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Full text of "Historische Studien"

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BEITRÄGE ZUR 
ÄLTEREN 
ZUNFTGESCHICHTE 
DER STADT 
STRASSBURG 

Wilhelm Dettmering 



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v 



HISTORISCHE STUDIEN 

i 

VERÖFFENTLICHT 



VON 



E. EBERING 

DR. PHIL, 



'S 

I 



HEFT XXXX. 

BElTRÄfiB ZUR ÄLTEBEN ZUNFTOESCmCHTB DBS STADT STBASSBUBO. 
VON DB. WILHELM DBTTMBBINO. 



BERLIN 1903. 



CO 



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Beiträge 



zur 

älteren Zunftgeschichte 

der 

8tadt Strassbnrg. 



Von 



Dr. Wilhelm Dettmering. 



»1 • . 



B«rliii 190S. 
TerlAg Ton B. Slierliig. 



9 4 • « * 



• ♦ • • ■ 



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Meinen lieben Eltern 

imMiiMl. 



489965 

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Inhalt. 



Seite 



Einleitung 9 

Kapitel I. Das Zunftwesen in Strassburg bis zu der Verfassung^' 

änderung von 133'2 11 

§ 1. Die das Zunftwesen betreffenden Angaben des ersten 

Stadtrechts 11 

§ 2. Die rechtliche Stellung der Zünfte 23 

1) Der Zunftzwang 24 

2) Die Entwickelung der Autonomie, insbesondere 

der Gcwcrbegerichtabarkeit 31 

§ 3. Innere Organisation der Zünfte 59 

§ 4. Die politische Stellung der Zlinfte 75 

1) Das Bürgerrecht in Strassburg 75 

2) Persönliche und materielle Dienstleistungen . . 81 

a) Die militärische Organisation der Stadt . . 82 

b) Das Stouerwesen 98 

3) Zünfte und städtische Selbstverwaltung ... 99 

a) Zünfte und Rat 100 

b) Zünfte und Schöffel 103 

c) Zünfte und Ammanmeister 113 



Kapitel 2- Die Zeit der ersten Zunftbewegung ...... 1 17 

S 3. Ursachen der Zunftbewe gung . 117 

§ 2. Die Verfassungsänderung vom Jahre 1332 . . . . 134 



Einleitung. 

Seit Schmollers und Stiedas Arbeiten über die Zünfte 
des mittelalterlichen Strassburg^ ist eine Untersuchung über 
die Entwicklung des Zunftwesens dieser Stadt im Zusammen- 
liang nicht mehr unternommen worden. Ein neuer Versuch 
dieser Art wird heute wohl allgemein als Bedürfnis aner- 
Icannt werden, schon deshalb, weil inzwischen das Quellen- 
material teils vermehrt, teils besser zugänglich gemacht wor- 
den ist - und in der Erforschung der Geschichte des Zunft- 
wesens neue Gesichtspunkte hervorgetreten sind.«* 

Vorliegende Arbeit will diesem Bedürfnis entgegenkom- 
men, freilich nicht mit einer gesamten Darstellung der Ge- 
schichte des mittelalterlichen Zunftwesens in Strassburg; sie 

1. G. Schmollcr „Strassburg zur Zoit der Zvinit kämpfe und 
die Reform seiner Verfassung und Verwaltung im 15. Jahr- 
hundert" in den Quellen und Forschungen zur Sprach- und 
Kulturgeschichte der germanischen Völker" hgb. von ß. ton 
Brink, W. Sciierer und K Steinmeyer XI; derselbe: „Di« Strass- 
bnrger Tucher- mid Weberzonft** (von ihm im Verein mit Stieda 
Terfamt) Urlranden und Daratellnng, 1879, 8. 853 ff. 

2. Als neue Editionen sind zu nennen: „Urkunden und 
Akten der Stadt Strassbuii;" i* Abteilung: Urkundenbuch 
I— Yll. Strassbuig 1879 ff (Abkürzung SUB); ferner Brucker, 
Strassburger Zunft> und Polizeiverordiiungcn des 14. und 15, 
Jahrhunderts. Strassburg 1889; K. Th. Eheberg, Vcrfassungs* 
Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Strassburg 
bis 1681, 1: Urkunden und Akten. Strassburg 1899. 

3. Vgl. G. V. Below, Artikel Zünfte" im „Wörterbuch der 
Volkswirtschaft." hgb. 7on Elster. 1898. 



— 10 — 



macht es sich nur zur Aufgabe, die Entwicklung der Zünfte 
bis zu der tiefgreifenden Acnderung der Stadt\'erfassung 
durch die Zunftbewegung des Jalires 1332 zu verfolgen. 
Mit diesem Jahre bricht in Strassburg die Zeit der Zunft- 
herrschaft an. In unserer Darstellung soll es vor allem auf 
folgende Punkte ankommen: eine Ansicht über das Alter 
der Strassbuiger Zünfte m gewinnen» femer das Mass der 
Selbständigkeit und der politischen Rechte zu bestimmen, 
das die städtische Obrigkeit im Lauf der Entwicklung städti- 
scher Autonomie den Zünften eingeräumt hat, schliesslich 
die Ursachen darzulegen, die den Kampf der Zünfte gegen 
das Patriziat vorbereiteten.^ 



§ 



4. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Georg 
von ßelow in Tübingen, spreche ich auch an dieser Stelle 
meinen herzlichsten Dank aus für das t» ilnelimcnde nud för- 
dernde Interesse^ das er dieser Arbeit entgegengebracht hat. 



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Kapitel 1. 



Das Zunftwesen in Strassburg bis zu der 
Verfassungsänderung von 1332. 

§ 1. Die das Znnftwesen betreffenden Angaben 
des ersten Stadtrechts. 

Ihren Anfang nimmt die freiheitliche Entwicklung der 
Strassburger Stadt\^erfassung hauptsächHch mit der Be- 
gründung des Stadtrates, den der Bischof in dem zweiten 
Stadtrecht am Anfang des 13. Jahrhunderts der Stadt be- 
stätigte. Seit dieser Zeit, teilweise aber auch schon vorher 
vollzieht sich die Bildung des Patriziats.' 

Mit den Nachrichten, die seit dieser Zeit vorhegen, hätte 
eine Darstellung der Strassburger Zunftverfassung im Rah- 
men der allgemeinen Stadtverfassung einzusetzen. Allein un- 
sere Darstellung würde der Grundlagen entbehren, wenn 
wir nicht die Nachrichten, die schon aus älterer Zeit über 
das Handwerk in Strassbuig vorliegen, berücksichtigen und 
uns hauptsächlich auch eine Anschauung über die Entstehung 
der Zünfte bilden würden. Die Aufzeidinungen auch über 
eine Reihe von Zünften, die in dem bekannten Burggrafen- 
weistum des 14. Jahrhunderts zusammengetragen sind, führen 
unwillkürlich zurück auf einzehie Nachrichten des ersten 
Stadtrechts, das man neuerdings mit grosser Wahrschein- 

1. Vgl. Haz Folts, Beitrige zur Geschichte des Patrisiat 
in den deutschen St&dten vor dem Ausbrach der Zunftk&mpfe. 
Marbaig«r DissMtation von 1889. S. 19 fi, 27. 



— 12 — 



lichkeit in die letzten Jahrzehnte des 1 2. Jahrhundertss ver- 
wiesen hat.- Mit der Erörterung der an die Angaben dieses 
Stadtreclitcs sich anknüpfenden Fragen beginnen wir die 
Untersuchung. 

Nach § 44 des Stadtrechtes ist es die Pflicht des Burg- 
grafen, eines bischöfhchen Beamten aus dem Kreis der 
familia des Bischofs, die Meister fast aller officia in der Stadt 
einzusetzen, nämlich der Sattler, Kürschner, Handschuh- 
macher, Schuster, Schmiede, Müller, Küfer, Becherer, 
Schwertfeger, Obstverkäufer, Wirte. Lieber diese hat der 
Burggraf in der Pfalz des Bischofs zu richten, „si quid 
deliquerint in officiis suis'' (§ 45). 

Von der allgemeinen Pflicht der Bürger, fünf Tage im 
Jahr dem Bischof Frondienste zu leisten (§ Q3), sind aus- 
genommen: zwölf Kürschner, vier Bäcker, vier Handschuh- 
macher, acht Schuster, alle Schmiede, alle Zimmerleute, 
Metzger und Küfer. Sie sind ausser den Bäckern, über die 
nichts weiter gesagt ist, mit noch einigen anderen Gewerbs- 
leuten, den Becherern, Wirten, Müllem, Fischern dem Bischof 
zu gewissen speziellen Leistungen verpflichtet (§ 101 ff.).^ 
Sie unterliegen jedenfalls alle nur diesen speziellen Pflichten. 



2. S. Bietschel „Zur Datierung der beiden ältesten Straas- 
burger Bechtaaufzeichnungen" in „Deutsche Zeitschrift für Ge- 
schichtswissenschaft'* N. F. S. 24 if (Vierteljahrshefte). 

3. Zuletzt gedruckt bei Keutgen, Urkunden zur städtischen 

Verfassungsgeschichte, Bd. 1 von: Ausgewählte Urkunden Eur 
deutscheu Verfassuugsgeschichte" von G. v. Belovr u. F» Keutgen 
(Beriin 1H99), n 120.) 

4. Die hofreditliche Theorie, die gerade das Strassburger 
Stadtrecht für sich iu Ausprucli nimmt, muss dieses nach der 
Widerlegung G. v. Belows aufgeben. Von einer Uufreiiieit der 
Handwerker, dem Hervorgehen der Hnndwerkerverhände aus 
hofrechtlichen, dem hofrechtlicheu Ursprung der Leistungen der 
Bürger kann keine Rede sein. S. G. v, Be!o\v, Territorium und 
i^tadt (Munster X900) S. 306, 308 f, 312, 314; dor 



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Strassburg ist, wie wir hier beobachten, in früherer 
Zeit schon ausserordentlich reich an gewerblichen Berufen.^ 

Was. hat man nun unter den officia 2u verstehen, warum 
unterstehen , nur die in § 44 genannten Handwerker dem 
Burggrafen, welchen Charakter trägt seine Gerichtsbarkeit ? 

Auf den ersten Blick spricht der Umstand, dass der 
Burggraf die Meister der genannten Handwerker einsetzt, 
dafür, dass eine Organisation dieser in Verbänden voraus- 
gesetzt ist, mithin Zünfte existieren. Dafür spricht auch der 
Gebrauch des Wortes officium, das öfters für die Zunft 
angewandt wird und das in Strassburg noch in einer Zeit, 
in der mit ziemlicher Sicherheit Züntte existieren, für diese 
g-ebrauchL wird (126]).'' Endlich kann man dafür die Tat- 
sache anführen, dass der Burf^graf nicht über alle Hand- 
werkerberufe die Gerichtsbarkeit ausübt, sondern nur über 
die in § 44 genannten. Für die (ierichtsbarkeit dieses Be- 
amten gerade über diese (jcw erbe scheint ein ganz besonderer 
Orund massgebend gewesen zu sein. Iis liegt nahe zu ver- 
nuiten, dass dieser eben in der Organisation dieser Gewerbe 
als Zünfte zu suchen ist. 

Allein diese Argumente genügen nicht, die Gewerbe 
des § 44 als Zünfte zu erweisen. Wir erfahren nichts über 
den inneren Charakter dieser Verbände. Die Möglichkeit 
muss denn auch zugegeben werden, dass officia nur „Be- 

st4be, Gotting. Gi4ilirte Anzeichen 1895, S. 221; Keutgen 
Untersuchungen über den ürspruiio: der deutschen Stadtver- 
fassung (i895) S. 193; vgl. noch 52 des Stadtrechtes: nur die 
Unfreien der Kirche brauchen für den Verkauf ihrer eigenen 
Produkte keinen Zoll zu geben, die freien Btirger miiaaen ihn 
geben. 

6. Vgl SUB 1, n 144 (1190—1202), worin die Stadt o. A. 
an drei Handwerker GrjindBtacke von der Allmende in Erbleihe 
gibt. Danadi nahmen die Handwerker x. T. schon eine ange- 
aehene wirtschaftliche Stellung ein. 

G. SUB I, u 467, S. 863: auch noch spftter. 



rufe" bedeutet, dass ein Berufskreis einen Vorsteher erhalt, 
ohne doch ein Verfoatfd zu sein, dass die Gerichtsbarkeit 
des Burggrafen sich aus anderen Gründen erklärt 

Der Bufggral ist der Beamte für die Verwaltung der 
Stadt. Er übt die Baupolizei aus (§ 58, Sa 81); mit seiner 
und der Bürger Erlaubnis dürfen Mühlen gebaut werden. In 
dieser Eigenschaft ist er sicherlich der Vertreter des Bischofs 
als Gemeindeherm.7 Nicht dagegen besitzt er die Gewerbe- 
polizei und -gerichtsbarkeit in vollem Umfang, aus dem Grund,* 
weil allein die Berufe des § 44 unter sein Gericht gehören. 
Wir müssen deshalb daraus schliessen, dass alle übrigen 
Gewerbe, soweit nicht auch hier Ausnahmen eintreten, in 
Oewerbesachcn Uli Aufsicht und Strafgerichtsbarkeit des 
öffentlichen Richters, des Schultheissen, unterlici^^en.*^ Zu- 
dem scheint der Burggraf nicht die gesamte Cjcwcrbegerichts- 
barkcit über die ihm unterstellten Berufe auszuüben. Er hat 
nicht den Bann. Im f alle des Ungehorsams der Handwerker 
muss er sich an den Bischof wenden Ib). Seine Gerichts- 
barkeit scheint demnach nur niederer Art zu sein.^ Die 
Gewerbepolizei und -gerichtsbarkeit wird also in der Haupt- 



7. R. G. 7. Below, Entstehung der deutsohen Stad1|{emeiode 

(1889) S. 37. 

8. Anders freilirh Keut^en, Untfrsuchungen S. 144 fif und 
S. 146 Anm. 1, der annimmt, der Burggraf habe die ganze 
Gewerbegericht.sbarkeit gehabt, weil sie einfacli zur Stadtver- 
waltntifi; c:ohörte. Er glaubt das „omnium fere" in § 44 deuten 
zu müssen: ,.im Prinzi]) aller". Ea heisst aber: „fast aller", d. h. 
eben ..nicht aller". Keutgen fS. 145 Ainn. 1) sagt; ,,das8 der 
iSchultiieiss die Goworbcgerichtsbarkeit über die übrigen Ge- 
werbe gcliabt liabo, wird nirgoiuls gesagt. Vielleicht waren sie 
einfach noch nicht organisiert". Existiert denn aber blos« eine 
Gewerbegerichtsbarkeit über Zünfte? Dazu beweist E. nicht 
dass die Bernte in § 41 Zflnfte sind. 

0. vgl. auch % 24. Der cypparius ist dem Burggrafen nicht 
aiun Gehorsam verpfliehtet 



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^ i6 



Sache dem öffentlichen Richter in der Stadt zugestanden 
haben; diesem ist sie von dem Bischof übertragen worden, 
der sie kraft öffentlichen Rechtes besass.^^ 

Eberhard üothein^i versucht nun die Gerichtsbarkeit des 
Burggrafen aus einer angenoininenen militärischen Bedeu- 
tung der Berufe des § 44 zu erklären, indem der Name des 
Burggrafen (praefectus urhis) auf einen mihtärischen Cha- 
rakter dieses Amtes hinw eise. Diese Erklärung entbehrt aber 
der Sicherheit, denn es ist für sie kein Beleg in den Quellen 
vorhanden. Ferner würde man vergeblich nach einem ver- 
nünftigen Grund suchen, warum nur den Gewerben in §44 
eine militärische Bedeutung zukommen soll. 

Ebensowenig wie der Bischof dem Burggrafen die Ge- 
richtsbariceit über die genannten Berufe übertragen hat, weil 
dessen Amt die gesamte Ordnung des Gewerbewesens war, 
sind .die Leistungen der Handwerker an den Bischof der 
Grund dafür gewesen. Denn auch andere Gewerbe als die 
in § 44 genannten sind zu besonderen Leistungen verpflichtet 
gewesen, so die Metzger (§ 101), Fischer (§ 115, 116), 



10. Das Siadtreeht sagt selbst nichts über diese Verhllt- 
uiase ; § 10 mgt ein&ch : causidtcus iudicabit pro fuxio, frevela 
geltsehiüda in omnes dves. Zur Erklärung der Gerichtsbarkeit 
Uber furtum und frevela vergleiche Zeumer in ,-Neues Archiv 
fOr filtere deutsche Gesohicfatskunde** 25, S. 818 ; auch Q. v. 
Wyss, Abhandlungen zur Geschichte des schweizerischen öfFent- 
licheji Rechts, 1892, S. 321 Anm. 2 : „Diebstahl scheint im 
Mittelalter der liepräsentant der mit dem Tode bestraften Ver- 
brechen, frevel aller nicht mit Leib und Tod bestiaften Ver^ 
gehen." Wie beschaffen die Gewalt des Zollers war, ist nicht 
gesagt; nach § 12 besitzt er den Bann. § 56 und § 57 aber 
Bpreclien nur von einer technischen Herstellung der Masse (vgl. 
von Bolow, Stadtgemeinde S. 37). Im Zollerrecht freilich, dessen 
Aufzeichnung in das 14. Jahrhundert fällt, richtet der Zoller 
u. A. über alle Korn- und Öalzmasae (SUB IV^, S. 222). 

11. „Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaides" (18ü2) S. 313 



- 16 - 



Zimmerleute (§ 118). Andere hingegen, wie die Obstver- 
käufer (§ 44), die dem Burggrafen unterworfen sind, leisten 
die allgemeinen Frondienste der Bürgerschaft Femer haben 
nicht bei allen Gewerben alle Handwerker diese Leistungen 
zu tragen, sondern bei einzelnen nur eine begrenzte Zahl. 
Der Burggraf richtet dagegen über alle Angehörigen der ihm 
unterstellten Gewerbe. 

Ausgfeschlüssen ist weiter die Annahme, dass der bischöf- 
liche Beamte die Gewerbe unter sich hat infolge ihrer Ver- 
pflichtung zu Abgaben, die ihnen der Bischof etwa für Er- 
teilung des Zunftrechts auferlegt hat.'- Wir wissen, dass 
die Zimmerleute, Fischer, Metzger, Bäcker dem Gerichte 
des Burggrafen nicht unterstehen, besondere Abgaben der 
Obstverkäufer nicht erwähnt werden. 

Welchen Ursprungs sind die Abgaben der Handwerker 
in Strassburg ? 

Auf allen Bürgern ruht die Pflicht von fünf Frontagen 
im Jahre (§ 93). Von dieser Pflicht sind die in § 93 genannten 
Gewerbe'^ und sicherlich auch die in § 102 ff. genannten 
ausgenommen, weil sie speziellen Abgaben und Pflichten 
unterworfen sind. Diese letzteren haben ihren Grund wahr- 
scheinlich in einem besonderen Bedürfnis des Bischofs. Die 
Leistungen der Bürger scheinen in Strassburg allgemein 
Steuercharakter zu haben und öffentlich-rechtlichen Ursprungs 
zu sein.i^ Einzelne spezielle Leistungen der Handwerker 
machen diese Auffassung besonders wahrscheinlich : die 
Schmiede arbeiten für den Bischof, si Castrum aliquod obse- 



12. üeber diese Klasse von Abgaben vergleiche Ö. v. Below 
Territorium und Stadt S. 314. 

13. Die moiieturii sind ebenfalls ausgenommen, vielleicht 
wegen ihrer iu § 70 erwähnten Dienste für den Bischof. 

14. vgl. 6. V. Below, Territorium und Stadt S. 214 Anm. 5 ; 
diwBolbe, Gotting. Qalehrte Anwigon (AbküM. O. G. A.) lS8b, 
S. 228. Aiini. J. 



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derit vel ei obsessum fuerit (§ 106),. Schmiede, Schuster, 
Handschuhmacher, Sattler, Schwertfegefi Küfer, wenn der 
Bischof ad curiam vel ad expeditionem imperatoris auszieht 
(§ 103, 104, 108— 

Ein gewisser Widerspruch in den Angaben des Stadt- 
rechts besteht darin, dass der Kreis der in § 102 ff. zu 
speziellen Leistungen verpflichteten Handwerker ein viel 
grösserer ist, als derjenig<e der in § 93 von den Frondiensten 
befreiten. Da die Fischer, Müller, Wirte für ihre dem Bischof 
zu leistenden Dienste vermutlich auch von den Frondiensten 
frei waren, so ist es nicht unmöglich, dass §93 aus einer 
früheren Zeit stammt als die Aufzeichnung der §§ 102 ff.^* 
Wenn es sich so verhält, so wäre eine Erweiterung spezieller 
Abgaben vom Bischof vofigenommen worden. Der Omnd 
dafür mag wiederum in einem besonderen Bedürfnis des 
Bischofs liegen. 

Welcher Zusammenhang besteht schliesslich zwischen 
dem Inhalt von § 44 und den Nachrichten, nach denen dem 
Burggrafen die Einnahmen bestimmter Zölle vom Kleinver- 
kauf zugewiesen werden ? Es sind die Zölle von Schwertern, 
die in der Scheide auf dem Markte feilgehalten werden, von 
Oel, Nusscu und Obst (§§ 47, 48). Die Obstverkäufer sind 
aber nicht deshalb der Gerichtsbarkeit des Burggrafen unter- 



15. Gothein, a. a. 0. S. 314 erklärt die V2 inter pellifices 
z. B. fttr die ,,Hofliett*ranten'* des Bischofä, die die angesehensten 
Mitgheiier des Gewerbes seien. 

16. Hegel in den „Chroniken der deutschen Städte" IX 
(Strassburger Chron.) Ü27 hat schon darauf hingewiesen, dass 
das Stadtrecht nicht einheitlich xa «ein acheint. Aus dem Zu- 
aammeuhang erp;ibt eich Öfters, dass £ittachiebungen stattge- 
funden haben ; vgl. s. B. § 85 : vgl. übrigens H. Bloch in „Zeit- 
schrift ßir die Geschichte des Oberrheins" (Abkürx. Z. 0. Bh.) 
N. F. 14, S.297. 

17. Der Burggraf erhalt sie ganz nur, wenn diese Wareo 
fbr Oeld verkauft werden. 



- 18 — 

Wölfen worden, weil dieser Zölle von ihren Waren empfing, 
sondern die Zölle von Obst, N&ssen und Oel empfing der 
Burggraf wohl eher aus dem Grund, weil ihm die Verwaltung 
der Altstadt oblag und dort der Obstmarkt gelegen war.^* 
' Da wir sonach alle andern möglichen Annahmeti über 
die Beziehungen des Burggrafen zu den Handwerkern ab- 
lehnen müssen, scheint nur die früher ausgesprochene Ver- 
mutung, zu der wir hiermit zurückkehren, nicht auf innere 
Widersprüche m stossen, dass nämlich die Gewerbe in § 44 
bereits organisierte Verbände haben und deshalb dem Burg- 
grafen unteigeordnet sind, der über sie eine gewisse Ge- 
richtsbarkeit ausübt. Freilich volle Sicherheit gewinnt man 
aus den Angaben des Stadtrechtes nicht. Aber in gewisser 
Weise bestiitigt wird unsere Auffassuni; (iurcli Nachrichten 
aus späterer Zeit über die uns hier interessierenden Ver- 
hältnisse, 

Den klarsten Aufschiuss gibt das Burggraten \\eistuni,20 
dessen Aufzeichnung um die Mitte des 14. Jahrhunderts 
stattfand. Hier findet sich noch das alte Recht des Burg- 
grafen, das ihm eine Anzahl von Gewerben unterordnet. 
Diese sind unzweifelhaft in dieser Zeit in Zünften organi- 
siert.-' Freilich hat sich die Zahl der Gewerbe gegenüber 
der im ersten Stadtrecht verrinL!:ert und ist auch ein Wechsel 
der Gewerbe eingetreten. Während die Kürschner, Hand- 
schuhmacher, ()bst\erkäufer, Wirte sich der Gerichtsbarkeit 
des Burggrafen entzogen haben, sind unter diese andere Ge- 
ls. Zudem sind die Oelleute lüclit in § 44 genannt. In- 
dessen ist es ja denkbar, dass die Obstverkäufer auch zugleich. 
Oel verkaufen. Vgl. S.19 u. 22 Anm. 29. 

19. He^?el, a. a. 0. IX, Stadtplan n 119; Keutgen, Unter- 
suchüiicjen S. l37 ä. Eine andere Erklärung bei Gothein, a. a. 
0. S. 313 f. 

20. SÜB IV., S. 202 £f. 

21. Es genügt hier su bemerlcon, dass bei den hier' aufge- 
«fthlten Gewerben der Zunftiwang die Hegel istl 



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— Ii; — 



werbe neu hinzugetreten : üelleute, Zimmerleute, die sich 
übrigens schon im Friedensvertrag des Bischofs mit der Stadt 
von 1263 in dieser Stellung finden,-- und Fasszieher. Letztere, 
die in dem soeben erwähnten Vertrag noch nicht unter die 
Gerichtsbarkeit des Bur^ggrafen gehören, erweisen sich im 
Burggrafen recht als eine mit dem Zunftzwang-' ausge- 
stattete Zunft, die ihr Recht vom Burggrafen und Bischof* 
erhalten hat.^^ Da sie vorher dem Burggrafen nicht ange- 
hören, so ist anzunehmen, dass die Verleihung des Zunft- 
rechts und ihre Zuweisung zum Amt des Burggrafen zeitlich 
zusammenfällt. Für die Erteilung des Zunftrechts sind den 
Fassziehern bestimmte Dienste für den Bischof und Buig- 
grafen auferl^ worden.^^ Wir haben also hier das 
interessante Beispiel, dass noch in der Zeit blühender städti- 
scher Selbstverwaltung eine Zunft vom Bischof begründet 
wird, der sie seinem Beamten zuweist.^^ Sie tritt unter dessen 

22. Keutgen, Uricuaden n 128, 3; wir kommen darau^ 
nocli zurück. 

23. Der Burggraf aetzt den Meister der F. ein, der sin 

einuDg het ; 8. S. 26. 

24. SUB IVj, S. 215. 

25. ebenda S. 215. so sullent su eime bischofe ziehen und 
ablegen in der stat sinett win von Sant Michels dag untz zu 
Sant Thomas dag (29. Sept. bis 21. Dez.); desgl. für den Burg- 
grafen. Diese Dienste dOrften nach 12G3 (I) wohl nicht mehr 
ohne die Verleihung irgend eines Rechtes auf ein blosses Be- 
dfirihis des Bischofs hin, wie sur Zeit des ersten Stadtrechts, 
dm Handwerkern auferlegt sein. 

26. Der Fall, dass in Strassbuig einzelne Zünfte noch in 
späterer Zeit direkt unter einem bischöflichen Beamten stehen, 
ist nicht vereinzelt. Auch in Hildesheim (vgl. P. Huber, der 
Haushalt der Stadt Hildesheim. Hallenser Dissertation von 
1901, S. 15 Anm. 1) sind eine Aeihe von Zünften, und zwar sind 
«• die äeltesten, Knochenhauer, Schuster, Gerber, Bäcker noch 
'n das IB. Jahrhundert hinein unter der direkten Herrschaft des 
Bischofs gebliehen. Diese Zünfte haben das Recht vom Bischof 
selbst erhalten und entschieden ihre Streitigkeiten vor dem 

2* 



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— 20 ~ 



Gerichtsbarkeit lediglich, weil sie Zunft ist. Wenn sich nun 
bei dem Bischof noch bis in so späte Zeiten die Anschauun|r 
erhalten hat, dass neu entstehende Zünfte dem Amt des 
Burggrafen zukommen, so dürfte die Vermutung nicht abzu- 
weisen sein, dass mit dem Amt des Buiggrafen von jeher 
eine gewisse Qeriditsbarkeit über neu entstehende Zünfte 
verbunden war, dass wir mithin im § 44 des ersten Stadt^ 
rechts die ältesten Zünfte Strassbuigs vor uns haben. 

Nun ist es gerade interessant, zu beobachten, dass sich 
der Kreis der in § 44 genannten Gewerbe ziemlich vollständig 
mit dem der in § 102 ff. genannten deckt — ausser den Obst- 
verkäufern finden sich alle Handwerker des § 44 auch in 
§ 102 ff. und haben besondere Leistungen an den Biscliof zu 
verrichten — , ferner dass die Zimmerleute, die ebenfalls zu 
speziellen Arbeiten herangezogen wurden, noch vor 1263 
auch unter den Burggrafen getreten sind. Diese Tatsachen 
sind vielleicht geeignet, uns eine Anschauung von der all- 
mählichen Bildung der Zünfte Strassburgs und von den Mo- 
menten, die u. a. die Zunftbildung begünstigt haben, zu geben. 
Wir können vielleicht sagen, dass gerade die speziellen 
Leistungen der Gewerbe, unter denen einzelne immer nur mit 
einer beschränkten Zahl von Handwerkern zu diesen heran- 
gezogen wurden, ein treibendes Moment zur Begründung 
eines geschlossenen Verbandes im Interesse einer besseren 
Kontrole gewesen sind. 



Bischof und seinem Kapitel (Döbner, Urkandenbuch der Stadt 
HUdesheim IV^ u 259, 8. 174. a. 1435). Seit dem Ii. Jahr^ 
hundert verlieh der Rat deti anderen (bewerben das Innungs- 
recht. Die Behauptung Huben (a. a. 0. S. 15 Anm. l), dass 

die ältesten Haudwerkervei*bände Hildeaheims aun den alten, 
auf dem bischöflichen Fronhofe bestehenden Handwerkerorgani 
sationen hervorgegangen seien und deshalb ihr eigenes Recht 
behalten haben, ist grundlos. 



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— 21 — 



Gewiss fällt die Entstehung aller Zünfte in §-44. zeitlich 
nicht zusammen. Eine solche Annahme wäre wenigstens sehr 
unwahrscheinlich. Ebensowenig wird ihre Gründung erst 
mit der Aufzeichnung des Arsten Stadtrechts erfolgt sem. 
Im allgemeinen kann man sagen, dass ihre Entstehung vor 
die Zeit der Abfassung des ersten Stadtrechts fällt.^? 

Nun fällt es auf, dass, wenn nach unserer Hypothese der 
Burggraf der Vorsteher der Zünfte ist, die übrigen Gewerbe , 

mit ringen Ausnahmen — späterhin bei ihrer Zunft- 
gründung nicht unter die Kontrole des Burggrafen gestellt 
wurden. Diese Tatsache erklärt sich wohl so, dass der Ein- 
fluss des Bischofs und demgemäss auch seines Beamten 
auf die städtischen gewerblichen Angelegenheiten in der 
Folgezeit gesunken ist, dass eine andere Behörde das Recht 
der Sanktion neu gebildeter Zünfte sich anrnasst und die 
dem Burggrafen zustehende Gewalt an sich nimmt. Diese 
Behörde werden wir in dem Rat zu erkennen haben, der, 



27< I>er AuBdrack: omnium fere offidoram <§ 44) deutet 
wohl darauf hin, dass schon eins Ausuahme ▼on der Regel 
stattfiaudy eine Zunft sich gebildet hat, die nicht unter den 
Burggrafen trat, Ueber Vermutungen kommt man leider nicht 
hinaus. Vielleicht sind die Fischer schon Zunft. Vgl. dazu SUB 
IVj. S. 263: Aufzeichnungen Ober bischöfliclie Aemter und 
Lehen : ad officinm dapiferi illius de Öchoenowe pertinet die 
vischerige zwusclient Sancte Thomasbrucke \ind sanct St^phans- 
brucke (vgl. hierzu erstes Stadtrecht § 117) item daz vische- 
meistertum (d. h. seine Verleihung;). V^^l. dazu SUB ITl, 
n 1206 (1328), wo Keinbold Liebenzeller dem Eberlin v. Müln- 
heim die Fischerei in der Breusch in der Stadt zu Lehen gibt 
and ,fdie JTischer alle zu Strassburg"; L. hatte sie von H. 

Sohdnau Lehen (SUB IV„ S. 278 fol. I4&b) ; vgl. noch 
Bnicker, a.. a. 0. S. 199: Fiaeherordnnngen von 1S9(X Die 
Kontrole und Rechte aber die Fischer und gewisse Abgaben 
▼on ihnen lagen als Lehen wohl seit langem iu anderen Hftnden, 
als des Burggrafen. 



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— 22 — 



seit dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts vom Bischof 
anerkannt, die Verwaltung der Stadt übernimmt und sein e 
Rechte auf Kosten des Stadtherrn ausdehnt, hauptsächlich 
aber auch die Ordnung des Oewerhewesens in seine Hände 
spielt. Freilich das Recht des Bischofs bleibt formell be- 
stehen und kommt noch später darin zum Ausdruck, dass 
der Burggraf vom Stadtherrn die Gerichtsbarkeit über einige 
andere Zünfte hinzuerwirbt. Aber deutlich zeigt sich doch der 
* Verfall der bischöflichen und burggräflichen Gewalt darin, 
dass bereits vor 1263 mehrere Gewerbe, wie Kürschner, 
Handschuhmacher und Wirte, dem Amtsbereich des Burg- 
grafen entwachsen sind. 

Ueber die innere Verfassung der Verbände erfahren wir 
g:ar nichts. Der Stand der Meister ist aus den Angaben 
nicht zu ersehn. Ausgeschlossen ist deshalb nicht, dass es 
s^tion Handwerker waren'^ 

Die Gerichtsbarkeit des Burggrafen, über deren Be- 
deutung wir oben schon sprachen, ist uns ihrem näheren 
Inhalt nach nicht bekannt. Gemäss unserer Anschauung, 
dä^s CS eine Gerichtsbarkeit äber Zünfte ist, werden wir sie 
als*' eine Gerichtsbarkeit üb^r niedere Vergeben gewerbücher 
lind anderer Natur auffassen, durch die für die Zünfte 
vielleicht in besonderer Weise geltende Vorschriften verr 
letzt wurden. 

Wir haben es im vorhergehenden als eine Moi^iiciikeit 
hingestellt, dass in der Zeit der Abfassung des ersten Stadt- 
rechts in Zünften organisierte Gewerbe vorhanden waren, 
und Gründe dafür aus dem Stadtrecht selbst und aus spaterer 

Zeit beigebracht.^'^ immerhin fehlt zur vollen Gewissheit viel, 

. ■ . • • . f. . 

• .. . . . , • , . 'I . 

2K Im Jahre' 1268 waren es. Handwerker. Später heiaist es 
allerdings einmal im Rfoht der Schmiede. (14. Jahrhundert): .und 
8ol onnh tiiomer kein meister werden, ,wan der einen einung. het 
(Süß IV2, S. 206). ■ ' " 

29. Freilich ist eine Zunft der Handachuhmacher in späterer 



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vor allem müssen wir auf die Niciiterw ähnung" des Zunft- 
zwangs hinweisen, des Kriteriums, das einen f^an/ sicheren 
Schluss auf Verbände zuiässt. Freilich war den Zunftzwang^ 
zu ^wähnen auch kein Anlass, da es sich im Stadtrecht 
weniger um die Rechte der Bürger, als um die des Bischofs 
zu handeln scheint Die Tatsache bleibt jedoch bestehen, 
dass wir von den wesentlichen Bestandteilen der Zunftver-. 
fa3Siin|f hier nichts Näheres erfahren. Für die allgemeine. 
Zunftgeschichte, für die Frage der Entstehung des deutschen l 
Zunftwesens überhaupt wird man deshalb die Angaben des 
ersten Stadtrechts nicht als eine Quelle ersten Ranges ver-- 
werten dfirfen.^^ 



; . §^ Z Die r^htliohe Stellung der Zünfte. 

Wenn wir nun zu einer eingehenden Darstellung der 
Strassburger Zunftverfassung in der Periode der sich ent- 
wickelnden Selbstverwaltung der Stadt übergehen, so werden 
wir uns hier mit der Anschauung Schmollers auseinander- 
zusetzen haben, die dieser von der Entwicklung der Strass- 
burger Zunftverhältnisse geltend gemacht hat. Aus 
Schmollers Darstellung in seiner Schrift „Strassburg zur Zeit 
der. Zunftkämpf e'^ geht hervor, dass er drei Perioden unter- 

• : • . . < .-■ •:.,•••« , 

Zeit nicht nachweisbar, ferner wird iin Jahre 1332 eine Zunf^ 
der „obesser (Obsthändler), die vormals Konstafler waren^', erst 
genjfindet (s. Chronist Closener in Hegeb „Clironikeu d. d. 
YIII, S. 122;. Ueber die Konstafeln b. später. Dies kann aber 
nichts gegen uns beweisen, .besonders da wir nicht wissen, 
warum schon vor 1852 diese Gewerbe sich von dem Burggrafen 
frei gemacht haben. 

. 90. G. Croon, Zur Entstehung des Zunftwesens, Marburger 
Dissertation von 1901, schliesst Strasburg dalker, mit. Hecht aus 
der Untersuchung ans. 



— 24 — 



scheidet In der ersten (1150— 1300). eriolgt die Bildung und 
Anerkennung der Zünfte, in der zweiten (1300 bezw. 1332 — 
1430) der innere Ausbau der Zunftverfassung bis zu einer 
hochgesteigerten Zunftautonomie, in der dritten (1450--1550), 
in der ein starker Rückgang der Autonomie eintritt, ist erst 
der Zunftzwang anzutreffen. E. Fromm, der in einer Unter» 
suchung: „Frankfurts Textilgewerbe im Mittelalter" > die 
Strassburger Zunftverhättnisse streift, nimmt diese Periodi- 
sierung^ im wesentlichen an und glaubt, dass der Begriff 
des Zunftzwangs im eigentlichen Sinne erst mit der Zunft- 
schliessung vorhanden sei. „Wenn hier und dort frfiher der 
Zunftzwang auftritt, ist er nur gemeint in dem Sinn, dass 
jeder, der ein Gewerbe treibt, der betreffenden Zunft helfen 
soll bei ihren militärischen Diensten und ihrer Steuerleistung, 
die sie der Stadt schuldet." 

