BEITRÄGE ZUR
ÄLTEREN
ZUNFTGESCHICHTE
DER STADT
STRASSBURG
Wilhelm Dettmering
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v
HISTORISCHE STUDIEN
i
VERÖFFENTLICHT
VON
E. EBERING
DR. PHIL,
'S
I
HEFT XXXX.
BElTRÄfiB ZUR ÄLTEBEN ZUNFTOESCmCHTB DBS STADT STBASSBUBO.
VON DB. WILHELM DBTTMBBINO.
BERLIN 1903.
CO
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Beiträge
zur
älteren Zunftgeschichte
der
8tadt Strassbnrg.
Von
Dr. Wilhelm Dettmering.
»1 • .
B«rliii 190S.
TerlAg Ton B. Slierliig.
9 4 • « *
• ♦ • • ■
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Meinen lieben Eltern
imMiiMl.
489965
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Inhalt.
Seite
Einleitung 9
Kapitel I. Das Zunftwesen in Strassburg bis zu der Verfassung^'
änderung von 133'2 11
§ 1. Die das Zunftwesen betreffenden Angaben des ersten
Stadtrechts 11
§ 2. Die rechtliche Stellung der Zünfte 23
1) Der Zunftzwang 24
2) Die Entwickelung der Autonomie, insbesondere
der Gcwcrbegerichtabarkeit 31
§ 3. Innere Organisation der Zünfte 59
§ 4. Die politische Stellung der Zlinfte 75
1) Das Bürgerrecht in Strassburg 75
2) Persönliche und materielle Dienstleistungen . . 81
a) Die militärische Organisation der Stadt . . 82
b) Das Stouerwesen 98
3) Zünfte und städtische Selbstverwaltung ... 99
a) Zünfte und Rat 100
b) Zünfte und Schöffel 103
c) Zünfte und Ammanmeister 113
Kapitel 2- Die Zeit der ersten Zunftbewegung ...... 1 17
S 3. Ursachen der Zunftbewe gung . 117
§ 2. Die Verfassungsänderung vom Jahre 1332 . . . . 134
Einleitung.
Seit Schmollers und Stiedas Arbeiten über die Zünfte
des mittelalterlichen Strassburg^ ist eine Untersuchung über
die Entwicklung des Zunftwesens dieser Stadt im Zusammen-
liang nicht mehr unternommen worden. Ein neuer Versuch
dieser Art wird heute wohl allgemein als Bedürfnis aner-
Icannt werden, schon deshalb, weil inzwischen das Quellen-
material teils vermehrt, teils besser zugänglich gemacht wor-
den ist - und in der Erforschung der Geschichte des Zunft-
wesens neue Gesichtspunkte hervorgetreten sind.«*
Vorliegende Arbeit will diesem Bedürfnis entgegenkom-
men, freilich nicht mit einer gesamten Darstellung der Ge-
schichte des mittelalterlichen Zunftwesens in Strassburg; sie
1. G. Schmollcr „Strassburg zur Zoit der Zvinit kämpfe und
die Reform seiner Verfassung und Verwaltung im 15. Jahr-
hundert" in den Quellen und Forschungen zur Sprach- und
Kulturgeschichte der germanischen Völker" hgb. von ß. ton
Brink, W. Sciierer und K Steinmeyer XI; derselbe: „Di« Strass-
bnrger Tucher- mid Weberzonft** (von ihm im Verein mit Stieda
Terfamt) Urlranden und Daratellnng, 1879, 8. 853 ff.
2. Als neue Editionen sind zu nennen: „Urkunden und
Akten der Stadt Strassbuii;" i* Abteilung: Urkundenbuch
I— Yll. Strassbuig 1879 ff (Abkürzung SUB); ferner Brucker,
Strassburger Zunft> und Polizeiverordiiungcn des 14. und 15,
Jahrhunderts. Strassburg 1889; K. Th. Eheberg, Vcrfassungs*
Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Strassburg
bis 1681, 1: Urkunden und Akten. Strassburg 1899.
3. Vgl. G. V. Below, Artikel Zünfte" im „Wörterbuch der
Volkswirtschaft." hgb. 7on Elster. 1898.
— 10 —
macht es sich nur zur Aufgabe, die Entwicklung der Zünfte
bis zu der tiefgreifenden Acnderung der Stadt\'erfassung
durch die Zunftbewegung des Jalires 1332 zu verfolgen.
Mit diesem Jahre bricht in Strassburg die Zeit der Zunft-
herrschaft an. In unserer Darstellung soll es vor allem auf
folgende Punkte ankommen: eine Ansicht über das Alter
der Strassbuiger Zünfte m gewinnen» femer das Mass der
Selbständigkeit und der politischen Rechte zu bestimmen,
das die städtische Obrigkeit im Lauf der Entwicklung städti-
scher Autonomie den Zünften eingeräumt hat, schliesslich
die Ursachen darzulegen, die den Kampf der Zünfte gegen
das Patriziat vorbereiteten.^
§
4. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Georg
von ßelow in Tübingen, spreche ich auch an dieser Stelle
meinen herzlichsten Dank aus für das t» ilnelimcnde nud för-
dernde Interesse^ das er dieser Arbeit entgegengebracht hat.
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Kapitel 1.
Das Zunftwesen in Strassburg bis zu der
Verfassungsänderung von 1332.
§ 1. Die das Znnftwesen betreffenden Angaben
des ersten Stadtrechts.
Ihren Anfang nimmt die freiheitliche Entwicklung der
Strassburger Stadt\^erfassung hauptsächHch mit der Be-
gründung des Stadtrates, den der Bischof in dem zweiten
Stadtrecht am Anfang des 13. Jahrhunderts der Stadt be-
stätigte. Seit dieser Zeit, teilweise aber auch schon vorher
vollzieht sich die Bildung des Patriziats.'
Mit den Nachrichten, die seit dieser Zeit vorhegen, hätte
eine Darstellung der Strassburger Zunftverfassung im Rah-
men der allgemeinen Stadtverfassung einzusetzen. Allein un-
sere Darstellung würde der Grundlagen entbehren, wenn
wir nicht die Nachrichten, die schon aus älterer Zeit über
das Handwerk in Strassbuig vorliegen, berücksichtigen und
uns hauptsächlich auch eine Anschauung über die Entstehung
der Zünfte bilden würden. Die Aufzeidinungen auch über
eine Reihe von Zünften, die in dem bekannten Burggrafen-
weistum des 14. Jahrhunderts zusammengetragen sind, führen
unwillkürlich zurück auf einzehie Nachrichten des ersten
Stadtrechts, das man neuerdings mit grosser Wahrschein-
1. Vgl. Haz Folts, Beitrige zur Geschichte des Patrisiat
in den deutschen St&dten vor dem Ausbrach der Zunftk&mpfe.
Marbaig«r DissMtation von 1889. S. 19 fi, 27.
— 12 —
lichkeit in die letzten Jahrzehnte des 1 2. Jahrhundertss ver-
wiesen hat.- Mit der Erörterung der an die Angaben dieses
Stadtreclitcs sich anknüpfenden Fragen beginnen wir die
Untersuchung.
Nach § 44 des Stadtrechtes ist es die Pflicht des Burg-
grafen, eines bischöfhchen Beamten aus dem Kreis der
familia des Bischofs, die Meister fast aller officia in der Stadt
einzusetzen, nämlich der Sattler, Kürschner, Handschuh-
macher, Schuster, Schmiede, Müller, Küfer, Becherer,
Schwertfeger, Obstverkäufer, Wirte. Lieber diese hat der
Burggraf in der Pfalz des Bischofs zu richten, „si quid
deliquerint in officiis suis'' (§ 45).
Von der allgemeinen Pflicht der Bürger, fünf Tage im
Jahr dem Bischof Frondienste zu leisten (§ Q3), sind aus-
genommen: zwölf Kürschner, vier Bäcker, vier Handschuh-
macher, acht Schuster, alle Schmiede, alle Zimmerleute,
Metzger und Küfer. Sie sind ausser den Bäckern, über die
nichts weiter gesagt ist, mit noch einigen anderen Gewerbs-
leuten, den Becherern, Wirten, Müllem, Fischern dem Bischof
zu gewissen speziellen Leistungen verpflichtet (§ 101 ff.).^
Sie unterliegen jedenfalls alle nur diesen speziellen Pflichten.
2. S. Bietschel „Zur Datierung der beiden ältesten Straas-
burger Bechtaaufzeichnungen" in „Deutsche Zeitschrift für Ge-
schichtswissenschaft'* N. F. S. 24 if (Vierteljahrshefte).
3. Zuletzt gedruckt bei Keutgen, Urkunden zur städtischen
Verfassungsgeschichte, Bd. 1 von: Ausgewählte Urkunden Eur
deutscheu Verfassuugsgeschichte" von G. v. Belovr u. F» Keutgen
(Beriin 1H99), n 120.)
4. Die hofreditliche Theorie, die gerade das Strassburger
Stadtrecht für sich iu Ausprucli nimmt, muss dieses nach der
Widerlegung G. v. Belows aufgeben. Von einer Uufreiiieit der
Handwerker, dem Hervorgehen der Hnndwerkerverhände aus
hofrechtlichen, dem hofrechtlicheu Ursprung der Leistungen der
Bürger kann keine Rede sein. S. G. v, Be!o\v, Territorium und
i^tadt (Munster X900) S. 306, 308 f, 312, 314; dor
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Strassburg ist, wie wir hier beobachten, in früherer
Zeit schon ausserordentlich reich an gewerblichen Berufen.^
Was. hat man nun unter den officia 2u verstehen, warum
unterstehen , nur die in § 44 genannten Handwerker dem
Burggrafen, welchen Charakter trägt seine Gerichtsbarkeit ?
Auf den ersten Blick spricht der Umstand, dass der
Burggraf die Meister der genannten Handwerker einsetzt,
dafür, dass eine Organisation dieser in Verbänden voraus-
gesetzt ist, mithin Zünfte existieren. Dafür spricht auch der
Gebrauch des Wortes officium, das öfters für die Zunft
angewandt wird und das in Strassburg noch in einer Zeit,
in der mit ziemlicher Sicherheit Züntte existieren, für diese
g-ebrauchL wird (126]).'' Endlich kann man dafür die Tat-
sache anführen, dass der Burf^graf nicht über alle Hand-
werkerberufe die Gerichtsbarkeit ausübt, sondern nur über
die in § 44 genannten. Für die (ierichtsbarkeit dieses Be-
amten gerade über diese (jcw erbe scheint ein ganz besonderer
Orund massgebend gewesen zu sein. Iis liegt nahe zu ver-
nuiten, dass dieser eben in der Organisation dieser Gewerbe
als Zünfte zu suchen ist.
Allein diese Argumente genügen nicht, die Gewerbe
des § 44 als Zünfte zu erweisen. Wir erfahren nichts über
den inneren Charakter dieser Verbände. Die Möglichkeit
muss denn auch zugegeben werden, dass officia nur „Be-
st4be, Gotting. Gi4ilirte Anzeichen 1895, S. 221; Keutgen
Untersuchungen über den ürspruiio: der deutschen Stadtver-
fassung (i895) S. 193; vgl. noch 52 des Stadtrechtes: nur die
Unfreien der Kirche brauchen für den Verkauf ihrer eigenen
Produkte keinen Zoll zu geben, die freien Btirger miiaaen ihn
geben.
6. Vgl SUB 1, n 144 (1190—1202), worin die Stadt o. A.
an drei Handwerker GrjindBtacke von der Allmende in Erbleihe
gibt. Danadi nahmen die Handwerker x. T. schon eine ange-
aehene wirtschaftliche Stellung ein.
G. SUB I, u 467, S. 863: auch noch spftter.
rufe" bedeutet, dass ein Berufskreis einen Vorsteher erhalt,
ohne doch ein Verfoatfd zu sein, dass die Gerichtsbarkeit
des Burggrafen sich aus anderen Gründen erklärt
Der Bufggral ist der Beamte für die Verwaltung der
Stadt. Er übt die Baupolizei aus (§ 58, Sa 81); mit seiner
und der Bürger Erlaubnis dürfen Mühlen gebaut werden. In
dieser Eigenschaft ist er sicherlich der Vertreter des Bischofs
als Gemeindeherm.7 Nicht dagegen besitzt er die Gewerbe-
polizei und -gerichtsbarkeit in vollem Umfang, aus dem Grund,*
weil allein die Berufe des § 44 unter sein Gericht gehören.
Wir müssen deshalb daraus schliessen, dass alle übrigen
Gewerbe, soweit nicht auch hier Ausnahmen eintreten, in
Oewerbesachcn Uli Aufsicht und Strafgerichtsbarkeit des
öffentlichen Richters, des Schultheissen, unterlici^^en.*^ Zu-
dem scheint der Burggraf nicht die gesamte Cjcwcrbegerichts-
barkcit über die ihm unterstellten Berufe auszuüben. Er hat
nicht den Bann. Im f alle des Ungehorsams der Handwerker
muss er sich an den Bischof wenden Ib). Seine Gerichts-
barkeit scheint demnach nur niederer Art zu sein.^ Die
Gewerbepolizei und -gerichtsbarkeit wird also in der Haupt-
7. R. G. 7. Below, Entstehung der deutsohen Stad1|{emeiode
(1889) S. 37.
8. Anders freilirh Keut^en, Untfrsuchungen S. 144 fif und
S. 146 Anm. 1, der annimmt, der Burggraf habe die ganze
Gewerbegericht.sbarkeit gehabt, weil sie einfacli zur Stadtver-
waltntifi; c:ohörte. Er glaubt das „omnium fere" in § 44 deuten
zu müssen: ,.im Prinzi]) aller". Ea heisst aber: „fast aller", d. h.
eben ..nicht aller". Keutgen fS. 145 Ainn. 1) sagt; ,,das8 der
iSchultiieiss die Goworbcgerichtsbarkeit über die übrigen Ge-
werbe gcliabt liabo, wird nirgoiuls gesagt. Vielleicht waren sie
einfach noch nicht organisiert". Existiert denn aber blos« eine
Gewerbegerichtsbarkeit über Zünfte? Dazu beweist E. nicht
dass die Bernte in § 41 Zflnfte sind.
0. vgl. auch % 24. Der cypparius ist dem Burggrafen nicht
aiun Gehorsam verpfliehtet
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^ i6
Sache dem öffentlichen Richter in der Stadt zugestanden
haben; diesem ist sie von dem Bischof übertragen worden,
der sie kraft öffentlichen Rechtes besass.^^
Eberhard üothein^i versucht nun die Gerichtsbarkeit des
Burggrafen aus einer angenoininenen militärischen Bedeu-
tung der Berufe des § 44 zu erklären, indem der Name des
Burggrafen (praefectus urhis) auf einen mihtärischen Cha-
rakter dieses Amtes hinw eise. Diese Erklärung entbehrt aber
der Sicherheit, denn es ist für sie kein Beleg in den Quellen
vorhanden. Ferner würde man vergeblich nach einem ver-
nünftigen Grund suchen, warum nur den Gewerben in §44
eine militärische Bedeutung zukommen soll.
Ebensowenig wie der Bischof dem Burggrafen die Ge-
richtsbariceit über die genannten Berufe übertragen hat, weil
dessen Amt die gesamte Ordnung des Gewerbewesens war,
sind .die Leistungen der Handwerker an den Bischof der
Grund dafür gewesen. Denn auch andere Gewerbe als die
in § 44 genannten sind zu besonderen Leistungen verpflichtet
gewesen, so die Metzger (§ 101), Fischer (§ 115, 116),
10. Das Siadtreeht sagt selbst nichts über diese Verhllt-
uiase ; § 10 mgt ein&ch : causidtcus iudicabit pro fuxio, frevela
geltsehiüda in omnes dves. Zur Erklärung der Gerichtsbarkeit
Uber furtum und frevela vergleiche Zeumer in ,-Neues Archiv
fOr filtere deutsche Gesohicfatskunde** 25, S. 818 ; auch Q. v.
Wyss, Abhandlungen zur Geschichte des schweizerischen öfFent-
licheji Rechts, 1892, S. 321 Anm. 2 : „Diebstahl scheint im
Mittelalter der liepräsentant der mit dem Tode bestraften Ver-
brechen, frevel aller nicht mit Leib und Tod bestiaften Ver^
gehen." Wie beschaffen die Gewalt des Zollers war, ist nicht
gesagt; nach § 12 besitzt er den Bann. § 56 und § 57 aber
Bpreclien nur von einer technischen Herstellung der Masse (vgl.
von Bolow, Stadtgemeinde S. 37). Im Zollerrecht freilich, dessen
Aufzeichnung in das 14. Jahrhundert fällt, richtet der Zoller
u. A. über alle Korn- und Öalzmasae (SUB IV^, S. 222).
11. „Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaides" (18ü2) S. 313
- 16 -
Zimmerleute (§ 118). Andere hingegen, wie die Obstver-
käufer (§ 44), die dem Burggrafen unterworfen sind, leisten
die allgemeinen Frondienste der Bürgerschaft Femer haben
nicht bei allen Gewerben alle Handwerker diese Leistungen
zu tragen, sondern bei einzelnen nur eine begrenzte Zahl.
Der Burggraf richtet dagegen über alle Angehörigen der ihm
unterstellten Gewerbe.
Ausgfeschlüssen ist weiter die Annahme, dass der bischöf-
liche Beamte die Gewerbe unter sich hat infolge ihrer Ver-
pflichtung zu Abgaben, die ihnen der Bischof etwa für Er-
teilung des Zunftrechts auferlegt hat.'- Wir wissen, dass
die Zimmerleute, Fischer, Metzger, Bäcker dem Gerichte
des Burggrafen nicht unterstehen, besondere Abgaben der
Obstverkäufer nicht erwähnt werden.
Welchen Ursprungs sind die Abgaben der Handwerker
in Strassburg ?
Auf allen Bürgern ruht die Pflicht von fünf Frontagen
im Jahre (§ 93). Von dieser Pflicht sind die in § 93 genannten
Gewerbe'^ und sicherlich auch die in § 102 ff. genannten
ausgenommen, weil sie speziellen Abgaben und Pflichten
unterworfen sind. Diese letzteren haben ihren Grund wahr-
scheinlich in einem besonderen Bedürfnis des Bischofs. Die
Leistungen der Bürger scheinen in Strassburg allgemein
Steuercharakter zu haben und öffentlich-rechtlichen Ursprungs
zu sein.i^ Einzelne spezielle Leistungen der Handwerker
machen diese Auffassung besonders wahrscheinlich : die
Schmiede arbeiten für den Bischof, si Castrum aliquod obse-
12. üeber diese Klasse von Abgaben vergleiche Ö. v. Below
Territorium und Stadt S. 314.
13. Die moiieturii sind ebenfalls ausgenommen, vielleicht
wegen ihrer iu § 70 erwähnten Dienste für den Bischof.
14. vgl. 6. V. Below, Territorium und Stadt S. 214 Anm. 5 ;
diwBolbe, Gotting. Qalehrte Anwigon (AbküM. O. G. A.) lS8b,
S. 228. Aiini. J.
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derit vel ei obsessum fuerit (§ 106),. Schmiede, Schuster,
Handschuhmacher, Sattler, Schwertfegefi Küfer, wenn der
Bischof ad curiam vel ad expeditionem imperatoris auszieht
(§ 103, 104, 108—
Ein gewisser Widerspruch in den Angaben des Stadt-
rechts besteht darin, dass der Kreis der in § 102 ff. zu
speziellen Leistungen verpflichteten Handwerker ein viel
grösserer ist, als derjenig<e der in § 93 von den Frondiensten
befreiten. Da die Fischer, Müller, Wirte für ihre dem Bischof
zu leistenden Dienste vermutlich auch von den Frondiensten
frei waren, so ist es nicht unmöglich, dass §93 aus einer
früheren Zeit stammt als die Aufzeichnung der §§ 102 ff.^*
Wenn es sich so verhält, so wäre eine Erweiterung spezieller
Abgaben vom Bischof vofigenommen worden. Der Omnd
dafür mag wiederum in einem besonderen Bedürfnis des
Bischofs liegen.
Welcher Zusammenhang besteht schliesslich zwischen
dem Inhalt von § 44 und den Nachrichten, nach denen dem
Burggrafen die Einnahmen bestimmter Zölle vom Kleinver-
kauf zugewiesen werden ? Es sind die Zölle von Schwertern,
die in der Scheide auf dem Markte feilgehalten werden, von
Oel, Nusscu und Obst (§§ 47, 48). Die Obstverkäufer sind
aber nicht deshalb der Gerichtsbarkeit des Burggrafen unter-
15. Gothein, a. a. 0. S. 314 erklärt die V2 inter pellifices
z. B. fttr die ,,Hofliett*ranten'* des Bischofä, die die angesehensten
Mitgheiier des Gewerbes seien.
16. Hegel in den „Chroniken der deutschen Städte" IX
(Strassburger Chron.) Ü27 hat schon darauf hingewiesen, dass
das Stadtrecht nicht einheitlich xa «ein acheint. Aus dem Zu-
aammeuhang erp;ibt eich Öfters, dass £ittachiebungen stattge-
funden haben ; vgl. s. B. § 85 : vgl. übrigens H. Bloch in „Zeit-
schrift ßir die Geschichte des Oberrheins" (Abkürx. Z. 0. Bh.)
N. F. 14, S.297.
17. Der Burggraf erhalt sie ganz nur, wenn diese Wareo
fbr Oeld verkauft werden.
- 18 —
Wölfen worden, weil dieser Zölle von ihren Waren empfing,
sondern die Zölle von Obst, N&ssen und Oel empfing der
Burggraf wohl eher aus dem Grund, weil ihm die Verwaltung
der Altstadt oblag und dort der Obstmarkt gelegen war.^*
' Da wir sonach alle andern möglichen Annahmeti über
die Beziehungen des Burggrafen zu den Handwerkern ab-
lehnen müssen, scheint nur die früher ausgesprochene Ver-
mutung, zu der wir hiermit zurückkehren, nicht auf innere
Widersprüche m stossen, dass nämlich die Gewerbe in § 44
bereits organisierte Verbände haben und deshalb dem Burg-
grafen unteigeordnet sind, der über sie eine gewisse Ge-
richtsbarkeit ausübt. Freilich volle Sicherheit gewinnt man
aus den Angaben des Stadtrechtes nicht. Aber in gewisser
Weise bestiitigt wird unsere Auffassuni; (iurcli Nachrichten
aus späterer Zeit über die uns hier interessierenden Ver-
hältnisse,
Den klarsten Aufschiuss gibt das Burggraten \\eistuni,20
dessen Aufzeichnung um die Mitte des 14. Jahrhunderts
stattfand. Hier findet sich noch das alte Recht des Burg-
grafen, das ihm eine Anzahl von Gewerben unterordnet.
Diese sind unzweifelhaft in dieser Zeit in Zünften organi-
siert.-' Freilich hat sich die Zahl der Gewerbe gegenüber
der im ersten Stadtrecht verrinL!:ert und ist auch ein Wechsel
der Gewerbe eingetreten. Während die Kürschner, Hand-
schuhmacher, ()bst\erkäufer, Wirte sich der Gerichtsbarkeit
des Burggrafen entzogen haben, sind unter diese andere Ge-
ls. Zudem sind die Oelleute lüclit in § 44 genannt. In-
dessen ist es ja denkbar, dass die Obstverkäufer auch zugleich.
Oel verkaufen. Vgl. S.19 u. 22 Anm. 29.
19. He^?el, a. a. 0. IX, Stadtplan n 119; Keutgen, Unter-
suchüiicjen S. l37 ä. Eine andere Erklärung bei Gothein, a. a.
0. S. 313 f.
20. SÜB IV., S. 202 £f.
21. Es genügt hier su bemerlcon, dass bei den hier' aufge-
«fthlten Gewerben der Zunftiwang die Hegel istl
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— Ii; —
werbe neu hinzugetreten : üelleute, Zimmerleute, die sich
übrigens schon im Friedensvertrag des Bischofs mit der Stadt
von 1263 in dieser Stellung finden,-- und Fasszieher. Letztere,
die in dem soeben erwähnten Vertrag noch nicht unter die
Gerichtsbarkeit des Bur^ggrafen gehören, erweisen sich im
Burggrafen recht als eine mit dem Zunftzwang-' ausge-
stattete Zunft, die ihr Recht vom Burggrafen und Bischof*
erhalten hat.^^ Da sie vorher dem Burggrafen nicht ange-
hören, so ist anzunehmen, dass die Verleihung des Zunft-
rechts und ihre Zuweisung zum Amt des Burggrafen zeitlich
zusammenfällt. Für die Erteilung des Zunftrechts sind den
Fassziehern bestimmte Dienste für den Bischof und Buig-
grafen auferl^ worden.^^ Wir haben also hier das
interessante Beispiel, dass noch in der Zeit blühender städti-
scher Selbstverwaltung eine Zunft vom Bischof begründet
wird, der sie seinem Beamten zuweist.^^ Sie tritt unter dessen
22. Keutgen, Uricuaden n 128, 3; wir kommen darau^
nocli zurück.
23. Der Burggraf aetzt den Meister der F. ein, der sin
einuDg het ; 8. S. 26.
24. SUB IVj, S. 215.
25. ebenda S. 215. so sullent su eime bischofe ziehen und
ablegen in der stat sinett win von Sant Michels dag untz zu
Sant Thomas dag (29. Sept. bis 21. Dez.); desgl. für den Burg-
grafen. Diese Dienste dOrften nach 12G3 (I) wohl nicht mehr
ohne die Verleihung irgend eines Rechtes auf ein blosses Be-
dfirihis des Bischofs hin, wie sur Zeit des ersten Stadtrechts,
dm Handwerkern auferlegt sein.
26. Der Fall, dass in Strassbuig einzelne Zünfte noch in
späterer Zeit direkt unter einem bischöflichen Beamten stehen,
ist nicht vereinzelt. Auch in Hildesheim (vgl. P. Huber, der
Haushalt der Stadt Hildesheim. Hallenser Dissertation von
1901, S. 15 Anm. 1) sind eine Aeihe von Zünften, und zwar sind
«• die äeltesten, Knochenhauer, Schuster, Gerber, Bäcker noch
'n das IB. Jahrhundert hinein unter der direkten Herrschaft des
Bischofs gebliehen. Diese Zünfte haben das Recht vom Bischof
selbst erhalten und entschieden ihre Streitigkeiten vor dem
2*
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— 20 ~
Gerichtsbarkeit lediglich, weil sie Zunft ist. Wenn sich nun
bei dem Bischof noch bis in so späte Zeiten die Anschauun|r
erhalten hat, dass neu entstehende Zünfte dem Amt des
Burggrafen zukommen, so dürfte die Vermutung nicht abzu-
weisen sein, dass mit dem Amt des Buiggrafen von jeher
eine gewisse Qeriditsbarkeit über neu entstehende Zünfte
verbunden war, dass wir mithin im § 44 des ersten Stadt^
rechts die ältesten Zünfte Strassbuigs vor uns haben.
Nun ist es gerade interessant, zu beobachten, dass sich
der Kreis der in § 44 genannten Gewerbe ziemlich vollständig
mit dem der in § 102 ff. genannten deckt — ausser den Obst-
verkäufern finden sich alle Handwerker des § 44 auch in
§ 102 ff. und haben besondere Leistungen an den Biscliof zu
verrichten — , ferner dass die Zimmerleute, die ebenfalls zu
speziellen Arbeiten herangezogen wurden, noch vor 1263
auch unter den Burggrafen getreten sind. Diese Tatsachen
sind vielleicht geeignet, uns eine Anschauung von der all-
mählichen Bildung der Zünfte Strassburgs und von den Mo-
menten, die u. a. die Zunftbildung begünstigt haben, zu geben.
Wir können vielleicht sagen, dass gerade die speziellen
Leistungen der Gewerbe, unter denen einzelne immer nur mit
einer beschränkten Zahl von Handwerkern zu diesen heran-
gezogen wurden, ein treibendes Moment zur Begründung
eines geschlossenen Verbandes im Interesse einer besseren
Kontrole gewesen sind.
Bischof und seinem Kapitel (Döbner, Urkandenbuch der Stadt
HUdesheim IV^ u 259, 8. 174. a. 1435). Seit dem Ii. Jahr^
hundert verlieh der Rat deti anderen (bewerben das Innungs-
recht. Die Behauptung Huben (a. a. 0. S. 15 Anm. l), dass
die ältesten Haudwerkervei*bände Hildeaheims aun den alten,
auf dem bischöflichen Fronhofe bestehenden Handwerkerorgani
sationen hervorgegangen seien und deshalb ihr eigenes Recht
behalten haben, ist grundlos.
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— 21 —
Gewiss fällt die Entstehung aller Zünfte in §-44. zeitlich
nicht zusammen. Eine solche Annahme wäre wenigstens sehr
unwahrscheinlich. Ebensowenig wird ihre Gründung erst
mit der Aufzeichnung des Arsten Stadtrechts erfolgt sem.
Im allgemeinen kann man sagen, dass ihre Entstehung vor
die Zeit der Abfassung des ersten Stadtrechts fällt.^?
Nun fällt es auf, dass, wenn nach unserer Hypothese der
Burggraf der Vorsteher der Zünfte ist, die übrigen Gewerbe ,
mit ringen Ausnahmen — späterhin bei ihrer Zunft-
gründung nicht unter die Kontrole des Burggrafen gestellt
wurden. Diese Tatsache erklärt sich wohl so, dass der Ein-
fluss des Bischofs und demgemäss auch seines Beamten
auf die städtischen gewerblichen Angelegenheiten in der
Folgezeit gesunken ist, dass eine andere Behörde das Recht
der Sanktion neu gebildeter Zünfte sich anrnasst und die
dem Burggrafen zustehende Gewalt an sich nimmt. Diese
Behörde werden wir in dem Rat zu erkennen haben, der,
27< I>er AuBdrack: omnium fere offidoram <§ 44) deutet
wohl darauf hin, dass schon eins Ausuahme ▼on der Regel
stattfiaudy eine Zunft sich gebildet hat, die nicht unter den
Burggrafen trat, Ueber Vermutungen kommt man leider nicht
hinaus. Vielleicht sind die Fischer schon Zunft. Vgl. dazu SUB
IVj. S. 263: Aufzeichnungen Ober bischöfliclie Aemter und
Lehen : ad officinm dapiferi illius de Öchoenowe pertinet die
vischerige zwusclient Sancte Thomasbrucke \ind sanct St^phans-
brucke (vgl. hierzu erstes Stadtrecht § 117) item daz vische-
meistertum (d. h. seine Verleihung;). V^^l. dazu SUB ITl,
n 1206 (1328), wo Keinbold Liebenzeller dem Eberlin v. Müln-
heim die Fischerei in der Breusch in der Stadt zu Lehen gibt
and ,fdie JTischer alle zu Strassburg"; L. hatte sie von H.
Sohdnau Lehen (SUB IV„ S. 278 fol. I4&b) ; vgl. noch
Bnicker, a.. a. 0. S. 199: Fiaeherordnnngen von 1S9(X Die
Kontrole und Rechte aber die Fischer und gewisse Abgaben
▼on ihnen lagen als Lehen wohl seit langem iu anderen Hftnden,
als des Burggrafen.
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— 22 —
seit dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts vom Bischof
anerkannt, die Verwaltung der Stadt übernimmt und sein e
Rechte auf Kosten des Stadtherrn ausdehnt, hauptsächlich
aber auch die Ordnung des Oewerhewesens in seine Hände
spielt. Freilich das Recht des Bischofs bleibt formell be-
stehen und kommt noch später darin zum Ausdruck, dass
der Burggraf vom Stadtherrn die Gerichtsbarkeit über einige
andere Zünfte hinzuerwirbt. Aber deutlich zeigt sich doch der
* Verfall der bischöflichen und burggräflichen Gewalt darin,
dass bereits vor 1263 mehrere Gewerbe, wie Kürschner,
Handschuhmacher und Wirte, dem Amtsbereich des Burg-
grafen entwachsen sind.
Ueber die innere Verfassung der Verbände erfahren wir
g:ar nichts. Der Stand der Meister ist aus den Angaben
nicht zu ersehn. Ausgeschlossen ist deshalb nicht, dass es
s^tion Handwerker waren'^
Die Gerichtsbarkeit des Burggrafen, über deren Be-
deutung wir oben schon sprachen, ist uns ihrem näheren
Inhalt nach nicht bekannt. Gemäss unserer Anschauung,
dä^s CS eine Gerichtsbarkeit äber Zünfte ist, werden wir sie
als*' eine Gerichtsbarkeit üb^r niedere Vergeben gewerbücher
lind anderer Natur auffassen, durch die für die Zünfte
vielleicht in besonderer Weise geltende Vorschriften verr
letzt wurden.
Wir haben es im vorhergehenden als eine Moi^iiciikeit
hingestellt, dass in der Zeit der Abfassung des ersten Stadt-
rechts in Zünften organisierte Gewerbe vorhanden waren,
und Gründe dafür aus dem Stadtrecht selbst und aus spaterer
Zeit beigebracht.^'^ immerhin fehlt zur vollen Gewissheit viel,
. ■ . • • . f. .
• .. . . . , • , . 'I .
2K Im Jahre' 1268 waren es. Handwerker. Später heiaist es
allerdings einmal im Rfoht der Schmiede. (14. Jahrhundert): .und
8ol onnh tiiomer kein meister werden, ,wan der einen einung. het
(Süß IV2, S. 206). ■ ' "
29. Freilich ist eine Zunft der Handachuhmacher in späterer
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vor allem müssen wir auf die Niciiterw ähnung" des Zunft-
zwangs hinweisen, des Kriteriums, das einen f^an/ sicheren
Schluss auf Verbände zuiässt. Freilich war den Zunftzwang^
zu ^wähnen auch kein Anlass, da es sich im Stadtrecht
weniger um die Rechte der Bürger, als um die des Bischofs
zu handeln scheint Die Tatsache bleibt jedoch bestehen,
dass wir von den wesentlichen Bestandteilen der Zunftver-.
fa3Siin|f hier nichts Näheres erfahren. Für die allgemeine.
Zunftgeschichte, für die Frage der Entstehung des deutschen l
Zunftwesens überhaupt wird man deshalb die Angaben des
ersten Stadtrechts nicht als eine Quelle ersten Ranges ver--
werten dfirfen.^^
; . §^ Z Die r^htliohe Stellung der Zünfte.
Wenn wir nun zu einer eingehenden Darstellung der
Strassburger Zunftverfassung in der Periode der sich ent-
wickelnden Selbstverwaltung der Stadt übergehen, so werden
wir uns hier mit der Anschauung Schmollers auseinander-
zusetzen haben, die dieser von der Entwicklung der Strass-
burger Zunftverhältnisse geltend gemacht hat. Aus
Schmollers Darstellung in seiner Schrift „Strassburg zur Zeit
der. Zunftkämpf e'^ geht hervor, dass er drei Perioden unter-
• : • . . < .-■ •:.,•••« ,
Zeit nicht nachweisbar, ferner wird iin Jahre 1332 eine Zunf^
der „obesser (Obsthändler), die vormals Konstafler waren^', erst
genjfindet (s. Chronist Closener in Hegeb „Clironikeu d. d.
YIII, S. 122;. Ueber die Konstafeln b. später. Dies kann aber
nichts gegen uns beweisen, .besonders da wir nicht wissen,
warum schon vor 1852 diese Gewerbe sich von dem Burggrafen
frei gemacht haben.
. 90. G. Croon, Zur Entstehung des Zunftwesens, Marburger
Dissertation von 1901, schliesst Strasburg dalker, mit. Hecht aus
der Untersuchung ans.
— 24 —
scheidet In der ersten (1150— 1300). eriolgt die Bildung und
Anerkennung der Zünfte, in der zweiten (1300 bezw. 1332 —
1430) der innere Ausbau der Zunftverfassung bis zu einer
hochgesteigerten Zunftautonomie, in der dritten (1450--1550),
in der ein starker Rückgang der Autonomie eintritt, ist erst
der Zunftzwang anzutreffen. E. Fromm, der in einer Unter»
suchung: „Frankfurts Textilgewerbe im Mittelalter" > die
Strassburger Zunftverhättnisse streift, nimmt diese Periodi-
sierung^ im wesentlichen an und glaubt, dass der Begriff
des Zunftzwangs im eigentlichen Sinne erst mit der Zunft-
schliessung vorhanden sei. „Wenn hier und dort frfiher der
Zunftzwang auftritt, ist er nur gemeint in dem Sinn, dass
jeder, der ein Gewerbe treibt, der betreffenden Zunft helfen
soll bei ihren militärischen Diensten und ihrer Steuerleistung,
die sie der Stadt schuldet."
