ftaf)l beenbigt Ratten unb mieber an bie Arbeit
gingen, fagte fie: „3m Warnen ©otteS, ber nidjt feineSgleidjen Ijat, mill id)
eud) feilte jeigen, roaS man fpinnen fann unter bem Stern beS 9(pfelrourmS. "
Stile labten aus Dollem Jpalfe unb jeigten babei if)re fdjönen meinen 3ö^ne.
9lber bie iod)ter jpeftroabS fpann an biefem läge boppelt fo Diel als fonft
unb notirte bie 9ted)nung auf bem Soben. ©leid) einer leisten Öuftgeftalt
r)ufcf)te fie uad) £)aus. Sie Butter mar ljod)entjütft über ben guten Erfolg
üjrer Arbeit unb fegnete fie järtlid). 9(m anbern lag nalmt baS ÜRäbd)en
boppelt fo nie! SaumrooHe mit als früher unb fpann alle mit Öeidjtigfeit ab.
So fängt bie ®efd)id)te an, ein föftliajeS 3Jtintaturbilb aus bem
perfifdjen SBolfSleben.
Sag für Sag fpinnt bie junge 3flUberin mefjr. Sie (Altern meinen,
fie müffe roof)I mit einer ^eri (ftee) in Sejieljung ftefjen. Sa erjäljlt fie
ifmen bie Sad)e unb jeigt ifmen ben 2öurm. Scr Sater mirb nun ganj
übermütig, gibt fein Jpanbroerf auf unb gönnt fidj) gute Sage. 9)?an füttert
ben 2Öurm, ber beftänbig roädjft. Sein &opf unb fein fltüden nehmen
fd)önc färben an- ber $unfel mirb es iljm ju enge, unb fo fetjt ilm
£)eftroab in eine fdjöne fdjroarje Süd)fe. £>eftroab mirb rcia^ unb angefeljen.
ÖS gefcbiefyt nid)ts 2Öid)tigeS me^r in ber Stabt, oljne baß er um feinen
9iatf) gefragt mirb. SaS ärgerte einen (£mir, ber in ber Stabt lebte, l)od)=
angefefjeu mar unb feine eigenen Üruppen l)ielt. (§r mollte Don ^peftroab
©elb erpreffen; bod) biefer fammelte feine fieben Sölme unb Diel itriegeroolf
um fidj, befämpfte, befiegte unb töbtete ben 6mir unb 50g alle feine 3d)ä|e
ein. Xarauf baute er fid) ein fefteS Sd)loß auf einem Serg. Scr 2Burm, ber
iinterbeffen immer größer gemorben, erhielt in bem Sdjloß einen meiteit
fteinernen Seljälter unb feineu eigenen Liener, ber it)u täglid) mit töets
SBaumgortntr, SBelUiUratur. I. 2. Äufl. 80
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»icrte« »ud). $ün\tti flapitel.
füttern mutfte. (*r rourbe ein 9iiefetttf)ier tote ein ßlefant. £>eftroab aber
würbe ein großer Wann, ber Don SLfdjin bis ftinnan Jirieg führte; jeber
feiner Söfme f>atte ein £>eer Don ^efjntaufenb Wann, unb alle 5öelt fürchtete
fid) Dor ifmen.
Wrbefdn'r $og toiber fie gu ^elbe, würbe aber gef ablagen. Unterbeffen
brannte Wibref, ber Sobn 9lufdj$ab3, iljm feinen eigenen ^alaft nieber.
Söitfjrenb Mrbefdnr am Waljle faß, fufyr plöfylid) Don ipeftroabs Sd)lof; —
auf jroci ^krafangen Slbftanb — ein s}$feil bafyer unb burdjboljrte ben Dor
if)m fleljenben Cammbraten, unb auf bem ^feil ftanb in ^teljleüi gefameben :
„3Seifcr .ftönig! Söiffe, biefer ^Jfeil fommt Don ber 3»nne De* SajloffeS,
ba§ ber Stern be§ SBurmS behütet; f)ättc i$ biefen ^feil auf $rbefd)tr
gerietet, fo fjötte er ifjn bnrd)bofjrt." $)a Derging Slrbefdjir aller SRuty,
unb er jog mit feinem Speere prürf gen f^ar^. ^n einer Stabt traf er
aber jtoei Jünglinge, bie Um tröfteten. Sie tljeilten ifmi mit, baft ber
2öurm ein £iro, ein ©efdjöpf WjrimanS, fei unb nid)t mit ©etoalt, fonbern
nur mit Sift übermunben werben tönne. Wuf ifjren Slatlj Derfleibete er fidj
wie einft ^Sfenbiar in einen Kaufmann, nafmt aber ftatt Öenoffen nur einen
enernen Aeffel mit 3Mei unb 3inn mit ftd). 9lad)bem er ftd) bei ben Gütern
beö SBurmeS cingefd»neid)elt , erlangte er bie Öunfl, iljn felbft füttern ju
bürfen, maajte bie früter betrunfen unb töbtete ben SSurm, inbem er ifmi
ftatt ber gewohnten Speife gefdnnoljeneS 3'nn "nb ^Blet in ben Staaken
laufen liefj.
Wit bem 2Burm roeidjt baS $lüd Don ipeftroabS Seite. 6r eilt jroar
mit einem großen fQtttt berbei, wirb aber Don 9lrbefd)ir mit leidster sJJ?üt>e
gefajlagen unb an einem Skume aufgefnüpft. darauf ^ieb,t 9lrbefd)ir nad)
Stljiftfün (Ätefibfjon) ober SBagbab, fe$t fid) bie Ärone aufs ^)aupt, befteigt
ben (SIfenbeinttjron ber alten Könige Don ^erfien in boller ^errlidjfeit, Don
(v*ufd)taSp faum ju unterfdjeiben , unb nennt ftdj fürber ,,Sd)af)infdjaf)",
b. f). „Wönig ber Könige".
9tod) einmal inbes wirb bas SBieberaufleben beö alten £>errfd)erbaufeS
ernfüid) bebrobt. 9lrbefd)ir l)at bie lodjter Strberoan» geheiratet. Äaum
läßt fte ifm einen Sprößling erhoffen, ba wirb fte Don üjren nad) ^nbien
entflogenen trübem aufgeftadjelt, if)rem föniglidjen Otemaf)! ©tft $u reiben.
3um ÖUicf läpt 9lrbefd)ir ben 33ed>er faflen, unb fo wirb bie ©iftmifdjerin
entlarDt. $>er $önig t>erurtr)eilt fie auf ben Statt) feines oberften Diobeb
jum Xobe; allein berfelbe Wobeb, ber biefen Statu, erteilt, rettet fjeimlid) iljr
bas ^ebett, um ben fürftlid)cn Stamm unb bamit bie Sid)erf>eit bc& SieicbeS
ju mat)ren, Derftedt fte in feinen eigenen @emäö)ern, Iä^t tt>r Ätnb Sajäpür
fürftlid) er^iebett unb eröffnet enblid) ba* OteljeimniH $u geeigneter Stunbe,
ba ber Sd)ab, bereits alternb, in tiefer Trauer ben Langel eines* Sohnes
unb 9?ad)folgerS empfinbet. 9luf ben fHatt) beS ?(ftrologen ßcib wirb Sa^äpur
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$ie SaQengefdji<$te ber ©üffaniben im ©(ffäfjniime. 515
mit ber Xod)ter bee ftönigö ÜKUjrcf bermäfylt, unb fo erlebt 9lrbefd)ir aud)
nod) bie (Geburt eines ßntels, ber Ormujb genannt roirb. 2öie Sdjäpür
fo roirb aud) Ormu^b bem ®rojjbater einige Qtit gefaim gehalten, aber fd)on
als ßnabe baran erfemnt, bafc er beim SBaüfpiel ben ©all unmittelbar bor
ben öfüpen bes ßönig§ tt)egpb,olen roagt, roärjrenb alle anbem Änaben
fid) fdjeu buden unb berfried)en. So ift für bie ^ortbaucr bes #önigs=
Kaufes geforgt. 2lber bamit begnügt fidj 9lrbefdjir feinesroegs; er geftaltet
aueb, bas ganje 9teid) bon neuem burd> bie roeifeften (3efe£e unb 9$erroattungs=
maßregeln. 9lud) bas fdnlbert uns ^firbüfi ausfübrlidj in anfdjaulidjer unb
ganj poctifct)cr ÜEÖeife : bie SHolfserjieljung, bie (Sinricrjtung ber Seamten unb
Sdjreiberftuben , bie ^robincialoerroaltung , bas (Sertdjtsroefen , bie ÜKilitär=
oerroaltung , bie ($inrid)tung ber ©efanbtf djaften , bie Armenpflege , bie
9tegierung§tr;ätigfeit bes dürften felbfl. (£s ift ein überaus anfprea^enbe*
Gulturbilb, bei bem ftirbüfi roofjl aud) im 9luge tjatte, bem Sultan SRaömüb
einen ^ürftenfpicgel borjuirjalten.
93or bem Üobe erteilt 9lrbefd|ir nod) einmal allen bie beften 9tatf)=
fdjläge, trifft bie bernünftigften iöeftimmungen unb übergibt bann feinem
Sofmc 3d)äpür bas nad) aufjen mäßige, nad) innen roobjgefeftigte 9teid).
2. Sct/äpiir Sfju'l Slftaf.
9?aa) Arbefcbjrs Ableben ernob fid) an allen ©renken lumult; bod)
fein 2orm Sdjäpiir 50g olsbalb aus, fällig bie töümt bei ber feften Stabt
SBaluinef), nalnn tr)ren £eerfüb>r Söaranufcf) gefangen, eroberte eine ungeheure
2?eute unb jroang bem flaifar einen großen Iribut ab. Xann baute er
bie Stabt Sdjäpürgirb unb bas fefte Sd)lofc bei Wfdjapür unb liefe burd)
ben gefangenen 9tömerfelbl)errn 3*aranufd) bei 8a">ufter eine grojje $rüde
über ben bortigen glujj fernlagen, nad) allen Kegeln römifa>r 33rüdenbaufunji.
33aranufd) ift offenbar ber gefangene Äaifer Jßalerian, ber aber feltfamer*
roeife in ber $td)iung, rooljl fcb,on juoor in ber perfifdjen Ueberlicferung juin
bloßen 3elbb>rrn fjerabgefunfen.
9luf biefen erften Sd)äpür (XXII.1) folgen mehrere Könige, bon
benen ber $id)ter nidu* biel 511 berieten roeijj: Ormujb (XXIII.),
fein Sol)n 3Jaf)räm (XXIV.), ein jroettcr 33af)räm (XXV.), bann
93af)ram 23al)rämiän (XXVI.), fterfi (XXVII.) unb beffen Sonn
C r m u j b (XX VIII.). (Sine Ijeroorragenbe Stolle f pielt erft roieber S dj ä p ü r,
mit bem Beinamen £b,u'I Slftaf (XXIX.), ber aus ber &ird>enge|d)id)te
fattfam betannte Saporll., ber bon 309— 379 über ^erfien regierte, ein
erbitterter Gfjriftenberfolger, aber für bie ^erfer einer ber bebeutenbften
£)crrfd)er aus bem Öef$led)te ber Saffaniben, ber bas 9ieid> mächtig hn
1 2>ie fortlaufenbc 3aJ)l in ber «önig*Hfte bc« 6^at>nämc.
33*
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Viertes fdud). 3rfinftc* ftopttcl.
Innern befcftigte unb glüdlid} gegen bie Araber unb Körner oertfjeibigte.
$ie Sage bat ir)n aber jum ifjeil mit bem erften 3d)äpür äufammem
geworfen, bie (Sreigniffe feiner Regierung mit frübern unb fpätern burd)=
einanber gefajoben unb cm* irjrn felbft eine ganj romanhafte ©eftalt gemalt.
(fr jiefjt juerft nriber bie Araber $u fyttx, roeldje feine ©djroefter
geraubt, unb belagert ben 9(raberfürflen 2f)ai'r in feinem feften <£>d)loffe.
33on ben 3mnen fara& erfd)aut iljn aber *D?alifef), Ifjairs Jooster, unb
gcroinnt ir)n fo lieb, baß fic bie f^eftung mitfamt iljrem ißater in feine £>anb
liefert, ftadjbem 8d)äpür bann eine 2öeile glüdlidj regiert, übertommt il)n
bie Öuft, einmal bie ^)errliajfeit be§ $aifar in 9fum mit eigenen klugen ju
flauen. @r fe$t beatyalb feinen Sßejier jum 9teid)»Deru>efer ein unb roanbert
mit einer Äaramane incognito alo Kaufmann nadj 9tüm. (£r gelangt
glüdlid) jum #aifar. <£a wirb er aber burd) einen übelgefinnten tränier
ocrratfjen. Ter Äaifar läßt it)n in eine Gfelsljaut näljcn, übergibt ifm als
(befangenen ber ftaiferin unb $ief)t aläbalb au», um ba§ feine» ^errfdjer»
beraubte ^ran $u überrumpeln. Tie Äaiferin ift jebod) nid)t Dorfid)tig
genug ; fic überläßt ben fyotjen ©efangenen einer aus $ran gebürtigen jungen
s4*alaftbame, roclcbe balb baS innigfte 9Jtitleib mit ©djapür füljlt unb unter
nicfjt geringer töefafyr feine ^Befreiung oorbercitct. Tic Gfelaljaut wirb mit
warmer Wüdj aufgcrocid)t, unb ein grofeeS ^efi, an roeldjem bie #aifcrin
mit all ibrcm Öefolgc ^alaft unb Stabt öertäpt, bietet bie erfetmte ©clegcn=
fjeit jur $lua)t.
©lüdlid) fdjlagcn ficf) bie beiben nad) 3ran burd) unb finben junädift
9lufnafmte bei einem (Partner in ftfjufiftän, ber ir)nen baS Unglürf be$
vJieid)cs fcr)r berueglid) fd)ilbcrt unb bann ben obcrften 9J?obcb unb bie ©roßen
be* 9feid)e* ju bem roieber erfd)iencnen töönig ruft. 35er Vornan gefjt bann
toiebcr in» eigeuttidje Gpoö über. Söalb f>at fid) ein £>eer Don meljr al*
fcd)*iaufenb 9)iann um 8d)äptir gefammelt; auf meiten Umwegen läfjt er einen
2f)cil berfelben in bie 9fäf>e Don 2Jjififün rüden, roo fid) bie 9tömer Döllig
in 3idjerf)eit füllen, bemädjtigt fid) ber Stabt bura) einen näd)tlid>en Ueber=
fall unb mad)t ben töaifar felbft jum Öcfangenen. 3anu3, ber SBruber
be* ftaifar», ber mit großer 2ruppenmad)t anrüdt, um feinen trüber 311
räaVn, toirb ebenfall» gefdjlagen. Tie 9himt« rufen barauf einen geioiffen
iöaranufd) 511m Äaiiar au§, unb biefer gefjt mit reidjen Öefdjentcn $u
Sdnipür unb fcbliefet mit iljm 5^ifben. Allüberall mirb ba§ C^riftent^um
roieber oerbrängt. Selbft -Wifibis, ba§ ber mirfltd)c Sapor nia^t 311 erobern
oermoaite, läßt bie Sage in feine .pänbe fallen. 9?ad) ^eenbigung biefe»
«Kriege» läßt fie bann sB?ani (b. f). ben bclanntcu .pärefiara^en 2flanes)
auftreten. Ter 3d)af) mirb juerft bureb fein SÖort eingenommen unb mit
Dielen 3U)CU(,m über ben ma}bcifd)en (Glauben erfüllt. (?r bolt inbeffen
bod) ben ^Ratf) feiner SJtobebs ein, unb ba biefe ben neuen ^rop^eten für
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Sie Siu]cngefct)i$te ber Saffaniben im 6d)äfjnäme.
517
einen blojjen Dealer ertlären unb ber Örojj=9)tobeb feine 2el)re in fdjarfer
9lebe als miberfinnigen Öilberbienft jerjouft, läßt ihm Scpäpur bie J&aut
abziehen, biefe mit Stroh füflen unb öffentlich an eine stauet Rängen $um
abfdjredenben (Syempel.
Stuf Scfapur folgt fein trüber 2trbefcbir (XXXI.), bann bie Könige
Schäpür (XXXII.), $ahräm (XXXIII.) unb ^ejbegerb ber $öfe
(XXXIV.). 2öaS öon bem ledern erjäfjlt wirb, begeht fia? faft nur auf
feinen Sohn 33ahräm, einen ber #auptlieblinge ber perfifc^en Sage.
3. $ahräm ©ür.
$ie $)iobebS tonnten eS bem ßönig ^ejbegerb nicht beleihen, bafc er
mit ben römifchen Aaifern 3lrcabiuS unb ^heobofius auf gutem #uf$e ftanb,
bie (5t)riften lange 3«1 nW berfolgte, fonbern fogar freunblich mit d)rift=
liehen 5öifd)öfen unb ^rieftern berfehrte. ßr mirb barum im ÄonigSbud)
als ein gottlofer unb pflichtbergeffener Sprann gefchilbert, unter beffen änute
baS ganje 9ieid) feufet. 911S ihm im achten 3af)re feiner Regierung ein
Iljronerbe geboren mürbe, fürchteten bie Okuerpriefter, er möchte bem SBater
nad)fd)lagen , unb empfahlen biefem Deshalb , bem ftnaben ^it £>ira 1 in
Wefopotamien aufziehen $u laffen, unter bem 33ormanbe befferer Cuft.
%cim\t mar ber Sage Gelegenheit gegeben,, fdjon bie ^ugcnb $af)ramS
romantifch auSjufdunüden.
%m Sianbe ber 2Büfte , [bef 'ben arabifct)ert StammeSfürften 9Hunbhir
unb Vornan, roächft 93af)räm jum milben, fampflufhgen Säger unb Leiter
auf, mie ihn bie altarabifdje ^oefie in ben Woallafät befc^rieben. Sdjon
mit jmölf Sauren ift er ber befte SSogenfdutfce unb meiji feinen bisherigen
£eljrer jurürf. 5öalb berlangt er, bie arabifdjen bitter fämpfen ju feljen.
@r mahlt fich jmei ber fchbnften ^}ferbe unb 5ir»ei ber fdjönften Sflabinnen
au*; bod) 3agb unb ftampf übertäuben bei ihm jebe anbere Ceibcnfchaft.
£a bie fdjöne Sautenfpielerin 9ljebeh es auf ber 3agb magt, mit einer
zierlichen töajeüe 5)litleib ju empfinben unb ihn in einem fchmierigen Schüfe
$u ftören, ftöfjt er fie Don ihrem Sattel herab unb läßt fie oon ben £mfen
feines Xromebar* vertreten. Schon biefer eine 3U9 zeichnet ben Barbaren.
9lber in ben klugen ber Araber ift ber ßönigSfofm ein unübertroffener £>elb.
$enn er erlegt bie hurtigften Straufje unb bie furchtbarften Sömen. Stolj
auf fein 6r$iehungStt)ert , bringt ihn Vornan an ben £>of feines Katers
^lirüd, ber ihn auch reichlich befchenft. 9Jber Bahrain fami fich an ba*
2eben bei £>ofe nicht gemöhnen. $a er einmal bei einem ^eftmahl bor
£angermeilc einfehläft, mirb ^ejbegerb fo böfe, baß er ihn nicht mehr bor
1 liebet fyha, foroic bie bortigen Äönige Vornan unb 9)hmbhir ügl. oben
e. 316 ff. 381.
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Sierte« JBud). fünfte« Aapitel.
fitt) fefieu lüiü , fonbern ifjn in feine ^rin^enmoqnung einfperrt. Wur auf
ftürbitte be* 5Römer* Ifjinufd) (oieüeidjt beS SMfdwi* Warut&aS, ben 3ejbe=
gerb \u ©efanbtfdjaften ücrmanbte) nimmt ber ftönig bie oerfjängte Strafe
prürf unb läßt ben ^rinjen nacb feinem Söunfä) wieber nad) £>ira, in bie
SBüfte, jieljen.
80 bergest einige 3"t. $a erfranft Jejbegerb. Die Sierße perorbnen
ifjm ben (Ütbxauä) ber Jpeilqueüe Sau bei Iiis. Qjr läjjt fid) baljin bringen
unb füfilt fid) fdjon beim erften ©ebraud) beS SBafferS beffer. ©leid) wirb
er wieber übermütig. (Sin feltfame* weiße* s^ferb fteigt au§ bem benad)=
borten See Ijeroor, unb ba ed feinen Seilten nidjt gelingt, es aufjujäumen,
oerfuefit er e» felbft unb wirb babei burd) einen £uff#Iag getöbtet. 58al)räm
I)ättc nun ba§ erfte 9(nred)t auf ben Sbron ; allein fein 9*ater bat tym ba»
Spiel grünblid) berbotben. £ic tränier wollen nid)tä mef)r Don SBafjräm
unb feinem ®efd)led)te miffen, fonbern ergeben einen (fügen unb eljrwürbigen
Örei» tarnen« ftljoeru auf ben Glfenbeintl)ron. So mujj 3?al)täm fid) fein
(5rbtt>eil erft erfämpfen. Wunbfiir gibt iqm ein £>eer, mit Vornan an ber
Spifce. $ie tränier Rieben iljm nad) $f$el)rem entgegen, Stafjräm jejjt itmen
perfönlid) feine If)rouanjprüd)e au§einanber. fommt ju einem romantifaien
(Fompromijj. Äönig foü ber fein, ber fid) bie ßrone felbft Pom Ifjrone t)oIt#
an meinem aber als £mter jmei gewaltige Cöwen angefettet werben follen.
$cr greife £f)o*ru gibt ba§ Abenteuer rafd> auf. SBatjram aber maffnet fid)
mit einer .Genie, fd)Iägt bie beiben Söwen nieber, fefrt fid) auf ben Ifjron
unb empfängt bie £)ulbigung ber ©rofeen unb be§ IBoIte».
3um S#al) geworben, jeidjnct ftd) 33af)ram burd) eine bis baf)in nie=
gefeljene Jyxn^e bigfeit au*. Sein (Sbelmutfj ift gerabeju grenzenlos. Vornan
unb Wunbfjir werben mit ben retdjften (Öefdjenfen Perabf Riebet. #fjo§ru
unb fein Söruber 9terfi werben ju ^eblemanen ernannt unb mit foftbaren
©oben beefjrt. Tann läßt 3?af)räm ben Scprcibcr 0ufd)a§p unb ben #affier
Tfdjuanui tommen unb in ben Sdmlbbücfyern afle Steuerfdjulben Pon gan*
3ran tilgen. Steiman, ber befte 9?ed)ner jener 3eit, regnete aüe ^often
jufammen. Ter Steuererlaß fam ben Sd)af) auf breiunbneunjig ÜRillionen
Tirbemd ,ju ftefjen. ©an$ ^ran fegnete it)n bafür. Unb nod) nidjt genug.
@r ließ Umfrage galten im ganjen Stcidje, wen fein 9?ater gefränft Ijätte
unb roa» er für Qmtfcpäbigung forberte. @r felbft aber flimmerte fid) nur
um ^efte unb 3<JQben, fröfylicpe 9tittc, Spiel unb ftur.jweif. (?r ift ber
luftigfte, forglofefte, jugenblidjjte fiönig, ben 3 ran je gehabt. Seine«gleia)en
finbet fid) nid)t in ber langen Wönigerei^e.
@inc 5?iaffc Pon ^Inetboten ^äuft jefct ber Xia^ter, um und biefen
«Qönig ,sans souci" ju malen, wie er leibte unb lebte, dr Ijat etwad
pon bem berühmten W^alifen ^)arün al 9tafd)ib; allein er ift bei weitem
Dolfätlnimliajer unb leiajtfinniger.
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$ie 8agcngefö)id)te ber Saffaniben im 5ä)ähnäine.
519
Bon einer 3agb $urüc!qetet)rt , quartiert er fich unerfannt bei bem
armen 2ßaffcrträgcr £embef ein, ber ilm Dier läge nad) feinem bejten SBcr=
mögen beroirtet unb mit if)m auf ba» SÖofjl alter Könige trinft; bann
befucht er ben ^uben Baraham, ber tr)n faum eine Wacht in feinem Stalle
raften läßt unb bafür noch forbert, baß er jur Gntfchäbigung ben Stau*
reinige ; enblich aber bricht er fein ^ncognito, labet beibe bor feinen 9tid)tcr=
ftuhl unb gibt bem armen Söafferträger bie töeicrjthümer beS ^uben. Wim
roirb roieber gejagt. Gr erlegt einen Dörnen mit feinem ^feil, bie ßöroin
mit bem Sdnoert, unb ber Bauer Wifyx Bcnbab, ber ilm bafür lobt unb
beroirtet, erhält ben ganzen ÜEBalb jum ©efehenfe.
Gin 7yruc^t= unb Blumenhänbler WamenS ebrui betrinft fidj bei £ofc,
inbem er fiebenmal einen Ungeheuern s$ofal leert; auf bem 9iüdroeg fd)läft
er an einem fdjattigen ^läfcchen ein, unb ein Stabe Ijadt ilmt bie 3tugen
auft ; barauf üerbietet ber Schah bas SBeintrinten. Gin ganzes 3ahr bauertc
ba$ Verbot. Da l)örtc ber Schah bon einem Schufterjungcn , ber fich im
$aufd) eine« bem Ääfig entsprungenen Cörocn bemächtigt, it)n beim Ctir
genommen unb fia) auf feinen dürfen gefegt fyabe, bt» bie 2öäd>ter ilm
roieber einfingen: ba gab Bahräm baS SSeintrinfen roieber frei.
Der gute Äönig Bahrain ftat aber auch gelegentlich feine abfolutiftifchen
Jaunen. SSie er einmal bei großer £>itje berbriefclich an einem Dorfe lagert
,unb niemanb, Ujm 511 fmlbigen, fommt, beutet er feinem 9)lobeb an, er
folle ba» Dorf jerftören laffen. Da» gefehieht benn auch, aber auf feine,
politifcbe Söeife, inbem ber *D?obeb unter ben Bewohnern Freiheit unb all»
gemeine (Gleichheit prodamirt, roorauf fie fofort in Streit geraden unb in
roilber Berroirrung i^r eigene! ©lüd bernidjten. Heber ^ab,r unb 2ag be=
bauert ber Schah ba» 3erftörung»roerf, unb ber Wobeb läfet ba» Dorf neu
erftehen, inbem er einen noch übriggebliebenen @rei» $uin Bürgermeister
macht, ber balb Seute jufammen6ringt unb mit £)ilfc ber föniglichen Autorität
ba* Dorf fchöner al* früher erftehen läßt. Die Floxal ift:
„Söenn einer ift §err, unb ein 2Jtann Don SJerftanb,
$ann »oeid)t bad JBöfe, bann MiUjt baö ßanb."
Bahrain ift fold)en Belehrungen nicht unzugänglich; ^oer im ganjen
ift er lieber ba, roo eö luftig jugeht So h«t er feine fönigliche fixtubc,
roie er eines 9lbenb» bier TOttetotöchter , eine holbfefiger als bie anbere,
um ein großes Jeuer tanken fteht, bie, mit Blumen gefrönt unb Sträuße
in ber £)anb, ohne ihn ju tennen, fein Öob fingen. 2Öie*ber Bater nach
£>aufe fommt, freit ber unerfannte Schah alsbalb um bie bier löchter. Der
Füller ift in Verlegenheit, roeil er ihnen feine 9(u»fteuer geben fann; ba
ber freier aber auf jebe 9lu*fteuer berichtet, roilligt er freubig in bie jpeirat
ein. ftm anbern lag hört er au feinem Staunen, bafc er Schroiegerbater
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520
Vierte* »u$. Sffmftci flapitel.
beS Königs unb Statthalter über ben ganzen Tifirict geraorben. So fitijrt
SBaljräm auö) bie brei lödjter beS CanbebelmanneS SBerjin fyeim unb Ar$u,
bie 2od)ter beS ^utoelierS 9)laljiar. $)er ^ejicr Stujbeb, fagt bei bieder
©elegenfjeit Pon tym: „<$r fwt jefct mef)r als Rimbert grauengem öc^er ; eS
ift ein Unglüd, bafe ber tfönig ber Könige fid) fo aufführt, $er (Sunud)
fjat im $önigspalajt neunljunbertunbbreijjig 3Räbd)en gejäfjlt, afle mit ferneren
$tabemen gegiert unb alle mit 9teid)tljümern überfc^üttet. @r oerlangt Steuern
Don allen Öänbern unb in einem einigen 5Monat oerfdjroenbet er ben ganzen
Stribut, ber Don 9tüm einläuft."
$a entpuppt fid) unter bem fröfjlidjen ©efeüen bod) ber orientaufaje
SBollüftling in abfd)redenber ©effrtlt. $>ie einzelnen greierftüddjen ftnb inbeS
fo anftänbig unb unoerfängliäj erjäfylt, baß bie £arfteflung managen mobernen
5ioPcfliften bekämt, girbüfi fud)t aus bem an fid) fd)lüpfrigen Stoff nidjt
Kapital ju jdjlagen, fonbem fyebt aud) Ijier baS IjarmloSsjooiale Clement
Ijerpor, baS in ben anbem Abenteuern ben OJrunbton bilbet. 3n Ijeiterftem
£mmor ift bie ©efd)id)te erjäljlt, nrie Saf)räm fid) einmal ben 5Wagen oerr
borben unb nun bei einem geizigen Kaufmann abenbS einfeljrt unb ge=
bratenen &äS mit Wanbeln Perlangt, $er Kaufmann fyat gerabe feine
SJianbeln im £)auS unb tifdjt ifnn beSl)alb ein gebratenes fevfyn auf. 3tobrätn
ift ärgerlid) unb tabelt ben Kaufmann, ber am anbem Sag bafür feinen
Celjrling Ijernimmt. $er Sefjrling aber läjjt fid) baS nid&t gefallen, fonbern
nimmt eS auf fid), ben grembling nod) einen ganjen Sag im £>aufe gu be=
galten unb ganj nad) feinem Söunfd), aud) mit #äS unb 9ftanbeln, 511 be=
mirten. ©afjräm Iäfit fid) alles trefflich fd)meden unb gel)t bann feines
SöcgeS. £rinterl)er aber ruft er ben Kaufmann unb ben fietjrling an feinen
£>of, befdjenft ben Ceforling mit einer ganzen ßaffe Poll ©olb unb madjt
ben Kaufmann jum Liener feines ÖefyrlmgS. (Sin anbermal tobtet ©afjräm
glüdlid) einen 35rad)en; aber babei tommt il)m ehoaS Sradjengift in bie
Augen, unb er fud)t nun Unterfunft bei einem Birten. 55er OTann ift un=
gefdurft unb trag, bie grau aber richtet bem gremben gleid) ein gutes £ager
l)er unb forgt für U)n toie eine 9Jiuttcr. (Sr befommt babei aber allerlei
über bie 33ebrüdungen ju fjören, toeldje feine Beamten an ben fleinen ßeuten
Perüben, unb als bie grau ifjre einzige &ulj melfen roill unb biefe feine
9)lild) gibt, fd)reibt fie baS bem tprannifdjen treiben beS ÄönigS $u.
5*afjräm betet barauf alSbalb ju ©ort unb bereut feine ©ünben, worauf
bann baS ^Reifen guten Erfolg ^at unb bie grau erflärt, ber ^önig müffe
fid) befeljrt ^aben. 3um $Qn' fur bie gute Pflege gibt fidj 33a^ram $u
erfennen unb fdjenft ben braoen Seutajen baS gan$e 5)orf unb bie (Begenb
rnnbum, mit bem Auftrag, aud) an anbem ©aftfreunbfajaft ju üben. SBieber
ein anbermal bei foldjen SBanberfa^rten fua^t Sar)räm umfonft Verberge
unb Semirtung; benn gerbifajtoerb , bei bem er anflopft, ift M>ar ber
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Sie 3agengefäi($te ber Saifaniben im ©<$äfaüme.
521
reid)jie 3ftann in ber ©egenb, lebt aber tote ein ®ei$fwll in Gumpen unb
gönnt fta? faum bal 3}rob. 2Bie fein Beamter SBebruft nun bal entberft
unb borfctylägt, ben ganzen 9teid)tbum für ben föniglidjen <Sdja$ einzuladen,
üerorbnet Sabräm, baß allel an bie Ernten unb 9fotf)leibenben bertljeilt
tberben fotle. <§o madjt er e& audj, all er un Oer hofft ben reiben Sdjafc
entberft, ben Äönig $)fdjemfd)ib in ben 2agen ber Horjeit bergraben: afle*
fpenbet ber 3d>af) an SÖMttroen, SBaifen unb 9lrme.
SBon bem fjeitern, edjt bolfltbümlid) gehaltenen sHnetbotenfran$ gefjt ber
Xidjter nun tuieber jur frtegertfd)en Gpit über. 2Bie man im Wullanb
Ijört, bajj ber ©c&ab fid) um nid)t§ fümmere all um Spiet, 3agb unb
f^reube, bafe er gar feine Später mefjr aulfenbe unb bie Örenjen fdjledjt
bemadbt feien, ruftet man fidj in 2fdnn, SRiim, £iinb (3nbien) unb bei ben
dürfen jum Äriege. 33alb marfd)iren fteere bon Sfcbin unb 9tüm auf bie
©renken lol. 93afjräm ©ür jetgt fid) anfänglich ganj gleicbgiltig, bebt nur
ein lleinel .freer au*, übergibt feinem 33ruber 9lerfi bie Regierung unb $iet)t
bann inl ^elb. Xic tränier trauen ifmi aber md)t, fonbern fenben einen
9)iobeb an ben $f>afan bon 2fd)in, um fid) bon ihm bureb ©efcfyenfe unb
3ugcftänbniffe ben 5r'e^en Su erlaufen. 3\il gefällt bem #l)atanf er läßt
fein freer nad) *Dlerro marfduren unb gönnt if)in bort gute iage. CHcrabe
bal aber r)at SBa^rdm (Hur abgeroartet. 3n Gilmärfcben jiebt er auf bie
jerfplitterte unb forglofe ttrmce loa, überfüllt fie , rietet ein ungeheure!
33lutbab an unb macht ben ftljafan felbft }it feinem (befangenen.
$ie 3?erroirflung mit 9iüm löft fid) noch roeit leichter, auf bem 2öege
biplomatifd>er $erf)anblungeu , bie aber feljr naib finb. Xer römifdje (&e=
fanbte, ein efjrroürbiger Öreil, melier nach ftirbufi ber Schule ^yalathunl
(b. f>. ^Matol) angehört, ftellt gar feine politischen ^orberungen, fonbern
gibt ben berfammelten *Uiobebl nur fieben Stätbfel auf, bie man faum pfnlo;
foplufcb nennen barf: „2Bal ift bal onnen? 2öa4 ift bal Wupen? 3öal
ift bal Cben? 2Bal ift bal Unten? 2Bal ift ohne ©renken? 2Bal ift
fcblecbt? 2Öal §at biele tarnen unb ift überall ÜWeifter?" darauf erroibert
ber 9Jiobeb: „Xal Wufjen ift ber Gimmel, bal Snnen bie Öuft, bal Oben
bal ^arabiel, bal Unten bie £>ölle, ofme Örenjen ift Öott, fchledjt ift bor
allem bie 9lftrologie, biele tarnen bat bie Vernunft unb ift überall *Dleifter."
Ueber biefe perfifebe 2Bci^ett ift ber ©riedje fo entjücft, bafo er ben 5Wobeb
unb ben Sdjal) über alle Sterne preift unb bafür gnäbig unb frieblidj ent=
laffen roirb.
3)oä SBerljältniB ^aljrdm (Hur^ ju ^inbien aber geftaltet fid) toeber 511
einem ßrieg nott) ju biplomatifd)en 23erfjanblungen, fonbern bem ^^arafter
bei $önig3 entfpredbenb ju einem neuen SRoman. Gr gebt als fein eigener
©efanbter berfappt an ben Jpof bei ^önigl Sajengtl bon .söinboftän, über=
minbet bafelbft im ßampffpiel ben gefetertften !!»ingfämpfer , roirb barauf
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Viertes ®ud&. Jünfte* ftapitel.
oon bcm .Qönig jurüdgehalten , tobtet einen SBoIf unb einen Drachen, Der:
mählt fid) mit ber locbier bc§ ßönigä Scbengil unb entfliegt mit it)r, roirb
aber r»on bem erzürnten $ater oerfolgt unb eingeholt unb gibt ftch ihm
nun \\\ ertennen. Da ftaunt ber inbifebe Monarch unb weift fict) faum \w.
faffen. Die beiben Könige fallen fid) um ben fyali unb fjalten bann einen
Sarnau» unb trinfen einanber ©efunbtjeit 511. 5111er Jpafc jroifchen ben
$roei deichen bat nun ein dnbe. 9tad) einiger 3e*1 erfdjeint Scbcngü mit
noch fieben inbifdjen dürften in 3ran jum SBefuch, berounbert beffen ;oerrliaV
feit unb febrt mit ben auäerlefenften $efd)enfcn nach .ftanubfd) $urüd.
91Uen $runbbeftfcern Don 3ran ober erläßt ber cbelmütl)igc Schar) noch
einmal ihre Steuern, unb bamit fid) nicht bloß bie 9teid)en, fonbern fürber
auch ber gemeine Wann an 3)lufif unb 2an$ erfreuen fönnten, läßt er
^efmtaufenb 2uri§, b. 1). £autenfpieler , au§ 3"oicn fommen. Dtefe @in=
füfjrung ber 3iflcuner ift ber letjte große 9iegierung§act beS Schaf) 5*ah=
räm (Bür.
folgt nun fein Solm ^ejbegerb (XXXVI.), bann beffen Söhne
Ormu^b (XXXVII.) unb $iru$ (XXXVIII.) unb bie Söhne be3 pruj,
Salafdj (XXXIX.) unb Mobab (XL.), enblid) ber größte ber Saffa=
niben, ber jugleid) in ber Dichtung ein böchji intereffante$ Öegenbilb *u
3?af)räm (tjür gemährt:
4. tfcärä sJJufd)irtt)ün.
Schon bie ^ugcnb biefcS dürften geftaltct fid) biel ernfter al§ jene be§
leichtlebigen 33abräm Öür. Sein Sßater ftobab (ftaoäbh) hielt e§ für nötljig,
fid) feines faft übermächtigen €berbefel)lät)aberä SufiraT burd) Einrichtung ju
entlebigen. 9?un erfolgt aber eine Sdnlbcrljebung feiner Anhänger, bie baS
ganje $*olf bon %xan für fich geroinnen: Wobab mufe fluchten, ($r nimmt
feine 3U^U^ 3U ben fteittjaliten , b. 1). ben toeifeen Hunnen. UnterroegS
im £anbe ^IhbJöJ Aber freit er um bie £anb einer fchlichten Dthoanätocbter
unb erhält fte jur (Gemahlin; bann jierjt er roieber ju ben JpcYthaliten unb
erlangt bon bereit #öntg ein $eer, um ftd) feine* 3:hrone8 roieber ju be=
mächtigen. 9(uf ber dfürflcljr trifft it)n in SUjroaj bie freubige Nachricht bafe
ihm ein Sof)n geboren, ber ,Qe*ra genannt roirb. ÜB3ie ftch je$t f)ttQU&ftcM'
tft bie Butter bom Stamme beä guten Honig* fVeribün. #obab ift barob
überglüdlich. Da er aber mit fo großer £eere§mad)t Dor 2fnfifün erfcheint,
unterwerfen fid) bie tränier ihm ohne Sdjroertftreid), unb baS SReid) gelangt
roieber 31t ruhigen, frieblichen 3f^fn-
Da fteht SRajbaf auf, ber erftc Socialiftenfüljrer ber Werfer unb einer
ber älteften Socialiftcnführer ber 2Belt, ein „berebter, gelehrter, geiftreidjer
unb ehrgeiziger Wann" , ber e» bi» ^um Scbafcmeifter unb Orinanjmtntjier
be$ .QönigS bringt. Seine l'ebre lautet:
I
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$ie Sageugefdndjte ber Saffantben im Sdjobnäme. 523
£er 9(rme bem Steigen gleid) fein mu&,
Unb feiner batf f)aben Ueberflufc;
2Öie einfdjlag unb 3«**«! i" frönen ©eroeben.
9Jlu% mit bem Firmen ber 9tetd)e (eben;
3n ber ganjen SMt mufe ©reid)b«it fein.
Verboten tfl Weidjtbum, Wein unb 35etn;
ttn äöeibern unb Rufern, ®ut unb ©aben
Sott jeber gleiten Slntbcil baben.
So (et)rt ber ©laube, ber einjig rein.
Xa wirb man feben, was grofe. toai Hein:
2öer anbere ^ßfabe als biefen fud)t,
$er ift unb bleibt oon ©Ott oerfludjt.
Ski einer 4"mnger*notf) f>efct Wafiat bie Armen auf, ben Otcidjen iljre
93orrät^e abjuforbern unb im ftaHe ber Weigerung fic $u plünbern. 6r
gewinnt bamit einen Ungeheuern Anfang; bie Steigen buden ftdr, 8dm()
Äobab lä$t fid) ganj für feine Anfid)ten einnehmen. $er einzige, ber bem
ferfen Umfturspropf)eten S&iberftanb $u bieten mögt, ift ber junge ^rtnj
Äeärä. SSor einer Hotteberfammlung bon breijjigtaufenb Anhängern fuü)t
SKöjbaf ifm für ficf> *u ftimmen, unb ba ber ^rtnj jürnenb ifyn feine $anb
entjie&t, flogt er ifm bor äönig unb mit on. Mein tfeäro läfct fid) ni#t
einflüstern. Gr berlongt fec^ä Monate Sebenljeit, jte^t bie el)rroürbigften
unb tüajttgfien Männer ^erfienS on ben £of, prüft mit ilmen bie neue
2ef)re unb forbert bann bor ben geroidjtigften 3cugen SJlojbaf jum 9ieligion§=
gefpräo) oor bem Äönig unb feinen ©roüen heraus, ^e^t ift er Stöger,
Wojbof 5Ingettogter ; ber $Rid)ter ift nid)t ein mißleitetet SBolf, fonbern bie
heften unb 2üa)tigften auä 3ran, unb ein berebter s»tobeb greift Wajbaf
alfo an:
£u, 2üei«beiWforfcber, lefjrft turnen 9Jhitb«
©emeinfdjaft ber ÜUJeiber unb jeglid/en ©ut«!
SDßenn aber gemeinfam bie SÖeiber und finb,
28er unterfdieibet nod) iöater unb Jiinb ?
SDßeun alle gleidj, nidjt grofj nod) Kein,
28er nnrb nod) §err, »er 3)iener fein?
SOBer mirb arbeiten für bid) unb mid&?
©ut ift gleid) böfe bann fidjerlid)!
Stirbt einer, »effen ift §of unb $auä?
2er Stauer Iad)t ben ßönig aus.
SBeröbet ftef>n balb ade ©aun —
Unb fold) ein fioS fo(l 3ran fdjaun?
Söenn aUe «Profeen, toer nimmt nod) ©elb?
SBenn alle b«rfd)en, toer baut bas Selb?
Äein frommer ©laube rjat je fo gelehrt,
©efyeim bat ein 35itt> bir bie Sinn' öerfebrt.
3>>r ipöHe fübrft bu ba$ *Wenfd)engefd)led|t,
2)enn 9)öfeS unb Unred)t gilt bir für 9ted)t.
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Vierte* »u$. 3rüitftt* flaöüel.
Der Schah ßobab ftimint biefen 28orten Doüfommen bei, ÄeSra eben?
falte; bie ganje Sßerfammlung Oerlangt 5>ta$bafö Vertreibung ooin £ofe.
Der Schab, übergibt i$n ße§rä, unb biefer läfct erft bie breitaufenb 5Bor=
nehmen, bie für Dtajbaf maren, in einem ^alaftgarten mit bem Äopf in
ben 53oben pflanzen, fü^rt bann SJlajbaf in ben ©arten unb läfct ihn bie
SBäume flauen, bie au§ bem ©amen feiner Seljre heröorgegangen. An
einem ^o^en ©algen mirb enblich 5)ia0a( felbft, mit ben grüßen nach oben,
aufgehängt unb mit Pfeilen tobtgefcboffen. Da$ mar bie perftfche Söfung
ber focialen Srage, mic fic Orirbuji erjählt.
ftobab ftirbt nun, achtzig %afyxt alt, nachbem er juöor Äeörä $u feinem
Nachfolger beftimmt. 3ubelnb begrüben bie (fronen be3 föeicheä ben jugenfc
liehen £>errf<her, ber fajon fo flare groben feiner SSeiäfyeit, ©eredjtigfeit unb
©üte gegeben, unb Derleifjen ilmt ben Beinamen ftüfdnrmän , b. h- „füfee
Seele", ift ein glänjenbeä ^bealbilb, ba$ Qrirbüft Don feiner Regierung
entwirft. Schon feine crfte Sljronrebe ift ein magrer 3fürftenfptegel , Oon
tief religiöfer ©efinnung getrogen, Doli praftifcher Klugheit unb ebelften
9Jed)t§finnc§. (5r tf)eilt ba§ JReich neu ein, in bier große ^Jrooinjen, um
eine gleichmäßigere Sßermaltung unb Semirtfchaftung 51t ermöglichen ; er fchafft
ben bisherigen 3*hnten ab unb erfefit it)n burcb eine (?infommenfteuer, meldtje
auf Erleichterung beS gemeinen Cannes unb Hebung ber ßanbmirtfchaft be=
rechnet ift. Alle 58ermaltung*$meige werben neu geregelt, ber ©elbgier unb
ben Csrpreffungsgelüften ber Beamten beftmöglich Schranfcn gefegt, ÄeSrä
felbft bereift ba§ gejamte JReich, unterfucht ben 3l,fianb ber einjelnen ^ro=
binden unb trifft geeignete Maßregeln, 2anb unb 5*olf ju befdnrmen. 3n
fiegreichen f^cfbjügcn mehrt er felbft bie Alanen, bie SBelubfdji unb bie
©hi^oni ab, unterftüfct ben Araberfürften 9Jtunbf)ir (oon ipira) erfi burch
Unterhanblungen unb Drohungen gegen ben Jßaijar ju ttüm, jieht bann
felbft gegen bie Slömcr ju ^yelbe , erobert bie foniglichc Schaftfammer ju
Araifdji Äüm, beftegt ben 5ribhcrrn ftarfuriuä (^orphorioS) , bemächtigt
ftch ber Stäbte ßaliniuS unb Anthotia (Antiochien), baut nach bem 9Kufter
Oon Antiochien bie neue Stabt QtibsuRfytätvL , in meldjer bie gefangenen
Stömer als Anfiebler untergebracht merben, unb jmingt enblich bem ftaifar
einen günftigen ^rieben ab.
All baö meift Dielfach auf r)iftorifd>e Söegegniffe hin, auf bie mir Ijier
nicht näher eingehen tonnen, fo intereffant auch bie parallele märe. 2Bic
feinblich bie ^erfer bei biefen mannigfachen ^Berührungen bem ßhriftentfmm
blieben, fpiegelt fich barin, bajj bie Sage unb ü)r folgenb auch f^irbüfi nur
üöenige* unb faft nur SBöfeS oon ben ßhriften 51t berichten meifj. Sie finb
ber (§rbfeinb, mie e* juoor bie Xuranicr maren, unb bie heiraten mit ben
(>briftinnen führen nur tragifche SScrmidlungen herbei, mie einft jene gmiftficn
ben ftajaniben unb bem £>aufe be3 böfen 3^*- 9lud) &e£ra r)at eine chrift=
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Sie Sagengefdndjte ber ©affaniben im Sdjäfjnäme.
525
lid)e fttau, bereu ©djönljeit Ijod) gepriefen wirb, unb bie tyren <2ol)n 9hifö$ab
(%nöfd)a$äbb,) im Gljriflentfwm aufeiefjt. £e§rä bulbet üjn beSljaCb niajt an
feinem öofe ; er mirb ju $fdjunb=i=fdj(ipür in einer 9trt eljrenboller ©efangen=
fd&aft gehalten. gelingt u)m inbeS, mit bem Äaifar in SSerbinbung ju
treten, unb roie er fjört, bajj fein Stoter auf feinem #riega$ug gegen $inb
erfranft fei, befreit er fidj, fammelt ein |>eer unb berfudjt mit $ilfe ber
Börner bie Ärone an fid) ju reiben. ÄeSrä fenbet feinen gfelbljerrn SRam
Serbin gegen if>n au§, unb bor bem Kampfe mad)t ber tapfere ^ßiruj nodj
einen 93erfudj, ^ufd^ab öon feinem ©tauben abzubringen. 2)er SWeffiaS
tonne nid)t ©ott getoefen fein, fonfi Ratten iljn bie ^uben nidjt ju über=
roinben bermodfot. $er djriftlidje Sßrinj läjjt fia) jebodj toeber burd) biefen
©d}einberoei§ nodj burd) bie SBorfpiegelung einer falfdjen Pietät bon feinem
©tauben abbringen. (Sr ertoibert mit ©tanbtjaftigfeit :
2öa$ fafelft bu, Älter, geworben jum flinb,
3>en Äopf gefüllt mit eitlem 2Binb?
ßin Jpelbenfyeer unb ein JtönigSfobu,
©taubft bu, bie flehten birf) um Karbon?
X-rt &tm ©laube betenn' ia? ntajt,
$er üttutter ©taube, ber ift mein fiid)t;
$aö ift be« SJMfiad b,eil'ge 2ehj' —
Unb b i e oerläugne itf| nimmermehr.
SGßenn für bie SBabrfyeit am ßreuj er ftarb,
©r ewigen 9iubm cor ber SQßelt erwarb;
3u @ott, bem fjeiltgften, fe&rt' er jurticf,
«ertauftfjenb bie grbe mit ewigem ©lücf.
Unb mujj itf> ftetben, id) fürdjte midj nid)t:
SeS Sobed Stapel fein §eiltranf briöjt.
©o geb,t er in ben tfampf unb ftirbt ben #elbentob für feinen
©fauben. $a§ einzige, ma§ er fterbcnb oerlangt, ift ein djriftlidjeS ©rab.
$ie tränier bebauern ben tapfern unb nad) tyrer Wnfidjt unglüdlic&en Sofm
i^reS Königs ; bie Triften aber begraben tyn fromm nad) feinem SSunfdje,
ofnie ben in Sßerfien übiid)en ^omp. £ie Butter bereitet if)m nur ein 2eiri=
tua) unb ein ©rab, „roie man in ^erften bie ©flaoen begräbt", unb ber
33ifdjof fprid)t:
Sein ©eift jefet fetig bei (£t)riftud weilt,
Cb er aud) nidjt fterbcnb fein Äreuj geteilt.
SÖMdjen reiben Sdjalj ber 39ilbung bie Werfer burd) bie 91blefmung
be§ (SfjriftentlmmS oon fid) getoiefen, fommt uns fo red)t in ber weitem
(fntroidlung beä ©ebidjte§ 511m Setoujjtfein, too fttrbüfi afle§ aufbietet, um
ben ÄeSrd *ftüfdurroän al* 91uSbunb beä SBiffen*, ber ©elefirfamfeit unb
SQßei^eit $u fajilbern. ?11S ^)ilf§perfon babei taudjt ber meife 95ejier 3?u^ur=
bfdjimifjr auf, ber feine 2öei*^eit juerft burd) eine Iraumbeutung erprobt.
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526
SHfrtca »uefc. Sanfte* ftapttcl.
$em Sdjalj träumt, bap ein ocfcmein aus feinem $ed>er trinfe, unb ber
SBcjier finbet heraus, bafc im $arem etwas nic^t ridjttg fein muffe, unb fo
ift es benn auay. es wirb in bemfelben ein Derfleibeter männlicher <stlaDe
entbedt. 5)em iBujurbfdjimi^r ju Gljren fyält ber 3d>al> bann fieben ala=
bemifäe jungen ober ftefte, bei benen Sdml), Regier unb Wobebs bie
gefamte Öebrweis&eit ^erfiens ausjutramen fic^ bemühen, freilich ift es
mit berfelben nic&t weit t>er, obgleich ^irbüfi auaj fola> Partien ganj artig
bramatifd) einsufleiben meijj.
$irbüft ift aber aDjufe^r Siebter, um biefe Sibaftif weit auSjufpinnen.
Salb entwidelt fidt> bie Grjäf)lung wieber jutn lebenbigern ©efdndjtsbilb.
£urd> feine SBeiöfjeit befd>mört Äesra bie ©efa^r eines großen Krieges mit
ben £ei'tf>aliten unb mit bem flbatan Don 2fdnn unb feljrt ruljmgefrönt
nad> £tefipl)on $urüd. $er Ädnig Don Snbien fdjidt it)m ein <Sd>aa1>fpiel,
beffen Grfinbung in einer l>öd)ft anmutigen ßpifobe einläßlit&er er&äp wirb;
9iufd)irman fd)tdt tym bafür baö Don feinem weifen JBejier Susurbfdnmtyr
erfunbene $ridtrad=£piel unb erhält bann wieber aus Snbien burd) feinen
Seibarjt Sar^ui baS berühmte inbifa> SRäräVnbud) tfalilaf) unb $imnalj.
9lu# fteSrä f>at feine <5dnoäd)en; auf falfdjen 33erbad)t unb in plö|lid)em
3orn läßt er ben weifen $ujurbfd)imif)r einferfern, befreit tljn aber boc&
wieber, ba er feiner bebarf. 9tod) einmal sief)t er bann gegen 9ium; bodj
wirb burd) eine ©efanbtfa^aft bes Äaifars ein längerer ftrieg Dcrt)ütct. $ann
legt fid) £esrä jur Ütuf>e unb läßt feinem Sofjn £>ormujb ein glüdlia>s,
woblgeorbneteS unb ftarfeS SReid) juri'td.
5. £)ormujb.
W\t £ormujb brechen alsbalb innere unb äußere SÖerwidlungen über
bas SReid) fjerein. (Sfjrgeiaig unb gewalttätig, räumt er bie treuefiten
Liener feines Katers aus bem Söege. 2Bie er bann wieber auf beffere
2ßege fommt, wirb er buraj äußere Kriege Ijart bebrängt. 3n biefen
kämpfen ringt fio) fein Viernau 93af)räm $fcf>ubinel) (Xfa)6btn) 511 faft
unbegrenzter *Diad)t empor unb ftrebt jule^t, auf bie Anregung feiner Ijerrfa>
fiidjtigen 3d)Wefter Öorbielj, nad> ber Äönigsfrone. Unter biefen 2Birren fintt
Das Wtii) Don feiner großartigen 5Mütf)e unter tfesrä WüfcbjrWün rafdfc fjerab.
^ormujb wirb Don meuterifdjen Untertanen erft gcblenbet unb, nadjbem
fein 3olm MjoSru ^arDij ben $f>ron beftiegen, in fdmöber, Derrät$erifd>er
2öetfc erbroffelt. Sie ganje ©efanajte feines Untergangs ift reiaj an
fpannenben, tief ergreifenben 3ügen, jule^t eine erfdjütternbe Sragöbie.
6. tffjosru ^arDtj.
Unter biefem SdM) erholt ftd& 3tan langfam nocf> einmal Don aü bem
Dorausgegangenen ÜHißgefd)irf. &f)osru muß fta? jwar anfänglia^ Dor bem
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Sie 3agengef$t4te ber Saffaniben im Sdjäbnäme.