Diese Ansichten über die Entwicklung der Zunftver* 
fassung in Strassburg müssen an den Quellen geprüft wer- 
den, und wir haben zunächst zu tra^^a^n, worin das Wesen 
der Zunft in der ersten von Schmoller umschriebenen Periode 
zum Ausdruck kommt. 

1. Der Zunftzwang. 

Keinen Aufschluss gibt über unsere Frage eine sonst 
interessante Urkunde von 1240,' mit der der Rat die Ver- 
lehnunp eines ünmdstückes durch zwölf officiati der Kürsch- 
ner beurkundet.^ Es scheint hier bereits ein wechselnder 

1. im „Archiv für FraokfurtB Geschichte und Kunst'* S.Folge VI 
S. 20 ff. 

2. &w findetsichauch in BchmoHera „StransburgorTaeher- und 
Webensunft". 

8. SUB I, n 268, S. 211. 

4. predictis duodedm et iptoram in eodem officio suoeesao- 
ribiuL Diese zwölf K. stehen wahrscheinlich mit den 12 intar 
pellificee des enteti Stadtarechts iu Zusammenhang. 



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— 25 — 



Aiisschuss des Handwerks vorhanden zu sein, von dem man^ 
auf einen Verband der Kürschner schliessen könnte; doch 
es ist über das Wesen dieses Verbandes nichts gesagt. 

Im Jahr^ 1263 richten die Meister der Handwerke, die 
dem Burggrafen unterstehen, über diese.^ Es handelt sich> 
hier offenbar um eine Zunftgerichtsbarkeit; die Nachricht 
ist aber für uns an dieser Stelle nicht verwertbar, da wir 
nicht wissen, wer zur Zunft gehörte. 

Wichtig für uns dagegen ist eine die Bäcker betreffende 
Uikunde von 1264.^ Dort wird ein Streit zwischen Meister, 
Rat, Bürgerschaft einer- und den Bäckern andererseits bei- 
gelegt. Der Streit ist dadurch entstanden, dass die Bäcker 
einen höheren Preis als den bisher gewohnten für den Er- 
werb ihres Redhtes, „quod vulgariter didtur einung", von 
den Besitzern der Backhäuser, die dieses Recht offenbar er* 
halten wollten, gefordert haben.^ Nunmehr wird ein fest 
normierter Preis bestimmt, für den jeder Bürger für settr 
Backhaus das Recht, Einung genannt, erwerben kann.^ Aus 
den angeführten Stellen "tht folgendes hervor: 

1. Das oben genannte Recht besitzen die Bäcker schon 
längere Zeit, da sie den hergekommenen Preis für seinen 
Erwerb jetzt erhöht haben. — 2. Dieses Recht gehört nur 
den Bäckern; es ist ein wichtiges Recht, da offenbar gewissen 
Bürgern viel daran gelegen war, in seinen Besitz zu kommen. 
— 3. Das Recht haftet ausschliesslich an den Backhäusern 
der Bäcker oder der Bürger, die es für ihre Backhäuser er- 
werben.^' — 4. Das Recht ist jedenfalls in der Form crieilt, 
dass diejenigen, die es besitzen, einen körperschaftlichen 

5. Keutgen, Urttunrieii n 12h § 3. 

Ü. SUß I, n 349: auch Keutgen. Urkunden n 290. 

7. amplius quam anti<|ua et upproi>ata civitatis ronsuetudo 
exigeret, requirebant. 

8. quicuiique ciyis pißtrino suo iu9, quod dicitur einung, 
■cquirere voliierit. 

9. s. vorige Anmerkung. 



— 26 — 

Verband bilden und diejenigen, die es erwerben, diesem 
Verband beitreten. 

Dieses Recht, das für die Backhäuser erworben wird, 
kann aber in dieser Formulierungf nur darin bestehen, dass 
nur der Bürger, der es besitzt und dem körperschaftlichen 
Verband angehört, das Gewerbe der Bäckerei ausüben darf. 
Mithin ist für die Bäcker der Zunftzwang ausgesprochen. Es 
ist freiUch nicht klar, ob auch der Bürger, der sein Backhaus « 
nur für den eignen Bedarf benutzt, das Recht erwerben muss. 

Aus unserer Urkunde ist leider nicht zu ersehen, von J 
wem das Recht der Bäcker stamme; es kann auch nicht 
festgestellt werden, ob die Bäcker vor der Erteilung dieses 
Rechtes an sie schon einen Verband gebildet haben. 

Volle Bestätigung dafür, dass unter dem Einungsrecht 
der Besitz des Zunftzwangs zu verstehen ist, geben die An« 
gaben aus dem 14. Jahrhundert, die ebenfalls das Wesen 
des Zunftzwangs mit dem Begriff des Einungsrechts um- 
schreiben. Im Burggrafenweistum ' helsst es von den Oel- 
leutenr^i wer olei vcile het in dem burgbanne mit der kleinen 
massen, der sinen einung nicht enhet, dem sol man das olei 
nemen und säA auch bessern noch dem dint^e als daz ant- 
werg . . . übereinkome. Hier wird der Inhalt des dem Hand- 
werke zukommenden Reciits deutlich dahin ausgesprochen, 
dass keiner ungestraft das Handwerk ausüben darf, der nicht 
den „einung" der Oelleute erworben hat. 

Im Jahre 1327 erfahren wir, dass die (ierber dasselbe 
Einungsrecht besitzen, mithin über den Zunftzwang ver- 
fügen.^^ Da nun die Gerber in den Kreis der Handwerke ge- 
hören, die unter dem Burggrafen stehen, so wird die Ver* 

10. Von den Gerbern heisst es i. J. 1327: qui societatem 
habent eiusdem artificii, in vulgari die den einung hant (SÜB IVt 
0,820). 

11. SUB IVa. S. 208 (14. Jahrhundert). 

12. 8. vorletzte Anmerkung. 



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mutung nicht unrichtig sein, dass zu dieser Zeit den Übrigen 
Handwerken in diesem Kreis ebenfalls der Zunftzwang ver- 
liehen war. Für die Zeit der Aufzeichnung des Burggrafen- 
weistums war er ja bei diesen allen unzweifelhaft vorhan- 
den, was aus jedem der dort aufgezeichneten Rechte schla- 
gend hervorgeht. Wir wissen nun, dass die Fasszieher dem 
Amt des Burggrafen nach 1263 zaigewiesen wurden, als sie 
vom Bischof das Zunftrecht erhielten. Ihre Zunftgründung 
erfolgte zwisdien 1263 und 1304, in welch' letzterem Jahre 
ihre Trinkstube erwähnt wird,^^ Die übrigen Gewerbe unter 
dem Burggrafen haben demnach wohl auch in dieser Zeit 
den Zunftzwang gehabt; ja, da um die Zeit von 1263 das 
Recht der Cinung allgemein bekannt gewesen zu sein scheint, 
wie die besprochene Bäckerurkunde beweist, so hindert uns 
eigentlich nichts, auch schon für das Jahr 1263 den vollen 
Zunftzwang bei den in dem bekannten Veigleich aufgeführten 
Gewerben anzunehmen. Dafür spricht auch noch besonders, 
dass nunmehr mit Sicherheit eine gewisse Gerichtsbarkeit- 
dieser Zünfte selbst, die wir nocl^i näher kennen lernen wer- 
den, im Jahre 1263 vorhanden ist. Aus ihrer Stclhin^ unter 
dem Burggrafen geht sicher her\'or, dass ihnen der Bischof 
das Recht erteilt hat. Das Burggrafenweistum erinnert an 
verschiedenen Stellen an diese Tatsache.** 

Als mit dem Zunftzwang ausgestattete Verbände stellen 
wir vor 1332 urkundlich noch folgende fest: 

Im Jahre 1314 erlässt der Zoller mit den Salzmüttem 
eine gewerbliche Vorschriften enflialtende V^rprdtiung.i^. Der 
Zunftzwang ist hier mit klaren Worten ausgesprochen. Dass 
die Saizmütter erst jetzt in einen Verband zusammengefasst 



13. 8. Ifaurer, Geschichte der Stftdteverfassung in 
Biftntachluiä II, 8. d8&. 

- 14. SUB IV2/S. 216 (Schwertiegerreckt), 8. 216 (Becherer- 
ndht). 

15. SÜB IVa, Aufseichnungen aber den Zoll S. &l § 9. 



— 28 — 



4 



werden, wird nicht gesagt. Schon im Jahre 1270 haben sie 
von dem damaligen Zoller aiisführUche Vorschriften er- 
halten;^*' freihch erwähnen diese nichts von einem Verband. 

Ein Verband der Fischer hat im Jahre 1315 sicher 
existiert, im Jahr 1315, 1316, 1321, 1324 kommt ein magister 
piscatomm vor.^' Die Aufzeichnung der Zunftstatuten der 
Fis'cher aus dem 14. Jahrhundert enthält den Zunftzwang.'^ 
Es darf wohl angenommen werden, dass er im Jahre 1316 
in den Händen der Fischer war. 

Zur Zeit des fünften Stadtrechts bilden die Metzger 
einen Verband, denn ein Teil der Strafgelder für Verletzung 
gewerblicher Vorschriften, die der Rat im fünften Stadt- 
recht erliess, soll den Metzgern zufliessen.^* Der Zunftzwang, 
den sie nach dem Schultheissenrecfat aus der ersten Hälfte 
des 14. Jahrhunderts^ besitzen, wird wahrscheinlich in die 
Zeit des Stadtrechts hinaufreichen. 

Ueber die Weber belehrt uns eine Urkunde von 1330.^1 
Die Weber wenden sich an den Rat mit dem Verlangen, 
dass die Weberinnen „mit ihnen dienen" sollen. Der Rat 
bestimmt nun, welche Weberinnen mit den Webern dienen 
soHen.s^ Nach Fromm ist in dem Ausdruck „dienen m:f' 
ein eigentlicher Zunftzwang nicht ausgesprochen, sondern 

16. ebenda B. 228. 

17. SUB m, n 806, 842, 964, lOdS. 

18. Bruoker, a. a. 0. d. 1H6» 

19. 8ÜB IV, S. 26, § 18». 
2a ebenda 8. 19a 

21. 8T7B H, n 519; auch Keutgen, Urkunden n Ol. 

22. . . . weihe yrowen wurketent linnin duoh, es wer» 

thischelachen, hantqueheln (Handtücher) oder sidins oder ander 
linnin duch, die ensoltent mit den wehem uit dienen. 

Weihe aber woltent wullins oder serigen (Decken) oder 
Btulachen (Teppiche) wurkeu oder knehte setsen, die soltent 
dienen mit den webem. 

2». a. a. 0. 



— 29 — 



nur der Oedanke, dass diejenigen, die mit dem Gewerbe 

„dienen**, zu dessen Diensten für die Stadt beitragen müssen. 
Wenn nun dieser spezielle Gedanke auch wirklich in diesem 

Ausdruck enthalten ist, so wird man ihm doch an unserer 
Stelle eine allgemeinere Bedeutung zusprechen müssen; dass 
nämlich damit zugleich auch der Zunftzwang ausgesprochen 
wird. Diese Auffassung bestätigt eine Stelle aus einer Ord- 
nung der Wirte im Jahre 1340, in der es heisst: wer win 
umb koste veile het oder win uf den zapfen koufte, der sol 
mit den winluten dienen . . . und sol in 10 sol. in ir gemeine 
bühse gen, ist er vor irs antwerckes nit gewesen.-' Diese 
Worte sagen deutlich, dass mit dem Dienst mit der Zunft der 
Eintritt in diese verbunden ist. So wird es sich auch bei 
den Webern verhalten. Sie verfügen demnach über den 
Zunftzwang.- ' Daraus aber, dass die Leinenw eberinnen der 
Zunft nicht beizutreten brauchen, folgt, dass es den Webern 
bisher noch nicht gelungen ist, den Zunftzwang ganz in dem 
grossen Umfang geltend zu machen, wie sie es wohl 
wünschten. 

Ueber die übrigen Gewerbe in Strassburg mangelt es 
an Nachrichten vor 1332. Jedenfalls aber bestanden diejenigen 
als von der Stadtobrigkeit anerkannte Zünfte, die im Jahre 
1332 Vertreter in den Rat sandten.^« Denn damit sie zur Ver- 
stärkung der politischen Macht der Zünfte Vertretung im 
Rate fänden, wurden in diesem Jahre auch eine Anzahl un- 
zünftiger Gewerbe in Zünfte zusammengeschlossen.*^ Da 
der Zunftzwang in dieser Zeit allgemein bekannt war, so 
wird er sich in den Händen aller dieser Zünfte wohl be- 
funden haben. 



8i. Bmoker, a. a. 0. 8. 686; auch SüB V, n 220. 

25. In % 22b des sechsten Stadtreohts von 1822 ist nur 
«pesiell an stftdtische Dienste gedacht, da der Artikel die Zuge- 
hörigkeit zur Zunft aohon vorausBetst (vgl. S. 87 Anm. 

26. s. Heffd, a. a. 0. S. 779 Anm. 1. 

27. Clo8ener,a.a. O. S. 126. 



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— 30 — 



Ueberblicken wir unsere Ergebnisse! Ein allen Zünften 
gemeinsames Charaicteristikum stellte sich in der Zeit vor 
1332 in dem Zunftzwange heraus. Damit ergibt sich die 
Llnrichtitrkeit der Periodisierung Schmollers und Fromms, 
was den Punkt des Zunftzwanges betrifft. Der Zunftzwang 
ist von Bet^ründung der Zunft an vorhanden. Es lässt sich 
auch nirgends die Ansicht belegen, dass bereits vor Er- 
teilung des Zunftzwarines der betreffende Verband existiert 
habe. Deshalb muss der Schluss gezogen werden, dass die 
Zunft um der Ausübung des Zunftzwanges willen begründet 
wird. Er ist das spezielle Motiv, das die Handwerker bei 
der Begründung eines geschlossenen Verbandes leitete. Mit 
ihm als Mittel glaubten die Zünfte die ihnen vorschwebenden 
gewerblichen Ziele zu erreichen. 

G. Schmoller sagt, das Zunftwesen sei „nationalökono- 
misch** überhaupt nicht zu erklären. Diese Ansicht ergibt 
sich aus der allgemeinen Anschauung Schmoliers, dass die 
Zunft um der Qewerbepolizei und -gerichtsbarkeit willen 
begründet worden ist. Für ihn ist das Zunftwesen „nur 
zu verstehen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Recht, 
der Geriditsverfassung, dem Vtrwaltungsrecht jener Tage.'* 
Im Q^ensatz dazu müssen wir gerade sagen: das Zunft- 
wesen ist in allererster Linie nationalökonomisch zu erklären. 
Durch den Besitz des Zunftzwanges, der die freie Konkurrenz 
ausschliesst und die Grundlage wird für die wirtschafts- 
politischen Tendenzen der Handwerker, zeigt die Zunft, dass 
ihr Charakter vor allem ein gewerblicher ist Demgegen- 
über muss es für die ins Leben tretende Wirtschaftsgenossen- 
schaft zunächst wenigstens verhältnismässig gleichgültig sein, 
ob ihr von der städtischen Obrigkeit gerichtliche Funktionen 
, übertragen werden oder nicht. — 

Ein Zwangsrecht aber auszuüben, dazu bedarf die Ge- 
nossensdiaft der Verleihung durch die öffentliche Gewalt. 
Zum Wesen der Zunft gehört deshalb zweitens ihre Be- 
stätigung durch die städtische Obrigkeit. In älterer Zeit 



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- 31 — 



widmet sich der Bischof als der Inhaber der öffentlichen 
Gewalt der Ordnung des Qewerbewesens. Wie wir sahen, 
legt er die Sorge dafür in die Hände eines seiner Beamten; 
dass dieser nicht schlechthin der Burggraf sein kann, sondern 
ein anderer Beamter, jedenfalls der Schultheiss, vielleicht 
auch der Zoller, die die Sorge für das Gewerbewesen von 
Haus aus zu ihrer Amtstätigkeit rechneten, ist oben bereits 
hervorgehoben worden. Sicher haben die im Jahr 1263 unter 
dem Burggrafen stehenden Zünfte das Recht vom Bischof 
erhalten. Sehr wohl möglich ist, dass bis 1263 die Bestäti- 
gung der Zünfte überhaupt noch Sache des Bischofs war. 
Es kann nicht gesagt werden, dass die Bischöfe die Bildung 
von Zünften missbilHgt hätten, besonders da es höchst wahr- 
scheinlich ist, dass das erste, aus einer recht frühen Zeit 
stammende Stadtrecht schon von Zünften redet. Das Verbot 
aller Zünfte, das Kaiser Friedrich II. im Jahre 1232 erliess^^ 
hatte jedenfalls auf die Entwicklung der Strassburger Zunft- 
verhältnisse keinen Einfluss. 

Der Rat suchte nun den Einfluss des Stadtherrn all- 
mählich zu beseitigen, die Verwaltung ganz in seine Hände 
zu bringen. Nach 1263 ist es nur Ausnahme, wenn das 
Zunftrecht vom Bischof erteilt wird. Eine Zuweisung der 
Zünfte unter die Gerichtsbarkeit des Burggrafen findet — 
die Zunft der Fasszieher ausgenommen — hinfort nicht 
mehr statt 

2. Die Entwicklung der Autonomie, 
insbesondere der Qewerbegerichtsbarkeit 

Nach Schmoller lässt sich vor der Zeit der Zunftkämpfe 
von einer eigentlichen Autonomie der Zünfte nicht reden, 
sondern diese entfaltet sich erst seit dem Beginn des Zunft- 



2a 0. Franklin, Sententiae curia« regia (1870) 62; auch 
Keutgen, Urkunden n 112. Aus dmn V^ot geht Obrigena 
auch hervor, dass - eine unbedingte Einigungsireiheit im Mitiel- 
alter nicht bestanden hat. ' 



— 32 — 

regiments, nimmt in der Folge/eit einen weiten Umfang 
an und wird dann wieder in den Zeiten einer allgemeinen 
Reform der Stadtvertassung seit Beginn des 15. Jahrhunderts 
vom Rate in ihre früheren engen (jrenzen zurückgedrängt. 
— Es fragt sich, ob dieser Prozess wirklich allgemein so 
stattgefunden hat. 

Mit dem Recht der Einung, des Zunftzwanges, haben die 
Zünftt' wahrscheinHch zugleich das Recht erhalten, Versamm- 
lungen abzuhalten, in denen die Cjenossenschaft berührende 
Fragen und (ieschäfte verhandelt und erledigt wurden. Direkt 
fehlt für ihre Existenz in früherer Zeit freilich ein Beleg. 
Wenn aber die Bäcker im Jahre 1264 die Gebühren für 
•die Mitgliedschaft an ihrer Zunft erhöht haben, wie wir 
oben bemerkten, so wird dies eben in einer Versammlung 
der Bäcker beschlossen worden sein. Auch aus einem Artikel 
des fünften Stadtrechts (Anfang des 14. Jahrhunderts) lässt 
sich entnehmen, dass die Zünfte Zusammenkünfte abhielten, 
um gewerbliche Ordnungen neu zu verfassen.--' Die städti- 
sche Obrigkeit nahm den Zünften den jährlichen Eid ab, 
keine neuen Satzungen ohne Erlaubnis von Meister und Rat 
aufstellen zu wollen und auch keine verfasst zu haben. VE^r 
beobachten dabei, wie es mit der Selbständigkeit der Zünfte 
damals bestellt war. Die Verordnungen erlangten Rechts- 
kraft erst durch die Bestätigung der städtischen Obrigkeit^o 
Natürlich kam in diesen Versammlungen nur ein Teil der 
für die Zünfte geltenden Vorschriften zu stände. Der Rat 
verlieh selbst den Zünften Ordnungen, entweder aus eigener 
Initiativen^, oder wenn die Zünfte sich in streitigen Fällen 
zur Entscheidung an den Rat wandten.^^ 



29. SIJB IV., Rtadtrerht &, § 68 (um 1819). 

30. Auch nach 1332 begegnet man der Sanktionierung 
.gewerblicher Beschlüsse der ZQnfte durch den Rat; so bei den 
Wfinsterheru und Unterkäufeni a. J354 (Süß V, n 3l9;. 

31. Bäckerordtiuug von 1870, Brucker a. a* O. S. 86; Ver- 



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Freie Hand hatten die Zünfte wahrscheinlich schon früh 
hinsichthch der Aufnahme neuer Mitglieder. Es liegen keine 
Verordnungen des JRats vor, die seine Beteiligung an dieser 
Handlung verrieten. Die Bäcker hatten im Jahre 1264 für 
den Eintritt in ihre Zunft ein erhöhtes Eintrittsgield fest- 
gesetzt. Es ist anzunehmen, dass sie die Aufnahme selbst- 
ständig vollzogen. Aus späterer Zeit sind in den Ver- 
ordnungen der Zünfte Bestimmungen enthalten, in welcher 
Weise die Aufnahme vor sich gehen sollte. Darüber später. 

Die Zünfte hatten Vorsteher, die magistri officiorum oder 
antwerckmeister.^^ Wir .wissen ausser von den dem Burg- 
grafen untergeordneten fünften nicht, wer diese Meister in 
früherer Zeit einsetzte. Diesen gab der Buiggraf die M«ister.3^ 
Er machte, wie aus dem Buiggrafenweistimi hervorgeht, dies 
Recht fast im ganzen 14. Jahrhundert noch geltend, we- 
nigstens zum Teil. Er setzte die Meister der Oelleute, Müller, 
Küfer, Maler, Schwertfeger, Fasszieher und Becherer ein.^^ 
Erst im Jahre 1385 setzten es die Küfer durch, dass sie d«n 
Meister ihrer Zunft selbst erkoren, den dann der Burggraf 
formell einsetzte,^^ wie dies nach dem Burggrafenweistum 
schon bei den Schustern und Gerbern, Zimmerleuten und 
Schmieden Brauch war,*' 

Da die hier genannten Zünfte immerhin sich in einer 
besonderen Abhäng^igkeit befanden, die durch bestimmte 
Verhältnisse beding war, so braucht nun nicht etwa ange- 
nommen zu werden, dass den übrigen Zünften die städtische 

Ordnung über den Zunftzwang der Obst verkaufer von 1352, 
(SUB V, n 268); Goldachmiedeordnung von 1363 (SÜB V, n 578). 

82. EntsoheiduDg Ober den „Dienst** der Weberinnen tod 
1880 (SÜB n, n 519). 

88. SUB I, n 467, 471 (1261). 

84. Eeutgen, Urkunden n 128 § 8 (1268). 

85. SUB IVa, S. 208, 206, 209, 218, 214, 216, 216. 

86. SUB VI, n 266. 

87. SUB IV„ 8. 204, 206. 



— 34 — 



Behörde, der Rat, die Meister gab. Sie werden wohl von 
Anfang an selbstäiidi<^aT g-ewesen sein. Bei der im Jahre 
13Ö2 neugegründeten Zunft der I uchscherer war es Brauch, 
das.s der Meister und die Geschworenen — wir kommen auf 
diese zurück — am Ende ihres Dienstjahres ihre Nachfolg^er 
im Amte wählten.''^ 

Andere Verhältnisse lagen bei den Fischern und Kürsch- 
nern vor. Das Fisch meistertum und die an dieses geknüpften 
Rechte waren seit alter Zeit als Lehen in fremden Händen.^^ 
Als der „Obermeister" der Fischerzunft gab der Belehnte 
den Fischern einen Untermeister, der für ihn die Gefälle 
einnahm.^" Auch die Kürschner wählten ihren Meister nicht 
selbständig, wenigstens nicht im Jahre 1368, aus dem eine 
Kürschnerordnung vorliegt>^ An der Spitze dieser Zunft stan- 
den die Zwölfer, aus deren Mitte der Obermeister der Zunft 
hervorging. Dieser setzte einen Untermeister ein, der ihm 
schwor, rechtes Gericht zu halten. Das Amt der Zwölfer 
war ein vererbliches Recht und ging bei dem Tode seines 
Inhabers auf dessen Sohn oder Bruder oder nächsten Ver- 
wandten väterlicherseits über. Das Obermeistertum musste 
von demjenigen, der von der Majorität der Zwölfer dazu er- 
wählt wurde, gewöhnlich mit 60 üb. bezahlt werden und 
war offenbar ein recht einträgliches Amt Die Entwicklung 
zu solchen Verhältnissen bei der Kürschnerzunft liegt im 
Dunkeln. Diese Zwölfer sind wahrscheinlich, gleich wie die 
schon erwähnten duodecim offidati inter pellifices, identisch 
mit den zwölf Kürschnern des ersten Stadtrechts, die für 
den Bischof Felle in Mainz und Köln zu kaufen und zuzu- 
bereiten hatten. An Aemter im Sinne eines Ausschusses wird 



38. Srhrnoll. r. Tucher- und Weberzunit, Urkunden (Abkürz. 
Schm., Urkuiideiv n 11 (13ü2). 

39. iini. k<"r. a. n. 0. S. lUüff (1392), 

40. ebenda S. 200. 

41. ebenda ö. 322 (1368). 



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— 35 — 



man mit grösserer Sicherheit erst im Jahre 1240*- denken 
können. Damals nun war an die Würde eines Zwölfers 
der Besitz eines Grundstücks geknüpft, das die Zwölfer ge- 
meinsam besassen. Die Zinse von diesem in Erbleihe ge- 
gebenen Grundstück fielen den Zwölfern und ihren Nach- 
folgern im Amte zu," Im Lauf der Zeit ward die Zwölfer- 
würde erblich. Diese Entwicklung ist um so leichter erklär- 
lich, als das Kürschnergewerbe selbst von Mitgliedern mäch- 
tiger Geschlechter der Stadt betrieben wurde,^^ die sicher 
auch in der Zunft ihrem Ansehn den gehörigen Nachdruck 
zu verleihen wttssten und bald eine führende Stellung in der 
Zunft einnehmen mochten. Näheres lässt sich leider nicht 
sayfen. Im Jahre 1368, aus dem obige Urkunde stammt, trie- 
ben die Zwölfer vermutlich nicht mehr alle, wie früher das 
Kurschnergewerbe, da das Amt sich in der Familie vererbte ; 
man musste sonst annehmen, dass in den Familien meist 
immer derselbe Beruf gewählt wurde. 

lieber den Stand der Zunftvorsteher in der ältesten 
Zeit ist nichts bekannt. Aber schon im Jahre 1237 ist ein 
Meister der Kürschner als Kürschner erweislich.^'' Im Jahre 
1263 setzte der Burggraf über die ihm untergeordneten Zünfte 
Meister, die das Gewerbe ihrer Zunft betrieben.'" Wir neh- 
men an, dass die Vorsteher der übrigen Zünfte ebentalls 
Handwerker zu dieser Zeit gewesen sind. 



42. SUß I, n 268. 
4S. ebenda. 

44. 8. SÜB IV„ S. 211 (1240). Hier finden sich unter den 
duodecim inter pellifices Mit;];lieder der Geschlechter Vimekom, ' 
Bebstock, Hapeneiii Sluch, Saarburg Haxvilius. 

45. Urkunde von 1237, Straseburger Stadtordnaugen Band 13 
fol. 98 (unjfedruckt). 

4G. ebenda: desgl. ;i. 1240 fSÜBl n 268, SUB 1V„ S. 211); 
vgl. ZGOKh., N. F. 14. S. 152. . . 

4V". Keutgeii, Urkunden u 12Ö, § 3 (1263). 

5* 



— 36 — 



Die Wahl der ( iescliw orenenausschüssc, auf die wir 
an anderer Stelle noch ausführlicher zu sprechen kommen, 
ging da, wo sie erwähnt wird,^^ selbständig von der Zunft 
aus. In diesem Punkt waren auch die Burggrafenzünfte zum 
Teil freier gestellt. Die Geschworenen der Küfer wählten 
am Schlüsse ihrer Amtszeit die neuen (Ksc hw orenen. 

Bereits im Anfang des 14. Jahrhunderts war, wie aus 
dem Stadtrecht von 1322 zu ersehen ist, ein eignes Finanz- 
wesen in den Zünften vorhanden.**^ Der Besitz von Kassen 
war bei den Zünften allgemein. Da nirgends die Einnahmen 
sofort verausgabt worden zu sein scheinen, so müssen die 
Kassen permanent gewesen sein. In die Kassen flossen..zu- 
nächst wahrscheinlich die Eintrittsgelder, mitunter nur zum 
Teil ; denn der Burggraf erhielt von den neu aufgenommenen 
Mitgliedern einiger, ihm untergeordneter, Zünfte einen Teil 
der Eintrittsgebühren.^*^ Ferner fielen die Bussen, aus den 
Zunftgerichten den Zunftkassen zu.^^ Auch Oeldsammlungen 
konnten veranstaltet werden. Ueber diese aber führte der 
Rat ein strenges Aufsichtsrecht; ohne seine Erlaubnis 
durften die Zünfte eigne Sammlungen nicht vornehmen.^' 
Der Rat genehmigte sie übrigens auch nur in besonderen 
Fällen: vellet dehein antwercke in schulde von unsere stette 
wegen oder sust zu irer notdurft.^' Ueber eine vom Rat 



48. Ordnung der Tnchscherer von 1862 (Schmoller, Urkunddo 
n 11); Ordnung der Uaurer von 1438 (Brucker, a. a. 0. S. 841); 
der Käfer von 1395 (ebenda S. 314). 

4d. SUB IV2, VI. Stadtrecht § 16. 

50. sn z. B. von Oelleuteii, Schustern und Gerbern, Zimmer- 
leuteii, Mallem, Küfem, Snhwertfegeru, Beoherem (SUB IVt, 

8. 202 ff :. 

51. Voglerordiiunf: (14. Jahrhundert) (ßrucker a. a. 0. S. 182)» 

52. SUB IVo, VI. Stadtrecht § 16 (1322); Wirtorduungen 
von iRrncker a. a. O, S. 535). 

53. fc>UB IV2, VI. ötadtrecht § 16 (1322). 



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festgesetzte Summe hinaus durfte die Sammlung nicht tort- 
gesetzt werden.^ 

Zur Zeit der Abfassung des ersten Stadtrechts übte der 
Burggraf eine nicht mit dem Banne ausgestattete Gerichts- 
barkeit Uber eine Anzahl von Gewerben aus. Der Friedens- 
vertrag von 1263 9^ zeigt, dass eine Entwiciclung in den 
Machtbefugnissen der dort genannten Handwerke eingetreten 
ist: die Meister der Schuster und Gerber, Zimmerleute, Kfifer, 
Oelleute, Schwertfeger, Müller, Schmiede, Schilter und Sattler 
üben eine Gerichtsbarkeit aus in Sachen, „die das Handwerk 
angehen/' 

Dieses Stuck otteiitlicher Gewalt, das die Zünfte be- 
sessen haben, ^ilt es genauer /.u beschreiben. Es handelt 
sich dabei um eine Frasi^e von grundleei^ender Bedeutung. 
Schmolier will in dem Besitz der Zunft- sne/ieü der (lewerbe- 
gerichtsbarkeit den Mittelpunkt der Rechte der Zunft sehen. 

Es muss nun (bleich hier bemerkt werden, d.iss, selbst 
wenn ui Strassburg alle Zünfte eine gewisse (iew i tIhl^c! ichts- 
barkeit gehabt hätten, Schmollers Auffassung nicht richtig 
sein würde, da sie ihnen in anderen Städten ganz oder we- 
nigstens lange Zeit fehlt. In Bremen waren bis 1273 die 
Zünfte ohne Gerichtsbarkeit;''*^ in Lübeck war eine Gewerbe- 
gerichtsbarkeit überhaupt nie in den Händen der dortigen 
Acmter.**' 

Ausser den Zünften, die in Strassburg unter dem Burg- 



64. ebeuda. 

66. Keutgeri; Urkunden n 128 § 3. 

66. ebeuda: der (meistel') «nsol ouch uut anders rihten, 
nuwen das das antwerg angat 

67. Schmolier, Zunftkämpfe S. 8; vgl. G. v. ßelow, Hiatoriache 
ZeiiMchnft 68, 8. 236, auch iVomm, a. a. 0. S. 21. 

68. Historische Zeitachrih 68, S. 226. 

59. 8. neuerdings Höhler, Die Anf&nge de« Handwerke in 
Lübeck. Tfibinger Dissertation 7. 1908, S, 88. 



— 38 — 



grafen standen, lässt sich nur wenigen vor der Zeit der 
Zunftherrschaft eine (lerichtsbarkeit mit einiger Sicherheit 
zuschreiben. Die Weber besassen eine solche vermutlich 
schon längere Zeit, bevor im Jahr 1361 der Rat verordnete^ 
daz daz antwerk der weber sullent ir gerihte haben vor 
eime stettemeister alse es von alter harkommen ist.*^" Die 
Weber hatten danach ein besonderes Gericht, in dem j|i 
früherer Zeit der Stadtemeister den Vorsitz führte. 

Wir können auch vielleicht eine gewisse Zunftgeridits- 
barkeit bei den Metzgern annehmen, die einen Teil der 
Strafgelder für gewisse gewerbliche Vergehen erhielten.*'} 

Sehr fraglich ist die Existenz einer Gewerbegerichtsbar- 
kei^ bei der Backerzunft Aus einer vom Rate gegebenen 
Ordnung des Jahres 1370^ wissen wir, dass der Städte- 
meister oder vier Geschworene des Rates mit dem Brot- 
bäckermeister und Geschworenen des Handwerks die Brote 
alle Tage beschauen. Es besteht eine Gewerbepolizei für 
die Zunftbeamten, während die Strafgerichtsbarkeit all^n 
dem Meister und Rat zukommt, Strafgelder fallen für ge- 
werbliche Vergehen an die üngeitkasse und Ratsleute. Von 
dieser Verordnung nimmt Fromm ''-^ an, dass durch sie eine 
vorher vorhandene Autonomie, d. h. besonders eine Zunft- 
gerichtsharkeit bebciii^t wurde. Wir kommen noch ausführ- 
lich auf die Anschauung Fromms zurück; hier sei nur be- 
merkt, dass mu keinem Worte in der Ordnung einer früheren 
Gerichtsbarkeit der Bäeker ijedaeht wird. Es handelt sich 
hier nur um ein Verbot willkürlich gefasster Beschlüsse der 
Bäeker. Eine Zunft braucht eine eigne Gerichtsbarkeit gar 
nicht zu besitzen, wenn sie selbständige Beschlüsse in ihren 
Versammlungen fasst. Wahrscheinlich hat also die.Bäck^r- 



60. Schmoller, Urkunden n 9. 

61. SUB IV^, V. Stadtrecht § 18 (vor 1311). 

62. Brucker, a. a. 0, S. 86 L 

63. a. a. 0. ti,- 21. 



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zunft bei ihrem ersten Auftreten im Jahr 1264 eine Gewcrbe- 
gerichtsbarkeit nicht besessen, da eine solche auch später 
nicht nachweisbar ist. 

Seit wann besteht nun aber die Gerichtsbarkeit der 
Burggrraf enzünite ? 

Die Qerichtsbarkeit» die der Burggraf im ersten Stadt- 
recht über die Handwerker ausübte, si quid deliquerint in 
offidis suis, besitzt er im Jahre 1263 nicht mehr. Nun wissen 
wir, dass er für seine ihm unterstellten Zünfte die höhere 
Instanz bildet^ Es ist deshalb wohl anzunehmen, dass der 
Burggraf die ihm zustehenden Rechte an die Vorsteher der 
Zünfte abgetreten hat<^ Wir werden spater noch sehen, dass 
der Rai durch seine in den Stadtrechten aufgezeichnete 
Vorschriften seine Hoheitsrechte und Gerichtsbarkeit Ober 
gewerbliche Vergehen auch über die Zünfte des Burggrafen 
geltend macht. Daraus folat, dass der Burggraf nicht ein- 
mal über die ihm untersteilten Gewerbe betreffs der Gewerbe- 
ordnung die Hoheitsrechte in vollem Umfang besitzt. Es 
stimmt damit zusammen, dass er im ersten Stadtrecht keinen 
Bann hat, sondern nur eine Gerichtsbarkeit niederer Art 
ausübt. Da sich nun im Jahre 1263 die vom Burggrafen ge- 
erbte Gerichtsbarkeit der Zünfte als eine Zunftgerichtsbarkeit 
herausstellt, so wird wahrscheinlich die Gerichtsbarkeit des 
Burggrafen im ersten Stadtrecht ebenfalls bloss den l'mlang 
einer Zunftgerichtsbarkeit gehabt haben, die der Bischof ge- 
schaffen und dem Burggrafen als seinem Beamten über- 
tragen hat.®*^ 

Diese Annahme stimmt mit der Ansicht zusammen, die 



64. SUB IV^ Baiggrafenweistam S. 206, S04, 206, 21S. 
66. «ebenda S. 203, von den Oelleuten: Der Bai^graf setit 
einen sum Meister „doch also das der rin reht habe den er 

setzet zu meistere". 