Diese Ansichten über die Entwicklung der Zunftver*
fassung in Strassburg müssen an den Quellen geprüft wer-
den, und wir haben zunächst zu tra^^a^n, worin das Wesen
der Zunft in der ersten von Schmoller umschriebenen Periode
zum Ausdruck kommt.
1. Der Zunftzwang.
Keinen Aufschluss gibt über unsere Frage eine sonst
interessante Urkunde von 1240,' mit der der Rat die Ver-
lehnunp eines ünmdstückes durch zwölf officiati der Kürsch-
ner beurkundet.^ Es scheint hier bereits ein wechselnder
1. im „Archiv für FraokfurtB Geschichte und Kunst'* S.Folge VI
S. 20 ff.
2. &w findetsichauch in BchmoHera „StransburgorTaeher- und
Webensunft".
8. SUB I, n 268, S. 211.
4. predictis duodedm et iptoram in eodem officio suoeesao-
ribiuL Diese zwölf K. stehen wahrscheinlich mit den 12 intar
pellificee des enteti Stadtarechts iu Zusammenhang.
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— 25 —
Aiisschuss des Handwerks vorhanden zu sein, von dem man^
auf einen Verband der Kürschner schliessen könnte; doch
es ist über das Wesen dieses Verbandes nichts gesagt.
Im Jahr^ 1263 richten die Meister der Handwerke, die
dem Burggrafen unterstehen, über diese.^ Es handelt sich>
hier offenbar um eine Zunftgerichtsbarkeit; die Nachricht
ist aber für uns an dieser Stelle nicht verwertbar, da wir
nicht wissen, wer zur Zunft gehörte.
Wichtig für uns dagegen ist eine die Bäcker betreffende
Uikunde von 1264.^ Dort wird ein Streit zwischen Meister,
Rat, Bürgerschaft einer- und den Bäckern andererseits bei-
gelegt. Der Streit ist dadurch entstanden, dass die Bäcker
einen höheren Preis als den bisher gewohnten für den Er-
werb ihres Redhtes, „quod vulgariter didtur einung", von
den Besitzern der Backhäuser, die dieses Recht offenbar er*
halten wollten, gefordert haben.^ Nunmehr wird ein fest
normierter Preis bestimmt, für den jeder Bürger für settr
Backhaus das Recht, Einung genannt, erwerben kann.^ Aus
den angeführten Stellen "tht folgendes hervor:
1. Das oben genannte Recht besitzen die Bäcker schon
längere Zeit, da sie den hergekommenen Preis für seinen
Erwerb jetzt erhöht haben. — 2. Dieses Recht gehört nur
den Bäckern; es ist ein wichtiges Recht, da offenbar gewissen
Bürgern viel daran gelegen war, in seinen Besitz zu kommen.
— 3. Das Recht haftet ausschliesslich an den Backhäusern
der Bäcker oder der Bürger, die es für ihre Backhäuser er-
werben.^' — 4. Das Recht ist jedenfalls in der Form crieilt,
dass diejenigen, die es besitzen, einen körperschaftlichen
5. Keutgen, Urttunrieii n 12h § 3.
Ü. SUß I, n 349: auch Keutgen. Urkunden n 290.
7. amplius quam anti<|ua et upproi>ata civitatis ronsuetudo
exigeret, requirebant.
8. quicuiique ciyis pißtrino suo iu9, quod dicitur einung,
■cquirere voliierit.
9. s. vorige Anmerkung.
— 26 —
Verband bilden und diejenigen, die es erwerben, diesem
Verband beitreten.
Dieses Recht, das für die Backhäuser erworben wird,
kann aber in dieser Formulierungf nur darin bestehen, dass
nur der Bürger, der es besitzt und dem körperschaftlichen
Verband angehört, das Gewerbe der Bäckerei ausüben darf.
Mithin ist für die Bäcker der Zunftzwang ausgesprochen. Es
ist freiUch nicht klar, ob auch der Bürger, der sein Backhaus «
nur für den eignen Bedarf benutzt, das Recht erwerben muss.
Aus unserer Urkunde ist leider nicht zu ersehen, von J
wem das Recht der Bäcker stamme; es kann auch nicht
festgestellt werden, ob die Bäcker vor der Erteilung dieses
Rechtes an sie schon einen Verband gebildet haben.
Volle Bestätigung dafür, dass unter dem Einungsrecht
der Besitz des Zunftzwangs zu verstehen ist, geben die An«
gaben aus dem 14. Jahrhundert, die ebenfalls das Wesen
des Zunftzwangs mit dem Begriff des Einungsrechts um-
schreiben. Im Burggrafenweistum ' helsst es von den Oel-
leutenr^i wer olei vcile het in dem burgbanne mit der kleinen
massen, der sinen einung nicht enhet, dem sol man das olei
nemen und säA auch bessern noch dem dint^e als daz ant-
werg . . . übereinkome. Hier wird der Inhalt des dem Hand-
werke zukommenden Reciits deutlich dahin ausgesprochen,
dass keiner ungestraft das Handwerk ausüben darf, der nicht
den „einung" der Oelleute erworben hat.
Im Jahre 1327 erfahren wir, dass die (ierber dasselbe
Einungsrecht besitzen, mithin über den Zunftzwang ver-
fügen.^^ Da nun die Gerber in den Kreis der Handwerke ge-
hören, die unter dem Burggrafen stehen, so wird die Ver*
10. Von den Gerbern heisst es i. J. 1327: qui societatem
habent eiusdem artificii, in vulgari die den einung hant (SÜB IVt
0,820).
11. SUB IVa. S. 208 (14. Jahrhundert).
12. 8. vorletzte Anmerkung.
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mutung nicht unrichtig sein, dass zu dieser Zeit den Übrigen
Handwerken in diesem Kreis ebenfalls der Zunftzwang ver-
liehen war. Für die Zeit der Aufzeichnung des Burggrafen-
weistums war er ja bei diesen allen unzweifelhaft vorhan-
den, was aus jedem der dort aufgezeichneten Rechte schla-
gend hervorgeht. Wir wissen nun, dass die Fasszieher dem
Amt des Burggrafen nach 1263 zaigewiesen wurden, als sie
vom Bischof das Zunftrecht erhielten. Ihre Zunftgründung
erfolgte zwisdien 1263 und 1304, in welch' letzterem Jahre
ihre Trinkstube erwähnt wird,^^ Die übrigen Gewerbe unter
dem Burggrafen haben demnach wohl auch in dieser Zeit
den Zunftzwang gehabt; ja, da um die Zeit von 1263 das
Recht der Cinung allgemein bekannt gewesen zu sein scheint,
wie die besprochene Bäckerurkunde beweist, so hindert uns
eigentlich nichts, auch schon für das Jahr 1263 den vollen
Zunftzwang bei den in dem bekannten Veigleich aufgeführten
Gewerben anzunehmen. Dafür spricht auch noch besonders,
dass nunmehr mit Sicherheit eine gewisse Gerichtsbarkeit-
dieser Zünfte selbst, die wir nocl^i näher kennen lernen wer-
den, im Jahre 1263 vorhanden ist. Aus ihrer Stclhin^ unter
dem Burggrafen geht sicher her\'or, dass ihnen der Bischof
das Recht erteilt hat. Das Burggrafenweistum erinnert an
verschiedenen Stellen an diese Tatsache.**
Als mit dem Zunftzwang ausgestattete Verbände stellen
wir vor 1332 urkundlich noch folgende fest:
Im Jahre 1314 erlässt der Zoller mit den Salzmüttem
eine gewerbliche Vorschriften enflialtende V^rprdtiung.i^. Der
Zunftzwang ist hier mit klaren Worten ausgesprochen. Dass
die Saizmütter erst jetzt in einen Verband zusammengefasst
13. 8. Ifaurer, Geschichte der Stftdteverfassung in
Biftntachluiä II, 8. d8&.
- 14. SUB IV2/S. 216 (Schwertiegerreckt), 8. 216 (Becherer-
ndht).
15. SÜB IVa, Aufseichnungen aber den Zoll S. &l § 9.
— 28 —
4
werden, wird nicht gesagt. Schon im Jahre 1270 haben sie
von dem damaligen Zoller aiisführUche Vorschriften er-
halten;^*' freihch erwähnen diese nichts von einem Verband.
Ein Verband der Fischer hat im Jahre 1315 sicher
existiert, im Jahr 1315, 1316, 1321, 1324 kommt ein magister
piscatomm vor.^' Die Aufzeichnung der Zunftstatuten der
Fis'cher aus dem 14. Jahrhundert enthält den Zunftzwang.'^
Es darf wohl angenommen werden, dass er im Jahre 1316
in den Händen der Fischer war.
Zur Zeit des fünften Stadtrechts bilden die Metzger
einen Verband, denn ein Teil der Strafgelder für Verletzung
gewerblicher Vorschriften, die der Rat im fünften Stadt-
recht erliess, soll den Metzgern zufliessen.^* Der Zunftzwang,
den sie nach dem Schultheissenrecfat aus der ersten Hälfte
des 14. Jahrhunderts^ besitzen, wird wahrscheinlich in die
Zeit des Stadtrechts hinaufreichen.
Ueber die Weber belehrt uns eine Urkunde von 1330.^1
Die Weber wenden sich an den Rat mit dem Verlangen,
dass die Weberinnen „mit ihnen dienen" sollen. Der Rat
bestimmt nun, welche Weberinnen mit den Webern dienen
soHen.s^ Nach Fromm ist in dem Ausdruck „dienen m:f'
ein eigentlicher Zunftzwang nicht ausgesprochen, sondern
16. ebenda B. 228.
17. SUB m, n 806, 842, 964, lOdS.
18. Bruoker, a. a. 0. d. 1H6»
19. 8ÜB IV, S. 26, § 18».
2a ebenda 8. 19a
21. 8T7B H, n 519; auch Keutgen, Urkunden n Ol.
22. . . . weihe yrowen wurketent linnin duoh, es wer»
thischelachen, hantqueheln (Handtücher) oder sidins oder ander
linnin duch, die ensoltent mit den wehem uit dienen.
Weihe aber woltent wullins oder serigen (Decken) oder
Btulachen (Teppiche) wurkeu oder knehte setsen, die soltent
dienen mit den webem.
2». a. a. 0.
— 29 —
nur der Oedanke, dass diejenigen, die mit dem Gewerbe
„dienen**, zu dessen Diensten für die Stadt beitragen müssen.
Wenn nun dieser spezielle Gedanke auch wirklich in diesem
Ausdruck enthalten ist, so wird man ihm doch an unserer
Stelle eine allgemeinere Bedeutung zusprechen müssen; dass
nämlich damit zugleich auch der Zunftzwang ausgesprochen
wird. Diese Auffassung bestätigt eine Stelle aus einer Ord-
nung der Wirte im Jahre 1340, in der es heisst: wer win
umb koste veile het oder win uf den zapfen koufte, der sol
mit den winluten dienen . . . und sol in 10 sol. in ir gemeine
bühse gen, ist er vor irs antwerckes nit gewesen.-' Diese
Worte sagen deutlich, dass mit dem Dienst mit der Zunft der
Eintritt in diese verbunden ist. So wird es sich auch bei
den Webern verhalten. Sie verfügen demnach über den
Zunftzwang.- ' Daraus aber, dass die Leinenw eberinnen der
Zunft nicht beizutreten brauchen, folgt, dass es den Webern
bisher noch nicht gelungen ist, den Zunftzwang ganz in dem
grossen Umfang geltend zu machen, wie sie es wohl
wünschten.
Ueber die übrigen Gewerbe in Strassburg mangelt es
an Nachrichten vor 1332. Jedenfalls aber bestanden diejenigen
als von der Stadtobrigkeit anerkannte Zünfte, die im Jahre
1332 Vertreter in den Rat sandten.^« Denn damit sie zur Ver-
stärkung der politischen Macht der Zünfte Vertretung im
Rate fänden, wurden in diesem Jahre auch eine Anzahl un-
zünftiger Gewerbe in Zünfte zusammengeschlossen.*^ Da
der Zunftzwang in dieser Zeit allgemein bekannt war, so
wird er sich in den Händen aller dieser Zünfte wohl be-
funden haben.
8i. Bmoker, a. a. 0. 8. 686; auch SüB V, n 220.
25. In % 22b des sechsten Stadtreohts von 1822 ist nur
«pesiell an stftdtische Dienste gedacht, da der Artikel die Zuge-
hörigkeit zur Zunft aohon vorausBetst (vgl. S. 87 Anm.
26. s. Heffd, a. a. 0. S. 779 Anm. 1.
27. Clo8ener,a.a. O. S. 126.
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— 30 —
Ueberblicken wir unsere Ergebnisse! Ein allen Zünften
gemeinsames Charaicteristikum stellte sich in der Zeit vor
1332 in dem Zunftzwange heraus. Damit ergibt sich die
Llnrichtitrkeit der Periodisierung Schmollers und Fromms,
was den Punkt des Zunftzwanges betrifft. Der Zunftzwang
ist von Bet^ründung der Zunft an vorhanden. Es lässt sich
auch nirgends die Ansicht belegen, dass bereits vor Er-
teilung des Zunftzwarines der betreffende Verband existiert
habe. Deshalb muss der Schluss gezogen werden, dass die
Zunft um der Ausübung des Zunftzwanges willen begründet
wird. Er ist das spezielle Motiv, das die Handwerker bei
der Begründung eines geschlossenen Verbandes leitete. Mit
ihm als Mittel glaubten die Zünfte die ihnen vorschwebenden
gewerblichen Ziele zu erreichen.
G. Schmoller sagt, das Zunftwesen sei „nationalökono-
misch** überhaupt nicht zu erklären. Diese Ansicht ergibt
sich aus der allgemeinen Anschauung Schmoliers, dass die
Zunft um der Qewerbepolizei und -gerichtsbarkeit willen
begründet worden ist. Für ihn ist das Zunftwesen „nur
zu verstehen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Recht,
der Geriditsverfassung, dem Vtrwaltungsrecht jener Tage.'*
Im Q^ensatz dazu müssen wir gerade sagen: das Zunft-
wesen ist in allererster Linie nationalökonomisch zu erklären.
Durch den Besitz des Zunftzwanges, der die freie Konkurrenz
ausschliesst und die Grundlage wird für die wirtschafts-
politischen Tendenzen der Handwerker, zeigt die Zunft, dass
ihr Charakter vor allem ein gewerblicher ist Demgegen-
über muss es für die ins Leben tretende Wirtschaftsgenossen-
schaft zunächst wenigstens verhältnismässig gleichgültig sein,
ob ihr von der städtischen Obrigkeit gerichtliche Funktionen
, übertragen werden oder nicht. —
Ein Zwangsrecht aber auszuüben, dazu bedarf die Ge-
nossensdiaft der Verleihung durch die öffentliche Gewalt.
Zum Wesen der Zunft gehört deshalb zweitens ihre Be-
stätigung durch die städtische Obrigkeit. In älterer Zeit
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- 31 —
widmet sich der Bischof als der Inhaber der öffentlichen
Gewalt der Ordnung des Qewerbewesens. Wie wir sahen,
legt er die Sorge dafür in die Hände eines seiner Beamten;
dass dieser nicht schlechthin der Burggraf sein kann, sondern
ein anderer Beamter, jedenfalls der Schultheiss, vielleicht
auch der Zoller, die die Sorge für das Gewerbewesen von
Haus aus zu ihrer Amtstätigkeit rechneten, ist oben bereits
hervorgehoben worden. Sicher haben die im Jahr 1263 unter
dem Burggrafen stehenden Zünfte das Recht vom Bischof
erhalten. Sehr wohl möglich ist, dass bis 1263 die Bestäti-
gung der Zünfte überhaupt noch Sache des Bischofs war.
Es kann nicht gesagt werden, dass die Bischöfe die Bildung
von Zünften missbilHgt hätten, besonders da es höchst wahr-
scheinlich ist, dass das erste, aus einer recht frühen Zeit
stammende Stadtrecht schon von Zünften redet. Das Verbot
aller Zünfte, das Kaiser Friedrich II. im Jahre 1232 erliess^^
hatte jedenfalls auf die Entwicklung der Strassburger Zunft-
verhältnisse keinen Einfluss.
Der Rat suchte nun den Einfluss des Stadtherrn all-
mählich zu beseitigen, die Verwaltung ganz in seine Hände
zu bringen. Nach 1263 ist es nur Ausnahme, wenn das
Zunftrecht vom Bischof erteilt wird. Eine Zuweisung der
Zünfte unter die Gerichtsbarkeit des Burggrafen findet —
die Zunft der Fasszieher ausgenommen — hinfort nicht
mehr statt
2. Die Entwicklung der Autonomie,
insbesondere der Qewerbegerichtsbarkeit
Nach Schmoller lässt sich vor der Zeit der Zunftkämpfe
von einer eigentlichen Autonomie der Zünfte nicht reden,
sondern diese entfaltet sich erst seit dem Beginn des Zunft-
2a 0. Franklin, Sententiae curia« regia (1870) 62; auch
Keutgen, Urkunden n 112. Aus dmn V^ot geht Obrigena
auch hervor, dass - eine unbedingte Einigungsireiheit im Mitiel-
alter nicht bestanden hat. '
— 32 —
regiments, nimmt in der Folge/eit einen weiten Umfang
an und wird dann wieder in den Zeiten einer allgemeinen
Reform der Stadtvertassung seit Beginn des 15. Jahrhunderts
vom Rate in ihre früheren engen (jrenzen zurückgedrängt.
— Es fragt sich, ob dieser Prozess wirklich allgemein so
stattgefunden hat.
Mit dem Recht der Einung, des Zunftzwanges, haben die
Zünftt' wahrscheinHch zugleich das Recht erhalten, Versamm-
lungen abzuhalten, in denen die Cjenossenschaft berührende
Fragen und (ieschäfte verhandelt und erledigt wurden. Direkt
fehlt für ihre Existenz in früherer Zeit freilich ein Beleg.
Wenn aber die Bäcker im Jahre 1264 die Gebühren für
•die Mitgliedschaft an ihrer Zunft erhöht haben, wie wir
oben bemerkten, so wird dies eben in einer Versammlung
der Bäcker beschlossen worden sein. Auch aus einem Artikel
des fünften Stadtrechts (Anfang des 14. Jahrhunderts) lässt
sich entnehmen, dass die Zünfte Zusammenkünfte abhielten,
um gewerbliche Ordnungen neu zu verfassen.--' Die städti-
sche Obrigkeit nahm den Zünften den jährlichen Eid ab,
keine neuen Satzungen ohne Erlaubnis von Meister und Rat
aufstellen zu wollen und auch keine verfasst zu haben. VE^r
beobachten dabei, wie es mit der Selbständigkeit der Zünfte
damals bestellt war. Die Verordnungen erlangten Rechts-
kraft erst durch die Bestätigung der städtischen Obrigkeit^o
Natürlich kam in diesen Versammlungen nur ein Teil der
für die Zünfte geltenden Vorschriften zu stände. Der Rat
verlieh selbst den Zünften Ordnungen, entweder aus eigener
Initiativen^, oder wenn die Zünfte sich in streitigen Fällen
zur Entscheidung an den Rat wandten.^^
29. SIJB IV., Rtadtrerht &, § 68 (um 1819).
30. Auch nach 1332 begegnet man der Sanktionierung
.gewerblicher Beschlüsse der ZQnfte durch den Rat; so bei den
Wfinsterheru und Unterkäufeni a. J354 (Süß V, n 3l9;.
31. Bäckerordtiuug von 1870, Brucker a. a* O. S. 86; Ver-
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Freie Hand hatten die Zünfte wahrscheinlich schon früh
hinsichthch der Aufnahme neuer Mitglieder. Es liegen keine
Verordnungen des JRats vor, die seine Beteiligung an dieser
Handlung verrieten. Die Bäcker hatten im Jahre 1264 für
den Eintritt in ihre Zunft ein erhöhtes Eintrittsgield fest-
gesetzt. Es ist anzunehmen, dass sie die Aufnahme selbst-
ständig vollzogen. Aus späterer Zeit sind in den Ver-
ordnungen der Zünfte Bestimmungen enthalten, in welcher
Weise die Aufnahme vor sich gehen sollte. Darüber später.
Die Zünfte hatten Vorsteher, die magistri officiorum oder
antwerckmeister.^^ Wir .wissen ausser von den dem Burg-
grafen untergeordneten fünften nicht, wer diese Meister in
früherer Zeit einsetzte. Diesen gab der Buiggraf die M«ister.3^
Er machte, wie aus dem Buiggrafenweistimi hervorgeht, dies
Recht fast im ganzen 14. Jahrhundert noch geltend, we-
nigstens zum Teil. Er setzte die Meister der Oelleute, Müller,
Küfer, Maler, Schwertfeger, Fasszieher und Becherer ein.^^
Erst im Jahre 1385 setzten es die Küfer durch, dass sie d«n
Meister ihrer Zunft selbst erkoren, den dann der Burggraf
formell einsetzte,^^ wie dies nach dem Burggrafenweistum
schon bei den Schustern und Gerbern, Zimmerleuten und
Schmieden Brauch war,*'
Da die hier genannten Zünfte immerhin sich in einer
besonderen Abhäng^igkeit befanden, die durch bestimmte
Verhältnisse beding war, so braucht nun nicht etwa ange-
nommen zu werden, dass den übrigen Zünften die städtische
Ordnung über den Zunftzwang der Obst verkaufer von 1352,
(SUB V, n 268); Goldachmiedeordnung von 1363 (SÜB V, n 578).
82. EntsoheiduDg Ober den „Dienst** der Weberinnen tod
1880 (SÜB n, n 519).
88. SUB I, n 467, 471 (1261).
84. Eeutgen, Urkunden n 128 § 8 (1268).
85. SUB IVa, S. 208, 206, 209, 218, 214, 216, 216.
86. SUB VI, n 266.
87. SUB IV„ 8. 204, 206.
— 34 —
Behörde, der Rat, die Meister gab. Sie werden wohl von
Anfang an selbstäiidi<^aT g-ewesen sein. Bei der im Jahre
13Ö2 neugegründeten Zunft der I uchscherer war es Brauch,
das.s der Meister und die Geschworenen — wir kommen auf
diese zurück — am Ende ihres Dienstjahres ihre Nachfolg^er
im Amte wählten.''^
Andere Verhältnisse lagen bei den Fischern und Kürsch-
nern vor. Das Fisch meistertum und die an dieses geknüpften
Rechte waren seit alter Zeit als Lehen in fremden Händen.^^
Als der „Obermeister" der Fischerzunft gab der Belehnte
den Fischern einen Untermeister, der für ihn die Gefälle
einnahm.^" Auch die Kürschner wählten ihren Meister nicht
selbständig, wenigstens nicht im Jahre 1368, aus dem eine
Kürschnerordnung vorliegt>^ An der Spitze dieser Zunft stan-
den die Zwölfer, aus deren Mitte der Obermeister der Zunft
hervorging. Dieser setzte einen Untermeister ein, der ihm
schwor, rechtes Gericht zu halten. Das Amt der Zwölfer
war ein vererbliches Recht und ging bei dem Tode seines
Inhabers auf dessen Sohn oder Bruder oder nächsten Ver-
wandten väterlicherseits über. Das Obermeistertum musste
von demjenigen, der von der Majorität der Zwölfer dazu er-
wählt wurde, gewöhnlich mit 60 üb. bezahlt werden und
war offenbar ein recht einträgliches Amt Die Entwicklung
zu solchen Verhältnissen bei der Kürschnerzunft liegt im
Dunkeln. Diese Zwölfer sind wahrscheinlich, gleich wie die
schon erwähnten duodecim offidati inter pellifices, identisch
mit den zwölf Kürschnern des ersten Stadtrechts, die für
den Bischof Felle in Mainz und Köln zu kaufen und zuzu-
bereiten hatten. An Aemter im Sinne eines Ausschusses wird
38. Srhrnoll. r. Tucher- und Weberzunit, Urkunden (Abkürz.
Schm., Urkuiideiv n 11 (13ü2).
39. iini. k<"r. a. n. 0. S. lUüff (1392),
40. ebenda S. 200.
41. ebenda ö. 322 (1368).
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— 35 —
man mit grösserer Sicherheit erst im Jahre 1240*- denken
können. Damals nun war an die Würde eines Zwölfers
der Besitz eines Grundstücks geknüpft, das die Zwölfer ge-
meinsam besassen. Die Zinse von diesem in Erbleihe ge-
gebenen Grundstück fielen den Zwölfern und ihren Nach-
folgern im Amte zu," Im Lauf der Zeit ward die Zwölfer-
würde erblich. Diese Entwicklung ist um so leichter erklär-
lich, als das Kürschnergewerbe selbst von Mitgliedern mäch-
tiger Geschlechter der Stadt betrieben wurde,^^ die sicher
auch in der Zunft ihrem Ansehn den gehörigen Nachdruck
zu verleihen wttssten und bald eine führende Stellung in der
Zunft einnehmen mochten. Näheres lässt sich leider nicht
sayfen. Im Jahre 1368, aus dem obige Urkunde stammt, trie-
ben die Zwölfer vermutlich nicht mehr alle, wie früher das
Kurschnergewerbe, da das Amt sich in der Familie vererbte ;
man musste sonst annehmen, dass in den Familien meist
immer derselbe Beruf gewählt wurde.
lieber den Stand der Zunftvorsteher in der ältesten
Zeit ist nichts bekannt. Aber schon im Jahre 1237 ist ein
Meister der Kürschner als Kürschner erweislich.^'' Im Jahre
1263 setzte der Burggraf über die ihm untergeordneten Zünfte
Meister, die das Gewerbe ihrer Zunft betrieben.'" Wir neh-
men an, dass die Vorsteher der übrigen Zünfte ebentalls
Handwerker zu dieser Zeit gewesen sind.
42. SUß I, n 268.
4S. ebenda.
44. 8. SÜB IV„ S. 211 (1240). Hier finden sich unter den
duodecim inter pellifices Mit;];lieder der Geschlechter Vimekom, '
Bebstock, Hapeneiii Sluch, Saarburg Haxvilius.
45. Urkunde von 1237, Straseburger Stadtordnaugen Band 13
fol. 98 (unjfedruckt).
4G. ebenda: desgl. ;i. 1240 fSÜBl n 268, SUB 1V„ S. 211);
vgl. ZGOKh., N. F. 14. S. 152. . .
4V". Keutgeii, Urkunden u 12Ö, § 3 (1263).
5*
— 36 —
Die Wahl der ( iescliw orenenausschüssc, auf die wir
an anderer Stelle noch ausführlicher zu sprechen kommen,
ging da, wo sie erwähnt wird,^^ selbständig von der Zunft
aus. In diesem Punkt waren auch die Burggrafenzünfte zum
Teil freier gestellt. Die Geschworenen der Küfer wählten
am Schlüsse ihrer Amtszeit die neuen (Ksc hw orenen.
Bereits im Anfang des 14. Jahrhunderts war, wie aus
dem Stadtrecht von 1322 zu ersehen ist, ein eignes Finanz-
wesen in den Zünften vorhanden.**^ Der Besitz von Kassen
war bei den Zünften allgemein. Da nirgends die Einnahmen
sofort verausgabt worden zu sein scheinen, so müssen die
Kassen permanent gewesen sein. In die Kassen flossen..zu-
nächst wahrscheinlich die Eintrittsgelder, mitunter nur zum
Teil ; denn der Burggraf erhielt von den neu aufgenommenen
Mitgliedern einiger, ihm untergeordneter, Zünfte einen Teil
der Eintrittsgebühren.^*^ Ferner fielen die Bussen, aus den
Zunftgerichten den Zunftkassen zu.^^ Auch Oeldsammlungen
konnten veranstaltet werden. Ueber diese aber führte der
Rat ein strenges Aufsichtsrecht; ohne seine Erlaubnis
durften die Zünfte eigne Sammlungen nicht vornehmen.^'
Der Rat genehmigte sie übrigens auch nur in besonderen
Fällen: vellet dehein antwercke in schulde von unsere stette
wegen oder sust zu irer notdurft.^' Ueber eine vom Rat
48. Ordnung der Tnchscherer von 1862 (Schmoller, Urkunddo
n 11); Ordnung der Uaurer von 1438 (Brucker, a. a. 0. S. 841);
der Käfer von 1395 (ebenda S. 314).
4d. SUB IV2, VI. Stadtrecht § 16.
50. sn z. B. von Oelleuteii, Schustern und Gerbern, Zimmer-
leuteii, Mallem, Küfem, Snhwertfegeru, Beoherem (SUB IVt,
8. 202 ff :.
51. Voglerordiiunf: (14. Jahrhundert) (ßrucker a. a. 0. S. 182)»
52. SUB IVo, VI. Stadtrecht § 16 (1322); Wirtorduungen
von iRrncker a. a. O, S. 535).
53. fc>UB IV2, VI. ötadtrecht § 16 (1322).
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festgesetzte Summe hinaus durfte die Sammlung nicht tort-
gesetzt werden.^
Zur Zeit der Abfassung des ersten Stadtrechts übte der
Burggraf eine nicht mit dem Banne ausgestattete Gerichts-
barkeit Uber eine Anzahl von Gewerben aus. Der Friedens-
vertrag von 1263 9^ zeigt, dass eine Entwiciclung in den
Machtbefugnissen der dort genannten Handwerke eingetreten
ist: die Meister der Schuster und Gerber, Zimmerleute, Kfifer,
Oelleute, Schwertfeger, Müller, Schmiede, Schilter und Sattler
üben eine Gerichtsbarkeit aus in Sachen, „die das Handwerk
angehen/'
Dieses Stuck otteiitlicher Gewalt, das die Zünfte be-
sessen haben, ^ilt es genauer /.u beschreiben. Es handelt
sich dabei um eine Frasi^e von grundleei^ender Bedeutung.
Schmolier will in dem Besitz der Zunft- sne/ieü der (lewerbe-
gerichtsbarkeit den Mittelpunkt der Rechte der Zunft sehen.
Es muss nun (bleich hier bemerkt werden, d.iss, selbst
wenn ui Strassburg alle Zünfte eine gewisse (iew i tIhl^c! ichts-
barkeit gehabt hätten, Schmollers Auffassung nicht richtig
sein würde, da sie ihnen in anderen Städten ganz oder we-
nigstens lange Zeit fehlt. In Bremen waren bis 1273 die
Zünfte ohne Gerichtsbarkeit;''*^ in Lübeck war eine Gewerbe-
gerichtsbarkeit überhaupt nie in den Händen der dortigen
Acmter.**'
Ausser den Zünften, die in Strassburg unter dem Burg-
64. ebeuda.
66. Keutgeri; Urkunden n 128 § 3.
66. ebeuda: der (meistel') «nsol ouch uut anders rihten,
nuwen das das antwerg angat
67. Schmolier, Zunftkämpfe S. 8; vgl. G. v. ßelow, Hiatoriache
ZeiiMchnft 68, 8. 236, auch iVomm, a. a. 0. S. 21.
68. Historische Zeitachrih 68, S. 226.
59. 8. neuerdings Höhler, Die Anf&nge de« Handwerke in
Lübeck. Tfibinger Dissertation 7. 1908, S, 88.
— 38 —
grafen standen, lässt sich nur wenigen vor der Zeit der
Zunftherrschaft eine (lerichtsbarkeit mit einiger Sicherheit
zuschreiben. Die Weber besassen eine solche vermutlich
schon längere Zeit, bevor im Jahr 1361 der Rat verordnete^
daz daz antwerk der weber sullent ir gerihte haben vor
eime stettemeister alse es von alter harkommen ist.*^" Die
Weber hatten danach ein besonderes Gericht, in dem j|i
früherer Zeit der Stadtemeister den Vorsitz führte.
Wir können auch vielleicht eine gewisse Zunftgeridits-
barkeit bei den Metzgern annehmen, die einen Teil der
Strafgelder für gewisse gewerbliche Vergehen erhielten.*'}
Sehr fraglich ist die Existenz einer Gewerbegerichtsbar-
kei^ bei der Backerzunft Aus einer vom Rate gegebenen
Ordnung des Jahres 1370^ wissen wir, dass der Städte-
meister oder vier Geschworene des Rates mit dem Brot-
bäckermeister und Geschworenen des Handwerks die Brote
alle Tage beschauen. Es besteht eine Gewerbepolizei für
die Zunftbeamten, während die Strafgerichtsbarkeit all^n
dem Meister und Rat zukommt, Strafgelder fallen für ge-
werbliche Vergehen an die üngeitkasse und Ratsleute. Von
dieser Verordnung nimmt Fromm ''-^ an, dass durch sie eine
vorher vorhandene Autonomie, d. h. besonders eine Zunft-
gerichtsharkeit bebciii^t wurde. Wir kommen noch ausführ-
lich auf die Anschauung Fromms zurück; hier sei nur be-
merkt, dass mu keinem Worte in der Ordnung einer früheren
Gerichtsbarkeit der Bäeker ijedaeht wird. Es handelt sich
hier nur um ein Verbot willkürlich gefasster Beschlüsse der
Bäeker. Eine Zunft braucht eine eigne Gerichtsbarkeit gar
nicht zu besitzen, wenn sie selbständige Beschlüsse in ihren
Versammlungen fasst. Wahrscheinlich hat also die.Bäck^r-
60. Schmoller, Urkunden n 9.
61. SUB IV^, V. Stadtrecht § 18 (vor 1311).
62. Brucker, a. a. 0, S. 86 L
63. a. a. 0. ti,- 21.
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zunft bei ihrem ersten Auftreten im Jahr 1264 eine Gewcrbe-
gerichtsbarkeit nicht besessen, da eine solche auch später
nicht nachweisbar ist.
Seit wann besteht nun aber die Gerichtsbarkeit der
Burggrraf enzünite ?
Die Qerichtsbarkeit» die der Burggraf im ersten Stadt-
recht über die Handwerker ausübte, si quid deliquerint in
offidis suis, besitzt er im Jahre 1263 nicht mehr. Nun wissen
wir, dass er für seine ihm unterstellten Zünfte die höhere
Instanz bildet^ Es ist deshalb wohl anzunehmen, dass der
Burggraf die ihm zustehenden Rechte an die Vorsteher der
Zünfte abgetreten hat<^ Wir werden spater noch sehen, dass
der Rai durch seine in den Stadtrechten aufgezeichnete
Vorschriften seine Hoheitsrechte und Gerichtsbarkeit Ober
gewerbliche Vergehen auch über die Zünfte des Burggrafen
geltend macht. Daraus folat, dass der Burggraf nicht ein-
mal über die ihm untersteilten Gewerbe betreffs der Gewerbe-
ordnung die Hoheitsrechte in vollem Umfang besitzt. Es
stimmt damit zusammen, dass er im ersten Stadtrecht keinen
Bann hat, sondern nur eine Gerichtsbarkeit niederer Art
ausübt. Da sich nun im Jahre 1263 die vom Burggrafen ge-
erbte Gerichtsbarkeit der Zünfte als eine Zunftgerichtsbarkeit
herausstellt, so wird wahrscheinlich die Gerichtsbarkeit des
Burggrafen im ersten Stadtrecht ebenfalls bloss den l'mlang
einer Zunftgerichtsbarkeit gehabt haben, die der Bischof ge-
schaffen und dem Burggrafen als seinem Beamten über-
tragen hat.®*^
Diese Annahme stimmt mit der Ansicht zusammen, die
64. SUB IV^ Baiggrafenweistam S. 206, S04, 206, 21S.
66. «ebenda S. 203, von den Oelleuten: Der Bai^graf setit
einen sum Meister „doch also das der rin reht habe den er
setzet zu meistere".
66. Von Bedeutung ist es, dass der Burggraf in der Piala
des Bischofs Oericbt abhält (I. Stadtrecht a. a. 0. § 46).