527
Ufurpator Söafjräm Tfcbubineb, nad) 9tüm flüchten ; baS £eer, welche* er
nadj langen Unterl>anblungen oon bem ftaifar erhält, wirb juerft Don
$af>räm gef^tagen ; aber eine jmeite Sd)lad)t fällt für ftfjoSru günftiger
aus, unb in einer brüten befiegt er 93al)ram Tfdmbinel) oollftänbig unb
nötigt ifm jur #lucf>t na# 2fd)in. 21uf ben frühem tragifdjen Unter:
gang beS tfönigS ^orinujb folgt nun eine ni#t weniger erfetjütternbe
Sragöbie ber 9lad)e. Srofc all feiner $äf)en, unerfcfjöpflidien ©emanbtf>eit
fäüt 23af)rüm Tfdmbinef) fd)Iie$lid) burd) 9Heu<f)eImorb. Wud) bie Wörter
bes ftönig* Oormujb, 93cnbui unb ®uftef}em, finben ben mofjloerbienten ge=
waltfamen Tob. Sobalb aber bie innere 9tu^e mieber fcrgefiellt ift unb
tyoSru fid) fidjer fü<, wirb er übermütig unb tro$ig unb oerweigert bem
tfaifar, bureb, ben er wieber jum Throne gelangt, ftotj bie oerlangte WuS*
lieferung beä ^eiligen ftreuje*. @* wäre intereffant, ftirbüfi* TarfteUung
mit ber wirflidjen @efdnd)tc unb mit (Salberon* „ßreu$erf)öfjung" $u Der=
gleiten; bod) wir muffen an biefer parallele wie an managen anbern oor=
übereilen, um jum Sdjluffe ju tommen. ßljoSru, ber Sfcrädjter bes «reuje*,
oerfdjmä^t es niefct, Lariam, bie Softer beS ftaifars, als ©emafjlin $u
behalten, bis Sajirin, eine ftebenfrau, biefelbe burtfc Öift aus bem SÖegc
räumt. Sdnrui, ber Sofm 9)tariamS, wirb oom Später ftreng gehalten unb
fchjiefelid) eingefperrt. Tod) baS räd)t fid). Söegen aüerlei Ungered)tigfeiten
empört fid) baä £>eer wiber ben Sd>af), befreit Scbirui unb mad)t ben $ater
jutn (befangenen beS SofmeS. Tie Örofcen bes 9teia>* üerlangen &f)oäru3
Tob, unb SJtifjr £>ormujb ermorbet ifm.
TaS 9teid) oon 3ran treibt wie ein entmafteteS SdȆ bem Untergang
entgegen. 6s folgen bie ftönige: SlrbefdMr (XLV.), ©uraj (XLVL),
$uranboff)t (XLVIL), Hsermtbof fjt (XLVIII.) unb 5aru(^ab
(XLIX.); feiner Oon ifjnen oermag bie weitere Sluflöfung aufzuhalten. TaS
lange ßönigäbrama ift enblia") beim legten Wcte angelangt.
7. Scjbegerb.
tfaum b,at Scjbegerb ben Xfjron beftiegen, ba fenbet Omar ben Saab,
ben Sofm beS 2Öaffä§, um ir)n ju betriegen. Ter Sdm& übergibt bas
Jg>eer feinem Söruber, ber tRuftcm fjeijjt. Tie rufmvreia)ften , aber aud) bie
traurigften Erinnerungen ber Sage leben in biefem tarnen mieber auf. Sie
leben aua) in bem Ticfter, ber fjicr nodj einmal in erfa)üttcrnber Tragif
feine ganje ßraft entfaltet, inbem er biefem 9tuftem, gleidjfam bem „legten
«itter" ^erfiens, bie Säuberung ber fwffnungälofen Sage in ben Wunb
legt. 9tuftem fjat bie büftere 3ufunft in ben Sternen felbft gelcien. @*
gibt feine £ilfe mefjr. Sllle ÄriegSfunft unb aller £>elbenmutf) finb ocr=
gebli*. $aS ©lüd ^at für immer 3ran berlaffen; es ift unrettbar bem
Untergang oerfallen.
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528 ÜBierte* 3tod). fünfte* flapitel.
Sie Äanjel wirb ben flönig*tt)ron bejwtngen,
iöon ?tbü 93cfr, Cmot alles fingen.
2öafi wir getrau, für immer ift'ö Dcrloren:
Ter eflaoe roirb jum ^errfaVr auäerforen,
Hufi ift'ä mit 2bron unb Siabem unb tteid),
lern »raber wirb alles bai juglcid>.
2Öol)I werben fürber wecbjeln lag unb 9tad)t,
Socb bringt fein Sag jurud uni unfre ÜJiadit.
3n Sdjwarj gehüllt, mit feibener Siare
Sen 9lbbäfibenffirften tct> gewabre.
9lid)t golbne ^rad)t, nicl^t perlen, Stidereien,
9ciä)t ©belfteine met)r ba« 9tug' erfreuen,
3hd)t überm Raupte bunte Ofabnen weben,
«djmudloö unb fotjt bic OrürftenbaUen ftefjen.
©eredjtigfeit unb ©belmutb oerfdjwinben,
Sin jeber raubt, waä er bei 9laty mag finben.
2er frrembling trägt ber Äönigöwürbe 3«'*«',
9lid)t lag, nidjt 9ta$t öom Staden une ju weisen;
Hein Zreugelöbnife gilt mebr unb (ein «djmur,
$n £ff)ien ftebt ^Betrug unb SJüge nur.
SSßie gelben ebrt mau feile SÖlbnerrotten,
2er cebten 9titterfcfjaft wirb fredj man fpotten;
Stbtunft unb Stamm, baä ffihnfte fcelbenringen,
iDlutt) unb JBerbienft wirb feine %Tu$t mebr bringen.
Scan plünbert nur unb ftraft mit neuem 9kube,
SBerböbnt mirb (rbrlidjfeit unb Ireu' unb ©laube;
©ebet wirb Orlud), unb SJladjt wirb Snrannci,
9)lit Sant unb ftinbeÄlteb' ift e$ Dorbei;
(fö Wirb ber ®obn be* JBaterä 2 ob erftreben,
2er Sater flud&en feincö gofjne« Heben.
(ii f)«rf(b,en Sdaoeu, jebe* §erj »erbirbt,
Unb »eebt unb Sugenb, alle* ©roße ftirbt.
3luö Jürfen, Werfern, Arabern ergebt
ein 9Jlifd)tiolf, obne Äraft unb Üttajeftät;
Sie epracbe, einft fo Doli unb fdjön unb frei,
3um Spiel' wirb fie, jutn wiberwärt'gcn Jörn,
©elb furf)t ein jeber nur fid) ju erfahrnen,
ÄJiS it)n im Sob bie Oreinbe barum narren;
Unb bie als Sßeife unb alä Oftontme prallen,
Sie laffen fid) für leeren Sunft bejafjlen.
dual, Änmmer, fieib unb Jammer f>errftt)en nur
SEÖie $reubc einft jur 3«t bei Öafjräm @ür.
9lu* ift'fl mit 3ubel, Arbeit, Sttfjerbcit;
Senn überall ftetju ßug unb Zrug bereit,
ftangnefc unb $?interf)alt int ganzen Öanbe,
Sie ©elbwutb löft bie tjeiligften ber Eanbe.
Sie fluider gönnen faum firf) fdjled)te Wili),
Sic gcf)n in Mänteln t»on jadgrobem 3wilcb
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$ie SafienQefäidjte bei Saffanibcn im Sdjätnwme.
Uub beuchein Steligion mit leeren Söaden,
Um anbern ein «ßrofttdjen abjuatoatfcn.
9Jlan mertt ti faum mehr, »ann ber Senj ertuacht,
6« fc^eudjt fein Orteubenfeft bei SEBinterd 9kdjt;
Hein ©läSdjen ÜEßein erquicfet froh bie ftefyle
Unb ftimmt jum 3ubel bie erftarrte Seele.
£a* ift ba§ 3ufunftgbilb, ba§ bcr roadere üluftem am 33orabenb ber
Schlacht bon tfabefta erbaut: bie ganje alte £önig£b>rrlichfeit bon 3ran
bernichtet, baö atte, heitere «Boltethum mit feinem ©lud unb 9ßof)lftanb für
immer bon bcn puritanifch=ftrengen , grimmen, gelbgierigen Arabern in ben
Staub getreten. $oeh toenn 3ran fallen fott, fo foll e» »enigftenä ruhmreich
untergeben. Wit bem SJiuth ber alten unbeweglichen Kerfen ftürjt fi<h SRuftem
in§ ©emühl ber mörberifchen Schlacht unb finbet barin ben $elbentob. $ie
le&te Hoffnung rul)t je&t auf Sejbegerb felbft, ber fich nach Ä^oraffdn mcnbet
unb bort noch einmal bie Irümmer feiner Eiacht jum SBiberftanb ju fammeln
fud)t. £och im Schofee feines eigenen 5Bolfe§ lauert ber fchnöbefte Herrath
auf ihn. 9Kab,ui Suri nimmt ihn freunblid) ju SJterro auf, reijt aber
ben Suranier 33ifä>n roiber ir)n junt Kriege, unb ba ber oerlajfene Äönig
in einer TOfjle Schufc fud)t, befiehlt 9)cahui bem «Müller, unter 2obe3=
brofmug, bem b>t)en ^lüc^tiing baä £aupt abjufdjneiben. Umfonft mahnen
bie um Wafmi Derfammelten Öropen, 3ö^ui, ipormujb unb Scharui, ilm
bon bem fchimpflichen Verbrechen ab. Umfonft erinnert it)n 9Jcthrinufch an
bie furchtbare JBlutradje, roelche bie Sltörber ber alten Könige, beS SJfchemfchib,
beö 3"bfch, be§ Sijamufd), beä Sohraäp, beä Säfenbiar, be* ^iruj unb beä
geblenbeten Jpormujb, getroffen. Sie ganje blutgeträntte ©efd)ichte ber #aja=
niben brängt fich in biefer SRebe in ein gewaltige* Öefamtbilb $ufammen,
ba§ man mit bem Schredenätraum 9ci<harb& III. Dergleichen fönnte.
Allein baS furchtbare, marnenbe Sdjredbilb prallt mirfungSloS an
9Jcohui§ ^rgeij ab, ber fid> Dom armen Birten jum mächtigen Statthalter
emporgefchroungen unb ber burch ben ruchlofen ßönigSmorb — gleich, 5Hac=
beth — nun f elber äönig ju werben hofft. Gr erneuert feinen Ecorbbefetjl
an ben Füller, ber biä baljin noch gezaubert, jefct aber ju feiner TChle eilt
unb ben Don allen berlaffenen, mehrlofen ßönig heimtüdifch crbolcht, inbem er
zugleich ben $luch be3 Rimmels auf feinen Auftraggeber ^crabruft. SJiahui
befteigt jefct toirUicb, ben ftönigäthron, wirb aber alsbalb öon Sifajcn mit
ßrieg überwogen, gefangen unb qualooll getöbtet. Seine brei Söhne roerben
auf einem Scheiterhaufen berbrannt, fein ganzer Stamm roirb ausgerottet
unb bem fluche ber ftachtoelt überliefert. Unb hier bricht ber Sichter fchroff
fein Sieb ab :
Wit Cmar ttechfeln 3«'* u>'b Religion,
2er ftan^el »eid)t ber alte fiönigdtljron.
Sawmgattntr, gDtlttitnotur. I. 2. «uff. S4
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530
Vierte* SJudj. Jünft^ Aapttel.
Ter Scbluß erreicht an ergreifender Iragif bollfommen bie fünften
Stellen ber Xidnung, wie ben 2ob 3*fenbtarÄ ober 9cufiems, ja er wirft
nod> mäd>tiger. Xenn t)ier erft erliegt in bem gelben unb önig ba* alte
ftönig*f)au*, bie alte &elben$eit felbft. Xie f(&lid)te, über erhabene Xar--
ftellung ift öon erfdmtternber Straft, in oollftem Gintlang mit bem (Hanjen.
Xie gefamte ftelbenmelt bes Xfdjemfaib unb £eribun, be* äei &a'u* unb
«ei tft)o*ru, be* Xara unb 3**enber, be$ fröt)lia>n $ar>rant ©ür unb be§
ernften unb geredjten esni Mifa^irmän fteigt mit bem unglüd liefen Sejbegerb
ju ©rabe. Eiemanb ift mefjr ba, um ifnn bie töniglia> lobtentlage ju
galten ober tt>m ein fiolje* ftelfengrab in 9taffdM=9tuftem au**umei«eln.
SlUeä ift auÄgeftorben. 3n tiefer, uneublidfer Iraner Hingt baS Säcutar=
lieb au*.
♦ * *
2Öenn man bon l)ier au* auf ba* riefige 2öerf jurtidblidt, wirb man
bon Staunen erfaßt, wie berfclbe Xid)ter eine fo unabfetybare SBelt ber
bunteften Grfcbeinungen, Grjaraftere unb öanblungen ju einem fo funftbollen
©anjen oermoben, mit einem ©eifte befeelt, bei allem 2öed)fel ber Stimmung
unb Öetbenfdjaft, in einem unb bemfelben 3$ersmaB rb&tfnnifw, unb melobifd)
geftaltet f>at. «Dteift nur gebämpft unb gebrochen, in bämmernbem 3«ie=
lid)t, treten bie alten SteligionSanfdjauungen ber Werfer aus bem groß--
artigen 28eltbilbe Gerbor, ba ber Xid)ter felbft, in mofyammebanifdier Safeung
aufgeworfen, ber ftrengen 9ted>tglilubigteit unb bem Selbjtgefüfjl eine*
fremben gröberer* «Innung tragen mußte; aber um fo geller unb »ärmer
ftrarjlt fein glüf>enbeS 9tationalgefüf>l au§ ben *a&llofen ©eftalten feiner XiaV
tung. W\t foldjer Siebe unb ©egeifterung Iwt fein XiaVer na<$ unb bor
if)m baS alte 3ran gefeiert. (>* ift nid?t bloß ber Stoff, fonbern aud) bie
Seele feiner ^oefie, ber Iraum feiner 3ugenb, ber Stol* feiner 9)canne3=
jafjre, bie fdr)merjlxd)fte unb bod) nod) immer bie liebfte unb lebenbigfte Gr*
innerung be* ©reife*.
2Ba§. in mer/r als jweitaufenb Sauren fein SBolf gefagt unb gefungen,
gelebt unb gefüllt, in ftoljen Xenf malern unb ^aläften bereroigt, in alten
Sagenbüajcrn niebergefdmeben unb in münbltdjer Ueberlieferung weitem
gebftanjt, ba* fjat ber eine Wann treu gebammelt unb gefidjtet unb ju
einem ftranje oerbunben, ber in feinen leben*ooüen färben frrat)lenb aber=
mal* ein ^abrtaufenb überbauert fjat unb bie Srummerroelt be* alten ^erjien
nod) rjeute mit magiid)em ©lanje umleuwjet.
(Sinen großen Srjeil ir>res SBertye* Derbantt feine Xicfctung unjweifeU
fjaft bem großartigen Stoff, wie ifm längft bor ifmi bie Sage aufgeheitert
unb tbeilweiie föon poetifd) geftaltet, treue 2*olf*freunbe behütet, weife Könige
gefammelt Rotten. Xod) feinem ber oorauegegangenen Xidbter war e* geglürft,
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$ie @agengefd)id)te ber Saffaniben im ©djäfjnäme.
531
ben foftbaren 2cha& gu ^ebcn. $as ift ^irbüfis Wext. Gr hat bie
unabfehöaren Stoffmaffen in f anliefe ©ruppen geseilt, bie unjufammen=
hängenben berbunben, StörenbeS auSgefchieben , Süden ausgefüllt ober
überbrüeft, bor allem aber ben Sinn unb ©eift ber alten SöolfSbichtung
erfaßt unb neu belebt unb u)n bon neuem ben Ijalb bergeffenen unb
äerftüdelten Ueberlieferungen eingehaucht. 2öährenb bie lange Steide ber
tfönigSnamen als ein fefter, fajiftcher Gahmen bie überqueflenbe ^üQe
ber £anblung in Schranten fyält, Ijat ^firbüfi bann mit ber fchlidjten
Klarheit, ^eftigfeit unb Sebenbigteit eines Horner bie einzelnen Gljaraftere
herausgearbeitet, bie, fcharf umriffen, in ber ftetS fortfd^reitenben $anblung
fich gegenseitig ftüjjen unb tragen, bie £>anblung weiterführen, bie 9$er=
midlung fchürjen unb löfen. ($S finb feine ©rieben, e§ finb Werfer. £ie
einzelnen ©eftalten gelangen nie ju jener feinen, plaftifchen Slbrunbung, bie
wir in ben Jpomerifchen ©ebidjten bemunbern, |o wenig als bie gefamte
Dichtung felbft jur boflenbeten flaffifchen Einheit gelangt ift; allein fufm
entworfen, poetifch aufgefaßt, lebenSbofl burchgeführt finb biefe (Beftolten
bodj, unb ein großer (SintjeitSgebanfe, ber Äampf beS SichtS gegen bie
dächte ber ^infternifc, f)ält fie jufammen. 3)iefelben SÄotibe, biefelben
Gfyaraftere , biefelben üBermidlungen wieberholen fich, bodj nicht eintönig,
fonbern in ber bewunbernSwerthen SKannigfaltigfeit ber wirtlichen ©efdnchte.
3n poetifcher Schilbcrung h*roifcher Äämpfe, bom einfügen 3n,e^ambf
311m Ungeheuern 33ölierfrieg , ift fein Orientale bem £>omer fo nahe ge=
fommen wie tfirbüfi. $aS Abenteuerliche unb Sßunberbare aber, baS bie
a,riea}ifche Sage in ber Cbnffee bon bem £)eroifchen ber 3tfiaS ju einer
eigenen Dichtung abgetrennt, hat ber perfifche Gpifer mit feinem poetifajen
©efchmad jmifdjen bie einzelnen Gpifoben beS taufenbjäfjrigen SöeltfampfeS
bertheilt unb mit bem 3au&er orientalifcher Stomantif umwoben. Sieblich
unb jort weiß er bie $ulb einer jungen Siebe $u fchilbern, mit tiefer
(Smpfinbung bie Seiben unb Dualen einer unglüdlichen Seibenfehaft, mit
berüdenber Öewalt bie Üteije ber Verführung, mit ^o^eni fittlichen Grnft
ben Iriumph männlichen Pflichtgefühls.
Gin bunte» Söeltbilb bon oerfchwenberifcher bracht freujt gleich einer
farbenprächtigen Öuirlanbe bie eherne Äette bon ßämpfen unb Schlachten,
Herrath unb SRorb, ©emaltthat unb Job, mit ber baS unerbittliche Sd)id=
fal bie 9Jtenfd)heit bebrängt, in immer engern Greifen ben %i)xon bon 3ran
umfchlingt unb enblid) 311m ftalle bringt. 3n erhabener 2öürbe ragt aus
all ben blutigen 2Bechfelfäflen baS Äönigthum empor, mit allem s£omp
orientalifcher £>errlichfeit umgeben, jugleich befchränft unb gehoben burch ben
©lanj beS iranifchen 9Jittertf)umS, bas mit feinem £>elbenmuth unb £elben=
ftolj, feiner ftittereljre unb UtafaOentreue , feinen kämpfen unb Abenteuern
faft beftänbig an baS Mttcrthum beS europäifchen Mittelalters erinnert.
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532
Viertes *u«. fünfte« flapücl.
£od) »ic ber fröhliche König Sepram (^ür fileigt auch ber dichter mitunter
gern in baS eigentliche 3?olt£leben ^etnieber, jum 9frjt unb Kaufmann,
jum TOller unb Schuhmacher, jum Kameltreiber unb SSafferträger, jum
pfiffigen 3uben unb jum Dielgeplagten dauern, jum ©eplauber unb
©eficher ber Spinnftube unb jum frohen 2an$ unb ©efang länblidjer
Räbchen. 3>n wenigen Strichen zeichnet er uns bie weiten Ebenen, bie
gewaltigen Ströme, bie ("infamen Steppen, bie himmelhohen 53«tge mit ihren
^irnen unb ftelfenriffen , ben Wirbelnben Schneefturm im winterlichen ©e=
birge, ben (Bluifftaud} ber Sonne in enblofer Söüfte, aber auch parabieftfehe
^t)antaftelanbfcr)aften unb liebliche $Üpenthäler, wo ein gemütliches ^>irten=
Dolf in jehlichter Einfalt feine* ScbenS fich freut, bleich Shatefpeare^
„Sommernachtstraum" führt unS bie Dichtung aus ben ^alä^en ber Könige
unb au§ ben Sßuben ber £>anbmerfer ins SBunberlanb ber ^p^antafie , wo
Dörnen unb ÜBölfe, brachen unb Ungeheuer, £erm unb Qaubtm häufen,
finftere Diwe ihre bömonifchen ^läne fchmieben, bie Sonne in einer Cuefle
untergeht, Sögel, $äume, Stimmen ber ßüfte bem fiegeSftoljen Eroberer
fein nahes ßnbe Derfünbigen.
23ie in ben gemaltigen Kämpfen dt)im unb 3>nbien, iuran unb
Armenien , ©riechenlanb unb Arabien mit bem alten 3ran jufammen=
ftofcen, fo fptelen 3oroöftcr un0 9WoneS, SkalnnaniSmuS unb 33ubbt)iS=
muS, SRohammebaniSmuS unb §hriftenthum m °ie merfmürbige Dichtung
hinein. Unb wenn $irbüfi auch baS Kreuj unb feine 2ef>re ftolj jurüd=
weift , fo tann er bodj bem jpelbenmuth eines chriftlichen 2WartD,rcrS feine
öewunberung nicht Derfagen. Sein ganjeS ©ebid)t ift Don ber religiöfen
©efinnung eines gläubigen 93?ohammebaner3 burdjweht, ber emftlich an
einen unenblichen unb ewigen ©Ott glaubt, unb in fitilicher ^inficht fte^t
er hott) uöet Dcr ge)awten fpätern perftfehen Citeratur. 3n ben mehr
als hunberttaufenb Herfen finben ftch nur wenige Stellen, bie ein ftrenger
Seurtheiler lüftern ober anftöjjig finben wirb, unb auch fw fwb offenbar
nicht geflieht, fonbern Don ber Sage felbft geboten, £er ©eift beS SicrjterS
ift auf baS ©rof>e unb Schöne, auf baS Erhabene unb £>ö<hfte gerichtet,
unb biefeS ©epräge trägt fein 2Berf. Sein Schofmäme gehört ju bem
Schönften unb (hhabenften , was bie $id)tfunfi außerhalb beS (5r>riften=
thums geleiftet f)flt.
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9teuperfiföe gpil, §ofbiö)tung unb Satire. 533
3cd)3te£f ä a p i t c 1.
3Sie mäduig boS <£d)äl)näme ben alten ißoltegeift aufgerüttelt unb bie
alten 33oIf3erinnerungen neu belebt tyatte, jeigt ftdf) in ber beträd)tlid)en Qafy
ajflifüVr £id>tungen, meld>e fidj an baSfelbe anlehnen, ganj mie bie cttflifdjen
3id)ter ber Öriecben an bie jmei Oomerifd&en (?pen *.
1. £iflorif#e Gpif.
Xie bebeutenbfte berfelben ift ba§ ©erfdw*ps%imef) 2, um 1063 begonnen
unb etwa 1065 öoflenbet. £er unbefannte 3krf offer beziffert bie 3oW ber
Doppetoerfe am Sdjluß auf 14000; bod) ftnb in ben £>anbfd)riften nur
gegen 10000 borfjanben, or}ne baji gröfsere Surfen erftd)tlid) mären. Xer
Uterfaffer mifl offenbor mit ^wbüfi wetteifern, iljn mo möglirf) übertreffen.
„$u mödjteft etmaä öon SRuftem fjören," fagt er, „unb meinft, eS Ijabe
nie einen 9Jtenfd)en gegeben mie if)n ; aber wenn bu bie Äämpfe ®erfd)a»pä
rjernommen fjaben wirft, »erben bir biejenigen ^ufteinS mie eitel SBinb
borfommen. SRuftem mar ein ÜJlann, ben ein böfer £im auf einer Söolfe
beigetragen unb in§ ÜJieer merfen tonnte, ben £mman mit feiner gemaltigen
Äeule erfd>redte, ben ber |)üter be§ SöalbeS in Wajenberan übermanb, ben
8of>rab befiegte unb ben 3$fenbiar ju ©oben marf. 9lber ber 3iper)bar
©erfdja&p ift in feinem ganzen Seben nie befiegt, nie 3U 53oben gemorfen
morben. (5r r)at in 9tüm, üfd)iu unb 3nbien üoObradjt, maS Äuftem nidjt
üermod)te: lein SBolf, fein $iger, fein 2öme, fein $im t»ermod)te iljm 311
miberfteljen. (selbfi atö er fein ^ferb oerloren unb 311 ($?ujj fämpfen mußte,
entoölferte er bie 2Be(t Don iljren gelben."
föanj mie ^\xt>ii[i tyat ber $id)ter au§ alten 5peljIeDi=$ücf)ern gefdfoöpft.
Wudb, baS 3$er3majj ift bagfefbe unb ber epifc&e 2on fo gut getroffen, bafr
in üerfdnebenen £>anbfdjriften fpäter biele Stellen au§ bem (&erfd)a§p=9tämeb,
in ba§ <5ö)ä^näme interpolirt morben finb, barunter eine oon etma 3000
$>oppetoerfen. Wamentlid) burd) munberbare Abenteuer, bie auf ben Unfein
be* 3nbifd)en leeres fpielen, fuct)t ber $id)ter fein 93orbilb ju überflügeln.
3Mefe Abenteuer, öielleidjt oon perftfaVn 2Jlatrofen Ijerftammenb, erinnern leb=
fjaft an ©inbbäb ben Seefahrer. $a§ Säm^ämef) für)rt in 11000 $iftidjen
» J. Mohl, Le livre des rois. Paris 1888. Introduction. I, lv s.«. —
b. Sö)ad, fcelbenfagen (1. «uff.) 6. 63 ff. — £. €t$<, ©runbriß II, 233 bt*
239. — Wölbefe, bof. II, 209. 210.
* „Wämefj" (N&mah) bebeutet „Sud)". 9tid)tiger toöre e«, aud) Sdjäf)*9tüme^
(SchAh-N&mah) ju ^reiben; aUein bie Stfireibitng „S^ü^nitme" ober „©d)ab,name*
ift nun einmal »eiter Utannt unb verbreitet.
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534
Sterte* ©ud). Setzte« Hapitel.
bie ©efdnd)te bc* Siim, eines (?nrelä beS (Hcrft^asp, aus, mit iBeimifAung
Don Dielen fteengefdjiajten unb SBoIfSüberlieferungen au* ber Saffanibenjeit.
3m $fd)ifa^ngir=9tämef) »irb bie SoI)rab--@pifobe beS tfönigsbua)* in 6000
Toppcloerfen auf einen anbern 3of>n StuftemS, Xfc^i^ängir, übertragen, ber
genau wie So^rab, im &f mit bem iljm unbekannten Später, ben
glän^enbften $elbenmutf) beroät)rt, aber fcfcliefilid) Don itjm beftegt unb getöbtet
wirb. $aS ^aramur^Wämel) (1500 $oppetoerfe) oerf>errlia>t ftarämur},
einen anbern Solm ÜRufieinS, ber glorreidj gegen bie $embc be* Wufajab
ju gelbe jieljt, Diele Ungeheuer unb 9htfd)ab fe!6ft überroinbet unb enbüö)
nacb, tieffinnigen Disputen mit ben SJrafjmanen einen inbifdjen £önig unb
beffen 93oIf jur Religion ber Werfer 6efcr)tt. 93änü, eine Softer 9iufteinS,
ift bic frclbin beS ©to$ufd)äsp:Wümef), eine füf)ne Imajone, bie auf bic
^öroen;agb unb in ben ßrieg jieljt, aüju fü^nc freier mit einem Säbelfneb
mitten bura^aut unb Derjauberte ^rinjen aus if>rer fatalen Sage als 23alb=
efcl befreit. $a bie ©rofcen beS Steides fidj um tyre £>anb blutig raufen,
befdjliefien Äuftem unb Act tfa'uS, jte mit bem tapfern unb flauen &\m
ju Dermalen ; aber fic fnebelt if)n mit feinem eigenen Öürtel unb wirft ib,n
Don feinem Sljronfty Ijcrab, unb es bebarf 9tuftemS cnergifa^er ^ajmifd)ciu
fünft , um bie übermütige fturie 511 bänbigen unb enblicö, 9iur>e im £>auS
ju fdjaffen.
$ie umfangreiajfte biefer epflifdjen Haftungen ift baS 3arju=9iämef)
oon bem 65 000 SoppelDerfe erhalten finbr aber no(b, etwa 3000 fehlen,
baS alfo felbft noch. baS #önigSbud) beS girbufi an Umfang übertrifft
$er $id)ter beginnt mit ber @efdjid)te bes Sofyrab unb menbet fid) bann
beffen Solme Sargü ju, an ben &af>llofe Abenteuer mit lauter neuen Warnen
gefnüpft finb, mit berfelben UJerfidjerung jebod) mie im Sd>älmäme, alles
fei aus einem alten 93ud)c genommen. (Sine größere ßpifobe biefeS 2SertcS,
aus bem ebenfalls Fragmente in bic £>anbf Triften beS 3cf)äf)nämc hinein--
gefajmuggelt finb, l)cipt 3ufen=Wame§ (baä Jöuoj ber Sängerin) ; bie Jpelbin
ift nämlicft eine turanifefcc Sängerin, meiere fidj burd) Derf^iebene Öiftcn
ber Dorjüglidjften iranifdjen gelben bemädtfigt unb fic gefangen 9lfrafiab
in bie $änbc liefert, eine leibhaftige 5ßorläuferin Don Saffos Slrmiba.
£as $af»nan=!Rämef) (10000 $oppetoerfe umfaffenb) hat feinen Warnen
Don iBafmian, bem Sohne $Sfenbiar§, beftfcäftigt fid? inbeS roeit mehr mit
töuftem unb beffen gamilie. Wa$ SBalmianS l^ronbefteigung unb feinen
Abenteuern mit Äataiun, ber Softer beS Königs Don äafdjmir, unb mit
£omäi, loajtcr beS Königs Don Aegypten, tritt fofort gtuftemS Sob in ben
SJorbergrunb unb SBahmanS 9faa>pläne gegen beffen Familie. §m ^weiten
2^cil mirb bann ber ftampf gegen Sciftan ausgeführt, ber bamit enbigt, büß
' Gö füllt auf ber in «pari» befinbtid)en «bf^rift Slnaucti« 1359 Seiten.
i
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Weuperfifdje dpit, £ofbid)tung unb Satire.
585
3ol gefangen, Jatamurj getöbtet, bie übrigen (nben Stuflem* nacb afdmiir
oerjagt roerben. %m britten Zfyii werben bie lödrter ftuftem*, $änu--$uf*äsp
unb 3erbnna, bis nad) ^nbien oerfolgt, bie Äönig&gräber oon SeYftan
gefdtfnbet, 9lberber$in gefangen; im oietteu lb,eil iebod) ?(berberjin roieber
befreit. Warf) erbittertem £ampf sroifaVn ifjm unb Skbman tritt ber ledere
bns töeidj an $omäi ab unb ftirbt auf einer ^agb. 3m Vorwort oerfidjert
ber $td)ter, ganj roie ^irbüft, er gebe lebiglicb alte Ueberlieferungen roieber.
$iefelben finb nid)t ftirbüft entnommen, faben aber roirUid) bas altepifaV
(Gepräge, ©clegcntii^ oerroedjfelt ber Dieter Ätefipfjon mit 3?agbab unb
oerfefct ben fterun Öafi (b. fj. ben Äfwlifen ftiirün at=»afd>tb) in bie alte
3agen$eit. $as 2öert ift bem Selbfd)uriben= Sultan Wafmtub, Sofa beS
Walef Sdjaf), geroibmet, ber gleid) Wafmiüb oon (»tyajna ein freigebiger
(Stönner ber ^oefie mar.
Mc biefe gpen ftammen aus bem 11. ober ipäteftens bem Anfang
bes 12. 3a Wunberts (5. 3afcbunbert ber &ibföra). <£in üolles $af)x--
fanbert bauerte alfo ber (JinfluB farbufis fort. Nile biefe $id)ter finb aus
feiner Sdmle unb atnnen tym beroufet ober unberoufjt nac$. ftreilid) beftyen
fie nicht fein feines ßunftgefübl. Sie hänfen fabeln unb Abenteuer, ofme
aus ber $ülle beS Stoffes bas iöebeutfamfte auSjuroätycn unb es fünftteriio)
^u burebbringen unb ju oerbinben. Sie erreieben ilm aueb niefct in ber
itollenbung ber #orin. jod) finb ifjre Sterte eebte ^olfspoefie, ber alten
SBoltSüberlieferung entnommen unb in ecfjtcm 3?oltsgeift ausgeführt.
©erabc bureb ben 3Öetteifcr, bas JperoifaV noa) meb,r auf bie Spifce
ju treiben unb firf> gegenfeitig 511 überbieten, mufete ba* ^ntereffc für bie
epiidje ^oefie nachäffen unb imlieBltd) erlahmen. $er befte Stoff mar im
®runbe bereits burd) bas Sdiäfmäme einigermaßen erfeböpft. $ie 3bee,
einen 9cationalbelben roie 9tuftem noa) burd) neue (Srfinbungen ausfielen
*u wollen, mar eine entfebieben unglürfliebe.
2. Äomantifcfce @pif. <&is unb 91 a min.
ftatte fdjon ftirbüfi unter ber roetterroenbifeben Saline eines fremben
Xespotcn ferner 511 leiben gehabt, io hatten bie fotgenben £id)ter einen nod)
fcfcroierigern Stanb, als ^erfien roie ctjebem ber SpielbaÜ ftäter 9?aub= unb
$roberung*triege mar, bie Warbt ber Öma^naöiben gleid) jener ber $ujiben
bem Ärummfäbel ber Selbfdmten erlag, bie Sultane oon @bur ben mädjtigern
ScbaljS oon tff)roäriSm meinen mußten, biefe felbft nebft bem Selbfd)ufen=
reid» unb ben legten Krümmern bes ßbalifat* oon Sagbab unter bem
91 nb rang oon TfdjengiS #f)an§ 9Jiongolenf>orben (1258) ?utiammenbrad)en.
3Öie foOte fia) unter biefen nimmer enbenben Hnimäljunflen jenes frifd)e,
freie ^ationalgefüb,! ehalten, roelcbeS bie £id>tung ^irbufis burebmebt? ^ie
fremben Gröberer Ijatien fein ^ntereffe, ein folrfjes 511 pflegen. Tic Xidjter
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536
-imitecs -ouaj. ^ea)oti9 Kapitel.
maren barauf angemiefen, ihnen ju fchmeicheln unb fie unterhalten.
Seher fjiftorifäe Ueberlieferung noch ibeale ^d^önt)eit feffelte jene moham=
mebanifchen Sarbaren. $aS einzige r maß Unten jufagte, mar ihr eigenem
£ob unb ein allenfalls etwas berfeinerter Sinnengenuß. 2BaS tümmerten
fie fid) um 'Sfchemfchib, Lüftern unb 3sfenber? Sie wollten fich in ihrem
eigenen ^Ruhmesglänze fonnen. So mürben bie großen Erinnerungen ber
Vergangenheit aus ber epifchen ^3oefie berbrängt. 51n ihre ©teile trat baS
fcobgebicht nach arabifchem dufter. Someit bie Sßoefie aber noch mirtlich
epifch blieb, manbte fie fich meinen, üppigen SiebeSgefcfnchten ju, melche in
mehr ober meniger moflüftigem ion leiste Unterhaltung unb Sinnenfifcel
gemährten.
Ein 91nfafc t^ier^u lag fchon in ben romanhaften Sagen beS ftönigS:
buche»; boch trat baS erotifche Element fytx fcfir in ben ipintergrunb unb
mürbe burch eblere, ritterliche Wotibe jurücfgebrängt ober menigftenS im
Ctfleichgemicht gehalten. 9luch bie ältere Sage fyatit inbeS fchon oöflige
Montane $u 2age geförbert: fo jenen bon 2Bämif unb Stdrä, ben f^irbüfis
3eitgenoffe cUn<?uri (geft. 1029) in 180 Seite erneuerte; fo ben biel um*
fangreichern SRoman bon 2öiS unb 9tamin, melchen ber dichter 2)fchurbfchänt,
ein £)ofbeamter beS Selbfchufiben Soghrulbeg um baS ^atjr 1042, nach
einer ^ehlebUSorlage in mehr als 8000 neuperfifchen Herfen bearbeitete1.
$er iRoman ift moht ber einheitlichfte unb pfödjologifch fpannenbfte,
aber auch her üppigfte unb leibenfchaftlichfte, ben bie Werfer aufjumeifen
haben, man hat ihn, nicht mit Unrecht, mit „Triften unb ^folbe" bcr=
glichen. Xie ©efchichte gleicht fich in bieten fünften, menn fie auch in anbern
mieber ganj berfchieben ift, baS teltifä>beutfche EpoS tragifch enbet, bas
perfifche bagegen mit einer fröhlichen ^ochjeit ber beiben fiiebenben. SBeibe
berherrlichen, mit bem reichften 91ufmanb bon Söort unb ftoxm, bie Stacht ber
ßiebesleibenfchaft, bie alle Schranten burchbricht, alle £>inberniffe überminbet,
alle ©efefce übertritt, trofc 2ug unb 2rug bie eigene Unbeftänbigfett über:
bauert. £aS farbenglühenbe Eolorit unb bie höfifch=Jünftliche WuSflattung
erinnert übrigens mehr an 9lrioft als an Etottfrieb bon Strasburg. 9ln
Stelle bes Königs ÜJcarfe fleht tytx 5Jcobab, ber orientalifche Schahinfchah,
ber bon tDierm aus bie ganje 2öelt regiert. Sei einem im überfchmänglichften
^omp gefchilberten £>offeft bezaubert ihn bie Schönfte ber Schönen, Sdjahrü ;
aber fie ift fchon oermählt mit ßäran, bem tfönig beS ßanbeS Üttäh;
einjige, maS er erlangen fann, ift baS SBerfprechen, ihm bereinft ihre Tochter
jur Stau $u geben, bie aitgenblidlich noch nicht geboren ift. 3n ber Zfyat
mirb fie benn auch 9)cutter eines TObchenS, bas ben tarnen 2BiS erhält unb
1 Ä. @raf, 2öt« unb 9iämtn (3eitfd)rtft ber $cutfd)ett SOtorgenlanb.
©efeUtö. XXI11, 37Ö-483).
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9Jeuj>erfifd)e (nuf, \>ofbid)runfl unb Satire.
:>37
ba§ ibre eigene Sajönbeit weit überftra^lt. Allein bis 3ßiS jur blüb>nben
Jungfrau r)erangetDO(^fen , ift baS SBcrfpred^en längft öergeffen: bie Butter
will fie, nad) iranifajem $raud>, mit ifjrem ©ruber Sötrü Dermalen. 28iS
ift ee jufrieben; allem SRobab erinnert jefct an baS gegebene ©erfpreeben,
unb ba eS tf)m abgefangen wirb, überjiebt er baS ßanb 3)täf) mit tfrieg.
ßönig tfäran fällt. föeidbe ©efa>nfe beS edjafnnfüjalj unb Gröblingen
ftimmen bie oerwittroete Königin 6<babrü um; fie liefert ib>e junge Zotyn
an ben ungeftüm werbenben SHonarcben aus, ber üjr fein ganjeS Äeid) ju
fyüfcen legt, aber oergeblid) um ibre Siebe wirbt. Wurf) ftämin, ber jüngere
©ruber beS ÄönigS, ber fid) je$t in fie »erliebt, wirb lange flanbbaft Don it>r
abgetoiefen; boeb eine oerf djlagene , fupplerifcbe Amme überwinbet fcbliefcli^
ib>n SMberftanb, unb 2ÖiS, bis babin baS fjarmlofe Opfer beS SJerfprecbenS,
baS einjt ibre Butter gegeben, ein aüd)tige*, jurürfballenbeS &inb, wirb mm
jur tollen Abenteurerin, bie oor niebts mebr jurüdftbredt, trofct unb fjabert,
lügt unb betrügt, alles in bie Sdjanje fdjlägt, um bei ifjrem Sramin ju fein.
3n ber unritterlidtften, ja gemeinften Söeife wirb ber alte Äönig, ber 95MS
eljrlicb liebt unb iljr wieber unb wieber oe^eibt, in bie 3rre geführt unb
Untergängen. 3n [einen eigenen ®emäd)ern fpotten bie beiben feiner gut=
mütbigen SkrtrauenSfeligfeit , wie fpöter feiner ängftlia>n ©orfiebt. ©er:
geblitb fd>idt Wobab bie friedfertige 2BiS iljrer ÜJlutter surürf; Q\^a\t> ift
SRämin ba, um feiner 511 fpotten. ©ergeblidj fperrt ber alte ©cbab bie
ungetreue 2öiS in ein ein|ame*, faft unjugänglicbe* gelfenfdjlof} unb läjjt
fie oon feinet« brüten «ruber 3erb aufs ftrengfte bewogen; 9iamin weiß
aud) ba fid) Eingang 311 oerfajaffen unb lebt oerftoblen brei Vierteljahre
mit SSiS in Saus unb ©raus, ßnblicb ertappt SKobab baS ef)ebrea>rifa)c
Sßaar unb ift nalje baran, geregte Staate an ilmen ju nehmen. Aber
trofc aüen Jammers bängt er nod) immer an bem jungen SÖeib, baS
tbn oerfd)mäf>t. Gr oerträgt fid) mit 9iumin unb mad)t benfelben jum
etattbalter über brei ^rooinjen. Auf ber 3agb lernt Äämtn bie bolb:
feiige Öul fennen, bie ^rinjejfin oon ©uräb, bie unter Äofen geborene,
üermä^lt fid) ganj unbebenflieb mit tyr unb ftbmört iljr benfelben £(bwur,
ben er juoor 2öis gefroren:
„Solang auf €rben Serg unb 5f)at fid) breiten,
©ifjun unb 2igri£ nad) bem ÜJleere gleiten,
2>er Duell ba« JBBaffer, biefe* 5«fdje bringt,
Tuntel ber 9lad)t, bem Sage fitd)t entfpringt,
31m Gimmel SDlonb unb «Sonne fu$ erbebt,
(£mpor im ©arten bie 6upreffe ftrebt,
3>er Äbenbtoinb burdj bad Gebirge mebt,
3)er toilbe 6fel burtb bie SteDpe geb^t,
Wirft bu bei mir, merb' idj bei bir fteW fein,
5Öebad)t auf unfre Siebe nur allein."
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538
©iertea »u$. £crf)*tcö Äapitel.
Ueber ^>a§x unb *Jag ift er inbe» bcr neuen Siebe überbrüffig unb
fenbet SBotfdwft über 33otfd)aft an 3öi», bie etft grollenb unb fdmtoUenb
ftd) an feiner $reuloftgfcit rftd)t, bann aber bie frühere Siebe mieber er;
mad)en füljlt unb fidj mit SRämin oerföljnt. 9tad)bem fic eine Söeile geheim
jufammen gelebt, fyllt fltätnin offenen Einzug bei &ofe, um feinen betrug
mieber in größerem etil 511 betreiben. Ein 3$erfudj, bie beiben $u trennen,
foftet bem treuen 3ero baS £eben. ßönig *D2obab felbft Wirb Don einem
(Sber auf ber $agb töbtlid) bermunbet, unb fo fallen benn ifjron unb ÜReid)
an ba» lügnertfcfcc, falfd)e unb treulofe ^aar, bem bie ^oeftc um feiner
©djönljeit unb 3«genb mitten natürlich alle» berjeiht. $ie iranifdje Woral
berührt fid) ba mit ben aflermobemften.
$te Anregung 511 biefer Neubearbeitung fd)reibt ^föurbfdjäni feinem
©önner, bem Statthalter 5tmib=ub=btn Wbüj'k^ath in 3»pahcin ju, ber ihn
einmal, mahrenb ber £of über 2£inter nad) ^amabän gejogen mar, bei
fid) behielt unb U)n über bie ©efdnthte bon 2öi» unb 9tämin befragte. $er
$id)ter crtlärte bie ©ef dachte jroor für feljr fdjön, meinte aber, fie müfctc
aus bem ^ef>lebi in ba» neuere ^erfifd) übertragen unb beffer aufgepuftt
werben. „9Jtan oerftanb [ich nid)t auf 1Md)tfunft unb jierlidjen 2lu»brutf,"
fagte er, „unb mußte nicht, mie bie $>arftetlung burd) SßerSmap unb tReim
in ba» redete 2id)t $u fetten ; fo ^aben fie ftd) um ben ^nttalt ber (Srjäljlung
bemüht, ilmt aber nid)t ben Sdjmud be» 5ßer»maf$e» unb be* SReime» an*
gelegt." darauf trug ihm bann ber Statthalter auf, „biefe ©efd)id)te ju
fdhmürfen, mie ber Mpril ben Warten mit SMumen fcbmütft". @o ift au*
ber fdfolidjten SBolteeqählung ein breitfjjuriger Vornan in Serien gemorben.
„5)em jüngern ^Bearbeiter gehören wof)l bie weitfdjweifigen ^Betrachtungen
unb Erörterungen, bie in gefugten Silbern unb SSergleidwngen fidj ergebenben
SBefchreibungen , währenb er es nur feiten oerfteht, anfdwulid) $u erjählen
unb ju fdnlbern; bagegen gehört fd)on ber ältern @r$äf)lung al» eng mit
bem 3nf)Qtt oerbunben eine gemiffe 9tofjeit ber töefinnung an, bie unfer
feinere» fittliche» ©efühl abftöfjt, an welcher aber ber ^Bearbeiter feinen Wnftoji
genommen t>at. %xo§ moralifirenber trafen fomrnt boch bie DJtoral überall
§u furj, unb bom Stanbpunft ber Sittenfchilberung betrautet, bilbet bie
Erjählung eine üble 3Huftration ju ben Sobfprüchen, meldte einft bie ibea=
lifirenben (kriechen, biefleid)t burch bie liebensmürbigeu formen ber Werfet
beftochen, oieüeidjt nur auf ©runb ber Ermahnungen be» 3e"0flbefta, ber
2Baf)rhcit»liebe ber Werfer erteilten l. SBon einer Pflicht ber 2Bar>rt>aftigfeit
fer/einen meber bie ursprüngliche ^rjftr)Iutifl nod) ber neuere Bearbeiter ein
SBemufetfein ju fwien, ber 2tolf»d)arafter fd)eint bielmebr in biefer £inndjt
ju jeber 3cit einer unb bcrfelbe gemefen ju fein. eblere ei)araltere
1 Xu n der, ©cfdjidjle bcr Hrier S. 551 ff.
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tteuperftfdje €oit, §ofbid)tung unb Satire. 539
nad) unfern ^Begriffen erfd>einen nur ber überall belogene unb betrogene unb
Sulefrt burd) einen bloßen unglüdlidjen 3ufatl umgetommene Äöntg ($>tobab)
unb fein Stiefbruber unb SBcjier, ber oerrätbertfd) gemorbete 3*rb, nidtf aber
ftämin ober SZÖis, tro$ aller oon bem Siebter aufgebotenen, überfd}tt>äng=
lid)en ÖobeSerbebungen unb mofdj>u3buftenben ®d)önf}eit&befd>reibungen.'' 1
3. *»ijämi.
3u feiner tlaffifdjen $toüenbung gelangte ber oerfificirtc Siebesroman
ober, loenn man lieber miß (ber Wusbrurf ift nun einmal fd>on fo gut wie
eingebürgert), bas romantifdje @po§ erft etwa ein ^a^rfjunbert fpüter burd)
ben Tid)ter ^tyinuefebin 9lbü 9Rofjammeb 3Ijä§ bin ^üfuf ober 9ti$ämt 2,
geboren 1141 im 3*erglanbe Don ftutnm unb geftorben 1202 $u ©cnbfcbe
(feilte ^eUfaroetpol) , wo er ben größten Ztyeii feine* 2eben§ jubrad)te.
Mußer einem Birnau , b. b- einer Sammlung lnrifd)cr unb bibaftifdber
ökbidjte, unb einem großem moralifdjen £efjrgebid)t „^DMdbjan uLWsrar"
(Wagajin ber ©efjeimniffe) hinterließ er oier epifdje $id)tungen, meldje oon
ben ^erfern bis t)cute 51t ben f»öd)ften Weifterwerfen tyrer ^oefie geregnet
werben. Tos" erfte, „ftfyuSrau unb Sd)irin", bebanbelt bie £iebe§gefd)id)te beS
Sdwf) ,^bn*rf« ^ßarüij mit ber ObriftenftlaDin Sd)irin (ber „Süßen"), bie
^irbufi furj aud) bem lefcten ItycW bes 2c^ab,name einoerleibt r)at s. £a§
zweite, „£ailä unb OTebfdjmm", frfjließt fid) an eine arabifebe Sebuinenfage,
meld)e in einfadjfter $orm, aber febr leibenfdmftlid) ba* traurige 2d)irffal
eines nnglürflicben Liebespaares oerfjerrfidjt unb im ganjen Orient bie weitefte
unb bauernbfte $oltstbümlid)feit gefunben r)at. Siegen eine§ ftowilicnjwiftea
barf bie fdwne Satü nid)t ben $eY3 ober 9Jiebfdmun r)eirnten, ben fte wirflid)
liebt, fonbem wirb einem anbern bomebmen Jüngling angetraut, ber if)r böllig
gleicbgiltig ift unb bem fte bas fd)Iießlid) aud) geftebt. tiefer grämt ftd) barüber
$u 2obe, unb £ailä märe nun mieber frei; bod) $cY§ ift injmifdjen üor
Trauer mabnfinnig gemorben, jief)t oerftört in ber SBüftc fyerum unb ftirbt
oerlaffen in feinem Örante. ^uret) einen manbernben Araber gelangt bie
$unbc 51t Sailä, ber barüber aud) bas" £>er$ bridjt, unb bie ©terbenbe fyat
nur nod) einen SiMmfd), mit jfte'te ^ufammen begraben ju roerbett. 9ii$ämi
bat bie (^rsö^lung in mirtlicb ergreifenber (Sinfadnjeit , mit wabrem, tiefem
©efüble burdjgefübrt 4.
1 Ä. <8rnf a. a. ß. @. 378.
8 28. »aeficr, Stijämiö Seben unb Berte. Seidig 1871 (englif* überfefrt
ßonbon 1873; abgebrurft in S. Bobinso» , Persian Poetry for English readers.
London 1883).
3 Hnalnfe bei ftammcr.^urgftall, Stfiirin. Gin perfiifi&cö romaiüiidje*
Gebidjt. ßeipjig 1809.
* englifdje Ueberfe^ung oon J. Atkh<»on, Laili u Maj nun. London 1886.
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540
Sierte* 99u$. eegetr« Aopitel.
SDaS brüte romantifche Epos beS 9cijämi fyat ben 5£itel „$)ie fteben
Schönheiten" (£>aft s$aifar). 3>iefe fieben Schönheiten finb ebenso Diele
^ßrinjeffinnen , in welche fich ber leichtlebige Äönig Bahräm ®ür oerliebt;
eine babon ift jene luränbocht (b. h- Üocbter bon £uran), meiere @ojji
unb na$ ihm ©editier jur (Shinefin 2uranbot gemacht haben. 3ebe biefer
3-aüoritinnen ober „WonbSgefichter" erjählt eine SiebeSgefdnchte 1. 3n feiner
bierten Epopöe enblich, bem 3Sfenber=9cäiueh , f)at Wijami bie 9ller.anbers
fage neu bearbeitet. Vereint mit bem „9Waga$in ber (Beheimnijfe" werben
bie bier Söerfe !Rijami§ „Fünfer" (CUjamfe) ober bie „5ünf Schäfce"
(^anbfcb Öanbfch) genannt.
Schliefet fich auch 9Hjämi in ber 9Bab,l feiner Stoffe noch thetlmeife
an baS ältere GpoS an unb läßt er fich auch im Erzählen behaglich gehen,
ohne um bie Einheit feiner Fontane allju beforgt ju fein, fo fehlt ihm boch
böüig bie nationale Begeifterung. Er fchöpft nicht mehr aus ber eigentlichen
BolfSüberlieferung , fonbern aus Büchern unb mehr noch aus ber eigenen
$h<intafte. 3hm tfl es hauP*fäcWd> um )$öne Öefdnchten ju thun, an
welchen er feine Äunft unb ftormgemanbthcit entwicfeln fann, unb ba ift
ihm ein arabifcher ober hal&griechifcher Stoff ebenfo recht wie ein perftfeher.
$ie epifche Sage oerliert bei ihm ihre Einfachheit unb flraft. (Sin weicher
SbriSmuS bemächtigt fi<h ihrer, taucht fte in romantifche Beleuchtung unb
umwebt fte mit allem 3auber einer feinern ftunftpoefie. Wm meiften nähert
fich ttijämi ber alten Epif noch in feinem Slleranberbuch 2, in welchem baS
Iprifche Element nicht fo ftarf bominirt. $afür brängt fich bann freilich
baS bibattifche bor, unb ber Sagenftoff, ben fidt> bie Werfer fchon früher
nur fünftlich angeeignet hatten, erhält hier noch weit mehr frembartige
Beftanbtheile als in ftirbüfiS ÄönigSbua). 3sfenber ift nun Weber $if<h
noch ftleifch, b. h- weber ein richtiger ©rieche noch ein eigentlicher ^erferfjelb,
fonbern im erften 2heil ein jiemlich phantaftifcher Söelteroberer, im ^weiten
aber ein noch feltfamerer ^fnlofoPh ««b Prophet, wie in anbern Orientalen
Bearbeitungen ber Mlerauberfage. 3nbem ihn Wjäim aus bem Statunen ber
perfifchen ÄönigSgefdnchte heraustreten liefi, fuchte er Neuheit unb Sntereffe
baburch ju gewinnen, baf; er theils einzelne Abenteuer weitläufiger ausmalte,
theilS belehrenbe unb religiöfe Betrachtungen baran fnüpfte, bie mitunter
1 groben bei fr ©rbmann, 28ef>ramgur unb bic IRufftfd^e Srürftentothtcr.
«ajan 1844. - SEÖ o U h e i m - 5 o n f e c a , %\t ftational.ßtteratur ic. II, 155-163.
» 3>er erfte S$eü überfefct bon Ä. 30. Glorie, Bonbon 1881. — «u^Üge
bon 91 üdert, ftrauentof<henbu<f>. «Nürnberg 1824. — 33gt. F. r. Entmann, De
expeditione Russoruin Berdaam versus. Kasan 1826. — Charmoy , Expedition
d'Alexandre contre les Russes. St-Pötersbourg 1829. — Or- © P i f g * l »
Süeranberfoge jc. (ßeipjig 1851) S. 38 — 50. — SBom jweiten Sb^eil Äufyüge bei
JBadjer, ftijämi* Beben unb Söerfe 6. 101-171.
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fteuperfifdje gpif, §ofbid)tung unb Satire.
541
poetifd&er Sd)önf>eit ntd)t entbehren, ober bcr epiföen griffe unb Cbjcctiüität
bod) grojjen (Sintrag t^un.
2Bäl)renb ftirbufi j. 53. feinen 3Menber jugenblia) fütm unb Ijelbenfjaft
meiter bur<$ boS Öanb ber ftinftcrnijj öorbringen läßt, nacfjbem er tffnbfjrS
ftäljrte jum Cuefl beS SebenS Derloren, läfjt 9iijumi ifm öor Trauer faft
Derjmeifeln.
So blieb bei Srürfi nun ftebn im finftern Sdjattenreidj,
Qi würbe fdjwarj iljnt gar ber £ag unb fdjattengleidj.
3ebrt jeber, ben man fiet>t, am Seelengrame bodj,
6r fwfft, Dom fiebendaueH merb' er einft fofxen nod).
S)od) ali JBerjweiflung iftn ob jene« $fab6 öerjebrt,
Xer lebeutöbtenb mar, ba madjt er enbltdj fef)rt,
Unb ganj füllt ifjn ber @ram, Wa$ weiter ju beginnen,
Um fidjer jenem Seid) be8 SdjattenS ju entrinnen.
(Sbenfo ernft melancfcolifä tfl bie Begegnung SHeronberS mit bem (Snget
3*rafU (f)ier Serofd) genannt) ausgeführt, ber ben Gröberer tuegen feiner
unerfättliaVn #errfd)gier tabelt, unb an bie «Warnung ber unftajtbaren
Stimmen fnüpft Wsämi bie eines "IReifierfängerS ober beS ljoflänbifa>n
EaterS (SatS mürbige 33etratf)tung :
3nbeö 3*t*uber if>n nidjt fat) trofy feines Strebend,
SGßarb €t)ifer ungefudjt ju tfjeil ber Duell bes i'cbenä;
Surdj Ortnfterniffe mu& in Sit' 3«tenber )ter)n,
$en liebten «Pfab jum Duell — e« ftnbct <^t)ifcr ifjn.