66. Von Bedeutung ist es, dass der Burggraf in der Piala 
des Bischofs Oericbt abhält (I. Stadtrecht a. a. 0. § 46). 



— 40 — 



wir über die Existenz von Zünften im ersten Stadtrecht oben 
vorjretr;jtj;eii hnben. Freilich eine nur wahrscheiniiche, ist sie 
immi-rhiii l^hi ii^iiet, die Stellunjf der Burgj^rafenzünfte all^^e- 
mein zu charakterisieren. Dass diese schon in verhältnis- 
mässii;^ truher Zeit sich einer eignen ( jerichtsbarkeit erfreuten, 
während andere Zünfte, die zu derselben Zeit bereits 
existierten, wie die Bäcker, eine solche nicht besassen, lag 
eben an der eigentümlichen Stellung» die sie seit früher 
Zeit einnahmen. Der Erwerb eigner Gerichtsbarkeit wurde 
gerade ihnen deshalb leichter gemacht, weil eine solche für 
sie schon vom Bischof geschaffen und einem besonderen 
Richter übertragen war. Als der Rat später die Verwaltung 
der Stadt an sich nahm, gab er seine richterliche Gewalt 
nicht so bald aus den Händen. Die nun einmal neben der 
übrigen selbständig stehende Gerichtsbarkeit des Burggrafen 
vermochte er nicht an sich zu reissen» denn der Bischof be- 
hielt über sie lange Zeit noch einen gewissen Einfluss. Der 
Rat hielt auch nicht den Prozess auf, als die Zünfte die dem 
Burggrafen zustehende richterliche Gewalt selbst an sich 
rissen. 

Wenn wir nun bei den Burggrafenzünften eine Zunft- 
gerichtsbarkeit annehmen, noch bevor der Zunftzwang dieser 
Zünfte erwähnt wird, so nähern wir tms doch nicht der 
Schmollerschen Anschauung, nach der die Qewerbegerichts- 
barkeit in den Mittelpunkt der Zunftrechte zu stellen ist. 
Denn was uns überall von den Zünften Strassburgs, die 
nicht unter dem Burggrafen standen, zuerst entgegentritt, 
ist lediglich der Zunftzwang. 

Wir können nun aber aus unserer Ueberlieferung sogar 
erkennen, welches von beiden Momenten die Zünfte selbst 
stärker betonten, den Zunftzwang ockr die Zunftgerichts- 
barkeit. Wie wir oben sahen, suciiten die \X\ber im Jahr 
1330 den Weberinnen gegenüber den Zunftzwang geltend 
zu machen und w andten sich, um dies durchzusetzen, an den 
Rat. Es lag ihnen alles an dem „Dienst" der Frauen mit 



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der Zunft, der Wunsch, über sie die üew erbegerichtsbar- 
keit auszuüben, steht ganz im Hintergrund. Wir sahen ferner, 
dass gerade das „jus, quod didtur einuiig", welches uns in 
der Bäckerkunde von 1264 zum ersten Mal begegnet und 
uberall später als das wichtigste Recht der Zünfte erscheint, 
den Zunftzwang bedeutet. Hiemach kann es gar kein Zwei- 
fel sein, dass die Zünfte auf den Zunftzwang den meisten 
Wert legten, und wir sehen, wie unsicher es ist, der Gerichts- 
barkeit der Zünfte eine so hohe Bedeutung für die Erklärung 
<ies Wesens der Zunft beizumessen, wie Schmoller es tut. 

Wenn wir nun ein ungefähres Bild der von den Zünften 
besessenen Qewerbegerichtsbarkeit gewinnen wollen, so sind 
die Quellen vor 1332 nur geeignet, die Grenzen dieser ge- 
richtlichen Kompetenzen o^e^T^cnüber der üewerbegerichts- 

barkcit des Rdtes erkennen zu kisscii. in der Tat ist die 
Zahl der gewerblichen Vorseiiriften des Rates in den stadt- 
rechtlichen Aufzeichnungen eine nicht geringe. Schon das 
zweite Stadtrecht aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts""'' 
enthält eine Anzahl gewerblicher V^^rschriften, deren Ver- 
letzung der Gerichtsbarkeit des Rates unterliegt. Indem wir 
die Vorschriften für die Weber über die Breite der Tücher 
56), für die Metzger (§ 36), die Schiffleute (§ 35) liber- 
gehn, da sich für diese (iew erbe eine ( )rgniiisntinn in Zünften 
noch nicht nachweisen lässt, eriiuiern wir daran, dass der 
Rat für die Wirte, die im ersten Stadtrecht der Gerichtsbar- 
keit des Burggrafen zugeteilt sind, ausführliche gewerbliche 
Bestimmungen erlässt, deren Verletzung er seinem Gericht 
vorbehält.*'^ Diese Bestimmungen kehren in den späteren 
Stadtrechten unverändert wieder.*»^ 

Das fünfte Stadtrecht zeigt noch eine ausgedehntere 



67. Eeutgen, Urkunden n 127. 

68. ebenda, §§ S7, 48, 44. 

69. SÜB IV» IV. Stadtreeht (1270—1276) §§ 46, 49, 60; 
V. Stadtrecht (vor 1811) § 37. 



— 42 — 



Tätigkeit des Rates auf dem ( iebiet des ( icw erbewesens. Er 
trifft Bestimmungen für die Metzger,"" die den Verkauf des 
Viehes in der Stadt regeln und zieht Vergehungen dagegen 
vor sein Gericht. r3en Bäckern wird bei Strafe von 30 sol. 
verboten, Brot zu „erlesen". Eine ganze Reihe gewerblicher 
Vorschriften findet sich für die Wirte und das Weingesinde. 
Der Rat sorgt dafür, dass jeder Wein, der ausgeschenkt wird, 
verungeltet wtrd^ dass niemand den Wein venchlfechteH^ dass 
nicht zwei Weinleute im Interesse ihres Gewerbes eine Oe> 
Seilschaft bilden (§§ 37—40). Er bestraft den Weinrufer, 
der den Wirten das Weinausiufen verweigert oder dieses 
zu gleicher Zeit für zwei Wirte besorgt (§ 42 i^^)» Gewisse 
gewerbliche Vergehen der Fischer gehören vor das Rats- 
gericht (§ 43). Interessant, weil sie die Beziehungen der 
Burggrafenzünfte zum Ratsgericht erkennen lassen, sind die 
gewerblichen Vorschriften des Rates für die Zimmerleute 
und Maurer aus den Jahren 1307 und 1322.^2 Der Rat setzt 
für Zimmerleute und Maurer den Lohn in den einzelnen 
Jahreszeiten fest, verbietet ihnen, um den festgesetzten Preis 
einem Bürger die Arbeit zu verweigern. Ueber die Ver- 
letzung der Vorschrift richtet ausdrücklich Meister und Rat, 
während die „Hüter'' der Zimmerieute und Maurer die Kon- 
trole üben und zur Rüge an den Rat verpflichtet sind. LHc 
(jewerbegerichtsbarkeit tics Rates dehnte sich also auch auf 
die Zünfte, die unter dem Burggrateii eine besondere Stel- 
lung einnahmen, aus. 

Wir sehen, dass der Rat, seitdem er das Regiment in 
der Stadt führte, seine richterliche (jcwalt über die wich- 
tigeren gewerblichen Vergehen nicht aus der Hand i^egeben 
hat Wenn eine Qewerbegerichtsbarkeit in den Händen 
mancher Zünfte ruht, nach den erhaltenen Bestimmungen des 
Rates ist sie doch auf ein nicht allzugrosses Mass beschränkt 

70. ebenda, V. Starltrecht § la 

71. § 51. 

72. ebenda, § 20 und VI. Stadtrecht (1822) § 4d9 a-f. 



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Auch noch nach anderen Seiten müssen wjr dort, vvo* 
den Zünften eine riphterliche. Gewalt zugekommen ist, eine 
Grenze ziehen. Die Handwerker, soweit sie Zünften ange« 
hörten, wurden in diesen Verbänden vom .Rat zu städtischen 
Diensfleistungen militärischer und steuerähnlicher Natur 
herangezogen^' Den Zünften stand aber keinerlei richteF-^ 
liehe Gewalt zu im Falle, dass ein Zunftgenosse seinen 
Pflichten nicht nachkam. Vielmehr zog dieses Vergehen der 
Rat vor sein Gericht und gab den Handwerksvorstehem nur 
eine Kontrole und Rügepflicht über diese Dienstleistungen 
in die Hand. 

Indessen hat sich der städtische Zoller gewisse Rechte 
der Zollverwaltung vor Eingriffen des Rates sicherzustellen 
gewusst, die sich besonders in einer Zoll Verwaltungsgerichts- 
barkeit äussern, vor allL*m über die Korn- und Salzmasse/* 
Die gewerbliche Gerichtsbarkeit über die Zunft der Salz- 
mutter befindet sich ganz in seiner Hand. Die Salzmütter 
selbst üben eine Oewerbepolizei aus, im Auftrag des Zoliers 
halten sie eine Schau ab über die Aichung der Masse, üben 
Kontrole über unreellen Verkauf der Salzsorten, das jMischen 
der Salze, den Handel Unzünftiger mit Salz.?^ Es besteht 
für sie eine Rügepflicht an den Zoller. Weim der Zoller 
zu Gericht sitzt, „daz daz antwerg von saltzes wegen angat",. 
so haben die Salzmütter auf sein Verlangen Urteil zu. 
sprechen. 

Zur Vervollständigung des Bildes von der Zunftgerichts- 
barkeit in Strassburg in der uns bescliäftigenden Periode 
sind wir. da die Quellen vor 1332 versagen, auf die Nach- 
richten der Folge/eit angewiesen. Hier taucht nun aber 
gleich die Frage auf: ist nicht infolge des Umsturzes der 



78. SÜB IVo, VI. Stadtrecht (1322) § 22 c 

74. SUß Zollerrecht S. 222. 

76. ebenda, S. 229 (Mitte des 14. Jahrhunderts). 



— 44 — 



bisherigen Verfassung durcli die Zünfte im Jahr 1332 und 
der nunmehr aufgerichteten Zunfiherrschaft eine Erweiterung 
der zunftierlschen Autonomie überhaupt, daher auch der ge- 
richtlichen Kompetenzen der Zünfte eingetreten, so dass wir 
aus den Nachrichten der nun folgenden Periode gar keine 
Ansicht von den früheren Verhältnissen gewinnen können? 
Diese f^rage ist von Schmoller bejaht worden,^** und Fromm 
hat sich der Ansicht Schmollers angeschlossen.?« Nach ihnen 
weist die der Verfassungsänderung von 1332 folgende Periode 
einen hohen Stand zfinftlerischer Autonomie auf. Die Zün<te 
erhöhten die Eintrittsgelder selbständig, machten Schulden, 
erhoben Steuern, erliessen besonders aber selbständig Ord- 
nungen gegen Ende des 14. Jahrh. und handhabten die Gewerbe 
polizei, wie es ihnen passte. Diese Emanzipation der Zünfte 
von der städtischen Obrigkeit soll sich auch darin zeigen, 
dass nunmehr der Einfluss des Städtemeisters sank und sein 
Gericht umgangen wurde, die Macht des Ammanmeisters — 
wir kommen auf ihn später zurück — , der infolge seiner 
jetzt gänzlich veränderten Amtsstellung ein Hort der Zünfte 
war, dadurch stieg, dass die Zünfte sich zur Bestätigung ihrer 
Ordnungen an ihn wandten. Dadurch mochte ein Missbrauch 
der Gewerbegesetzgebung im Interesse der Zünfte leicht 
bedingt sein."** Diese (grosse Autonomie begann in den 
dreissiger Jahren des 15. Jahrhunderts, nach Fromm schon 
in den sieben/iger Jahren des 14. Jahrhunderts durch die 
uicder mit grosser Liirt^ic autLiciioinmene Gewerbegesetz- 
gebung des Rates beseitigt /u werden. 

niese Entwicklung der Autonomie der Zünfte wollen 
wir an den Quellen prüfen. 

Wir betrachten zunächst die von Schmoller selbst nicht, 
aber von Fromm für seine Ansicht angeführten Fischerord- 

16. SchoioUer, Zunltkdmpfe B. 40 ff. 
77. a. a. O. S. 20 ff. 

7U. vgl. die ausiQhrliehe Darstellung bei SchmoUer, ebenda 
■B. 40 ff und „Str. Tudier* und Weberzft.", S. 40O. 



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niingen aus dem 14. Jahrhundert, eine ( lesamtaufzeichnung" 
der Vorschriften, die die Fischer ,,in oftencfii (»edinge" be- 
schlossen haben und hahen wollen.'''' Die Bestimmungen 
betreffen die das gewerbliche Leben verlet/enticn Vergehen 
bis ins Einzelne und enthalten wahrscheinlich ein gutes Stück 
Gewohnheitsrecht. Ein gewisser Fortschritt ist freilich darin 
zu erkennen, dass die Ordnung durch die Beschlüsse der 
Zunftversammhing zu stände kam, ohne vom Rat ihre Be- 
stätigung zu finden. Aber was den Inhalt dieser Aufzeich- 
nung betrifft, so ist doch möglich, dass die hier genannten 
Bestimmungen schon längst praktisch gehandhabt wurden. 
Dass die Gewerbegerichtsbarkeit dieser Zunft sich erst mit 
Anbruch der Zunftherrschaft entfaltet habe, kann man ohne 
weiteres nicht annehmen. 

Wie aber aus andern Berichten hervorgeht, war die- 
Autonomie der Fischer überhaupt nicht so bedeutend, dass- 
diese Zunft als typisches Beispiel einer hochentwickelten 
' Autonomie angeführt werden könnte. 

Es ist bemerkt worden, dass das Fischermeistertum seit 
iruhcn Zeiten als Lehen vergeben war. Dieser Zustand be- 
gegnet uns unverändert noch im Jahr 1390. In diesem Jahr 
belehnte Hannemann von Schönau, ein Edelknecht, den Wil- 
helm von Mülnheim mit dem Fischermeistertum und dem 
Fischergericht und mit allen Rechten und Gefällen, die an 
diesen Besitz ,,von alters her" geknüpft waren. In dem 
Belehnten sahen die Fischer ihren „Obermeister**, der ent- 
weder selbst seine Rechte geltend machte und die Gefälle 
einnahm oder damit einen „unteren" Fischermeister betraute. 
In des Obermeisters Hof wurde Recht gesprochen, wobei 
wahrscheinlich der Obermeister den Vorsitz führte, und Ver-- 
Sammlungen abgehalten. Der Obermeister empfing den 



79. Brucker, a. a. O. S. l66 ff. 

80. ßrucker, a. a. O. S. 199 ff. 



— 46 — 



grössten Teil der Gebühren für Erteilun^^ des Zunftrechts.^i 
Wer das Zunftreclit neu gewann oder wer es auf das Urteil 
der Geschworenen hin verlor, hatte es bei dem Übermeister 
zu fordern. Die Gefälle aus dein Zunftgericht gehörten dem 
Obermeister zu, doch ist nicht klar zu ersehen, ob sie ihm 
alle zufielen.^^ 

Aus dem Gesagten ergibt sich ein nicht allzu günstiges 
Bild von der Selbständigkeit der Fischer/unft. 

Nun haben auch noch andere Zünfte selbständig Ord- 
nungen erlnssen, die man für die Schniollersche Auffassung 
anführen konnte, so die Weinrufer und Weinmesser im Jahr 
1355.^'' Allein die Artikel dieser Ordnung entrollen keines- 
wegs das Bild einer Autonomie von weittragender Bedeutung. 

Schnioller führt nun hauptsächlich die Urkunden derTextÜ- 
gewerbe für sich an. In den Jahren 1348, 1356, 1390 schlössen 
die Weber selbständige Verträge mit auswärtigen Ge- 
werben.^^ Dies sind jedoch nur vereinzelte Fälle. Oerade 
die bei Schmoller abgedruckten Weberurkunden zeigen doch 
auch wieder, dass solche selbständigen Handlungen in der 
vorliegenden Periode nicht jederzeit vorgenommen wurden. 
Denn es sind genug Urkunden vorhanden, aus denen die 
Beteiligung der stadtischen Behörden an den Geschäften 
der Zünfte deutlich zu ersehen ist.^^ 

Wenn nun Schmoller glaubt, dass die Autonomie der 
Weber vom Rat im 15. Jahrhundert wesentlich beschrankt 
wurde, so können wir gegen ihn anführen, dass sich auch 
später noch selbständige Verträge der Weber finden, so 
im Jahre 1465 ein Vertrag der Tucher- und Weberzunft mit 
•den Oerbern.^^ 



8t. ebenda 8. 200. 

82. ebenda. 

83. Brucker, a. a. 0. S. 519. 

84. Srhrnoller, Urkuiuieii n 4. 6, 15. 

85. « l.f^iHla n r, (1350), n 10 (1361), n 17 (1396) etc. 

86. ebenda n 34. 



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Es ist niui auch für Schmoller ein vvichtigfes Arg:ument, 
dass der Ammanmeister so oft die Instanz bildete, vor die 
die Gewerbe ihre Angelegenheiten brachten. Dies habe bei 
der Stellung dieses Beamten zu den Zünften leicht zu einem 
Missbrauch seiner Amtsgewalt und zur Begünstigung der 
Zünfte geführt. Die Zünfte hätten das Gericht des Stadte- 
meisters umgangen. — Gegen eine solche Annahme lassen 
sich jedoch Bedenken erheben. Erstens lässt sich ein Miss- 
bmuch der Amtsgewalt seitens des Ammanmeisters schwer- 
lich nachweisen. Zweitens wurde die Instanz von Meister 
und Rat keineswegs umgangen, ja in einigen Fällen über- 
wies der Rat sogar die Zünfte der Instanz des Amman- 
meisters, und dieser bestätigte Ordnungen und schlichtete 
Streitigkeiten im Namen des Rates. So war es der Fall, 
als die Tuchscherer im Jahre 1401 ihr Euitrittsgeld erhöhten, 
die Küfer im Jahre 1395 unter sich uneinig waren.^^ 

Der Einfluss des Rates auf die Gewerbegesetzgebung 
ruhte überhaupt nicht in der Zei^ von der Schmoller das 
Bild einer mächtig entwickelten Autonomie zeichnet 

Das beweist eine ganze Reihe von Zunftordnungen aus 
dieser Zeit. 

Die im Jahre 134Q für die Wirte aufL,re/eichneten Artikel 
sollten solange gelten, als der Rat nicht an ihnen etwas zu 
andern fand. Bei der Erwähnung der Oeldsammlungen 
dieser Zunft wird die Voraussetzung gemacht, dass solche 
nur mit Erlaubnis des Rates stattfinden.**** 

fm Jahre 134 bestätigte der Rat eine Ordnung für 
die Weinstecher und Unterkäufer fünf Jahre später 
schlichtete er einen Streit zwischen den Wirten einer- und 
den Weinrufern und Weinmessern andererseits, wobei er 



87. SchmoUer, Urkunden n 20 (1401); Bruoker, a. a. 0. 
8. 812 (1395). 

88. Bruoker, a. a. 0. S. 685. 

89. SUB V, n 819. 



— 48 — 



alle früheren Ordnungen dieser Zünfte beseitigte und ihnen 
neue Bestimmungen erteilte.^^ 

Die Tuchscherer erhielten vom Rat im Jahr 1362 eine 
Reihe Artikel.»^ 

Im Jahre 1377 Wessen sich die Schuster ihre Beschlüsse 
vom Rat bestätigen.^* 

Eine Schlichtung von Streitiglceiten der Schuster und 
Gerber durch den Rat liegt aus dem Jahr 1382,^3 eine Ent- 
scheidung über die Verlcaufsstände der Fischer aus dem 
Jahr 13849* vor. 

Die Kistner, Wagner und Drechsler Hessen im Jahr 
13Q8, nachdem sie bereits den Streit unter sich geschlichtet 
hatten, sich ihren neu zu stände gekommenen Vertrag vom 
Rat bestätigen.^*^ 

Aus diesen Beispielen geht hervor, einen wie grossen 
Anteil der Rat an der Gewerbegesetzgebung hatte! 

Wäre Schmollers Anschauung richtig, so m issten auch 
die dem Burggrafen untergeordneten Zünfte den mächtigen 
Aufschwung der Zünfte mitgemacht haben. In Wahrheit ist 
es aber zu einer grösseren Entfaltung der Autonomie dieser 
Zünfte nicht gekommen. Ihre Abhängigkeit in gewissen 
Punkten vom Burggrafen ist in der Folgezeit bestehen ge- 
blieben. Der Burggraf behielt das Recht, die Meister der 
ihm untergeordneten Zünfte einzusetzen; /um Teil hatten 
die Zünfte nicht einmal das Recht, dem Burggrafen den 



90. ebenda n 503. 

91. Schmoller, L"^rkund6n n 11. 

92. Süß V. n 1302. 

93. SUB VI, n 116. 

94. ebenda n 1G5. 

95. SUB VI, II 1426. 



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- 49 - 

Meister vorzuschlagen.?^ Die Küfer brachten es erst im Jahre 

1385 dazu.»? 

Wie angesehen die Stellung des Burggrafen den Zünften 
gegenüber, war, ist vor allem aus den Einnahmen und Ab- 
gaben zu ersehen, di« ihm von selten der Zünfte zuflössen. 
In den Aufzeichnungen .des Burggraf enrechts»^ lesen wir, 
dass der Buiggraf von fast allen diesen Zünften einen Teil 
der Gebühren für Erteilung des .Ziuiftrechts an neue Mit- 
glieder empfing. Bei Küfern und Schwertfegern erhielt er 
sogar den Löwenanteil^^ Die Mehrzahl der Zünfte leistete 
ferner zu bestimmten Zeiten des Jahres Abgaben, meist in 
Geld, an den Burggrafen. Besonders interessant sind Pflicht- 
leistungen von Küfern und Fassziehem. für den Burggrafen. 
Die Küfer mussten nach einer Ordnung des Jahres 1385^^ 
zwischen den beiden Messen (15. August bis. 8. September) 
alte und neue Fässer, deren er für die Weinernte bedurfte, 
dem Burggrafen binden, wobei der Burggraf das Material 
lieferte und die Küfer mit Essen und Trinken versah. 
Aehnliche Pflichten haben sich bei der i asszieherzunft er- 
halten. Die Fasszieher waren angewiesen, in der Zeit vom 
26. September bis zum 21. Dezember dem Bischof selbst und 
dem Burggrafen den Wein auf- und abzuladen. 

An diesen Abgaben und Leistungen erkennen wir deut- 
lich, dass diese Zünfte in ihrer Autonomie noch keine be- 
sonderen Fortschritte gemacht haben. 



9G. SUB Burggrafenrecht S. 203 ff (Mitte dos 14. Jahr- 
hunderts). 

97. Süß VI, n 256. 

98. SUB IV«, S. 208ff. 

99. ebenda S. 206, 218. 

100. SUB VI) n 256; auch in SUB IV^^S. 208 (Mitte des 
Ii.' Jahrhunderts^. 

101. Tgl. dazu L Stadtrecht (Kentgen, a. a. 0.) § 118. 

102. SUB IV», S. 215 (Burggrafenreoht). 



- 50 - 



Auch im Gerichts- und Polizeiwesen der Zünfte zeigen 
sich die Reste der Amtsgewalt des Burggrafen noch in der 
Zeit der Zunftherrschaft. Was die Gewerbepolizei betrifft, 
so war 'der Burggraf oder dessen Bote hauptsächlich dann an 
ihr beteiligt, wenn <lie Zünfte gegen die ein Handwerk uner- 
laubter Weise ausübenden Unzünftigen vorgingen.^^^ Ent- 
weder schritt dann der Burggraf selbst ein oder es geschah 
dies durch die Zunftvorsteher im Verein mit dem Boten des 
Burggrafen. Bei den Oelleuten fielen die konfiszierten 
Waren zur Hälfte an den Burggrafen, bei den Käfern 
tdlten sich Zunft und Burggraf in die Waren und das Hand- 
werkzeug, bei den Schwertfegern i*'® empfing der Burggraf 
•das Ganze zu seiner freien Verfügung. 

Bei einzelnen Zünften war dem Burggrafen ein Teil der 
Oerichtsbussen gesichert. Um Fälle herauszugreifen, so er- 
hielt er von den Oelhändlem die Hälfte der Busse, die ein 
Unzünftiger wegen unerlaubten Betriebs des Handwerks zu 
zahlen hatte,i<>7 bei den Müllem und Schustern ^^^^ hatte 
-er einen Anteil an bestimmten Bussgeldern. 

Natürlich fiel dem Burggrafen immer dann ein Teil der 
Bussen zu, wenn er selbst zu Gericht sass.ii<> 

Wir gelangen zu dem Eigebnis, dass eine Entwiddung 
der Burggrafenzünfte im Sinne Schmollers im Lauf des 14. 
Jahrhunderts nicht stattgefunden hat. Am Ende des 14. Jahr- 
hunderts war die Stellung dieser Zünfte wesentlich dieselbe, 
wie früher. Infolge des Einflusses, den der Burggraf auf 

l06. ebenda paasim. 

104. ebenda S. 208. 

105. a 206. 

106. S. 214. 

107. S. 203. 

108. S. 207;8. 

109. 8. 204. 

110. S 204 (Schuster- und aerberrecht); S. 21d (Meier- uod 

Sattienecht). 




— 51 — 



ihr gewerbliches Leben hatte,ii^ machte die Autonomie der 
ZJSokiit keine Fortschritte. 

Die Schmollersche Auffassung ist nun in etwas einschrän- 
kender Weise auch von Fromm vorgetragen worden. Auch 
naLli ihm ist der Stand der /ünftlerischen Autonomie in der 
ersten Zeit der Zunftherrschaft ein ziemlich hoher gewesen. 
Ihr Rückgang erfolgte aber schon seit den sechziger Jahren 
des 14. Jahrhunderts. Fronmi zeigt indirekt an den seit 
dieser Zeit vom Rat erlassenen Ordnungen, dass früher eine 
grosse Autonomie der Zünfte vorhanden gewesen sei, die 
mit diesen Ordnungen nun beseitigt wurde. 

Gegen die Beweisführung Fromms lassen sich aber eben- 
falls, wie ich glaube, Bedenken erheben, zunächst dieselben, 
wie gegen Schmoller. 

Schon aus den von uns gewonnenen Resultaten geht her- 
vor, dass es sich in den von Fromm angeführten Ordnungen 
nicht lim die Beseitigung einer grossen Autonomie handeln 
kann. Wir wollen aber aus diesen Ordnungen selbst fest- 
stellen, ob in ihnen eine reaktionäre Gewerbegesetzgebung 
des Rates vorliegt und ob man aus ihnen auf einen hohen 
Stand der Autonomie früherer Zeiten schliessen kann. 

Für die Weber wird im Jahr 1361 verordnet,^^^ dass sie 
nur vor dem Städtemeister ihr Gewerbegericht haben sollten. 
Es wird ihnen zugleich wieder in Erinnerung gebracht, dass 
dem Städtemeister ein Anteil an den Bussgeldern gebühre. 
Der Zunft werden die Bussgelder, die bisher die Geschwo- 
renen eingenommen hatten, wieder gesichert. Die Busigelder 
werden in ihrer Höhe herabgesetzt Nach Fromm wird in 



111. In einer EOierordnung (1395) wird besULtigt: auch irt 

zu wiszende, da8 eime jeglichen burggraven alle sine rehte 
behalten sollent ein, als sie von alten siten gewesen eint (Bnioker, 
a. a. O. S. 820). 

112. a. a. 0. S. 21 fF. 

118. SohmoUer, Urkunden n 9. 



- ä2 - 



dieser Urkunde die Aut()iu)niio der Weber sehr stark be- 
schnitten. Allein es handeh sicli hier eij^entHch doch nur um 
die Beseitis^ung einiger l 'ebergi iffe, die sich die Weher hatten 
zu Schulden kommen lassen. Die eigentliche Autonomie der 
Weber bleibt unangetastet. 

Ein allzugrosses Mass der SelbstäiidiL^keit hat man übri- 
gens vor 1361 den Webern nicht eingeräumt, im Jahr 1350 
wird z. B. für sie bestimmt, dass sie selbständige Aenderungen 
an ihren Ordnungen nicht vornehmen sollen; dies soll nur 
vor dem Ammanmeister geschehen."^ 

Im Jahre 1370 vernichtet der Rat nach Fromm die Auto- 
nomie der Bäckerzunft.^i^ Allein auch hier ist es dem Rat 
wohl nur um die Beseitigung einiger Missbräuche zu tun ge- 
wesen. Nirgends ist die Rede von einer Zunftgerichtsbarkeit, 
die jetzt beseitigt wurde. Die Bäcker haben wahrscheinlich 
eine solche gar nie besessen, da sie nirgends erwähnt wird. 
Es wird ihnen nur verboten, daz sie abelossent alle die setze 
und gebot, die sie under in gemäht habent, die do wider 
unser stat oder die gemeinde sint . . . besunder .... die do 
sint wider die vorgeschriben stucke. 

Uebergriffe dieser Art scheinen übrigens auch vor 1332 
öfters vorgekommen zu sein; mussten doch die Zünfte, wie 
wir im fünften Stadtrecht lesen, jährlich schwören, keine neuen 
Satzungen ohne Erlaubnis des Rates aufsteilen zu. wollen 
und auch keine aufgestellt zu haben !^** 

Besondere Verhältnisse lagen, wie wir schon sahen, bei 
der Kürschnerzunft vor. Deshalb darf die Ordnung von 
136811'' nicht für die allgemeine Entwicklung der Strass- 
burger Zünfte verwertet werden, wie Fromm es tut. Die 
Ordnung zeigt keinen bedeutenden Einfluss der Kürschner 



114. Schmoller, Urkunden n 5. 

115. ßrucker, a. a. 0. S. 8(J fT. 

IIG. SUB IV2, V, Stadtrecht 'vor 1311) § 63. 
117. Brucker, a. a. O. S. 322 ff. 



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— 53 — 



selbst auf die Angelegenheiten ihrer Ziinft — die Leitung 
liegt ganz in den Händen der Zwölfer — ; sie enthält aber 
durchaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Verhältnisse 
früher oder wenigstens unmittelbar vorher günstiger für die 
Kürschner lagen. 

Fromm führt weiterhin die Metzgerordnungen aus dem 
14. und 15. Jahrhundert an. Wir entnehmen ihnen, dass 
über die wichtigeren gewerblichen Vergehen der Metzger, 
besonders die das Publikum schädigten, Meister und Rat 
richteten.^1^ Das war nichts Neues. Denn auch früher schon 
zog der Rat, wie aus dem fünften Stadtrecht hervorgeht, 
wichtigere Vergehen der Metzger vor sein Ocricht.i*® Ein 
Rückgang in den Kompetenzen der Zunft darf deshalb, be- 
sonders auch da nichts über die früheren Verhältnisse der 
Metzger überliefert ist, nicht ohne weiteres konstatiert 
werden. 

Im 13. Jahrhundert überliess der Rat seine Gerichtsbar- 
keit über die Metzger einer Behörde, die sich aus drei Räten 
oder Schötfeln oder Einundzvvanzigern, den sogenannten Hoch- 
meistern, und zwei Metzgern zusammensetzte. i'-^ Im Jahr 
1483 hielten nur zwei Hochmeister vici tcljährlich vor dem 
Rat ein Gewerbegericht ab.^-- Später wurde letzteres dann 
auf die Zunftstube der Metzger verlegt.^-^ Urteiler im Ge- 
richt waren vierundzwanzig, Geschworene der Metzger- 
zunft. ' ' 

Die Strafgefälle fielen nicht zum grösseren Teil an den 
Rat Im Jahr 1435 erhielt die Zunft die Bussen von 10 lib. 



118. Brucker, a. a. 0. S. 844 ff. 

119. ebenda S. 344. 

120. SUß IV«, V. Stadtrecht § 18 (vor 1311). 

121. ßrucker, a. a. O. S. 353 (1435). 

122. ebenda 8. 354. 

123. S. 366. 

124. S. 366. 



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— 54 — 



und darunter allein, die Bussen über 10 üb. fielen zur Hälfte 
an den Rat.i-s 

Ihre Tätigkeit im eigenen Zunftgericht hat die Metzger- 
zunft keineswegs eingebüsst. Denn es wurde den Metzgern 
ausdrücklich zugesichert, dass sie' „nach Gewohnheit und 
altem Herkommen'' unter sich Gericht halten könnten, so oft 
sie wollten.**^ 

Auch in der im Jahr 1438 den Maurern gegebenen Ord- 
nung erkennt man nirgends die Absicht, eine etwa vor- 
handene grosse Autonomie beschranken zu wollen. D!e Ge- 
werbegerichtsbarkelt, das Finanzwesen der Zunft blieben un- 
angetastet 

So erkennen wir an der Natur des. überlieferten Materials 
im Widerspruch zu Fromm, dass eine Entfaltung der Zunft- 
gerechtsamc im grossen Stile ^ar nie eingetreten ist, dass 
auch keine Tendenz der städtischen Behörde früher oder 
später bemerkbar w ird, den Zünften ihre Selbständigkeit zu 
nehmen. Diese Tendenz, die Macht der Zünfte /u begrenzen, 
hätte sich doch gerade dann gezeigt, wenn neu begrimdete 
Zünfte vom Rat ihr Reciit erhielten. Die Zunft der l uch- 
scherer bestand erst seit und in diesem Jahr erhielt 

sie eine Ordnung.i-^" Hier hätte der Rat Ja seine Be- 
schränkungspolitik zur Anwendung bringen können. Er 
räumte aber der Zunft eine auch auf gewerbliche Vergehen 
sich erstreckende Gerichtsbarkeit und ein eigenes Finanz- 
wesen ein. 

Wenn, wie hier nicht, weiter verfolgt werden kann, eine 
Gewerbegesetzgebung des Rates in grosserem Stile im 15. 

* i * ■ 

125. S. 352. 

126. S. 353 (1435); S. 8^7 (16. Jahrhundert). 

127. ebenda S. 389 f. 

128. S. 340. 

129. Glosener, a. a. 0. S. I4l. 

130. Schtn oller, Urkunden n 11. 



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Jahrhundert sich unseren Blicken cntroll*^, neue in enger 
Verbindung mit der städtischen Behörde stehende Zunft- 
behörden ins Leben traten, so sind diese Massnahmen nur 
zu verstehen im Zusamineiihanq; mit der nunmehr allge- 
meinen Einführung eines straff zentralisierten Beamten- 
wesens.131 

Indem wir nun quellenmässig festgestellt haben, dass 
kein wesentlicher Fortschritt der Autonomie der Zünfte in 
der Zeit der Zunfther rscbaft eingetreten ist» sind wir be- 
rechtigt, das uns zur Verfügung stehende Material aus 
späterer Zeit für eine Zeichnung der Umrisse der von den 
Zünften um die Zeit von 1332 besessenen Zunftgerichts- 
barkeit zu verwerten. 

Die Veigehen der Zunftgenossen, die man der Zunft- 
gerichtsbarkeit unterwarf, waren solche, die im Wider- 
spruch zu den allgemeinen Grundgedanken geschahen, in 
denen die Idee des Zunftwesens hauptsachlidi zum Ausdruck 
kam und durch die die Rechtsverfassung der Zünfte in ihren 
Grundlagen bestimmt wurde. 

Die Zunft wurde erstens betrachtet als ein Amt, das 
im allgemeinen Interesse, also vor allem im Interesse des 
Publikums bestand und verwaltet werden soUte.^^^ Sorge 
dafür, dass dies geschah, trugen nicht allein die Zünfte, 
sondern auch der Rat Hess sich den Teil des Qewerberechts, 



131. Im Zu8ammoiihang mit dieser neuen Gewerbegeeetz- 
gebuiic^ sind «lieh t>§ 375 ff des VI. Stadtrechts, ein Nachtrag 
aus dem 15. Jalirhundcrt, wahrscheinlich aus dem Jahr 1485 (die 
Artikel 57— 62 im sweiten Tucherbuch (Schmoller, ilrkunden n 28) 
im gleichen Wortlaut, wie §§ 375 ff, aus dem Jahr 1485 datiert) 
zu verstehen, in denen die Höhe der Einungs- und Stubenrechts- 
gelder generell festgesetzt wurde (8UB IVs« 8. 141). 

132. Vgl. Gierke, Das deutsche Qenossensehnftsreoht 1, 
^. 359 ff.; O. V. Below „Das ältere deutsche Städtewesen und 
Bürfrr rhira** in „Monographien zur Weltgeschichte" VI(l89e), 
S. 107 flf. 



— 56 — 



dem der oben ausgesprocliciic Oedankc zu Grunde la<^, ganz 
besonders angelegen sein, Rat und Zünfte teilten sich, was 
diesen Punkt betrifft, in die (icnchtsharkeit. Die Zünfte 
straften in den Gerichten ihre Genossen für schlechte, unsoüde 
Arbeit und hielten darauf, dass Klagen der Kunden über 
schlechte Arbeiten der Handwerker bei dem Zunftgericht 
angestrengt werden solften. Den Küfern, Schustern und 
Gerbern z. B. verhalf, im Fall, dass dies nicht geschah, der 
Burggraf zu ihrem Recht.^-'-^ 

Andere Vergehen behielt der Rat seinem Gericht vor. 
Im fünften Stadtrecht erliess er für die Zimmerleute und 
Maurer Preistaxen und verbot ihnen Arbeitsverweigerung zu 
bestimmten Zeiten.^** njer übten die „Hüter** der Zimmer- 
leute und Maurer nur eine Kontrole, der Rat richtete über die 
Verstösse gegen diese Bestimmungen. 

Ueberhaüpt scheint der Rat die Gerichtsbarkeit über die 
wichtigeren gewerblichen Vergehen, bei denen das Wohl 
fjes Publikums auf dem Spiele stand, zum Teil wenigstens 
immer in seiner Hand behalten zu haben. In diesem Sinn 
fassen wir wenigstens die gesamte, schon oben besprochene, 
in den Stadtrechten niiedergelegte Oewerbegesetzgebung auf. 