— 40 —
wir über die Existenz von Zünften im ersten Stadtrecht oben
vorjretr;jtj;eii hnben. Freilich eine nur wahrscheiniiche, ist sie
immi-rhiii l^hi ii^iiet, die Stellunjf der Burgj^rafenzünfte all^^e-
mein zu charakterisieren. Dass diese schon in verhältnis-
mässii;^ truher Zeit sich einer eignen ( jerichtsbarkeit erfreuten,
während andere Zünfte, die zu derselben Zeit bereits
existierten, wie die Bäcker, eine solche nicht besassen, lag
eben an der eigentümlichen Stellung» die sie seit früher
Zeit einnahmen. Der Erwerb eigner Gerichtsbarkeit wurde
gerade ihnen deshalb leichter gemacht, weil eine solche für
sie schon vom Bischof geschaffen und einem besonderen
Richter übertragen war. Als der Rat später die Verwaltung
der Stadt an sich nahm, gab er seine richterliche Gewalt
nicht so bald aus den Händen. Die nun einmal neben der
übrigen selbständig stehende Gerichtsbarkeit des Burggrafen
vermochte er nicht an sich zu reissen» denn der Bischof be-
hielt über sie lange Zeit noch einen gewissen Einfluss. Der
Rat hielt auch nicht den Prozess auf, als die Zünfte die dem
Burggrafen zustehende richterliche Gewalt selbst an sich
rissen.
Wenn wir nun bei den Burggrafenzünften eine Zunft-
gerichtsbarkeit annehmen, noch bevor der Zunftzwang dieser
Zünfte erwähnt wird, so nähern wir tms doch nicht der
Schmollerschen Anschauung, nach der die Qewerbegerichts-
barkeit in den Mittelpunkt der Zunftrechte zu stellen ist.
Denn was uns überall von den Zünften Strassburgs, die
nicht unter dem Burggrafen standen, zuerst entgegentritt,
ist lediglich der Zunftzwang.
Wir können nun aber aus unserer Ueberlieferung sogar
erkennen, welches von beiden Momenten die Zünfte selbst
stärker betonten, den Zunftzwang ockr die Zunftgerichts-
barkeit. Wie wir oben sahen, suciiten die \X\ber im Jahr
1330 den Weberinnen gegenüber den Zunftzwang geltend
zu machen und w andten sich, um dies durchzusetzen, an den
Rat. Es lag ihnen alles an dem „Dienst" der Frauen mit
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der Zunft, der Wunsch, über sie die üew erbegerichtsbar-
keit auszuüben, steht ganz im Hintergrund. Wir sahen ferner,
dass gerade das „jus, quod didtur einuiig", welches uns in
der Bäckerkunde von 1264 zum ersten Mal begegnet und
uberall später als das wichtigste Recht der Zünfte erscheint,
den Zunftzwang bedeutet. Hiemach kann es gar kein Zwei-
fel sein, dass die Zünfte auf den Zunftzwang den meisten
Wert legten, und wir sehen, wie unsicher es ist, der Gerichts-
barkeit der Zünfte eine so hohe Bedeutung für die Erklärung
<ies Wesens der Zunft beizumessen, wie Schmoller es tut.
Wenn wir nun ein ungefähres Bild der von den Zünften
besessenen Qewerbegerichtsbarkeit gewinnen wollen, so sind
die Quellen vor 1332 nur geeignet, die Grenzen dieser ge-
richtlichen Kompetenzen o^e^T^cnüber der üewerbegerichts-
barkcit des Rdtes erkennen zu kisscii. in der Tat ist die
Zahl der gewerblichen Vorseiiriften des Rates in den stadt-
rechtlichen Aufzeichnungen eine nicht geringe. Schon das
zweite Stadtrecht aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts""''
enthält eine Anzahl gewerblicher V^^rschriften, deren Ver-
letzung der Gerichtsbarkeit des Rates unterliegt. Indem wir
die Vorschriften für die Weber über die Breite der Tücher
56), für die Metzger (§ 36), die Schiffleute (§ 35) liber-
gehn, da sich für diese (iew erbe eine ( )rgniiisntinn in Zünften
noch nicht nachweisen lässt, eriiuiern wir daran, dass der
Rat für die Wirte, die im ersten Stadtrecht der Gerichtsbar-
keit des Burggrafen zugeteilt sind, ausführliche gewerbliche
Bestimmungen erlässt, deren Verletzung er seinem Gericht
vorbehält.*'^ Diese Bestimmungen kehren in den späteren
Stadtrechten unverändert wieder.*»^
Das fünfte Stadtrecht zeigt noch eine ausgedehntere
67. Eeutgen, Urkunden n 127.
68. ebenda, §§ S7, 48, 44.
69. SÜB IV» IV. Stadtreeht (1270—1276) §§ 46, 49, 60;
V. Stadtrecht (vor 1811) § 37.
— 42 —
Tätigkeit des Rates auf dem ( iebiet des ( icw erbewesens. Er
trifft Bestimmungen für die Metzger,"" die den Verkauf des
Viehes in der Stadt regeln und zieht Vergehungen dagegen
vor sein Gericht. r3en Bäckern wird bei Strafe von 30 sol.
verboten, Brot zu „erlesen". Eine ganze Reihe gewerblicher
Vorschriften findet sich für die Wirte und das Weingesinde.
Der Rat sorgt dafür, dass jeder Wein, der ausgeschenkt wird,
verungeltet wtrd^ dass niemand den Wein venchlfechteH^ dass
nicht zwei Weinleute im Interesse ihres Gewerbes eine Oe>
Seilschaft bilden (§§ 37—40). Er bestraft den Weinrufer,
der den Wirten das Weinausiufen verweigert oder dieses
zu gleicher Zeit für zwei Wirte besorgt (§ 42 i^^)» Gewisse
gewerbliche Vergehen der Fischer gehören vor das Rats-
gericht (§ 43). Interessant, weil sie die Beziehungen der
Burggrafenzünfte zum Ratsgericht erkennen lassen, sind die
gewerblichen Vorschriften des Rates für die Zimmerleute
und Maurer aus den Jahren 1307 und 1322.^2 Der Rat setzt
für Zimmerleute und Maurer den Lohn in den einzelnen
Jahreszeiten fest, verbietet ihnen, um den festgesetzten Preis
einem Bürger die Arbeit zu verweigern. Ueber die Ver-
letzung der Vorschrift richtet ausdrücklich Meister und Rat,
während die „Hüter'' der Zimmerieute und Maurer die Kon-
trole üben und zur Rüge an den Rat verpflichtet sind. LHc
(jewerbegerichtsbarkeit tics Rates dehnte sich also auch auf
die Zünfte, die unter dem Burggrateii eine besondere Stel-
lung einnahmen, aus.
Wir sehen, dass der Rat, seitdem er das Regiment in
der Stadt führte, seine richterliche (jcwalt über die wich-
tigeren gewerblichen Vergehen nicht aus der Hand i^egeben
hat Wenn eine Qewerbegerichtsbarkeit in den Händen
mancher Zünfte ruht, nach den erhaltenen Bestimmungen des
Rates ist sie doch auf ein nicht allzugrosses Mass beschränkt
70. ebenda, V. Starltrecht § la
71. § 51.
72. ebenda, § 20 und VI. Stadtrecht (1822) § 4d9 a-f.
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Auch noch nach anderen Seiten müssen wjr dort, vvo*
den Zünften eine riphterliche. Gewalt zugekommen ist, eine
Grenze ziehen. Die Handwerker, soweit sie Zünften ange«
hörten, wurden in diesen Verbänden vom .Rat zu städtischen
Diensfleistungen militärischer und steuerähnlicher Natur
herangezogen^' Den Zünften stand aber keinerlei richteF-^
liehe Gewalt zu im Falle, dass ein Zunftgenosse seinen
Pflichten nicht nachkam. Vielmehr zog dieses Vergehen der
Rat vor sein Gericht und gab den Handwerksvorstehem nur
eine Kontrole und Rügepflicht über diese Dienstleistungen
in die Hand.
Indessen hat sich der städtische Zoller gewisse Rechte
der Zollverwaltung vor Eingriffen des Rates sicherzustellen
gewusst, die sich besonders in einer Zoll Verwaltungsgerichts-
barkeit äussern, vor allL*m über die Korn- und Salzmasse/*
Die gewerbliche Gerichtsbarkeit über die Zunft der Salz-
mutter befindet sich ganz in seiner Hand. Die Salzmütter
selbst üben eine Oewerbepolizei aus, im Auftrag des Zoliers
halten sie eine Schau ab über die Aichung der Masse, üben
Kontrole über unreellen Verkauf der Salzsorten, das jMischen
der Salze, den Handel Unzünftiger mit Salz.?^ Es besteht
für sie eine Rügepflicht an den Zoller. Weim der Zoller
zu Gericht sitzt, „daz daz antwerg von saltzes wegen angat",.
so haben die Salzmütter auf sein Verlangen Urteil zu.
sprechen.
Zur Vervollständigung des Bildes von der Zunftgerichts-
barkeit in Strassburg in der uns bescliäftigenden Periode
sind wir. da die Quellen vor 1332 versagen, auf die Nach-
richten der Folge/eit angewiesen. Hier taucht nun aber
gleich die Frage auf: ist nicht infolge des Umsturzes der
78. SÜB IVo, VI. Stadtrecht (1322) § 22 c
74. SUß Zollerrecht S. 222.
76. ebenda, S. 229 (Mitte des 14. Jahrhunderts).
— 44 —
bisherigen Verfassung durcli die Zünfte im Jahr 1332 und
der nunmehr aufgerichteten Zunfiherrschaft eine Erweiterung
der zunftierlschen Autonomie überhaupt, daher auch der ge-
richtlichen Kompetenzen der Zünfte eingetreten, so dass wir
aus den Nachrichten der nun folgenden Periode gar keine
Ansicht von den früheren Verhältnissen gewinnen können?
Diese f^rage ist von Schmoller bejaht worden,^** und Fromm
hat sich der Ansicht Schmollers angeschlossen.?« Nach ihnen
weist die der Verfassungsänderung von 1332 folgende Periode
einen hohen Stand zfinftlerischer Autonomie auf. Die Zün<te
erhöhten die Eintrittsgelder selbständig, machten Schulden,
erhoben Steuern, erliessen besonders aber selbständig Ord-
nungen gegen Ende des 14. Jahrh. und handhabten die Gewerbe
polizei, wie es ihnen passte. Diese Emanzipation der Zünfte
von der städtischen Obrigkeit soll sich auch darin zeigen,
dass nunmehr der Einfluss des Städtemeisters sank und sein
Gericht umgangen wurde, die Macht des Ammanmeisters —
wir kommen auf ihn später zurück — , der infolge seiner
jetzt gänzlich veränderten Amtsstellung ein Hort der Zünfte
war, dadurch stieg, dass die Zünfte sich zur Bestätigung ihrer
Ordnungen an ihn wandten. Dadurch mochte ein Missbrauch
der Gewerbegesetzgebung im Interesse der Zünfte leicht
bedingt sein."** Diese (grosse Autonomie begann in den
dreissiger Jahren des 15. Jahrhunderts, nach Fromm schon
in den sieben/iger Jahren des 14. Jahrhunderts durch die
uicder mit grosser Liirt^ic autLiciioinmene Gewerbegesetz-
gebung des Rates beseitigt /u werden.
niese Entwicklung der Autonomie der Zünfte wollen
wir an den Quellen prüfen.
Wir betrachten zunächst die von Schmoller selbst nicht,
aber von Fromm für seine Ansicht angeführten Fischerord-
16. SchoioUer, Zunltkdmpfe B. 40 ff.
77. a. a. O. S. 20 ff.
7U. vgl. die ausiQhrliehe Darstellung bei SchmoUer, ebenda
■B. 40 ff und „Str. Tudier* und Weberzft.", S. 40O.
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niingen aus dem 14. Jahrhundert, eine ( lesamtaufzeichnung"
der Vorschriften, die die Fischer ,,in oftencfii (»edinge" be-
schlossen haben und hahen wollen.'''' Die Bestimmungen
betreffen die das gewerbliche Leben verlet/enticn Vergehen
bis ins Einzelne und enthalten wahrscheinlich ein gutes Stück
Gewohnheitsrecht. Ein gewisser Fortschritt ist freilich darin
zu erkennen, dass die Ordnung durch die Beschlüsse der
Zunftversammhing zu stände kam, ohne vom Rat ihre Be-
stätigung zu finden. Aber was den Inhalt dieser Aufzeich-
nung betrifft, so ist doch möglich, dass die hier genannten
Bestimmungen schon längst praktisch gehandhabt wurden.
Dass die Gewerbegerichtsbarkeit dieser Zunft sich erst mit
Anbruch der Zunftherrschaft entfaltet habe, kann man ohne
weiteres nicht annehmen.
Wie aber aus andern Berichten hervorgeht, war die-
Autonomie der Fischer überhaupt nicht so bedeutend, dass-
diese Zunft als typisches Beispiel einer hochentwickelten
' Autonomie angeführt werden könnte.
Es ist bemerkt worden, dass das Fischermeistertum seit
iruhcn Zeiten als Lehen vergeben war. Dieser Zustand be-
gegnet uns unverändert noch im Jahr 1390. In diesem Jahr
belehnte Hannemann von Schönau, ein Edelknecht, den Wil-
helm von Mülnheim mit dem Fischermeistertum und dem
Fischergericht und mit allen Rechten und Gefällen, die an
diesen Besitz ,,von alters her" geknüpft waren. In dem
Belehnten sahen die Fischer ihren „Obermeister**, der ent-
weder selbst seine Rechte geltend machte und die Gefälle
einnahm oder damit einen „unteren" Fischermeister betraute.
In des Obermeisters Hof wurde Recht gesprochen, wobei
wahrscheinlich der Obermeister den Vorsitz führte, und Ver--
Sammlungen abgehalten. Der Obermeister empfing den
79. Brucker, a. a. O. S. l66 ff.
80. ßrucker, a. a. O. S. 199 ff.
— 46 —
grössten Teil der Gebühren für Erteilun^^ des Zunftrechts.^i
Wer das Zunftreclit neu gewann oder wer es auf das Urteil
der Geschworenen hin verlor, hatte es bei dem Übermeister
zu fordern. Die Gefälle aus dein Zunftgericht gehörten dem
Obermeister zu, doch ist nicht klar zu ersehen, ob sie ihm
alle zufielen.^^
Aus dem Gesagten ergibt sich ein nicht allzu günstiges
Bild von der Selbständigkeit der Fischer/unft.
Nun haben auch noch andere Zünfte selbständig Ord-
nungen erlnssen, die man für die Schniollersche Auffassung
anführen konnte, so die Weinrufer und Weinmesser im Jahr
1355.^'' Allein die Artikel dieser Ordnung entrollen keines-
wegs das Bild einer Autonomie von weittragender Bedeutung.
Schnioller führt nun hauptsächlich die Urkunden derTextÜ-
gewerbe für sich an. In den Jahren 1348, 1356, 1390 schlössen
die Weber selbständige Verträge mit auswärtigen Ge-
werben.^^ Dies sind jedoch nur vereinzelte Fälle. Oerade
die bei Schmoller abgedruckten Weberurkunden zeigen doch
auch wieder, dass solche selbständigen Handlungen in der
vorliegenden Periode nicht jederzeit vorgenommen wurden.
Denn es sind genug Urkunden vorhanden, aus denen die
Beteiligung der stadtischen Behörden an den Geschäften
der Zünfte deutlich zu ersehen ist.^^
Wenn nun Schmoller glaubt, dass die Autonomie der
Weber vom Rat im 15. Jahrhundert wesentlich beschrankt
wurde, so können wir gegen ihn anführen, dass sich auch
später noch selbständige Verträge der Weber finden, so
im Jahre 1465 ein Vertrag der Tucher- und Weberzunft mit
•den Oerbern.^^
8t. ebenda 8. 200.
82. ebenda.
83. Brucker, a. a. 0. S. 519.
84. Srhrnoller, Urkuiuieii n 4. 6, 15.
85. « l.f^iHla n r, (1350), n 10 (1361), n 17 (1396) etc.
86. ebenda n 34.
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Es ist niui auch für Schmoller ein vvichtigfes Arg:ument,
dass der Ammanmeister so oft die Instanz bildete, vor die
die Gewerbe ihre Angelegenheiten brachten. Dies habe bei
der Stellung dieses Beamten zu den Zünften leicht zu einem
Missbrauch seiner Amtsgewalt und zur Begünstigung der
Zünfte geführt. Die Zünfte hätten das Gericht des Stadte-
meisters umgangen. — Gegen eine solche Annahme lassen
sich jedoch Bedenken erheben. Erstens lässt sich ein Miss-
bmuch der Amtsgewalt seitens des Ammanmeisters schwer-
lich nachweisen. Zweitens wurde die Instanz von Meister
und Rat keineswegs umgangen, ja in einigen Fällen über-
wies der Rat sogar die Zünfte der Instanz des Amman-
meisters, und dieser bestätigte Ordnungen und schlichtete
Streitigkeiten im Namen des Rates. So war es der Fall,
als die Tuchscherer im Jahre 1401 ihr Euitrittsgeld erhöhten,
die Küfer im Jahre 1395 unter sich uneinig waren.^^
Der Einfluss des Rates auf die Gewerbegesetzgebung
ruhte überhaupt nicht in der Zei^ von der Schmoller das
Bild einer mächtig entwickelten Autonomie zeichnet
Das beweist eine ganze Reihe von Zunftordnungen aus
dieser Zeit.
Die im Jahre 134Q für die Wirte aufL,re/eichneten Artikel
sollten solange gelten, als der Rat nicht an ihnen etwas zu
andern fand. Bei der Erwähnung der Oeldsammlungen
dieser Zunft wird die Voraussetzung gemacht, dass solche
nur mit Erlaubnis des Rates stattfinden.****
fm Jahre 134 bestätigte der Rat eine Ordnung für
die Weinstecher und Unterkäufer fünf Jahre später
schlichtete er einen Streit zwischen den Wirten einer- und
den Weinrufern und Weinmessern andererseits, wobei er
87. SchmoUer, Urkunden n 20 (1401); Bruoker, a. a. 0.
8. 812 (1395).
88. Bruoker, a. a. 0. S. 685.
89. SUB V, n 819.
— 48 —
alle früheren Ordnungen dieser Zünfte beseitigte und ihnen
neue Bestimmungen erteilte.^^
Die Tuchscherer erhielten vom Rat im Jahr 1362 eine
Reihe Artikel.»^
Im Jahre 1377 Wessen sich die Schuster ihre Beschlüsse
vom Rat bestätigen.^*
Eine Schlichtung von Streitiglceiten der Schuster und
Gerber durch den Rat liegt aus dem Jahr 1382,^3 eine Ent-
scheidung über die Verlcaufsstände der Fischer aus dem
Jahr 13849* vor.
Die Kistner, Wagner und Drechsler Hessen im Jahr
13Q8, nachdem sie bereits den Streit unter sich geschlichtet
hatten, sich ihren neu zu stände gekommenen Vertrag vom
Rat bestätigen.^*^
Aus diesen Beispielen geht hervor, einen wie grossen
Anteil der Rat an der Gewerbegesetzgebung hatte!
Wäre Schmollers Anschauung richtig, so m issten auch
die dem Burggrafen untergeordneten Zünfte den mächtigen
Aufschwung der Zünfte mitgemacht haben. In Wahrheit ist
es aber zu einer grösseren Entfaltung der Autonomie dieser
Zünfte nicht gekommen. Ihre Abhängigkeit in gewissen
Punkten vom Burggrafen ist in der Folgezeit bestehen ge-
blieben. Der Burggraf behielt das Recht, die Meister der
ihm untergeordneten Zünfte einzusetzen; /um Teil hatten
die Zünfte nicht einmal das Recht, dem Burggrafen den
90. ebenda n 503.
91. Schmoller, L"^rkund6n n 11.
92. Süß V. n 1302.
93. SUB VI, n 116.
94. ebenda n 1G5.
95. SUB VI, II 1426.
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- 49 -
Meister vorzuschlagen.?^ Die Küfer brachten es erst im Jahre
1385 dazu.»?
Wie angesehen die Stellung des Burggrafen den Zünften
gegenüber, war, ist vor allem aus den Einnahmen und Ab-
gaben zu ersehen, di« ihm von selten der Zünfte zuflössen.
In den Aufzeichnungen .des Burggraf enrechts»^ lesen wir,
dass der Buiggraf von fast allen diesen Zünften einen Teil
der Gebühren für Erteilung des .Ziuiftrechts an neue Mit-
glieder empfing. Bei Küfern und Schwertfegern erhielt er
sogar den Löwenanteil^^ Die Mehrzahl der Zünfte leistete
ferner zu bestimmten Zeiten des Jahres Abgaben, meist in
Geld, an den Burggrafen. Besonders interessant sind Pflicht-
leistungen von Küfern und Fassziehem. für den Burggrafen.
Die Küfer mussten nach einer Ordnung des Jahres 1385^^
zwischen den beiden Messen (15. August bis. 8. September)
alte und neue Fässer, deren er für die Weinernte bedurfte,
dem Burggrafen binden, wobei der Burggraf das Material
lieferte und die Küfer mit Essen und Trinken versah.
Aehnliche Pflichten haben sich bei der i asszieherzunft er-
halten. Die Fasszieher waren angewiesen, in der Zeit vom
26. September bis zum 21. Dezember dem Bischof selbst und
dem Burggrafen den Wein auf- und abzuladen.
An diesen Abgaben und Leistungen erkennen wir deut-
lich, dass diese Zünfte in ihrer Autonomie noch keine be-
sonderen Fortschritte gemacht haben.
9G. SUB Burggrafenrecht S. 203 ff (Mitte dos 14. Jahr-
hunderts).
97. Süß VI, n 256.
98. SUB IV«, S. 208ff.
99. ebenda S. 206, 218.
100. SUB VI) n 256; auch in SUB IV^^S. 208 (Mitte des
Ii.' Jahrhunderts^.
101. Tgl. dazu L Stadtrecht (Kentgen, a. a. 0.) § 118.
102. SUB IV», S. 215 (Burggrafenreoht).
- 50 -
Auch im Gerichts- und Polizeiwesen der Zünfte zeigen
sich die Reste der Amtsgewalt des Burggrafen noch in der
Zeit der Zunftherrschaft. Was die Gewerbepolizei betrifft,
so war 'der Burggraf oder dessen Bote hauptsächlich dann an
ihr beteiligt, wenn <lie Zünfte gegen die ein Handwerk uner-
laubter Weise ausübenden Unzünftigen vorgingen.^^^ Ent-
weder schritt dann der Burggraf selbst ein oder es geschah
dies durch die Zunftvorsteher im Verein mit dem Boten des
Burggrafen. Bei den Oelleuten fielen die konfiszierten
Waren zur Hälfte an den Burggrafen, bei den Käfern
tdlten sich Zunft und Burggraf in die Waren und das Hand-
werkzeug, bei den Schwertfegern i*'® empfing der Burggraf
•das Ganze zu seiner freien Verfügung.
Bei einzelnen Zünften war dem Burggrafen ein Teil der
Oerichtsbussen gesichert. Um Fälle herauszugreifen, so er-
hielt er von den Oelhändlem die Hälfte der Busse, die ein
Unzünftiger wegen unerlaubten Betriebs des Handwerks zu
zahlen hatte,i<>7 bei den Müllem und Schustern ^^^^ hatte
-er einen Anteil an bestimmten Bussgeldern.
Natürlich fiel dem Burggrafen immer dann ein Teil der
Bussen zu, wenn er selbst zu Gericht sass.ii<>
Wir gelangen zu dem Eigebnis, dass eine Entwiddung
der Burggrafenzünfte im Sinne Schmollers im Lauf des 14.
Jahrhunderts nicht stattgefunden hat. Am Ende des 14. Jahr-
hunderts war die Stellung dieser Zünfte wesentlich dieselbe,
wie früher. Infolge des Einflusses, den der Burggraf auf
l06. ebenda paasim.
104. ebenda S. 208.
105. a 206.
106. S. 214.
107. S. 203.
108. S. 207;8.
109. 8. 204.
110. S 204 (Schuster- und aerberrecht); S. 21d (Meier- uod
Sattienecht).
— 51 —
ihr gewerbliches Leben hatte,ii^ machte die Autonomie der
ZJSokiit keine Fortschritte.
Die Schmollersche Auffassung ist nun in etwas einschrän-
kender Weise auch von Fromm vorgetragen worden. Auch
naLli ihm ist der Stand der /ünftlerischen Autonomie in der
ersten Zeit der Zunftherrschaft ein ziemlich hoher gewesen.
Ihr Rückgang erfolgte aber schon seit den sechziger Jahren
des 14. Jahrhunderts. Fronmi zeigt indirekt an den seit
dieser Zeit vom Rat erlassenen Ordnungen, dass früher eine
grosse Autonomie der Zünfte vorhanden gewesen sei, die
mit diesen Ordnungen nun beseitigt wurde.
Gegen die Beweisführung Fromms lassen sich aber eben-
falls, wie ich glaube, Bedenken erheben, zunächst dieselben,
wie gegen Schmoller.
Schon aus den von uns gewonnenen Resultaten geht her-
vor, dass es sich in den von Fromm angeführten Ordnungen
nicht lim die Beseitigung einer grossen Autonomie handeln
kann. Wir wollen aber aus diesen Ordnungen selbst fest-
stellen, ob in ihnen eine reaktionäre Gewerbegesetzgebung
des Rates vorliegt und ob man aus ihnen auf einen hohen
Stand der Autonomie früherer Zeiten schliessen kann.
Für die Weber wird im Jahr 1361 verordnet,^^^ dass sie
nur vor dem Städtemeister ihr Gewerbegericht haben sollten.
Es wird ihnen zugleich wieder in Erinnerung gebracht, dass
dem Städtemeister ein Anteil an den Bussgeldern gebühre.
Der Zunft werden die Bussgelder, die bisher die Geschwo-
renen eingenommen hatten, wieder gesichert. Die Busigelder
werden in ihrer Höhe herabgesetzt Nach Fromm wird in
111. In einer EOierordnung (1395) wird besULtigt: auch irt
zu wiszende, da8 eime jeglichen burggraven alle sine rehte
behalten sollent ein, als sie von alten siten gewesen eint (Bnioker,
a. a. O. S. 820).
112. a. a. 0. S. 21 fF.
118. SohmoUer, Urkunden n 9.
- ä2 -
dieser Urkunde die Aut()iu)niio der Weber sehr stark be-
schnitten. Allein es handeh sicli hier eij^entHch doch nur um
die Beseitis^ung einiger l 'ebergi iffe, die sich die Weher hatten
zu Schulden kommen lassen. Die eigentliche Autonomie der
Weber bleibt unangetastet.
Ein allzugrosses Mass der SelbstäiidiL^keit hat man übri-
gens vor 1361 den Webern nicht eingeräumt, im Jahr 1350
wird z. B. für sie bestimmt, dass sie selbständige Aenderungen
an ihren Ordnungen nicht vornehmen sollen; dies soll nur
vor dem Ammanmeister geschehen."^
Im Jahre 1370 vernichtet der Rat nach Fromm die Auto-
nomie der Bäckerzunft.^i^ Allein auch hier ist es dem Rat
wohl nur um die Beseitigung einiger Missbräuche zu tun ge-
wesen. Nirgends ist die Rede von einer Zunftgerichtsbarkeit,
die jetzt beseitigt wurde. Die Bäcker haben wahrscheinlich
eine solche gar nie besessen, da sie nirgends erwähnt wird.
Es wird ihnen nur verboten, daz sie abelossent alle die setze
und gebot, die sie under in gemäht habent, die do wider
unser stat oder die gemeinde sint . . . besunder .... die do
sint wider die vorgeschriben stucke.
Uebergriffe dieser Art scheinen übrigens auch vor 1332
öfters vorgekommen zu sein; mussten doch die Zünfte, wie
wir im fünften Stadtrecht lesen, jährlich schwören, keine neuen
Satzungen ohne Erlaubnis des Rates aufsteilen zu. wollen
und auch keine aufgestellt zu haben !^**
Besondere Verhältnisse lagen, wie wir schon sahen, bei
der Kürschnerzunft vor. Deshalb darf die Ordnung von
136811'' nicht für die allgemeine Entwicklung der Strass-
burger Zünfte verwertet werden, wie Fromm es tut. Die
Ordnung zeigt keinen bedeutenden Einfluss der Kürschner
114. Schmoller, Urkunden n 5.
115. ßrucker, a. a. 0. S. 8(J fT.
IIG. SUB IV2, V, Stadtrecht 'vor 1311) § 63.
117. Brucker, a. a. O. S. 322 ff.
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— 53 —
selbst auf die Angelegenheiten ihrer Ziinft — die Leitung
liegt ganz in den Händen der Zwölfer — ; sie enthält aber
durchaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Verhältnisse
früher oder wenigstens unmittelbar vorher günstiger für die
Kürschner lagen.
Fromm führt weiterhin die Metzgerordnungen aus dem
14. und 15. Jahrhundert an. Wir entnehmen ihnen, dass
über die wichtigeren gewerblichen Vergehen der Metzger,
besonders die das Publikum schädigten, Meister und Rat
richteten.^1^ Das war nichts Neues. Denn auch früher schon
zog der Rat, wie aus dem fünften Stadtrecht hervorgeht,
wichtigere Vergehen der Metzger vor sein Ocricht.i*® Ein
Rückgang in den Kompetenzen der Zunft darf deshalb, be-
sonders auch da nichts über die früheren Verhältnisse der
Metzger überliefert ist, nicht ohne weiteres konstatiert
werden.
Im 13. Jahrhundert überliess der Rat seine Gerichtsbar-
keit über die Metzger einer Behörde, die sich aus drei Räten
oder Schötfeln oder Einundzvvanzigern, den sogenannten Hoch-
meistern, und zwei Metzgern zusammensetzte. i'-^ Im Jahr
1483 hielten nur zwei Hochmeister vici tcljährlich vor dem
Rat ein Gewerbegericht ab.^-- Später wurde letzteres dann
auf die Zunftstube der Metzger verlegt.^-^ Urteiler im Ge-
richt waren vierundzwanzig, Geschworene der Metzger-
zunft. ' '
Die Strafgefälle fielen nicht zum grösseren Teil an den
Rat Im Jahr 1435 erhielt die Zunft die Bussen von 10 lib.
118. Brucker, a. a. 0. S. 844 ff.
119. ebenda S. 344.
120. SUß IV«, V. Stadtrecht § 18 (vor 1311).
121. ßrucker, a. a. O. S. 353 (1435).
122. ebenda 8. 354.
123. S. 366.
124. S. 366.
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— 54 —
und darunter allein, die Bussen über 10 üb. fielen zur Hälfte
an den Rat.i-s
Ihre Tätigkeit im eigenen Zunftgericht hat die Metzger-
zunft keineswegs eingebüsst. Denn es wurde den Metzgern
ausdrücklich zugesichert, dass sie' „nach Gewohnheit und
altem Herkommen'' unter sich Gericht halten könnten, so oft
sie wollten.**^
Auch in der im Jahr 1438 den Maurern gegebenen Ord-
nung erkennt man nirgends die Absicht, eine etwa vor-
handene grosse Autonomie beschranken zu wollen. D!e Ge-
werbegerichtsbarkelt, das Finanzwesen der Zunft blieben un-
angetastet
So erkennen wir an der Natur des. überlieferten Materials
im Widerspruch zu Fromm, dass eine Entfaltung der Zunft-
gerechtsamc im grossen Stile ^ar nie eingetreten ist, dass
auch keine Tendenz der städtischen Behörde früher oder
später bemerkbar w ird, den Zünften ihre Selbständigkeit zu
nehmen. Diese Tendenz, die Macht der Zünfte /u begrenzen,
hätte sich doch gerade dann gezeigt, wenn neu begrimdete
Zünfte vom Rat ihr Reciit erhielten. Die Zunft der l uch-
scherer bestand erst seit und in diesem Jahr erhielt
sie eine Ordnung.i-^" Hier hätte der Rat Ja seine Be-
schränkungspolitik zur Anwendung bringen können. Er
räumte aber der Zunft eine auch auf gewerbliche Vergehen
sich erstreckende Gerichtsbarkeit und ein eigenes Finanz-
wesen ein.
Wenn, wie hier nicht, weiter verfolgt werden kann, eine
Gewerbegesetzgebung des Rates in grosserem Stile im 15.
* i * ■
125. S. 352.
126. S. 353 (1435); S. 8^7 (16. Jahrhundert).
127. ebenda S. 389 f.
128. S. 340.
129. Glosener, a. a. 0. S. I4l.
130. Schtn oller, Urkunden n 11.
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Jahrhundert sich unseren Blicken cntroll*^, neue in enger
Verbindung mit der städtischen Behörde stehende Zunft-
behörden ins Leben traten, so sind diese Massnahmen nur
zu verstehen im Zusamineiihanq; mit der nunmehr allge-
meinen Einführung eines straff zentralisierten Beamten-
wesens.131
Indem wir nun quellenmässig festgestellt haben, dass
kein wesentlicher Fortschritt der Autonomie der Zünfte in
der Zeit der Zunfther rscbaft eingetreten ist» sind wir be-
rechtigt, das uns zur Verfügung stehende Material aus
späterer Zeit für eine Zeichnung der Umrisse der von den
Zünften um die Zeit von 1332 besessenen Zunftgerichts-
barkeit zu verwerten.
Die Veigehen der Zunftgenossen, die man der Zunft-
gerichtsbarkeit unterwarf, waren solche, die im Wider-
spruch zu den allgemeinen Grundgedanken geschahen, in
denen die Idee des Zunftwesens hauptsachlidi zum Ausdruck
kam und durch die die Rechtsverfassung der Zünfte in ihren
Grundlagen bestimmt wurde.
Die Zunft wurde erstens betrachtet als ein Amt, das
im allgemeinen Interesse, also vor allem im Interesse des
Publikums bestand und verwaltet werden soUte.^^^ Sorge
dafür, dass dies geschah, trugen nicht allein die Zünfte,
sondern auch der Rat Hess sich den Teil des Qewerberechts,
131. Im Zu8ammoiihang mit dieser neuen Gewerbegeeetz-
gebuiic^ sind «lieh t>§ 375 ff des VI. Stadtrechts, ein Nachtrag
aus dem 15. Jalirhundcrt, wahrscheinlich aus dem Jahr 1485 (die
Artikel 57— 62 im sweiten Tucherbuch (Schmoller, ilrkunden n 28)
im gleichen Wortlaut, wie §§ 375 ff, aus dem Jahr 1485 datiert)
zu verstehen, in denen die Höhe der Einungs- und Stubenrechts-
gelder generell festgesetzt wurde (8UB IVs« 8. 141).
132. Vgl. Gierke, Das deutsche Qenossensehnftsreoht 1,
^. 359 ff.; O. V. Below „Das ältere deutsche Städtewesen und
Bürfrr rhira** in „Monographien zur Weltgeschichte" VI(l89e),
S. 107 flf.
— 56 —
dem der oben ausgesprocliciic Oedankc zu Grunde la<^, ganz
besonders angelegen sein, Rat und Zünfte teilten sich, was
diesen Punkt betrifft, in die (icnchtsharkeit. Die Zünfte
straften in den Gerichten ihre Genossen für schlechte, unsoüde
Arbeit und hielten darauf, dass Klagen der Kunden über
schlechte Arbeiten der Handwerker bei dem Zunftgericht
angestrengt werden solften. Den Küfern, Schustern und
Gerbern z. B. verhalf, im Fall, dass dies nicht geschah, der
Burggraf zu ihrem Recht.^-'-^
Andere Vergehen behielt der Rat seinem Gericht vor.
Im fünften Stadtrecht erliess er für die Zimmerleute und
Maurer Preistaxen und verbot ihnen Arbeitsverweigerung zu
bestimmten Zeiten.^** njer übten die „Hüter** der Zimmer-
leute und Maurer nur eine Kontrole, der Rat richtete über die
Verstösse gegen diese Bestimmungen.
Ueberhaüpt scheint der Rat die Gerichtsbarkeit über die
wichtigeren gewerblichen Vergehen, bei denen das Wohl
fjes Publikums auf dem Spiele stand, zum Teil wenigstens
immer in seiner Hand behalten zu haben. In diesem Sinn
fassen wir wenigstens die gesamte, schon oben besprochene,
in den Stadtrechten niiedergelegte Oewerbegesetzgebung auf.