$ie Sütffty Weranberä aus bem Sanbe ber ftinfterniß fdjitbert Wjämt
fotgenbermajicn :
Xa fo oertraut nidjt toarb ber ftürft mit jener Duelle,
eilt unoerweilt er tyim jum Duell ber $age«f)elle ;
Unb audj baß §eer brad) nun jur JRüdtetjr auf fofort,
3m Sinflang mit bed Sdmtjö gebieterifd)em äöort.
3Jlan naf)m ganj ebenfo ben Sauf jefct wie juoor,
$iefelbe ©tute ging oorauf jefet wie jubor.
3) er 2age oierjig fo oerfl offen abermalö,
Sa fam ba* Snbe erft t>ert>ei bed finftern 2t)alä,
Unb aud @ewÖ(t Ijeroor trat t>eU ber Sonne Straf)!,
$0$ litt bur$ 2Baffer«nott) ber Seib bed ßönigd Dual.
2öad @ott il)m nidjt befdjert, bem b,at er nachgejagt,
£odj frommt bie 3agb auf ba«, wad ba« ©efdnd oerfagt?
9hdbt 3iemt fid)'d, ba& ber 2Jtenfd) fein Co« errennen wiK,
33on felbft fommt jebed Cod — fttj bu nur rutyig ftill!
$er ftreut ben Samen aud, unb jener mäfjt bie Saat,
Beglfidt, Wer für bie« SQBort fein Oh,r nod; offen tjat.
ajlan foll ja fäeu nid>t für fidj nur immerbar,
Ücnn übers OttaB fjinau* gebt ber Söerjeljrer Sd)ar;
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542
»ierteö »ud). Scdifltes Aapitel.
$er ©arten, beffen Saat beflettt in frübun lagen,
§at er bo<$ ftrüd&te ftet« ber 9la$melt erft getrogen!
Unb toie gar mand)ed fo gefat marb unfcrtroegen.
So werben mir nun audj für anbre Saaten legen.
2enn toenn mir redjt befdjaun bat ©aatfelb biefer 2Belt,
9htr rttretnanber aß befteöen mir baS ftelb
4. Bicberholung bcrf el b c n Stoffe. $ie flaffifd^eit
CiebeSpaare.
WjämiS gtnflun auf bie weitere dnttoicflung ber gpif fonnte fein
günftiger fein. Mehrere bebeutenbe Dichter ber nächften Sahrhunberte nahmen
nicht etwa ^irbüfi , fonbern ihn 311 ihrem 93orbilbe unb befc^ränften fich
nicht barauf, ilm in Sprache, Mebefchmurf unb Reinheit noch überbieten }it
wollen, fonbern gelten fidt> auch naheju ausschließlich an bie üon ihm be=
hanbelten Stoffe. So fcfjrieb 9lmtr ftljuSrau öon Delhi (geft. 1325) übermal*
ein ^Stenber^iameh, ein romantifchcS GpoS ftlutSrau unb Schirin unb bie
acht SiebeSgefchicbten beS Schaf) SJahräm $ür unter bera 2itel „Die acht
^arabiefe" (£af<ht SBünfcht). Dfchami, einer ber fteben großen perfifeben
ßlaffifer (geft. 1492), fchrieb noch ein 3*tenber= Warnet) unb eine neue
Bearbeitung bon „Saila unb SHebfcbnün". $ätifi &efnng am Anfang beS
16. 3aljrhunbertS bon neuem flb,u§rau unb Schirin unb bie SiebcSgefcbichten
beS 58ahram Öur unter bem litel „Die fieben tfufihäufer" ($>aft Wanjar).
9tbb:al=Salnm 3&n 3&rähim auS ftafömir fügte $u ben bisherigen noch ein
neues 3§fenber=9tomet). 9?ijämi fjatte noch nicht entfehieben an ber Ueber=
lieferung gerüttelt, $ufolge welcher Mleranber ber ©rofie öäterlicberfeits au*
Werften ftammte. Das mar ben echten <Dcohainmebanern noch nicht genug:
er mußte ein Araber fein. 9lbb=al=Salam gibt ihm be^alb eine Butter
au* dfauS Stamm, bie auf ganj munberbare Seife SHuttet wirb unb bann
ftirbt. ^h»»PP««r »ber Uönig ber («riechen, Muffen unb ganten", finbet
baS #inb neben ber tobten Wutter liegen, nimmt es als fein eigenes an
unb läßt es oon HriftoteleS ergehen. So oerbrängte ber Äorän immer
mehr bie filtern perfifchen Ueberlieferungen , ohne etwas BeffereS bafür ju
bieten. Der Äreis ber ^oefie fchräntt fich immer mehr ein, unb ber eigentliche
epifche Öeift fdjwanb ganj bahin.
W\t nachtheilig ber tÜcohammebaniSmuS auf bie ^oefte mirfte, jeigt
fich noch beutlicher an einem anbern S?eifpiel. Um bem Lerbach* ungläubiger
ober tefcerifcher ©efinnung ju entgehen, fah fich ber greife {yirbüft felbft nach
1 Gtl)f , 3Uejanber8 3"g jum fiebenäouell im ßanbe ber ^rinfternig (Sityungö«
berichte ber fönigl. bat)erifdjen ?lf abernte ju SJtündjen. 6. 9Jtai 1871) ®. 344 ff. —
Jügl. fjf. Spiegel, 3ie Slleranberfage bei ben Orientalen. — 3. v. ©örreä,
Cvlbenbudj \>on Oran II, 860—400. — J. Mohl, Le livre des rors.
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Weuperfifchc ©pif, £o?t»id)tung unb ©atire.
[einet ^ludjt Don ©^ojna gelungen, „rechtgläubiger" ju bieten, unb unter
biefem ßtoMfl braute ber grofre perftfc^e ßpifer bie bon 9Jcohammeb greulich
berbaflhornte ©efchichte beä ägoptifchen 3ofepl) al£ Ötebesgefct^trfjte „$üfuf
unb 3<rfifyäM ™ ptachtoolle SJerfe1.
$)a inbe§ bie perfifd)en *Dcohammebaner Schiiten loaren, fo genügte
auch biefe SSerbalupmung noch nicht, bie Öefdjichte muftte auch noch, jur
Verherrlichung ber Sd>tca, auf 9üi unb feine ©ohne £afan unb £)ufein,
bie „SJcarturet" unb „^eiligen" biefer ©ecte, belogen werben, unb *Dcoham=
meb§ Seifpiel folgenb fcheute [ich ber dichter nicht, auch hierfür ben (Sxfc
engel ©abriel in Mnfprucb, ju nehmen:
SBie irf) oernommen oon gelehrten ©eiftern
Unb in ber SRebefunft beuräbrten 9Jteifteru,
©efiel es eines 2ageS bcm Propheten,
3n 3UiS, feines ©ibams, #auS ju treten.
3n trautidjetn JBereine fafcen ba
6r, Stli, beffen ©attin Örätima,
Unb §afan unb §ufein, bie lieben ©nTel,
@emütt)Iid) rettenb auf 2Jiof)ammeb$ ©ä)entet,
2>er He Uebtoftc unb im Krme ttnegte,
Söoran aud) 2tli toeiblid) ftö) oergnügte.
$enn ihrer aller §er3en befte ftreuben
Unb 2roft unb Sabfat waren jene beiben.
3)a, plöfolid), trat $u ihnen ©abriet
Unb iprad) bem ^ropbeten: „Stuf 93efef)l
3)eS #errn erfä)ein' id), fo bidj ju betreiben:
,§ter, beinc fceraenSenfel, biefe beiben,
9tadj ©orte« Orügung unb ureto'ger 2öahl
©inb fte beftimmt ju ÜDtartyr unb ju Cual;
§ufein verblutet unterm ©äbelftreitfje,
Unb ©ift mattet $afani fftfeen fieib jur Seidje.'" --
©ntfefct hört ber Prophet, *a8 jener fpridjt;
6in 2bränenfd)auer nefet fein 2lngefiä)t,
Unb bebenb frägt er: „©age, mer es ift,
$er fidj bereinft fo arger %fyat Derraifjt,
©o graufam hrimfudjt biefe füfjen beiben,
Unb preis fie gibt fo namenlofen ßeiben?!" —
„$iein eignes SBolf, baS bir fo -tief oerbunben,"
Serfefet ber ©ngel, „WHt bir biefe Sunben.' -
„2Bie?" fättt SJtohammeb ein, „bie Ration,
3rür bie id) gtuoalt bin an ©otteS Sbjron,
1 UeberfefcungSproben oon SBaron €. ©d)te$ta-2öffet)rb. SJeridjte bes
VII. internationalen CrientaliftencongreffeS (gehalten 1886) II. Semit, ©ection
(SEÖien 1889), 47—72, unb 3eitfd)riff ber Seutfdjen SDtorgenlänb. ©efeltfdj. XLI, 577
bis 599. — SBgl. 9Jt. ©rünbaum, 3» Ouffuf unb Suleiä)a (3citfa)rift ber $eutfdjen
Sttorgenlänb. ©efeUfd). XLIH, 1-29).
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544
Vierte* Buer). €ccf)0tcs flapiiel.
33ergä&e alfo fdjmäbjidj ib,r Setfprc^en,
Grttif>nte ftfl), bie 2reue mir $u biegen,
Unb roagte, freoclnb, ofjne ju errötben
Sßot @ott unb mir, bie* fiolbe $aar ju tobten?!" —
„Sarob", erroibert ©abriet, ber bebre,
Sein ©ottgefanbten, ber 91 ruber Sfyre,
„Sarob erftaune nidjt; bat ft«r) bog einft
Mo<b Sdjlimmere« begeben, alä bu metnft;
2Bie, ober t)ätte nie bein Cf>r oernommen
3)on jenen Söfjnen Oo-fobä, jene* frommen,
Unb nie gebort, roie graufam fie ei trieben
Wit 3of«bb, ibwn SBrüberlein, bem lieben?!
9»enn »rüber foic^er Untf>at fid) ntd^t fdjämen,
Saß SBölfer unbanftar, fann'S SBßunber nebmen?!"
(?r fbraay«, unb in Sttobammeb« §erjen$fd)retn
Stbrieb er ben 2ejt ber „Sure ^ofept)" ein,
Sie ibm oerfünbigt mar r»on ©ott, bem magren,
„Ser 5Dlenfdben beften" fie ju offenbaren.
$en Ölanjpunft ber $id)tung bilben bann audj feineSroegS bie träume
3ofej)bS ober ber 9Jtorbanfd)lag ber ©ruber ober ber SBerfauf 3ofepf)S ober
ein anberer ber rüfjrenben bi&lifaVn 3üge, fonbern bie breit unb üppig auS=
geführten HerfüljrungSfunfte 3^^^ö§ , roeldje bofür einen eigenen Spiegel=
faal Ijerridjten läßt. SofepfyS Sinne werben burd) ben raffinirten einnen=
jouber audj böflig beftridt, er roifligt in bie t>erbred>erifd)e Xfyat ein unb
ift fdjon baran, fie roirfüct) ju bofljief)cn, als ifnn fein greifer $ater erfa^eint
unb Um, bebentlid) fpät, jur $lud)t beroegt. ©an$ rote es im Äorän fteljt,
b,ält biefen mofjammebanifa^en 3iofept) aber roeber bie niebcrtriidjtige Äuppelei,
nod) bie lügnerifdje Anflöge 3oü^ö^» bie lange ©efängnijjqual ab,
bie Iüfterne ©ubjerin f)interf)er fdjliejjlid) ju heiraten, unb itjre eb,ebrcd)erifd)e
Seibenfdjaft roirb, ebenfalls roie im florän, bamit entfdmlbigt , bafj bei
einem 9Dtaf)l, an bem jufällig Sofepr) fieb, jeigt, alle anroefenben 2Öeiber,
eben mit bem Sdjälen bon ^omeranjen befdjäftigt, infolge feiner £olb=
feligfeit fo aujjer fidt) geraten, bafe fie fid) in bie Ringer fdmeiben, anstatt
in bie ^omeranjen.
Cime bie jroingenbe ftotl), rocld)er ftirbüfi fiefc fügte, aber bod) eben=
falls unter bem $rurfe beS Ssläm, Gaben ni$t weniger als fünfjefm per=
fifdje $id)ter biefe „2iebeSgefd)id)te" nat&gefungen unb noa) fünftlidjer auS=
juftaffiren gefudjt. Qvmi Bearbeitungen roaren bereits bor ir)in ba, unb
fo ift ber Stoff Don ber 3«* oer fpätem Samaniben bis etroa 993
(950—1585 n. 6r)r.) ad)t$efmmal bon berfduebenen $i#tern bearbeitet
roorben K
1 lieber bie oerfdjiebenen Bearbeitungen og(. dtfyi, Srirbaufid Düfuf unb
3oIitf)ä. «eridjte bed VII. internationalen Crientatiftencongreffeä (gebalten 1886) II.
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91euperfifd)e @ptf, §ofbidjtung unb Satire.
545
$on „2ailä unb Webfdmün" finb jroaiijig1, oon „Äfmsrau unb Sdnrin"
adjtjefm, oon „2Bamif unb $l$ra" fieben, Don ben Siebfdjaften Satjräm
©ür» fiebcn Bearbeitungen Don oerfdjiebeneu $)id)tern Dorfjanben2. (Sin
foldj eroige» 9tad)lallen berfelbcn abgebrof ebenen (anbere mögen fagen „ewig
frönen") 2iebe»gefdjid)ten mar nur bei einem Sßolte möglidj, ba» ben Sdjajj
feiner eigenen reiben Sagen faft Döflig Derloreu t)atte unb in jarterer ober
roeniger jarter (Srotif ben £>öfjepunft feiner ^oefte fanb. £a» bebeutete
$erf(ad)ung be» ®eifte»leben» , SJerroeia)tid>ung be» ©emütb>leben», lieber*
tünftelei unb Sinfen be» (Sfcfämacf».
5. 9teue Stoffe. Verfall ber @pif.
@» t)at übrigen» unter ber großen 3a^l oec epiftrjen Xidjter nid)t ganj
an folgen gefehlt, roelcfje ben einmal untoieberbringlid) Derfiegten Sagen=
ftrom ber nationalen lleberlieferung burd) neue poetifd)e Stoffe ju erfc&en
fudjten. $a» nafjeliegenbfte märe bie Sage unb ©efajiajte be» 3»uim» ge=
roefeu, melier bie alte SHoltereligion Derbröngt unb ben ftaben ber übrigen
Irabitionen burdjfdmitten fjatte. Allein roäfjrenb bie fjerrfajenben ©eroalt=
Ijaber in ^erfien niajt feiten ber Sünna, b. f). ber ftrengen mofjammebanifdjen
iKedjtgläubigteit , fjulbigten, lebte im SBolfe ber alte nationale Stanbpuntt
Dielfad) nod) inforoeit fort, bap e3 im ftiüen fortfuhr, gegen bie funnitifdjen
Mjalifen, feine Eroberer unb Unterbrürfcr , 51t proteftiren, jum ©egenftanb
feiner ^erehjung 9lli unb beffen Familie erfor, toeldjc, obroof)l Don 9Wo=
fjammeb» Stamm, bura) bie blutige frerrfdjaft ber Sunniten um ba»
#f)alifat gebradjt unb „SRartnrer" geworben roaren. 9tur langfam brang
be»f)alb ber fd)Htifd)e ftanati»mu» in bie ^ßoefie ein. 5Rodc> %bn £wfam
(geft. 1470) begnügte fiü), bie kämpfe 9Ut» unb feiner ©enoffen roiber f>eib=
nifrfje dürften, Staaken unb Dämonen ju befingen. ($rft Dom (Snbe be»
IG. 3ab,rt)unbert§ au mürben ^oljammeb unb bie Gliben beliebtere Stoffe
ber epifaVn ^oefie8.
3emit. €cction (äöien 1889), 19—46. ßifte ber öerfrfjicbenen Bearbeiter baf. S. 33
bi« 35. 35er bebeutenbfte ift 3)fd)ämt (3äim); feine Bearbeitung öeröffentlidjte
Wofenjtoetß (perfüd) unb beutfd)). ftoiio. 2öien 1824. Brucbftücfe baraud bei
aöollfcetra«8ronfeca, $ie Wationaltitcrahir fämtliajer Böller beö Crientd II,
131-14G.
1 üifte ber jtuanjig Bearbeitungen bei 6t M a. a. 0. II, 29. 30. — Bgl.
§. (Stfff, ©runbrifc II, 245. 246. — groben au« 2)fä)<imio Bearbeitung bei
28ollf)eim'3onfeca a. a. D. II, 149—153. — Ueberfefeung r*on £f)<au (fran«
iöftfö, Variö 1805) unb Jpartmann (beutfd), Öeipjig 1807). - 9kd)bilbung öon
Sd)acf (Crient unb Cccibent I [Stuttgart 1890]).
«giften ber Bearbeitungen bei Sq. 6tf)* a. a. C. SDßtener Crienta(ifteu=
congrefc II, 31. 32; 35 u. 36; ögl. §. 1 1> i , (Srunbrife II, 246-24*.
J Sq. 6tfje\ ©runbrife II, 235.
JBoumaartntr, Jßtltliteratur. I. 2. «uft. 35
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546
mtxtti »u$. eirftötfs Äapitel.
33ebeutenb früher, fc&on toäfjrenb ber blutigen öerrfdjaft ber tatarifdjen
^l^ane unb ber mongolifd)en Gröberer, bie ^ßerfien Dom 13. 3>a^unbert
an ocrtoüfteten, roanbte fid) bie Epif aeitgenöffifc&en Stoffen ju. $ie erften
33erfu(3t)c btefer 9lrt (amen aber nid)t über eigentliche $eim$ronifen fjinauä,
fo ba§ 3öfar=^^mc^ oe* £<nnb*alldf) 9)tuftaufi, baö oon bem ^ropljeten
9Kofjammeb bis jum 3>afjre 1334 reidjt ; ba§ Sdbäfyanf$ä(^!Rümefj be§ Sltnnab
Xabriji, baS bie ©efajid&te bes $fd>engi8ff)an unb [einer 9tad)folger bte 1338
erjäljlt; unb ba§ ^futü^u^Salätin (Eroberungen ber Sultane) beä 91bbul=
malif Sfdmi, ba§ auf bie altperfifdjen Könige gurüefgeljt, bann 93loljammeb
unb bie 3*ü be$ ^§ldm§ beljanbelt, bie 3C'* 5ftafmriib8 bon ©Ijnjna auä=
füfyrlid) fdulbert unb enblidj no<$ bie <Mefd)iä}te ber *Ötofmmmebaner in 3"bien
bis jum ^a^re 1347 umfpannt1.
58on eigentlia) bid)terifd)em Söertlje ift erfi bas 3jmür=9iämel) (auch
3afar=sJlämef) ober 33fenber=9lamefcUiimüri genannt) bei ^ibbutlä^ £atifi
(geft. 1510). $er Serfaffer, ein 9?effe bei $idf)ter3 £f4>ämi, naljm fid),
tt)ie ber eine 9iame ber Xiajtung anbeutet, baä 9Uejanber=Epo§ be§ Stijämi
jum 3$orbüb, um in großem epifaVn Stil, mit begeiftertem Sdjtoung bie
ßriegätfyaten unb Eroberungen SiimirS $u befingen. $em mtrflidj grof;
angelegten macebonifdjen Eroberer ftefyt f)ier freiließ ein grauenhafter SBütljerid)
gegenüber, ber ftd) nidjt freute, nad) einem 33lutbabe in 3§pa^än fiebjig=
taufenb ^ßerfertöpfe ju einer ^ramibe auffdndjten ju Iaffen : ein fdjauerlidjer
Vorwurf ju einem national=perfifd)en Epo3!
S5er ftreiö ber romantifdjen Epif erweiterte fiaj tljeilä buraj freiere
92ad)a^mung ber früher ermähnten, bielbeljanbelten £icbling§ftoffe unter anbern
tarnen unb mit üerfdnebenen ?lbänberungen, tljeils burd) 3uäie^lin0 älterer
tranifdjer Stoffe, tfjeils enblid) burdj SBeljanblung ganj neuer ober frember
Stoffe, toeldje in reifer ^fülle namentlich auä 3nbien juftrömten2.
3n „$fd(iemfdnb unb ßljDarfdub'', mie in „9)cifjr unb 5ligdr" (£iebe
unb Sdjönljeit) ift unfdjroer bie ©efdndjte Don „Äfwärau unb Sc^irin"
mieberjuerfennen. 2>fdf)amalte romantifc&e Epopöe „9flaf>jün unb 5Ka^büb"
(25er Betrübte unb bie ©eliebte) oon 1411 fpiegelt fiailä unb SJcebfajnün
mieber. Ein Seitenftücf ju ben „£>aft ^aifar" bilbet f^äbljils „9iatibfdjat=
uttab" ($)ie Söirfung ber 9caturanlage).
3n bie iranifdje SBorjeit greift bie 2iebe§gefdj>tdj>te beS ^rinjen §umäi
oon fernen unb ber ^ßrinjeffin £wmüöün bon (Finna jurücf, bie ßljbäbfdjü
ftirmani (1281 — 1352) bietete, ebenfo ba» romantifaje (Bebtest bom Sßrinjen
9lauruj unb ber ^rinjeffin ©nl beSfelben 2)ia^terS. ^ie talmubifitifa^e Sage
bom Äönig Salomo unb ber Königin oon Saba fanben erft bon fpätem
$i#tern Bearbeitung.
1 §. VtH, ©nmbrife II, 236. 287. 8 fc. 9t%i, ©runbrife II, 248 ff.
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Neuperfiftfje €pit, §ofbt#tung unb «Satire.
547
91uS bei Waffe romantifdjer (Srjäljlungen , bie Don Snbien ber nadj
perlten gelangten, mürben befonberS fünf fef>r beliebt: „Cantrup unb Stäm?
lata", „Wabfmmälat unb Wanorjar", „^äbmäbat", „^anün unb Sift",
„dir unb IRonbfcbfja'' *. $iefelben werben uns in ber inbifdjen Literatur
roieber begegnen, roelcber fie bem urfprünglidjen Sagenftoff tote ber erfiten
^Bearbeitung naä) angehören, unb bafelbft eingefjenber beftf)äftigen.
6. £>ofbi#tung unb Satire.
Gin anbereS Clement trug ober ebenfalls niajt menig jum Verfall be§
©eifteSlebenS unb ber ^oefie fpeciell bei. £aS mar bie leibige £ofbidjterei.
$aS Veifpiel beS ÄunftpatronatS, baS bie berühmten £r)alifen oon Vagbab
gegeben, würbe nid>t bloß bon ben ©fja^naDiben , fonbern au<f> Don ben
Selbfdjufen unb fpäter ben Wongolenfürften nacfcgeafmtt. ^>aft ausnahmslos
waren aber biefe dürften Barbaren ober £albbarbaren, it)re ©unft ber ^oefie
beSfjalb meljr berbängnißboll al§ fbrberlid). Sie mollten Dorab gelobt fein.
$ie glänjenbften Talente fafjen ftdj beSfyalb an ir)ren ^>öfcn $u ber unerquid:
liefen ftrofmarbeit berurtljeilt , in ber r)ergebrad)ten Sd&ablone, aber immer
in neuen Variationen bie ©röjje unb Öüte, bie Vorjüge unb £>elbentljaten
tfjrer SBrobb,erren ju feiern, ^ßerfien aber mar liingft fein einheitliches großes
9leiö) mef/r, fonbern in Derfdnebene Heine 9ieid)e unb Sultanate griffen, bie
fieb, gegenfeitig beiämpften unb beren £errf<fcer fid> gewöhnlich mehr bureb @r=
oberungSluft unb ÖroßinannSfucbt auszeichneten als burd) bie fegenSreicben
Gigenfcbaften mafjrtjaft großer dürften 2.
$er gefeiertfte biefer panegbriftifdjen ^ofbiajter, ber einige, ber unter
bie fieben größten $idjter ^ßerfienS geregnet mirb, ift Slnbart, in ber
erften Hälfte beS 12. ^ahrlmnberts in bem $orfe !0<ar)not) in bem fogen.
$afd)t--U£f)äbarän geboren. Sr lebte als armer Stubent in 2üS, als er
eine» SageS ben Selbfchutenfultan Sanbfcbar in prächtigem 9lufjug burd)
bie Stabt reiten fal). (Sin Wann, ber ganj befonberS fdjön aufgepufct mar,
erregte feine Stufmerffamfeit , unb als er hörte, baß baS ein $>ofpoet fei,
fefcte er fid) noch biefelbe 9cad>t an bie Arbeit unb berfaßte ein Cobgebicbt
auf ben Sultan, tiefer mar mit fetner fietftung fet)r jufrieben unb liefe
it)m bie 2öafu\ fi<h ein reiches ©efchenf $u erbitten ober in beS Sultans
$ienfte ju treten. Slnbari erfor fidt) baS ledere, begleitete fürber ben
^>errfd>cr auf feinen ÄriegSjügen unb erlebte jebenfaUS noch feinen jmeiten
Nachfolger loghrul III., ber 1176 auf ben %t)xon fam. 2ÜS eine feiner
beflen Ceifhtngen gelten feine „frönen ÄfjoräffanS", ein irauergebiajt über
1 &. 6t be, ©runbriß II, 351.
* <£tb*, $ie Pftfdje unb romantiföc ^oefte ber Werfer S. 43—48. —
$erf., ©runbrife II, 255—270.
85*
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548
Vierte« ©ucf). Siebente Äopitel.
bie 3?erroüftungen , meldte bic dürfen in ^^oröifön angerichtet Ratten, unb
jugleich ein Hilferuf an ben dürften oon Samarfanb, bec unglüeflichen
perfifchen ^robinj £ilfe ju bringen.
Um biefelbe 3*it bietete am öofe bes H^ätün URinütfd^i^r , dürften
Don Schmoän, am Sübabljang beS ÄaufafuS, ber £rofpoet ÄJjäfäni (ftarb
um 1194), am £>ofe beS 91täbeg& Slbuguj ju $abrij bie Sichter 3Q^r
Jurjobi, Söailafoni unb Wchfifati, am £)ofe ber Sultane Don $f)tüäri§m ber
Dielfeitige $?iterator töafdnb Söatmdt, ber perfide SBoileau. SBMe [ich biefe
dürften mit ben SBaffen befämpften, fo gelegentlich ihre #ofpoeten mit
Herfen ; jeber aber fuchte nach beften Gräften feinen £>erm als ben größten
gelben unb als ben mächtigften Rürften beS 3£eItallS ju lobpreifen.
2önttt>ät hinterließ einen Xiroän Don fünfjehntaufenb $oppelücrfen,
barunter eine $affibc, in welcher baS Sdjlußroort iebeS 3*erfe§ roiebee mit
bem erften beS nächften reimte unb alle fiebjig $oppeloerfe roieber tinter
fidj. @r bichtetc aud) arabifch, berfaßte eine ©rieffammlung unb eine ^ßoetit
unb ^rofobif unter bem Site! „Öärten ber 3ouoerei über bie Reinheiten
ber ^oeterei". £cn Spifcnamen 2Batront, b. h- Sdnualbe, erhielt er roegen
feiner Kleinheit unb $efchroä|ugfeit. (*r ftarb 1182 im Hilter Don fiebenr
unbneunyg fahren.
So zahlreich brängten fich übrigens noch immer ^oeten an bie fleinen
£>öfc fycxan, baß au bem ber Selbfchuten unb WtäbegS roie an jenen ber
dürften Don Schirtoan bie 2öürbe eines officiellen TichterfönigS fortbefter/en
tonnte. 9llle biefe dichter unb Xid)terfönige ju regiftriren , gehört fchon
bem (Gebiete ber 3pecialforfd)ung an.
Siebente« a p i t e l.
3>er j»ufl*imt$ unb bie mwfttfdje ^ttft unb 3>iba8ttft
ber Werfer.
3öa* ben iranifchen ^olfsgcift unb mit ihm bie Literatur ber ^erfer
am meiften Don ber Söaljn ihrer naturgemäßen geidnchtlidjen @ntroidlung
abgeteuft, roaren roeber bie äußern politiieheu Herhältniffe noch auch ber
WohammebanismuS allein, fonbem jene philofophifd)=mDftifche Dichtung, bie
mau unter bem tarnen bes SüfiSmus jufammenfaffen tann.
1. Anfänge bcS mohammebantfehen ^ofticiSmuS.
Sic erften tfeime unb Wnfäfce btefer Dichtung fmben ficr) fchon bei ben
Arabern, £er nüchterne 9JionotheiSmuS , ben Wohammeb lehrte unb bie
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$er SüfUntu« unb bie nujftii'd&e ßtortf unb Sibattif ber Werfer. 549
militärifd^officielle Seife, in melier er ben (JultuS reglementirte, befriebigte
tiefere, mafjrfyaft religiös angelegte Naturen nidjt. 3)ie ßänber, mit melden
bie moljammebanifdjen Araber juerft in 93e$iefmng traten, Serien, ^palöftina,
Stegpptcn toaren bie 2öiege beS d)riftlid>en OrbenSlebenS gemefen ; ein großer
%\)t\l ber djriftlidjen dibilifation fnng bamit jufammen; bie Erinnerung
baran tonnte fo balb nid>t erlösen. So feljr be$l>alb aud) ber 3Kofyanu
mebani8mu§ baS monaftifdje Seben berbönte, ein fo inäajtiger 3ug him
monaftifdfen Seben unb inäbefonbere ju moftifdjen 9tnfd)auungen jeigte fid)
bereits int 1. ^nflrfninbert ^ribföra1. Sftnfiifdje ©enoffenfdjaften bilbeten
ficr) fdwn unter Stbübefr unb tUi. 9Wefjrere jener SRänner unb grauen,
roeldje bie 9Jiolwmmebaner als bie ^eiligen ber erften 3C^ Dc* 3§fänt§ ber=
ebjen, mie £afan bon $a<?ra, 33afd)ar ftafi, Sdwftf Saltfji, SRältf $)inär,
fyabib bon 9tbfdjem unb 9iabia, begnügten fid) niä)t mit ben gemöl)nlid)en
SBegen ber ©ottesoeretyrung, fonbern ftrebten einen aufcerorbentlidjen Umgang
mit Wühl) an.
93on ber frommen fjrrau 9fobta erjagt %bn #b>Hitän, fie fei in tiefer
9tad)t auf baS $ad) ibje& Kaufes geftiegen unb fjabe bort laut gebetet:
„O mein ©ott! ^efct fdjmeigt ber öärm be§ $age§, alle Stimmen finb
berftummt, unb in ftillem ©emad) freut fid) ba3 9Käbä^en ber Siebe; idj
aber genieße einfam beineä Umgang«; benn bidt) fürmafjr befenne id) als
meinen magren Siebfjaber." $)urd) bie gelber manbelnb, fpradr) fie: „5Rid)
erfaßt ein Verlangen nad) bir, 0 ©ott! $>u bift jroar bie Sd)olle unb bu
bift ber Stein; bidj felbft aber toünfdje id) ]u fefyen." 2)a fbracb, ©ott ber
Erhabene, ofme bermittelnbe Urfad>e, felbft in iljrem ^erjen: „O labial
fjaft bu nid)t bernommen, bafe, alä $Rofe$ ©ott 51t flauen berlangte, ber 93erg,
bem fid) nur einige Xbeild)en ber göttlichen 5Jlajeftät offenbarten, gemaltig
erfdjüttert unb 5er! lüftet mürbe? $>u alfo fei mit meinem Warnen äufrie=
ben." . . . SÖMeberum toallfaljrtete fie gen 9)teffa; als fie aber bie Jfa'ba faf),
ju beren Süereljrung fie gefommen, fprad) fie: ,,^en £>errn ber #afba bebarf
idb,; ma& ift mir bie ßa'ba"? 3<b, bin ifjm fd)on fo nafje gefommen, bajj
jener Sprud) bon mir gilt : .2Ber fid) mir um eine Spanne nftljert, bem näfjere
id) mid) um eine 6üe.4 9SaS ift mir alfo bie fla'ba?" — 9118 man föabia
einft aufforbcrte, fte fofle bod) heiraten, fagte fie: „SDurdb, bie Sanbe ber
(Sfje ift meine ^erfon fc&on lange gefeffelt, unb beäfjalb nenne id) mein
$afein in mir erlofdjen, aber in 3fjn (in ©ott) umgefd^affen, unb feit jener
3eit ganj im Statten feiner £errf<fcaft meilenb, bin id) ganj 6r felbft.
' 93on 9lbü Ämir, einem 3rü^rer ber ^onifen, wirb auabrücfli$ berietet, er
fei in Serien mit bem S^riftentl)um nä^er betonnt geworben unb t>abe bort bie 9ln>
reflung erhalten, eine Keine aftcetiföe @emeinbe um ftä) 3U bilben. %. Füller,
S)er 3*löm I, 101 ; ögl. ebb. S. 174. 407.
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550
Vierte* «udj. Siebente« flenntet.
Ser mid) be»balb jur Söraut will, ber erwartet mid) nttr)t Don mir, fonbern
oon ^tjm." 9(1» man fic nun fragte, wie fic ju biefem ®rabe gelangt fei,
erwiberte fie: „Xaburd>, bafc idj alle», wa» iaj fanb, in ünn Oertoren
Ijabe." 9(1» aber £>aian oon 33w;ra fie mieberum fragte: „9(uf meiere
Seife fjajt bu 3fw errannt?" antwortete fie: „Xu, £afan, (jaft iön in
beftimmter 9(rt unb Seife erfannt, ia*> aber ofme beftimmte (Jrfenntniijart."
— 9(1» man fie einmal fragte: „Sieljft bu ^fm, ben bu oere&rft?" ers
miberte fie: „®ewi$ fefje id> iljn; benn wenn id> tyn ni$t fä^e r mürbe
id> if)ii nid>t beref>ren." — 9(1» fie in eine fernere ftrantljeit fiel unb um
beren ©runb gefragt mürbe, rief fie au»: ,,^d) f>abe über bie ^freuben be»
^ßarabiefe» nad>gebad)t; be«^a(b fyat mid) mein (itott gejüdnigt." (*in anbcr=
mal fagte fie: „$ie innere Sunbe meiner SBruft $et)rt mid) auf, bie nur
burd) Bereinigung mit meinem ftreunbe geseilt werben tann. Smmer werbe
id) bafyinfd}mad)tcn, bis iaj am jüngfien lag mein Qiei erreiüjt fjaben werbe!"
Unter ben ewigen Kriegen, Vürgerjmiften unb Verfolgungen, au»
melden fia) bie Öejd)id)te be» 3»läm» in feinen erften jmei ^a^rtjunberten
jufammenfefct, motten oiele fiaj oom (Getümmel ber Seit abwenben unb in
folgen unb äfmlidjen 9(nfd)auungen iljren Iroft jueben. @in tief religiöfer 3UG
ift babei unoerfennbar. Allein gerabe in jenen Groberung»triegen unb Um=
Wölbungen mijdjten ftd> ^ubentfyum, @ljriftentf)um, ^§läm, ^arfiämu», 3rr=
trjüntcr gnofiifd>er unb anberer altdjrtftlicber Secten, oiefleiä^t aud) bubbrjiftifdje
(Sinflüffe öon Snbien fjer, jumeift in Sorten, Wefopotamien unb Werften
$um oerworrenen Änäuel, unb ba» ^beal eine» tiefern religiöfen öeben»,
oem jene ÜWrjftifcr juftrebten, mürbe Don irrigen SaijnoorfieD'ungen ber
Derfü)iebenften 9(rt umnähtet unb geriet!» auf oöüig falfdje Valm.
2. £er perfiftfte SüfUmu».
Xie 2?egrünbung be* 3üfi»mu» al» eigentlicher 3ccte wirb jiemlic& all;
gemein in ba» Sa^r 200 ber £>ibfd>ra Derlegt unb einem gemiffen <5d)eif()
9lbü 8a ib bin 91bulff)air jugeja^rieben, ber — nad) tfajwim — jugleid) ein
großer ^^ilofopf) unb ein ftrenger 9l»cet war unb ficr) eine ftrengere $e=
obad)tung be» 3»läm§ jum $iele je|te. 9lnr;änger jola>r ernftern 33e=
ftrebungen traten ju feftgeregeltem Verbanbe jufammen unb trugen fd>lid)te
«leiber oon Solle (süf), monad) fie Süfi genannt würben1.
3n ^erfien, wo bic £et)rc ber Kajüten bie ältere Crtf)oborje jurüd=
brängte unb überhaupt mefjr Neigung ju freiem 9lnfid)ten b,errfd)te, oer=
breiteten fid) jene a»cetifd)en Vereinigungen ungemein ftarf. 3$re SJlitglieber
1 So ttirb ber 9)ame im Orient allgemein abgeleitet ; bie Verleitung oon <m<pia
ift unhaltbar. 5lölbefe, Siifi (3ettf(^rift ber 2)eutfäen ÜJlorgenlönb. ©efettf^.
XLVIII, 45-4«).
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2>er SüfÜmu« unb bie oiüftifdje fiürit unb SHbaftit b«r Werfer.
551
würben :£crtt)ifcbe b. fj. Bettler genannt. Sie gelten, burd) bie 9Had)t ber
äußern Umftänbe unb ityre eigene 3Mlbung gelungen, am orän feft, ent=
roidelten aber auf biefer ©runblage ein tljeofopbifflV* Softem unb eine
£eben§roei£f)eit, bie 2)iof)ammeb3 i^been unb Ritten böllig fernftanb unb ftö)
weit mef)r jener beS SBubbbtemu* näherte1.
Tie ©runbibee beä SüfiämuS ift, fid> ber Säklt $u entjte^en unb Don
allem ^rbifdjen ab$ulÖfen, um beftänbiger 3?efdjauung, befonber» über ben
begriff ber (£inb,eit, obzuliegen, jta) mittelft göttlichen SBeiftanbe*, ob,ne ben
ber ÜHenjcf) niajtä üermag, burd) öerfdjiebene ©rabe jur Söoflfommenbeit
emporjuringen unb enblid) Dollftänbig mit ©ott ju bereinigen, lieber bie
Stufenfolge ber SBerüoflfommnung Ijaben fid) bie Süfiä berfdnebene Söfteme
aulgebadjt.
@ine» ber berbrettetfteu fe&t brei Jpauptftufen feft. Tie erfte Reifet
Saritab, b. b- Wetbobe. Sie beftef)t barin, bafe ber Stüter üon feinem $ir
(b. 1). „Slelteften") angeleitet nrirb, alle Dom tforän öorgefdrriebcnen leiten
unb Zeremonien, b. fj. baä fünfmalige ©ebet an jebem Sage, bie rituellen
Söafdmngen, ba£ Wimofengeben, baä %a\icn, bie 2Öaüfab,rt nad) ber Äa'ba,
tnöglidtf boüfommen ju erfüllen. 3ft ber Sajüler fo jum mufterboften 3fcr
lenner be» ^lärnS geworben, fo beginnt bie jroeite Stuf e : ^Ka'rifalj, b. t).
(Srfenntnife. @r erfährt nun, bafc alles, roa§ er btefjer geübt, eitel Sdjein ift,
unb baB er erft anfangen muß, ben tiefern Sinn ber Religion ju erfaffen.
!£uraj anbauernbe 33efd)auung gelangt er bann jur britten Stufe : $fjatitab,
b. b- ©ewifeheit. @r fommt jur fiebern (Srienntnip, baB « ööüig gleidj
unb einä mit ©ott fei. Seber Unterfajieb ber berfdnebenen Religionen, jeber
Unterfdneb bon gut unb bös hört für it)n auf. (£r berfmft nun in baS
^ana (bem inbifdjen Wrmäna entfbredjenb). Me3 wirb ibm gleidjgiltig,
für aüeä mirb er gefühllos : e$ befebäftigt ibjt nur mebr baS Uncnblidje;
er gebt auf im unbegrenzten Stauen ber 2Bab>b>it, in bem grenjenlofen
Sein ©otteä felbft.
ßine jmeite $beorie nimmt ju biefen brei Stufen noeb eine bierte an,
bie ticf> bon ber erften nur toenig unterfdjeibet, aber biefer oorauägebt unb
» Malcolm, Hiatory of Peraia. vol. I. London 1815 (2* ed. 1829). - 0. Jammer-
^utflftoll, ®efd)id)te ber idjönen Äebefünfte Kerpen* (2öien 1818) S. 219-272.
— Tholuck, $8ufisniU8 aive Theosophia Persarum pantheistica. Berolini 1821.
%f)o\ud, ÜBlüthenfatnmlung auä ber morgenlänbtfd)en SJlnfHf. SJerlin 1825. —
%. b. Aremer, (Sefäjtdjte ber bf*rfäenben 3been be* 3*tant$. ßeipjig 1868. —
A. Sprenger, Notes on the oldest works on Säfism. Journal of the Royal Asiat.
Soc. of Great Brit. XXV (1856), 133 ff. — E. H. Palmer, Oriental Myaticism.
Cambridge 1867. — John Brown, The Derviahes or Oriental Spiritualism. Lon-
don 1868. — Pizzi, Storia della po^aia Persiana It 183 agg. — Gtt)*\ ^«
Vüft*mu« unb feine brei §auptt>ertreter in ber perftfd)en ^Joefie (9Jlorgenlänbifd)e
©tubien. ßeipjig 1876) S. 95—124.
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SöierteS ähtdj. Siebente« Äapitet.
©(hart'ah genannt roirb. Sie befielt in ber »örtlichen (nfüüung ber Pom
ßoran gebotenen SBorfdjriften unb 9titualgefefce.
(5ine brtttc, bon fterib ufcbin Slttär in feinen Sögelgefpräcqen (mantik-
uttair) aufgeführte Iheorie erinnert an bie bon ÜHohammeb beschriebene
ftaljrt burch bie fieben ^immel unb fefet auf bem mpftifchen SBege fieben
©rufen feft:
1. Salab, ba« ©udjen, bei bem man, abgetrennt tum allem 3rbifcf)en, in ftäter
$ein unb 3)lüt)e nad) bem Ccean ber Unermefclid)feit emporringt, ofme ftä) 9(ur>e
unb »oft gönnen.
2. '3fä)t, bie Siebe, a(« fteuer gebaut, ba« im 9tu ben auffteigenbeit 9toudj.
b. fi,. ben ^erftanb, aufjetirt, bi« ber Süfi felbft jum flammcnben Seuer wirb unb
ganj »on ßiebe brennt unb lobert.
3. Ula'rifet, bie Gr! enntnift , b. <j. ein geiftige* Stauen, burdj ba« man fidt)
felbft Döttig au* bem Stuge oerliert, fid) in ©ott unb @ott in fid) unb in jebem Htom
ba« 2öettaÜ Hebt.
4. 3*tigf|n4, bie eclbftgenügfamfeit , burd) bie man nidjt« metjr roünfdjt unb
begehrt, a(* toären bcibe äöelten für ben Süfi ööQig ausgetilgt, tote eine rafdj in
ben Sanb gewidmete unb bann ausgetilgte aftrologtfdje formet.
5. 2aud)ib, bie Ginbeit (aud) tesehrid, bie Stbflreifung, ober tefVld, bie ^folirung,
genannt), ein 3«ftanb, in bem alle Onbitübuen ftd> al« ein einjige* barftellen, jeber
2b.eil al« ©anje«, ©ein unb flidjtfein als ein unb ba«felbe einjige göttliche SBefen.
6. Sbairat, bie Betäubung, in tuel^er bie Seele jebe« ©emufetfein Derltert,
ftd) felbft unb alle« »ergibt unb nidjt einmal meijr weife, ob fie ift ober nidjt ift.
7. 3rafr, ©ottbebnrftigfeit, unb ftranä, bie OoOftänbige Slbforption im Unenblid>en.
©emeinfam ift allen biefen itjeorien, bafs fie bon einer ganj rigo=
riftifdjen Sluffaffung unb Uebung beS floränS ausgeben, als ob an ber
materiellen Ausführung feiner SBorf Triften alles gelegen wäre, bann aber
alle biefe 2Berff>eiligfeit für null unb nichtig ertlären unb alten Söerth ber
Religion in eine fchroärmerifche pantheiftifcbe Sefchauung fefcen. tiefer fchroffe
SSiberfpruch roirb nirgenbS gelöft. Sie SufiS lobpreifen 3)cohammeb in
ben fchroülftigften Lebensarten unb geben hinterher feinen Pfifferling für
ben ganzen florän ; fie reben wie orthobore Wufelmänner Don einer bcfonbern
Grfchaffung beS ftoränS unb laffen hinterher fich bie 2Öelt nebft bem tforän,
ohne ©djöpfung, au* bem Mbfoluten entmirfeln. $ur<h bie ©teidjfiellung
Don ©ott, 3a? unb 3öelt, bon ©eift unb Materie brängte biefer fchroärme=
rifä> ^anthei§mu§ folgerichtig jum 9MeriaIiSmuS , unb inbem fmnlidje
SBoüuft mit Vorliebe als Snmbol ber Sereinigung mit bem Unenblidjen
genommen unb gepriefen mürbe, fanf baS ©örtliche in ben ticfjten irbifchen
Scbmufc h«ab unb roarb fajliejilich ber tf)ierifdr>e Sinnenraufd) felbft mit
bem ©enu& bes ©öttlicfcen ibentificirt. GS gab <£üftS, roelche bie fieben mn=
ftifchen <Stufen in farbigen Sichterfcheimmgen 311 fehen behaupteten: ©dhroarjr
grau— SMau—Garneol— reines 2Beift— reines ©elb— glänjenbeS ©chroarj unb
reines ©riin. GS gab aber aud) ©üfiS, benen feine Cbfcönität ju gemein
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$er Süftemu« unb bie mbftifd)e Snrif unb Siborttt ber Werfer.
mar, um fie nidjt in ifyre floSfelreicbe unb geb>imnifibüftelnbe Wftermnftif
bineinjujiehen *.
Seibcr gehört biefe eigenartige @rfd>einung riidft btofc ©efdüdjte ber
religiöfen unb pbilofopbifdKn 93erirrungen an, fonbern aud) ber £iteratur=
gefd)id)te. ftaft bie ganje Sprit unb 2>ibaftif ber Werfer ift baoon beberrfdn"
unb fyat ftd} nid>t mebr baoon loSjumacben bermodjt. 5)ie bier größten
$id>ter beS fpätern Mittelalter^ r 5)|a)däl ub=bin 9tümi, Sa'bi, £äfi$ unb
$)fd)ämi baben nid)t nur bie alten nationalen Ueberlieferungen aufgegeben,
jonbern aud) ben einfadjen, balb patriarebalifeben Monotheismus beS fyirbüft ;
fie fronten alle mebr ober weniger an ber pbilofopfjifdjen unb fatirifeben
Cehrbaftigteit, ber unflaren ©duoärmerei, ber geiftigen ©efoffenbeit unb ge=
meinen llnlauterfeit ber füfifdr>cn 3^eorien2.
3. $afim ftifäi. — Nbii Sa' ib. — £afim Sanät.
?US 9teigenfübrer ber mnftifdjen Didier fann man ben Siebter £>afim
Äifäi3 aus Ütferro bejeidjnen, oon bem bie ättefte perfifdje Siteraturgefdjidjte,
9lufis iabbttreb, er^äblt: „Äifai mar ein Siebter, ber baS ©emanb ber 9lS=
cefe um bie Söruft trug unb ben 2urban ber Wrmut unb Ütottbebürfrigfeit
auf bem ftaupt. %\t (Srbfcbicbt ber QJegierbc ^atte er oon ber £>erjenS=
flädje mit bem Bermel ber miüenlofen ©ottergebenfjeit fortgefegt unb ben
aufrairbelnben Staub ber Süfternbeit oon bem öufenplan mit bem ÜRafe ber
beiben ©ramcSaugen gelöfd)t." $ie meiften feiner ©ebidjte finb aScetifd)
gehalten, erteilen allerlei moralifaje $Rabnungen unb Tarnungen, bodj niebt
oljne oerliebten unb lüfternen Jöeigefdjmarf, ober feiern ben ^ropbeten unb
beffen Familie, namentlid) #ätime unb %U. @r fang aber aud) jum öobe
ber Wbbaifiben, Samaniben unb beS Sultans 9)tafymub Don @bfl$na.
2öeit größeres 3lnfehen ermarb fid) jebod) 9lbü ©a ib bin 9(bultbair4,
berfelbe, ber oon einigen als ©rünber beS SüfiSmuS bejeiebnet mirb. @r
' (Stfjf, 9)lorgeulänbifd)e Stubien S. 99 ff. — $gl. 20. fö adj er, gine
perftfe^e Bearbeitung ber fufifdjen Terminologie beS Ubburra^ät al»ftäfd)ani (StU*
fdjrift ber 2eutfä)en SJiorgenlanb. ©efettfd) XXXIV, 597—609).
* „Chez les Persans et parmi les populations musnlmanes de l'lnde, il s'est
raaintenu plus pres de sa source: c'est toujours le panthewme profess^ par les
joguis et ä peine dissimuld sous un certain nombre de formules liturgiques. //
ne rerttle derant aueun coneept mate'rialinte , m' inorme qu'il sott; il enseigne le
mepris de la loi religieuse et tnorale, le nöant de la creation, au profit de Vaschq,
c'est-ä-dire de l'amour divin. " C. Barbier de Meijnard, La poeaie en Perse p. 89.
• 6tbt\ #atbn ftifä'i au« 9Jlarin (Sifeung*berid)te ber J8a$r. 9lfabemie,
pfjilof .pf»iloIog. Älttffe 1874, S. 184 ff.).
4 fy. @t^. 2)ie »ubd'id be* 3lbü Sa'ib bin 3(buld?air (Si^ung«beridjte ber
Jöaör. atabemie, pb,ilof..pb,ilolog. Älaffe 1875, ©. 145-168; 1878 3. 88—70). —
J. C. Pickerittg, The Ruba'iyat of Abu Sa'id (National Review. London.
March 1891).
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554
Viertes ©ud). Siebente* ßapitel.
lebte Don 979—1062. Sie Wafafjöt geben ifjm ben litel: „Sultan bec
3eit, fjödjfte Hoüenbung 00er ©ottcsroaller unb SonncnaufgangSort bec
jperjen." Sie £>aft %U\m jagen Don ü)m: „(?r mar bec ^äbifdjäf) feines
3eitalterS unb fyatte in ben oerfdnebenen 28iffenfd)aften ben ©rab bec 93olU
fommenfjeit erceidnV' Seine ßcinnecung würbe fpätec mit ben fonbeebarfien
Sagen umrooben. So n>icb bon ifym ecjä^lt, er f>abe, nad)bem er unter
bie Senoifdje aufgenommen toorben, fieben Satire f)intereinanber in einem
SBinfel gelauert, ftd) bie Ctyren mit SBaumtoofle $ugeftopft unb fo lange
%Mf)\ Wllulj! gerufen , bis Untre unb 2öanb in feinen Stuf eingeßimmt
fyätten. Sann fei er in bie SBüfte gebogen, tyabe ba in traulichem SBerfeljr
mit ben milben liieren gelebt unb fid) bon ben ©liitfien ber $amarinbe
unb beS ©abljubaumeS ernährt. Snrd) biefeS l*infieblerleben erregte er bei
ben beuten eine foldje 5$ereb,rung für fid), bafc man für eine $ürbisfd)ale,
bie feiner £anb entfiel, jmanjig Denare jaulte unb bafj man ben Unrat!)
feinet ÄamelS auf £>aupt unb ©efid)t ftrid). teiner feiner Sprühe lautete :
„3e meljr einec bon ber Sföelt roeiß, befto roeniger roeiß er bon ©ott." 9flS
man iljn fragte, worin baö roaf)re 3Bcfen eines Süfi befte^e, fagte er: „Sarin,
bajs bu alles, was bu im #opf fyaft, abteuft, alle», maS bu in ber f>anb
t)aft r fortgibft unb bor nidjts, was über bidj fommt, fd)eu jurüdwetdjft."
(Sin Serwifdj fagte barauf: „2Öo foll id) aber einen folgen fud)en?" Sa
erroiberte er: „28o ljafl bu itm benn fefcon gefugt, bajj bu iljn nidjt ge=
funben?" 9ÜS man ifm einmal fragte, was bie Siebe fei, antwortete er:
„Sie Siebe ift baS 9te& ©ottcS, b. f>. bie Sdjlinge, in ber ©ott SHenfdjen
fängt." 9laa) einer Begegnung mit ifjm foll ber ^fjilofopfj Moicenna gefagt
fyaben: „Ellies, was id) weijj, baS fielet er"; 91bu Sa'ib aber fagte oon
Wbicenna: „Ellies, was id) nuftt felje, baS weijj er."
2HS Sinter ift %6ü Saib baburd) bebeutfam, bafe er fein ganjeS poe=
tifc&cS Talent ber Pflege beS religiöSsmnftifcben Epigramms (Rubä'i, pl.
Rubä'iyyät) jumanbte unb in einer beträcbtlidjen Qaty foldjer bibaltifdVn
Strophen fo jiemlid) ben ganjen Hönau) füfifeber ^been, SBorfleflungen unb
Silber fräftig, gebrängt unb oft fef>r poetifd) jum Wusbrud braute. 2Bir
finben ba mitunter länge bon einer einfadjen, fd)lid)ten ÜRcligiofttät , bie
einem djriftlidjen Stüter ganj fd)ön anftänben:
O ©ott! »enn id) um ftilfe rufe, ju mir SJerlaff'nen tomm gefd)winb,
@enug, wenn beine $ulb unb @uie mir Firmen treu öerbunbet finb.
Söofjl jeber tann fid) eine* Qrreunbes, ftd) eines ijofjen ©önnera rütjmen,
$od) einzig bid) offein, o $oljer, tjab' id) »ermaifte« 99lenfd)entinb !
fterr, jerftört b^at meiner Sünben Scfjmad) mir meine Sebensbab^n,
Sd)am erregt mir alt ba* 29öfe, ba* gefagt id) unb getban.
C, aus jener SQBelt laß ftrömen einen ipulbergug in* iperj mir,
$a& oom fytxitn roeggetitgt mir tr-erbe jeber nid)t'ge ©abn!
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Ter Süfamu* unb bie mtofiifche ö^rit unb Sibattif bet ^crfer. 555
C bu, in beffeu SQBefen* JDeutung bie Tenffraft groß unb Kein ocrjiegt,
$e* JBortjofbienft an 2öerth unenbliä) bie beiben SOßelten überwiegt,
Tie flranftjeit niminft toon un* tjinmeg bu unb gibft bafür un* $eilung*mittel,
C nimm unb gib nur, fterr, wie'* immer in beinern §ulbermeffen liegt!
3d)on fe^r ins 93urfd)ifofe get)t baä folgenbe ©ebet über:
Selbftjufrteb'nen Sinnes Sd)äfee, @ott, gib in bie §änbe bu mir!
3n mein £>erj ba* Sid)t ber ftd)ern Ueberaeugung fenbe bü mir!
Srübje, ofme Siaubgcbornen miä) 311m Tanfe ju Derpflid)ten,
2Ba* ia) f>fi&er Tollfopf treibe, afl jum guten €nbe bu mir!
$afc e$ roirflich toü in feinem ©ehirn ausfielt, öerbürgt baä folgenbe
(Epigramm :
3d) bin »erliebt, bin toll Kon Siebe, bin oder meiner Sinne bar,
Sin b>d)beruf)mt in aller flJlunbe unb bin oerpöut bod) ganj unb gar!
f8u\ Ääfrr aud) unb (Söfeenbieuer, bin einer au* ber <£b,riften Sd)ar,
3a, ba* unb tjunberttaujenb anbere*, ba* alle* bin id) ed)t unb roafjr.