Der zweite Grundgedanke, den das Zunftwesen zum 
Ausdruck brachte, War der, dass die Handwerker eine Ge- 
meinschaft in ihrem eigenen Interesse bilden wollten, die 
nach aussen in dem Ausschluss der freien Konkurrenz einen 
Grundpfeiler ihres Rechtes besass, nach innen Gleichheit und 
Brüderlichkeit unter den Zunftgenossen herbeiführte.^^^ 

Die gerichtlichen Kompetenzen der Zünfte erstreckten 
sich nun hauptsächlich auf die Verordnungen, die unter diesen 
Gesichtspunkten entstanden, und wurden ein unverbrüch- 
licher Bestandteil ihrer Autonomie. 



133. Süß IV2, ßnregrafenrecht, S. 205, 208. 

134. SUB IV., V. Ötadtrecht § 20 (1307). 

135. ö. V. Beiow, a. a. 0. S. 1071. 



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Ueber die Ausiibung^ des Zunftzwanges, der die Aus- 
schliessung der freien Konkurrenz bedeutet, wachten die 
Zünfte eifrig. Sie richten über Unzünftige und zur Ausübung 
ihres Gewerbes nicht Befugte, die das betreffende Handwerlc 
treiben und ihre Produkte auf den Markt bringen, nactidem 
sie ihnen das Handwerkzeug und. die Produkte abgenom- 
men haben. 

Wir wissen dies bestimmt von den meisten der unier 
dem Burggrafen stehenden Zünfte, nämlich den Oelleuten, 
Schmieden, Zimmerleuten, Küfern, Sattlern, Schwertfegern 
und Becherem.136 Die Oelleute legten den Schuldigen noch 
eine Oerichtsbusse auf.^^^ In welcher Weise der Burggraf 
an dem Vorgehen der Zünfte gegen die Unzünftigen be- 
teiligt war, darüber haben wir schon an anderer Stelle Mit- 
teilungen gemachtis^ Was <las Verhalten der übrigen Zünfte 
betrifft gegenüber denen, die ein Handwerk unerlaubter 
Weise Übten, so wissen wir Näheres nur von der Fischer- 
zunft: deren Meister ging gegen die Schuldigen vor und kon- 
fiszierte ihr Schiff und sonstiges Handwerkszeug.^39 wir 
dürfen wohl annehmen, dass auch die übrigen Zünfte in 
ihnlicher Weise, wie die genannten, zu unerlaubter, ur- 
zünftiger Arbeit Stellung nahmen. 

Die Zunftj^^erichtsbarkeit erstreckte sich weiterhin auf 
die Verletzunij: l^cw cr hiicher Vorschriften, durch die ein 
Zunftgciiossc den andern schädigte. Die Klat^eii der Ge- 
nossen untereinander mussten vor das Zunftgericht gebracht 
werden ; es war verboten, dafür ein anderes Gericht auf- 
zusuchen. Durch Entscheidung des Rates gelangten im 
15. Jahrhundert die Klagen der Knechte gegen ihre Meister 



186. 8UB IV„ Burggrafenrecht S. 20Sff. 

137. ebendd S. 208 

138. s. üben 8. 76. 

139. Bri.ckcr, a. a. 0. R. 166 (14. Jahrhundert). 

140. Brucker, a. a. 0. S. 816 (1395) Beoht der Küfer. 



— 58 — 

und gegeneinander, soweit sie nicht wegen ihrer Wichtigkeit 
vor den Rat oder andere Cierichte gehörten, allgemein vor die 
Instanz der Zunftgerichte.> >^ Bei den Webern war dies aber 
schon längst gebräuchlich.^^^ 

Das Prinzip der Gleichheit wurde verletzt« wenn der 
Zunftgenosse das ganze Handweric schädigte. Die Oleich- 
heit innerhalb der Zunft bestand hauptsächlich darin, dass 
alle Zunftgenossen unter gleichen Produktionsbedingungen 
arbeiteten. Dadurch wurde dem EhrL;ei/ und der wirtschaft- 
lichen Üeberhebung einzelner :iui Kosten ihrer Mitgenossen 
eine Grenze gezogen und ein wirtschaftlich auf sicherer 
Grundlage beruhender Mittelstand begründet. 

In mannigfacher Weise konnte dem Prinzip der Gleich- 
heit zuwidergehandelt werden. 

Die BescbFänkung der einzelnen gewerblichen Betriebe 
zum Wohl der Gesamtheit äusserte sich bei den Fischern 
in der Bestimmung, dass jeder Fischer mir einen Stand haben 
sollte. Besass er etwa zwei und wollte ein anderer einen 
Stand kaufen, so musste jener ihm diesen fiberlassen. 
Das Zunftgericht bestrafte jeden Bruch dieser Bestimmung.^ 

Die Kufer belangten die Zunftbruder, die bei Nacht oder 
zwischen Mittwoch vor Gründonnerstag und St Michaelstag 
bei Licht arbeiteten.!^ Ebenso verfiel dem Gerichte dieser 
Zunft, wer einem Zunftbruder Gesellen abwendig machte, 
was bei besonders tüchtigen Gesellen wohl öfters der Fall 
sein mochte.!** 

Es war verboten, für den Schuldner eines Zunftgenossen 
zu arbeiten, solange jener seine Schulden diesem nicht be- 



141. SÜB IV„ VI. Stadtrecht § 461 (15. Jahrhundert). 

142. Schmoller, Urkunden n 17 (1395). 

143. Brucker, a. a. 0. S. 167 (14. Jahrhundert). 

144. ebenda S. 318 (1395). 
146. ebenda S. 319 (1895). 



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zahlt hatte. Das Zunftgericht der Schmiede, Schuster und 
Gerber richtete über die Uebertretung dieser Bestimmung.^^^ 
Die Zahl der Qesellen und Lehrlinge eines Meisters 
war beitchrankt. Meistens durfte der Meister nur einen Qe- 
sellen und einen Lehrjungen haben. CKe Sdiwertfeger be- 
straften die Zunftmitglieder, die sich nidit nach dieser Be- 
stimmung richteten und ohne besondere Erlaubnis des Burg- 
grafen oder der Zunft mehrere Knechte in ihren Dienst 
nahmen.^^^ 

Schon früher mag das Zunftgericht zuständig gewesen 
sein für die Verletzung a'ler Vorschriften, die das Betragen 
der Zunftgenossen, besonders auf den Zunftstuben, regelten. 
Ausführliche Verordnungen, wie. z. B. die Stubenordnung 
der Schuster von 1360,1'"^ berühren Exzesse aller Art von 
nicht allzugrosser Bedeutung, die vom Zunftgericht geahndet 
wurden. Die Oelhändler richteten über jeden ,,span under 
dem antwerke one slahen und stossen.''^^^ 



§ 3. Innere Organisation der Zünfte. 

Was die Glicdcning der Zünfte betrifft, so unterscheiden 
wir folgende Personenklassen: die im Dienst der Meister 
stehenden Knechte, die eigentlichen Zunftgenossen, schliess- 
lich die im Auftrag der Zunft ein zu ihr gehöriges Amt ver- 
waltenden Zunftgenossen. 

Schon bei der ersten Erwähnung von Handwcrksknech- 
ten in der Mitte des 14. Jahrhunderts werden Lohrknechte, 
die das Handwerk lernten, und Lohnknechte, die die Lehr- 
zeit bereits hinter sich hatten, aber noch nicht selbständige 

146. 8ÜB IVs, fiurggrafenrecht, S. 204, 207. 

147. ebenda, S. 214. 

148. Keutgen, ürkunden n 304. 

149. 8UB IV2, Barggrafenrecht S. 208. 



I 



— eo — 

Meister waren, unterschieden. ^ Wie lange diese Scheidung 
schon offiziell bestand, iässt sich nicht feststellen. 

Bereits der Lehrknecht hatte bei seinem Eintritt in seines 
Meisters Lehre einen Schwur zu leisten, wie wir von den 
Webern wissen und wie es wohl allgemein der Fall war, ! 
wahrscheinlich, dass er die Lehrzeit bei der betreffenden 
Zunft aushalten woUe.^ 

Ein Weber brachte seinen neuen Lehr}ungen innerhalb 
der ersten acht Tage vor die Geschworenen der Zunft und ! 
dingte ihn dort und entriditete für ihn Weinkauf und Wachs.^ | 

Auch Abgaben entrichtete bereits der Lehrknecht bei j 
einigen Zünften. Den Tuchscherern hatte der neue Lehr- 
junge 10 sol. und ein Pfund Wachs zu geben;' bei den i 
Schustern und Gerbern empfin^r sogar der Burggraf 4 bezw. 3 ; 
Denare von dem Lehrknechte mul dazu noch jäliilich zu St. 
Martinsnacht am 10. November von den Oerberlehrknechten 
6 Denare.'' 

Wer zu einem Küfer in die Lehre trat, hatte diesem vier 
Bürgen zu steilen, die mit 1 Pfund Denaren für den Jungen 
bürgten. Entlief dieser seinem Meister, so hielt der Meister 
sich an den vier Bürgen schadlos.*» j 

Die Zahl der Lehrknechte war eine beschränkte. In I 
unseren Angaben begegnen wir nur dem Fall, dass der 1 
Meister einen Lehrknecht halten durfte.? Von der Schwert- ! 

I 

i 

1. SUB IVj, Burggrafenrecht S. 204,215 bei Schustern und 
Gerbern und Viei Schwertfegern. In eiiior Srhiieiderordnung 
werden die Lclirkneclite Lehrknabeii genannt (Bruoker a. a. 0. 
S. 441, 15. Jahrliundert). 

2. Schmoller, ürk. n 12 (1363). 

3. ebenda, u 15 (id^O). 

4. ebenda, n 11 (IBGI). 

5. SUB IVs, S. 204 (Burggrafenrecht). 

6. Brucker, a. a. 0. S. 316-17 (1395X 



fegerzunft erfahren wir, dass mit besonderer Erlaubnis des 
Bur^ruiaten oder der Zuntt ein Meister auch mehrere L-^ihr- 
jungcn halten durfte.^ 

Der Lehrjunge machte seine Lehrzeit in der Regel nur 
bei einem Meister durch, ^ Diese war freilich bei den ein- 
zelnen Gewerben von sehr verschiedener Dauer. Zwei Jahre 
mindestens niusste das Tuchschererhandwerk gelernt wer- 
den, i*' die Schwertfeger verlangten vier Jahre/* die Küfer 
sechs Jalire Lehrzeit. 

Gew erbliche Vergehen der Lclirknechte, besonders gegen 
ihre Meister, gehörten zum gewissen Teil vor das Zunft- 
gericht.'-' Häufig wird in den Urkunden das Entlaufen der 
Lehrjungen erwähnt Die Weber verboten die Aufnahme 
eines entlaufenen Lehrjungen und mieden diesen, bis er 
sich mit seinem Meister versöhnt und dem Gericht eine Busse 
gezahlt hatte, in die sich der Meister und die Lohnknechte der 
Weber teilten.^^ 

Nach Beendigung der Lehrzeit wurde der Lehrjunge, 
wenn er nicht gleich selbständig wurde,i<< Oeselle und Hess 
sich von einem Meister dingen. In den Urkunden begegnet 
fijr Geselle durchweg der Ausdruck Knecht oder Lohnknecht. 



7. 2. B. SüBlVo, Burggrafenrecht, S. 215. 

Schmollor, Urk, n 12 (I363j (Weher); Brucker, a. a. 0 
8. S40 (1438) (Maurer). 

8. SUB IV2, S. 116. 

9. Bmcker, a. a. O. S. 817 (1896) (Eofer). 

10. Schmoller, Urk. n 11 (1862). 

11. SUB IV,, Burggrafenrecht S. 216. 

12. ßrucker, a. a. 0. S. 816 (1395). 

13. Sicherlich wohl nicht alle; kleinere Vergehen wurden 
vielleicht kraft eines häuslichen Zuchtrechts des Meisters erledigt 

14. z. B. Schmoller, Urk. n 12 U863j (Weber); Bracker^ 
a. a. 0. S. 317 (1:595) (Küfer). . . 

15. Schmoller, Urk. n 12 (1363). 

16. Dass er dies konnte, zeigt das Schwertfegerrecht| 
(büß IVa, S. 215), 4. Jahrhundert). 



* 



— 62 — 

Nur bei den Küfern ist einmal die Rede von dem ,.wergman** 
des Meisters. 1' Bereits bei der ersten Erwähnung von 
Knechten überhaupt werden üeseilen und Lehrlinge unter- 
schieden. Seit wann diese Scheidung bestand, lässt sich nicht 
feststellen. Aus einer Webei Urkunde von 1395 ersehen wir, 
dass es in der Weberzunft üeseilen gab, die bereits ver- 
heiratet vvaren.^* 

Auch die Zahl der Gesellen eines Meisters war gemäss 
der Wirtschaftspolitik der mittelalterlichen Zünfte eine sehr 
beschränkte. Gewöhnlich durfte nur ein Geselle gehalten 
werden.*^ 

Die Lohnknechte haben, gleichwie die Lehrjungen, bei 
dem Antritt iiires Dienstes bei einzelnen Zünften Abgaben 
entriciitet. Die Lohnknechte der Schuster und Gerber gaben 
dem Burggrafen einen Denar, die Gerberlohnknechte hatten 
dazu noch zu St. Martinsnacht an den Burggrafen 8 Denare 
zu iiefern.20 

Die Dingzeit dauerte in der Regel nicht lange. Die 
Wagner, Kistner und Drechsler dingten nur bis Weihnachten.^i 
Bei den Schneidern waren St. Stephanstag zu Weihnachten 
und St. Johannistag die Zeiten für den Antritt einer neuen 
Stelle.22 

Die Klagsachen der Knechte unter einander oder mit 
ihren JMeistern fanden wenigstens in späterer Zeit ihre Er- 
ledigung vor den Zunftgerichten. Der Rat bestimmte dies 
im 15. Jahrhundert für alle Zünfte in einer eigenen Knechte- 

17. Bru( ker, a. a. 0. S. 319 (1395). 

18. Schmoller, Urk. n 13. 

19. z. B. SUB IVa, Burggrafenrecht S. 215 (Sohwertfeger- 
reclit). 

20. ebouda S. 204. 

21. SUß VI, n 1426 (1391). 

22. Bnicker, a. tu 0. 8. 444 ^15. Jahrhundert). 



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Ordnung.*^ Wahrscheinlich waren die Zünfte zum Teil wenig- 
stens auch schon früher für diese Sachen kompetent.-* Die 
obi^e F-ntschciduiig des Rates kam damals deshalb zu stände, 
weil diese Streitigkeiten öfters vor einem Gericht überhaupt 
nicht zum Austrag kamen, indem die Knechte selbständig 
ohne Gericht gea^en ihre Meister und Genossen vorgingen. 
Denn in der iintscheidung heisst es: es sollent ouch die 
antwerckknechte hynnanfurder me den meistern irs antwercks 
keinen knecht verbieten umb keinerley sache noch keinen 
knechte me vertrincken; dan hat kein knechte mit keinem 
sinem meister oder meisterschafft oder andern knechten utzit 
ze tun oder ze schaffen oder su utzit anzesprechen, das sol 
er usstragen vor der meisterschafft sines antwerckes und 
nieiig^ent anderswo. 

Besondere Regelung fand das Verhältnis der Meister 
zu den Knechten, die sich in ihrem Dienst Nadilässigkeiten 
zu Schulden kommen Hessen. Der Müssiggang verursachte 
bei einem Schusterknecht den Verlust von «inem Schilling 
taglich» den der Meister ihm vom Lohne abziehen musste.'^ 
Entlief der Schustergeselle seinem Meister, so war ihm die 
Ausübung des Handwerks verboten, so lange er nicht sich 
mit dem Meister verständigt und. dem Zun%ericht fünf 
Schillinge zur Strafe entrichtet hatte.^« 

Die Löhnung scheint hauptsächlich Zeitlöhnung gewesen 
zu sein. Der Termin der Zahlung beruhte bei Wagnern, 
Kistnem und Drechslern auf freier Vereinbarung zwischen 
Meister und Knecht Die Meister dieser Zunft waren ver- 



28. BÜB IV,, VI. Stadtrecht 8 461 (Nachtrag aus dem 15. 
Jahrhundert). 

24. vgl. z. B. SUfi VI, n 1426 (1B98): Wagner-, Kistner^ 

und Drechslerordnung. 

26. SUB VI, n 368 (1387). 

2fi. ebenda und Brucker, a. a. O. S. 450 (1377). 

27. SUB VI, Q 1426 (139^). 



- 64 - 



pflichtet, in barem Geld und nicht mit pfänden" zu zahlen.23 
Die Oesellen der Zimmerleiite und Maurer erhielten Tage- 
lohn, dessen Höhe der Rat iin fünften Stadtrecht selbst fest- 
setzte (1307). Sie erhielten im ersten Jahre 4 Denare und 
Verköstigung oder statt dieser 2 Denare mehr, im zweiten 
und dritten Jahre 6 bezvv. 8 Denare.--* 

Ob in Strassburg in der uns beschäftigenden Zeit schon 
die Wanderschaft im Gesellenstand zur Gewohnheit gewor- 
den war und der Geselle eine bestimmte Anzahl von Jahren 
im Oesellenstand verbleiben musste, darüber erfahren wir 
nichts.'^" Wohl aber können wir beobachten, dass der Strass- 
burger Oesellenstand in der dortigen Zunflverfassung bereits 
im 14. Jahrhundert eine gewisse Bedeutung erlangt hat 
Besonders lehrreich ist eine Verordnung der Weber von 1363, 
die sich mit Fragen des Lehrlingswesens beschäftigt^^ Diese 
wird gemeinsam von fünf Meistern und fünf Knechten im 
Auftrage der Weber entworfen. Es ist danach unverkennbar, 
dass die Gesellen der Weberzunft einen nicht zu unter- 
schätzenden Einfluss auf die sie nahe angehenden Angelegen- 
heiten gewonnen haben. Doch noch mehr! Es ist sogar 
aus dem Jahr 1367 eine Trinkstubenordnung der Gesellen 
vorhanden, über deren Bestimmungen eine aus den Gesellen 
selbst gebildete Viererkommission wachte.'^ Sie beweist, 
dass in Strassburg bereits in früher Zeit der Gesellenstand 
im Gefühl seiner Zusammengehörigkeit und der Gemein- 
schaft seiner Interessen zu einer den Zünften ähnlichen 



28. ebenda. 

20. RI;B 1V„ V. Stadtrecht § 20; dasselbe im VI. Stadt- 
recht § -IIJÜ a-a (1322). 

30. Nach einer Urkunde von 1395 (Schmoller, Urk. n 17) 
dürfen die Tucher- und Weberknecbte kein Tuch zum Selbst- 
trag, n fOr ihro Familien verfertigen. Sie können aber, um . dazu 
das ßecht zu besitzen, alle sofort das Zunftrecht erwerben. 

31. Schmoller, Urk. n 12. 
82. SUß V, u 760. 



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Einigung hindrängte. Ueberaus schnell scheint er durch 
seinen engen Zusainmenschluss eine das Oerneinwesen be- 
unruhigende Bedeutung gewonnen zu haben, denn bereits 
im 15. Jahrhundert begann der Rat dem üesellenstand gegen- 
über eine zurückdamiiiende i\:)litik, indem er den Gesellen 
verbot, fernerhin Trinkstuben oder „gedingete huser, garten 
noch gemeine geselischaft, darinn su zesamene gont es sy 
zeren oder sust** zu haben. -^^ 

Das Versammlungsrecht der Gesellen wurde beschränkt. 
Nunmehr sollten nur die Gesellen der einzelnen Zünfte vier- 
mal im Jahre „von irer kertzen wegen" Versammlungen ab- 
halten, die vorher den betreffenden Zunftvorstehern bekannt 
gegeben werden mussten und in Gegenwart eines oder zweier 
Zunftgenossen stattfanden.'* 

Als vollberechtigte Mitglieder der Zünfte haben wir die 
Meister anzusehen, die mit dem Eintritt in die Zunft einen 
selbständigen Betrieb eröffneten. Die neu eintretenden 
Meister hatten den Aufnahmebedingungen zu genügen« 
Wahrscheinlich bei allen Zünften war Voraussetzung für eine 
Aufnahme der gute Ruf des Handwerkers. Bei den Webern 
vollzog sich die Aufnahme erst dann, wenn der Webermeister 
die Zunft versammelt und mit ihr über den betreffenden 
Handwerker Rat gepflogen hatte. Der Ausscbuss der Weber 
entschied über die Aufnahme, wenn gegen den Fremden 
etwa Bedenken geltend gemacht wurden.^^ 

Die Anfertigung eines Meisterstücks war in der uns be- 
schäftigenden Zeit jedenfalls noch nicht Vorbedingung der 
Aufnahme. Wir erfahren gar nichts darüber. 

An die Aufnahme selbst waren Gebühren geknüpft. Ihre 
Höhe war bei den einzelnen Zünften ausserordentlich ver>> 
schieden und unterlag im Laufe der Zeit auch Schwankungen. 



33. SUß IV,, VI Stadtrerht § 4G0 (Nachtrag). 

34. ebenda § 462 (aus derselben Zeit). 

35. Sohmoller, Urk. n 19 (140Ü). 



— 66 



In der Fischerordnung des 14. Jahrhunderts wird betont, 
dass die Eintrittsgelder auch erhöht werden konnten.^^ Bei 
den Tuchscherem stiegen die Eintrittsgelder von 20 bis auf 
30 SchiUing.37 Die Höhe der Eintrittsgelder schwankt nach 
unseren Nachrichten zwischen 10 Schillingen^ und 4 Pfund 
Denaren,^^ bis sie durch eine Ratsentscheidung, wahrschein- 
lich des 15. Jahrhunderts, für alle Zünfte auf 1 Pfund und 
5 Schillinge festgesetzt wurde.^^' 

Diejenigen, die das Gewerbe ihrer Väter ergriffen, waren 
bei ihrem Eintritt in die Zunft nur zur Zahlung der halben 
Eintrittsgebühren verbunden." Wir begegnen diesem Brauch 
schon in der Iiackcruri<undc von 1264.'*- In dieser wurde 
bestimmt, dass der Sohn eines Hackers, der das Backhaus 
erbte, simul eciam accipiat ius dimidium, quod dicitur einung. 
Bei den Schwertfegern heisst es^': wenne eins husgenoszen sun 
sin einung gewinnet, so sei er sin halben einung zu sture 
haben."** Der Sinn der angeführten Stellen ist doch wohl der, 
dass die Handwerkersöhne in den Zünften, zu denen ihre 
Väter gehörten, nur die Hälfte der Gebühren zahlen sollten.*^ 

In späterer Zeit hatte sich die (iew\)hn'ncit heraus- 
gebildet, dass die neueintretenden Zunftgenossen eine Zeit 

30. ßruüker, a. a. 0, S. 1C6. 

87. Schmoller, Urk. u 20 (1401). 

88. S&kir-, Obaer^ und Grempwordnung von 1358 (SUB V, 
u 272). 

89! Weberordnong von 1407 (Schmoller, Uric. n 22). 

40. SUB IV,, VI. Stadtrecht §§ 37b fi. 

4rl. ebenda. 

42. SUB I, n 26& 

48. SUB IVgjBiiTggrafearecht S. 216. 

44. Deraelbe Gedanice findet Bich bei den Tuchflcberern im 
Jahre 13G2 (Schmollcr, Urk. n 11). 

45. I^ie Uaterscheidung von ganzem" und „halbem Einung'« 
oder ,,i;aTizeTn" und halbem" Recht bei Oelhändlern und 
S-hmiedeii (öUB i\\ Burggrafenrecht S. 20B, 207) ergab sich 
wohl aus der verachiedeaeii Höhe der Eintrittsgelder. 



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lang Ztinftwirte öder Knechte eines Meisters sein mussten. 
Dagegen erlieg der Rat ein Verbot^^ 

Neben dem eigentlichen Recht der Zunftmitgliedschaft 
entwickelte sich jedenfalls schon früh ein besonderes Recht, 
das nur für die zu den Zunftstnben au^enommenen Zunft- * 
genossen galt. Jedoch bildete sich nicht bei alleii Zünften 
das gleiche Recht aus. Während die eine Zunft den Erwerb 
ihres „Stubenrechtes" nicht verlangte — bei den Wein- 
stechem konnte man das Recht der Stube einer andern Zunft 
besitzen^ — , wurden bei anderen Zunftrecht und Stuben- 
recht immer zusammen erworben. 

Dieser engere Verband innerhalb der Zunft, dessen Mit- 
glieder Hausgenossen Wessen,** hat sich einerseits zweifellos 
zu Zwecken der Geselligkeit zusammengetan, andererseits 
aber diente er noch in ganz besonderer Weice dazu, das 
wirtschaftliche Wohlergehen seiner Mitglieder zu fördern. 
Die Schuster nahmen nur den in die Zunftstube auf, der neue 
Schuhe machte.^o sie schlössen also die Flickschuster, welches 
offenbar die ärmeren Elemente der Zunft waren, aus. Der. 
Einritt eines Gesellen in den Dienst eines Hausgenossen 
der Schusterzunft hing von dem Urteil sämtlicher Hausge- 
nossen ab, eine Bestimmung, die wohl nur das Wohl des be> 



46. 8UB IV2, VI. Stadtrecht § 875 (15. Jahrhundert): also 
ettlich antwercke bitsher ein gewonheit gehept hant, wer zu 
irem antwercke kam, das der ein zit ir houptkann sin mniite 
odet aber eins meistere knechfc und ein xit dienen, das sol nit 
mer sin. 

47. ebenda § 878 (um dieselbe Zeit). . 

48. SUß V, n 319 (1351). . . 

49. 8UB VI, n 116 (1382): Schuster- und Gerberorduung 
Bracker a. a. 0. S. 846 (1435): Metzgerordnung. 

60. Keutgen. ürk. 11 804 (1360) § 1. - 



- 68 — 



treffenden Meisters im Auge hatte.^^ Ein wirtschaftliches 
Vorrecht der Hausgenossen der Scbusterzunft kam bei dem 
gemeinsamen Kauf und der Verteilung des Leders auf der 
Zunftstube zur Geltung, wenn es heisst: wele aber nut 
reht an der stube haut, wanne die iren teil genemment, so 
sultent SU unverzogenliche hinweg gon und sutlent uns un- 
geirret lossen.^^ 

Die Gebühren bei dem Eintritt in den Zunftstubenver-t 
band schwankten in ihrer Höhe und fanden erst in späterer 
Zeit, gleichzeitig mit den Gebühren für Erwerb der Zunft- 
mitgliedschaft, einheitliche Regulierung, indem sie vom Rat 
für die Zünfte generell auf 15 Schilling festgesetzt wurden.'»^ 

Zum Eintritt in die Zünfte waren auch Frauen berechtigt. 
In einer Ratsentscheidung des sechsten Stadtrechts über die 
Aufnahme der Kinder von Handwerkern in die Zunft ihrer 
Väter, wird zur Erklärung bemerkt: das ist zu verstünde von 
knaben oder döchtt-rn, die das antwercke selbs triben 
woltent.^'* Es ist indessen nur von der Weberzunft nachweis- 
lich, dass die Webermnen zur Zunftmitgliedschaft verpflich- 
tet waren.''^ Die Frauen konnten auch Mitglieder der Zünfte 
sein, ohne selbst im Beruf tätig zu sein. So erlangten Hand- 
werkerstöchter die Mitgliedschaft in der Zunft ihrer Väter, 
sofern sie sich mit Männern verheirateten, die das in jener 
Zunft vertretene Gewerbe ausüben wollten.-''^ 

Die Vorsteher der Zünfte waren die „magistri officiorum" 
oder die „antwercmeister". Lieber ihre Wahl haben wir 
bereits an anderer Stelle gesprochen. Es bleibt nur übrig, 
ihre Amtstätigkeit kennen zu lernen. 

Da sie an der Spitze der Zünfte standen, so wird ihnen 



51. ebenda % 7. 

52. ebenda § 8. 

53. SUB IVj, VI. Stadtrecht § 377 (15. Jahrhunderfc). 
5i. ebenda § 37(j (aus derselben Zeit), 

55. Keutgen, Urk. n 301 (1380). 

5o. SUB IV,, VI. Stadtrecht § 376 (15. Jahrhimdert). 



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von Anfang an wahrscheinlich der Vorsitz in den Zunftver- 
sammlun^en zugekommen sein.^' Durch sie wurden die dort 
gefassten Beschlüsse dem Rat oder anderen Behörden zur 
Bestätigung vorgelegt.^^ Sie waren demnach die den ge- 
schäftlichen Verkehr der Zünfte mit den städtischen Behörden 
vermittelnden Organe. Das Vorsteheramt kann in diesem 
Sinn deshalb wohl auch als ein Amt im Dienst der städtischen 
Regierung aufgefasst werden. 

Auch nach anderen Seiten diente das Amt den Zw ecken 
der Regierung. Es ist bereits erwähnt worden, dass der Rat 
den Zunftmeistern eine Kontrole und Rügepflicht über die 
militärischen und steuerähnlichen Leistungen der Zünfte in 
die Hand' gab. Hier sind die Zunftmeister auch gewisser- 
massen Beamte der Stadt. 

Eine wichtige Funktion der Vorsteher war da, wo eine 
Zunftgerichtsbarkeit vorhanden war, der Vorsitz im Zunft- 
gericht. Schon im Jahr t263 war dies bei den Bivggrafen- 
zfinften der Fall.^^ Freilich gab es auch Zünfte, bei denen 
der Städtemeister im Zunftgericht präsidierte. So bei den 
Webem.<<o Entbehrte die Zunft der Gerichtsbarkeit oder lagen 
wichtigere gewerbliche Vergehen vor, die vor den Rat kamen, 
so besassen die Vorsteher nur eine Rügepflicht/'^ 

Die Verwaltung der Finanzen war zum Teil — denn 
die Ausschüsse der Zünfte beteiligten sich, wie wir sehen wer- 
den, auch an ihr — Sache der Zunftmeister. Es wurde 
ihnen ans Herz gelegt, die eingehenden Gelder nur zum 
Nutzen der Zunft zu verwenden.^s Bei den Tuchschereru 



57. Der Webermeister hatte den Vorsitz in den Versamra- 
lunge.i, in denen neuo Mitglieder Aufiiahmo fanden CSchmoUer, 
Urk. n 19 (1400). 

58. ebenda. 

59. Koutgen, Urk. n 128 § 3. 

60. Schmoller, Urk. n 9 (1361). 

61. Bracker, a. a. O. 8. 87: B&okerordniiog von 1870. 

62. Schmoller, Urk. n 11 (1862): TaohBchererordnung. 



— 70 — 



legete der iMcister am Schlüsse seiner Amtszeit vor der ver- 
sammelten Zunft und dem neuen Zunftgericiit Rechenschaft 
über die Verwendung der Gelder ab.'^' Auf Kriegszügen 
räumte die Schusterzunft ihrem Meister vollständige Frei- 
heit in der Benutzung der finanziellen Mittel ein und sicherte 
sich dann bei der Rückkunft des Meisters durch dessen 
Rechenschaftsbericht.^^ 

Der uns bei den Tuchscherern im Jahr 1362 begegnende 
Brauch, dem Meister das Banner, Siegel und die Büchse 
der Zunft anzuvertrauen, war wahrscheinlich allgemein. 

Ueber die Einnahmen der Meister ist bei den meisten 
Zünften nichts überliefert. 

Die Meister der Küfer erhielten bei jeder Aufnahme 
eines neuen Mitgliedes 6 Denare von den Eintrittsge- 
bühren.^**^ Am Schlüsse seiner Amtszeit gaben die Schuster 
ihrem Meister, nachdem er seinen Finanzbericht gemacht 
hatte, 5 Schillinge.*<i Die Unkosten, die dem Meister aus 
seiner Pflicht erwuchsen, dem Burggrafen und jedem Ge- 
schworenen jährlich 4 bezw. 2 Kapaune zu geben, konnte 
er aus der Zunftkasse bestreiten.^' Auch das Mahl des 
und der Geschworenen der Schusterzunft am Tag des Dings 
und der Imbiss am folgenden Tage wurden auf Kosten der 
Schusterzunft verzehrt."^ Die Oelhändler schenkten zur Licht- 
iness ihrem Meister ein halbes Pfund Wachs/-* Die Ein- 
nahmen des Meisters der Fischer waren „sine gebot und die 
heiigen pfennige und die wettpfcnnige (Pfandgeldcr) und sin 
drinqgelt, so er eime sin reht Uhet'*, ausserdem am Schluss 

f')3. ebenda; ebenso war es bei den Schustern (ßrwcker, a. a. 0. 
S. -iöO) (1377). 

64. Brucker, a. a. 0. S. 449 (1877). 

65. SüB IVs, Burggrafenrecht 8. 206. 

66. Brucker, a. a. 0. S. 460 (1377). 

67. SUB IV,, Burggrafenrecht S. 205. 

68. ebenda. 

69. ebenda, S. 2(». 



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— 71 — 



seiner Amtszeit 10 Schillinge, um dem neuen Zunftmeister 
ein Mahl zu gehen. 

Die Amtsdauer der Zunftvorsteher war keineswegs bei 
allen Zünften von gleicher Länge, fn der Regel wohl wurde 
das Amt nach einem Jahre neu besetzt. So war es bei den 
Oelhändiern, Zimmerietiten, Schmieden, ""i Tuchscherern,"^ 
Maurern der Fall. Dagegen konnte der Burggraf die Meister 
der Küfer, Schilter und Maler, Schwertfeger, Becherer ein- 
setzen, so oft er w ollte.' ^ Erst im Jahr 1385 setzten die Küfer 
wenigstens es durch, dass diesem Brauch, durch den wohl 
öfters Reibereien zwischen Burggraf und Zunft entstanden, 
ein Ende bereitet wurde und die Zunft jährlich dem Meister 
wählte und ihn vonv. Burggraf en einsetzen liessj^ 

Besondere Verhältnisse lagen, wie bereits erwähnt, bei 
den Kürschnern vor. Dort verlieh der Obermeister einem 
Untermeister das Amt auf LebenszeitJ^ 

Jede Zunft besass nur einen Vorsteher. Eine Ausnahme 
davon machten nur einige Zünfte, in denen verschiedene Ge- 
werbe vereinigt waren. In der Küferzunft,^'' zu der auch 
die Becherer gehörten, In der Zunft der Weinmesser und 
Weinrufer'« hatte jedes Gewerbe seinen eigenen Vorsteher. 
Die Meisterwürde bei den in einer Zunft vereinigten Schustern 
und Gerbern wurde hingegen abwechselnd von einem 
Schuster oder Gerber bckleidetJ^ 



70. Brnckdr, a. a. O. S. 182 (14. Jahrbuaderl^. 

71. SUB IVg, Burggrafenrecht 8. 203, 206, 207. 

72. SchmoUer, Urk. n 11 ( J362). 

73. Brucker, a. a. 0. Ö. 339 (1438). 

74. SUB IV2, Bui iigrafenrecht S. 208, 213, 215, 216. 

75. SUß VI, n 250. 

76. Brucker, a. a, O. S. 324 (136s). 

77. SUB IV2, Burjrgrafonrecht S. 208. 

78. Brucker, a. a. 0. 8. 520 (1355). 

79. SUB IV3, ßurggrafenrccht S. 204. 



— 72 



Neben den Vorstehern gaü es in vielen Zünften Geschwo- 
renenausschüsse/" Wir erwähnen die Ausschüsse der Weber, 
Wollschläger,8i Bäcker, Schuster, Metz<jei, Kürschner, Küfer, 
Fischer, Maurer, Weinrufer und Weinniesser/''^ 

Diese Ausschüsse sind mit Sicherheit ungefähr um die 
Mitte des 14. Jahrhunderts nachweisbar.^' Da sie aber in 
den Ordnungen meist als eine fertige Einrichtung erscheinen, 
so darf man ihre Existenz wohl auch schon für eine frühere 
Zeit annehmen. Bei der Kürschnerzunft, an deren Spitze 
allerdings in späterer Zeit nicht mehr ein wechselnder Au$- 
schuss stand, sondern in der sich das Recht der sogenannten 
Zwölfer vererbte, können wir mit einiger Sicherheit die 
Existenz eines Ausschusses bis in das Jahr 1240 verfolgen. 
Aus diesem Jahr existiert eine Urkunde, die zwölf im Amte 
wechselnde officiati der Kürschner erwähnt^^ 

Mit Ausschüssen von ausgesprochenen Charakter hat 
das erste Stadtrecht, das an einigen Stellen duodecim inter 
pellifices, octo inter «utores, quatuor inter panifices, quatuor 
inter cyrothecarios «rwähnt,«^ offenbar wenig zu tun. Von 
einer Tätigkeit dieser Handwerker im Dienste ihrer Zunft 



80. Der Ausdruck Geschworene liegofr^et z. B. bei Wein- 
rnff^ru u. Weinmessern (Brucker, a, a. 0. S. 521 a. 3355). Sehoner 
der Ausdruck „Gericht": bei den Seilern 1353 (Öüß V, ii 272. 

81. Schmoller, Urk. n 9 (1361), n 7 (1357). 

62. ßrucker, a. a. 0. S. 87 (1370); S. 449 (1377); S. 353 
(1435), 8. 322 (13G8); S. 314 (131^5;; S. 166 (14. Jhrdt.); S. 339 
1138); S. 520 (1353). 

83. Es ist fraglich, ob die im fünften und sechsten Stadt- 
recht (a. a. 0. § 20 (1307) und § 499d; 1322) erwähnten „Hüter" 
der Zimtnerleute und Ufourer, die eine gewiwe «Eontrole im 
Namen des Rates Uber diese Gewerbe ans&btoii,. Ausschüsse 
waren. Möglich ist auch, dass sie die Vorsteher der betreffen- 
den Zünfte waren. 

84. SUB I, n 268. 

85. a. a. 0. § 98, 102, 108, 109. 



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erfährt man nichts. Im Vorderjrrund stehen ihre speziellen 
Leistungen für den Bischof, derentwegen sie eben besonders 
genannt werden. 