Der zweite Grundgedanke, den das Zunftwesen zum
Ausdruck brachte, War der, dass die Handwerker eine Ge-
meinschaft in ihrem eigenen Interesse bilden wollten, die
nach aussen in dem Ausschluss der freien Konkurrenz einen
Grundpfeiler ihres Rechtes besass, nach innen Gleichheit und
Brüderlichkeit unter den Zunftgenossen herbeiführte.^^^
Die gerichtlichen Kompetenzen der Zünfte erstreckten
sich nun hauptsächlich auf die Verordnungen, die unter diesen
Gesichtspunkten entstanden, und wurden ein unverbrüch-
licher Bestandteil ihrer Autonomie.
133. Süß IV2, ßnregrafenrecht, S. 205, 208.
134. SUB IV., V. Ötadtrecht § 20 (1307).
135. ö. V. Beiow, a. a. 0. S. 1071.
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Ueber die Ausiibung^ des Zunftzwanges, der die Aus-
schliessung der freien Konkurrenz bedeutet, wachten die
Zünfte eifrig. Sie richten über Unzünftige und zur Ausübung
ihres Gewerbes nicht Befugte, die das betreffende Handwerlc
treiben und ihre Produkte auf den Markt bringen, nactidem
sie ihnen das Handwerkzeug und. die Produkte abgenom-
men haben.
Wir wissen dies bestimmt von den meisten der unier
dem Burggrafen stehenden Zünfte, nämlich den Oelleuten,
Schmieden, Zimmerleuten, Küfern, Sattlern, Schwertfegern
und Becherem.136 Die Oelleute legten den Schuldigen noch
eine Oerichtsbusse auf.^^^ In welcher Weise der Burggraf
an dem Vorgehen der Zünfte gegen die Unzünftigen be-
teiligt war, darüber haben wir schon an anderer Stelle Mit-
teilungen gemachtis^ Was <las Verhalten der übrigen Zünfte
betrifft gegenüber denen, die ein Handwerk unerlaubter
Weise Übten, so wissen wir Näheres nur von der Fischer-
zunft: deren Meister ging gegen die Schuldigen vor und kon-
fiszierte ihr Schiff und sonstiges Handwerkszeug.^39 wir
dürfen wohl annehmen, dass auch die übrigen Zünfte in
ihnlicher Weise, wie die genannten, zu unerlaubter, ur-
zünftiger Arbeit Stellung nahmen.
Die Zunftj^^erichtsbarkeit erstreckte sich weiterhin auf
die Verletzunij: l^cw cr hiicher Vorschriften, durch die ein
Zunftgciiossc den andern schädigte. Die Klat^eii der Ge-
nossen untereinander mussten vor das Zunftgericht gebracht
werden ; es war verboten, dafür ein anderes Gericht auf-
zusuchen. Durch Entscheidung des Rates gelangten im
15. Jahrhundert die Klagen der Knechte gegen ihre Meister
186. 8UB IV„ Burggrafenrecht S. 20Sff.
137. ebendd S. 208
138. s. üben 8. 76.
139. Bri.ckcr, a. a. 0. R. 166 (14. Jahrhundert).
140. Brucker, a. a. 0. S. 816 (1395) Beoht der Küfer.
— 58 —
und gegeneinander, soweit sie nicht wegen ihrer Wichtigkeit
vor den Rat oder andere Cierichte gehörten, allgemein vor die
Instanz der Zunftgerichte.> >^ Bei den Webern war dies aber
schon längst gebräuchlich.^^^
Das Prinzip der Gleichheit wurde verletzt« wenn der
Zunftgenosse das ganze Handweric schädigte. Die Oleich-
heit innerhalb der Zunft bestand hauptsächlich darin, dass
alle Zunftgenossen unter gleichen Produktionsbedingungen
arbeiteten. Dadurch wurde dem EhrL;ei/ und der wirtschaft-
lichen Üeberhebung einzelner :iui Kosten ihrer Mitgenossen
eine Grenze gezogen und ein wirtschaftlich auf sicherer
Grundlage beruhender Mittelstand begründet.
In mannigfacher Weise konnte dem Prinzip der Gleich-
heit zuwidergehandelt werden.
Die BescbFänkung der einzelnen gewerblichen Betriebe
zum Wohl der Gesamtheit äusserte sich bei den Fischern
in der Bestimmung, dass jeder Fischer mir einen Stand haben
sollte. Besass er etwa zwei und wollte ein anderer einen
Stand kaufen, so musste jener ihm diesen fiberlassen.
Das Zunftgericht bestrafte jeden Bruch dieser Bestimmung.^
Die Kufer belangten die Zunftbruder, die bei Nacht oder
zwischen Mittwoch vor Gründonnerstag und St Michaelstag
bei Licht arbeiteten.!^ Ebenso verfiel dem Gerichte dieser
Zunft, wer einem Zunftbruder Gesellen abwendig machte,
was bei besonders tüchtigen Gesellen wohl öfters der Fall
sein mochte.!**
Es war verboten, für den Schuldner eines Zunftgenossen
zu arbeiten, solange jener seine Schulden diesem nicht be-
141. SÜB IV„ VI. Stadtrecht § 461 (15. Jahrhundert).
142. Schmoller, Urkunden n 17 (1395).
143. Brucker, a. a. 0. S. 167 (14. Jahrhundert).
144. ebenda S. 318 (1395).
146. ebenda S. 319 (1895).
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zahlt hatte. Das Zunftgericht der Schmiede, Schuster und
Gerber richtete über die Uebertretung dieser Bestimmung.^^^
Die Zahl der Qesellen und Lehrlinge eines Meisters
war beitchrankt. Meistens durfte der Meister nur einen Qe-
sellen und einen Lehrjungen haben. CKe Sdiwertfeger be-
straften die Zunftmitglieder, die sich nidit nach dieser Be-
stimmung richteten und ohne besondere Erlaubnis des Burg-
grafen oder der Zunft mehrere Knechte in ihren Dienst
nahmen.^^^
Schon früher mag das Zunftgericht zuständig gewesen
sein für die Verletzung a'ler Vorschriften, die das Betragen
der Zunftgenossen, besonders auf den Zunftstuben, regelten.
Ausführliche Verordnungen, wie. z. B. die Stubenordnung
der Schuster von 1360,1'"^ berühren Exzesse aller Art von
nicht allzugrosser Bedeutung, die vom Zunftgericht geahndet
wurden. Die Oelhändler richteten über jeden ,,span under
dem antwerke one slahen und stossen.''^^^
§ 3. Innere Organisation der Zünfte.
Was die Glicdcning der Zünfte betrifft, so unterscheiden
wir folgende Personenklassen: die im Dienst der Meister
stehenden Knechte, die eigentlichen Zunftgenossen, schliess-
lich die im Auftrag der Zunft ein zu ihr gehöriges Amt ver-
waltenden Zunftgenossen.
Schon bei der ersten Erwähnung von Handwcrksknech-
ten in der Mitte des 14. Jahrhunderts werden Lohrknechte,
die das Handwerk lernten, und Lohnknechte, die die Lehr-
zeit bereits hinter sich hatten, aber noch nicht selbständige
146. 8ÜB IVs, fiurggrafenrecht, S. 204, 207.
147. ebenda, S. 214.
148. Keutgen, ürkunden n 304.
149. 8UB IV2, Barggrafenrecht S. 208.
I
— eo —
Meister waren, unterschieden. ^ Wie lange diese Scheidung
schon offiziell bestand, iässt sich nicht feststellen.
Bereits der Lehrknecht hatte bei seinem Eintritt in seines
Meisters Lehre einen Schwur zu leisten, wie wir von den
Webern wissen und wie es wohl allgemein der Fall war, !
wahrscheinlich, dass er die Lehrzeit bei der betreffenden
Zunft aushalten woUe.^
Ein Weber brachte seinen neuen Lehr}ungen innerhalb
der ersten acht Tage vor die Geschworenen der Zunft und !
dingte ihn dort und entriditete für ihn Weinkauf und Wachs.^ |
Auch Abgaben entrichtete bereits der Lehrknecht bei j
einigen Zünften. Den Tuchscherern hatte der neue Lehr-
junge 10 sol. und ein Pfund Wachs zu geben;' bei den i
Schustern und Gerbern empfin^r sogar der Burggraf 4 bezw. 3 ;
Denare von dem Lehrknechte mul dazu noch jäliilich zu St.
Martinsnacht am 10. November von den Oerberlehrknechten
6 Denare.''
Wer zu einem Küfer in die Lehre trat, hatte diesem vier
Bürgen zu steilen, die mit 1 Pfund Denaren für den Jungen
bürgten. Entlief dieser seinem Meister, so hielt der Meister
sich an den vier Bürgen schadlos.*» j
Die Zahl der Lehrknechte war eine beschränkte. In I
unseren Angaben begegnen wir nur dem Fall, dass der 1
Meister einen Lehrknecht halten durfte.? Von der Schwert- !
I
i
1. SUB IVj, Burggrafenrecht S. 204,215 bei Schustern und
Gerbern und Viei Schwertfegern. In eiiior Srhiieiderordnung
werden die Lclirkneclite Lehrknabeii genannt (Bruoker a. a. 0.
S. 441, 15. Jahrliundert).
2. Schmoller, ürk. n 12 (1363).
3. ebenda, u 15 (id^O).
4. ebenda, n 11 (IBGI).
5. SUB IVs, S. 204 (Burggrafenrecht).
6. Brucker, a. a. 0. S. 316-17 (1395X
fegerzunft erfahren wir, dass mit besonderer Erlaubnis des
Bur^ruiaten oder der Zuntt ein Meister auch mehrere L-^ihr-
jungcn halten durfte.^
Der Lehrjunge machte seine Lehrzeit in der Regel nur
bei einem Meister durch, ^ Diese war freilich bei den ein-
zelnen Gewerben von sehr verschiedener Dauer. Zwei Jahre
mindestens niusste das Tuchschererhandwerk gelernt wer-
den, i*' die Schwertfeger verlangten vier Jahre/* die Küfer
sechs Jalire Lehrzeit.
Gew erbliche Vergehen der Lclirknechte, besonders gegen
ihre Meister, gehörten zum gewissen Teil vor das Zunft-
gericht.'-' Häufig wird in den Urkunden das Entlaufen der
Lehrjungen erwähnt Die Weber verboten die Aufnahme
eines entlaufenen Lehrjungen und mieden diesen, bis er
sich mit seinem Meister versöhnt und dem Gericht eine Busse
gezahlt hatte, in die sich der Meister und die Lohnknechte der
Weber teilten.^^
Nach Beendigung der Lehrzeit wurde der Lehrjunge,
wenn er nicht gleich selbständig wurde,i<< Oeselle und Hess
sich von einem Meister dingen. In den Urkunden begegnet
fijr Geselle durchweg der Ausdruck Knecht oder Lohnknecht.
7. 2. B. SüBlVo, Burggrafenrecht, S. 215.
Schmollor, Urk, n 12 (I363j (Weher); Brucker, a. a. 0
8. S40 (1438) (Maurer).
8. SUB IV2, S. 116.
9. Bmcker, a. a. O. S. 817 (1896) (Eofer).
10. Schmoller, Urk. n 11 (1862).
11. SUB IV,, Burggrafenrecht S. 216.
12. ßrucker, a. a. 0. S. 816 (1395).
13. Sicherlich wohl nicht alle; kleinere Vergehen wurden
vielleicht kraft eines häuslichen Zuchtrechts des Meisters erledigt
14. z. B. Schmoller, Urk. n 12 U863j (Weber); Bracker^
a. a. 0. S. 317 (1:595) (Küfer). . .
15. Schmoller, Urk. n 12 (1363).
16. Dass er dies konnte, zeigt das Schwertfegerrecht|
(büß IVa, S. 215), 4. Jahrhundert).
*
— 62 —
Nur bei den Küfern ist einmal die Rede von dem ,.wergman**
des Meisters. 1' Bereits bei der ersten Erwähnung von
Knechten überhaupt werden üeseilen und Lehrlinge unter-
schieden. Seit wann diese Scheidung bestand, lässt sich nicht
feststellen. Aus einer Webei Urkunde von 1395 ersehen wir,
dass es in der Weberzunft üeseilen gab, die bereits ver-
heiratet vvaren.^*
Auch die Zahl der Gesellen eines Meisters war gemäss
der Wirtschaftspolitik der mittelalterlichen Zünfte eine sehr
beschränkte. Gewöhnlich durfte nur ein Geselle gehalten
werden.*^
Die Lohnknechte haben, gleichwie die Lehrjungen, bei
dem Antritt iiires Dienstes bei einzelnen Zünften Abgaben
entriciitet. Die Lohnknechte der Schuster und Gerber gaben
dem Burggrafen einen Denar, die Gerberlohnknechte hatten
dazu noch zu St. Martinsnacht an den Burggrafen 8 Denare
zu iiefern.20
Die Dingzeit dauerte in der Regel nicht lange. Die
Wagner, Kistner und Drechsler dingten nur bis Weihnachten.^i
Bei den Schneidern waren St. Stephanstag zu Weihnachten
und St. Johannistag die Zeiten für den Antritt einer neuen
Stelle.22
Die Klagsachen der Knechte unter einander oder mit
ihren JMeistern fanden wenigstens in späterer Zeit ihre Er-
ledigung vor den Zunftgerichten. Der Rat bestimmte dies
im 15. Jahrhundert für alle Zünfte in einer eigenen Knechte-
17. Bru( ker, a. a. 0. S. 319 (1395).
18. Schmoller, Urk. n 13.
19. z. B. SUB IVa, Burggrafenrecht S. 215 (Sohwertfeger-
reclit).
20. ebouda S. 204.
21. SUß VI, n 1426 (1391).
22. Bnicker, a. tu 0. 8. 444 ^15. Jahrhundert).
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Ordnung.*^ Wahrscheinlich waren die Zünfte zum Teil wenig-
stens auch schon früher für diese Sachen kompetent.-* Die
obi^e F-ntschciduiig des Rates kam damals deshalb zu stände,
weil diese Streitigkeiten öfters vor einem Gericht überhaupt
nicht zum Austrag kamen, indem die Knechte selbständig
ohne Gericht gea^en ihre Meister und Genossen vorgingen.
Denn in der iintscheidung heisst es: es sollent ouch die
antwerckknechte hynnanfurder me den meistern irs antwercks
keinen knecht verbieten umb keinerley sache noch keinen
knechte me vertrincken; dan hat kein knechte mit keinem
sinem meister oder meisterschafft oder andern knechten utzit
ze tun oder ze schaffen oder su utzit anzesprechen, das sol
er usstragen vor der meisterschafft sines antwerckes und
nieiig^ent anderswo.
Besondere Regelung fand das Verhältnis der Meister
zu den Knechten, die sich in ihrem Dienst Nadilässigkeiten
zu Schulden kommen Hessen. Der Müssiggang verursachte
bei einem Schusterknecht den Verlust von «inem Schilling
taglich» den der Meister ihm vom Lohne abziehen musste.'^
Entlief der Schustergeselle seinem Meister, so war ihm die
Ausübung des Handwerks verboten, so lange er nicht sich
mit dem Meister verständigt und. dem Zun%ericht fünf
Schillinge zur Strafe entrichtet hatte.^«
Die Löhnung scheint hauptsächlich Zeitlöhnung gewesen
zu sein. Der Termin der Zahlung beruhte bei Wagnern,
Kistnem und Drechslern auf freier Vereinbarung zwischen
Meister und Knecht Die Meister dieser Zunft waren ver-
28. BÜB IV,, VI. Stadtrecht 8 461 (Nachtrag aus dem 15.
Jahrhundert).
24. vgl. z. B. SUfi VI, n 1426 (1B98): Wagner-, Kistner^
und Drechslerordnung.
26. SUB VI, n 368 (1387).
2fi. ebenda und Brucker, a. a. O. S. 450 (1377).
27. SUB VI, Q 1426 (139^).
- 64 -
pflichtet, in barem Geld und nicht mit pfänden" zu zahlen.23
Die Oesellen der Zimmerleiite und Maurer erhielten Tage-
lohn, dessen Höhe der Rat iin fünften Stadtrecht selbst fest-
setzte (1307). Sie erhielten im ersten Jahre 4 Denare und
Verköstigung oder statt dieser 2 Denare mehr, im zweiten
und dritten Jahre 6 bezvv. 8 Denare.--*
Ob in Strassburg in der uns beschäftigenden Zeit schon
die Wanderschaft im Gesellenstand zur Gewohnheit gewor-
den war und der Geselle eine bestimmte Anzahl von Jahren
im Oesellenstand verbleiben musste, darüber erfahren wir
nichts.'^" Wohl aber können wir beobachten, dass der Strass-
burger Oesellenstand in der dortigen Zunflverfassung bereits
im 14. Jahrhundert eine gewisse Bedeutung erlangt hat
Besonders lehrreich ist eine Verordnung der Weber von 1363,
die sich mit Fragen des Lehrlingswesens beschäftigt^^ Diese
wird gemeinsam von fünf Meistern und fünf Knechten im
Auftrage der Weber entworfen. Es ist danach unverkennbar,
dass die Gesellen der Weberzunft einen nicht zu unter-
schätzenden Einfluss auf die sie nahe angehenden Angelegen-
heiten gewonnen haben. Doch noch mehr! Es ist sogar
aus dem Jahr 1367 eine Trinkstubenordnung der Gesellen
vorhanden, über deren Bestimmungen eine aus den Gesellen
selbst gebildete Viererkommission wachte.'^ Sie beweist,
dass in Strassburg bereits in früher Zeit der Gesellenstand
im Gefühl seiner Zusammengehörigkeit und der Gemein-
schaft seiner Interessen zu einer den Zünften ähnlichen
28. ebenda.
20. RI;B 1V„ V. Stadtrecht § 20; dasselbe im VI. Stadt-
recht § -IIJÜ a-a (1322).
30. Nach einer Urkunde von 1395 (Schmoller, Urk. n 17)
dürfen die Tucher- und Weberknecbte kein Tuch zum Selbst-
trag, n fOr ihro Familien verfertigen. Sie können aber, um . dazu
das ßecht zu besitzen, alle sofort das Zunftrecht erwerben.
31. Schmoller, Urk. n 12.
82. SUß V, u 760.
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Einigung hindrängte. Ueberaus schnell scheint er durch
seinen engen Zusainmenschluss eine das Oerneinwesen be-
unruhigende Bedeutung gewonnen zu haben, denn bereits
im 15. Jahrhundert begann der Rat dem üesellenstand gegen-
über eine zurückdamiiiende i\:)litik, indem er den Gesellen
verbot, fernerhin Trinkstuben oder „gedingete huser, garten
noch gemeine geselischaft, darinn su zesamene gont es sy
zeren oder sust** zu haben. -^^
Das Versammlungsrecht der Gesellen wurde beschränkt.
Nunmehr sollten nur die Gesellen der einzelnen Zünfte vier-
mal im Jahre „von irer kertzen wegen" Versammlungen ab-
halten, die vorher den betreffenden Zunftvorstehern bekannt
gegeben werden mussten und in Gegenwart eines oder zweier
Zunftgenossen stattfanden.'*
Als vollberechtigte Mitglieder der Zünfte haben wir die
Meister anzusehen, die mit dem Eintritt in die Zunft einen
selbständigen Betrieb eröffneten. Die neu eintretenden
Meister hatten den Aufnahmebedingungen zu genügen«
Wahrscheinlich bei allen Zünften war Voraussetzung für eine
Aufnahme der gute Ruf des Handwerkers. Bei den Webern
vollzog sich die Aufnahme erst dann, wenn der Webermeister
die Zunft versammelt und mit ihr über den betreffenden
Handwerker Rat gepflogen hatte. Der Ausscbuss der Weber
entschied über die Aufnahme, wenn gegen den Fremden
etwa Bedenken geltend gemacht wurden.^^
Die Anfertigung eines Meisterstücks war in der uns be-
schäftigenden Zeit jedenfalls noch nicht Vorbedingung der
Aufnahme. Wir erfahren gar nichts darüber.
An die Aufnahme selbst waren Gebühren geknüpft. Ihre
Höhe war bei den einzelnen Zünften ausserordentlich ver>>
schieden und unterlag im Laufe der Zeit auch Schwankungen.
33. SUß IV,, VI Stadtrerht § 4G0 (Nachtrag).
34. ebenda § 462 (aus derselben Zeit).
35. Sohmoller, Urk. n 19 (140Ü).
— 66
In der Fischerordnung des 14. Jahrhunderts wird betont,
dass die Eintrittsgelder auch erhöht werden konnten.^^ Bei
den Tuchscherem stiegen die Eintrittsgelder von 20 bis auf
30 SchiUing.37 Die Höhe der Eintrittsgelder schwankt nach
unseren Nachrichten zwischen 10 Schillingen^ und 4 Pfund
Denaren,^^ bis sie durch eine Ratsentscheidung, wahrschein-
lich des 15. Jahrhunderts, für alle Zünfte auf 1 Pfund und
5 Schillinge festgesetzt wurde.^^'
Diejenigen, die das Gewerbe ihrer Väter ergriffen, waren
bei ihrem Eintritt in die Zunft nur zur Zahlung der halben
Eintrittsgebühren verbunden." Wir begegnen diesem Brauch
schon in der Iiackcruri<undc von 1264.'*- In dieser wurde
bestimmt, dass der Sohn eines Hackers, der das Backhaus
erbte, simul eciam accipiat ius dimidium, quod dicitur einung.
Bei den Schwertfegern heisst es^': wenne eins husgenoszen sun
sin einung gewinnet, so sei er sin halben einung zu sture
haben."** Der Sinn der angeführten Stellen ist doch wohl der,
dass die Handwerkersöhne in den Zünften, zu denen ihre
Väter gehörten, nur die Hälfte der Gebühren zahlen sollten.*^
In späterer Zeit hatte sich die (iew\)hn'ncit heraus-
gebildet, dass die neueintretenden Zunftgenossen eine Zeit
30. ßruüker, a. a. 0, S. 1C6.
87. Schmoller, Urk. u 20 (1401).
88. S&kir-, Obaer^ und Grempwordnung von 1358 (SUB V,
u 272).
89! Weberordnong von 1407 (Schmoller, Uric. n 22).
40. SUB IV,, VI. Stadtrecht §§ 37b fi.
4rl. ebenda.
42. SUB I, n 26&
48. SUB IVgjBiiTggrafearecht S. 216.
44. Deraelbe Gedanice findet Bich bei den Tuchflcberern im
Jahre 13G2 (Schmollcr, Urk. n 11).
45. I^ie Uaterscheidung von ganzem" und „halbem Einung'«
oder ,,i;aTizeTn" und halbem" Recht bei Oelhändlern und
S-hmiedeii (öUB i\\ Burggrafenrecht S. 20B, 207) ergab sich
wohl aus der verachiedeaeii Höhe der Eintrittsgelder.
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lang Ztinftwirte öder Knechte eines Meisters sein mussten.
Dagegen erlieg der Rat ein Verbot^^
Neben dem eigentlichen Recht der Zunftmitgliedschaft
entwickelte sich jedenfalls schon früh ein besonderes Recht,
das nur für die zu den Zunftstnben au^enommenen Zunft- *
genossen galt. Jedoch bildete sich nicht bei alleii Zünften
das gleiche Recht aus. Während die eine Zunft den Erwerb
ihres „Stubenrechtes" nicht verlangte — bei den Wein-
stechem konnte man das Recht der Stube einer andern Zunft
besitzen^ — , wurden bei anderen Zunftrecht und Stuben-
recht immer zusammen erworben.
Dieser engere Verband innerhalb der Zunft, dessen Mit-
glieder Hausgenossen Wessen,** hat sich einerseits zweifellos
zu Zwecken der Geselligkeit zusammengetan, andererseits
aber diente er noch in ganz besonderer Weice dazu, das
wirtschaftliche Wohlergehen seiner Mitglieder zu fördern.
Die Schuster nahmen nur den in die Zunftstube auf, der neue
Schuhe machte.^o sie schlössen also die Flickschuster, welches
offenbar die ärmeren Elemente der Zunft waren, aus. Der.
Einritt eines Gesellen in den Dienst eines Hausgenossen
der Schusterzunft hing von dem Urteil sämtlicher Hausge-
nossen ab, eine Bestimmung, die wohl nur das Wohl des be>
46. 8UB IV2, VI. Stadtrecht § 875 (15. Jahrhundert): also
ettlich antwercke bitsher ein gewonheit gehept hant, wer zu
irem antwercke kam, das der ein zit ir houptkann sin mniite
odet aber eins meistere knechfc und ein xit dienen, das sol nit
mer sin.
47. ebenda § 878 (um dieselbe Zeit). .
48. SUß V, n 319 (1351). . .
49. 8UB VI, n 116 (1382): Schuster- und Gerberorduung
Bracker a. a. 0. S. 846 (1435): Metzgerordnung.
60. Keutgen. ürk. 11 804 (1360) § 1. -
- 68 —
treffenden Meisters im Auge hatte.^^ Ein wirtschaftliches
Vorrecht der Hausgenossen der Scbusterzunft kam bei dem
gemeinsamen Kauf und der Verteilung des Leders auf der
Zunftstube zur Geltung, wenn es heisst: wele aber nut
reht an der stube haut, wanne die iren teil genemment, so
sultent SU unverzogenliche hinweg gon und sutlent uns un-
geirret lossen.^^
Die Gebühren bei dem Eintritt in den Zunftstubenver-t
band schwankten in ihrer Höhe und fanden erst in späterer
Zeit, gleichzeitig mit den Gebühren für Erwerb der Zunft-
mitgliedschaft, einheitliche Regulierung, indem sie vom Rat
für die Zünfte generell auf 15 Schilling festgesetzt wurden.'»^
Zum Eintritt in die Zünfte waren auch Frauen berechtigt.
In einer Ratsentscheidung des sechsten Stadtrechts über die
Aufnahme der Kinder von Handwerkern in die Zunft ihrer
Väter, wird zur Erklärung bemerkt: das ist zu verstünde von
knaben oder döchtt-rn, die das antwercke selbs triben
woltent.^'* Es ist indessen nur von der Weberzunft nachweis-
lich, dass die Webermnen zur Zunftmitgliedschaft verpflich-
tet waren.''^ Die Frauen konnten auch Mitglieder der Zünfte
sein, ohne selbst im Beruf tätig zu sein. So erlangten Hand-
werkerstöchter die Mitgliedschaft in der Zunft ihrer Väter,
sofern sie sich mit Männern verheirateten, die das in jener
Zunft vertretene Gewerbe ausüben wollten.-''^
Die Vorsteher der Zünfte waren die „magistri officiorum"
oder die „antwercmeister". Lieber ihre Wahl haben wir
bereits an anderer Stelle gesprochen. Es bleibt nur übrig,
ihre Amtstätigkeit kennen zu lernen.
Da sie an der Spitze der Zünfte standen, so wird ihnen
51. ebenda % 7.
52. ebenda § 8.
53. SUB IVj, VI. Stadtrecht § 377 (15. Jahrhunderfc).
5i. ebenda § 37(j (aus derselben Zeit),
55. Keutgen, Urk. n 301 (1380).
5o. SUB IV,, VI. Stadtrecht § 376 (15. Jahrhimdert).
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von Anfang an wahrscheinlich der Vorsitz in den Zunftver-
sammlun^en zugekommen sein.^' Durch sie wurden die dort
gefassten Beschlüsse dem Rat oder anderen Behörden zur
Bestätigung vorgelegt.^^ Sie waren demnach die den ge-
schäftlichen Verkehr der Zünfte mit den städtischen Behörden
vermittelnden Organe. Das Vorsteheramt kann in diesem
Sinn deshalb wohl auch als ein Amt im Dienst der städtischen
Regierung aufgefasst werden.
Auch nach anderen Seiten diente das Amt den Zw ecken
der Regierung. Es ist bereits erwähnt worden, dass der Rat
den Zunftmeistern eine Kontrole und Rügepflicht über die
militärischen und steuerähnlichen Leistungen der Zünfte in
die Hand' gab. Hier sind die Zunftmeister auch gewisser-
massen Beamte der Stadt.
Eine wichtige Funktion der Vorsteher war da, wo eine
Zunftgerichtsbarkeit vorhanden war, der Vorsitz im Zunft-
gericht. Schon im Jahr t263 war dies bei den Bivggrafen-
zfinften der Fall.^^ Freilich gab es auch Zünfte, bei denen
der Städtemeister im Zunftgericht präsidierte. So bei den
Webem.<<o Entbehrte die Zunft der Gerichtsbarkeit oder lagen
wichtigere gewerbliche Vergehen vor, die vor den Rat kamen,
so besassen die Vorsteher nur eine Rügepflicht/'^
Die Verwaltung der Finanzen war zum Teil — denn
die Ausschüsse der Zünfte beteiligten sich, wie wir sehen wer-
den, auch an ihr — Sache der Zunftmeister. Es wurde
ihnen ans Herz gelegt, die eingehenden Gelder nur zum
Nutzen der Zunft zu verwenden.^s Bei den Tuchschereru
57. Der Webermeister hatte den Vorsitz in den Versamra-
lunge.i, in denen neuo Mitglieder Aufiiahmo fanden CSchmoUer,
Urk. n 19 (1400).
58. ebenda.
59. Koutgen, Urk. n 128 § 3.
60. Schmoller, Urk. n 9 (1361).
61. Bracker, a. a. O. 8. 87: B&okerordniiog von 1870.
62. Schmoller, Urk. n 11 (1862): TaohBchererordnung.
— 70 —
legete der iMcister am Schlüsse seiner Amtszeit vor der ver-
sammelten Zunft und dem neuen Zunftgericiit Rechenschaft
über die Verwendung der Gelder ab.'^' Auf Kriegszügen
räumte die Schusterzunft ihrem Meister vollständige Frei-
heit in der Benutzung der finanziellen Mittel ein und sicherte
sich dann bei der Rückkunft des Meisters durch dessen
Rechenschaftsbericht.^^
Der uns bei den Tuchscherern im Jahr 1362 begegnende
Brauch, dem Meister das Banner, Siegel und die Büchse
der Zunft anzuvertrauen, war wahrscheinlich allgemein.
Ueber die Einnahmen der Meister ist bei den meisten
Zünften nichts überliefert.
Die Meister der Küfer erhielten bei jeder Aufnahme
eines neuen Mitgliedes 6 Denare von den Eintrittsge-
bühren.^**^ Am Schlüsse seiner Amtszeit gaben die Schuster
ihrem Meister, nachdem er seinen Finanzbericht gemacht
hatte, 5 Schillinge.*<i Die Unkosten, die dem Meister aus
seiner Pflicht erwuchsen, dem Burggrafen und jedem Ge-
schworenen jährlich 4 bezw. 2 Kapaune zu geben, konnte
er aus der Zunftkasse bestreiten.^' Auch das Mahl des
und der Geschworenen der Schusterzunft am Tag des Dings
und der Imbiss am folgenden Tage wurden auf Kosten der
Schusterzunft verzehrt."^ Die Oelhändler schenkten zur Licht-
iness ihrem Meister ein halbes Pfund Wachs/-* Die Ein-
nahmen des Meisters der Fischer waren „sine gebot und die
heiigen pfennige und die wettpfcnnige (Pfandgeldcr) und sin
drinqgelt, so er eime sin reht Uhet'*, ausserdem am Schluss
f')3. ebenda; ebenso war es bei den Schustern (ßrwcker, a. a. 0.
S. -iöO) (1377).
64. Brucker, a. a. 0. S. 449 (1877).
65. SüB IVs, Burggrafenrecht 8. 206.
66. Brucker, a. a. 0. S. 460 (1377).
67. SUB IV,, Burggrafenrecht S. 205.
68. ebenda.
69. ebenda, S. 2(».
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— 71 —
seiner Amtszeit 10 Schillinge, um dem neuen Zunftmeister
ein Mahl zu gehen.
Die Amtsdauer der Zunftvorsteher war keineswegs bei
allen Zünften von gleicher Länge, fn der Regel wohl wurde
das Amt nach einem Jahre neu besetzt. So war es bei den
Oelhändiern, Zimmerietiten, Schmieden, ""i Tuchscherern,"^
Maurern der Fall. Dagegen konnte der Burggraf die Meister
der Küfer, Schilter und Maler, Schwertfeger, Becherer ein-
setzen, so oft er w ollte.' ^ Erst im Jahr 1385 setzten die Küfer
wenigstens es durch, dass diesem Brauch, durch den wohl
öfters Reibereien zwischen Burggraf und Zunft entstanden,
ein Ende bereitet wurde und die Zunft jährlich dem Meister
wählte und ihn vonv. Burggraf en einsetzen liessj^
Besondere Verhältnisse lagen, wie bereits erwähnt, bei
den Kürschnern vor. Dort verlieh der Obermeister einem
Untermeister das Amt auf LebenszeitJ^
Jede Zunft besass nur einen Vorsteher. Eine Ausnahme
davon machten nur einige Zünfte, in denen verschiedene Ge-
werbe vereinigt waren. In der Küferzunft,^'' zu der auch
die Becherer gehörten, In der Zunft der Weinmesser und
Weinrufer'« hatte jedes Gewerbe seinen eigenen Vorsteher.
Die Meisterwürde bei den in einer Zunft vereinigten Schustern
und Gerbern wurde hingegen abwechselnd von einem
Schuster oder Gerber bckleidetJ^
70. Brnckdr, a. a. O. S. 182 (14. Jahrbuaderl^.
71. SUB IVg, Burggrafenrecht 8. 203, 206, 207.
72. SchmoUer, Urk. n 11 ( J362).
73. Brucker, a. a. 0. Ö. 339 (1438).
74. SUB IV2, Bui iigrafenrecht S. 208, 213, 215, 216.
75. SUß VI, n 250.
76. Brucker, a. a, O. S. 324 (136s).
77. SUB IV2, Burjrgrafonrecht S. 208.
78. Brucker, a. a. 0. 8. 520 (1355).
79. SUB IV3, ßurggrafenrccht S. 204.
— 72
Neben den Vorstehern gaü es in vielen Zünften Geschwo-
renenausschüsse/" Wir erwähnen die Ausschüsse der Weber,
Wollschläger,8i Bäcker, Schuster, Metz<jei, Kürschner, Küfer,
Fischer, Maurer, Weinrufer und Weinniesser/''^
Diese Ausschüsse sind mit Sicherheit ungefähr um die
Mitte des 14. Jahrhunderts nachweisbar.^' Da sie aber in
den Ordnungen meist als eine fertige Einrichtung erscheinen,
so darf man ihre Existenz wohl auch schon für eine frühere
Zeit annehmen. Bei der Kürschnerzunft, an deren Spitze
allerdings in späterer Zeit nicht mehr ein wechselnder Au$-
schuss stand, sondern in der sich das Recht der sogenannten
Zwölfer vererbte, können wir mit einiger Sicherheit die
Existenz eines Ausschusses bis in das Jahr 1240 verfolgen.
Aus diesem Jahr existiert eine Urkunde, die zwölf im Amte
wechselnde officiati der Kürschner erwähnt^^
Mit Ausschüssen von ausgesprochenen Charakter hat
das erste Stadtrecht, das an einigen Stellen duodecim inter
pellifices, octo inter «utores, quatuor inter panifices, quatuor
inter cyrothecarios «rwähnt,«^ offenbar wenig zu tun. Von
einer Tätigkeit dieser Handwerker im Dienste ihrer Zunft
80. Der Ausdruck Geschworene liegofr^et z. B. bei Wein-
rnff^ru u. Weinmessern (Brucker, a, a. 0. S. 521 a. 3355). Sehoner
der Ausdruck „Gericht": bei den Seilern 1353 (Öüß V, ii 272.
81. Schmoller, Urk. n 9 (1361), n 7 (1357).
62. ßrucker, a. a. 0. S. 87 (1370); S. 449 (1377); S. 353
(1435), 8. 322 (13G8); S. 314 (131^5;; S. 166 (14. Jhrdt.); S. 339
1138); S. 520 (1353).
83. Es ist fraglich, ob die im fünften und sechsten Stadt-
recht (a. a. 0. § 20 (1307) und § 499d; 1322) erwähnten „Hüter"
der Zimtnerleute und Ufourer, die eine gewiwe «Eontrole im
Namen des Rates Uber diese Gewerbe ans&btoii,. Ausschüsse
waren. Möglich ist auch, dass sie die Vorsteher der betreffen-
den Zünfte waren.
84. SUB I, n 268.
85. a. a. 0. § 98, 102, 108, 109.
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erfährt man nichts. Im Vorderjrrund stehen ihre speziellen
Leistungen für den Bischof, derentwegen sie eben besonders
genannt werden.