28ot)l füt)lt er in bejferer Stunbe, bajj 2Öein unb Liebeleien ju einem
ernften männlichen Leben unb §u echter Äeligiofität nicht paffen, unb f)ält
fid^ felbfi eine Strafrebe barüber:
9BßiUft bu maf>rf)aft SDtann fein, abfeit* »ou bem $fab be* Tafein* ftet),
Trinte nid)t öom JSÖein ber Siebe, fag ber Trunfenfjeit 3lbe!
Trage länger nid)t nad) Sorten fd)öner ©öfeen Sefmfudjtfiroet) !
28a* oerfd)lägt e* beim bem ©öfeen? ßünb'ge itjm ben Tienft unb gelj!
£od> gleich barauf fchlägt er all biefe oernünftigern Wnfchauungeu in
ben SBinb, Derfenft fiel) in irbifche Siebelei, erflärt fie jum ftudbrutf ber
©otteäliebe unb minnefängert fo, bajj fein 2Renfd) met)r roiffen fann, ob
fein Sieb einer irbifchen ©eliebten ober ©ott gilt:
(f* niftet tief bein Slngebenlen fid) lag unb *Rad)t in* §erj mir ein,
<& * häuft bie Suft nad) beinen fangen mir heimlich ftiO im §erjen*fchrein,
Unb nimmer löft fid) au* bem SRinge be* bir gemeinten Stlaoenbienfte*,
Solang er nod) ba* SBilb be* Seben* umfä)liefet, mein ^«rgenfliebelftcin.
©Ott, Siebe, Siebchen, Sein, Schönheit, 3<h unb 2Belt jerfliefcen bem
rruntenen ^antr)eiften in ein einiges Sraumbilb:
„2Bem ju Siebe", frug id) einften*, „fdjmüdft bu fiet* fo reich bid), fprich?" —
„3Jlir ju Siebe," mar bie Hnttoort, .ein* unb alle* bin ja id)!"
„Sin bie Siebe, bin ba* Siebchen unb ber Siebenbe nid)t minber,
S3in ber Spiegel, bin bie Schönheit, fd)aue in mir felber mid).
Unb fo fefct fich benn ber angebliche 2(äcet luftig unb mohlgemutt) an
bie reichlich befefrte Tafel beS irbifchen ©enuffeS:
Jöor 3eitengram ftnb mir geborgen — unb wot)lgcmutr) fxnb mir.
Un* quält fein Äbenbbrob am 9Korgen — unb »ohlgemuth futb mir.
SEßir brauchen, liefert un* bie ftüd)e nur fiet* gelochte Trauben,
3)urd)au8 für rol)e nicht ju forgen — unb »otjlgemuth ftnb mir.
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556
Vierte* £Bn<h. Siebente« flapitel.
(Sine ganje Wenge ber (Epigramme finb nur ©ebete in form Don
2iebe»gebichten ober weit mehr £iebeSgebidjte mit religiöjer Schroärmerei, unb
um ben 3nber bon [einer Verehrung ber ^eiligen $ühe ab$ubrincjen , ruft
ihm ber perfifdje Öottesmann ju:
3u bent Untlifc bort, SJrüljmane, baä tote lulpen ganj, — bod) bete!
3u bti ruerjebnjätyr'gen £ieb<hen$ Ijolbem 2Öangenfran3 bodj bete!
3ft fein 9luge bir belieben, bai bie ©otttjeit fct)out, furiuafjt benu
ßieber aU jum ftalb ju beten, 311 ber Sonne ©lanj bod) bete!
Wanche bon %bii Sa'ib* Sprühen, befonbers jene, in melden er bie
fogen. göttlichen Flamen paraphrafirte, finb in mohammebanifche 6rbauungS=
bücher übergegangen unb würben gleid) abergläubischen Wormeln ^ergefagt,
um Segen unb ©lud auf fich Ijnabyiwtyn.
2öeit größere unb anhaltenbere Verbreitung als 9lbü Saf ibs füfifdje
Spruchbichtungen fonb ba* 5Berf „ A^abifat=ul=Rr)aqiqc" ober „$er ©arten
ber SBaljrheit", berfaßt bon Scbeiff) Sanai ober gemeiniglich £>aftm Sanäi
genannt, ein größeres (yiebicht über bie Ginbeit (Hottet unb anbere religiöfe
Stoffe, hochnipftifd) , aber jugleich fo boltsthümlid) , baß es fi<h bis in bie
©egenroart als beliebte Volfslectüre erhalten Qat. Sanai, um 1048 in
@h«jna geboren, mar juerft $>ofbid)ter bafelbft, jog fich aber auf bie 311=
fällige SJlafmung eine* nmftifaVn SchroärmcrS bon ber 2Belt jurüd unb
bietete nur nod) fufifdje Seifert. <Rach feinem Sobe 1141 mürbe er als
heiliger Wann bereit, unb Wallfahrer $ogcn ju feinem ©rabe1.
4. Ütationaliftiicher SBiberf prud). — Cmar bin ^h«^«^- —
Wäfir bin ßh»§rctu.
So große Verbreitung auch bie Wpftif ber SufiS gerabe unter ben
gebilbetften ^ßerfern erlangte, fo tonnten fid) boch nicht ausnahmslos alle
in beren fchmörmerifcheS Söefen finben. Schärfere, logifdje ÄÖpfc mußten
fich burch bie Dielen tiefgehenben SBiberfprüche abgeftoßen fühlen. Sie mochten
fich mohl bormachen, auf eine höhere Stufe ber (Srfenntniß gelangt $u fein,
unb nun alle gefefclicben unb rituellen Zeremonien beS Zorans für einen
übermunbenen Stanbpunft ertlären ; aber nun in einer ?lrt geiftiger 2runfen=
heit über baS 6inS unb 9lUeS ju phantafiren, lag nicht in ihrer 9latur;
fie gingen noch (inen Schritt meiter unb erflärteu auch bie ganje 9)lt)ftif
ber SüfiS für einen ebenfo überflüffigen ÖuruS. 2ter bebeutenbfte Stimm=
führer biefer offenen tfwibfnto "nb Waterialiften ift ber Slftronom unb
Wathematifer Cmar H^dpDäm, ber in ber jmeiten 4>älfte beS 11. ^ahrfmnberts
ju Wfcbipür baS Sicht bcr 2öelt erbliche unb 1123 bafelbft ftarb. 6r
1 fgt. Qt\)i, ©runbriß II, 282. 283.
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$er Süfümu* unb bic müftif($e Sttrif unb Sibaftif ber ^erfer. 557
mar in feiner ^ugenb mit 9iijom uMDfult, bem berühmten jßejier ber Selb:
fajufenfultane 9Up Wr&lan unb TOaliffdjälj, befreunbet unb ebenfo mit jpafan
bin Sabbäfj, bem „Sttten bom SBerge" unb bem erften Raupte ber ge=
fürchteten 9lff affinen Sie Ratten fid> gegenfettig bas Sßerfpredien gegeben,
einanber ju unterftüfcen, menn fie e§ ju einer f)öt)ern Stellung kälten,
unb Wijäm uI*2RuIt Ijielt 2Bort, als er ü^inifter mürbe. @r jog bie beiben
^freunbe an ben jpof. 2Uö aber ber efjrgeijige £>afan <Babbä(| megen 3n=
triguen entlaffen merben mußte, 50g fid) aua) Omar Äfyiööäm bom £ofe
jurüd, um in ffiicfcäpür feinen Stubien ju leben2. Seine „SBierjeiler"
(föubä'itmät) fünbigen ebenfo ber mofjammebanifaVn 9ted)tgläubigfeit mie ben
Träumereien ber £ermifd)e ben Glauben auf unb gipfeln in bem (Sbangelium
Nunc est bibendum8.
So oiel teilt ©ein id) trinfen, baß fein $uft,
SBöerb" tdE) ju Staub, Dom Staub fteigt in bie Suft,
Unb bafe Dom äßeinburft tief beraufebj, bie Srunfnen
3tuf meinem Staub tobt finfen in bie ©ruft.
(Srftrebft bu etwas, fittbe einen 9*üfeer,
$ift im Söefifo bu, fud)e einen Sdjüfcer,
6 t n Jperj tuiegt t)unbert £ef)m« unb SÖaffetla'baä:
%&ai foU bic fla'ba? Sud) ein #erj als Stüter!
3dl, Sänger, ©ein, ben teuften ftaum — @en>anb,
$o!at, $>erj, Seel' toeifjn toir bem ©ein als üPfanb,
Ser @nabeuf)offnung unb ber Straffuidjt lebig.
2Öa8 finb uns 6rbe, SEßoffer, 2Üinb unb »ranb?«
@in ebenfalls jiemlicr) frei finniger Genfer unb £ia)ter mar ftäfir bin
ßf)u3rau ; boef) machte er im Saufe feines Gebens mehrere .päutungen burd)
unb fefjrte feine ftreigeiflerei niä)t fo fajroff ijeröor mie Omar Äf)dr#äm.
' «. Sttülter, $er 3slam II, 99.
2 Arbuthnot, Persian Portrait« p. 68 — 71.
s2Bollf)eim«3ronfcca, Sie 5lationaI«ßiteratur fämmtlid)er Hölter be«
Clients II (Berlin 1873), 207-209.
4 Heber bie „Sterjeiler" Cmar Ä^tjdmS bemerft SBarbier be 9)1 e u n a r b
(La poesie en Perse [Paris 1887J p. 38) : Que ce livre soit, comine on l'a pretendu,
une protestation contre le dogmatisme mnsnlman ou qu'il soit le produit d'une
imagination maladive , singulier melange de seepticisme , d'ironie et de negation
atnere, il n'en est paa moins curieux de tronver en Perse, des le XI» siecle dea
precureeurs de Goethe et de Henri Heine. — ftranaöfifdK Ueberfefeung üon
3. ©. 9Ud)ola« (Paris 1867); englifdje lleberfefeung Don 6. §. $ßt)infielb
(London 1883), <?. 5 ifcgeralb (London 1859. 1868. 1872. 1879. 1890), Sedlie
©am er (Milwaukee 1888), *Dl c. <£artf)b (London 1889), 3t. Jp. Sole (Boston
1896); beutfdjc Ueberfefrung Don S d) a rf (Stuttgart 1878) unb ©obenftebt
(^Breslau 1881).
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558 Viertel »ud). Siebente Äopitel.
Gr mürbe 1004 in SBalft) geboren unb als ftrenger Sunnit erlogen, mußte
mit neun 3at)ren fd>on ben ganzen ftorän ausmenbig unb ftubirte bann
nad) Sfoicenna $Ratr)ematif , 9taturroiffenfdjaften , ÜRcbicm t 9)cufif, ßogif,
ariftotelifdje ^fiilofopljie. Gr (ernte 3tnb, um bie Seljren 3oroafter§ fennen
}u lernen, eignete ft$ aufcer bem 9lrabifaVn aud) ©riedrjifdj, $ürfifd) unb
anbere ©prägen an. 3m SUter bon jmeiunbbreifcig 3ar)ren foU er fogar
ben ^entateud) unb bie ^falmen, fomie bie Gbangelien in ir)ren Urfpradjen
gelefen t)aben. Setjr ernft unb tief fönnen inbeS feine Stubien ntd^t gemefen
fein ; benn unbefriebigt bon allem frür^te er ft$ leibenfdr)aftti$ in ben (Sknuf;
ber 2BeIt unb fam erft in borgeriitftem Hilter mieber 511 ft#, mie er es felbft
in einem ©ebietjt gefielt :
2>rum toatr) auf bom fügen Schlummer, ber bu oierjig $a$x gefdjlafen,
Sieb., Don aßen ben ©enoffen blieb bir 6,1er lein einiger mef)r.
3ugefeHt Ijaft bu bem Sief) bid) burd) bein 6djlafen, burd) bein Gffen ic.
Gr raffte fidj nun etroaS auf, burdmxmberte als plger fteben 3at)re
lang ^erfien, Serien, Sßaläjtina, Arabien unb 2legt)pten, marb in 9Jteffa,
bas er im gonjen biermal befudjte, mieber Sunnit, fpöter in 9tegt#ten
Israelit, fam jiemliaj freifinnig nad) #r)oraffan gurüd, liefe fid) baS aber
nic^t anmerfen, um fiä) feine Ungelegensten 5U bereiten. 2(ud> Sinb unb
einen lt)eil bon 3nbien befugte er unb plante fogar eine SReifc naä) Gfjina,
bie fidf aber jerfä)lug. 3n 9iifdjäpur, »0 er jeitmeilig mofjnte, mürbe er
bon ben Sunniten berfolgt unb mufcte fidj in ein entlegenes, faft unan=
greifbares SBergcaftetl ?)umgän flutten, mo er 1088, im Wlter bon bier=
unbadjtjig Sohren ftarb.
3n feinem „öuaV ber Grleua^tung" ()Rüfr)anäu9täme) jeigt fid) bie
bunte (Sonfufton, bie^r fidj in feinen Stubien unb Keifen jufammengebraut :
ariftotelifdje unb neuplatonifdje Groden fdjmimmen ba $roifdjen munberlid&en
ßet)ren ber fogen. „lautern ©ruber", eines pr)ilofopb,ifd)en ®er)eimbunbeS in
9!egt)pten, unb jmifäjen ben 2lnfd)auungen ber SüfiS, benen er mandjeS
entlehnt, aber bon bem er fidj bod) unabhängig 311 behaupten fuä)t. S)aS
tfacit feiner ^oefte mie feines bemegten ÖebenS ift ein r)erjliä) pefftmiftifdjes,
über baS er fidj nur müfjfam burdj pantrjeiftifdje Söeltbetrafltung ju er=
b,eben fud)t.
5. Serib ub=bin flttär.
&ein nodj fo fteptifdjer unb freigeiftiger $opf bermo$te jebodj gegen
bie füftf$en 9lnfd)auungen auf bie $5auer anjufommen. Sie allein er=
möglid&ten es, einerfeits an bem &oran feftjut)alten , ben aus Politikern
©runbe feine ber rafd) aufeinanber folgenben perfifdjen, arabifdjen, felb=
fdmfifdjen, türtifdjen ^tjnafticn aufzugeben backte, anbererfeitS ber Siteratur
unb bem ©eifteSleben eine gemiffe Spannmeite ju gemäfjren, mie fie baS
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$er ©üfamu* unb bie mijftiföe Sijrif unb $tbaftit ber Werfer. 559
leichtlebige, genufefüchtige unb babei jur Schmärmeret geneigte Naturell ber
Werfer erheifchte. So übermucherte bie mhftifaVreligiöfe Sßoefte ber SüfiS
alle entgegenftehenben Regungen.
6ine ber michtigften ^erfönlidjfeiten für ir)rc meitere (Sntmidlung mar
ber fchon ermähnte dichter ^brähim fterib=ub=bin , nach feinem anfangs
liehen (Sjemerbe Wttär, ber „©emürzhänbler", genannt. (?r mürbe 1119 bei
Ntfchäpür geboren, erreichte ein SUter bon 114 ÜJtonbjahren unb !am
erft bei einem 9)longoleneinfall 1230 umS fieben. @in SDermifch, ber in
feinen prächtigen, bon Sßohlgerüchen buftenben Öaben trat unb im 9lnblicf
beSfelben über bie 91ichtigfeit aller irbifchen 2)inge meinte unb feufzte, fall
i^n beranlafjt hoben, feinen flteichthum aufzugeben, felbft $ermifch ju merben,
als ßinfiebler längere 3c't 9önJ Der 99efcf>auung ju leben unb bann als
Sßilger umherzuziehen. 9luf feinen metten 2ßanberfahrten marb er nach unb
nach faft mit allen füfifchen Scheiß befannt, fo bafi er fpäter nicht meniger
als ftebenunbneunjig Biographien folcher Schmärmer in einem Sammel=
merf oereinigen tonnte. 3u9fei<h gemann er Stoff, um bie bereits öor=
hanbene moftijche Theorie meiter auSzubilben unb in einer unabfehbaren
9Äenge bon Schriften ju berbreiten. (SineS biefer 33ü<her hfipt baS „ftamel=
buch" (Ufhtur=9lameh) , meil er barin bie Sefmfucfjt ber (Stele nach ®ott
unter bem 3Mlbe eine» ber Ra'ba jueilenben ^ilgerfamelS fchilbert; ein
anbereS „33ulbul=9tümeh" ober baS 3?udj bon ber Siebe ber SRofe jur
Nachtigall; ein britteS „5HSar=9tämeh" ober baS fopflofe SBuch; ein DierteS
„Sifän u^ghaib" ober bie „3unge ber unftchtbaren Söelt". 9llle biefe
«Schriften unb noch biele ähnliche befingen in überfchmänglicher 33ilberfprache
bie 2runfenheit ber mtifiifchen Siebe. SBeit bolfsthümlicher marb inbeS fein
„$anb=9tämeh" ober „93uch beS 9tatljeS", eine große Sammlung oon
ethifchen Mahnungen unb Sprüchen. Sein berühmteres 2öerf aber in
mbftijcher fomohl als poetifcher ^)inftcht ftnb feine „üßogelgefpräche" (mantik-
uttair), in benen er bie Sdjitffale beS mbjtifchen (SrbenpilgerS unter bem ade:
gorifchen 53ilbe einer Steife fchilbert, melche bie Sßögel burch ade Nöthen unb
(Befahren ber fieben %$äkx unternehmen, um enblidj auf bem 93erge $äf
ju ihrem Äönig, bem SSogel Simurgh ober Sßhönir, z« gelangen1.
6. Sfcheläl ub--bin 9tumt.
Cbmohl 9lttär im greife ber perftfehen ©tyftifer fürber eine Autorität
blieb, gelangte er boch nicht ju ber Auszeichnung, ben großen Älaffifern
s^erfienS ^uge^ä^lt $u merben. tiefes SoS zugleich mit bem SRuhm beS
1 35ie „SJogelgefprädje" franjöfiftf» überfefot oon ©arcin be 3£aff9 (Paris
1368); ba« „<Panb«9tämelf beutfö oon ®. $. & Sief feimann (Königsberg 1871).
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560
Söierte* ©ud). Siebente« Äapitel.
größten perfifdjen VtyftiterS marb bagegen einem tfnaben ju thcil, mit bein
vÄttät noch in feinen legten SebenSialjren aufammengetroffeu fein foll. (5S ift
Sfcheläl ub=bin Ütümi, nach (Stb/S Anficht „ber größte SJlpftiter beS 9)corgen=
lanbeS unb §ugleidj ber größte pant^eiftifd>e Dichter aller Qeiitn".
Xfcfeeläl ub=bin mürbe am 30. September 1207 in 33alfh geboren.
Sein Später mar mit bein bafelbft Ijerrfchenben ^ürften^aufe ber Schab,S Don
i^oäri§m bermanbt, erregte aber gerabe burdj fein Wnfeljen als (Lehrter
unb ^rebiger ben Sieib beS Sultans 51la=ub=bin unb mu$te barum mit bem
begabten ßnaben [ein £eil in ber {^tua)t jucken. So fam Dfcheläl ub=bin
fd^ott in früher ^ugenb nach 9iifchäbür , SBagbab , 9Retta unb Don ba nach
Serien unb $leinafien, bis ber Sßater fich fchliejjlich ju 3tonium ($unia)
nieberliejj. Der bamaligen gelehrten 93ilbung, melier er fich in Aleppo unb
Damasfus mibmen jollte, gemann ber fchroärmerifch angelegte Jüngling
menig ©efchmad ab. 9lad) beS JBaterS lobe bertaufdjte er beSljalb bie
gemöfjnliajen Stubien alsbalb mit jenem ber füfifchen 3$eofopf)ie unb fchlofj
fich aufs innigfte bem ercentrifdjen Derroifdh Sd)amS ub=btn 2abri§i an.
9tlS biefer fein ftreunb unb ba$u noch fein eigener ältefter Solm ber 5ßolfS=
routf) bei einem Aufftanbe jum Cpfer fielen, nahm feine melandmlifche
Schmärmeret einen noch fyöfyern ©rab an. ($r grünbete nunmehr einen
neuen Derroifchorben — benjenigen ber Ü)laulabtS — beren Phantaftifdje
länjc (Santa') juglcich ben 2anj ber Sphären unb bie Söerjücfung ber
bon ©ott trunfenen Seele barftellett foüten. Unter ber Anregung biefer
moftifajen Icinje, überfpannter Betrachtungen, feltfamer ©efchaulichfeit unb
einer Art ftänbiger Xrunfenljcit ift bie ungeheure ÜRaffc öon lorifchen ®e=
bieten entftanben, roelche fich in feinem Dirnan bereinigt finben unb roelche,
oft bon erhabenftem Schroung, tiefftem ©efüljl, fdnllernbem Sötlbcrreichthum
unb feltener SBoflenbung ber Qrorm unb Spraye, Doch ftetS an ber 33et=
fchtoommenheit unb moüüftigen lleberfchwänglichfeit eines falfdjen 9)ip(riciSmuS
tränten unb meieren faft immer ber phtlofopfnfche , nicht feiten auch ber
fünftlerifche SSerftanb fehlt. DaSfelbe gilt auch bon feinem „5)tothnaDi=t=
*D?afnaoi" (baS geiftige SRatfjnabt), worin er ben gefamten Inbegriff feiner
*Dcnfttf in fechs Büchern, antnüpfenb an Äoränoerfe unb auSgefchmücft mit
(Stählungen unb Beifpielen, balb in fdjlichter Ausführung, balb in ljohcm
CpriSmuS utm beften gibt1.
1 Shiöjüge in beut jc^er Ueberfe$ung in Üfjolncf , ÜBlütfjenfammlung ®. 53 ff.;
@. 91 ofen, 2Re*neot ober $oppelüerfc jc. Setpjig 1849; 91 o f enstoeig, «u«--
joohl aui ben Sitoanen be$ größten mt)ftifd)en Stcbterö ^erfienö. 9Bien 1888; in
englifdjer Uebcrfefcung bei 3. 28. 9lebf)ouie (London 1881); S. Stobinfon
(Persian Poetry for English Readers [1883] p. 367—882 ) ; 20 1) i n f i e l b (Masnavi
i Ma'navi. London 1887); (s. 5Ref)atfef (On Attraction and Repulsion. Indian
Antiquar>- II [Bombay 1872J, 151. 182. 214. 241. 305. 337).
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Ter Süfümu« unb bie m^ftifc^e 8örif unb Tibaftif ber Werfer. 561
T)en eigentlichen ßernpuntt [einer 9Jtnftif wie feiner ^oefie bilbet ein
^antfjetemuS, roie er farbenfc^iUernber unb fc&roungt)after, aber aud) fc^roffer
unb in fid) roiberfpredjenber faum öon einem anbem dichter jum 9(u§brud
gebraut morben ifi.
34 bin bad Sonnenftaub4en, i4 bin ber SotmcnbaU;
3um Stäubten fag \$: bleibe! nnb ju ber Sonn: entttniU\
34 bin ber 3Rorgenf4immcr, i4 bin ber 9lbenbf>au4,
34 bin befi §aine« Säufein, be* Speere* 2Bogenf4n>atl.
34 bin ber SWaft, ba* ©teuer, ber Steuermann, ba* S4*ff;
34 bin, »oran e* fäeitext, bie Älippe Don Äoratt.
34 bin ber SBogelftefler, ber JBogel unb ba* 9iefc,
34 bin ba* SBilb, ber Spiegel, ber $aU unb 2Bieberbaü\
34 bin ber 93aum be* Seben* unb brauf ber Sßafcagei,
Tai Sd^joeigen, ber ©ebanfe, bie 3unge unb ber S4a(t.
. 3er) bin ber £>au4 ber Sflöte, i4 bin be* 3Renjcb>u ©etft,
34 bin ber Sunt' im Steine, ber ©olbblicf im SWetaU.
34 bin ber JRaufd), bie 9tebe, bie Heiter unb ber 2ttoft,
Ter 3*4« unb ber Stt>enfe, ber 93eöjer öon firqftaff.
Tie Äerj\ unb ber bie fterje umtreift: ber S4tnetterling,
Tie Stof', unb Don ber Stofe beraubt, bie 9ia4tigall.
34 bin ber Strjt, bie Äranffjeit, bad ©ift unb ©egengift,
Ta* Süfce unb ba* SBitt're, ber §onig unb bie ©all'.
34 bin ber flrieg, ber triebe, 5ie 2öab,lfiatt unb bcr Sieg,
Tie Stabt unb itjr Seffi&irmer, ber Stürmer unb ber 2Batt.
34 bin ber Äalf, bie Äelle, ber 3Jteifter unb ber 9tif$,
Ter ©runbftein unb ber ©iebel, ber ©au unb fein Jöerfatt.
34 bin bcr §trf4, ber ßöroe, bad 8amm unb au4 ber 2Öolf,
34 bin ber §irt, ber atte bef4liefjt in einem Statt.
34 bin ber äöefen flette, i4 bin ber SBelten JRing,
Ter S4öpfung Stufenleiter, ba* Steigen unb ber Sfaü.
Ta* tönt ungemein großartig unb mag einem ungejdmltcn Genfer ganj
rounberbar poctifcf) öotfommen; aber wenn man rufjig überlegt, bajj ber
perfifdje Tidjter ftlöte unb glötenbläjer , 2amm unb SSolf, ©efd)öpf unb
edjöpfer, Gnblid) unb Unenblid), SBeränberlid) unb Unoeränberlia? , ®ott
unb 2öelt in allem (Srnft für roefenfjaft ibentifd) t)ält unb in [einer geiftigen
arunten^eit bie einfacfjfien ©runbjäfce ber Sogif ööüig öerloren tjat, ba
roenbet man fi$ benn bod) fe^r enttäu|d)t Don biejem mnfitfdjen Sertoifcfc
tanje ab.
»aumgartHer, aSBeUlitaatur. I. 2. «ufl. 36
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562
Söierte* 5Bu<h. Siebente« äapitel.
7. Sa'bi.
(Stroaä nüchterner angelegt als $)fcheläl ub=bin ift fem 3^tgenoffe Scheiflj
Ü9tufc^arrif ub=bin bin 9JtuMtfj=ub=bin 9lbbuüäh, jubenannt Safbt, Derjenige
perfifdje dichter, ber im Stbenblanbe juerft allgemeiner 6efount mürbe. @r
mürbe 1184 in Sduraj geboren, ftubirte in SBagbab unb machte Don ^ier
au$ feine erftc Pilgerfahrt nach ÜHefta, baS er roäfyrenb feines langen 2eben§
trier^hnmal befuebte. Seine anbermeitigen Keifen erftredten fich über 9iorb=
afrita, Sübeuropa, Wegnpten, 5lbeffinien, paläftina, Sürien, Armenien,
Perfien, bie -tatarei, 9Ifgf>aniftan bis nad) ^nbien. Seine erfte ßbe ging
er in Wleppo ein, feine jmeite in Sanua, ber £>auptftabt bon feinen. %uf
einer feiner Pilgerfahrten geriet^ er ju SLripoli (in paläfrina) in bie ©e-
fangenfehaft ber Rreujfahrer unb mnrbe mit ein paar ^uben 511 harter
(Srbarbeit genötigt, erlangte aber balb feine Freiheit mieber. $a? Örab
be4 hl- Johannes söaptifta befugte er als pilger, unb Don ^hriftul fpriajt
er gelegentlich mit ^rfurd^t, boch blieb er als echter 9Jio&lim bem @hriften=
thum entfdueben abgeneigt. 6r foü aufjer ben orientalifchen Sprachen auch
Satein gelernt unb fich befonber» mit Seneca» Schriften bertraut gemacht
haben, @in tieferer Ginfluf} abenblänbifdjer 33ilbung jeigt fich jeboc^ in feinen
Schriften nicht. @r ftarb in feiner Sßaterftabt Schirl im 3aljre 1291
ober 1292
$)ie gefeiertfte feiner bieten Schriften CÄbfmnblungen, arabifche unb per=
fifche ftafftben, (Bhajelen, 2rauergebichte, Scherjgebichte , SMerjeiler, $i=
fliehen u. f. n>.) ift ber „töofengarten" (©ulift.m) unb nächft bemfelben ber
ähnliche „^ruchtgarten" (93üftän). $er „töofengarten" 2, im Sahre 1258
bollenbet unb in fdnoülftigfier S)ebication bem Wtäbeg 9)?ujaffar ub=bin
2tbü=befr bin Sa'b bin 3^9l gemibmet, ift eine bibaftifche, bormiegenb
moraliftrenbe sÄnefbotcnfammlung mit untermifchten Strophen unb fleinern
(itebichten, roelche gewöhnlich bie 9Jcoral beS ©efcbjchtchenS in Skrfe faffen.
$a§ ©anje ift in acht Kapitel geseilt : 1. lieber bie Sitten ber Adrige,
2. lieber bie dsigenfdjaften ber $ermtfche, 3. lieber ben $orjug ber 3"=
friebenfjeit, 4. lieber bie Söort^eile be$ StillfchmeigenS, 5. lieber Siebe unb
3»ugenb, 6. lieber ba* (Slenb beS ©reifenalterS , 7. lieber bie SEMrfungen
ber ßrjiehung, 8. lieber bie gefelligen pflichten. — 3n berfelben Söeife ift
1 F. Nhe, Le poöte Sadi. Louvain 1381. — H. EtM, »rtifel „Sa'di* (Kn-
eydop. Brit, 9th ed.). - Dr. 3». 23 a $ er, Sa'bi-Stubien (3«tfchrift ber Seutfteit
9florgenläitb. ©efettfeh- XXX, 81—106).
* 5)cutia)e Ueberfefcung bon 3t. Cleariud, <Perftanifd)e3 SRofentfjal (S<hle«ioig
1654. 1660); 58. Sorn (Hamburg 1827); $fj. Söolff (Stuttgart 1841); Ä. §.
©raf (Seidig 1846); eitglifd)e von 6. 33. 6 a ft ro t cf (2lh ed. London 1880).
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$er SüfUmirt unb bie mtftifche 8t)rtf unb Slibattif ber Werfer. 563
bei Büftän 1 angelegt, nur bafc ^iet met)r bie eigentlich mnftifcben $octrinrn
ber SüfiS zum SluSbrucf fommen.
2)ie einzelnen $tnetbötd)en finb gut gewählt unb bei größter Einfach*
heit beS Stils feljr nett unb an^ie^enb ausgeführt, bie beigemifcbten Berfe
Don mirflich poetifchem @eifte angeweht, 6ilberreid^ unb mitunter redt)t frifcb
unb lebenbig. 3U ber Berühmtheit unb BottSthümlicbfeit, meiere bie beiben
Söerte erlangten, ftet)t inbeS Weber ü)t behalt noch ihr poettfeber SBerth in
richtigem Berhältnifj. 2)er dichter erhebt fich taum je über ben ®eficbtSireis
ber gewölmlicbfien fpieftbürgerlicben WÜtagSweiSheit, unb biefelbe ift noch burch
ben 3släm umgrenzt. So wenig als anbern Orientalen ift es Sa'bi ge*
glüeft, bie herrlichen bibattifchen Bücher beS Gilten SeftamenteS burch etwas
irgenbwie ÖUeicbwerthigeS z" erfefoen. Wag [ich auch bie bernünftige 9Renfd>en=
natur in dielen feiner Sprüche gar febon unb anjiehenb offenbaren, fo läuft
boch Diel fiäppifdjeS unb SäppifcbeS nebenher. 9luf bie fchönften Erzählungen
folgt oft ziemlich minberwerthiger ^abeliram, unb bie buftigen BerScben
ftet)en bisweilen zu ber nüchternen Einleitung in fonberbarem ßontraft. $aS
fchlimmfte aber ift, bafe ber fo feierliche Woralift neben biefen moralifchen
9coth= unb ^ilfsbüajern auch in Berfen ein „Buch ber Unreinheiten" (ftha=
bifföt) unb ein „Buch ber Scherze" (^ajliupdt) , ttjeils in Berfen tt)eil* in
$rofa, hinterlaffen, welche aller Sitte unb allem flnftanb fpotten.
„'Der Sajleier ber Slnftänbigfeit , welcher lucr (in bem ßhabijfut) bie
Ungezogenheiten freilich nur fet)r lofe Derfuillt, ift in ben barauffolgenben
brei Wbfcbnitten , welche £>efeliat ober hoffen überfchrieben finb, ganj meg=
geworfen, unb bie barin erzählten Schwänle wälzen fich in orientalifchem
#ott). £icfe hoffen foßten eigentlich 3oten überfchrieben fein, unb es ift
ZU bebauern, baft ber weife Sa'bi, ber erfte moralifche dichter feines BolfeS,
in einem Hilter öon mehr als neunzig Sahren, wo er zu fchreiben anfing,
bie Feinheit ber Sitten, bie in feinen anbern Söerfen t>ecrfc^t , fo ganz
aufjer acht fefcen tonnte." 2
8. C)äfiz.
Bon bei gewaltigen Ebbe unb tfluth, ben kämpfen unb Stürmen, bem
balb iut)igen, balb eifchweiten, balb wieber mächtig emporringenben , aber
immer ftätigen ^rtfehritt ber abenblänbifchen Bilbung finben wir bei ben
Werfern fo gut wie nichts. 2ßaS ftirbüfi (jrofe gemacht, war ber geiftige Schafe
früherer 3<»hrhunberte. 9?ach feinem lobe aber unb bcfonberS nachbem Cnrit
unb $ibaltif in ben Borbeigiunb getreten, leiern ihre dichter Don ^oh^hnnbert
1 $eutfö) ttberfefot mm Ä. §. ©raf (§tna 1850), 3d)l«^ta«9Döffef)rb
(SBien 1852), (Jfriebr. Wfltfert (au8 beffen 91ad)la&. CeUMtQ 1882).
1 t». Jammer. «Purgftall, @efd)id)te ber fdjönen Webefünfte ^erfien* S. 216.
86*
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Sßterte« JBud). Siebente« Kapitel.
3abr$unbert «»ig biefelben Stoffe ab, in benfelben faft *ur Schablone
geworbenen formen, mit benfelben Sbeen, Stimmungen unb SBUbern. $on
Öirbüfi bis auf fufij, ben grö&ten ber perfifcben Sprifer, Oerftricb fo oiel
3eit, wie Don 2öolfram öon (Sfcbenbacb bis auf Cuü)er ober Don Sutber
bis Öoethe. $>od) in biefer langen 3eit taucht nicht* Weues auf. Unb fo
geljt es weiter bis Storni unb ^aiji, ber 1593 ftarb. 3mmer biefelben
pantheiftifdjen Träumereien, biefelben CiebeSgefdncbtcben uno $erwifcbfprü<be,
berfelbe Äofenbuft unb berfelbe Wacbtigallengefang , in fauler, bumpfer
iMebesftimmung, ohne ein Sföerf, eine üKelobie ober auch nur einen 2on,
ber eine 2bat, einen wirtlichen Triumph beS SHenfcbengeifteS bebeutete, wie
etroa Nantes £ioina Gommebia.
$er grofje Florentiner mar eben geftorben, als #äfij geboren würbe,
ber eigentlich Schern« ub=bin Wohammeb bi«&. »$wftS", b. h- „ber iBe=
wahrer", war fein (£l)rennamc, ihm öerliehen, weil er ben florän fo gut
auSioenbig wu&te. ßr bezeichnet jugleicb bie geiftige Stagnation, welche
ber 3släm über bie Hölter beS Orients »erhängte unb bie innere $er--
logenheit, welche praftifcb bemfelben auflebte, $enn im fajroffften 9Biber=
fprueb ju SJtobammebS Söeinoerbot ift ber Inrifc^e Stanbpunft beS &afij
faft ausnahmslos bie Scheute — bas Weinbaus, $er mefentlicbfte ©eift
feiner ^oefie ift ber Söeingeift. 3ene »ermeicblicbung , welche «Dcohammeb
burch bas »erbot beS 2i)eineS unb beS Spieles ^atte oerhtnbern moüen, ift
i^m bas 3iel beS Cebens unb ber flunft ^gleich. 6h<>rafteriftifcb für feine
^beenlofigfeit ift es f<bonf baß er feinen Simon einfach nach bem Alphabet
georbnet hat. $enn innere Momente für eine 3:r>eilung liegen nicht oor.
wirb befiänbig getrunfen, geliebelt, gefeufot, räfonnirt unb gefungen, nur
fangt baS Sieb balb mit Stlif an, balb mit ^j, Sa, Sä u. f. m.
Ueber baS &ben beS Richters ift fehr wenig betannt. <5r mürbe $u
Anfang beS 14. ^ahrhunberts in Schirl geboren unb lebte hier bis ju feinem
lobe (1389). £ap er anfänglich ©ätferjunge geroefen, ift nicht oerbürgt.
Ziemlich ficher aber ift, bafe er in eine Öcmeinfchaft oon $>erwifcben eintrat
unb fpäter fogar Scbeifh, b. h- 5Jorfteher einer folchen ©enoffenfebaft warb
unb burch feine ftenntnitf beS ÜoränS fehr Ijor>e^ 21nfehen erlangte. Sein
Scbcn fällt in bie 3eit, wo bie üftuffafferiben in Schiraj regierten. 3">ei
berfel&en, Schaf) 3d)obfd)äf) unb Schah ^anfur, fcheinen ilmi nicht im*
gtinftig gemefen ju fein; CmeiS Tfcbelair, #crrfcber bon SJagbab, oerfuchte ihn
an feinen #of ,u locfcn ; boch er jog eS oor, in Scbmi} ju bleiben. Streng*
gläubige üftufelmänner nahmen au freifinnigen Stellen feiner ©ebiebte fo
großen Wnftofj, bafe fie ihm fogar nach feinem lobe ein feierliches SBegräbnijj
oermeigern wollten ; boch t>atte er auch öiele unb mächtige greunbe, welche
burch eine fogen. „Scbidfalsbefragung" feine Stechtgläubigteit ftcbermftellen
»unten unb ihm fo eine ehrenoolle iöeftattung crmiriteu.
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2>er ©üfUmu« unb bie mofttfd)e Sorit unb Sibüfti! bet ^erfer.
565
Seine ©ebidjte jeidjnen ficf) burdj ben Ijöc&ften 3a"&e* °*r Spratbe
unb ber äußern ^orm auS; [ie umfaffen allen tBilberreid)tr)um , ber btefjer
bageroefen, in feinfter 2Bar)l, Ijarmonifdjem Aufbau, geroäfylteflem 9tuSbrucf
unb be^et^nen fo in tedjnifdjer ^inftcfct etnfac^^tn ben f>Öfjepunft ber petfifcfjcn
£tyrif. ©ie berförj>ern aber aud) in ebenfo t/otjem (tyrabe bie ^beenarmut,
ßintönigfett , Sieberlidjfeit unb 33erfommenf)ett biefer ganjen ^ßoefte. $enn
©ein unb 28oü*uft ftnb foft ausnahmslos bie einzigen tyole, um meldje fie ftct)
in ^unberten öon ©ebidjten brefjt, unb jroar in foldjer ßintönigfeit, baß
$u£enbe booon in ©ebanfen, Söort unb 53ilb nur ben teid&t öariirten Wbtlatfd)
eines einigen barfteflen. Unjiemlid) im WuSbrud fann man fic nid)t nennen ;
atiein maS ba Siebe genannt roirb, ift bie fdmiäljUdjfte Unnatur, unb baS gibt
biefer ^oefie, trofc all it)rer formellen ©cr)önr)eit, einen wibrigen, ja gerabeju
efeterregenben Setgefdjmarf. 2Bofjl ift an einzelnen ©teilen ber 3?erfud) ge=
madn\ bem unftttlicrjen ißerfjältnifl eine geffeimnißbotfe mijftifdje Deutung als
ÜRänteldfen umjuljängen, unb eS mag beS $id)terS Wbftd»' geroefen fein, fidt) fo
ben dürfen ju beden. $n ben meitauS jaljlreic&ften Stellen ift inbeS orme 3$ers
geroaltigung beS 2ejteS eine fold>e aflegorifdje Deutung fd)led)tr)in unmöglid) *.
^a^ii fommt, bafj bie meifien biefer SDtdjtungen in bie fedj5unb$roan$ig=
jährige Regierung beS ©djulj Sa^obfajiib, faden, ber bem SBeingenuß unb aßen
Birten bon WuSfdjrocifungen ergeben mar unb gleidj bei feinem 9iegierungSs
antritt bas Verbot beS 2BeineS abraffte, auf beffen ©enuß feine Wutter
$)ilfd)äb Ätyatun SobeSftrafe gefegt Ijatte. 5>a £>äfijj biefen dürften begeiftert
angefungen fjat unb feine freigebige ©önnerfdjaft genoß, fo ift bie beftänbige
Söeinfeligfeit unb SöirtSljauSftimmung fi^er nid)t aCTegorifdt) ju nehmen, bann
aber ebenfomenig bie fd)impflid)e (Srotif, roeldje als bie eigentliöV 331ütb^e feiner
Sprit gefeiert mirb. fyür benjenigen, ber es ernft mit bem cfyrifHtdjen Sitten:
gefeite nimmt, ift es fdjledjterbingS eine unerfüObare ^orberung, menn Öoetlje
meint, ba& „man fie genießen, fidj bamit in (Sinffang fefcen fottte" 2.
1 35er unef)tlid)eu 3toitterfiaftiQfeit im 5lßef<n beS 2)iä)ter$ f treibt 2t. 3RüUer
(5)er Silarn im Klötgen« unb ftbenblanbe II, 368) nidjt jum minbeften feine SBolt*«
tf>ümltä)teit iu »JJerfien bei : ,6* ift feine Orrage, baß ber große fcidjter fein (Bemütf)
jwtfdjen ber ©dHoärmeret be* ©ufUmu* unb weltlidjen Steigungen in einem gewiffen
@leidjgewid)t ju galten wußte, wie e* einem ©obne be3 froren ©djirä* in emfter 3«*
wol)t jufam. SJHt jener anmutigen lpeud)e(ei, wetd)e bem beutigen ^erfer fo neefifä)
ju ©cfid)te fte^t , interprettrt er feilten ^>afi* frei(iä) aud) ba attegorifä) , wo an ber
febr realen 9bftd)t beÄ 3)iö)ter8, ftdb trintenb ober liebenb über ben ©ä^merj bei
Safein* binwegjutäufdben, faum ein 3weifel befteben fann. SCber gcrabe ba« ©(biffern
einer unbeftimmbaren ÜJttfcbung bon frommem ©djetn unb weltlid)er ßuft, weldje ber
Werfer in feinem 8tebltng«fanger ftnbet, fagt ibm über alte« ju." SSgt. G. N. Curzon,
Persia and the Persian Question II (London 1892), 105. 106.
* ©eit (ftoetbe ift eö ÜJtobe geworben, ^>äflj ali ben Vorläufer unb bad 3beal
„liberaler* 23ein* unb Siebedbidjter 31t oerberrliä)en. ©elbft in ben fonft fo ernft
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566
Vierte« »u<$. Siebente« Äapttel.
9. 2)fd)änu.
^afjre 1414, alfo fed)§unbäwanjig Safjre nad) ^äfij' iobe, würbe
bcr le&te ber fieben grojjen ^laffifcr ^erfienS geboren, 9tor*ub=bin 9lbb=ur=
ÄaJjmän, Don feiner SBatcrftabt $\ö)am (in ßtjoräffän) Sfcbiimi jubenannt.
<&t ftarb bafelbft ^gefeiert 1492. 2öie £äfo baS 14., fo beljerrfajt er
ba§ 15. 3abrf)unbert. (ix mar überaus frudjtbar. Mutier ^rofafd&riften
über ©rammatif, s$rofobie, ©efdudjte, ^Biographie, Geologie unb füfifdje
SRgjHt Unterließ er üier Sammlungen lorifdjer ©cbiajte unb fieben oor=
roiegenb romantifa> $i$tungen, roelaje unter bem tarnen £aft Burang
(bie fieben „Itjronfi&e") bereinigt finb.
Sie t>eijien: 1. $ie golbenc 5?cttc (Silfilat--ujjab/ab), eine 9ieü> geift=
reifer Satiren; 2. ©aläman unb Mbfäl, eine romantifdje £ iebe*gefd)id)te ;
3. $a§ Öefcöenl ber Gbeln (iutfat ul^rar), ein aiketifa>bibattifa)e3 (ite
bid)t; 4. $er Äofenlranj ber ©ereefcten (Subtjat uMMbrar), ebenfalls moftifd};
5. Öatlä unb ^ebjajnün; 6. 3üfuf unb 3alif^a ; 7. Xaä 9ua) ber
2ßei§I)eit WlejanberS (ßi)irab--9iämd)=i=©ifanbart), eine moftifd)=bibattifa)e $e=
arbeitung ber SUeranberfage.
rotffcnfdjaftlidjen „©runbrifc ber iranifdjen 'Philologie" h,at fid) (II, 303) bie folgenbe
töhapfobie ouS Sdjerrä „»tlberfaal ber 2BeltIiteraturw (Stuttgart 1853. 6. 68) oerirrt:
„3u einer 3'it too nod) int Wbenblanbe bie ftarrfle Drtfyobojte ibr bleierne* ©eepter
fdjroang, fang biefer einzige ÜUiann in ben fRofengefycgen öon Sdjiraä feine füJjnen,
öon S^önbeit unb üöeltluft überfd)äumenben, in ben lad)enbfien formen unb »übern
eine Suite ber tiefften ©ebanten bergenben, alle* 3elotentluiin fdjerjenb, aber un>
erbittlid) befriegenben, ^fjantafie, £erj unb ©eift glcict) aauberbaft ergreifenben Sieber,
gegenüber bcr aftetifeben 9tbStraction ben freien unb froren ©fnufs beö Sebcnä
prebigenb, Äe^errid)terei unb €>plttterriä)terei öerfjöbnenb, bie frob,e »otftbaft ber
Siebe unb be€ SBeinrt frotjtocfenb öertünbigenb , uotter 9nmutb, Suftigfeit unb
fprubelnber Saune, mit meltioeitem »lief bie «rfäeinungen ber ftatur unb be«
2Jlenfd)enleben8 beberrfdjenb." äBiffenföaftlid) toärc biefe« Urtfjeil etnm fo au Über«
fefcen : Äur3 nadjbem im äbenblanbe Sante Httgt)ieri ba« groftartigjte, gebanfenöoUfte
2öeltgebid)t gefungen, lange natbbem ein SBolfram von ©fdjenbadj, ein $artmann
öon Cwe, ein SCÖalter öon ber »ogeltoeibe geblübt, toäbjenb Sauler unb Sufo
prebtgten unb Petrarca in ben pracfjtöoflften Sonetten unb Rinnen erft bie irbifd)e,
bann bie bimmlifdje Siebe öerberrltdjte, bat ein naffer »ruber in Werften, öon §au3
auä $>ernüfd}, in leidbtlebigften »erfen, o^ne jeben tiefem ibealen ©efjalt, üon Siebe
unb JCÖein gefungen, ft$ über bie 2)ern>ifd)e ftrengercr Obferoanj (uftig gcmad)t unb
bie fytytn unb Siefen feiner 2ßeltanfd)auung unb ÜRenfd^enwürbe ungefähr in ben
Saft jufainmengefajjt : Mihi est propositam in taberna mori. 2Öa$ „bie frob,e »ot»
fctiaft ber Siebe" betrifft, t>at fd)on Witter oon SRofenjtueig (3>er 3)itoan be*
^afi« I [SD&ien 1858], xji) barauf aufmertfam gemad)t, bafe e« ftd) tjter um ein
fchmadjOoaeä Safter ^anbelt, ba8 bie mobammebanifd)en SBölter entehrt, unb ba*
uiebt nur ein gläubiger Aatt)oIif ober ^roteftant, fonbern jeber bernünfttge ÜDtenfd)
»erabföjeueu mufe. 9öa« oon biefer „Siebe" ju Rotten , fagt ber t)\. ^aulutf (Hörn.
1, 24—27) unb ber »rief bed ty. 3uba8 2^ab. (». 7 unb 8).
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$er SüfUmu« unb bie m^flif^e ßt|rif imb 2>ibatot ber Werfer.
567
Seine bebcutenbften anbem üh)erfe finb: „$er ^rüljlingSgarten" ($a=
fyäriftun), eine Nadjafnnung Don SabiS „9tof engarten", unb „$er £>audj ber
Hertraultdtfeit" (WafafjofcukUnS), eine föftematifaV Xarfteflung be§ 8ufiS=
muS mit biograpfnfrfien Notijen über fedjSfumbertunbDier 6erüljmte SufiS.
Alle biefc 2ßerte enthalten nidn» roefentlid) Neues ; e§ finb Samm=
Jungen, Naa^afmmngen ober Neubearbeitungen Don fd)on Dorfyanbenen Stoffen
unb Herten. Neu ift nur bie #orm, unb bo jeigt fidb, $fd>ami als ein
überaus gemanbter 8d)riftfteüer unb $id)ter. 6r trifft ben ruhigen Xon
Sa bis ebenfogut roie ben begeiferten Sdjroung NijümiS ober bie leidjte An=
mutb, beS £ofi$. (*r copirt feinesroegs ftlaDifdj, fonbern arbeitet baS (gebotene
ganj frei Don neuem burd), tooljl nid)t im felben ©eift, aber in eigenartigem
(Gepräge, mit bem 53eftreben , feine Vorgänger ju erreidjen, wenn nia^t ju
übertreffen, wobei er benn oft atl-ui fünfllia) unb ju gefugt wirb.
SÖirflid) fdjöne Stellen, eines großen $id)terS mürbig, roedjfeln besfyalb
mit ben fonberbarften Öefa^madlofigfeiten , toie rnenn er baS 0)eftd>t
3a(i!^a§ mittelft ber 5Bud)ftaben beS Alpb,a6etS befajreibt: bie Augenbrauen
finb jmei umgefeljrte Nim, bic Augen jtoei Scib, bie Nafe ein Alif, ber ÜJtunb
ein Wim, bie 3otmreu)e ein Sin u. f. id., ober toenn er feine Nad)rid)ten über
perfifdje $id)ter a(fo überfdjreibt : ,/i*on ben SingDbgeln beS Martens ber
SRebe unb Don ben flötenben Papageien im 3ut*crrö^ridjt ber Didjttunft."
Auf ben gefamten Nationalgeift ber Werfer l)at bie füfifO)e ^3oefie unenblidj •
Derfyängnifcoofl eingeroirft. Woeste ber Äorän bei all feinem Fatalismus nodj
einen 9teft Don 3*ctf)eit unb $erantroort(i$feit im ^eroujjtfein feiner Anhänger
übrig laffen, fo b,at ber perftfdje 2)tpfiliciSmuS, ber 3DJiüingSbruber ber inbif$en
Nirnxnaleljre, aud) biefen legten SReft geiftiger Sd)roungfrafi unb pofitioer
jReligiofität erftidt. „$om Älima begünftigt unb burd) baS Sdjaufpiel ber
politifdjen #ataftropljen Derbreitet, Deren ftänbiger Sd>auplap" ber Orient mar,
fjat fid) ber CuietiSmuS ber ©eifter bemädjtigt. Snbem er üjnen unaufhörlich
roieberljolte, baß eS außer bem göttlidjen SBefen niajts 2Birfliä*)eS gebe, bafj 2uf!
unb £eib, <$ut unb 33öfe nur eitle 2öorte feien, b,at er fie aflen formen beS
Despotismus jutr Söeute Dorgeroorfen, fie für jebe (Sntroürbigung jure^tgefnetet. " 1
1 „Le grand coupable est le Fana, le frere du Nirwana, ou en d'autres ter-
mes le quietisme oriental, qu'on a appele" spiri tu eilen» ent l'hypertrophie du sen-
timent religieux. {Abdur-Razzaq, Dictionary of the technical terms of the Sufies
by Dr. A. Sprenger. Calcntta 1845. PreTace p. v.) Favoris6 par le climat, propagö
par le spectacle des catastrophes politiqnes dont l'Orient est le theatre permanent,
le quietisme a pris possession des ames ; en leur repetant «ans cesse, qu'il n'y a
aueune realite hors de l'essence divine, que le plaisir et la douleur, le bien et le
mal ne sont qu'un vain mot, il les a jetees la proie ä tous les despotismes, faconn^es
a toutes les degradations. 4 C. Borbier de Meynard, La poesie en Peree p. 42.
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568
Söierte« 93udj. *$te* Äapttet.
2ld>te8 Kapitel.
®ie literarifdje ©d)affen*luft ber ^ßerfee marb bura? bie jafjllofen, um=
fangreidjen $iroäne iljrer 3)id)ter teineämeg§ erfd^öpft. 3br ®efd)tnad an
rljetorifd>en fünften unb bid)terifa>m ©djmud 509 bielfadj aud) bic religiöfe,
gefdjidjtlid&e unb miffenfdmftliaV Siteratur in ba§ (SJebiet ber ^ßoefie hinüber
ober berührte baSfelbe menigflenä in tyrem bilberreidjen 93eimerf l. 9?cben ber
eigentlichen ^poefie unb ber ftrengern, ernftem ^rofa aber entfaltete fid) bie
feböngeiftige Sprofa, f>aubtfacf)lid) in ber t$oxm bon (Srjä^Iungen unb Unter=
Ijaltung§fd)riften, ju erftaunlidjem Umfang. $ie Anfänge berfelben reiben
in bie 3c't ber ©affaniben jurüd. $ie ©agen beS $Önig3bud)e§ mürben
fdjon unter #fjo§ru *Rüfd)irman niebergejdjrieben , bier ^aljrfyunberte , efje
^irbüft baS grope 9Gationalebo§ barauS geftaltete; ba8 spantfdjatantra mürbe
fdjon unter bemfelben £errfd>er überfefct, brei Safyrfninberte, ef>e töübagt e§
in neuberfifaV SBerfe braute. S&eibe Söerfe festen, nadjbem ifjr ©toff ganje
Sparen öon ^idjtern befd)äftigt Ijatte, ba$ eine ftüdmeife, ba§ anbere gan$
jur ^rofaform juriid, um neue (Generationen in beränberter ©eftalt mit
ben emig jungen (sagen, EtäraVn unb gabeln ju erfreuen unb ju neuen
äfntlidjen ©ebriften anzuregen2.
2lu3 bem Sd)äf|name ftammt ber SRoman „$äftän" be§ 9fbu Jäfnr
SKo^ammeb Jarfüfi, morin ber £>elb aber ni#t, mie bei ftirbüfi, bon SRuftem,
fonbern oon 33f?nbiar getöbtet mirb, ebenfo ba§ $aräb=9tämelj beäfelben $er=
fafferS, morin ber erfte Stfjeil ber Mlejanberfage, bie ©efdndjtc bon $ariu*
unb Wlejanber, in ^roja erjäljlt mirb, bann baS ©ifanbar=9tämeu. eines Un=
genannten, ba§ bie £>elbentl)aten 9Heyanber§ b. 65r. in bier 33änben bar:
ftellt. Kelter als biefe brei Jßerfe ift ber bon <§abafalj bin 9Cbt=*X=Ääfiin
©djiräjt berfafcte, aber erft 1189 bon einem anbern einfyeitlia^ rebigirte breU
1 Berühmt finb au&er ber oon SBnl'ami oerfa&ten Ueberfefrung bti Zabati
bie gro&en allgemeinen ©efd)ia)tatoer!e be« §äf ij Hbrü (geft. 1430), be« Blirtfronb
(geft. 1497), be* Ä^roanbamir (geft. 1534), fotoie bie 3Beltd)rom! 2a'rif$«i'
9Ufi, bie bii jum Starre 1592 reidjt, bann bie Spectaln>er!e be* 3>fd)utoaini
(geft. 1283) über $fd)engi*--tl)ün unb beffen 9t ad)f olger, be* Söaij^af über bie
9)tongoleufürften öon Jpulägü bi* Hbii Ba'ib, be* ®d>araf »üb» bin 3ojbi unb
be*'9lbb«ur»rajjäq über 2imür unb beffen 9iad)folger (erftere* oon 1425, bai
anbere oon 1470).
* 9Jgl. Gttje, Sie er}ät)lenbe unb pottifät ^rofa (©runbrife ber tranifd&en
^^ifologie II, 317 ff ). — F. F. Arbuthnot , Persian Portraits (London 1887)
p. 91—137. — E. A. Reed, Persian Literature, Ancient and Modern, chapt. XVH
to XXI, p. 339—402. — £>. Qttji, Worgcntänbiidje Stubien (ßeipjig 1870)
©. 147-166 (Sti'tcf aud «noäri.aoljütfi).