Ein gewisser Zusammenhancr besteht freilich zwischen 
den 12 Kürschnern und 8 Schustern des ersten Stadtrechts 
einerseits und den 12 officiati der Kürschner von 1240 und 
dem späteren Aciiterausschuss der Schuster andererseits 
und lässt sich vielleicht so erklären, dass den zu den speziellen 
Leistungen für den Bischof verpflichteten Handwerkern ge- 
wisse Ehrenrechte später in ihrer Zunft übertragen wurden 
und dadurch allmähUch der Charakter von Ausschüssen 
zukam. 

Die Wahl der Geschworenen nahmen, wie an anderer 
Stelle schon ausgeführt ist, die Zünfte selbständig vor. 

Die Geschworenen waren die bevollmächtigten Vertreter 
der Zünfte, die mit den Meistern die Geschäfte der Zünfte 
verrichteten. 

Ihre Stimme galt vor allen andern In den Versammlungen. 
Versammelte sich die Zunft der Weber zwecks Aufnahme eines 
neuen Genossen, so hatten die Geschworenen darüber zu 
entscheiden, ob der Betfeffende redlich sei oder nicht.^^ 

Ihre wichtigste Funktion war die Urteilfindung im 
Zunftgericht In dieser Eigenschaft als Gerichtsbeisitzer 
hiessen sie einfach das ,,Qericht" der Zunft.^^ 

Mit dieser Tätigkeit verband sich teilweise die Pflicht, 
eine Kontrole und poli/eihche Aufsicht über das gesamte 
Leben und Treiben der Zunftgenossen zu führen.^'' Sie waren 
demnach auch Polizeibehörde. Nur diesen Charakter haben 
die Geschworenen der Bäcker, die als Polizeibehörde im 



86. SUB IV2, Burggrafenrecht S. 204. 

87. Sch.noller, ürk. n 19 (1400). 

88. Bnicker, a.a.O. 313, 356, 450, 181: Ordnung der Küfer 
(1395), Metzgor (1435), Schustor (1377), Fificher (14. Jahrhundert). 

89. Schmoller, Urk. 11 11 (ld62): Tuchschererordnung. 



— 74 — 



Auftrai: des Rates handelten und diesem die gewerblichen 
Verteilen der Bäcker zur Anzeige brachten.'*^ 

Den ( jcschw orenen fiel zum Teil auch die Aufgabe zu, 
den Zunftmeister in seinen Amtsfunklionen zu unterstützen, 
zugleich aber auch zu kontrolieren. Dies zeigt sich auf dem 
Gebiet des Finanzwesens der Zünfte. Bei den Schustern 
und Tuchscherern lag die Verwaltung der Gelder in den 
Händen des Meisters und des Gerichts zusammen.-'^ Vor 
dem neuen Zunftgericht hatten Meister und Geschworene 
der Schuster am Schlüsse ihrer Amtszeit Rechenschaft über 
die Verwendung der Gelder zu geben. '- 

Dic Gelder wurden, soweit uns bekannt wird, nicht von 
den Geschworenen selbst eingenommen. Die Schuster über- 
tn'gen dies Geschäft einem Hausgenossen^-' und einem 
„Säckeier", die Küfer zwei Schaffnern,^<^ die Fisclier einem 
„Büciisener."'^^ 

Ausserordentlich verschieden sind die Mitgliederzatilen 
der Ausschüsse. Nicht unmöglich ist, dass bei den einzelnen 
Zünften selbst Schwankungen in den Zahlen vor ihrer ersten 
Erwähnung stattgefunden haben, da solche auch später ein- 
traten.3^ Bei den Schustern finden *wir den Ausschuss der 
Achter,^^ bei Webern und Wollschlägern die Funfmannen,^^ 
bei Küfern, Fischern, Weinrufem und Weinmessem acht,^^ 
bei Maurern neun Geschworene.i^'*^ 

üO. Brucker, a. a. O. S. 87 (1370). 

91. ebenda S. 450 (1377); Schmollor, Urk. n 11 (1362). 

92. Braoker, a. a. 0. S. 450 (1377). 

93. ebenda S. 449 (1377). 

94. ebenda S. 314 (1395). 

95. ebenda S. 181 (14. Jahrhundert). 

96. vgl. ebenda S. 448 (1377): Die Schuster hatten seit 
diesem Jahr einen AusscbusB von 24 Mitgliedern. 

97. SUB IVs, Burggrafenrecht S. 204. 

98. Schmoller, ürk. n 9 (1331); n 7 (I8&7i. 

99. Bruoker, a. a. 0. S. 813 (1395); S. 166 (14. Jahrhundert): 
S. 620 (1355). 

100. ebenda 341 (1488). 



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In verschiedenartiger Weise wurden, soweit nachweisbar, 
die Geschworenen für ihre Amtstätigkeit belohnt. Ein Miss- 
brauch w'ar es nur, wenn die Fünfmannen der W^eber vor 
1361 die Qerichtsgefälle für sich einzogen. Diese Ein- 
künfte wurden im Jahr 1361 durch Einschreiten des 
Rates wieder der Zunft gesichert. Jeder Fünfmanne 
sollte nun zu den vier Fronfasten je fünf Schillinge 
eiiialten.ioi Bei der Sdiusterzunft fiel der dritte Teil 
aller Eintrittsgebuhren an die Achter. In derselben Zunft 
fand vor dem Ding ein Essen und am darauffolgenden Tag 
ein Imbiss des Ausschusses bei dem Zunftmeister auf. Kosten 
der Zunft statt.^^'^ Die Belohnung der Ausschüsse war, wie 
wir sehen, nicht allzu gross. Deshalb bestimmten auch die 
Weber im Jahre 1400, dass ein Fünfmanne innerhalb dreier 
Jahre nicht wieder Geschworene werden solle „damit su 
ires schaden .... so su des vergangen jares gehept hant, 
dester baz zu mögent komen und ergetzt werden. 

Die Amtsdauer der Ausschüsse war nicht länger, als die 
der Vorsteher, d. h. sie war in der Regel auf ein Jahr 
beschränkt.!*** 



§ 4. Die politische Stellung der Zünfte. 

1. Das Bürgerrecht in Strassburg. 
Die früher von verschiedenen Forschern vertretene An- 
sicht, ein Ausfluss der Marktrechtstheorie, dass die eigent- 
lichen Bürger des älteren Bürgerrechts die Kaufleute gewesen 

101. Schmoller, Urk. n 9. 

102. SUB IV2, Burggrafenrecht S. 204, 206. 
loa. SehmoUer, Urk. n 19 (1400). 

104. Bruoker, a. a. 0. S. 814, 341, 521: Ordnung der Küfer 
(1896); Maurer (1488),Weinrttf6r und Weinmesser (1S55); Sohmoller, 
Urk. n 19: Weberordnung (1400). 



I 



- 76 — 

seien, d. h. im grossen und ganzen die Patrizier,^ dass die 
Handwerker schlechthin das Bürgerrecht nicht besessen 
hätten, sondern Hintersassen der Patrizier gewesen 
seien,- ist durch O. v. Beiow widerlegt worden, v. Below 
hat nachgewiesen, dass die Zunftbewegungen nicht erst die 
Handwerker zu Bürgern gemacht haben, dass diese viel- 
mehr (wenigstens zum grossen Teil) es längst waren.<^ 

Neuerdings hat man hinsichtlich der Entstehung des 
Patriziats bemerkt, dass damit nicht viel gewonnen sei, wenn 
für ihre Erklärung lediglich die Tatsache angegeben werde, 
das Patriziat sei aus den reicheren und angeseheneren Bür- 
gerkreisen herausgewachsen. Man fordert für die Erklärung 
der strengen Abschliessung der Geschlechter als besonderen 
Standes innerhalb der Stadtbevölkerung die Heranziehung 
eines juristischen Momentes, vor allem eine Klarlegvng des 
Verhältnisses zwischen Burgerbegriff und Grundeigentum und 
die Beantwortung der Frage, ob alle Burger des älteren Bür- 
gerrechts Patrizier waren oder nicht.^ 

Das in Frage stehende Problem ist natürlich auch für 
unsere Untersuchung von Wichtigkeit. Wir haben demnach 
zu prüfen, wie der Erwerb des Bürgerrechts in Strassburg 
gestaltet war. 

Ueber die Bedingungen des Erwerbs des Bürgerrechts 
gibt es aus älterer Zeit keine Nachrichten. Börgertisten sind 

auch nicht vorhanden. Lediglich auf das Vorkommen der Be- 
zeichnungen burgensis, civis lässt sich kein sicherer Schluss 
aufbauen.5 

1. von A. Schulte. 

2. von R. Sohra. 

3. Ct. V. ßelow, Ursprung der deutschen Ötadtverfassuog 
(1892) S. 43 fl'. 

4. s. ßeyerle in Z G 0 Rh., NF 15, S. 540 f. Aehnlich 
8. Bietsohel in der „Deutschen Litteraturzeitung" lüOO, Spalte 488. 

5. Ein Oegensats zwischen burgensis und civts scheint in 
der Stelle SUfi I, n 148 (1205): ubicunque vel ipsi burgenses 



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Nach A. Schulte „befindet sich fast der gesamte Grund- 
besitz von StrassburfiT in den Händen der Geschlechter."^ Von 
G. V. Below istsdion bemerkt worden, ifciss diese Aeusserung 
sidi für eine Konstruktion der Bürgerreditsverhältnisse nicht 
verwerten lässt' Denn es ist in Strassburg nirgends gesagt, 
dass der unabhängige Grundbesitz allein den Erwerb des 
Bürgerrechts vermittelte. 

Im fünften Stadtrecht (vor 1311) heisst es: der erste 
artikel ist, das wir nuvve burger empfohen mugent und das 
ir gut fry sü und das nicman uff unser burger gut bette 
legen sei in dem lande.^ Wenn auch hier vorausgesetzt zu 
sein s(^heint, dass die Bürger Grundbesitz haben, so lässt 
sich doch aus der Stelle nicht entnehmen, dass der Erwerb 
des Bürgerrechts von dem Besitz von Gütern abhinjj^. Denn 
erstens ist eigentlich nur gesagt, dass Güter der Bürger, 
im Falle diese solche besitzen, steuerfrei sein sollen, zweitens 
bezieht sich dies doch nur auf auswärtigen Besitz der Bürger, 
worauf der Ausdruck „in dem lande'* d. h. ausserhalb der 
Stadt hinweist.^ 

Im sechsten Stadtrecht von 1322 erfahren wir: das alle 
die so zu Str. mit Ire huszere sitzent, die nit burger sint, 
burger zu Str. werden sullent untz Sant Jergentag nehst 
künfftig oder sullent aber hynnan untz zu demselben zile 
usz unser stat ziehen und nit me darinne sitzen.^^ .Hier ist 
nur gesagt, dass die, die Häuser haben, Bürger werden 



vel etiam quicunque ipsios civitatis dves per totam .provinciam 
Alsstiae proprietates aliquas sive quascunque poasessiones habu- 
arint . . . nicht Torsttliegeo. 

6. BUB m, Einleitung S. 10. 

7. a. a. 0. 8. 48, Anm. 2. 

a SUB IVi» a. a. O. § l&i; auch VI. Btadtrecht ^822) 
§ 389i. 

9. Vielleicht haben wir hier nur an die AufniJime von aua- 
Wflrts Wohnenden za Bürgern, d. h. an Pfahlbürger zu.deol^ePr 

10. SUB IV„ a. a. 0. § 22a; vgl. auch § 24. 



dollen. f Danach ist es gärnicht ausgeschlossen, dass auch 
andere Bfiiger werden können. Jedenfalls aber ist nicht ' 
gesagt, dass der Grund, und Boden, auf dem das Haus 
stand, unabhängiger Besitz des Burgers war und sein musste. 
Denn ein Haus war voller Besitz eines Bürgers, das er 
auf einem Grundstück- baute, das selbst nicht sein Eigentum 
war, sondern ihm gegen Erbzins fiberlassen war.^^ 

Auch später wurde das Bürgerrecht in der Weise ver- 
liehen, dass der neue Bürger schwören musste, dauernd 
mit seinem Haus in der Stadt sesshaft /u sein.i^ 

Nähere Auskunft erhalten wir aus den älteren Teilen 
des Schultheissenrechts, das im Lauf des 14. Jahrhunderts 
seine alimähliche Aufzeichnung^ fand.i-^ 

Der Schultheiss hatte das Recht, auch jemanden als 
Bürger aufzunehmen, dessen Besitztum den Wert von 10 
Pfund Denaren nicht erreichte.^* Dieser jedoch wurde nicht 
Voliburger. Noch im 15. Jahrhundert unterschied man die 
„SchultheisseAbürger'' von den eigentlichen Stadtbürgem. 
Jene verfügten nur über einen Besitz von 10 Pfund Denaren 
Wert und darunter, diese über einen grösseren Besitz.^^ 



11. R. Schröder, Lehrbuch der Houtschosi Rechtsgcflchichte 
(18983) 623. Ueber die freie Erbleihe vgl. besonders S. Riet- 
sohel „Entstehung der freien Erbleihe" in „Zeitsohrift der Sftvigny- 
Stiftung fOr RechtsgeBohichte, germanist Abteilong** XXII. 

12. 8UB IVt, VI. Stadixecht § 18 (nadh 1322). 

13. 'SUB IV^ 8. 192 ff. 

14. - 'ebenda B § 4» Nach B § 8 a. § 4 ist ea sowohl daa 
Recht des SchuUheisaen wie des Rates, Bürger aa&aaehmen: 
nach A § 40 konnte dies der Schultheiss nur noch mit BSrlaub- 
nis des Rates. Im 6. Stadtrecht § 18 (nach 1822) darfte man 
das Bttrgen^oht nar noch vom Rat fordern. B § 8 u. § 4 scheinen 
daher aeitlioh die frühesten. 

16. Es wird s. B. bestimmt: jeder Zunftgenosse soll Bürger 
sein; »wer es aber das ein solicher nit mo dan 10 üb wert guts 
oder minder lietto, ist er schulthoisseuburger, so soUent die 



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Vielleicht reidite das Vermögen der Schultheissenbürger 
nicht für den Erwerb eines Hauses aus. Es ist zu vermuten, 
dass die Schultheissenbürger die bürgerUclien Rechte nicht 
in ihrem vollen Umfang genossen, dass sie ihren Namen 
von ihrer Stellung unter dem Stadtgericht des Schultheissen 
führten. 

In Strassburg war also der Besitz eines Hauses, sei es, 
dass dieses auf eigenem üruud und Boden, sei es, dass es 
auf einem Grundstück stand, dessen F^esitzer es in der ab- 
geleiteten Form freien Zinseiqens innehatte, weniL-stens von 
einer gewissen Zeit an nachweislich Grundlage des Bürger- 
rechts. 

Hinsichtlich dieser Bedingung aber standen die Hand- 
werker nicht ungünstig. Schon in der frühesten Zeit der 
städtischen Entwicklung finden wir eine Reihe von Hand- 
werkern im Besitz von Grundstücken, die von der Stadt 
gegen Zins ausgetan wurden. Ferner zeigen die Privat- 
urkunden des dritten Bandes des Strassburger Urkunden- 
Iniches, eine wie grosse Masse des Lethebesitzes in den 
Händen der Handwerker ruhte. 

Jedoch 4uch dafür, dass unter den Handwerkern eine 
grössere Anzahl eigenen unabhängigen Grundbesitz gehabt 
hat, haben wir Beweise. Die Verordnung des Rates von 
1322, dass alle, die „ir eigen gut haut", Hengste und Pferde 



antwercke uf die zit damit ein beuQgeii haben; wann er über 
10 lib wert gute hett^ sol er der stefcte burger werden, als das 
harkomen ist (Eheberg, Verfassunga-, Verwaltungs- und Wirt- 
schaftsgeschichte d. Stadt Strassburg I, Akten (1899), S. d91 
(vgl. auch 8. 431): 15. Jahrhundert). — Uebrigena mag noch 
bemerkt werden, dass auch Unfreie als ßUrger aiifgenominen 
wurden, aber sie wurden ihrem Herrn, wenn dieser in Jahres- 
frist sein Rocht auf sie geltend machte, überlassen (SUB IVf, 
VI, ytadtrecht § 18, SchultheiHsenrcclit B § 4). 

16. 8Uß I, n 144 (zwisciien 1190 und 1202), auch ia Keut- 
gen, Urk. u 290. 



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in den Dienst der Stadt stellen sollen, wirft auch auf die 
Besitzverhlitnisse der Hatidwerker ein deutlidies Ucht^ da 
wir ausdrücklich wissen, dass audi die Zunftmeister über die 
Erfüllung dieser Pflicht in den Zünften Kontrole füfarten.^^ 

Wir treffen sodann in den Privaturkunden eine iVlenge 
Handwerker an, die eigenen Grundbesitz hatten, kauften, 
verkauften und selbst verliehen.'^ Keiner kann mit Sicherheit 
zum Patriziat etwa gerechnet werden. Sie haben alle zweifel- 
los das Büiigerredit besessen. 

Wir gelangen somit zu dem Resultat, dass für eine 
Erklärung des strengen Abschlusses der Geschlechter von 
der übrigen Stadtbevölkerung die Heranziehung eines juris- 
tischen Momentes nicht am Platze ist. 

Der Besitz des Bürgerrechtes scheidet, wie wir sahen, 
die Klassen nicht von einander. Das ältere Bürgerrecht hat 
in der Tat weit mehr Bürger unitasst, als blos den Kreis 
des Patriziats J'* Demnach kann die Bildung des Patriziats 
nicht so erfolgt sein, dass sich ein allein berechtigter Bürger- 
stand von den Nichtbürgem abgeschk>ssen hat. Das Patriziat 
muss demnach aus dem Kreis der vollberechtigften Bürger 
hervorgewachsen sein. Für diesen Prozess kann aber eben- 
sowenig ein juristisches Moment zur Erklärung herangezogen 
werden, wie sich ein solches zur Erklärung dafür geltend 
machen lässt, dass das Recht der Ratsbesetzung, d. h. die 
„Ratskuren" im Anfang des 14. Jahrhunderts in die Hände 
einiger weniger Strassburger Gescfilechter gelangten. 



17. SUß IV*, VI. Ötadtreiht § 22c. 

IH. Vy;l. die Urkunden in SUB III. Handwerker im Eigen- 
beaitz von Häusern u. Hofst iften : n 242 (1200) Fischer ßertschin 
im Besitz von 4 Häusern u. Hofstätten. Derselbe in n 1033 
(1324;; ferner n 379 (1297); n 523 (1304); n 537 (1304); u 584 
(li>07); n 665 (1310); n 860 (1317); n 1231 (1329). 

19. \'gl. Lau, Entwicklung der kommunalen Verfassung und 
Verwaltung Kölns bis 1396 (1898) S. 230. 



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Wir wollen nun nicht etwa behaupten, dass alle Hand- 
werker in Strassburg eigentliche Bürger waren. Gerade die 
Stellen, die wir anführten, beweisen, dass der Besitz ver- 
schieden verteilt und verschiedener Natur war, dass wir im 
Handwerkerstande soziale Schichten erkennen müssen. 

2. Persönliche und materielle 
Dienstleistungen. 

Die Bürger traten unter den Schutz der Stadt. In frühester 
Zeit war der Bischof der Stadtherr und damit der Schutzherr 
der Bürger. Als Entgeld für diesen Sc^hutz verlangte er aber 
persönliche und materielle Unterstützung der Bürgerschaft. 
Nidit anders war es unter dem städtischen Regiment des 
Rates. Kraft Bürgereides waren die Bürger, die im Schutz 
der Stadt ihrem Gewerbe nachgingen, dem Rat zu allen 
Dingen gehorsam.^ Der Rat zog sie deshalb zu Dienst- 
leistungen aller Art heran. Wie er Dienste auferlegte, so 
befreite er aber auch von diesen. So gewährte er im Jahr 
1338 verschiedenen Judenfamilien für eine gevrisse Anzahl 
Jahre Schutz und befreite sie von städtischen Diensten 
„lihendes unde gebendes, von uszogende oder von con- 
staveln^" * 

Als Bürger standen die Handwerker hinsichtlich- ihrer 
Pflichten nicht anders, wie die übrigen Bürger. Wir wollen 
nun kennen lernen, in welcher Weise die Handwerker zu den 
Leistungen iiauptsächlich militärischer und steuerähnlicher 
Natur herangezogen wurden. 

1. SUB. IV„ T. Stadtrecht § 60 (1819); vgl. Sander, die 
reichsstadtiache Haushaltung Nambergs, 1. Teil (1902), S. 46 
71, 146. 

2. 8UB V, n 88; vgl. auch SÜB n 228 (1800): ak ehe- 
malige Pflichten von neu aufgenommeuen Bürgern aus „Mollee- 
heim" in dieser Gemeinde sind genannt: ussogen, wachene 
grabeue, engere, und andere dinge. 



a. Die militärische Organisation der Stadt 

Schon im ersten Stadtrecht die OrsfaliisatkMi der aus den 

übrigen Bürgern herausgenommenen und der Gerichtsbarkeit 

des Burggrafen unterstellten Handwerker aus militärischen 
Gründen zu erklären, wie E. üothein tut, geht nicht an, da 
die Beweise dafür zu unsicher sind.-* 

Die allgemeine Wehrpflicht der Bürger wird im zweiten 
Stadtrecht, dessen Aufzeichnung im zweiten Jahrzehnt des 
13. Jahrhunderts stattfand, vorausgesetzt. Wer von den Bür- 
gern, besagt ein Artil<el, in Kriegszeiten mit seinen Waffen 
in eine andere Stadt sich begibt, ohne Erlaubnis des Meisters 
und Rats, hat fünf Pfund Denare zu büssen und verliert das 
Bürgerrecht.* Die Pflicht zur Stellung von Pferden seitens 
verschiedener Klöster wird in demselben Stadtrecht für den 
Kriegsfall ausgesprochen.' Der Abt von St. Arbogast hat 
einen Hengst zu liefern, den der Schultheiss in Begleitung 
des Fahnenwagens reiten solL Die Fahne sollen die Juden 
liefern. Näheres über die Zusammensetzung des städtischen 
Heeres erfahren wir jetzt noch nicht. 

Ein bedeutendes Kontingent stellte im Jahre 1262 in dem 
Treffen bei Hausbergen, das die entscheidende Wendung in 
dem Unabhängigkeitskampf der Stadt gegen Bischof Walther 
herbeiführte, die Reiterei dar « Das städtische Heer setzte 

S. B. oben S. 15. 

4. Keutgen, Urk. n 127 § 52. 

5. ebenda § 57. Die Pferde, die die Klöster stellen, sind 
ffir den Fahnenwagen bestimmt. Es sind dies übrigens wohl 
steuerähnliche Leistungen als Entgelt für den Schutz der Stadt. 
Die Klöster nahmen hier die Stellung von Ausbürgern ein, wie 
T. B. in Frankfurt a. M. und andern Htiidten. Dass jene Pflichten 
( in Aequivalent für genossenen Schutz waren, zeigt auch die 
Bestiniinung: Tnd» i faeient vexillum. 

C. 8. Belluiii Waltlieriftiiuiu in ,.Monumenta Germaniae" Abt. 
Scriptores (Abkürz. M. ü. ÖS.) XVII S. lOöffj Closener a. a. 0. 
S. bl fi'. 



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83 - 



sich hier aus dem ,,geriteme volke, waz sü haben mohtent'S 
und den Fusstruppen zusammen. Zur Erklärung wird zu 

den „fuszgonden** hinzugefügt: mit Steinmetzen imd andern 
werkelüten." Die gesamte Bür^icjschaft zog^ damals aus.^ 
Erst im Felde wurden zwei Bürger zu Anführern der Fuss- 
truppen gewählt. Unter letzteren werden besonders die 
Schützen hervorgehoben: sie wurden von den andern aus- 
gesondert.^ 

Natürlich kann man aus dieser Ueberlieferung kein klares 
Bild von der militärischen Organisation gewinnen. Vor allen 
Dingen ist nicht klar, ob die Gliederung des Heeres nach 
Reiterei und Fusstruppen der sozialen nach den Ständen 
in der Stadt entspricht, besonders ob die Handwerker mir 
.den Kriegsdienst zu Fuss leisteten. 

Betrachten wir nun die Verordnuogea des Rates, die in 
den Stadtrechten seit 1263 zusammengetragen sind.- 

Im fünften Stadtrecht (vor 1311) begegnen zum ersten 
Mal die Konstafeln und Konsta|eitneister.^^ Dem Ausdruck 
nach scheinen sie eine Beziehung zum Kriegswesen der Stadt 
zu haben. Konstafeln und Zünfte werden in einer gewissen 
Parallele zu einander genannt^^ 

Wir stellen die Frage der Entstehungszeit der Konstafelu 
zurück und fragen zunächst, was ihr Wesen ausmache. 



7. Glosener, ebenda S. 81. 

8. ebenda. . . 

9. ebenda S. 82. 

10. diae . . . gebot haut meister und rat und knnstofel- 
meister und die kanstofeler selber gesworn su . haltende (SUB IVs, 
a. a. O. § 500. 

11. Man sei euch alle jarsweren die voigesehribene gebot 
stete zu hante, e die antverg geswerent, . . . dornooh suUent 
swcren alle oonstofeler meister ... den constofeler meistern 
sullent die constofeler sweren; und andere, die^nit oonstofeler 
sint, die in den constoveln geseasen aiot, • . • » . . ouoh sweren 
(ebenda § 506). 



Nun hat die Forschung die Etymologie des Wortes, die die 
consto'el, constofler auf ihren lateinischen Ursprung :constabu- 
luni, constabularii (Stal', Stal genossen) zurückführt, zur Erklä- 
rung des Wesens der Konstafeln selbst benutzt. Schulte i- und 
nach ihm üothein ' ' sehen in den Konstafeln Kameradschaf- 
ten der Reichen, die den Heiterdienst besorgten, während 
die Handwerkerschaft auch aus militärischen Gründen in 
Zünfte eingeteilt war. Zugleich bringt Schulte auch die Kon- 
stafeln mit den uns zuerst bei der Verfassungsänderung von 
1332 bekannt werdenden Trinkstuben der Geschlechter in 
Zusammenhang und glaubt, dass die Konstafeln mit diesen 
den gleichen Einteilungsgrund hatten. Schulte beruft sich 
auf ein Qlasgemäide aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, 
also aus einer verhältnismässig späten Ztit^* Dies Qlas- 
gemäide stellt eine Reihe von Rüstwagen dar, denen zehn 
gepanzerte Reiter, jeder mit einer Fahne versehen, folgen. 
Unzweifelhaft stellt sich das Wappen der einen Fahne als 
das Wappen der Trinkstube ,,zum Mühlstein" heraus. Da 
nun hier in den Reitern Konstafeln dargestellt sein sollen, 
die den zu Wagen fahrenden Zünften folgen, so sei es wohl 
klar, dass Trinkstuben und Konstafeln den gleichen Ein- 
teilungsgrund hatten. 

Dagegen hat schon Hegel in einem Anhang zu den von 



12. ..Das GeschöU der Zorn und Mülnheim'' in Z G 0 Kh, 
N F VUI, S. 509. 

13. Wirtschaftsgeschichte des Sclnvarzwaldes I, S. Iii 7. 

14. Schulte, a. a. 0. S. 500 f. Abl)ilduiig des CTlasgemuldes 
bei Joh. Schilter in s. Ausgabe: „Die älteste . . . Chronike v.on 
Jakob von Königshofen ..." (StraKsl)urg 1698) zu S. 1104. 
Dass es in das Ende des 15. Jahrhunderts und niclit in das 
Jahr 133G gehört, wie Sch. glaubt, hat y. fiorries iu einem Auf* 
sats: „Das GescheUe der Zorn und Molnliemi*' im „Familienbueh 
der Freiherru v. MOlleoheim-Jleohberg" II. T^eil 1. Abschnitt, 
8. 50 uachgewieaen. 



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— 85 — 



ihm herau^egebenen Chroniken Slrassburgs nachge- 
wiesen, dass es sich bei den Konstafeln lediglich um lokale 
Verbände handle» deren Namen von einzelnen Kirchen und 
Strassen der Stadt herrührten. Er findet in den Konstafeln 
die Edeln, die reichen Bürger aus dem höheren Kaufmanns- 
stand, solche, die von Renten aus Grundbesitz lebten und 
endlich in älterer Zeit aueh unzünftige Qewerbtreibende, die 
eine von den Oeschlechtem abhängige Klientel bildeten.** 
Nach Schmoller 17 waren die Konstafeln, ähnlich wie bei 
Hegel, Verbände, die geographische Teüe der Stadt umfassten. 
Sie führten diese Bezeichnung von ihrem gemeinsamen Dienst 
zu Pferde. 

Auch V. Borries, der neuerdinp^s die Frajrc gestreift hat,^^ 
hält an dem Resultat Hegels fest, nähert sich aber, da er 
öfters Konstafeln mit dem Namen von üeschlechtertrink- 
stuben bezeichnet findet, der Auffassung Schultes von dem 
Verhältnis der Konstafeln zu den Trinkstuben. So konstatiert 
er, dass im Jahr 1332 in der Nacht, in der das „Qeschellte*' 
der Zorn und Mülnheim stattfand, das Fest der „Rundtafel** 
von den Konstafeln auf den zu ihnen gehörigen Trinkstuben 
gefeiert wurde.^^ 

Zu diesen Eigebnissen oben genannter Forscher be- 
merken wir Folgendes: 

1. Eine Argumentation aus der Etymologie ist nie unbe- 
dingt beweisend. Das Wesen der Konstafeln muss unab- 
hängig von ihr einfach aus den historischen Nachrichten er- 
mittelt werden. 

15. a. a. 0. S. 85k ff. 

16. Dieselbe Auffassung bei E. v. der Nahmer, die Wehr- 
verfassungeu der deutsch. Städte in d. zweiten Hälfte des 14. Jahr- 
hunderts. Marburger Diss. v. 1888, S. 39. 

17. Zuuftkämpfe S. 15. 

18. a. a. 0. 

19. a. a. 0. S. 50. 



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— 86 — 



2. Es ist immer unsicher, aus einer bildlichen Darstellung 
die Kenntnis einer Orsranisation zu entnehmen. Auch hier 
muss man skSn an die geschriebenen Quellen halten. 

3. Es scheint nicht wahrscheinlich, dass die Konstafeln 

und Trinkstuben den gleichen Einteilungsgrund haben, aus 
dem Grund, weil unzünftige Gewerbtreibende in den Kon- 
stafeln vorkommen, die man wohl nicht zu den Trinkstuben- 
genossen der Geschlechter in jener Zeit rechnen wird. 

Diese Bemerkungen werden folgende Untersuchung, die 
aufs Neue «dk Quellen auf ihren Sachverhalt prüft, recht- 
fertigen. 

Das fünfte Stadtrecht (vor 1311) besagt in §507: die 
constofeler, wenne ein geschelle wurt, so süUent sü in ire 

constofel bliben one die des rates sint und sol nieman 

sich woffen. Im sechsten Stadtrecht (1322) heisst es in § 8a: 
welicher burger oder burgerin zu uszogen und zu andern din- 
gen nüt dienen wil, als andere, die in den cunstaveln ge- 
sessen sint . . die suUent niemer burger werden. In diesen 
Stellen ist doch ein deutlicher Hinweis auf lokale Verbände 
enthalten. Femer ist Üie Pflicht zu Kriegsdiensten und andern 
Leistungen in Beziehung zu den Konstafeln gebracht, so dass 
man vermutet: diese Pflichten wurden von den Bürgern oder 
von einem Teil dieser in den Konstafeln abgeleistet. Das 
Stadtrecht sagt weiter: es sol ouch mengelich von sinem gute 
hengest und pferde ziehen, su sint jung oder alt» die ir 
eigen gut haut und sollent alte constafeler und antwercmeister 
ir verfaren noch den haben (§ 22 c). Die Ausrüstung mit 
Pferden ist demnach nicht eine Besonderheit der Konstafeln. 
Sie ist eine allgemeine Pflicht der Inhaber eines Gutes. Die 
Kontrole über die Stellung der Pferde seitens der Bürger 
liegt in den Händen der Konstafeier- und Zunftmeister. 

Wir werden demnach einen Zweck für das Dasein der 
Konstafehl darin erkennen, die Bürger, soweit nicht schon 
die Zünfte i^^ccignete Verhäiide dafür darstellten, auf Grund 
einer topographischen Einteilung der Stadt zum Kriegsdienste 



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zu Ross heranzuziehen. Aber das ist nicht ihr einziger Zweck 
£fewesen. Dies geht sdion aus § 8 a des sechsten Stadt- 
rechts hervor. Der § 22 b ii. c. dieses Stadtrechts sa^ all- 
gemein: CS sol mengelich, wer in unser stat Strasburg" sitzet, 
es sint manne oder frowen, sie hörent zu constofehi oder ant- 
wcrckun, dienen yegelicher noch siner gebure mit namen 
constafeier mit constafeln, die zu der antwercken gehören 
mit antwercken; .... und wer nit diente .... das sullent 
die constaveler und antwercksmeister unsern herren meister 
rat furbringen. Alle Zunftgenossen und Konstafler haben 
also, jeder in seinem Verband, Dienste-" zu tun, die man, 
da das Stellen von Pferden ja noch besonders er\\'ähnt wird, 
als militärische und steuerähnliche Leistungen wohl auf- 
fassen kann. 

Wir erkennen somit allgemein das Wesen der Konstafeln 
darin, dass in ihren Verbänden die nichtzünftige Bürgerschaft 
zu den städtischen Lasten herangezogen zu werden pflegte. 

Den Konstafeln gehörten unzweifelhaft auch unzflnftige 
Gewerbtreibende an. Eine wichtige Aenderung bei dem Um- 
sturz der alten Verfassung im Jahr 1332 war die, dass man 
eine Mtnge neuer Zünfte gründete, so die Zunft der Schiff- 
leute, Komkäufer, Seiler, Wagner, Kistner und Gremper u. a., 
die vormals Konstofler waren.*^ 



20. Es handelt sich bei dem "Worte: „dienen mit" nicht 
lediglich um den Zwang, dem Verband anzugehören. Ich weise 
durattf hin, dass der ZunftzwanV; z. B. mit den Worten: einuog 
haben, einung gewannen, ius, ^uod dioitar einung ausgesprochen - 
wird. „Dienen mit" enthalt noch den speziellen Gedanken, dass 
ein Zwang besieht, mit dem betreffenden Verband Dienste su 
tun (s. oben S. 29 Anm- 25). Vgl. Bruoker a. a. 0. S. 430 ... er habe 
sinen einung und diene mit . . . 

21. Closener, a. a. 0. S. 126. Hegels Behauptung, diese 
unsflnftigen Qewerbsleute hätten eine von den Geschlechtern 
abhängige Klientel gebildet (a. a. 0. S. 968), ist aus der Luft 
gegriffen und lisst sich nicht beweisen. Maurer, Städtever- 



— 88 — 

Dadurch sollte offenbar die politische Macht der Zflnfte 
verstärkt werden. Weiterhin wurden im Jahr 1362 eine 
Anzahl Gewerbetreibender, nämlich Goldsdimiede, Tuch- 
scherer, Hamischmacher, Kannengiesser u. a. den Verbänden 
der Konstafeln entnommen und den einzelnen Zünften zu- 
geteilt.** 

Dass nun die Konstafeln und Zünfte im Felde die Ab- 
teilungen des städtischen Heeres bildeten, geht aus unseren 
Nachrichten vor 1332 nicht hervor. Unsere Quellen bedürfen 

daher der Ergänzung durch diu Ueberlieferung späterer 
Zeiten, ganz besonders aber auch dann, wenn die Frage eine 
Lösung finden soll, welcher Art das Verhältnis von Konstafeln 
und Geschlechtertrinkstuben zueinander gewesen ist. Denn 
darüber versagen die Quellen von 1332 gänzlich. 

Wie sind die Leistungen der Bürger in der Zeit der 
Zunftherrschaft in militärischer Beziehung gercij;elt? 

Im Jahr 1366 beschloss der Rat 1090 Glefen .uifzustcllcn, 
„von denen, die in der Stadt sind, es sei von Rittci n, Knechten, 
Bürgern und Handwerkleuten. "-^ Demnach leisteten auch 
Handwerker in der Ausrüstung als Glefen den Kriegsdienst, 

im Jahr 1360 bestimmte der Rat in einer Liste, welche 
Bürger Pferde zu stellen hätten. Ein Vermögen von tausend 
Pfund Denaren bedingte den Unterhalt eines Pferdes im 
Werte von zehn Pfund, von zwölfhundert Pfund eines Pferdes 
im Werte von zwölf Pfund u. s. w. Auch bei geringeren Ver- 
mögen konnten die Bürger zum Pferdesteilen herangezogen 
werden.** 

fassun*: I, S. 404 ' hält die erwähnten Handwerker in den Kon- 
stafela für angesehene iTCwerbetreiliende. Dies lässt sich keines- 
wegs mit Bestimmtheit behaupten. 
22. Closener, a. a. 0. S. 141. 

2S. SÜB V, n 718. Ueber diese Anordnung 8. unten 8. 186 
u. ebenda Anm. 15. 

24. SUB V, BatsbesöhlOsse S. 1038/9; Eheberg, a. a. 0. 
n 146* n 87 § 4: Die Pflicht des Pferdeskellenfi begann schon 
bei den Vermögen von vierhundert Pfund. (1448). 



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- 89 - 



Die allgemeine Pflicht des Bürgers ist der einfache Dienst 
im Harnisch.^'^ 

Im Gründe sind die erwähnten Verordnungen nur ge- 
nauere Ausführung^en der in den Stadtrechten aufgezeich- 

ncturi Bestimmungen über den militärischen Dienst der Bürger 
und sprechen nicht gegen unsere oben vorgetragene Auf- 
fassung. 