Ein gewisser Zusammenhancr besteht freilich zwischen
den 12 Kürschnern und 8 Schustern des ersten Stadtrechts
einerseits und den 12 officiati der Kürschner von 1240 und
dem späteren Aciiterausschuss der Schuster andererseits
und lässt sich vielleicht so erklären, dass den zu den speziellen
Leistungen für den Bischof verpflichteten Handwerkern ge-
wisse Ehrenrechte später in ihrer Zunft übertragen wurden
und dadurch allmähUch der Charakter von Ausschüssen
zukam.
Die Wahl der Geschworenen nahmen, wie an anderer
Stelle schon ausgeführt ist, die Zünfte selbständig vor.
Die Geschworenen waren die bevollmächtigten Vertreter
der Zünfte, die mit den Meistern die Geschäfte der Zünfte
verrichteten.
Ihre Stimme galt vor allen andern In den Versammlungen.
Versammelte sich die Zunft der Weber zwecks Aufnahme eines
neuen Genossen, so hatten die Geschworenen darüber zu
entscheiden, ob der Betfeffende redlich sei oder nicht.^^
Ihre wichtigste Funktion war die Urteilfindung im
Zunftgericht In dieser Eigenschaft als Gerichtsbeisitzer
hiessen sie einfach das ,,Qericht" der Zunft.^^
Mit dieser Tätigkeit verband sich teilweise die Pflicht,
eine Kontrole und poli/eihche Aufsicht über das gesamte
Leben und Treiben der Zunftgenossen zu führen.^'' Sie waren
demnach auch Polizeibehörde. Nur diesen Charakter haben
die Geschworenen der Bäcker, die als Polizeibehörde im
86. SUB IV2, Burggrafenrecht S. 204.
87. Sch.noller, ürk. n 19 (1400).
88. Bnicker, a.a.O. 313, 356, 450, 181: Ordnung der Küfer
(1395), Metzgor (1435), Schustor (1377), Fificher (14. Jahrhundert).
89. Schmoller, Urk. 11 11 (ld62): Tuchschererordnung.
— 74 —
Auftrai: des Rates handelten und diesem die gewerblichen
Verteilen der Bäcker zur Anzeige brachten.'*^
Den ( jcschw orenen fiel zum Teil auch die Aufgabe zu,
den Zunftmeister in seinen Amtsfunklionen zu unterstützen,
zugleich aber auch zu kontrolieren. Dies zeigt sich auf dem
Gebiet des Finanzwesens der Zünfte. Bei den Schustern
und Tuchscherern lag die Verwaltung der Gelder in den
Händen des Meisters und des Gerichts zusammen.-'^ Vor
dem neuen Zunftgericht hatten Meister und Geschworene
der Schuster am Schlüsse ihrer Amtszeit Rechenschaft über
die Verwendung der Gelder zu geben. '-
Dic Gelder wurden, soweit uns bekannt wird, nicht von
den Geschworenen selbst eingenommen. Die Schuster über-
tn'gen dies Geschäft einem Hausgenossen^-' und einem
„Säckeier", die Küfer zwei Schaffnern,^<^ die Fisclier einem
„Büciisener."'^^
Ausserordentlich verschieden sind die Mitgliederzatilen
der Ausschüsse. Nicht unmöglich ist, dass bei den einzelnen
Zünften selbst Schwankungen in den Zahlen vor ihrer ersten
Erwähnung stattgefunden haben, da solche auch später ein-
traten.3^ Bei den Schustern finden *wir den Ausschuss der
Achter,^^ bei Webern und Wollschlägern die Funfmannen,^^
bei Küfern, Fischern, Weinrufem und Weinmessem acht,^^
bei Maurern neun Geschworene.i^'*^
üO. Brucker, a. a. O. S. 87 (1370).
91. ebenda S. 450 (1377); Schmollor, Urk. n 11 (1362).
92. Braoker, a. a. 0. S. 450 (1377).
93. ebenda S. 449 (1377).
94. ebenda S. 314 (1395).
95. ebenda S. 181 (14. Jahrhundert).
96. vgl. ebenda S. 448 (1377): Die Schuster hatten seit
diesem Jahr einen AusscbusB von 24 Mitgliedern.
97. SUB IVs, Burggrafenrecht S. 204.
98. Schmoller, ürk. n 9 (1331); n 7 (I8&7i.
99. Bruoker, a. a. 0. S. 813 (1395); S. 166 (14. Jahrhundert):
S. 620 (1355).
100. ebenda 341 (1488).
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In verschiedenartiger Weise wurden, soweit nachweisbar,
die Geschworenen für ihre Amtstätigkeit belohnt. Ein Miss-
brauch w'ar es nur, wenn die Fünfmannen der W^eber vor
1361 die Qerichtsgefälle für sich einzogen. Diese Ein-
künfte wurden im Jahr 1361 durch Einschreiten des
Rates wieder der Zunft gesichert. Jeder Fünfmanne
sollte nun zu den vier Fronfasten je fünf Schillinge
eiiialten.ioi Bei der Sdiusterzunft fiel der dritte Teil
aller Eintrittsgebuhren an die Achter. In derselben Zunft
fand vor dem Ding ein Essen und am darauffolgenden Tag
ein Imbiss des Ausschusses bei dem Zunftmeister auf. Kosten
der Zunft statt.^^'^ Die Belohnung der Ausschüsse war, wie
wir sehen, nicht allzu gross. Deshalb bestimmten auch die
Weber im Jahre 1400, dass ein Fünfmanne innerhalb dreier
Jahre nicht wieder Geschworene werden solle „damit su
ires schaden .... so su des vergangen jares gehept hant,
dester baz zu mögent komen und ergetzt werden.
Die Amtsdauer der Ausschüsse war nicht länger, als die
der Vorsteher, d. h. sie war in der Regel auf ein Jahr
beschränkt.!***
§ 4. Die politische Stellung der Zünfte.
1. Das Bürgerrecht in Strassburg.
Die früher von verschiedenen Forschern vertretene An-
sicht, ein Ausfluss der Marktrechtstheorie, dass die eigent-
lichen Bürger des älteren Bürgerrechts die Kaufleute gewesen
101. Schmoller, Urk. n 9.
102. SUB IV2, Burggrafenrecht S. 204, 206.
loa. SehmoUer, Urk. n 19 (1400).
104. Bruoker, a. a. 0. S. 814, 341, 521: Ordnung der Küfer
(1896); Maurer (1488),Weinrttf6r und Weinmesser (1S55); Sohmoller,
Urk. n 19: Weberordnung (1400).
I
- 76 —
seien, d. h. im grossen und ganzen die Patrizier,^ dass die
Handwerker schlechthin das Bürgerrecht nicht besessen
hätten, sondern Hintersassen der Patrizier gewesen
seien,- ist durch O. v. Beiow widerlegt worden, v. Below
hat nachgewiesen, dass die Zunftbewegungen nicht erst die
Handwerker zu Bürgern gemacht haben, dass diese viel-
mehr (wenigstens zum grossen Teil) es längst waren.<^
Neuerdings hat man hinsichtlich der Entstehung des
Patriziats bemerkt, dass damit nicht viel gewonnen sei, wenn
für ihre Erklärung lediglich die Tatsache angegeben werde,
das Patriziat sei aus den reicheren und angeseheneren Bür-
gerkreisen herausgewachsen. Man fordert für die Erklärung
der strengen Abschliessung der Geschlechter als besonderen
Standes innerhalb der Stadtbevölkerung die Heranziehung
eines juristischen Momentes, vor allem eine Klarlegvng des
Verhältnisses zwischen Burgerbegriff und Grundeigentum und
die Beantwortung der Frage, ob alle Burger des älteren Bür-
gerrechts Patrizier waren oder nicht.^
Das in Frage stehende Problem ist natürlich auch für
unsere Untersuchung von Wichtigkeit. Wir haben demnach
zu prüfen, wie der Erwerb des Bürgerrechts in Strassburg
gestaltet war.
Ueber die Bedingungen des Erwerbs des Bürgerrechts
gibt es aus älterer Zeit keine Nachrichten. Börgertisten sind
auch nicht vorhanden. Lediglich auf das Vorkommen der Be-
zeichnungen burgensis, civis lässt sich kein sicherer Schluss
aufbauen.5
1. von A. Schulte.
2. von R. Sohra.
3. Ct. V. ßelow, Ursprung der deutschen Ötadtverfassuog
(1892) S. 43 fl'.
4. s. ßeyerle in Z G 0 Rh., NF 15, S. 540 f. Aehnlich
8. Bietsohel in der „Deutschen Litteraturzeitung" lüOO, Spalte 488.
5. Ein Oegensats zwischen burgensis und civts scheint in
der Stelle SUfi I, n 148 (1205): ubicunque vel ipsi burgenses
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Nach A. Schulte „befindet sich fast der gesamte Grund-
besitz von StrassburfiT in den Händen der Geschlechter."^ Von
G. V. Below istsdion bemerkt worden, ifciss diese Aeusserung
sidi für eine Konstruktion der Bürgerreditsverhältnisse nicht
verwerten lässt' Denn es ist in Strassburg nirgends gesagt,
dass der unabhängige Grundbesitz allein den Erwerb des
Bürgerrechts vermittelte.
Im fünften Stadtrecht (vor 1311) heisst es: der erste
artikel ist, das wir nuvve burger empfohen mugent und das
ir gut fry sü und das nicman uff unser burger gut bette
legen sei in dem lande.^ Wenn auch hier vorausgesetzt zu
sein s(^heint, dass die Bürger Grundbesitz haben, so lässt
sich doch aus der Stelle nicht entnehmen, dass der Erwerb
des Bürgerrechts von dem Besitz von Gütern abhinjj^. Denn
erstens ist eigentlich nur gesagt, dass Güter der Bürger,
im Falle diese solche besitzen, steuerfrei sein sollen, zweitens
bezieht sich dies doch nur auf auswärtigen Besitz der Bürger,
worauf der Ausdruck „in dem lande'* d. h. ausserhalb der
Stadt hinweist.^
Im sechsten Stadtrecht von 1322 erfahren wir: das alle
die so zu Str. mit Ire huszere sitzent, die nit burger sint,
burger zu Str. werden sullent untz Sant Jergentag nehst
künfftig oder sullent aber hynnan untz zu demselben zile
usz unser stat ziehen und nit me darinne sitzen.^^ .Hier ist
nur gesagt, dass die, die Häuser haben, Bürger werden
vel etiam quicunque ipsios civitatis dves per totam .provinciam
Alsstiae proprietates aliquas sive quascunque poasessiones habu-
arint . . . nicht Torsttliegeo.
6. BUB m, Einleitung S. 10.
7. a. a. 0. 8. 48, Anm. 2.
a SUB IVi» a. a. O. § l&i; auch VI. Btadtrecht ^822)
§ 389i.
9. Vielleicht haben wir hier nur an die AufniJime von aua-
Wflrts Wohnenden za Bürgern, d. h. an Pfahlbürger zu.deol^ePr
10. SUB IV„ a. a. 0. § 22a; vgl. auch § 24.
dollen. f Danach ist es gärnicht ausgeschlossen, dass auch
andere Bfiiger werden können. Jedenfalls aber ist nicht '
gesagt, dass der Grund, und Boden, auf dem das Haus
stand, unabhängiger Besitz des Burgers war und sein musste.
Denn ein Haus war voller Besitz eines Bürgers, das er
auf einem Grundstück- baute, das selbst nicht sein Eigentum
war, sondern ihm gegen Erbzins fiberlassen war.^^
Auch später wurde das Bürgerrecht in der Weise ver-
liehen, dass der neue Bürger schwören musste, dauernd
mit seinem Haus in der Stadt sesshaft /u sein.i^
Nähere Auskunft erhalten wir aus den älteren Teilen
des Schultheissenrechts, das im Lauf des 14. Jahrhunderts
seine alimähliche Aufzeichnung^ fand.i-^
Der Schultheiss hatte das Recht, auch jemanden als
Bürger aufzunehmen, dessen Besitztum den Wert von 10
Pfund Denaren nicht erreichte.^* Dieser jedoch wurde nicht
Voliburger. Noch im 15. Jahrhundert unterschied man die
„SchultheisseAbürger'' von den eigentlichen Stadtbürgem.
Jene verfügten nur über einen Besitz von 10 Pfund Denaren
Wert und darunter, diese über einen grösseren Besitz.^^
11. R. Schröder, Lehrbuch der Houtschosi Rechtsgcflchichte
(18983) 623. Ueber die freie Erbleihe vgl. besonders S. Riet-
sohel „Entstehung der freien Erbleihe" in „Zeitsohrift der Sftvigny-
Stiftung fOr RechtsgeBohichte, germanist Abteilong** XXII.
12. 8UB IVt, VI. Stadixecht § 18 (nadh 1322).
13. 'SUB IV^ 8. 192 ff.
14. - 'ebenda B § 4» Nach B § 8 a. § 4 ist ea sowohl daa
Recht des SchuUheisaen wie des Rates, Bürger aa&aaehmen:
nach A § 40 konnte dies der Schultheiss nur noch mit BSrlaub-
nis des Rates. Im 6. Stadtrecht § 18 (nach 1822) darfte man
das Bttrgen^oht nar noch vom Rat fordern. B § 8 u. § 4 scheinen
daher aeitlioh die frühesten.
16. Es wird s. B. bestimmt: jeder Zunftgenosse soll Bürger
sein; »wer es aber das ein solicher nit mo dan 10 üb wert guts
oder minder lietto, ist er schulthoisseuburger, so soUent die
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Vielleicht reidite das Vermögen der Schultheissenbürger
nicht für den Erwerb eines Hauses aus. Es ist zu vermuten,
dass die Schultheissenbürger die bürgerUclien Rechte nicht
in ihrem vollen Umfang genossen, dass sie ihren Namen
von ihrer Stellung unter dem Stadtgericht des Schultheissen
führten.
In Strassburg war also der Besitz eines Hauses, sei es,
dass dieses auf eigenem üruud und Boden, sei es, dass es
auf einem Grundstück stand, dessen F^esitzer es in der ab-
geleiteten Form freien Zinseiqens innehatte, weniL-stens von
einer gewissen Zeit an nachweislich Grundlage des Bürger-
rechts.
Hinsichtlich dieser Bedingung aber standen die Hand-
werker nicht ungünstig. Schon in der frühesten Zeit der
städtischen Entwicklung finden wir eine Reihe von Hand-
werkern im Besitz von Grundstücken, die von der Stadt
gegen Zins ausgetan wurden. Ferner zeigen die Privat-
urkunden des dritten Bandes des Strassburger Urkunden-
Iniches, eine wie grosse Masse des Lethebesitzes in den
Händen der Handwerker ruhte.
Jedoch 4uch dafür, dass unter den Handwerkern eine
grössere Anzahl eigenen unabhängigen Grundbesitz gehabt
hat, haben wir Beweise. Die Verordnung des Rates von
1322, dass alle, die „ir eigen gut haut", Hengste und Pferde
antwercke uf die zit damit ein beuQgeii haben; wann er über
10 lib wert gute hett^ sol er der stefcte burger werden, als das
harkomen ist (Eheberg, Verfassunga-, Verwaltungs- und Wirt-
schaftsgeschichte d. Stadt Strassburg I, Akten (1899), S. d91
(vgl. auch 8. 431): 15. Jahrhundert). — Uebrigena mag noch
bemerkt werden, dass auch Unfreie als ßUrger aiifgenominen
wurden, aber sie wurden ihrem Herrn, wenn dieser in Jahres-
frist sein Rocht auf sie geltend machte, überlassen (SUB IVf,
VI, ytadtrecht § 18, SchultheiHsenrcclit B § 4).
16. 8Uß I, n 144 (zwisciien 1190 und 1202), auch ia Keut-
gen, Urk. u 290.
- 6Ö -
in den Dienst der Stadt stellen sollen, wirft auch auf die
Besitzverhlitnisse der Hatidwerker ein deutlidies Ucht^ da
wir ausdrücklich wissen, dass audi die Zunftmeister über die
Erfüllung dieser Pflicht in den Zünften Kontrole füfarten.^^
Wir treffen sodann in den Privaturkunden eine iVlenge
Handwerker an, die eigenen Grundbesitz hatten, kauften,
verkauften und selbst verliehen.'^ Keiner kann mit Sicherheit
zum Patriziat etwa gerechnet werden. Sie haben alle zweifel-
los das Büiigerredit besessen.
Wir gelangen somit zu dem Resultat, dass für eine
Erklärung des strengen Abschlusses der Geschlechter von
der übrigen Stadtbevölkerung die Heranziehung eines juris-
tischen Momentes nicht am Platze ist.
Der Besitz des Bürgerrechtes scheidet, wie wir sahen,
die Klassen nicht von einander. Das ältere Bürgerrecht hat
in der Tat weit mehr Bürger unitasst, als blos den Kreis
des Patriziats J'* Demnach kann die Bildung des Patriziats
nicht so erfolgt sein, dass sich ein allein berechtigter Bürger-
stand von den Nichtbürgem abgeschk>ssen hat. Das Patriziat
muss demnach aus dem Kreis der vollberechtigften Bürger
hervorgewachsen sein. Für diesen Prozess kann aber eben-
sowenig ein juristisches Moment zur Erklärung herangezogen
werden, wie sich ein solches zur Erklärung dafür geltend
machen lässt, dass das Recht der Ratsbesetzung, d. h. die
„Ratskuren" im Anfang des 14. Jahrhunderts in die Hände
einiger weniger Strassburger Gescfilechter gelangten.
17. SUß IV*, VI. Ötadtreiht § 22c.
IH. Vy;l. die Urkunden in SUB III. Handwerker im Eigen-
beaitz von Häusern u. Hofst iften : n 242 (1200) Fischer ßertschin
im Besitz von 4 Häusern u. Hofstätten. Derselbe in n 1033
(1324;; ferner n 379 (1297); n 523 (1304); n 537 (1304); u 584
(li>07); n 665 (1310); n 860 (1317); n 1231 (1329).
19. \'gl. Lau, Entwicklung der kommunalen Verfassung und
Verwaltung Kölns bis 1396 (1898) S. 230.
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Wir wollen nun nicht etwa behaupten, dass alle Hand-
werker in Strassburg eigentliche Bürger waren. Gerade die
Stellen, die wir anführten, beweisen, dass der Besitz ver-
schieden verteilt und verschiedener Natur war, dass wir im
Handwerkerstande soziale Schichten erkennen müssen.
2. Persönliche und materielle
Dienstleistungen.
Die Bürger traten unter den Schutz der Stadt. In frühester
Zeit war der Bischof der Stadtherr und damit der Schutzherr
der Bürger. Als Entgeld für diesen Sc^hutz verlangte er aber
persönliche und materielle Unterstützung der Bürgerschaft.
Nidit anders war es unter dem städtischen Regiment des
Rates. Kraft Bürgereides waren die Bürger, die im Schutz
der Stadt ihrem Gewerbe nachgingen, dem Rat zu allen
Dingen gehorsam.^ Der Rat zog sie deshalb zu Dienst-
leistungen aller Art heran. Wie er Dienste auferlegte, so
befreite er aber auch von diesen. So gewährte er im Jahr
1338 verschiedenen Judenfamilien für eine gevrisse Anzahl
Jahre Schutz und befreite sie von städtischen Diensten
„lihendes unde gebendes, von uszogende oder von con-
staveln^" *
Als Bürger standen die Handwerker hinsichtlich- ihrer
Pflichten nicht anders, wie die übrigen Bürger. Wir wollen
nun kennen lernen, in welcher Weise die Handwerker zu den
Leistungen iiauptsächlich militärischer und steuerähnlicher
Natur herangezogen wurden.
1. SUB. IV„ T. Stadtrecht § 60 (1819); vgl. Sander, die
reichsstadtiache Haushaltung Nambergs, 1. Teil (1902), S. 46
71, 146.
2. 8UB V, n 88; vgl. auch SÜB n 228 (1800): ak ehe-
malige Pflichten von neu aufgenommeuen Bürgern aus „Mollee-
heim" in dieser Gemeinde sind genannt: ussogen, wachene
grabeue, engere, und andere dinge.
a. Die militärische Organisation der Stadt
Schon im ersten Stadtrecht die OrsfaliisatkMi der aus den
übrigen Bürgern herausgenommenen und der Gerichtsbarkeit
des Burggrafen unterstellten Handwerker aus militärischen
Gründen zu erklären, wie E. üothein tut, geht nicht an, da
die Beweise dafür zu unsicher sind.-*
Die allgemeine Wehrpflicht der Bürger wird im zweiten
Stadtrecht, dessen Aufzeichnung im zweiten Jahrzehnt des
13. Jahrhunderts stattfand, vorausgesetzt. Wer von den Bür-
gern, besagt ein Artil<el, in Kriegszeiten mit seinen Waffen
in eine andere Stadt sich begibt, ohne Erlaubnis des Meisters
und Rats, hat fünf Pfund Denare zu büssen und verliert das
Bürgerrecht.* Die Pflicht zur Stellung von Pferden seitens
verschiedener Klöster wird in demselben Stadtrecht für den
Kriegsfall ausgesprochen.' Der Abt von St. Arbogast hat
einen Hengst zu liefern, den der Schultheiss in Begleitung
des Fahnenwagens reiten solL Die Fahne sollen die Juden
liefern. Näheres über die Zusammensetzung des städtischen
Heeres erfahren wir jetzt noch nicht.
Ein bedeutendes Kontingent stellte im Jahre 1262 in dem
Treffen bei Hausbergen, das die entscheidende Wendung in
dem Unabhängigkeitskampf der Stadt gegen Bischof Walther
herbeiführte, die Reiterei dar « Das städtische Heer setzte
S. B. oben S. 15.
4. Keutgen, Urk. n 127 § 52.
5. ebenda § 57. Die Pferde, die die Klöster stellen, sind
ffir den Fahnenwagen bestimmt. Es sind dies übrigens wohl
steuerähnliche Leistungen als Entgelt für den Schutz der Stadt.
Die Klöster nahmen hier die Stellung von Ausbürgern ein, wie
T. B. in Frankfurt a. M. und andern Htiidten. Dass jene Pflichten
( in Aequivalent für genossenen Schutz waren, zeigt auch die
Bestiniinung: Tnd» i faeient vexillum.
C. 8. Belluiii Waltlieriftiiuiu in ,.Monumenta Germaniae" Abt.
Scriptores (Abkürz. M. ü. ÖS.) XVII S. lOöffj Closener a. a. 0.
S. bl fi'.
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83 -
sich hier aus dem ,,geriteme volke, waz sü haben mohtent'S
und den Fusstruppen zusammen. Zur Erklärung wird zu
den „fuszgonden** hinzugefügt: mit Steinmetzen imd andern
werkelüten." Die gesamte Bür^icjschaft zog^ damals aus.^
Erst im Felde wurden zwei Bürger zu Anführern der Fuss-
truppen gewählt. Unter letzteren werden besonders die
Schützen hervorgehoben: sie wurden von den andern aus-
gesondert.^
Natürlich kann man aus dieser Ueberlieferung kein klares
Bild von der militärischen Organisation gewinnen. Vor allen
Dingen ist nicht klar, ob die Gliederung des Heeres nach
Reiterei und Fusstruppen der sozialen nach den Ständen
in der Stadt entspricht, besonders ob die Handwerker mir
.den Kriegsdienst zu Fuss leisteten.
Betrachten wir nun die Verordnuogea des Rates, die in
den Stadtrechten seit 1263 zusammengetragen sind.-
Im fünften Stadtrecht (vor 1311) begegnen zum ersten
Mal die Konstafeln und Konsta|eitneister.^^ Dem Ausdruck
nach scheinen sie eine Beziehung zum Kriegswesen der Stadt
zu haben. Konstafeln und Zünfte werden in einer gewissen
Parallele zu einander genannt^^
Wir stellen die Frage der Entstehungszeit der Konstafelu
zurück und fragen zunächst, was ihr Wesen ausmache.
7. Glosener, ebenda S. 81.
8. ebenda. . .
9. ebenda S. 82.
10. diae . . . gebot haut meister und rat und knnstofel-
meister und die kanstofeler selber gesworn su . haltende (SUB IVs,
a. a. O. § 500.
11. Man sei euch alle jarsweren die voigesehribene gebot
stete zu hante, e die antverg geswerent, . . . dornooh suUent
swcren alle oonstofeler meister ... den constofeler meistern
sullent die constofeler sweren; und andere, die^nit oonstofeler
sint, die in den constoveln geseasen aiot, • . • » . . ouoh sweren
(ebenda § 506).
Nun hat die Forschung die Etymologie des Wortes, die die
consto'el, constofler auf ihren lateinischen Ursprung :constabu-
luni, constabularii (Stal', Stal genossen) zurückführt, zur Erklä-
rung des Wesens der Konstafeln selbst benutzt. Schulte i- und
nach ihm üothein ' ' sehen in den Konstafeln Kameradschaf-
ten der Reichen, die den Heiterdienst besorgten, während
die Handwerkerschaft auch aus militärischen Gründen in
Zünfte eingeteilt war. Zugleich bringt Schulte auch die Kon-
stafeln mit den uns zuerst bei der Verfassungsänderung von
1332 bekannt werdenden Trinkstuben der Geschlechter in
Zusammenhang und glaubt, dass die Konstafeln mit diesen
den gleichen Einteilungsgrund hatten. Schulte beruft sich
auf ein Qlasgemäide aus dem Ende des 15. Jahrhunderts,
also aus einer verhältnismässig späten Ztit^* Dies Qlas-
gemäide stellt eine Reihe von Rüstwagen dar, denen zehn
gepanzerte Reiter, jeder mit einer Fahne versehen, folgen.
Unzweifelhaft stellt sich das Wappen der einen Fahne als
das Wappen der Trinkstube ,,zum Mühlstein" heraus. Da
nun hier in den Reitern Konstafeln dargestellt sein sollen,
die den zu Wagen fahrenden Zünften folgen, so sei es wohl
klar, dass Trinkstuben und Konstafeln den gleichen Ein-
teilungsgrund hatten.
Dagegen hat schon Hegel in einem Anhang zu den von
12. ..Das GeschöU der Zorn und Mülnheim'' in Z G 0 Kh,
N F VUI, S. 509.
13. Wirtschaftsgeschichte des Sclnvarzwaldes I, S. Iii 7.
14. Schulte, a. a. 0. S. 500 f. Abl)ilduiig des CTlasgemuldes
bei Joh. Schilter in s. Ausgabe: „Die älteste . . . Chronike v.on
Jakob von Königshofen ..." (StraKsl)urg 1698) zu S. 1104.
Dass es in das Ende des 15. Jahrhunderts und niclit in das
Jahr 133G gehört, wie Sch. glaubt, hat y. fiorries iu einem Auf*
sats: „Das GescheUe der Zorn und Molnliemi*' im „Familienbueh
der Freiherru v. MOlleoheim-Jleohberg" II. T^eil 1. Abschnitt,
8. 50 uachgewieaen.
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— 85 —
ihm herau^egebenen Chroniken Slrassburgs nachge-
wiesen, dass es sich bei den Konstafeln lediglich um lokale
Verbände handle» deren Namen von einzelnen Kirchen und
Strassen der Stadt herrührten. Er findet in den Konstafeln
die Edeln, die reichen Bürger aus dem höheren Kaufmanns-
stand, solche, die von Renten aus Grundbesitz lebten und
endlich in älterer Zeit aueh unzünftige Qewerbtreibende, die
eine von den Oeschlechtem abhängige Klientel bildeten.**
Nach Schmoller 17 waren die Konstafeln, ähnlich wie bei
Hegel, Verbände, die geographische Teüe der Stadt umfassten.
Sie führten diese Bezeichnung von ihrem gemeinsamen Dienst
zu Pferde.
Auch V. Borries, der neuerdinp^s die Frajrc gestreift hat,^^
hält an dem Resultat Hegels fest, nähert sich aber, da er
öfters Konstafeln mit dem Namen von üeschlechtertrink-
stuben bezeichnet findet, der Auffassung Schultes von dem
Verhältnis der Konstafeln zu den Trinkstuben. So konstatiert
er, dass im Jahr 1332 in der Nacht, in der das „Qeschellte*'
der Zorn und Mülnheim stattfand, das Fest der „Rundtafel**
von den Konstafeln auf den zu ihnen gehörigen Trinkstuben
gefeiert wurde.^^
Zu diesen Eigebnissen oben genannter Forscher be-
merken wir Folgendes:
1. Eine Argumentation aus der Etymologie ist nie unbe-
dingt beweisend. Das Wesen der Konstafeln muss unab-
hängig von ihr einfach aus den historischen Nachrichten er-
mittelt werden.
15. a. a. 0. S. 85k ff.
16. Dieselbe Auffassung bei E. v. der Nahmer, die Wehr-
verfassungeu der deutsch. Städte in d. zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts. Marburger Diss. v. 1888, S. 39.
17. Zuuftkämpfe S. 15.
18. a. a. 0.
19. a. a. 0. S. 50.
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— 86 —
2. Es ist immer unsicher, aus einer bildlichen Darstellung
die Kenntnis einer Orsranisation zu entnehmen. Auch hier
muss man skSn an die geschriebenen Quellen halten.
3. Es scheint nicht wahrscheinlich, dass die Konstafeln
und Trinkstuben den gleichen Einteilungsgrund haben, aus
dem Grund, weil unzünftige Gewerbtreibende in den Kon-
stafeln vorkommen, die man wohl nicht zu den Trinkstuben-
genossen der Geschlechter in jener Zeit rechnen wird.
Diese Bemerkungen werden folgende Untersuchung, die
aufs Neue «dk Quellen auf ihren Sachverhalt prüft, recht-
fertigen.
Das fünfte Stadtrecht (vor 1311) besagt in §507: die
constofeler, wenne ein geschelle wurt, so süUent sü in ire
constofel bliben one die des rates sint und sol nieman
sich woffen. Im sechsten Stadtrecht (1322) heisst es in § 8a:
welicher burger oder burgerin zu uszogen und zu andern din-
gen nüt dienen wil, als andere, die in den cunstaveln ge-
sessen sint . . die suUent niemer burger werden. In diesen
Stellen ist doch ein deutlicher Hinweis auf lokale Verbände
enthalten. Femer ist Üie Pflicht zu Kriegsdiensten und andern
Leistungen in Beziehung zu den Konstafeln gebracht, so dass
man vermutet: diese Pflichten wurden von den Bürgern oder
von einem Teil dieser in den Konstafeln abgeleistet. Das
Stadtrecht sagt weiter: es sol ouch mengelich von sinem gute
hengest und pferde ziehen, su sint jung oder alt» die ir
eigen gut haut und sollent alte constafeler und antwercmeister
ir verfaren noch den haben (§ 22 c). Die Ausrüstung mit
Pferden ist demnach nicht eine Besonderheit der Konstafeln.
Sie ist eine allgemeine Pflicht der Inhaber eines Gutes. Die
Kontrole über die Stellung der Pferde seitens der Bürger
liegt in den Händen der Konstafeier- und Zunftmeister.
Wir werden demnach einen Zweck für das Dasein der
Konstafehl darin erkennen, die Bürger, soweit nicht schon
die Zünfte i^^ccignete Verhäiide dafür darstellten, auf Grund
einer topographischen Einteilung der Stadt zum Kriegsdienste
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zu Ross heranzuziehen. Aber das ist nicht ihr einziger Zweck
£fewesen. Dies geht sdion aus § 8 a des sechsten Stadt-
rechts hervor. Der § 22 b ii. c. dieses Stadtrechts sa^ all-
gemein: CS sol mengelich, wer in unser stat Strasburg" sitzet,
es sint manne oder frowen, sie hörent zu constofehi oder ant-
wcrckun, dienen yegelicher noch siner gebure mit namen
constafeier mit constafeln, die zu der antwercken gehören
mit antwercken; .... und wer nit diente .... das sullent
die constaveler und antwercksmeister unsern herren meister
rat furbringen. Alle Zunftgenossen und Konstafler haben
also, jeder in seinem Verband, Dienste-" zu tun, die man,
da das Stellen von Pferden ja noch besonders er\\'ähnt wird,
als militärische und steuerähnliche Leistungen wohl auf-
fassen kann.
Wir erkennen somit allgemein das Wesen der Konstafeln
darin, dass in ihren Verbänden die nichtzünftige Bürgerschaft
zu den städtischen Lasten herangezogen zu werden pflegte.
Den Konstafeln gehörten unzweifelhaft auch unzflnftige
Gewerbtreibende an. Eine wichtige Aenderung bei dem Um-
sturz der alten Verfassung im Jahr 1332 war die, dass man
eine Mtnge neuer Zünfte gründete, so die Zunft der Schiff-
leute, Komkäufer, Seiler, Wagner, Kistner und Gremper u. a.,
die vormals Konstofler waren.*^
20. Es handelt sich bei dem "Worte: „dienen mit" nicht
lediglich um den Zwang, dem Verband anzugehören. Ich weise
durattf hin, dass der ZunftzwanV; z. B. mit den Worten: einuog
haben, einung gewannen, ius, ^uod dioitar einung ausgesprochen -
wird. „Dienen mit" enthalt noch den speziellen Gedanken, dass
ein Zwang besieht, mit dem betreffenden Verband Dienste su
tun (s. oben S. 29 Anm- 25). Vgl. Bruoker a. a. 0. S. 430 ... er habe
sinen einung und diene mit . . .
21. Closener, a. a. 0. S. 126. Hegels Behauptung, diese
unsflnftigen Qewerbsleute hätten eine von den Geschlechtern
abhängige Klientel gebildet (a. a. 0. S. 968), ist aus der Luft
gegriffen und lisst sich nicht beweisen. Maurer, Städtever-
— 88 —
Dadurch sollte offenbar die politische Macht der Zflnfte
verstärkt werden. Weiterhin wurden im Jahr 1362 eine
Anzahl Gewerbetreibender, nämlich Goldsdimiede, Tuch-
scherer, Hamischmacher, Kannengiesser u. a. den Verbänden
der Konstafeln entnommen und den einzelnen Zünften zu-
geteilt.**
Dass nun die Konstafeln und Zünfte im Felde die Ab-
teilungen des städtischen Heeres bildeten, geht aus unseren
Nachrichten vor 1332 nicht hervor. Unsere Quellen bedürfen
daher der Ergänzung durch diu Ueberlieferung späterer
Zeiten, ganz besonders aber auch dann, wenn die Frage eine
Lösung finden soll, welcher Art das Verhältnis von Konstafeln
und Geschlechtertrinkstuben zueinander gewesen ist. Denn
darüber versagen die Quellen von 1332 gänzlich.
Wie sind die Leistungen der Bürger in der Zeit der
Zunftherrschaft in militärischer Beziehung gercij;elt?
Im Jahr 1366 beschloss der Rat 1090 Glefen .uifzustcllcn,
„von denen, die in der Stadt sind, es sei von Rittci n, Knechten,
Bürgern und Handwerkleuten. "-^ Demnach leisteten auch
Handwerker in der Ausrüstung als Glefen den Kriegsdienst,
im Jahr 1360 bestimmte der Rat in einer Liste, welche
Bürger Pferde zu stellen hätten. Ein Vermögen von tausend
Pfund Denaren bedingte den Unterhalt eines Pferdes im
Werte von zehn Pfund, von zwölfhundert Pfund eines Pferdes
im Werte von zwölf Pfund u. s. w. Auch bei geringeren Ver-
mögen konnten die Bürger zum Pferdesteilen herangezogen
werden.**
fassun*: I, S. 404 ' hält die erwähnten Handwerker in den Kon-
stafela für angesehene iTCwerbetreiliende. Dies lässt sich keines-
wegs mit Bestimmtheit behaupten.
22. Closener, a. a. 0. S. 141.
2S. SÜB V, n 718. Ueber diese Anordnung 8. unten 8. 186
u. ebenda Anm. 15.
24. SUB V, BatsbesöhlOsse S. 1038/9; Eheberg, a. a. 0.
n 146* n 87 § 4: Die Pflicht des Pferdeskellenfi begann schon
bei den Vermögen von vierhundert Pfund. (1448).
uiy j^uj uy Google
- 89 -
Die allgemeine Pflicht des Bürgers ist der einfache Dienst
im Harnisch.^'^
Im Gründe sind die erwähnten Verordnungen nur ge-
nauere Ausführung^en der in den Stadtrechten aufgezeich-
ncturi Bestimmungen über den militärischen Dienst der Bürger
und sprechen nicht gegen unsere oben vorgetragene Auf-
fassung.