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91 euperfifdje Ci r ] d i) 1 u n cfl f u 1 1 n .
569
bönbige Ponton &ih'ib=u2amaf '^pdr, worin ber ^rin$ &h&fltf<hibfchcth Don
feaiab, roetteifernb mit feinem Stiefbruber ^arruchrüj, unter ben rounber*
barften Abenteuern um bie ."panb ber $rin$effin 5Wahpari, ber Jodjter bes
ftaghfür (ßaifer) Don ß^ino, wirbt.
Ein anberer SRoman, bas fogen. ^omja=^ämeb (eigentlich CiffafcUAmir
$>amjah), in biet Derfduebenen Bearbeitungen Dorfjanben, berbinbet bie perfifdje
TOrchentoelt mit ber Erinnerung an ben Propheten Don 3Reffa. ^arnjab, ein
©ofm bes AbteuMDiuttalib unb Cntel bes Propheten, (ommt an ben £of bes
©affanibenfönigs Wüfchirtoctn, freit um beffen Tochter 9Jtihrnigar unb fämpft
als romantifcher bitter gegen ben ßönig ber liefen auf Eeolon, gegen ben
ßaifer Don 9rüm (ßonftantinopel), gegen ben Ajij Don begabten unb zahlreiche
anbere irbifaje unb überroeltliche TOd&te. Bon ähnlichem ritterlich=romantifd)en
©eprftge ift bie ©efdnchte bes Dicrten ß^alifen Alt ibn Abi Üaltbs (OiffafcU
S^ä^ismarbän Ali), ©anj im Greife beS eckten arabifchen Bebuinenlebens
bemegt fich bagegen bie ©efcbichte bes £ätim Zcii (Giffah^ätim %ai) ober
Don ben fieben deichen ^>.Uim Üais. 3n fiuer anbem Bearbeitung f>ei^t ftc
auch „bie Öefchichte ber fieben an £)ätim 2äi geftellten fragen". 2>ie £>anbs
lung bes Sfomans ruht nämlich auf fieben fragen ober tRäthfeln, Don Deren
Beantwortung bie ebenfo fdjöne als reiche £ufn Bänü es abhängig macht,
irgenb einem 9Jlanne ihre £>anb ju reiben. $ie fieben fragen lauten:
1. 2Öas ich einft fah, bas begehre ich ein jroeites 9)lal.
2. li)ü ©utes unb roirfs aufs SSaffer.
3. It)u nichts Böfes; tr)uft bit es, fo wirb es bir begegnen.
4. 28er bie 2öaljrl)eit fprid&t, ift immer ruhig.
5. (Sir foll mir Beriebt Dom Berge 9iiba bringen.
6. Er foll eine ^erle machen fo groß wie ein Entenei.
7. Er foll mir Bericht Dom Babe Babgarb bringen.
Ein ^rinj, ber fieb in bie fchöne Tochter ber Söüfte Derliebt, mirb
runbtoeg abgenriefen, toeil er bie fieben ftäthfel nicht löfen !ann. Er weife
nicht, was er anfangen fofl. $)a begegnet er bem £äthn Dom Stamme
2äi, einem AuSbunb ritterlicher (55ropf)erjiQteit, ber jwar bie ftäthfel augem
Midlich auch nicht ju löfen Dermag, aber es auf fich nimmt, bie Söfung
ju fuchen. Siebenmal sieht er aus, unb jebesmal erobert er, unter ben
wunberbarften Abenteuern mit Dämonen unb Seen, 3ouberern uno 2öunber=
paläften, Berljejungen unb Spüfniffen aller Art, bie £öfung einer ber fragen.
Sie er fie alle fyai, fteQt er fie bem hilflofen ^rinjen jut Berfügung, ber
nun hocherfreut £>ufn Bänü nach &aufe führt. 35er 9lame bes gelben
fommt öfter in ben „2aufenb unb eine Wacht" Dor1. Eine noch unDolls
' Barton, Arabian Night« II (Household Edition), 49?— 500. — Arbuthnot,
Pereian Portrait» p. 130—133.
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SJterte« «ud). %ä>M äapitel.
flänbige $anbfd)rift beS SfomanS jftfylt 1328 Seiten; eine fpätere ^oxt-
fe^ung beS SRomanS ifi nod) bebeutenb länger.
Xafj audj ,.?)itfuf nnb 3fllityÄ", biefer CieblingSftoff ber perftfdjen (Spifer,
burd) ben Sd)eity 3Ru'in aumisfin jum breiten ^profaroman geftaltet würbe,
fann ntc^t befremben ; auffaflenber ift, bafi berfelbe Sdjrtftfteller bie Sfi3unber=
tönten beS WofeS (Wu'bföijüMsTOüfatri). ebenfalls um 1501—1502, in
einem Vornan verarbeitete, fjauptfädjlid) nad) talmubifd)en Sagen.
$>er umfangreidjjte ber perfifdjen Stomane, SüftflnsUÄfjanäl (ber §rrnajts
garten ber ^pt)antafie)# oon 3)iir SWofyammeb 2aqi aus Öubfdjarät, ein Uns
geheuer Don 15 Söänben, gehört bereit* einer fpätem 3eit an; benn er rourbe
1742 — 1756 in Snbien getrieben. CFr ift in brei „ftrütn'inge" (öatjar)
geseilt, biefe mieber in „SRofengärten", „fRofenflorc " unb „Äofenbeete" mit
oerfdnebenen Untertiteln, oon benen einer fogar „bas grofee ÄönigSbuaV
(SdHifcÜtümefcUbiijurg) bri^t. ®efdud)tlid)e Sagen, bie fidj auf ben Styalifen
Vlqä'im biamril(ar) unb beffen SBorfaljren bejieljen, finb barin mit ben munber:
famften ftttiu unb $eufelSgefd)id>ten üeriooben.
2Öie biefe breitspurigen töomane uns tfjeilS in iljren Stoffen, tfailS
menigftenS in it)rer märdjenfyaften WuSfdunütfung auf baS „ßonigSbudf
iJirbüftS unb bie if)in oorauSgefyenben Bearbeitungen ber iranijc&en £>elben=
fage jurüdmeifen, fo aud) bie Ueberfefcung beS inbifajen tjabelbudjs ,,^Jantfc^«=
tantra" ober „Äalita roa Dimna". Tenn fjier mirb fo^on auSfüljrlid) be=
rietet, mie ftönig ßfmSru ^ifdnrmön es in ^nbien Iwlen unb bann
überfein ließ. 9iaa)bem tRübagi es (im 10. 3af)rf)unbert) au* bem $eljleoi
in neuperfifd)e üPerfe umgearbeitet, mürbe es (im 12. Safjrfmnbert) burd)
Slbtu'l SWa'oli WaSr'uüäf) aus bem WrabifaVn ins ^erfifdjc jurüdüberfe^t.
91uf ©runblage biefer Ueberfefmng mürbe e» im 15. ^afyrfmnbert Don Jpufain
©ä'ij UU^afd)ifi abermals neu bearbeitet unter bem 2itcl „9lnDär=i=Suf)aili"
ober „bie Ceudjten oon ftanopuS". $nblicb. ließ es ber gefeierte Äaifer
Wbar 1587 auf 1588 burd) 9lbü=l ?fajl noa) einmal in berbefferter unb
eleganterer ?Vorm herausgeben als c3t)ör=i=^änifct>, b. 1). „^rüfftein ber (Sr*
fenntniß". So Ijaben fidj biefe urfprünglid) inbifdjen fabeln unb ©rjä^tungen,
mitten unter allen Jlataftropfjen , bie ^erfien trafen, über ein ^fl^ttaufenb
in ftets lebenbigem Umlauf erhalten.
(Siner äljnlid>en SBotfStfjümlidjfeit erfreuten fid) $mei anbere Sarnau
lungen oon @r$äl)lungen, bie ebenfalls aus 3nbien flammen unb tljeiltoeife
mit bem ^pantfdmtantra jufammen^ängen, nämlid) bie „©efe&idjte SinbbäbS"
unb „baS ^apageienbud)". £aS erfte mürbe oon Wjraqi (geft. 1133), baS
jmeite oon 3ijä=ub=bin 92a^fcb<ibi (1330) perfifdj bearbeitet.
Sei Sinbbäb (Sinbbnb^üme^) bret)t fid) bie 9laf)mener$äl)lung barum,
baß ein ^riuj, nad) forgfältiger (Srjielmng burd) einen Söeifen, an ben £of
feines Katers $urüdfef)rt, mit ber Tarnung ieboa^, mit 9lüdfid)t auf baS ib.m
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fteupcrRföe er}ö^utifl«unft. 571
geftellte £>oroSfop ficbcn löge lang Stiflfcbtoeigcn ju beobachten. Vor feinem
SBoter hält fid) ber s$rinj genau an biefe 2öarnung ; jebocb in baS §frauen«
gemach beS ÄönigS eingeführt unb bon einem ber Söeiber mit unziemlichen
Anträgen beläftigt, oergifct fid» ber befcbeibene Jüngling unb roeifit bie 9?icbtS=
toürbige mit ijerben ©orten ber (Sntrüftung Don fid). $iefe jerrauft il/r
£aar, zerreißt ir)re ftleiber unb flagt ben ^rinjen bei feinem Vater beS
Verbrechens an, ju bem Tie ihn ffditt oerführen rooflen, fotoie beS planes,
i^n felbft $u oergiften, $er Äönig glaubt alle* unb null ben $rin$en h'm=
richten laffen; aber feine Vejiere legen fich ins bittet unb erhöhten bem
$önig zahlreiche Veifpiele bon ber Cift unb Söo^^eit ber Söeiber. $>ie £in=
richtung toirb üerjdjoben; aber roäljrenb ber 9cad)t erzählt bie Anflägerin
bem ftö'nicj eine ganze föeilje Don Veifpielen 6o#r)aftev unb bet rüger if eher
Männer, fo bnfe ber tfönig toieber an bie lügnerifdje Anfinge glaubt.
Sieben iage toiebcrholeu fich biefe Erzählungen unb ©egenerjählungen ; am
achten barf ber ^rinj felbft mieber fprechen unb überzeugt ben Vater oon
feiner boüfommenen Unfd>ulb, roorauf biefer iXljron unb Äeicr) an ihn
überträgt.
3m „^apageienbueb" (lütMRämeb), baS aus bem inbifchen fufafaptati
flammt, ift bie Rahmenerzählung oon oenoanbtem ©epräge. ^Jrinz <Dtirmün,
ber „Vielöerheiftenbe", Sohn beS Sultan» ^Cr)meo, wirb mit #h°bfcbifteh, ber
„ÜHüdlicben", oerheiratet. Alle» geht gut, bis 9)cirmün eine längere Reife
antreten muß. Vei feinem Abfdnebe auf bem 53ajar empfiehlt er ihrer
mütterlichen Cbforge ganz befonberS jtoei Vögel, einen ^apagei, ber nicht
nur reben fann, fonbern auch Vergangenheit unb 3u'unf^ fennt, unb
eine Art Star (sharak ober mina), ber bem Papagei ©efeflfebaft leiftet,
mit ber Wafmung: „Vei jebem wichtigen föefchäft ober jeber bebeutem
ben Angelegenheit führe beine Abficbt nicht aus, ohne erft bie beiben 51t
befragen." Ein fyalbrt 3flhr hölt fich fifjobfchiftelj brao; als aber ein
frember ^ßrinj bei ftofe erfcheint unb fich leibenfehaftlich um ihre Siebe bfc
mirbt, manft ihre Irene unb fie oerfpridbt bemfelben eine 3ufarom*"tonft-
3uüor entfpricht fie inbes immerhin noch ber ihr ertfjeilten Mahnung unb
frägt juerft ben Star um Rath, toeil berfelbe ein üöeibdjen ift unb fie
beSfmlb oon ihm Racbftcbt ermartet. $a aber ber Star ihr entfehieben
abräth, toirb fie böfe, reißt ihn aus bem ßäfig unb breht ihm ben £>alS
um. Roch Doli Aufregung toenbet fie fich bann an ben Papagei unb erjagt
ihm alles bis auf ben 2ob Des Stars. £er Papagei ift aber flug. An=
ftatt ihr abjurathen, tabelt er ben Star, fchmeichelt ihr, oerfpricht ihr feine
guten £ienfte unb hält fie mit einer Erzählung fo lange hin, bis eS borgen
wirb unb bie 3ufominenfunft mit bem Prinzen nicht mehr möglich ift. So
treibt eS ber Papagei Dura? jmeiunbfünf^ig dächte, genau mie bie fluge
Schtrjäb in ben „Saufenb unb eine flacht", bis 9Jcirmun tyxmtetyt unb
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Vierte* SJudj. Neunte« Äapttel.
nadj bem Star fragt. 6be #&obfc&iftef) anttoorten fann, erjagt ber Papagei
bie ganje ©efc&icbte, unb Wirmün ift über feine unjuwrläfflge $rau fo enh
rüftet, bafe « jie umbringt.
2öie biefe 9tafjmener$äf)lungen , finb aud) bie einzelnen Stüde, roeldje
fie umfc&lie&en, frifä, munter, mit großer ?Ininut^ unb Sebenbigfeit er^äljlt.
$ie ^Bearbeiter Ijaben fieb niefct an ben 33ud>ftaben gehalten, fonbern an
ben Sinn, bie ©efdnc&ten meift frei nriebergegeben, manage wegfallen laffen,
anbere eingefc&oben , ben Stoff fi$ üöflig angeeignet. Leiber ift aber bie
2luSfül)rung mit fo Diel Sc&mu& behaftet, Baß nodi fürjlid) ein nic&t
eben prüber ©eleljrter baS 93ud) fjödjftenS als „ejcluftofte «Olännerlectüre"
für juläfftg eradjtete.
$aä ift überhaupt ber tounbe $unft aller orientalifc&en SMletrijtit.
911S meljr ober weniger fenfualiftifcfcer 3eitüertreib unb 3eitt>erberb aus bem
trägen #aremSleben Ijeroorgegarigen , &at fie fiaj nur feiten ju tjö^ern ©e*
bauten unb 3bealen emporgefefnoungen. 9luS ben ältern epifa>en £id)tungen
toie aus bem #oran unb ben Sagen ber SBebuinen 50g fic &auptfäd)lid)
baS an fieb, maS als »eijmittcl jenem mollüftigen SenfualiSmuS entgegen
tarn, unb bie Stidluft beS #aremS oergiftete großenteils au* bie $een=
unb 2öunbermära>n, toeldje fid) aus ©entralaften unb ^nbien, aus bem
Sahnub unb aus ben Ueberlieferungen ber ^alifenjeit, aus ©rietfenlanb unb
Sprien in ^ran oereinigten. Unter ber üppigen $f)antaftU erfcfclaffte unb oer=
flücfctigte fia) ber nationale ©eiji, unb biejelben SJerfü&rungS-- unb gl)ebrud&S=
gefdjicbten mürben baS gemeinfame Cefefutter ber Werfer unb Araber, ber
änber, Mongolen unb Surfen.
9i e u n t c & si a p i t e L
^a«ßrüt?e paflfäex 3>ic«tu«ö ttt Sutten wtb $frfl«i-
9td&t unb ein falbes ;Mrf)unbert oergingen feit bem Sturze ber
Saffaniben, bis Ssmä'iUSafaot (1501—1523) mit ftegreiaVr 28affengemalt
Werften aus ber Wacbt ber iurfmenen befreite, eS roieber jum felbfiänbigen
SReiaje maajte, ben alten glorreichen litel Sa)äf)infa)äf), „tfönig ber Könige",
annab.ni, fid) ben türtiic&en Grben beS &f>alifatS als ebenbürtiger »iüale
gegenüberfieflte unb bie Saji'a, bie ßer)re ber Sajiiten, $ur StaatSreligion
er^ob. innere 3toiftigfeiten unb unglüdlidje Kriege unter feinen 9lad>=
folgern erfajütterten inbeS balb baS neuerflanbene töeicb, unb erft bem großen
Sd)äf) «MbbäS I. (1586—1628), wieber einem gewaltigen ÄriegSfjerrn unb
Gröberer , gelang eS , bie 9Jtad)t beSfelben Ijerjuftellen, 311 befefhgen unb 31t
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9ia$fcltitf)c perftföer $i($tuiifi in Snbien unb «Perficn. 578
erroeitern, fo bafc eS Don Armenien bis hinein uad) 9lfgf)aniftan unb Don
Crmuj bis nach, German unb Rljoräffän reifte.
3 m blutigen ©emirr biefer kämpfe fanb bic perfifdje Literatur inbe§
nid)t 9Wujje unb 9tuf)e genug, um fid> aus iljrem SerfaQ ju neuem Seben
$u ergeben. $>ie beften Gräfte manbten ficfj ^nbien ju, mo ber 9Jtongolen=
fürft Jöaber 1526 baS fogen. 9feid> ber ©rofj=9ttogule ober ba* tfaifertfjum
^inboftan begrünbete. @r unb feine 9iad)f olger §ümämm (1530 — 1556),
Wbar (1556— 1605), Efdjefjängir (1605— 1627), ©d>ät) $f<$ef;än (1628 bis
1658) unb 91urang=3*& (1658 — 1707) umgaben fid> mit einer ^rad)t, mel^e
in ben SBorftellungen ber Sl&enblftnber felbft ben fjö<f>flen ^runf ber Äfyalifen
oerbuntelte. 3^re ^aläfte, 90tofd)een unb SRaufoleen 311 £elfji, 9tgra, ftatfmur,
Wfjmebabab unb anbern ©täbten bieten bleute nod) ein 2MIb pfjantaftifdjer
£)errlicr;feit , baS bie 3reenmärd)en beS Orients 511 bermirflidien fd)eint.
Snbifdjer 9*ei<r)tf)um unb inbifcb,e ^fjantafht Derbanben fid) ba mit bem Äunft=
finn unb Äunftfleifj ber ^erfer, ber ^radjtliebe ber Araber, dürfen unb
Mongolen. Ilm jene 3ett Ratten fid) auch, fd)on bie ?ßortugiefen in 3nbien
niebergelaffen unb mar ber Crient burd) t^rc Seefahrten mit bem Wbenb=
lanbe in lebenbigen tDerfefyr getreten.
%k meinen biefer £errfd>er maren allerbingS ed)t orientalifdje ^braunen,
beneii ifyre eigene Saune unb 2öillfür, 9ttad)t unb CebenSgenujj baS einjige
(Sefefc mar. ©ie maren inbeS bem ©lanje ntdt)t unjugänglidb,, ben literarifdje
Jöeftrebungen einer prunfljaften £>ofl)altung gemäfjren fönnen. ßiner aber ragt
burd) (#eift unb 2r)ätigfeit meit über bie anbetn empor, ber grofce Aaifer
9lfbar, ber fidj nidjt nur perfönlicb, um bie toidjtigften religiöfen |ymgen be=
fümmerte, fonbern Söiffenfäjaft unb $unft im roeiteften Ilmfang begünftigte,
für bie literarifdjen <5a)äfce ber Werfer unb Araber nid)t geringere* Sntereffe
fyatte als für bie Ueberlieferungen unb poetifdjcn 23erfe ber Snbcr. 3ln
feinem glänjenbeu £)ofe ju $elb,i, meit mef>r als in bem Don Sebjf) 9lbb.iS
$ur ^auptftabt ^erfiens erhobenen ^spa^an, follte bie perfifdjc Literatur
noa^i eine furje 9tad)blütb,e erleben.
$ie bebeutenbflen $)id)ternomen ftnb: Gtyajäli aus 5Hefd)fjeb (geft. 1572),
Urfi aus Sdnräj (geft. 1591) unb ber <5d>eid) 5lbit=l=5oi5» nl* $id)ter fyai^i
ober t^ijäji genannt (1547 — 1595). Urfi Derr)errlid}te feinen Gönner in
formDollenbeten Raffiben unb gab ber SiebeSgefdjidjte „5flrf)Qb (urfprünglid)
ßljoSrau) unb Sajtrin" eine neue ®eftalt. ^aiji, ßpifer, Snrifer unb ($pi=
grammifer jugleidj, beljanbelte bie inbifaje ©efdndjte Don 9ial unb $ama=
nanti in einer gemanbten perfifdjen 9?ad)btcr)tung, mftljrenb feine Epigramme
jene pantr;eiftifc^e ©eifte§= unb Sonnenreligion fpiegeln, in melrfier ^aifer
^Ubar alles ©ajöne au§ bem ^§ldm, bem ^inbuiSmuS, bem ^ubent^um
unb bem (itjriftent^um Dereinigen ju fönnen mahnte. @in ©ruber be»
^ia)ter», 9lbu='l gajl, ÜJlinifter beS tQaifer*, gab, mie fdion ermähnt, (1588)
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574
Viertes Söudj. Neunte« Aopitel.
bcm berühmten #abelbuch MnroärsUSuheili eine neue, elegantere Raffung.
%biiA Ääbir Babä'uni überfefcte jum erftenmal bie „3roeiunbbreiBig i^ton=
erklungen" (Singt)äfon 33attifi) aus bem 3nbifd>en ins ^erftfehe. Unter
ber geineinfamen Leitung ^(S, 5ai$:.S unb SBabä'uniS würben enblich bie
jroei grojjen Gpen ber Snber, baS ÜHahäbljärata unb ba§ 9tämäpana,
fobann bie $agl)abab=®itä unb ?)oga:58äftfchtha ind 'sjJerfifche übertragen.
3n biefelbe 3eit fäOt bie Ueberfefcung ber „Öefdnchte beS ^rtnjen ©afhtiär"
(©aH)tiär=nämeh), eines beliebten inbifchen Romans. 6m fyttx bon Schäm
[Treibern mar baneben beschäftigt # bie 9)ceifterroerfe früherer Qtii, Dich=
tungen, ©efchichtsmerfe , religiöfc Schriften, $ichterbiograpt)ien , (Sommern
tare, Dtomane unb Untert)altungSbücher in jietlichen £anbfchriften ju Der*
bielfältigen. Öanje Sparen feinerer ^oeten bemühten ftch, bie Stiftungen
ber flaffifchen 3«it nachzuahmen unb ben ©lanj it)ceS faiferlidjen ©önnerS
in ben oerfdnebenften formen ju erl)öf)en. Wit Wufaeichuung ber jeit«
genöffifdjen (Sreigniffe follen nicht weniger als bierunbbierjig Schreiber unter
officiefler Leitung unb Organisation betraut gemefen fein. (Sin anbereS
Kollegium bon Schriftflelleru feilte fich in bie Bearbeitung eine* grofeen
GtefchichtSmerteS Sa'riffcMHlfi „Öefajiajte ber taufenb Sat)re".
So großartig unb bielfeitig bie literarische I^ätigteit am $ofe &fbarS
mar x, jeigt fie nicht jene iugenbfrifdje ^antoftefiifle unb Sd&affenSfraft, bie
fid) einft am $>ofe 9Wat)mübS bon ©hajna entfaltete unb bie im Sd)ät)näme
f^irbüfiö ihr unvergängliches $>enfmal gefunben hat. $aS biete Sammeln,
Ueberfefcen, (Sommeniircn gibt it>r fdjon einen nlejanbrinifchen 33eigefchmarf.
($S mürbe met)r reprobucirt als eigentlich probucirt. Srofc all feiner glänjenben
Anlagen unb feinem 3"9* 5« müftifcher Steligiofität oermochte ber grofec
ftaifer fid) boch nicht baju ju erfchmingen, bie Ueberlegentjeit beS Ghrifteiu
tfmms über bie 2et)re beS tforänS, bie berfchmommenen äbeen ber SüfiS
unb bie bermorrenen fteligionsanfchauungen ber Snber ju erfennen. Seine
neue „%\ü)\"-- b. t). „göttliche" Religion fpi ben SSirrmarr ber orientalischen
Snfteme nur oermehrt, nict)t geflärt.
Unter tfaifer $f<hehängir, bem Sohne unb Nachfolger SlfbarS, bauerte
bie literarische ftegfamfeit inbeS »eiter, menn auch nicht in gleichem Umfang.
9luS bierjig altem Wörterbüchern liefe er ein größeres, umfaffenbeS aufammen=
fteüen, gleichfam ein Dictionnaire de l'Acaderaie — ben 3rart)ang=U
Tfchehangiri. @r felbft führte ein Tagebuch in perfifcher Sprache — Sugaf
^fchehängiri. 3m Anfang feiner Regierung fam ber Sichter Saltb aus
^äjenberän nach 3nbien unb erfdjwang fich jur SSürbe eines $>ichteriönigS.
1 £>auptqueüeit für biefe 3eit ftnb bie bon löabä'üni 1596 DoUenbete ©efdjidjte
OnbienS (Muntakhab-uttavarikk), unb ber 8. f&anb bei 1597 öoflenbeten ttlbontäme
('«in.i.atbori) i>on 9lbü-'l-faj[ 3t 1 1 ä m i (englifch bon »loihmann [Bibl. Ind. 1878]).
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9tad£>bl&tf)e perfif<6er 2>i<fjtung in 3nbien unb *Perfieix.
575
2öahnin, £)ofbeamter unter Sfcheljjngir lote unter feinem Nachfolger 3c^it)
$)fchehän, befang bie $>od)&eit beS ^rinjen 3)ara Sdnfüh in einer Äaffibe,
bie burdh ihre afroftichifchf Äünftftchfeit aüe bisherigen ßünfieleien in ben
Spotten fteflte. $er ^rinj fclbft machte fich um bie Ueberfefcung ber
inbifchen ^uranaS unb UpanifchabS berbient, marb ober (1659) bon feinem
eigenen 93ruber, flaifer $urang=3eb, einem fanatifchen 9lnt)änger beS Zorans,
graufam fnngeid)(ad)tet.
SBon biefer 3"* fln begann bie perfifche ^idt)tung in ^nbien rafch $u
finfen. Unter einer *Dienge bon ^oetennamen finbet ftch nur feiten einer,
ber burch feine Originalität etwas $u bebeuten fjdtte1. (Sinen tragifchen
Abfchlujj finbet biefe ^eriobe perfifefcinbifcher Sßoefte in bem tfaifer Sd^h
'2Uam (1760—1806), als $ia)ter töftäb genannt, ber, 1788 geblenbet,
fein trauriges 2oS in ergreifenben klagen befang.
SBährenb baS Sfunftpatronat WfbarS beS ©rofjen für bie perfifche rote
für bie b,inboftanif$e Literatur jum WuSgangSpunft einer neuen, bielfeitigen
(Sntroidlung mürbe, friflete baS ©eifteSleben in Werften felbft, am £>ofe
SlbbaS' I. 5U ^Sfahän, ein ziemlich fümmerlicheS 5)afcin. Seine £afelrunbe
beftanb faft aus lauter ßnrifern, roelche in feierlichen Öobgebithten ihren
£)errn unb Äönig berherrlichten ober nach ben jahtlofen borausgegangenen
9Kuftern Don Sein unb Siebe bieteten. 9?on einem berfelbcn, 35fcheläl 91fir,
einem bertrauten ftreunb beS Schahs (gefl. 1639), ttrirb berichtet, bafs er
bie meiften feiner ßieber in mirflich betrunfenem 3uftanbe berfafit f)ab(.
3m Saufe beS 17. unb 18. 3ohrhunberte mechfelten biete dichter ihren
Aufenthalt jroifchen Sßerfien unb ^nbien, fo u. a. 9Ut ©.Vi 6 aus ^Sfah^n
(1603 — 1677), ber bon ben perfifdjen Äritifern als ber bebeutenbfte dichter
beS 17. 3ahrt)unbertS unb als 33egrünber eines neuen Stiles in ber Storif
bezeichnet mirb.
(Sin lejjter SängertreiS, ber nur mie ein Sdjattenbilb an biejenigen
beS Sultans ODiahmüb bon ©fjajna, oeS ÄaiferS 9lfbar unb beS Schah
WbbH I. erinnert, gruppirt fich s» Teheran um ben Sdjiih f atJt> 9tlufchäh,
ber 1797 — 1834 über Sßerfien ^errf^te unb unter bem Namen ßfyätän
felbft einen £irodn ^interlie^. Seine £>elbenthaten feierte ber 33ichtertonig
Sabd (fath 51li-!hdn ftäfchi) in bem SchahtofääfcNämeh m bveiunbbveiiufl:
taufenb £oppelberfen, einer fet)r fchmaajen Nachahmung bon ^iibüfiS großem
Nationalgebicht. Noch umfangreicher (bierjigtaufenb $oppelberfe) ift baS
$fcharbfa>9?dmeh (©eorgSbuch) beS «Kiiüd ftirüj bin ffa'us, baS in brei
SBänben bie ganje (Berichte 3«bienS bon ber erfien ßntbeefung burch bie
^ortugiefen bis $tir Eroberung ^oonaS burch bie ßngldnber erzählt.
1 ©Mni ou* Jtafämir (geft 1668), Sfflubjin 3fäni (geft. 1670), Stäfir
«Ii (geft. 1697), bie Äaifertocbter 3Jta#fi (geft. 1702), ber ßijriter unb SJtyftifcr
93ibtt (geft. 1720), ©(fceiflj §aftn (geft. 1691).
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576
Vierte* fBud). Neunte« Äopitel.
2ÖQS bic neuem Werfer feit ben breifeiger 3at)ren an $oefie tyrtiox-.
gebracht, bebeutet nur ein weiteres Sinten beS <$efchmarfs wie beS (SeifteS*
lebenS überhaupt. „Tem fünftlerifchen ©efchmarf fteüt eS fiel) entweber als
bloßes 9lachempfinben beffen bar, was bie großen (Heifter früherer $age
gebaut unb gefüllt, mit ber gehörigen 3U^°* ^ner fchwülfiigen Blumen:
fpradje, bie burchauS nicht geeignet ift, über ben Langel an wirf Hamern
^beengehalt ()inroeg$utäu|'d)en, ober — was noch fcfjlimmer ift — als miber:
wärtige Slbfchweifung in baS ©ebiet feruefler Qrrceffe unb unnatürlicher
Softer." 1
$aS erfterc ift fo ziemlich baS 2oS aller orientalifdjen Literaturen,
befonberS Dasjenige bei ben mohammebanifchen Völfern. „3n ber Zf)ai
treibt mit wenigen 9luSnaf>men ber moberne morgenlänbifcfye dichter, melier
Nation er auch fei, baS Richten als £>anbroerf. (5r ift fein ^oet Don
(BotteS ©naben, fonbern nur ein mehr ober weniger gefdntfter Söerfemacher,
ber feine ©ebichte nach dufter Derfertigt, wie ber Sctmeiber bie ßleiber,
ber Schuhmacher bie Schuhe. $aS menfchliche Leben, biefen Urquell aller
^ßoefie beifeite lajfenb, ftubirt er nur bie tobten Vuchftaben feiner Älaffifer.
6r benmnbert alles, was alt ift. Statt etwas 9ccueS ju erfinben, was
immer fdnoer fallt, bemüht er fid) nur, bie ^erfömmliajen bicfjterifchen Stoffe
neu aufjupu^en. $er Stil gilt ihm aüeS; ben Inhalt unb bie poetifdje
Schönheit oernachläffigt er als Siebenfache. 2ttan fann barum otync Ueber-
treibung fagen, baß er in ber Siegel gar nichts empftnbet, fonbern nur baS,
was anbere fchon gefüllt ^aben, nachempfinbet. iaufenbmal bearbeitete
©egenftänbe, wie 9)üfuf unb 3^W» 2au^ l,no ^iabfctmün, SsfenberS,
9lliS unb SJtofjammebS friegerifche Abenteuer unb ^elbjüge, werben wieber
unb wieber befungen. 6s Derftetjt fidt) Don felbft, baß biefe 9Jeubearbeiter
bie alten Sagenftoffe, einige ftiliftifaje Verzierungen abgeregnet, faft ganj
fo wiebererjdl)len, wie ihre Vorgänger fie beschrieben haben. Sin Europäer
fann unmöglich einem folgen SJcachmerfe Öefdjmacf abgewinnen." 2
Obwohl Deshalb, wie in frühem $ntm, bie ^ö^ern Stänbe überhaupt,
angefe^ene Äronbeamte, ^rinjen unb ^rin jeffinnen aus föniglichem £aufe,
felbft ber iüngft ermorbete Schah, bie ^oefie als Liebhaberei betrieben, f)at
fiel) biefelbe Don ihrem anbauernben ftiebergang nicht erholt. 2US $f)eil
feinerer Vilbung wirb baS tieften mechanifch eingepauft, bann ebenfo
mechanifch geübt, unb bic fo gebrillten Joelen Dermögen ftd) tyxnaä) ber
Schablone nicht mehr jii entringen.
Ca 'am Opabib.-ulläh eU^ärfi), ber als ber bebeutenbfte neuere Siebter
^erfienS gilt, machte fchon als achtjähriger Änabe Verfe, bie allgemeine
1 dt ©runbrijj ber iranifdjen $f|ilologie II, 314.
* 9llej. d. Atgl, 3"c @eidjid)te ber perfiftf>en Sitcrarut be* 19. 3<»I)thunberti
(3citi(hvift ber 2eutfd)cn üHorgenlönb. ©efeUfcf>. XLVII, 130 ff.).
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Xai neuperftfche iBolfabrama (2a'jte^).
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iBerounberung erregten. (£r toorb erft £>ofbichter eines ^Jrinjen, beS ©tatt=
halterS bon Ä^oraffan, bann beS Schahs felbft. „(£in Söortfünftler erfren
langes, mie SMctor #ugo, bezaubert er alles mit ber gfatbenpra^t feiner
juweüen fchmülftigen , aber immer bod) poetifchen Spraye, Schöne, echt
orientalifche Metaphern unb fühne ©leichniffe mechfeln bei ihm mit ben auS=
gefuchteften Stilrounberlichfeiten." 1 Um feinen SiebeSgram auszubilden,
befchreibt er fich als jämmerlich unb frant im Bette liegenb.
9Jtit einem $elj, gleite einer 3gelbaut, um bie Schultern, einer Wadjtmafce, roie ber
äBiebefjopf fie hflt, auf bein Äopfe;
Sie 9tafe hoch emporftehenb , baä Äinn eingefunten, Schnurrbart unb SBacfenbart in
toilber llnorbnung.
ÜJlcin SDlunb unb meine Sippen toaren fo bünn toie bie ber 2lffcn. fcänbe unb Sfüfee,
toaä ©chtoöche anbelangt, glichen benen ber @tbecr)fe.
Steine 9lägel toaren (fo bünn) toie ÄafcenfraUen. «Dlit bem bti männlichen Hffen
vergleichbar mar mein ftinn.
Seine ©ebichte befifcen immerhin ben Ißorjug, bafj fie in entern, reinem
^erftfeh geschrieben ftnb , unb flehen, roaS ben <Ber>a(t betrifft, h°# über
benjenigen beS 9)agmä Sfchanbafi, eines auSgefchämten Tomographen, beffen
„©eneralSbuch" (Sarbarribne), eine Satire auf feinen frühem Borgefefcten,
ben ©eneral $$iVl:fatur Rtjän, üon ©emeinheiten unb Unfläthigfeiten ftrofct.
$amit es ^erfien auch nicht an SSeltfdjmerj unb ^effimiSmuS fehle, ift
biefe aflgemeine Canbplage ber mobernen 2BeIt burch ben dichter Sdjaibäm
aus ftäfdjän bertreten, ber mit feinen entfagenben ßlagetönen toenig £off=
nung auf eine beffere 3ufunft gemährt2.
Ginen gemiffen 9Ibfd)lufc fyat bie gefamte perftfdje Öiteratur burch ben
Snrifer unb @pifer 9tyä ftufcltyän gefunben, ber mit immenfem Bienenfleiß
alle frühem $ichterlejifa (Sabhfire) bon 9(ufi bis t)exab in bie ©egenroart
burchgearbeitet unb 51t bem umfaffenbften literaturgefchichtlichen 2Berf bereinigt
hat, baS ^erfien befifct. (5s tarn ju Teheran 1877 in $mei ftoliobänben
heraus 3.
3 e f) n t e 3 & a p i t e I.
3m Botfe lebt injtoifchen, roic uns föeifenbe crjär)len, bie alte £elben=
bichtung noch fort, toenigftenS gewiffe SieblingSftücfe aus ftirbüfis Schä>
ndme. „SBenn ich fo/' erjagt ^ello (längere $eit fteftbent in ^er=
' %Ui. ö. Jtegl a. a. 0. 6. 181.
2 et he, ©runbrife II, 814. 1 Gbb. II, 216.
aSaumßartner, SDfltlilerotur. 1. 2. «uff. 37
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578
Starte* »udj. 3ehnted Äapttel.
fien) „einem 9)iäraVner$äf)ler laufd)te, ber auf einer fd)lid)ten ßrfjöljung
im S3ajar faß, bic ©efdncfyte Don Sotyrab unb Stuftem anftimmte unb feine
(Stimme langfam anfdjmeüen lieft, bis fie gegen Gsnbe beS SßerfeS innehielt
unb bann finfenb jur folgenden überging, wäfjrenb bie bunte Strafrem
berfammlung iljm mit entjüdter Slufmertfamfeit äufjordjte, bo mar mir, als
fyätte id) ein ©egenftüd $u bem älteren Vortrag ber ^liabe bor mir." $ei
weitem merfwürbiger ift aber, bajj fid) bei ben ^erfern aus bem 93olfe Ijeraus
erft in bem gegenwärtigen ^afjrfmnbert eine 2lrt Don Wpfterienfpielen gebilbet
l)at, ber erfte 9lnfa$ eines Hr)eaterS bei ben Golfern beS ^SlämS.
$er llrfprung biefer Stüde* entfpridjt ganj bemjenigen beS 5)ramaS
bei ben übrigen Söölfern beS 9Horgen= unb SlbenblanbeS ; b. f). fie ftnb wie
bie Dramen ber ^nber unb @riecb,en ober bie 9Jipfterienfptele beS WitteU
alters aus religiösen ?yeftlicrj(eitcn hervorgegangen, mit melden Umzüge,
Sdjauftellungen unb (Sljorgefänge Derbunben waren, ^rürjjeitig ljulbigten
bie ^ßerfer ber £ef)re ber Schiiten, weldje Don Anfang weniger ein eigenes
bogmatifa)eS Ce&rfnftem als einen politifdjen ^ßroteft gegen bie arabifebe
3rrembf)errfdj>aft bebeutete. «Statt ber brei erften fifmlifen 91 bü töefr, Omar
unb Ctlmtan, Don welchen bie Werfer Cmar als Eroberer am meiften
fyafcten, Dcreljrten fie näcbft 9Jtob,ammeb als Stelloertreter unb Weitern ^airi=
ardjen feiner Seljre bie jroölf Smame, b. 6,. junäajft 9lli, bem 9)Job,ammeb
felbft (nad) böflig erlogener S^erftajerung) bie 9tad)folge übertragen gilben
foüte, beffen Söfme £>afan unb £>ufain unb neun 91aebJominen beS (entern.
Xie (#rabftätten beS 9Ui ju 9febfd)ef unb beS ipufain ju &erbelä würben in
Ijöcbjten (£f)ren gehalten, als 2öaflfat)rtsftätten, beren Söefuc^ ben Eingang ins
SßarabieS unb alle möglichen anbern ©nnben fieberte. Seit SSmä'il Scfjnlj, ber
Örünber ber SüfaDiben=3}rmaftie (1502), bie Sdn' a ober £eb,re ber Sdjiiten
jur StaatSreligion erhoben fjatte, würbe ber tragifdje Untergang ber ^ko=
pljetenenfel £>afan unb £uifain aüjäljrlitb, in ben erften $eb,n lagen beS Monats
2Ruf}arram aufs feierlichste begangen, burd) großartige fteftjüge, Abfingen
Don Irauercfyören unb Vortrag Don funftbollen Älageliebern , welche baS
Sdjicffal ber beiben Smdme in ergreifenber SEÖeife jur ^arfteüung brachten 8.
1 Sit Lewis Pelhj, The miracle play of Hasan and Husain, collected from
oral traditions. With explanatory uotes by Atth. N. WoUanton I (London 187»),
p. iv (Preface).
* Gobineau , Les religions et les philosophii'S daiis l'Asie centrale.
2« £dit. Taris 1866. — &tf)i, Sie perfiföett ^alfiondfptele, in SDlorQenlänbiföe
©tubten (Seipsifl 1870) S. 174—194. — Sit Lewis Pelly, The miracle play of
Hasan and Husain, collected from oral traditions. With explanatory notes by
Atth. N. Wollarton. 2 vols. London 1879.
3 Slbföriften foldjer ©cfänae bcflnben ftdj im India Office (n. 1051) unb in
ber SBobleiana (flntul. D. Cufelet) 152). Sic ledere reicht über bai 3obr 1787 jurücf.
etb«, ©runbrift II, 315.
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Sa« neuperftföe »olfäbromo (Sa'jic^).
579
Das 5BoI( fang, rief unb heulte bei gemiffen ©teilen mit, $erfcf)lug fich bie
©ruft, unb manche jerfleifcbten fich in it)rer fanatifeben i^eilno^me fogor £eib
unb ©lieber. Der Uebergang bon bem Vortrag biefer Sieber jum Dialog
lag fehr nahe, unb fo fw&en fid) biefelben benn 3U einer langen 9teilje bon
bramatifchen bieten entmidelt, beren jeber für fid) ein tleineS Stüd bilbet,
bie fid) aber ju einem einheitlichen (5ptlaö siifammenfc^Iicfecn J.
Die fiebenunbbreiflig «Stüde, meiere Sir ÖemiS ^ßellb au* jroeiunbfünfjig
bon i^m nach münblicber Ueberlieferung gefammelten auSgeroählt unb ber=
öffentlich t)at, bilben ein überaus* merfmürbigeS, bom fajiitifdjen ©efiebtspunft
aus meifterlicb angelegtes ©anje. Sie fangen mit bem Verlauf beS ägnptifcben
Sofeph ön unb hören mit bem jüngften ©eridjt auf: jmifeben biefen @nb=
puntten entmidelt fich bie tragifche ©efebiebte ber 3mäme in eingehenber
©reite, aber babei oft in jünbenber Sebljaftigfeit, ftets getragen bon einem
feierlichen, büftern (Srnfte unb einer unheimlich fanatifec/en ©egeiflerung.
Die ©efdndjte beS ägoptifeben Sofeph muthet uns anfänglich roie ber
9tad)flang eines fleinen biblifchen Stüdes ganj fnmpathifcb an. Der Patriarch
Siifob eröffnet bie Scene mit einem feierlichen (lebete 51t ©ott; bann er=
gählt iljm ^ofeph feine träume; bie trüber berfebmören ftch ^iber ihn; er
nimmt rüljrenb Wbfcbieb bom ©ater unb bon feiner Scbmefter Dinah; er
roirb in bie 9Büfte gelodt, feiner Kleiber beraubt, in ben Brunnen geworfen,
aber 00m (Srjengel ©abriel getröftet; bie ©ruber bringen bem ©ater bie
lügenhafte ©otfebaft bon 3ofepf>S Stob. Da bricht aber bie altteftamentliche
Raffung jäh ab. Dem trauernben ^afob bringt ©abriel im tarnen Villahs
folgenben Iroft: „2BaS benfft bu, 0 ^Betrübter! ^ft bein 3ofeph mehr merth
als 'DUtohammebS theurer (Sittel, bor beffen Slugen erft alle feine ©enoffen
getöbtet mürben, beffen Körper bann mit Pfeilen überfchüttet , ber bann
graufam htngefchlacbtet , beffen Ceiche auf bie (Srbe hingefcbleubert mürbe?"
Da ruft 3<rtob auS: „O mögen 2aufenbe mie ich unb mein Sofeph jum
Söfegelb für £mfain merben ! $Rögen taufenb SofephS jum Staub an
feinen #üjjen merben! Wöge ber fjrlucb ©otteS auf ?)ajib unb feinem
Stamme ruhen, ber graufam ben 3müm bahinmorbete ! #omm, 0 ©abriet!
jeige mir bie (Sbene bon $erbelä, um ©otteS millen!"
Das §n>eite Stüd fchilbert, ebenfalls fehr beweglich, ben Üob bcS
fleinen ^bräbim, beS SofmeS ber ^I^riftcrtfflauin SRarjam, eines fauin
anberthalbjährigen RinbeS , auf ben Firmen feines ©aterS , beS Propheten
Wohammeb, ber r)ter als ber Iiebreichfte ©ater gezeichnet ift; aber eine (Sr=
fcheinung #ufainS jiefjt ben Säugling bom fersen beS ©aterS meg , unb
1 ©ei biegen ^rocefftonen tourben au8 §oIjit>er! t>erfertigte 9tad)b Übungen bc*
©rabe* 311 Äerbelä herumgetragen, tvetetje man Sa^ieb, (ein .Stoff) nannte. £er
9iame ging bann auf bie fifeftjüge unb »on biefen auf bie babei aufgeführten Sreft-
fotele über. »gl. T. P. Hughts, Dictionary of Islam ed.) p. 631.
37*
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580
©irrte« Sud). Sehnte« flapitel.
ber JobeSengel 3$rä'ü maljnt bicfen felbft: „2öer £ufain liebt unb um tyn
trauert, ber gel)t bom Job jum Öeben über." 3>m fiinbe aber bietet ber
Jobe&engel einen Wpfel, unb fo fcfylummert eö fanft hinüber.
drittes Stüd. 6in böfer 3unge ift jur eroigen Verbammung beftimmt,
roeil er feinen Ottern ungefyorfam geroefen. Vergeblidj roenbet ftd) 9JtoIjammeb
an feine 9Jhitter, ebenfo bergeblid» %\\, ^färimar) unb £afan, um iljn bu«fc
it)re Vermittlung ju retten. Sie bleibt unberfötjnlid). @rft bie Söitten $ufain§
rühren fie, unb fie erroirft bem Sofjne ^Befreiung au§ ben Cualen ber £öüe.
$a§ bierte Stüd ber^errlidjt 9Ui§ übermcnfd)lid>en 6belmuttj. 911t be=
gegnet einem jungen Warme, ber iljn töbten roifl, roeil er feine beliebte nur
bann tjeimfüljren tann, roenn er beren Vater 91H$ £»aupt als Slufcftattung mit=
bringt. %U bietet Ujm freiwillig fein Seben bar, um üjn glüdlid) 51t madjen,
rooranf aber ber Jüngling ftd) befdfrämt füljlt unb um Verjeiljung fleljt. 5tl3
©enugtf)uung forbert 9Ui nur, bafe er fagen foll: ift fein Gtott aujser
(Sott, unb 9)iof)ammeb ift fein ^ßropljet, unb 5Ut fein Steflbertreter."
9hm folgen noaj roeitere, metjr einleitenbe Partien: „9)loljammeb$
Job" (5.), „flbü SBetrS Hebung jum äljalifen" (6.), „$er Job $ati--
maf)3", ber SieblingStodjter bes ^ropfjeten (7.).
@rft jefct beginnt bie SReifje jener Vluttfyaten unb Verfolgungen, burd)
roeldje %ii unb feine Familie bom $H)alifat auSgefdjloffen rourben, um in
ben 9lugen tr)rer 91nljänger erhabene ^artnrer unb bie mä$tigften Ipeiligen
beS ^SlamS, ^ürbitter ber ©Iftubigen am Jerone MäljS $u »erben: „$a§
SHartprtfjum 9Üi§" (8.), „$a§ 9flartprtf)um $afan§", feine§ SoljneS (9.),
„$a3 5)tartprtljum 9Bu§limä", ber in $üfa einen 9(ufftanb $u ©unften
ber Schiiten berfudjt tyatte, aber naa) .$ufain8 ftntunft äberrounben unb
getöbtet rourbe (10.), „(Srmorbung ber Söljne Wuälimä" (11.), „$ie $6=
reife imfainä oon vJ)tebinalj" (12.), „£>ufain3 Wblenfen bom 2Bege naa)
Äüfa" (13.), „$er 9Kartertob beä #ur" (14.), „£er SHartertob be§ SlbiS
unb Sdjaujab bei ber Vertyeibigung £mfain§" (15.), „9!äd)tlid)er Angriff
auf £ufain3 Sager" (16.), „Job be4 9Ui Slfbar" (17.), „Job ÄaftmS
be§ Bräutigams" (18.), „Job beS MbbäS, beS VruberS £ufainS" (19.),
„£er Sflartertob £äfd)imS" (20.), „£er inbifaje Sultan Gtyiöäs burd)
$ufain aus bem 9iad)en eines Söroen gerettet" (21.), „J5ie Jrauer beS
£mfain unb feiner ftamüie um bie 9Jtartprer in Äerbclä" (22.), „9)tarter=
tob beS £mfain" (23.), „SaS Sager bon ilerbcld naa) bem Jobe £wfain8"
(24.), „£as ftelb bon Rerbelä naa^ bem Jobe ^>ufain§" (25.), „3rlud>t
SajarbänüS, ber ©ema^lin £>ufain«, aus ber 6bene oon Äerbelä" (26.),
„^ufain» treulofer Kameltreiber" (27.), „Befreiung 5rttima^§ burdi ^
mittlung ber ^erfer" (28.), „.^ufain» ^amilic gefangen naü^ J)ama»fu3
gefdileppt" (29.), „Wnfunft ber Familie ^ufoinS in SamaSfuS" (30.),
„Veteljrung unb Grmorbung be» (Üefanbten auS Europa" (31.), „Job
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2)a« neuperfifdje 95olf*bramo (Soviel}).
581
9hiffanaS, ber lochter £ufainS" (32.), „Befreiung ber ftamilie $ufainS
aus bct ©efangenfcrjaft" (33.), „2ob ber 3oinQ&", £>ufainS Sante (34.).
$ie ItarfteUung entfpricht im allgemeinen, oft bis in ganj Heine 3üge,
bem früher besprochenen arabifchen Vornan „$om Stöbe fmfainS" ; bod)
[inb bie einzelnen bramatifdjen Momente lebhafter herausgehoben unb bia=
logifirt, bie Sprache einfad^er unb fdjlichter, aber bon leibenfchaftlidjer
©eroalt. ^atalifrifcr) ergebene ©ebete ber fctjiitifchen 9Jtortt;rer roechfeln ba
mit roilben Säßerungen i^rer Verfolger, her^erreiBenbe klagen ber unglüefe
liehen grauen mit bem übermütigen SiegeSjubel ber Abrannen. SBa^r^aft
graufig ift bie Scene, roo bie gefangenen grauen in $)amaSfuS einrieben,
roäljrenb bie Äöpfe ihrer erfdjlagenen hatten, ©ruber, ßinber bor ihnen
hergetragen werben, ju benen fte roet)flagenb auffeufjen. 9loch gräflicher,
aber in ber Sprache feineSroegS übertrieben, ift bie Scene, roo Schimr, ber
ÜRörber jpufainS, bem #hal'fen ?)a5^ °'e einzelnen Äöpfe jeigt unb 9)ajib
bann höhnenb benjenigen ^wfainS begrübt : „O 3*erDC °er göttlichen Schutter
beS Propheten, bu bift roiHfommen! O Nachfolger £>aibarS beS Ärieger*,
bu bift roiHfommen! $u roollteft nicht auf beinen ^üfien fommen, als ich
buh einlub; boch h^t ntan bich gelungen, jur allgemeinen £)ulbigung mit
beinem Äopf ju tarnen, nicht roatn"? 55u roofltefi mir beine Achtung nicht
allein bezeigen, bu r)öft es borgejogen, bich bon 9tun, Ädfim unb 2(tbär
begleiten ju laffen. ©leidroiel, bu bift roiHfommen !" 9)iit graufamer
Söofluft ber Stäche läfct fich ber &hQlif darauf bon Schimr bie (Srmorbung
£ufainS bis ins Keinfte fchilbern unb forbert enblich im baedjantifchen
Stile perfifcher 3*djltä>tt jum ^reubentrunfe auf — ein jroeiter 9lero.
?)ajib, Schimr unb bie anbem Sunniten ftnb überhaupt ungefähr fo
gewidmet roie bie Abrannen in ben ebriftlichen SJcarttjreracten, J^ufain unb
bie Seinigen bagegen roie bie chriftlichen 9Jlartorer felbft, als h^benmüthige
5)ulber, bofl beS innigften ©laubenS unb ber jarteften ^römmigfeit, gott-
ergeben, gebulbig, ftanbhaft bis jum unglaublichften Heroismus. SDte S£ragif
beS SeibenS, bie fich in ihnen berförpert, t>at ein nar)eju chriftlicheS Gepräge.
3>emi bie Smäme roerben jroar nicht gerabe als eigentliche ßrlöfer auf:
gefaxt, bie burch fteübertretenbe ©enugtr)uung bie Sdmlb ber 9)cenfd)f)eit
fühnen, roor)l aber als ftttliche gelben, bie im Seiben unb burch baS Seiben
über alle Wächte biefer (Srbe triumphtren unb fich baburch bei %0äh ein
Anrecht erroerben, jur ^Belehrung ber Ungläubigen, jum Siege beS ^SlämS
unb jur Befreiung ber Sünber bon ben eroigen Cualen ber £)ölle mit=
juroirten1. tiefer 3U9 tritt roieberholt, befonberS aber in ben brei legten
Stürfen $u Sage: „Belehrung einer ©t)ciftin jum mohammebanifchen ©lauben"
(35.), „Belehrung beS ßönigS Äaniah" (36.) unb „$ie ?luferftehung" (37.).
1 ©gl. Haneberg, 2>ie SJereljruttg ber 3rt)ölf 3mame bei ben ©djiiten (3^1*
fthrtft ber 3)eutf«ben ©lorgenlönb. ©efeafdfj. II [1848], 72—95).
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582
Vierte* ©ud). 3ef)ntef Äapitel.
Gine borneljme Gtjriftin fommt auf einer SReife nad) flcrbelä, finbet
ben plafc fe^r einlabenb unb miü bafelbft 9tuf)e galten; bodt) wie ber
tfarawanenfü^rer bie pflöde einrammen will, um bie 3elte errieten,
fpringt SBlut auä bem ©oben farbor: eä ift baö 93lut ber fdnitifajen <Dtar=
torer. Sa fie fid& im ©ebete ju 3efu$ wenbet, erfajeint ifa biejer felbft,
offenbart iljr bie £>errlid)feit £ufain$, 9)iof)ammebS unb gütima^ unb forbert
fie auf, Woljammebanerin ju werben. 3n einer $raumbifion erfefteinen if)r
bann bie Grjengel Wifatl unb ©abriet mit ber Öeidjc £mfoin§. ©abriet oer^
Reifet ber Öeidje im Auftrage Mal)* Hier Privilegien : 1. bafc alle ©ebete an
itjrem ©rabe erhört werben, 2. baß aüe magren ^mame aus #ufain§ Stamm
Verborgenen, 3. bafe bie Grbe an iljrem ©rab alle Ärantyeiten Reiten, 4. ban
alte 2Öaflfaf)rer 511 ifjrem ©rabe ein jmeifadjea Ceben ertangen follen. Sarouf
bietet fid) #ufain* £eia> an, taufenbmat it)ren tfopf einjufe|en, um bie
9lnf)änger 9Rof)ammebö am jüngften läge Don ifjren Sünben $u ertafen.
Sie Söetetjrung beS d)rifttid)en tfönigä ßanialj geljt etwa» unfanfter
oor fid). Serfelbe läßt fdnitifdbe Untertanen, bie ben 2ob £mfain3 im
fteftmonat <Dtut)arram burd) Selbftpeinigungen feierten, jur ©träfe geißeln
unb in ben Äerfer werfen. 2Bä^renb ben ©efangenen ftufain unb §äti=
matj erfdjeinen, um fie ju tröffen , fenbet £mfain bem tfönig eine Sdjar
Ouälgeifter auä ber £>öfle, bie tyn fo lange ängftigen unb peinigen, bi»
er mürbe wirb, aus £öflenfurc&t bem (Sfjriftenttmm abfdnoört unb ben
3?eref)rern ^ufains ©enugttjuung wiberfaljren lajjt.