Eine allgemeine Pferdeschau fand, durch die ,,Stallherrn** 
statt, bei den Konstaflern in deren Häusern, bei den Zünften 
im städtischen Stalle.^« Der städtische Stall unter der Aufsicht 
der Stallherm nahm die von den Bürgern gelieferten Pferde 
in Kriegszeiten auf.^^ Es ist nicht ganz sicher, ob er schon 
vor 1332 von der Stadt unterhalten wurde. Nur eine Stall- 
gasse wird gelegentlich in den Strassburger Privaturkunden 
erwähnt.*® 

Dagegen steht eigentlich nichts der Annahme entgegen, 
dass die Ablösung, die für die Lieferung von Pferden im 
15. Jahrhundert in Geld stattfinden konnte, der sogenannte 
„Zusatz** 2i> auch schon in früherer Zeit üblich war. Da Pferde 
auch von Frauen gestellt wurden,'*^ da eine Ablösung möglich 
war, so erhellt, dass in Strassburg das Pferdestellen über< 



SÜB V, n 2&5: wortnit sinem harnasch ietscnt gedienet 
het und hinne sessehaft ist gewesen . . • der nit burger ist 
gewesen, aol . . . burger ein. 

26. Eheberg, a. a. 0. n 87 § 12 (1443). 

27. ebenda n 30, 8], 86 (15. Jahrhundert); n 155 § 81 (um 
1400): wenp diser krieg nsz ist und kein pfert me uff dem 
stalle ist 

2a SÜB nr, n 740 (ldl8); SUB VH, n 11; n 426 (1844). 

29. Ehebeig, .a. 0. an 87 § 5 (1448): statt eines Hengstes 
wurden 10 Pfund, statt eines gewöhnlichen Pferdes 8 Pfund 
gegeben. 

30. Eheberg, a. a. 0. n 87 § 1 (1448); SUB IVj, VL Stadi- 
leoht (1322) § 22b* 



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haupt den Charakter einer Steuer hatte, die eventuell auch 
in Geld gegeben wurde,'* 

Wahrscheinlich war dies auch in älterer Zeit möglich, 
da sich im Wesen der Pflichtleistung«! der Bürger keine 
Aenderung vollzogen hat. 

Für die Gliederung des städtischen Heeres im Felde sind 
vornehmlich die erhaltenen Listen der Aufrüstungen und Auf- 
stellungen der Bürgerschaft von Wert. Aber auch andere 
Nachrichten kommen in Betracht. 

Nicht immer leisteten die Bürger, die die Pferde stellten, 
den Rossdienst seihst. Es geschah z. B. die Aufstellung 
der Glefen in der Weise, dass kriegstüchtigen Leuten die 

pflichtmässig gehaltenen Pferde anderer zugewiesen 

wurden."'^2 

Die Konstafein sandten (neben den Zünften) im Jahr 
13Q7 eine Mannschaft zu Fuss zur Verteidigung der Krutenau 
ausser denen, ,,die uff pferde und zu glefen geleit sint'*.*^ 

Aus den Ausrüstungs- und Auf Stellungslisten von 1392 
gewinnen wir folgendes Bild von der Zusammensetztmg des 
Heeres. 

Jede KonstafeH^ stellt eine Mannschaft zu Fuss und zu 
P.oss aufß^ Die Scheidung zwischen Mannschaft zu Fuss 



31. vgl. aach 8UB Y, n8l7. Bekannt ist ja, dass die Gliede- 
rung nach Eonstafetn und Zünften bei der Umlage von Ver- 
mögenssteuern sur Anwendung kam (8UB V, n 781 (1366) ; s. 
Hegel, a. a. 0. 8. 959-f)0. Vgl. auch Eheberg a. a. 0. n 147 
§ 37 (um 1400) utid SUB IV^, VF. Stadtrecht § 22b. 

32. RUß Vr, n608 (1300); Süß V, n 317. 

33. SUR VI, n 1276. 

34. SUB VI, n 705, 706. 

35. Die Anzahl der K. ist hier aclit. S. darüber später. 
3fi. Die K. nUAlon auch Maunscliaften für den Tordienst 

n 705) : dieser war auch nach K. u. Zünften geregelt. Vgl. 
üV>er die Besetzung der Sradtmauer, Tore, Mauertürme das aus- 
führliche Verzeichnis von i3ö8-9 (SUB VI, n os-6). 



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und Mannschaft zu Ross wird in dem einen Verzeichnis •'^^ 
bei den Zünften nicht gemacht, ist aber, wie sich aus dem 
andern ei^bt, ebenfalls vorhanden. 

Das ganze Heer schart sich in 4 Abteilungien um die 
4 Meister der Stadt mit den Bannern. Die berittenen Truppen 
umgeben den zur Zeit präsidierenden Meister, nach Kon- 
stafdn und Zünften geordnet w&hrend das Fussheer in der- 
selben Anordnung, wie die Reiter, sidi bei den übrigen 
Meistern befindet.^^ Natürlich sind in dem Fussheer die 
Zünfte in der Ueberzahl. 

Diese Einteilung dem Prinzip nach auch für die Zeit 
vor 1332 anzunehmen, liegi um so näher, als vor 1332 eine 
Menge Handwerker den Konstafeln angehörten, die zum 
Patriziat nicht gerechnet werden können und zum grossen 
Teil wenigstens den Dienst zu Ross nicht geleistet haben 
werden. Sie fanden in den jeweilig zu Fuss ausziehenden 
Konstafelabteilungen ihre Aufstellung. 

Aus den benutzten Listen geht, eben w-eil sie die Heeic^- 
aufstellung erschöpfend darstellen wollen, die Anzahl di?r 
Konstafeln ziemlich genau hervor.''^ Ihre Namen sind vn 
Jahre 1392: „in Spettergasse", „zu St. Thomas**, „an der 
Oberstrasse'', „zum Mühlstein (mit „in Kalbesgasse'* iden- 
tisch"), „St. Nilcolaus über Breusch*', „St. Peter***! „vor 



37. A. a. 0., n 705. 

38. Ein ähnliches Verzeichnis SUB VI, n 849 (1334). 

39. In SUB V sind sie vollständig erwähnt nur S. 1061. 

40. SUB VI, n 706. Darfiber später. 

41. SUB V, n 535; ebenda S. 1051 ist noch die K. „im 
Giesseu" nachweisbar; n 241 führt ,,im Glessen" und K. „am 
Holzmarkt." suf. Nach v. Borries (a. a. 0. S. 50) wechseln die 
Namen öfters: so steht ,,in Kalhcsgasse" für „am Holzuiarkt.'' 
Warum ,,im Giesseir' 1392 nicht aufgeführt ist, vormag ich 
rieht zu entscheiden. Möglich ist, dass auf diese K. die Stelle 
zur Anwendung kam: so sint die in den Vörstetten geordent in 
ireii Vörstetten zu blibeu (aus mihtärisciieu ürUnden) iEbeberg 



— 92 — 



dem Mfinster". Die Konstafel „Im Giessen", die an anderer 
Stelle nachweisbar is^^^ eingerechnet, gab es in Strassburg 
acht Konstafeln. 

Da die Namen der Konstafeln von verschiedenen Kirchen, 
Strassen und Stadtteilen hergenommen sind, so bemerkt Hegel 
mit Recht, dass die einzelnen Konstafeln die Bewohner oder 
Anwohner der betreffenden Stadtteile umfassten, nach denen 
sie genannt vvurden^^ 

Die Entwicklung der Konstafeln in die späteren Zeiten 
zu verfolgen, ist hier nicht der Zweck. Hegel hat <;chnn dar- 
getan, wie sie später zu einer geschlossenen, in jeder Be- 
ziehung aristokratischen Adelsinnung geworden sind.^^ 

Uns beschäftigt nur noch die oben aufgeworfene Frage, 
ob, wie Schulte will, die Konstafeln mit den Trinkstuben 
gleichen Einteilungsgrund hatten und für ganz besondere 
Zwecke der Verwaltung geschaffen worden sind. Man kann 
sie aber auch aus den Quellen widerlegen.^ 

Die Namen uns bekannter Geschlechtertrinkstuben sind: 
„zum Hohensteg"*6, „zum Mühlstein",*«, „zum Briefe",*^ 
„zum Schiff*,*« „zu St. Thomas**,*^ „zum Bippemantz".*« 

V. Borries findet nun auf Grund topographischer Unter- 



a. a. O. n 215 § 9 s. 15. Jahrhunderts). Vgl. den Stadtplan bei 
Hegel a. a. 0. 

42. s. vorige Anmerkung. 

43. Die Grenzen der einzelnen Koustafehi würden sich viel- 
leicht genauer umschreiben lassen, wenn sich die Wohnungen 

' verschiedener Eonetafler feststellen liesseo. Eine Yei^eiohnng 
beeondera der Eegesten des Mflllenheimifichen Familienbuohs mit 
den erhaltenen Listen (a. a. 0.) wird da vielleicht lohnende 
Besnltate liefern. 

44. A. a. 0. S. 964 E 

45. 8. noch V. Borries a. a. O. S. 50ff. 

46. Glosener, a. a. 0. S. 125 (1832). 

47. 8UB V» n 1 Zeuge 5 (1882) ; (ZeugenprotokoU). 

48. SUB V, n ' 1021 (1872); flegel a. a. 0. S. 1060 (1401) 



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suchiing, dass die Bezeichnung „zum Hoheusteg'* gleichbe- 
deutend ist mit der „zu St. Peter", dass ebenso mit der 
Bezeichnung „St. Thomas*' und „zum Schiffe", „zu St. 
Nikolaus** und „zum Briefe** dieselbe Sache gemeint ist. 
Er findet öfters Namen der Trinkstuben für die genannten . 
Konstafeln ^^ebraucht. 

Wir wissen nun, dass vor der Verfassungsänderung von 
1332 und auch nachher der Gegensatz der Geschlechter, vor 
allem der Mülnheim und Zorn, die Stadt beherrschte. Den 
Versammlungsort der Familien und Parteien bildeten die 
Trinkstuben, besonders für die Zorn die Stube „zum Hohen- 
steg^', für die Mülnheim die Stube „zum Mühlstein".^'* 

Da nun durch einen Vergleich der besprochenen Listen -'^ 
der Konstafeln sich herausstellt; dass die Namen der Mit- 
glieder in den Konstafeln „zum Mühlstein" und „in Kalbes- 
gasse" dieselben sind, so folgt, dass mit beiden dieselbe 
Konstafel gemeint ist Demnach wiiti «ine Konstafel nach 
einer Trinkstube benannt! Man könnte deshalb vermuten, 
dass die Mitglieder der Konstafel „zum Mühlstein" (oder 
,.in Kalbesgasse") auch Mitglieder der Trinkstube „zum 
Mühlstein" sind, mithin das Konstafel und Trinkstuben den 
selben Kreis Von Personen umschliessen. Indessen diese Ver- 
mutung ist unmöglich aufredit zu erhalten. Denn prüft man 
die fJamen der Mitglieder unserer Konstafel, so findet man, 
dass diese ganz verschiedenen Parteien angehören und un- 
möglich üenosscn ein und dcrselbLii Trinkstube sein können. 
So unischlicsst die Konstafel mehrere Zorn, die erbittertsten 
Feinde der Mülnheim, und diese selbst. Wichtiger noch ist 
die Tatsache, dass die einzelnen Oeschlechterfamilien, die 
im u cscntlichen wohl vollzählig zu einer Partei gehören, auf 
die verschiedenen Konstafcin verteilt sind. Die Mülnheim und 
Zorn finden sich fast in allen Konstafeln und oft nebenein- 



49. Königshofen bei Hegel a. a. 0. 8. 748. 
60. 8UB VI, D 706, 706. 



— Q4 — 

ander. Wäre es richtig, dass die Konstafel „zum Mühlstein** 
die Genossen der gleichnamigen Trinkstube enthielt, so 
müssten ihr alle Mülnheim oder möglichst viele angehören. 
Dies ist aber nicht der Fall. 

Man ist deshalb veranlasst, eine andere Erklärung dafür, 
dass eine Konstafel zwei Namen führt, zu suchen. Sie ist 
ziemlich naheliegend: die Konstafcl „in Kalbesgasse'' hiess 
nicht ,,/um Mühlstein'', weil sie die Oenossen des „Mühl- 
steins'' unifasste, sondern weil die Stube in dem Bezirk der 
Konstafel lag und man sich daran gewöhnte, diese nach jener 
zu nennen.*^ 

Bevor wir nun unser Resultat auch auf das Verhältnis 
dec übrigen Konstafeln zu den Trinkstuben übertragen, prüfen 
wir noch ein Verzeichnis über die Aufstellung einer städtischen 
Mannschaft, die im Jahr 1372 aufgebracht wurde, um dem 
Kaiser gegen den Herzog von Jülich zu dienen.^^ Es scheinen 
hier die Konstafeln mit den Namen von Trinkstuben bezeicfa- 
net zu werden, nämlich die „zum Bippemantz",ö8 „zu St 
Thomas'', „zum Briefe". Soweit die Zeitunterschiede einen 
Vergleich überhaupt zulassen, wollen wir dies Verzeichnis 
von 1372 mit dem von 1392^^ veigleichen. 

Einen sicheren Schluss lässt nur das Verzeichnis der 
zum „Brief, und zu „St Thomas'' gehörigen Personen zu.^ 
Pauwelin Mosung diente im Jahr 1372 mit denen „zum Brief" 
und im Jahr 1392 mit der Konstafel „an der Oberstrasse".^ 
Ein Zusammenhang der Trinlcstube mit der Konstafel „St 



51. 8. Hegel a. a. 0., Stadtplan n 125 u. n 122. 

52. SÜB V, n 1021. 

53. Die Lage der Htube „sum Bippemants" (Hegel a. a. 0. 

S. 1050, wie die von „St Thomas," ist nicht bekannt Die Stube 
^,s5um Briefe" liegt in der Nähe von St Nikolaus. 

54. Süß VI, n 705. 

55. Die übrigen Namen kommen a. 1892.niGht vor. 
öü. Öüß VI S. 879. 



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Nikolaus", in deren Bezirk sie lag,-^'' ist demnach ausge- 
schlossen. Dasselbe gilt von „St. Thomas", die sich als Trink- 
stube und nicht als Konstafel erweist, da ihr Cunt7. Lentzelin 
angehört, der im Jahr 1392 Mitglied der Konstafel „am Hol- 
weg" ist.^^ 

Natürlich geht man auch fehl, wenn man da, wo der 
„Hohensteg/' die Stube „zum Schiff** genannt werden, Kon- 
stafeln annimmt. In der Urkunde von 1360, nach der ein 
Bürger die „zum Hohensteg" mit den Worten gewarnt hatte: 
^Seid gewarnt, die zum Mühlstein und die von St. Thomas 
wollen euch und die zum Briefe überfallen" ist natürlich an 
die in feindlichem Gegensatz zu einanderstehenden Parteien 
auf den Trinkstuben gedacht.-'^ Zudem sind auch nur die 
Namen der Trinkstuben aufgeführt. 

Natürlich geht man auch fehl, wenn man da, wo der 
1332^0 sind ciie aufgeführten Personen „zu St.. Thomas'* 
und ,,zum Hohensteg'* Genossen blos der Trinkstuben. 
V.. Borries ist im Irrtum, wenn er behauptet, dass die Mit- 
glieder verschiedener Parteien gleiche Kleidung trug&ni d. h. 
derselben Konstafel angehörten.*^^ Es wäre das bei der 
Konstafel eine Uniformierung, die für eine so frühe. Zeit gar 
nicht belegt werden könnte. Er gelangt nur dadurch zu dieser 
Ansicht, dass ihm Konstafeln und Trinkstuben denselben 
Kreis von Personen umschliessen. Die Familien der Ge- 
schlechter und auch die einzelnen Parteien trugen zu dieser 
Zeit allgemein gleiche Kleidung. Die städtische Verwaltung 
aber sah sidi im allgemeinen Interesse, besonders da es 

57. Hegel a. a. O. Stadtplan n 102, 79 vgl. Closener a. a. 
0. S. 125, 

68. SÜB VI, S. 886. 

59. Ueber die Bedeutung, die diese Stelle fbr das Veratahd- 
oia des Gesohelles von 1822 hat, s. v. Borries a. a. O. 8. 51. 

60. Süß V, ö 1. 

61. SUB V, n 1, Zeuge 5: er aach onch eiuen, der kleider 
reit mit der trinckstuben voti Sänt Doman. 



— 06 



durch diese Art, seine Partei zu vertreten, nicht selten zu 
offenen Reibereien gckcnnmen sein ina^, genötigt, dagegen 
einzuschreiten. Auch in Slrassburg findet sich das Verbot 
des Tragens gleicher Kleidung ungefähr um die Mitte des 14. 

Jahrhunderts, wahrscheinlich eine Verordnung der neuen Re- 
gierung.'-' 

Unsere Darstellung des Verhältnisses der Trinkstuben- 
gesellschaften zu den Konstafeln gilt freilich für eine spätere 
Zeit, sie kann aber ihre Geltung wohl auch für die frühere 
Zeit beanspruchen. Finden wir, dass Konstafeln und Trink- 
stuben selbst später nicht identisch wurden, wie man geglaubt 
hat, so mag dies ein Beweis dafür sein, dass es früher auch 
nicht so war. 

Die Frage des Alters der Konstafeln, besonders auch die 
Frage, ob die Zünfte ihrem Verband allmählich entwuchsen, 
wie Schmoller annimmt,^ lasst sich nicht einfach beantworten. 
Es fehlt dazu das Material aus früherer Zeit Der Autor des 
Bellum Waltherianum berichtet, obscbon er Gelegenheit dazu 
hätte, nichts über die Konstafeln. Wohl ist es möglich, dass 
ihre Entstehung in die Zeit unmittelbar nach 13(^ fällt, in 



62. SUB IV„ VI. Stadtrecht § 448: Die Qenouen keiner 
Trinkstube oder Gesellschaft dürfen sich bei Strafe von sol. 
und vierwöehentlicher Verbannung ans der Stadt gani oder halb 
gleich kleiden. Nur iu den Familien durften dies der Vater 
seine £iuder und Schwiegersöhne tun, 

63. Unser Resultat ei>!:il)t ülnigens auch ein anderes Bild 
Yow dem Fest drr ..!! uidtafel," dessen Feier den Kampf der 
Zorn und Mülnheim iierbeifÜhrte( Vgl. Schulte a. a. O, S. 605 ff.). 
Während mrin bisher annahm, dass das Fest von den Kon- 
staflern auf iluen einzelnen Trinkstuben gefeiert wurde, müssen 
wir sagen, dass erstere c^^r nichts daltei zu tun hatten, sondern 
die 'rrinkstuljcii, jr>de i'uv sich, das Fest hegingeJi Dabei bh-ibt 
froüirh die Fra:--'' i.nnu'rhin dunkel, wie dann die Parteien an 
einander gerieten (vgl. v. Bornes a. a. O. S. 52). 

64. Q. Schmoller, Zunftkiimpie S. 15. 



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— 97 — 

der sich der. Aufschwung der Stadt so überraschend schnell 
volhsog, dass die schon bestehenden Zünfte geeignete Ver- 
bände darstellten, um zu den stadtischen Diensten heran- 
gezogen zu werden, und der Rat dann die übrigfe Bürgerschaft 

in die lukalcn Bezirke der Konstafeln einteilte, um in be- 
quemer Weise ihre Pflichten zu regeln. 

Aber woher stammt die eigentümliche Bezeichnung 
dieser Bezirke? 

Die Quellen j^eben keinen Aufscliluss. Offenbar ist der 
Ausdruck Kunstafel eine Urnbildung eints lateinischen Wortes 
nach Strassburger Mundart; die lateinische Form ist uns 
freilich nicht überliefert. 

Eine interessante Analogie bietet die Stadt Aachen, in der 
seit Ende des 13. Jahrhunderts eine Einteilung nach Graf- 
schaften für gewisse Verwaltungszw ecke, jedenfalls wohl von 
der Stadtobrigkeit vorgenommen, bestand, deren Vorsteher 
comestabuli, später in Aachener Mundart Christoffel hiessen.*^^ 
Höffler zitiert in seiner Dissertation über die Entwicklung der 
Verfassung Aachens zu den Grafschaften ein Analogen aus 
der französischen Stadt Douai, das geeignet ist, auch uns 
weiter zu führen.<^^ Dort hiessen die Stadtbezirke conn^- 
tablies.«^ Die Aehnlichkeit dieses Ausdrucks niit den 



65. vgl. H. Höffler, Entwicklung der kommunalen Verfossung 
und Verwaltung d. Stadt Aachen bis zum Jahr 1460. Harb* 
DisB. T. 1901, S.72 ü.'j ygl. auch dazu die Bemerkungen Opper- 
aanns in „Deutsohe Literatnrseitung" 1902, Öp. 476. 

66. a. a. 0. S. 76 Anm. 6. 

67. s. 6. Espinas, Les Finances de la commune de Douat 
des originea au XV« aiiele in der „Nouvelle Revue historique du 
droit fran^ais et etra-.iger." XXV (lüOl S. IGlff.), 3,179*. 

68. Nach Ernst Meyer, Deutsche und französische V'erFassunge- 
gcschichte S. 230 f. (vgl. S. 230 Anm. 9) tritt ein Bedeutungs- 
wechsel des Wortes conatabularius ein, indem später dieser ein 
Vollstreckungsbcamter wird, dessen Amtsbezirk dann constabu- 
laria genannt wurde (Beispiele S. 231). Ob Meyers Erklärung 



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- Oe - 

„constofeln*', „cunstaveln" ist unverkennbar. Man wird natür- 
lich nicht sagen, dass von Douai gerade der Ausdruck Kon- 
statehi herübergenommen wurde, aber offenbar handelt es 
sich bei ihm um etwas, was von Frankreich nach den 
deutschen Grenzbezirken übernommen worden ist. 

b. Das Steuerwesen. 

Es steht ziemlich fest, dass die militärische Verfassung 
der Stadt vor 1332 schon ganz auf den Verbänden der Kon- 
stafeln und Zünfte t>eruhte. Dass diese Verbände nun auch 
anderen Zwecken gedient haben, ist oben schon bemerlct 
worden. Jedenfalls aus der Zeit der Abfassung des sechsten 
Stadtrechts haben wir sichere Kunde, dass alle städtischen 
Dienste durch Konstafeln und Zünfte geregelt wurden (Stadt- 
recht §§ 22 b und 22 c). Eine her\'orragende Stellung unter 
diesen Diensten, namentlich unter den materiellen Leistungen 
der F^ürger, nahmen die Steuern ein. Wir kommen zu dem 
Resultat, dass schon vor 1332 walirscheinlicii die Steuern 
zum Teil zunftweise aufgebracht wurden. Jedoch ist eine 
genauere Regelung der Steuerpflicht vor 1332 nicht über- 
liefert 

Noch bevor die Quellen fit>er die Erhebung allgemeiner 
Steuern in den Verbänden der Konstafeln und Zünfte be- 

. richten, bediente die Stadt sich schon der eigentlichen städti- 
schen Steuer, des Ungeldes.'" Denn die Angriffe Bischof 
Walthers auf die Stadtverwaltung im Jahr 1261 richteten 

zutrifft, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls aber ist seine Be- 
merkung über die Straasburger Verhülhnsse, das8 die Konstabier 
dort die jungen, vornehmen Bürger gewesen seien (S. 231), 
unrichtig. 

69. vgl. SUfi V, n 88 (13Sa) dienst» (ai» die Stadt) lihendes 
und gebendes. 

70. vgl. G. V. Below, Artikel „Ungeld^ im „H>ndwArt«rbuch 
der Staatswisaettsehafteu« 2 A. VH, S. 898. 



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sich gerade gegen die selbständig vorgenommene Besteuerung 
des Weines und Mahlens durch den Rat.'^ Aus den Worten 
des Bischofs geht übrigens auch hervor, dass schon längere 
Zeit der Rat diese indirekten Steuern in bestimmten Zeiten 
erhoben hat (und sü wissent, das wir desselben ungeldes 
wol gestattetent zi nCtnene, swenne wir sehent, daz es der 
stette notdurftig vvere).^- Nach 1236 befindet sich die städti- 
sche Verwaltung in dem unbestrittenen Besitz des Rechtes, 
das Ungeld zu erheben. Es ist im Jahr 1279 eine Ungeldkasse 
vorhanden, die wohl vom Rat durdi «ine Deputation ver- 
waltet wurde.^^ In diese Kasse aber floss nicht das Ungeld 
aHein, sondern auch ein Teil der Bussen aus dem Rats- 
gericht^^ Sie scheint vor 1332 die erste und wichtigste Kasse 
der Stadt zu sein. 

Sicherlich dehnte sich mit der Zeit der Kreis der be- 
steuerten Produkte weit aus.^^ 

Ob die Ungeldsteuer auf den gewerbtreibenden Klassen 
schwer lastete, lässt sich nicht fesstellen. 

3. Zünfte und städtische Selbstverwaltung. 

Ein Vergleich der den Handwerkern auferlegten bürger- 
lichen Pflichten mit denen der übrigen Bürgerschaft wird 
einen Unterschied des Masses der Pflichten auf beiden Seiten 
nicht ergeben. Es ist nun die Frage, ob sich dasselbe Ver- 



71. SUB I, u 467, 11 471. 

72. ebenda n 471. 

73. SüB IV,, IV. Stadtrecht § 97 (1279): man so! aUe jor 

das uugelt recheuen dem nuwen rat. 

74. ebenda, V. Stadtrecht i< 352,smj5'8§ 27, § 02 (vor 1311): 
die Gelder fallen meist zur Hälfte an die Kasse. Die Alicraben 
der Juden zieht sie übrigens ebenfalls ein: VL Stadtreckt § 69 
(1322). 

75. Ueber die Einnahmen der Ungeldkasse in späterer Zeit 
vgl. Eheberg, a. a. 0. n 10 (Neuordnung des Stadthaushaitesj 
§ 67 (1405). 



— 100 — 



hältnis auch in der Ausübung bürgerlicher, vorzugsweise po- 
litischer Rechte vorfindet. • •' . ' . .' ' 

a. Zünfte und Rat. 

Das wichtigste Verfassungsorgan, das -seit Anfang des 
43. Jahrhunderts die Leitung der städtischen Verwaltung über- 
nahm, war der Stadtrat. Wenn eine Börgerklasse auf das 

Regiment der Stadt einen sichtbaren Einfluss ausübt, so 
äussert sich dieser darin, dass es iiu gehngt, sich im Stadtrat 
eine Vertretung zu verschaffen. 

Wie wenig eine solche Vertretung sich der Handwerker- 
stand, speziell die Zünfte Strassburgs zu erringen imstande 
gewesen sind, das zeigt am besten die Entwicklung der Strass- 
burger Ratsverfassung. Wir können uns hier kurz fassen, da 
gerade die Frage der Ratsverfassung neuerdings eingehendere 
Erörterung gefunden hat.' 

Schon im 12. Jahrhundert begann der Prozess der all- 
mählichen Aussonderung einer Klasse der mächtigsten und 
angesehensten. Bürger, die, wenn es galt, die Interessen der 
Bürgerschaft vor dem Stadtherrn vertrat.- In den Urlcunden 
werden diese Bürger als die „meliores" oder „maiores urbis'' 
bezeichnet."^ 

Die Grundlage für eine weitere abgeschlossene Ent- 
widmung der angesehenen bürgerlichen Kreise wurde dann 
durch die Genehmigung des Stadtrates im Reiten Stadtrecht 
durch den Stadtherm, den Bischof, geschaffen. Denn für 
die Qesamtvertretung der Bürgerschaft kam sofort, .wie es 
scheint, nur die Klasse der ,,cives sapientiores et honora- 
• biliores'S der „omhes maiöres" ausschliesslich in Betracht^ 



1. vgl. Max Foltz, in der schon oben zitierten Diasertation. 

2. Foltss. a. a. 0. S. 19^ 

3. ebenda, S.- 18. 

4. ebenda, S. 21; vgl. Keutgen, Urlt. u. 127 (II. Stadt- 
recht) § 1. 



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— 101 — 

Nähere Bestimiiiungi;ii über die Wahl der Ratsherrn 
sind indessen in dieser frühen Zeit nicht aufgestellt worden. 
Vielleicht w aren es jetzt schon die vornehmen Bürgerkreise, 
die das Recht der Wahl ausübten.'^ 

Die Bürß^crschaft, die nicht zu diesen mcliores civcs c^e- 
hörte und die wir mit ziemlicher Sicherheit mit dem grössten 
Teil des gewerbtreibenden Bürgerstandes gleichsetzen dür- 
fen, wurde also schon in der ersten Entwicklung städtischer 
Autonomie von einer mächtigeren Partei zurückgedrängt. Es 
bedarf nicht mehr weiteren Nachweises, dass weit weniger 
die Ministeriaiität als gerade die vornehme bürgerliche Be* 
völkening die Reihen der Ratsfähigen bildete.® 

Es war nun nicht etwa der gänzliche Verzicht auf jegliche 
gewerbliche Berufstätigkeit, der dem Bürger die Ratsfähigkeii 
garantierte. Denn wir wissen, dass in frühen Zeiten die rats- 
fähigen Bürger nicht allein Grundbesitzer, Kaufleute in ihren 
Kreis aufnahmen. Auch Handwerker gehörten in ihre Reihen. 
Es sei hier an die interessanten Urkunden von 1237? und 
1240^ erinnert, in denen unter den zwölf officiati der Kürsch- 
ner, die alle das Handwerk selbst ausübten, Mitglieder rats- 
fähiger Geschlechter, der Virnekorii, Kcbstock, Sluch, v. Saar- 
burg, V. Hagenau, Marsilius, sich nachweisen lassen, von 
denen Marsilius, Rebstock und Virnekorn in den Urkunden 
selbst unter den Konsuln genannt werden,'' 

Diese Handwerker übten eben ein vor allen andern an> 



5. ebenda, S. 22 Anm. 84. 

6. Diesen Nachweis hat Foltz erbracht. 

7. (Uugftdruckte) Stadtordnungeii, ßd. 33, fol.' 98. Hier 
werden die 12 offidati selbst Kürschner- genannt. 

8. SUB 1, D 268. 

9. Foltz a. a. O. S. 35. Sie gehören jedoch ausser Marsilius und 
Saarburg zu den Geschlechtern^ die schon am Ende des 13. Jahr- 
hunderts ans dem Rat verschwinden ; ygl. Folts a. a. 0. 8. 28 
(Liste der Jlatsßlhigen). 



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gesehenes Handwerk, das sie sozial den Kaufleuten gleich- 
stellte. 

In den ersten Zeiten de Ratsverfassung ist noch nicht 
eine so strenge Abschliessung bemerkbar, wie später. Wir 
beobachten im ganzen 13. Jahrhundert den Eintritt bisher 
unbekannter Bürger in den Rat, unter denen vielleicht mancher 
den Handwerkerkreisen entstammte. 

In eine neue f^hase der Entwicklung trat die Ratsver- 
fassiing seit dem Vcrnleich von 1263 ein Der Einfluss des 
Bischofs auf die Ratsbesetzung verschwand gan/licli. Am 
Schlüsse seiner Amtszeit wählte der Rat selbstandiir den 
neuen Rat. Die vom Rat ausgeschlossene Bürgerschaft war 
nun vollends nicht mehr imstande, einen politischen Einfluss 
auf den Rat auszuüben. 

Jedoch nicht die gew erb treiben de Bürgerschaft, die schon 
im Anfang zurückgedrängt war, allein verlor auf diese Weise 
die Verbindung mit der regierenden Partei, in dieser selbst 
usurpierte eine kleine Zahl von Familien das Recht der Rats- 
besetzung, geriet in den völligen Besitz der „Ratskl*7en'^ 
Alle die, die nicht zu diesen wenigen Oeschlechtem gehörten, 
verloren ihre widitigsten politischen Rechte. 

Dieser Zustand tritt uns im Anfang des 14. Jahrhunderts 
vollendet entgegen. Der abgehende Ratsherr, der die Kur 
hatte, ernannte seinen Nachfolger. Kein anderer Bürger 
konnte in den Rat kommen, wenn er nicht von einem, der 
die Kur hatte, eingesetzt wurde.^^ 



10. So ist „her" Jbhann Kuruagel im Jahr 1877 als Mitglied 
der Weinleutesunft nachweisbar (SUB V, n 1267). Die Familie 
Kurnagel gehört zu den Ältesten ratsfähigen Geschlechtem (Folts 
a. a. 0. 8. 28). TJebrigens sind die dem 7. Band des Str.- 
Urkundenbuchs angefügten Ratslisten (1832 — 14CX)} von grosser 
Bedeutung für die Erforschung der ständischen und gesellschaft- 
lichen Verhältnisse der Stadt. 

11. und firetorst ouch kein andere bürgere .... in dem rate 
sin, es were das der die kure hette des jors, in bette dreiu- 



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Ein strenges Verbot iraf im Jahr 1302 den Verkauf der 
Kuren,i2 im Jahr 1303 die Ablehnung des Raisamtes.!' Bei 
dem Tode eines Ratsherrn wurde der nächste Erbe des Ver- 
storbenen sofort Ratsherr.^^ In der Einleitung des sechsten 
Stadtrechts heisst es: 24 ersame ingesessener burger, der 
Vetter und der vordem in dem rate sint gewesen, werden 
gesetzt zu ratherm.i^ 

Aus der Tatsache, dass nach den Ratslisten im Rat 
regelmässig mehrere Angehörige derselben Familien sassen/^ 
folgt, dass nicht einmal 24 Familien — die Zahl der Rats- 
mitglieder betrug 24 — im Besitz einer Ratskur waren. Eine 
Familie konnte also mehrere Kuren besitzen. 

b. Zünfte und Schöffel. 
Der Rat war nicht die einzige regierende Körperschaft in 
der Stadt. Er hatte neben sich eine allgemeinere Gemeinde- 
vertretung. Schon im zweiten Stadtrecht wurde die Gewöhn» 
heit, in wichtigen Fällen die ganze Gemeinde um ihr Urteil 
zu befragen, ersetzt durch die Berufung von Schöffen. Es 
mag gleich hier hervorgehoben werden, dass diese Schöffen 
etwas ganz anderes waren, als die sonst in den deutschen 
Städten vorkommenden Schöffen, die Beisitzer des öffent- 
lichen Gerichts. Denn erstens ist für Strassburg nirgends 
ein derartiges SchöffenkoHegium nachweisbar^^, zweitens er- 



gesetaet, das er ouch wol dun mochte, Closener, a. a. O. 
S. 138 (1882). 

12. SÜB IV«, V. Stadtrecht § 12. 

18. ebenda § 18. 

Ii. ebenda § 19. 

16. SUß IV, a. a. 0. % 2a (1822). 

Ifi. SUB III, S. 412 ff. 

1 7. Vgl. Schalte in ZGORh, NF VIH, 8. 496 £f. und SUB. III, 

S. 410. 

18. vfi}. Maurer, Städteverfassung II, § 333. In Schwaben 
gab eR überhaupt kaum Schöffen (vgl. Schröder, Bechtsgesch. 
S. 172), 



— 104 — 

• * 

schehien 'die Sdiöffeti hier, wie wir sehen werden, in einer 
Amtstätigkeit, die sie nicht als Beisitzer des öffentlichen Ge- 
richts kennzeichnet.'^ 

Die Strassburger Schöffen treten in zwei versdiiedenen 
Tätigkeiten auf. Erstens waren sie öffentliche Urkunds- 
personen (festes), die gemeinsam von der Bürgerschaft ge- 
wählt wurden.^ Zweitens wurden die Schöffen in wichtigen 
Angelegenheiten in die Ratssitzung berufen und um ihr Ur- 
teil befragt.** In späterer Zeit wirkten sie hauptsächlich mit 
bei Festsetzung neuer Ratsbeschlüsse, bei Verfügung des 
Rates über die städtische Allmende.22 

Die Schöffen treten nun früh schon nicht unter diesem 
alleinigen Titel auf. 

Im Jahr 1204 wurde ein städtisches Oriindstück auf 
städtischer Aue durch Meister und Rat, scabini et officiales 
verpachtet.-^ Kein Zweifel besteht, dass wir in den scabini 
die .Schöffen des zweiten Stadtrechts zu sehen haben. Alle 
wichtigen Beschlüsse, die besonders in den Stadtrechten Auf- 
zeichnung fanden, wurden fortan von „Meister und Rat, 
Schöffel und Amman'' erlassen. Es ist anzunehmen, dass 
das Wort Amman (Amtmann) nur die Uebersetzung des 
lateinischen officiales ist. Ditsß . Uebersetzung wird auch 
durch die Verbindung ,3chöffel und Amman" gerechtfertigt. 

Ueber das Wesen und den Stand dieser Schöffel und 
Amman, die, wenn es dem Rat gefiel, von dem Amman- 



]'J. Dagegen spricht aucli nicht, wenn erst im Rechsten Stadt- 
recht die Schöfifea besonders (neben andern vom Rat bestimmten 
Borgern) ati den niederen Gerichten Urteil sprechen sollen 

(§ 202 a, n. b.) 

20. Ken igen, Ork. n. 127 § 24. ' 

21. el)cnda § 5. 

22. Ut'bor üire R( t* ili^ung dabei 8. später in dem Abschnitt 
über die W rwaltun^; der Allmende. 

23. SUB. I, u 270. 



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meister^^ zusammenberufen wurden, sind verschiedene An- 
sichten-ausgesprochen worden. Haben wir es mit zw€t ver- 
sdiiedenen Verfassungselementen zu tun und sind seit der; 

Zeit der Abfassung des zweiten Stadtrechts die Amman als 
eine weitere Vertretung der Bürgersciiaft zu den Schöffen 
hinzugekommen, oder ist diese Verbindung anders zu deuten ? 