Eine allgemeine Pferdeschau fand, durch die ,,Stallherrn**
statt, bei den Konstaflern in deren Häusern, bei den Zünften
im städtischen Stalle.^« Der städtische Stall unter der Aufsicht
der Stallherm nahm die von den Bürgern gelieferten Pferde
in Kriegszeiten auf.^^ Es ist nicht ganz sicher, ob er schon
vor 1332 von der Stadt unterhalten wurde. Nur eine Stall-
gasse wird gelegentlich in den Strassburger Privaturkunden
erwähnt.*®
Dagegen steht eigentlich nichts der Annahme entgegen,
dass die Ablösung, die für die Lieferung von Pferden im
15. Jahrhundert in Geld stattfinden konnte, der sogenannte
„Zusatz** 2i> auch schon in früherer Zeit üblich war. Da Pferde
auch von Frauen gestellt wurden,'*^ da eine Ablösung möglich
war, so erhellt, dass in Strassburg das Pferdestellen über<
SÜB V, n 2&5: wortnit sinem harnasch ietscnt gedienet
het und hinne sessehaft ist gewesen . . • der nit burger ist
gewesen, aol . . . burger ein.
26. Eheberg, a. a. 0. n 87 § 12 (1443).
27. ebenda n 30, 8], 86 (15. Jahrhundert); n 155 § 81 (um
1400): wenp diser krieg nsz ist und kein pfert me uff dem
stalle ist
2a SÜB nr, n 740 (ldl8); SUB VH, n 11; n 426 (1844).
29. Ehebeig, .a. 0. an 87 § 5 (1448): statt eines Hengstes
wurden 10 Pfund, statt eines gewöhnlichen Pferdes 8 Pfund
gegeben.
30. Eheberg, a. a. 0. n 87 § 1 (1448); SUB IVj, VL Stadi-
leoht (1322) § 22b*
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haupt den Charakter einer Steuer hatte, die eventuell auch
in Geld gegeben wurde,'*
Wahrscheinlich war dies auch in älterer Zeit möglich,
da sich im Wesen der Pflichtleistung«! der Bürger keine
Aenderung vollzogen hat.
Für die Gliederung des städtischen Heeres im Felde sind
vornehmlich die erhaltenen Listen der Aufrüstungen und Auf-
stellungen der Bürgerschaft von Wert. Aber auch andere
Nachrichten kommen in Betracht.
Nicht immer leisteten die Bürger, die die Pferde stellten,
den Rossdienst seihst. Es geschah z. B. die Aufstellung
der Glefen in der Weise, dass kriegstüchtigen Leuten die
pflichtmässig gehaltenen Pferde anderer zugewiesen
wurden."'^2
Die Konstafein sandten (neben den Zünften) im Jahr
13Q7 eine Mannschaft zu Fuss zur Verteidigung der Krutenau
ausser denen, ,,die uff pferde und zu glefen geleit sint'*.*^
Aus den Ausrüstungs- und Auf Stellungslisten von 1392
gewinnen wir folgendes Bild von der Zusammensetztmg des
Heeres.
Jede KonstafeH^ stellt eine Mannschaft zu Fuss und zu
P.oss aufß^ Die Scheidung zwischen Mannschaft zu Fuss
31. vgl. aach 8UB Y, n8l7. Bekannt ist ja, dass die Gliede-
rung nach Eonstafetn und Zünften bei der Umlage von Ver-
mögenssteuern sur Anwendung kam (8UB V, n 781 (1366) ; s.
Hegel, a. a. 0. 8. 959-f)0. Vgl. auch Eheberg a. a. 0. n 147
§ 37 (um 1400) utid SUB IV^, VF. Stadtrecht § 22b.
32. RUß Vr, n608 (1300); Süß V, n 317.
33. SUR VI, n 1276.
34. SUB VI, n 705, 706.
35. Die Anzahl der K. ist hier aclit. S. darüber später.
3fi. Die K. nUAlon auch Maunscliaften für den Tordienst
n 705) : dieser war auch nach K. u. Zünften geregelt. Vgl.
üV>er die Besetzung der Sradtmauer, Tore, Mauertürme das aus-
führliche Verzeichnis von i3ö8-9 (SUB VI, n os-6).
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und Mannschaft zu Ross wird in dem einen Verzeichnis •'^^
bei den Zünften nicht gemacht, ist aber, wie sich aus dem
andern ei^bt, ebenfalls vorhanden.
Das ganze Heer schart sich in 4 Abteilungien um die
4 Meister der Stadt mit den Bannern. Die berittenen Truppen
umgeben den zur Zeit präsidierenden Meister, nach Kon-
stafdn und Zünften geordnet w&hrend das Fussheer in der-
selben Anordnung, wie die Reiter, sidi bei den übrigen
Meistern befindet.^^ Natürlich sind in dem Fussheer die
Zünfte in der Ueberzahl.
Diese Einteilung dem Prinzip nach auch für die Zeit
vor 1332 anzunehmen, liegi um so näher, als vor 1332 eine
Menge Handwerker den Konstafeln angehörten, die zum
Patriziat nicht gerechnet werden können und zum grossen
Teil wenigstens den Dienst zu Ross nicht geleistet haben
werden. Sie fanden in den jeweilig zu Fuss ausziehenden
Konstafelabteilungen ihre Aufstellung.
Aus den benutzten Listen geht, eben w-eil sie die Heeic^-
aufstellung erschöpfend darstellen wollen, die Anzahl di?r
Konstafeln ziemlich genau hervor.''^ Ihre Namen sind vn
Jahre 1392: „in Spettergasse", „zu St. Thomas**, „an der
Oberstrasse'', „zum Mühlstein (mit „in Kalbesgasse'* iden-
tisch"), „St. Nilcolaus über Breusch*', „St. Peter***! „vor
37. A. a. 0., n 705.
38. Ein ähnliches Verzeichnis SUB VI, n 849 (1334).
39. In SUB V sind sie vollständig erwähnt nur S. 1061.
40. SUB VI, n 706. Darfiber später.
41. SUB V, n 535; ebenda S. 1051 ist noch die K. „im
Giesseu" nachweisbar; n 241 führt ,,im Glessen" und K. „am
Holzmarkt." suf. Nach v. Borries (a. a. 0. S. 50) wechseln die
Namen öfters: so steht ,,in Kalhcsgasse" für „am Holzuiarkt.''
Warum ,,im Giesseir' 1392 nicht aufgeführt ist, vormag ich
rieht zu entscheiden. Möglich ist, dass auf diese K. die Stelle
zur Anwendung kam: so sint die in den Vörstetten geordent in
ireii Vörstetten zu blibeu (aus mihtärisciieu ürUnden) iEbeberg
— 92 —
dem Mfinster". Die Konstafel „Im Giessen", die an anderer
Stelle nachweisbar is^^^ eingerechnet, gab es in Strassburg
acht Konstafeln.
Da die Namen der Konstafeln von verschiedenen Kirchen,
Strassen und Stadtteilen hergenommen sind, so bemerkt Hegel
mit Recht, dass die einzelnen Konstafeln die Bewohner oder
Anwohner der betreffenden Stadtteile umfassten, nach denen
sie genannt vvurden^^
Die Entwicklung der Konstafeln in die späteren Zeiten
zu verfolgen, ist hier nicht der Zweck. Hegel hat <;chnn dar-
getan, wie sie später zu einer geschlossenen, in jeder Be-
ziehung aristokratischen Adelsinnung geworden sind.^^
Uns beschäftigt nur noch die oben aufgeworfene Frage,
ob, wie Schulte will, die Konstafeln mit den Trinkstuben
gleichen Einteilungsgrund hatten und für ganz besondere
Zwecke der Verwaltung geschaffen worden sind. Man kann
sie aber auch aus den Quellen widerlegen.^
Die Namen uns bekannter Geschlechtertrinkstuben sind:
„zum Hohensteg"*6, „zum Mühlstein",*«, „zum Briefe",*^
„zum Schiff*,*« „zu St. Thomas**,*^ „zum Bippemantz".*«
V. Borries findet nun auf Grund topographischer Unter-
a. a. O. n 215 § 9 s. 15. Jahrhunderts). Vgl. den Stadtplan bei
Hegel a. a. 0.
42. s. vorige Anmerkung.
43. Die Grenzen der einzelnen Koustafehi würden sich viel-
leicht genauer umschreiben lassen, wenn sich die Wohnungen
' verschiedener Eonetafler feststellen liesseo. Eine Yei^eiohnng
beeondera der Eegesten des Mflllenheimifichen Familienbuohs mit
den erhaltenen Listen (a. a. 0.) wird da vielleicht lohnende
Besnltate liefern.
44. A. a. 0. S. 964 E
45. 8. noch V. Borries a. a. O. S. 50ff.
46. Glosener, a. a. 0. S. 125 (1832).
47. 8UB V» n 1 Zeuge 5 (1882) ; (ZeugenprotokoU).
48. SUB V, n ' 1021 (1872); flegel a. a. 0. S. 1060 (1401)
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suchiing, dass die Bezeichnung „zum Hoheusteg'* gleichbe-
deutend ist mit der „zu St. Peter", dass ebenso mit der
Bezeichnung „St. Thomas*' und „zum Schiffe", „zu St.
Nikolaus** und „zum Briefe** dieselbe Sache gemeint ist.
Er findet öfters Namen der Trinkstuben für die genannten .
Konstafeln ^^ebraucht.
Wir wissen nun, dass vor der Verfassungsänderung von
1332 und auch nachher der Gegensatz der Geschlechter, vor
allem der Mülnheim und Zorn, die Stadt beherrschte. Den
Versammlungsort der Familien und Parteien bildeten die
Trinkstuben, besonders für die Zorn die Stube „zum Hohen-
steg^', für die Mülnheim die Stube „zum Mühlstein".^'*
Da nun durch einen Vergleich der besprochenen Listen -'^
der Konstafeln sich herausstellt; dass die Namen der Mit-
glieder in den Konstafeln „zum Mühlstein" und „in Kalbes-
gasse" dieselben sind, so folgt, dass mit beiden dieselbe
Konstafel gemeint ist Demnach wiiti «ine Konstafel nach
einer Trinkstube benannt! Man könnte deshalb vermuten,
dass die Mitglieder der Konstafel „zum Mühlstein" (oder
,.in Kalbesgasse") auch Mitglieder der Trinkstube „zum
Mühlstein" sind, mithin das Konstafel und Trinkstuben den
selben Kreis Von Personen umschliessen. Indessen diese Ver-
mutung ist unmöglich aufredit zu erhalten. Denn prüft man
die fJamen der Mitglieder unserer Konstafel, so findet man,
dass diese ganz verschiedenen Parteien angehören und un-
möglich üenosscn ein und dcrselbLii Trinkstube sein können.
So unischlicsst die Konstafel mehrere Zorn, die erbittertsten
Feinde der Mülnheim, und diese selbst. Wichtiger noch ist
die Tatsache, dass die einzelnen Oeschlechterfamilien, die
im u cscntlichen wohl vollzählig zu einer Partei gehören, auf
die verschiedenen Konstafcin verteilt sind. Die Mülnheim und
Zorn finden sich fast in allen Konstafeln und oft nebenein-
49. Königshofen bei Hegel a. a. 0. 8. 748.
60. 8UB VI, D 706, 706.
— Q4 —
ander. Wäre es richtig, dass die Konstafel „zum Mühlstein**
die Genossen der gleichnamigen Trinkstube enthielt, so
müssten ihr alle Mülnheim oder möglichst viele angehören.
Dies ist aber nicht der Fall.
Man ist deshalb veranlasst, eine andere Erklärung dafür,
dass eine Konstafel zwei Namen führt, zu suchen. Sie ist
ziemlich naheliegend: die Konstafcl „in Kalbesgasse'' hiess
nicht ,,/um Mühlstein'', weil sie die Oenossen des „Mühl-
steins'' unifasste, sondern weil die Stube in dem Bezirk der
Konstafel lag und man sich daran gewöhnte, diese nach jener
zu nennen.*^
Bevor wir nun unser Resultat auch auf das Verhältnis
dec übrigen Konstafeln zu den Trinkstuben übertragen, prüfen
wir noch ein Verzeichnis über die Aufstellung einer städtischen
Mannschaft, die im Jahr 1372 aufgebracht wurde, um dem
Kaiser gegen den Herzog von Jülich zu dienen.^^ Es scheinen
hier die Konstafeln mit den Namen von Trinkstuben bezeicfa-
net zu werden, nämlich die „zum Bippemantz",ö8 „zu St
Thomas'', „zum Briefe". Soweit die Zeitunterschiede einen
Vergleich überhaupt zulassen, wollen wir dies Verzeichnis
von 1372 mit dem von 1392^^ veigleichen.
Einen sicheren Schluss lässt nur das Verzeichnis der
zum „Brief, und zu „St Thomas'' gehörigen Personen zu.^
Pauwelin Mosung diente im Jahr 1372 mit denen „zum Brief"
und im Jahr 1392 mit der Konstafel „an der Oberstrasse".^
Ein Zusammenhang der Trinlcstube mit der Konstafel „St
51. 8. Hegel a. a. 0., Stadtplan n 125 u. n 122.
52. SÜB V, n 1021.
53. Die Lage der Htube „sum Bippemants" (Hegel a. a. 0.
S. 1050, wie die von „St Thomas," ist nicht bekannt Die Stube
^,s5um Briefe" liegt in der Nähe von St Nikolaus.
54. Süß VI, n 705.
55. Die übrigen Namen kommen a. 1892.niGht vor.
öü. Öüß VI S. 879.
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Nikolaus", in deren Bezirk sie lag,-^'' ist demnach ausge-
schlossen. Dasselbe gilt von „St. Thomas", die sich als Trink-
stube und nicht als Konstafel erweist, da ihr Cunt7. Lentzelin
angehört, der im Jahr 1392 Mitglied der Konstafel „am Hol-
weg" ist.^^
Natürlich geht man auch fehl, wenn man da, wo der
„Hohensteg/' die Stube „zum Schiff** genannt werden, Kon-
stafeln annimmt. In der Urkunde von 1360, nach der ein
Bürger die „zum Hohensteg" mit den Worten gewarnt hatte:
^Seid gewarnt, die zum Mühlstein und die von St. Thomas
wollen euch und die zum Briefe überfallen" ist natürlich an
die in feindlichem Gegensatz zu einanderstehenden Parteien
auf den Trinkstuben gedacht.-'^ Zudem sind auch nur die
Namen der Trinkstuben aufgeführt.
Natürlich geht man auch fehl, wenn man da, wo der
1332^0 sind ciie aufgeführten Personen „zu St.. Thomas'*
und ,,zum Hohensteg'* Genossen blos der Trinkstuben.
V.. Borries ist im Irrtum, wenn er behauptet, dass die Mit-
glieder verschiedener Parteien gleiche Kleidung trug&ni d. h.
derselben Konstafel angehörten.*^^ Es wäre das bei der
Konstafel eine Uniformierung, die für eine so frühe. Zeit gar
nicht belegt werden könnte. Er gelangt nur dadurch zu dieser
Ansicht, dass ihm Konstafeln und Trinkstuben denselben
Kreis von Personen umschliessen. Die Familien der Ge-
schlechter und auch die einzelnen Parteien trugen zu dieser
Zeit allgemein gleiche Kleidung. Die städtische Verwaltung
aber sah sidi im allgemeinen Interesse, besonders da es
57. Hegel a. a. O. Stadtplan n 102, 79 vgl. Closener a. a.
0. S. 125,
68. SÜB VI, S. 886.
59. Ueber die Bedeutung, die diese Stelle fbr das Veratahd-
oia des Gesohelles von 1822 hat, s. v. Borries a. a. O. 8. 51.
60. Süß V, ö 1.
61. SUB V, n 1, Zeuge 5: er aach onch eiuen, der kleider
reit mit der trinckstuben voti Sänt Doman.
— 06
durch diese Art, seine Partei zu vertreten, nicht selten zu
offenen Reibereien gckcnnmen sein ina^, genötigt, dagegen
einzuschreiten. Auch in Slrassburg findet sich das Verbot
des Tragens gleicher Kleidung ungefähr um die Mitte des 14.
Jahrhunderts, wahrscheinlich eine Verordnung der neuen Re-
gierung.'-'
Unsere Darstellung des Verhältnisses der Trinkstuben-
gesellschaften zu den Konstafeln gilt freilich für eine spätere
Zeit, sie kann aber ihre Geltung wohl auch für die frühere
Zeit beanspruchen. Finden wir, dass Konstafeln und Trink-
stuben selbst später nicht identisch wurden, wie man geglaubt
hat, so mag dies ein Beweis dafür sein, dass es früher auch
nicht so war.
Die Frage des Alters der Konstafeln, besonders auch die
Frage, ob die Zünfte ihrem Verband allmählich entwuchsen,
wie Schmoller annimmt,^ lasst sich nicht einfach beantworten.
Es fehlt dazu das Material aus früherer Zeit Der Autor des
Bellum Waltherianum berichtet, obscbon er Gelegenheit dazu
hätte, nichts über die Konstafeln. Wohl ist es möglich, dass
ihre Entstehung in die Zeit unmittelbar nach 13(^ fällt, in
62. SUB IV„ VI. Stadtrecht § 448: Die Qenouen keiner
Trinkstube oder Gesellschaft dürfen sich bei Strafe von sol.
und vierwöehentlicher Verbannung ans der Stadt gani oder halb
gleich kleiden. Nur iu den Familien durften dies der Vater
seine £iuder und Schwiegersöhne tun,
63. Unser Resultat ei>!:il)t ülnigens auch ein anderes Bild
Yow dem Fest drr ..!! uidtafel," dessen Feier den Kampf der
Zorn und Mülnheim iierbeifÜhrte( Vgl. Schulte a. a. O, S. 605 ff.).
Während mrin bisher annahm, dass das Fest von den Kon-
staflern auf iluen einzelnen Trinkstuben gefeiert wurde, müssen
wir sagen, dass erstere c^^r nichts daltei zu tun hatten, sondern
die 'rrinkstuljcii, jr>de i'uv sich, das Fest hegingeJi Dabei bh-ibt
froüirh die Fra:--'' i.nnu'rhin dunkel, wie dann die Parteien an
einander gerieten (vgl. v. Bornes a. a. O. S. 52).
64. Q. Schmoller, Zunftkiimpie S. 15.
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— 97 —
der sich der. Aufschwung der Stadt so überraschend schnell
volhsog, dass die schon bestehenden Zünfte geeignete Ver-
bände darstellten, um zu den stadtischen Diensten heran-
gezogen zu werden, und der Rat dann die übrigfe Bürgerschaft
in die lukalcn Bezirke der Konstafeln einteilte, um in be-
quemer Weise ihre Pflichten zu regeln.
Aber woher stammt die eigentümliche Bezeichnung
dieser Bezirke?
Die Quellen j^eben keinen Aufscliluss. Offenbar ist der
Ausdruck Kunstafel eine Urnbildung eints lateinischen Wortes
nach Strassburger Mundart; die lateinische Form ist uns
freilich nicht überliefert.
Eine interessante Analogie bietet die Stadt Aachen, in der
seit Ende des 13. Jahrhunderts eine Einteilung nach Graf-
schaften für gewisse Verwaltungszw ecke, jedenfalls wohl von
der Stadtobrigkeit vorgenommen, bestand, deren Vorsteher
comestabuli, später in Aachener Mundart Christoffel hiessen.*^^
Höffler zitiert in seiner Dissertation über die Entwicklung der
Verfassung Aachens zu den Grafschaften ein Analogen aus
der französischen Stadt Douai, das geeignet ist, auch uns
weiter zu führen.<^^ Dort hiessen die Stadtbezirke conn^-
tablies.«^ Die Aehnlichkeit dieses Ausdrucks niit den
65. vgl. H. Höffler, Entwicklung der kommunalen Verfossung
und Verwaltung d. Stadt Aachen bis zum Jahr 1460. Harb*
DisB. T. 1901, S.72 ü.'j ygl. auch dazu die Bemerkungen Opper-
aanns in „Deutsohe Literatnrseitung" 1902, Öp. 476.
66. a. a. 0. S. 76 Anm. 6.
67. s. 6. Espinas, Les Finances de la commune de Douat
des originea au XV« aiiele in der „Nouvelle Revue historique du
droit fran^ais et etra-.iger." XXV (lüOl S. IGlff.), 3,179*.
68. Nach Ernst Meyer, Deutsche und französische V'erFassunge-
gcschichte S. 230 f. (vgl. S. 230 Anm. 9) tritt ein Bedeutungs-
wechsel des Wortes conatabularius ein, indem später dieser ein
Vollstreckungsbcamter wird, dessen Amtsbezirk dann constabu-
laria genannt wurde (Beispiele S. 231). Ob Meyers Erklärung
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- Oe -
„constofeln*', „cunstaveln" ist unverkennbar. Man wird natür-
lich nicht sagen, dass von Douai gerade der Ausdruck Kon-
statehi herübergenommen wurde, aber offenbar handelt es
sich bei ihm um etwas, was von Frankreich nach den
deutschen Grenzbezirken übernommen worden ist.
b. Das Steuerwesen.
Es steht ziemlich fest, dass die militärische Verfassung
der Stadt vor 1332 schon ganz auf den Verbänden der Kon-
stafeln und Zünfte t>eruhte. Dass diese Verbände nun auch
anderen Zwecken gedient haben, ist oben schon bemerlct
worden. Jedenfalls aus der Zeit der Abfassung des sechsten
Stadtrechts haben wir sichere Kunde, dass alle städtischen
Dienste durch Konstafeln und Zünfte geregelt wurden (Stadt-
recht §§ 22 b und 22 c). Eine her\'orragende Stellung unter
diesen Diensten, namentlich unter den materiellen Leistungen
der F^ürger, nahmen die Steuern ein. Wir kommen zu dem
Resultat, dass schon vor 1332 walirscheinlicii die Steuern
zum Teil zunftweise aufgebracht wurden. Jedoch ist eine
genauere Regelung der Steuerpflicht vor 1332 nicht über-
liefert
Noch bevor die Quellen fit>er die Erhebung allgemeiner
Steuern in den Verbänden der Konstafeln und Zünfte be-
. richten, bediente die Stadt sich schon der eigentlichen städti-
schen Steuer, des Ungeldes.'" Denn die Angriffe Bischof
Walthers auf die Stadtverwaltung im Jahr 1261 richteten
zutrifft, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls aber ist seine Be-
merkung über die Straasburger Verhülhnsse, das8 die Konstabier
dort die jungen, vornehmen Bürger gewesen seien (S. 231),
unrichtig.
69. vgl. SUfi V, n 88 (13Sa) dienst» (ai» die Stadt) lihendes
und gebendes.
70. vgl. G. V. Below, Artikel „Ungeld^ im „H>ndwArt«rbuch
der Staatswisaettsehafteu« 2 A. VH, S. 898.
Digiti^ uü uy Google
sich gerade gegen die selbständig vorgenommene Besteuerung
des Weines und Mahlens durch den Rat.'^ Aus den Worten
des Bischofs geht übrigens auch hervor, dass schon längere
Zeit der Rat diese indirekten Steuern in bestimmten Zeiten
erhoben hat (und sü wissent, das wir desselben ungeldes
wol gestattetent zi nCtnene, swenne wir sehent, daz es der
stette notdurftig vvere).^- Nach 1236 befindet sich die städti-
sche Verwaltung in dem unbestrittenen Besitz des Rechtes,
das Ungeld zu erheben. Es ist im Jahr 1279 eine Ungeldkasse
vorhanden, die wohl vom Rat durdi «ine Deputation ver-
waltet wurde.^^ In diese Kasse aber floss nicht das Ungeld
aHein, sondern auch ein Teil der Bussen aus dem Rats-
gericht^^ Sie scheint vor 1332 die erste und wichtigste Kasse
der Stadt zu sein.
Sicherlich dehnte sich mit der Zeit der Kreis der be-
steuerten Produkte weit aus.^^
Ob die Ungeldsteuer auf den gewerbtreibenden Klassen
schwer lastete, lässt sich nicht fesstellen.
3. Zünfte und städtische Selbstverwaltung.
Ein Vergleich der den Handwerkern auferlegten bürger-
lichen Pflichten mit denen der übrigen Bürgerschaft wird
einen Unterschied des Masses der Pflichten auf beiden Seiten
nicht ergeben. Es ist nun die Frage, ob sich dasselbe Ver-
71. SUB I, u 467, 11 471.
72. ebenda n 471.
73. SüB IV,, IV. Stadtrecht § 97 (1279): man so! aUe jor
das uugelt recheuen dem nuwen rat.
74. ebenda, V. Stadtrecht i< 352,smj5'8§ 27, § 02 (vor 1311):
die Gelder fallen meist zur Hälfte an die Kasse. Die Alicraben
der Juden zieht sie übrigens ebenfalls ein: VL Stadtreckt § 69
(1322).
75. Ueber die Einnahmen der Ungeldkasse in späterer Zeit
vgl. Eheberg, a. a. 0. n 10 (Neuordnung des Stadthaushaitesj
§ 67 (1405).
— 100 —
hältnis auch in der Ausübung bürgerlicher, vorzugsweise po-
litischer Rechte vorfindet. • •' . ' . .' '
a. Zünfte und Rat.
Das wichtigste Verfassungsorgan, das -seit Anfang des
43. Jahrhunderts die Leitung der städtischen Verwaltung über-
nahm, war der Stadtrat. Wenn eine Börgerklasse auf das
Regiment der Stadt einen sichtbaren Einfluss ausübt, so
äussert sich dieser darin, dass es iiu gehngt, sich im Stadtrat
eine Vertretung zu verschaffen.
Wie wenig eine solche Vertretung sich der Handwerker-
stand, speziell die Zünfte Strassburgs zu erringen imstande
gewesen sind, das zeigt am besten die Entwicklung der Strass-
burger Ratsverfassung. Wir können uns hier kurz fassen, da
gerade die Frage der Ratsverfassung neuerdings eingehendere
Erörterung gefunden hat.'
Schon im 12. Jahrhundert begann der Prozess der all-
mählichen Aussonderung einer Klasse der mächtigsten und
angesehensten. Bürger, die, wenn es galt, die Interessen der
Bürgerschaft vor dem Stadtherrn vertrat.- In den Urlcunden
werden diese Bürger als die „meliores" oder „maiores urbis''
bezeichnet."^
Die Grundlage für eine weitere abgeschlossene Ent-
widmung der angesehenen bürgerlichen Kreise wurde dann
durch die Genehmigung des Stadtrates im Reiten Stadtrecht
durch den Stadtherm, den Bischof, geschaffen. Denn für
die Qesamtvertretung der Bürgerschaft kam sofort, .wie es
scheint, nur die Klasse der ,,cives sapientiores et honora-
• biliores'S der „omhes maiöres" ausschliesslich in Betracht^
1. vgl. Max Foltz, in der schon oben zitierten Diasertation.
2. Foltss. a. a. 0. S. 19^
3. ebenda, S.- 18.
4. ebenda, S. 21; vgl. Keutgen, Urlt. u. 127 (II. Stadt-
recht) § 1.
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— 101 —
Nähere Bestimiiiungi;ii über die Wahl der Ratsherrn
sind indessen in dieser frühen Zeit nicht aufgestellt worden.
Vielleicht w aren es jetzt schon die vornehmen Bürgerkreise,
die das Recht der Wahl ausübten.'^
Die Bürß^crschaft, die nicht zu diesen mcliores civcs c^e-
hörte und die wir mit ziemlicher Sicherheit mit dem grössten
Teil des gewerbtreibenden Bürgerstandes gleichsetzen dür-
fen, wurde also schon in der ersten Entwicklung städtischer
Autonomie von einer mächtigeren Partei zurückgedrängt. Es
bedarf nicht mehr weiteren Nachweises, dass weit weniger
die Ministeriaiität als gerade die vornehme bürgerliche Be*
völkening die Reihen der Ratsfähigen bildete.®
Es war nun nicht etwa der gänzliche Verzicht auf jegliche
gewerbliche Berufstätigkeit, der dem Bürger die Ratsfähigkeii
garantierte. Denn wir wissen, dass in frühen Zeiten die rats-
fähigen Bürger nicht allein Grundbesitzer, Kaufleute in ihren
Kreis aufnahmen. Auch Handwerker gehörten in ihre Reihen.
Es sei hier an die interessanten Urkunden von 1237? und
1240^ erinnert, in denen unter den zwölf officiati der Kürsch-
ner, die alle das Handwerk selbst ausübten, Mitglieder rats-
fähiger Geschlechter, der Virnekorii, Kcbstock, Sluch, v. Saar-
burg, V. Hagenau, Marsilius, sich nachweisen lassen, von
denen Marsilius, Rebstock und Virnekorn in den Urkunden
selbst unter den Konsuln genannt werden,''
Diese Handwerker übten eben ein vor allen andern an>
5. ebenda, S. 22 Anm. 84.
6. Diesen Nachweis hat Foltz erbracht.
7. (Uugftdruckte) Stadtordnungeii, ßd. 33, fol.' 98. Hier
werden die 12 offidati selbst Kürschner- genannt.
8. SUB 1, D 268.
9. Foltz a. a. O. S. 35. Sie gehören jedoch ausser Marsilius und
Saarburg zu den Geschlechtern^ die schon am Ende des 13. Jahr-
hunderts ans dem Rat verschwinden ; ygl. Folts a. a. 0. 8. 28
(Liste der Jlatsßlhigen).
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gesehenes Handwerk, das sie sozial den Kaufleuten gleich-
stellte.
In den ersten Zeiten de Ratsverfassung ist noch nicht
eine so strenge Abschliessung bemerkbar, wie später. Wir
beobachten im ganzen 13. Jahrhundert den Eintritt bisher
unbekannter Bürger in den Rat, unter denen vielleicht mancher
den Handwerkerkreisen entstammte.
In eine neue f^hase der Entwicklung trat die Ratsver-
fassiing seit dem Vcrnleich von 1263 ein Der Einfluss des
Bischofs auf die Ratsbesetzung verschwand gan/licli. Am
Schlüsse seiner Amtszeit wählte der Rat selbstandiir den
neuen Rat. Die vom Rat ausgeschlossene Bürgerschaft war
nun vollends nicht mehr imstande, einen politischen Einfluss
auf den Rat auszuüben.
Jedoch nicht die gew erb treiben de Bürgerschaft, die schon
im Anfang zurückgedrängt war, allein verlor auf diese Weise
die Verbindung mit der regierenden Partei, in dieser selbst
usurpierte eine kleine Zahl von Familien das Recht der Rats-
besetzung, geriet in den völligen Besitz der „Ratskl*7en'^
Alle die, die nicht zu diesen wenigen Oeschlechtem gehörten,
verloren ihre widitigsten politischen Rechte.
Dieser Zustand tritt uns im Anfang des 14. Jahrhunderts
vollendet entgegen. Der abgehende Ratsherr, der die Kur
hatte, ernannte seinen Nachfolger. Kein anderer Bürger
konnte in den Rat kommen, wenn er nicht von einem, der
die Kur hatte, eingesetzt wurde.^^
10. So ist „her" Jbhann Kuruagel im Jahr 1877 als Mitglied
der Weinleutesunft nachweisbar (SUB V, n 1267). Die Familie
Kurnagel gehört zu den Ältesten ratsfähigen Geschlechtem (Folts
a. a. 0. 8. 28). TJebrigens sind die dem 7. Band des Str.-
Urkundenbuchs angefügten Ratslisten (1832 — 14CX)} von grosser
Bedeutung für die Erforschung der ständischen und gesellschaft-
lichen Verhältnisse der Stadt.
11. und firetorst ouch kein andere bürgere .... in dem rate
sin, es were das der die kure hette des jors, in bette dreiu-
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Ein strenges Verbot iraf im Jahr 1302 den Verkauf der
Kuren,i2 im Jahr 1303 die Ablehnung des Raisamtes.!' Bei
dem Tode eines Ratsherrn wurde der nächste Erbe des Ver-
storbenen sofort Ratsherr.^^ In der Einleitung des sechsten
Stadtrechts heisst es: 24 ersame ingesessener burger, der
Vetter und der vordem in dem rate sint gewesen, werden
gesetzt zu ratherm.i^
Aus der Tatsache, dass nach den Ratslisten im Rat
regelmässig mehrere Angehörige derselben Familien sassen/^
folgt, dass nicht einmal 24 Familien — die Zahl der Rats-
mitglieder betrug 24 — im Besitz einer Ratskur waren. Eine
Familie konnte also mehrere Kuren besitzen.
b. Zünfte und Schöffel.
Der Rat war nicht die einzige regierende Körperschaft in
der Stadt. Er hatte neben sich eine allgemeinere Gemeinde-
vertretung. Schon im zweiten Stadtrecht wurde die Gewöhn»
heit, in wichtigen Fällen die ganze Gemeinde um ihr Urteil
zu befragen, ersetzt durch die Berufung von Schöffen. Es
mag gleich hier hervorgehoben werden, dass diese Schöffen
etwas ganz anderes waren, als die sonst in den deutschen
Städten vorkommenden Schöffen, die Beisitzer des öffent-
lichen Gerichts. Denn erstens ist für Strassburg nirgends
ein derartiges SchöffenkoHegium nachweisbar^^, zweitens er-
gesetaet, das er ouch wol dun mochte, Closener, a. a. O.
S. 138 (1882).
12. SÜB IV«, V. Stadtrecht § 12.
18. ebenda § 18.
Ii. ebenda § 19.
16. SUß IV, a. a. 0. % 2a (1822).
Ifi. SUB III, S. 412 ff.
1 7. Vgl. Schalte in ZGORh, NF VIH, 8. 496 £f. und SUB. III,
S. 410.
18. vfi}. Maurer, Städteverfassung II, § 333. In Schwaben
gab eR überhaupt kaum Schöffen (vgl. Schröder, Bechtsgesch.
S. 172),
— 104 —
• *
schehien 'die Sdiöffeti hier, wie wir sehen werden, in einer
Amtstätigkeit, die sie nicht als Beisitzer des öffentlichen Ge-
richts kennzeichnet.'^
Die Strassburger Schöffen treten in zwei versdiiedenen
Tätigkeiten auf. Erstens waren sie öffentliche Urkunds-
personen (festes), die gemeinsam von der Bürgerschaft ge-
wählt wurden.^ Zweitens wurden die Schöffen in wichtigen
Angelegenheiten in die Ratssitzung berufen und um ihr Ur-
teil befragt.** In späterer Zeit wirkten sie hauptsächlich mit
bei Festsetzung neuer Ratsbeschlüsse, bei Verfügung des
Rates über die städtische Allmende.22
Die Schöffen treten nun früh schon nicht unter diesem
alleinigen Titel auf.
Im Jahr 1204 wurde ein städtisches Oriindstück auf
städtischer Aue durch Meister und Rat, scabini et officiales
verpachtet.-^ Kein Zweifel besteht, dass wir in den scabini
die .Schöffen des zweiten Stadtrechts zu sehen haben. Alle
wichtigen Beschlüsse, die besonders in den Stadtrechten Auf-
zeichnung fanden, wurden fortan von „Meister und Rat,
Schöffel und Amman'' erlassen. Es ist anzunehmen, dass
das Wort Amman (Amtmann) nur die Uebersetzung des
lateinischen officiales ist. Ditsß . Uebersetzung wird auch
durch die Verbindung ,3chöffel und Amman" gerechtfertigt.
Ueber das Wesen und den Stand dieser Schöffel und
Amman, die, wenn es dem Rat gefiel, von dem Amman-
]'J. Dagegen spricht aucli nicht, wenn erst im Rechsten Stadt-
recht die Schöfifea besonders (neben andern vom Rat bestimmten
Borgern) ati den niederen Gerichten Urteil sprechen sollen
(§ 202 a, n. b.)
20. Ken igen, Ork. n. 127 § 24. '
21. el)cnda § 5.
22. Ut'bor üire R( t* ili^ung dabei 8. später in dem Abschnitt
über die W rwaltun^; der Allmende.
23. SUB. I, u 270.
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meister^^ zusammenberufen wurden, sind verschiedene An-
sichten-ausgesprochen worden. Haben wir es mit zw€t ver-
sdiiedenen Verfassungselementen zu tun und sind seit der;
Zeit der Abfassung des zweiten Stadtrechts die Amman als
eine weitere Vertretung der Bürgersciiaft zu den Schöffen
hinzugekommen, oder ist diese Verbindung anders zu deuten ?