3m ecfclupücf bläft ber Gngel Saräfil Qäräfil) auf SBefetjl ©otte*
bie ^ofaune be§ ©eridjtes. $eim jmeiten pojaunenfdjall forbert ©abriet
ben #üter be3 parabiefeä auf, bie tjimmlifcben 2£ol)nungen für bie (seligen
ju bereiten. Sie 93orf)änge öffnen ftd), unb es erfdjeint bie pradjt unb
&errlirf)feit be* Parabiefe», nao) motyammebanifdjen Gegriffen als £arem
unb Sonnegarten jugleid). %u<S) bie £>öüe wirb bereit gemalt unb ba§
ewige geuer angejünbet. 39eim Dritten pofaunenfd)afl gerötl) ba§ ganje
2Beltgebäube in Wufrufjr unb ©ajrerfen. Sie lobten ftefcn auä iljren
©räbern auf — 3afob, Sofept), 9(braf)am, Ssmacl, Saoib, ftönig Satomo,
ftoalj. Me rufen fläglid) ©ott um Erbarmen an, mätjrenb ^o^anu
meb unb 9Ui Don ©abriet aus bem parabies fyerauSgerufen werben, um
beim 2SeItgerid>t ben $orfifc ju führen. 9Jiof)ammeb befteigt bie ftanjel.
Sie ©crid)tÄbücber werben aufgetljan, bie Sünber Don ben ©ered)ten ge^
f^teben. Sie 6ünber flehen um Erbarmen, werben aber Don bem ©eri{fct*=
fdjreiber abgewiefen. 8ie menben fiö) an 9Kob,ammeb. Siefer bittet für
fie, boef) Dergeblid). 6r ruft nun ^)afan ju £i(fe, bann ber Äei^e na<5)
bie anbern fajiitifdjen 9Jiartorer: ^tli, ^ätimafj, J^ufain, bem noa^ bie
Pfeile im Körper fterfen, Ähifim, SlbbüS, baS ilinb 9tlt s?lfbar. Ueber bein
feiigen Sieberfetjen DergiRt ^o^ammeb ganj baS SBeltgericbt. «uf &ufainä
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2)aS neuperfifdic SoltSbrama (la'jiefj).
Fürbitte erhält <Diohammeb bie Sc&Iüffel be* ^kirabiefcft. tiefer, nicht
roeniger ebelmüthig, gibt ben Sd)lüffel an £>ufain *urüd:
,,©ef) bu f)in unb befreie au« ben ftöttenflaminen einen jeben, ber mährenb
feine« Öeben* eine einjiae 2f>räne um bid) öergoffen fjat , jeben, ber bir in irgenb
einer SBetfe geholfen, jeben, ber ju beinern ©rab gepilgevt , jeben, ber Irauerberfe
über bid) Qc*d)rieben fjat. ftüfjre fte atte inSaefamt mit bir juui ^arabiefe."
Unb |o gef>en beim *um Sd)lufj alle fehiitifeben Sünber in ba§ ^arabieä
ein, roährenb fätntliaje Ungläubige in ber £öfle braten.
3n biefen Stüden tjaben mir ben mobammebanifchen 6eift üor un*.
nicht roie er fiaj öielfaa? abgefd)mäd)t , pantheiftifch oermäffert unb mnftifd)
überwdert in ben perfiden Siebtem roiberfpiegelt , fonbern mie er nod)
heute in ben breiten SBolfämaffen ^erfienS unb anberer mohammebanifeber
tfänber roeiterlebt. $enn bie Anficht, bafc bie altf)cibm'd)en ©ebräuaje in
3?abolonten öieUeicbt nie ganj auägeftorben , bie Qreftjügc 311 @&ren #afan§
unb £mfain» öon bem altbabulonifcben Samtm'tsculte (oerroanbt mit ber
äguptit'cben Cfirigflage) abzuleiten feien, läßt fid) jeben'aflö auf ben ^nr)alt
biefer 3*olfS"d)aufpiele nicht ausbe^nen'. tat reIigiö3:poetifcbe Element barin
flammt, menn auch nod) fo fefjr umbunfelt, au§ abgeriffenen Srümmem
cbriftlidjer Erinnerung, bie tf)eil* febon im fiorän enthalten finb, tfjcilä burd)
abgefaücne (griffen in bie 93olteüberlieferung übergegangen fein mögen. 2öas
bie fd)iitifcbe Öegenbe ^injugefügt, jeugt bon geringer poetifd)er ($rfinbungß=
traft, trägt aber ben beutlidjen Stempel cineä büftern ^anati^muS, ber
prüfungalo* ba* C^riftentb,um bon bornherein abmeift unb berbammt, eines
unerfättlicben Wacbeburfte*, ber feine (Segner bi* an ben £b>n beä emigeu
Wkbterä oerfolgt, einer blutigen Öraufamfeit, bie noa? im Angefidjt be*
s£arabiefc3 in ben grauenhaften Erinnerungen ber alten 9ieligion§friege
mufeben Scbf a unb Sünna b>rumn>üf)lt, einer engherzigen propaganbiftifeben
SButfj, meldje bie bürftigen Ueberrefte d)riftlid)er Ueberlieferung , bie ber
3älam in fid) aufgenommen, jum unheimlichen 3errbilbe entfteÜt.
Sem blutigen, fanatifeben Gfjaratter biefer 2}olf§bramcn entfpreeben aud)
bie fteftjüge, bureb melcbc iljre Aufführung eingeleitet mirb. „Wt Mofcen
Korten", fo fagt ein neuerer Weifeuber, ber am 17. September 1888 einem
folgen ftefaug in Scathitfcbenian (Armenien) beiroobnte2, „läßt fieb baä
frauenhafte biefer Scene nicht befdjreiben. 3ebe§ £orf ber Umgegenb jieht
ber Weihe nach um ben v£la$. $ie ,Wartt)rer4 finb mit langen roeifeen ©e=
mänbem beileibe* ; ihr flopf ift frifch rafirt. Btit ber linten öanb bilben
fie eine ßette, mährenb fie in ber freien rechten ftanb einen fpifcen Säbel
' jö. 2>. derb m and,' $er Ursprung ber Zeremonien beä Jpofein^Orcfte*
(3eitfd)rift für Slfforiologie f)«™"*flf8- Don *Prof. iöe^olb IX [1894], 280).
» ^J. 9Jlfi Her« Simonis, 2uvd) «rmenien, Äurbiftan unb *DUfopotamicn
(Wainj 1897) 6. 56. 57.
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584
Sterte« ®iu$. 3e^nte« Äopitcl.
falten, ber gegen baä ©eftd>t gemenbet ift. W\t bicfen Säbeln fajneiben
fie ficfj in ben Sü)äbel unb freien babei aus boflem £alfe: ,2öaf) £mf:
fein, Sa>H) Jpuffein, Jpuffein, #affan.4 6* ift eine fd)rerflia> Scene.
„SaS Jölut fliegt wirtlich in Strömen unb berhüüt bie Öefichter, fo
bafe nichts weiter ju fehen ift aß ba§ Söei&c ber 3ät)ne bei fel)r weit ge^
öffnetem 9Runbe. $er flnblicf ift empörenb, unb eft ift unbebingt erforber=
lieh, bafe ber 3ufd>auer alle feine Energie aufbiete, um biefeS föjrecfliüje
Sdwufpiel noch weiter betrachten ju fönnen.
„3n bem 9)iaße, tote fich bie ^roceffion entfaltet, fteigert fich auch
bec ftanatiämuä, unb bie Unglüdlidjen rifcen fich bie £>aut in ber fdjrerf:
tieften 2$eife, fo bajj ba8 Slut auf ihre meifjeu ©ewänber unb ben Stoben
herabfliegt, wobei eä bon ben Wnwefenben mit magrer Verehrung auf=
gefangen wirb. Stürtifche ^riefter haben bie Aufgabe, über bie gröfeten
ftanatifer 511 wachen, bamit fie ftch nicht wirtlich umbringen. 2öenn fdjon
Diel Sölut gefloffen ift, berbinbet man ben ßopf ber am meiften Grfdjöpften ;
aber biefe finb bon bem SMute mirfücr) trunten unb fangen oft ernftlich
Streit mit benen an, bie fie am Selbftjerfleifchen berhinbern, unb faum
fefjen fie fich ungehinbert, als fie auch wieber il)r höüifcheS Bert bon bonic
beginnen. «leine ßinber im Sllter bon fechä bis acht 3at)ren begleiten
biefe Stötten unb üben fich bei biefem #eftek jum erftenmal in ben äßaffen.
„Wach ben ,Wartnrern* lommen Sotten, bie biete Änüttel in ben £änben
f Urningen unb babei greuliche glücke auöfto&en; mit ifmen zugleich erfajeinen
bie $üfcer. $er eine unb anbere oon biefen ift halb enttleibet unb jerreifct fich
ben 9tücfen mit Letten, an benen fich tyitm befinben. $ie anbern ber SBü^er
haben nur bie 93ruft entblößt unb fchlngen fich fortmährenb mit ber rechten
Sauft gegen biefelbe, inbem fie baS nämliche ©ebrüü erfchaüen Iaffen wie
bie ,<Dtartbrer'. $abei jeigen fie eine folche HuSbauer, bafe fie fchlie&lich int
ftanbe finb, fich bie ipaut ooflftänbig oon ber «ruft abziehen.
„£er erfte Zty'ii bei UmjugS ift beenbet. <5s folgt jefct bie fom=
bofifche ^roceffion ; puppen fteflen bie Opfer oon tferbelä bar, ebenfo folgen
Sarfieflungen ber ©raber u. f. m.
„23eim Grfcheinen biefer ^roceffion berboppelt fic^ ber Fanatismus.
Mehrere ber unglüdlid&en ,<öiartörcr' fallen oor Grfchöpfung nieber. Mc
flnmefenben, bie Männer nicht aufgenommen, begrünen biefen Stufaug mit
einem fchredlichen Söimmern. GS ift leiber nicht möglich, bem Sefer ein
fchmacheS Silb ber SBirflichteit jtt liefern; benn biefeS Schaufpiel fpottet
jeber «efchreibung. Cime Uebertrcibung fann i<h berftajem, bafc auch bie
Erinnerung baran mich lange wie ein Schrerfbilb berfolgt hat."
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Die hleiitern fiterotumt tBlomtiifdjrr Dölher.
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SrfteS Äapitcl.
tüxfofQe Literatur.
jjöie ba§ oSmanifche Sfteid) bie religtöfe unb politische (Srbfchaft be»
arabifchen Ä^alifatö übernahm, fo fyaben bie dürfen auch jene ber arabifchen
unb pcrfifchen Literatur angetreten. ^f)r 9came ^ot fich barum für un§
2lbenblänber bte $u einem getoiffen Örabe mit jenem be» 3»fam§ Derfcbmolsen.
$iefe 3ufammcn9et)öci9feit rührt inbe§ erft aus ber jtueiten £>ätfte be»
SWittelalter» tyx, feit welcher bie C»manen ober lürfen boä leitenbe
SBolf unter ben SBefennern be£ $)iohammebani§mu$ getoorben finb.
^ustün nannten bie @f)inefen ein mächtiges NJcomabenreich , ba» im
5. 3ofjrf)Mibert jroifchen bem 3rtüfa) unb ^cniffei entftanb, beffen 2Jor=
fahren, bie £>iung=sJcu, urfprünglich im Horben unb SÖeften GhiuaS wohnten.
%üxl erfcheint basfelbe SBolt in ben perfifcben Ucberlieferungen ; Stämme
beöfelben muffen in früher 3C** °unh bie turanifchen Steppen bis juni
Äafpifchen 9)ieer gebrungen fein. 3m 8. ^a^r^unbert erftanb unter ihnen
ba§ fKetd) ber Uiguren, baS Dom SBaifalfce bis jum (Selben reichte.
$urd) neue ÜBölterbemegungen bon Cften t/er mürben tnbcS bie eigentlichen
dürfen nach ^uran gebrängt unb überflutljeten bon ^ier au» erft ba» nörb=
liehe ^erficn, bann Äleinaften unb bie ^Balfanr)a(binfe( unb bebrobten enb=
(ich iw<h bem ftaü bon Äonftantinopel auch bic europäifche 2ÖeIt mit bem
ßofe neuer Barbarei.
6thnograpt)ifch gehören bie dürfen mit ben finnifchen SBölfern ju jener
gröfiern SBölferfamilie, welche man früher als tatarifche ober turanifdje be=
zeichnete, heute aber gewöhnlich bie uraUaltaifche nennt *. 3hrc Sprachen jer=
fallen in fünf (Gruppen, bon benen jroei, bie finnifcfcugrifche unb bie famo=
jebifdje, bem Uratgebiete angehören, bie brei anbern, bie tungufifdjc, bie
mongoüfche unb bie türfifdje, bem ©ebiete beS ^tltai. $ie türfifche Spradjc
felbft theilt fich mieber in einen Schwann oon Paletten, bon benen brei fchon
in ältern Schriftbenfmälern erhalten finb. $5aS ältefte biefer Senfmäler
1 The Ugor Branch of the Ural-AUaic Family of Langunges by Theodor
Diika (Joum. of the Roy. Asiatic Soc. of Great Brit. XXI [1889J, 583 ff.). —
9t. ©ieferoein, 3)ie ipauptprobleme ber Spradjtoiffenfdjaft (gfretburfl i. 93r. 1892)
6. 69. 70.
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588
Orünfte* »ud). ßrfie* flapitel.
ift baS Äubattu 3M(if, im ^aljre 1069 toerfa^t unb nodj in einet £anb=
fdjrift oon 1 439 Dorfjanben. $ie uigurifdje Schrift fyat ftd) aus bec formen
entnridelt unb flammt waljrfdjeinlid) Don neftorianifajen ©laubenSboten , bie
Diel früher nad) Cftafien gebrungen waren ; bie 8prad>e entfpriajt ben bfc
lidiften Xialeften. $ie früfyefte ^robe bcr mcftliä)en Violette bilbet ber Codex
Comanicus Dom i^aljre 1303. 2Jon ben Sübbialeften ftnb Örabinfd)riften
aus bem 8. unb 9. 3af>rf)unbert erhalten, foroie ein paar felbfdmfifcbe SBerfe
im SRebab Siamefj1.
5tuS ber uigurifajen Süjriftfpradje entmidelte fidj baS fogen. Cfttürfifä)
(ober Xfdjagataifd)) , in meinem nur wenige 3d)rifter$eugniffe borljanben
finb, wie bie Söerfe beS W\x 2Ui <5a)ir (geft. 1500), bie ©elbfibiograplne
beS «ultanS SMber, bie ,,©d>eibaniabe", unb bie „Öef4>id>te ber ÜHongolen=
bbnaftien" Don ^Ibü^i^äji" ».
SBor)rfd)etn(icr) aus $ofl)ara ober ben ftljanaten ftammt bie ältefte bis
jefct befannte türfifcfa ^Bearbeitung ber @efd)id>te Dom ägpptifc^en Sofepl)
(in oierunbjmanjig ©efängen), wie fie fid) aus bem Wrabifdjen in Werften
eingebürgert batte unb aufeer Don ^irbüfi bamals fajon Don mehreren perfifdjen
Diätem befjanbelt roorben mar8. Daß ber türtifoV Bearbeiter baS ©ebicbt
ftirbüfis fannte, ift unzweifelhaft. £ie Spraye ftimmt in ben #auptjügen
mit ber uigurifa>n überetn. $er $idjter ^ei^t 9lli, unb baS iatum gibt
er jum Saplufj in folgenben Herfen an:
,/Jlad) Erlangung ber $>tlfe unb be€ 58eiftanbe* beä #errn fyat am SO. SKebfrfjcb
2>fd)fHeb im Oahjre 630 (b. ff. alfo 1283 n. 6tn\) meine SQBenigfeit biefe« JBudj obgefa&t.
„3d) »eife, ba& oon ©Ott mit bei ©eltngen, bie fcilfe, bai »erfiefrn unb
bie ßroft Deilieljen finb; meinem ©otte bin id) banfbar für Dasjenige, wo« et mit
bat ongebeif>en laffen. 25a« Sud) babe id) abgefaßt unb beenbigt. SRöge ti un*
unb eud) nüfcen, fage id) bnju."
(*tma ad)t*ig 3af)re jünger, Dom ^a^re 710 b. ift bie $ropl)eten=
gefdjidjte Don SRabgljujt, bie ebenfalls aus cifrig-mofjammebanift&en ftreifen
ftammt *
• Sambirü, Uigurifd)e Spradjmonumente unb ba« Äubotfu SÖUif. ßeipjig
1870. — Codex Comanicus, ^etauögeg. uon ©raf Äuun. ^eflf) 1881. — Slablof f,
3)ic alttürfiftfjen 3ufd)viften ber SQlongolci. St. Petersburg 1894 — 1895. — 9Bid cr=
fjaufer, £clbfd)utifd)e SBerfe (3eitfd)rift ber $eutfd)en SWorgenlanb. ©cfettfdj. XX, 547).
* OJambdri), Sfd>agataifd)e Spradjftubien. ßeipjig 1867. — 3) er f., Sie
Sdjeibaninbe. ÜBubapeftf) 1885
3 . . poema de Tosepho Patriarca totum tetrastichia compositum, quorum
iinnmquodquc in particulam hndi (igitur) exit. Oratio rudis est et infaotiam poe-
seos turcicae sapit. Versus aut nullo aut liberrimo metro decurrere videntur."
Ofleifdjer im Sreäbener ÜDhifcumd'ßatalog 9lr. 419.
4 ^>out«ma, (Sin alttürhfd)efl ©ebtd)t (3eitfd)rift ber $eutfdjen 9Jlorgenlönb.
©ejcUid). XLIII, 69-9«).
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Sic tüttiföe fiitcrotur.
589
$lu» ben Sübbialeften gingen jmei Schriftsprachen ^erbor, jene bon
'ilbfterbaibfehön, welche bei ben Surfen im tfaufafu» unb in ^Jerfien in (Se=
brauch ift, unb bie o»manifche, treidle fonft im ganzen oSmanifehen Ütcid)
jur Geltung lam unb einfachen bie türfifehe genannt wirb1.
Sie unter ben ©haanaoiben ba» ^erfifche bie £offprad)e ber türtifajen
Sultane unb bie Spraye ber gebilbeten fürten mürbe, fo blieb fie es unter
ben Selbfdmlen. £a§ $urfifche galt für grob unb bäuerifeh, unb bie dichter
mußten perfifdj Dichten, um Wnerfennung unb ©etb ju geminnen. 3tur
(angfam brach fidt) ba» STürfifehe al» ßiteraturfprache 93afm, unb bi» $um
16. ^ahrfmnbert ift nod) nicht biet an Siteraturerjeugniffen borhanben : au»
bem 14. ^a^unbert ba» „Raitenbuch " ($u>9tameh), ber moftifche $imän
be« Hfdnf (geft. 1332), ba» 3»fenber=9lämeh be» flehmabi (geft. 1412) unb bie
füfifehen Dichtungen be» ftafimi, ber 1417 megen ^rreigeifterei hingerietet
mürbe. 3n Stoff roie ftoxin fennjeidmen fich biefe SBerte als 9lachbilbung au»
bem ^erfifdjen. fftachbem aber einmal folche Nachahmungen ©nabe gefunben,
mürben bie Sichter zahlreich mie ber Sanb am ©leere. ÜBon 1500 an bis auf
feine Qeit jählte fehon Jammer 2200, heute merben fie auf 3000 gefehlt.
Wicht b(oji profefjionefle Sichter, (belehrte unb Cuftigmacher gaben fich an»
SBerfefchmieben, fonbem auch grauen, ^or)e $of beamte, töeneräle, ^rinjen, Sßejiere
unb felbft Sultane. §3 fprtfdjte unter ihnen jebod) faft feine felbftänbige (Srs
finbung unb ^^ätigteit. Sie meiften arbeiteten nad) arabifajen ober perfifdjen
Vorlagen unb bildeten biefelben oft bis in» fleinfte nach, ober berbarben bie*
felben auch mohl, inbem fie burd) Sombaft unb ed>t orientalifd>en Söortfchmaü,
Uebertreibungen unb ©efchmacllofigfeiten aller 9lrt fie gu übertreffen fudjten. Sie
relatibe ©lüthejeit fällt mit ber fjöd)ften ©lanjperiobe be» türfifchen SReiche»
unter Suleimän II. (1520 — 1566) unb feinen nädjften Nachfolgern jufammen.
Sämii (geft. 1531), einer ber fruchtbarsten , bearbeitete bie perfifchen
6pen „2Bämif unb 9l»ra", „2öi§ unb Äämin", „Wbfal unb Selmün" unb
ba» „0ferhäb=9lämeh". §a»li (geft. 1563) entmirfette in feinem „®ül u
53ütbül" bie bei ben Werfern jnhllofe 9)tale miebertehrenbe Öiebe ber 9tofe
unb Nachtigall ju einer poetifch angehäuften, aber unenblich breiten Me=
gorie. 911» ber größte ber ßtorifer gilt Sali (1526— 1600) 2. Sein $io=
graph £>afan ifdjelebi fpenbet ihm u. a. folgenbe» Öob:
1 @. o. $atnmer*$urgftall, ©efdjtdjte ber oSmanifdjen $id)tfunf). 4 93be.
$eftb, 1836— 1888. — 2) er f. in <gid)h°rn, (Befäjtdjte ber fiiteratur. III. 99b. @öt«
Knßen 1810 unb 1812. — Dora <f Istria, La poesie des Ottomana (2. StufU.
Paris 1877, unb La poesie des nations turques (Revue Britanniquo 1878 n. 12).
— Toderini, Letteratura turchesca. 3 voll. Veneria 1787, unb if)re SBcarbettunft
burd) $auölewtner ftnb beroltet.
» JStoofäf, öäfi al$2id)ter (3eitfc^rift ber £eutfd)en aHorgentänb. ©efeUfd).
XLII, 560—586).
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590 ffünfttf JBuäj. ßrftea Äapttel.
„€r ift r»on ben ©rofeten unter ben SJidjtern unb ben Srefflidjften unter ben
Verebten, fotoic öon ben «Dtufter^afteflen unter ben ©etef>rten. 6r ift bie JBorrtbe
be6 Siroäne* ber SBoÜfommen^eit , ber Jnber, auf ber SJorberfeite ber Sdjönfjeit ber
Siebe , ein 3>id)ter ©efeflfd&aften erleucbtcnb unb Spifefinbigfeiten abtpägenb, ein
Sauberer im jierlidjen Huöbrucfe unterrtdt)tet , ©ajele fmgenb; Sultan ber $id)trr
ber Sänber SRüme, ja Gf)0*reu unb 6f)äff)on ber $erfemad)er jebeS Sanbetgebiete*.
#elb auf beut @$Ia$tfelbe bti aötffen* unb ber grfenntnife unb €f)o«reu ber SBelt«
eroberer ber JRegion ber 3>i($tung ; unter Den reimenben ©pre^ern unb jauberfpurigen
Sungenfertigen bad »nfangägajel bei Süoäne« ber 2Öof)lrebent>ett unb ber !önigli$e
Süer* (baö Sdjäfj-beit) bti Sammelbu^e* ber SJerebfamfeit ; feine bem §erjen an«
genehmen ©ebicf)te fotoie feine Sßorte otutegteidjen finb ©egenftanb öon Selmänl
ßtferfudjt unb 3uf)eirt 9ieib. . . . Seine perlenregnenben ©ebtdjte finb beut fliefjenben
Sßaffer gteidj flar unb flieftenb, unb bie Jungfrauen feiner ©ebanfen finb oon JRoljeit
unb 6<&>ä<fce tooblbe$alten unb frei. 2>a feine unerfefrli^en ©ajele in ber ganjen
Söelt ueraeitfnet unb feine burd) Älarf>eit beftnirten SBerfe weltberühmt finb, »a*
bleibt nun nodj ju madjen übrig?"
(Sin anbercr Sobrebner SBatiä, 91büsf=fünb (Sfenbi, ber SBorfifcenbe ber
Werna unb „ber 2Bof)lrebenbfie ber 2öof)lrebenben", jagt Don t^m in Herfen:
„$er SBraut ber SBelt (b. Ij. ber Qe'it) mad>e id) betn Cob jum ^aläfüjmud.
perlen finb bie foftbaren Sorte, graben bie feine ^ßfyantafie. $ie Ceidjtta,-
feit meiner SBorte, bie ßlarljeit meiner <Mebidr)tc fliegt mie SQaffer. Sie
^at bie £)erjen afle geneigt gemalt. 3ftobu(irte eine Wadjtigall auf ber
Söiefe meine Sorte, fo fäme ba§ leitet rutfd&enbe Söaffer unb füfcte bor
ifjr ben 33oben."
£ie „perlenregnenben" ®afelen Söäfte finb nun toeber in biefem 3"*
unb Seit übertrumpfenden Stil gehalten, nod) nua> fein OöfligeS literarifdic*
(Sigentlwm $enn nad) Inhalt unb ^orm ftnb fie £)äfi& nadjgebilbet.
3Me§ nun mit @efd)id ju tljun, fefcte allerbingä poetifd>en (Beiß, ein feines
3?ormgefuf)l , tü$tige ftenntnifi beiber Spraken unb grofje, bid)terifd)e
8prad)geroanbu)eit borau»; bodj bie 9?ad)bid)tung geroinnt nie bie üofle
SBebeutung ber Urfprünglidjfeit , unb ber ÄreiS biefer Cttrit ift ein fo
enger, baß er ber türtifeben £prif ntdt)t jum 2obe gereift, in ifjr gerabe
baS ^)öd)fte unb Söefte erreicht ju Ijaben, n>a$ überhaupt in biefer eprnaV
geleiftet roorben ift.
£a toirb geflagt unb gejammert, bafc bie Seit fo eitel unb unbeftänbig
fei, eitel üanb, ein Warft oon Ungeredjtigfeit. ©egen ben ^oeten Ijat fic
fid> ganj befonberl ftiefmütterlid) ermiefen. ©ein |)erj ijt bornenrounb, fein
91ugc thränenboll. 3)er Kummer läßt tt)n nidjt aus feinen ^antljerflauen,
ba^ Unglücf malt tfjn bunt wie einen Seoparben. 91ber SBäfi fajert ftö)
nia^t barum. 3""' ^lerger unb Spott ber 2öelt ergibt er ft4) bem 2Bein
unb ber 2uft. -Eaä ift feine $8eftimmung Don ßtoigfeit b^er, fein German
für§ Seben. 3n fjunbert Variationen, aber bod) in betäubenber 6trttdnig=
feit erjdjaflt nun ber 9luf: ßrgib bid) berieft unb bem Söeintrinfen ! Wti
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2>ie türiifäe ßiteratur.
591
gntfagung unb töulje ift ni#t* anzufangen. 3öein unb Söeinljauä finb iljm
bic liebften Öefäfjrten , fein 9Jlorgenrot$ , feine ßönig§frone , 9tofe unb
*Rad)tigaü, bie f)ö#fte 2Sei*l)eit be3 £eben§, Cuefl unb ©ombol ber ge=
meinften Sinnenluft, bie in allen Xonorten beS ©efüfjlä, in ben bejaubembften
9Jaturbilbern, feufjenb unb fäjmollenb , jauäjjenb unb jammernb , lieberlidj
unb überfd)tt)iinglid) pattyetifd) — aß ba§ (Sinjige unb Groige, al£ bie Siebe
felbft gefeiert wirb. 9in eine roirflidje, eblere Siebe ift babei nidjt ju benfen.
2>enn bie „$tonbgefid)ter" fmb fo jafjlloä, baji ba§ £er$ nidjt genügte,
oud) wenn man e§ jerftürfelte. $)er SBogel be3 £>erjen§ flattert bon einem
3»eig $um onbem. 5ßon SiebeSqual gefoltert, monbert ber Didjter unftät
bon Crt 511 Crt, als eroiger ©pitalljelb feiner ßeibenfd&aft, unb fann er fie
nid)t büßen, bann nimmt er roieber feine 3ufto#t oer allgemeinen ^Janacee
— bem üökin.
Ue6er ben ($efidjt§frei§ beS #arem§ unb ber ÜZöeinftube gel)t biefe ^ßoefte
nie Ijinau*, unb e§ gereidjt barum mobernen 3>idt)tem nidjt eben $ur (Sljre,
wenn fie fitt) gleich SÖofi, bem dürfen, £>äftj ju iljrem Storbilb unb Sbeal
erforen.
ötmas roürbigere unb bebeutfamere Zöm fajlägt $8äh in feinen Äaffiben
an; aber roie feine arabifd&en unb perfifdjen Vorgänger bermodjte aud) er
fia) iiict)t ber orientalifd&en Vorliebe für überflüffigen, übertriebenen unb ge=
fd)madlofen iftebeprunf ju entjieljen. £a§ oerbirbt ein toenig audj feine
„(Slegie auf Suleimän II.", ben spradfrtliebenben , rooljl fein merfroürbigftes
3eitgebi6t, ba§ in bem glänjenbften unb geroaltigften aller türtifdjen ©rofi-
Ijerrn jugleid) bie fiegeöftolje Straft, ^ßraajt unb £)errliö)feit beS einfügen
o3manifd)en 9tei$e§ jum 9Iu§brurf bringt unb feine SJergänglidtfeit , 53ar=
barei unb ®eifte3armut. €>ie jerfäflt in brei $f>eile: 1. eine *Dtafjnung
an @ljrgei$ige unb 9tuljmfüd)tige, ftd) an bem Sofe ber gemaltigen dürften
ein ©eifpiel $u nehmen; 2. Sobpreifung ©uleimdn»; 3. Kompliment unb
©egensfprudj für feinen 9ind)foIger ©elim 1. 1
C bu, ben 9iu(jm unb 6f)re im 9iefo gefeffelt Ijält,
Solang bu luftig lotrfeft im raffen Strom ber SBelt,
$enf an ben Sag, ben legten, ba flirbt bein £en)e«lid)t,
3um bürren Saub fitt) toanbelt bein blttbenb Mngefid)t,
3>eitt 2Öor>nfife teirb bie Grbe, ber #efe gleich unb faljl.
2>e« Sdbtrffal« Stein äerfebmettert bir jäh, ber Suft $ofal.
6in ÜJlenfdr) ift, »er bewahret ba« #erj fidj fuiegelrein;
9täf>rft SigergroK bu rieimlttr), toie toiflft ein SRenfdj bu fein?
5öie lang f>ält Sd)taf umfangen bein fäum'ged ^lugenlicbt?
2rifft bi(^ bafl 80S be* Äönig«, bti lötoenmutb'gen ni<f>t?
5Jor feine« ScbtoeTte« ©lanje ber Ungar beugt ba« £aupt,
Hn feine« Säbel« Söellung ber ftranfe bat geglaubt.
1 2)toofdf a. a. C. S. 575—586.
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fünfte* »ud>. €rfte* Äapitel.
$em föniglidjen Heiter toarb in be« Steg« ©ebräng,
SEöte feinem 9to& bie »leitbabn, bie weite 2Öelt, ju eng.
§ulbüotl fein fcaupt er neiget, fo frifdj, fo rofeufein,
2er 9ttenf<6beit Sdjufrberr bettet im 8arg ben Gbelftein
3u einer eigentlidjen ^ö^ertt (Spif unb Xramatit finb bie iürten
cbenforoenig gelangt als bie Araber; bagegen (jaben fie Diele* aus ber
(5pif ber Werfer unb namentlid) auä ber 6rjä^ungSIiteratur bet Werfer unb
Araber bei fitb aufgenommen; fo ba§ „^apageienbudf (SütüWämeb),
„ß alilab, unb $imnab" (als £ümäjün=Wämeb) unb bie fe^r beliebte „(Se*
fd)icbtc bon ben Dierjig 93ejieren", bie SdjeiffcSabe auä bem 91rabif<ben übeT:
fefcte. 3tu§ bem Ofttürfifcben fiammt ber SBolteroman „$ie fragten be*
3üjiib=93att$är\ 2öefttürfifa)e§ Criginalprobuct Dagegen ift ber türtifü>
ßulenfpiegel ober bie jiemlid) ftarten unb berben 6(bmänte beS 9)leifter8
9ia§r-cb=bin (CatätH^bobfaja <Ra3r=eb=bin).
ben größten iljrer neuern Siebter bejeiebnen bie dürfen ben ©üfi
®f)ätä (1757—1814); febr angefeben if» aud> ber „Eiduerfürft" ^krteto
^afdbab (geft. 1836) unb bie Siegerin 2etla, toel<be ebenfalls bem Anfange
beS gegenwärtigen 3abt&unbertä angebört.
Sie türtifaV Ideologie, ^p^ilofop^ie unb 9*ed>t$gelebrfamfeit fajliefet
fi(b an ben ßorän an, unb aroar Diel enger unb ftrenger, alä es jule&t bei
ben Arabern unb Werfern in ber GHau^eit be* Kalifats ber &aü getoefen.
tfetn freier ober tbatfräftiger Genfer bermoajte bie Scbranten biefer eüu
fettigen unb engberjigen Sdjulbübung ju burd>bred>en , roelaV bie Ulemä
mit unerbittlicher unb fanatifajer Strenge bieten. %xo% ßätem SBerfebr
mit bem a)riftlid)en Mbenblanbe finb bie dürfen beäfjalb mebr ober weniger
auf jenem SMlbungSgrabe freien geblieben, ben fie bei ber Eroberung Äon*
ftantinopelä mit fid> brauten, Don ben 2lbenblänbern mit föedjt als 8ar=
baren unb als eine ftäte Xrotyung für bie europäifdje Gibilifation betrautet,
bis ein |abrf>unbertelanger #elbenfamj>f Don feiten ber $olen, Cefterreic&er
unb Ungarn fie enblicb in bie ©alfanbalbinfel jurürfroarf. SBo fie um
abhängig ba§ Seester fübren, ift beute nodj aller materiefle ^ortfd)ritt im
ftüdfianb unb fa)tnad)tet aud) alles ©etfieäleben tümmerlid) batum
1 „Safe fid) jebod) aud) in Solid «Poefie mandje* finbet, toa« über bie ©reiten
ber türtifdjen ^oefte fjtnauareidjenb ben berborragenben $id)tungen anberer SBölfer
an bie Seite tritt, beroeift ba« getnife competente Urteil Grleifdjer« über SBätt* ,auf*
richtig gefühlte« unb tief empfunbene«' ^raucrgebidjt auf ben Sob feine« @önner«.
Sultan Sulcimän« be« ©efefcgeber«, nad) toeld>em biefe« ®ebid)t aUeüt btnreidjenb
ift, um barau« ju erfeben, ein toie großer $id)ter Säfi getoefen fei. Unb ein fifc«
tiefte« Urtheil tann mebr ober weniger oon ben meiften ber SJäfifdjen Äaffib«n ge«
fällt werben.* SRubolf Etoorät, Ueber eine ju ucranftaltenbe Ausgabe be*
größten türtifdjen Cörifer« SBäti (Actes du VIII* Congres intern, de» Orientalisies
I [Leido 1891], 475. 476).
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$ie türtiföe Literatur.
593
%m mciftcn Pflege fanb nod) baS ©ebtet ber ©efdn'ajte. Söie bie
arabifcben Reiben unb Eroberer wollten aud) bie türfifefcen iljre SSaffentfjaten
unb Abenteuer auf bie 9iadjwelt gelangen laffen. Sdwn bet furdjtbare
ümür (ober Samerlan, geb. 1336) fdjrieb 9Remoiren in ofttürfifebem ÜSMaleft1,
bie inbeS nur in perfifdjer Ueberfefcung befannt geworben. Sultan ©aber,
ber berühmte Äaifer oon jpinboflän (geb. 1494, geft. 1531), Ijinterliefj
ebenfalls feine $enfwürbtgfeiten in 2fd)agatäüS|>rad)e2. 3m &ij>tfa)af=
£ialeft febrieb $bräf)im (Sljultfi baS ßeben beS (ÜrobererS $fd)engiS=#f}än.
Huf biefe älteften Anfänge folgten bann eine lange 9teU)e oon 93tograJ)ljien,
Gf>ronifen unb untfaifenbern ®efd)id)tswerfen. $aS bebeutenbfie ber lefctern
finb bie officiellen „Slnnalen" beS oSmanifd>cn 9feid)eS, oon Sab eb=bin
bis 1590 geführt, bann fortgefetjt oon 9täima bis 1659 u. a. Slcbmeb
Cutfi (£fenbi befjanbelte bie 3af)re 1826—1832, Wajmeb Wbfyat ßfenbi bie
3eit oon 1855 — 1877. £a& biefe 9teid)Sbiftoriogra|)fjen wie einft jene ber
Araber große 9türffitt)t auf iljren unumfdjränften jperrn ju nennen Ratten,
oerftebt fidr> oon felbft. lüer Stil ber türfifdjen ©efdbicbtfdbreiber ift burdj=
weg gefdjraubt unb gefugt; bod) fef>lt es ifjnen nirfjt an nüchterner 93er=
ftönbigfeit, tlugem Sinn für bie Sntereffen beS SieiajeS, ftoljem SelbfU
gefiel für it)rc "einftige materielle 9ttaa)t unb aueb nia)t an WuSbrürfen
mobammebanifrfjer !!Red)tgläubigfeit unb ftrömmigfeit. 3n iljren gefdndjts
tidjen Sajriften erfajeinen beSfjalb bie dürfen weit weniger rofj, ungebilbet
unb abftofcenb, als wir fie aus anberweitigen 3cuSniffen genügenb fennen.
5?on all ben breitaufenb ^ia^tern ber Jürfen oerbient es nadj bem
Urtivit ber oerläplicbften Kenner „oielleia^t" ber etnjige $äft, ganj in Europa
herausgegeben unb überfejjt ju werben3. $amit ift nidr)t auSgefdjloffen, baf$
autb ©äfis Söerfe oieleS 9Jtinberwertf)ige enthalten, wäfjrenb fidb aus anbern
türfifdjen ^idjtern aUenfallS ein iujnliaVs güuftigeS $ifo jufammenftellen
1 Sic gelten niäjt für unecht, bod) ift jiocifcl^aft, inwiefern er als Slutor anju«
fcfjen. 9(. Elfi Her, $er Ssläm 11 (»erlin 1887), 269 ff. — 3ä$n, ©efd)i$te
beä ftriegcwefenS (ßeipjig 1880 ff ) 6. 708 ff.
3 ^tct)txlicr>c SBBerfe finb Don ben Werfern SJiirjä #aibar unb Sdjäf) Zat)maip 1.
Dor^anbcn. S. 3f. Seufel, Säf) 2amaöb I. unb feine ®enfwürbigfeiten (3eitfd)rift
ber 3)eutfcben Sttorgenlänb. ©efeüfö). XXXVII, 113—125). — 3) er f., 9Jäbur unb
«biH gajl (ebb. XXXVII, 141—187). — 3) er f., Guetlenftubien jur neuern ®e>
fdbitfjte ber Rannte (ebb. XXXVIII, 285-381).
* „Unb wenn Jammer ©oft biefleidjt ben einzigen türfifc^en Sinter ge--
nannt f)at, ber oerbient, ganj in eine europäifdbe ©pradje überfefot ju werben, fo
nennen wir Söäti einen öon ben wenigen türfift^en Tutoren, welker in einer euro=
pätfdjen Sluögabe ju erföeinen oerbient, uiedeicrjt ber einjige neben bem $umäjünc
9iäme." SRubolf 3)Woräf, lieber eine ju üeranftaltcnbc 3(udgabe be« größten
tiirfifdjen ßtjriferö Jöätt (Actes du VIII« Congres intera. des Orientalistes I [Lt-idc
1891], 477).
Saumgartntr, ©eUUttratur. I. 2. «uft. 38
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594
^fünftes SJud). 3n>eiieä Äafciiel.
ließe, toie eö 6d>ad Pon ben fpani|"a>aro&ifäen $id)tern entmorfen fyit.
SKebfjoufe f>at ba* ni$t obne ©lud oerfudit1. $ie Pon ibm gesammelten
©tüde befunben roirtlid) bt^terift^en ©eift, ein feines ftormgefüfil, eine an
ber perfifdb,en flunjipoefie gefcfculte £e#nif unb fogar mitunter einen Anflug
Pon ^bealität. 6$ finb aber eben nur Pieren gut ausgemalte dummem,
ffiirft man bann einen 531id in Jammer* Pierbänbige Anthologie, fo gemaljrt
man balb, n>ie biefelben Sbeen, gönnen unb Spielereien ji$ eintönig mieber=
fjolen, 991of#ee, £>arem unb Scfclacbtfelb ben ganjen SbeenfreiS er|d)öpfen.
ettuaS eigenartig ©rofeeS f)at bie türtifaV ^oefie bis jefct nid)t gefa^tren.
3 weitet ftapttd.
3> t r Rathen hex ^fgflanftt.
^liS ein fpäter Ausläufer ber neuperji|"a>n Literatur ift bie afghanische
äu betrauten 2. Sie rnegerijdjen ©tämme, aus benen ba§ SBoU ber Afghanen
ermueb*, gelangten erft jur ßeit be3 9)toljmüb Pon ©fjajna §u einiger
©eltung. Sine größere Wolle fpielten fie bann unter ben moljammebanifdjen
(Sultanen, roeldje meiter nad? Snbien Porbrangen unb bort jeitweilig ba*
9»eid) ber ©rofcmogule begrünbeten. Sie Spraye (getoöljniitb $uf$tu,
moljl aud) Sßadjtu, ^udjtu ober ^afljtö genannt) , nacb £rumpp urfprüng^
lieb pon einem inbifefcen ^rafrit ftammenb, nacb $om, Öaffen u. a. ein ofc
iranifc&er Sialett, mifebte ftü) im bunten Sagerleben sa&llojer «Raubzüge unb
Kriege, foroie burdt» bie religiöse Uebung beä 3släm§ ftar! mit perfifeben unb
arabifeben 93eftanbtbeilen, fo baß fyute, nacb Gurion, baS ^ufcbtu=58örter;
budt) ju brei Viertel au§ perfijcben unb arabi)"cben SCöörtern befielt.
3n i^ren Sagen leiten bie Afghanen il)rc Slblunft Pon bem biblifcben
Äönig Saul Ijer, Iaffen aber aud) ben ^ropljeten Etoljammeb ^ujajtu
• J. W. Redhome, On the History, System and Varieties of Turkish Poetry,
illustrated by selections in the original and in English paraphrase etc. London 1879.
* H. O. Bavert*/, Grammar of the Pus'hto or Afghan Language. Calcutta
1854. London 1860. — Id., Selections from the Poetry of the Afghans. London
1862. — Burion, Notes and Remarks on Dr. Dorn's Chrestoniathy of the Pushtn
or Affghau Language (Journ. of the R. Asiatic Soc. Bombay Branch III [1849].
58—69). — A. Chodzko, Chants Historiques de 1' Afghanistan. Rev. de l'Orient
Juin 1855 p. 440— 447. — Sprenget, Uebet StabertyS Grammar, Dictionary unb
Selections (3eitfd)rift ber 2>eutf<ben aJtorgenlänb. ©efellfcb. XVI, 783-790). —
6. 2rumpp, $ie &erwanbtf$aft&DerftäUniffe be* SpaStö r sugleidj eine ßriti! Don
ffiaöertü* Grammar of the Pustö (ebb. XXI, 10—155). — Set f., Grammar of
the PaSto or language of the Afghans (Tübingen 1878). Gtnleitung.
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I
I
5>ie JBarben ber «fgfianen. 595
fprecben1. 3*°«* PÖ berfelfce einmal, als Äfjaleb ben 2Mib in feiner
(Gegenwart ^ujcfttu fpra#, geäußert fjaben, biefe Spracbe [ei fürroaljr ein
Plaidt ber SBerbammten. 9US aber ftljaleb baS unfreunblidj aufzunehmen
fd)ien, ba rief er felbft auf afgfjanifdj : Ghoshe lindÄ räo-r& ! „Döring mir
39ogen unb Pfeile!" Sdjriftlidje 9luf$ei(^nungen in biefer Spraye reiben
jebod) ni$t ü6er baS 15. 3af)rfmnbert jurücf, unb felbftänbige 2iteratur=
beftrebungen fdfreinen erft aus ber 3<rt beS mächtigen ÄaiferS Slfbar bon
$elfn* fjerjuftammen, ber ftdt) für alle Birten bon Religionen, Söiffenfcbaften
unb Spraken intereffirte.
55ie wenigen Afghanen, bie bis babin Neigung 511 literarifaVr Arbeit
fügten, fdjrieben perftf# ober arabifcb2. tyxe eigene Siteratur ijt beStyalb
feljr arm ; eS gibt roenige SBüdjer, unb biefe finb nierjt in jafilreiaVn 6jem*
plaren oortyanben.
3u ben früfjeften (Srjeugniffen gehört toofjl baS „ÜHacbjan al^Slüm",
ein mofjammebanifcbeS fteligionSijanbbud) in Herfen, baS Mdjünb $artt)e$afj
in ber 3*i* beS tfaiferS ?lfbar (1556 — 1605) berfajjte unb §u meinem
Äarombab, ber Soljn beS SJerfafferS, einen Kommentar (iatimma) fd&rieb.
$>er Sslüm if: barin niebt im alten ftrengen Sinn genommen, fonbern im
Sinne einer Secte, bie toofjl ganj Äl)oräjfän überflutet Ijaben mürbe, roenn
fie nidbt auf ftrammen Söiberftanb geftopen märe. Sin ähnliches Söerf,
ßbair al 3}aöän, ftammt bon ^Jir i SRaubban3, ber bom ßrjengel ©abriet
felbft eine neue Offenbarung erhalten ju baben borgab unb um baS Satyr
1542 bis 1543 eine ftarfe Bewegung in 3lfgtjaniftan erregte. ÜKit bem
$tox(\n blieb inbeS bie arabifd&e Spraye, mie bei ben übrigen moljammes
banifeben Woltern, bie förunbtage ber tärglia^en työtyern 93ift>ung. 9?aa*)bem bie
jungen Ceute am #orän lefen gelernt, mürben fie junäcbft burdty Orammatif,
Stmtar, Ätyetorit unb etmaS v$bilofopbie jum eigentlichen Äoränftubium
borbereitet unb bann meiter in baSfelbe eingeführt. $)ie eS fo meit niebt
1 Raverty, Sotne Remarks on the Origin of tbe Afghan people (Jouru. of
the R. Asiatic Soc. Bengal Braach n. VI [1854], 550—588).
* M°> Segrunber beS afgfjaniföen @ä)rifttf)umg loirb ein gehnffer 9lcf)unb ge*
nannt. „Safe äcbunb (ein Stüter bed '«Itj Sirmibjt) au« Sunär) ber erfte mar,
toeldjer baä ^ufdjtu 31« Scbnftfpra^e erf)ob, fc^eint au* bem Sc&lufe be* «Matbjan
(olMÄlam) f)ert»OT)uge^eit ; beim et fbrid)t bort ton ben Sonfonanten , u>e(d)e feiner
9Jlutterfpradje eigentl)ümlid) finb, unb fefct bie toofjl bon ihm 3uerft eingeführten
Sumbole bofur feft. Slfghamfiän mar 311t 3*it biefe* frommen ©etefjrten eine £ubä
Don fcinbuftän, nnb e* fdjeint, bufc er Don ber geiftigen Sßemegung. welche om ipofe
be* großen 9lfbar herrfebte, berührt würbe unb ftch bemühe, bem Sötte bie Xogmeit
be* 3ölöm* in ber mbftif(§en Stuffoffung jener 3«t in ber ßonbeöfpratbe jugäng«
lidj ju mad)en" (Sprenger in ber 3eitfd)rift ber 2Jcutf(ben «Dtorgenlänb. ©efeüfd).
XVI, 787).
' $er 9lame bebeutet „5)erffmber bed Sidjtä"; eigentlitb Reifet er IBä^tb.
88*
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596 Sanfte* ©u$. 3roeite* flapitel.
brad)tcn , pauften fid) ba§ Wötfjigfte auf perfifd) ein, mäfjrenb bie untern
8d)id)ten mit ^ufd)tu borliebnalmten. Ten meiften 9(fgr)anen njor Sdjroert
unb Told) anyeljenber als baS Sdjreibrofir ; nur roenige DoIfStljümliaje
Häuptlinge mußten beibe Neigungen 311 Dereinen. <£aS umfangreiche ^3ufd>tu=
3Berf in ^ßrofa, baS bis baf)in befannt gemorben, ift inbeS ein mefjrbänbiger
tforamOommentar, bem Wfbfyal albamla Safjäbur gemibmet.
s)lbb:ur:9tat)man , ber oollstfjüinlidjfte ber afgfjantfdjen $id)ter, lebte
als Termifd) in ber (Segenb Don ^efdj.imdr, Ijatte roegen feiner müftifa>n
Stiftung Don feiten ber ortfmbojen 9ttot)ammebaner Diele Einfettungen $u
erleiben unb Ijinterliejj einen £iroän Don etwa fedjStaufenb ©ait (ToppcU
Derfen). Öleid) if)m £ermifdj mar aitct) fein 8d)üler flfmjäbfdjaf) 9RoI)ammeb,
Don Stamme 93angafd>, beffen Seben in bie 3Ät beS berühmten ©rofmiogulS
Wurang 3eb fällt (1616—1707). 9lbb=ul:£amib , ber gegen 1732 ffarb,
megen ber ^einfyeit feiner 3)iction fogar Don ben ^erfern gefdjätjt unb in
günfrigem Sinne „ber Jpaarfpalter" jubetitelt, gehörte ebenfalls ber mo^amme=
banifeben ©eiftlidjfeit an. Wiqi ßljän, ber „9(nfar", ftammte Don bem
ermähnten Sectenftifter unb Sdjroärmer SBäjib (ober 93änajib), ber ftd) 5ßir
9toff).in nannte, unb mürbe beSljalb ebenfalls Don ben ftrengem Mnfjängern
Diel Derfolgt, felbft bei bem fanatifdjen #aifer 9(urang 3*b Derbäc^tigt, um
beffen ©unft gebraut unb genötigt, 3uflu^t bei 4Mnbu=5ürften ju fudjen ;
fdiücßlid) aber miberrief er feine frühem Äefiereten, untermarf fid) ben
ftrengen Wernas in ^efdjamdr unb gelangte bei iljnen ju fyoljen ©naben.
Me biefe $ia)ter bemegen fidt) f)auptfäd)lidj in bem 91nfd)auungSfreiS beS
perfifeben SüfismuS unb bieten bem, ber bie perfifd)e Sorif fennt, nidjtS
mefentlirf) Teiles. Tod) Ijerrfdjt bei ifmen im ganjen nid)t jener lieberlia>
frioole 2on oor, ber Jpafij eigen ift. handle ifjrcr Sieber attjmen eine
mirflid) emftere ^röinmigteit , eine tiefere religiöfe 3*egetfterung , bie, beS
citeln 2Belttreibens mübe, nad) etroaS £>öl)erem unb 331eibenbem felmenb biirftft.
Xa» gilt namentlid) Don einigen ©ebidjten beS 9lbb=ur=9tal)mün x. 3n 5k=
511g auf 3d)önf)eit ber jyoxm Ijaben biefe afgfjanifdjen Termifdje bie per?
fifdien Sortier nidjt nur mit ©efdjid, fonbern felbft mit einer geroijfen
^annigfaltigfeit unb Selbftänbigfcit nad)gcalmit, fo gemanbt mie bie qt-
fciertfteu enropäifdjeu 9iad)bilbner berfelben.
öinc Diel eigenartigere ßrfdjeinung ift ÄfuifdjljiU ftfyan, ber tampf=
gemaltige StammcSfürft ber ÄfmttafS, ein eajter 2lfgfyane Dom Sdjeitel bis
^ur 8ol)le. $n einem Kampfe mit ben 9)üfuf$iS, einem ber mäd)tigften
afgbaniiaien Stämme, mar 1640 fein 2>nter gefallen; er felbft, an £>aupt
unb $uieen Dermunbet, mürbe nun, tro£ feiner Sugenb, StammeSfjaupt.
Ter (iJroHmogul 2d)äl) Tfdje^än beftätigte bie Sfitoljl, übergab i^m bie 5?e-
siUj(. Rmerty, Solections p. 5. 14. 44— jO.
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-Sie SBaiben bcr Slfflfjanen.
597
maa*)ung bcr fönigüdjeu Straße Don mittat am 3nbu» nad) ^efdjamär unb
fd)en!te ifjm Diele anbere 3?eroeifc be» f)öd)ften Vertrauen». £od) unter feinem
iRadjfolger fiel töljufdjljai balb in Ungnabe, mürbe fieben ^aljre ju (Bmalior
gefangen gehalten unb Dermodjtc ba» «Rad)cgefiU)l nicr)t $u unterbrüden, ba»
bie lange unb ungered)te 9ftißl)anblung in tt)m madjgerufen. @r fdjarte
außer feinem Stamm audj ben ber 9lfribi» um fid), erljob fid) 511m 91u=
griff gegen bie längft üerfjaßte ©emalt be» 9)togul» unb Derfefcte ifjr in
fiebenjäljrigem #rieg bie empfinblid)ften Schläge. 91udj anbere Stämme
traten in ben 33unb, ber fid) nunmehr bie Dofljiönbige 93erbrängung be»
*Dtogul» au» 91fgf)aniftan 511m $\tlt fe^e- %&a* öcn vereitelte,
mar einerfeit» bie alte Stamme»feinbfd)üft ber ^üfufji» gegen bie Afiattaf»,
meldje ber tüljne Häuptling aud) in eigener 5ßerfon nid)t $u überminben
Dermodjte, bann bie Sdjlauljeit be» Wogul» 9lurang 3eb, ber felbft miber bie
rebeüifa)en Stämme ju gelbe 50g, aber anftatt ju fämpfen, buröj (Solb unb
3$erfpred)en einzelne güljrer gemann unb fo nadj unb nad) ben SBunb fprengte.
3n>ei fetner treueften Otounbe oerlor ftfjufdjljäl burd) ben 2ob, unb fo fafj
er fid) fdjliejjlid& oöflig Dereinfamt, legte bie güljrerfdjaft feine» Stamme»
nieber unb jog fid) ju bem befreunbeten Stamme ber Slfribi» jurüd, um
bort frieblid) ber s^oefte unb bem Stubium ju leben.
£od) triebe foQte ifjm niajt bcfd)ieben fein. 9tadjbem fein Solm 9tfd)raf
Häuptling gemorben, fing ein anberer Soljn, 33al)rüm, 00m $$ater feiner
niebrigen ©efinnung megen Derabfdjeut, fofort 3tmft fln' Der balb ben ganzen
Stamm in jmei Cager teilte. Sie fließen in Derfcf)iebenen @efed)ten ju=
fammen. Wfdjraf fiegte unb nafjm SBaljräm gefangen, mar aber in feinem
@be(mutlj untlug genug, ifm $u begnabigen. 93aljräm begann (1681) al»=
balb neue ge^be miber feinen 93ruber unb lieferte it)n buret) fdjmärjlidjen
93erratt) in bie £>änbe be» Großmogul», ber iljn nadj ©ebfdjapür in Sübs
inbien bringen unb bafelbft nadj jeljnjäfjriger ®efangenfdjaft im Werfer
fterben ließ. $er einzige £roft be» (befangenen mar bie ^oefte, bie er
gleidj feinem SPater pflegte. 21udj Don ifjm ift eine Sammlung Don <$e=
bieten erhalten.
$er Stamm ber Äfjattaf» mahlte nun 2lf$äl (s3lfbf)äl), ben Sofjn 9lfd)raf»,
jum gü^rer; bod) ßfjufdjfjäl r)ielt ben erft fieb$eJjnjäljrigen Jüngling für 51t
fdjmadj, um bem £)affe 3?aljräm» mirffam 311 trogen. @r riet!) ir)m, fid) 311
bem befreunbeten Stamm ber Wfrtbi» jurüdjujieljen. darauf manbte fid)
5öal)räm» 2Bittt) gegen ben $ater felbft. Söieberljolt mad)tc er Worbanfcbläge
auf it)n. 3)a biefe Dereitelt mürben, entfanbte er ben eigenen Soljn 9)lofarram
mit Äriegsfdjaren, um fid) be» tapfern fttjuftfyjäl, feine» ÖroßDater», $11 be=
mäßigen. 911» ber ©rei» ifmen aber felbft mit gesurftem Sdjmert entgegen
trat, magte feiner, iljn anzugreifen. £afür marb 9)tofarram Don bem eut=
menfdjten 59abräm fjart gef^mä^t unb ein jmeite» Wal miber Äfjufajbiil
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598 3ün?ted ®ud). 3»cite« «apitel.
auSgefanbt. SÖieber traf er i>en ©rojjbater mit ge$ürftem Schwert, auf beut
©ipfel eines $üge(S fampfgertiftet ; tbieber mich er bor bem batermörberifeben
Auftrag jurüd. $a roanbte fid) S3ahräm an ben Statthalter bon ^efchatbdr :
er tonne jefct leisten ÄaufS ben alten Cömen in feine £>anb belommen.