Erstere Ansicht vertritt namentlich Andreas Heusler.-^ 
Er sieht in den Schöffeln die Vertreter der Geschlechter, 
in den Amman aber die Meister der Zünfte, die die zünftische 
Bürgerschaft vertraten, und nimmt seit 1300 ungefähr eine 
Vereinigung dieser beiden Verfassungsclemente an. Aus den 
Url^unden des ersten Bandes des Strassburger lirkundenbuchs 
zieht E. Kruse-''' denselben Schluss und findet ,,die Mit- 
wirkung der Handwerker als eines von den Schöffeln ver- 
schiedenen, aber ebenso demokratischen Elementes in der 
Stadtverfassung 'schon für die erste Hälfte des 13. Jahr- 
hunderts." 

Nach Leupold^* sind die Amman ein Auschuss der Zünfte, 
nicht der Zunftmeister, zur Besprechung und Wahrung ihrer 
Standesinteressen, der aber seit Ende des 13. Jahrhunderts 
mit dem Schöffenlcolleg in^ den Rat berufen wird, so dass 
nun die vereinigte Körperschaft bald „Schöffel und Amman''» 
bald „Schöffel'' aHein genannt wird. Demgegenüber sieht 
Hegel^'in den Schöffeln und Amman dieselbe Sache; ihre 



24. Dieser ist erst seit Anfang des 14. Jakrhuiiderts nachweisbar 
(BUB IV,, V Stadtrecht § 51). Ueber ihn später. 

25. Heusler, Vcrfassnngsgftsch. d. Starlt Basel im Mittelalter 
(1660) S. 478 ff.; derselbe, Ursprung d. deutsch. Stadt Verfassung 
8. 203 Anm. u. S. 205. 

26. „Verfassungsgeschichte der Stadt Strassburg"s. Ergiinzungs- 
heft der „Westdeutschen Zeitschrift für Gesch. u. Kunst" (1S84). 

27. „Bischof Berthold von Buchegg." Strassb. Dissertation 
YOn 1882. ö. 85 fr. 

28. Hegel, a.- a. 0. IS. 955 £f, • 



— 106 — 

Wahl erfolgte, wie aus einem Zusatzartikel zum Stadtrecfat 
von 1322 hervorgehen soll,^^ im Anschluss an die Konstafeln 

und Zünfte, „die politischen Korporationen, aus denen als 
organischen Glied ern die Gemeinde der Bürgerschaft 
bestand." 

Durch die Stellungnahme zu unseren Nachrichten werden 
wir die Begründung der Ansichten obengenannter Forscher 
genauer kennen lernen. 

Unhaltbar ist die Ansicht, die eine von einander un- 
abhängige Entwickhing zweier Kollegien annimmt, die erst 
um 1300 zu einer Vcreinigunjr geführt habe. Dn^eeen spricht 
die Tatsache, dass bereits im jnhr 1240 die scahini et c^fficiales 
als eine einzige, bei demselben Geschäft tätii^e Behörde auf- 
treten. Aber auch vorher gibt es keine Nachricht über 
einen Zünfteausschuss, der unter dem Vorsjtz des Amnian- 
meisters die Interessen seines Standes wahrte. Die Amman 
sind nirgends allein aufgeführt. Wir müssen deshalb eine 
solche willkürliche Annahme ablehnen. 

lieber die Schöffel gehen die Ansichten nicht auseinander. 
Die Quellen sagen zu deutlich, dass die Schöffel da, wo 
. sie allein genannt werden, den Geschlechtern angehören. Im 
Jahr 1330 führt z. B. eine Urlcunde 12 Strassburger Schöffen 
an, die ein Ratsurteil über die Teilnahme der Weberinnen 
am Dienst der Weber beurkunden.^^ Alle gehören ratsfähigen 
Familien der Stadt an. 



29. SÜB XVj, a. a. 0. § 2Gf. 
80. SUB I, n 270. 

31. SUB II} n 619 (vgl. Folts, a. a. 0. 8. 28: Liste der rats- 
fKhigen Geschlechter). Die gerichüiehe Bedeutung der Schaffen 
ist übrigens seit dem 13 Jahrhundert nicht zurückgegangen. 

Eine bestimmte Gewohnheit, die SchrifT- n mit ihrem Amtstitel 
aufzuführen, liat sich in Ötr. nicht ansgcluldct. So müssen wir 
die urkundendeii Personen einer Urkunde von 1311 (SUB III, 
n 680) als S. höffel erkennen. Die Urkunde wurde 1338 (ebenda 
S. 210 Aum. 1) erneuert und vou eiuer Anzalü ueuer Schöffel 



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j 



— 107 



Eine vom Rat 1261 ausgestellte Urkunde,^* nach der ein 
Bürger einem andern sein Haus verkauft, führt unter den 
Zeugen nach der Aufzählung der Räte an: ,,Reinboldelino, 
Erbone Grimel, J. von Vegersheim seniore, Rulino Riplino, 
H(einrico) Marsilio scabinis et amman," 

Während nun Heusler die amman als Zunftmeister be- 
zeichnet und sich dabei auf ein Behördenverzeichnis von 
1788 stützt, in dem hinter den Schöffen die „Herren Zunft- 
meister** folgen, interpretiert Kruse die amman als die den 
Schöffen beigeordneten Zunftmeister, indem er auf die Zeugen 
einer andern Urkunde, deren Inhalt uns übrigens unbekannt 
ist, sich beruft, in der ausser den Ratsmitglicclern als Zeugen 
genannt werden: von den amptluten Walther der kuffcr- 
meister, Heinrich der sm\ dcmeistcr/^* Kruse identifiziert also 
den Ausdruck amptlute mit amman. 

Indessen ist es doch zu gewagt, eine Behördenverzeich- 
nis des 18. Jahrhunderts für einen Fall des 13. Jahrhunderts 
heranzuziehen. Man wird doch zunächst aus den Quellen 
dieser oder wenigstens einer ihr naheliegende Zeit sich 
Sicherheit zu verschaffen suchen, ehe man Narhrichten der 
Neuzeit verwertet. 

Welcher Ausdruck wird in Strassburg für die Hand- 
werkerzünfte gebraucht? 

Im ersten Stadtrecht wurden die Zünfte unter dem Aus- 
druck officia aufgeführt Dieser kehrt auch später noch 
wieder; so werden im Jahr 1261 die Zunftvorsteher als ma- 
gistri offidorum bezeichnete^ Noch in demselben Jahre er- 
scheinen sie in einer deutschen Urkunde als ,,antwerc- 
meister/'Sfi Auch die Stadtrechte in deutscher Sprache 

■ 

besiegelt, weil die damals aiegelnclen Sohöffel alle bis auf einen 
gestorben maea. 

82. STJB I, n 479. 

33. Süfi I, n 431, Anm. 3 (1258). 

84. Süß I, n 467. 

86. tiUB I, u 471. 



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— 108 — 

nennen die Zünfte und Zunftmeister nur ,,antwercke", „ant- 
. werckmeister". Der Ausdruck ^Amt" (Ist. officium) wird 
hinfort nur gebraucht, um ein Amt im engem Sinn zu be- 
zeidinen.'^ Unverkennbar aber ist der Zusammenhang des 
Wortes amman mit ambaht, ambahtman (Amt, Amtmänn). 

In der oben angeführten Urkunde ist der Ausdruck 
amptlute freilich mit zwei Zunftmeistern in Verbindung ge- 
bracht. Diese einzige Stelle genügt aber nicht, um für unsere 
Frage etwas beweisen zu können, und zweitens kennen wir 
den Inhalt der Urkunde nicht, in der sie als Zeugen aufgeführt 
werden. Auf jeden Fall kann man die beiden fraglichen 
Worte nicht hinsichtlich ihrer Bedeutung identifizieren. 

Mit obiger Urkunde vom Jahr 1261 fällt nun zugleich 
die Annahme, die Amman sticn eine Körperschaft gewesen, 
die zu wichti^ci! Ratssitzungen mit den Schöffen herange- 
zogen wurde. ' Hier handelt es sich nämlich nur um den 
ganz privaten Verkauf eines Hauses durch einen Bürger, 
zu dem die Scliöffen in ihrer Eigenschaft als öffentliche Ur- 
kundspersonen herangezogen wurden. Die Aniinan als Ver- 
treter der Zünfte fänden hier gar keine üelegeaheit, die 
Interessen ihres Standes zu wahren. 

Andererseits aber ist nirgends ein Beleg für die Ansicht 
vorhanden, die öffentlichen Urkundspcrsnnen konnten auch 
aus den Zünften unter dem Titel Amman genommen sein. 
Die Urkundspersonen werden im zweiten Stadtrecht eben 
nur scabini genannt. Es wäre auch sonderbar, wenn Hand- 
werkerschöffen den Titel Schöffen nicht führen würden. Es 
bleibt deshalb nur übrig, anzunehmen, dass dieselben Per- 
sonen unter zwei Bezeichnungen genannt /u \\'erden pflegten, 
dass die Schöffen in jeder ihrer beiden Amtstätigkeiten auch 
den Titel Amman führten. 



3G. z. B. SUB IV,, IV Stadtreclit § 29 (1270): schefifel- 
ambaht. 

37. Leupold, a. a, 0. S. 35 L 



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— 109 

Uns interessiert nun auch besonders der Stand der in 
unseren Urivunden aufgeführten Zeugen. Sie sind sämtlich 
nachweisbar Mitglieder ratsfähiger Geschlechter und haben 
.zum Teil selbst früher oder später im Rat gesessen.-^^ 

Weiteren Aufschluss gibt eine Urkunde vom Jahr 
1315.3^ Sie enthält einen Urteilsspruch des Strassburger 
Zoilergerichts. Ein Vidimus dieser Urkunde aus wenig 
späterer Zeit ist geeignet, uns über den Stand der Männer, 
die damals vor dem Zollergericht Urteil sprachen, zu orien- 
.tieren.^*^ In diesem t>estätigen Nikolaus Zorn und Heinrich 
v. Müinheim, dass sie, „der hie geschrieben stat und mit 
andere erbere rittere und. bürgere und ouch scheffele und 
ammanne von Str., die mit namen in disem selben brieve 
genemet und geschrieben staut, ingcsigelen besigelt ist, ge- 
sehent hant/'^^ Während wir in der Urkunde von 1261 wenig- 
stens zweifeln konnten, ob die Amman selbst genannt sind, 
wird hier gesagt, dass auch die Amman mit Namen genannt 
sind. Alk hier aufgeführten Personen aber sind zMitglieder 
angesehener Geschlechter und sind den Kreisen des Patri- 
ziats zuzuschreiben. 

Wenn nun alle Personen, die in der Urkunde als Scheffel 
und Amman in Betracht kommen können, Patrizier sind,*- 
ferner in den Verordnungen der Stadtrechte der üebrauch 
von „Schöffel und Amman" und „Schöffel'^ allein immerfort, 



38, Eeiiiboldelin ist a. 12Gü, Ruliii fiipliii a. 1258, Marsilius 
a. 1252, Grimel 1266 im Rat 
49. SUB. II, n. 332. 

40. ebenda S. 279. 

41. Es folgen die Namen der siegelnden Personen; die nach 
den Semikolon genannten können wir mit siemlicher Sicherheit 
f&r die Scheffel und Amman halten. 

42. Vgl. Foltz a. a. 0. S. 28 (Usta der ratsfähigeu Familien).. 
Undenkbar ist, dasB die Zunftmeister etwa Patrisier geweaen 

seien (vgl. Keutgen, Urk. n 126 § 8, a. 1268). 



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ja oft in einem Atem abwechselt,'' so ist doch der Schluss 
berechtigt, dass es sich gar nicht um zwei verschiedene Ver- 
fassungselemente handelt, sondern um eine einzige Körper- 
schaft, die, obwohl sie eine Gemeindevertretung sein sollte, 
doch bloss einem ein/igen Stande, dem I-*atriziat entnommen 
wurde und demgemäss auch nur eines einzelnen Standes 
Interessen vertrat. Dafür spricht auch die Tatsache, dass 
der Ammnnmeister, der die Schöflel zusammenberief, zugleich 
magister scabinorum hiess.^^ 

Es lassen sich aber auch allgemeinere Grunde für die 
Ansicht anführen, dass wir es bei den Schöffel und Amman 
lediglich mit einem gewissermassen weitem Rat aus dem 
Kreise der Geschlechter zu tun haben, dass Schöffel und 
Amman dasselbe sind. 

Bereits oben ist bemerkt, dass sich ein Kolleq: der Amman 
nicht nachweisen lässt. Man vermisst eine bestimmte Aus- 
sätze über ihre Wahl, wie sie für die Schöffel existiert. Ferner 
wird nach vielen Stellen in den Stadtrechten für den Schöffel 
die Ratsfähigkeit vorausgesetzt. Es wird bestimmt, dass bei 
Totschlag und anderen Verbrechen der Schöffel der Ehre 
des Schöffelamts verlustig gehen und niemals wieder Schöffel, 
Rat noch Bürger werden soll.*^ Hiernach war eine eigentlich 
demokratische Vertretung der Stadt unmöglich. Denn von 
der Ratsfähigkeit war bei dem Handwerker, soweit er nicht 
selbst zum Patriziat gehörte, nicht die Rede. Endlich ist 
es auch indirekt ein Beweis für die patrizische Abgeschlossen- 
heit des Amtes der Schöffel und Amman, dass diese ein- 
hellig mit dem Rat Beschlüsse fassten, die unbedingt eine 
Schädigung des Handwerkerstandes oder doch eine starke 



•13. 8. Rp^'f'l, a. a. O. S. Üä5. 
44. .s. ebenda S. 954 Aiim. 1. 
4ö. Süß 1V„ ötadtiecht § 2b (1270>, 



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Beeinträchtigung seiner politischen Rechte in der Stadt ent- 
hielten.^« 

Nichtsdestoweniger sind wir aber doch befuirt, eine all- 
mähliche Entwicklung bis zu der AusschÜessuii^r nlchtpatri- 
zischer Elemente bei dem Schöffenamt anzunehmen. Im 
zweiten-* und vierten^^ Stadtrecht heisst es, dass die Wahl 
omnium beneplacito, „an offenem gerichte'" vorgenommen 
werde. Oerade weil kein Gcset/ die Handwerker vom Schöf- 
felamt ausschloss, glauben wir, dass sie fähig zu dem Amte 
waren. Nach dem fünften, in das 14. Jahrhundert gehörenden 
Stadtrecht hingegen soll niemand Schöffel „an offnem ge- 
richtet' wählen, bevor Meister und Rat in „heimlichen Rat 
übereingekommen sind.'*^'' Man wählte demnach vorsichtig 
aus. In dieser Zeit wurde für den Schöffe! die Ratsfähig^keit 
vorausgesetzt! 

Es bleibt zum Verständnis des Ganzen nun nur noch 
die Frage zu losen übrig, ob vor 1332 schon die Gliederung 
der Stadt nach Konstafeln und Zünften auch bei der Wahl 
der Sdiöffel und Amman massgebend war, wie Hegel be- 
hauptet. Ein Züsatzartikel zum sechsten Stadtrecht von 1332 
bestimmt, dass „hinnanfürder'' ein Schöffel nicht anders 
zu wählen sei, als dass drei oder vier ehrbare Männer von 
seiner Zunft oder Konstafel, „damit er danne dienet,*' mit 
ihm vor den Rat koinincn und diesen bitten, ihn zum Schöffel 
zu machen/'" Hegel nimmt nach diesem Artikel auch eine 
Beteilitiuii^ des Handwerkerstandes an dem Schöffclamt an, 
fügt aber doch hinzu, dass es sich vor 1332 nur um einen 



46. s. B. SUB IV„ V. Stadtrecht g 12 (1802): Verbot des 
Verkaufs der fiatskuren. 

47. Eeuigeii, Urk. n 127 § 98 (ca 1214). 

48. SUB IV2, a. a. O. § 80 (12T0). 

49. SUB IV2, V. Stadtrecht § 64 (Anfang des 14. Jahr- 
hunderts). 

50. ebenda, VI. Stadtrecbt § 26 f. 



' — 112 — 



gerinsfen Antei[ dieses handeln kann. Indessen charakterisiert 
sich dieser Zusatzartikel als in eine spätere Zeit gehörig^i 
und ist auch da nicht so aufzufassen, dass die Schöffen 
die Vertreter der einzelnen Konstafeln und Zünfte waren, 
vollends ist dies unmöglich in der Zeit vor 1332, in der 
die Konstafeln nicht nur die Mitglieder des Patriziats, sondern 
auch eine Menge Handwerker, die nicht zum Patriziat ge- 
hörten, umschlossen. Die Scheidung nach Konstafeln und 
Zünften wäre danach für die Vertretung verschiedener 
Standesklassen keine reine gewesen. Einen bestimmten 
Modus der Wahl der Schöffel und Amman hat es vor 1332 
wohl garnicht gegeben. Die Schöffel repräsentierten weder 
die Interessen d<er Konstafeln oder Zünfte noch bloss die 
der Patrizier; sie sind eine Vertretung für die ganze Gemeinde 
gewesen. Nur wurden sie bis 1332 allein dem Kreis der 
herrschenden Klasse in der Stadt entnommen. Später da- 
gegen, als die Zünfte sich den Zutritt zum Rat und den 
übrigen Aemtern erzwangen, wurden die Schöffel und Am- 
man aus der ganzen Bürgerschaft heraus gewählt. Deshalb 
aber wurde ihre Wahl in der Weise geregelt» dass die Kon- 
stafeln und Zünfte — andere Verbände kamen dafür nicht 
in Betracht — Bürger, die mit ihnen dienten, vorschlugen 
■und diese dann der Rai wählte.'^ Es war dies offenbar 
eine Massnahme aus Bequemlichkeitsgründen. 

51. Da der Artikel nach Heuslers Ezcerpten nur in Codex F 
des eechstea Stadtrechis stand, so kann er sicher erst nach 1840 
aofgeseichnet sein (vgl. die Einleitung zum Stadtrecht a. a. 0 
S. 48-49. 

52.,«. Hegel, a. a. O S. 955. 

58* Hiernach sind die Ansichten I>eup()lds (a. a. O. S. 36 
Ai:in. 1) zu modifizieren. Er hält die Schöffen lür die von den 
Konstafehi vorgeschhigcncn Vertceter der unsCLuftigen Bevölkerung, 
die fast ohne Ausnahire Patrizier waren. Er schhesst dies aus 
§ 25 i des sechsten Stadtree!\t3 (a. a. 0.), nachdem bei Beteiligung 
der Schöffen iin HaUgericUt nur desseu Ui:teil gelteu soll, der 



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— 113 — 



c. Zünfte und Ammanmeister. 

Aufs engste mit dem Schöffetkolleg verknüpft scheint 
das Amt des AmmanneisterB. Indessen wäre eine nähere 
Auskunft über ihn unmöglich, wenn wir nicht von den bis- 
herigen Ergebnissen über das Wesen d«r Schaffet und Am- 
man Gebrauch machen wollten. Denn als Ammanmeister 
tritt dieser Beamte, der auf Cebeiss des Rates die Sdiöffel 
versammelt und befragt, unvermittelt im fünften Stadtrecht 
(vor 1311) auf,^ während bis dahin» d. h. nur zweimal, ein 
magister scäbinorum oder auch „schöffenmeister" erwähnt 
wird.^» Dagegen findet man nichts von dem Ammanmeister 
in den Urkunden des 13. Jahrhunderts. Namen von Amman- 
meistern sind überhaupt vor 1332 nicht erhalten. 

Nach dem oben erwähnten Statut des fünften Stadtrechts 
wählte der Rat jährlich einen Ammanmeister. 

Die Forschung Heuslers und anderer hat den Ursprung 
dieses Amtes natürhch mit der Theorie von der Vertretung 
des Handwerkerstandes durch die Amman in Bc/iehung ge- 
bracht und die Entwicklung des Amtes so aufgefasst, dass 
wahri^cheinlich der seit hingem schon bestehende Amman- 
meister, der Vorsteher der Amman, den Schöffenmeister ver- 
drängte^'' und im Vorsitz von Schöffel und Amman seine 
Stellung einnahm. Die verschiedenen Namen sollen dem- 
nach auch hier auf Aemter verschiedenen Ursprungs hin- 
weisen. Dass der Ammanmeister der Vorsteher der Zunft- 

im Rat gowesen sei. Hier handelt es sich aber lediglich darum, 
daas nur der Schöffel, der selbst als Ratsherr die Oerichtsprazis 
des Rates kennen gelernt hat, Urteile sprechen oder um sein 
Urteil befragt werden soll. 

- 54. SUB IVs, a. a. 0. § 54. Die game Ammaumeister^ 
Ordnung ist abgedruckt hei A. Heusler, Gesch. Basels S. 483 f. 

55. SUB I, n 216(1 229) : Rudol Fl Hlii Lenzelini raagistri scabi- 
norum; n 220 Aum. (1230) Hug Guldin schoeffenmeister. 

56. Heusler hält diese Annahme für wahrscheinlicher, aln die 
Möglichkeit, dass der Schöfifeumeister bei immer grösserer Be- 



— 114 — 

tneister war, geht nach Heuslers Ansicht aus den ganz 
analogen Verhältnissen Basels hervor. Dort habe im 14. Jahr- 
hundert der Oberzünftmeister, ebenso wie in Strassburg, den 
Titel Ammanmeister oder magister scabinonim geführt. 

Was kann. man nun aus den Quellen feststellen? 

Ungewiss ist, ob der Beschluss aus dem Anfang des 
14. Jahrhunderts, dass der neue Rat jährlich einen Amman- 
meister wählen soll,^^ ein neues Amt einfuhren will. Man 
kann auch annehmen, dass der Ammanmeister bisher von 
der Körperschaft, der er vorstand, aus ihrem Kreis heraus 
gewählt wurde, während nun der Rat die Verfugung auch 
über dieses Amt in seine Hände brachte. Der Ammanmeister 
gehörte der herrschenden Klasse in der Stadt an. Er sollte 
sich ein Ross halten, wie jeder Ratsherr.^^ Wessen Vater 
oder Sohn des Jahres im Rate sass, der konnte mit dem 
betreffenden Jahr nicht Ammanmeister werden.** Der Am- 
manmeister gehörte selbst während seiner Amtszeit nicht 
dem Rat an, sondern durfte dort nur auf üeheiss des Rates 
erscheinen.^*^ 

Es liegt nach diesen Nachrichten kein Grund vor, in 
dem Ammanmeister ein zünftiselies Element zu erkennen. 
Wir können deshalb sagen: wenn Schöffel und Amman von 
Anfang an nicht allein eine weitere Oenieindevertretung neben 
dem Rat sind, sondern auch als Zeugen unter dem doppelten 
Namen auftreten, also nur eine einzige Körperschaft dar- 
stellen, so scheint doch auch die Annahme zweier verschie- 
dener Vorsteher überflüssig, und es ist nicht wunderbar, 
wenn der Vorsteher dieser Körperschaft schon vom 13. Jahr- 
deutung der Zünfte vom Vorsitz fler Amtnaii den Amtstitol ent- 
lehnt« (Ursprung, S. 206», Letzlere Auffassuug bei Leupold, 
a. a. 0. S. ;j7. 

57. SÜB IV„ V. Stadtrecht § bi. 

58. ebenda ij 54 . 

59. ebenda, VI. Stadtrecht § 25*1 (1322> 

60. ebenda § 25». 



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* 



hundert her unter dem doppelten Namen «xisfiert hat. Später 
lediglich Ammanmeister fi^enannt, hat er doch nicht die latei^ 
nische Bezeichnung »»magister scabinorum'' verloren. 

Wie . verhalten sicfi zu dieser Erklärung die späteren' 
Nachrichten? 

Bei der Verfassungsänderung von 1332 wurde neben 
den üblichen vier Meistern auch ein Ammanmeister eingesetzt 
der „ein Haupt der Handwerke" sein und „dessen Eid allen 
andern Eiden vorangehfin/' soUte.^^ Der Chronist Closener 
bemerkt hierzu: ,,das doch vormals gar ungewonlichen was: 
wie doch men eineii ammeister hette gehebet, so stunt doch 
kein Gewalt an ime, wan das er die schoeffele besamelte/'^^ 
Aus diesem. Bericht folgt noch nicht, dass der Ammanmeister 
auch vorher schon ein zünftisches Element war, wie Heusler 
meint, ja, es kann vielmehr das Gegenteil davon der Fall 
g'ewesen sein: dass iiärnlich etwas g'anz Neues mit diesem 
Schritt der Zünfte eintrat. Indem die Zünfte ihren Eintritt 
in den Rat gewissermassen als eine Erweiterung dieses an- 
sahen, Hessen sie die vier Meister nach der alten Verfassung 
bestehen, d. h. diese Aemter blieben nach wie vor den Patri- 
ziern vorbehalten. Während die Zünfte selbst sich nach einem 
geeigneten Vertreter ihrer Interessen umsahen, fanden sie 
diesen in dem Vorsteher des Schöffenkolleirs, nicht weil 
dieser bisher die Interessen der zünftischen Bürgerschaft be- 
sonders wahrgenommen hätte, der. Ammanmeister, der Vor- 
steher der die Interessen der ganzen Stadt vertretenden und 
jetzt nicht mehr nur aus Patriziern bestehenden Schöffen, 
schien die beste Gewähr für die Interessenvertretung der 
nun in den Rat eintretenden Zünfte zu bieten. 

Wäre nun der Ammanmeister in Strassburg ein Ober- 
zunftmeister von vornherein gewesen und zwar den Zünften 



Gl. Closener, a. a. 0. S. 123 j vgl, auch Schwörbrief vou 
1334 (Hegel a. a. 0. S. 932). . ' . 

G2. Olosanerj ebenda. 



— 116 — 



aus dem Kreis der Patrizier gegeben worden, so wäre sicher 
während der Zunftrevolution eine Aenderung dahin einge- 
treten» dass man dieses Amt nun mit«inem Handwerker selbst 
besetzt hätte. Da nun dieser Wechsel erst im Jahr 1340 und 
infolge änderet- Wirren -drftrat,^^ während bis zu dieser Zeit 
nur Patrizier das Amt versahen, so können wir diesen Um- 
für unsere Ansicht verwerten und sagen, dass im Jahr 1332 die 
Neuerung in dem plötzlichen Wechsel der Amtstätigkeit des . 
Ammanmeisters lag-, dass dieser bisher nicht den Interessen 
des Handw erkerstandcs, sondern all^ein»"ineren gedient hatte, 
wäiirend ein Wechsel im Stand des Beamten jetzt nicht 
eintrat, sondern erst längere Zeit danach. Diese alhnähHche 
Entwicklung ist bei dem konservativen Charakter der neuen 
Verfassung ganz erklärhch. 

Seitl332 kann man füglich von dem Ammanmeister als 
Oberzunftmeister sprechen. Damit erklären sich denn auch 
Analogien und Tatsachen, die man für das Bestehen eines 
Oberzunftmeisters in Strassburg schon vor 1332 anführt. Eine 
Bulle Papst Martins V, aus dem Jahr \4\S^^ spricht von dem 
Strassburger magister officiorum, vulgariter dictus ammeister. 
Wie wir gesehen haben, entspricht das natürlich vollständig 
den Verhältnissen der späten Zei^ aus der die Bulle stammt 
In Basel wurde der Ammeister, Oberzunftmeister, der erst 
am Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbar ist, im Jahr 1385 
und 1400 magister scabinorum genannt.^'» Aber diese Nach* 
ahmung Strassburger Verfassungsinstitute und deren Bezeich- 
nung aus einer solch' späten Zeit beweist wiederum nichts 
für die Zustände vor der Zunftbewegung. 



63. Closener, a. a. O. S. 130. 

64. A. Heusler, Gesch. Basels S. 481. 

65. Ochs, Geachichto der Stadt und Landschaft Basel (1786 f) 
II, S. 2S7; III, S. 69; Heualer, Gesf l». Basels S. 4bb. 



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Kapitel 2. 

Die Zeit der ersten Zunftbewegung. 
§ 1. Ursachen der Zunftbewegung. 

Die erste Erschütterung erlitt die cinzigf von einer be- 
vorzugten Bürgerklasse geleitete Regierung im Jahr 1332. 
r3amals ergriff die in politischer Abhängigkeit und Macht- 
losigkeit verharrende Bürgerschaft, veranlasst durch einen 
blutigen Konflikt der Parteien im Patriziat, die Zügel der 
Regierung und begründete eine neue, demokratische Ver- 
fassung. 

Indem die Verfassungsänderung auf eine vom Patriziat 
gegebene Veranlassung hin sich plötzlich volUieht, ohne dass 
die Zünfte erst etwa mit bestimmten Forderungen an den 
Rat herangetreten sind, weist sie unmittelbar auf eine schon 
längere Zeit vorhandene Gährung in der beherrschten Klasse 
hin, auf eine Unzufriedenheit mit dem patrizischen Regiment, 
die nur eines Anstosses bedurfte, um zur offenen Opposition 
zu führen. 

Für diese Ansicht bieten sich sogar sichere Anhalts- 
punkte. Denn bereits im Jahr 1306 machte ein Teil der Zünfte 

seinem Unmut Luft in einer gegen den damaligen Schult- 

heissen und Münzmeister Nikolaus Zorn gerichteten Er- 
hebung, die wir gewisscrmassen als ein Vorspiel zu der 
Erhebung von 1332 ansehen können.* 



1. Closeuer, a. a. 0. S. 123; Köuigshofeu, a- a. 0. S. 775. 



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— 118 — 



Das Unternehmen scheint bereits die Form einer regel- 
rechten Revolution angenommen zu haben, deren Ausgang 
garnicht abzusehen war, falls sie von Erfolg gekrönt wurde.^ 
Jedoch die Aufständischen unterlagen den Anhängern Zorns 
und ATurden zum grossen Teil von der Stadt mit ewiger Ver- 
bannung bestraft. Wenn nun auch die Ge\valttätiL,rkciten eines 
Mitgliedes des mächtigen Geschlechts der Zorn den Aufstand 
unmittelbar- veranlassten,^ so scheinen doch nach dem Cha- 
rakter des Aufstandes die Ursachen tiefer zu liegen und 
dieselben zu sein, die auch die spätere Erhebung von 1332 
heraufbeschworen. 

Im folgenden soll versucht werden, diese Ursachen, 
soweit die Quellen darüber Aufschluss geben, darzulegen. 

Closener gibt uns in seinem Bericht über den blutigen 
Konflikt der Zorn und Mulnheim im Jahre 1332. und die durch 
ihn veranlasste Erhebung der Bürgerschaft- wichtige Auf- 
schlüsse über die Motive und Tendenzen, die für das Zustande- 
kommen der neuen Verfassung massgebend waren. Nach 
Closener griffen in den Kampf der Parteien die „erbem 
bürgere und antwergiüte'' ein, namen den massgebenden 
Geschlechtern die Regierung aus der Hand und schufeen 
gemeinsam die neue Verfassung.' Das Schwergewicht legt 
Closener in dem L iiterschied der neuen von der alten Ver- 
fassung auf die Zusammensetzung des Rates. Denn nunmehr 
setzten die „ehrbaren Bürger und Handwerksleute" Burger 
„ohne Unterschied" in den Rat, das System der „Ratskuren'' 
wurde abgeschafft und den Geschlechtern, die im Besitz von 

2. Die Zünfte kämpften unter ihren Bannern (Königshofen 
a. a. 0. S. 775);Notae hist. Arg. zu 1308 (Böhmer, Fontes rerum 
Germanicarum III, S, 117). 

3. Königshofen, a. a. 0. S. 775; auch der Autor der Mar- 
badier Anualen sieht in Nikolaus Zorn die causa effidena des 
Aufstandes (M, G. SS XVU, S. 179; vgl. auch Notae hist Arg. 
a. a. 0. 

4. a. a. 0. S. 122. 



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— 119 



Kuren waren, das „Abschwören" der Kuren zur Pflicht 
gemacht.'^ 

Wir sehen, die Ratskuren waren eine Hauptquelle der 
Unzufriedenheit. Die t^rosse Masse der Bürgerschaft lebte 
in dem Bewusstsein, durch das herrschende System der 
Ratsbesetzung zu politischer Untätigkeit verurteilt zu sein. 
Und dieses Bewusstsein hatten die Zünfte nicht allein. Denn 
wie wir sahen, hatte sich mit der Zeit das Bild des städtischen 
Regiments dahin geändert, dass nicht nur die ganze gewerb- 
treibende Bevölkerung den politischen Einfluss verloren 
hatte, sondern auch ein grosser Teil des Patriziats, der sich des 
Vollbesitzes aller politischen Rechte erfreut hatte, sich durch 
wenige, aber desto mächtigere Geschlechter in den Hinter- 
grund gedrängt und seines früheren politischen Einflusses 
beraubt sah. Indem diese Geschlechter In den Besitz der 
Ratskuren gelangt waren, übten sie tatsächlich allein das Re- 
giment aus. Wie dieser kleine Kreis auch die Machtmittel 
der Regierung gebrauchte, mit den Ratskuren war doch ein 
wenig haltbarer Zustand geschaffen, der über kurz oder lang 
zu heftigen Angriffen der Bürger führen musste. In dem 
Sireben, Anteil an politischen Rechten zu gewinnen, fühlten 
sich Zünfte und alle andern „ehrbaren Bürger", die nicht zu 
jenen bevorzugten Gesdilechtem gehörten, einig. Deshalb 
war ihr Hauptziel die Abschaffung der Kuren. 

Indem nun die ganze Bewegung des Jahres 1332 sich 
gar nicht bloss auf eine Erhebung der Zünfte beschränkt, 
gewinnt man viel weniger das Bild einer sozialen Revolution 
des zünftischen Elements, als vielmehr das der vorzugsweise 
von politischen Motiven geleiteten Opposition einer nach po- 
iitischer Selbstbetätigung ringenden Klasse.^ 

Es darf wohl angenommen werden, dass die Initiative 



5. Closener a. a. 0. S. 123, 125. 

6. Vgl. Fsddnneerorff in n „Jahrbüchern für Nationalökonomie 
und StatiBtik" XXVi, S. 226. 



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von der zünftlerischen Partei aussTmg, denn sie war ja in der 
Ausübung^ politischer Rechti- \oii Anfangs an am un^ünstigstvjn 
gestellt; nicht einmal, wie wir gesehen haben, waren mit der 
(jemeindevcrtretung der Schöffel ihre Standesintercsscn ge- 
nügend vertreten oder hatte der Ammanmeister mit der zünf- 
tischen Bürßerschatt auch nur die geringste Beziehung. 

Wenn nun die politischen Machtverhältnisse in der Bür- 
gerschaft in erster Linie zu der Bewegung des Jahres 1332 
hintrieben, so fehlte es doch nicht an unmittelbareren Mo- 
menten, die die IJnzufrieclenheit besonders der Zünfte mit 
der herrschenden Klasse in höchstem Mass steij^ern mussten 
und die Erhebung beschleunigten. 

In der von den Patriziern geführten Verwaltung lag nur 
zum gewissen Teil ein für die Erhebung ausschlaggebendes 
Moment. 

Keine Anklagen finden sich hinsichtlich der Verwaltung 
im städtischen Haushalt. Die Quellen geben auch keinen An- 
halt, eine durch die Geschlechter herbeigeführte Unordnung 
oder Verlegenheit in den städtischen Finanzen anzunehmen.^ 
Wir wissen nicht, ob die Gelder zu einseitigem Nutzen der 
Geschlechter verwandt wurden. Es ist freilich wahrscheinlich, 
dass schon vor 1332 die Stadt für die Verbesserung ihrer 
Finanzen zu dem Mittel griff, Zwangsanleihen bei den Bürgern 
aufzunehmen.^ Wenn dies geschah, so scheinen die Börger 
immerhin nicht Anlass zu Klagen über eine schlechte Zurück- 
zahlung gehabt zu haben. Jedoch wird, wie in andern Städten, 
auch hier der gänzliche Mangel einer Kontrole und eines 
Einblicks in die Verwendung der Gelder den Wunsch der 

7. Dia Neuordnung des StadthaushalteB von 1405 kommt fhr 
uns wohl nicht in Betracht Die damalige Verl^etiheit in den 
Finanzen rührt von einer späteren Zeit, besonders von den 
Eriegszeiten am Ende des 14. Jahrhunderts her. 

8. Im Jahr 1338 ist von Diensten „lihendes (und gebendee]" 
die Bede, von denen Juden befreit werden (SUB V, n 88); vgl. 
Hegel, a. a. 0. S. 960. 



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beherrschten Klasse nach Mitregierung bestärkt haben. Eine 
gewisse Bestätigung für diese Annahme wird man darin 
finden können, dass nach der Verfassungsänderung eine gross- 
artige Erweiterung des Beamtenapparates in dem städtischen 
Finanzhaushalt stattfand und eine einheitliche Kontrole ge- 
schaffen wurde, die mit Sicherheit das Werk der in den Rat 
eingetretenen Zünfte genannt werden darf.'' 

Anders lagen die Dinge in der Verwaltung der städtischen 
Allmende. 

Auf ihre Nutzung wird in den Städten der grösste Wert 
gelegt.'*^ Sie soll ein Gemeingut aller Bürger sein.^^ Die 
Patrizier begingen daher eine grosse Schuld, wenn sie das 
wichtige Recht der allgemeinen Allmendenutzung verletzten. 
Schon in einem Schreiben Bischof Walthers im Jahr 1261 
wurde den Patriziern vorgeworfen, dass sie dadurch die nil- 
gemeinen Rechte verletzt hätten, dass sie Teile der Allmende 
einfach an sich zogen und unter sich teilten.^^ 

Nachdem dann die Bürgerschaft im Jahr 1263 wieder in 
den ausschliesslichen Gebrauch der Allmende gelangt war,i3 
bauten die Patrizier eigenmächtig ihre Trinkstuben auf die 
Allmende» ohne den Grund und Boden käuflich von der Stadt 
erworben zu haben. Es waren die Stuben „zum Hohensteg'', 
auf der sich der Anhang der Zorn versammelte, ,,zum Mühl- 
stein", der Sammelpunkt der Partei der Mülnheim, „zum 



9. vgl. das Aemterwesen in der Neuordnung des Stadthaus- 
haltes von 140> ■ (Eheberg, a. a. 0. n 10). 