Erstere Ansicht vertritt namentlich Andreas Heusler.-^
Er sieht in den Schöffeln die Vertreter der Geschlechter,
in den Amman aber die Meister der Zünfte, die die zünftische
Bürgerschaft vertraten, und nimmt seit 1300 ungefähr eine
Vereinigung dieser beiden Verfassungsclemente an. Aus den
Url^unden des ersten Bandes des Strassburger lirkundenbuchs
zieht E. Kruse-''' denselben Schluss und findet ,,die Mit-
wirkung der Handwerker als eines von den Schöffeln ver-
schiedenen, aber ebenso demokratischen Elementes in der
Stadtverfassung 'schon für die erste Hälfte des 13. Jahr-
hunderts."
Nach Leupold^* sind die Amman ein Auschuss der Zünfte,
nicht der Zunftmeister, zur Besprechung und Wahrung ihrer
Standesinteressen, der aber seit Ende des 13. Jahrhunderts
mit dem Schöffenlcolleg in^ den Rat berufen wird, so dass
nun die vereinigte Körperschaft bald „Schöffel und Amman''»
bald „Schöffel'' aHein genannt wird. Demgegenüber sieht
Hegel^'in den Schöffeln und Amman dieselbe Sache; ihre
24. Dieser ist erst seit Anfang des 14. Jakrhuiiderts nachweisbar
(BUB IV,, V Stadtrecht § 51). Ueber ihn später.
25. Heusler, Vcrfassnngsgftsch. d. Starlt Basel im Mittelalter
(1660) S. 478 ff.; derselbe, Ursprung d. deutsch. Stadt Verfassung
8. 203 Anm. u. S. 205.
26. „Verfassungsgeschichte der Stadt Strassburg"s. Ergiinzungs-
heft der „Westdeutschen Zeitschrift für Gesch. u. Kunst" (1S84).
27. „Bischof Berthold von Buchegg." Strassb. Dissertation
YOn 1882. ö. 85 fr.
28. Hegel, a.- a. 0. IS. 955 £f, •
— 106 —
Wahl erfolgte, wie aus einem Zusatzartikel zum Stadtrecfat
von 1322 hervorgehen soll,^^ im Anschluss an die Konstafeln
und Zünfte, „die politischen Korporationen, aus denen als
organischen Glied ern die Gemeinde der Bürgerschaft
bestand."
Durch die Stellungnahme zu unseren Nachrichten werden
wir die Begründung der Ansichten obengenannter Forscher
genauer kennen lernen.
Unhaltbar ist die Ansicht, die eine von einander un-
abhängige Entwickhing zweier Kollegien annimmt, die erst
um 1300 zu einer Vcreinigunjr geführt habe. Dn^eeen spricht
die Tatsache, dass bereits im jnhr 1240 die scahini et c^fficiales
als eine einzige, bei demselben Geschäft tätii^e Behörde auf-
treten. Aber auch vorher gibt es keine Nachricht über
einen Zünfteausschuss, der unter dem Vorsjtz des Amnian-
meisters die Interessen seines Standes wahrte. Die Amman
sind nirgends allein aufgeführt. Wir müssen deshalb eine
solche willkürliche Annahme ablehnen.
lieber die Schöffel gehen die Ansichten nicht auseinander.
Die Quellen sagen zu deutlich, dass die Schöffel da, wo
. sie allein genannt werden, den Geschlechtern angehören. Im
Jahr 1330 führt z. B. eine Urlcunde 12 Strassburger Schöffen
an, die ein Ratsurteil über die Teilnahme der Weberinnen
am Dienst der Weber beurkunden.^^ Alle gehören ratsfähigen
Familien der Stadt an.
29. SÜB XVj, a. a. 0. § 2Gf.
80. SUB I, n 270.
31. SUB II} n 619 (vgl. Folts, a. a. 0. 8. 28: Liste der rats-
fKhigen Geschlechter). Die gerichüiehe Bedeutung der Schaffen
ist übrigens seit dem 13 Jahrhundert nicht zurückgegangen.
Eine bestimmte Gewohnheit, die SchrifT- n mit ihrem Amtstitel
aufzuführen, liat sich in Ötr. nicht ansgcluldct. So müssen wir
die urkundendeii Personen einer Urkunde von 1311 (SUB III,
n 680) als S. höffel erkennen. Die Urkunde wurde 1338 (ebenda
S. 210 Aum. 1) erneuert und vou eiuer Anzalü ueuer Schöffel
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j
— 107
Eine vom Rat 1261 ausgestellte Urkunde,^* nach der ein
Bürger einem andern sein Haus verkauft, führt unter den
Zeugen nach der Aufzählung der Räte an: ,,Reinboldelino,
Erbone Grimel, J. von Vegersheim seniore, Rulino Riplino,
H(einrico) Marsilio scabinis et amman,"
Während nun Heusler die amman als Zunftmeister be-
zeichnet und sich dabei auf ein Behördenverzeichnis von
1788 stützt, in dem hinter den Schöffen die „Herren Zunft-
meister** folgen, interpretiert Kruse die amman als die den
Schöffen beigeordneten Zunftmeister, indem er auf die Zeugen
einer andern Urkunde, deren Inhalt uns übrigens unbekannt
ist, sich beruft, in der ausser den Ratsmitglicclern als Zeugen
genannt werden: von den amptluten Walther der kuffcr-
meister, Heinrich der sm\ dcmeistcr/^* Kruse identifiziert also
den Ausdruck amptlute mit amman.
Indessen ist es doch zu gewagt, eine Behördenverzeich-
nis des 18. Jahrhunderts für einen Fall des 13. Jahrhunderts
heranzuziehen. Man wird doch zunächst aus den Quellen
dieser oder wenigstens einer ihr naheliegende Zeit sich
Sicherheit zu verschaffen suchen, ehe man Narhrichten der
Neuzeit verwertet.
Welcher Ausdruck wird in Strassburg für die Hand-
werkerzünfte gebraucht?
Im ersten Stadtrecht wurden die Zünfte unter dem Aus-
druck officia aufgeführt Dieser kehrt auch später noch
wieder; so werden im Jahr 1261 die Zunftvorsteher als ma-
gistri offidorum bezeichnete^ Noch in demselben Jahre er-
scheinen sie in einer deutschen Urkunde als ,,antwerc-
meister/'Sfi Auch die Stadtrechte in deutscher Sprache
■
besiegelt, weil die damals aiegelnclen Sohöffel alle bis auf einen
gestorben maea.
82. STJB I, n 479.
33. Süfi I, n 431, Anm. 3 (1258).
84. Süß I, n 467.
86. tiUB I, u 471.
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— 108 —
nennen die Zünfte und Zunftmeister nur ,,antwercke", „ant-
. werckmeister". Der Ausdruck ^Amt" (Ist. officium) wird
hinfort nur gebraucht, um ein Amt im engem Sinn zu be-
zeidinen.'^ Unverkennbar aber ist der Zusammenhang des
Wortes amman mit ambaht, ambahtman (Amt, Amtmänn).
In der oben angeführten Urkunde ist der Ausdruck
amptlute freilich mit zwei Zunftmeistern in Verbindung ge-
bracht. Diese einzige Stelle genügt aber nicht, um für unsere
Frage etwas beweisen zu können, und zweitens kennen wir
den Inhalt der Urkunde nicht, in der sie als Zeugen aufgeführt
werden. Auf jeden Fall kann man die beiden fraglichen
Worte nicht hinsichtlich ihrer Bedeutung identifizieren.
Mit obiger Urkunde vom Jahr 1261 fällt nun zugleich
die Annahme, die Amman sticn eine Körperschaft gewesen,
die zu wichti^ci! Ratssitzungen mit den Schöffen herange-
zogen wurde. ' Hier handelt es sich nämlich nur um den
ganz privaten Verkauf eines Hauses durch einen Bürger,
zu dem die Scliöffen in ihrer Eigenschaft als öffentliche Ur-
kundspersonen herangezogen wurden. Die Aniinan als Ver-
treter der Zünfte fänden hier gar keine üelegeaheit, die
Interessen ihres Standes zu wahren.
Andererseits aber ist nirgends ein Beleg für die Ansicht
vorhanden, die öffentlichen Urkundspcrsnnen konnten auch
aus den Zünften unter dem Titel Amman genommen sein.
Die Urkundspersonen werden im zweiten Stadtrecht eben
nur scabini genannt. Es wäre auch sonderbar, wenn Hand-
werkerschöffen den Titel Schöffen nicht führen würden. Es
bleibt deshalb nur übrig, anzunehmen, dass dieselben Per-
sonen unter zwei Bezeichnungen genannt /u \\'erden pflegten,
dass die Schöffen in jeder ihrer beiden Amtstätigkeiten auch
den Titel Amman führten.
3G. z. B. SUB IV,, IV Stadtreclit § 29 (1270): schefifel-
ambaht.
37. Leupold, a. a, 0. S. 35 L
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— 109
Uns interessiert nun auch besonders der Stand der in
unseren Urivunden aufgeführten Zeugen. Sie sind sämtlich
nachweisbar Mitglieder ratsfähiger Geschlechter und haben
.zum Teil selbst früher oder später im Rat gesessen.-^^
Weiteren Aufschluss gibt eine Urkunde vom Jahr
1315.3^ Sie enthält einen Urteilsspruch des Strassburger
Zoilergerichts. Ein Vidimus dieser Urkunde aus wenig
späterer Zeit ist geeignet, uns über den Stand der Männer,
die damals vor dem Zollergericht Urteil sprachen, zu orien-
.tieren.^*^ In diesem t>estätigen Nikolaus Zorn und Heinrich
v. Müinheim, dass sie, „der hie geschrieben stat und mit
andere erbere rittere und. bürgere und ouch scheffele und
ammanne von Str., die mit namen in disem selben brieve
genemet und geschrieben staut, ingcsigelen besigelt ist, ge-
sehent hant/'^^ Während wir in der Urkunde von 1261 wenig-
stens zweifeln konnten, ob die Amman selbst genannt sind,
wird hier gesagt, dass auch die Amman mit Namen genannt
sind. Alk hier aufgeführten Personen aber sind zMitglieder
angesehener Geschlechter und sind den Kreisen des Patri-
ziats zuzuschreiben.
Wenn nun alle Personen, die in der Urkunde als Scheffel
und Amman in Betracht kommen können, Patrizier sind,*-
ferner in den Verordnungen der Stadtrechte der üebrauch
von „Schöffel und Amman" und „Schöffel'^ allein immerfort,
38, Eeiiiboldelin ist a. 12Gü, Ruliii fiipliii a. 1258, Marsilius
a. 1252, Grimel 1266 im Rat
49. SUB. II, n. 332.
40. ebenda S. 279.
41. Es folgen die Namen der siegelnden Personen; die nach
den Semikolon genannten können wir mit siemlicher Sicherheit
f&r die Scheffel und Amman halten.
42. Vgl. Foltz a. a. 0. S. 28 (Usta der ratsfähigeu Familien)..
Undenkbar ist, dasB die Zunftmeister etwa Patrisier geweaen
seien (vgl. Keutgen, Urk. n 126 § 8, a. 1268).
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ja oft in einem Atem abwechselt,'' so ist doch der Schluss
berechtigt, dass es sich gar nicht um zwei verschiedene Ver-
fassungselemente handelt, sondern um eine einzige Körper-
schaft, die, obwohl sie eine Gemeindevertretung sein sollte,
doch bloss einem ein/igen Stande, dem I-*atriziat entnommen
wurde und demgemäss auch nur eines einzelnen Standes
Interessen vertrat. Dafür spricht auch die Tatsache, dass
der Ammnnmeister, der die Schöflel zusammenberief, zugleich
magister scabinorum hiess.^^
Es lassen sich aber auch allgemeinere Grunde für die
Ansicht anführen, dass wir es bei den Schöffel und Amman
lediglich mit einem gewissermassen weitem Rat aus dem
Kreise der Geschlechter zu tun haben, dass Schöffel und
Amman dasselbe sind.
Bereits oben ist bemerkt, dass sich ein Kolleq: der Amman
nicht nachweisen lässt. Man vermisst eine bestimmte Aus-
sätze über ihre Wahl, wie sie für die Schöffel existiert. Ferner
wird nach vielen Stellen in den Stadtrechten für den Schöffel
die Ratsfähigkeit vorausgesetzt. Es wird bestimmt, dass bei
Totschlag und anderen Verbrechen der Schöffel der Ehre
des Schöffelamts verlustig gehen und niemals wieder Schöffel,
Rat noch Bürger werden soll.*^ Hiernach war eine eigentlich
demokratische Vertretung der Stadt unmöglich. Denn von
der Ratsfähigkeit war bei dem Handwerker, soweit er nicht
selbst zum Patriziat gehörte, nicht die Rede. Endlich ist
es auch indirekt ein Beweis für die patrizische Abgeschlossen-
heit des Amtes der Schöffel und Amman, dass diese ein-
hellig mit dem Rat Beschlüsse fassten, die unbedingt eine
Schädigung des Handwerkerstandes oder doch eine starke
•13. 8. Rp^'f'l, a. a. O. S. Üä5.
44. .s. ebenda S. 954 Aiim. 1.
4ö. Süß 1V„ ötadtiecht § 2b (1270>,
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Beeinträchtigung seiner politischen Rechte in der Stadt ent-
hielten.^«
Nichtsdestoweniger sind wir aber doch befuirt, eine all-
mähliche Entwicklung bis zu der AusschÜessuii^r nlchtpatri-
zischer Elemente bei dem Schöffenamt anzunehmen. Im
zweiten-* und vierten^^ Stadtrecht heisst es, dass die Wahl
omnium beneplacito, „an offenem gerichte'" vorgenommen
werde. Oerade weil kein Gcset/ die Handwerker vom Schöf-
felamt ausschloss, glauben wir, dass sie fähig zu dem Amte
waren. Nach dem fünften, in das 14. Jahrhundert gehörenden
Stadtrecht hingegen soll niemand Schöffel „an offnem ge-
richtet' wählen, bevor Meister und Rat in „heimlichen Rat
übereingekommen sind.'*^'' Man wählte demnach vorsichtig
aus. In dieser Zeit wurde für den Schöffe! die Ratsfähig^keit
vorausgesetzt!
Es bleibt zum Verständnis des Ganzen nun nur noch
die Frage zu losen übrig, ob vor 1332 schon die Gliederung
der Stadt nach Konstafeln und Zünften auch bei der Wahl
der Sdiöffel und Amman massgebend war, wie Hegel be-
hauptet. Ein Züsatzartikel zum sechsten Stadtrecht von 1332
bestimmt, dass „hinnanfürder'' ein Schöffel nicht anders
zu wählen sei, als dass drei oder vier ehrbare Männer von
seiner Zunft oder Konstafel, „damit er danne dienet,*' mit
ihm vor den Rat koinincn und diesen bitten, ihn zum Schöffel
zu machen/'" Hegel nimmt nach diesem Artikel auch eine
Beteilitiuii^ des Handwerkerstandes an dem Schöffclamt an,
fügt aber doch hinzu, dass es sich vor 1332 nur um einen
46. s. B. SUB IV„ V. Stadtrecht g 12 (1802): Verbot des
Verkaufs der fiatskuren.
47. Eeuigeii, Urk. n 127 § 98 (ca 1214).
48. SUB IV2, a. a. O. § 80 (12T0).
49. SUB IV2, V. Stadtrecht § 64 (Anfang des 14. Jahr-
hunderts).
50. ebenda, VI. Stadtrecbt § 26 f.
' — 112 —
gerinsfen Antei[ dieses handeln kann. Indessen charakterisiert
sich dieser Zusatzartikel als in eine spätere Zeit gehörig^i
und ist auch da nicht so aufzufassen, dass die Schöffen
die Vertreter der einzelnen Konstafeln und Zünfte waren,
vollends ist dies unmöglich in der Zeit vor 1332, in der
die Konstafeln nicht nur die Mitglieder des Patriziats, sondern
auch eine Menge Handwerker, die nicht zum Patriziat ge-
hörten, umschlossen. Die Scheidung nach Konstafeln und
Zünften wäre danach für die Vertretung verschiedener
Standesklassen keine reine gewesen. Einen bestimmten
Modus der Wahl der Schöffel und Amman hat es vor 1332
wohl garnicht gegeben. Die Schöffel repräsentierten weder
die Interessen d<er Konstafeln oder Zünfte noch bloss die
der Patrizier; sie sind eine Vertretung für die ganze Gemeinde
gewesen. Nur wurden sie bis 1332 allein dem Kreis der
herrschenden Klasse in der Stadt entnommen. Später da-
gegen, als die Zünfte sich den Zutritt zum Rat und den
übrigen Aemtern erzwangen, wurden die Schöffel und Am-
man aus der ganzen Bürgerschaft heraus gewählt. Deshalb
aber wurde ihre Wahl in der Weise geregelt» dass die Kon-
stafeln und Zünfte — andere Verbände kamen dafür nicht
in Betracht — Bürger, die mit ihnen dienten, vorschlugen
■und diese dann der Rai wählte.'^ Es war dies offenbar
eine Massnahme aus Bequemlichkeitsgründen.
51. Da der Artikel nach Heuslers Ezcerpten nur in Codex F
des eechstea Stadtrechis stand, so kann er sicher erst nach 1840
aofgeseichnet sein (vgl. die Einleitung zum Stadtrecht a. a. 0
S. 48-49.
52.,«. Hegel, a. a. O S. 955.
58* Hiernach sind die Ansichten I>eup()lds (a. a. O. S. 36
Ai:in. 1) zu modifizieren. Er hält die Schöffen lür die von den
Konstafehi vorgeschhigcncn Vertceter der unsCLuftigen Bevölkerung,
die fast ohne Ausnahire Patrizier waren. Er schhesst dies aus
§ 25 i des sechsten Stadtree!\t3 (a. a. 0.), nachdem bei Beteiligung
der Schöffen iin HaUgericUt nur desseu Ui:teil gelteu soll, der
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— 113 —
c. Zünfte und Ammanmeister.
Aufs engste mit dem Schöffetkolleg verknüpft scheint
das Amt des AmmanneisterB. Indessen wäre eine nähere
Auskunft über ihn unmöglich, wenn wir nicht von den bis-
herigen Ergebnissen über das Wesen d«r Schaffet und Am-
man Gebrauch machen wollten. Denn als Ammanmeister
tritt dieser Beamte, der auf Cebeiss des Rates die Sdiöffel
versammelt und befragt, unvermittelt im fünften Stadtrecht
(vor 1311) auf,^ während bis dahin» d. h. nur zweimal, ein
magister scäbinorum oder auch „schöffenmeister" erwähnt
wird.^» Dagegen findet man nichts von dem Ammanmeister
in den Urkunden des 13. Jahrhunderts. Namen von Amman-
meistern sind überhaupt vor 1332 nicht erhalten.
Nach dem oben erwähnten Statut des fünften Stadtrechts
wählte der Rat jährlich einen Ammanmeister.
Die Forschung Heuslers und anderer hat den Ursprung
dieses Amtes natürhch mit der Theorie von der Vertretung
des Handwerkerstandes durch die Amman in Bc/iehung ge-
bracht und die Entwicklung des Amtes so aufgefasst, dass
wahri^cheinlich der seit hingem schon bestehende Amman-
meister, der Vorsteher der Amman, den Schöffenmeister ver-
drängte^'' und im Vorsitz von Schöffel und Amman seine
Stellung einnahm. Die verschiedenen Namen sollen dem-
nach auch hier auf Aemter verschiedenen Ursprungs hin-
weisen. Dass der Ammanmeister der Vorsteher der Zunft-
im Rat gowesen sei. Hier handelt es sich aber lediglich darum,
daas nur der Schöffel, der selbst als Ratsherr die Oerichtsprazis
des Rates kennen gelernt hat, Urteile sprechen oder um sein
Urteil befragt werden soll.
- 54. SUB IVs, a. a. 0. § 54. Die game Ammaumeister^
Ordnung ist abgedruckt hei A. Heusler, Gesch. Basels S. 483 f.
55. SUB I, n 216(1 229) : Rudol Fl Hlii Lenzelini raagistri scabi-
norum; n 220 Aum. (1230) Hug Guldin schoeffenmeister.
56. Heusler hält diese Annahme für wahrscheinlicher, aln die
Möglichkeit, dass der Schöfifeumeister bei immer grösserer Be-
— 114 —
tneister war, geht nach Heuslers Ansicht aus den ganz
analogen Verhältnissen Basels hervor. Dort habe im 14. Jahr-
hundert der Oberzünftmeister, ebenso wie in Strassburg, den
Titel Ammanmeister oder magister scabinonim geführt.
Was kann. man nun aus den Quellen feststellen?
Ungewiss ist, ob der Beschluss aus dem Anfang des
14. Jahrhunderts, dass der neue Rat jährlich einen Amman-
meister wählen soll,^^ ein neues Amt einfuhren will. Man
kann auch annehmen, dass der Ammanmeister bisher von
der Körperschaft, der er vorstand, aus ihrem Kreis heraus
gewählt wurde, während nun der Rat die Verfugung auch
über dieses Amt in seine Hände brachte. Der Ammanmeister
gehörte der herrschenden Klasse in der Stadt an. Er sollte
sich ein Ross halten, wie jeder Ratsherr.^^ Wessen Vater
oder Sohn des Jahres im Rate sass, der konnte mit dem
betreffenden Jahr nicht Ammanmeister werden.** Der Am-
manmeister gehörte selbst während seiner Amtszeit nicht
dem Rat an, sondern durfte dort nur auf üeheiss des Rates
erscheinen.^*^
Es liegt nach diesen Nachrichten kein Grund vor, in
dem Ammanmeister ein zünftiselies Element zu erkennen.
Wir können deshalb sagen: wenn Schöffel und Amman von
Anfang an nicht allein eine weitere Oenieindevertretung neben
dem Rat sind, sondern auch als Zeugen unter dem doppelten
Namen auftreten, also nur eine einzige Körperschaft dar-
stellen, so scheint doch auch die Annahme zweier verschie-
dener Vorsteher überflüssig, und es ist nicht wunderbar,
wenn der Vorsteher dieser Körperschaft schon vom 13. Jahr-
deutung der Zünfte vom Vorsitz fler Amtnaii den Amtstitol ent-
lehnt« (Ursprung, S. 206», Letzlere Auffassuug bei Leupold,
a. a. 0. S. ;j7.
57. SÜB IV„ V. Stadtrecht § bi.
58. ebenda ij 54 .
59. ebenda, VI. Stadtrecht § 25*1 (1322>
60. ebenda § 25».
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*
hundert her unter dem doppelten Namen «xisfiert hat. Später
lediglich Ammanmeister fi^enannt, hat er doch nicht die latei^
nische Bezeichnung »»magister scabinorum'' verloren.
Wie . verhalten sicfi zu dieser Erklärung die späteren'
Nachrichten?
Bei der Verfassungsänderung von 1332 wurde neben
den üblichen vier Meistern auch ein Ammanmeister eingesetzt
der „ein Haupt der Handwerke" sein und „dessen Eid allen
andern Eiden vorangehfin/' soUte.^^ Der Chronist Closener
bemerkt hierzu: ,,das doch vormals gar ungewonlichen was:
wie doch men eineii ammeister hette gehebet, so stunt doch
kein Gewalt an ime, wan das er die schoeffele besamelte/'^^
Aus diesem. Bericht folgt noch nicht, dass der Ammanmeister
auch vorher schon ein zünftisches Element war, wie Heusler
meint, ja, es kann vielmehr das Gegenteil davon der Fall
g'ewesen sein: dass iiärnlich etwas g'anz Neues mit diesem
Schritt der Zünfte eintrat. Indem die Zünfte ihren Eintritt
in den Rat gewissermassen als eine Erweiterung dieses an-
sahen, Hessen sie die vier Meister nach der alten Verfassung
bestehen, d. h. diese Aemter blieben nach wie vor den Patri-
ziern vorbehalten. Während die Zünfte selbst sich nach einem
geeigneten Vertreter ihrer Interessen umsahen, fanden sie
diesen in dem Vorsteher des Schöffenkolleirs, nicht weil
dieser bisher die Interessen der zünftischen Bürgerschaft be-
sonders wahrgenommen hätte, der. Ammanmeister, der Vor-
steher der die Interessen der ganzen Stadt vertretenden und
jetzt nicht mehr nur aus Patriziern bestehenden Schöffen,
schien die beste Gewähr für die Interessenvertretung der
nun in den Rat eintretenden Zünfte zu bieten.
Wäre nun der Ammanmeister in Strassburg ein Ober-
zunftmeister von vornherein gewesen und zwar den Zünften
Gl. Closener, a. a. 0. S. 123 j vgl, auch Schwörbrief vou
1334 (Hegel a. a. 0. S. 932). . ' .
G2. Olosanerj ebenda.
— 116 —
aus dem Kreis der Patrizier gegeben worden, so wäre sicher
während der Zunftrevolution eine Aenderung dahin einge-
treten» dass man dieses Amt nun mit«inem Handwerker selbst
besetzt hätte. Da nun dieser Wechsel erst im Jahr 1340 und
infolge änderet- Wirren -drftrat,^^ während bis zu dieser Zeit
nur Patrizier das Amt versahen, so können wir diesen Um-
für unsere Ansicht verwerten und sagen, dass im Jahr 1332 die
Neuerung in dem plötzlichen Wechsel der Amtstätigkeit des .
Ammanmeisters lag-, dass dieser bisher nicht den Interessen
des Handw erkerstandcs, sondern all^ein»"ineren gedient hatte,
wäiirend ein Wechsel im Stand des Beamten jetzt nicht
eintrat, sondern erst längere Zeit danach. Diese alhnähHche
Entwicklung ist bei dem konservativen Charakter der neuen
Verfassung ganz erklärhch.
Seitl332 kann man füglich von dem Ammanmeister als
Oberzunftmeister sprechen. Damit erklären sich denn auch
Analogien und Tatsachen, die man für das Bestehen eines
Oberzunftmeisters in Strassburg schon vor 1332 anführt. Eine
Bulle Papst Martins V, aus dem Jahr \4\S^^ spricht von dem
Strassburger magister officiorum, vulgariter dictus ammeister.
Wie wir gesehen haben, entspricht das natürlich vollständig
den Verhältnissen der späten Zei^ aus der die Bulle stammt
In Basel wurde der Ammeister, Oberzunftmeister, der erst
am Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbar ist, im Jahr 1385
und 1400 magister scabinorum genannt.^'» Aber diese Nach*
ahmung Strassburger Verfassungsinstitute und deren Bezeich-
nung aus einer solch' späten Zeit beweist wiederum nichts
für die Zustände vor der Zunftbewegung.
63. Closener, a. a. O. S. 130.
64. A. Heusler, Gesch. Basels S. 481.
65. Ochs, Geachichto der Stadt und Landschaft Basel (1786 f)
II, S. 2S7; III, S. 69; Heualer, Gesf l». Basels S. 4bb.
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Kapitel 2.
Die Zeit der ersten Zunftbewegung.
§ 1. Ursachen der Zunftbewegung.
Die erste Erschütterung erlitt die cinzigf von einer be-
vorzugten Bürgerklasse geleitete Regierung im Jahr 1332.
r3amals ergriff die in politischer Abhängigkeit und Macht-
losigkeit verharrende Bürgerschaft, veranlasst durch einen
blutigen Konflikt der Parteien im Patriziat, die Zügel der
Regierung und begründete eine neue, demokratische Ver-
fassung.
Indem die Verfassungsänderung auf eine vom Patriziat
gegebene Veranlassung hin sich plötzlich volUieht, ohne dass
die Zünfte erst etwa mit bestimmten Forderungen an den
Rat herangetreten sind, weist sie unmittelbar auf eine schon
längere Zeit vorhandene Gährung in der beherrschten Klasse
hin, auf eine Unzufriedenheit mit dem patrizischen Regiment,
die nur eines Anstosses bedurfte, um zur offenen Opposition
zu führen.
Für diese Ansicht bieten sich sogar sichere Anhalts-
punkte. Denn bereits im Jahr 1306 machte ein Teil der Zünfte
seinem Unmut Luft in einer gegen den damaligen Schult-
heissen und Münzmeister Nikolaus Zorn gerichteten Er-
hebung, die wir gewisscrmassen als ein Vorspiel zu der
Erhebung von 1332 ansehen können.*
1. Closeuer, a. a. 0. S. 123; Köuigshofeu, a- a. 0. S. 775.
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— 118 —
Das Unternehmen scheint bereits die Form einer regel-
rechten Revolution angenommen zu haben, deren Ausgang
garnicht abzusehen war, falls sie von Erfolg gekrönt wurde.^
Jedoch die Aufständischen unterlagen den Anhängern Zorns
und ATurden zum grossen Teil von der Stadt mit ewiger Ver-
bannung bestraft. Wenn nun auch die Ge\valttätiL,rkciten eines
Mitgliedes des mächtigen Geschlechts der Zorn den Aufstand
unmittelbar- veranlassten,^ so scheinen doch nach dem Cha-
rakter des Aufstandes die Ursachen tiefer zu liegen und
dieselben zu sein, die auch die spätere Erhebung von 1332
heraufbeschworen.
Im folgenden soll versucht werden, diese Ursachen,
soweit die Quellen darüber Aufschluss geben, darzulegen.
Closener gibt uns in seinem Bericht über den blutigen
Konflikt der Zorn und Mulnheim im Jahre 1332. und die durch
ihn veranlasste Erhebung der Bürgerschaft- wichtige Auf-
schlüsse über die Motive und Tendenzen, die für das Zustande-
kommen der neuen Verfassung massgebend waren. Nach
Closener griffen in den Kampf der Parteien die „erbem
bürgere und antwergiüte'' ein, namen den massgebenden
Geschlechtern die Regierung aus der Hand und schufeen
gemeinsam die neue Verfassung.' Das Schwergewicht legt
Closener in dem L iiterschied der neuen von der alten Ver-
fassung auf die Zusammensetzung des Rates. Denn nunmehr
setzten die „ehrbaren Bürger und Handwerksleute" Burger
„ohne Unterschied" in den Rat, das System der „Ratskuren''
wurde abgeschafft und den Geschlechtern, die im Besitz von
2. Die Zünfte kämpften unter ihren Bannern (Königshofen
a. a. 0. S. 775);Notae hist. Arg. zu 1308 (Böhmer, Fontes rerum
Germanicarum III, S, 117).
3. Königshofen, a. a. 0. S. 775; auch der Autor der Mar-
badier Anualen sieht in Nikolaus Zorn die causa effidena des
Aufstandes (M, G. SS XVU, S. 179; vgl. auch Notae hist Arg.
a. a. 0.
4. a. a. 0. S. 122.
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— 119
Kuren waren, das „Abschwören" der Kuren zur Pflicht
gemacht.'^
Wir sehen, die Ratskuren waren eine Hauptquelle der
Unzufriedenheit. Die t^rosse Masse der Bürgerschaft lebte
in dem Bewusstsein, durch das herrschende System der
Ratsbesetzung zu politischer Untätigkeit verurteilt zu sein.
Und dieses Bewusstsein hatten die Zünfte nicht allein. Denn
wie wir sahen, hatte sich mit der Zeit das Bild des städtischen
Regiments dahin geändert, dass nicht nur die ganze gewerb-
treibende Bevölkerung den politischen Einfluss verloren
hatte, sondern auch ein grosser Teil des Patriziats, der sich des
Vollbesitzes aller politischen Rechte erfreut hatte, sich durch
wenige, aber desto mächtigere Geschlechter in den Hinter-
grund gedrängt und seines früheren politischen Einflusses
beraubt sah. Indem diese Geschlechter In den Besitz der
Ratskuren gelangt waren, übten sie tatsächlich allein das Re-
giment aus. Wie dieser kleine Kreis auch die Machtmittel
der Regierung gebrauchte, mit den Ratskuren war doch ein
wenig haltbarer Zustand geschaffen, der über kurz oder lang
zu heftigen Angriffen der Bürger führen musste. In dem
Sireben, Anteil an politischen Rechten zu gewinnen, fühlten
sich Zünfte und alle andern „ehrbaren Bürger", die nicht zu
jenen bevorzugten Gesdilechtem gehörten, einig. Deshalb
war ihr Hauptziel die Abschaffung der Kuren.
Indem nun die ganze Bewegung des Jahres 1332 sich
gar nicht bloss auf eine Erhebung der Zünfte beschränkt,
gewinnt man viel weniger das Bild einer sozialen Revolution
des zünftischen Elements, als vielmehr das der vorzugsweise
von politischen Motiven geleiteten Opposition einer nach po-
iitischer Selbstbetätigung ringenden Klasse.^
Es darf wohl angenommen werden, dass die Initiative
5. Closener a. a. 0. S. 123, 125.
6. Vgl. Fsddnneerorff in n „Jahrbüchern für Nationalökonomie
und StatiBtik" XXVi, S. 226.
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von der zünftlerischen Partei aussTmg, denn sie war ja in der
Ausübung^ politischer Rechti- \oii Anfangs an am un^ünstigstvjn
gestellt; nicht einmal, wie wir gesehen haben, waren mit der
(jemeindevcrtretung der Schöffel ihre Standesintercsscn ge-
nügend vertreten oder hatte der Ammanmeister mit der zünf-
tischen Bürßerschatt auch nur die geringste Beziehung.
Wenn nun die politischen Machtverhältnisse in der Bür-
gerschaft in erster Linie zu der Bewegung des Jahres 1332
hintrieben, so fehlte es doch nicht an unmittelbareren Mo-
menten, die die IJnzufrieclenheit besonders der Zünfte mit
der herrschenden Klasse in höchstem Mass steij^ern mussten
und die Erhebung beschleunigten.
In der von den Patriziern geführten Verwaltung lag nur
zum gewissen Teil ein für die Erhebung ausschlaggebendes
Moment.
Keine Anklagen finden sich hinsichtlich der Verwaltung
im städtischen Haushalt. Die Quellen geben auch keinen An-
halt, eine durch die Geschlechter herbeigeführte Unordnung
oder Verlegenheit in den städtischen Finanzen anzunehmen.^
Wir wissen nicht, ob die Gelder zu einseitigem Nutzen der
Geschlechter verwandt wurden. Es ist freilich wahrscheinlich,
dass schon vor 1332 die Stadt für die Verbesserung ihrer
Finanzen zu dem Mittel griff, Zwangsanleihen bei den Bürgern
aufzunehmen.^ Wenn dies geschah, so scheinen die Börger
immerhin nicht Anlass zu Klagen über eine schlechte Zurück-
zahlung gehabt zu haben. Jedoch wird, wie in andern Städten,
auch hier der gänzliche Mangel einer Kontrole und eines
Einblicks in die Verwendung der Gelder den Wunsch der
7. Dia Neuordnung des StadthaushalteB von 1405 kommt fhr
uns wohl nicht in Betracht Die damalige Verl^etiheit in den
Finanzen rührt von einer späteren Zeit, besonders von den
Eriegszeiten am Ende des 14. Jahrhunderts her.
8. Im Jahr 1338 ist von Diensten „lihendes (und gebendee]"
die Bede, von denen Juden befreit werden (SUB V, n 88); vgl.
Hegel, a. a. 0. S. 960.
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beherrschten Klasse nach Mitregierung bestärkt haben. Eine
gewisse Bestätigung für diese Annahme wird man darin
finden können, dass nach der Verfassungsänderung eine gross-
artige Erweiterung des Beamtenapparates in dem städtischen
Finanzhaushalt stattfand und eine einheitliche Kontrole ge-
schaffen wurde, die mit Sicherheit das Werk der in den Rat
eingetretenen Zünfte genannt werden darf.''
Anders lagen die Dinge in der Verwaltung der städtischen
Allmende.
Auf ihre Nutzung wird in den Städten der grösste Wert
gelegt.'*^ Sie soll ein Gemeingut aller Bürger sein.^^ Die
Patrizier begingen daher eine grosse Schuld, wenn sie das
wichtige Recht der allgemeinen Allmendenutzung verletzten.