$od) ^^ufdd^äl ert)iett rechtzeitig ßunbe bon bem (<^önb(id>en 93erratf> unb
floh Su Dcm Stamm ber 9(frtbis, 100 er &ä)ufy fanb unb nach fo tragifchem
fiofe frieblid) jtarb, als freier Afghane in ben r)ehnat(id>en SBergen, in feinem
ticbtunbfiebjigften 3at)re.
inmitten all biefer Kampfe unb erfebütternben ftamilientragöbien fanb
ber hod)betagte Stammesfürft noch Qtil, eine beenge Schriften ju berfaffen
über ^Religion unb Stecht, ^r)t(ofopr)ie unb $Roral, Ecebicin unb 3agb, auch
biete ©ebiebte unb eine Selbstbiographie, ^od) bachte niemanb aus feiner
jafjlreicben, mahrhaft patriarcbalifcben 9lachfommenfchaft (er ^atte fiebenunb=
fünfjig Söhne unb mehrere 2öd)ter) baran, biefe ju fammeln, unb fo ift
baS meifte berloren gegangen, roaS befonberS in ©ejug auf feine Selbft=
biograptjie $u bebauern ifl. Erhalten finb jroei romantifche Epopöen (eine
bon biertaufenb, bie anbere bon jmeitaufenb ©erfen) unb biete Heinere
Dichtungen, bie jtuar roie jene ben (Sinfluji perftfdjer SBorbtlber befunben,
aber boa) burch Mnfpielungen auf feine mertmürbigen 8ebenSfd)idfale eine
bramatifch feffelnbe 9ln$iehungSlraft befi|en. 2)a ^errfc^t nicht baS ein=
tönige SBeingte, «Rachtigaflens unb JBerSgeflingel beS ^äftj. SHMr fyaben
einen urroücbftgcn Äraftmenfchen bor uns, roie bie altarabifchen gelben,
einen orientalifchen $önig ßear, ber aber über ber SBerrätherei beS eigenen
SohneS nicht ben Äopf berliert, fonbem bem entmenfehten Spröfcling feinen
SSaterflud) in jünbenbem Siebe an ben Äopf roirft, unb ob auch foft »on
aller ÜEBeft berlaffen, als ©reis, mit bem Schmert in ber £anb, ungebeugt
unb trofcig für bie §hre unb Freiheit feines SBolteS eintritt, wenn auch
fdjmerjlich groffenb ü6er beffen Uneinigfeit, ©elbgier unb Ääufltcbteit.
Sinb aud) Dom Stamm ber 9Jtenjcf)en bie 9{fg^anen,
6ie treiben e« tote §tnbu$ unb Srafjmancn.
23a ift fein ©eift, fein f)ö6/re« ©innen, Streben;
3n ftanbeln nur unb bummem ©treit fie leben.
3)er Hfjnljerrn äBorte ntdjtä bei ib,nen gelten,
2er ßefjrer SQßeiäfieit nur für tfjöric&t Schelten.
Stefjt einer ouf, ber ©ro&eS fönnt' beginnen,
Stuf feinen Sturj unb %ob fie aUbalb ftnnen.
3m $»intert)att fie bo8f)aft ftdj belauern;
Srum enj'ge 5ef)be fjerrfdjt unb Stotf} unb trauern.
Cb 3af)(rei(f) gleid> £>eufd)reden unb Termiten,
£at feiner fitfj noef) anbern SRufjm erftritten.
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3>ie Sorben ber »fgfanen. 599
3tf) unb fo uiele, bie »erfolgt toir maren,
SEÖir fottten S$ufr unb 5rcunbe$f|anb erfahren.
Allein ber SJruberaimft bat Äraft unb ©ute
Herfdjloffen im* mit feinblidjem ©emütf)«-
Unb bodj, o Rtinfäbät, banie ©ott gefdjtoinb,
Saß freie 3Jt5nner toir, nid^t CHat-en finb!
$aS bidjierifcbe 'Xalent Jtb>fd)ljäls bererbte fid) auf mehrere TOglieber
feiner ^mWc Wfcbtaf ßfjän (geb. 1634), fein ältefter Sofjn unb unglüd=
lidjer 9tacbfolger, famiuelte im ©efängnijs ju Sebfcbäpür feine Xiajtungen ju
einem Eimern, ber fpäter mit feiner Seidje ju ben Seinigen in bie £)eimat
gelangte (1693). 3in erfcfcütternbeu klagen fpridjt er fein Seib über ben
erlittenen 33erratlj aus. 9tud> feinem SBruber Wbb=ut=Ääbir (geb. 1652)
mar fein glüdlidjeS SoS befdjieben ; ba ber Stamm ber Äfwttate nadj %f(3r)raf&
iob beffen Sofm SIfjäl jum Häuptling erfor, 91bb=ul=Ääbir fidj ifrni niöjt
unterwerfen moöte, fo mürbe er mit jefm feiner trüber unb mehreren
Söhnen lungefcblacbtet unb mit ihnen in einer ©ruft begraben. Seine Uebcr=
fejumg Don $fd>ämiS ,,^)üfuf unb QalUtfi" gilt für bas oollenbetfte epifaV
Sftufterftüd in s}?ufcbtu=Spraa)e; er überfe^te aud) $um Ib^eil Sa bis „33üftän
unb ©uliftän", bearbeitete bie rüt)renbe CiebeSgefdn'cbte Don %ham unb £ur=
fljäna'i unb hinterließ eine Sammlung fleinercr ©ebidbte, bie großes poetiftr)cS
©efdjid behtnben. #ä$im $hon, genannt Schwaiba, ein jüngerer Solm 31fjäl§
(geb. 1722), mürbe nadj beS SaterS Job oon bem älteften Söruber fehlest
behanbelt, entmidb, beSf>alb, roanberte in ber Seit fjerum, fnelt fich längere
3eit in Äafdmiir auf unb teerte erft in fpätern fahren roieber in bie
^eimat jurürf, mo 1767 fein $)imän gefammelt mürbe. @r enthält, mie
ber feiner Cheime, Dormtegenb füfifebe Cnrif. liefen Gbarafter tragen audt)
bie ©ebiebte eines anbem fürftlicben £id)terS, beS Wdnneb Schäl), ^Ibb^li,
ber fid) erft als Ärieger unb ftelbfjerr unter bem perfifeben Eroberer 9täbir
Schob, fjerborttjat , nach beffen (Brmorbung (1747) fia) jum felbftanbigen
ftönifl oon Wfghaniftan aufmarf, 1751 ^erfien bis ftifchäpür, 1752 £afd)mir
eroberte, 1756 in ben ^anbfajäb Dorbrang unb enbücb 1761 fid) ganj £inbu=
ftänft bemächtigte. @r begnügte fid) jeboeb, bie inbifeben fyürftcn ju feinen
^afallen $u machen, teerte nach ftäbül jurüd unb ftarb bafelbft im Sunt
1773. Seine ;perrfd)aft reichte Don Sefk$horflPn bis an ben $f<$umna
unb Dom CjuS bis an ben ^nbifeben Cccan.
Sie ©ebiajte biefeS gcmaltigfteu aller 2lfgf)anenfürften , ben man faft
mit 2)caf)müb Don ©hajna Dergleichen tann, bilben einen £iroän Don etma
fünftaufenb Herfen, $ie meiften ©ebiebte finb ÖiebeSlieber , bod) fef>r ebel
unb Don anmuthigfter 3arth«it- 63 finben fid) aber auef) religiöfc Stüde
barunter, bie Don tiefem (Srnfie jeugen. 2ßer mürbe unter ben folgenben
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600 Orünfte* 89wf>. 3n»eite4 Aupitel.
gefüfjteinnigen 3eilen einen länberfiürmenben Sultan mit perlenfhafylenbem
Durban unb ebelfteinbefäetem ßrummfäbet bermutben?
Slrf)! bajj bte« füjje Beben fo furj, fo tut\ nur mährt,
Jpinftrömt gletdj einem 3rluffe unb nimmer roieberf ehrt !
2Barum niä)t auf ben 5tbfd>ieb lenfft bu, o #er3, ben Sinn,
Xa bodfj fo rafd) im ftrluge ba« Seben eilt bobin ?
ÜÖarum biß bu in ftummer fo tief, mein £erj, getauft ?
SBalb ift mie 2Binbc4fäufeln bein Däfern au«gef)aucbt.
^aläfte magft bu bauen Don tounberbarer 3i"<
^odb mufjt, erfüllt »on 2rauer, bu alle Iaffen tjier.
0 Trauer, ftäte Trauer, bie tief in« &erj mir brennt,
$aft liebe, treue Ofreuube fo rafd} ba« Sdjidfal trennt.
®e« ^rü^ling* jarten SBtumen ftnb unfre Sieben gletdj;
@« fommt bie ®Iutb be« Sommert, fle toelfen, matt unb bleidj.
Tai Sdjetben, ba« ift ^>öUe, bie Trennung flot)lenglutb,
$ie auf ba« §aupt be« freuen ftd) fenft in bitter 8rlutf).
2Mr'« beffer nid)t, entfliegen ber roanbelbaren SEBelt?
Sie r)at nid)t Out, niebt ftreube, bie febeibenb man bebäft.
SBenn mir un« nie getroffen, gäb'8 jefet ein Sdjetben nid)t :
So ift es bie« begegnen, ba« jefct ba« §er£ un« bricht.
Sudjft 3rreunbfd)aft bu, befreunbe bieb mit Söerlaffenbeit :
£a« ift bein So«, bu inadjft bir'« mit eig'ner §anb bereit.
Xit ftreunbfd)aft gleicht ber SRofe; bod) feb» ber Som if)r ntdjt ;
Sptfc wirb er, immer fptber, bi* tief in« §era er fHd)t.
35od), 9lä)meb, lafj ba« trauern! Site Stunbe ift nod) bein.
$o« Tamburin ertönet — ruft bttb 3um SteUbid)ein !
ttußer ben Inrifdjen Sammlungen ber genannten $id)ier beftyen bte
91fgfyanen aud) nod) mehrere romantifd>e Csrjäfjlungen, oorroiegenb in Herfen,
tf)eitö audj in s^ro)a, bie meift au» perfifdjen, arabif$en ober inbifdjen
Cuefleu flammen, roie bie Öefd)id)te Dom SaVU) $af)räm=U®ür (au* bem
^erfifdjen), bic ©efd)id)te Don 3aif=uI=5)hUü! unb ber ^fee 53abp:uUTfa)emäI
(au* ben „laufenb unb eine WM"), bie ®efd)id)te öon $nr unb 9langf)i
(aui bem ^anbfajäb) , bie Öefdnd)te Don $amhut--9lnfar"t (au8 bem 9Tra^
bifa^en). £ie <5icfc^id)tc bon „Äut^nb^in" bagegen trägt ein eigenartig
afgf)anifd)e§ (Gepräge.
£af$ ein Öeben, mie ba» be§ ^t)nfd)t)äl SH).in, reiben Stoff ju grofc
artiger Gpif unb $ramatif geboten t)ätte, liegt auf ber £>anb. 9(ud) bier mar
e£ mieber ber galant, ber eine t)öf?crc Citeraturentroidlung unmöglid) madjte.
i
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9Jolf«poefte ber altaifdjen Surtftämme.
601
X ritte 3 ÄapiteL
3Wftspoe/!e ber attaxfQm f ur&Jfämme.
9ttit bem iürfifdjen finb wir fo jiemlid) an bie ©renne ber eigcntlid)en
Citeraturfprodjen getätigt. Senn fdwn innerhalb beS o*manifd)en 9Jeicfee4
befinben fid) weite tfänberftreden unb gan$c SBoltöjtämme, wo bon einer
Literatur im tagen Sinne nid)t mef)r bie ftebe ift, wo wilbe &rieger=,
3äger= unb £)irtenftämme fid) mit einer bürftigen ftenntnip beä ßoran*
begnügen, wunberlid)er Aberglaube, alte StammeSüberlieferungen unb etwa*
SBolfcpoefie bie SteUe eine* f)öfcm OJeifteSlebenÄ öertreten.
AIS ein Ueberreft älterer iranifdjer ^eüblferung Ijcii fid) ba* $olf ber
Würben nod) jiemticr) jaffireidj in ber afiatifdjen lürfei (etwa anbertfalb
TOionen) unb in fernen (eine £>aI6e Wiüiou), in Heinern ©ruppen oer=
fprengt im trandfaufafifc^cn Äunlanb unb in Afgfjaniftan erhalten, Sie
urfprüngütf) inbogermanifaV Spradje mifajte fid» im Sauf ber 3eit mit
arabifdjen, f griffen, türiifd)en unb gried)ifd)en 2Öörtern. Sie Hingt rauft,
fjat aber weniger #et)U unb 3iföfowte als iftre 9tad)barfprad)en *.
AI* ältere C'iebüng*bid)tcr ber Äurben werben genannt: Ali £>ariri
au§ £>arir (geb. Iu09, geft. 1079), Sa>ifl) Adjmeb, ber Woüaf) üon Sid>i*ra
(geft. 1161), Wofcmineb getii Jeicon (1302—1376), Mula Afoneb, ber
SRoUaft bon Site (1418-1495), Afjmeb Gfpni (geft. 1652). £er testete
l)üt burd) fein Siebe*gebid)t „Wem u Sin" (Woljammeb unb Seinab) am
meiften ©erüfmitljeit erlangt. $>tofjammeb gehi leirän fctjrieb mehrere
jä^ungen, barunter eine über ba* 9toB bes ^roprjeten: „2Bortc be* fdnoarjen
Koffer', bie feftr Dolfetfnunluft mürbe.
An SReiterftürflein, Liebesabenteuern unb milben kämpfen fefilt c* biefen
barbarifajen 9räubern unb -frateabfefmeibern nid)t. 9Jiof)ammcb, ber fampf--
tuftige Araber, mar ber richtige tropftet für fie, fein tforän bie iftnen am
elften entfpred)enbe Religion. Sie nahmen eS übrigen* nid)t ju genau
bamit. Auf iftre Saufit unb auf Ujren Säbet oerliefjen fie fi$ nod) meftr
als auf AUaf), unb über ben Ctfeij unb bie £)abfudjt ber 9)lotfaf>* matten
fie fiefc unbebenfiid) luftig. Sdjöne Baffen unb Kleiber, fdjöne ^ferbe
unb SBeiber waren tyre £auptpoefie. 3£ie iftre Sprad)c fid) mit ben üer=
1 Chodzko, Etudes philologique* nur \a langue Konrde (Journal Asiatique
[Paris 1857] p. 297 s*.). — % ßerd), ftoridjungeti über bie Äurben. «t. Cetera«
bürg 1857 unb 1858. — Jaba, Recueil de notices et recits Kourdes. St.-Peters-
bourg 1860. — 5 e t b. Oufti, ßurbifdje ©rummatit. 3t. Petersburg 1880. SJor-
rebe. — Dictionnaire Kurde-Francais par M. Angurte Jaba, publie par ordre de
lAcademie imperiale des soienees par M. Ferd. Justl. St.-Petersbourg 1879.
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602
8rünfte« JBud). 2>ritteä Äaptfel.
fdjiebenften ^eftanbt^eilen mifdite, mengten fidj aud) ifjre StammeSfagen
mit ßoränfprüdjen , arabifd)en unb perftf<r)en GfcfctHC&tc&en , türfifdjen unb
förifdjen Fabeleien, etwas burdjauS SelbftänbigeS unb Eigenartiges gfc
ftaltete fid) babet nid)t. $od) pflanjten fid? bie 6unten Erklungen am
£erbfcuer weiter, unb bie SBolfSlieber mürben als SSed&felgefänge jur Birten»
flöte gefungen ».
Unter ben Surfomanen ofimärts Dom tfafpifd)en Weer ift bis je&t
nur ein £id)ter befannt geworben, Watfcbumfuli , ein Terwifcb, aus bem
Stamme ber ©öftens, ber um bie Witte beS 18. ^abrljunberts lebte2.
Er gehörte 311 ben Witgtiebern einer jener nujftifäjen SBruber^aftcn, melä)e
burd) ganj «orberafien tun, in ben Stäbten mie in ben Steppen, ben
Einfluß ber färiftfunbigen WoHaljS unb ÄäbiS mit iljren feparatiftifc&en
Schwärmereien befämpften. Ter öftlid)fie $auptfi& biejer Schwärmer mar
SBoajära, Don roo üiele aus ib,nen fid) weithin über Oftaficn verbreiteten.
Einer folgen S3ruberfd)aft, unb jwar ber jen igen beS 93ar)cueb;bin 9tafifd>benbi,
tjatte fid) Wadjbumfuli angefd)Ioffen. Sein Stamm, einer ber frieblid&ften
unter ben Surfomanen, jeiajnete fic^ oon jetjer burd) 2iebe ju ©efang
unb ^oefie aus unb jär/lte eine Wenge faljrenber Sänger ($acbfd)i), bie
mit ber $meifaitigeu Tutara um ben #alS baS weite CruSgebiet bura>
roanberten. Seine Spraye nähert fid} am meiften ber mobernen felbfdmf ifdjen,
b. f). oSmanifd)en ; feine Siilbung gef)t nid)t Uber bie gcmör)nlid)c biefer
3fdhine (ober moftifaVn trüber) hinaus, bie außer ben Safcungen ifjrer
3unft gemötmlid) Xürfifd) unb ^erfifd), aber nur wenig Wrabifcb, oerftetjen;
feine rcligiöfe 9?id)tung ift ftreng funnitifd), aber gemäß ben ©runbleljren
bes SüfiSmuS aufgefaßt. So prebigt Wari&bumfuli benn in feinem $imiin
oon ber Wicfjtigfeit aüeS 3vbifd>n, oon ber ^ergebliajfeit altes menfäHcbnt
StrcbenS, oon ben 2t)aten Wot/ammebS unb ber anbern „^eiligen" beS
3»lamS, oon ^arabie» unb ,§öüe, oon feinen eigenen SMfionen, in welcben
er mit Wof)ammeb, Slti, Cmar u. f. w. leibhaftig ocrietjrt tjaben will.
Werfwürbigerweife ergebt er aud) feine Stimme gegen 9taub unb Tiebftafjl,
bie bod) oon jeb,er bie £>auptcinlommenSqueHe feiner SanbSIeute bilbeten, unb
gegen baS 2abafraud>n , baS 51t üjren afltäglid&en $auptoergnügen gehört.
$aS JÖeltenbe befingt er folgenbermaßen :
2Öer rechtgläubig ift, ber glaubt meinem SGßortc:
Xex Inrannen SBtttfür, fiel), totrb bie SOÖelt eiuft oerloüften!
@$ fdnueben ber 2)inge gar Diele meinem ©eifte bor,
$iefe StÖett, fie geb,t burd) ^Bodfpett nur ju ©runbe!
1 groben bei 2öo(lf)eim>^onfeca, 2>ie National « Literatur fämtlidjer
Hölter beä Orient* II, 298—311 (nad) 3aba unb Cerd)).
* Lambert), $ie Sprache ber Surfomanen unb ber 3>iwan 8Rad)bumfuIii
(3ettfd)nft ber 2>eutfdjen HJtorgenlänb. (Sefellfd,. XXXIII [1879], 887-444).
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^olfcpoefie ber altatfätn Surfftämme.
603
2Ber SBöfe* übt, bem glfldt teiber attei,
Söäfjrenb bei frommen 3SM$ nie in ©rfüflung gefjt.
91ur mit ©ebrüeften wirb biefe ©rbe Doli,
Senn Unred)t nnb Srjrannei rieten bie SEßelt ju ©runbe.
Unnftfe wirb ba» SBiffen, bie Sugenb Dergebltdj,
llntfjat roirb jur 3ier unb Sugenb für fdjledjt erflärt.
©otttfgefefe wirb unbeliebt, baö Softer wirb gefällig,
SÖoburd) jebeä ßanb auf eine anbere äöeife ju ©runbe geljt.
Salft) wirb burd) JpaUübel, 9tifd>äpur burd) Steinregen,
•Cman burdj *0leere«flutrj( 93a?ra burd) Öfeuer,
SRebina burd) $>uugerönott), ÜHeffa bnr(r) flbeffinier,
#arät unb ftanbnbör burd) Sdjlangen Derwüftet.
Stambul jerftört ber SBlifc,
SWoful ber Storpion, unb $)emen Derbrennt ber fcailabfd).
Serntmm mein 28ort, bu SBeifer!
Sermäj fällt burd) bie Mt,
3$faf>än wirb Don ben 9lad)fommen Sufianß
ein #elb Samens ©autifdin einft jerfiören.
Samartanb rietet ein Örlugfanb,
JBotböra bie ©robnotf) einft 31t ©runbe.
SRerw wirb burd) Sanb üerfetjüttet,
Sdjiräj jerftört ber Surfe, Sfdjogan ein 8d)langenf)eer.
Äafägar, Gf)ina, fowie baö ungläubige 3nbicn
Sterben mittelft ©ibed)fen Don ftiefengröße.
Sie aud bem Gimmel regnen, Derwüftet,
28äf|renb bo« moölimifd)e Onbien burd) Unbill ju ©runbe gef)t.
?lbil Sd)äf) feljrt auä ßatjora jurücf,
trifft Don Mügeln unb Sbälern feine« ßanbe« feine Spur meljr an.
GtjareSmS ßonb Derwüftet ber Cruö,
3a äße«, wo« in ber Umgebung fid) beftnbet.
9tad) Jetgana bringt uom Gimmel ein ßaut,
©in ßaut, ber ben $örenbeu fofort tobtet.
Sie Stabt JBulgar nimmt einft ber SRuffe,
Seit Wiiffen jebod) rid)tet bat fyua unb ber 9(ntid)rift ju ©runbe.
SOlaaibumf uti ! 2Ber mit ber Seele bid) angef/ört,
Sem wirb bie ße^re jenfeit« frommen.
Senn SRatjbi fteigt Don ber ©rbe, Oefuö Dom Jpimmet,
Hub beibe rieten ben 2lntid)rift einft ju ©runbe.
Stein" <Ü?ad)bumtuli aud) nl» 3c^riftfteüer im eigentlichen Sinne oer=
einölt ba, fo bod) nidjt als Sefenucr unb Sefnrer moF>flmmebanijd)er 9(n=
fdjauungen in bem unge^euem Sünbergebiet , ba§ bie Surfoölfer in bem
nfiottfrfjen 9tufelanb bewohnen unb ju benen roeitfnn ber 3Mom gebrungen ift,
boef) nidjt in ftvammer Crgcinifation roie efjebem im roeftli^en Elften, fonbern
fefn; berföroommen , abge^roä^t unb gemifefit mit bem ölten, eingefeffenen
SdjamcmiSmu* biefer Völler. 3Öof)i Ijört f)ier aücä S$riftü)um auf, aber
nidjt ein reger, lebenbiger Sinn für ^oefie, unb gelehrte Spracr/forfcfcer, meiere
bieje SßöUer befugten, haben nicfjt nur über beren Spraye öiel SBebeutfameS
1
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fünfte* »uct). dritte* Aapitel.
ju Soge geförbert, fonbern au* mand>e$, ma§ für bie 2iteraturgefd)id)te bou
3ntereffe ift. $enn fie trafen t)ier, auper einem reiben ©ct)afr uraüdmger
unb feltfamer Söoltelieber, bie fiaj münblidj meiterpflanjten, aud> eine gleict)fam
im ©erben begriffene unb ebenfo münblict) berbreitetc epifct)e $oefte.
£er bat)nbred>enbe Pionier auf biefem ©ebiete mar ber finnifd)e ®e*
lehrte Wattt). 5tter. Gaffern, roelajer erft (1839—1844) auf brei Reifen
Capplanb unb Kardien, bann (1845—1849) ganj Sibirien oon ben ©renjen
GtjinaS bi§ jum (SiSmeer in ctt)nograpr)ifct)er unb linguiftifcber £inftd)t bura>
forfd&te. 9iact) feinem Jobe (1852) mürben feine ftorfd)ung&ergebniffe bon
©djiefner herausgegeben unb ergänjt. $en Slnftof? ju biefen großartigen
Unterfucbungen t)atte ber ftinne Sönnrot mit feinen tfalemala* unb ßantetetar*
©tubien gegeben. 2öie Öönnrot bie ungeschriebene 3*oltebict)rung ber frinnen,
fo fammelte 2Büt). SRabloff auf brei Reifen burd& Sibirien (1859/60,
1861/62, 1868/70) bie Sprüdje, Sagen, Gelungen unb ®ebid)te ber
ftbirifaVtürfifcfien Womabenftämme au* bem Dlunbe beö 93olfeS fefofi unb
veröffentlichte fie im Urtert unb in beutfctjer Ueberfefcung K
$ie fd)lict)ten, urfprünglictjen $erf)ältniffe biefer nomabifcijen £trten
unb 5ägert)ölfer jciajnen fia? t>öa?ft anjie£)enb in bem folgenben „Xeleutifcfcen
Sdjamanengebet", baä jugteict) bartfmt, baß it)re ©ottcaoeretjrung ycoax Diel
ItermorreneS unb fünftes t)at, aber meit über blopen 3auber= ober ®eifter=
glauben fiel) ergebt2:
2 er bu oben bia) befinbeft, $>imme( ?lbt)ja|d) Ran,
©ritn auf ber (frbe tjeroorgerufen,
%m SBaum bie 99lätter fmft tjeroorgerufen,
?lm S^entel bai frleifö baft toaebfen lafien,
9luf bem ftopf bie $aare baft f)*rDorgerufen,
£u Scf)Öpfer bes ©efebetffenen,
$u Gimmel beö ^Bereiteten,
Gimmel, ber bu bie Sterne f)PtöorQebrac6,t !
3br fed)jig §erren, bie ben Steter erhoben,
£u Ülgän ber bu bie Mutter erhoben,
2)u Schöpfer be* @efd)affenen,
$n Gimmel beo ^Bereiteten,
2?u Gimmel, ber bu bie Sterne t)crt»oraerufen !
1 Sö. 9t a b ( o f f , Sie Spraken ber tflrfifdjen Stämme 6üb*Sibirien* unb ber
Siungertföen Steppe. St. ^eterdburg. I. $ie Etalecte be« eigentlichen Hltai: ber
«Itaier unb Seieuten, 2cbeb=2ataren, Sporen unb Sojonen 1866. II. $te «bolon«
SHalecte (ber Sagarifdje, Äoibalifdje , «atfcbjujifdje) , ber Jtyfil»2)ialect unb ber
2fd)olt)m--3>ictlect (ftüorit) 1868. III. Äirgiftfdje flttunbarten 1870. IV. 3>ie SDlunb«
arten ber SSarabiner, 2araer, Xoboler unb 2ümenifdjen Üatnren 1872. V. 3>er Siatect
ber Äara'-ftirgtfen 1885. — 2B. SR a b l o f f , 9(ud Sibirien. 2 93be. Seipjig 1884.
« ßbr. $cf<$, 2>er ©otte«begriff in ben fjcibnifd&en Religionen ber 9leu^eit I
(Sreiburg i. »r. 1S89), 2.
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JöolfSpoefte ber altaifdjen lurlftamme.
605
2ttöge ©ott SÖieb, geben,
Wöge (Sott ©rob geben,
Wöge ©ott bem §aufe ein §aupt geben.
3)u Sa)öpfer bes ©eföaffenen,
$u Gimmel beS bereiteten!
SBon meinem Söater bitte id),
©ib beinen Segen, mein SBatet!
Jpilf, mein SJater,
3m §aufe meinem Raupte,
3n ber $erbe meinem 93iet) !
9)or bir Derneige td) mi$.
©ott möge feinen Segen geben!
3Ht Sdjöpfer beS ©efdjaffenen,
$u Gimmel be« Bereiteten».
*Dtit gemüti)licf) naiöem 9}olföf)umor Gilbert ein anbcrcS ©cbit^t, eben*
falls ben Stämmen beä 5lltai angefjörtg, bte einfachen GuUurjuftänbe unb
Sugleid^ baä fettere 9laturgefüf)l biefer Womaben. (S§ Ijeijjt „$eä £afen
Öoblieb".
3d>, id) bin bas £>ä£ä)en!
3luf bem Ufer ift mein Spielort,
©rün ©eftraua) ift meine Slafjrung.
3dj, itf> bin baö ipäädjen!
2Öa$ bat nur ber fdjledjte 2)tenfdf|?
9hdfjtä als einen fallen $c(j.
3<b, id) bin ba<8 £>ä*d)en!
5tuf bem JBergrftden ift mein Spielort.
9totf|e* ©eftrduä) ift meine 9tab,rung.
3d), id) bin baö §äödjcn!
äßaö t)at ber, ber ein Wabgen bemalt?
©in bunfelrotf>eö ©efidjt bat er.
3$, id) bin baö §ä*d)cn!
$eroorfied)enbe Slugen f>ab' id),
?luf nadjtlidjem 2Öeg t>erirr* idj midj nic^t.
3d), id) bin bas ^äötrjen !
2Öaö bat benu ber fd)ted)te <ßelj?
Käufe bat er, bte ib,n füllen.
34, id) bin baö $äöd)en!
Söadenjäfme f)ab' id) aud).
3«), ber ipttfe, roerb' nie mager.
•SB. 91 a b l o f f , Sie Spraken btr türtifdjen Stämme Süb-Sibirienö J
(St. Petersburg 1866), 238.
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606
rumfte* 58u$. dritte* Äapitet.
34. i4 bin ba« fcä*4en!
2öo« bat bev tb,öri4te <Weuf4?
34. 14 bin bai £>äö4cn!
34 b>be meine SÜUbpfabe,
34 tmbe meine fiagerftelie.
34/ i4 bin ba« §ä$i)tn\
2öaö f)at bet t^öric^te 9flenf4 ?
löerflonb bat er, ber if)it ni4t rühm lä&t.
34/ id) bin bafl $>ä$4«n!
3n ber (rbene ift mein Söeg,
3ft au4 nieine ßagerftättc.
34, id) bin ba« §ä»4«n!
3Ba* hat ber faule 9Hew"4?
©inen ©4W auf i4U4tem Säger bat er.
34, i$ bin ba« $ä«4«n!
3m ®ebüf4e ift mein aftobntfafr;
Weine Söege finb au4 bort.
34, i4 bin baö $ä*4en!
SÖaö hat benn ber Ituge <Dtenf4 ?
Söorte hat er, bie tt>n öerberben.
34, i$ bin ba« §ädä)tn\
Sie grauen, toelt^e ni4t früh, aufflefjn,
Hann am 9tnu4fanQ erfennen.
34« io) bin baö €>ä«4"i!
9tUe faulen, f4Ie4ten ÜDtänner
Äann am 3aume x&> erfennen.
34, i4 bin baö §ä«4*n!
grauen, bie tr>rc SDtänner ni4t lieben,
CFrfcnn' t4 an ben ftfiben.
Wel)nlidje ®ebid)te, audj 9)Mr#en, §rjäf)lungen u. f. n>. finb bei all
ben ber fdnebenen stammen in reißer ^tille norljanben : im allgemeinen eine
feb> primitiöe, eintönige sJJoefie, bodj nidjt feiten mit e$t tooetifd&en, leben--
bigen, djaratterifttfdjen unb be^^alb feffelnben Ginjeljügen. 9tm $ö#fren
ftet)en burdjroeg bie #irgifen. Sie fpre^en flieüenb, mit ©#ärfe unb
Ätar^eit, felbft mit einer geroiffen Sdjönfjeit be* WuSbrucfc. ^n ber ge=
möljnlic&en Söraaje jeigt fia) ein Anflug bon 9tr)t>t^mi! im <&ap unb
^eriobenbau. Stoltefprüdje in ben berfdjlungenften Keimen, CiebeSlieber,
£o4jeit§lieber, Sobtenflagen, SSettgefänge, gefd>i$ttic&e SSaüaben unb b>itere
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j
Jöoltipoefie ber attaiföen 2urfftämme.
607
S^ctjltfbcr »erben allüberall jum beften gegeben unb mit ftreuben auf=
genommen. Wn ber ftäten Uebung bilben ftd) aaljlreiaje 3mprobifatoren
heran, unb fo ift eS aflgemeiner ©rauefc, ©äfte burd) 93ctfe aus bem
Stegreif ju ehren. 3n gröjjern 93erfammlungen treten nur befonberS
©eübte auf, eigentliche Sänger (Akyn), bie oft meithin berühmt finb
unb öon ben Weisen unb Sorne^men ju ben iobtenmaljlen (Asch) mie
SU fröhlicher Unterhaltung eingelaben »erben, längere Sßrobucttonen finben
gemöbnlicb erfi abenbs ftatt unb bauern fünf bis feebs Stunben in bie
«Racbt hinein, oft auch jmei Mbenbe naa>inanber. Der «Sänger läfct fia?
bann im greife ber ©efeßfebaft auf einem ^ierfefl nieber, jtimmt feine
ßaute (Kobys ober Komys), gurgelt baju allerlei unberftänblicbe Jone,
tt>aS fii au(b in ben 3tt>ifäynpaufen feines Vortrags mieberholt, unb bebt
enblid) fein Sieb an.
»et ben meiften Stämmen toiegt in biefen befangen baS lorift&e Sie*
ment bor, jumal bei jenen, bie mehr ober weniger fe^aft leben unb auf
Ärieg unb Äaubjüge beratet haben, dagegen ^errfc^t baS epifebe 6le=
ment bei §»ei ganj getrennt lebenben (Stämmen: ben TOinufftnif^en ober
91bafan=3;ataren unb bei ben ßara=ftirgifen (fcbnmrjen tfirgifen), befonberS
ben lefctern, bie als friegerifebe 33ergberoobner einft bie geroaltigften kämpfe
mit ben ßafakßirgifen, ben ßalmüden unb (Sljinefen ftegreieb beftanben.
Da faft alle biefe Sänger ju improbifiren bergen unb fieb etmaS
barauf $u gute tfwn, WeueS *u bringen, fo haben biefe epifeben ©efänge
n>ot)( meift einen feften, überlieferten tfern, finb aber in 3)e$ug auf bie 2luS=
fübrung noch in ftätem gluß begriffen. ©eroiffe Elemente finben fiaj, mit
anberein Warnen unb beränbertem Wufpufc, faft in allen mieber, bem engen
ÄreiS ber primitioen «Übung entfprecbenb K
Der $elb wohnt gewöhnlich am ©efiabe eines leeres ober am ftujje
eines tytyn ©ebirgeS. Da ftef|t feine Surte, ursprünglich nur au§ Glen--
thierhäuten verfertigt , aber je&t Don ©olb unb ©Uber ftraljlenb. ©rofje
Äifien bergen ba feine Sä)äfce, befonberS feine foftbaren ©emänber. 2?or
ber Surte, an golbenem ^fofien angebunben, feiert baS 9top feines @e=
bieters. Slucb anbere hwbeifommenbe gelben binben ba ib,re $ferbe an.
Um bie Surte bet)nt fieb weit bie Steppe auS: ba wimmelt el bon Hieb,
fo zahlreich wie 9ßiffe unb Hmeifen.
35er lünftige £>elbengeift gibt ftcb natürlich bereits im Äinbc funb. TO
üioei Söh"" 1*0" fponnt eS feinen Sogen. <Diit brei, fpäteftenS fünf ober
fieben Sohren fangen fdjon bie #elbenthaten an. Da betommt ber $off:
nungSreia> fein Scblacbtrofi, baS er ftcb aber felbft mit ber ftangfcblinge
1 *. ©d&tefner, #elbenfagen ber SOUnuffuifcben Sataren, «t. «Petersburg
(Ä. Hfab.) 1859.
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608
fünfte* SBucf}. Xxittei Kapitel.
au$ bcr ÜRoßtabunc fyoitn muß. 3ugleid) erhalt er einen Tanten unb gute
Cefnm Cft erfcfjeint baS 9toß aud) ungerufen unb bringt Satteljeug unb
£elbennamen felber mit. 3e$t flleidjt ber &elb einer Rappel ohne tiefte
ober einem Äamel ohne Dörfer, feine Stimme ift roie bie ber roilben Ztyevt
ober roie be# Xonners Äoüen: fie mad)t fytfen berften. ftaft ben ganjen
Sag ift er auf ber ^agb ; r)eimge!cr)rt in feine Surte, fpi$t er Pfeile ober
fpielt auf feiner bterjig= bis fed)$igfaitigeu &arfe ober ruht auf golbenem
Säger aus.
(5r muß aber t>inau* in bie SBelt unb im fiampfe fid) meffen. @tn
ebenbürtiger ÜJegner madfjt ihm ben ftufun ftreitig. Sie greifen erft jum
Scbrocrt, bann 511m Speer, bann jitm $ogen — enblid) ringen fie 2ei6
an 2eib. $a gef)t e§ fo t)ci^ her, baß bie Örunbfefien ber (Srbe gittern.
CSincr muß erliegen, ba cä nur einen größten gelben geben fann. "SJttt
bem llcberrounbenen aber wirb fo grünblid) aufgeräumt, baß für frühen,
vmnbc unb Glftem nid)ts übrigbleibt.
9ton folgt bie 33rautfahrt. lieber bie £anb ber Sdjönen oerfügt ber
3?ater, ber 5?ruber ober auch bie $raut felbft, bie bem gelben meift fchon Don
ßroigteit f)er beftimmt ift. Sic £od)$eit wirb mit Spielen aller Hrt, ©ett=
lauf unb Söetttampf gefeiert. werben roohl auch große Steine babei
Dom 9tteere*grunb heraufgeholt. £ie <Reubermäf)ltc löft bie bieten tleimn
3öpfd)en, in bie fie bis baf)in if^r £aar geflößten, unb ift fürber bie
„3meif(eö)tige", b. h- ebrfame #au*frau. 9tls folche ift fie bie treue
greunbin unb ©crat^crin be§ Kännel, wirb aber bod) jumeilen mit ber
Woßpeitfdje gefchlagcn. Sie befdjäftigt fid) mit 9iäf)fn unb Stirfen unb
mit bcr Pflege it)rcr ßinber. SHeifi finb nur ein ober gtoei Söhne ba, nie
über neun; nur ein breißigtöpfigeä Ungeheuer fyat breißig Söt)ne. 3u
^ferbe ftetgt fie feiten, aber ber dichter lcit)t tt>r bafür mitunter ein @e=
roanb mit Ablers ober Schmancnflügeln unb bringt fie fo glütflich ju ben
cntlegenften Steppenpläftcn.
Gine unoermißbare ©eftalt ift ba* .petbenroß, Don ftarbe Derfdneben,
aber immer ftrahlenb roie Sonne unb Wonb. 9luS feinen Slugen fprüfjt
^euer, au* feinen Lüftern 9iaud); Don feinem 9(tr)ent fchmeljen bie 3ügel.
Sein Sichern ift immer bcbeutungäooü. ift beS gelben treuefter
^reuub, toavnt ir)n , prophejeit U)m, f>ilft inm au§ ber 9?ott)f betoahrt
feinen £eid)nam, fdjafft Nüttel $ur $}ieberbelebung , rettet unb ernährt
feine tfinbev. 6ä tjat Wenfchenftimmc unb fann Wenfchengeftalt annehmen.
§s hält alle Strapazen aus, fann breißig Sah« lang mit bem gelben
Innigem; Don trorfeneu Steinen lerft eä fid) Speife, Don naffen Steinen
ierft e§ fid) Iranf. (f* gibt aud) 3aubcrroffe mit brei Cf)ren unb
\cd)Z düßen — unb folche, bie mit 3tar>lt)ufen unb Silberichtoingen gen
Gimmel fliegen.
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I
S8olf«poefte bcr altatfdjen Xurfftämme.
609
lieber ber @rbe, bem Sonnenlanb, rooljnen b,od) im Gimmel bie fielen
ober neun ÄubaiS 1 in einer Surte, hinter einem Storfing. Sie fyaben ein
grojjeS SBud) oor fidj, worin Cebcnbige unb Sobte berjeidjnet flehen, aud)
bie (Sefdjiajte ber Wengen. $ie ÄubaiS felbft finb in 9lngft um baS
6nbe ber 3!5inge. Sie greifen inbeS in bie @efdnde ber Wenigen ein unb
fenben ifmen 59otfdr)aft ; bie ÜWenfdjen ober beten ju iljnen unb rufen fie
mittelft SBefajtoörungen an. $)ie (Srbe, balb bie „fdjttxirje (Srbe", balb baS
„Sonnenlanb" genannt, enthält öerfduebene Cänber, bereu Qafyi oiba jnufdjen
: fedjs bis fiebjig roedjfelt. Sine fytyk für)rt jur Unterwelt, bie fidj in
ftebäefm (Srbfdndjten abftuft. 3n ber unterften rooljnt bie Sdjroanfrau, ein
graufeS Ungetüm, in einem linfenbaumfarbenen ftetfen. Xtti £>anbboll
Jölut eines gelben ftttrfen fie fo, baß fie üierjig Raffte lang laufen tann,
ofjne ju raften. $fjr Öjemaljl ^jetbegän ift ein neunföpfigeS Ungeheuer auf
einem bierjugfyörnigen Stier. Um biefe ^wei fdjart fidj ein ganjeS £>cer
Don Ungetümen unb menfdjenf einbüßen SSefen. 9Jiit biefen bunfeln $e=
malten Ijat ber £)elb bie abenteuerlidjften kämpfe $u befteljen, bis er enblicr),
nadj mandjem Steg unb nadjbem er fogar ben (Kötterberg erHettert, tyrer
finftern Uebermadjt erliegt.
„6s ift eine eigentb,ümlid)c, tratimgleiöV, Derfdnuommene s])färd>entt)clt,
bie biefe £elbenmärd)en unS fdjilbern, fie liegt fern bom ärmlidjen @rben=
leben, ift eine 2öelt ber ^fwntafie, an ber baS fonft üerfümmerte ©emütb,
beS SßolfeS fid) ergöfct. fterabe baS Umüafjrfajeinliaje, Uebematürlidje, roiber=
finnig SRiefenljafte ift eS, roaS bei biefen Säuberungen bie 3u^orer P°dt
unb mit ©raufen erfüllt. 9Wan fann biefe %xi ber ^oefte nur ganj t»er=
ftct)en , roenn man fidj bie Umftänbe bergegenroärtigt , unter benen fie bor=
getragen wirb unb auf bie 3l,f)örcr °ie ö°We 23irtung ausübt. $ieS gc=
fdjieljt $umeift an £>erbfl= unb SBinterabenben, wenn bie roodjenlang in ben
toalbbebcrften ©ebirgen umfjerfdjroeifenben 3ägergefellfd)aften fidj jum 9iaajt=
lager in ben aus 3roeigen gebauten fürten rüften. $)ie Don ber 3agb cr=
mübeten Säger fi§en bann, in ifjre ^elje gefüllt, um baS ^euer ; fie b,abcn
fidj foeben am Waljle erquidt unb freuen ftdj ber SBärme beS ftcuerS ; bann
nimmt ber Sänger fein ^nftrument uir £)anb unb beginnt mit tiefer,
gurgelnber Stimme bie eintönige 9Jtelobie eines .^elbengefangS. 2)ie fdnoary:
*Rad)t, bie bie ganje Scene umgiebt, bie magifdje ^Beleuchtung beS $euerS,
baS Öetöfe beS Sturmes, ber bie Jpütte umfjeult unb bie gurgelnben Zone
beS Sängers begleitet, finb ber notfjwenbige 9cal)inen für bie grellerleudjtete
Webelbilberreifje bcr ©efünge."2
1 jüngern £ageu evföeint nur nodj ein ftuboi.
* 2S. Wabtoff, 35ie Spraken ber türfifcfje« Stämme Siib- Sibiriens V,
S. vm.
Baumgartner. SEBtWtttratur. I. 2. «ufl. 39
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610
OFünftcö 2Su<&. dritte* ftopiteJ.
Öonj anbcr* geartet finb bte epifc^cn SBoIf^gefäiifte ber &ara=$irgifen.
Sie fdjilbern feine erbtd)tete 9Jf ärd)entuelt , fonbern baS roirllidfe Seben
unb -Treiben eiltet Iriegerifdjcn 53olfeS , zuweilen ettuaS grell unb mit
einiger Uebertrcibung , aud) tuof)l mit tounberfamen Abenteuern, bod) ju
bloßem Sdmtutf unb oljne fid) borin ju Derlieren. ^Ijr £auptl)elb ift ein
niobammebanifcber ^bealfürft Gr Dianas, ber Sofjn bcö Saföp &an, Dom
Stamme ber Sarn sJtogai , ber geroaltigfte .Qriegsljelb , ber mit feinen
Dierjig ©enoffen (lfdjoro) bie ganjc SBclt burd)jicf)t unb unterwirft. Gr
fd)inettert bie Gbjncfen nieber, Oerjagt bie Sart, jerftreul bie ßalfdjar
unb madjt ben Verfem Elngft unb 9?ottj. Seinem meinen ^3ferb ift lein
anberes tftofj ocrgleidjbar , fein Älcib oermag lein ^feil ju burd)bol)ren,
fein anberer <D2o3lim lann fi$ mit ifnn meffen. Ses eigenen Katers
unb ber eigenen Wutter fdjont er nid)t in feinem ©rimme. 3)er einige
Söiberpart, ber ifjm getoadjfen, ift ber £>eibenfürft 3oloi, ber gemaltige
Treffer, megen feiner übermenfd)lid)cn ©röfje unb Äiefenfraft nur bann
befiegbar, wenn er fo Diel Speife unb äranf Derfd)lungen , bafe er in
unmiberfte^liajen Sdjlaf oerfallt. Sein s^ferb Eltfd) 33uban tommt allein
bem weißen falben be* Gr Dianas an ©röfje gleid). Um bie beiben
gruppirt fid) ein saljlreidjer ftrei* anberer gelben : 3amgortfd)i, ber mädjtigc
Stinger, ber greife Gr $ofd)ai, ber bes ^arabiefee Ifwr geöffnet, Gr
£öfd)tüt, ber mit ber 2obtenwclt oerfefyrt, bann mehrere Reiben unb ber
Gtjtnefe töongor 33ai.
Gs gelang 9tabloff nid)t, bie ganje |)elbenfage ber $ara=£irgifen 511=
fammenjubringen , mic fie nad) üerfdjiebenen Einbeulungen einft beftanben
l)aben mnfs ; er muBte fid) mit ben 9luf$eid)nungcn Don brei gröfjern Stüden
begnügen, Don benen ba* erftc bas Seben bes Gr ^Dianas- .umfafjt, ba*
zweite ben £>eibenfürften 3>oIoi, ba» britte ben jauberfunbigen Gr iöfajtül
Derl)errlid)t. £a§ ©efamtbilb, bös fid) in biefen 3kud)ftüden entrollt, ift
ftiemlid) einförmig, $iefelbeu einfad)en 9)fotioe eines iriegerifdjen 9iomaben=
lebend lehren immer mieber. Ellies ift ©rau in ©rau, wie bte gebämpften
Farbtöne ber Steppe. G* fef)lt ber frifdje, belebenbe Sonnenglan^ be*
SübenS.
%\t Grfaljrungen , meiere Stabloff mit ben epifdjen Sßolfsfängern ber
ttirgifen mad)te, entfdjieben ilm, fid) in ber tjoiuerifdjen ftxaQt für bie 9tn=
nafymc eines Horner, b. 1). für bie Elbfaffung ber betreffenben $id)tungen
burd) einen unb benfelben £id)ter, ju erftären.
,,3d) l)abe mid) bei jahjreidjen Elufaeidjnungen ber $oltsliteratur oer=
fd)iebenartiger Stamme überzeugen lönnen, bafr ein SJolfsfänger nur eine
fein- befdjränfte ö0» Herfen eine* al* feft überlieferten, erlernten Siebe*
behalten lann, unb bafj eine münblicbe Ueberlieferung Don fefjr langen
Biebern, mie etwa eine» Siebes dou bem Umfang mehrerer ^Büa^er be§
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$oIfät>oefic ber attaiföen Surfftämme.
611
£omer, boüfommen unmöglid) ift. 3d) miü bamit nid)t gejagt Reiben, bofe
ba* menfd)ud)e ©ebädjtnijj nic^t im ftanbc märe, eine fe^r grofte @om'
pofititm austoenbig ju behalten, (3d) tjabe fclbft Hioljammebaner gefannt,
bie ben ganzen töorän mört(id) ou^menbig tonnten unb beringten, ofjne aud)
nur ein JBort megjulaffen.) ift bie* aber nur möglid), wenn ba«
längere Süerf gefdjriebcn öorfmnben ift, fo ba& ber Cerneubc e~ fid) ßüd=
meife burd) Striefen ober burd) Selbftlefen einprägen funn. (>ine Ueber=
lieferung, bie nidjt burd) bie Sdmft auf ba* genauefte fi^irt ift, ift aber
ftet* in einem ^uftanbc ber fttüffigfeit unb wirb in einem 3citraum üon
äef)n 3af>reu gemijj ju etroa* oollfommen Beuern. 3d) f)afte es bafjer für
unmöglid), baß ein fo umfangreiche* JÖert mie bie Webidjte bes Horner
fid) aud) nur ein ^ar)rjcr>nt Ijättc forterben fömicn, menn fie nid)t auf=
gejeidjnet gemefen mären."1
1 2Ö. SRablof f a. a. C. V, 6. xxi unb xxn.
«öcvidjtigu ngcn.
3. 11 Seile 20 Don oben ftatt „aJtofed" *u tefen „91 oc".
S. 41« 3tüt 3 öon nuten flott .^afua" ju lejen „"Porfuo*.
einigt Unaenouiflffittn unb «erfreu in ber Schreibung üon eigeimainrn ftnbet man im „flauicn-
regifter- beriflttgt.
39*
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1H amenreg tfter.
»bba Slrefa, f. 9tab.
Slbba 3ob>nni, ätfuop. ©djrift 232.
Slbbaji, »obbi 275.
Slbbüfl öon 9flertt>, perf. Siebter 444.
9lbbto<$, bet <Propljet 50.
3tbbt*fbiba, »riefe befi 63. 64.
2tbb»ul=#amib, afgqan. Sinter 596.
?lbb=ul^äbir, afgrjan. Siebter 599.
9lbb-uÜäf) ibn Storoän, arab. £idjter 349.
916b-ul'<Dlali! 3famt, perf. gpifer 546.
?lbb.uN2ttafib*il'.flinbt, arab. Scfjriftfteaer
9tbb'ur*9caf)män, afgban. S>i(t)tcr 596.
9lbb.ur*9laMäq, per]". &iftoriter 567. 568.
9lben (fara 30.
'9lbh>tihÄ f. (Fbeb-Oefu.
9tboh>ian, armen, e^riftfleffer 254.
Slbrabam JBeberfi, neuqebr. Sinter 290.
— ben ÜJieir ben €$ra, neubebr. 2)id)ter 284.
?lbü »efr 3ll.9tQ3t( arab. 3Jcebiciner 874.
2lbü ^itäj §amabäni, arab. S)iä)tcr 384.
385.
?lbu Jjpaian al=3fd)büi, arab. $>iftorifcr 336.
9lbü='l '2llä ÜJla'arri, arab. Siebter 362.
385. 386. 415. 416.
SlbiVl ,,ÄtüQija, arab. 3>iä)ter 381. 382.
9lbü*'l 5ai3, perf. Siebter f. Saiji.
Äbü«1 Jarabfa) al=3öfab,äni, arab. ßitera*
turbiflorifer 295. 296.
2lbiVl Hrarabfcb, f. Sarbebräu«.
9lbü='l ^ajl, perf. Siebter 573.
9lbulfebii, arab. §iftorifer u. ©eograpt) 374.
Slbü-'l ©baji, türt. Jpiftorifer 588.
2lbü='l tfäfim, arab. Slrjt 374.
9lbü=*I ÜJtafjäfin, arab. $>iftorifer 374.
SlbiVt 2ttafä, arab. 9lftronom 373.
9lbü SDHcbnaf, arab. $iftorifer 408.
31bü 9eoroä8 (Wumä«), arab. Siebter 380.
381.
9lbü Cbcib al«93cfri (33a!rt), arab. @eo*
flrapt) 374. 377.
9m Obeiba (SUfama), arab. Stüter
295. 302.
9lbü-©a'ib bin 9lbü='l Stf)aix, perf. 6pi=
grammatifer 553—556.
3t bü*'f=©unb ßfenbi, türf . »ebriftfteaer 590.
9lbü 2äb,ir 2)tobammeb 2arfüfi, perf.
^toDcttift 568.
91 bü Semmam, arab. ßiterator 295. 324.
825. 886.
2lebmabi, türt. Sinter 589.
9ld)meb ©bäni, furbifetjer Siebter 601.
— ßutft efenbt, türf. Siebter 593.
— 9Jlibbat ßfenbi , türf. £>iftorifer 598.
— Scfjeiff), furb. Siebter 601.
— S$äb «bb 3lli, afgban. Siebter 599.
600.
Stcbfifati, perf. Siebter 548.
Stcbtat, arab. Siebter 379.
9tcbünb$atfriC3ab,afgban.©$riftMer595.
Acta Pilati, 9lpofrüpb 173.
2tbamabud&, ba« ebriftlidje 166.
baä manbätfebe 166.
perf. SDbbeb 425.
21cgbpten, 6bronoIogie 89. — 3Ute Gultur
86. — ÄoSmogonie unb Religion 91
bis 102. — ^enfeiWöorftettungen 103
bis 107. — ßiteratur 108—136.
[ Sletbiopifcbe Siteratur 22.5—235. - ©e»
febiebtsroerfe 235. — 9)cartt>reracteu 332.
333.
9tfgbamfcbe ßiteratur 594—600.
j 9lgatbangelo$, armen, ©cfjriftftetter 240.
2lggaba, f. fraggaba.
9lggäug, ber ^ropbet 52.
?(tjmab Sabnjt, perf. ©pifer 546.
| Mimafomöfi, armen. SebriftfMer 254.
2lfbar, Jßaifer 573. 574. 595.
9lfiba, 9tabbi 30.
91fonfe, ftöDir, armen. Scbriftfteüer 254.
9tlbatani (911 Söatäni), arab. Stftronom 375.
2Ucranberfage unb ■Sicbtuug, for. 206
bi« 208; ätb>p. 232. 233; perf. 4x8
bis 509. 540- 542; türf. 589.
2tlfergani (9tl*3argl)äni), arab. Slftronom
373.
9lli, atttürf. Sinter 588.
I «fi $artri, furb. Siebter 601.
, 9üi ibn 3fä, arab. ÜJtebiciuer 374.
1 3lti eä'ib, perf. Siebter 575.
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614
9tameuregifter.
?llifdjan, 8eo, armen. $id)ter 254.
SUfama, f. ?lbü Obeibo.
9lllämi, ?lbü ftajt, perf. ^ifionfcr 574.
9lltaifd)e Jöoltöpoefte 601-611.
9lm«£uat, ögt)^t. 3drjrif t 114.
Slmcncmbat, ^Dtofjmmgcn be«, äQtjpttfdr)
113. 114.
Slmmon-SRa, ^ijmnu« an 120—122.
Hmoräer 271. 272.
«mos, bct «Propfjet 49.
flinx ibn ßuitbum, arab. Sidjter 308—310.
Slmrulfai«, f. 3mru ul'ftejfi.
Stntara, arab. Sidjter 295. 814. 315. 406.
407.
9tntar-9toman 405—408.
georg. ßatbolifo« u. Sidjter 262.
Hntuf, Sieb be« ßönig«, ägüptifd) 119.
«noari, perf. Eürifer 547. 548.
?tnoar=i*Surjaili, perf. Gfabelbud) 574.
Slpofalüpfe be« |L Oohanne« 149 — 151.
Slpofr^pben be« Worgenlanbe* 154—174.