10. 8. G, fielow, Entstehung der deutscheu Stadtgemeinde 
8. 49. 

11. vgl. 8UB I,n 144 (1190--1203); n 883 (1254), n 467 
(1261); der Verkauf von AUmendestacken sollte nur mit Zu* 
stunmuug aller Borger stattEnden: n 220 (1280); n 224 (1231). 

12. almeindas privatis suis ustbus ^iplicant in nostram 
(episcopi) totiusque populi . . . lesionem (SUB I, n 467); vgl., 
auch SUB I, n 471 (1261). 

la. Keutgen, Urk. n 128 § 6. 



— 122 — 



Schiffe" und ,,7um Briefe*'J^ Es ist klar, dass diese Ver- 
hältnisse \()n der Bürgerschaft stark g^emisshilligt wurden. 
Als daher die Zünfte in das Stadtregiment eintraten, war einer 
ihrer ersten Schritte der Abbruch dieser Trinkstuben.^^ 

Einige in das Rechtsbuch von 1322 später eing-efügte, . 
die Bestimmungen über die Besetzung der Allmende ver- 
schärfende Artikel geben Zeugnis davon, dass die Handwerker 
von der Unredlichkeit, mit der die Patrizier die Allmende 
verwalteten, aufs heftigste erregt waren. So heisst es z. B.: 
wer hinnanfürder unsre stette gemeine allmende an sich 
zuhet oder diwet, der sol ein jor von der stat sin und git 
10 Wb?^ Den Zimmerleuten und Maurern wurde verordnet, 
ffir niemanden auf der Allmende zu bauen, wenn sie nicht 
genau wüssten, dass der betreffende Bürger die Allmende 
redlich gekauft oder geliehen habe.^^ 

Was die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und die 
Rechtspflege der städtischen Regierung betrifft, so betreten 
wir hier ein Gebiet, auf dem die Geschlechter Anlass zu 
schweren Vorwürfen gaben. 

Klagen über eine mangelnde Rechtspflege und eine damit 
zusammenhängende Häufung der Gewalttätigkeiten der 
r^atri/ier der ärmeren Klasse gegenüber tauchen bereits um 
die Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Gerade das dritte 
Stadtrecht (zwischen 1245 und 1260)i*^ verdankte seine Ent- 
stehung dem Bestreben, geordnete Zustände wiederherbei- 
zuffihren, „quod ortae fuerint tantae indisciplinae et injuriae 
et oppressiones mulierum et pauperum". Der Bischof selbst 
sah sich zum Einschreiten gegen diese Uebergriffe und die 



14. Closcner, a. a. O. S. 125. 
16. ebenda. 

16. SÜB IV», a. a. 0. § 395; über das frühere Strafmass 
vgl. § 393. 

17. ebenda § 499 e. 

18. SUB I, S. 482. 



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— 123 — 



mangelhalte Rechtspflege gen6tigt „et imputavit consulibus 
et ceieris dvibus majoribus excessus suos et negligentiam 
judids/'i^ Das drohende Manifest, das Bischof Walther im 
Jahr 1261 gegen die Stadt richtete, wenn auch als eine dema- 
gogische Denunziatk>nsschrift erkannt^ berührt doch auch 
diese wunden Punkte im städtischen Regiment mit den 
Worten : „so künden wir . . daz unsere burger gesworen 
hant .... zu rihten abe den, die notzog oder manslach tunt 
in der stat oder verwundent die armen burger, und abe den, 
die frefelliche der armen huser ufbrechent, also daz man 
abe ienre Übe rihte und dise von der stat tribe. dez enhant 
Rü nüt behalten und hant unser gerihte daran geirret, und 
ouch die wider in die stat geladet die umbe ir niissetat drussc 
soltent sin**.-" An dem tatsächlichen Vorhandensein von 
U ebergriffen werden wir nicht zweifeln. 

Doch diese nahmen nicht ab, die Klagen über den ge- 
ringen Rechtsschutz der Handwerker verstummten nicht. Das 
geht zunächst daraus hervor, dass im Jahr 1332 bei dem Ver- 
fassungsumsturz die Gerichte neu besetzt wurden,^^ vor allem 
aber wird es dadurch bewiesen, dass Closener die Erhebung 
von 1332 zum Teil aus den an dem geringen Volk begangenen 
Sünden der Patrizier erklärt (sus kam der gewalt us der 
herren hant an die antwerke, daz doch den antwerken ein 
gros notdurft waz, wand die herren begingent giossen gewalt 
an in).-- Closener berichtet es als einen ganz allgemf^'i.en 
Vorgang, dass viele der regierenden Herren der Tahlungs- 
forderungen der Handwerker nachkamen, wie es ihnen passte, 
und die Handwerker es nicht wagten, die Säumigen vor dem 



19. ebenda. 

20. SUB 1. n 471 (l2Gl) S. 335; auch n Uu (1201). 

21. Königshofen (a. a. 0. S. 775) führt diese Neubesetzung 
jauf die^Nachlässigkeiten in der Gerichisverwaltang zurück, 

22. a. a. Q. S. 123. 



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— 121 — 



Gericht zu belangen, um A\isshandlungen zu entgehen. Ihre 
Peiniger selbst hatten keine Strafe vor Gericht zu erwarten.23 

Wie Königshofen berichtet, führte die geringe Aussicht 
auf Rechtsschutz eine Anzahl von Handwerkern zu einem 
freiwilUgen Abhängigkeitsverhältnis von einflussreichen Per- 
sönlichkeiten, denen sie dienten/ „also zu den dörfem ein 
gebure sime herren dienet".** Diese bewahrten ihre Schutz- 
befohlenen vor Gewalt und verhalfen ihnen besonders ihren 
Schuldnern gegenüber zu ihrem Rechte.*^ Die Angaben 
Königshofens über die Höhe der Einnahmen, die die Ge^ 
schlechter von diesen Handwerkern hatten, scheinen freilich 
wenig zuverlässig.*^ Näheres über das Abhängigkeitsverhält- , 
nis der Handwerker erfahren wir nicht. Es ist wohl kaum 
anzunehmen, dass es in der Stadt sehr verbreitet war oder 
gar eine längere Dauer gehabt hat 

In den Berichten Closeners und Königshofens ist eine 
schwere Anklage gegen die damalige Rechtspflege enthalten. 
Die offenbar nachlässige gerichtliche Behandlung patrizischer 
Ucbtrgriffe führte zu einer schweren Schädigung der unteren 
Klassen und ist eigentiicli nur so recht zu erklären, dass die 
Herrschaft in ganz wenige Hände geraten und ein Einspruch 
der milderen Elemente des [Patriziats so gut wie unmöglich 
gemacht war. 

Mit ihrer Begünstigung patrizischer Exzesse verwickelte 
sich nun die regierende Partei in grosse Widersprüche durch 
eine peinlich strenge Ahndung der Vergehen der lüederen 
Klassen. So fand z. B. die ^^efj^en Nikolaus Zorn gerichtete 
Erhebung der Zünfte im Jahr 1308 eine schwere Sühne, indem 

23. hiesche ors (der Handwerker) itne zu dicke, so slüg 
er in dran und ging democh keine hesserange (ebenda S. 123). 

24. a. a. O. S. 775. 

25. ohpnda, 

2f\ sus was etliciu;r ritter, der grosse giilte liette uf 300 
odor 400 viertel haV>erii sjeltz von den aiitworknn, die an in 
houbeteut und beüc von itne Uetteut (ebenda 775). 



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eine grosse Anzahl der Aufstandischen die Strafe der ewigen 
Verbannung aus der Stadt traf. Diese Strafe musste für 
das Stadtregiment verhängnisvoll werden. Die . Erinnerung 
an diese schwere Vergeltung seitens der Geschlechter, an 
die ,,böse Acht'S wie. man sie nannte, schemt gerade mit 
diesem Ausdruck im Volk weiter fortgelebt zu haben;^? 

Vielleicht kann man die mangelhafte Rechtspflege in der 
Stadt in einen gewissen Zusammenhang bringen mit. der 
Oiiganisation der Gericht^ die im Lauf der Zeit sich, sehr 
verändert hatte. Gerade in späterer Zeit, zur Zeit der Ab- 
fassung des Rechtsbuchs von 1322, ist zu beobachten, dass 
sich der Kreis der Urtcilsprecher in den weltliclien Gerichten 
bedeutend beschränkt hat. Dies erhellt aus folgender Be- 
stimmung des Stadtrechts: es so! dehein weltlich rihter urteil 
setzen noch vragen in einer Sachen, die ine dan fünf Schilling 
triffet, dan an ein scheffel oder an einen, der meister und 
rat gesworn het, urteil zu sprechenile.-^ Möglich ist es frei- 
lich, dass hiermit die Urteilfindung erfahrenen Leuten zu- 
fallen sollte. Wenn diese Entwicklung nun auch nicht aus 
dem einseitigen Interesse der Patrizier heraus erfolgte, so 
führte sie doch zu einer Machtsteigerung der herrschenden 
Klasse. Es blieb Tatsache : der Anteil des Volks am Gericht 
war beschränkt. Die Erhebung im Jahr 1332 führte dann 
eine, Neubesetzung der Gerichte herbei.-'-^ 

Ob auch die Polizeiverwaltung der Stadt Anlass zu 
Klagen intder Bürgerschaft gegeben hat, darüber, können wir 
nur Vermutungen anstellen. Möglich ist, dass es die städti- 
sche R^erung besonders an einer genügend zuverlässigen 
nächtlichen Kontrole und Sorge für die Sicherheit der Btadt 
fehlen Hess. Im Jahre 1332 gerieten gerade in der Nacht 
die Parteien der Zorn und JVlülnheim an einander und gerade 



27. Closener, a. a. O. S. 1'2I. 

28. srB IV,, n. a. 0. 252 b (1322); vgl. auch § 252 a.- 

29. Königshofen, a. a. O. S. 775. 



— 126 



erst in diesem Jahr nach dem Einschreiten der Bürgerschaft 
hören wir \ on der Existenz einer Scharwache, die in der 
Nacht die Aufsicht in der Stadt führte/^" Gebildet wurde sie 
später von den Zunftgenossen. Der Wachdienst gehörte zu 
den allgemeinen Pflichten eines jeden Zunftmitgliedes.^^ 
Wahrscheinlich wohl hatte die Stadt die Einrichtung der 
Scharwache den Zünften zu verdanken, als diese Anteil an 
der Regierung^ grewannen. 

Ganz besonders aber waren es nun die Zustände im 
Patriziat selbst, die den beginnenden Gegensatz zwisdien 
ihm und den Zünften verstärkten und schliesslich zu einer 
plötzlichen Auseinandersetzung führten. 

Schon seit den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts 
waren die Parteileidenschaften im Patriziat aufs heftigste 
gesteigert. Ganz besonders erbittert standen sich die Ge- 
schlechter der Zorn und Mülnheim gegenüber.^^ Die Gründe 
für die Feindschaft beider Geschlechter anzugeben, ist nicht 
ganz leicht. Im Vordergrund stand jedenfalls ihr Rivalisieren 
um den Vorrang in der Stadt Der reichspolitische Gegen- 
satz im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts mag in ihre 
Händel mit hineingespielt haben. Es ist aber nicht richtig, 
anzunehmen, die Zorn seien österreichisch, die Mülnheim 
bairisch gesinnt gewesen. '^'^ Denn gerade zu den Habsburgern 
sind Beziehungen der Mülnheim nachzuweisen.^^ Dagegen 



30. Oioseuer a. a. Ü. S. 124. 

31. y<r]. über die Scharwaclit: Keutgen, Urk. ii 214 (1405), 
S. 270 (Reform d* s Stadthaushalts) und Brucker a. a. 0. S. 427 
(1477) : Scharwiicliterordnuug. 

32. Königshofen, a. a. O. S. 743: wan es werc, dass misse- 
hellc in dem rote wutduit zwüschent den Zörnen und den vou 
Mülnheim, also man dicke vürlite. 

83. Schmoller, Zunftkämpfe S. 26 uach: Mathias von Neum- 
burg (Böhmer, Footes rer. Germ* IV, S. 197). 

84. fl. Bornes a. a. 0. S. 49; Folta a. a. 6. 8. 84 Anm. 
146; auch Hauviller „Analeota Argautinanaia, VatUnnisohe Akten 



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ist es nicht bekannt, zu wem die Zorn politisch sich bekannten. 
Vielleicht hielten sie sich aber zur bairischen Partei. Die Be- 
merkung des Mathias von Neuenburg scheint einfach auf 
einer Verwechslung zu beruhen. E>er politische Gegensatz 
der Parteien bestand offenbar schon seit längerer Zeit und 
dauerte fort^ als der Kampf zwischen Wittelsbach und Habs- 
burg in den Konflikt zwischen Staat und Kurie übeige- 
gangen war. 

Der Anhang der Parteien beschränkte sich nicht nur auf 
die Stadt, sondern erstreckte sich auch auf die umliegende 
Gegend. Es ist nicht unmöglich, dass der ausserstädtische 
Anhang öftei^ in die Parteihändel der Stadt eingriff. Ini 
Jahr 1332 wenigstens verstärkten sich die Parteien vom 
Lande her.»« 

Das Parteileben entfaltete sich besonders in den Trink- 
stuben der Oeschlediter. Dies erhellt aus einer Aeusserung 
des Schultheissen Nikolaus Zorn im Jahr 1321, die uns Königs- 
hofen überliefert hat: im Falle eines Zwistes zwischen den 
Zorn und Mülnheim im Rat hätten es die Mülnheim nahe zu 
ihrer Trinkstube, von wo ihre [Parteifreunde ihnen rasch zu 
Hülfe eilen könnten, dagegen sei die Trinkstube der Zorn, 
der ,,Hohensteg*' weit vom Rathaus entfernt.^' 

Die Genossen einer Trinkstube waren an ihrer gleichen 
Kleidung zu erkennen und bekannten damit ganz offen ihre 
Parteistellung. Im Zeugenprotokoll über das Geschelle von 
1332 lernen wir diese Sitte kennen.^^ Wir hören hier von 



und Begesten zur Gesch. d. Bistums Strassburg im 14. Jahrhndt. 
und Beiträge zur Reichs- und ßistumsgesch." I (1900) Einleitung 
8. CXXXII: die Mülnheim nahmen eine habsburgisch-päpstliche 
Haltung ein. 

85. Vgl. SÜB n, n 438 (1824). 

86. KGnigshofeii a. a. 0. S. 776. 

87. ebenda S. 743. 

88. SUB V, u 1. 



- 120 - 

einem, ,,der kleider treit mit der trinkstuben zu St. Doman^',^^ 
von zweien, „die rocke anhaben, also die vom Hohenstege",^" 
von „den mit den schentzen*', die mit den Mülntieim kämpf- 
ten/i von solchen, die die blauen,*- und die die spitz«u 
Hüte ''^ trugen. Mit dieser Art und Weise, die Parteigegen- 
sätze in die OeffentUchkeit zu verpflanzen, erregten die Ge- 
schlechter schweren Anstoss bei der Bürgerschaft; dies dür- 
fen wir um so sicherer annehmen, als später die städtische 
Verwaltung den Mitgliedern der Trinkstuben das Tragen 
gleicher Kleidung verbot.^ 

In die vom Rat betriebene äussere Politik selbst wurde 
der politische Gegensatz der Parteien nicht hineingetragen. 
Die Bürgerschaft hatte keine Veranlassung, gegen sie Oppo- 
sition zu erheben. Der Rat bewahrte schon seit dem Ausbruch 
des Konflikts der Kurie und der beiden Gegenkönige Fried- 
rich und Ludwig lange Jahre hindurch eine neutrale und ab- 
wartende Haltung.^^ Indem er dem Papste gegenüber eine 
vorteilhafte Stellung einzunehmen wusste, verhinderte er doch 
im Jahr 1324 die Publizienmg der päpstlichen Mandate gegen 
König Ludwig in der Stadt und bc^^ruiidete sein Verhalten 
in einem Sclueibeii an I^apst Johann XXII. mit der Be- 
merkunj^, dass sich mächtige Parteien in der Stadt für Fried- 
rich und Ludwig gebildet hätten, sodass eine Veröffentlichung 
des päpstUchen Urteils einen Bürgerkrieg herbeiführen 
würde.'*' 

Der Rat hielt sich von jeder aktiven Parteinahme fern; sö 
trat er auch nicht einem L.andfriedensbündnis des Elsass' und 
Breisgaus zu Gunsten Friedrichs des Schönen bei.^^ 

S9. ebenda, Zeuge 5. 
> . 40. ebenda, Zeuge 15, 

41. ebenda, Zeugen 9, 46L 

42. ebenda, Zeuge 16. - 
48. ebenda, Zeuge 76.. 

44. SUB IV,, VI. Rtadtrecht § 448; 8. oben S. 90. 

45. Hau viller, a. a. O. S. CXXD. 
4Ü. SUB U, 11 4<tö. 



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Dieses weise Zurückhalten wirft immerhin auf die Re- 
gierung der Stadt ein gutes Licht und verrät eine massvoUe, 
umsichtige PoUtik.^» 

Von der Parteinähme der Bürgerschaft, besonders der 
Zünfte, ist direkt nichts, bekannt. Man kann jedoch sagen, 
dass die Politik des Rates bei den Zünften vollen Anklang 
fand. Das geht sdion daraus hervor, dass, als die Zünfte die 
Leitung der Stadt übernahmen, vorläufig kein anderer Kurs 
in der von dem patri/ischen Rat cingfschlagcnen Politik 
eintrat.^^ Es beweist nichts dagegen, dass die Stadt im Mai 
des Jaiires 1332, also schon unter der Leitung der Zünfte, 
mit Mainz, Freiburg und Basel ein Bündnis schioss, das sich 
gegen Ludwig und dessen Anhänger richtete.^'^ Denn dieses 
sollte hauptsächlich den Anhängern Ludwigs und meist per- 
sönlichen Feinden der mächtigen Reichsstadt die Spitze 
bieten."^ 

Wenn wir die Momente feststellen, die zu dem schroffen 
Gegensatz zwischen Patriziat und Zünften geführt haben, 
so müssen wir auch die Frage erledigen, wie die Zünfte sich 
zu etwaigen Genossenschaften der Patrizier gestellt haben. 

In Strassburg finden wir deren nur eine, die allerdings 



47. 8. Rosenkrünser, Bischof Johann 1 von Strassburg, ge- 
nannt von Dflrbheim. Straasb. Dies, von 1881, 8. 48. 

48. Näherea über die Beziehungen der Stadt zu Papst und 
Bischof bei Hauviller, a. a. 0. S. CXXI ff, bes. S. CXXV-CXXVU. 

49. ebenda S. CXXX. Dem Belichte des Monachus Fürsten- 
fVldcnsis über diese Verhältoisiie wird mau daher doch kaum 
folgen dürfen : interim cives Argentinenses dolose partibus adulantes 
exhibuerunt se rogi Ludovico familiäres et officiosos . . . com- 
munitas et niaiorpars civitatis favebatei, sed maiores et potentiorea, 
qui videbantur re fröre populum, dam Australibus adherebant 
(Böhmer, Fontes rer. Germ. I, S. 57). 

50. Hauviller, a. a. 0. Urk. n. 293, 294 (1332). 

51. Hauviller, a. a. 0. S. CXXX. 



eine mächtige Stellung in der Stadtverfassuag einnahm, die 
Münzerbausgenossenschaft 

Um ihre Entwicklung zu verfolgen, gehen wir auf das 
erste Stedtrecht zurück. Nach diesem gingen diejenigen, die 
im Namen des Bischof» -die Mfinze in' der Stadt prägten, 
das „jus monetae" besessen, aus dem Kreis der bischöf- 
lichen Ministerialen hcnor.''- Es ist sehr zweifelhaft, ob man 
aus dem jus moiietae, das damals schon nur mit hoher Geld- 
zahlung zu erlangen war, '' die Existenz eines geschlossenen 
Verbandes ableiten kann. Denn erstens werden die Münzer 
noch nicht als Hausg^ennssen, unter w elchem Namen sie später 
als Verband auftreten, bezeichnet Zweitens erfahren wir 
noch nichts von den Rechten, mit denen die Münzer als Ge- 
nossenschaft ausgestattet sein müssten, nichts von ihren 
späteren Privilegien, die das Charakteristische ihres Verban- 
des ausmachten. Ferner ist der Kaufpreis des Rechtes zum 
grössten Teil noch an den Stadtherrn, den Bischof, zu zahlen.^* 
Schliesslich wird überhaupt den Ministerialen als den Un- 
freien des Bischofs der Wunsch, eine Genossenschaft zu 
bilden, ferngelegen haben. Denn das Wesen des späteren 
Vecbaudes der Hausgenossen kam gerade dann zum Aus- 
druck, dass er sich von dem Bischof unabhängig zu machen, 
dessen Rechte auf die Münze selbst zu erwerben, schliesslich 
seinen spezifisch patriziscfaen Charakter zu wahren suchte. 

Schon im 13. Jahrhundert strebten mit dem allgemeinen 
Aufschwung ihrer Macht die vornehmen und reichen Patrizier, 
die die Ratssitze innehatten, auch nach dem einträglichen und 
wi|[;bjtigeQ. Recht der Münzprägung. Di^ Ministerialen ver- 



52. Keuitgeii, ürlc. n 126. § (i3. 
6j5. ebi'iida § 77. 

64. ebenda: quiciunquo ius. muncUiu habere desiderat, dimidiam, 
marcam auri epi.5Cüpo dabit, moiictae magistro 5 d. auri, monetarüs 
20 Bol. gravis monetae. 



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— 131 — 



«diwatiden fast ganz aus den f^eihen der Mtinrer." Sie wur- 
den verdrängt. Vor 1266 fand, wie wir aus den nocli erhalte- 
nen Listen der Mflnzer ersehen, ein massenhafter Eintritt 
freier Bürger in den nunmehr unter dem Namen der Haus- 
genossen auftretenden Verband statt.^^ Wie wir dabei auch 
beobachten, erwarben das Recht nur die Mitglieder ratsfahlger 
Geschlechter.^^ Indem sich so diie Oenosseiischaft sozial lEib- 
schloss, musste sie den in der Stadt bestehenden Gegensatz 
der Klassen nur verstärlren. 

Noch mehr! Die Bürger suchten sich selbst in den Be- 
sitz des Münzregals /u setzen. Es kam soweit, dass der 
Bischof zeitweise an eine gewisse Anzahl kapitalkräftiger 
Bürger die Münze auf mehrere Jahre veräusserte.^^^ Damit 
erhielten diese das Recht, den Münzmeister aus ihrer Mitte 
zu ernennen. Das seit dem ersten Stadtrecht mit dem Blut- 
bann ausgestattete Münzmeistertum wurde eine Domäne we- 
niger Patrizierfamilien! 

Der soziale Ahschluss aber der Hausgenossen konnte 
sich nur durch einen ähnlichen Prozess vollziehen, wie die 
Bildung des Patriziats überhaupt, durch eine bewusste Fern- 
haltung heterogener Elemente. 

Im Anfang des 14. Jahrhunderts finden wir nun die 
Hausgenossen im Besitz umfassender Privilegien,'*^ Sic 
hielten diejenigen, die nicht ihres Standes waren, dadurch 
fem, dass nur der zum Eintritt berechtigt war, dessen Vater 

55. Verl. M ßaltzpi 1 len „Strassburger Stüdiwi" II, S. 63 

56. SUBI, 8. 488. Liste von 1266. £8 waren damals 869 
Mitglieder; vgl. Hanauer, Etudes ^conomiquea I, S, 140. 

57. Die Mitglioderzahl nahm noch zu, 1283 betrug sie bereita 

404 (SUB IV 2, S. 250). 

58. So a. 129« (SUB II, n 201); auch im 14. Jahrhundert 
fanflet) Veräusseruiigeu statt, z. B. zur Hälfte au den Rät, zur 
Hälfte au 4 Bürger i. J. IBOH (SUB IVo, S. 242). 

59. SÜB IV,, Aufzeichnungen über Müuze und Hau8- 
genosseu (zw. 1317 u. 1319) S. 243 ff. 



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selbst Hausgenosse war.*'^ Die Höhe des Eintrittsgeldes war 
dazu eine bedeutende.^^ Umfassend war die Gerichtsbar- 
keit des Münzmeisters. Er war bei Münzvergehen über jeden 
Bürger kompetent,*'^ über die Hausgenossen richtete er selbst 
in Sachen des Diebstahls.^^ Selbst für Streitigkeiten zwischen 
Hausgenossen und andern Bfiigem war sein Gericht kom- 
petent, wenn letztere sich seiner Jurisdiktion unterstellen 
wollten.^^ Den Hausgenossen stand allein das wichtige und 
einträgliche Recht des Geldwechsels in der Stadt zu,^^ 

EHirch ihre mächtige Stellung und den engen Zusammen- 
hang mit dem Patriziat übten die Hausgenossen entschieden 
auf die Bürgerschaft «inen bedeutenden Druck aus. Die Ge- 
fahr lag nahe, dass sie ihre Macht missbrauchen würden. 
Das scheint auch geschehen zu sein. Denn im Jahr 1319 kam 
es tatsächlich dahin, dass der Rat in einer Münzordnung in 
die Gerichtsbarkeit der Genossenschaft eingriff. Er gestattete 
dem Münzhüter, der für die Güte der Pfennige verantwortlich 
war und die Prägung kontrolierte, wenn er von den Haus- 
genossen zur Rede gesetzt wurde, Ratsboten zu dem Münz- 
gcricht hin/u/uzichcn. Erkannten diese dann, dass der Münz- 
hüter sein Amt rechtlich führe und dass die Hausgenossen 
ihm nur Unannehmlichkeiten bereiten wollten, so sollte die 
Angelegenheit vor das Ratsgericht gezogen werden.''^ Es 

60. ebenda § 9. 

61. ebenda § 44; S. '250. Vielleicht kann man selbst ein 
ein Streben nach Schliessung der Genossqnschaft beobacliteii. 
1285 waren es 404, 1832 nur noch 220 Mitglieder; vgl. Hanauer, 
a. a. O. S. 140. Ganze JTamilien waren iu der Genossenschaft 
vertreten. 

62. ebenda § 8, 11. 
68. ebenda § 10. 

64. ebenda § 41. 

65. ebenda § 8; vgl. Jid. C&hu, der Straasbui^er Stadt- 
wechsel iu ZGO&h 1899, S. 44 £F. 

66. SUB n, u 887. . 



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- 133 



scheint in der Tat öfters vorgekommen zu sein, dass der kon- 
trolierende Beamte von den nur im eigenen Interesse ar- 
beitenden Hausgenossen ungerechtfertigte Anschuldigungen 
erfuhr. Wenn nun direkt auch kein Anhaltspunkt vorhanden 
sein mag, dass die städtische Bevölkerung allgemein von 
Uebergriffen der Hausgenossen zu leiden hatte, so mag doch 
aus der Tatsache, dass jetzt eine Kontrole durch den Rat 
unter Umständen stattfand, folgen, dass eine Unzufriedenheft 
mit dem Hausgenosseng^ericht sich allgemein bemerkbar ge- 
macht hatte. Cahns Bemerkung in seiner Dissertation über 
die Münzgeschichte Strassburgs, „dass sich die Bürgerschaft 
wehrte gegen die Uebergriffe der adligen Genossenschaft, 
welche bald mit zum Ausbruch der Zunftrex olution führen 
sollten",*^^ scheint deshalb in gewisser Weise gerechtfertigt. 

Die Folgezeit beweist, wie sehr gerade die Zünfte be- 
dacht waren, die Mächtige Stellung der Hausgenossen zu er- 
schüttern. Kurze Zeit nach dem Sturz der alten Verfassung 
durch die Zünfte erwarb die Stadt durch Kauf nunmehr allein 
das Mfinzregal.^^ Wenn auch ein Streben der Stadt nach 
Anteil am Münzregal langst vor 1332 vorhanden war, so 
hängt wahrscheinlich doch der Verkauf der Münze im Jahr 
1334 mit dem Regierungswechsel in der Stadt eng zusammen, 
indem jetzt durch das bewusste Vorgehen des Rates die 
Hausgenossen alle ilire wichtigen Privilegien allmählich ein- 
büssten und ihrem Untergang entgegengingen.^^ 



67. Jul. Cahn, Münz- und Geldgeschiohte der Strassburg. 

Strassburger Dissertation vor 1895. S. 31. 

68. Süß V, n 34. 

C9. Vgl. Eheberg „Uebor das ältere deutsche Münzwesen 
und die Hausgenossenschaften, besonders in volkswirtschaftlicher 
Beziehung" in Schmollers „Staats- und sozialwissenschaftlichen 
Forschungen" II, 8. 171; R. Schröder, Rechtsgeschiclite S. 587; 
über den Vorlust des GeldwechnelB 8. bes. Jul, Cahii| der Strtiss- 
burger ötadtwechsel, a. a. 0. 



^- 134 - 



§ 2. Me VerfastongtHntfeninii vom Jahre 1332. 

Der in das Jahr 1332 fallende blutijrc Strasserikampf der 
T^arteieii Zorn und Mülnheim, der die Veranlassung für das 
tingreifen der Bürgerschaft wurde, ist neuerdings mehrfach 
Gegenstand der Darstellung geworden. ^ Es sind nunmehr 
auch die Ursachen und Umstände bekannt, die den Konflikt 
der Parteien herbeiführten. 

V. Borries hat vermutet, dass gerade damals imter den 
feindlichen Parteien die Frage der Nachfolge in die Stelle 
des Propstes von St. Thomas oft erörtert sein mag und dass 
man auf beiden Seiten für die Propstwürde Gegenkandidaten 
aufgestellt hat» vidleiciit Sigelin von Mülnheim auf der einen, 
Ulrich Süss auf der andern Seite.' Wir wissen, dass durch 
päpstliche Provision der offenbar damals zur päpstlichen 
Partei gehörende Sigelin von Mülnheim bereits im Jahr 1327 
ein Kanonikat an St Thomas erhalten hatte ^ und auch später 
zum Leidwesen der Zorn die Propstwürde empfing * Wäh- 
rend die Stadt üm Jahr 1332 das Fest der Rundtafel allgemein 
beging und die Parteien auf ihren Trinkstuben feierten,'' mag 
die Nachricht von dejn gerade erfolgten Tode des Propstes 
Ruiwin von St. Thomas die Parteien gegeneinander zum 
Ka,nipt aufgebracht haben.'' 

In diesen Kajnpf griffen die ,,erbern burger und antwerg- 
lüte" ein, als die Parteien sich vom Land her zu verstärken 
suchten und der Kaimpf weitere Dimensionen anzunehmen 



1. A. Schulte in ZGOfib, NF VIII, S. 494 ff.; n. Borries 
a. a. 0. S. 47-57. 

2. a. a. 0. S. 54. 

3. Hanvlllor a. a. 0. Urk. n. 105. 

i. Mathias von Neuenburg, a. a. 0. Cap. G7 (Ausg. v. Studer 
S. 101). 

5. lieber die Ruudtafel s. Schulte, a. a. 0. S. 505 ff, 

6. V. Borries, a. a. 0. S. 54. 



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— 135 — 

droMt'. Indem sie selbst zus H-ecstelJung^ des verletzten Stadt« 
frtcdea& dte Regiienuigsrechie an sieb na^en,^ schciäea sie 
zt^lekli* zu einec Neuordnungf der Stadtveifassung in demo- 
kratischfifai Sinn«» 

Das Restdtat war in der Hauptsache der Eintritt d«r 
Zftfifte in das Regifnent der Stadt durdi die Vertretung alier 
Zünfte i;m Rat, die Beseitigung der Ratskuren und d»Bvit der 

Zutritt der ganzen Bürgerschaft zu den Ratssitzen."^ 

Die Zahl der ehemaHgen Ratsstellen erlitt keine Ver- 
änderung. Die viertelj-ährlich im Vorsitz sich ablosenden vier 
Meister blieben nach wie vor Patrizier. Dagegen sollten die 
übrigen 21 Ratsstellen der ganzen Bürgerschaft zugäno;lich 
sein. Neu geschaffen aber wurden 25 Ratssitze für die Ab- 
geordneten der Zünfte, die nunimehr durcii Begründung neuer 
Zunftverbände auf 25 angewachsen waren.^ Der Vorsteher 
dieser zünftischen Vertreter ilm Rat w urde jetzt der Amman- 
meister.io Indem dieser im Rat an die Spitze der Handwerker 
trat, ward seine Stimme bald im ganzen Rat ausschlaggebend, 
und sein Aspii überflügelte bald alle andern Aemt«r der Stadt 
Der Eid, der il^ geschworen wurde, war der wichtigste, 
von allen Eiden.^^ 

Die neue Verfassung legt Zeugnis davon ab, wie imass- 
yoU knan an das Werk gegangen war.^^ jg^ Jass selbst den 
vomeh^rnen patrizischen Kreisen ein nicht zu unterschätzender 
Einfluss auf die tintschliebsungen der Zünfte zuzuschreiben 



7. Königshofen, a. a. 0. S. 77(3: und botent das sü in die 
stat befoihoot und m die 8liMlfi;el und inge^igale und baaer 
gebent. 

8. Closener, a. a. 0. S. 128. 

9. s. oben S. 87. 

10. s. oben S. Ii 5. 

11. Closener, a. a. 0. S. 123. 

12. Selbst der Ammaumeister blieb in dieser Zeit njQch» 
PatrijuAr (s. oben S. 116). 



— 136 — 



ist, beweist folgende Nachricht: iiabuerunt quoque .... duos 
assessores milites de prudentioribus .... primorum domi- 
norum videlicet dominum (lötzonem Orostein et dominum 
Rudolfum de Vegersheim milites, qui consiliis et tractatibus 
ipsorum poterant et oonsueverunt interesse, quonim eciam 
consilto plurimi in arduis regebantur.^ * Man mag diesen Per- 
sönlichkeiten eine solche Stellung eingeräumt haben, weil 
man auf ihre politisdie Erfahrung nicht verzichten wollte. 

So tritt uns denn trotz der gewaltigen Neuerung doch der 
konservative Charakter dieser Verfassung entgegen in der 
ersten Verfassungsurkunde, die die neue Regierung im Jahr 
1334 aufstellte, dem ersten „Schwörbrief", den jähriich die 
Behörden und die Büi^gersdiaft beschworen.^^ 

Der jährlich wechselnde Rat setzt sich aus 8 Rittern und 
Knechten,!^ 14 Bürgern, 25 Vertretern der Zünfte zusammen. 
An der Spitze stehen jetzt nidit mehr 4, sondern 
3 auf Lebenszeit^*' gewählte Meister, von denen der eine, 
der Ammanmeister, der Vorsteher der Zünfte sein soll. 

Wenn ein Meister stirbt, so wählt der Rat ausser den 
Vertretern der Ritter und Knechte, denen das aktive Wahl- 
recht nicht zugesprochen wird, den neuen. 

Zur Ratswahl tritt ein Ausschuss der drei Meister nebst 
sechs Handwerkern und vier Bürgern des alten Rats zu- 
sammen. Diese wählen den neuen Rat.^' Auch hier wird 



13. Nütae hist. Arg. in Böhmer, Fontes rer. Germ. III 

S. 119 (1332». 

14. He^rcl, a a. O. S. 932 ff. 

15. Zur Ritt erwünle der Strassbiir^er Geschlechter vgl. Fol tz, 
a. a. 0. S. 3G; im Auiang des 14. Jahrlniiulerts waren meist zwei 
Driltel der Ratf^herni Kitter. En ist de.shall> erklärlich, wenn die 
Kitt er jetzt t ur die Vertretung im ßat eine besondere KlaSBe 
bildeten. 

16. Dieser Modus besteht seit 1888 (Königshofen, a. a. 0. 
S. 780). 

17. Hegel, &. a. 0. S. 933. Eiue durch den Tod eines Bats> 



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— 137 — 



den Rittern und KiKclitcn das aktive Wahlrecht vorenthalten. 
Gegen sie als die Besitzer wohl aller Ratskurcn wurde stren- 
ger verfahren. Sie besonders sind denn auch gezwungen, 
die Ratskuren abzuschwören'*. 

Jeder Bürger von zwanzig Jahren muss auf die Ver- 
fassungsurkunde den Eid leisten. 

Dies die Orundzüge der neuen Verfassung. 

Die allgemeine Gemeindevertretung, der Schöffel und 
Amman wurde nicht aufgehoben. Auch hier musste mit dem 
Eindringen der Handwerker in die Aemter eine Erweiterung 
des Kreises, aus dem die Schöffel und Amman hervorgingen, 
auf die ganze Bürgerschaft eintreten.^^ 

Eine Aenderung in der Regelung der militärischen und 
sonstigen Pflichten der Bürger trat nicht ein. Denn wie wir 
sahen, wurde ja schon vor 1332 die Bürgerschaft zu diesen 
in den Verbänden der Konstafeln und Zünfte herangezogen. 



henrn eiitstaudene Lücke scheint nicht wieder ausgefüllt worden 
zu sein. 

18. ebenda. 

19. s. oben 8. 112. 



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B«riehtiguiig. 

Seit? 88, Zeile 17 lies: 100 eUtt 1090 — & 93« Z. 21: da» statt 
das, den- statt den 




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