Schon in einem Schreiben Bischof Walthers im Jahr 1261
wurde den Patriziern vorgeworfen, dass sie dadurch die nil-
gemeinen Rechte verletzt hätten, dass sie Teile der Allmende
einfach an sich zogen und unter sich teilten.^^
Nachdem dann die Bürgerschaft im Jahr 1263 wieder in
den ausschliesslichen Gebrauch der Allmende gelangt war,i3
bauten die Patrizier eigenmächtig ihre Trinkstuben auf die
Allmende» ohne den Grund und Boden käuflich von der Stadt
erworben zu haben. Es waren die Stuben „zum Hohensteg'',
auf der sich der Anhang der Zorn versammelte, ,,zum Mühl-
stein", der Sammelpunkt der Partei der Mülnheim, „zum
9. vgl. das Aemterwesen in der Neuordnung des Stadthaus-
haltes von 140> ■ (Eheberg, a. a. 0. n 10).
10. 8. G, fielow, Entstehung der deutscheu Stadtgemeinde
8. 49.
11. vgl. 8UB I,n 144 (1190--1203); n 883 (1254), n 467
(1261); der Verkauf von AUmendestacken sollte nur mit Zu*
stunmuug aller Borger stattEnden: n 220 (1280); n 224 (1231).
12. almeindas privatis suis ustbus ^iplicant in nostram
(episcopi) totiusque populi . . . lesionem (SUB I, n 467); vgl.,
auch SUB I, n 471 (1261).
la. Keutgen, Urk. n 128 § 6.
— 122 —
Schiffe" und ,,7um Briefe*'J^ Es ist klar, dass diese Ver-
hältnisse \()n der Bürgerschaft stark g^emisshilligt wurden.
Als daher die Zünfte in das Stadtregiment eintraten, war einer
ihrer ersten Schritte der Abbruch dieser Trinkstuben.^^
Einige in das Rechtsbuch von 1322 später eing-efügte, .
die Bestimmungen über die Besetzung der Allmende ver-
schärfende Artikel geben Zeugnis davon, dass die Handwerker
von der Unredlichkeit, mit der die Patrizier die Allmende
verwalteten, aufs heftigste erregt waren. So heisst es z. B.:
wer hinnanfürder unsre stette gemeine allmende an sich
zuhet oder diwet, der sol ein jor von der stat sin und git
10 Wb?^ Den Zimmerleuten und Maurern wurde verordnet,
ffir niemanden auf der Allmende zu bauen, wenn sie nicht
genau wüssten, dass der betreffende Bürger die Allmende
redlich gekauft oder geliehen habe.^^
Was die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und die
Rechtspflege der städtischen Regierung betrifft, so betreten
wir hier ein Gebiet, auf dem die Geschlechter Anlass zu
schweren Vorwürfen gaben.
Klagen über eine mangelnde Rechtspflege und eine damit
zusammenhängende Häufung der Gewalttätigkeiten der
r^atri/ier der ärmeren Klasse gegenüber tauchen bereits um
die Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Gerade das dritte
Stadtrecht (zwischen 1245 und 1260)i*^ verdankte seine Ent-
stehung dem Bestreben, geordnete Zustände wiederherbei-
zuffihren, „quod ortae fuerint tantae indisciplinae et injuriae
et oppressiones mulierum et pauperum". Der Bischof selbst
sah sich zum Einschreiten gegen diese Uebergriffe und die
14. Closcner, a. a. O. S. 125.
16. ebenda.
16. SÜB IV», a. a. 0. § 395; über das frühere Strafmass
vgl. § 393.
17. ebenda § 499 e.
18. SUB I, S. 482.
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— 123 —
mangelhalte Rechtspflege gen6tigt „et imputavit consulibus
et ceieris dvibus majoribus excessus suos et negligentiam
judids/'i^ Das drohende Manifest, das Bischof Walther im
Jahr 1261 gegen die Stadt richtete, wenn auch als eine dema-
gogische Denunziatk>nsschrift erkannt^ berührt doch auch
diese wunden Punkte im städtischen Regiment mit den
Worten : „so künden wir . . daz unsere burger gesworen
hant .... zu rihten abe den, die notzog oder manslach tunt
in der stat oder verwundent die armen burger, und abe den,
die frefelliche der armen huser ufbrechent, also daz man
abe ienre Übe rihte und dise von der stat tribe. dez enhant
Rü nüt behalten und hant unser gerihte daran geirret, und
ouch die wider in die stat geladet die umbe ir niissetat drussc
soltent sin**.-" An dem tatsächlichen Vorhandensein von
U ebergriffen werden wir nicht zweifeln.
Doch diese nahmen nicht ab, die Klagen über den ge-
ringen Rechtsschutz der Handwerker verstummten nicht. Das
geht zunächst daraus hervor, dass im Jahr 1332 bei dem Ver-
fassungsumsturz die Gerichte neu besetzt wurden,^^ vor allem
aber wird es dadurch bewiesen, dass Closener die Erhebung
von 1332 zum Teil aus den an dem geringen Volk begangenen
Sünden der Patrizier erklärt (sus kam der gewalt us der
herren hant an die antwerke, daz doch den antwerken ein
gros notdurft waz, wand die herren begingent giossen gewalt
an in).-- Closener berichtet es als einen ganz allgemf^'i.en
Vorgang, dass viele der regierenden Herren der Tahlungs-
forderungen der Handwerker nachkamen, wie es ihnen passte,
und die Handwerker es nicht wagten, die Säumigen vor dem
19. ebenda.
20. SUB 1. n 471 (l2Gl) S. 335; auch n Uu (1201).
21. Königshofen (a. a. 0. S. 775) führt diese Neubesetzung
jauf die^Nachlässigkeiten in der Gerichisverwaltang zurück,
22. a. a. Q. S. 123.
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— 121 —
Gericht zu belangen, um A\isshandlungen zu entgehen. Ihre
Peiniger selbst hatten keine Strafe vor Gericht zu erwarten.23
Wie Königshofen berichtet, führte die geringe Aussicht
auf Rechtsschutz eine Anzahl von Handwerkern zu einem
freiwilUgen Abhängigkeitsverhältnis von einflussreichen Per-
sönlichkeiten, denen sie dienten/ „also zu den dörfem ein
gebure sime herren dienet".** Diese bewahrten ihre Schutz-
befohlenen vor Gewalt und verhalfen ihnen besonders ihren
Schuldnern gegenüber zu ihrem Rechte.*^ Die Angaben
Königshofens über die Höhe der Einnahmen, die die Ge^
schlechter von diesen Handwerkern hatten, scheinen freilich
wenig zuverlässig.*^ Näheres über das Abhängigkeitsverhält- ,
nis der Handwerker erfahren wir nicht. Es ist wohl kaum
anzunehmen, dass es in der Stadt sehr verbreitet war oder
gar eine längere Dauer gehabt hat
In den Berichten Closeners und Königshofens ist eine
schwere Anklage gegen die damalige Rechtspflege enthalten.
Die offenbar nachlässige gerichtliche Behandlung patrizischer
Ucbtrgriffe führte zu einer schweren Schädigung der unteren
Klassen und ist eigentiicli nur so recht zu erklären, dass die
Herrschaft in ganz wenige Hände geraten und ein Einspruch
der milderen Elemente des [Patriziats so gut wie unmöglich
gemacht war.
Mit ihrer Begünstigung patrizischer Exzesse verwickelte
sich nun die regierende Partei in grosse Widersprüche durch
eine peinlich strenge Ahndung der Vergehen der lüederen
Klassen. So fand z. B. die ^^efj^en Nikolaus Zorn gerichtete
Erhebung der Zünfte im Jahr 1308 eine schwere Sühne, indem
23. hiesche ors (der Handwerker) itne zu dicke, so slüg
er in dran und ging democh keine hesserange (ebenda S. 123).
24. a. a. O. S. 775.
25. ohpnda,
2f\ sus was etliciu;r ritter, der grosse giilte liette uf 300
odor 400 viertel haV>erii sjeltz von den aiitworknn, die an in
houbeteut und beüc von itne Uetteut (ebenda 775).
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eine grosse Anzahl der Aufstandischen die Strafe der ewigen
Verbannung aus der Stadt traf. Diese Strafe musste für
das Stadtregiment verhängnisvoll werden. Die . Erinnerung
an diese schwere Vergeltung seitens der Geschlechter, an
die ,,böse Acht'S wie. man sie nannte, schemt gerade mit
diesem Ausdruck im Volk weiter fortgelebt zu haben;^?
Vielleicht kann man die mangelhafte Rechtspflege in der
Stadt in einen gewissen Zusammenhang bringen mit. der
Oiiganisation der Gericht^ die im Lauf der Zeit sich, sehr
verändert hatte. Gerade in späterer Zeit, zur Zeit der Ab-
fassung des Rechtsbuchs von 1322, ist zu beobachten, dass
sich der Kreis der Urtcilsprecher in den weltliclien Gerichten
bedeutend beschränkt hat. Dies erhellt aus folgender Be-
stimmung des Stadtrechts: es so! dehein weltlich rihter urteil
setzen noch vragen in einer Sachen, die ine dan fünf Schilling
triffet, dan an ein scheffel oder an einen, der meister und
rat gesworn het, urteil zu sprechenile.-^ Möglich ist es frei-
lich, dass hiermit die Urteilfindung erfahrenen Leuten zu-
fallen sollte. Wenn diese Entwicklung nun auch nicht aus
dem einseitigen Interesse der Patrizier heraus erfolgte, so
führte sie doch zu einer Machtsteigerung der herrschenden
Klasse. Es blieb Tatsache : der Anteil des Volks am Gericht
war beschränkt. Die Erhebung im Jahr 1332 führte dann
eine, Neubesetzung der Gerichte herbei.-'-^
Ob auch die Polizeiverwaltung der Stadt Anlass zu
Klagen intder Bürgerschaft gegeben hat, darüber, können wir
nur Vermutungen anstellen. Möglich ist, dass es die städti-
sche R^erung besonders an einer genügend zuverlässigen
nächtlichen Kontrole und Sorge für die Sicherheit der Btadt
fehlen Hess. Im Jahre 1332 gerieten gerade in der Nacht
die Parteien der Zorn und JVlülnheim an einander und gerade
27. Closener, a. a. O. S. 1'2I.
28. srB IV,, n. a. 0. 252 b (1322); vgl. auch § 252 a.-
29. Königshofen, a. a. O. S. 775.
— 126
erst in diesem Jahr nach dem Einschreiten der Bürgerschaft
hören wir \ on der Existenz einer Scharwache, die in der
Nacht die Aufsicht in der Stadt führte/^" Gebildet wurde sie
später von den Zunftgenossen. Der Wachdienst gehörte zu
den allgemeinen Pflichten eines jeden Zunftmitgliedes.^^
Wahrscheinlich wohl hatte die Stadt die Einrichtung der
Scharwache den Zünften zu verdanken, als diese Anteil an
der Regierung^ grewannen.
Ganz besonders aber waren es nun die Zustände im
Patriziat selbst, die den beginnenden Gegensatz zwisdien
ihm und den Zünften verstärkten und schliesslich zu einer
plötzlichen Auseinandersetzung führten.
Schon seit den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts
waren die Parteileidenschaften im Patriziat aufs heftigste
gesteigert. Ganz besonders erbittert standen sich die Ge-
schlechter der Zorn und Mülnheim gegenüber.^^ Die Gründe
für die Feindschaft beider Geschlechter anzugeben, ist nicht
ganz leicht. Im Vordergrund stand jedenfalls ihr Rivalisieren
um den Vorrang in der Stadt Der reichspolitische Gegen-
satz im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts mag in ihre
Händel mit hineingespielt haben. Es ist aber nicht richtig,
anzunehmen, die Zorn seien österreichisch, die Mülnheim
bairisch gesinnt gewesen. '^'^ Denn gerade zu den Habsburgern
sind Beziehungen der Mülnheim nachzuweisen.^^ Dagegen
30. Oioseuer a. a. Ü. S. 124.
31. y<r]. über die Scharwaclit: Keutgen, Urk. ii 214 (1405),
S. 270 (Reform d* s Stadthaushalts) und Brucker a. a. 0. S. 427
(1477) : Scharwiicliterordnuug.
32. Königshofen, a. a. O. S. 743: wan es werc, dass misse-
hellc in dem rote wutduit zwüschent den Zörnen und den vou
Mülnheim, also man dicke vürlite.
83. Schmoller, Zunftkämpfe S. 26 uach: Mathias von Neum-
burg (Böhmer, Footes rer. Germ* IV, S. 197).
84. fl. Bornes a. a. 0. S. 49; Folta a. a. 6. 8. 84 Anm.
146; auch Hauviller „Analeota Argautinanaia, VatUnnisohe Akten
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ist es nicht bekannt, zu wem die Zorn politisch sich bekannten.
Vielleicht hielten sie sich aber zur bairischen Partei. Die Be-
merkung des Mathias von Neuenburg scheint einfach auf
einer Verwechslung zu beruhen. E>er politische Gegensatz
der Parteien bestand offenbar schon seit längerer Zeit und
dauerte fort^ als der Kampf zwischen Wittelsbach und Habs-
burg in den Konflikt zwischen Staat und Kurie übeige-
gangen war.
Der Anhang der Parteien beschränkte sich nicht nur auf
die Stadt, sondern erstreckte sich auch auf die umliegende
Gegend. Es ist nicht unmöglich, dass der ausserstädtische
Anhang öftei^ in die Parteihändel der Stadt eingriff. Ini
Jahr 1332 wenigstens verstärkten sich die Parteien vom
Lande her.»«
Das Parteileben entfaltete sich besonders in den Trink-
stuben der Oeschlediter. Dies erhellt aus einer Aeusserung
des Schultheissen Nikolaus Zorn im Jahr 1321, die uns Königs-
hofen überliefert hat: im Falle eines Zwistes zwischen den
Zorn und Mülnheim im Rat hätten es die Mülnheim nahe zu
ihrer Trinkstube, von wo ihre [Parteifreunde ihnen rasch zu
Hülfe eilen könnten, dagegen sei die Trinkstube der Zorn,
der ,,Hohensteg*' weit vom Rathaus entfernt.^'
Die Genossen einer Trinkstube waren an ihrer gleichen
Kleidung zu erkennen und bekannten damit ganz offen ihre
Parteistellung. Im Zeugenprotokoll über das Geschelle von
1332 lernen wir diese Sitte kennen.^^ Wir hören hier von
und Begesten zur Gesch. d. Bistums Strassburg im 14. Jahrhndt.
und Beiträge zur Reichs- und ßistumsgesch." I (1900) Einleitung
8. CXXXII: die Mülnheim nahmen eine habsburgisch-päpstliche
Haltung ein.
85. Vgl. SÜB n, n 438 (1824).
86. KGnigshofeii a. a. 0. S. 776.
87. ebenda S. 743.
88. SUB V, u 1.
- 120 -
einem, ,,der kleider treit mit der trinkstuben zu St. Doman^',^^
von zweien, „die rocke anhaben, also die vom Hohenstege",^"
von „den mit den schentzen*', die mit den Mülntieim kämpf-
ten/i von solchen, die die blauen,*- und die die spitz«u
Hüte ''^ trugen. Mit dieser Art und Weise, die Parteigegen-
sätze in die OeffentUchkeit zu verpflanzen, erregten die Ge-
schlechter schweren Anstoss bei der Bürgerschaft; dies dür-
fen wir um so sicherer annehmen, als später die städtische
Verwaltung den Mitgliedern der Trinkstuben das Tragen
gleicher Kleidung verbot.^
In die vom Rat betriebene äussere Politik selbst wurde
der politische Gegensatz der Parteien nicht hineingetragen.
Die Bürgerschaft hatte keine Veranlassung, gegen sie Oppo-
sition zu erheben. Der Rat bewahrte schon seit dem Ausbruch
des Konflikts der Kurie und der beiden Gegenkönige Fried-
rich und Ludwig lange Jahre hindurch eine neutrale und ab-
wartende Haltung.^^ Indem er dem Papste gegenüber eine
vorteilhafte Stellung einzunehmen wusste, verhinderte er doch
im Jahr 1324 die Publizienmg der päpstlichen Mandate gegen
König Ludwig in der Stadt und bc^^ruiidete sein Verhalten
in einem Sclueibeii an I^apst Johann XXII. mit der Be-
merkunj^, dass sich mächtige Parteien in der Stadt für Fried-
rich und Ludwig gebildet hätten, sodass eine Veröffentlichung
des päpstUchen Urteils einen Bürgerkrieg herbeiführen
würde.'*'
Der Rat hielt sich von jeder aktiven Parteinahme fern; sö
trat er auch nicht einem L.andfriedensbündnis des Elsass' und
Breisgaus zu Gunsten Friedrichs des Schönen bei.^^
S9. ebenda, Zeuge 5.
> . 40. ebenda, Zeuge 15,
41. ebenda, Zeugen 9, 46L
42. ebenda, Zeuge 16. -
48. ebenda, Zeuge 76..
44. SUB IV,, VI. Rtadtrecht § 448; 8. oben S. 90.
45. Hau viller, a. a. O. S. CXXD.
4Ü. SUB U, 11 4<tö.
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Dieses weise Zurückhalten wirft immerhin auf die Re-
gierung der Stadt ein gutes Licht und verrät eine massvoUe,
umsichtige PoUtik.^»
Von der Parteinähme der Bürgerschaft, besonders der
Zünfte, ist direkt nichts, bekannt. Man kann jedoch sagen,
dass die Politik des Rates bei den Zünften vollen Anklang
fand. Das geht sdion daraus hervor, dass, als die Zünfte die
Leitung der Stadt übernahmen, vorläufig kein anderer Kurs
in der von dem patri/ischen Rat cingfschlagcnen Politik
eintrat.^^ Es beweist nichts dagegen, dass die Stadt im Mai
des Jaiires 1332, also schon unter der Leitung der Zünfte,
mit Mainz, Freiburg und Basel ein Bündnis schioss, das sich
gegen Ludwig und dessen Anhänger richtete.^'^ Denn dieses
sollte hauptsächlich den Anhängern Ludwigs und meist per-
sönlichen Feinden der mächtigen Reichsstadt die Spitze
bieten."^
Wenn wir die Momente feststellen, die zu dem schroffen
Gegensatz zwischen Patriziat und Zünften geführt haben,
so müssen wir auch die Frage erledigen, wie die Zünfte sich
zu etwaigen Genossenschaften der Patrizier gestellt haben.
In Strassburg finden wir deren nur eine, die allerdings
47. 8. Rosenkrünser, Bischof Johann 1 von Strassburg, ge-
nannt von Dflrbheim. Straasb. Dies, von 1881, 8. 48.
48. Näherea über die Beziehungen der Stadt zu Papst und
Bischof bei Hauviller, a. a. 0. S. CXXI ff, bes. S. CXXV-CXXVU.
49. ebenda S. CXXX. Dem Belichte des Monachus Fürsten-
fVldcnsis über diese Verhältoisiie wird mau daher doch kaum
folgen dürfen : interim cives Argentinenses dolose partibus adulantes
exhibuerunt se rogi Ludovico familiäres et officiosos . . . com-
munitas et niaiorpars civitatis favebatei, sed maiores et potentiorea,
qui videbantur re fröre populum, dam Australibus adherebant
(Böhmer, Fontes rer. Germ. I, S. 57).
50. Hauviller, a. a. 0. Urk. n. 293, 294 (1332).
51. Hauviller, a. a. 0. S. CXXX.
eine mächtige Stellung in der Stadtverfassuag einnahm, die
Münzerbausgenossenschaft
Um ihre Entwicklung zu verfolgen, gehen wir auf das
erste Stedtrecht zurück. Nach diesem gingen diejenigen, die
im Namen des Bischof» -die Mfinze in' der Stadt prägten,
das „jus monetae" besessen, aus dem Kreis der bischöf-
lichen Ministerialen hcnor.''- Es ist sehr zweifelhaft, ob man
aus dem jus moiietae, das damals schon nur mit hoher Geld-
zahlung zu erlangen war, '' die Existenz eines geschlossenen
Verbandes ableiten kann. Denn erstens werden die Münzer
noch nicht als Hausg^ennssen, unter w elchem Namen sie später
als Verband auftreten, bezeichnet Zweitens erfahren wir
noch nichts von den Rechten, mit denen die Münzer als Ge-
nossenschaft ausgestattet sein müssten, nichts von ihren
späteren Privilegien, die das Charakteristische ihres Verban-
des ausmachten. Ferner ist der Kaufpreis des Rechtes zum
grössten Teil noch an den Stadtherrn, den Bischof, zu zahlen.^*
Schliesslich wird überhaupt den Ministerialen als den Un-
freien des Bischofs der Wunsch, eine Genossenschaft zu
bilden, ferngelegen haben. Denn das Wesen des späteren
Vecbaudes der Hausgenossen kam gerade dann zum Aus-
druck, dass er sich von dem Bischof unabhängig zu machen,
dessen Rechte auf die Münze selbst zu erwerben, schliesslich
seinen spezifisch patriziscfaen Charakter zu wahren suchte.
Schon im 13. Jahrhundert strebten mit dem allgemeinen
Aufschwung ihrer Macht die vornehmen und reichen Patrizier,
die die Ratssitze innehatten, auch nach dem einträglichen und
wi|[;bjtigeQ. Recht der Münzprägung. Di^ Ministerialen ver-
52. Keuitgeii, ürlc. n 126. § (i3.
6j5. ebi'iida § 77.
64. ebenda: quiciunquo ius. muncUiu habere desiderat, dimidiam,
marcam auri epi.5Cüpo dabit, moiictae magistro 5 d. auri, monetarüs
20 Bol. gravis monetae.
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— 131 —
«diwatiden fast ganz aus den f^eihen der Mtinrer." Sie wur-
den verdrängt. Vor 1266 fand, wie wir aus den nocli erhalte-
nen Listen der Mflnzer ersehen, ein massenhafter Eintritt
freier Bürger in den nunmehr unter dem Namen der Haus-
genossen auftretenden Verband statt.^^ Wie wir dabei auch
beobachten, erwarben das Recht nur die Mitglieder ratsfahlger
Geschlechter.^^ Indem sich so diie Oenosseiischaft sozial lEib-
schloss, musste sie den in der Stadt bestehenden Gegensatz
der Klassen nur verstärlren.
Noch mehr! Die Bürger suchten sich selbst in den Be-
sitz des Münzregals /u setzen. Es kam soweit, dass der
Bischof zeitweise an eine gewisse Anzahl kapitalkräftiger
Bürger die Münze auf mehrere Jahre veräusserte.^^^ Damit
erhielten diese das Recht, den Münzmeister aus ihrer Mitte
zu ernennen. Das seit dem ersten Stadtrecht mit dem Blut-
bann ausgestattete Münzmeistertum wurde eine Domäne we-
niger Patrizierfamilien!
Der soziale Ahschluss aber der Hausgenossen konnte
sich nur durch einen ähnlichen Prozess vollziehen, wie die
Bildung des Patriziats überhaupt, durch eine bewusste Fern-
haltung heterogener Elemente.
Im Anfang des 14. Jahrhunderts finden wir nun die
Hausgenossen im Besitz umfassender Privilegien,'*^ Sic
hielten diejenigen, die nicht ihres Standes waren, dadurch
fem, dass nur der zum Eintritt berechtigt war, dessen Vater
55. Verl. M ßaltzpi 1 len „Strassburger Stüdiwi" II, S. 63
56. SUBI, 8. 488. Liste von 1266. £8 waren damals 869
Mitglieder; vgl. Hanauer, Etudes ^conomiquea I, S, 140.
57. Die Mitglioderzahl nahm noch zu, 1283 betrug sie bereita
404 (SUB IV 2, S. 250).
58. So a. 129« (SUB II, n 201); auch im 14. Jahrhundert
fanflet) Veräusseruiigeu statt, z. B. zur Hälfte au den Rät, zur
Hälfte au 4 Bürger i. J. IBOH (SUB IVo, S. 242).
59. SÜB IV,, Aufzeichnungen über Müuze und Hau8-
genosseu (zw. 1317 u. 1319) S. 243 ff.
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selbst Hausgenosse war.*'^ Die Höhe des Eintrittsgeldes war
dazu eine bedeutende.^^ Umfassend war die Gerichtsbar-
keit des Münzmeisters. Er war bei Münzvergehen über jeden
Bürger kompetent,*'^ über die Hausgenossen richtete er selbst
in Sachen des Diebstahls.^^ Selbst für Streitigkeiten zwischen
Hausgenossen und andern Bfiigem war sein Gericht kom-
petent, wenn letztere sich seiner Jurisdiktion unterstellen
wollten.^^ Den Hausgenossen stand allein das wichtige und
einträgliche Recht des Geldwechsels in der Stadt zu,^^
EHirch ihre mächtige Stellung und den engen Zusammen-
hang mit dem Patriziat übten die Hausgenossen entschieden
auf die Bürgerschaft «inen bedeutenden Druck aus. Die Ge-
fahr lag nahe, dass sie ihre Macht missbrauchen würden.
Das scheint auch geschehen zu sein. Denn im Jahr 1319 kam
es tatsächlich dahin, dass der Rat in einer Münzordnung in
die Gerichtsbarkeit der Genossenschaft eingriff. Er gestattete
dem Münzhüter, der für die Güte der Pfennige verantwortlich
war und die Prägung kontrolierte, wenn er von den Haus-
genossen zur Rede gesetzt wurde, Ratsboten zu dem Münz-
gcricht hin/u/uzichcn. Erkannten diese dann, dass der Münz-
hüter sein Amt rechtlich führe und dass die Hausgenossen
ihm nur Unannehmlichkeiten bereiten wollten, so sollte die
Angelegenheit vor das Ratsgericht gezogen werden.''^ Es
60. ebenda § 9.
61. ebenda § 44; S. '250. Vielleicht kann man selbst ein
ein Streben nach Schliessung der Genossqnschaft beobacliteii.
1285 waren es 404, 1832 nur noch 220 Mitglieder; vgl. Hanauer,
a. a. O. S. 140. Ganze JTamilien waren iu der Genossenschaft
vertreten.
62. ebenda § 8, 11.
68. ebenda § 10.
64. ebenda § 41.
65. ebenda § 8; vgl. Jid. C&hu, der Straasbui^er Stadt-
wechsel iu ZGO&h 1899, S. 44 £F.
66. SUB n, u 887. .
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- 133
scheint in der Tat öfters vorgekommen zu sein, dass der kon-
trolierende Beamte von den nur im eigenen Interesse ar-
beitenden Hausgenossen ungerechtfertigte Anschuldigungen
erfuhr. Wenn nun direkt auch kein Anhaltspunkt vorhanden
sein mag, dass die städtische Bevölkerung allgemein von
Uebergriffen der Hausgenossen zu leiden hatte, so mag doch
aus der Tatsache, dass jetzt eine Kontrole durch den Rat
unter Umständen stattfand, folgen, dass eine Unzufriedenheft
mit dem Hausgenosseng^ericht sich allgemein bemerkbar ge-
macht hatte. Cahns Bemerkung in seiner Dissertation über
die Münzgeschichte Strassburgs, „dass sich die Bürgerschaft
wehrte gegen die Uebergriffe der adligen Genossenschaft,
welche bald mit zum Ausbruch der Zunftrex olution führen
sollten",*^^ scheint deshalb in gewisser Weise gerechtfertigt.
Die Folgezeit beweist, wie sehr gerade die Zünfte be-
dacht waren, die Mächtige Stellung der Hausgenossen zu er-
schüttern. Kurze Zeit nach dem Sturz der alten Verfassung
durch die Zünfte erwarb die Stadt durch Kauf nunmehr allein
das Mfinzregal.^^ Wenn auch ein Streben der Stadt nach
Anteil am Münzregal langst vor 1332 vorhanden war, so
hängt wahrscheinlich doch der Verkauf der Münze im Jahr
1334 mit dem Regierungswechsel in der Stadt eng zusammen,
indem jetzt durch das bewusste Vorgehen des Rates die
Hausgenossen alle ilire wichtigen Privilegien allmählich ein-
büssten und ihrem Untergang entgegengingen.^^
67. Jul. Cahn, Münz- und Geldgeschiohte der Strassburg.
Strassburger Dissertation vor 1895. S. 31.
68. Süß V, n 34.
C9. Vgl. Eheberg „Uebor das ältere deutsche Münzwesen
und die Hausgenossenschaften, besonders in volkswirtschaftlicher
Beziehung" in Schmollers „Staats- und sozialwissenschaftlichen
Forschungen" II, 8. 171; R. Schröder, Rechtsgeschiclite S. 587;
über den Vorlust des GeldwechnelB 8. bes. Jul, Cahii| der Strtiss-
burger ötadtwechsel, a. a. 0.
^- 134 -
§ 2. Me VerfastongtHntfeninii vom Jahre 1332.
Der in das Jahr 1332 fallende blutijrc Strasserikampf der
T^arteieii Zorn und Mülnheim, der die Veranlassung für das
tingreifen der Bürgerschaft wurde, ist neuerdings mehrfach
Gegenstand der Darstellung geworden. ^ Es sind nunmehr
auch die Ursachen und Umstände bekannt, die den Konflikt
der Parteien herbeiführten.
V. Borries hat vermutet, dass gerade damals imter den
feindlichen Parteien die Frage der Nachfolge in die Stelle
des Propstes von St. Thomas oft erörtert sein mag und dass
man auf beiden Seiten für die Propstwürde Gegenkandidaten
aufgestellt hat» vidleiciit Sigelin von Mülnheim auf der einen,
Ulrich Süss auf der andern Seite.' Wir wissen, dass durch
päpstliche Provision der offenbar damals zur päpstlichen
Partei gehörende Sigelin von Mülnheim bereits im Jahr 1327
ein Kanonikat an St Thomas erhalten hatte ^ und auch später
zum Leidwesen der Zorn die Propstwürde empfing * Wäh-
rend die Stadt üm Jahr 1332 das Fest der Rundtafel allgemein
beging und die Parteien auf ihren Trinkstuben feierten,'' mag
die Nachricht von dejn gerade erfolgten Tode des Propstes
Ruiwin von St. Thomas die Parteien gegeneinander zum
Ka,nipt aufgebracht haben.''
In diesen Kajnpf griffen die ,,erbern burger und antwerg-
lüte" ein, als die Parteien sich vom Land her zu verstärken
suchten und der Kaimpf weitere Dimensionen anzunehmen
1. A. Schulte in ZGOfib, NF VIII, S. 494 ff.; n. Borries
a. a. 0. S. 47-57.
2. a. a. 0. S. 54.
3. Hanvlllor a. a. 0. Urk. n. 105.
i. Mathias von Neuenburg, a. a. 0. Cap. G7 (Ausg. v. Studer
S. 101).
5. lieber die Ruudtafel s. Schulte, a. a. 0. S. 505 ff,
6. V. Borries, a. a. 0. S. 54.
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— 135 —
droMt'. Indem sie selbst zus H-ecstelJung^ des verletzten Stadt«
frtcdea& dte Regiienuigsrechie an sieb na^en,^ schciäea sie
zt^lekli* zu einec Neuordnungf der Stadtveifassung in demo-
kratischfifai Sinn«»
Das Restdtat war in der Hauptsache der Eintritt d«r
Zftfifte in das Regifnent der Stadt durdi die Vertretung alier
Zünfte i;m Rat, die Beseitigung der Ratskuren und d»Bvit der
Zutritt der ganzen Bürgerschaft zu den Ratssitzen."^
Die Zahl der ehemaHgen Ratsstellen erlitt keine Ver-
änderung. Die viertelj-ährlich im Vorsitz sich ablosenden vier
Meister blieben nach wie vor Patrizier. Dagegen sollten die
übrigen 21 Ratsstellen der ganzen Bürgerschaft zugäno;lich
sein. Neu geschaffen aber wurden 25 Ratssitze für die Ab-
geordneten der Zünfte, die nunimehr durcii Begründung neuer
Zunftverbände auf 25 angewachsen waren.^ Der Vorsteher
dieser zünftischen Vertreter ilm Rat w urde jetzt der Amman-
meister.io Indem dieser im Rat an die Spitze der Handwerker
trat, ward seine Stimme bald im ganzen Rat ausschlaggebend,
und sein Aspii überflügelte bald alle andern Aemt«r der Stadt
Der Eid, der il^ geschworen wurde, war der wichtigste,
von allen Eiden.^^
Die neue Verfassung legt Zeugnis davon ab, wie imass-
yoU knan an das Werk gegangen war.^^ jg^ Jass selbst den
vomeh^rnen patrizischen Kreisen ein nicht zu unterschätzender
Einfluss auf die tintschliebsungen der Zünfte zuzuschreiben
7. Königshofen, a. a. 0. S. 77(3: und botent das sü in die
stat befoihoot und m die 8liMlfi;el und inge^igale und baaer
gebent.
8. Closener, a. a. 0. S. 128.
9. s. oben S. 87.
10. s. oben S. Ii 5.
11. Closener, a. a. 0. S. 123.
12. Selbst der Ammaumeister blieb in dieser Zeit njQch»
PatrijuAr (s. oben S. 116).
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ist, beweist folgende Nachricht: iiabuerunt quoque .... duos
assessores milites de prudentioribus .... primorum domi-
norum videlicet dominum (lötzonem Orostein et dominum
Rudolfum de Vegersheim milites, qui consiliis et tractatibus
ipsorum poterant et oonsueverunt interesse, quonim eciam
consilto plurimi in arduis regebantur.^ * Man mag diesen Per-
sönlichkeiten eine solche Stellung eingeräumt haben, weil
man auf ihre politisdie Erfahrung nicht verzichten wollte.
So tritt uns denn trotz der gewaltigen Neuerung doch der
konservative Charakter dieser Verfassung entgegen in der
ersten Verfassungsurkunde, die die neue Regierung im Jahr
1334 aufstellte, dem ersten „Schwörbrief", den jähriich die
Behörden und die Büi^gersdiaft beschworen.^^
Der jährlich wechselnde Rat setzt sich aus 8 Rittern und
Knechten,!^ 14 Bürgern, 25 Vertretern der Zünfte zusammen.
An der Spitze stehen jetzt nidit mehr 4, sondern
3 auf Lebenszeit^*' gewählte Meister, von denen der eine,
der Ammanmeister, der Vorsteher der Zünfte sein soll.
Wenn ein Meister stirbt, so wählt der Rat ausser den
Vertretern der Ritter und Knechte, denen das aktive Wahl-
recht nicht zugesprochen wird, den neuen.
Zur Ratswahl tritt ein Ausschuss der drei Meister nebst
sechs Handwerkern und vier Bürgern des alten Rats zu-
sammen. Diese wählen den neuen Rat.^' Auch hier wird
13. Nütae hist. Arg. in Böhmer, Fontes rer. Germ. III
S. 119 (1332».
14. He^rcl, a a. O. S. 932 ff.
15. Zur Ritt erwünle der Strassbiir^er Geschlechter vgl. Fol tz,
a. a. 0. S. 3G; im Auiang des 14. Jahrlniiulerts waren meist zwei
Driltel der Ratf^herni Kitter. En ist de.shall> erklärlich, wenn die
Kitt er jetzt t ur die Vertretung im ßat eine besondere KlaSBe
bildeten.
16. Dieser Modus besteht seit 1888 (Königshofen, a. a. 0.
S. 780).
17. Hegel, &. a. 0. S. 933. Eiue durch den Tod eines Bats>
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den Rittern und KiKclitcn das aktive Wahlrecht vorenthalten.
Gegen sie als die Besitzer wohl aller Ratskurcn wurde stren-
ger verfahren. Sie besonders sind denn auch gezwungen,
die Ratskuren abzuschwören'*.
Jeder Bürger von zwanzig Jahren muss auf die Ver-
fassungsurkunde den Eid leisten.
Dies die Orundzüge der neuen Verfassung.
Die allgemeine Gemeindevertretung, der Schöffel und
Amman wurde nicht aufgehoben. Auch hier musste mit dem
Eindringen der Handwerker in die Aemter eine Erweiterung
des Kreises, aus dem die Schöffel und Amman hervorgingen,
auf die ganze Bürgerschaft eintreten.^^
Eine Aenderung in der Regelung der militärischen und
sonstigen Pflichten der Bürger trat nicht ein. Denn wie wir
sahen, wurde ja schon vor 1332 die Bürgerschaft zu diesen
in den Verbänden der Konstafeln und Zünfte herangezogen.
henrn eiitstaudene Lücke scheint nicht wieder ausgefüllt worden
zu sein.
18. ebenda.
19. s. oben 8. 112.
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B«riehtiguiig.
Seit? 88, Zeile 17 lies: 100 eUtt 1090 — & 93« Z. 21: da» statt
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