Hpoftelbriefe 147. 148.
?lpoftelgefd)n! 146. 147.
9lrabe«fen in ßunft unb Siterahir 368.
Strabifdje JBibelüberfefcungen 412. 413.
«rabifdje ßtteratur 2tfl— 416.
«rbd.i.»irtff ^efjlcm^eltgionefcbnft 425.
437.
Hrbefd)ir Sabefan (ttrtad)fd)tr $äpafän)
Saffanibe 510—515.
Armenien, ©eftbidjtfdjreiber 246. — Site«
ratur 236-255. — Sage 237-289.
— 3eUung«U)efen 255.
Hrtfdjil III., georg. ftönig 265.
Slfabt, perf. SDidjter 447.
Slfapf), $falmenbid)ter 19.
Slfdjd fcatnbdn, arab. 3)id)ter 379.
«fd>ä, 3Jlaimün ibn äat«, arab. 2>id)ter
338. 339.
»fdjif, türf. Sinter unb 3«t)ftifer 589.
9lfd)raf .kii.ü:, afg^an. Siditcr 599.
Slsbfdbabi, perf. ®id)ter 447.
Hffji.fjafot, aus bem «üefla 432—435.
»«mai, arab. Sidbter 296. 309.
Slfitirien, gcfdjiditlicbc ftufoeidjnungen 65.
3lffi)rifd)'äg^ptifdje »riefe 58—62.
Sffürifdj'babütonifdje fronen 67— 69.
ftftronomie ber Söabülonier 85.
Slttär, 3ferib ub-btn, perf. aJlüftifer 558. 559.
»ufi, perf. ßitcraturrjiftorifer 442. 444.
558 577
tloerrboe«, arab. «pfjilofopb, 372. 377.
»öefta, altperf. 9teligion«bud) 424-435.
Jloicebron, f. ©abirol.
2loicenna, perf. ^tjilofopb, unb 2>id)ter
872. 374. 445.
Slüar SEänifd), f. '3üdr«35dnifd).
9l*raqi, perf. SDidjter 570.
©aber (S3dbur), Sultan, Selbftbiograpfjie
593.
JBabülon, 9lad)ridjten über beffen ftafl 66.
67. 420. 421.
33abülonifd)e Kultur 53-58.
3?abduni, perf. §iflorifer u. $idjter 574.
Batyteifun (ber 3küf)ling«garten) , perf.
3)id)tung 567.
Sabntan^dmeb,, perf. <£po« 534.
JBatjräm $fdjubineb(ifd)öbin), perf.Sagen»
fjelb au« ber 3* tt ber Saffaniben 526. 527.
53at)idm ©ür, perf. ftönig unb Sagentjelb
517—522. 540. 545. 600.
SaUatäni, perf. Siebter 548.
SBafafdja, neubebr. $id)tung«form 290.
©a!b,tidr«3ldraeb, perf. Ueberfefeung eine«
inbifdjen Vornan« 574.
SBäti, türf. 2)id)ter 589-592.
Salat, für. Sidjter 199.
93afami, perf. ©cfd)id)tfdireiber 568.
®änu'©ufdjüflp«?Rdineb, perf. gpoö 584.
Saraitba, talmub. 6ntfd)eibung 271.
Saramiani, georg. Sidjtung 265.
Saratafdjttnli, georg. Siebter 266.
Sarbefane«, für Siebter, @noftiterl69. 176.
Sarbebräu« (©regor «bü-'l gfarabfdj)
für.-arab. Jpiftorifer u. Siebter 213. 214.
Sarlaam unb 3ofapbat, ättjiopifd) 281.
©arfaumd, für. Sdjriftfteller, grüljrcr ber
Weflorianer 202. 208.
— für. ©djriftfteHer, Wonopbüftt 203.
Sarud), »potalüpfc 165.
— Sud) 165.
JBar3Ü.9ldmef), perf. <5po« 534.
Sauern, ©efajtcbte eine«, ägüpt. 6r$äf)Iung
131. 182.
*öäjib ($tr 9toff)än), afgban. TOüftifer 596.
SdvWdmeb (ba« SaHenbud)), türfifdj 589.
Scdjten, bie befeffene ^rinjeffin öon, ägüpt.
6rsäb,lung 133.
»ebiflün, bie altperf. 3nfd)riftcn Don 420.
422. 423
Seta, Stele be«, ögüptifd) 111. 112.
SJenu JpiOcI, ©efd)id)tebe«,arab.{Roman408.
Serüni, arab. Slftronom unb ^olübiftor
378. 874. 878.
2)ibel, CentralfteHung in ber Literatur 8.
— 3nfpiration 4. 5. — ?lbfaffung unb
Sprache 6. — Söeltbebeutung 7. 8. —
Beftbetifd)e Söor^üge 9. 10.
<Sirfe(l, ©., über ba« )pof)e(ieb 82.
2Jibii, perf. ßürtfer 575.
Siftöni, ^etru«, arab. Sdjriftfteller 414.
SBrüber, ©efd)id)te ber jtoei, ägüptifd) 129
bi« 131.
93uf)turi (Sodjtori) , arab. Siterator 295.
325. 386.
Söunbebcfd), perf. 9ieligion«fdjrift (^eb.Ieöi)
437.
Surton, R., über „Jaufenb unb eine
Radjl* 403.
93üftdn (ber 8rrud)tgarten), perf. 3)id)tung
! 562. 563.
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Scamenregifier.
615
2?miäH«t«Äf)at)äl (ber Srrudjtgarten ber
^bantafie), perf. Vornan 570.
Gbdtifi, Obrdbim, türf. £iftoriter 593.
ßbaniua, IRabbi 280.
Gbanfd (Somnbbir), arab. Stdjterin 319.
320. 328.
Gfjarifx, f>ebr. Sinter 2**8. 289.
(£f)ija ber ©rofje, 9la66i 275.
(Sbufu, ber Aönig unb bie 3auberer,
ägppt. 6r3ät)(ung 133.
(Stemeuä Don SUeranbrien über bie ber*
metiieben Sebriffen ber9legppter 109. 110.
(£obej ßomauicuö, uigurifep 588.
6t)rillona8, för. Siebter 200.
(Söruei in ber 5Bibel 421. 422.
$dirat al»ma'drif, arab. Gonoerfationö«
lertfon 414.
Samirt, arab. 3°°f°8e 374.
Saniel, ber v.Bropb,et 46. 47.
Saqtqi, perf. Siebter 444. 491-493.
Sara (Sdrd) im Sefjdbndme 500—503.
Sdrd €d)ifub, ©obn bed Sebäb Sfdjebdn,
per f. Sinter 575.
Sardb=9idmeb, perf. 9toman 568.
SdrapdouS (Marius) auf ben perf. 3»*
Grifte» 422. 423.
Saitfotfdjab, perf. Cttcraturfjiftorifer 442.
SaDib, JRönig unb ^falmift 13. 19. 22. 23.
— öon JBetb 9tabban. fpr. ©eograpb 211.
Saoibiani, georg. Sidjtung 266.
Sawitb, unb Gojlantintf, SBrucbftüef au«
ber georg. $eiügcntcgenbe 260. 261.
Seftdn, perf. 9toman 568.
Seuteronomium (5. Sud) üDlofeä) 13. 15.
Silariani, georg. Siefjtung 266.
Simafdjfi, arab. ©eograpb 374.
Sinlart, perf. 9Reltgion$fd)rift ($el)IeDi)
425. 437.
Sojp, 91. 91., über bie «Doefie ber
Slraber 393. 394.
Sfd&amali, perf. ßpifer 546.
Sfebdmi, perf. ßlaffifer 441. 566—567.
Sfd)arbfa>9tdmeb. (©eorgflbud)) 575.
Sfebcbdngir, Sagebud) 574.
Xia^eläl 9lfir, perf. Siebter 575.
Sfdjeldl ub«bin 9h'tmi, perf. Alaffirer 559.
560. 561.
Sfdjemfebib'Sage 464. 465.
2Jftt^emfcbibu.ll^üarfo^ib,perf.3)io5tung546.
£fcbibdngir--91dmeb, perf. @po« 534.
Sfdjutoaini, perf. £iftorifer 568.
©beb 3efu, fpr. Sid)ter 215—217.
Gcclefico: Söuef) 16. 32. 33.
eecleftafticuä, »udj 16. 35. 36.
Gbeffa, ßfjronif oon 213.
Cifenmenger, über ben Salmub 280.
eieajar ben Äalir, fjebr. 3)iö)ter 281. 282.
gliftfie, armen. §iftorifer 242.
©man, ^Bfalmenbidjter 19.
ephräm, ber fjl. , fpr. Sidjter unb Aireben'
öater 174—199.
©riftami, georg. Siebter 266.
6r «Diana«, firgif. 6agenf)elb 610.
6sbra«, SJud> 1 unb 2, 11. 15. 270.
— SBucfi, 3 unb 4, 157. 158.
6flf>er, 93ud> 11. 14. 15.
(ftfjan, ^fatmenbidjter 19.
Evangelium de nativitate Mariae 171.
— de infantia Salvatoris 171.
— Thoniae apostoli 171.
©robua (2. SBud) 2«ofe«) 12. 13. 15.
Gjeebiet, ber «Bropfjet 43—46.
gjnit, armen. ?lpologet 242.
Gjobi, Sofepf), bebr. Sidjter 290.
fträbf)U, perf. Siebter 546.
Saiji (Slbu-'l Ofaij, gfajjäsi), perf. Siebter
573.
Sfäräbi, arab. "Dfiilofopb 373.
lyarümurvWämeb, perf. 6po8 534.
^arajbaf, arab. Siebter 361. 380.
5arf)ang'i'5>fdjcb,angiri, perf. £erjton 574.
3farf)at, ©abriel, maronit. 6nbifd)of unb
arab. Sidjter 413. 414.
ftarrüfbi, perf. Sidjter 447.
ftaöli, türf. Siebter (©fil unb SBülbül) 589.
tfclfata ajlcirjäm, ätrjiop. gjtarienbicbtung
229.
Ofcrib ub-bin, f. Ättdr.
^eribün-Sagc 466 — 468.
Fetha Nagast, ött)top. 9tedjt8budj 235.
gfitjrift, flitdb al, arab. Sibliograpfue 375.
395. 396— 3i)s.
3irbüfi(5irbaufi), perf. Älafftler 441— 536.
Sirüj bin Äd'u8; 9)1oUü, perf. Sidjter 575.
5rumentiu8 unb 91ebefiu8 (9lbba ©ald«
md) 227.
| 3utüt>uä.@alätin, Perf. epo« 546.
©abirol , Samuel ben 3ebuba ibn , jüb.
«Pbüofopb unb 3>id)ter 284.
©abriel, für. «rat 211.
©abriel ftfjamfä, für. 2)idjter 215.
©dttjd, ^Pmnen im Stoefia 425.
©emara, Xt)eil be« Salmubö 272.
©enefiS (1. Sud) «Dlofe«) 11. 12. 15.
©eorg, »raberbifdjof. fpr. 2)td)ter 210.
- JBar f&öW-Wö, für. «rjt 211.
— SÜarbä, för. Sidjter 215.
©eorgifdje Spradje unb Siteratur256— 268.
öerid)aöp*9lümef>, perf. gpo« 533.
@f)dlib, Süft, türf. Sidjter 592.
©b^ant, perf. Siebter 575.
©tjajal (©ajel), arab.« perf. Sid)tung8»
form 442.
©bdjali, perf. Siebter 573.
©ilgamo« (©ilgamefd) = ©ifeöbubar =
Ojbubar), babtjlon. 6po$ 76—84.
©noftifefje «ieber, förifeb,c 168. 169.
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616
91amenregifter.
©örre«, 3ofe^f) über baa 6d>äbnäme
459—461.
©oeibe, 3. 2ö. ö., Sfouft unb 3ob 25;
über bas ^>or>eIteb 88 ; über be« Äorän
353; über £>äfi.} 565.
©onbtfä)äpür, ©tbule üon 210. 211.
©rigor Öufaiooritfcb, armen, ^atriardj unb
6(b,riftfteUer 240.
©rünbauni, über bie ftaggaba 279. 280.
©uliftan, perf. Sitzung 562.
©uramiani, georg. 2)idjtung 266.
©uramiS'SdjnuU, georg. Stüter 266.
4>aba ful, bcr <Propbet 50. 51.
§äbfa)i Äljalfa, arab. öiteraturbiftorifer
375.
$&fU, perf. ftlaffiter 461. 563-566.
2lbru, perf. ^>iftortfer 568.
fcaft Mailar, perf. 3>iä)tung b. Siijämi 540.
BOgaaba, Sljeil beö 2almubs 271. 278 bis
281.
£>afam, Äfjalif Don Gorbooa 371.
$aKm Äifä'i, perf. 5Dll)ftiIer 551.
— Sanä'i, perf. SDtuftifer 554.
$>alaä)a, gefefelidjer Iljeil bcö Salmubä
271. 278.
Spaleüi, f. 3cbuba.
$)amabäni. arab. ©eograpb 374.
ftamabäni, arab. 9)iafamcnbid)ter 386. 387.
fcamäfa, arab. ©cbicbtfammlung 295. 324.
325.
J^amb-aOal) ÜJluftaufi, perf. Sinter 546.
frammab, arab. Sinter u. Mediator 379.
fcamja al-^sfabänt, arab. £>iftorifer 374.
$>amja=9lämeb, perf. 9toman 569.
Ipäna ben (£f)ija, 9iabbi 275.
Harfner, Sieb beä, ägbptifd) 120.
£ariri, arab. sJJtaIamenbid)ter 3H7— 391.
ftarmoniuS, fpr. ©itoftifcr u. Stüter 176.
btom al=9tafd)ib, ÄljaUf 370.
$afan unb £mfain, perf. iöolfsfdjaufpiel
578-584.
Jpafan üon SJacra , mobammebanifdjer
Sdjlüärmer 549. 550.
©ofen, «oblicb auf ben, altaifd) 605. 606.
•V>afirtr Sdjeifb. perf. Sinter 575.
.ftaffan ibn Ibubit, arab. 2id)ter 319.
345-347. 349.
fcatifi, »bbuttäb,, perf. Siebter 546.
£ätim=2ä'i, perf. [Roman (Ciffab=i--£>ätim
Sft't) 569.
fcegcl, über bie *Pfalmcn 21.
Jpciler, 9iabbi ßipmau 290.
Öeuotb, Sud) 161—164.
Berber, ©ottfrieb ü., über für. Literatur
188. 189; über arab. Literatur 375. 376.
fccrmcttfcbc SJüd)er ber Slegüpter 109. 110.
o\WA, bcr SBabulonicr (Ilaz-zaqon) 274.
frtmmclfabrt OHofes', Npotrüpb 165.
$ir unb 9tanbfä)ä, perf.=inb. Grjäblung
547. 600.
$>ol)elieb, ba«, Salontone 16. 30—32.
£>onein ibn 3«'ä)äf, fü,r. Strjt u. ©eleljrtcr
212. 374.
•s.vuntii:. armen. Sidjter 254.
$)ümäü,un-9}ämeb, f. Äalilab.
©umbolbt, «. ü., über bie SHbcl 10.
$ufcin* Zob unb 9)tuä)tärö SRadje, arab.
9ioman 408—411.
fcufein aajä'ijul.ftaftbifi, perf. Siebter 570.
$>uglet), über bie SJibel 7.
Jöumnuä üon ber Seele, farifdj, gnoftifd)
168. 169.
Sfai, \t)t. Sdjriftfteller 201.
Jbn »bi Ufeibi'a, arab. ipiftorüer 374.
3bn 2ljä«, arab. Siebter 380.
3bn al Sltbjr, arab. ©eograpb 374.
3bn al JBaitbär, arab. JBotanifer 374.
3bn al #aitbam, arab. Slftronom 373.
3bn al SJloIaffa (JRujbeb), perf. «arab.
Uebcrfefeer 896. 448.
3bn al 9icfiS, arab. ÜJtebiciner 374.
3bn Säbfdja, arab. <Pbüofopb 373.
3bn 58arraq, arab. Sinter 296.
3bu JBatüta, arab. JReifebefdjrciber 374.
3bn Jöotlän, arab. 9)lebiciner 374.
3bn ßborbäbbeb, arab. ©eograpb 374.
3bn S)fd)ubair, arab. ^eifebefäjreiber 374.
3bn '^abljlän, arab. ©eograpb 374.
3bn ^abfajar, arab. JBiograpb 375.
;llbn fyavital, arab. ©eograpb 374.
Obu Abalbün, arab. @efö^id)tfd)reiber 374.
375. 877.
3bn ÄbaUiiän, arab. öiograpb 375. 891.
vibn Äuteiba, arab. ßritifer 303.
v>bn 9)täfair>ei|)i, f. Oobannä.
^bu 5JUofamcil)i , arab. ©efa^icbtfdjreibcr
374.
^bii mvCtaa, arab. 2iä)ter 382. 383.
3Jn SRofäjb, f. 2locrrl)oe«.
v^bn Sa'tb Don ©ranaba 399.
3bn Sinä, f. 2loicenna.
3bn 2ufeil, arab.-jüb. Wlofopb 373.
^rnäme, bie jteölf 578.
Omru-ul'flej«, arab. Siebter 295. 299— 305.
307. 327. 333.
3ubfä)tbfti)ean, Cucao, armen. 9lrd)äoIog
unb ©eograpb 254.
^nfa^riften, altperf. 419. 420. 422. 423.
oranifdje Jpelbenfage 42S. 429. 433—435.
462-488. 538 -535.
3faa! üon 3lntiod)ien, ft)r. Sajriftfleacr
200. 201.
Ofaias, bcr ^ropbet 37—41. 421. 422.
oöfenbiar»Sagc 493—497.
3l"l)tar, ©öüenfnbrt bcr, babQlon. ®id)tung
73—76.
^lenbcr^Jlämel) , perf. Sicbtung be« 9H.
jämi 540 — 542.
Israel oon 3tlföfa), neufor. Siebter 218.
^ftaebri, arab. ©eograpb 374.
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617
'3»)är-i-aäniW, perf. ftabelbud) 570.
33bubor, f. ©ilgamod.
3afob Surbe'änä, for. Sdjriftftellcr 203.
— öon Sarug, for. Siebter 204—208.
3afubi, arab. ©eograpb 374.
3afüt, arab. ©eograpb 374.
3ard)inai, «Dlar Samuel ben %bba ba=
K.-iivn 275.
3auftp Sfebembäni, neufor. Siebter 218.
3cbuba ben 3ed>e*fel, IRabbi 275.
— ben Solomon, f. SU G^arift.
— ben Samuel $>alebi, neubebt. Siebter
2g*j 289
3eh,uba Qattabofö, SRabbi 272.
Oeremiad, ber Sßropbet 41—43. 420. 421.
^ejbegerb (III.) , ber lefcie Saffanibe im
Sdjüljnüme 527— 529.
$egiutfi, JBueb 280.
3ob, Sucb 16. 24-80.
3oel, bct ^robbet 48. 49.
3obann Oou epbefuS, ft)r. £>iftortfer 213.
3obann Don OJloful, frjr. Siebter 215.
Sobannä ibn 9)täfan>cif)t, for. Slrjt 211.
374.
;Vif)annänOon5mämäna,neufor.Sicbter218.
3 o banne« Samaöcenud 3(59.
^oqanncä, ber euangelift 145. 146. 149
bt* 151.
3oloi, firgif. Sagenfjelb 610.
v\ona<$, ber ^ropljet 50.
Hoppes Ginnafjme burdj Sfjutii, äghpt.
(Frjäfjluug 134.
3ofepf)ö, bed 3i"»n«mannd , ©efdjtebte.
3lpofrüpb 172. 173.
— ben Gfjija, ftabbt 275.
3ofue, JBueb 10.
Jubiläen, 9Jueb ber, WpofrbPb 164.
Subitb, 93u* II. 14. 15.
Suffuf unb SulcWja (?)üfuf unb 3alif^ä),
georg. Siebtung 206; im ftorän 358
biü 360; perf. Siebtung Srtrbüii« 456.
457. 543. 544; perf. Kornau 570; perf.
2a'3ieb 579.
flö'ab ibn Slfa^raf, arab. Siebter 345.
— ibn 3uf)ejr, arab. Siebter 347-349.
Aa'äni, f. Da'äni.
ftabbala 280.
Äab ibn SJtdlii, arab. Siebter 349.
Gabariten, mobammeban. Sccte 369.
flalilag toa Samnag (Äalilol) roa Simuar)),
für. Bearbeitung bed «Pantftbatantra 313;
arab. 296; $elj(eDi 438; neuperf. 570.
578; türfifebe 592.
ftalir, f. eieajar.
fialoa, flooeneo, armen. Sramatifer 255.
ftamnip unb ßämlatä, inb.»perf. erjäblung
ftara.«irgifen , Süotfepoeüe ber 604. 607.
610.
flartjmbäb, afgban. ßorän=6rfI5rer 595.
ftaffibe, arab. -perf. Siebtungdform 303.
304. 829. 862. 442.
ftäjtm Äbo» (Stbaiba), afgban. Sinter 599.
ftajroini, arab. 3oolog 374.
Kebra-Nagast, ätbiop. Stjronit 234.
Äeifta'uS, iran.Sagenfönig 429. 472—474.
Äei AboSru, iran. Sagenfönig 429. 435.
478-487.
Äeilinfebriften, affor.=baböIon. 55—58.
- altperf. 419. 420. 422. 428.
— armen. 236.
ßeroba, bebr. SicbtungSfonn 283.
Äcörä ftüfebirnmn (ßboärocÄ L ber ©e«
redete) im Stbäbnäme 522—526.
•ftettjer «öklfutb, , neubebr. Siebtung 284.
ftbajjämi, arab. «Dtatbematifer 378.
ßfjair al=»aöän, afgban. SRcligionflfebrift
595.
Äbüfani, perf. ^»ofbicr>tet 548.
«balifen, Siteratur int Steide ber 366— 394.
Äf)orba«9lt.efta 425.
Äbo*ni.^on>ia (Sbo^roc« II.) im Sebö>
mime 526. 527.
&bubüi»9lämeb , ^ebleöi«ftönigsbu(b 439.
tfbufcbbäl Äban, afgban. Siebter 596—599.
ftfjudrau unb Sdnrin, perf. Sicbtungen
539. 545.
Atjtoäbfcbü flirmäni, perf. ©pifer 546.
fttjmäbfebab SOiobammeb SBangafd), afgban.
Siebter 596.
ßfjmäubamir, perf. Jpiftorifer 568.
ftima)i, SRabbi 3ofeph, 289.
ßinbi, arab. $b,il°fobb u. ^olöbiftor 372.
873.
tfiffat (Ciffab)-al.3ir, Slrab. SRoman 408.
fiitäb»al Slgbani (Shtdj ber ©efänge) 295.
384.
Aitab.USoma! '3när, perf Vornan 568.
569.
Jftönige. Jöücr)er ber 11. 13. 16.
Jioptifcbe Literatur 220—225.
«orön 339—366.
ftürdn.2ßiffenfcbaft 368.
ftoriun, armen. ©ef$id)tfd)reiber 242.
ßubatfu Silif, alttürÜfdjeÄ Uöerf 588.
«urbifa)e Sinter 601.
ßurtabi, arab. .^iftorüer 399.
ftuß (Dub), arab. JBifcbof unb Siebter
ßutb=ub=3)in, afgban. ©rjählung 600.
fiutubi, arab. äJtograpb 375.
»agarbe, über altarab. ^oefte 326. 327.
ßailä unb Dlebfa^nün (DJtabfcbnün), arab.«
perf. Sicbtung 539. 545.
Sämi'i, türf. Siebter 589.
fiajaruö P. ^tjnrp, armen, ©efcbicbticbrciber
242
Scbib/ arab. Siebter 810. 311. 339. 361.
üeila, türf. Siegerin 592.
618
9tamenrcgifter.
fieötticu« (3. JBud) ÜDlofed) 13.
Öofmän, orob. 5obclbirf)tcr 395.
Soictfj, über b,ebr. ^oefie 17.
Sucqs, ber eoattgelift 143. 144. 146. 147.
3Wadjabäer, 2)ud) 1 unb 2, IL 15.
— 8ud) 3 unb 4, Slpofrppb, 161.
gjiadjbumfuii, tftrf. 3>td)ter 602. 603.
ÜJtadjfi, perf. 2id)tcrin 575.
lütadjjan ul ^oldrn, afgban. JReligionS-
fdjrift 595.
— ul--31fl.tär( perf. Sid)tung be3 vJlt^dmi 539.
9Jlabl)umälnt unb ÜJlanobar, inb.«perf. ör«
jäljlung 547.
SHabfrfjnün, f. fiaild.
Sttaljdbbdrata, perf. lleberfefeung 574.
ÜHafjmüb Don ©bajna 446—457.
«Olatfort, arab. Jguftorifev 375. 399.
ajtafrijt, arab. §iftorifer 375. 399.
SOlaladjiad, ber ^ropfjet 52.
SJta'mun, Ar)alif 370. 371.
«Dtanaffeö, ©ebet bcd flönigä 157.
3Hanbafuni, armen, §omilet 242.
9)tanfür, Atjaltf 370.
SDlantiMlttair, f. SUogelgefprädje.
mät 2lbfid, ft»r. Aattiolifod 211.
2Harcuö, ber ßDangclift 143.
üttarbuf unb Xidmat, babtjlon. ßoömo=
gonie 69—73.
Mariae, de dorniitione, 9lpofrt)pl) 172.
9)tafüb, fr»r. Siebter 215.
«DtattinaDi'iaJlQ'naüi, tyauptmerf beö$fd)e«
läl ub=bin 5Rümi 560.
SDlattbäua, ber (goangcUft 142. 143.
«Dlauofcct, atbiop. 9lntipf)onar 230.
SDlcdjitar ©ofd), armen. TJfabelbidjter 252.
IDtecbitar unb bte 9Hed)itariften 253. 254.
«Dleifuna, arab. Sidjterin 379. 3*0.
OJlefor ßbajim, üöerf be$ 3bn ©abirol 284.
3Jiempf)itifd)e Ueberfcjjungen bibl. Sänf-
ten 221.
SJteSrop, ber f)l., armen. ScbriftficUer 239.
240.
a3letf)netJi, f. «Dlatfuiam.
5ületrir, fjebräifcbe 17. 18.
aUidjäaS, ber $ropf)et 50.
mü)x unb 9itgdr, perf. 3)id)tuug 546.
ajliürbitfd) (Stgrbitfd)) al-Äafifj , arab.
2>id)ter 414.
3)}inuffinifdje Satarcn, 93oItäfage 607.
2ttimttid)ihn, perf. 3>id)ter 447.
ajltr 81i Sdnr, türt. ©djriftftelicr 588.
9ttir!f)onb, perf. fciftortfcr 568.
*Dlir SDtohammeb laqi, perf. Siebter 570.
3)tir3ä §aibar, perf. $iftorifer 593.
SDlirjd ftt)än, afgfjan. Sicfjter 596.
mi)<f)tia, Seftanbtfinl bei SalmubS 271.
272.
SDloaltafat, arab. Sidjtungen 295—315.
SDtofjdbardt ul-9lbrär, arab. 9C0erf 335.
2Jlof)alhJl (SJhtfjalf)»), arab. Siebter 296.
«Dlobammeb 295. 310. 311. 315. 835 bid
337. 339—366. 369. 440.
Wobammcb ftetii Seirdn, farb. Sictjter 601.
— ibn SJiufd Ät)todrtämi , arab. 9Ratb*=
matifer 373.
"AK oiil unb bas Sdjdbndme 459 — 461.
*Dlorbfduten , mofjammeban. ©ecten 369.
SDlofe«, ber ©efefegeber 10—13. 15. 19.
*Dlofcö Don ß()orene, armen. Sdjriftfteller
239. 242-245. 438. 439.
5)lofilim ibn Söalib, arab. Siebter 382.
Sttotanabbi, arab. Jpofbidjter 362. 883
884. 386. 447.
Dttotelammiö (Sfcberir), arab. 2>id)ter 307.
3)lu'bfd)tiät4.a>lüfat>if perf. 9loman 570.
«Müller IL, über fcdfij 565.
SJlubftn Sfäni. perf. Siebter 575.
ÜJhi'in al--miöfin, ©djeiff), perf. 9ioman=
fdjreiber 570.
SDhifabbafi, arab. ©eograpb, 874.
DHula 3ld)mcb, furb. Siebter 601.
»abtgfja (Stjobidni), arab. Sid&ter 316 biä
320. 327.
WabonibuS, 3nfef)riftcn bes ÄönigS 58. 66.
67. 421.
v3tad)fdjabi, Stjä-ub-bin, perf. Sidjter 570.
9lübum, ber $ropt)et 50.
9tüima, türf. ©cfd)id)tfd)retber 593.
9ldl unb 3)amananti, perf. Ueberfe^ung 573.
9tarfdi (Warfes), fbr. S)td)ter 208. 209.
Wafimi, türt. SOlüftifer 589.
9täfir Stli, perf. 3)id)ter 575.
9tdfir bin Ät)u8rau, perf. Sid)ter 557. 558.
ftaor eb-bin (ßatdif»i.6bobfd)a) , türf.
2)idjter 592.
Dtaffif al=3d3ibfd)i , arab. $id)ter 414.
9latb,an ber Sabölonter, Stabbi 274.
5latoaroi«, arab. ^üftonfer 375.
3ief)emiad 270.
9lerfed IV. fllajefei („gdjnorbali*'), armen.
25id)ter 250—252.
fteueä leftament, (Sb^arafteriftif 151 — 154.
Skuperf. ßiteratur 441—584.
Nijämt, perf. filaffiler 441. 539-542.
9lölbefe, über ben flordn 352. 357. 858.
turnen (4. ®ud) üttofes) 13. 15.
Cmaiani, georg. 2>icbtung 265.
Omar bin ßbaoodm, perf. Stdjter 556. 557.
- ibn aUSÖarbi, arab. ©eograpt) 374.
Orbeliani, ©regor, georg. 2id)ter 257.
258. 267. 268.
Organona Marjam , ötbiop. SUtarienlieber
! 229.
Crigcntf, über bad ^o6eücb 31 ; über bie
«pofrüpben 156. 157.
Ofdjaia, 9tabbi 280.
Cfdjana, tjebr. ©ebidjtform 283.
Cfee, ber ^ropfjet 48.
Cfirid-Älage, ägöptifdj 116—119.
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jcamcnregiucr.
619
♦JJabmöuat, iub.'perf. CErjäfilung 547.
$anbfd& ©anbfcfc, bie fünf JEÖerfe be* M-
jami 540.
Vamm unb Sifi, inb.»perf. 6rjäf)lung 547.
^apageienbud), perftfdj 571. 572; türfifd)
592.
^apijruS griffe, f. $taf).f)otep.
^aralipomena, SJücfjer 11. 18.
^paraQeliSmuä in bet altfjebr. ^Joefie 17.
^atfanian, 9t, armen. Sd&riftfteüer 254.
^aul bet «Pcrfer, für. €t$riftfteller 211.
0aulu$, »riefe be« 1)1. MpoftelS 148. 149.
$ehleüt.6pra#c unb -l'iteratur 436-439.
^erftf^e Literatur 417-584.
Herten) ^afc^a, türt. Stüter 592.
4JJetre, georg. Ueberfefoer 262.
?Petrifei 3oone, georg. 3>ict)tet 262.
*Pf>t)ftotoQu8, ütimuuicii 232.
$ijjut, hebr. Etdjtungäform 283. 284.
Spir«i»9iaubf)an, f. ©äjib.
jtftil Sopfjia, foptifdj 223. 224.
9)rinj, ber v>ernmnfdf)ene, ägtypt. (Srjötjfung
132.
*Probnö (*Pröbb,ä), för. gdjriftfteü'er 211.
^ropfteten Israel«, bie 86-53. — $ie »ier
großen 86 — 47. — Ü)ie f leinen 47—53.
^rotoeoangelium beS h,t. ^aeobuö b.
Hpofrtopb, 170.
0 alm 151, «pofrnpl) 158.
S alaten, bas Sud) ber 16. 19—24.
y almen Salomonä, "Jlpofrtjpt) 158—161.
0 eubo-<matt$äu3er«angelium 171.
^tafj-fiotep, Sprühe ber Ibas ältefte <öud))
112.
^ufajtu, Spraye 594. 595.
Cä'äni (£abib*ufläf) el.gforfi), perf $id)ter
576. 577.
Caffibafj, f. Äaffibe.
CiffalHs9lmir §am$a, f. §amja«9lämel).
— =i-S(^äf|»i»5Dlarbön 2Ui, perf. ©rjafjlung
569.
Cit'a, perf. 2)idjtung«form 444.
Cun, f. ftuß.
»ab, Diabbi 275.
9tabba ben Wadjmani, ftabbi 275.
Mabbinen 273.
ftabbütä«, för. flirdjenfd)riftfteller 200.
ftabgfjuji, türf. $id)ter 68a
föabia , mo^ammebanifcfie Sdjmärmerin
549. 560.
Slabloff , Ororfdjungen über bie türfifcr)cn
Stämme ©übfibmenS 607 — 611.
Sldmättana, perf. Ueberfefcung 574.
ftamfeö-i'teb, ägöptifa) 122—126.
»ä* al-öfnil, arab. 9toman 408.
9tebäb.9tämcf) 5S8.
Mebfdje« (fRabfcfjaj), arab. 33er8art329.362.
9tl>ampfinit , ber 8d)ofe be$, ägüpt. @r«
jäljlung 186.
flttdjter, Euch ber 11. 13. 15. 16.
9ti}ä fluli'fhöu, perf. Citeraturfuftorirer
442. 577.
SRofiamiani, georg. Sichtung 265.
SHtfd^euli, georg. a>id)ter 267.
9tuba t, perf. Sinngebirijt 442.
Siübagt, perf. 3)idjter 441. 445.
JRücfert, über arab. ^oefie nebft lieber-
iefeung«proben 305. 807. 811—313. 817
bii 319. 821—324. 826; Sefiäfmämc*
lleberfehung 460. 461.
9lüffjanä'i'9Mmefj, perf. Cefjrgebicbt 558.
9hiftaiüeli,Sd)Dtta,georg.$ic§tcr2H2— 265.
«a'abjab,, fflabbi , arab. JBibelüberfefeer
412.
Saalföüü, über bie «Poefie ber JBibel 9. 10.
Sabä (fatt) mWn Ääföi), perf. & pifer 575.
Sahara, {Rabbi 289.
Sabafef) bin ?lbVl fläfim «(fjiräjt, perf.
9tomanfd)reiber 568.
Sabe, Sdjeity, türf. lleberfefeer 592.
Sab eb-bin, türf. §iftorifer 593.
Sa'bi, perf. Alaffifer 441. 562. 563.
Saffariben 444.
Safiaf Ofaaf ber Große), armen. Äatfjo*
lifo« 240.
Saljibifdje Ueberfcfeung bibl. Schriften 221.
Saig, ftifolaus, arab. 3>id)ter 4!4.
Sajjtb JBattbäl, ofttürf. 58olt«roman 592.
Salhani, P. 91., S. J., über „Saufenb unb
eine 9tad)t" 405.
Salomo. ftönig 13. 14. 19. 20. 30—34.
— bie adjtjenn «Pfalmen 158-162.
— unb bie Königin uon Sabä im florän
360. 361.
Samaniben 443 — 445.
Säm«Mümef), perf. GpoS 533. 534.
Samo^uli, georg. öumnar 262.
oaffaniben 436—439. 509-530.
Satni, f. Setna.
Sauäfeb, ütf)iop. ©loffar 227.
Scb^acf, 2fr. ü., über ben florän 354 ; über
bie fpan.-arab. ^oefte 892; Sc6ub,nüme»
llcberfebung 459—461.
S(f)äV»Iam (^iftub), perf. $i$ter 575.
Sc^ä^anfcl)äb,«9lämcb, , perf. 9teimdjronit
546.
Scbäf) fath «lüSdbdh, (flhäfan), perf. Scfjäb,
unb 2icf)ter 575.
Srfjäfjnäme, perf. ülationalepoi 448—532.
Sdmfjraftäni, arab. ^»iftorifer 371.
Sa^dl) Samäöp, türf. ^iftortfer 593.
Scfjammai, 9tabbi 274.
Scfianfara, arab. Sinter 296. 320—824.
Scfjtipitr $f)u'l Httäf im Sa^äfjnäme 515
biä 517.
Sd)araf»ub«bin 3a,jbi, perf. ^)iftori!er 568.
Scfjarafan, ber, armen. \-)ömnenbu(b 247
biö 250.
Sch.amtel, Äbbul SKcffia, georg. 3>icf>ter 265.
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620
9laincnregifter.
Sdjcibaniabe, alttürt. SÖerf 583.
Sd)t'a unb Schiiten 369. 572.
Sd)ibata, neuf)ebr. 2)idjtungäform 283.
Sdjiffbrüdjige, ber, ägppt. drjäfylung 128.
Sdjnorfjali, f. WerfeS IV.
Sdjriftarten, arabifdje 868.
Selidja, liebr. $id)tungäform 281.
.SenSksär, ätfjiop. Jpeiligenlegenbe 228.
Sergiuä Don «Raf ain, für. Sd)riftfteller211.
Setna, ©efd) idjte be$, ägüpt. (fr^it)Imiq
134. 135.
Scücruö SeböfbJ, für. Sdjriftfiefler 211.
Siebenfdjläfer, ätbjop. Segenbe 231.
Sijamufa>epifobc im Sd)äf)näme 476 bis
478.
Si!anber»9tämelj, per f. Stoman 568.
Simeon, bec fjl., bet Stülite, unb bie
Slrabcr 330. 331.
Sinbbän unb bie fiebeu roeifen 9)lcifter,
fürifd) 213; perftfd) 570. 571.
©ingbäfan SBottifi, inb. @rjäb,lungen, per*
fiid) überfcjjt 574.
Sinfiuit, Abenteuer be«, dgüpt. ©rjä^lung
127. 128.
Sinutf)io$, ?lbba (Sdjnubi) 222.
Sotmr, S9ud), fjebräifd) 280.
Sob,rdb*(?pifobe im Sdjdljnüme 475. 476.
Somalian, ©utian, ?lbt, armen. Literatur*
fjiftorifer 251.
Sopfjeriut 270. 271.
Sop^oniaö, bcr ^Jropbet 51.
Spridnuörter, Söud) ber 33. 34.
Siinbflutl)berid)t, ber babülon. 33. 34.
SüfidmuS, perf. SDlüftil 548—560.
Sujitti, arab. $iflorifer 375.
Sunbufianä, armen. SdjriftftcHer 255.
Sufen=9ldmef), perf. Epopöe 534.
ia'abbata ©djarran, arab. Üidjtcr 324.
2abari, arab. £>iftortier 374. 510. 568.
2alib, perf. Sidjter 574.
2almub 268— 282; babölon. 272; rjicro--
folümitan. 272.
2anajjim 271. 272.
2arafa, arab. 5>id)tcr 295. 305—307. 327.
3:a'rilr)=i=9llfi, perf. (Sefd)id)t8toerI 574.
Saufenb unb eine 9tad)t 394. 397 —405. 600.
Soviel), perf. Stolföfdjaufpiel 577— 5*4.
Seifäfdji. arab. 53lineralog 374.
2cleutifd)ed ©dmmanengcbct 6U4. 605.
^cll-el^lmarna, bie 3kief=2abletd 5S-65.
2cftamente ber ,ut»ölf ^atriardjcn 165.
Sbamar, Königin Hon ©eorgien 259. 262
bis 268.
2f)cimura3 I., gcorg. £id)ter 262.
2ljcoboret, über bie 3iraber 331.
2igrina=Spridjn>örier 235.
2imur, SKemoiren bcö, türfifdj 593.
2imür«9ldmefj, perf. ßpopöe 446.
2obia$, Sud) 11. 14. 15.
SEobtenbud) ber Äegüpter 86—108.
Sömdrbud), baS ätfjiop. „SBrtefbudj" 231.
Sorna ©inbfdjäri, neufür. 2)id)ier 218.
Sriabon, lopt. ©ebidjt 224.
Sfdjagataifdje (ofttürfifdje) Spraye 588.
lidjafruljabfe, georg. 5>idjter 265.
Sfdurmtfcbean , amdjael, armen. ©cr)rift=
fteüer 254.
Sfdjelebi, fcafan.türt . ©djnftflellcr 589.590.
Sfereteli, «lafi, georg. Sidjter 265. 266.
Sufi, 9tapb,ael, !opt. ©elebrter 225.
Süti.Wdmeb, (^apageienbudj), perftfd) 571.
572; türtifd) 592.
ttigurifdje Sprache unb ©djrift 587. 588.
'Uncuri, perf 35id)ter 447. 448. 536.
Urfi, perf. 5>id)ter 573.
»enbibab 425. 431.
syispereb 425. 430.
äJogelgefprädje (9)lantiMlttair), perf.£ebj=
gebtdjt 559.
Söabbaf), arab. 3)id)ter 879.
Söaccaf, perf. $iftori!er 568.
Üöaqmi, perf. £>ofbid)ter 575.
SBAmil unb 9l$rd (9lbf)rd), perf. 6popöe
536. 545; türfifd) 589.
2Sartan berSrofce, armen. 3fabelbid)ter 252.
Sjßattuät, ftafdnb, perf. 2>id)ter 548.
Weildäsfc Mftrj&m, atf)iop. attarien.Cfficium
229. 230.
aBeil, über „Saufenb unb eine 9tad)t"
399. 400.
2Beiölicitr Sud) ber 16. 34. 35.
28cllf)aufen, über altarab. $oefie 327. 328.
5öepd)i& ifaoffani, georg. 6poS 262 bi$
265.
SBiöramiani, gcorg. (üpopöe 265.
5ÜM« unb Dtdmin, perf. ßpopöe 535—539;
türfifd) 589.
$)acna, 2f>cil be^ ?Ioefia 425.
f)agmA Sfdjanbaü, türt. 3)id)ter 577.
3ad)ariaä, ber ^ropfjet 52.
— Dtfjetor, för. Sd)riftfteÜer 213.
3afar=9tomef), perf. 9leimd)ronif 546.
.Sagarctti, 3t., georg. 3)ramatifer 267.
^aljir Srärjübi, perf. 2!id)tcr 548.
3aratb,ufd)tra (3erbufd)t) 425. 429. 492.
3at=al=^>emmeb/, arab. tüomau 408.
3of)df«Sage, iranifdje 464—467.
3ol)rab, armen, ©djriftfleßer 254.
3u()ejr (Subair), arab. ®id)ter 295. 311
bis 813. 339.
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Bit« ben Urteilen Der treffe über bos wliegenbe Sßerf.
„. . . 2cv 9kme beS JöerfafferS ift wie faum ein anberer geeignet, Jöertraucn
ju erweden. ©r hat groben feines JlönnenS in jahlreidjen , fein beutiges $auptwerf
oorbereitenben ßinjclftubien geliefert, bie feI6ft ben Gegnern 9ld)tung unb 81ner-
fennung abgewannen. Sieben einem überaus weiten SJlid über baS ©anje fleht thnt
ein ungemein fdjarfeS tluge für baS ©inline ju ©ebote ; eine über bie oerfd) iebenften
Sprachfamilien fid) erftredenbe ßtnguiftil Bereinigt fid) bei ifjm mit ftaunenfiwerther
Söelefenheit ; eigene biehterifdje Anlage unb fünftlerifche SDarfteßungsgabe befähigen
ihn, baS Schöne überaß ju erfennen unb unüerfälfdjt wieberjugeben. . . .
„Schon biefe erfte Lieferung beS auf fed)« SJdnbe beregneten SBerteS jeigt uns
beutlid) bie 9luffaffungS* unb 3)arfteÜungSWeife Baumgartners. sJhid) einem begeiftert
unb geifiDott gefdjriebenen erften flapitel über S3ibel unb ffißeltliteratur (1—10), i«
welchem bie ^eilige Schrift uns in ber $oppeIeigenfd)aft ber göttlichen CffenbarungS«
urfunbe unb eines oorbüblieben ibealen SitcraturbenfmalS mit it/rer (Einwirfung auf
bie meiften ßiteraturen beS ©rblretfeS gefdjilbert wirb, geht ber SJerfaffer an bie
SBefpredjung ber oerfdjiebenen ßiteraturgattungen beS »Iten Xeflamente« fetbft: bie
gefd)td)ttid)en Südjer f 10 — 16). bie Dichtungen (16— 36), Israels Propheten (36—53).
äüätjrenb er fid> bei Den gefd)id)tlid)en Büchern mit einem furjen Ueberblid unb einer
begeifterten (Srjaralteriftif begnügen fann. tritt in bem folgenben Kapitel fehon bie
(fiujclbetjanblung ber Dietlingen in ben Borbergrunb unb werben uns bejeiduienbc
. groben in ausgewählter Ueberfefoung geboten. 8tm meiften wirb bie Befpredjung
ber ^falmen unb beS Buddes $ob gefallen. Sud) bie «Propheten Werben einjeln oor-
geführt , turj aber treffenb gefennjetd)net unb groben itjrer Schriften mitgeteilt.
Sine fel)r reiche Siteraturangabe bringen jebeSmal bie Hnmerlungen.
„9Jcit Seite 53 beginnt baS fünfte flapitel : Babülonifehe unb afförifdje Sd)rift»
benfmäler, baS mit Seite 80, ber legten biefer Lieferung, nod) nid)t abgefd)loffen ift.
CS berjanbelt bis jefet in fteben Paragraphen bie Spradjenfrage , bie wif etifdjaftlid),
gefdjäftlid) unb rituell intereffanten Fragmente ber S^ontafeln, bie Brief- unb
$>t)tmunfragmeute unb bann bie erften (Epen (SDlarbuf unb £iämat; bie Höllenfahrt
ber 3ff)tar; baS ©ÜgamoS-SpoS mit feiner ^odjintereffanten ©teile über bie Sünb-
ftuth). 8Iud) ^ier fteht Baumgartner mieber auf ber £öhe ber neueren toiffenfdmft-
liehen tjrorfcbungen, beren ©rgebnifc er ju einem abgerunbeten ßiteraturbilb jufammen«
fteQt, fo weit bieS bis jefet bei ben nod) überall tlaffenben Süden möglich ift. ftur3,
biefe erfte Lieferung tann uns nur bas befle Jöertrauen einflö&en, bafc ber Berfaffer
baö üon ihm entworfene Programm auch fat&gemäfc jur SluSfübrung bringen wirb."
(ÄBlniffle fflolfSjfitung. 1897. Hr. 276.)
„(Jtne ©efdjidjte ber BMtliteratur hat es mit bem geifiigen t'eben ber 9Jlenfa>
heit 311 thun. 3m ©eiftesleben ber Böller ifl aber baS tiefgreifenbfte SÖloment bie
{Religion, unb jwar bie eine, wahre, göttlid) geoffenbarte SReltgion, welcher wir oor
allem ßultur unb ©efittung berbanfen. 3)a8 religiöfe Moment barf batjer fo wenig
bei einer Uuiuerfalgefdjidjie ber Literatur jurüdtreten, bafc ihm tuclmchr eine centrale
unb beherrfdjenbe Stellung in berfelben gebührt. ©0 fafct Saumgartner bie Stellung
ber Sieligion jur 8iteraturgefd)id)te auf, unb in biefer »ejiehung bürfte fein Berf
oor allem ein epod)emad)enbeS werben.
„©leid) im erften Safce weift Saumgartner ber Jöibet bie ihr gebührenbe centrale
Stellung in ber SBeltlileratur an. Cr tritt bamit ber mobernen 3lnfdjauung gegen-
xibex, wonach bie Bibel ein 93ud) fei wie alle anbern. 2tefe nicht nur 0011 beu
meiften neuern ßiteraturhiftorifern, fonbern aud) oon ben fogenannten frtttfcf)eri St)eologen
allgemein oertretene ?lnfd)auung ift aber nidjt nur eine theologifche flefcerei, fonbern
aud) oom literarifchen unb gefd)id)tlid)en Stanbpunft aus eine unuerjeihtidje ©in>
feitigfeit unb 58efd)rönftheit, wie fetjr Re auch ben Schein ber Unioerfalität für ftd)
in Stnfprud) nehmen mag. . . .
„35ie oorliegenbe erpe Steferung bringt ^unödjft bie altteflamentliche ßiteratur
jum äbfd)lu§. Sie bietet uns eine jwar furje, aber äu&erft feine unb geiftüoÜe
literarifd)e SÖürbigung ber gefd)td)tlid)en, bibactifdjen unb prophetifdjen fiiteratur beS
Gilten SBunbeS, welche burch bie ■ ihi v c \A) eingeftreuteu groben zugleich ju einer hödjft
anregenben unb intereffanten Seetüre fid) geftaltet.*
(Dr. Hnbreal 93rüII in ^litttrSborf in ber „ülUflfufdjaftr. Sfiraac jur ©trmania*.
»trlin 1897. Dir. 2ö.)
„. . . S)aS SDÖert ift ein im hödjften ©rabe jeitgemä&e3 unb oielerfehnteS Unter«
nehmen, benn baS ©ebiet ber SBeltliteratur fd)ien bis in bie jüngfle 3«it immer nod)
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ein Ofelb ju fein, baö nur für bie 3been beä mobemcn 3*itgfifl<ä, für bie Sheorien be«
ßibeTaliflmufl unb Unglaubens fruchtbar gemacfjt werben fönnte. Seit etroa 20 3atjren
ift ber 3efuit SUejanber Baumgartner mit grofcem ©efebief, grünblichftcr
©achlenntntfj unb Belefenfjett an bie literären (Erjeugniffe ntcr)t nur be« beutf<f)en,
fonbern auch frember Bölfer gegangen, unb jwar mit bem erfolge, ba& ihm auch
@egner ihre Slnerfennung , ja Bemunberung nicht oerfagen tonnten. B3ir erinnern
nur an oen grofjcn Beifall, ben in nichtfatholifeben wie fatbolifdjcn ftacb^eitfebriften
unb Seitungen Baumgartner« lebte literaturgefcbidjtlicbe ©tubie über ,®a« JRfimfthana
unb bie Mama» Literatur ber 3nber* gefunben not, wooon bie .©cblef. BolfSjettung'
feinerjeit mehrfach SOtittheilung gemalt. 3)icfe heröorragenbe Arbeit rote bie bieten
anbern oorau«gehenben Über ßeffing, ®oetr)e , Spider, ßongfetlom , 3ouft Dan ben
SUonbel , ßalberon, foioie feine ©tubien über bie norbifeben Holter laffen ben 33er*
faffer rote Wenig anbere geeignet erfebeinen, ba« oben angelünbigte SBerl 3U einem
glüdlicben 6nbe ju ffltjren. . . ." &<bum< ©oiMjeitung. »miau 1897. 9ir. 153.)
Vi.tmc Baumgartner genügt, um bem IRiefenunternehmen Don norn«
herein ein Renommee ju geben, welche« bureb leinerlei ßobhubeleien erfejjt werben
fann. Unb wer wäre aueb competenter, Wer Wäre befähigter unb würbiger für bie
ßöfung einer fo umfaffenben Aufgabe al« gerabe Baumgartner, ber feinfinnige Kenner
ber ßiteratur, ber auf allen ©ebieten weit ausgreifenbe ©eift, ber bem ^ßuUfcblag be«
fiiteraturleben« ber Böller ftet« nacbfüblenbe , ihn congenial auffaffenbe Boet! SEBir
befifcen üon Baumgartner bereit« eine SReifje Don 3Jconograpt)ten, ©tubien unb 2Berlen
jur ßiteraturgefebichte, bit felbft in ben «reifen ber ©egner fatholifeber Söiffenfcbaft
bie größte Hochachtung gefunben haben. SDßir jweifeln nicht baran , ba& au* biefe«
BJerf, ba« etne fflhjlbare fiücfe au«aufüflen berufen ift, atlerfeits berjenigen Hochachtung
unb 2Bertf)fcbäfcung begegnet, welche ben grjeugniffen eine« ©elehrten 00m föange
Baumgortner« attlommt.' (»u$mnarft. Srtftib 1897. »r. 4.)
„P. Slleranber Baumgartner bat in feiner auf fecb« Bänbe berechneten, großartig
angefegten ©efchichte ber Söeltliteratur einleitenb auch bie Bibel in« Sluge gefaßt, wobei
er aUerbing« ben Ganon ^eiliger ©Triften, wie bie Katholifen ihn baben. feiner
Betrachtung ju ©runbe legt, ©ie ift ihm felbfloerftänblicb in erfter ßinie ba« Buch be«
Heile«, bann fafet er aber auch irjre äfthettfehett Borjüge in« Stuge. €« ift nicht ohne
Ontereffe, ju hören, wie biefer feingebilbete", geiftootle ©cbrtftftcller bie Bibel literatur«
hittorifcl) bcurthcilt. junäcbft ba« Sllte 2ef!ament. 9lucb in biefer £>tnficf)t ift ihn bie
Bibel ba« merfwürbigfte Buch ber gefamtett Söeltliteratur." (folgen längere Su«jüge.)
\ Cf t>angftifd)f8 "Jj.'ocbf nblatt. tjflritty 1897. 9lr. 21.)
„$er fatholifebe ßiterathiftoriler Hleranber Baumgartner, flWitglieb ber ©cfeQ»
fthaft 3efu, Derfügt über ein reiche« unb umfaffenbe« Sffliffen, ba« er ftch in ben
3efuitencotIegien unb auf Unioerfitäicn in Seutfchlanb, (Snglanb, ©cfnoeben unb auf
weiten SReifen erworben, unb ba« er bereit« in zahlreichen Schriften Derwerthet hat. . . .
$a& Don latl)olifcher Seite ber Bcrfueb unternommen wirb, ,in allgemein Derftänb-
lieber, anjiehenber $oxm eine ausführlichere Sarftellung ber gefamten SEßeltliteratur
311 geben', ift mit ftreuben ju begrüßen alö eine Bertiefung unb Berbreiterung bei
latholifeben Bieltanfchauung. . . . 3)ie un« üorliegcnben erften beiben Sieferungen be-
hanbeln im erften Budbe bie Stammoölfer ber älteften Bilbung: Israeliten, Babülonier.
Slfförer unb SlegljDter, unb im jweiten bie altcbriftliche Siteratur be« Crient« unb
bc« SubcnthumS. Slufeerorbentlich fdtjön ift, was Baumgartner hter über bie Bibel
fagt, ,bie ba« Göttliche in ber ßiteratur oerlörpert, ba« leine menfebliche ßeiftung
erreichen ober erfefeen fann. Sitanenftolj unb lünftterifche« ©iRnenfpiel, ©enie»
überfcljäfeung unb SJlcnfehenöergötterung finben hier eine unüberfteiglicbe Schranlc'.
Bei aller Knappheit llar, erfeböpfeub unb fcharf cfjaralterirtrenb finb bie 9lu«fübrungen
beä Berfaffcrs über bie Dichtungen be« Wien Bunbe«, befonber« ba« Buch 3ob (§iob),
obwohl wir hier feinem Urtljeil über ©octt)cä Sfauftprolog nicht beijupflichtcn üermögen,
unb feine Behanblung ber Propheten, oon benen übrigen« 3eremia« wohl eine ettna«
eingehenbere Behanblung oerbient Y)5tte. 6ine fefjr intereffante Sharafteriflif ftnbet
baö literarifibe ßeben ber alten Slegtjpter. 3lud) bie Behanblung be« ?leuen Scftamente«
ift in ihrer Knappheit unb Klarheit muftergiltig. So fefjen wir bem wettern ©r=
fcheinen be« Sßerre« mit 3ntereffe entgegen, ba« oorerft eine Ginfebrättfuna burch ben
pofitioett religiöfen StanbDunlt beß Berfafier« nicht ju erfatjren oermag. Senn baö
Siecht, ba« man Ekterialiften unb 9ltl)eiflen einräumt, barf bod) wobl auch bem
gläubigen (Shrifien niä)t Perfagt fein, fei er nun ^roteftant ober Katholif; ba« B3ort
ber Schrift : ,9llle« ift <£tter', gilt auch i)'\tx.a (etroftbutgtr ipoft. 1897. 9tr. 463.)
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